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German Pages 426 Year 2007
Lars Blinda Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Innovatives Markenmanagement Herausgegeben von Professor Dr. Christoph Burmann, Universität Bremen, Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM®) Professor Dr. Manfred Kirchgeorg, HHL – Leipzig Graduate School of Management, Lehrstuhl für Marketingmanagement
Marken sind in vielen Unternehmen mittlerweile zu wichtigen Vermögenswerten geworden, die zukünftig immer häufiger auch in der Bilanz erfasst werden können. Insbesondere in reiferen Märkten ist die Marke heute oft das einzig nachhaltige Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Vor diesem Hintergrund kommt der professionellen Führung von Marken eine sehr hohe Bedeutung für den Unternehmenserfolg zu. Dabei müssen zukünftig innovative Wege beschritten werden. Die Schriftenreihe will durch die Veröffentlichung neuester Forschungserkenntnisse Anstöße für eine solche Neuausrichtung der Markenführung liefern.
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Lars Blinda
Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements Konzeptualisierung, Operationalisierung und Wirkungen
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Christoph Burmann
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Bremen, 2006
1. Auflage Januar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Loyal Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0681-2
Geleitwort
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Geleitwort Das Management von Marken wird auch heute noch häufig auf die kommunikative Vermarktung einer Leistung und damit auf eine äußerlich sichtbare „Hülle“ reduziert. Die für eine Marke zuständigen Mitarbeiter/-innen, so dass weit verbreitete Verständnis, sind damit letztlich nur „Werbeleute“. Dieses stark verkürzte Markenverständnis erklärt zu einem großen Teil die zahlreichen Markenmisserfolge in der Praxis. Wenn beispielsweise ein großer deutscher Touristikkonzern ein und dieselbe Dienstleistung im Airlinebereich innerhalb weniger Jahre und teilweise zeitgleich mit vier verschiedenen „Marken“ kennzeichnet, die gesamte Dienstleistung teilweise von konzernfremden Anbietern einkauft und „umlackiert“, diese „Marken“ einmal hochpreisig und ein anderes Mal als Discountangebot feilbietet, dann sollte es nicht verwundern, dass der Nachfrager das Vertrauen in diese „Marken“ verliert und (im Internet) nach den preisgünstigsten Angeboten sucht und die Sache (Organisation einer Urlaubsreise) selber in die Hand nimmt. Der moderne Kunde von heute erkennt sehr schnell, ob eine Marke ein verständliches und für ihn relevantes Nutzenversprechen macht und dieses auch tatsächlich einlösen kann oder in Ermangelung eigener Kompetenzen dieses nicht schafft. Die Wirkung von Marken auf das Kaufverhalten von Nachfragern hängt somit direkt und in hohem Maße von den Kompetenzen eines Unternehmens zur Führung von Marken ab. Diese für den nachhaltigen Erfolg von Marken elementare Einsicht wird in der Wissenschaft im Rahmen der „resource- and competence-based theory of the firm“ in jüngster Zeit aufgegriffen und analysiert. Vor diesem Hintergrund verfolgt Herr Dr. Blinda mit seiner Dissertation das Ziel, diesen noch jungen Theoriezweig der Betriebswirtschaftslehre vertiefend zu analysieren und für eine langfristig erfolgreiche Markenführung nutzbar zu machen. Als Basis seiner Überlegungen dient ihm dabei der identitätsbasierte Ansatz der Markenführung nach MEFFERT und BURMANN, weil dieser als einziger Markenführungsansatz in der betriebswirtschaftlichen Literatur die Kompetenzen der Organisation, die eine Marke führt, als Element der Markenidentität und damit als wesentliche Determinante des Markenerfolgs definiert. Die aus der theoretischen Analyse gewonnenen Erkenntnisse überprüft Herr Dr. Blinda anschließend auf der Basis einer fundierten empirischen Analyse bei 161 markenführenden Unternehmen in Deutschland und kommt dabei zu sehr interessanten Ergebnissen. Die vorliegende Dissertation ist der neunte Band der Buchreihe zum „innovativen Markenmanagement“ des Deutschen Universitäts-Verlags (DUV). Diese Reihe do-
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Geleitwort
kumentiert die Forschungsarbeiten am deutschlandweit ersten und einzigen Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM) an der Universität Bremen und des Lehrstuhls für Marketingmanagement an der privaten Handelshochschule Leipzig (HHL). Gleichzeitig sollen weitere Forschungsbemühungen zum innovativen Markenmanagement motiviert und ein reger Erfahrungsaustausch angestoßen werden. Als Herausgeber freuen wir uns über jede Art von Feedback zu dieser Buchreihe und dem hier vorliegenden neunten Band ([email protected] oder [email protected]). Es ist auch zukünftig geplant, mindestens drei Dissertationen pro Jahr in dieser Reihe zu veröffentlichen, um in kurzen Abständen immer wieder mit neuen Ideen das wachsende Interesse am Thema „innovatives Markenmanagement“ zu beleben. Abschließend wünsche ich der Arbeit von Herrn Dr. Lars Blinda aufgrund ihrer hohen konzeptionellen und empirischen Qualität eine weite Verbreitung in Wissenschaft und Praxis.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann
Vorwort
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Vorwort Marken sind heute längst mehr als Images oder mit Zeichenbündeln markierte Produkte. Marken sind zu Wegbegleitern und Orientierungspunkten im täglichen Leben geworden. Sie wecken bei den Kunden Emotionen, sind mitunter sogar Objekte der Sehnsucht und stillen Bedürfnisse, die auch die Kunden selbst nur schwer in Worte fassen können. Aus diesen Charakteristika entspringt die komplexe Herausforderung für Unternehmen, Marken in ihren physisch-funktionalen und symbolischen Dimensionen so zu gestalten, dass sie den hohen Ansprüchen der Kunden wettbewerbsüberlegen gerecht werden. Dies ist jedoch weder allein durch kommunikationspolitische Instrumente des Marketings noch durch ingenieursgetriebene Innovationen oder exzellente Prozesssteuerung möglich. Lediglich eine holistische Perspektive und Verzahnung aller markenrelevanten Aktivitäten vermag das gesamte Wirkungspotenzial von Marken zu erschließen. Dies bedingt bei Unternehmen die Existenz von spezifischen organisationalen Fähigkeiten entlang eines ganzheitlichen Markenmanagementprozesses sowohl auf der strategischen als auch auf der operativen Ebene der Unternehmensführung. Die Qualität dieser Markenführungskompetenzen entscheidet letztlich direkt über den Markterfolg von Marken. Vor diesem Hintergrund ist der Gegenstand dieser Arbeit die konzeptionelle und empirische Analyse von Markenführungskompetenzen und ihren Wirkungen auf den Markenerfolg. Grundlage der Betrachtung bildet der Ansatz des identitätsbasierten Markenmanagements nach MEFFERT und BURMANN. Dieser integriert durch seine duale Perspektive der externen Wirkungs- und der internen Aktionsebene der Markenführung als einer der wenigen Ansätze der Marketingforschung Kompetenzen im Sinne von Handlungspotenzialen als Bindeglied zwischen Markt- bzw. Kundenanforderungen auf der einen Seite und Ressourcen von Unternehmen auf der anderen Seite in ein Gesamtkonzept der Markenführung. Der Fokus dieser Untersuchung liegt primär auf der internen Aktionsebene. Aufbauend auf sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen entwickelt die Arbeit den Ansatz in wichtigen Teilfacetten konzeptionell weiter. Darüber hinaus baut die Arbeit auf Erkenntnissen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung, insbesondere dem Competence-based View und jüngsten Forschungsinitiativen um eine Competence-based Theory of the Firm, auf. Diese werden in die Konzeptualisierung der Markenführungskompetenzen als Komponente der Markenidentität integriert und bilden den Ausgangspunkt der empirischen Untersuchung, Markenführungskompetenzen für die Erklärung von Erfolgsdivergenzen zwischen markenführenden Institutionen heranzuziehen. Dabei wird sowohl der Erklärungs- als auch der Gestaltungsaufgabe einer entscheidungsorientier-
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Vorwort
ten Betriebswirtschaftslehre Rechnung getragen, indem zunächst theoretischdeduktiv ein Erklärungsmodell zu Markenführungskompetenzen aus dem Schrifttum abgeleitet und im Anschluss empirisch untersucht wird. Die Ergebnisse bestätigen die praxeologische und theoretische Relevanz von Markenführungskompetenzen für den Erfolg von markenführenden Institutionen. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 2006 am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen als Dissertation angenommen. Die Erstellungsphase einer solchen Arbeit ist immer eine schwierige Zeit, geprägt von akademischen wie persönlichen Herausforderungen. Der erfolgreiche Abschluss wäre daher ohne die Unterstützung zahlreicher Personen nicht möglich gewesen. Zunächst gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater, Herrn Univ.-Prof. Dr. Christoph Burmann, der mir während der Zeit am Lehstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM®) ein geduldiger akademischer Lehrer war. Die vielen Diskussionen mit intensivem und konstruktivem Feedback haben die Arbeit stets ein großes Stück vorangebracht und an vielen Stellen geschärft. Mein Dank bezieht sich ebenso auf die gemeinsame Aufbauzeit am LiM®, die in vielerlei Hinsicht eine lehrreiche Phase war. Des Weiteren bedanke ich mich ganz herzlich bei Herrn Univ.-Prof. Dr. Jochen Zimmermann. Dieser Dank bezieht sich nicht nur auf die kurzfristige Übernahme des Zweitgutachtens, sondern vielmehr noch auf die Begleitung und nachhaltige Unterstützung meiner akademischen „Karriere“ von der ersten Vorlesung bis zum Abschluss der Promotion. Dem gesamten Team des LiM® gebührt ein besonderer Dank. An erster Stelle möchte ich Dr. Axel Nitschke nennen, mit dem ich dreieinhalb Jahre das Büro und viele freudige sowie auch frustrierende Erfahrungen geteilt habe. „Herr Kollege!“ Was haben wir nicht alles in der LiM®-Anfangszeit und danach gemeinsam erlebt! Danken möchte ich auch Heidi Schröder, die mehr als eine gute Seele des Lehrstuhls ist und den Charakter des LiM® mit ihrem Einsatz und ihrer frohen Natur entscheidend mit geprägt hat. Dies gilt ebenso für Julia „Julchen“ Oesterling und Christian „Fedse“ Feddersen, die als erste studentische Hilfskräfte des Lehrstuhls fast von der ersten Stunde an dabei waren und durch ihr Engagement und ihre Liebenswürdigkeit sowohl für den LiM® als auch für sich etwas Besonderes geschaffen haben. Euch und Euer jungen Familie wünsche ich von Herzen alles Gute! Ebenfalls vom LiM®-Team zu nennen sind: Philip Maloney, der durch sein altruistisches Verhalten und sein akademisch-familiäres Multi-Tasking Vorbild war und ist, Jan-Philipp Weers, mit dem man sich wie mit wenigen anderen neben statistischen Verfahren vortrefflich über Politik und Gesellschaft hitzige Debatten liefern konnte, Verena Wenske, die mit ihrer fröhlichen und neuen Art den Lehrstuhl nur positiv bereichert, Marc-Jost Benz, der
Vorwort
IX
mit seiner Bescheidenheit und für seine Rolle weit überdurchschnittlichen Input- und Feedbackbereitschaft am Lehrstuhl Maßstäbe setzt, sowie Rico Piehler, mit dem eine neue Generation von Kollegen die wissenschaftlichen und praktischen Projekte am LiM® verlässlich vorantreiben wird. Ferner möchte ich mich bei Dr. Michael Welling, Dr. Sabrina Zeplin und Dr. Katharina Schaefer für ihre wertvollen Anregungen während der Dissertationserstellung bedanken. Besonders hervorzuheben ist auch „MOH“ Marc Oliver Harder, der in der heißen Phase der Dissertation mit scharfem Auge und formattechnischer Präzision mithalf, dem Manuskript den letzten Schliff zu verschaffen. Hierfür herzlichen Dank! Nicht versäumen möchte ich, meine Tennis-„Profis“ zu nennen, die mir auf dem Platz so oft den notwendigen physischen wie psychischen Ausgleich vom Schreibtisch verschafft haben. Dies gilt ebenso für Thorben, der mir stets verlässlich den Rücken gestärkt hat, sowie für Rita und Reiner mit ihren vielen Ratschläge und ihrer Herzlichkeit. Schließlich möchte ich meiner Freundin Inken für all ihr Verständnis während der Lehrstuhlzeit und ihre seelisch-moralische Unterstützung während der Dissertationsphase danken. Sie hat, mehr als sie selbst vielleicht vermutet, aus der Ferne wie aus der Nähe durch ihre Geduld und ihre Liebe am Gelingen dieser Arbeit und viel mehr mitgewirkt. Zu guter Letzt bleibt mein tiefster Dank bei meinen Eltern, meiner Schwester Nina und meinen Großeltern. Sie haben mir seit frühester Kindheit durch die familiäre Wärme und die stete Förderung auch in schwierigeren Phasen stets den Rückhalt gegeben, der die Grundlage für meine Promotion bildet. Ihnen widme ich diese Arbeit in Liebe und Dankbarkeit.
Lars E. Blinda
Inhaltsverzeichnis
XI
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis ............................................................................................ XXI Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................XXV A
Relevanz von Markenführungskompetenzen ................................................. 1
1
Wachsende Relevanz der Markenführung für die Unternehmensführung... 1
2
Notwendigkeit einer stärker kompetenzorientierten Markenführung ........... 6 2.1 Kompetenzorientierung in der Unternehmensführung ................................ 6 2.2 Kompetenzorientierung im Marketing ....................................................... 11 2.3 Kompetenzorientierung in der Markenführung.......................................... 15 2.3.1
Klassische Ansätze der Markenführung....................................... 15
2.3.2
Aktuelle Ansätze der Markenführung ........................................... 20
2.4 Forschungsbedarf zu Kompetenzen der Markenführung .......................... 25 3
Zielsetzung der Untersuchung....................................................................... 27
4
Methodologische Einordnung und Aufbau der Untersuchung ................... 30
B
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen ....................................................................... 35
1
Entwicklung der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung....... 35 1.1 Market-based View als lange dominierendes Paradigma ......................... 35 1.2 Resource-based View............................................................................... 40 1.3 Competence-based View.......................................................................... 52
2
Konzeptioneller Rahmen zur Analyse von Markenführungskompetenzen: der identitätsbasierte Markenführungsansatz.............................................. 67 2.1 Anforderungen an einen modernen, kompetenzfokussierten Markenführungsansatz ............................................................................. 67 2.2 Identitätsbasiertes Markenmanagement als holistischer Ansatz der Markenführung.......................................................................................... 72
Inhaltsverzeichnis
XII
3
2.2.1
Markenwert und Markenstärke als Oberziele der identitätsbasierten Markenführung ............................................... 73
2.2.2
Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung ............... 79 2.2.2.1
Akquisition werthaltiger Kunden .................................. 82
2.2.2.2
Bindung werthaltiger Kunden ...................................... 86
2.2.3
Markenidentität als Gestaltungsobjekt der Markenführung .......... 94
2.2.4
Markenimage als Marktwirkungskonzept der Markenführung .... 109
2.2.5
Prozess der identitätsbasierten Markenführung ......................... 113
Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen............................ 119 3.1 Konzeptualisierung und Strukturierung von Kompetenzen ..................... 120 3.2 Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Unternehmensführungskompetenzen des strategischen Managements ......................................................................................... 126 3.2.1
Ansatz von HITT/IRELAND ............................................................ 126
3.2.2
Ansatz von DAY .......................................................................... 130
3.2.3
Ansatz von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA.......................... 136
3.2.4
Ansatz von DESARBO ET AL. ........................................................ 143
3.3 Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Marketingkompetenzen........................................................................... 148 3.3.1
Ansatz von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN ................................. 149
3.3.2
Ansatz von HOOLEY ET AL. .......................................................... 152
3.3.3
Ansatz von VORHIES/MORGAN ..................................................... 157
3.4 Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen ................................................................ 162 3.4.1
Ansatz von WILLRODT ................................................................. 162
3.4.2
Ansatz von FREILING/WELLING .................................................... 167
3.5 Konzeptualisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes................................................................. 172 3.5.1
Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen.............. 172
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.5.2
Identitätsbasierter Managementprozess als Basis der Strukturierung............................................................................. 175
3.5.3
Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung ............................................. 178
3.5.4
3.5.3.1
Markeninformationsabsorptionskompetenz............... 178
3.5.3.2
Strategische Markenplanungskompetenz ................. 180
3.5.3.3
Markenevolutionskompetenz..................................... 180
3.5.3.4
Interne Markendurchsetzungskompetenz ................. 182
3.5.3.5
Operative Markenumsetzungskompetenz ................. 184
3.5.3.6
Markencontrollingkompetenz .................................... 184
Meta-Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung....... 186 3.5.4.1
Kundenakquisitionskompetenz.................................. 186
3.5.4.2
Kundenbindungskompetenz...................................... 187
3.6 Konzeptualisierung des Markenerfolgs ................................................... 188 3.7 Spezifikation der marktlichen Rahmenbedingungen als unternehmensexterne situative Einflussfaktoren .................................... 193 4
Integratives Erklärungsmodell und Forschungshypothesen .................... 196 4.1 Integratives Erklärungs- und Wirkungsmodell als Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung ..................................................................... 196 4.2 Bildung der Untersuchungshypothesen .................................................. 198
C
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen ..................................................................... 201
1
Ausgangslage und Vorgehen....................................................................... 201
2
Konzeption und Design der Befragung....................................................... 202 2.1 Datenerhebungsmethode und Entwicklung des Erhebungsinstruments ............................................................................ 202 2.2 Grundlagen zur Operationalisierung der im Modell enthaltenen Konstrukte............................................................................................... 208 2.3 Fragebogenaufbau und Pre-Test............................................................ 214 2.4 Stichprobenselektion und Datengenerierung .......................................... 217
Inhaltsverzeichnis
XIV
3
Methodische Grundlagen und Kriterien der quantitativen Analyse.......... 224 3.1 Methodische Grundlagen von multivariaten Diskriminanzvergleichen .... 224 3.2 Vorgehensweise zur Beurteilung von Konstruktoperationalisierungen und Messmodellen.................................................................................. 229 3.3 Vorgehensweise zur Beurteilung des Gesamtmodells............................ 235 3.4 Strukturkoeffizienten zur Interpretation der Prädikatorvariablen des Gesamtmodells....................................................................................... 238
4
Operationalisierung der Untersuchungskonstrukte .................................. 240 4.1 Operationalisierung der Markenführungskompetenzen .......................... 240 4.1.1
Operationalisierung der Markeninformationsabsorptionskompetenz.................................................................................. 241
4.1.2
Operationalisierung der strategischen Markenplanungskompetenz.................................................................................. 246
4.1.3
Operationalisierung der Markenevolutionskompetenz ............... 249
4.1.4
Operationalisierung der internen Markendurchsetzungskompetenz.................................................................................. 252
4.1.5
Operationalisierung der operativen Markenumsetzungskompetenz.................................................................................. 260
4.1.6
Operationalisierung der Markencontrollingkompetenz ............... 264
4.1.7
Operationalisierung der Meta-Kompetenzen zur Kundenakquisition und Kundenbindung ................................................. 267
4.2 Operationalisierung des Markenerfolgs .................................................. 268 4.3 Operationalisierung der situativen Kontextfaktoren ................................ 272 5
Ergebnisse des Kompetenzprofilvergleichs von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Markenorganisationen ............................................ 275 5.1 Divergenzen bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz ........... 277 5.2 Divergenzen bei der strategischen Markenplanungskompetenz............. 278 5.3 Divergenzen bei der Markenevolutionskompetenz ................................. 280 5.4 Divergenzen bei der internen Markendurchsetzungskompetenz ............ 282 5.5 Divergenzen bei der operativen Markenumsetzungskompetenz ............ 287 5.6 Divergenzen bei der Markencontrollingkompetenz ................................. 289
Inhaltsverzeichnis
XV
5.7 Divergenzen bei der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz .............................................................................................. 291 5.8 Divergenzen bei den marktlichen Rahmenbedingungen ........................ 292 6
Prüfung des Gesamtmodells zum Zusammenhang von Markenführungskompetenzen und Markenerfolg ...................................... 294 6.1 Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg......... 294 6.1.1
Wirkung der Markeninformationsabsorptionskompetenz auf den Markenerfolg ....................................................................... 295
6.1.2
Wirkung der strategischen Markenplanungskompetenz auf den Markenerfolg ....................................................................... 297
6.1.3
Wirkung der Markenevolutionskompetenz auf den Markenerfolg .............................................................................. 299
6.1.4
Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg ....................................................................... 301
6.1.5
Wirkung der operativen Markenumsetzungskompetenz auf den Markenerfolg ....................................................................... 304
6.1.6
Wirkung der Markencontrollingkompetenz auf den Markenerfolg .............................................................................. 305
6.1.7
Wirkung der Kundenakquisitionskompetenz und der Kundenbindungskompetenz auf den Markenerfolg .................... 307
6.1.8
Wirkung der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg .............................................................................. 308
6.2 Betrachtung des Gesamtmodells............................................................ 310 D
Schlussbetrachtung und Ausblick .............................................................. 317
1
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse ................................... 317
2
Implikationen für das Management von Markenführungskompetenzen .. 323
3
Implikationen für weiterführende Forschungen zu Markenführungskompetenzen und deren Wirkungen................................ 327
Anhang ................................................................................................................. 331
XVI
Inhaltsverzeichnis
Literaturbeiträge zur Strukturierung von marktbasierten Kompetenzen, Marketing- und Markenführungskompetenzen........................................... 331 Übersicht über selektierte Branchen im Rahmen der Unternehmensbefragung nach NACE 2003 Branchencodes .................... 334 Fragebogen.................................................................................................... 335 Literaturverzeichnis .............................................................................................347
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Entwicklungsphasen des Markenwesens im Zeitablauf .................. 16
Abbildung 2:
Zentrale Grundlagen und Ziele der Untersuchung .......................... 29
Abbildung 3:
Gegenüberstellung der grundlegenden Wirkungsketten des MBV und RBV Ansatzes .......................................................................... 43
Abbildung 4:
VRIN-Merkmale von Ressourcen als Ursachen für Erfolgsdivergenzen zwischen Unternehmen .............................................. 45
Abbildung 5:
Grundaussage des RBV: Ressourcen als Grundlage von Wettbewerbsvorteilen...................................................................... 47
Abbildung 6:
Kompetzen als organisationale Meta-Fähigkeiten........................... 59
Abbildung 7:
Die Argumentationslogik des Competence-based View.................. 62
Abbildung 8:
Determinantenstruktur des Markenwerts im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung .................................................. 77
Abbildung 9:
Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als Basis einer starken Marke-Kunden-Beziehung............................................................... 79
Abbildung 10: Handlungsoptionen der Kundenakquisition ..................................... 82 Abbildung 11: Kundenwert in der Automobilbranche ............................................. 85 Abbildung 12: Intensität der Kundenbindung im Kundenbeziehungslebenszyklus.................................................................................... 89 Abbildung 13: Konzeptualisierung der Marke-Kunden-Beziehung im identitätsbasierten Markenmanagement ......................................... 92 Abbildung 14: Markenidentität als Führungs- und Aussagenkonzept des Markenmanagements.................................................................... 100 Abbildung 15: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements und konstitutive Komponenten der Markenidentität und des Markenimages............................................................................... 103 Abbildung 16: Markenherkunft im Kontext der Markenhistorie............................. 104 Abbildung 17: Markenführungskompetenzen als Komponente der Markenidentität.............................................................................. 107 Abbildung 18: Prozess des identitätsbasierten Markenmanagements ................. 115 Abbildung 19: Kriterien zur Bewertung der Strukturierungsansätze ..................... 122
XVIII
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 20: Verständnis von Marketing als Unternehmensaufgabe ................. 124 Abbildung 21: Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Unternehmenserfolg nach HITT/IRELAND ............................................................... 127 Abbildung 22: Sources of Competitive Advantage and Superior Value nach DAY ....................................................................................... 132 Abbildung 23: Strukturierung von Kompetenzfeldern der marktorientierten Unternehmensführung nach DAY (1994) ...................................... 133 Abbildung 24: Modell zum "Comparative Advantage in Resources and Business Performance" ................................................................. 140 Abbildung 25: „Firm strategic capability areas“ nach DESARBO ET AL.................... 144 Abbildung 26: Hierarchisierung von Marketingkompetenzen nach HOOLEY ET AL. ................................................................................ 153 Abbildung 27: "Marketing capabilities" und Unternehmenserfolg nach VORHIES/MORGAN........................................................................... 158 Abbildung 28: Markenkompetenzen nach WILLRODT ............................................ 164 Abbildung 29: Strukturierung von (Markenführungs)Kompetenzen nach FREILING/WELLING .......................................................................... 169 Abbildung 30: Markenaktivitäten im Schrifttum zur Markenführung ..................... 176 Abbildung 31: Strukturierung von Markenführungskompetenzen im identitätsbasierten Markenmanagement...................................................... 177 Abbildung 32: Konzeptualisierung des Markenerfolgs ......................................... 192 Abbildung 33: Marktliche Rahmenbedingungen als situative Kontextfaktoren ..... 195 Abbildung 34: Erklärungs- und Wirkungsmodell der identitätsbasierten Markenführungskompetenzen als Bezugsrahmen der empririschen Untersuchung................................................................................ 197 Abbildung 35: Grundgedanke der reflektiven und formativen Messmodelle ........ 210 Abbildung 36: Fragebogen-Struktur der Unternehmensbefragung ...................... 215 Abbildung 37: Übersicht über die Funktionen der Befragungsteilnehmer ............ 220 Abbildung 38: Mitarbeiterzahl und Branchenzugehörigkeit der teilnehmenden Unternehmen ................................................................................ 221
Abbildungsverzeichnis
XIX
Abbildung 39: Operationalisierung von Informationskompetenzen i.w.S. nach VORHIES/MORGAN (2005), RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) sowie DESARBO ET AL. (2005) ............................................. 243 Abbildung 40: Operationalisierungen der Marketing-Planung nach VORHIES/ MORGAN (2005) und CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) ........... 246 Abbildung 41: Operationalisierung von Produktentwicklungs- bzw. Innovationskompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/ VARADARAJAN (1990) sowie DESARBO ET AL. (2005) ....................... 250 Abbildung 42: Operationalisierungen von operativen Marketingkompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) sowie DESARBO ET AL. (2005) ............................................. 261 Abbildung 43: Operationalisierungen von Marketingcontrollingkompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) und DESARBO ET AL. (2005) ................................................ 264 Abbildung 44: Operationalisierung und Statements der beiden Marken-MetaKompetenzen ................................................................................ 268 Abbildung 45: Operationalisierung des Markenerfolgs nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) und HOOLEY ET AL. (1999)............................................................................................ 269 Abbildung 46: Operationalisierungen der marktlichen Rahmenbedingungen nach VORHIES/MORGAN (2005) und DESARBO ET AL. (2005) ............ 273 Abbildung 47: Operationalisierung und Statements der marktlichen Rahmenbedingungen .................................................................... 274 Abbildung 48: Divergenzen in der Beurteilung über die Ausprägungen der Markenführungskompetenzen im Vergleich zum Wettbewerb ...... 276 Abbildung 49: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz .................................................................. 277 Abbildung 50: Kompetenzprofildivergenzen bei der strategischen Markenplanungskompetenz ...................................................................... 279 Abbildung 51: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markenevolutionskompetenz..................................................................................... 281 Abbildung 52: Kompetenzprofildivergenzen bei der internen Markendurchsetzungskompetenz ............................................................. 283
XX
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 53: Kompetenzprofildivergenzen bei der operativen Markenumsetzungskompetenz ................................................................. 287 Abbildung 54: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markencontrollingkompetenz..................................................................................... 290 Abbildung 55: Divergenzen bei der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz..................................................................................... 291 Abbildung 56: Divergenzen bei den marktlichen Rahmenbedingungen ............... 293 Abbildung 58: Veredelungs-, Marktzufuhr- und Meta-Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung ................................................ 320
Tabellenverzeichnis
XXI
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Beiträge im angelsächsischen Sprachraum zum Marketing und zur Marktorientierung im Kontext der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung seit dem Jahr 2000.................... 15
Tabelle 2:
Überblick über allgemeine Beiträge des RBV zum strategischen Management in den 80er und 90er Jahren ..................................... 42
Tabelle 3:
Übersicht über Definitionen des Begriffes „Ressource" in der Literatur ........................................................................................... 49
Tabelle 4:
Übersicht über ausgewählte Definitionen des Kompetenz-Begriffs des 20. Jahrhunderts....................................................................... 56
Tabelle 5:
Marketing-Kompetenzaktivitäten nach HITT/IRELAND ..................... 129
Tabelle 6:
Abgrenzungen marktorientierter Kompetenzen nach RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA ............................................... 139
Tabelle 7:
„Distinctive Marketing Competencies“ nach CONANT/MOKWA/VARANDARAJAN..................................................... 150
Tabelle 8:
Konzeptualisierung der drei Marketingkompetenzebenen nach HOOLEY ET AL. ................................................................................ 155
Tabelle 9:
Forschungshypothesen zum Kompetenzprofil von markenführenden Organisationen ................................................. 199
Tabelle 10:
Forschungshypothesen zur Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg .................... 199
Tabelle 11:
Bewertung von Datenerhebungsansätzen .................................... 204
Tabelle 12:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markeninformationsabsorptionskompetenz................................... 244
Tabelle 13:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der strategischen Markenplanungskompetenz .................................... 247
Tabelle 14:
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz für die modifizierte strategische Markenplanungskompetenz ............. 248
Tabelle 15:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markenevolutionskompetenz......................................................... 251
XXII
Tabellenverzeichnis
Tabelle 16:
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der Markenevolutionskompetenz ....... 252
Tabelle 17:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der internen Markendurchsetzungskompetenz.................................... 254
Tabelle 18:
Faktorenstruktur, rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der internen Markendurchsetzungskompetenz ................................................. 257
Tabelle 19:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für die einzelnen Dimensionen des modifizierten dreidimensionalen Messmodells der internen Markendurchsetzungskompetenz ............................. 259
Tabelle 20:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der operativen Markenumsetzungskompetenz.................................... 262
Tabelle 21:
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der operative Markenumsetzungskompetenz ..................................................... 263
Tabelle 22:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markencontrollingkompetenz ........................................................ 266
Tabelle 23:
Reliabilitäts- und Validitätswerte für das modifizierte Messmodell der der Markencontrollingkompetenz ............................................ 267
Tabelle 24:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt des Markenerfolgs ............................................................................... 270
Tabelle 25:
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells des Markenerfolgs.............................. 271
Tabelle 26:
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt Marktwachstum ............................................................................. 274
Tabelle 27:
Beurteilung der Wirkung der Markeninformationsabsorptionskompetenz auf den Markenerfolg .................................................. 296
Tabelle 28:
Beurteilung der Wirkung der strategischen Markenplanungskompetenz auf den Markenerfolg ....................... 298
Tabelle 29:
Beurteilung der Wirkung der Markenevolutionskompetenz auf den Markenerfolg .......................................................................... 300
Tabellenverzeichnis
XXIII
Tabelle 30:
Beurteilung der Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg .................................................. 302
Tabelle 31:
Beurteilung der Wirkung der operativen Markenumsetzungskompetenz auf den Markenerfolg .................................................. 304
Tabelle 32:
Beurteilung der Wirkung der Markencontrollingkompetenz auf den Markenerfolg .......................................................................... 306
Tabelle 33:
Beurteilung der Wirkung der Kundenakquisitionskompetenz auf den Markenerfolg .......................................................................... 307
Tabelle 34:
Beurteilung der Wirkung der Kundenbindungskompetenz auf den Markenerfolg .......................................................................... 307
Tabelle 35:
Beurteilung der Wirkung der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg .................................................................... 309
Tabelle 36:
Beurteilung des Gesamtmodells zum Zusammenhang zwischen Markenführungskompetenzen, Meta-Komptenzen, marktlichen Rahmenbedingungen und Markenerfolg ....................................... 312
Tabelle 37:
Korrelationsmatrix der aggregierten Markenführungskompetenzen und der Meta-Kompetenzen der Markenführung .... 314
Tabelle 38:
Empirische Ergebnisse der Überprüfung der Forschungshypothesengruppe H1 ................................................................... 322
Tabelle 39:
Empirische Ergebnisse der Überprüfung der Forschungshypothesengruppe H2 ................................................................... 323
Tabelle 40:
Literaturbeiträge zur Strukturierung von marktbasierten Kompetenzen, Marketing- und Markenführungskompetenzen ...... 333
Abkürzungsverzeichnis
XXV
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AMA
American Marketing Association
Aufl.
Auflage
B2B
Business to Business
B2C
Business to Consumer
BC
Brand Commitment
BCB
Brand Citizenship Behaviour
Bd.
Band
BSC
Balanced Scorecard
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
CITC
Corrected-Item-to-Total-Correlation
CRM
Customer Relationship Management
ca.
circa
CBV
Competence-based View
CbTF
Comeptence-based Theory of the Firm
CITK
Corrected-Item-To-Total-Correlation
d. h.
das heißt
Diss.
Dissertation
DPMA
Deutsches Patent- und Markenamt
et al.
et alii, et alia, et alteri
etc.
et cetera
F&E
Forschung und Entwicklung
f., ff.
folgende, fortfolgende
FMCG
Fast Moving Consumer Goods
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
ggf.
gegebenenfalls
Habil.
Habilitation
herv.
hervorgehoben
Hrsg.
Herausgeber
i. e. S.
im eigentlichem Sinne
IO
Industrial Organization
i. S.
im Sinne
Abkürzungsverzeichnis
XXVI
ISIC
International Standard Industrial Classification
Jg.
Jahrgang
Kap.
Kapitel
KMO
Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium
LiM
Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement
MarkenG
Markengesetz
MBV
market-based view
MCM
Marketing Centrum Münster
MSA
measure of sampling adequacy
MSI
Marketing Science Insitute
MW
Mittelwert
NACE
Nomenclature générale des activités économiques
NPD
New Product Development
o. V.
ohne Verfasser
PoS
Point of Sale
PVÜ
Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des geistigen Eigentums
RBV
resource-based view
R-C-P
Resource-Conduct-Performance
ROA
Return on Assets
ROI
Return on Investment
S.
Seite
SBU
Strategic Business Unit
SCM
Supply Chain Management
S-C-P
Structure-Conduct-Performance
SGE
Strategische Geschäftseinheit
sog.
so genannte
SMJ
Strategic Management Journal
SPSS
Superior Performance Software System
S&P 500
Standard & Poor 500
Tab.
Tabelle
TQM
Total Quality Management
u. a.
und andere, unter anderem
Verf.
Verfasser
vgl.
vergleiche
Abkürzungsverzeichnis
VIF
XXVII
Variance Inflation Factor
Vol.
Volume
vs.
versus
z. B.
zum Beispiel
Relevanz von Markenführungskompetenzen
A
Relevanz von Markenführungskompetenzen
1
Wachsende Relevanz der Markenführung für die Unternehmensführung
1
„Marke: das ist keine mathematische Gleichung! Das ist die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens, […] um die Existenz des Unternehmens zu sichern!“1 Mit dieser provokativen These konstatiert der ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende der Deutschen Post AG und langjähriger Geschäftsführer der Brauerei Beck & Co. Senator a. D. JOSEF HATTIG eine Erkenntnis, welche in Wissenschaft und Praxis in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat: Marken sind im Kampf um Marktanteile und operative Gewinne zu entscheidenden Erfolgsfaktoren der Unternehmensführung geworden.2 Dabei lassen sich mehrere Herausforderungen identifizieren, die es Unternehmen3 erschweren, ihre Markt- und Ertragsposition nachhaltig zu sichern oder weiter auszubauen. Marktsättigungstendenzen in vielen Branchen, wie z. B bei kurzlebigen Konsumgütern, beschränken die organischen Wachstumsmöglichkeiten.4 Demgegenüber steigt die Anzahl der jährlichen Produkt- und Markeneinführungen in Deutschland.5 Durch die Globalisierung neu in den Markt eintretende Wettbewerber mit teilweise überlegenen Kostenstrukturen erhöhen zusätzlich den Verdrängungswettbewerb um Marktanteile auf den heimischen Märkten.6 Ferner steigt die Markt-
1
HATTIG (2004) bei der Festrede zum 50-jährigen Jubiläum des Marketing Clubs Bremen e.V. im November 2004. Vgl. HATTIG (2005), S. 9.
2
Vgl. u. a. KAPFERER (2001); S. 3; AHLERT/PLAßMANN (2002), S. 1; sowie für die Praxissicht RIESENBECK/PERREY (2005), S. 16 und eine von Droege & Company erhobene Einschätzung von Top-Managern, welche die Marke als bedeutendsten Wertreiber sehen. Vgl. KRICSFALUSSY/ SEMLISCH (2000).
3
Die Begriffe „Unternehmen“ und „Unternehmung“ werden im Rahmen dieser Arbeit synonym im Sinne einer Institution verwendet.
4
So sank beispielsweise der Umsatz des Lebensmitteleinzelhandels mit Food und Non-Food Waren innerhalb von sieben Jahren um knapp 4% von € 296 Mrd. im Jahr 1997 auf € 284,2 Mrd. Vgl. GfK (2005a), S. 3.
5
Im Jahr 2004 waren in Deutschland über 715.000 Marken angemeldet. Die Zahl der NeuAnmeldungen von nationalen Marken in Deutschland ist im dritten Jahr in Folge auf 65.918 Anmeldungen gestiegen. Vgl. Deutsches Patent- und Markenamt (2004), S. 8. Allerdings setzen sich fast 85% der Marken bei den Nachfragern nicht durch und verschwinden nach ca. 5-8 Jahren wieder vom Markt. Vgl. AHLERT (2005a), S. 220.
6
Vgl. ESCH (2001a), S. 13.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
2
transparenz; Innovationszyklen werden kürzer und Innovationen schneller vom Wettbewerb imitiert. Als Folge wächst die funktionale Produkthomogenität der angebotenen Leistungsbündel.7 Dies erschwert die Aufrechterhaltung funktional-orientierter Wettbewerbsvorteile und lässt Produkte und Leistungen aus Sicht vieler Konsumenten8 austauschbar werden.9 Die Preissensibilität der Nachfrager steigt daraufhin und die Kundenbindung sinkt.10 Diese Entwicklungen haben für Unternehmen einschneidende Konsequenzen: dauerhaft feste Beziehungen (zwischen Unternehmen mit ihren Marken auf der einen Seite sowie Nachfragern auf der anderen Seite) als Basis für den Erfolg von Markenunternehmen erodieren in zunehmendem Maße.11 Viele Unternehmen sehen sich einem zunehmenden Differenzierungs- und Preisdruck ausgesetzt; sie verzeichnen Gewinn- und Umsatzrückgänge. Es stellt sich die Frage, welche Vorteile Marken für Unternehmen in diesem Umfeld zukünftig aufweisen? Betrachtet man zunächst die Ertragskraft von Marken, so bieten sie Unternehmen aufgrund der ihnen inne wohnenden, spezifischen Charakteristika die Möglichkeit, selbst unter schwierigen Rahmenbedingungen überdurchschnittliche Renditen zu erwirtschaften. Eine europaweite von BOOZ ALLEN HAMILTON und WOLFF OLINS unter
7
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 88, HUPP/HOFMANN (2003), S. 15.
8
Konventionell wird der Terminus „Konsument“ als Nachfrager und Verbraucher von wirtschaftlichen Gütern im Sinne eines Endverbrauchers verstanden. Vgl. DILLER (1992), S. 560. In einer Vielzahl von Publikationen werden die Begriffe „Konsument“, „Verbraucher“, „Nachfrager“ und „Kunde“ synonym verwendet. In dieser Arbeit werden hingegen die Termini „Konsument“ und „Verbraucher“ nicht verwendet, da sie i.d.R. lediglich auf den B2C-Bereich und weniger auf den B2B-Bereich anwendbar sind. Anstelle dessen werden die Begriffe „Nachfrager“ und „Kunde“ genutzt, da sie neutral auf beide Bereiche anzuwenden sind. In dieser Arbeit wird der Begriff „Nachfrager“ weiter gefasst als „Kunde“, da er neben den aktuellen Kunden (Verwendern) einer Leistung auch Nichtkunden umfasst. Vom „Kunden“ wird dann gesprochen, wenn aktuelle Verwender einer Marke gemeint sind. Diese Terminologie wird vor allem aufgrund der Anschlussfähigkeit zum existierenden Schrifttum (z.B. zur Kundenbindung) gewählt. Vgl. HUPP (2001). Eine von BBDO Consulting im Jahr 2004 durchgeführte Untersuchung belegt, dass zwei Drittel der deutschen Bevölkerung Markenartikel des täglichen Bedarfs als austauschbar einstufen. Vgl. BBDO-Consulting GmbH Düsseldorf (2005), S. 5 ff. Eine ähnlich hohe, wahrgenommene Austauschbarkeit lässt sich auch für andere Branchen konstatieren. So sank beispielsweise die Differenzierungskraft von Waschmaschinen-Marken innerhalb von nur sieben Jahren von knapp 60% im Jahr 1997 auf fast 25% im Jahr 2004. Vgl. BURMANN/WENSKE (2005), S. 3.
9
10
Vgl. GfK (2005b), STIPPEL (2005a), S. 18. Die Preissensibilität wird insbesondere durch den Ausbau von Handelsmarken (Private Labels) der Handelsunternehmen verstärkt. Diese haben in den letzten Jahren das Machtgleichgewicht zwischen Markenherstellern und Handel auf Kosten der Markenartikelindustrie verschoben. Private Labels konnten über die letzten zehn Jahre kontinuierlich ihre Marktanteile ausbauen. So haben die Handelsmarken innerhalb von fünf Jahren zwischen 1999 und 2004 ihren Marktanteil in 150 FMCG-Warengruppen von 23,4% auf 33,4% gesteigert. Vgl. GfK (2005b), S. 2.
11
Vgl. KLANTE (2004), S. 2 ff.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
3
1.700 Marketing- und Vertriebsleitern in Europa durchgeführte Befragung ergab, dass der operative Gewinn bei rund 80% der mit starkem Markenfokus geführten Unternehmen fast doppelt so hoch ist wie im Branchenvergleich.12 Die Eigenkapitalrendite starker Marken war in dieser Untersuchung mit 19% mehr als doppelt so hoch wie bei schwachen Marken.13 Dies bestärkt die eingangs geäußerte These, dass Marken nachhaltig zur Sicherung des langfristigen Unternehmenserfolges beitragen. Die praxeologische Erkenntnis um die Relevanz von Marken für die Unternehmensführung wird ferner durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen der letzten Jahre zum Thema „Marke“ gestützt.14 In der betriebswirtschaftlichen Forschung werden Marken aufgrund ihrer potenziell hohen Kaufverhaltensrelevanz als wichtige Vermögensgegenstände und Ressourcen15 eines Unternehmens gekennzeichnet.16 Sie repräsentieren daher strategische Schlüsselfaktoren in der Nachfragersteuerung und –beeinflussung. Ursächlich für diese Effekte sind die spezifischen Funktionen von Marken, die sie für Nachfrager erfüllen und die Marken immer stärker ins Zentrum der Betrachtung des Unternehmertums rücken.17 In der betriebswirtschaftlichen Forschung wird der Begriff „Marke“ sehr heterogen abgegrenzt und verwendet.18 Auf Basis des identitätsbasierten Verständnisses der
12
Vgl. HARTER et al. (2005), S. 2.
13
Vgl. HARTER et al. (2005), S. 1.
14
Vgl. in den letzten Jahren für Monographien und Herausgeberbände u. a. MEFFERT/BURMANN/ KOERS (2005); ESCH (2005); AAKER (2004); BAUMGARTH (2004); BRUHN (2004a); RIESENBECK/ PERREY (2004); SCHIMANSKY (2004); KAPFERER (2003); ESCH (2001b); SATTLER (2001). Vgl. für eine Analyse der Entwicklung wissenschaftlicher Veröffentlichungszahlen zum Thema Marke WELLING (2006).
15
Der Begriff „Ressource“ wird hier zunächst theoriefrei verwendet. Eine theoretisch fundierte Abgrenzung erfolgt in den Abschnitten B.1 und B.2.
16
Vgl. u. a. AAKER/JOACHIMSTHALER (2000), S. 19; HAMMANN (2002), S. 344. Bei Unternehmen, die frühzeitig die Bedeutung von Marken und Markenführung erkannt haben, stellen Marken durch die Quantifizierung des Markenwertes teilweise sogar die bedeutendsten Vermögenswerte des Unternehmens dar. Vgl. bspw. PRICEWATERHOUSECOOPERS (1999), S. 11 ff.; KELLER (1993), S. 2; In Abhängigkeit von der eingesetzten Methode zur Messung des Markenwertes kann dieser über 50 % des Unternehmenswertes ausmachen. Bekannte Beispiele hierfür sind u.a. die Coca-Cola Company, Microsoft oder Nokia. Darüber hinaus haben zahlreiche Untersuchungen ergeben, dass sich die Börsenkurse von Unternehmen mit starken Marken überdurchschnittlich entwickeln. Vgl. SATTLER (2001), S. 20, und zu einem Überblick über die Markenwertforschung u.a. SCHIMANSKY (2004), KELLER (2003) S. 477 ff.; SATTLER/HÖGL/HUPP (2002).
17
Vgl. KRANZ (2004), S. 36 ff.; DE CHERNATONY/MCDONALD (2003), S. 41 ff.
18
Vgl. für eine Übersicht über verschiedene Abgrenzungen u. a. BRUHN (2004b); WELLING (2006) sowie BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 5 f.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
4
Markenführung19, welches im Rahmen dieser Arbeit Anwendung finden soll, kann der Terminus „Marke“ in Anlehnung an KELLER (2003) als „ein Nutzenbündel mit spezifischen Merkmalen, die dafür sorgen, dass sich dieses Nutzenbündel gegenüber anderen Nutzenbündeln, welche dieselben Basisbedürfnisse erfüllen, aus Sicht der relevanten Zielgruppen nachhaltig differenziert“20 definiert werden.21 Allerdings stimmt die Mehrheit der Forscher hinsichtlich spezifischer Markenfunktionen überein: bekannte Marken stellen aufgrund ihrer physischfunktionalen und symbolischen Beschaffenheit für den Nachfrager sog. „information chunks“22 dar. Sie bieten den Nachfragern im Alltag Orientierung und Kontinuität und generieren einen Zusatznutzen (Added value) gegenüber anderen (Basis-) Produkten, den sie glaubwürdig kommunizieren. Dieser Zusatznutzen von Marken befriedigt über einen längeren Zeitraum spezifische Bedürfnisse der Nachfrager.23 Als Konsequenz dieser nachhaltigen Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit werden Marken von Nachfragern im Laufe der Zeit Vertrauen entgegengebracht.24 Dies reduziert für den Nachfrager die wahrgenommene Austauschbarkeit von Produkten und führt zu einer Verminderung der Preissensibilität gegenüber der entsprechenden Marke. Ferner führt das evozierte Vertrauen der Nachfrager in die hohe Nutzenerfüllung der Marke
19
Vgl. hierzu ausführlich die Ausführungen in Abschnitt B.2.2.
20
BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 7 in Anlehnung an KELLER (2003), S. 4. Diese Definition wird zum ersten Mal in einem Arbeitspapier von BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003) verwendet. Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 3.
21
Diese Definition grenzt sich von anderen in der Literatur gängigen Markendefinitionen vor allem durch ihren Charakter als Nominaldefinition ab. Nominaldefinitionen versuchen im Gegensatz zu Realdefinitionen, welche anstreben, den Gegenstand eines Begriffs möglich genau zu beschreiben, eine Konvention über den Gebrauch des Begriffs zu legen. Dies kann zu größeren Unschärfen führen. Allerdings haben Nominaldefinitionen den Vorteil der Zweckmäßigkeit und Praktikabilität, sofern die gewählte Abgrenzung eindeutig und widerspruchsfrei ist. Vgl. zur Begriffsbildung u. a. CHMIELEWICZ (1994), S. 9; CZAYKA (2000), S. 99 ff.
22
„Information chunks“ repräsentieren so genannte Schlüsselinformationen. Sie setzten sich aus vielen Einzelinformationen zusammen, welche im semantischen Gedächtnis zu einer Einheit aggregiert werden. Andere „information chunks“ sind beispielsweise Preisinformationen, die geographische Herkunft oder der Hersteller eines Produkts oder einer Marke. Vgl. TROMMSDORFF (2004), S. 91.
23
Der Begriff „Bedürfnis“ kennzeichnet als Auslöser (Motivation) menschlichen Verhaltens den empfundenen Mangelzustand (Deprivation), der zunächst nicht auf ein Ziel gerichtet ist. Vgl. TROMMSDORFF (2004), S. 118.
24
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 11 f.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
5
zu einem erhöhten Potenzial25 der Kundenakquisition und langfristig zu einer hohen Kundenbindung.26 Insbesondere eine hohe Kundenbindung stabilisiert auf gesättigten oder sogar schrumpfenden Märkten den Absatz eines Unternehmens und erschwert (neuen) Wettbewerbern, Marktanteile auf Kosten des Unternehmens hinzuzugewinnen.27 Der Zusatznutzen und das der Marke entgegengebrachte Vertrauen sind für Unternehmen über Mengen- oder Preisprämien kapitalisierbar.28 Ziel der Markenführung ist die nachhaltig positive Beeinflussung des Nachfrager- und auch Mitarbeiterverhaltens, um diese Prämien langfristig abschöpfen zu können.29 Aufgrund dieser spezifischen Charakteristika, die zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen können, bauen viele Unternehmen in immer stärkerem Maße Marken auf und greifen auf Konzepte des professionellen Markenmanagements zurück.30 Die Relevanz des Markenmanagements31 für die Praxis und Forschung der Unternehmensführung32 ist hoch und dürfte in den kommenden Jahren noch weiter zuneh-
25
Nach dem allgemeinen Verständnis in der Unternehmensführung ist ein Potenzial eine im Markt und/oder im Unternehmen latent oder direkt vorhandene Konstellation (im Sinne einer Möglichkeit), die sich durch Aktivitäten des Unternehmens zur Steigerung des Unternehmenswertes nutzen lässt. Vgl. PÜMPIN (1990); GOMEZ (1993). PÜMPIN bezeichnet diese Abgrenzung auch als „Nutzenpotenzial“. Vgl. PÜMPIN (1990), S. 47.
26
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 13.
27
Vgl. MEFFERT (2005), S. 145 sowie zur Kundenakquisition und Kundenbindung ausführlich Abschnitt B.2.2.2.
28
Als Beispiel kann hier Apple mit dem MP3-Player iPod angeführt werden. Obwohl viele Konkurrenzprodukte dem iPod hinsichtlich einer Reihe von funktionalen Eigenschaften (bspw. RadioIntegration, Bildbetrachtung etc.) überlegen sind und den Basisnutzen ebenso, wenn nicht sogar überlegen befriedigen können, ist Apple derzeit bei festplattenspeichergestützten MP3-Playern Marktführer und erzielt wesentlich höhere Preisprämien als seine Wettbewerber. Vgl. o.V. (2006), S. 1.
29
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 7 f.
30
Ein Indikator sind die steigenden Umsätze der Markenartikelindustrie in Deutschland. Für den Zeitraum von 1999 bis 2004 wies der Deutsche Markenverband trotz nominal stagnierender Inlandskonjunktur eine nominale Umsatzsteigerung von € 181 Mrd. auf über € 193 Mrd. aus. Vgl. Deutscher Markenverband (2005).
31
In der Literatur werden die Begriffe „Markenführung“ und „Markenmanagement“ synonym verwendet. Dieser Auffassung und Vorgehensweise wird im Rahmen dieser Arbeit gefolgt. Beide Begriffe kennzeichnen dabei nicht eine Gruppe von Individuen als die organisationale Einheit, sondern die Querschnittsfunktion als Aufgabe im Rahmen der Unternehmensführung, welche den Aufbau und die Führung einer Marke sicherstellt.
32
Unternehmensführung kann als „die Gesamtheit derjenigen Handlungen der verantwortlichen Akteure […], die die Gestaltung und Abstimmung (Koordination) der Unternehmens-UmweltInteraktion im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses zum Gegenstand haben“ definiert werden. MACHARZINA/WOLF (2005), S. 46.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
6
men. Hierbei rückt in letzter Zeit vor allem eine stärkere Kompetenzperspektive in den Mittelpunkt.
2
Notwendigkeit einer stärker kompetenzorientierten Markenführung
2.1
Kompetenzorientierung in der Unternehmensführung
„[…], it is not difficult to see that firms with distinctive competencies have strengths that may enable them to obtain competitive advantage”33. Diese von JAY B. BARNEY geäußerte Erkenntnis um die hohe Relevanz von Kompetenzen und Fähigkeiten34 im Rahmen des unternehmerischen Handelns erscheint nicht neu. Sie wirkt für Praktiker fast trivial. Vereinfacht formuliert bedeutet sie, dass ein Unternehmen sich durch solche Fähigkeiten auf dem Markt Wettbewerbsvorteile verschafft, die (i) einen relevanten Kundennutzen erzeugen können sowie (ii) es dem Unternehmen ermöglichen, Aktivitäten effektiver und/oder effizienter durchzuführen und nicht einfach von Wettbewerbern nachgeahmt werden können. Exemplarisch sei hier auf die Designkompetenz des Unternehmens Bang & Olufsen hingewiesen, die der Marke einen nachhaltigen Differenzierungsvorteil gegenüber Wettbewerbern verschafft. Dieser Vorteil entspringt spezifischen organisationalen Fähigkeiten des Unternehmens. In der betriebswirtschaftlichen Forschung ist die Erkenntnis um die hohe Relevanz von spezifischen Unternehmensfähigkeiten für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen im Vergleich zu anderen Ursachen, wie z. B. der Marktstruktur, jedoch relativ neu. Zwar behandelt die betriebswirtschaftliche Forschung bereits seit der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Erklärungsansätze für Wettbewerbsvorteile. Die Hauptgründe für Wettbewerbsvorteile wurden jedoch zunächst nicht in den spezifischen Fähigkeiten eines Unternehmens sondern vor allem in der Struktur der Produktmärkte sowie dem strategischen Verhalten der Unternehmen gesehen. Dieses
33
BARNEY (2002), S. 142.
34
Die Begriffe „Kompetenzen“ und „Fähigkeiten“ werden hier zunächst theoriefrei und synonym als Möglichkeiten zum Handeln eines Individuums oder einer Gruppe von Individuen verwendet. Eine theoretisch fundierte Abgrenzung im Rahmen der betriebswirtschaftlichen Forschung erfolgt in dem Abschnitt B.1.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
7
Verständnis geht ursprünglich auf die Industrial-Organization-Theorie (IO-Theorie) und dem daraus abgeleiteten Structure-Conduct-Performance (S-C-P) zurück.35 Es besagt, dass sich das Ergebnis einer „Industry“ (Branche) durch die Struktur sowie das Verhalten der Unternehmen innerhalb dieser erklären lässt.36 Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwickelte sich daher zunächst der Market-based View (MBV), der vor allem unternehmensexterne Faktoren und nicht unternehmensinterne Charakteristika als Explanans von Wettbewerbsvorteilen in den Mittelpunkt stellt.37 Unternehmen werden bei der Analyse von Wettbewerbsvorteilen als „Black-Box“38 behandelt. Unternehmensinterne Erfolgsfaktoren wurden aufgrund dieser Perspektive hauptsächlich ausgeschlossen. Unternehmen wirken passiv und reagieren anscheinend lediglich auf externe Möglichkeiten, die der Markt bzw. die Branche39 ihnen bietet, ohne selbst die Initiative zu ergreifen. Es findet sich jedoch in der Praxis eine Vielzahl von Beispielen für Unternehmen, deren Erfolg und Wettbewerbsposition sich nicht allein auf unternehmensexterne Faktoren und Reaktionen auf Marktbedingungen im Sinne einer „Outside-in“Orientierung zurückführen lassen. Sie agieren aktiv, setzen Branchenimpulse und verschaffen sich trotz derselben marktlichen Rahmenbedingungen Wettbewerbsvorteile, die zu Ergebnisdivergenzen zwischen Unternehmen einer Branche führen. Der MBV bietet keine hinreichenden Ansätze, diese Wettbewerbsvorteile und Erfolgsdivergenzen erklären zu können.40 Hier setzte vor allem in den 80er Jahren und verstärkt zu Beginn der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die wesentliche Kritik am MBV an41: Bspw. kritisierten
35
Vgl. MASON (1939); BAIN (1959).
36
Die Struktur beinhaltet die Rahmenbedingungen, die Unternehmen einer „Industry“ bei ihren Entscheidungen zu beachten haben. Nach diesem Ansatz ist ein Unternehmenswachstum im Wesentlichen eine Folge spezifischer Merkmale der Branche, in der das Unternehmen tätig ist. Ressourcen und Fähigkeiten einer Unternehmung spielen dabei lediglich eine untergeordnete Rolle. Vgl. u. a. PORTER (1985).
37
Vgl. zum MBV, seinen Spezifika und Antezedenz-Ansätzen Abschnitt B.1.1.
38
„Black-Box“ ist ein aus dem Behaviorismus stammender und von den Wirtschaftswissenschaften übernommener Begriff, der besagt, dass zwar die Bedingungen und Resultate menschlichen und unternehmerischen Handels gemessen werden können, nicht jedoch die dazwischen liegenden Vorgänge der Entscheidungen. Vgl. für eine kritische Diskussion zur Betrachtung der Unternehmen als Black-Box u.a BARNEY (1991); GRANT (1991); RÜHLI (1994), S. 36 ff.
39
Im Folgenden werden die Begriffe „Markt“ und „Branche“, sofern nicht anders erläutert, synonym verwendet.
40
Vgl. u. a. BARNEY (1991); RÜHLI (1994), S. 36 GRANT (1998), S. 106.
41
Vgl. exemplarisch JACOBSON (1988); HANSEN/WERNERFELT (1989); PRAHALAD/HAMEL (1990).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
8
NELSON (1991) und RUMELT (1991), dass der MBV den aktiven Gestaltungsgrad eines Unternehmens als Explanans für die Entwicklung von Wettbewerbsvorteilen ausblendet, sich jedoch Erfolgsdivergenzen nicht allein auf Unterschiede in der Branchenstruktur zurückführen ließen.42 Dies wurde durch eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen gestützt.43 Bspw. zeigte RUMELT (1991) in einer empirischen Studie, dass bei den Gewinnen intraindustrielle Ergebnisdivergenzen größer waren als interindustrielle Divergenzen.44 Aus der Kritik am MBV entwickelte sich daher die ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung. Als zentrale Ausgangspunkte dieses betriebswirtschaftlichen Forschungsstrangs gelten die Arbeiten von PENROSE (1959)45 und SELZNICK (1957)46. Insbesondere die Publikationen von WERNERFELT (1984)47 sowie von PRAHALAD/ HAMEL (1990)48 und BARNEY (1991)49 resultierten in einer fundierten Weiterentwicklung zum betriebswirtschaftlichen Resource-based View-Ansatz (RBV).50 Der RBV-Ansatz unterstellt, dass Wettbewerbsvorteile und letztlich der Erfolg von Unternehmen durch unternehmensinterne, einzigartige Ressourcen und Fähigkeiten determiniert werden.51 Kritisch zu bemerken ist, dass im engeren Sinne eigentlich nicht von einem RBV (oder CBV) „Ansatz“ gesprochen werden kann, da sich beide Forschungsrichtungen zum einen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung zuordnen lassen und zum anderen unter beiden „Ansätzen“ eine Vielzahl von Partialansätzen subsumiert werden können. Aus forschungsökonomischen Gründen sollen im Folgenden jedoch beide Begrifflichkeiten verwendet werden, um im ersteren Fall den früheren Kenntnisstand der ressourcenorientierten Forschung zu verdeutlichen, der Ressourcen in den Mittelpunkt der Erklärung von Wettbewerbsvorteilen
42
Vgl. RUMELT (1991), S. 178 f.; NELSON (1991), S. 64 ff.
43
Vgl. zur Kritik am MBV und der Notwendigkeit einer ressourcen- und kompetenzorientierten Unternehmensbetrachtung für die Erklärung von Erfolgsdivergenzen mit weiteren Literaturquellen ausführlich die späteren Ausführungen in Abschnitt B.1.1.
44
Vgl. RUMELT (1991). Weitere Untersuchungen in diesem Kontext von JACOBSON (1988) und HANSEN/WERNERFELT (1989) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Vgl. JACOBSON (1988); HANSEN/WERNERFELT (1989).
45
Vgl. PENROSE (1959).
46
Vgl. SELZNICK (1957).
47
Vgl. WERNERFELT (1984).
48
Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990).
49
Vgl. BARNEY (1991).
50 51
Vgl. zum Resource-based View (RBV) und Antezendenz-Ansätzen ausführlich Abschnitt B.1.2. Vgl. u.a. FREILING (2001a), S. 5; GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 10.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
9
setzte, und im letzteren Fall, um die Weiterentwicklungen der ressourcenorientierten Forschung hin zu einer stärker kompetenzorientierten Ausrichtung des Forschungszweiges zu kennzeichnen, der primär Kompetenzen für die Erklärung von Wettbewerbsvorteilen heranzieht. Hierbei wird bewusst ein gewisser Grad an Simplifizierung in Kauf genommen.52 Nach der Propagierung des RBV deutete eine Reihe von Untersuchungen darauf hin, dass die Ressourcenausstattung und die Fähigkeiten eines Unternehmens zur Erklärung des Erfolgs offenbar bedeutender sind als marktorientierte Charakteristika.53 Der RBV-Ansatz und seine Weiterentwicklungen sind heute in der betriebswirtschaftlichen Forschung anerkannt.54 Die Forscher stießen jedoch bald auf Probleme, die mit der Einbeziehung des menschlichen Handelns, der Weiterentwicklung von Ressourcen durch Marktveränderungen sowie mit der Dynamisierung von Ressourcen und Fähigkeiten in Verbindung standen. Es herrschte zwar ein weitgehender Konsens, dass die Existenz von Ressourcen die Basis für die Heterogenität von Unternehmen und die Basis von Wettbewerbsvorteilen darstellt, allerdings wurde vermehrt die Frage gestellt, wie Ressourcen entstehen, wie sie zielgerichtet ihr immanentes Wirkungspotenzial entfalten sowie wie sie dynamisch weiterentwickelt werden können. Als Antwort auf die Fragen identifizierten Forscher organisationale Fähigkeiten („organizational capabilities“) bzw. Kompetenzen. Sie besitzen eine Katalysatorfunktion, um Wirkungspotenziale von Ressourcen zu aktivieren und Ressourcen gezielt weiterentwickeln zu können. Diese neue Erkenntnis reflektierend entwickelte sich in den 90er Jahren aufbauend auf Publikationen von PRAHALAD/HAMEL (1990), COLLIS (1991) und TEECE ET AL. (1997) aus dem RBV-Paradigma eine stärker auf die organisationalen Fähigkeiten eines Unternehmens ausgerichtete Forschung: die so genannte „Capability-Forschung“.55 In diesem Kontext wurde neben Ansätzen wie beispielsweise dem „knowledge-based view“ und „dynamic capability Ansatz“ der zurzeit
52
Vgl. für eine dezidierte Diskussion der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung und welche verschiedenen Ansätze hierunter zu subsumieren sind u. a. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 9 ff. und die dort zitierte Literatur.
53
Vgl. u. a. JACOBSON (1988); COOL/SCHENDEL (1988); HANSEN/WERNERFELT (1989); RUMELT (1991); ROQUEBERT/PHILLIPS/WESTFALL (1996).
54
Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 889. Vgl. ferner für eine Zusammenfassung zur Übertragung des RBV auf Felder der Betriebswirtschaftslehre anstatt vieler BARNEY/WRIGHT/KETCHEN JR. (2001) sowie FREILING (2001a), S. 10.
55
Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990); COLLIS (1991a); TEECE/PISANO/SHUEN (1997).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
10
prominenteste Ansatz der „Capability-Forschung“ entwickelt: der Competencebased View (CBV).56 Ziel des CBV ist die Erklärung von Performanceunterschieden und insbesondere nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen auf Basis von Kompetenzen.57 Kerngedanke ist dabei, dass Kompetenzen letztlich die Unterschiedlichkeit von Unternehmen begründen.58 Wesentliche Stärken des CBV liegen in seiner Kopplung von Ressourcen und Kompetenzen an die marktliche Verwertbarkeit (Kombination von inside-out und outside-in Orientierung der Unternehmensführung59) sowie der Erkenntnis, dass sich diese im Zeitverlauf ändern kann, woraus eine dynamisierte Perspektive entsteht.60 Aktuell existieren Bestrebungen, die Erkenntnisse der Ressourcen- und Kompetenzansätze und hierbei insbesondere des CBV zu einer Theorie61 der Unternehmung weiterzuentwickeln.62 Allerdings befinden sich diese Bestrebungen in einem frühen Stadium. Als Zwischenfazit der bisherigen Erörterungen lässt sich festhalten:
Bei der Unternehmensführung reicht es nicht, sich allein auf den Markt zu konzentrieren. Unternehmen bedürfen Ressourcen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit aufrechtzuerhalten.
Es bedarf Kompetenzen, um Ressourcen zielgerichtet entwickeln und ihre immanenten Wirkungspotenziale erschließen zu können. Kompetenzen weisen daher eine hohe Relevanz in der Praxis und Forschung zur Unternehmensführung auf.
56
Analog zum RBV lassen sich unter dem CBV wiederum eine Reihe von Partialansätzen subsumieren, die nicht deckungsgleich sind, sich jedoch in Teilfacetten ergänzen. Daher ist anzumerken, dass an dieser Stelle und im Folgenden lediglich aus forschungsökonomischen Gründen von dem CBV gesprochen wird. Vgl. zu einer ausführlichen Diskussion dieser Problematik GERSCH/ FREILING/GOEKE (2005), S. 9 ff.
57
Vgl. FREILING (2004a), S. 8.
58
Vgl. TEECE/PISANO/SHUEN (1997);
59
Die marktliche Verwertbarkeit wird immer vom Markt, d. h. den Nachfragern determiniert. Dies beinhaltet demnach eine outside-in Orientierung. Vgl. FREILING (2004a), S. 7.
60
Vgl. zum Competence-based View ausführlich Abschnitt B.1.3.
61
Nach SCHNEIDER können Theorien als „[…] in Strukturkerne ausgeformte Problemlösungsideen, deren Ergebnisse, in wissenschaftliche Betrachtungsperspektiven übersetzt (messbar formuliert), Problemlösungen behaupten“ definiert werden. SCHNEIDER (1995), S. 167.
62
Vgl. FREILING (2004b); GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) sowie allgemein zu Theorien der Unternehmung bspw. SCHNEIDER (1995), S. 167 ff. und FREILING/RECKENFELDERBÄUMER (2004), S. 32 ff.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
2.2
11
Kompetenzorientierung im Marketing
Im Rahmen der Unternehmensführung soll das Marketing als Schnittstelle zwischen Unternehmen und Markt fungieren.63 Wesentliche Aufgabe ist dabei die Sicherstellung eines hohen Grads an Marktorientierung sämtlicher Unternehmensaktivitäten.64 Das Marketing betrachtet demnach primär (aber nicht ausschließlich) Chancen und Risiken, die sich in den Märkten durch Bedürfnisse von externen Zielgruppen bieten.65 Grundlegend für das klassische Marketing ist somit seine inhärente outside-in-Ausrichtung im Sinne einer dominierenden Marktperspektive. In diesem Sinne definiert MEFFERT (2000) Marketing als „die Planung, Koordination und Kontrolle aller auf die aktuellen und potentiellen Märkte ausgerichteten Unternehmensaktivitäten. Durch eine dauerhafte Befriedigung der Kundenbedürfnisse sollen die Unternehmensziele verwirklicht werden“66. Demnach schaffen Unternehmen, die sämtliche Aktivitäten mit dem Ziel gestalten, den Nutzen für Nachfrager zu steigern, die Basis für den Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Diese klassische Perspektive dominiert trotz der „Popularisierung“ des RBV und CBV bis heute Praxis und Forschung des Marketings und erschwert eine Verknüpfung von Erkenntnissen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung mit der Marketingtheorie. In den 90er Jahren wurden diese Erkenntnisse lediglich oberflächlich von Forschern für die Weiterentwicklung der Marketing-Theorie genutzt. SRIVASTAVA ET AL. (2001) konstatieren hierzu: „What is surprising, perhaps, is that with only a few notable exceptions […], marketing scholars have devoted remarkably little attention to applying RBV as a frame of reference in advancing marketing theory or in analyzing core challenges in marketing practice.”67 So fehlen beispielsweise in Publikationen des Marketings zu organisationalen Fähigkeiten, Marktorientierung, Wissensmanagement und marktorientierten Vermögensgegenständen wesentliche Hinweise auf den RBV.68 Eine Analyse des deutschsprachigen Schrifttums zum Marketing kann eine weitgehende Vernachlässigung der Ressourcen- und Kompetenzperspektive teilweise
63
Vgl. MEFFERT (2000), S. 11 f.
64
Vgl. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 10 f.
65
Vgl. KUß/TOMCZAK (2002), S. 12.
66
MEFFERT (2000), S. 8.
67
SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001), S. 778. Dies wird u. a. auch von O'DRISCOLL/CARSON/ GILMORE bestätigt. Vgl. O'DRISCOLL/CARSON/GILMORE (2000), S. 184.
68
Vgl. SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001), S. 778 und zu den angesprochen Themen u. a. DAY (1994); JAWORSKI/KOHLI (1993); GLAZER (1991); SRIVASTAVA/SHERVANI/FAHEY (1998).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
12
bestätigen. Einschlägige Publikationen zum Marketing beschränken sich zumeist darauf, ressourcen- und kompetenzorientierte Forschungserkenntnisse lediglich am Rande zu erwähnen.69 Zwar geht bspw. MEFFERT (2000) auf den prozessorientierten Ansatz des Marketings ein, der Überschneidungen zur ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung aufweist,70 und begründet in diesem Kontext die Notwendigkeit einer „marketingimmanenten“ Innenorientierung im Sinne eines internen Marketings,71 allerdings bleiben diese Ausführungen noch oberflächlich. Auf die Bedeutung von Ressourcen und Kompetenzen im Rahmen von Prozessen wird nicht eingegangen. MEFFERT führt Ressourcen lediglich im Kontext einer Ressourcenanalyse72 sowie im Kontext der Notwenigkeit einer adäquaten Verteilung von Ressourcen auf strategische Geschäftseinheiten an, jedoch ohne den Begriff näher abzugrenzen oder (Teil-)Erkenntnisse des RBV und CBV mit der Marketingtheorie zu verknüpfen.73 Ebenso wird der Kompetenzbegriff lediglich am Rande im Sinne von ausgeprägten Fähigkeiten eines Unternehmens (zur Generierung eines Kundennutzens) verwendet, ohne die Bedeutung dieser Aussage zu reflektieren.74 HOMBURG/KROHMER (2003) gehen zwar auf den ressourcenbasierten Ansatz im Rahmen der Erklärung von systemtheoretischen Ansätzen75 ein, dies jedoch ebenfalls oberflächlich und ohne den Ansatz explizit auf das Marketing zu beziehen.76 Eine Integration in weiterführende Ausführungen zum Marketing unterbleibt. SANDER (2004) führt den ressour-
69
Vgl. MEFFERT (2000), S. 26; HOMBURG/KROHMER (2003), S. 171 f.; SANDER (2004).
70
Dies liegt bspw. in der Forderung, Kompetenzen prozessorientiert zu erfassen, sowie der damit einhergehenden hohen Relevanz von Routinen und Prozessen für die Gestaltung von Unternehmensaktivitäten. Vgl. GAITANIDES/SJURTS (1995), S. 64 ff.; HINTERHUBER/STUHEC (1997), S. 17 sowie zu Routinen und Prozessen die Ausführungen in Abschnitt B.1.3.
71
Vgl. MEFFERT (2000), S. 26 f.
72
Die Ressourcenanalyse umfasst bei MEFFERT (2000) jedoch lediglich eine Analyse der so genannten Stärken und Schwächen eines Unternehmens, wie sie im Rahmen der internen Perspektive der SWOT (Strenghts, Weaknesses, Opportunities, Threats)-Analyse durchgeführt wird. Vgl. MEFFERT (2000), S. 67 f.
73
Vgl. MEFFERT (2000), S. 233.
74
Vgl. MEFFERT (2000), S. 881.
75
Systemtheoretische Ansätze repräsentieren eine interdisziplinäre wissenschaftliche Richtung, in welcher Theorien für biologische, mechanische oder soziale Systeme entwickelt werden. Ein System ist eine Ansammlung von (quantifizierbaren) Elementen, die in gegenseitigen Wechselwirkungen stehen. Vgl. BERTALANFFY (1949). Unternehmen können in diesem Kontext als offene Systeme verstanden werden, da Austauschprozesse zwischen den Unternehmen und ihrer Umwelt stattfinden.
76
Vgl. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 147 ff. und S. 172. Bspw. wird skizzenhaft die Bedeutung der Ressourcenabhängigkeitsperspektive (resource dependance perspective) für das Marketing angeführt als auch, wie bei MEFFERT (2000), im Kontext der Ressourcen- und Portfolioanalyse. Vgl. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 148 f. u. S. 436.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
13
cenorientierten Ansatz lediglich als eines der neueren Paradigmen der Marketingtheorie in einer Abbildung auf, allerdings ohne nähere Ausführungen hinzuzufügen.77 Erkenntnisübertragungen des RBV auf das Marketing fehlen in dieser Publikation. Auch BECKER (2002) erwähnt weder Erkenntnisse der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung, noch hebt er die Bedeutung einer internen Perspektive im Marketing hervor. Der Ressourcenbegriff wird lediglich unreflektiert im Kontext der Ressourcenanalyse und -allokation aufgegriffen. Zum Begriff der Kompetenzen führt er an, dass „Unternehmenskompetenzen […] auch als Kerndimension von Unternehmensimages aufgefasst werden“ können.78 Kompetenzen (und auch Markenkompetenzen) werden somit imageorientiert als Assoziationen zu der Leistungsfähigkeit von Unternehmen und Marken abgegrenzt.79 Die Begriffsauffassung widerspricht diametral dem Begriffsverständnis im RBV und CBV. Diese Beispiele verdeutlichen die Vernachlässigung von ressourcen- und kompetenzorientierten Erkenntnissen in deutschsprachigen Standardwerken zum Marketing. Als erwähnenswerte Ausnahmen können hingegen STEFFENHAGEN (2000) sowie KUß/TOMCZAK (2002) angeführt werden. STEFFENHAGEN identifiziert im Kontext des Marketings ausdrücklich Ressourcen und Fähigkeiten (Kompetenzen) als Quellen möglicher Wettbewerbsvorteile.80 Ihm zufolge umfassen Ressourcen alle vom Unternehmen akkumulierten Bestände an potenziell produktiven Faktoren. In diesem Kontext ermöglichen organisationale Fähigkeiten die Gestaltung und Realisierung von Prozessen, in welchen Ressourcen derart kombiniert werden, dass als Ergebnis kundennutzenstiftende Leistungen hervorgebracht werden, welche bei Nachfragern Präferenzen auslösen.81 Demnach ist es primäre Aufgabe des Marketings, solche Ressourcen und Kompetenzen priorisierend zu entwickeln, die bei den Nachfragern einen so genannten „Goodwill“82 gegenüber dem eigenen Leistungsbündel entstehen lassen, welcher stärker ist als bei Wettbewerbern. Ein Goodwill im Nachfragerurteil liegt vor, wenn dem Unternehmen seitens der Nachfrager im Vergleich zu Kon-
77
Vgl. SANDER (2004), S. 8.
78
BECKER (2002), S. 113.
79
Vgl. BECKER (2002), S. 113 f., S. 189, S. 445.
80
Vgl. STEFFENHAGEN (2000), S. 109 ff. und S. 123 ff.
81
Dabei stellt STEFFENHAGEN im Einklang mit dem CBV auf das Potenzial von Ressourcen und Kompetenzen ab, einen Kundennutzen zu generieren, ohne dabei direkte Input-OutputVerhältnisse zu unterstellen. Vgl. STEFFENHAGEN (2000), S. 125.
82
Der Begriff „Goodwill“ wird bei STEFFENHAGEN im Sinne eines „akquisitorischen Potenzials bei Nachfragern“ verwendet. Vgl. STEFFENHAGEN (2000), S. 109.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
14
kurrenten gewisse nutzenstiftende Leistungskriterien überdurchschnittlich positiv zugeordnet werden, die für die Präferenz der Nachfrager ausschlaggebend sind. STEFFENHAGEN leitet aus diesen Erkenntnissen die Notwendigkeit für das Marketing ab, neben der dominant externen Markt- und Kundenperspektive eine interne Ressourcen- und Kompetenzperspektive zu berücksichtigen.83 Auch im Werk zur Marketingplanung von KUß/TOMCZAK (2002) werden Kompetenzen als die Faktoren identifiziert, die das Marketing befähigen, seine Aufgaben zu erfüllen und gesetzte Ziele zu erreichen.84 Dabei bauen KUß/TOMCZAK auf Erkenntnissen des von TOMCZAK/REINECKE (1996) entwickelten aufgabenorientierten Ansatzes des Marketings auf.85 Dieser beschäftigt sich im Kern mit „spezifischen Kompetenzen“, die ein Unternehmen benötigt, um Marktpotenziale86 besser als Wettbewerber nutzen zu können. Für die Ausnutzung von Marktpotenzialen sind nach KUß/TOMCZAK vom Unternehmen vier spezifische Kernaufgaben des Marketings (Kundenakquisition und -bindung sowie Leistungsinnovation und -pflege) zu erfüllen. Diese können erst durch die Existenz und Anwendung von bestimmten (oft auch konkurrierenden) Kompetenzen bewältigt werden.87 Das Marketing müsse demnach zur Erfüllung der vier generischen Aufgaben sicherstellen, dass Marktpotenziale einerseits und Kompetenzen andererseits aufeinander abgestimmt werden. Dies macht eine Abkehr von einer allein marktorientierten Perspektive des Marketings notwendig. Ein „modernes“ Marketing umfasst daher eine integrative Perspektive von „outside-in“- und „inside-out“-Orientierung. Es kann daher konstatiert werden, dass die Notwendigkeit der Integration einer Kompetenzorientierung in das Marketing von einzelnen Forschern in diesem Feld erkannt worden ist. Dies wird durch die steigende Anzahl von wissenschaftlichen Beiträgen in diesem Bereich bestätigt. Nachdem bereits Arbeiten des deutschen Sprachraums skizziert wurden, führt Tabelle 1 Beiträge englischsprachiger Journals seit dem Jahr 2000 auf, um einen aktuellen Überblick dieser Forschung im angelsächsischen Sprachraum zu geben.
83
Vgl. STEFFENHAGEN (2000), S. 127.
84
Vgl. KUß/TOMCZAK (2002), S. 120 ff.
85
Vgl. ursprünglich TOMCZAK/REINECKE (1996) aber auch MÜHLMEIER (2004).
86
Unter dem Begriff „Marktpotenzial“ werden bei KUß/TOMCZAK „sämtliche Bedürfnisse subsumiert, die von einem Unternehmen (bzw. Geschäftsbereich) zukünftig befriedigt werden können.“ KUß/TOMCZAK (2002), S. 121.
87
Vgl. KUß/TOMCZAK (2002), S. 124 und S. 139 ff.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
Themenbereich
Ressourcen- und kompetenzorientierte Beiträge des angelsächsischen Sprachraums seit dem Jahr 2000
Marktorientierung und Marketing
CARSON/GILMORE (2000); FAHY (2000); O'DRISCOLL/CARSON/GILMORE (2000); SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001); DANNEELS (2002); PETERAF/BERGEN (2003); SLOTEGRAAF/MOORMAN/INMAN (2003); WEERAWARDENA (2003); SLOTEGRAAF/DICKSON (2004); HARMSEN/JENSEN (2004); MING-TIEN/CHIA-MEI (2004); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); GREENLEY/HOOLEY/RUDD (2005); HOOLEY et al. (2005); SONG et al. (2005); VORHIES/MORGAN (2005); WEBSTER JR/MALTER/GANESAN (2005);
Tabelle 1:
Quelle:
15
Beiträge im angelsächsischen Sprachraum zum Marketing und zur Marktorientierung im Kontext der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung seit dem Jahr 2000 Eigene Darstellung.
Eine systematische Kompetenzorientierung im Marketing steht jedoch erst am Anfang. Sie wird durch fehlende Erkenntnisse des RBV und CBV zur Erklärung, welche konkrete Rolle Ressourcen und Kompetenzen bei der Generierung von Kundennutzen spielen, erschwert. Ferner fehlen Erkenntnisse zu den Auswirkungen von Marktveränderungen (d. h. unter anderem Veränderungen in den Bedürfnisstrukturen von Nachfragern) für die Entstehung von Wettbewerbsvorteilen sowie der Weiterentwicklung von Ressourcen und Kompetenzen. Dennoch kann trotz der Einschränkungen und Erkenntnislücken, die in der Literatur zum Marketing identifiziert werden können, konstatiert werden, dass die Kompetenzorientierung in der Forschung und Praxis des Marketings an Relevanz gewonnen hat.88 Diese Entwicklung lässt sich in ähnlicher Weise in der Markenführung beobachten.
2.3
Kompetenzorientierung in der Markenführung
2.3.1
Klassische Ansätze der Markenführung
Die Einbeziehung von Ressourcen und Kompetenzen in der Markenführung musste sich parallel zur Evolution der Unternehmensführung und zum Marketing erst langsam entwickeln. Sie steht am Ende eines über 100 Jahre anhaltenden, stetigen Erkenntnisfortschritts des Markenwesens. Dabei lässt sich der Ursprung der Markenführung bis weit vor den Zeitpunkt des Einsetzens einer systematischen Professionalisierung des Markenwesens ins alte Ägypten zurückverfolgen. Bereits vor 4.000 Jahren versahen dort Steinmetze ihre Steine beim Pyramidenbau zu Identifika-
88
Vgl. hierzu eine Reihe von Studien, die sich mit Ressourcen und Kompetenzen im Rahmen des Marketings auseinandersetzen. Vgl. u. a. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); VORHIES (1998); SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); WEBSTER JR/MALTER/GANESAN (2005); VORHIES/MORGAN (2005).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
16
tionszwecken mit Markierungen.89 In anderen Hochkulturen, wie die von Troja, Rom oder in China, wurden ebenfalls Symbole zur Markierung von Waren und Gebäuden verwendet.90 Dahinter stand die Überzeugung, dass die Leistungen von bestimmten Herstellern eine höhere Qualität aufwiesen als andere und es daher sinnvoll wäre, seine Leistungen durch Markierung von anderen zu differenzieren. Eine systematische Professionalisierung des „Brandings“91 bzw. der Markenführung setzte jedoch erst im Rahmen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert ein.92 Im Folgenden wird in knapper Form die Entwicklung des Markenwesens seit der Mitte des 19. Jahrhunderts skizziert, um die Kompetenzorientierung in den einzelnen Phasen aufzuzeigen (vgl. Abbildung 1).
Markenverständnis
Markenführungskonzeptionen
Holistisches Nutzenbündel
Identitätsorientiert bzw. -basiert Verhaltensorientiert, Technokratisch-strategieorientiert
Subjektives Image
Vermarktungsform
Funktionsorientiert
Merkmalskatalog
Eigentumszeichen
Instrumentellorientiert
Herkunftsorientiert Mitte 19. Jhd. -Anf. 20. Jhd.
Anf. 20. Jhd. - Mitte 60er
Mitte 60er - Mitte 70er
Mitte 70er - Ende 80er
90er Jahre
Anfang 21. Jhd.
Abbildung 1: Entwicklungsphasen des Markenwesens im Zeitablauf Quelle: In Anlehnung an MEFFERT/BURMANN (2005), S. 21.
89
Vgl. American Association of Advertising Agencies (Hrsg.) (1996), S. 10.
90
Nach Leitherer ist das Markieren von Waren eine typische Erscheinungsform entwickelter Wirtschaftssysteme. Vgl. LEITHERER (1994), S. 136 f.
91
Der etymologische Ursprung des Begriffs „Brand” bzw. „Branding“ liegt vermutlich im angloamerikanischen Raum und geht auf den „Old Norse“ Terminus „brandr“ (=to burn) zurück. Um ihre Tiere zu markieren, „brannten“ dort die Viehzüchter ihren Tieren mit einem glühenden Eisen Markierungen in die Haut, die sie als ihr Eigentum kennzeichneten. Vgl. KELLER (2003), S. 3.
92
Vgl. MURPHY (1990), S. 18 f.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
17
Mitte des 19. Jahrhunderts bis Anfang des 20. Jahrhunderts dominierte ein herkunftsorientiertes Verständnis von Marken als reines Eigentumszeichen und Herkunftsnachweis des Herstellers oder Anbieters. Ab Beginn des 20. Jahrhunderts änderte sich jedoch dieses Verständnis langsam. HANS DOMIZLAFF gilt mit seinen erstmals 1939 veröffentlichten Ausführungen zum Wesen der Marke als Begründer der professionellen Markenführung. Er prägte den in dieser Zeit entstandenen instrumentellorientierten Ansatz der Markenführung maßgeblich.93 Dieser war durch einen konsumgüterorientierten Warenfokus und eine Verkaufsorientierung geprägt. Der Markenbegriff bezog sich lediglich auf „[…] für den privaten Bedarf geschaffene Fertigwaren […]“94. Investitionsgüter, Dienstleistungen und Vorprodukte waren nach damaligem Verständnis keine Markenartikel.95 Der Ansatz verstand Markenführung als „Markentechnik“, bei der Überlegungen zur Markierung, der Verpackungsgestaltung und dem Einsatz der klassischen Werbung im Vordergrund standen. Marken wurden demnach primär durch ihren Merkmalskatalog charakterisiert. In der „Markentechnik“ sollte die Befolgung von festen Grundregeln96 ohne Berücksichtigung der Markt- und Unternehmenssituation, gewissermaßen automatisch zum Produkterfolg führen.97 Eine Kompetenzorientierung war demnach nur sehr bedingt existent, da die
93
Vgl. DOMIZLAFF (1994), S. 690 ff.
94
MELLEROWICZ (1963), S. 39.
95
Vgl. MELLEROWICZ (1963).
96
Diese „festen Grundregeln“ gehen auf das 1937 entstandene Werk „Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens: Ein Lehrbuch der Markentechnik“ von DOMIZLAFF zurück. Vgl. DOMIZLAFF (1939) sowie gekürzt zu den „Grundgesetzen“ in einer neueren Publikation DOMIZLAFF (2004), S. 1096 ff.
97
Die 22 Grundregeln nach DOMIZLAFF von 1939 lauten wie folgt: Grundgesetz 1: Die Voraussetzung der natürlichen Markenbildung ist die Warenqualität. Grundgesetz 2: Nicht die Preisfrage entscheidet in erster Linie, sondern das Vertrauen in die Qualität. Grundgesetz 3: Zukunftssichere Markenwaren müssen im Konkurrenzkampf sehr scharf kalkuliert werden. Grundgesetz 4: In den Anfangszeiten einer natürlichen Markenbildung ist jede laute Reklame gefährlich. Dagegen sind sachliche Begründungen der Qualität wertvoll, die es der Öffentlichkeit Meinung ermöglichen, eine günstige Stellungsnahme sich selbst und anderen gegenüber zu vertreten. Grundgesetz 5: Forcierter Verkauf an die Verbraucher wirkt bei der Einführung der Markenware gefährlich. Grundgesetz 6: Der Stil der Markentechnik ist der Stil einer unaufdringlichen Vornehmheit und einer selbstsicheren Würde nach dem Maßstab des zugehörigen Marktes. Grundgesetz 7: Strengste Gleichmäßigkeit der Beschaffenheit ist die Vorbedingung für die Lebenssicherheit einer Markenware. Grundgesetz 8: Die Gleichförmigkeit der Verpackung oder Aufmachung bedeutet eine augenscheinliche Sicherheit bezüglich der unbedingt verlangten Gleichförmigkeit der Warenbeschaffenheit. Grundgesetz 9: Die Verkaufseinheit ist ein wesentliches Merkmal einer Ware, die ein blindes Qualitätsvertrauen voraussetzen will. Je kleiner die Zahl der Verkaufseinheiten, desto stärker die Unverkennbarkeit der Markenware. Grundgesetz 10: Die Unveränderlichkeit einer sachlichen und psychologisch gewonnenen Preiseinheit ist ein wichtiger Bestandteil des Markenbegriffes. Grundgesetz 11: Das Vorrecht auf einen Markenartikel muss durch eine Bezeichnung geschützt werden, die nicht nachgeahmt werden kann. Bereits der Name eines Händlers wirkt sich als eine unverlierbare Qualitätsgarantie aus. Grundgesetz 12: Eine Markenware ist das Erzeugnis einer Persönlichkeit und wird am stärksten durch den Stempel einer Persönlichkeit ge-
Relevanz von Markenführungskompetenzen
18
spezifische Unternehmenssituation und die organisationalen Fähigkeiten des Unternehmens durch das Verständnis zur Markentechnik nicht berücksichtigt wurden. Es wurde von quasi automatischen Erfolgsursachen ausgegangen und die Heterogenität von Unternehmen durch divergierende Ressourcen- und Kompetenzausstattungen nicht berücksichtigt. Mitte der 60er Jahre wandelte sich die Marktsituation in zahlreichen Warengruppen von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt. Die erste Ölkrise und auftretende rezessive Tendenzen in der Gesamtwirtschaft leiteten die zweite Phase in der Markenentwicklung ein. Der Absatz entwickelte sich zum dominanten Engpassbereich. Dessen systematische Gestaltung rückte daher in den Fokus der Markenartikelhersteller und führte zu einer Popularisierung des in den USA entwickelten „Marketing Knowhows“.98 Als Resultat bildete sich in der Markenführung ein funktionsorientierter Ansatz heraus, der im Gegensatz zum instrumentellen Ansatz den Aufgabenbereich des Markenmanagements breiter fasste. Die Marktforschung, Produktentwicklung, Preispolitik und Distributionspolitik wurden in das Aufgabenspektrum der Markenführung integriert.99 Die Leistung „Marke“ stellte nicht länger ein Merkmalsbündel dar, sondern wurde als Vermarktungsform angesehen. Als wesentliche Erfolgsfaktoren
stützt. Grundgesetz 13: Die Verwendung eines Namens muss auf ein einziges Erzeugnis oder auf eine möglichst konzentrierte Idee beschränkt werden. Grundgesetz 14: Markenwaren sind schöpferische Leistungen eines kaufmännischen Unternehmertums, das sich die technischen Voraussetzungen zu sichern weiß. Grundgesetz 15: Das Ziel der Markentechnik ist die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher. Der Ausgangspunkt ist die markentechnische Erfindung, die auch, wie jede technische Erfindung, nur auf einer Besonderheit beruhen kann. Es handelt sich dabei – mehr oder weniger ergänzt durch materielle Vervollkommnungen – um eine erhöhte psychologische Zweckerfüllung. Grundgesetz 16: Ein geschriebener oder gedruckter Name bedarf einer optischen Ergänzung von besonderer Eindringlichkeit. Dies ist die Handelsmarke, die stets in Verbindung mit einem Namen gebracht werden muss. Ihre Formung soll – um dem Sinn der optischen Wirkung gerecht zu werden – würdig als Symbol, charakteristisch zur Vermeidung von Verwechselungen und leicht fasslich sein. Grundgesetz 17: Der Markt beweist durch seine eigenen Wertprägungen eine Vorliebe für einfache, sachliche Bezeichnungen von Marken, die in einem sinnfälligen Zusammenhang mit der Ware stehen. Grundgesetz 18: Eine Firma hat eine Marke. Zwei Marken sind zwei Firmen. Grundgesetz 19: Markengesetze sind Naturgesetze. Grundgesetz 20: Der Wert eines Markenartikels beruht auf dem Vertautsein des Verbrauchers mit dem Gesicht des Markenartikels. Das Markengesicht ist ein Zusammenklang sämtlicher wesentlicher Besonderheiten und Eigenschaften des Markenartikels, die nach erfolgreicher Einführung nicht mehr getrennt werden dürfen. Grundgesetz 21: Starke Einführungsreklame wird zu einem untrennbaren Bestandteil des Markengesichtes und kann deshalb auch später niemals eingespart werden. Grundgesetz 22: Die Einführungsarbeit einer Markenware ist Sache des Verkaufsapparates. Dabei ist jedoch zu beachten, dass ebenso wie eigenwillig Reklame auch alle sonstigen erborgten Machtmittel – außer der suggestiven Kraft der reinen Verkaufskunst – Abwehrinstinkte des Marktes wachrufen können. Vgl. DOMIZLAFF (2004), S. 1096 ff. 98
Vgl. MEFFERT/BURMANN (2005), S. 24.
99
Vgl. ANGEHRN (1968), S. 21 f.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
19
wurden nicht mehr Markierungs- und Verpackungsgestaltung definiert, sondern die effektive Ausgestaltung der Marketingfunktionen, insbesondere der Vertriebsfunktion.100 Der funktionsorientierte Ansatz weist im Gegensatz zum instrumentellen Ansatz einen ersten Schritt hin zu einer grundlegenden Kompetenzorientierung auf, da er zum einen indirekt die Heterogenität von Unternehmen akzeptiert101 und zum anderen versucht, Wettbewerbsvorteile durch eine leistungsspezifische Ausgestaltung von Marketingfunktionen zu erklären. Allerdings lässt sich diese Kompetenzorientierung als rudimentär bezeichnen, da weder Fähigkeiten als Ursachen für eine divergierende Ausgestaltung von Marketingfunktionen identifiziert, noch die Bedeutung von Ressourcen erkannt werden. Ferner rückt die Marktperspektive durch den zunehmenden Käufermarkt weiter in den Mittelpunkt, so dass die outside-inOrientierung im Markenmanagement an Bedeutung gewinnt. Mitte der 70er Jahre verschärften sich die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusehends und führten zu einem erneuten Verständniswandel in der Markenführung mit einem nachfrager- und wettbewerbsorientierten Fokus. Ausgeprägte Sättigungstendenzen auf vielen Märkten, eine zunehmende Imitationsgeschwindigkeit von technischen Innovationen, kritischere und vor allem preissensiblere Nachfrager sowie die Informationsüberlastung der Konsumenten als Folge der Markeninflation stellten neue Herausforderungen an das Markenmanagement. Da sich Marken in einem verringerten Ausmaß über funktionale Produktdimensionen differenzieren konnten, orientierte sich die Markenführung mehr an der symbolischen Wirkung, die Marken auf Nachfrager ausüben. Diese wirkungsbezogene Sichtweise fand in der Entwicklung des verhaltens- bzw. imageorientierten Ansatzes der Markenführung ihren Ausdruck.102 Der Ansatz stellt die Relevanz, Entstehung und Veränderung des Markenimages bei den Nachfragern in den Vordergrund.103 Dabei strebt er an, Handlungsempfehlungen zur zielgerichteten Beeinflussung der einzelnen Komponenten des Markenimages zu generieren.104 Die starke Fokussierung auf den Imageaspekt
100
Vgl. DUBBER (1969), S. 17 f.
101
Nach der Argumentation dieses Ansatzes würde sich die Heterogenität von Unternehmen zumindest aus einer divergierenden Ausgestaltung der Marketingfunktionen ergeben, die sich aus Ursachen ergeben.
102
Vgl. BEREKOVEN (1978), S.43; AAKER/KELLER (1990), S. 27 f.; TROMMSDORFF (1992), S. 458; MEFFERT/BURMANN (2005), S. 25 ff.
103
Vgl. KELLER (1993).
104
Vgl. ESCH et al. (2004), S. 24 f.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
20
führt jedoch zu (i) einer methodisch-partialanalytischen Betrachtung,105 (ii) einer Vernachlässigung der bereits skizzierten hohen Relevanz von Ressourcen sowie (iii) einer Vernachlässigung des Integrationsaspektes aller markenbezogenen Maßnahmen. Kompetenzen werden hingegen nicht als wesentliche Erfolgsdeterminanten identifiziert, sondern lediglich eingeschränkt zu Aspekten der Image-Erfassung und Analyse angeführt. Dem imageorientierte Ansatz kann daher eine schwache und eingeschränkte Kompetenzorientierung zugesprochen werden. Der Ansatz vermag zwar Image- und (psychographische) Erfolgsdivergenzen zu identifizieren, eignet sich jedoch weniger zu einer Identifikation von Ursachen für solche Divergenzen noch zu einer Analyse und Gestaltung von Maßnahmen auf einer Aktionsebene der Markenführung. Diese Defizite konnten durch die Entwicklung von neuen Ansätzen teilweise ausgeglichen werden. 2.3.2
Aktuelle Ansätze der Markenführung
Einige der Defizite des imageorientierten Ansatzes wurden mit dem in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und bis heute vertretenen technokratischstrategieorientierten Ansatz kompensiert.106 Hierbei wurde ein Wechsel in der Betrachtungsweise von der Verhaltenskonstruktebene zur Unternehmensführungsebene vollzogen. Der Fokus dieses Ansatzes liegt weniger auf dem Markenimage, sondern auf der Planung, Koordination und Steuerung aller absatzmarktbezogenen Maßnahmen der Markengestaltung. Die Verbreitung des Ansatzes wird seit einigen Jahren durch die intensive Auseinandersetzung mit dem Markenwert gefördert. Hierbei wurde ein Wechsel in der Betrachtungsweise von der Verhaltenskonstruktebene zur Unternehmensführungsebene vollzogen. Aufgrund der formalisierten Ausrichtung der Herangehensweise führt dies oftmals zu einem technokratisch-mechanistischen Vorstellungsbild von der Marke und einer Vernachlässigung der emotionalen, verhaltensbezogenen Aspekte der Markenführung.107 Beim technokratisch-strategieorientierten Ansatz kann jedoch eine latente Kompetenzorientierung identifiziert werden. Zum einen führt er durch die Integration der Markenführung in die Unternehmensführung und Unternehmensstrategie zu einer Aufwertung des Markenmanagements als wesentliche Querschnittsfunktion der stra-
105
Vgl. HUBER (1993), MAYERHOFER (1995).
106
Vgl. MEFFERT (1988), S. 115 f. u, 289 f.; VOSS (1983), S. 17 f.; BRANDMEYER/SCHULZ (1989); FRANZEN/TROMMSDORF/RIEDEL (1994); HAEDRICH/TOMCZAK/KAETZKE (2003).
107
Vgl. MEFFERT/BURMANN (2005), S. 27.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
21
tegischen Unternehmensführung. In diesem Kontext können Erkenntnisfortschritte zur Unternehmensführung auf die Markenführung übertragen werden. Zum anderen führt der Ansatz zu einer erweiterten Perspektive der Markenführung, die ebenfalls interne Entscheidungstatbestände wie beispielsweise Restrukturierungen und Portfolioentscheidungen umfasst. Auch wenn hierbei nicht explizit auf die Bedeutung von Kompetenzen eingegangen wird, so gewinnt die Markenführung eine stärkere interne und vor allem dynamisierte Perspektive.108 Diese umfasst aufgrund des strategischen Charakters ebenfalls die (Weiter-) Entwicklung von Ressourcen und Kompetenzen, die sich sowohl auf das Unternehmen als auch auf Markeninstitution beziehen. Den höchsten Grad an Kompetenzorientierung weist der stärker verhaltensorientierte identitätsorientierte bzw. -basierte Markenführungsansatz auf, der sich in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelte.109 Diese Jahre waren für die Markenführung durch eine weitere Angleichung der Produktqualitäten gekennzeichnet.110 Trotz einer Ausweitung der Investitionen in die Markenführung, insbesondere
108
Diese Erkenntnis wird jedoch erstaunlicherweise auch in neueren wissenschaftlichen Schriften zur Markenführung nicht erfasst oder zumindest nicht explizit hervorgehoben. So führen Esch et al. lediglich Beispiele für die Erweiterung an, ohne auf die dahinter liegenden strukturellen Unterschiede zu früheren Perspektiven hinzuweisen. Vgl. ESCH et al. (2004), S. 25.
109
Im deutschen Schrifttum wird bis zum Jahr 2003 vorwiegend von der identitätsorientierten Markenführung gesprochen. Beim identitätsbasierten Markenführungsansatz von BURMANN/BLINDA/ NITSCHKE bzw. BURMANN/MEFFERT handelt es sich um eine Weiterentwicklung des identitätsorientierten Markenführungsansatzes von MEFFERT und BURMANN aus dem Jahr 1996. Beide Ansätze bauen auf denselben theoretischen Grundgedanken auf. Die geänderte Nomenklatur ist jedoch nicht als eine rein terminologische Differenzierung um seiner selbst Willen zu interpretieren. Vielmehr handelt es hierbei um eine Präzisierung der Begrifflichkeit. Sie resultiert (1) aus einer theoretisch fundierteren Konzeptualisierung des Ansatzes der Markenidentität und (2) aus der präzisierenden Erkenntnis, dass die Markenführung nach dem Grundverständnis dieses Ansatzes auf der Markenidentität „basiert“ und sich nicht allein an ihr „orientiert“. Richtig ist hingegegen, dass sich die Markenführung primär an den Nachfragern „orientiert“. (3) Es wird durch die terminologische Abänderung eine Annäherung an den englischen Sprachegebrauch vollzogen, da bei der Mehrzahl von betriebswirtschaftlichen Ansätzen ebenfalls richtigerweise eine „basierende“ Terminologie verwendet wird (z.B. identity-based brand management, resource-based view, competence-based view). Die Einführung des Begriffs „Identitätsorientierung“ in der deutschsprachigen Literatur erscheint eher als semantische und definitorische Unschärfe, die aus einer unpräzisen Übersetzung der englischsprachigen und frankophonen Literatur zur identitätsbasierten Markenführung entstanden ist. Aufgrund dieser Vorzüge, und da die Ausführungen dieser Arbeit vornehmlich auf dem weiterentwickelten Ansatz von BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003) bzw. BURMANN/MEFFERT (2005) fußen, wird im Folgenden von identitätsbasierter Markenführung gesprochen.
110
Der Trend zum Outsourcing entwickelte sich vor allem aus Kosten- und Flexibilitätsgründen. Die Fokussierung auf wenige Kernprozesse, die Unternehmen besser beherrschen als Wettbewerber, förderte dabei die Entwicklung langfristiger Kernkompetenzen in der Markenführung. Allerdings verstärkte die Verwendung von identischen Lieferanten für Vorprodukte von Markenartikeln die Qualitätshomogenität aus Sicht der Verbraucher. Vgl. MEFFERT (2000), S. 1018 ff.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
22
in die Markenkommunikation,111 blieb der erhoffte Differenzierungserfolg unter den Erwartungen der Markenunternehmen.112 Die bisherigen Markenführungsansätze, einschließlich des technokratisch-strategieorientierten Ansatzes, lieferten zum einen keine adäquaten Erklärungen zu den Erfolgsdivergenzen und zum anderen keine hinreichenden Lösungsvorschläge für die Probleme. Dies verstärkte die Forderungen der Praxis nach aussagekräftigeren, sozialpsychologischen Erklärungskonzepten und erfolgsursachenidentifizierenden Ansätzen in der Markenforschung. Der identitätsbasierte Markenführungsansatz ermöglichte zum ersten Mal eine integrative und holistische Perspektive des Markenkonstrukts, indem er die imageorientierte, „outside-in“ Ausrichtung der Markenführung (Marktwirkungsebene), die sich zum Teil aus der klassischen Absatzperspektive des Marketings ableitet, um eine mitarbeiterverhaltensorientierte, „inside-out“-Perspektive (Führungsebene) erweiterte.113 Der Ansatz wird als State-of-the-Art und das zurzeit am Weitesten durchgesetzte Konzept zur Markenführung in Wissenschaft und Praxis angesehen.114 Der Ansatz stellt die Markenidentität und die werthaltige Marke-Kunden-Beziehung in das Zentrum der Markenführung. Dabei konstituiert sich eine Marke aus physischfunktionalen sowie symbolischen (bzw. emotionalen) Komponenten, die einem Nachfrager Nutzen stiften und eine Differenzierung des Leistungsangebotes ermöglichen.115 Die grundlegenden Merkmale einer Marke speisen sich aus der Markenidentität, die das Selbstbild der Marke darstellt und aus Sicht der internen Anspruchsgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägt.116 Wichtige Beiträge zur identitätsorientierten Markenforschung stammen von AAKER (1991), KAPFERER (1992), MEFFERT/BURMANN (1996) und zuletzt BURMANN/BLINDA/NITSCHKE
111
Vgl. JOACHIMSTHALER/AAKER (2005); S. 650.
112
Beispielsweise konnten in vielen FMCG-Warengruppen lediglich die stärksten beiden Marken ihren Umsatz gegenüber Handelsmarken ausbauen und ihre Marktposition verteidigen. Marken mit schlechterer Marktposition verloren an Bedeutung. Vgl. VOSS (1995), S. 5. Diese Entwicklung hält bis heute an. Eine aktuelle Studie der GfK belegt, dass weniger profilierte Marken Marktanteile verlieren, während starke Marken ihre Marktposition behaupten. Vgl. GARBER (2005a), S. 24.
113
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996).
114
Vgl. ESCH (2005), S. 95.
115
Das Ausmaß und die Nachhaltigkeit der Differenzierung sind immer dann groß beziehungsweise lange andauernd, wenn sich sowohl die physisch-funktionalen als auch die symbolischen Nutzenkomponenten einer Marke von konkurrierenden Angeboten unterscheiden. Vgl. BURMANN/ MEFFERT/KOERS (2005), S. 7.
116
BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003); S. 4 f. Vgl. für eine dezidierte Auseinandersetzung mit der Markenidentität Abschnitt B.2.2.3.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
23
(2003) bzw. BURMANN/MEFFERT (2002 und 2005).117 Verbunden mit (i) der Erweiterung des Aufgabenverständnisses der Markenführung, (ii) der Integration der Markenführung in die strategische Unternehmensführung und (iii) der Übertragung von sozialpsychologischen Erkenntnissen auf die Markenführung führt diese „inside-out“Orientierung zu einem „innovativen“ Markenführungskonzept, welches potenziell Ursachen für Erfolgsdivergenzen zwischen Marken in Form von Kompetenzen zu erklären vermag. So weisen andere Markenidentitätsansätze, wie u.a. das Identitätsprisma von KAPFERER auf die hohe Relevanz der Kompetenzen für die Markenführung hin.118 Insbesondere der Ansatz von BURMANN/BLINDA/NITSCHKE bzw. BURMANN/MEFFERT identifiziert explizit die Markenführungskompetenz als Komponente der Markenidentität und baut konzeptionell auf Erkenntnissen des RBV und CBV auf.119 BURMANN und MEFFERT führen diesbezüglich an, dass „als Kernbestandteil [der Identität] […] die Kompetenz einer Marke als wichtige Voraussetzung für die Gewinnung des Vertrauens der Nachfrager“ interpretiert wird.120 Die „Kompetenz einer Marke“ wird hier nachdrücklich nicht, wie teilweise in der Literatur verwendet,121 als Imageassoziation interpretiert. Vielmehr wird die Kompetenz als organisationale Fähigkeit verstanden. Sie sichert die Leistungsfähigkeit der Marke ab, indem sie die markenführende Institution zur Einlösung des kommunizierten Markennutzenversprechens durch ein konsistentes Markenverhalten befähigt. Erst durch diese „Leistungskompetenz“ kann auf Seiten der Nachfrager gegenüber einer Marke Vertrauen entstehen. Der identitätsbasierte Ansatz weist daher als einziger Ansatz der Markenführung durch seine Innen- und Außenorientierung sowie durch die Ansätze einer theoretischen Fundierung in der Ressourcen- und Kompetenztheorie eine akzentuierte Kompetenzorientierung auf. Daher eignet er sich als konzeptionelle Basis dieser Arbeit.
117
Vgl. AAKER (1996); KAPFERER (1992); MEFFERT/BURMANN (1996); MEFFERT/BURMANN (2002a); BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003) bzw. BURMANN/MEFFERT (2005b) und für einen Kurzüberblick über weitere Ansätze der Markenidentität ESCH/LANGNER/REMPEL (2005) sowie weiter u. a SCHMITT/PAN (1994); UPSHAW (1995); KAPFERER (2003).
118
Vgl. KAPFERER (1992), S. 60.
119
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 18 ff.; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 59 f. und 62 f.
120
BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 42.
121
Vgl. bspw. BECKER (2002); WILLRODT (2004).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
24
Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich eine solche Kompetenzorientierung darstellt und wie sich Markenführungskompetenzen abgrenzen lassen? Bis Markenführungskompetenzen dezidiert im Rahmen eines eigenen Kapitels hergeleitet werden, soll eine von BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003) in Anlehnung an die (allgemeine) Kompetenzabgrenzung von FREILING (2001) entwickelte Abgrenzung als Arbeitsdefinition verwendet werden. Hiernach stellen Markenführungskompetenzen die „Fähigkeiten der markenführenden Institution dar, markenrelevante Ressourcen so zu kombinieren, dass daraus ein den Anforderungen der Märkte gerechtes Angebot (=das Nutzenbündel Marke) entsteht.“122 Diese Kombinations- und Bündelungsfähigkeiten repräsentieren im Sinne eines ganzheitlichen Markenmanagements eine komplexe Herausforderung für eine Unternehmung. Zum einen bedarf es eines langfristigen Zeithorizonts des Managements, da sich die erforderlichen Markenführungskompetenzen erst über einen längeren Zeitraum entwickeln.123 Daraus ergibt sich, dass ein kurzfristiger Aufbau von Kompetenzen nicht oder zumindest nur sehr schwer erzielbar ist. Zum anderen erfordert der Aufbau von Markenführungskompetenzen neben einer langfristigen Perspektive teilweise erhebliche organisatorische und finanzielle Aufwendungen.124 Der Aufbau und die Führung von Marken durch Markenführungskompetenzen bedingen daher ein hohes und langfristiges Commitment der Unternehmensführung. Die Vertiefung und Verbreiterung der Aufgaben des Markenmanagements führen zu einer analogen Vertiefung und Verbreiterung der Markenführungskompetenzen.125 Das Markenmanagement kann sich nicht allein auf die Entwicklung von Kompetenzen in der Gestaltung und dem Einsatz von (Marken-)Zeichen konzentrieren. Ein solches partielles Markenführungsverständnis führt in der Praxis oft zur Erosion der Marke.126 Marken können nur dann erfolgreich sein, wenn die markenführende Organisation auf jeder Stufe des Wertschöpfungsprozesses entsprechende Markenfüh-
122
BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 20 aufbauend auf der Abgrenzung durch FREILING (2001a), S. 36.
123
Ähnlich argumentieren auch SANCHEZ/THOMAS, die für eine ressourcen- und kompetenzorientierte Unternehmensführung ebenfalls einen langfristigen Planungshorizont fordern. Vgl. SANCHEZ/ THOMAS (1996), S. 80.
124
Vgl. WINTER (2003), S. 991.
125
In diesem Kontext wird häufig vom „Deepening“ und „Broadening“ der Markenführung gesprochen. Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 32 f.
126
Vgl. zur Markenerosion ausführlich KLANTE (2004).
Relevanz von Markenführungskompetenzen
25
rungskompetenzen entwickelt, die entweder zur Nutzengenerierung für den Nachfrager beitragen oder zu Kostenvorteilen der markenführenden Institution gegenüber Wettbewerbern führen. Aus der Perspektive des Ressource-based Views (RBV) stellt die Identifikation und zielgerichtete Gestaltung dieser Kompetenzen den Kern aller Markenführungsaktivitäten dar.127 Die Notwendigkeit zu einem stärker kompetenzorientierten Markenmanagement im Sinne einer Fokussierung auf Markenführungskompetenzen ist damit gegeben.
2.4
Forschungsbedarf zu Kompetenzen der Markenführung
Die Relevanz der Kompetenzen für das Markenmanagement wurde seit Anfang dieses Jahrhunderts sowohl von einer Reihe von Praktikern als auch Wissenschaftlern erkannt.128 Allerdings steht der Forschungszweig aufgrund einer Vielzahl von Erkenntnislücken noch an den Anfängen eines theoretisch fundiert abgeleiteten und praktisch erprobten, kompetenzorientierten Managementkonzeptes innerhalb der Markenführung. Ein Forschungsbedarf zu Kompetenzen der Markenführung wird zunächst aus der Heterogenität der terminologischen Abgrenzungen des Konstrukts129 „Kompetenz“ bzw. „Markenführungskompetenz“ deutlich.130 FREILING und WELLING (2005) kritisieren zu Recht, dass in diesem Kontext von einem regelrechten „Begriffswirrwar“ gesprochen werden könne, welcher den Forschungsfortschritt behindere.131 Die Defizite in der terminologischen Abgrenzung führen ferner zu einer Vielzahl unterschiedlicher Auffassungen, welche als spezifische Kompetenzen einer Unternehmung als Markenführungskompetenzen bezeichnet werden können. Ein Konsens
127
Vgl. HAMMANN (2002), S. 350; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 41.
128
Vgl. u.a BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 41; FREILING/WELLING (2005), S. 117 ff.; RAMASWAMI/ BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); VORHIES/MORGAN (2005); RIESENBECK/PERREY (2005), S. 162.
129
Der Terminus ‚Konstrukt’ dient in der Marketing-Literatur zur Beschreibung von nicht direkt beobachteten Phänomenen. Da Konstrukte lediglich einen indirekten Wirklichkeitsbezug aufweisen und somit Hypothesen zur Erklärung des Zusammenhangs zur Realität aufgestellt werden müssen, wird häufig auch von theoretischen und hypothetischen Konstrukten gesprochen. Vgl. TROMMSDORFF (2004), S. 34 ff.; KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 30 f. Theoretische Konstrukte sind zur Messung in geeigneter Weise zu operationalisieren. Vgl. HOMBURG/GIERING (1996), S. 6.
130
Vgl. zur Begriffsvielfalt des Terminus „Kompetenz“ vor allem FREILING (2001b), S. 89 ff.
131
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 105.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
26
wird weiter durch ein heterogenes Verständnis von den Aufgaben des Markenmanagements erschwert. So würde beispielsweise nach einem imageorientierten Markenverständnis (Marke als Vorstellungsbild) die Kompetenz der markenführenden Institution, Commitment unter den Mitarbeitern einer Marke aufzubauen, nicht als eine spezifische Markenführungskompetenz zählen. Demgegenüber könnte dies aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagementverständnisses als eine Markenführungskompetenz interpretiert werden.132 Dieses Beispiel verdeutlicht, dass eine Identifizierung von spezifischen Markenführungskompetenzen vom jeweils verwendeten Markenführungsverständnis abhängt. Auch eine Auswertung des Schrifttums zum aktuellen Stand des identitätsbasierten Markenmanagementkonzepts nach BURMANN/BLINDA/NITSCHKE bzw. BURMANN/MEFFERT ergibt wesentliche Forschungslücken in Bezug auf das Konstrukt der Markenführungskompetenzen. Der Ansatz basiert zwar auf dem Verständnis des RBV und folgt wesentlichen Erkenntnissen des CBV. Des Weiteren identifiziert er die Markenführungskompetenz als eine grundlegende Komponente der Markenidentität. Jedoch steht eine Identifizierung von spezifischen Markenführungskompetenzen in diesem Kontext noch aus. Erste Erkenntnisse zu den konzeptionellen Grundlagen der Markenführungskompetenzen vermögen jedoch hierfür wertvolle Hinweise zu geben. Ferner fehlt es an einer Strukturierung von Markenführungskompetenzen. Die vermutete Heterogenität der Markenführungskompetenzen, die sich aus dem breiten Verständnis eines holistischen Markenmanagementverständnisses ergibt, legt die Vermutung nahe, dass sich Markenführungskompetenzen zu Kompetenzfeldern im Rahmen der Wertschöpfung zusammenfassen lassen. Gestützt wird diese These durch Forschungsergebnisse von DAY (1994)133 sowie GERSCH/FREILING/GOEKE, die eine Trennung von Kompetenzen in Veredelungskompetenzen, transaktionsbezogene Kompetenzen und Meta-Kompetenzen vornehmen.134 Eine solche Strukturierung von Kompetenzen ist nach Ansicht des Autors von Relevanz, da sie die Vielzahl der Markenführungskompetenzen für die Wissenschaft und die Praxis leichter identifizierbar und gestaltbar machen könnte. Die meisten Ansätze vernachlässigen jedoch diese wichtige Facette. Bislang versuchen nach Kenntnis des Autors lediglich der identitätsbasierte Markenmanagementansatz sowie eine Forschungsinitiative von
132
Vgl. in diesem Kontext insbesondere Abschnitt B.3.5.3.4 zur internen Markendurchsetzungskompetenz.
133
DAY (1994) identifiziert drei Kompetenzfelder. Vgl. DAY (1994), S. 41.
134
GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 45 ff.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
27
FREILING/WELLING, Kompetenzen in ein ganzheitliches Markenführungskonzept zu integrieren. Als letzte wesentliche Forschungslücke lässt sich identifizieren, dass bislang belastbare empirische Untersuchungen zu den Wirkungen von Markenführungskompetenzen auf die Bewährung von Marken im Wettbewerb fehlen.135 Speziell diese Lücke ist elementar, da Marken heute durch die Shareholder Value-Orientierung136 vieler markenführender Unternehmen und einer damit verbundenen verstärkten Relevanz des Markenwertes137 unter einem hohen Rentabilitätsdruck stehen. Für markenführende Unternehmen ist daher die Kenntnis, welche Markenführungskompetenzen sich überdurchschnittlich positiv auf den Erfolg von Marken auswirken, von hohem Wert.
3
Zielsetzung der Untersuchung
Aufbauend auf dem herausgearbeiteten Forschungsbedarf zu Markenführungskompetenzen sowie unter Berücksichtigung der Notwendigkeit eines stärker kompetenzorientierten Markenmanagements besteht die generelle Zielsetzung dieser Arbeit darin, einen Beitrag zur Konzeptualisierung, Operationalisierung und Wirkung von Markenführungskompetenzen zu leisten. Die konzeptionelle Basis stellt der identitätsbasierte Markenmanagementansatz dar. Die Untersuchung verfolgt zunächst ein theoretisches Forschungsziel, um in Anschluss praxeologisch relevante Erkenntnisse abzuleiten.138 Dabei soll sowohl der
135
Diese Forschungslücke fügt sich konsistent in die grundlegende Kritik an der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung ein, dass empirische Untersuchungen zur Falsifizierung von grundlegenden Aussagen dieser Forschungsrichtung immer noch unterentwickelt seien. Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 889.
136
Unter „Shareholder Value“ wird u.a. ein Konzept der Unternehmensführung verstanden, das die Maximierung des Unternehmenswerts im Sinn des Marktwertes des Eigenkapitals (u.a. dauerhafte, hohe Dividende und Steigerung des Aktienkurses) im Interesse der Aktionäre als die zentrale Aufgabe der Unternehmensführung ansieht. Vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 2660. Allerdings kann eine falsch verstandene Shareholder Value-Orientierung einer langfristig orientierten Markenführung entgegenstehen, wenn sich die Markenführung einseitig an kurzfristigen, monetären Größen orientiert. Vgl. u.a. STAHL/MATZLER/HINTERHUBER (2001), S. 423 f.
137
Vgl. zum Markenwert ausführlich Abschnitt B.1.1.1 sowie in der Literatur u. a. BEKMEIER (1994); YÜKSEL/YÜKSEL (2003); BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 320 ff.
138
Die Verbindung beider Forschungsrichtungen schließt sich trotz der traditionellen Dichotomie nicht aus. Im Gegenteil: insbesondere im Markenmanagement stützen sich zum einen viele Entscheidungen der Praxis oftmals auf vorherige Analysen und theoretische Erklärungen der Forschung. Zum anderen rühren viele Theorien der Markenmanagementforschung aus Beobachtun-
28
Relevanz von Markenführungskompetenzen
Erklärungs- als auch der Gestaltungsaufgabe einer entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre Rechnung getragen werden.139 Zunächst soll das theoretische Forschungsziel der Arbeit die Identifizierung, Konzeptualisierung und Klassifikation von Markenführungskompetenzen sein. Anhand einer Identifikation solcher Markenführungskompetenzen, die den Erfolg von Marken überdurchschnittlich positiv beeinflussen und so zu Wettbewerbsvorteilen einer Unternehmung führen können, soll darauf aufbauend das praxeologische Forschungsziel der Arbeit die Generierung von Handlungsempfehlungen für die Ausgestaltung von Markenführungskompetenzen sein. Hierfür wird eine empirische Untersuchung zur Auswirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg durchgeführt. Dabei baut die Untersuchung auf zuvor generierten theoretischen Erkenntnissen als konzeptioneller Basis auf. Diese sollen im Rahmen einer literaturgestützten Untersuchung gewonnen werden. Das Oberziel besteht darin, die systematische Konzeptualisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen zu ermöglichen. Folgende essenzialistische und wissenschaftstheoretischen Forschungsfragen sollen beantwortet werden: 1. Inwiefern lassen sich State-of-the-Art-Erkenntnisse der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung und insbesondere des CBV auf den identitätsbasierten Markenmanagementansatz sowie die Markenführungskompetenz als Komponente der Markenidentität übertragen und für die Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung nutzen? Hierfür werden existierende Strukturierungsansätze analysiert, kritisch gewürdigt und Teilaspekte hinsichtlich ihrer Eignung für die Übertragbarkeit auf Markenführungskompetenzen geprüft. 2. Wie können Markenführungskompetenzen klassifiziert werden, so dass eine Identifikation und Einordnung erleichtert werden? 3. Wie können einzelne Markenführungskompetenzen konzeptualisiert werden?
gen der Praxis. Trotz der Inkludierung beider Perspektiven folgt diese Arbeit aufgrund des hohen Anwendungsbezugs der Markenführung einem eher pragmatischen Wissenschaftsziel. Vgl. zu den Wissenschaftszielen bspw. CHMIELEWICZ (1994), S. 8 ff. 139
Der entscheidungsorientierte Ansatz stellt normative Aussagen über rationale Wahlhandlungen der Betriebswirtschaft und insbesondere des Marketingmanagements in den Mittelpunkt der Betrachtung. Vgl. MEFFERT (1999), S. 94 f. Die Bewältigung von marketingbezogenen Problemstellungen wird hierbei als Entscheidungsprozess aufgefasst. MEFFERT (2000), S. 22.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
29
Auf diesen Erkenntnissen aufbauend werden zur Erreichung der wissenschaftstechnologischen und wissenschaftsphilosophischen Ziele folgende (praxeologisch-normative) Forschungsfragen aufgearbeitet: 4. Wie können Markenführungskompetenzen operationalisiert werden? 5. Inwiefern unterscheiden sich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Markenorganisationen in ihren Kompetenzprofilen? 6. Welche Wirkungen weisen Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg auf und welche Handlungsempfehlungen für Unternehmen lassen sich daraus ableiten? Eine Schließung dieser Erkenntnislücken stellt sowohl für die betriebswirtschaftliche Forschung als auch für die Praxis einen wesentlichen Forschungsfortschritt dar. Abbildung 2 skizziert aggregiert die Grundlagen und zentralen Untersuchungsziele der Arbeit.
Grundlagen
Konzept des identitätsbasierten Markenmanagements
Zentrale Untersuchungsziele
Theoretisch fundierte Konzeptualisierung des Konstrukts der Markenführungskompetenz Strukturierung von Markenführungskompetenzen im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagements Klassifikation und Operationalisierung von Markenführungskompetenzen
Ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung: Konzepte des RBV und CBV und weiterer Kompetenz-Ansätze
Angestrebter Erkenntnisfortschritt für Theorie und Praxis
Darlegung von Wirkungen von Markenführungskompetenzen
Weiterentwicklung und weitere Fundierung des identitätsbasierten Markenmanagementansat zes Detailliertes Verständnis von Markenführungs kompetenzen im Rahmen eines identitätsbasierten Markenmanagements Nachhaltige Stärkung des Markenerfolgs durch Gestaltung der Markenführungskompetenzen
Ableitung von Handlungsempfehlungen zur Ausgestaltung von Markenführungskompetenzen
Abbildung 2: Zentrale Grundlagen und Ziele der Untersuchung Quelle: Eigene Darstellung.
Im Rahmen der Untersuchung wird zunächst eine verhaltenswissenschaftliche Perspektive eingenommen. Daher werden zur Durchdringung der Erfahrungsobjekte Er-
Relevanz von Markenführungskompetenzen
30
kenntnisse der Sozialwissenschaften und Psychologie herangezogen. Hinsichtlich der Konzeptualisierung, Identifikation und Strukturierung von Markenführungskompetenzen werden die Erkenntnisobjekte des RBV und CBV sowie weiterer Ansätze des Kompetenzmanagement verwendet und mit Erkenntnissen der Markenforschung kombiniert, um so die Erfahrungsobjekte Marke und Markenführung besser zu durchdringen. Hierzu soll eine deduktive Forschungsmethodik zur Theoriebildung eingesetzt werden, da zur Konzeptualisierung der Markenführungskompetenz im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes theoretische und empirische Erkenntnisse aus verwandten Forschungsbereichen genutzt werden könnten.140 Die konzeptionellen Ergebnisse werden daraufhin durch eine eigene empirische Untersuchung vertieft, in dessen Rahmen Kompetenzwirkungen sowohl unter den Gesichtspunkten einer ex-post als auch einer ex-ante Perspektive der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung untersucht werden.
4
Methodologische Einordnung und Aufbau der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit basiert auf einem Verständnis der Betriebswirtschaftslehre und insbesondere des Markenmanagements als Forschungszweig der praxisorientierten Sozialwissenschaft.141 Zur Untersuchung von Problemstellungen werden in der Sozialforschung oftmals empirische Ansätze gewählt, in denen theoretisch formulierte Annahmen mit praktischen Realitäten konfrontiert werden.142 Untersuchungen der praxisorientierten Sozialwissenschaft lassen sich generell in mehrere Phasen einteilen, die hier kurz skizziert werden sollen.143
140
Vgl. für Ausführungen zu einem solchen Vorgehen GROCHLA (1978), S. 62 ff.
141
Vgl. SCHANZ (1990).
142
In Abhängigkeit von der Präzision der theoretisch formulierten Grundannahmen, die auch als Hypothesen bezeichnet werden, kann ein solches Vorgehen einer analytisch–nomologisch ausgerichteten Erfahrungswissenschaft zugeordnet werden. Diese lehnt sich an den „Kritischen Rationalismus“ an. Weniger präzise Hypothesen lassen sich eher der interpretativen Sozialwissenschaft zuordnen. Hierbei steht vor allem die Gewinnung möglichst realistischer Erfahrungen im Untersuchungsfeld im Vordergrund, ohne dass die Auswahl von Daten durch Voreingenommenheit eingeschränkt wird. Daher wird diese Art des Vorgehens eher einem explorativen Forschungsansatz zugeordnet. Hingegen werden bei einer analytisch–nomologischen Vorgehensweise am Anfang der Untersuchung möglichst präzise Hypothesen formuliert, welche in empirischen Untersuchungen falsifiziert oder nicht-falsifiziert werden. Vgl. ausführlich KROMREY (2002), S. 27 ff.
143
Vgl. zu unterschiedlichen Untersuchungsphasen ATTESLANDER (2003), S. 30, der fünf Phasen identifiziert.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
31
Zunächst wird eine belastbare Problemstellung herausgearbeitet, die innerhalb des Forschungszweiges der Untersuchung von Relevanz ist. In diesem Kontext wird auch auf den Bedarf einer empirischen Untersuchung für diese Problemstellung eingegangen. Im nächsten Schritt werden die Untersuchungshypothesen deduziert, die Aussagen oder Vermutungen über die Dependenzen zwischen Konstrukten darstellen. Diese sind als Erklärungsversuche von beobachtbaren oder nicht beobachtbaren Zusammenhängen in der Umwelt zu interpretieren. Hypothesen bilden das Fundament einer Untersuchung, die auf einer theoretischen Aufarbeitung von bisherigen, für das Problem relevanten Erkenntnissen und Theorien aufbauen.144 Sie bestimmen zum Großteil das geeignete Forschungsdesign der empirischen Untersuchung, welche in einem weiteren Schritt entwickelt wird. Bei der Festlegung des Typs der Datenerhebung wird zwischen einem explorativen Vorgehen (bspw. durch induktive Fallstudien), einem experimentellen Vorgehen (bspw. durch Labor- und Feldexperimente) und einem repräsentativen Vorgehen differenziert.145 Letzteres trifft auf die vorliegende Untersuchung zu. Im letzten Schritt werden die formulierten Untersuchungshypothesen mit den empirisch gewonnenen Ergebnissen verglichen und interpretiert.146 Dies führt zu einer Falsifizierung der Hypothesen. Auf Basis dieser Ergebnisanalyse lassen sich betriebswirtschaftliche Handlungsempfehlungen für Unternehmen ableiten. Die vorliegende Untersuchung folgt grundlegend dem beschriebenen Vorgehen. Methodisch ist die Arbeit im ersten Teil konzeptionell-literaturgestützt einzuordnen. Hier werden die grundlegenden theoretischen Aufarbeitungen zum (Marken-) Kompetenzkonstrukt geleistet, die in einer Konzeptualisierung der Markenführungskompetenz und einer Identifizierung von möglichen spezifischen Markenführungskompetenzen aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes
144
Unter einer Theorie wird ein System von Aussagen und mehreren Hypothesen verstanden, dessen Mittelpunkt Gesetzesaussagen bilden. Theorien gelten als Hauptinformationsträger wissenschaftlicher Erkenntnis. Die Formalisierung von Theorien führt zu axiomatisch-deduktiven Systemen mit Axiomen als Gesetzesaussagen und Theoremen als daraus abgeleiteten Sätzen. Vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 2932.
145
Vgl. ATTESLANDER (2003), S. 81 ff. Hierbei sollte diejenige Option gewählt werden, die den Stand der bisherigen Forschung widerspiegelt und den größten Erkenntnisfortschritt verspricht. So kann beispielsweise in einer relativ jungen Forschungsdisziplin ohne ausreichende empirische Erkenntnisse für eine Untersuchung zunächst ein primär exploratives Forschungsdesign konzipiert werden.
146
Im Kontext der empirischen Sozialforschung wird der Ausdruck „empirisch“ als die Überprüfung von „theoretisch formulierten Annahmen an spezifischen Wirklichkeiten“ interpretiert. Vgl. ATTESLANDER (2003), S. 13.
32
Relevanz von Markenführungskompetenzen
resultieren. Die konzeptionellen Ausarbeitungen werden daraufhin durch eine empirische Untersuchung ergänzt. Hier beschreitet die vorliegende Arbeit vor allem ein repräsentatives Vorgehen der empirischen Untersuchung im analytisch-nomologischen Kontext. Dazu wird eine bundesweite, branchenübergreifende Analyse der Markenführungskompetenzen von Unternehmen vorgenommen. Durch die empirische Analyse des konzeptionellen Bezugsrahmens sowie durch die Ableitung von Schlussfolgerungen zur Auswirkung von Markenführungskompetenzen auf die Markenperformance bewegt sich die Arbeit somit vor allem auf einer praxis- und problemlösungsorientierten Ebene. Sie vermag damit sowohl theoretische als auch praxeologische Handlungsempfehlungen für die marktorientierte Unternehmensführung zu generieren. Mit den beschriebenen Zielsetzungen und der methodologischen Einordnung ist der Aufbau der Untersuchung bereits vorgezeichnet. Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte. Im Anschluss an den Abschnitt A als einleitendes Kapitel erfolgt in Abschnitt B zunächst eine definitorische Abgrenzung wesentlicher Konstrukte der Kompetenzforschung. Dieser folgt eine Aufarbeitung der konzeptionellen Grundlagen zum identitätsbasierten Markenmanagementansatz, dessen Oberzielen und vor allem dessen beider Kernelemente Markenidentität und Markenimage. Daraufhin werden relevante Theoriekonzeptionen des Kompetenzmanagements sowie Konzeptionen mit Bezug zu Markenführungskompetenzen vorgestellt. Hierbei ist vor allem der Competence-based View von exponierter Relevanz. Diese Ausführungen begründen eine Abgrenzung des Markenführungskompetenz-Begriffes. Darauf aufbauend sollen im Folgenden Markenführungskompetenzen konzeptualisiert und im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements strukturiert werden. Als erster Schritt der Konzeptualisierung werden zunächst existierende Konzeptualisierungen von (i) strategischen Unternehmensführungskompetenzen, (ii) Marketingkompetenzen und (iii) Markenführungskompetenzen vorgestellt und diskutiert. Auf Basis einer kritischen Würdigung der vorliegenden Ansätze sowie der entwickelten Erkenntnisse zum Kompetenzmanagement und zum identitätsbasierten Markenmanagement werden daraufhin sechs spezifische Markenführungskompetenzen sowie zwei Meta-Kompetenzen des Markenmanagements identifiziert und konzeptualisiert. Ferner wird der Markenerfolg (bzw. die Markenperformance) als Erfolgsindikator des Markenmanagements konzeptualisiert. Das Kapitel schließt mit der Darlegung eines theoretischen Erklärungsmodells zum Zusammenhang von Markenführungskompetenzen und dem Markenerfolg. Dieses bildet den Bezugsrahmen der Untersuchung und wird durch entwickelte Untersuchungshypothesen spezifiziert. Zusammen bilden sie das Grundgerüst der empirischen Untersuchung.
Relevanz von Markenführungskompetenzen
33
Im Abschnitt C erfolgt die empirische Überprüfung des entwickelten Untersuchungsmodells. Gegenstand der empirischen Analyse ist zunächst die Beschreibung des Untersuchungsdesigns. Hierbei wird sowohl kurz auf die Datengrundlage als auch auf methodische Aspekte der Datenanalyse eingegangen. Im nächsten Schritt erfolgt eine Operationalisierung der Marken- und Meta-Kompetenzen. Auf Basis des theoretischen Erklärungsmodells sowie der abgeleiteten Untersuchungshypothesen erfolgt die empirische Überprüfung entlang der aufgezeigten Dependenzstruktur. Zunächst wird untersucht, inwiefern sich erfolgreiche und weniger erfolgreiche Markenorganisationen in ihren Kompetenzprofilen unterscheiden (ex post Perspektive). Daraufhin werden die Wirkungen der Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg einer Analyse unterzogen (ax ante Perspektive). Als Analyseinstrument für die im Rahmen der empirischen Untersuchung angewendeten statistischen Verfahren, wie bspw. der explorativen Faktorenanalyse, der multivariaten Diskriminanzanalyse und der multiplen Regressionsanalyse, kommt SPSS 12.1 zum Einsatz. Ein Einsatz der Kausalanalyse mithilfe von AMOS ist hingegen aufgrund des begrenzten Stichprobenumfanges in Relation zu den erhobenen Itemvariablen nicht möglich.147 Im abschließenden Abschnitt D erfolgt eine zusammenfassende Würdigung der Ergebnisse der Untersuchung. Dabei wird auf die Implikationen der Markenführungskompetenzen für die Markenführung von Unternehmen und die Auswirkungen auf den Markenerfolg eingegangen. Die Arbeit endet mit Ausführungen zum weiteren Forschungsbedarf.
147
Vgl. hierzu Abschnitt C.3.2.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
B
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
1
Entwicklung der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung
1.1
Market-based View als lange dominierendes Paradigma
35
Die Forschung zur Betriebswirtschaftslehre rekurriert seit Jahrzehnten auf die Notwendigkeit, Unternehmenshandlungen primär marktorientiert auszurichten.148 Unter Marktorientierung kann die „mehr oder weniger bewusste Ausrichtung von Merkmalen, Entscheidungen und Aktivitäten des Unternehmens und seiner Mitarbeiter an den Gegebenheiten des Absatzmarktes“149 verstanden werden. Üblicherweise werden unter dem Begriff Marktorientierung sowohl die Kunden- als auch die Wettbewerbsorientierung subsumiert. Dieses Paradigma150 dominierte über Jahre Forschung und Praxis zum strategischen Management. So stellte bspw. bereits DRUCKER (1954) hierzu fest: „There is only one valid definition of business purpose: to create a satisfied customer. It is the customer who determines what the business is.”151 Diese dominante Marktorientierung manifestierte sich im strategischen Management vor allem im Ansatz des Market-based Views (MBV).152 Die Ursprünge des Ansatzes lassen sich in der Industrial Organization-Forschung bzw. in der Industrieökonomie finden, welche primär die Charakteristika der Märkte betrachtet.153 Dieser Teil der betriebswirtschaftlichen Forschung weist für Wissenschaft und Praxis eine hohe Relevanz auf, da Erkenntnisse zu den Marktbedingungen und die auf diese Bedingungen abgestimmten Handlungen eines Unternehmens als notwendige Grundvor-
148
Vgl. MEFFERT (2000), S. 1064.
149
HOMBURG/KROHMER (2003), S. 1070.
150
Als Paradigma wird ein durch eine wissenschaftliche Gemeinschaft gemeinsam angewandtes, wissenschaftliches Problemlösungsmuster bezeichnet. Vgl. KUHN (1972), S. 287 ff.
151
DRUCKER (1954), S. 37.
152
Vgl. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 510. Der MBV wird teilweise auch „marktorientierter“ bzw. „marktbasierter Ansatz“ genannt. Vgl. zum Begriff des MBV bspw. RÜHLI (1994), S. 34 ff.
153
Vgl. einführend BAIN (1959).
36
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
aussetzung für ein Bestehen im Markt anzusehen sind und einen potenziellen Faktor zur Erklärung von Wettbewerbsvorteilen bilden.154 Ziel des MBV ist die Erklärung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen, welche als Voraussetzung zur Erzielung von langfristig überdurchschnittlichen Kapitalrenditen („abnormal rents“) zu interpretieren sind. Im Gegensatz zu der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung versucht der MBV diese Wettbewerbsvorteile durch eine „outside-in“-Argumentation zu erklären.155 Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens entstehen hiernach vor allem durch die richtige Selektion eines Marktes (bzw. Zielsegments eines Marktes), welcher anhand von positiven Marktcharakteristika identifiziert werden kann sowie der Umsetzung einer überlegenen Positionierung in diesem Markt.156 Dabei bauen die Überlegungen auf dem „Structure-Conduct-Performance“ (S-C-P) Paradigma auf, das vor allem durch die Industrieökonomen MASON (1939) und BAIN (1956) geprägt wurde.157 Es besagt, dass die Branchenstruktur (Structure) das Verhalten der Unternehmen (Conduct) und diese wiederum das Ergebnis (Performance) der Branche beeinflussen. Nach diesem Ansatz wären der Erfolg einer Marke und das Verhalten der markenführenden Institution wesentlich auf die Charakteristika der selektierten Branche zurückzuführen. Der Ressourcen- und Kompetenzausstattung eines Unternehmens wird eine niedrige Relevanz beigemessen, da angenommen wird, dass alle strategischen Ressourcen überwiegend mobil seien und innerhalb der Branche gehandelt werden können.158 Diese Annahme führt zu der Schlussfolgerung des MBV, dass bei freier Handelbarkeit von Ressourcen die Ressourcenausstattung aller Unternehmen einer Branche identisch oder zumindest sehr ähnlich sein müsste. Der MBV unterstellt demnach eine Ressourcenhomogenität.159 Die konsequente Schlussfolgerung aus dieser Annahme ist, dass bei identischer Ressourcenausstattung interindustrielle, jedoch keine intraindustriellen Unter-
154
Die Akzeptanz und Dominanz des MBV lässt sich unter anderem durch seinen normativen Charakter und die klaren Gestaltungsempfehlungen für das Management zu Wettbewerbsstrategien, die der MBV bietet, erklären. Vgl. BURMANN (2002a), S. 142.
155
Vgl. HANNAN/FREEMAN (1977); RÜHLI (1994), S. 32; BEA/HAAS (2001), S. 25.
156
Vgl. BURMANN (2002a), S. 142. Vgl. auch PORTER (1985) zur Branchenattraktivität als wichtige Determinante des Unternehmenserfolges.
157
Vgl. MASON (1939); BAIN (1959).
158
Vgl. NOLTE/BERGMANN (1998), S. 7.
159
Vgl. ZAHN/FOSCHIANI/TILEBEIN (2000), S. 49.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
37
schiede bei den Unternehmen für Erfolgsdivergenzen verantwortlich sein können.160 Daher folgt der MBV einem starken „outside-in“ Fokus, der sich auf unternehmensexterne Einfluss- und Erfolgsfaktoren zur Erklärung von Erfolgsdivergenzen fokussiert. Zu diesen Faktoren zählen vor allem die Branchenattraktivität aufgrund von spezifischen Marktcharakteristika sowie die relative Wettbewerbsposition in der Branche.161 Dieses als „marktorientiertes Dogma“ zu bezeichnende Verständnis dominierte in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die strategische Managementforschung.162 Es wurde vor allem durch die industrieökonomischen Arbeiten von MICHEAL E. PORTER (1980, 1985), insbesondere zur Branchenstrukturanalyse mithilfe des so genannten „Five-Forces Model“163 sowie durch die „generischen“ Wettbewerbsstrategien der Kostenführerschaft164, der Differenzierung165 und der Nischenstrategie166 geprägt.167 Nach PORTER liegen die Aufgaben eines Unternehmens in einem ersten Schritt in der Analyse und Selektion von attraktiven Märkten und in einem zweiten Schritt in einer konsequenten Implementierung einer der drei generischen Strategien. Diese Perspektive wurde zu jener Zeit von der Forschung und Praxis des Marketings und der Markenführung übernommen. Im letzten Bereich äu-
160
Vgl. ZU KNYPHAUSEN (1993), S. 772.
161
Vgl. HANNAN/FREEMAN (1977); RÜHLI (1994); BEA/HAAS (2001), S. 25. Vgl. insbesondere zur Branchenattraktivität PORTER (1985).
162
BURMANN (2002a), S. 142.
163
Dieses besagt, dass sich die Attraktivität einer Branche anhand von fünf Wettbewerbskräften bestimmen lassen kann: (i) die Rivalität unter bestehenden Unternehmen eines Marktes, (ii) die Bedrohung durch neu eintretende Konkurrenten, (iii) die Bedrohung durch Substitutsprodukte und -dienste, (iv) die Verhandlungsstärke der Lieferanten und (v) die Verhandlungsstärke der Nachfrager. Vgl. hierzu ausführlich PORTER (1980a), S. 3 ff.
164
Bei der Strategie der Kostenführerschaft strebt ein Unternehmen an, durch Effizienzsteigerungen seine Leistungen zu geringeren (Stück-)Kosten als die Wettbewerber herzustellen. Dies ermöglicht es somit bei gleichen Absatzpreisen wie die Wettbewerber dauerhaft höhere Renditen zu erwirtschaften. Vgl. THOMPSON/STRICKLAND (1999), S. 123 f.
165
Bei der Strategie der Differenzierung strebt ein Unternehmen an, ein im Vergleich zu den Wettbewerbsangeboten einzigartiges Leistungsbündel anzubieten. Dieses Leistungsbündel bietet für die Nachfrager in einer Nutzendimension eine überlegene Befriedigung. Hierfür sind sie bereit, eine Preisprämie zu bezahlen. Ist diese Prämie höher als die Kosten der Differenzierungserlangung, kann ein Unternehmen dauerhaft höhere Renten abschöpfen. Vgl. PORTER (1999), S. 40 f.
166
Bei der Nischenstrategie fokussiert sich ein Unternehmen auf eine eng definierte Zielgruppe, die von Wettbewerbern ggf. aufgrund ihres geringen Absatzpotenzials bisher nicht oder lediglich unzureichend bearbeitet worden ist, und richtet sein Leistungsbündel speziell auf diese „Nische“ aus. Vgl. MEFFERT (2000), S. 854 f. Bei einer Nischenstrategie kann sowohl eine Kostenführerschaft als auch eine Differenzierung angestrebt werden. Vgl. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 169.
167
Vgl. PORTER (1980b); PORTER (1980a); PORTER (1985).
38
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
ßerte sich dies in einer primär auf das Markenimage ausgerichteten Markenperspektive, die teilweise bis heute anhält.168 Der MBV und allgemein die ihm inhärente „outside-in“-Ausrichtung zur Erklärung von Erfolgsdivergenzen wurde allerdings teilweise bereits in den 80er Jahren und vor allem mit Beginn der 90er Jahre von einer Reihe von Forschern in Frage gestellt und als ungenügend für eine erfolgreiche Unternehmensführung kritisiert.169 Vor allem wird am MBV kritisiert, dass er unternehmensinterne Erfolgsfaktoren aus seinen Überlegungen ausschließt und sie als „black-box“ betrachtet.170 NELSON (1991) und RUMELT (1991) kritisieren beispielsweise, dass sich Erfolgsdivergenzen weder allein auf Unterschiede in der Branchenstruktur, noch ausschließlich auf die Implementierung generischer Wettbewerbsstrategien zurückführen lassen, da diese zum einen für alle Unternehmen gelten würden und zum anderen leicht von Wettbewerbern imitiert werden könnten.171 Ferner bewies RUMELT Anfang der 90er Jahre, dass (bezogen auf die Unternehmensrentabilität) intraindustrielle Ergebnisdivergenzen größer sind als interindustrielle Divergenzen.172 Hinsichtlich der generischen Wettbewerbsstrategien kritisieren LADO/BOYD/WRIGHT (1992) treffend: „However, it has been argued that any low-cost position gained through learning effects, scale/scope economies, and capital/labor substitution might not necessarily constitute a sustainable competitive advantage. […] Such efficiency gains may be imitable and consequently are likely to be eroded over time.”173 Diese und eine Reihe weiterer wissenschaftlicher Beiträge belegen, dass die bisher propagierten marktorientierten Einflussfaktoren die Erfolgsdivergenzen zwischen Unternehmen nicht vollständig und nachhaltig erklären können. Vielmehr werden die Gründe dieser Diver-
168
Dies spiegelte sich z.B. in immer noch gebräuchlichen imageorientierten Definitionen des Terminus „Marke“ wider. So definiert ESCH (2005) bspw. Marken als „Vorstellungsbilder in den Köpfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen.“ ESCH (2005), S. 23. Vgl. zu einer Kritik an dieser Perspektive Abschnitt A.2.3.1.
169
Vgl. zur Kritik im Kontext der Unternehmensführung bspw. WERNERFELT (1984); BARNEY (1991); HAMEL/PRAHALAD (1994); FREILING (2001a), S. 71 ff. und zur Kritik im Kontext der Markenführung bspw. KAPFERER (1992); AAKER (1996) sowie zuletzt MEFFERT/BURMANN/KOERS (2005).
170
Vgl. bspw. BARNEY (1991); GRANT (1991); RÜHLI (1994), S. 36 ff.
171
Vgl. RUMELT (1991), S. 178 f.; NELSON (1991), S. 64 ff. sowie COOL/SCHENDEL (1988), S. 207 ff.
172
Vgl. RUMELT (1991). Weitere Untersuchungen in diesem Kontext von JACOBSON (1988) und HANSEN/WERNERFELT (1989) kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Vgl. ECKERT (2004); HANSEN/ WERNERFELT (1989).
173
LADO/BOYD/WRIGHT (1992), S. 85.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
39
genzen vermehrt in den spezifischen Charakteristika von Unternehmen und den Unterschieden zwischen Unternehmen gesucht. Allerdings hält der wissenschaftliche Diskurs, ob der Erfolg von Unternehmen primär von unternehmensexternen (Branchenspezifika) oder unternehmensinternen Faktoren determiniert wird, bis heute an. Aktuell läßt sich bspw. im Strategic Management Journal zwischen 2003 bis 2005 eine Reihe von Beiträgen identifizieren, die sich dieser kontroversen Diskussion widmen.174 Hierbei führen beide Seiten empirische Studien an, die den jeweiligen Standpunkt zu untermauern scheinen.175 So argumentieren bspw. HAWAMINI/SUBRAMANIAN/VERDIN (2003, 2005) auf Basis einer empirischen Untersuchung, dass für durchschnittlich erfolgreiche Unternehmen einer Branche die Branchencharakteristika ebenso relevant seien wie die jeweiligen Unternehmenspezifika.176 Auf Basis einer adaptierten empirischen Untersuchung desselben Datensatzes kommen hingegen MCNAMARA/AIME/VAALAR (2005) zu der Erkenntnis, dass auch für diese Gruppe von Unternehmen Unternehmensspezifika einen höheren Anteil der Varianz des finanziellen Unternehmenserfolges erklären können. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass der wissenschaftliche Diskurs zur Relevanz von MBV- und RBVOrientierung noch nicht abgeschlossen ist. Jedoch wird inzwischen von der großen Mehrheit der Forscher bestätigt, dass interindustrielle Divergenzen nicht ausreichen, Erfolgsdivergenzen zu erklären, sondern vielmehr intraindustrielle Divergenzen in Hinsicht auf Unternehmenscharakteristika (Ressourcenheterogenität) von evozierter Relevanz sind. Dies lässt sich auf die Markenführung übertragen. Da ein wesentliches Ziel der Markenführung in der Differenzierung des eigenen Leistungsangebotes gegenüber dem Wettbewerb liegt, kann eine allein marktgerichtete Perspektive keine hinreichende Grundlage für eine solche Differenzierung darstellen. Da der MBV von einer freien Handelbarkeit von Ressourcen und einer hohen Markttransparenz hinsichtlich der Generierung von Fähigkeiten und Kompetenzen ausgeht, können nach dieser Argumentation im engeren Sinne gar keine Marken entstehen. Jeder Wettbewerber könnte umgehend die Differenzierungsbemühungen eines Anbieters kopieren. Eine
174
Vgl. bspw. PETERAF/BERGEN (2003); KNOTT (2003); HELFAT/PETERAF (2003); HAWAWINI/ SUBRAMANIAN/VERDIN (2003); HAWAWINI/SUBRAMANIAN/VERDIN (2005); MCNAMARA/AIME/VAALER (2005);
175
Vgl. u. a. HAWAWINI/SUBRAMANIAN/VERDIN (2003); KOR/MAHONEY (2005); ZAHEER/BELL (2005); ETHIRAJ et al. (2005); HULT/KETCHEN/SLATER (2005).
176
Vgl. HAWAWINI/SUBRAMANIAN/VERDIN (2003); HAWAWINI/SUBRAMANIAN/VERDIN (2005).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
40
nachhaltige Differenzierung, die definitionsgemäß ein inhärentes Markencharakteristikum darstellt, wäre somit nicht zu erzielen. Die Differenzierung muss daher auf markenspezifischen (bzw. unternehmensspezifischen) Charakteristika basieren. Diese Charakteristika werden jedoch vom MBV nicht identifiziert und analysiert, geschweige denn, dass sie als erfolgswirksam interpretiert werden. Daher ist trotz der Relevanz der Marktorientierung für die Markenführung der MBV allein nicht geeignet, ausreichende Erkenntnisse für die Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen zu generieren. Vielmehr müssen unternehmens- bzw. markenspezifische Charakteristika in die Überlegungen integriert werden. An diesem konzeptionellen Gedanken setzt der Resource-based View an.
1.2
Resource-based View
Als erster propagierter Ansatz der Ressourcen- und Kompetenzforschung, der ebenfalls eine Reihe von Partialansätzen unter seinem Dach subsumiert, hat der Resource-based View (RBV)177 die Forschung um die strategische Unternehmensführung in den vergangenen 25 Jahren hinsichtlich theoretischer und anwendungsbezogener Fragen stark beeinflusst.178 Zielsetzung des RBV ist:
die Identifikation und Erforschung von Erfolgsursachen (Erklärungsziel) für Unternehmenserfolge und
die Ableitung von Aussagen, welche Maßnahmen Unternehmen zum Zwecke der Erfolgserzielung ergreifen sollten (Gestaltungsziel).179
Als zentrale Ausgangspunkte des RBV gelten die Arbeiten von PENROSE (1959)180 und SELZNICK (1957)181, die bereits frühzeitig auf die Relevanz von Ressourcen für die Heterogenität von Unternehmen und deren Wettbewerbsvorteilen hinwiesen.182
177
Der RBV wird in der Literatur unter einer Vielzahl von Bezeichnungen verwendet. Neben dem Resource-based View finden etwa ebenfalls Bezeichnungen wie „resource-based perspective“, „resource-based Theory“, „ressourcenbasierter Ansatz“ etc. Anwendung. Vgl. anstatt vieler FREILING (2001a), S. 5. Die Begriffe Resource-based View, Ressourcenansatz und Ressourcentheorie werden im Folgenden synonym verwendet.
178
Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 889.
179
Vgl. FREILING (2001a), S. 5.
180
Vgl. PENROSE (1959).
181
Vgl. SELZNICK (1957).
182
Allerdings sind im Schrifttum wesentlich früher ressourcen- und kompetenzrelevante Aspekte behandelt worden. So sind beispielsweise die bereits im 19. Jahrhundert erschienenen Überle-
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
41
Weitere relevante Impulse, die auf die Wettbewerbsrelevanz von Ressourcen und organisationalen Fähigkeiten hinwiesen, jedoch über lange Zeit eine geringe Beachtung fanden, gingen in den 70er Jahren u. a. von HOFER/SCHENDEL (1978) sowie zu Beginn der 80er Jahren von LENZ (1980) aus.183 Ebenso kann die Arbeit von LIST als eine der frühesten Publikationen mit Ressourcen- und Kompetenzbezug betrachtet werden.184 In diesen Publikationen finden sich bereits erste Grundlagen zum methodologischen Individualismus als Basis für Unternehmensentscheidungen.185 Den wissenschaftlichen „Paradigmen-Durchbruch“ schaffte der Ressourcenansatz mit den Publikationen von RUMELT (1984) sowie von WERNERFELT (1984).186 Allerdings setzte sich der Ansatz erst in den 90er Jahren gegenüber der industrieökonomischen Sichtweise durch.187 Tabelle 2 gibt einen Überblick über zahlreiche in den 80er und 90er Jahren entstandene Arbeiten allgemeiner Art des RBV zum strategischen Management.
gungen von FRIEDRICH LIST von Relevanz. Vgl. LIST (1841). Vgl. Zur Erklärung von LISTs Beitrag zur ressourcenorientierten Forschung bspw. SCHNEIDER (1998), S. 352 ff. 183
Vgl. HOFER/SCHENDEL (1978); LENZ (1980). In den 70er Jahren konnte eine intensivere Diskussion um organisationale Fähigkeiten und unter besonderer Berücksichtigung ihrer Wirkungen im Wettbewerb beobachtet werden. Vgl. u. a. ANDREWS (1971); RUMELT (1974); HATTEN/SCHENDEL (1977). Den „Durchbruch“ schaffte der RBV zu dieser Zeit jedoch noch nicht. Vgl. FREILING (2001a), S. 31.
184
Vgl. LIST (1841). Vgl. für weiterführende Darstellungen zur historischen Einordnung des RBV bspw. BHARADWAJ/VARADARAJAN/FAHY (1993); RASCHE (1994), S. 55 ff.; FREILING (2001a), S. 28 ff. sowie BARNEY (2002) und GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 4 ff.
185
Der methodologische Individualismus bezieht sich auf die Auffassung, dass einzelne Personen (bzw. Individuen) und nicht die gesamte Unternehmung als Entscheidungsträger fungieren. Daher entscheiden Individuen über die Nutzung und Gründung von Institutionen. Auf Basis des methodologischen Individualismus wird beispielsweise einer Organisation die Fähigkeit zum Lernen abgesprochen, da dieses lediglich durch Individuen vollzogen werden kann. Vgl. GERSCH/FREILING/ GOEKE (2005), S. 18. Im Gegensatz dazu stehen der methodologische Kollektivismus bzw. so genannte holistische Ansätze, welche Institutionen entweder als objektiv gegeben oder als Produkt bewussten Planens einer zentralen Instanz darstellen. Vgl. FREILING (2001a), S. 169. Die kompetenzorientierte Forschung wird oftmals holistisch betrachtet. Vgl. SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996a); SANCHEZ/HEENE/ THOMAS (1996b); SANCHEZ/HEENE (1997a), allerdings gehen GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) in ihren Überlegungen zum CBV als Theorie der Unternehmung von einer methodologisch individualistischen Sichtweise aus. Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 17 f. Auch die identitätsbasierte Markenführung vertritt eine methodologisch-individualistisch ausgerichtete Perspektive. Zwar kommt hierbei der Markenidentität als Sonderform der (kollektivistischen) Gruppenidentität eine evozierte Bedeutung zu. Allerdings wird diese als die Summe der (individuellen) Identitäten der relevanten internen Bezugsgruppen angesehen. Daher bilden Individuen (und nicht Gruppen) die grundlegende Basis für die Identität einer Marke.
186
Vgl. RUMELT (1984); WERNERFELT (1984).
187
Vgl. FREILING/RECKENFELDERBÄUMER (2004), S. 266.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
42 Themenbereich
Ressourcen- und kompetenzorientierte Beiträge
Grundausrichtung des Strategischen Management
RUMELT (1984); WERNERFELT (1984); BARNEY (1986a); BARNEY (1989); BARNEY (1991); BARNEY (1995); DIERICKX/COOL (1989); AAKER (1989); PRAHALAD/HAMEL (1990); GRANT (1991); GRANT (1995); LADO/BOYD/WRIGHT (1992); KROGH (1992); AMIT/SCHOEMAKER (1993); PETERAF (1993); STALK/EVANS/SHULMAN (1993); RASCHE (1993); RASCHE (1994); WOLFRUM/RASCHE (1993); RASCHE/WOLFRUM (1994); RUMELT (1994); RÜHLI (1994); RÜHLI (1995); HAMEL/PRAHALAD (1994); HAMEL/PRAHALAD (1996); HUNT/MORGAN (1996); HUNT/MORGAN (1995); KNYPHAUSEN-AUFSESS (1995); KNYPHAUSEN-AUFSESS/SCHREYÖGG (1997); WOLFSTEINER (1995); SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b); SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996a); KNUDSEN (1995); FOSS (1996); BAMBERGER/WRONA (1996); CHRISTENSEN/FOSS (1997); KRÜGER/HOMP (1997); SCHOEMAKER/AMIT (1998)
Strategische Planung und Strategische Analyse
SCHOEMAKER (1992); REITSPERGER et al. (1993); KLEIN/HISCOCKS (1994); OSTERLOH (1994); BOOS/JARMAI (1994); LEWIS/GREGORY (1994); LEWIS (1996); EDGE et al. (1995); KNAESE (1996); MÜHLBACHER (1997); ROOS/ROOS (1997); VORST (1997); SIMANEK (1998); NASLER (1998); FREILING (1998a); FREILING (1998b)
Tabelle 2: Quelle:
Überblick über allgemeine Beiträge des RBV zum strategischen Management in den 80er und 90er Jahren FREILING (2001a), S. 9.
Anfang der 90er Jahre mündeten insbesondere die Arbeiten von PRAHALAD/HAMEL (1990)188 und BARNEY (1991)189 in einer fundierten Weiterentwicklung des RBV zu einer gereiften ressourcen- und kompetenzorientierten Perspektive.190 Der Forschungsansatz und seine Weiterentwicklungen gelten heute in der betriebswirtschaftlichen Forschung als anerkannt.191 Wie AMIT/SCHOEMAKER (1993) plakativ mit der Aussage „[…] the external environment is only one part of the economic rent story”192 konstatieren, unterstellt der Ansatz aus der Kritik am MBV, dass eine allein auf den Markt gerichtete Perspektive nicht ausreicht, um Erfolgspotenziale holistisch identifizieren, analysieren und gestalten zu können. Daher wird die externe Perspektive ergänzt. Die ressourcenorientierte Forschung argumentiert, dass die Ursachen für Erfolgsdivergenzen und insbesondere Wettbewerbsvorteile193 primär durch unternehmensinterne, einzigartige Ressourcen und durch Unterschiede zwischen Unternehmungen hinsichtlich dieser
188
Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990).
189
Vgl. SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b).
190
Vgl. zu Ausführungen zum kompetenzorientierten Ansatz ausführlich Abschnitt B.1.3.
191
Vgl. HAMMANN/FREILING (2000a), S. 3.
192
AMIT/SCHOEMAKER (1993), S. 40.
193
Die Wettbewerbsvorteile beziehen sich im RBV immer auf eine bestimmte Markt- und Wettbewerbssituation. Vgl. BURMANN (2002a), S. 142.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
43
Ressourcenausstattungen zu erklären sind.194 Er geht im Gegensatz zum S-C-PParadigma der marktorientierten Perspektive vielmehr von einer Resources-ConductPerformance (R-C-P) Wirkungskette aus (vgl. Abbildung 3).
Grundgedanke des Market-based View Marktstruktur (Structure)
Marktverhalten (Conduct)
Erfolg (Performance)
Strategie (Conduct)
Erfolg (Performance)
Grundgedanke des Resource-based View Unternehmensressourcen (Resources)
Abbildung 3: Gegenüberstellung der grundlegenden Wirkungsketten des MBV und RBV Ansatzes Quelle: In Anlehnung an CORSTEN (1998), S. 17.
Demnach determinieren die im Unternehmen vorhandenen Ressourcen (Resources) die Ausgestaltung der strategischen Pfade (Conduct), welche letztlich über Erfolg oder Nicht-Erfolg (Performance) auf dem Markt entscheiden. Unternehmen werden somit nicht mehr als „Black-Boxes“ betrachtet. Die Marktstruktur im Sinne des S-C-P-Paradigmas rückt als Rahmenbedingung in den Hintergrund der Betrachtung, bleibt jedoch als Einflussfaktor in den konzeptionellen Überlegungen existent. Ressourcen werden in diesem Kontext als veredelte Inputgüter mit besonderen Charakteristika verstanden. Diese Inputgüter bilden daher den Ausgangspunkt zur Konfiguration der zukünftigen Leistungsbereitschaft eines Unternehmens. Allerdings determinieren sie noch nicht die Heterogenität eines Unternehmens, da sie grundsätzlich marktgängig, d. h. auch über die Faktormärkte zu beziehen und tauschbar sind. Sie können nach GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) wie folgt definiert werden: „Inputgüter sind homogene, prinzipiell marktgängige, unternehmensextern oder -intern erstellte Faktoren, die den Ausgangspunkt weiterer Verwertungs- oder Veredelungsaktivitäten bilden.“195
194
Vgl. u.a. CONNER (1991), S. 132; BAMBERGER (1996), S. 387; FREILING (2001a), S. 5; GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 10. Hierbei wird eine Ricardo’sche Perspektive eingenommen (Vgl. RICARDO (1817)), die die Komparation von Unternehmen hinsichtlich ihrer Ressourcen in den Mittelpunkt rückt. Vgl. bspw. BARNEY (1986a); BARNEY (1997), S. 138-141; MONTGOMERY/WERNERFELT (1988); PETERAF (1993); WERNERFELT (1984).
44
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Da Inputgüter marktgängig und homogen sind, können sie noch keine Ursachen für Wettbewerbsvorteile darstellen. Sie werden entweder direkt im Leistungserstellungsprozess eingesetzt (z. B. Fertigungsroboter, Karosserieteile eines Automobils) oder sie werden durch weitere Konfigurations- und Veredelungsprozesse196 in Ressourcen transformiert. Inputgüter bilden daher zum einen als direkte Komponenten und zum anderen als Bestandteile des Ressourcenerstellungsprozesses die Basis der Ressourcen. Ressourcen begründen die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und determinieren die Heterogenität von Unternehmen.197 Sie lassen sich wie folgt definieren198: „Ressourcen sind das Ergebnis durch Veredelungsprozesse weiter entwickelter Inputgüter, die wesentlich zur Heterogenität der Unternehmung und zur Sicherstellung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmung beitragen (sollen).“199 BARNEY setzte zur Abgrenzung von Ressourcen ursprünglich einen als die „VRINMerkmale“ bekannten Kriterienkatalog an. Ressourcen müssen demnach valuable, rare, inimitable und nonsubstitutable sein (vgl. Abbildung 4).200
195
GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 45.
196
Vgl. zu Veredelungsprozessen und Prozessen allgemein die Ausführungen zum Competencebased View in Abschnitt B.1.3.
197
Aus einer Ressourcen- und Kompetenzperspektive liegt eine Wettbewerbsfähigkeit vor, wenn es einer Unternehmung gelingt, Veredelungsprozesse in Gang zu setzen, welche die Entstehung von Ressourcen und Kompetenzen in einer Weise ermöglichen, dass (i) sich die Unternehmung in Marktprozessen zu bewähren im Stande ist und (ii) sie sich gegenüber Bedrohungen durch Konkurrenten und Drittparteien der Umwelt behaupten können. Vgl. FREILING (2004a), S. 14.
198
Hier wird der im Rahmen eines Arbeitspapiers zur Competence-based Theory of the Firm entwickelte Definition von GERSCH/FREILING/GOEKE gefolgt. Zu einer Auflistung von verschiedenen, im Schrifttum zum RBV verwendeten Definitionen vergleiche die Kritik am RBV am Ende dieses Unterkapitels.
199
GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 46.
200
Vgl. BARNEY (1991), S. 105 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
45
V - Werthaltigkeit (valuable) R - Begrenzte Verfügbarkeit (rare) I - Begrenzte Imitierbarkeit (inimitable) N - Schwere Substituierbarkeit (non-substitutable)
Unternehmensressourcenheterogenität Unternehmensressourcenimmobilität
Erfolgsdivergenzen bzw. evtl. nachhaltiger Wettbewerbsvorteil
Abbildung 4: VRIN-Merkmale von Ressourcen als Ursachen für Erfolgsdivergenzen zwischen Unternehmen Quelle: In Anlehnung an BARNEY (1991), S. 112.
Wertvoll (valuable) sind Ressourcen für eine Unternehmung dann, wenn sie zur Erreichung der gesetzten Ziele dienen. Die Wettbewerbsrelevanz von Ressourcen wird demnach zunächst über den Beitrag zur Zielerreichung definiert (Ergebnis einer Ursache), aber gleichzeitig ebenfalls zur Definition der zu erklärenden Wettbewerbsfähigkeitsursache. Das Ergebnis einer Ursache wird daher in einem Zirkelschluss zur Erklärung für die Ursache eines Ergebnisses verwendet.201 In den neueren Überlegungen zur ressourcen- und kompetenzorientierten Theorie der Unternehmung202 wird dieses Merkmal aufgrund der Zirkelschlussargumentation allerdings verworfen.203 Ferner müssen Ressourcen knapp (rare) und nicht imitierbar (inimitable) sein, d. h. sie sind ähnlich wie die Veredelungsprozesse und im Gegensatz zu Inputgütern nicht homogen und regelmäßig marktgängig, sondern ebenfalls unternehmensspezifisch.204 Als letztes Merkmal müssen Ressourcen schwer zu substituieren (nonsubstitutable) sein, d. h. sie dürfen nicht ohne großen Aufwand durch andere Inputgüter oder Ressourcen ersetzt werden können. In neueren Publikationen zum RBV wird die Relevanz dieser vier Merkmale eingeschränkt. Nach HOOPES ET AL. (2003) sind lediglich „value“ und „inimitability“ von Relevanz.205 „Rareness“ ist nur relevant, wenn eine Ressource wertvoll ist und herrscht
201
Die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit bezieht sich zum einen auf Wettbewerber und zum anderen auf die marktlichen Rahmenbedingungen allgemein. Daher kann die Wettbewerbsfähigkeit im Sinne eines Bestehens auf dem Markt gegenüber Wettbewerbern interpretiert werden. Vgl. SCHNEIDER (1995), S. 68.
202
Vgl. hierzu die Anmerkungen in Abschnitt B.1.3.
203
Vgl. zu dieser Kritik bspw. MOSAKOWSKI/MCKELVEV (1997).
204
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 46 und zu einer differenzierten Darstellung verschiedener Spezifitätsarten u. a. GHEMAWAT (1991) und GERSCH (1998).
205
Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 890.
46
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
nur dann vor, wenn die Ressource von Wettbewerbern nicht imitiert werden können. „So concentrating on value and inimitability gets to the heart of the RBV“ wie HOOPES 206 ET AL. (2003) plakativ konstatieren. Nach der Veröffentlichung der grundlegenden RBV-Erkenntnisse bestätigte eine Reihe von Untersuchungen, dass die Ressourcenausstattung und die Fähigkeiten eines Unternehmens zur Erklärung von Erfolgsdivergenzen offenbar in der Tat bedeutender sind als marktliche Charakteristika im Sinne des MBV.207 Dies förderte ein Umdenken in der wissenschaftlichen Forschung und in der Praxis, welches DIERICKX und COOL bereits 1989 konstatiert hatten: “The managerial implication drawn is that firms should focus their analysis mainly on their ‚unique’ skills and resources rather than on the competitive environment.“.208 Aufgrund des verstärkten Fokus auf unternehmensinterne Erfolgsfaktoren wird im Kontext des RBV oftmals von einer reinen „inside-out“-Orientierung der Unternehmensführung gesprochen. Wie jedoch evtl. der Begriff „inside-out“ suggerieren könnte, blendet der RBV eine Außen- bzw. Marktperspektive nicht aus. Insbesondere im Marketing und in der Markenführung wäre eine solche „einäugige“ Ausrichtung unzweckmäßig und würde langfristig die Wettbewerbsposition aufgrund der fehlenden Marktkopplung schwächen. Im Gegenteil: Im RBV werden Ressourcen (und Kompetenzen) als marktrelevante Größen verstanden. D. h. Ressourcen werden immer auch anhand ihrer potenziellen Marktrelevanz beurteilt. Die Grundlage eines Aufbaus von Ressourcen stellen Überlegungen zu den aktuellen und wahrscheinlichen Marktbedürfnissen und -anforderungen dar. Der RBV inkludiert daher symbiotisch eine Abstimmung zwischen internen und externen Faktoren der Unternehmung. Eine Vernachlässigung der Marktperspektive im RBV ist daher, im Gegensatz zu der oftmals geäußerten Kritik, nicht gegeben.209 Hieraus wird auch die Komplementarität des RBV mit der Industrieökonomie deutlich.210 Zugespitzt formuliert könnte in diesem Kontext von einem zirkulären Verhältnis zwischen outside-in und inside-out orientierten Konstrukten gesprochen werden. Einerseits determinieren Ressourcen und Kompetenzen von Unternehmen über das Ver-
206
Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 890.
207
Vgl. bspw. COOL/SCHENDEL (1988); JACOBSON (1988); HANSEN/WERNERFELT (1989); RUMELT (1991); ROQUEBERT/PHILLIPS/WESTFALL (1996).
208
DIERICKX/COOL (1989), S. 1504.
209
Vgl. BARNEY (1991), S. 99 f.; FREILING (2001a), S. 164.
210
Vgl. hierzu bspw. RUMELT (1991), S. 167; BAMBERGER/WRONA (1996), S. 130 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
47
halten der Unternehmen Strukturen und Charakteristika von Märkten. Andererseits haben Marktveränderungen Einfluss auf die Relevanz und die Entwicklung von Ressourcen und Kompetenzen. Gemeinsam bestimmen sie den Markterfolg eines Unternehmens. Letztlich konnte aus dieser ressourcenorientierten Perspektive zum ersten Mal die intraindustrielle Ungleichverteilung von Ressourcen (und Kompetenzen) als Ursache für Ergebnisdivergenzen zwischen Unternehmen identifiziert werden (vgl. Abbildung 5).211
Ressourcen
Determinieren Relevanz
Heterogenität der Ressourcenausstattung
Erfolg des Unternehmens/ nachhaltige Wettbewerbsvorteile
- aufgrund von begrenzter Verfügbarkeit, Imitierbarkeit und Substituierbarkeit
Marktcharakteristika
Beeinflussung
Abbildung 5: Grundaussage des RBV: Ressourcen als Grundlage von Wettbewerbsvorteilen Quelle: In Anlehnung an BECKER (2005), S. 152.
Der Ansatz bietet auch im Kontext der Markenführung erste wertvolle Erklärungshinweise für die Entstehung von Marken und deren Markterfolg. So können Marken als eine Kombination von verschiedenen Ressourcen einer Unternehmung interpretiert werden.212 Mithilfe des RBV wird ebenfalls der angebliche Widerspruch zwischen einer starken Marktorientierung und gleichzeitiger Ressourcenorientierung überwunden. Lediglich die Konzentration auf den Aufbau von Ressourcen (und Kompetenzen) innerhalb der markenführenden Unternehmung kann zu einer Differenzierung auf dem Markt führen; jedoch sind diese Ressourcen vor allem in der Markenführung immer marktgekoppelt. D. h. der Erfolg von Ressourcen bzw. Ressourcenkombinationen wird durch die Nachfrager entschieden. So führt die „richtige“ Kombination von Ressourcen potenziell zu einer nachhaltigen Differenzierung des Leistungsangebotes gegenüber dem Wettbewerb, die letztlich in einer langfristig vorteilhaften Position auf dem gewählten Markt resultieren kann.
211
Vgl. BARNEY (1991), S. 105; PETERAF (1993), S. 186; RASCHE (1994), S. 58 ff.
212
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 59.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
48
Dennoch bleibt die ressourcenorientierte Forschung nicht ohne Kritik. Die geäußerten Einwände können in Anlehnung an FREILING (2001) drei Problemfeldern zugeordnet werden: (i) dem Stand der Theorieentwicklung, (ii) inhaltlichen Inkonsistenzen des Ansatzes sowie (iii) der Fragwürdigkeit von Implikationen.213 (i) Kritik am Stand der Theorieentwicklung: Zunächst führte der wissenschaftliche „Erfolg“ des RBV in Kombination mit einem Defizit hinsichtlich einer genauen Abgrenzung der wesentlichen RBV-Konstrukte zu einem heterogenen Begriffsverständnis, welches rasch zu einer terminologischen Inkonsistenz innerhalb des Schrifttums zum RBV führte.214 So identifiziert FREILING (2001) in der ressourcenorientierten Literatur bis zum Jahr 1999 allein 15 unterschiedliche Definitionen des Konstrukts „Ressource“.215 Quelle
Ressourcenverständnis
WERNERFELT (1984)
„[…] anything which could be thought of as a strength or weakness of a given firm.” “More formally, a firm’s resources at a given point in time could be defined as those (tangible or intangible) assets which are tied semipermanently to the firm.”
CAVES (1980)
„[…] those (tangible or intangible) assets that are tied semipermanently to the firm.”
GRANT (1991)
„[…] are inputs into the production process […].”
BARNEY (1991)
„Firm resources include all assets, capabilities, organizational processes, firm attributes, information, knowledge etc. controlled by a firm that enable the firm to conceive of and implement strategies that improve its efficiency and effectiveness.”
BARNEY (1995)
„A firm’s resources and capabilities include all of the financial, physical, human, and organizational assets used by a firm to develop, manufacture, and deliver products or services to its customers.”
AMIT/SCHOEMAKER (1993)
„[…] will be defined as stocks of available factors that are owned or controlled by the firm.”
BLACK/BOAL (1994)
„Resources can be viewed as a configuration or network of factors.”
MONTGOMERY (1995)
„[…] something that can be used for support or help; an available supply that can be drawn on when needed.”
HUNT/MORGAN (1995) ähnlich auch MÜHLBACHER (1997)
„[…] the tangible and intangible entities that enable the firm to produce efficiently and/or effectively a marker offering that has value for some market segment or segments.”
WOLFSTEINER (1995)
„Ressourcen sind all diejenigen Faktoren, die als Input in die Produktion von Gütern und Dienstleistungen eingehen [i.Or. kursiv]. […] Ressourcen gehören dem Unternehmen oder unterliegen zumindest seiner Kontrolle. Durch ihre Kombination mit anderen Ressourcen werden sie zu Endprodukten verknüpft.“
213
Vgl. FREILING (2001a), S. 41.
214
Vgl. für eine Übersicht über verschiedene Ressourcendefinitionen anstatt vieler FREILING (2001a), S. 14 sowie die anschließende inhaltliche Kritik auf S. 15 ff.
215
Vgl. FREILING (2001a), S. 14.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
SANCHEZ/HEENE/ THOMAS (1996b)
„Resources are assets that are available and useful in detecting and responding to market opportunities or threats.“
BAMBERGER/WRONA (1996)
[…] wird der Begriff […] sehr weit gefaßt, so daß fast alle internen materiellen und immateriellen Güter, Systeme und Prozesse als interne Ressourcen definiert werden können.“
TEECE/PISANO/ SHUEN (1997)
„Resources are firm-specific assets that are difficult if not impossible to imitate.“
THIELE (1997)
„[…] jeder immaterielle oder materielle Faktorposten […], der in irgendeiner Form zu einer Wertschöpfung beitragen kann.”
CAPRON/HULLAND (1999)
„[…] stocks of knowledge, physical assets, human capital, and other tangible and intangible factors that a business owns or controls […] which enable the firm to produce, efficiently and/or effectively, marketing offerings that have value for some market segments […]”.
Tabelle 3: Quelle:
49
Übersicht über Definitionen des Begriffes „Ressource" in der Literatur In Anlehnung an FREILING (2001a), S. 14.
Diese Inkonsistenzen im Schrifttum halten trotz (oder gerade wegen) der Entwicklungen im RBV (und verwandten, ressourcenorientierten Ansätzen) an und erschweren den Erkenntnisfortschritt dieses Forschungszweiges.216 Ein weiterer Vorwurf am RBV ist, dass er die Erklärung von Wettbewerbsvorteilen lediglich eine Stufe vorlagert, dieser Schritt jedoch nicht konsequent zu Ende beschritten wird. Denn wenn sich Wettbewerbsvorteile auf eine einzigartige Ressourcenausstattung zurückführen lassen, dann muss konsequenterweise auch die Frage betrachtet werden, wie diese einzigartige Ressourcenausstattung zustande kommt.217 In diesem Kontext wird kritisiert, dass im klassischen RBV auf Routinen (Prozesse) zur Entstehung von Ressourcen sowie zur Anwendung von Ressourcen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen lediglich unzureichend eingegangen wird und diesbezüglich relevante Erkenntnisse größtenteils im Dunklen bleiben.218 PRIEM/BUTLER (2001) konstatieren hierzu: „[…] the processes through which particular resources provide competitive advantage remain in a black box. […] We do not know, for example, how the resources generate sustainable rents, other than through their heterogenity.”219
216
Dies ist u. a. ein Grund, warum der Autor sich im Rahmen dieser Arbeit an den Definitionen einer Autorengruppe um FREILING orientiert. Hierdurch soll eine hoher Grad an Konsistenz und Anschlussfähigkeit der Termini der Kompetenzorientierung in der Markenführung und dem strategischen Management sichergestellt werden.
217
Vgl. PORTER (1991), S. 98; COLLIS (1994), S. 149; RASCHE/WOLFRUM (1994), S. 512.
218
Vgl. hierzu WILLIAMSON (1999), S. 1093; EISENHARDT/MARTIN (2000), S. 1106; FREILING (2001a), S. 47; BURMANN (2002b), S. 229.
219
PRIEM/BUTLER (2001a), S. 33.
50
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Diese Kritik zielt insbesondere auf die statische Perspektive des RBV ab sowie auf seinen deskriptiven Charakter bei der Erklärung von Wettbewerbsvorteilen. Wenn jedoch keine (oder nur wenige) Handlungsempfehlungen zum zielgerichteten Aufbau und Modifikation von Ressourcen generiert werden, dann schränkt dies die Praktikabilität eines solchen Ansatzes stark ein.220 Zwar verfolgt der RBV eine analysierende Zielsetzung. Eine Reihe von Forschungsarbeiten des RBV beschäftigt sich auch mit der Entwicklung von Ressourcen und beschränkt sich nicht auf die Feststellung von normativen Aussagen.221 Jedoch muss sich der klassische RBV der Kritik stellen, dass teilweise lediglich eine nachträgliche Identifikation von wettbewerbsrelevanten Ressourcen vorgenommen wird, die eine Prognose hinsichtlich der zukünftigen Relevanz nur eingeschränkt zulässt.222 Zu Recht wird an manchen Stellen angemerkt, dass es dem RBV an der Erarbeitung tauglicher Instrumentarien zur Umsetzung einer ressourcenorientierten Unternehmensführung mangele.223 Dies wird durch die unzureichende empirische Absicherung von Aussagen, die auf ressourcentheoretischer Basis hergeleitet wurden, verstärkt.224 (ii) Inhaltliche Inkonsistenzen des RBV: Im Rahmen dieses Kritikpunktes wurde dem Ansatz ferner - insbesondere zu Beginn der Forschung um den RBV - eine Zirkularitätsargumentation vorgeworfen.225 Ein bekanntes Beispiel für diesen Gedankengang ist das Zitat von PORTER (1994): „Successful firms are successful because they have unique resources. They should nurture these resources in order to be successful.”226 Allerdings zeichnet PORTER mit diesem Vorwurf eine stark vereinfachende Argumentation nach, welche dem Anspruch und dem Erklärungsgehalt des RBV nicht gerecht wird.227 Ebenso kann der Vorwurf verworfen werden, dass sich der RBV nicht mit der
220
HOOPES ET AL. (2003) führen hierzu an, dass der RBV zwar zu einer Wiederbelebung eines Strategiefokus in der Forschung und Praxis geführt hat, jedoch wenige Hinweise für eine praktische Ausgestaltung vermittelt. Vgl. HOOPES/MADSEN/WALKER (2003), S. 889.
221
Vgl. FREILING (2001a), S. 47.
222
Vgl. WILLIAMSON (1999), S. 1093; PRIEM/BUTLER (2001a), S. 33; MÜLLER-STEWENS/LECHNER (2001), S. 278 sowie relativierend auch FREILING (2001a), S. 44.
223
Vgl. BOOS/JARMAI (1994), S. 20; REIß/BECK (1995), S. 45.
224
Vgl. hierzu bspw. SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b), S. 1 ff. sowie COCKBURN/HENDERSON (1994), S. 63; DYER (1996), S. 272.
225
Vgl. vor allem PORTER (1991) aber auch MOSAKOWSKI/MCKELVEV (1997).
226
PORTER (1994), S. 445.
227
Vgl. FREILING (2001a), S. 47.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
51
Erforschung von Ressourcenentwicklungsprozessen auseinandersetze. Dies belegen zum Beispiel zwei Beiträge von CARROLL und NELSON desselben Buches, in dem PORTER seine Kritik äußert.228 Zwar kann die grundlegende Zirkularitätsthese aufgrund des vorangeschrittenen Forschungsstandes verworfen werden, jedoch führt die im Rahmen der VRIN-Merkmale skizzierte Nicht- oder eingeschränkte Imitierbarkeit von Ressourcen zu einer Transparenz-Problematik, welche oftmals als kausale Ambiguität beschrieben wird.229 Um eingeschränkt imitierbar zu sein, muss eine interne und externe Intransparenz hinsichtlich der Ressourcen gegeben sein. Wenn jedoch Ressourcen vollkommen oder teilweise intransparent sind, dann kann einen Ressourcenentwicklung nur eingeschränkt gesteuert werden. Demnach wird am RBV kritisiert, dass eine ressourcenorientierte Unternehmensführung auf Zufälligkeiten, wenn nicht sogar Glück und Zufall basieren müsse.230 Dies würde auch auf eine ressourcenorientierte Markenführung zutreffen. (iii) Fragwürdigkeit von Implikationen: Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt am klassischen RBV ist die Vernachlässigung von unternehmensexternen Einflussfaktoren, die sich sowohl aus absatz- als auch aus beschaffungsseitigen Charakteristika ergeben können.231 Zwar berücksichtigt der RBV die Marktseite durch eine Inkludierung der Anforderung an Ressourcen, eine Marktrelevanz inne zu haben bzw. einen Kundennutzen stiften zu können. Jedoch weist der klassische RBV Schwächen in der Erklärung des wechselseitigen Verhältnisses von Ressourcen und unternehmensexternen Faktoren auf. Dies gilt insbesondere hinsichtlich einer Evaluierung des Wertes einer Ressource für Absatzmärkte.232 Ferner wird kritisiert, dass eine eingeengte Perspektive auf vorhandene Ressourcen und Kompetenzen die notwendige Entwicklung von neuen, andersartigen Ressourcen beschränkt, die außerhalb der bisherigen Kompetenzbereiche liegen.233 Diese ist jedoch insbesondere über einen langfristigen Zeithorizont notwendig, um sich Verän-
228
Vgl. CARROLL (1994); NELSON (1994).
229
Vgl. hierzu LIPPMAN/RUMELT (1982); DIERICKX/COOL (1989), S. 1508 f.; FOSS (1993), S. 133; AMIT/SCHOEMAKER (1993), S. 33 f.; RASCHE (1994), S. 76 ff.; FREILING (2001a), S. 47 f.
230
Vgl. BARNEY (1991); PETERAF (1993), S. 187; KNAESE (1996), S. 43 und 71; FROST (1998), S. 134.
231
Vgl. DELEO (1994), S. 47 f.; RIESS (1998), S. 117 und S. 310 f.
232
Vgl. FREILING (2001a), S. 49.
233
Vgl. REIß/BECK (1995), S. 46.
52
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
derungen auf dem Markt anpassen zu können.234 Ein zu eng verstandenes Commitment gegenüber bestehenden Ressourcen würde zu einer organisationalen Trägheit bzw. Statik führen, die der notwendigen Dynamik eines Unternehmens reziprok gegenüberstehen würde und letztlich seine Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnte.235 Trotz der Kritikpunkte am RBV wird der Ansatz mit seinen Aussagen und Implikationen für das strategische Management im Schrifttum insgesamt positiv beurteilt.236 Die Kritik wurde jedoch ernst genommen. Insbesondere die Kritik an der tendenziell statischen Natur des klassischen RBV sowie an seinem Erklärungsgehalt zur Entstehung von Ressourcen führte daher zu Bestrebungen, die ressourcenorientierte Forschung zu dynamisieren.237 Dies äußerte sich u. a. in der Entwicklung des Competence-based Views.
1.3
Competence-based View
Der Competence-based View (CBV) ist als Derivat des RBV zu interpretieren238, kann aber inzwischen als eigenständiger Ansatz bezeichnet werden.239 Zumindest im strategischen Management hat er sich in den vergangenen Jahren zu einem dominanten Bezugsrahmen entwickelt.240 Neben seinem Ursprung im RBV hat er seine Wurzeln in der „Capability-Forschung“ zu den dynamischen Prozessen der Ressourcenentwicklung und -aktivierung.241 Grundlegendes Ziel des CBV ist die Erklärung von Performanceunterschieden, die sich in überdurchschnittlichen Renditen oder in gegenüber der Konkurrenz verteidigungsfähigen Wettbewerbsvorteilen manifestieren.242 Der Ansatz erfuhr insbesondere durch die Publikationen von HAMEL und PRAHALAD größere Aufmerksamkeit, welche auf Erkenntnissen der ressourcenorien-
234
Dies verdeutlicht erneut die Relevanz einer Beachtung der marktlichen Seite bei der Veränderung und Entwicklung von Ressourcen und Kompetenzen.
235
Vgl. FREILING (2001a), S. 50 f.
236
Vgl. BAMBERGER/WRONA (1996), S. 391; RASCHE (1994), S. 397.
237
Vgl. hierzu bspw. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 513 ff.
238
Vgl. FREILING (2004a), S. 5.
239
Vgl. FREILING (2004b), S. 28 sowie GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 10 und S. 17 ff.
240
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 11.
241
Vgl. u. a. WINTER (2003); TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 513 ff.; COLLIS (1994).
242
Vgl. FREILING (2004a), S. 7. Allerdings inkludiert der Ansatz ebenso ressourcenorientierte Konstrukte wie Ressourcen und Wissen in seine Überlegungen.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
53
tierten Forschung aufbauten.243 Die Erkenntnisfortschritte des Ansatzes liegen vor allem in einer Dynamisierung und prozessualen Betrachtung von Unternehmensdivergenzen und insbesondere Wettbewerbsvorteilen. Die konzeptionellen Fortschritte in der Forschung zum CBV wurden parallel von einer Reihe empirischer Arbeiten begleitet. Durch diese empirischen Untersuchungen in verschiedenen Branchen wurde versucht, die Wirkung spezifischer Kompetenzen und Meta-Kompetenzen auf den Erfolg von Unternehmen zu messen. Sie konnten belegen, dass Unternehmen, die sich auf den systematischen Aufbau von Kompetenzen konzentrieren, erfolgreicher sind als der Branchendurchschnitt.244 In letzter Zeit wurden vor allem durch FOSS und FREILING Bestrebungen vorangetrieben, den CBV zu einer Theorie der Unternehmung weiterzuentwickeln.245 Nach FREILING (2004) kann das Explanandum des CBV als Theorie der Unternehmung wie folgt charakterisiert werden:246
Warum und wie entstehen Unternehmungen?
Warum und wie verändern sich Unternehmungen im Zeitverlauf?
Wie ist der Untergang von Unternehmungen im Markt zu erklären?
Wie verlaufen die Grenzen einer Unternehmung im Zeitverlauf?
Wie ist die interne Organisation von Unternehmungen zu erklären, die sich aus mehreren Personen rekrutieren?
Insbesondere im Jahr 2005 wurden im deutschen Sprachraum Bemühungen unternommen, die in diesem Rahmen aufgeworfenen Fragen zu beantworten. In Einzelbereichen konnten hierzu bereits viel versprechende Erkenntnisse generiert werden.247 Allerdings stehen eine Beantwortung der Fragen und damit eine Bestätigung des CBV als Theorie der Unternehmung noch aus. Zur Erörterung der in dieser Arbeit
243
Vgl. PRAHALAD/HAMEL (1990); HAMEL/HEENE (1994).
244
Beispielsweise konnte die Relevanz von marktorientierten bzw. Marketingkompetenzen für den Erfolg von Unternehmungen festgestellt werden. Vgl. hierzu bspw. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); VORHIES (1998); DUTTA/NARASIMHAN/RAJIV (1999); FAHY (2000); VORHIES/MORGAN (2005).
245
Vgl. FOSS/FOSS (2000); FREILING (2004b); FREILING (2004a).
246
Vgl. FREILING (2004a), S. 5.
247
Vgl. in diesem Kontext vor allem das Arbeitspapier von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), welches die Grundlagen einer Competence-based Theory of the Firm (CbTF) diskutiert. Vgl. GERSCH/ FREILING/GOEKE (2005).
54
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
angestrebten Konzeptionalisierung und Operationalisierung von Markenführungskompetenzen erscheint eine zwingende Verwendung des CBV als Theorie der Unternehmung nicht notwendig. Vielmehr sollte die aktuelle Ausbildung der Argumentation abgewartet werden. Nach Auffassung des Autors reichen die bisherigen Erkenntnisse zum CBV aus, um genügend Hinweise für die vorliegende Aufgabenstellung zu erhalten.248 Allerdings wird im Folgenden geprüft, ob terminologische Präzisierungen, die in diesen Rahmen bereits entstanden sind, an manchen Stellen übernommen werden können, wo dies sinnvoll erscheint. Daher werden an diesen Stellen auch über den CBV hinausgehende Erkenntnisse des CbTF in die Arbeit integriert. Neben den Kompetenzen kommt den Ressourcen auch im CBV eine hohe Bedeutung zu, allerdings vollzieht der CBV eine Refokussierung. In diesem Kontext ist die Existenz von Ressourcen allein nicht in der Lage, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erschließen. Vielmehr sind die Existenz und der Einsatz von handlungsorientierten Potenzialen notwendig, um die immanenten Wirkungspotenziale von Ressourcen aktivieren zu können.249 Diesen Katalysator stellen Kompetenzen dar.250 Der CBV interpretiert Kompetenzen als die entscheidenden Faktoren für die Heterogenität von Unternehmen und die Entstehung von Erfolgsdivergenzen.251 Sie repräsentieren das Bindeglied zwischen dem Markt und den Ressourcen einer Unternehmung. Zwar fungieren Ressourcen als Speicher der Potenziale einer Unternehmung, jedoch bedarf es Kompetenzen, um diese aktivieren und (weiter-)entwickeln zu können.252 Kompetenzen ermöglichen es einer Unternehmung, Inputgüter und Ressourcen zu bündeln und ihr Potenzial relativ zum Wettbewerb ebenbürtig oder in überlegener Weise auszuschöpfen.253 Bei einer Betrachtung des Konstrukts „Kompetenz“ fällt, ähnlich wie beim Ressourcenbegriff, zunächst eine starke terminologische Heterogenität auf. Bereits 1994
248
Jedoch soll an einigen Stellen, an denen die Erkenntnisse zum CBV als Theorie der Unternehmung besonders belastbar erscheinen, auf neue Einsichten zurückgegriffen werden.
249
Vgl. FREILING (2004b), S. 31.
250
Die Existenz solcher organisationaler Fähigkeiten kann als eine Teilmenge der Ressourcenausstattung eines Unternehmens interpretiert werden. Vgl. METZENTHIN (2002), S. 108.
251
Jedoch können auch die Kompetenzen als ein Teil der Ressourcenausstattung eines Unternehmens interpretiert werden, wodurch Erkenntnisse des RBV ebenfalls für die Forschung um den CBV relevant sind. Vgl. BARNEY (2002), S. 157.
252
Die Aufgabe eines kompetenzorientierten Managements liegt in der Ausrichtung der Unternehmensstärken an den Markterfordernissen. Vgl. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 515.
253
Vgl. FREILING (2001a), S. 23; SCHOEMAKER (1992), S. 75.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
55
merkte COLLIS hierzu kritisch an: „There are almost as many definitions of organizational capabilites as there are authors on the subject.“254 Diese Situation hat sich bis heute eher verschärft als verbessert. So kann innerhalb der ressourcen- und kompetenzorientierten Ansätze – wie bspw. FREILING (2001) und zuletzt auch GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) zu Recht kritisieren – von einem „terminologischen Wirrwarr“ gesprochen werden, welches sich vor allem auf die divergierenden Explanans und Erkenntnisziele der Vielzahl von Beiträgen und Untersuchungen zurückführen lässt.255 An dieser Stelle soll auf eine eigene, dezidierte Auseinandersetzung mit dem Aussagewert verschiedener, terminologischer Auffassungen verzichtet werden, da dieses nicht im Fokus der Untersuchung steht. Es wird lediglich skizzenhaft eine Übersicht über die Vielzahl von Definitionen dargelegt, um daraufhin – wie auch schon bei der Abgrenzung von Inputgütern und Ressourcen – der Kompetenz-Definition von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) zu folgen, die auf Basis einer dezidierten Analyse des Schrifttums entwickelt wurde. In der Literatur lassen sich eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen identifizieren, die in den letzten 20 Jahren entwickelt wurden (Vgl. Tabelle 4). Quelle
Kompetenzverständnis
HOFER/SCHENDEL (1978)
„[…] the pattern of […] resource and skill deployment that will help it [the firm, d.V.] achieve its goals and objectives.”
NELSON/WINTER (1982)
„[…] a set of people who know how to get things done [in a way, d. Verf.] that none of them would know how to get done as an individual.”
ULRICH/LAKE (1990)
Organizational capability: „[…] a business’ ability to establish internal structures and processes that influence its members to create organization specific competencies and thus enable the business to adapt to changing customer and strategic needs.”
LADO/BOYD/WRIGHT (1992)
Kompetenzen: Fähigkeiten „[…] that are advantageously channeled towards creating value for customers and that subsequently may generate a sustainable competitive advantage for the firm.”
DOSI/TEECE/WINTER (1992)
„A firm’s competence is a set of differentiated technological skills, complementary assets, and organizational routines and capacities that provide the basis for a firm’s competitive capacities in a particular business. […] In essence, competence is a measure of a firm’s ability to solve both technical and organizational problems.”
DAY (1994)
„Capabilities are complex bundles of skills and collective learning, exercised through organizational processes, that ensure superior coordination of functional activities.”
254
Vgl. COLLIS (1994), S. 144.
255
Vgl. u. a. FREILING (2001a), S. 24; GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 12 aber auch bspw. GOMEZ (1993), S. 3 ff.; MOLDASCHL/FISCHER (2004), S. 127 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
56 KOGUT/ZANDER (1992)
„Capabilities of the firm in general are argued to rest in the organizing principles by which relationships among individuals, within and between groups, and among organizations are structured.“
STALK/EVANS/ SHULMAN (1992)
Capability: „[…] is a set of business processes strategically understood.”
COLLIS (1994)
„[…] define organizational capabilities as the socially complex routines that determine the efficiency (and effectiveness) with which firms physically transform inputs into outputs.”
GRANT (1995)
„[…] organizational capabilities […] a firm’s capacity for undertaking a particular activity.”
COHEN ET AL. (1996)
„A capability was characterized as the capacity to generate action, to guide or direct an unfolding action sequence, that has been stored in some localized or distributed form (e.g. the ability of a group of factory workers to assemble an engine…).”
SANCHEZ/HEENE/ THOMAS (1996b)
„Capabilities [i.Or. fett] are repeatable patterns of action in the use of assets to create, produce, and/or offer products to a market. […] capabilities are intangible assets […]. Competence [i.Or. fett] is an ability to sustain the coordinated deployment of assets in a way that helps a firm achieve its goals.”
PROBST/RAUB (1998)
„[…] bestehen aus einem Netzwerk von Ressourcen und Individuen, das sich über unterschiedliche Funktionsbereiche und hierarchische Ebenen eines Unternehmen verteilt. Die reibungslose Integration und Koordination dieser verschiedenen Bestanteile bilden die eigentliche Herausforderung […]“
SEISREINER (1999)
Kompetenzen: „[…] sind diejenigen Fähigkeiten eines Unternehmens, die aus der Selbstreferenz der Lenkungsaufgabe […] im Hinblick auf die Sphäre des Sollens (Referenzpunkte: Erfolgssignale) zu erfolgswirksamen Aktivitäten des Unternehmens führen können. Kompetenzen stellen in ihrer Gesamtheit die Ausführungsfähigkeit des Unternehmens dar. D.h.: Kompetenzen beschreiben die Fähigkeit des Unternehmens, aktuell zu handeln.“
Tabelle 4: Quelle:
Übersicht über ausgewählte Definitionen des Kompetenz-Begriffs des 20. Jahrhunderts In Anlehnung an FREILING (2001a), S. 14.
Wie aus diesen Abgrenzungen ersichtlich werden teilweise für dieselben Sachverhalte unterschiedliche Begriffe verwendet und vice versa. Diese begriffliche Unschärfe innerhalb des CBV behindert seine Weiterentwicklung. Übereinstimmend zielen jedoch die meisten Abgrenzungsversuche auf Kompetenzen als Bezeichnung für spezifische organisationale Fähigkeiten ab. Bspw. definieren LIEBERMAN/MONTGOMERY organisationale Fähigkeiten als „the organization’s collective capacity for undertaking a specific type of activity.”256 In Abgrenzung zu der bisher synonymen Verwendung der Termini „Kompetenzen“ und „Fähigkeiten“ wird an dieser Stelle eine Trennung vollzogen, um die Klarheit der Begrifflichkeiten zu schärfen. Im Folgenden wird der Begriff „Fähigkeiten“ lediglich natürlichen Personen zugeordnet. Der Begriff „Kompetenzen“ wird dagegen Insti-
256
LIEBERMAN/MONTGOMERY (1998), S. 1112.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
57
tutionen257, insbesondere Unternehmen, zugeordnet.258 Bei den individuellen Fähigkeiten handelt es sich demnach um das Leistungsvermögen einzelner Personen, wobei sich Kompetenzen auf die organisationalen Fähigkeiten einer Organisation (Gruppe von Individuen) beziehen und durch die Kombination von individuell vorhandenen Leistungsvermögen entstehen.259 Kompetenzen sind in der Regel individuellen Fähigkeiten überlegen, da erst die Zusammenarbeit des Kollektivs und die Ausschöpfung von Synergien schwer imitierbare Leistungen entstehen lassen kann.260 Fähigkeiten als auch Kompetenzen sind aktivitätsorientiert.261 Sie sind im Gegensatz zu Ressourcen, die auch lediglich tangibel sein können, immer intangibel.262 Sie repräsentieren statische und dynamische Potenziale zum Handeln, welche eine Zielorientierung aufweisen. Dieses „Handlungsvermögen“ bezieht sich nicht auf die eigentliche Handlung, sondern auf die Möglichkeit zur Handlung. In diesem Kontext
257
258
RICHTER/BINDSEIL (1995) zitieren für eine Abgrenzung des Institutionenbegriffes den bedeutenden Nationalökonomen GUSTAV SCHMOLLER: „Eine Institution ist eine partielle, bestimmten Zwecken dienende, zu einer selbstständigen Entwicklung gelangte Ordnung des Gemeinschaftslebens, die das Handeln oft über lange Zeit hinweg in eine bestimmte Richtung lenkt. […] Institutionen strukturieren insofern das tägliche Leben und reduzieren dessen Unsicherheit. Sie bestimmen, ökonomisch gesprochen, die Anreizstruktur der menschlichen Gesellschaft.“ RICHTER/ BINDSEIL (1995), S. 133. Im Sinne der Neuen Institutionenökonomik setzen sich Organisationen aus Institutionen und Individuen zusammen, die sich dieser Institutionen bedienen. Die Existenz von Institutionen bedingt die Interaktion von zumindest zwei Individuen. Vgl. RICHTER/FURUBOTN (1996), S. 8. Allerdings lassen sich Institutionen auch stärker systemorientiert als „ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestelltes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, mit dem Zweck, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern“ definieren. RICHTER/ FURUBOTN (1996), S. 7. Diese Abgrenzung ist hier jedoch weniger anwendbar. Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 48.
259
Auch hierzu existieren in der Literatur unterschiedliche Auffassungen. Manche Forscher vertreten die Auffassung, dass sich Fähigkeiten sowohl auf Individuen als auch auf Organisationen beziehen können. Vgl. bspw. GRANT (1991), S. 119. Andere differenzieren in diesem Kontext vom Kompetenzbegriff auch „Fertigkeiten“ und „Fähigkeiten“. Danach zeichnen sich nicht Fähigkeiten sondern Fertigkeiten (im Englischen „skills“ bezeichnet) durch Personengebundenheit aus. Vgl. SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b), S. 7 f.; GRANT (1991), S. 119.
260
Wäre das Ergebnis des Verhaltens jedes Individuums in einem Kollektiv vollständig unabhängig voneinander, dann könnten Kompetenzen nicht zu nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen führen, da sie als einfache Summe der Leistungen jedes Individuums leicht imitiert bzw. akquiriert werden und die Zusammenarbeit nicht zu zusätzlichen Werten führen könnten. Vgl. BURMANN (2002a), S. 153.
261
Hieraus wird die Komplementarität zwischen dem CBV und der evolutionären ökonomischen Theorie deutlich. Beispielweise fasst daher WILLIAMSON den Ressourcen-/Kompetenzansatz und die evolutionäre ökonomische Theorie unter dem Begriff der „competence perspective“ zusammen. Vgl. WILLIAMSON (1999), S. 1096.
262
Vgl. FREILING (2004a), S. 6.
58
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
beinhalten beide Konstrukte als Bestandgrößen in einem Zeitpunkt das Wissen und die Urteilskraft der/des Akteure(/s)263 um das: (i) „Know-how“, i. S. eines Wissens, wie etwas durchgeführt wird bzw. durchgeführt werden könnte, (ii) „Know-when“, i. S. eines Wissens, zu welchem Zeitpunkt eine Handlung durchgeführt wird bzw. durchgeführt werden sollte.264 Fähigkeiten und Kompetenzen sind zwar als Bestandgrößen zu interpretieren. Sie können jedoch nicht nur unter gleich bleibenden Situationen sondern auch unter sich veränderten Rahmenbedingungen angewendet werden. Daher sind sie wiederholt nutzbar und gleichzeitig adaptiv.265 Hieraus ergibt sich eine dynamische Perspektive von Fähigkeiten und Kompetenzen, die deren Träger befähigen, im Zeitverlauf immer wieder Handlungen durchzuführen.266 Der CBV löst die eher zeitpunktbezogene Perspektive des RBV auf und integriert die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in seiner Perspektive.267 Fähigkeiten und Kompetenzen entstehen und verändern sich maßgeblich durch aktiv initiierte oder passiv vollzogene Lernprozesse.268 Sie werden demnach durch explizites Wissen gefördert.269 Der CBV
263
Vgl. ORTMANN (2004), S. 15. ORTMANN spricht in diesem Kontext in Anlehnung an Aristoteles von „phrónesis“. Vgl. ORTMANN (2004), S. 9.
264
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 49.
265
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 49.
266
Vgl. zu dieser dynamischen Perspektive vor allem auch die Ausführungen zum Dynamic Capability Ansatz in Abschnitt B.3.13.
267
Vgl. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 513 ff. Dies verdeutlicht u. a., warum das „History MattersArgument“ im Rahmen des CBV von hoher Relevanz ist. Die in der Vergangenheit beschrittenen Pfade der Geschäftstätigkeit und der damit verbundene Aufbau von Ressourcen und Kompetenzen ermöglichen und restringieren zugleich den Aufbau und die Veränderung von Ressourcen und Kompetenzen in der Gegenwart und in der Zukunft. Vgl. u. a. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 522 f.; ORTMANN/SYDOW (1999), S. 213.
268
Lernprozesse entstehen durch die Aufnahme neuer Informationen (Absorption). Die Informationsaufnahme kann bspw. durch Beobachtung, eine Wiederholung von Tätigkeiten oder auch durch Experimentieren erzielt werden. Vgl. TEECE/PISANO/SHUEN (1997), S. 518. Am Ende eines Lernprozesses können Tätigkeiten i.d.R. schneller oder besser ausgeführt werden. Vgl. zum Aufbau von Kompetenzen auch HOMP (2000) sowie zur Bedeutung des Lernens für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b).
269
Wissen kann in explizites und implizites Wissen kategorisiert werden. Im Gegensatz zum impliziten Wissen, das oftmals auch als tazites Wissen bezeichnet wird und lediglich bei Individuen vor allem in Form von Erfahrungen vorhanden ist, ist explizites Wissen (leichter) formalisier- und kodifizierbar. Das explizite, organisationale Wissen stellt daher die Basis von Kompetenzen dar. Vgl. FREILING (2001a), S. 122. Träger eines impliziten Wissens können zwar ihr Wissen anwenden, es jedoch nicht ohne weiteres erklären oder dokumentieren. Allerdings ist es Dritten möglich, sich dieses Wissen langsam durch Beobachtung über einen längeren Zeitraum anzueignen. Wegen
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
59
berücksichtigt diese dynamische Perspektive durch die Einbindung von Erkenntnissen des Competence-leveraging und Competence-building.270 Kompetenzen basieren somit im Gegensatz zu Fähigkeiten auf organisationalem Wissen sowie gezielten, sozialen Interaktionen und einem nicht nur zufällig zielgerichteten Verhalten von mehreren Personen.271 Dieses Wissen und diese Interaktionen werden im Laufe der Zeit durch Wiederholungen in Routinen und Prozessen kodifiziert und somit in Teilen oder der gesamten Unternehmung zugänglich gemacht.272 Durch die Nutzung vorhandener Kompetenzen und unternehmensextern zu beschaffenden organisationale Fähigkeiten wird neues Wissen produziert, das wiederum über Rückkopplungsprozesse zu einer Verbesserung und Erweiterung der Ressourcen und Kompetenzen führt.273 Diese wirken sich potenziell positiv auf das „Sich-Bewähren-Können“ auf dem Markt und bestenfalls auf die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen aus, wie die Abbildung 6 visualisiert.
Unternehmen Kompetenzen
Wettbewerbs vorteil B in t 2
Wettbewerbs vorteil A in t1
„integrate“
„integrate“
K1
K2
K3
K2‘
"reconfigure" Kn = Kompetenz
Kn‘ = verbesserte Kompetenz
Abbildung 6: Kompetzen als organisationale Meta-Fähigkeiten Quelle: In Anlehnung an BURMANN (2002), S. 169.
der schweren Kodifizierbarkeit stellt implizites Wissen einen wirksamen Isolationsmechanismus dar. Vgl. REED/DEFILLIPPI (1990), S. 91. Vgl. zur Abgrenzung von explizitem und implizitem (tazitem) Wissen ausführlich POLANYI (1967). 270
Vgl. hierzu ausführlich u. a. SANCHEZ/HEENE (1997a); SANCHEZ/HEENE (1997b).
271
Vgl. FREILING (2004a), S. 13.
272
Vgl. ORTMANN (2004), S. 11; BECKER (2005), S. 247.
273
Vgl. FREILING (2004a), S. 6.
60
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Werden Kompetenzen über einen längeren Zeitraum nicht verwendet, treten Erosionseffekte auf, die die Substanz der Kompetenzen angreifen und langfristig zerstören. GRANT (1991) führt vor diesem Hintergrund an: „Capabilities involve complex patterns of coordination between people and people and resources. Perfecting such coordination requires learning through repetition.“274 Auf Basis dieser Ausführungen können Kompetenzen wie folgt definiert werden: „Kompetenzen sind wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete, und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer Organisation, die zielgerichtete Prozesse sowohl im Rahmen der Disposition zukünftiger Leistungsbereitschaften als auch konkreter Marktzufuhr- und Marktprozesse ermöglichen. Sie dienen dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfähigkeit und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile.“275 In diesem Kontext beschreiben Prozesse, wie wiederkehrende Tätigkeiten in Organisationen ausgeführt werden. NELSON/WINTER (1982) vergleichen Prozesse daher auch mit Routinen: „By managerial and organizational processes, we refer to the way things are done in the firm, or what might be referred to as its routines, or patterns of current practice and learning.”276 Die Begriffe „Routinen“ und „Prozesse“ sind somit eng miteinander verbunden. Aus ressourcentheoretischer Perspektive basieren alle Regelmäßigkeiten bei der Entscheidungsfindung und Durchführung von Aktivitäten auf Routinen.277 Routinen lassen sich nach NELSON/WINTER (1982) wie folgt beschreiben: We use „routines“ in a flexible way, much as „program“ […] is used in discussion of computer programming. It may refer to a repetitive pattern of activity in an entire organization, to an individual skill, or, as an adjective, to a smooth uneventful effectiveness of such an organizational or individual performance.”278
274
GRANT (1991), S. 122.
275
GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 48.
276
NELSON/WINTER (1982), S. 99.
277
Vgl. NELSON/WINTER (1982), S. 14; BURMANN (2002a), S. 158.
278
NELSON/WINTER (1982), S. 97.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
61
Die Forschung zu Routinen geht vor allem auf die evolutionäre Theorie zurück.279 Routinen dienen der Koordinierung von problemlösungsorientierten Aktivitäten sowohl eines Individuums als auch einer Organisation. Im Fokus der „RoutinenForschung“ stehen jedoch weniger durch Individuen durchgeführte Routinen als Ursache von Wettbewerbsvorteilen, sondern primär Routinen und Prozesse von einem Kollektiv von Individuen, die dasselbe Ziel verfolgen und somit die Basiskomponente jeder Unternehmenskompetenz darstellen.280 In Routinen sind die Erfahrungen eines Unternehmens zur Lösung bestimmter, ihm bekannter Koordinationsprobleme kodiert.281 Routinen repräsentieren daher eine Basiskomponente jeder Unternehmenstätigkeit und sind zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen notwendig. In diesem Kontext werden Routinen oftmals als bewusst oder auch unbewusst habitualisiert ablaufende Handlungssequenzen von Individuen bzw. Personenkollektiven verstanden, die mindestens zweimal durchlaufen werden und danach wiederholbar sein müssen, um als Routine interpretiert werden zu können. Dabei muss die Routine nicht vollkommen identisch wiederholt werden. Vielmehr ist es realistisch, auch von einem adaptiven Charakter im Routinebegriff auszugehen, da wiederholte Handlungen in der Regel Lerneffekten und kontextspezifischen Anpassungen ausgesetzt sind.282 In diesem Fall beinhalten (dynamische) Routinen im Gegensatz zu den quasi automatisiert ablaufenden statischen Routinen283 allgemein gehaltene Handlungsanweisungen für spezifische Tätigkeiten, die eher als „Daumenregel“ interpretiert werden können, d. h. eine adaptive Bewältigung der Aufgabe ermöglichen.284 Daher können grob zwei Arten von Routinen differenziert werden: automatisiert ab-
279
Das Forschungsfeld zur evolutionären ökonomischen NELSON/WINTER zurück. Vgl. NELSON/WINTER (1982).
280
Hieraus wird auch der enge Bezug zwischen der Ressourcentheorie und der evolutionären Theorie deutlich. Die Ressourcentheorie interpretiert Unternehmen primär als ein Bündel von Ressourcen und die evolutionäre Theorie als ein Bündel von Routinen. Beide bedienen sich dabei der Fähigkeiten und Kompetenzen zur Erklärung von Wettbewerbsfähigkeit und -vorteilen. Vgl. BURMANN (2002a), S. 158 f.
281
Sie werden daher auch als Koordinationsmechanismen bezeichnet. Vgl. BURMANN (2001a), S. 158. Diese beinhalten u. a. die Informationssammlung und Informationsverarbeitung, Entscheidungsfindung und Ressourcenallokation, interne Kommunikation sowie das Management interner Informations- und Kommunikationssysteme. Vgl. SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996a), S. 40 f.
282
Hieraus wird erneut deutlich, dass eine grundlegende Meta-Flexibilitätskompetenz ebenso Bestandteil wie Voraussetzung für Routinen darstellt.
283
Statische Routinen, die auch als „standard operating procedures“ bezeichnet werden, wiederholen sich vollkommen identisch und bedingen daher keiner Anpassung. Vgl. BURMANN (2002a), S. 161. Dies ist zum Beispiel bei der Arbeit eines Kassierers in einem Supermarkt oder eines Straßenbahnfahrers der Fall.
284
Vgl. COLLIS (1991b), S. 28 f.; TEECE/PISANO/SHUEN (1991), S. 15 ff.
Theorie
geht
hauptsächlich
auf
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
62
laufende Routinen und adaptive Routinen, die sich durch den Konkretisierungsgrad der Tätigkeit abgrenzen lassen.285 Allerdings kann der Übergang zwischen beiden Arten je nach Situation und Form der Tätigkeit fließend sein. Aus diesen Ausführungen werden die enge Verbindung zwischen Kompetenzen, Prozessen (bzw. Routinen) und Ressourcen ersichtlich. Die Interdependenz sowie insbesondere die Relevanz von Kompetenzen für die Entstehung von Ressourcen kann in Anlehnung an der von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) dargelegten Argumentationslogik des CBV (bzw. CbTF) deutlich gemacht werden (vgl. Abbildung 7). Sie ist auch für eine erste Strukturierung von Kompetenzen dienlich. Meta-Kompetenzen (z.B. strategische Flexibilität) Veränderung der Leistungsbereitschaft und Leistungserstellung
Gestaltung der Leistungserstellung
Handlungspotenzial zur Marktzufuhr
Konkrete Aktivierung
Transaktionen in Märkten
Leistungsangebot
Grundsätzliche Aktivierbarkeit
Marktzufuhrprozesse
Konkrete Veredelung
Marktzufuhrkompetenzen
Ressourcen
Handlungspotenzial zur Veredelung
Veredelungsprozesse
Grundsätzliche Veredelbarkeit
Veredelungskompetenzen
Inputfaktoren
Gestaltung der Leistungsbereitschaft
Marktangebot
Abbildung 7: Die Argumentationslogik des Competence-based View Quelle: BURMANN/BLINDA/LENSKER (2006), S. 105.286
In diesem Rahmen kann zwischen drei Formen von Kompetenzen differenziert werden: (i) Kompetenzen, die mit der Gestaltung der Leistungsbereitschaft zusam-
285
Vgl. BURMANN (2002a), S. 162.
286
In Anlehnung an GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 44.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
63
menhängen (Veredelungskompetenzen), (ii) Kompetenzen, die mit der Gestaltung der Leistungserstellung zusammenhängen (Marktzufuhrkompetenzen) und (iii) Kompetenzen, die als Meta-Handlungspotenziale der Unternehmung die übrigen zwei Kompetenzen unterstützen.287 Ausgangspunkt einer Leistungsgestaltung bilden die beschriebenen Inputgüter bzw. faktoren. Auf sie beziehen sich die Veredelungskompetenzen. Diese ermöglichen, Inputgüter in Richtung benötigter Ressourcen zu „veredeln“. Diese Veredelung geschieht auf Basis der Einschätzung der Akteure über die in der Zukunft notwendigen Leistungsbereitschaften. Ferner werden sie benötigt, um vorhandene Ressourcen und Kompetenzen weiterzuentwickeln. Bei der Veredelung kann sowohl auf unternehmensinterne Kompetenzen als auch auf unternehmensextern verfügbare Inputgüter und Ressourcen (firm-addressable resources) zurückgegriffen werden.288 Dies bedingt allerdings eine gewisse Absorptionskapazität.289 Die Aktivität der Veredelung wird jedoch nicht durch die Kompetenzen selbst, sondern durch Veredelungsprozesse durchgeführt. Unter Veredelungsprozessen sind alle Vorgänge gemeint, die unter Berücksichtigung der aktuellen und zukünftigen Marktanforderungen zu einer qualitativen Veränderung von Inputgütern führen. Die Ausrichtung und Veränderung der Inputgüter ist jeweils unternehmensspezifisch und richtet sich an den Zielen des Unternehmens aus. Allerdings können Ressourcen auch durch ungeplante Veränderungsprozesse (Zufälligkeiten) entstehen.290 Durch die Veredelungsprozesse entstandene Ressourcen determinieren die Heterogenität des Unternehmens. Aufgrund ihrer Merkmale repräsentieren Ressourcen gleichzeitig Isolationselemente für eine Wettbewerbsfähigkeit und schützen die Quellen potenzieller Wettbewerbsvorteile vor Diffusion, d. h. Aneignung, Imitation
287
Diese Kompetenzen determinieren zusammen mit den Inputgütern und den vorhandenen Ressourcen das „Könnenhaben“ als Handlungsvermögen eines Unternehmens in einem Zeitpunkt. Dieses besitzt jedoch erst einen ökonomischen Eigenwert, wenn das Handlungsvermögen in einem Sinn- und Verwendungszusammenhang in Prozessen aktiviert wird. ORTMANN (2004), S. 26.
288
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 50.
289
Die Absorptionskapazität beinhaltet (i) die Fähigkeit zur Identifikation geeigneter Ressourcen zur Sicherung der Existenz- und Wettbewerbsfähigkeit und zum Aufbau nachhaltiger Wettbewerbsvorteile, (ii) die Fähigkeit, sich nicht nur einen Zugang zu diesen Ressourcen zu verschaffen, sondern sie zu integrieren sowie (iii) die Fähigkeit, innerbetrieblich einen möglichst großen Nutzen aus den integrierten Ressourcen zu ziehen. Vgl. FREILING (2001a), S. 17.
290
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 46 f.
64
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
und Substitution durch Dritte.291 Relevant ist vor allem, dass Ressourcen und ihre Charakteristika nicht das spezifische und konkrete Handeln eines Unternehmens determinieren, sondern es lediglich ermöglichen und gleichzeitig restringieren.292 Dabei beinhaltet der Ressourcenbegriff eine ex-ante Perspektive: Ressourcen werden durch die Absicht der markenführenden Institution, Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen charakterisiert und nicht durch die (lediglich ex-post feststellbare) Existenz von Wettbewerbsfähigkeit. So können beispielsweise Investitionen der Automobilhersteller in so genannte „concept-cars“, die oftmals bei Messen vorgeführt werden, auch dann als Ressourcenbildung charakterisiert werden, wenn diese „concept-cars“ - wie in der Vielzahl der Fälle - nicht bis zur Marktreife fortentwickelt werden. Dieses Verständnis von Ressourcen entkoppelt den Begriff daher vom Wettbewerbsvorteil, der sich lediglich ex-post beurteilen lässt. Aufgrund dieses Begriffsverständnisses können auch solche (markenführenden) Institutionen über Ressourcen verfügen, deren (Marken-) Leistungen aufgrund verschiedener Gründe nicht auf einem Markt abgesetzt werden.293 Das Ziel der Ressourcenbildung bleibt jedoch die Begründung von Wettbewerbsfähigkeit und ggf. -vorteilen. Allerdings müssen Ressourcen erst aktiviert werden, um letztlich wettbewerbsfähigkeitswirksam zu werden. Diese Aktivierung erfolgt durch Marktzufuhrkompetenzen. Marktzufuhrkompetenzen beziehen sich auf die Gestaltung der Leistungserstellung, d. h. eine Aktivierung der aktuell bestehenden Leistungsbereitschaften (Ressourcen) in konkreten Leistungsangeboten und deren Verwertung in Transaktionen am Markt. Durch Marktzufuhrkompetenzen ist es möglich, Ressourcen derart zu kombinieren, dass daraus in Marktzufuhrprozessen ein marktfähiges Angebot entsteht. Mögliche Wettbewerbsvorteile in der Ressourcen- und Kompetenzausstattung eines Unternehmens können sich an dieser Stelle durch überlegene Leistungsangebote und Markttransaktionen gegenüber dem Wettbewerb konkretisieren.
291
RUMELT kennzeichnet Isolationsmechanismen als „[…] phenomena that limit the ex post equilibration of rents among individual firms“. RUMELT (1984), S. 567. Die Isolationsmechanismen schaffen für Dritte komplexe und damit intransparente Netzwerke aus einzelnen Faktoren oder sie werden aktiv durch bewusstes Handeln aktiviert. Durch die Aktivierung von Isolationsmechanismen werden ressourcenbedingte Wettbewerbsvorteile erhalten, ausgebaut oder erstmalig geschaffen und somit die Voraussetzung für deren Nachhaltigkeit gelegt. Vgl. FREILING (2001a), S. 102. Vgl. ferner zu Begriff und Wirkungen von Isolationsmechanismen u. a. RUMELT (1984); MAHONEY/PANDIAN (1992); S. 371 ff.; BHARADWAJ/VARADARAJAN/FAHY (1993); MAHONEY (1995); BAMBERGER/WRONA (1996), S. 138; FREILING (2001a), S. 98 ff. sowie FREILING/WELLING (2005), S. 110 ff.
292
Vgl. ORTMANN (2004), S. 13.
293
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 46.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
65
Die Meta-Kompetenzen beziehen sich auf das Rahmensystem des Unternehmens, welches der operativen Leistungserstellung übergeordnet ist und sich auf sämtliche untergeordnete Inputgüter, Ressourcen, Kompetenzen und Prozesse auswirkt. Sie sind für die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens und vor allem für sein Anpassungsvermögen an veränderte Umweltsituationen von hoher Relevanz. Exemplarisch kann hier auf die Bedeutung der Flexibilitätskompetenz hingewiesen werden, die eine kontinuierliche Lernfähigkeit und die damit verbundene Anpassungs- und Veränderungsfähigkeit eines Unternehmens sicherstellt.294 Auch wenn aus Abbildung 7 in Anlehnung an die Wertschöpfungskette evtl. der Eindruck entstehen könnte, die kompetenzorientierte Forschung würde den Ressourcenaufbau und die Kombination von Ressourcen zu marktfähigen Leistungen durch die Unterscheidung dieser Arten von Kompetenzen als vollständig planbar erachten, so trifft dies nicht zu. Zwar kann das Handeln der Unternehmung im Rahmen der bereits skizzierten Routinen in bestimmte Richtungen gelenkt werden. Jedoch kann auch mit den im Rahmen des CBV unterstellten Wirkungen von Kompetenzen keine eindeutige Input-Output-Beziehung fixiert werden. Aufgrund der kausalen Ambiguität ist daher die Entwicklung von Kompetenzen und Ressourcen zur Generierung von Wettbewerbsvorteilen immer mit der Unsicherheit wirtschaftlichen Handelns behaftet.295 Es obliegt daher dem Management, in einer zukunftsgerichteten „visionären Gestaltung“ auf die Entwicklung und Gestaltung der notwendigen Ressourcen- und Kompetenzpotenziale hinzuwirken (vgl. Abbildung 7).296 Ein endgültiges Feedback, ob die Entwicklung und Gestaltung erfolgreich waren, ergibt sich letztlich erst über die Rückkopplung des Marktes. Allerdings erfährt eine Unternehmung kontinuierliche Rückkopplungen, die bei jeder Interaktion mit unternehmensexternen Wirtschaftssubjekten auftreten. Über diese Rückkopplung werden bestehende Ressourcen und Kompetenzen verändert.297 Die skizzierten Forschungserkenntnisse des CBV weisen als theoretische Basis für eine Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen im Rahmen einer
294
Vgl. BURMANN (2002a).
295
Vgl. FREILING (2004a), S. 9.
296
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 44 f.
297
Hieraus wird die Bedeutung der Rückkopplung für die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung deutlich. Je weniger Rückkopplungen zu Veränderungen und Fortentwicklungen in der Ressourcenausstattung führen, umso größer wird die Gefahr, dass die Ressourcenausstattung sich von den Marktanforderungen abkoppelt und letztendlich die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung gefährdet wird. Vgl. FREILING (2004a), S. 18.
66
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
identitätsbasierten Markenführung eine hohe Relevanz auf, da das Nutzenbündel „Marke“ letztlich als eine einzigartige Kombination von verschiedenen Ressourcen der markenführenden Organisation interpretiert werden kann.298 Da diese einzigartige Kombination erst durch (Markenführungs-)Kompetenzen ermöglicht wird, muss eine Konzeptionalisierung der Markenführungskompetenzen mit den KompetenzCharakteristika des CBV kompatibel sein. Wie jedoch diese Erkenntnisse spezifisch auf eine identitätsbasierte Markenführung übertragen werden können und vor allem welche Markenführungskompetenzen im Rahmen einer identitätsbasierten Markenführung identifiziert werden können, ist bisher unklar. Eine vom Autor durchgeführte Recherche im Schrifttum zum CBV und zur Markenführung konnte hierzu keine fundierten Publikationen identifizieren.299 Lediglich die Arbeiten von BURMANN/MEFFERT und BURMANN/BLINDA/NITSCHKE gehen im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung auf die Relevanz von Markenführungskompetenzen ein, bleiben in ihrer Analyse allerdings eher an der Oberfläche, ohne nähere Hinweise für eine Strukturierung und Ausgestaltung von Markenführungskompetenzen vorzustellen.300 Die Einbettung des CBV in die Markenführung scheint daher lediglich am Anfang zu stehen. Dies ist umso verwunderlicher, da sowohl dem Thema „Marke und Markenführung“ als auch dem Thema „Kompetenzen“ in den letzten Jahren – wie in Abschnitt A.2.3.2 an einigen Stellen skizziert – erhebliche Aufmerksamkeit zuteil geworden ist. So stellen FREILING/WELLING in einem der wenigen Beiträge, die versuchen, beide Themengebiete zu verknüpfen, auch die Bedeutung einer „momentan noch nicht diskutierten kompetenzbasierten Markenführung“ heraus.301
298
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 41.
299
Die Recherche wurde im Zeitraum März-Mai 2005 durchgeführt und umfasste die Suche nach wissenschaftlichen Beiträgen im deutsch- und englischsprachigen Schrifftum der letzten 25 Jahre, die sich mit dem Thema der Markenführung auseinandersetzen und dabei Begriffe wie „Kompetenzen“, „Fähigkeiten“, Ressourcen“, „Wissen“ (bzw. ihre englischen Synonyme und verwandte Begriffe wie z. B. „capabilities“) enthielten. Bei der Recherche wurde auf die wissenschaftlichen Suchmaschinen EBSCO, GBV plus und Google Scholar zurückgegriffen sowie einzelne Journals wie das Journal of Marketing, Journal of Brand Management, Journal of Product and Brand Management etc. direkt nach Beiträgen durchsucht.
300
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003); BURMANN/MEFFERT (2005b). Ferner machen FREILING/ WELLING in einem Beitrag einen ersten Schritt zu einer Betrachtung der Markenführung aus kompetenzorientierter Perspektive. Vgl. FREILING/WELLING (2005).
301
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 105.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
67
Nach den Ausführungen zum CBV und der damit einhergehenden Abgrenzung wesentlicher Begrifflichkeiten der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung soll daher im nächsten Schritt der identitätsbasierte Markenmanagementansatz als konzeptioneller Rahmen zur Analyse von Markenführungskompetenzen vorgestellt werden. Dies bildet den ersten Verknüpfungspunkt zwischen beiden Forschungsbereichen, der daraufhin in den folgenden Kapiteln zur Konzeptionalisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen beitragen wird.
2
Konzeptioneller Rahmen zur Analyse von Markenführungskompetenzen: der identitätsbasierte Markenführungsansatz „The brand is a focal point for all the positive and negative impressions created by the buyer over time as he comes into contact with the brand’s products, distribution channel, personnel and communication.”302
2.1
Anforderungen an einen modernen, kompetenzfokussierten Markenführungsansatz
Trotz der Fortschritte in der Markenforschung der letzten 60 Jahre liegt der Markenführung in einer Vielzahl von Unternehmen heute immer noch ein veraltetes und verkürztes Verständnis zugrunde.303 Dies wird teilweise durch die MarketingWissenschaft mit ihrer Vielzahl sich mitunter widersprechender Auffassungen vom Markenwesen verstärkt.304 Die Ausführungen der voran gegangenen Kapitel haben die Notwendigkeit einer Kompetenzorientierung in der Markenführung dargelegt, um zum einen Erfolgspotenziale der Markenführung möglichst umfassend identifizieren und zum anderen Erfolgsdivergenzen besser begründen zu können. Dies bedingt einen konzeptionellen Markenführungsansatz, der mit der Ausrichtung und der grundlegenden Argumentation der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung kompatibel ist. Hieraus ergeben sich zwei grundlegende Anforderungen, die
302
KAPFERER (2000), S. 25.
303
Vgl. BURMANN (2005a), S. 859.
304
Ein Beleg hierfür ist beispielsweise die inzwischen schwer überschaubare Fülle von unterschiedlichen Definitionen des Terminus „Marke“. Vgl. hierzu bspw. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 5 ff.; BRUHN (2004b), SATTLER (2001), S. 39 f. sowie WELLING (2006).
68
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
ein Markenführungsansatz erfüllen sollte, um als konzeptioneller Rahmen für eine Untersuchung von Markenführungskompetenzen dienen zu können. (i) Holistik: Als eine grundlegende Anforderung lässt sich die Notwendigkeit eines holistischen Verständnisses von Markenmanagement identifizieren.305 Das Management von Marken wird in praxi oftmals auf die Kommunikation einer Marke reduziert.306 Richtig ist zwar, dass die Markenkommunikation in all ihren Facetten eine bedeutende Rolle im Marketing und im Markenmanagement einnimmt. Eine singuläre Kommunikationsbetrachtung des Markenmanagements greift jedoch zu kurz, da die Kommunikation nur einen Stellhebel der „Marke“ darstellt, mit dessen Hilfe am Ende eines umfassenden Managementprozesses das Markennutzenversprechen bzw. die Markenbotschaft der Zielgruppe vermittelt werden kann. Markenführung ist jedoch vielmehr als eine umfassende Unternehmensaufgabe zu interpretieren, die den gesamten Entstehungs- und Führungsprozess einer Marke, nicht allein die werbliche Kommunikation, einschließt.307 KAPFERER führt hierzu an: „Branding […] is not about being on top of something, but within something.“308 Diese holistische Sichtweise des Markenmanagements leitet sich aus den originären Zielen der Existenz von Marken ab: der nachhaltig positiven Beeinflussung des Nachfragerund Mitarbeiterverhaltens.309 Eine diesbezügliche Beeinflussung entsteht jedoch nicht ausschließlich durch Kommunikation, sondern vielmehr durch die Wirkung des gesamten Nutzenbündels „Marke“, also sämtlichen seiner physisch-funktionalen und symbolischen Nutzenkomponenten.310 Daher muss das Markenmanagement alle relevanten Unternehmensaufgaben umfassen, die in die Generierung, Bereitstellung
305
Vgl. bspw. HAEDRICH/TOMCZAK/KAETZKE (2003); AHLERT (2005b).
306
Eine im Jahr 2004 durchgeführte Studie unter Top-Managern belegt, dass rund die Hälfte der Befragten das Thema „Marke“ noch als reines Kommunikationsthema versteht und sogar ein Viertel den Begriff „Marke“ mit Name oder Logo gleichsetzt. Vgl. LENSKER (2004), S. 108.
307
Vgl. zu dieser notwendigen, holistischen Perspektive bspw. ausführlich OSTERLOH/FROST (1996), S. 846 ff. sowie diesen Gedanken aufgreifend AHLERT (2005b). In diesem Kontext führt auch KAPFERER an: „Branding is seen as the exclusive prerogative of the marketing and communications staff. This undervalues the role played by other parts of the company in ensuring a successful branding policy.” KAPFERER (2000), S. 46.
308
KAPFERER (2000), S. 47.
309
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 7 f.; BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 38.
310
In diesem Kontext soll zunächst vereinfachend festgehalten werden, dass eine Marke sich aus physisch-funktionalen sowie symbolischen Komponenten konstituiert. Vgl. BURMANN/BLINDA/ NITSCHKE (2003), S. 3 ff. sowie vor allem BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 7. Eine genauere Beschreibung des „Markenkonstrukts“ erfolgt in Abschnitt B.2.2.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
69
und Kontrolle der Nutzenkomponenten der Marke involviert sind.311 Hierzu zählen beispielsweise ebenso das Innovationsmanagement zur Entwicklung von funktionalen Neuerungen der Markenleistung wie die Distributionspolitik zur Ausgestaltung der Vertriebskanäle als auch die Marktforschung und das Controlling (als Performance Measurement System der Marke).312 AHLERT (2005) übernimmt diese Auffassung von MEFFERT (2000), indem er fünf Jahre später feststellt „[…] dass Markenmanagement nicht einer unter mehreren Managementbereichen ist, sondern dass es alle weiteren Bereiche überlagert: Markenmanagement geht weit über den reinen Absatzmarktbezug hinaus und erstreckt sich auf alle relevanten Märkte und zusätzlich auch auf das Innenleben der Unternehmung.“313 Eine Verkürzung des Markenmanagementverständnisses birgt die Gefahr eines Ausblendens potentieller Nutzenkomponenten, einer fehlenden Integration aller auf den Nachfrager wirkenden Maßnahmen und letztlich einer potentiell inkonsistenten Gestaltung der Marke. Erst ein holistisches Markenmanagementverständnis vermag aus der Perspektive des CBV sicherzustellen, dass alle potenziellen Ursachen für Erfolgsdivergenzen identifiziert werden. (ii) Symbiotische „outside-in“- und „inside-out“-Orientierung: Um die Kompatibilität des Markenführungsansatzes mit der Argumentation des Kompetenzansatzes zu gewährleisten, ist als zweite wesentliche Anforderung an einen Markenführungsansatz eine symbiotische Perspektive von „outside-in“- und „inside-out“-Ausrichtung zu gewährleisten.314 Dies geht im Rahmen der Markenführung mit einer Abkehr von einem ausgeprägten Nachfragerfokus im Sinne einer einseitigen Imageorientierung einher.315 Dem Nachfragerfokus liegt zwar das vor allem von KELLER Anfang der 90er Jahre geprägte Bewusstsein um die hohe Relevanz des Markenimages im Kopf der Nachfrager für das Markenmanagement zu Grunde.316 Allerdings handelt es sich bei dieser Betrachtungsperspektive bereits um eine Resultatsebene, da das Marken-
311
Diese holistische Betrachtung sollte jedoch nicht als „Allmachtsanspruch“ des Markenmanagements interpretiert werden, welches sich andere Unternehmensaufgaben wie bspw. das Controlling „einverleibt“. Vielmehr soll hier hervorgehoben werden, dass bei vielen dieser Aufgaben die jeweilige Marke als Bezugsobjekt fungiert und demnach den gemeinsamen und verbindenden Ankerpunkt der Aktivitäten darstellt.
312
Vgl. MEFFERT (2000), S. 847; MEFFERT/BURMANN (2002b), S. 80.
313
AHLERT (2005b), S. 221.
314
Vgl. zu dieser Anforderung und zu weitergehenden Ausführungen hierzu bspw. MEFFERT/ BURMANN (2005), S. 30; ESCH (2005), S. 81 ff.
315
Oftmals wird sich sogar auf die aktuellen Konsumenten beschränkt, ohne das Potenzial eines Erschließens von weiteren Nachfragergruppen zu analysieren.
316
Vgl. ausführlich KELLER (1993) und zum Markenimage ausführlich Abschnitt B.2.2.4.
70
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
image ein Akzeptanzobjekt der Nachfrager hinsichtlich deren Beurteilung der Marke repräsentiert.317 Es eignet sich daher nicht als Gestaltungs- und Aktionsebene der Markenführung.318 Unternehmen, die diesem Imagefokus folgen, neigen dazu, Schwächen in Imagedimensionen ihrer Marke beseitigen zu wollen, um so den Präferenzen der Mehrheit der Nachfrager zu genügen.319 Dieser außenorientierte Prozess, der oftmals mit einer fehlenden Fokussierung auf klare Kompetenzen zur Nutzengenerierung sowie einer Fokussierung auf spezifische Differenzierungsmerkmale unter gleichzeitiger Akzeptanz von vertretbaren Schwächen der Marke einhergeht, birgt jedoch die Gefahr, dass die Marke ihren klar wahrnehmbaren, spezifischen Charakter verliert, der durch eine Markenidentität determiniert wird.320 Als Folge können „Marken“ ohne klare Identität entstehen, die eher als „Labels“ zu bezeichnen wären.321 Für ein erfolgreiches Markenmanagement ist die Fokussierung auf die Markenidentität, Kompetenzen und Klarheit des Markennutzenversprechens daher von hoher Bedeutung.322 Die Inkludierung einer Innenperspektive in die Markenführung ist dabei eng mit einer mitarbeitergerichteten Dimension des Markenmanagements verbunden.323 Dies steht im Einklang mit den grundlegenden Aussagen des Kompetenzansatzes zur hohen Bedeutung von (implizitem und explizitem) Wissen und individuellen und organisationalen Fähigkeiten in einem Unternehmen. Die Erkenntnis, dass eine interne Verankerung des Markenmanagements bei den Mitarbeitern und in der Organisationsstruktur zum Aufbau von Brand Commitment324 (BC) und Brand Citizenship
317
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 52.; BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 6.
318
KAPFERER führt diesbezüglich an, dass eine Marke erst „konzipiert“ sein und Signale aussenden muss, um von Nachfragern empfangen und letztendlich als Markenimage akzeptiert werden zu können. Vgl. KAPFERER (1992), S. 61.
319
Vgl. ESCH/LANGNER/REMPEL (2005), S. 109.
320
ESCH (2005) konstatiert zu dieser einseitigen Ausrichtung des Markenmanagements an den Images von Marken bildhaft, dass es sich „um ein Schiff ohne Kapitän handeln [würde], dass je nach Strömung und Windverhältnissen in die eine oder andere Richtung getrieben wird.“ ESCH (2005), S. 82.
321
Vgl. MEFFERT/BURMANN (2002a), S. 47.
322
Vgl. BURMANN (2005a), S. 855.
323
Vgl. zur Notwendigkeit eines mitarbeitergerichteten Markenmanagements als Erfolgsfaktor der Markenführung u.a. ZEPLIN (2006); BURMANN/ZEPLIN (2006); BURMANN/ZEPLIN (2005a); ESCH et al. (2005); ESCH/VALLASTER (2005).
324
Brand Commitment kann als das „Ausmaß der psychologischen Verbundenheit eines Mitarbeiters mit der Marke, die zu einer Bereitschaft des Mitarbeiters führt, Brand Citizenship Behaviour zu zeigen“, definiert werden. BURMANN/ZEPLIN (2005a), S. 120.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
71
Behaviour325 (BCB) führt und wesentliche Erfolgspotenziale für ein Unternehmen birgt, ist bislang jedoch erst in Ansätzen erkannt worden.326 Es überrascht daher kaum, dass die Mitarbeiter einer Vielzahl von Unternehmen ein geringes Brand Commitment und BCB gegenüber der Unternehmensmarke aufweisen.327 Studien der Gallup Organization in Deutschland und von Towers Perrin in den USA belegen, dass sich lediglich rund ein Fünftel der befragten Mitarbeiter stark für die Unternehmensmarke engagieren und freiwillig zusätzliche Anstrengungen unternehmen.328 Da jedoch die Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten (bzw. die Kompetenzen der markenführenden Institution) die langfristige Leistungsfähigkeit einer Marke determinieren und die Markenwahrnehmung der Nachfrager über alle Marke-Kunden-Kontaktpunkte prägen, führt dies zu nicht ausgeschöpften Ertragspotenzialen. Ein Markenmanagementansatz, der Markenführungskompetenzen als Erfolgsfaktoren erfassen soll, muss daher neben einer Absatzorientierung im Sinne eines „outside-in“-Fokus auf die Nachfrager ebenso einen starken „inside-out“-Fokus berücksichtigen. Letztlich basiert die Leistungsfähigkeit einer Marke nicht auf den Wünschen und Bedürfnissen der Nachfrager, sondern immer auf dem Wissen und den Fähigkeiten bzw. Kompetenzen der Mitarbeiter329 eines Unternehmens, das Nutzenbündel „Marke“ in all seinen Facetten so zu gestalten, dass es den Bedürfnissen der Nachfrager entspricht und sich gegenüber der Konkurrenz differenziert.
325
ZEPLIN definiert Brand Citizenship Behaviour als „die Intention eines Mitarbeiters, freiwillig bestimmte generische (marken- und branchenunabhängige) Mitarbeiterverhaltensweisen außerhalb von formalisierten Rollenerwartungen zu zeigen, die in Summe die Markenidentität stärken“. ZEPLIN (2006), S. 77.
326
Vgl. anstatt vieler BURMANN/ZEPLIN (2005b), S. 1024 sowie BURMANN/ZEPLIN (2006), S. 2 ff.
327
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2005a), S. 122.
328
Vgl. The Gallup Organization (2003); Towers Perrin (2003).
329
Die Abstellung auf die „Mitarbeiter eines Unternehmens“ wird hier vereinfachend gewählt. In einer Erweiterung dieses Verständnisses können ebenso weitere Stakeholder, die mit der Führung der Marke in Berührung kommen, im Sinne der „firm addressable ressources“ des Open System Views nach SANCHEZ/HEENE zu den sog. „Mitarbeitern“gezählt werden. Vgl. SANCHEZ/HEENE/ THOMAS (1996a), S. 41; SANCHEZ/HEENE (1997a), S. 17; SANCHEZ/HEENE (2004), S. 47.
72
2.2
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Identitätsbasiertes Markenmanagement als holistischer Ansatz der Markenführung
In den 90er Jahren bildete sich eine idenitätsbasierte (bzw. -orientierte) Perspektive der Markenführung heraus.330 Gegenüber anderen Ansätzen der Markenführung erfüllt der identitätsbasierte Ansatz die zwei geschilderten Anforderungen an einen modernen Markenführungsansatz: (i) Holistisches Markenführungsverständnis: Der identitätsbasierte Markenführungsansatz entspricht diesem Verständnis durch seinen ganzheitlich ausgerichteten Planungs- und Managementprozess und sein holistisches Wirkungsverständnis von Marken.331 (ii) Innen- und Außenorientierung : Der identitätsbasierte Markenführungsansatz trägt der Forderung nach einer Symbiose zwischen Außen- und Innenorientierung durch die Integration der bekannten Imageorientierung der Markenführung mit einer „neuen“, innengerichteten Mitarbeiter- und Kompetenzausrichtung Rechnung. Aufgrund dieser Vorzüge wird dieser Konzeptansatz als theoretischer Rahmen für diese Arbeit gewählt. Über die letzten 13 Jahre wurde eine Reihe von identitätsorientierten Markenführungsansätzen entwickelt, die die Markenidentität zu konzeptualisieren versuchen.332 Wesentliche Forschungsimpulse gingen in der englischsprachigen Literatur vor allem von KAPFERER (1992) sowie AAKER (1996) aus.333 Im deutschen Sprachraum leisteten MEFFERT und BURMANN hierzu wichtige Beiträge.334 Trotz unterschiedlicher Konzeptualisierungen stimmen alle Ansätze darin überein, dass die Markenidentität den Kern einer Marke repräsentiert.335 Sie bezeichnet ein Merkmals-
330
Die Identitätsbasierung der Markenführung wurde parallel in Frankreich durch KAPFERER (1992), den USA durch AAKER (1996) und in Deutschland durch MEFFERT/BURMANN (1996) entwickelt.
331
Vgl. zum holistischen Planungs- und Managementprozess Abschnitt B.2.2.5.
332
Vgl. AAKER (1996); AAKER/JOACHIMSTHALER (2000); HAMMANN/FREILING (2000B); ROBINS/WIERSEMA (1995); KAPFERER (2003); MEFFERT/BURMANN (1996); MEIER-KORTWIG/STÜWE (2000), S. 190 ff.; SCHMITT/PAN (1994); UPSHAW (1995); MEFFERT/BURMANN/KOERS (2005).
333
Vgl. KAPFERER (1992); AAKER (1996).
334
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996); MEFFERT (2003); BURMANN/MEFFERT (2005b). ESCH verwendet einen modifizierten Ansatz, der ursprünglich von Icon Brand Navigation entwickelt wurde. Vgl. ESCH (2004), S. 96 ff. sowie ESCH/LANGNER/REMPEL (2005).
335
AAKER differenziert in seinem Markenidentitätskonzept zwischen einer Kernmarkenidentität und einer erweiterten Markenidentität. Im Zentrum der Kernmarkenidentität existiert ferner eine fast unveränderliche so genannte „Markenessenz“. Die erweiterte Markenidentität betrachtet die Marke in den Dimensionen Produkt, Organisation, Person und Symbol. Vgl. AAKER (1996), S. 90. KAPFERER beschreibt die Markenidentität mithilfe eines so genanntes Identiätsprismas, welches
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
73
bündel, welches den Charakter einer Marke langfristig konsistent prägt und ihn von Wettbewerbern differenziert. 2.2.1
Markenwert und Markenstärke als Oberziele der identitätsbasierten Markenführung
Im Rahmen des identitätsbasierten Ansatzes nach BURMANN und MEFFERT (2005) repräsentieren die Steigerung des Markenwertes und der Markenstärke die Oberziele der Markenführung. Der Forschung um den ökonomischen Markenwert (Brand Equity) ist in den letzten Jahren eine verstärkte Aufmerksamkeit zuteil geworden. Dies ist u. a. auf sich ändernde Bilanzierungsrichtlinien bezüglich extern akquirierter und selbst geschaffener Markenwerte zurückzuführen.336 Ferner trägt eine verstärkte Wertorientierung in der Markenführung, welche sich parallel zur Verhaltensorientierung etabliert hat, zu einer Relevanzsteigerung dieses Themenfeldes bei.337 Sie entwickelte sich parallel zur Durchsetzung der wertorientierten Unternehmensführung in vielen Bereichen der Wirtschaft, welche vor allem die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswertes zum Ziel hat.338 Ein Unternehmenswert, welche i.d.R. mit dem Markenwert des Unternehmens korreliert, wird ebenso positiv durch die Existenz von immateriellen Vermögenswerten und organisationalen Fähigkeiten im Unternehmen (oftmals auch als
sowohl innen- und außenorientierte als auch anbieter- und nachfragerorientierte Facetten umfasst. Hierbei identifiziert er als die Komponenten der Identität die sechs Elemente Beschaffenheit, Persönlichkeit, Kultur, Beziehung, Reflektion und Selbstprojektion. Vgl. ROBINS/WIERSEMA (1995), S. 51. 336
Vgl. BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 321 sowie ausführlich REPENN (1998); REPENN/ WEIDENHILLER (2005).
337
Untersuchungen zur Wertorientierung haben ergeben, dass eine wertorientierte Unternehmensführung langfristig in einer höheren Marktbewertung der Unternehmen resultiert. Vgl. anstatt vieler für eine Übersicht über empirische Untersuchungen BHARADWAJ/BHARADWAJ/KONSYNSKI (1999), S. 1010; LEWELLEN (1999), S. 77-122; GEHRKE (1994), S. 132 ff. Dies führt für Unternehmen zu einem größerem strategischen Handlungsspielraum, da sich solch „starke“ Unternehmen auf dem Markt einfacher mit Finanz- und Humanressourcen versorgen können.
338
Die Wertorientierung gilt heute als eines der am meisten diskutierten Themen sowohl in der betriebswirtschaftlichen Literatur als auch in der Praxis. Vgl. WEBER et al. (2004), S. 5. Indikatoren hierfür sind der Aufbau von wertorientierten Kennzahlensystemen bei der überwiegenden Mehrheit von DAX-100-Unternehmen sowie der zunehmende Wettbewerbsvergleich auf Basis von wertbasierten Kennzahlen bei nicht börsennorientierten Unternehmen. Vgl. MUTIUS (2002); COENENBERG/SALFELD (2003), S. 6. Vgl. ebenfalls zur Durchsetzung der Wertorientierung in der Unternehmensführung COENENBERG (2003), S. 26; PESCHKE (2000), S. 96; STRACK/VILLIS (2001), S. 68.
74
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
intangible Wachstumspotenziale bezeichnet) beeinflusst.339 Der Markenwert wird in diesem Kontext als die Quantifizierung des Vermögensgegenstandes „Marke“ herangezogen.340 In der Wissenschaft und Praxis hat sich jedoch bisher keine einheitliche Operationalisierung des Markenwertes durchgesetzt,341 da der Wert je nach Zweck und Markenverständnis stark unterschiedlich abgegrenzt und berechnet wird. So wird zwischen rein ökonomischen, psychographischen und beide Richtungen kombinierenden Ansätzen der Markenbewertung differenziert.342 Beispielweise definieren SIMON/SULLIVAN (1993) und KAAS (1990) den Markenwert aus einer unternehmensbezogenen Perspektive auf Basis von Zahlungsströmen als: „Barwert aller zukünftigen Einzahlungsüberschüsse, die der Eigentümer aus der Marke erwirtschaften kann.“343 Die vielfach geforderte, jedoch immer noch fehlende Standardisierung schränkt die Validität der Vergleichbarkeit von Markenwerten stark ein. Auch der identitätsbasierte Markenmanagementansatz legt sich auf keine spezifische Operationalisierung fest und fordert lediglich, dass „[…] die interne Perspektive der Markenstärke unbedingt in die Berechnung des Markenwertes einbezogen werden [sollte].“344 Da eine genaue Abgrenzung und Operationalisierung für die Verdeutlichung der Relevanz des Mar-
339
In diesem Kontext kritisieren jedoch bspw. FREILING/WELLING, dass das Schrifttum zu immateriellen Vermögenswerten vor allem durch eine terminologische Heterogenität und damit verbunden durch eine heterogene Zuordnung von Konstrukten gekennzeichnet ist. Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 106. So wird oftmals von „Ressource“, „Wert“, „Kapital“, „Vermögensgegenstand“ und neuerdings direkt aus dem Englischen entlehnt von „asset“ gesprochen. Ebenso schwierig stellt sich die Abgrenzung des Begriffsinhaltes von „immateriell“ bzw. „intangible“ dar (Vgl. hierzu auch die Kritik von VON DER GATHEN in GATHEN (2001), S. 143 ff.). Zurzeit herrscht kein Konsens über eine eindeutige Abgrenzung der immateriellen Vermögenswerte, noch lässt sich eine Tendenz in eine Richtung identifizieren. Vgl. KAUFMANN/SCHNEIDER (2004), S. 371.
340
Vgl. RIESENBECK/PERREY (2005), S. 328; HOMBURG/KROHMER (2003), S. 538.
341
Vgl. zu dieser Kritik auch BEKMEIER-FEUERHAHN (1998), S. 30 ff.
342
Vgl. für eine Übersicht zu verschiedenen Markenbewertungsverfahren BURMANN/KRANZ/WEERS (2005) sowie die dort zitierte Literatur.
343
KAAS (1990), S. 48; SIMON/SULLIVAN (1993), S. 29. Hierbei handelt es sich um eine ertragswertorientierte Markenbewertung, welche die Quantifizierung zukünftiger markenspezifischer Zahlungen und die Bestimmung des Kapitalisierungszinsfußes voraussetzt. Aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht wird er als „das Ergebnis unterschiedlicher Reaktionen von Konsumenten auf Marketingmaßnahmen einer Marke im Vergleich zu identischen Maßnahmen einer fiktiven Marke aufgrund spezifischer, mit der Marke im Gedächtnis gespeicherten Vorstellungen“ betrachtet. KELLER (1993), S. 3 zitiert nach ESCH (2005), S. 61.
344
BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 342.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
75
kenwertes als Oberziel der Markenführung nicht notwendig ist, wird sie an dieser Stelle nicht weiter verfolgt.345 Unabhängig von einer spezifischen Abgrenzung und Operationalisierung ist jedoch die Bedeutung des Markenwertes als Treiber des Unternehmenswertes unstrittig.346 KELLER führt zur Bedeutung des Markenwertes in diesem Kontext an, dass bei einem typischen Unternehmen des Konsumgüterbereichs in den USA bis zu 70% des immateriellen Vermögenswertes eines Unternehmens auf die Marke zurückzuführen seien.347 Die restlichen Anteile des immateriellen Wertes ergeben sich in Abhängigkeit von der Branche aus dem geistigen Eigentum, dem Wissen und den Kompetenzen.348 Nach einer Untersuchung von SATTLER und PRICEWATERHOUSECOOPERS schwankt der Anteil des Markenwertes am Gesamtunternehmenswert in Abhängigkeit von der Branche zwischen 18% (Industriegüterindustrie) und 62% (Konsumgüterindustrie).349 Der ökonomische Wert der Marke repräsentiert daher einen wesentlichen finanziellen Beitrag zu den Erfolgsgrößen der Unternehmung.350 ESSER (2004) konstatiert sogar provokant: „Markenwerte stellen eine der zentralen Ressourcen der Informations- und Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts dar.“351 Der Markenwert erfüllt mehrere Aufgaben: er dient, ähnlich wie der Unternehmenswert, der die Funktion als oberstes Unternehmensziel und als Beurteilungsmaßstab für die Qualität der Unternehmensführung erfüllt, (i) als oberstes Ziel der Markenführung und (ii) als Beurteilungsmaßstab für die Qualität der Markenführung. Als quantitative Kennziffer vereinfacht er es der Markenführung, in einem stark wertorientierten Umfeld funktionsübergreifend ein Bewusstsein für die Rolle der Marke als Treiber des Unternehmenswertes zu schaffen.352 Er liefert darüber hinaus wichtige
345
Vgl. dazu die einschlägige Literatur wie bspw. BEKMEIER-FEUERHAHN (1998); YÜKSEL/YÜKSEL (2003); SCHIMANSKY (2004); BURMANN/JOST-BENZ (2005).
346
Vgl. KAPFERER (1992), S. 1; SATTLER (1998), S. 191; ESCH (2005), S. 4 f. sowie allgemein zum State-of-the-Art der Forschung zum Markenwert im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagements BURMANN/JOST-BENZ (2005).
347
Vgl. KELLER (2003), S. 12.
348
Insbesondere das Wissen und die organisationalen Fähigkeiten lassen sich jedoch in den Markenwert überführen. Vgl. BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 321.
349
Vgl. SATTLER/PRICEWATERHOUSECOOPERS (1999) sowie SATTLER/PRICEWATERHOUSECOOPERS (1999), S. 12.
350
Vgl. HUNDACKER (2005), S. 11.
351
ESSER/SCHMIDT/GRANZ (2004), S. 315.
352
Vgl. LEHMANN (2004), S. 74. DAY/FAHEY wiesen bereits 1988 darauf hin, dass der langfristige Effekt von Marketinginvestitionen in einer quantifizierbaren Kenngröße im Sinne einer Steigerung
76
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Entscheidungsgrundlagen in den einzelnen Phasen der Planung, Steuerung und Kontrolle des Managementprozesses der Markenführung.353 Aus diesen Gründen wird er von vielen Autoren als die wesentliche Kenngröße der Markenführung in den Mittelpunkt einer wertorientierten Markenführung gestellt.354 Beim Markenwert handelt es sich jedoch um einen reinen finanzorientierten ex-post Indikator in monetären Größen. Es stellt sich jedoch die Frage, auf welchen vorgeschalteten Werttreibern der Markenwert aufbaut? Die Grundlage des finanziellen Markenwertes ist in der Verhaltensrelevanz der Marke zu suchen. Dabei bezieht sich die Verhaltensrelevanz auf die Wirkung der Marke bei Kauf- und Auswahlentscheidungen von Nachfragern (externe Zielgruppe) sowie – vorgelagert – bei den Mitarbeitern (interne Zielgruppe).355 Der Grad der Verhaltensrelevanz einer Marke manifestiert sich in der Markenstärke. Die Markenstärke ist eine der finanziellen Markenbewertung vorgelagerte Stufe. Sie wird auch als der verhaltensorientierte [oder] psychographische Wert einer Marke bezeichnet.356 Zu akzentuieren ist hierbei jedoch, dass sich die Markenstärke nicht allein auf die Nachfrager bezieht, sondern dass es sich um eine duale Perspektive handelt: Die interne Markenstärke bei den internen Anspruchsgruppen (Mitarbeiter, Management etc.) kann durch das Markencommitment und das Brand Citizenship Behaviour gemessen werden und wird unmittelbar durch die Markenidentität beeinflusst.357 Die externe Markenstärke bei den externen Anspruchsgruppen (vor allem Nachfrager) wird durch eine Reihe von Einstellungs- und Beziehungskonstrukten358 gemessen
des Shareholder Value dargestellt werden müsse, damit das Marketing in der unternehmensinternen Auseinandersetzung um knappe Ressourcen Erfolg hat. Vgl. DAY (1988), S. 45. 353
Vgl. BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 322.
354
Vgl. SRIVASTAVA/SHOCKER (1991); SATTLER/HÖGL/HUPP (2002); KELLER (2003); SCHIMANSKY (2004).
355
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 5 sowie BLACKSTONE (1992), S. 79.
356
KELLER bezeichnet die Markenstärke auch als Customer-based Brand Equity, „which is formally defined as the differential effect that brand knowledge has on consumer response to the marketing of that brand.“ KELLER (2003), S. 60.
357
Vgl. zur Konzeptualisierung des Markencommitments und des Brand Citizenship Behaviours der Mitarbeiter BURMANN/ZEPLIN (2005a); BURMANN/ZEPLIN (2005c). Vgl. darüber hinaus zur Operationalisierung und empirischen Ergebnissen der Wirkung der beiden Konstrukte ZEPLIN (2006), BURMANN/ZEPLIN (2006).
358
Vgl. zur Konzeptualisierung von Marke-Kunden-Beziehungen bspw. HOFMEYR/RICE (2000) sowie im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 106 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
77
und fußt auf dem Markenimage (vgl. Abbildung 8).359 Sie wird im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagements als die Stärke der Marke-Kunden-Beziehung konzeptualisiert, die im Rahmen des Kapitels B.2.2.2.2 ausführlich behandelt wird, da sie eng mit der Kundenbindung in Zusammenhang steht. Beide Seiten der Markenstärke determinieren die Höhe des Markenwerts.360 Finanzorientierte Markenbewertungsebene Markenwert
Finanzielle Ergebnisse
Markenstärke
intern
extern
Mitarbeiterverhalten
Kundenverhalten
Marke-Mitarbeiter-Beziehung
Marke-Kunden-Beziehung
Markenidentität
Markenimage
(Mitarbeiterebene)
(NachfragerEbene)
Verhaltensorientierte Markenbewertungsebene
Abbildung 8: Determinantenstruktur des Markenwerts im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung Quelle: In Anlehnung an BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 325.
Trotz der Relevanz der Marke-Mitarbeiter-Beziehung kommt der Nachfragerseite eine dominante Bedeutung zu. Diese Dominanz ergibt sich aus der nachfragergerichteten Aufgabe der Markenführung: der Stiftung eines möglichst hohen Nutzens für
359
Bei den verhaltensorientierten Markenwertberechnungen beziehen die Mehrzahl der konventionellen Verfahren lediglich die externe Verhaltensrelevanz mit ein und blenden die interne Verhaltensrelevanz aus. Wie vorherige Ausführungen jedoch erläutert haben, handelt es sich hierbei wiederum um ein verkürztes Verständnis, welches die Erfolgsrelevanz einer internen (Mitarbeiter-)Perspektive nicht berücksichtigt.
360
Vgl. BURMANN/KRANZ/WEERS (2005), S. 342.
78
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
die Nachfrager und die damit einhergehende adäquate Befriedigung von Bedürfnissen.361 Daher soll sich letztlich auch die Forschung einer internen Markenstärke positiv auf den Nutzen und die Bedürfnisbefriedigung für die Nachfrager auswirken. Überspitzt formuliert ist sie ein Mittel zum Zweck.362 Ein kontinuierlicher und hoher Grad an Bedürfnisbefriedigung schlägt sich im Spannungsfeld zwischen Marke und Nachfragern i.d.R. in einer stabilen und werthaltigen Marke-Kunden-Beziehung nieder. Eine langfristig stabile und werthaltige Marke-Kunden-Beziehung stellt somit einen entscheidenden Treiber des Markenwertes dar. RUST/ZEITHAML/LEMON konstatieren daher zur Bedeutung der Kundenbeziehungen: „[…] products come and go, but customers remain. The secret to success is maintaining a profitable relationship with the customer, regardless of what products are involved […].”363 Grundlage jeder Beziehung ist der Grad an Vertrauen, der einer Person oder einem Bezugsobjekt (Marke) entgegengebracht wird. Vertrauen gegenüber einer Marke kann jedoch nur entstehen, wenn eine Marke zum einen glaubwürdig ist und zum anderen „verlässlich“ die Bedürfnisse der Nachfrager befriedigt. Für diese Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit ist eine hohe Konsistenz zwischen den durch das Markennutzenversprechen evozierten Markenerwartungen der Zielgruppe und dem eigentlichem Handeln der „Marke“ (Markenverhalten = Befriedigung der Bedürfnisse) unablässig. Gelingt es einer Marke, diese Konsistenz über einen längeren Zeitraum, d. h. kontinuierlich unter Beweis zu stellen, entsteht neben der Glaubwürdigkeit Verlässlichkeit gegenüber dem Markennutzenversprechen und der Markenleistung insgesamt. Ein hoher Grad an Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit evoziert letztlich das Gefühl des „Vertrauens“ als Basis einer Beziehung (vgl. Abbildung 9).
361
LEVITT führte hierzu bereits 1960 an: “The view that an industry is a customer-satisfying process, not a goods-producing process, is vital […].” LEVITT (1960), S. 148.
362
Dennoch liegt gerade im Aufbau einer starken Marke-Mitarbeiter-Beziehung ein hohes Potenzial für die Markenführung. Vgl. ZEPLIN (2006), S. 36 ff.
363
RUST/ZEITHAML/LEMON (2000), S. 6.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
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Markenwert
Marke-Kunden-Beziehung Vertrauen
Verlässlichkeit
Glaubwürdigkeit
durch Konsistenz und Kontinuität der Leistungsbereitschaft
Leistungsfähigkeit (durch Kompetenzen) zur Erfüllung des Markenversprechens
Markennutzenversprechen
Markenverhalten
Markenidentität
Abbildung 9: Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit als Basis einer starken Marke-KundenBeziehung Quelle: Eigene Darstellung.
Grundlage für die Schaffung von Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit bildet dabei die Markenidentität.364 Vertrauen setzt somit Identität voraus.365 Kompetenzen als Kernbestandteil einer Identität sichern dabei die Leistungsfähigkeit ab, die sich in einer hohen Glaubwürdigkeit niederschlägt.366 Daher schafft erst eine klare Markenidentität die Basis für den Aufbau einer vertrauensvollen Marke-Kunden-Beziehung. Wenn es das Ziel der Markenführung ist, langfristig stabile und werthaltige Marke-KundenBeziehungen aufzubauen, knüpfen sich daran zwei grundlegende Meta-Aufgaben, die die Markenführung direkt zu erfüllen hat. 2.2.2
Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung
Wie die Ausführungen der vorherigen Abschnitte dargelegt haben, sind wesentliche Ursachen für die Höhe des Markenwertes in den aktuellen und in die Zukunft gerichteten Ertragswachstumspotenzialen von Kundenbeziehungen zu sehen. Diese Mar-
364
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 42.
365
Vgl. LUHMANN (1973), S. 7.
366
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 47.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
80
ke-Kunden-Beziehungen können sich in ähnlich vorteilhafter Weise wie interpersonelle Beziehungen äußern. Dies lässt sich zum einen aus GILMORES Theorie des Animismus begründen,367 welche erklärt, warum Marken zum Teil menschliche Züge zugesprochen werden, und zum anderen aus der aktiven Rolle, die Marken durch ihr Verhalten in der Beziehungspflege mit den Nachfragern spielen.368 Die Bedeutung der Marke-Kunden-Beziehung im Rahmen der Markenführung ergibt sich aus ihrer hohen Kaufverhaltensrelevanz.369 Sie wurde durch eine Reihe von Untersuchungen, von denen viele auf den Arbeiten von FOURNIER (1998) zur Konzeptualisierung der Marke-Kunden-Beziehung aufbauen, empirisch bestätigt.370 Auch in der Praxis lassen sich Beispiele für die Bedeutung und den Wert dieser Kundenbeziehungen finden. Beispielsweise lässt sich dies anhand der Übernahme des Unternehmens „Skype“ durch „Ebay“ verdeutlichen.371 Beispiel Skype Im September 2005 übernahm das weltweit größte InternetAuktionshaus Ebay die Internet-Telefongesellschaft Skype für 4,1 Mrd. US Dollar. Obwohl Skype nach Schätzungen lediglich ca. 60 bis 70 Mio. Dollar Umsatz in diesem Jahr erzielte, zahlte Ebay für das Unternehmen 1,3 Mrd. Dollar in bar und 1,3 Mrd. Dollar in Ebay-Aktien. Die Skype-Gründer könnten zusätzlich weitere 1,5 Mrd. Dollar erhalten, wenn bestimmte Ziele bis 2008 erreicht werden.372 Die Höhe des Kaufpreises wurde in der Öffentlichkeit mit Überraschung aufgenommen, da die Entwicklungs- und Launch-Kosten eines ähnlichen Dienstes nach Einschätzung von Experten weit niedriger gelegen hätten und die Umsatz- und Gewinnzahlen von Skype in keinem Verhältnis mit dem Kaufpreis
367
Vgl. GILMORE (1919).
368
In diesem Kontext steht der Begriff „Marke“ als Synonym für die dahinter stehende organisationale Institution, die diese Aktivitäten steuert.
369
Vgl. BLACKSTONE (1992); FOURNIER (1998); BURMANN (2005b), S. 361; KRESSMANN et al. (2003).
370
Vgl. FOURNIER (1998) und für empirische Studien bspw. AAKER/FOURNIER/BRASEL (2004); HAYES/CAPELLA/ALFORD (2000); KRESSMANN et al. (2003); THORBJØRNSEN et al. (2002).
371
An dieser Stelle wird lediglich exemplarisch auf ein Beispiel eingegangen, um den hohen Wert und die daraus resultierende Relevanz von Kundenbeziehungen zu verdeutlichen. Dem Autor ist in diesem Zusammenhang die Gefahr einer induktiv gesteuerten Argumentation bewusst, allerdings wird dies an dieser Stelle der Arbeit durch die Vielzahl von zusätzlich angeführten Literaturhinweisen als gering eingeschätzt. Ferner weist z. B. SCHNEIDER (1995) im Rahmen der Theoriebildung darauf hin, dass Musterbeispiele durchaus erforderlich sind, um Anwendungsfelder und Problemlösungsideen aufzuzeigen. Vgl. SCHNEIDER (1995) sowie FREILING/RECKENFELDERBÄUMER (2004), S. 33.
372
Vgl. NOLDE/FRÜHBRODT (2005), S. 11.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
81
standen. Als Begründung für diesen hohen Kaufpreis wurde von Ebay neben der steigenden Relevanz der Voice-over-IP Telefonie das Potenzial des 54 Mio. aktive Nutzer (davon zwei Mio. Nutzer des kostenpflichtigen Kommunikationsdienstes) umfassenden Kundenstamms von Skype genannt.373 Dies verdeutlicht, dass die Größe des Kundenstamms einer Marke bzw. eines Unternehmens und die Beziehungsstärke der Kunden potenziell einen bedeutenden Vermögenswert und Hebel zur Wertsteigerung darstellen.374 Dies begründet auch, warum die Marke-Kunden-Beziehung im Fokus der Markenführung zwischen Markenidentität und Markenimage steht (vgl. Abbildung 15).375 Aus den skizzierten Erkenntnissen lassen sich zwei grundlegende Meta-Aufgaben für das identitätsbasierte Markenmanagement ableiten: (i) Der Aufbau von Marke-Kunden-Beziehungen durch „Kundenakquisition“ (Erschließen von Nachfragerpotenzialen) und (ii) die Pflege von Marke-Kunden-Beziehungen durch „Kundenbindung“ (Ausschöpfen von Kundenpotenzialen). 376 Aufgrund der Bedeutung der beiden Meta-Aufgaben für die Markenführung und die späteren Ausführungen zu den Markenführungskompetenzen sollen sie im Folgenden kurz beschrieben werden.
373
Vgl. SIEGLE/BENSCH (2005).
374
Vgl. BURMANN/JOST-BENZ (2005), S. 6. SRIVASTAVA ET AL. akzentuieren dieses Verständnis ebenfalls, indem sie die Stärke von Kundenbeziehungen als einen Haupttreiber zur Steigerung des Markenwertes identifizieren. Vgl. SRIVASTAVA/SHERVANI/FAHEY (1998) sowie SRIVASTAVA/SHERVANI/FAHEY (1999), S. 169.
375
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 75; BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 45. Die Stärke bzw. Tragfähigkeit der Marke-Kunden-Beziehung kann in Anlehnung an HAEDWICH als ein latentes Konstrukt beschrieben werden, welches die transaktionsübergreifende Beurteilung der Fähigkeit der Marke seitens der Nachfrager betrifft, die Marke-Kunden-Beziehung entsprechend der Anforderungen der Nachfrager zu gestalten. Vgl. HADWICH (2003), S. 22. Sie repräsentiert demnach ein Ergebnis einer organisationalen Fähigkeit.
376
Die Bedeutung dieser beiden Meta-Aufgaben für den Erfolg von Unternehmen wird in den der Markenführung angrenzenden Forschungsbereichen bestätigt. So konstatieren BAYÓN/GUTSCHER/ BAUER (2002) im Rahmen des Customer Equity Marketings: „We therefore understand Customer Equity Marketing as a management approach for acquisition and retention, geared to individual lifetime values of current and future customers with the aim of continuously increasing Customer Equity.“ BAYÓN/GUTSCHE/BAUER (2002), S. 214.
82
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
2.2.2.1 Akquisition werthaltiger Kunden Die Kundenakquisition repräsentiert naturgemäß den Ausgangspunkt einer Beziehung zwischen Marke und Kunde. Durch sie wird die Größe des Kundenstamms erhöht. Nach KARG (2001) umfasst die Kundenakquisition im Sinne der aufgabenorientierten Unternehmensführung „sämtliche Maßnahmen, die dazu führen, dass ein Kunde erstmalig beim betreffenden Anbieter kauft.“377 Die Kernaufgabe zielt demnach auf zukünftige d. h. potenzielle Kunden ab. Ziel ist es, bisher nicht erreichte Kundenpotenziale zu erschließen, um neues Wachstum zu generieren. Die Kundenakquisition spielt sowohl beim Erschließen vollkommen neuer Märkte (z. B. mobile Telekommunikation in Osteuropa Ende der 90er Jahre), als auch bei der Einführung technischer Innovationen in bestehenden Märkten (z. B. MP3-Player weltweit Anfang des 21. Jahrhunderts) eine Rolle. Bei der Kundenakquisition können zwei grundlegende Strategien differenziert werden: die Kundenakquisition von bisherigen Nicht-Verwendern der Produkte (bzw. Dienstleistungen) und die Akquisition von Kunden der Wettbewerber (vgl. Abbildung 10).378
Nachfragergerichtete Meta-Aufgaben der Markenführung
Kundenakquisition
Neu-Kundenakquisition
Kundenbindung
WettbewerbsKundenakquisition
Abbildung 10: Handlungsoptionen der Kundenakquisition Quelle: Vgl. TOMCZAK/KARG (1999), S. 5.
Unter Nicht-Verwendern sind Personen zu verstehen, die bestimmte Marken einer Produktsparte noch nicht nachgefragt haben.379 Sie verfügen daher über geringe Kenntnisse der Produkte und Marken der Produktkategorie. Die Markenführung steht
377
Vgl. KARG (2001), S. 8.
378
Vgl. KARG (2001), S. 15 ff.
379
Vgl. TOMCZAK/KARG (1999), S. 4
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
83
in diesem Fall vor allem vor der Aufgabe, dem Nachfrager den spezifischen Nutzen einer Marke und seiner Leistung zu vermitteln, um ihn von der Vorteilhaftigkeit der Marke zu überzeugen. DRUCKER stellt hierzu fest: „[…] the starting point for management can no longer be its own product or service. […] the starting point has to be what customers consider value.”380 Dabei muss parallel der Reduzierung des wahrgenommenen Risikos beim Nachfrager und der damit einhergehende Aufbau von Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des Angebots (Marke) besondere Beachtung beigemessen werden.381 Die Akquisition von Neukunden kommt vor allem auf jungen und wachsenden Märkten zum Einsatz, auf denen eine Anbieterfragmentierung herrscht. Der Übergang zu einem stärkeren Einsatz der Wettbewerbskundenakquisition nimmt mit der Reife und der Konzentration des Marktes zu. Im Gegensatz dazu ist auf gesättigten und umkämpften Märkten diese spezifische Ausprägung der Kundenakquisition lediglich stark begrenzt möglich. Durch die höhere Marktpenetration hat die Mehrheit der Nachfrager bereits Leistungen in dieser Produkt- bzw. Dienstleistungsbranche in Anspruch genommen und Erfahrungen mit ihnen sammeln können. Sie sind insbesondere gegenüber den bisher verwendeten Marken in der Regel positiv prädisponiert und funktional gebunden. Nachfrager lassen sich schwerer von der Vorteilhaftigkeit anderer Marken überzeugen, wenn die existierende Marke-Kunden-Beziehung intakt ist oder wenn hohe Wechselbarrieren existieren. Bei der Kundenakquisition muss daher in diesem Fall der bestehende Kundenstamm von Wettbewerbern offensiv „attackiert“ werden. Die Wettbewerber „verteidigen“ durch gezielte Kundenbindungsmaßnahmen ihren Kundenstamm. Dies erschwert diese Form der Kundenakquisition. Nachfrager können in der Regel nur dann „abgeworben“ werden, wenn sie das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Wechsels zu einer neuen Marke positiver beurteilen als das Kosten-Nutzen Verhältnis der bestehenden Beziehung.382
380
DRUCKER (1999), S. 28.
381
Im Kontext des Vertrauens und des wahrgenommenen Risikos wird teilweise kritisiert, dass das Risiko ebenfalls eine Determinante oder ein Antagonismus von Vertrauen darstellen könnte. Vgl. BAUER/NEUMANN/JÖST (2004), S. 262; BAUER et al. (2004), S. 7. Hier soll auf diese Fragestellung jedoch nicht weiter eingegangen werden, da die Maßnahmen zum Aufbau von Vertrauen mit denen zur Reduktion des wahrgenommenen Risikos identisch sind.
382
Vgl. MEFFERT (2000), S. 484.
84
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
In einem Großteil der Triade-Märkte383 konzentriert sich der Kundenakquisitionswettbewerb zwischen den Marken auf das Abwerben von Nachfragern. Dies bedingt einen hohen Ressourceneinsatz, der möglichst effizient gestaltet werden muss.384 Eine wertorientierte, identitätsbasierte Markenführung beinhaltet daher neben der quantitativen Perspektive in der Kundenakquisition (reine quantitative Ausweitung der Kundenbasis) immer auch eine qualitative Perspektive. Aufgrund der Ressourcenknappheit muss sich die Markenführung auf bestimmte Nachfragersegmente fokussieren. Diese Fokussierung wird durch eine der Kundenakquisition vorgeschaltete Identifizierung und Selektion von Kundenpotenzialen gesteuert, die eine Bewertung anhand ihrer Werthaltigkeit (ökonomische Größen) und vorökonomischer Größen vornimmt.385 RUST/ZEITHAML/LEMON konstatieren hierzu plakativ „[…] not all customers are worth attracting and keeping.“386 D. h. die Markenführung sollte sich in der Kundenakquisition eher auf solche Nachfrager konzentrieren, die im Vorfeld durch eine wertorientierte Kundenanalyse anhand ihrer hohen Ertragskraft selektiert wurden.387 Wie relevant diese Selektion ist, wird anhand eines durch BBDO Consulting in Kooperation mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt durchgeführten Kundenwertrankings deutlich, welches die indizierten Kundenwerte in der Automobilbranche darlegt.388 So weist beispielsweise der durchschnittliche Wert eines VWKunden lediglich rund ein Drittel des Wertes eines Porsche-Kunden auf. (vgl. Abbildung 11).
383
Der Begriff „Triade“ ist die gebräuchliche Bezeichnung für die drei gegenwärtig stärksten Wirtschaftsregionen der Welt (Japan und die asiatischen „Newly Industrializing Countries“, Nordamerika und Europa). Vgl. Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 2976.
384
Vgl. TOMCZAK/KARG (1999), S. 4.
385
In einer anschließenden „Fit-Bewertung” wird abschließend geprüft, ob eine mögliche Ansprache mit der Markenstrategie (und evtl. Unternehmensstrategie) konform ist, sowie inwiefern dies vor dem Hintergrund der vorhandenen Ressourcen und Fähigkeiten möglich ist. Vgl. BURMANN/ HUNDACKER (2003), S. 19; KARG (2001), S. 75.
386
RUST/ZEITHAML/LEMON (2000), S. 187.
387
Vgl. KARG (2001), S. 78; REICHHELD (1996), S. 63.
388
Vgl. GARBER (2005b).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Porsche
100
BMW
81,8
Mercedes
78,0 71,1
Toyota
71,1
Audi 56,6
Nissan Volvo
45,2
VW
31,6
Peugeot
23,4
Citroen
23,2 17,2
Mazda Skoda Ford Renault Chrysler
85
11,5 11,3 10,2 9,8
Opel
1,4
Seat
0,3
Abbildung 11: Kundenwert in der Automobilbranche (Index in Prozent) Quelle: GARBER (2005b), S. 52.
Die Werthaltigkeit eines Kundenpotenzials wird vor allem durch die ökonomischen Größen des Umsatzpotenzials und des Kundendeckungsbeitragspotenzials (Profitabilität) bestimmt. Das Umsatzpotenzial, d. h. die Einschätzung über den durch den Nachfrager erzielbaren Umsatz während des gesamten Kundenlebenszyklus, wird in einer Vielzahl von Unternehmen anhand einer „einfachen“ ABC-Analyse eingeteilt.389 Er ist der maßgebliche Faktor bei der Erhöhung des Cashflows.390 Allerdings blendet diese vereinfachende Methodik die durch die Akquisition sowie die Pflege der Beziehung entstehenden Kosten aus. Eine Markenwertsteigerung ist letztlich nur über Profitabilität erzielbar. Daher wird heute vor allem auf das Kundendeckungsbeitragspotenzial zurückgegriffen.391 Dabei werden einem Nachfrager sämtliche durch ihn aktuell und zukünftig anfallenden Kosten und Erlöse zugeordnet. Ziel ist es, von einer eindimensionalen Umsatzbetrachtung hin zu einer individuellen Ertragsbetrachtung
389
Vgl. KÖHLER (2000), S. 421 ff.
390
Vgl. HUNDACKER (2005), S. 8.
391
Vgl. KARG (2001), S. 78 f.
86
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
zu gelangen und darüber hinaus Hinweise für eine Optimierung des Ressourceneinsatzes im Erschließen von Kundenakquisitionspotenzialen zu generieren.392 Dabei beziehen sich ausgereifte Bemessungsverfahren immer auf den gesamten Zeitraum einer Kundenbeziehung. Diesen liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Kunden in Abhängigkeit von der Beziehungslebenszyklusphase, in der sie sich befinden, unterschiedlich profitabel für die markenführende Institution sein können. In der Kundenakquisitionsphase beispielsweise liegt der Kundendeckungsbeitrag aufgrund der in der Regel hohen Akquisitionskosten oftmals sogar im negativen Bereich. Daher ist es notwendig, bei der Berechnung des Potenzials eines Nachfragers immer eine zeitraumbezogene Perspektive anhand des Customer Lifetime Values zu berücksichtigen. Die Kundenakquisition kann daher bei der Selektion der Nachfragerpotenziale nicht losgelöst von der Aufgabe und den Maßnahmen der Kundenbindung agieren. Beides repräsentiert in einer werthaltigen Kundenwertbetrachtung – metaphorisch ausgedrückt – „zwei Seiten einer Medaille.“ 2.2.2.2 Bindung werthaltiger Kunden Ist mit der Kundenakquisition eine Beziehung zu einem Nachfrager initiiert worden (Erschließen von Nachfragerpotenzialen) und haben in einer (kurzen) Sozialisationsphase beide Seiten erste Erfahrungen in einer Geschäftsbeziehung gesammelt, so gilt es, als zweite wesentliche Aufgabe der Markenführung, diese Beziehung zu stabilisieren und auszuschöpfen.393 Die Maßnahmen eines Anbieters, werthaltige und für beide Seiten Nutzen bringende Beziehungen aufzubauen und aufrecht zu erhalten, wird als Kundenbindung bezeichnet.394 Ziel ist es, den Nachfrager so lange wie
392
Vgl. HAAG (1992), S. 27. Diese Bewertung stellt Unternehmen allerdings vor die Herausforderung, kundenspezifische, ursachengemäße Kostenzuordnungen vorzunehmen. Viele Unternehmen nehmen auch aufgrund der mit dieser Methode verbundenen Kosten davon Abstand. Vgl. LINK/HILDEBRAND (1997), S. 163.
393
Vgl. DITTRICH (2000), S. 139 ff. sowie allgemein im Rahmen der Kundenbindung DILLER (1996); LASKO/BUSCH (2003); PETER (1997); MEFFERT (2005).
394
Ähnlich wird dies in der Literatur auch als Customer Equity Management bezeichnet. BURMANN/HUNDACKER beschreiben Customer Equity Management als „ein Ansatz kunden- und wertorientierter Unternehmensführung, der mit differenzierten Maßnahmen des Beziehungsmarketings die nachhaltige Ausschöpfung der Erfolgspotenziale bestehender und potenzieller Kunden anstrebt, mit dem Ziel einer Steigerung des Unternehmenswertes. Differenzierung des Beziehungsmarketings bezieht sich dabei auf die unterschiedliche Ansprache von Kunden und Kundengruppen untereinander sowie auf die unterschiedliche Marktbearbeitung im Beziehungslebenszyklus, also in den Phasen von Kundenakquisition, -bedienung, Cross-Selling und Kundenbindung.“ BURMANN/HUNDACKER (2003), S. 9. Ziel des Customer Equity Managements ist somit, die durch die Kundenakquisition initiierten Werte der Kundenbeziehungen über den gesamten
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
87
möglich an sich zu binden.395 Das erreichte Niveau an Potenzialausschöpfung (Kundenwert) und die damit verbundenen Kundenerlöse sollen gehalten und ggf. weiter ausgebaut werden.396 Letztlich bestimmen vor allem die Länge des Kundenlebenszyklusses und das Ausmaß der Stärke der Marke-Kunden-Beziehung den Customer Lifetime Value (CLV) eines Kunden, der im Deutschen oftmals als Lebenszeitwert eines Nachfragers bezeichnet wird.397 Dieser fliesst als eine Komponente in die Berechnung des Markenwertes mit ein.398 Der Kundenbindung kommt somit im Rahmen der Markenführung eine evozierte Bedeutung zu. Der Fokus auf eine langfristige Kundenbeziehung ist berechtigt. Zum einen tritt in vielen Branchen die Bedeutung der Neukundenakquisition zunehmend hinter die Erhaltung und Pflege des bestehenden Kundenstammes zurück.399 Untersuchungen zeigen, dass sich die Größe, Stabilität und Beziehungsstärke der Nachfragerbasis positiv auf den Markenwert auswirken.400 D.h. solche Unternehmen, denen es gelingt, zwischen Marken und ihren Kunden langfristige, enge und nutzenstiftende Beziehungen aufrechtzuerhalten, verzeichnen hohe Markenwerte.401 Dabei ist die Kundenbindung im Vergleich zur Kundenaquisition oftmals die effizientere Alternative zu einer Ertragssicherung bzw. -ausweitung. Die Pflege von Kundenbeziehungen nimmt lediglich ca. 15-20% der Aufwendungen in Anspruch, die für die Akquisition neuer Kunden notwendig wären.402 Dies ist insbesondere auf reifen Märkten von Relevanz. Hier zeichnen sich Nachfrager dadurch aus, dass sie aufgrund ihrer Erfahrung intensiver nach individuellen Produkt- und Serviceangeboten suchen. Die
Lebenszyklus ganzheitlich zu erfassen, zu vergrößern und in einen so genannten Customer Equity (Kundenstammwert) zu überführen. Der Customer Equity ergibt sich dabei aus dem auf den gegenwärtigen Zeitpunkt diskontierten, finanziellen Wert des (potenziellen) Kundenstamms einer Unternehmung. Vgl. HUNDACKER (2005), S. 13. Vgl. zum Customer Equity Management ferner u.a. SMIDT/MARZIAN (2001); RUST/ZEITHAML/LEMON (2000); KRAFFT (2002) sowie zum Kundenwert und -konzepten die Beiträge des Herausgeberbandes GÜNTER/HELM (2001). 395
Andere Bezeichnungen, die in der Literatur in diesem Kontext Verwendung finden lauten „Relationship Management“ oder „Beziehungsmarketing“. Vgl. zu einem Überblick der RelationshipMarketing Forschung HADWICH (2003), S. 13 ff.
396
Vgl. HOMBURG/SCHÄFER (2003), S. 187 ff.
397
Vgl. zum Customer Lifetime Value bspw. VENKATESAN/KUMAR (2004) sowie ANDON/BAXTER/ BRADLEY (2001) und die dort zitierte Literatur.
398
Vgl. BURMANN/JOST-BENZ (2005), S. 45.
399
Vgl. MEFFERT (2005), S. 145; DILLER (1996), S. 81.
400
Vgl. bspw. SANDER/SCHEFFLER/ZÜTPHEN (2004).
401
Vgl. u. a. HOFMEYR/RICE (2000).
402
Vgl. KARG (2001), S. 5.
88
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Wechselbereitschaft ist hoch. Marken mit schwächerer Marke-Kunden-Beziehung geraten durch diese Wechselbereitschaft, gepaart mit neu auf den Markt eintretenden Wettbewerbern, unter finanziellen Druck.403 Marken mit starker Marke-KundenBeziehung profitieren. REICHHELD/SASSER stellen hierzu fest: „Customer defections have a surprisingly powerful impact on the bottom line. As a customers’ relationship with the company lengthens, profits rise.”404 Ein professionell ausgestaltetes Kundenbindungsmanagement spielt im Markenmanagement daher eine besonders gewichtige Rolle und ist umso relevanter, je bedeutender die Ausschöpfung der Nachfragerpotenziale für den Gesamterfolg des Unternehmens ist.405 Die Bedeutung der Kundenbindung für das Marketing bzw. das Markenmanagement spiegelt sich auch in der „neuen“ Marketing-Definition der American Marketing Association (AMA) aus dem Jahr 2004 wider: „Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholders.“406 [Herv. durch Verfasser] Die AMA stellt neben einer Prozessorientierung (set of processes) das Management von Kundenbeziehungen zum Wohle der Organisation und seiner Stakeholder als Bezugsobjekt des Marketings in den Mittelpunkt. Neben der Forderung, den Nutzen für Nachfrager zu optimieren, erfährt somit auch die Effizienz der Marke-KundenBeziehung eine Aufwertung. Aus der Anbieterperspektive lohnen sich nur Investitionen in die Zufriedenstellung und Bindung von Nachfragern, wenn hierdurch profitable Marke-Kunden-Beziehungen aufrechterhalten werden.407 Unprofitable MarkeKunden-Beziehungen rechtfertigen den Einsatz von knappen Unternehmensressourcen nicht und sollten daher eliminiert werden.408
403
Vgl. zur Markenerosion ausführlich KLANTE (2004).
404
REICHHELD/SASSER (1990), S. 105.
405
Vgl. HUNDACKER (2005), S. 24.
406
American Marketing Association (2004).
407
Vgl. SCHEITER/BINDER (1992), S. 18; BLATTBERG/DEIGHTON (1996), S. 136 ff.
408
Vgl. bspw. KRÜGER (1997), S. 104.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
89
Eine Entscheidung muss sich am CLV ausrichten. Der Kundenlebenszyklus kann dabei auch als ein Kundenbeziehungslebenszyklus verstanden werden.409 Die Verwendung dieser Terminologie erscheint im Kontext der identitätsbasierten Markenführung treffender, da im Markenmanagement der Aufbau und die Pflege langfristig starker und stabiler Marke-Kunden-Beziehungen im Fokus stehen. Die Intensität der Marke-Kunden-Beziehung verändert sich im Zeitablauf des Kundenbeziehungslebenszyklusses. Der Kundenbeziehungslebenszyklus erstreckt sich von der Kundenakquisition über die Kundendurchdringung bis hin zur nachhaltigen Kundensicherung.410 Die Kundenbindung umfasst die Phase der Kundendurchdringung und die Stabilisierung der Beziehung in der Kundensicherungsphase (vgl. Abbildung 12). Kundenbindung Kundenakquisition Initiierung Intensität der Marke-KundenBeziehung
Sozialisation
Kundendurchdringung Vertiefung
Ausweitung
Kundensicherung Stabilisierung
Rückgewinnung
Kundenelimination nicht ertragserbringender Kunden
Zeit Potenzielle Kunden
Aktive Kunden
Ehemalige Kunden
Abbildung 12: Intensität der Kundenbindung im Kundenbeziehungslebenszyklus Quelle: in Anlehnung an BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 45.
Zu Beginn des Kundenbeziehungszyklusses wird in der Phase der Kundenakquisition eine Beziehung zum Nachfrager initiiert. Dies wird durch eine möglichst hohe Übereinstimmung von Markennutzenversprechen und Erwartungen an die Marken seitens des Nachfragers gefördert. Dennoch ist die Intensität der Marke-Kunden-
409
Vgl. BRUHN (2002), S. 187 sowie HUNDACKER (2005), S. 15.
410
Vgl. auch BLATTBERG/GETZ/THOMAS (2001), S. 3.
90
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Beziehung immer noch gering und die Profitrate oftmals aufgrund der hohen Aufwendungen negativ. In der Phase der Kundendurchdringung steigt die Beziehungsintensität durch den Aufbau von Vertrauen in die Leistungen der Marke seitens des Kunden. In der Kundendurchdringung versucht das Unternehmen, das Potenzial des Kunden im Sinne einer Maximierung des „Share of Wallet“411 vertiefend auszuschöpfen (z. B. von Nivea-Pflegeprodukte auf Nivea-Kosmetikprodukte) und die Beziehung auf weitere Leistungsbereiche der Marke durch so genanntes Cross-Selling auszuweiten.412 In dieser Phase erreicht die Marke-Kunden-Beziehung den Maximalwert und somit die für die markenführende Institution i.d.R. höchste Profitabilität. In der abschließenden Phase der Kundensicherung fällt das Intensitätsniveau der Marke-Kunden-Beziehung ab. Mit Kundenbindungsmaßnahmen versucht das Unternehmen das erreichte Niveau an Potenzialausschöpfung zu stabilisieren und beizubehalten. Beendet der Kunde die aktive Geschäftsbeziehung durch Abwanderung, fällt die Intensität der Marke-Kunden-Beziehung jedoch i.d.R. nicht sofort auf den Nullpunkt. Sie sinkt erst langsam weiter ab. In diesem Fall kann das Unternehmen durch Rückgewinnungsmaßnahmen versuchen, den Nachfrager für eine aktive Marke-Kunden-Beziehung zu erhalten.413 Da sich die adäquaten Kundenbindungsmaßnahmen in den verschiedenen Phasen des Kundenbeziehungslebenszyklusses unterscheiden, ist eine Kenntnis über den Zustand und die Intensität der Marke-Kunden-Beziehung der verschiedenen Nachfragergruppen notwendig. Nur so können die zur Intensivierung der Beziehung und somit zur Steigerung des CLV notwendigen Maßnahmen bestimmt und implementiert werden. Die Aufgaben des Kundenbindungsmanagements umfassen daher die Messung der Qualität der Marke-Kunden-Beziehung. Die Qualität der Marke-Kunden-Beziehung repräsentiert den Grad der subjektiv wahrgenommenen, kognitiven und affektiven
411
Der „Share of Wallet“ gibt den „prozentualen Anteil, den ein Unternehmen oder eine Marke an den gesamten Ausgaben eines Konsumenten oder einer Konsumentengruppe innerhalb des relevanten Wettbewerbsumfeldes innehat“, an. BRUHN/HOMBURG (2004), S. 754.
412
Cross-Selling bezeichnet die Strategie, einem Nachfrager, der eine bestimmte Leistung eines Unternehmens bezieht, auch weitere Leistungen des Unternehmens zu verkaufen. Vgl. zum Cross-Selling HOMBURG/SCHÄFER (2003).
413
Vgl. zur Kundenrückgewinnung in diesem Verständnis, die oftmals im englischsprachigem Schrifttum mit „Customer Winback“ bezeichnet wird, THOMAS/BLATTBERG/FOX (2004).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
91
Verbundenheit von Nachfragern (als potentielle, aktuelle oder ehemaliger Kunden) gegenüber einer Marke.414 Die Markenführung betont, dass die Stärke der MarkeKunden-Beziehung insbesondere dann besonders ausgeprägt ist, wenn ein hoher Grad an Kontinuität und Konsistenz im Erscheinungsbild gegenüber dem Nachfrager erreicht wird.415 Die Stärke der Marke-Kunden-Beziehung wird in der Literatur sehr heterogen konzeptualisiert. Frühere Mess-Ansätze verwenden vor allem Indikatoren wie den Grad an Kundenzufriedenheit, Markensympathie, Markenvertrauen, Kunden-Commitment etc. In der Literatur werden teilweise bis zu 100 Indikatoren zur Erfassung der MarkeKunden-Beziehung vorgeschlagen.416 Jedoch hat sich keiner der Indikatoren in der Literatur abschließend durchsetzen können, da sie einzeln verwendet (i) die Beziehung lediglich partiell zu erfassen vermögen und (ii) die Betrachtung lediglich eine kurzfristige Momentaufnahme der Beziehung darstellt.417 Eine Reihe von Untersuchungen bauen auf den Erkenntnissen von FOURNIER (1998) auf, die die MarkeKunden-Beziehung anhand von sechs, aus einer explorativen, qualitativen Untersuchung abgeleiteten Dimensionen darstellt: „Liebe und Leidenschaft“, „Identitätsverknüpfung“, „Bindung“, „Interdependenz“, „Intimität“, „Partnerqualität“.418 In einer empirischen Überprüfung konnten diese sechs Dimensionen jedoch nicht bestätigt werden, so dass verschiedene Autoren in ihren Untersuchungen modifizierte Konzeptualisierungen verwenden.419 Auch der identitätsbasierte Markenmanagementansatz nimmt eine Konzeptualisierung der Marke-Kunden-Beziehung vor. Dabei baut er auf den Erkenntnissen von FOURNIER (1998) sowie HOFMEYR/RICE (2001) auf. Allerdings wird gleichzeitig darauf verwiesen, dass die Erkenntnisse in diesem Bereich durch einen stark explorativen Charakter gekennzeichnet sind. Die Stärke der Marke-Kunden-Beziehung wird im
414
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 45.
415
Die Relevanz von Kontinuität und Konsistenz wird u. a. von KELLER hervorgehoben. Vgl. KELLER (2003), S. 634 ff.
416
Vgl. KRIEGBAUM (2001), S. 81; STEINWARTZ (2004), S. 64 ff.
417
Vgl. HOFMEYR/RICE (2000); COENENBERG (2003), S. 30 f.
418
Vgl. zu einer ausführlichen Beschreibung der einzelnen Dimensionen FOURNIER (1998), S .363 ff.
419
Vgl. AAKER/FOURNIER/BRASEL (2004); HAYES/CAPELLA/ALFORD (2000); THORBJØRNSEN (2002); KRESSMANN et al. (2003); ZEPLIN (2006).
ET AL.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
92
identitätsbasierten Markenmanagementansatz durch vier Variablen konzeptualisiert (vgl. Abbildung 13): „Sympathie“, „Vertrauen“, „Vermissen“ sowie „Involvement“.420
Involvement
Sympathie
Stärke der Marke-KundenBeziehung
Vermissen
Vertrauen
Abbildung 13: Konzeptualisierung der Marke-Kunden-Beziehung im identitätsbasierten Markenmanagement Quelle: Eigene Darstellung.
Die Variable Sympathie erfasst den Grad des „Mögens“ einer Marke und weist daher eine hohe emotionale Prägung auf.421 Markensympathie entsteht durch eine hohe Übereinstimmung zwischen der Wahrnehmung eines Nachfragers von sich selbst (Selbstkonzept422) und der Wahrnehmung einer Marke durch den Nachfrager.423 Das Vertrauen in eine Marke kann als die positive Erwartung von Nachfragern, sich auf gegebene Versprechen der markenführenden Institution verlassen zu können, interpretiert werden.424 Dieses Vertrauen entsteht demnach als Folge einer hohen
420
Vgl. BURMANN (2005c), S. 464 ff. Diese Konzeptualisierung basiert im Wesentlichen auf HOFMEYR/RICE. Allerdings werden dort die ersten beiden Dimensionen inhaltlich anders interpretiert. Vgl. HOFMEYR/RICE (2000) bzw. HOFMEYR/RICE (2002). Vgl. zu einer leicht abgeänderten Konzeptualisierung der Marke-Kunden-Beziehung im identitätsbasierten Markenmanagement, welche anstatt der Variable „Involvement“ die Variable „Präferenz“ verwendet, BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 106 f.
421
„Emotionen sind innere Erregungen, die als angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden.“ KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 106.
422
ROSENBERG (1979) grenzt das Selbstkonzept als die Gesamtheit der Gedanken und Gefühle eines Individuums in Bezug auf sich selbst ab. Vgl. ROSENBERG (1979), S. 7. Das Selbstkonzept entspricht weitestgehend der „persönlichen Identität“ in der Psychoanalyse. Vgl. u.a. FREY/ HAUßER (1987).
423
Dieses Verständnis geht auf die Kongruenztheorie von SIRGY zurück. Vgl. hierzu SIRGY (1982). Vgl. in diesem Kontext auch BURMANN/ZEPLIN (2004), S. 9 f.
424
Vgl. hierzu die klassische Definition für interpersonelles Vertrauen aus der Psychologie von ROTTER (1966) und für Vertrauen in Marke-Kunden-Beziehungen die Definition von SIRDESHMUKH/ SINGH/SABOL (2002).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
93
Kontinuität und Konsistenz zwischen Versprechen und Verhalten seitens der Marke und der Markenerfahrung seitens der Nachfrager.425 Die Variable Vermissen erfasst, wie sehr ein Nachfrager die (hypothetische) Eliminierung einer Marke bedauern würde. Der Grad des Vermissens ist dann hoch, wenn keine adäquate Markenalternative auf dem Markt angeboten wird. Diese ausgeprägte Nicht-Substituierbarkeit der Marke basiert auf der vom Nachfrager wahrgenommenen Einzigartigkeit einer Marke und stärkt die Marke-Kunden-Beziehung. Zur Operationalisierung wird oftmals der Abstand zur „second-choice“-Marke verwendet, welcher die Distanz der Marke zur zweitbesten subjektiv präferierten Marke wiedergibt.426 Die Variable Involvement427 umfasst die subjektiv empfundene Bedeutung und IchBeteiligung des Nachfragers bezüglich der Art der von der Marke angebotenen Leistungen.428 Das Involvement wirkt insoweit als „Verstärker einer durch die anderen drei Variablen bereits positiv oder negativ geprägten Marke-Kunden-Beziehung“.429 Bei der Bewältigung der Aufgabe, Kunden über einen Beziehungsaufbau langfristig an die Marke zu binden, verlieren klassische Kommunikationsinstrumente immer stärker an Bedeutung.430 An ihre Stelle treten neue dialogorientierte und interaktive Kommunikationsinstrumente wie bspw. das Direktmarketing.431 Die Ausgestaltung dieser Maßnahmen zum Beziehungsaufbau und der Beziehungspflege muss jedoch, wie in Abbildung 9 skizziert, auf einem Fundament im Sinne einer grundlegenden Substanz aufbauen. Diese Substanz bildet die Markenidentität. Sie bildet daher den
425
In diesem Kontext wird, wie am Ende des Abschnitts B.2.2.1 erläutert, oftmals auch von der Glaubwürdigkeit und der Verlässlichkeit einer Marke gesprochen, die aus dieser Kongruenz entstehen und die Basis für Vertrauen bilden. Die damit einhergehende Verlässlichkeit und Berechenbarkeit reduziert wahrgenommene Risiken bezüglich des zukünftigen Verhaltens einer Marke. Vgl. bspw. MEFFERT/BURMANN (1996), S. 24; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 67.
426
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 107.
427
Involvement kann nach TROMMSDORFF definiert werden als „Aktivierungsgrad bzw. die Motivationsstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung. Die Definition ist eindimensional im Sinne von mehr oder weniger.“ TROMMSDORFF (2004), S. 56.
428
Vgl. KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 175 sowie darüber hinaus zum Involvement Konstrukt u. a. ZAICHKOWSKY (1984); KAPFERER/LAURENT (1984); FOSCHT/SWOBODA (2004), S. 12.
429
BURMANN (2006), S. 30.
430
Vgl. ESCH (2001c), S 71 ff.; WIEZOREK (2001), S. 98; LASSLOP (2003), S. 3 f.
431
Vgl. BURMANN (2006), S. 25.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
94
Ausgangspunkt zur Bewältigung der Aufgaben der Markenführung und die Grundlage für eine hohe Markenstärke und einen hohen Markenwert. 2.2.3
Markenidentität als Gestaltungsobjekt der Markenführung
„The identity of the brand - the brand concept from the brand owner’s perspective is the foundation of any good brand-building program.”432 Das identitätsbasierte Markenmanagement führt den Erfolg von starken Marken auf deren Identität zurück.433 Etymologisch rührt der Begriff „Identität“ vom lateinischen Wort >idem< her, welches >dasselbe< bezeichnet.434 Aus diesem Grunde wird der Begriff auch als >völlige Gleichheit< und >Wesenseinheit< bzw. „vollständige Übereinstimmung in allen Einzelheiten“ beschrieben.435 Das Verständnis der betriebswirtschaftlichen Forschung zur Markenidentität lässt sich dabei aus anderen Wissenschaftsdisziplinen ableiten. Die Philosophen FICHTE und SCHELLING beschreiben bspw. im Rahmen der formalen Logik die Identitätsaussage mit dem Satz „A=A“.436 „A“ ist somit identisch mit sich selbst, wenn es zu jedem Zeitpunkt und in jedem Zusammenhang immer dasselbe bleibt und als dasselbe identifiziert werden kann.437 Die identitätsbasierte Markenführung überträgt mit dem Konstrukt der „Markenidentität“ vor allem Erkenntnisse der sozialwissenschaftlichen Identitätsforschung auf die Markenführung.438 Dabei begegnen die sozialwissenschaftlichen Ansätze dem Prob-
432
JOACHIMSTHALER/ (1997), S. 2.
433
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 38 ff.
434
Vgl. DUDEN (2001), S. 488.
435
FRÖHLICH/DREVER (1978), S. 168 sowie hierzu auch WELLING (2003), S. 13.
436
Vgl. HENRICH (1979), S. 141.
437
Vgl. SCHMIDT/SCHISCHKOFF (1978), S. 294.
438
Die Zulässigkeit dieser Übertragung und insbesondere die Verwendung des Terminus „Identität“ auf eine Marke als Bezugsobjekt sind innerhalb der Markenforschung nicht unumstritten. Insbesondere WELLING führt hierzu an, dass Marken als leblose Artefakte eigentlich über keine Identität verfügen könnten, da sie nicht zur Interaktion und Selbstreflexion fähig seien. Daher müsse ihnen eine Identiät im Sinne von Fremdbildern durch Personen(gruppen) von außen zugesprochen werden. Daraus leitet er die Unzulässigkeit des Identitätsbegriffes für Marken ab. Vgl. WELLING (2003). Inzwischen wird allerdings von der Mehrheit der Markenforscher diese Übertragung als gerechtfertigt angesehen. Der Konsens bezieht sich auf die Erkenntnis, dass auch leblose Objekte wie Marken mit menschlichen Eigenschaften im Sinne einer Persönlichkeit assoziiert werden können. Dies geht vor allem auf die „Theory of Animism“ von GILMORE zurück. Vgl. GILMORE (1919). Sie besagt, dass Menschen grundsätzlich dazu neigen, Artefakte durch die Verleihung menschlicher Eigenschaften zu „beseelen“. Hieraus ergibt sich eine Vereinfachung der Interaktion mit Objekten. Aus dieser Perspektive verfügen Marken durchaus über menschliche Charakteristika im Sinne ei-
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
95
lem, dass ein Individuum genau genommen nur zu einem theoretisch kurzen Zeitpunkt mit sich selbst übereinstimmt, mit einem „abgemilderten“ Identitätsbegriff, der auf eine relative Konsistenz von Einstellungen und Verhaltenszielen beruht und lediglich die Übereinstimmung wesentlicher Merkmale verlangt.439 In diesem Kontext kann auf Aristoteles’ Trennung zwischen essenziellen und akzidenziellen Eigenschaften zurückgegriffen werden.440 Obwohl eine Übertragung von identitätsorientierten, sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen heute innerhalb der Markenwissenschaft oftmals als „innovativ“ und „neu“ bezeichnet wird, lassen sich erste Hinweise auf die Bedeutung der Markenidentität bereits beim Begründer des deutschen Markenwesens HANS DOMIZLAFF finden. Dieser verwendete zwar nicht explizit den Begriff der Identität, jedoch konstatierte er bereits 1939, dass jede Marke über „ein Gesicht wie ein Mensch“ verfüge.441 Damit verwies er auf eine Analogie zur menschlichen Persönlichkeit, die sich letztlich aus verschiedenen, im Zeitverlauf konstanten Merkmalen konstituiert und für jeden Menschen einzigartig ist.442 Nach CONZEN umfasst die Identität die Ganzheit der Persönlichkeitseigenschaften, die zu mehr als ihrer Summe verschmelzen.443 Erste wesentliche Untersuchungen zum Identitätsbegriff in der sozialwissenschaftlichen Forschung gehen auf JOHN LOCKE zurück. LOCKE unterscheidet einerseits zwischen der „Identität als Mensch“, welche sich auf die Existenz des materiellen Körpers bezieht und somit als gegeben anzusehen ist. Nach diesem Verständnis konstituiert sich die Identität allein durch die Existenz des Körpers bzw. des Objektes. Daher würde bspw. ein verstorbener Mensch zunächst allein durch die Fortexistenz seines Körpers seine Identität behal-
ner Persönlichkeit. Vgl. auch AAKER (1999), S. 45; BAUER/MÄDER/HUBER (2002), S. 688 f.; FOURNIER (1998), S. 344 f.; SIRGY (1982), S. 287. In dieser Arbeit wird der WELLINGschen Betrachtung von Marken als Artefakte nicht gefolgt, da dies neben der Nicht-Beachtung der sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse darüber hinaus eine Rückkehr zum bereits kritisierten zeichenorientierten Verständnis bedeuten würde. Vgl. zu diesem Verständnis WELLING (2003), S. 17 f. und S. 31 f. sowie WELLING (2006). 439
Vgl. FRÖHLICH/DREVER (1978), S. 168 sowie SCHMIDT/SCHISCHKOFF (1978), S. 294.
440
Vgl. LEVITA (2002), S. 42.
441
DOMIZLAFF (1939), S. 92. Damit verwies er auf eine Analogie zur menschlichen Identität, die sich letztlich aus verschiedenen, im Zeitverlauf konstanten Merkmalen konstituiert und für jeden Menschen einzigartig ist.
442
Die Begriffe „Persönlichkeit“ und „Identität“ werden umgangssprachlich häufig synonym verwendet. Im Rahmen dieser Arbeit werden beide Begriffe jedoch differenziert verwendet.
443
Vgl. CONZEN (1990), S. 69 f.
96
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
ten. Erst durch die Auflösung seines Körpers würde auch seine Identität aufhören zu existieren. Zum anderen existiert nach LOCKE eine „Identität als Person“, welche sich erst durch die Existenz eines Bewusstseins und des Denkens konstituieren kann. Es handelt sich daher um eine subjektive Konstruktion der Identität, häufig auch als sog. „Ich-Identität“ bzw. „persönliche Identität“ bezeichnet, die beim Menschen erst durch einen Prozess des selbstreflexiven Denkens entsteht. D.h. die Person bildet ihre Identität, indem sie ihr Wissen und ihre Erfahrungen über sich selbst in der Vergangenheit und Gegenwart verarbeitet.444 Die Identität erlaubt es auch, über die Weiterentwicklung einzelner Eigenschaften hinweg den Menschen (bzw. die Marke) zu identifizieren und als gleich bleibendes Wesen stets wieder zu erkennen. Hieraus wird deutlich, dass es sich bei der Identität um ein relatives Konzept handelt. Identität kann nur festgestellt werden, wenn zwei Menschen bzw. Objekte (Marken) in Relation zueinander gesetzt werden.445 Im Sinne des sozialwissenschaftlichen Identitätsverständnisses kann daher zwischen einer Innen- und einer Außenperspektive differenziert werden. Identifiziert sich eine Person oder eine Gruppe von Personen in einem selbstreflexiven Prozess selbst, entsteht als kognitives Resultat das Selbstbild der Identität.446 Das Fremdbild der Identität wird durch außen stehende Personen zugeschrieben und auch als Image bezeichnet. Die Markenidentität wird aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagements als eine Sonderform der Gruppenidentität interpretiert.447 Die Gruppenidentität (= Selbstbild der Markenidentität) drückt sich in gemeinsamen Werten, Überzeugungen, Eigenschaften und Verhalten aus, welche die Gruppe von anderen abgrenzt und differenziert. Das die Marke tragende Personenkollektiv (zum Beispiel Markeninhaber, Führungskräfte, Mitarbeiter) verfügt demzufolge über eine eigene,
444
Vgl. FREY/HAUßER (1987), S. 20. Vgl. zu LOCKES Verständnis vor allem THIEL (2001) und die dort zitierte Literatur. Vgl. im Kontext der Markenidentität auch WELLING (2003) sowie BURMANN/ MEFFERT (2005b), S. 43.
445
Vgl. HAUßER (1995), S. 3 f.
446
In diesem Fall wird auch von der sog. Ich-Identität gesprochen. Das Identitätsobjekt und -subjekt sind in einer Person bzw. einer Gruppe vereint. Das kognitive Urteil über sich selbst wird auch als Selbstkonzept bezeichnet. Es handelt sich dabei nach ROSENBERG um „die Gesamtheit der Gedanken und Gefühle eines Individuums in Bezug auf sich selbst“ einschließlich seiner Charakterzüge, Kompetenzen im Sinne von Fähigkeiten und Werte. ROSENBERG (1979), S. 7. Vgl. auch LEONARD/BEAUVAIS/SCHOLL (1999).
447
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 16.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
97
die Marke erschaffende und prägende Identität.448 MEFFERT/BURMANN (1996) leiten aus den Erkenntnissen von ERIKSON (1973) zur Psychoanalyse und den oben skizzierten Erkenntnissen der Identitätsforschung vier konstitutive Merkmale der Markenidentität ab:449
Wechselseitigkeit: Identität kann sich nur durch Interaktionsprozesse mit der Außenwelt konstituieren.450
Individualität: Identität ergibt sich durch die Einzigartigkeit der Marke (als Bezugsobjekt) in Hinsicht auf wesentliche Eigenschaften.451
Kontinuität: Die essenziellen Merkmale einer Marke müssen im Zeitablauf konstant bleiben.452
Konsistenz: Die Gesamtheit der Identitätsmerkmale muss widerspruchsfrei sein, um eine klare und starke Markenidentität zu formen.453
Diese Identität kann auch als die Substanz einer Marke interpretiert werden.454 Die Markenidentität bringt die wesensprägenden und charakteristischen Merkmale einer Marke, für die die Marke zunächst nach innen und später auch nach außen stehen soll, zum Ausdruck. Demnach handelt es sich im engeren Sinne um ein Aussagenkonzept.455 Die Markenidentität soll sowohl eine nachhaltige Differenzierung gegenüber Wettbewerbsmarken als auch eine Identifikation der Nachfrager mit der Marke bewirken. Eine konsistente und von Kontinuität bezüglich ihrer essenziellen Merkmale geprägte Markenidentität bildet die Voraussetzung für das Vertrauen der Nachfrager in die Nutzenerfüllungsfähigkeit der Marke.456 Mit dem Aufbau von Ver-
448
Laut BONUS kann keine Gruppe von Personen als Kollektiv ohne Identität existieren, da es gerade die Identität sei, die eine Gruppe ausmache. Kollektive ohne Identität bezeichnet er als „Ansammlung von Menschen ohne inneren Zusammenhalt.“ BONUS (1995), S. 9.
449
Vgl. ERIKSON (1973); CONZEN (1990) sowie erstmalig zu den vier konstitutiven Merkmalen der Markenidentität MEFFERT/BURMANN (1996), S. 29.
450
Vgl. FREY/HAUßER (1987), S. 17.
451
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 47.
452
Essenzielle Merkmale konstituieren den unmittelbaren Kern einer Marke und sind daher für sie unverzichtbar. Akzidenzielle Merkmale können hingegen verändert werden, ohne das die Identität schaden nimmt. Vgl. BÖHM (1989), S. 48 f.
453
KAPFERER führt hierzu an, dass „[…] brands can only develop through long-term consistency, which is both the source and reflection of its identity.“ KAPFERER (2000), S. 56 sowie hierzu auch WIEDMANN (1994), S. 1041.
454
Vgl. KAPFERER (1992), S. 57; BURMANN/WENSKE (2005), S. 2 ff.
455
Vgl. KAPFERER (1992), S. 44 f.
456
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996), S. 13; MEFFERT/BURMANN (2005), S. 30.
98
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
trauen entsteht eine Beziehung zwischen dem Nachfrager und der Marke. Die Markenidentität kann somit als „diejenigen raum-zeitlich gleichartigen Merkmale der Marke, die aus Sicht der internen Zielgruppen in nachhaltiger Weise den Charakter der Marke prägen“, definiert werden.457 Für eine Verwendung der Markenidentität im Rahmen des Markenmanagements ist es von Relevanz, dass sich die Markenidentität in zweifacher Weise konstituiert: 1. Durch einen kollektiven, selbstreferenziellen Prozess des sich Bewusstmachens bei dem für die Marke arbeitenden Personenkollektiv. Hierbei handelt es sich um die interne Zielgruppe des Markenmanagements; 2. Durch die Interaktion mit markenexternen Personen und Personengruppen und deren Wahrnehmung der Marke und anderer Leistungsangebote (Markenimage).458 Dieses Verständnis baut auf den Erkenntnissen des symbolischen Interaktionismus auf. Er rückt das soziale Wechselverhältnis von Individuen bzw. Gruppen von Individuen und ihrer Umwelt in den Fokus. Als Begründer dieser Denkrichtung gelten J. DEWEY, C. COOLEY, W. THOMAS, F. ZNANIECKI und vor allem G. MEAD.459 Nach MEAD betrachtet sich ein Individuum selbst als Objekt, welches im Rahmen seiner Umwelt existiert und von anderen Menschen wahrgenommen wird. Daher kann sich eine Identität nur durch den Austausch und das Wechselspiel zwischen sich selbst als Identitätsobjekt und seiner Umwelt manifesteren.460 Dabei sind die Sprache und Kommunikation allgemein als Mittel zur Selbstreflexion461 und die Fremdreflexion bewusst und unbewusst identitätsbildend. Kommunikation kann für die Vermittlung aller Bestandteile der Markenidentität genutzt werden. Diese Erkenntnis basiert auf der Theorie der narrativen Identität, d. h. der Identitätsbildung durch autobiographisches Erzählen. Nach KEUPP dienen Narrationen bzw. Selbsterzählungen dazu, ver-
457
BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 16; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 49.
458
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 17; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 49. Vgl. MERTENS (1983), S. 81 sowie hierzu auch ausführlich GUGUTZER (2002).
459 460
Vgl. MEAD (1978), S. 180.
461
Vgl. GUGUTZER (2002), S. 34.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
99
gangene Ereignisse mit der Gegenwart zu verbinden und zukünftig erwartete Ereignisse zu begründen.462 Die Erzählung ist dabei das „primäre strukturierende Schema […], durch das Personen ihr Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur physischen Umwelt organisieren und als sinnhaft auslegen.“463 Hieraus wird deutlich, dass das Markenidentitätskonstrukt in einem engeren Sinne erklärungsorientiert und in einem weiteren Sinne führungsorientiert bzw. instrumentell interpretiert werden kann: (i) Im engeren Sinne beschreibt die Markenidentität als theoretisches Konstrukt ein Erklärungskonzept, welches das Verhalten des die Marke tragenden Personenkollektives (interne Zielgruppe) erklären kann, (ii) im weiteren Sinne kann die Markenidentität als ein Führungsinstrument des Markenmanagements (Interaktionsinstrument) interpretiert werden, mit dem die Interaktionen innerhalb der internen Zielgruppen und zwischen internen und externen Zielgruppen der Marke beeinflusst und gesteuert werden können. Die Markenidentität als Führungsinstrument bezieht sich damit konkret auf das Einlösen des Markennutzenversprechens durch ein adäquates Verhalten aller an der Erbringung der Markenleistung beteiligten Personen (interne Zielgruppe der Marke) und die überzeugende Kommunikation des auf der Identität basierenden Markennutzenversprechens bei den externen Zielgruppen der Marke (Positionierung). Diese Zusammenhänge sind überblicksartig in Abbildung 14 dargestellt.
462
Vgl. KEUPP (2002), S. 101 f.
463
POLKINGHORNE (1998), S. 15.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
100
Markenidentität: Erklärungs- und Führungskonzept
Markenimage: Marktwirkungskonzept
Markenidentität im weiteren Sinne: Führung
Markenidentität
Identitätskomponenten
Markennutzenversprechen (Positionierung) Markenidentität im engeren Sinne: Erklärung
Markenerwartungen
Vision Symbolischer Nutzen
Persönlichkeit Werte Kompetenzen
Symbolische und funktionale Nutzenassoziationen
MarkenKommunikation
Funktionaler Nutzen
Herkunft Leistungen
Markenimage
Marke Markenverhalten StrukturFit
Interne Zielgruppen
Interne Markenkommunikation
Markenerlebnis
Mitarbeiter Know-how
an allen Brand Commitment
Markenorientierte Führung Markenorientiertes HRM KulturFit
Brand Citizenship Behavior
Externe Zielgruppen
Brand Touch Points
Verfügbare Ressourcen
Abbildung 14: Markenidentität als Führungs- und Aussagenkonzept des Markenmanagements Quelle: In Anlehnung an BURMANN/MEFFERT/FEDDERSEN (2006), S. 21.
Gegenüber der Markenidentität verkörpert das Markenimage die Sicht externer Zielgruppen von der Marke. In diesem Zusammenhang wird auch vom sog. Fremdbild der Marke gesprochen. Das Markenimage beschreibt die Marktwirkungsebene des Markenmanagements (vgl. auch Abbildung 15).464 Im Mittelpunkt der Markenidentität als Führungskonzept steht die Erbringung eines relevanten Kundennutzens, den die Marke aus Sicht des Anbieters erfüllen soll und der in ein Markennutzenversprechen übertragen wird.465 Die Formulierung des Markennutzenversprechens entsteht im Rahmen der Positionierung. Sie zielt auf die aktive Beeinflussung der Stellung einer Marke im relevanten Markt ab.466 Die Formulierung des Markennutzenversprechens erfolgt dabei durch eine Verdichtung der Identitätskomponenten zu einem funktionalen und symbolischen Kundennutzen, formuliert in der Sprache der Zielgruppe. Das Markennutzenversprechen komprimiert somit die Aussagen der Markenidentität mit dem Ziel, sich hinsichtlich zielgruppenre-
464
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996), S. 34. Vgl.
465
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 5.
466
Vgl. zur Positionierung bspw. MEFFERT (2000), S. 353; HOMBURG/KROHMER (2003), S. 410 ff.; ESCH (2005), S. 142 ff. sowie die Ausführungen zum Teilschritt der Markenpositionierung im Managementprozess in Abschnitt B. 2.2.5.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
101
levanter funktionaler und symbolischer Nutzendimensionen von den Wettbewerbern im Markt zu differenzieren und sich dadurch eine langfristig vorteilhafte Marktposition zu sichern. Hierbei können die sechs Identitätskomponenten467 grob den symbolischen und funktionalen Nutzendimensionen zugeordnet werden.468 Die Ausgestaltung der Markenvision, der Markenpersönlichkeit und der Markenwerte determiniert primär die Wahrnehmung des symbolischen Markennutzens. Hingegen wird der funktionale Markennutzen vor allem durch die Markenleistung determiniert. Die Markenführungskompetenzen und die Markenherkunft beeinflussen beide Nutzendimensionen. Ein hoher Fit zwischen den Identitätskomponenten fördert die Glaubwürdigkeit des Markennutzenversprechens. Dies hat direkte Auswirkungen auf das der Marke entgegengebrachte Vertrauen.469 Das Markennutzenversprechen sagt jedoch noch nichts über die eigentliche Nutzenbefriedigung der Marke aus, da das Markennutzenversprechen lediglich einen in die Zukunft gerichteten Ankündigungscharakter besitzt. Dem Markennutzenversprechen stehen auf der Nachfragerseite die Markenerwartungen gegenüber, welche teilweise oder vollständig durch das Nutzenversprechen der Marke evoziert werden. Im Mittelpunkt der Markenidentität als Führungskonzept steht ferner das tatsächliche Markenverhalten, welches das kommunizierte Markennutzenversprechen einzulösen hat. Das Markenverhalten wird im Wesentlichen durch die Maßnahmen der internen Markenführung determiniert, welche den Aufbau eines hohen Brand Commitments und eines markenidentitätskonformen Brand Citizenship Behaviours zum Ziel hat.470 Dieser Aufbau wird nach einer Untersuchung von BURMANN und ZEPLIN vor allem durch drei wesentliche Hebel gefördert: (i) ein markenorientiertes Personalmanagement, welches bei der Bewerberauswahl einen hohen Fit zwischen Personenidentitäten und der jeweiligen Markenidentität sicherstellt, (ii) eine innengerichtete Markenkommunikation, welche ein Bewusstsein für die Relevanz der Marke schafft und die Markenidentität den internen Zielgruppen verständlich vermittelt, und (iii) eine markenorientierte Führung im Sinne eines täglichen Vorlebens der Markenidentität durch Geschäftsführung und weiterer Führungskräfte, welche der
467
Vgl. hierzu ausführlich die Beschreibung der sechs Komponenten der Markenidentität in diesem Kapitel.
468
Vgl. zum funktionalen und symbolischen Nutzen von Markenimage Abschnitt B. 2.2.4.
469
Vgl. BURMANN/MEFFERT/FEDDERSEN (2006), S. 22 ff.
470
Vgl. zur internen Markenführung und zu den Konstrukten Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour ausführlich BURMANN/ZEPLIN (2005a); ZEPLIN (2006); BURMANN/ZEPLIN (2006).
102
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Glaubwürdigkeit der Handlungen und Motivation der Mitarbeiter zugleich dient.471 Jedoch können diese Maßnahmen nur dann zu Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour führen, wenn die Kontext-Faktoren des Kultur- und Struktur-Fits im Einklang mit der Markenidentität stehen.472 Ziel der Markenführung ist es dabei, mithilfe eines markenidentiätskonformen Brand Citizenship Behaviours eine im Markt verfügbare Markenleistung zu gewährleisten, die zum einen dem kommunizierten Markennutzenverhalten entspricht und die von den Nachfragern gesetzten Markenerwartungen erfüllt. Das Brand Citizenship Behaviour der Mitarbeiter mit Kundenkontakt prägt die finale Markenleistung in besonderer Weise. Das Brand Citizenship Behaviour der Mitarbeiter ohne Kundenkontakt geht direkt in das gesamte Nutzenbündel „Marke“ mit ein und wird zusammen mit dem Brand Citizenship Behaviour von Mitarbeitern mit Kundenkontakt für die Nachfrager an allen Brand Touch Points erlebbar. So genannte „Marken“, die sich zwar über verschiedene Zeichen und Symbole versuchen, kurzfristig von Wettbewerbern abzusetzen, allerdings über keine nachhaltig differenzierende Identität verfügen, können als „Label“ bezeichnet werden.473 Nachfrager bauen zu ihnen keine enge Beziehung auf.474 Sie werden daher oftmals durch Handelsmarken ersetzt. So konstatiert KAPFERER: „Whenever brands are just trademarks and operate merely as a recognition signal or as a mere guarantee of quality, distributors’ brands can fulfil these functions as well and at a cheaper price.”475 Aufgrund der Erkenntnis um die Bedeutung der Markenidentität wurden in den letzten Jahren Forschungsbemühungen unternommen, die Markenidentität zu konzeptualisieren. Wichtige Beiträge in der identitätsbasierten Markenforschung stammen von AAKER, KAPFERER und MEFFERT/BURMANN.476 In der jüngeren Vergangenheit geht die Weiterentwicklung dieses Forschungszweiges im deutschsprachigen Schrifttum u. a. auf Publikationen von BURMANN zurück.477 Andere Wissenschaftler konzeptualisieren
471
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2006), S. 34 f.
472
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2005a), S. 124 ff. und S. 131 f.
473
Vgl. MEFFERT/BURMANN (2002a), S. 47.
474
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 47.
475
KAPFERER (2003), S. 30.
476
Vgl. AAKER (1996); KAPFERER (1992); MEFFERT/BURMANN (1996); MEFFERT/BURMANN (2002a).
477
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003); BURMANN/ZEPLIN (2004); BURMANN/BLINDA (2004); BURMANN/MEFFERT (2005b).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
103
die Markenidentität anhand verschiedener Dimensionen.478 AAKER (1996) konzeptualisiert die Markenidentität anhand der Perspektiven „Marke als Produkt“, „Marke als Unternehmen“, „Marke als Person“, und „Marke als Symbol“. Hierunter spezifiziert er die Identität anhand von zwölf Elementen.479 KAPFERER (1992) verwendet in seiner Konzeptualisierung ein sechseitiges „Identitätsprisma“, welches die Markenidentität anhand der Dimensionen „Beschaffenheit“, „Persönlichkeit/Charakter“, „Kultur“, „Vision“, „spontane Zuordnung“, und „Bezug zum Verbraucher“ beschreibt.480 Nach BURMANN/BLINDA/NITSCHKE lassen sich sechs konstitutive Komponenten der Markenidentität identifizieren (vgl. Abbildung 15): Führungsebene: Markenidentität als Erklärungs- und Führungskonzept:
Wirkungsebene: Markenimage als Marktwirkungskonzept
Vision
Symbolische Nutzenassoziationen („Sinn“) der Marke
Wohin wollen wir?
Markennutzenversprechen
Werte Woran glauben wir?
Kompetenzen
Markenerwartungen Funktionale Nutzenassoziationen der Marke
Leistungen Was tun wir?
Persönlichkeit Wie treten wir auf?
Was können wir?
Markenverhalten
Markenerlebnis
Markenattribute
Herkunft Woher kommen wir?
Markenbekanntheit Selbstbild der internen Zielgruppen
Fremdbild der externen Zielgruppen
Abbildung 15: Grundidee des identitätsbasierten Markenmanagements und konstitutive Komponenten der Markenidentität und des Markenimages Quelle: In Anlehnung an BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 25.
Das Fundament der Markenidentität stellt die Markenherkunft („Woher kommen wir?“) dar. Die Markenherkunft ist für die Markenführung von hoher Relevanz, da eine Marke von den internen und externen Zielgruppen zunächst im Kontext ihrer
478
Vgl. u. a. auch ADJOURI (2002); ESCH (2005), S. 81 ff.
479
Vgl. AAKER (1996), S. 78 ff.
480
Vgl. KAPFERER (1992), S. 50 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
104
„Wurzeln“, d. h. ihres Ursprungs wahrgenommen und interpretiert wird.481 Sie ist eng mit der Historie einer Marke verbunden, welche potentiell ebenfalls einen dominanten Einfluss auf die Markenidentität ausüben kann.482 Während jedoch die Markenherkunft einzelne Facetten der Markenhistorie herausgreift und in besonderer Weise betont, umfasst die Markenhistorie sämtliche Ereignisse der Vergangenheit einer Marke (vgl. Abbildung 16).
Markenhistorie
Markenherkunft
t-n Markengründung
t=0
t+m
Abbildung 16: Markenherkunft im Kontext der Markenhistorie Quelle: In Anlehnung an BLINDA (2003), S. 58.
Aus diesem Grund kann die Markenherkunft im Gegensatz zur Markenhistorie als eine langfristig gestaltbare Identitätskomponente bezeichnet werden. Die Markenherkunft umfasst „die Gesamtheit aller geographischen, kulturellen und institutionellen Einflüsse, die festlegen, von wo, wem oder was eine Marke entstammt“483. D. h. die Markenherkunft wird im Kontext einer nationalen bzw. regionalen Herkunftsdimension484, einer kulturellen Herkunftsdimension485 sowie einer institutionellen Her-
481
So konstatieren bspw. AAKER und JOACHIMSTHALER: „Knowing the roots of a person, place, or firm can help create interest and a bond. The same is true for a brand.“ AAKER/JOACHIMSTHALER (2000), S. 249.
482
Die Markenhistorie umfasst sämtliche Ereignisse der Vergangenheit, die mit der Geschichte der Marke in Verbindung gebracht werden. Die Abgrenzung zwischen den Termini „Historie“, „Vergangenheit“ und „Geschichte“ sind im Sprachgebrauch fließend. Zumeist werden die Begriffe synonym verwendet. Vgl. zur Historie als Imagedimension von Marken auch SCHLEUSENER (1995).
483
BLINDA (2003), S. 39.
484
In der internationalen Marketingforschung wurde vor allem in den 90er Jahren der Herkunft von Produkten zumeist im Kontext der Country-of-origin (COO)-Forschung besondere Beachtung geschenkt. Vgl. hierzu u.a. HAUSRUCKINGER (1993); PAPADOPOULOS/HESLOP (1993); LEBRENZ (1996). Eine generelle Übertragung von COO-Erkenntnissen auf die Markenführung sollte jedoch vorsichtig vorgenommen werden, da diesbezügliche Untersuchungen nicht auf einer Markenebene, son-
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
105
kunft486 betrachtet. Im Idealfall verleiht die Markenherkunft allen weiteren Aktivitäten des Markenmanagements ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Authentizität.487 Auch die Markenvision („Wohin wollen wir?“) wirkt durch das Antizipieren des Zukunftsverhaltens identitätsstiftend. Sie gibt die langfristige, in der Regel auf fünf bis zehn Jahre ausgelegte Entwicklungsrichtung einer Marke vor. WEIDENFELD bemerkt hierzu: „Die Menschen antizipieren künftiges Handeln und beziehen so die Zukunft in die Gegenwart ein. Die Projektion der Absichten und Ziele wird zur Entscheidungshilfe und zum Auswahlkriterium für die Gegenwart. Zukunft formt Identität.“488 Letztlich konstituiert sich die Identität von Menschen und Marken (Gruppenidentität) erst durch die bewusste Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.489 Die Markenvision dient somit als Motivations- und Inspirationsquelle,490 die die zukünftige Entwicklung einer Marke für die internen Bezugsgruppen erfassbar macht.491 Sie dient daher der Sicherstellung eines unternehmensweiten, mit den Markenzielen konformen Handelns.492 Ohne den späteren Ausführungen wesentlich vorzugreifen, soll an dieser Stelle kurz auf die Bedeutung der Markenführungskompetenzen („Was können wir?“) eingegangen werden, um einen vollständigen Überblick über die sechs Komponenten der Markenidentität des identitätsbasierten Ansatzes zu geben.
dern lediglich auf einer Produkt- und Länderebene stattfanden, wie THAKOR/KOHLI kritisieren. Vgl. THAKOR/KOHLI (1996), S. 32. 485
Vgl. in diesem Kontext vor allem die Literatur zur „Culture-of-brand-origin“-Forschung. In diesem Kontext wird argumentiert, dass es Nachfragern durch die heute vorherrschende internationale Konfiguration von Unternehmensaktivitäten oftmals schwer möglich sei, einzelne Länder als das Herkunftsland eines Produkts bzw. einer Marke zuordnen zu können. Sie greifen daher eher auf sog. „cultural cues“ bei der Identifizierung der Herkunft einer Marke zurück. Nach LIM/O’CASS sind Konsumenten diese „cultural cues“ wesentlich „verfügbarer“ als Informationen zum spezifischen Herkunftsland. Vgl. LIM/O'CASS (2001) sowie die dort zitierte Literatur.
486
Die institutionelle Herkunft umfasst den Ursprung einer Marke in einer bestimmten Branche oder Institution, häufig als sog. „made-by“-Herkunft bezeichnet. Wichtige Determinanten in diesem Zusammenhang sind die Branchenzugehörigkeit, die Unternehmenskultur und die Unternehmensgründer. Vgl. BLINDA (2003), S. 54 ff.
487
Vgl. zur Markenherkunft als Komponente der Markenidentität ausführlich BLINDA (2003).
488 489
WEIDENFELD (1983), S. 18. Vgl. LOCKE zitiert in THIEL (2001).
490
Vgl. hierzu auch IND, der in diesem Zusammenhang von einer sog. „Ideologie“ spricht, welche in der Lage ist, allen Mitarbeitern ein gemeinsames Credo zu bieten, an das diese glauben und mit dem sie sich identifizieren können. Vgl. IND (2003), S. 395.
491
Vgl. KAPFERER (1992), S. 110 f.
492
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 21.
106
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Hierfür sind zunächst die Begriffe Markenkompetenz und Markenführungskompetenz voneinander abzugrenzen. So wird umgangssprachlich und in einigen wissenschaftlichen Publikationen der Terminus Markenkompetenz verwendet, um anzugeben, in welchem Bereich die Marke einen hohen Nutzen aus Sicht der Nachfrager generiert.493 Oftmals steht der Begriff auch synonym für eine hohe Produktqualität.494 Dies weist allerdings keine theoretische Fundierung durch den CBV auf. Auch in jüngeren Publikationen zur identitätsbasierten Markenführung wird der Begriff Markenkompetenz verwendet.495 In diesem Kontext wird er allerdings auf Basis des CBV als organisationale Fähigkeit interpretiert.496 An dieser Stelle soll jedoch eine begriffliche Präzisierung vollzogen werden und der Begriff durch den Terminus Markenführungskompetenz substituiert werden. Zum einen wird damit dem Inhalt des Konstrukts besser Rechnung getragen, wie die nachfolgenden Ausführungen darlegen werden, und zum anderen einer möglichen Verwechslungsgefahr mit den anderen Abgrenzungen entgegengewirkt. Ferner erhöht dies die Kompatibilität mit anderen Forschungsinitiativen, wie bspw. von FREILING/WELLING.497 Markenführungskompetenzen nehmen als Identitätskomponente eine exponierte Stellung ein, da sie die Wettbewerbsfähigkeit und potenziell den spezifischen Wettbewerbsvorteil einer Marke begründen. Diese Komponente der Markenidentität lässt sich unmittelbar aus den sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen von MEAD ableiten. Hiernach sind die Fähigkeiten einer Person(engruppe) identitätsstiftend, da sie sich besonders als Mittel der Abgrenzung zu anderen eignen. In diesem Kontext führt MEAD aus: „Wir verändern Dinge durch Fähigkeiten, die andere Menschen nicht haben. Solche Fähigkeiten machen uns effektiv. Die unmittelbare Handlung bringt ein Gefühl der Überlegenheit, der Behauptung der eigenen Identität mit sich. Die Überlegenheit ist ein nicht zu erreichendes Ziel, sie ist ein Mittel, die eigene Identität zu behaupten. Wir müssen uns von anderen Menschen unterscheiden, und das geschieht dadurch, daß [!] wir etwas tun, das andere Menschen nicht oder nicht so gut tun können.“498 Diese Fähigkeiten sind somit als das Handlungspotenzial im Sinne von organisationalen Fähigkeiten einer markenführenden Institution zu verstehen, Input-
493
Vgl. in diesem Kontext auch die die Kritik von FREILING/WELLING (2005), S. 125.
494
Vgl. zu einer Kritik an dieser Auffassung BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 42.
495
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003); BURMANN/MEFFERT (2005b).
496
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 20 f.
497
Vgl. FREILING/WELLING (2005).
498
MEAD (1978), S. 252.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
107
güter und Ressourcen so zu kombinieren, dass daraus eine an den Marktanforderungen ausgerichtete Marke entsteht. Sie geben Auskunft, ob ein Unternehmen in der Lage ist, Inputgüter zu Markenressourcen zu veredeln, einer sinnvollen Nutzung zuzuführen und ihr vorhandenes Wirkungspotenzial auszuschöpfen.499 Ziel bei der Entwicklung und Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen ist die Sicherstellung des versprochenen Markennutzens durch das Ermöglichen eines markenkonformen Verhaltens (vgl. Abbildung 17).500 Erst diese Konsistenz lässt Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Marke entstehen und bildet die Grundlage für eine stabile Marke-Kunden-Beziehung.
Markenidentität
Markennutzenversprechen
Persönlichkeit Werte
Markenführungskompetenzen
Markenleistung
Vision
Sichern die Leistungsfähigkeit der Marke ab
Konsistenz
Stabile MarkeKundenBeziehung
Vertrauen in die Marke
Herkunft
Markenverhalten
Markenerfolg
Abbildung 17: Markenführungskompetenzen als Komponente der Markenidentität Quelle: Eigene Darstellung.
Markenführungskompetenzen sind stets temporär, wenn auch durch den Schutz der Isolationselemente nicht kurzfristig durch Dritte imitierbar.501 Es bedarf somit permanenter Investitionen in die Erneuerung von Markenführungskompetenzen, um mit die ihnen verknüpften Wettbewerbsvorteile der Marke zu verteidigen.502 Die Markenwerte („Woran glauben wir?“) repräsentieren die Grundüberzeugungen der Markenrepräsentanten (Management, Mitarbeiter). Sie reflektieren im übertragenen Sinn, woran die „Marke“ (hier stehend für die markenführende Institution) „glaubt“. Nach ROKEACH repräsentieren Werte die Grundüberzeugung eines Individuums oder einer Gruppe, dass „a specific mode of conduct or end-state of existence is
499
Vgl. in diesem Kontext ähnlich FREILING (2001a), S. 23.
500
Vgl. BURMANN/BLINDA/LENSKER (2006), S. 110.
501
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 126.
502
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 20 f.
108
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
personally preferable to an opposite or converse mode of conduct or end-state of existence”.503 Markenwerte spiegeln demnach die Überzeugung der markenführenden Institution (Gruppe von Individuen) über das Richtigsein oder das Falschsein von Einstellungen und Verhalten wider bzw. ob eine Einstellung oder ein Verhalten wünschenswert ist.504 Das Vorhandensein von Markenwerten setzt daher die Bewertung eines Sachverhaltes durch die markenführende Institution voraus. Entsprechend sind sie stets subjektiv geprägt und bilden einen Rahmen für Entscheidungen und Verhalten der markenführenden Institution. Ferner füllen die Markenwerte die Marke mit emotionalen Inhalten bzw. geben Aufschluss über wichtige emotionale Merkmale der Markenidentität.505 Sie sollten im Optimalfall den Wünschen der relevanten Zielgruppen an die symbolischen Einstellungen einer idealen Marke entsprechen. Die Markenwerte sind daher eine bestimmende Determinante des symbolischen Nutzens einer Marke. Die Markenpersönlichkeit („Wie treten wir auf?“) beschreibt den verbalen und nonverbalen Kommunikationsstil einer Marke über alle Marke-Kunden-Kontaktpunkte hinweg. Der markenspezifische Kommunikationsstil wird sowohl von den typischen Repräsentanten einer Marke als auch von der Herkunft der Marke geprägt.506 Vor allem über die Markenpersönlichkeit, die eng mit den Markenwerten verknüpft sein sollte, kann die Beziehung zwischen einer Marke und Nachfragern emotional aufgeladen und dadurch gefestigt werden. Die Markenpersönlichkeit beeinflusst in starkem Maße, ob die Marke von den Zielgruppen gemocht bzw. als sympathisch wahrgenommen wird.507 Beispielsweise hat Mini als Lifestyle-Marke eine junge, moderne Persönlichkeit, die unkonventionell auftritt und versucht, in ihrer Kommunikation die Zielgruppen mit Witz zu überraschen.
503
ROKEACH (1973), S. 5.
504
Werte beinhalten sowohl Inhalts- als auch Intensitätsmerkmale, die zum einen bestimmen, ob etwas wichtig ist, und zum anderen bestimmen, wie wichtig etwas ist. Vgl. ROBBINS/LANGTON (1999), S. 110.
505
Von besonderer Relevanz für die Markenwerte ist die Authentizität im Sinne einer Kongruenz zwischen Kommunikation und Verhalten. Denn erst durch ein konsequentes, aktives „Leben“ der Markenwerte durch die Mitarbeiter können die Markenwerte ein integraler Teil der Markenidentität werden und die Marke emotional aufladen. Ein gutes Beispiel einer Marke mit besonders ausgeprägten Markenwerten ist „The Body Shop“. In diesem Unternehmen haben die Markenführenden für ihre Marke klare Werte wie beispielsweise „against animal testing“, „defend human rights“ oder „protect our planet“ formuliert und die Mitarbeiter „leben“ diese Werte in jedem ihrer Shops vor. Vgl. BURMANN/MALONEY (2004), S. 8.
506
Vgl. AAKER (1997a), S. 348
507
Vgl. MOSER (2003), S. 67 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
109
Die Markenleistungen („Was tun wir?“) repräsentieren die grundsätzliche Form und Ausstattung der Produkte und Dienstleistungen (Kernleistungen) eines Unternehmens in ihrer technisch-qualitativen und visuellen Gestaltung sowie symbolischemotionalen Aufladung und dem dadurch bedingten Auftreten auf dem Markt.508 Die Markenleistungen basieren vor allem auf den drei Komponenten Markenführungskompetenz, Markenwerte und Markenpersönlichkeit (vgl. Abbildung 15). Die grundsätzliche Art der Markenleistungen determiniert, wie eine Marke für den Nachfrager nutzbar wird. Ebenso wie ein Mensch im Rahmen seiner persönlichen Identität für sich bestimmt, welche Rolle und Funktion er in der Gesellschaft erfüllen möchte (z.B. in Form seines ausgeübten Berufes), wird bei der Markenidentität festgelegt, welchen funktionalen und symbolischen Nutzen eine Marke dem Nachfrager bieten soll. Diese konstitutiven Komponenten bilden als Ganzheit die Markenidentität, welche im übertragenen Sinne den „genetischen Code“ einer Marke darstellt.509 Allerdings lassen sich Aussagen über die Relevanz einzelner Komponenten für die spezifische Identität einer Marke nur situativ treffen.510 Sie ist letztlich wesentlich von der Produktkategorie abhängig.511 2.2.4
Markenimage als Marktwirkungskonzept der Markenführung „The image is indeed a memory in itself, so stable that it is difficult to modify it in the short run.”512
Das Markenimage stellt das zweite wesentliche Konstrukt des identitätsbasierten Markenmanagements dar. Es gilt als Auslöser und Determinante des Nachfragerverhaltens.513 Das Markenimage repräsentiert das Bild der externen Zielgruppen von
508
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 60.
509
Vgl. KAPFERER (1992), S. 57; UPSHAW (1995), S. 25.
510
Nach AAKER/JOACHIMSTHALER kann jede Identitätskomponente durch fünf Fragestellungen auf ihren Stellenwert untersucht werden: „Does it capture an element important to the brand and its ability to provide the customer value or support customer relationships? Does it help differentiate the brand from its competitors? Does it resonate with the customer? Does it energize employees? Is it believable?”. Vgl. AAKER/JOACHIMSTHALER (2000), S. 57.
511
Darüber hinaus stellen die angesprochene Zielgruppe, die Markenidentitäten der Hauptwettbewerber und die Marken des eigenen Unternehmens weitere wesentliche Einflussfaktoren dar. Vgl. KOERS (2001), S. 55.
512
KAPFERER (2000), S. 53.
513
Vgl. FARQUHAR (1990); RÍO/VÁZQUEZ/IGLESIAS (2001); FAIRCLOTH/CAPELLA/ALFORD (2001); HSIEH/ PAN/SETIONO (2004).
110
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
einer Marke. Daher wird in diesem Kontext häufig vom Fremdbild der Marke gesprochen.514 Es kann als ein mehrdimensionales Einstellungskonstrukt515 interpretiert werden516, welches „das in der Psyche relevanter externer Zielgruppen fest verankerte, verdichtete, wertende Vorstellungsbild von einer Marke wiedergibt.“517 Dieses Vorstellungsbild ist das Ergebnis der individuellen, subjektiven Wahrnehmung und Dekodierung aller von der Marke ausgesendeten Signale und somit nicht direkt steuerbar.518 Es steht dem Führungskonzept der Markenidentität daher als Marktwirkungskonzept gegenüber (vgl. Abbildung 15). Wie eingangs durch das Zitat von KAPFERER angeführt, ist das Markenimage nur bedingt kurzfristig veränderbar, da es sich im Zeitverlauf über sämtliche Erfahrungen eines Nachfragers mit einer Marke bildet. Positive und negative Erfahrungen mit einer Marke bleiben im „Gedächtnis“ des Nachfragers haften und beeinflussen seine Einstellungen zu der Marke über einen längeren Zeitraum.519 In Anlehnung an VERSHOFEN und KELLER520 unterteilt der identitätsbasierte Markenführungsansatz das Markenimage in drei Kategorien: das Wissen zu den Markenattributen (Brand Attributes), den aus diesen Attributen abgeleiteten Assoziationen über den funktionalen Nutzen der Marke sowie den Assoziationen über den symbolischen Nutzen der Marke.521 Im Hinblick auf das zukünftige Handeln bestimmen die Inhalte der drei Kategorien des Markenimages die Markenerwartungen. Daher fungieren sie zusammen mit den Markenerfahrungen als eine Art Filter bei der Wahrnehmung des Markennutzenversprechens und des Markenverhaltens (vgl. Abbildung 15).
514
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996), S. 34.
515
TROMMSDORFF (2004) definiert den Terminus „Einstellung“ als „Zustand einer gelernten und relativ dauerhaften Bereitschaft, in einer entsprechenden Situation gegenüber dem betreffenden Objekt regelmäßig mehr oder weniger stark positiv bzw. negativ zu reagieren.“ TROMMSDORFF (2004), S. 159.
516
Vgl. zum Einstellungskonstrukt ausführlich TROMMSDORFF (2004), S. 158 ff.; KROEBER-RIEL/ WEINBERG (2003), S. 168 ff.
517
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 6.
518
Vgl. KAPFERER (1992), S. 44 und S. 49 ff.
519
Dies zeigt erneut die hohe Relevanz eines langfristig, kontinuierlich ausgerichteten Markenmanagements.
520
Vgl. VERSHOFEN (1940); KELLER (1993), S. 17.
521
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 54.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
111
Grundvoraussetzung für die Bildung eines Markenimages ist jedoch zunächst die Markenbekanntheit.522 Ihre Existenz stellt die notwendige Bedingung für die Entstehung eines Vorstellungsbildes bei den Zielgruppen dar und kann somit definitorisch nicht als eine Komponente des Markenimages interpretiert werden.523 Hierbei kann zwischen ungestützter (Brand Recall) und gestützter (Brand Recognition) Markenbekanntheit differenziert werden,524 wobei sich erstere als aktive Bekanntheit auf die Präsenz einer Marke in der Psyche der Nachfrager bezieht. Sie determiniert die Fähigkeit einer Person, sich an eine Marke zu erinnern, wenn sie Bedürfnisreizen ausgesetzt ist oder ohne Markenbezug nach einer Produktkategorie gefragt wird.525 Das Wissen526 zu den Markenattributen repräsentiert sämtliche vom Nachfrager wahrgenommenen sachlich-rationalen als auch bildhaften und emotionalen Eigenschaften einer Marke.527 Die Gesamtheit aller Markenattribute wird vom Nachfrager verdichtet und bewertet. Das Ergebnis dieser Verdichtung und Bewertung sind die Assoziationen zum Nutzen einer Marke. Im Marketing bezeichnet der Terminus „Nutzen“ den Grad der Befriedigung von Bedürfnissen, den ein Objekt aus seinen Merkmalen für den Nachfrager erbringt.528 Der eigentliche Nutzen einer Marke ist daher immer nachfrager- bzw. zielgruppenspezifisch und kann erst durch eine (bewusste oder unbewusste) Bewertung von Individuen entstehen. Daher handelt es sich auch um Assoziationen, also Nutzenvorstellungen. Diese können im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagements zwei Nutzendimensionen zugeordnet werden: dem funktionalen und dem symbolischen Nutzen.
522
Die Markenbekanntheit (Brand Awareness) misst die Fähigkeit potenzieller Nachfrager, sich an ein Markenzeichen zu erinnern (Brand Recall) oder es nach akustischer und/oder visueller Stützung wieder zu erkennen (Brand Recognition) sowie diese Kenntnisse einer Produktkategorie zuzuordnen. Vgl. AAKER (1991), S. 61.
523
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 6.
524
Vgl. KELLER (1993), S. 3.
525
Vgl. STEFFENHAGEN (1984), S. 83; KELLER (1993), S. 3.
526
Das Wissen eines Individuums wird auch als Kognition bezeichnet. Es setzt sich aus einzelnen Erkenntnissen zusammen, die ein Individuum sich durch Erfahrungen und Lernen aneignet. Dieses Wissen wird im Langzeitgedächnis gespeichert. Neben kognitiven Bestandteilen kann das Wissen auch emotionale Kenntnisse und Einstellungen einer Person gegenüber einem Objekt umfassen. Es resultiert demnach aus kognitiven und affektiven Lernprozessen und repräsentiert ein Zustandskonstrukt. Vgl. TROMMSDORFF (2004), S. 84.
527
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 55. Auch die Wahrnehmung typischer Käufer oder Verwender der Marke ist Bestandteil der Markenattribute.
528
Vgl. DILLER (1992), S. 826; PERREY (1998), S. 12; MEFFERT (2000), S. 333.
112
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Die funktionalen Nutzenassoziationen beschreiben, welche Basisbedürfnisse der Nachfrager durch die Marke befriedigt sieht. Diese ergeben sich vor allem aus den physikalisch-funktionalen Attributen der Marke. Allerdings können sich funktionale Nutzenkomponenten ebenfalls aus der Informationsfunktion, Vertrauensfunktion und Risikoreduktionsfunktion von Marken ergeben. In diesem Fall nimmt der Nachfrager die Marke als eine Art Hilfe in seiner Informationsbeschaffung wahr, die ihn durch Verminderung der Komplexität im Kaufprozess entlastet.529 Der Erfolg der Mehrzahl der Marken baut jedoch heute nicht mehr primär auf dem funktionalen Nutzen der Marke auf.530 Dieser stellt unter den heutigen Rahmenbedingungen lediglich die notwendige Bedingung für den Markenerfolg dar. Der Erfolg beruht immer stärker auf dem emotionalen Zusatznutzen, der durch die symbolische Bedeutung einer Marke beim Nachfrager evoziert wird.531 Der symbolische Nutzen bezieht sich auf die individuelle oder soziale Aufwertung der eigenen Person bzw. veränderte Wahrnehmung und Bewertung der eigenen Person durch die Identifikation mit der Markenidentität und die Verwendung der Marke. Symbolische Nutzenkomponenten sind somit bspw. der Geltungsnutzen durch die Vermittlung von Prestige, die Selbstverwirklichung durch eine Marke oder die Verknüpfung der Marke mit individuell bedeutsamen Erinnerungen.532 Die Relevanz dieser drei Imagekomponenten für das Kaufverhalten nimmt von der Markenbekanntheit bis zu den symbolischen Nutzenassoziationen einer Marke i.d.R. zu.533 Die Kaufverhaltensrelevanz des Markenimages leitet sich aus beiden Nutzendimensionen ab.534 Diese werden mit dem nutzenmindernden Aufwand zum Erwerb
529
Vgl. KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 268 ff.
530
Vgl. ESCH (2005), S. 94.
531
Der Begriff des Zusatznutzens geht auf den Gründer der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK AG) in Nürnberg, WILHELM VERSHOFEN, zurück. Vgl. VERSHOFEN (1940), S. S. 71. Vgl. zum Zusatznutzen auch MEFFERT (2000), S. 333 f.
532
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 8 f.
533
Bei hoher positiver Kaufverhaltensrelevanz weist nach der Drei-Komponenten-Theorie der Einstellungsforschung eine Einstellung eine hohe positive konative Komponente (Handlungsabsicht bzw. -tendenz) auf. Vgl. TROMMSDORFF (2004), S. 164 f.
534
„Kognitive“ (wissensbasierte) Bewertungen beziehen sich auf gedankliche Informationsverarbeitungsprozesse von Individuen, bei denen Informationen in rationaler Weise aufgenommen, verarbeitet und gespeichert werden. Ihnen stehen affektive Einstellungskomponenten gegenüber, die sich aus gefühlsmäßigen Bewertungen ergeben. KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 169 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
113
der Marke verglichen.535 Ist der resultierende Nettonutzen positiv,536 kann es zu einem Kauf der Marke kommen. Ob der Kauf tatsächlich vollzogen wird, ist abhängig vom Nettonutzen alternativer Konkurrenzangebote. Die Markenstärke als finale, tatsächlich beobachtbare Verhaltensrelevanz ergibt sich aus der Relation zwischen Nettonutzen der eigenen Marke und dem Nettonutzen der alternativen Konkurrenzangebote. Das Markenmanagement strebt daher an, über die Schaffung und Vermittlung einer differenzierenden Markenidentität ein Markenimage zu evozieren, welches einen hohen Fit zur Identität der Marke und einen möglichst hohen Kundennettonutzen aufweist. Dies führt zu einer starken und stabilen Marke-Kunden-Beziehung, die durch das Markenmanagement kontinuierlich gepflegt werden muss. Diese Aufgaben bedingen eine Vielzahl komplexer Tätigkeiten und Maßnahmen, welche nur dann zur Zielerreichung führen können, wenn sie auf den entsprechenden Kompetenzen basieren sowie systematisch und integrativ gestaltet werden. Dieses bedingt einen ganzheitlich ausgerichteten identitätsbasierten Managementprozess, der sämtliche Aktivitäten zur Steuerung einer Marke erfasst und zweckmäßig strukturiert. 2.2.5
Prozess der identitätsbasierten Markenführung „Eine starke Marke lässt sich nur von innen nach außen aufbauen und pflegen.“537
Der Planungs-538 und Managementprozess der identitätsbasierten Markenführung dient der
535
Die nachfragerseitige Verarbeitung und Bewertung von Nutzenkomponenten sind Gegenstand zweier in der Marketing-Wissenschaft dominierender Ansätze: die auf TOLEMAN (1932) zurückgehenden und vor allem durch GUTMAN (1982) auf Fragestellungen des Marketing übertragene Means-End-Theorie und die Theorie der hierarchischen Informationsintegration von LOUVIERE. Vgl. LOUVIERE (1984) sowie die Weiterentwicklungen von OPPEWAL/LOUVIERE/TIMMERMANS (1994) und ausführlich die Darstellung von PERREY (1998), S. 93 ff.
536
Nach ZEITHAML beschreibt der Nettonutzen die Einschätzung des Nachfragers dessen, was er zum einen von der (Marken-)Leistung geboten bekommt und zum anderen dafür aufgeben muss. Vgl. ZEITHAML (1988a), S. 14. Hieraus wird erneut die enge Verbindung zwischen dem identitätsbasierten Markenmanagement und der Customer Equity-Forschung deutlich. Der Kundennettonutzen repräsentiert eine wesentliche psychographische Vorsteuergröße des Customer Equity. Vgl. HUNDACKER (2005), S. 66 ff.
537
AAKER (1997b), S. 104.
538
Planung besteht darin, „über die komplexen Zusammenhänge eines Unternehmens in einem geschlossenen System nachzudenken, um sich über mögliche Auswirkungen von den Entschei-
114
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
„Planung, Koordination und Kontrolle aller Maßnahmen zum Aufbau starker Marken bei allen relevanten Zielgruppen.“539 Er systematisiert die Aktivitäten anhand ihrer zeitlichen Abfolge.540 Hervorzuheben ist hierbei die funktions- und unternehmensübergreifende Integration aller mit der Marke zusammenhängenden Entscheidungen und Aktivitäten und die Abkehr von partiellen Maßnahmenbetrachtungen des Markenmanagements. Ziel sämtlicher Maßnahmen des Managementprozesses ist der Aufbau und die Pflege von langfristig stabilen und werthaltigen Marke-Kunden-Beziehungen durch die Schaffung und Vermittlung differenzierender und nutzenstiftender Markenidentitäten. Einen Überblick über die Bestandteile des Managementprozesses gibt Abbildung 18. Dieser stellt eine Weiterentwicklung des ursprünglich auf BURMANN/BLINDA/NITSCHKE zurückgehenden Managementprozesses dar.541 Er inkludiert weiterführend im operativen Teilabschnitt Erkenntnisse von BURMANN und ZEPLIN542 zum innengerichteten Markenmanagement. Die im Managementprozess strukturierten Tätigkeiten werden durch spezifische Unternehmens- und Markenführungskompetenzen erst ermöglicht. Dabei vereinen die Kompetenzen, durch ihre Unternehmensspezifität sowie durch ihre marktgekoppelte Ausrichtung und Wirkung auf die Marke, die notwendigen innen- und außenorientierten Dimensionen des Markenmanagements. Eine marktorientierte Unternehmensführung, d. h. die Ausrichtung der unternehmensinternen Entscheidungen und Prozesse an der Befriedigung von Nachfragerbedürfnissen durch auf dem Markt bereitgestellte unternehmensspezifische Leistungspotenziale, stellt dabei die notwendige Erfolgsbedingung dar.543
dungen zu informieren. Planung muss alle Bereiche des Unternehmens und deren Beziehungen zueinander abbilden und koordinieren.“ ADAM (1996), S. 3. 539
BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 75.
540
Allerdings können zwischen den einzelnen Abschnitten durchaus zeitliche Überschneidungen existieren und Feedbackschleifen ergeben. Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 10.
541
Vgl. zum Managementprozess ebenfalls BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 75 ff.; BURMANN/BLINDA/ NITSCHKE (2003), S. 10 sowie KIRSCH (1984).
542
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2005c); BURMANN/ZEPLIN (2005a); BURMANN/ZEPLIN (2006); ZEPLIN (2006).
543
Vgl. zur marktorientierten Unternehmensführung bspw. MEFFERT (2000), S. 3 ff. sowie HOMBURG/KROHMER (2003), S. 1069 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
1. Strategisches Markenmanagement
115
2. Operatives Markenmanagement
Situationsanalyse:
Intern Markenorientiertes Personalmanagement
Markenidentität der Corporate Brand
Markenarchitektur
Markenevolution
Extern
Markenidentität der übrigen Marken
Innengerichtete Kommunikation
Positionierungskonzept
Markenorientierte Mitarbeiterführung
Markenleistungen Markenintegration
Markenziele
Markenkommunikation
Markenpricing
Rechtliche Absicherung
(Nachfrager, Wettbewerb, eigene Marken)
Markendistribution
Markenorganisation
Markenberichtswesen
Markenerfolgsmessung
3. Marken-Controlling
Abbildung 18: Prozess des identitätsbasierten Markenmanagements Quelle: In Anlehnung an BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 10.
Zunächst werden im strategischen Markenmanagement die grundsätzlichen Entscheidungen über die konkreten Ziele und den inhaltlichen Gegenstand der Marken eines Unternehmens getroffen sowie die grundlegenden Verhaltenspläne zur Erreichung dieser Ziele festgelegt. Als Basis sämtlicher Entscheidungen und Maßnahmen dient eine gründliche Situationsanalyse der internen und externen Rahmenbedingungen, d. h. der Ausgangssituation der Marke(n). Wesentliche Bestandteile dieser Situationsanalyse sind die Erfassung aktueller und zukünftiger Kundenbedürfnisse und Nachfragertrends sowie die Analyse des Ist-Images und Soll-Images einer Marke.544 Ferner ist zu analysieren, wie die Marke aus Sicht der Zielgruppen im Vergleich zu Wettbewerbern (Ist-Positionierung) wahrgenommen wird und wie das IstSelbstbild der Markenidentität bei den internen Zielgruppen gesehen bzw. umgesetzt wird. Eine Analyse der Ressourcen, der organisationalen Fähigkeiten und der Unter-
544
Hierbei kann auf Marken-Controlling-Tools wie die GAP-Analyse zurückgegriffen werden. Vgl. zur GAP-Analyse PARASURAMAN/ZEITHAML/BERRY (1985), S. 46 ff. sowie im Kontext des identitätsbasierten Markenmanagements BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 107 ff.
116
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
nehmenskultur stellt die Basis für weitere Entscheidungen und die Durchführbarkeit von Maßnahmen dar.545 Ferner müssen sich die Maßnahmen an den zwischen dem Unternehmen und der markenführenden Institution vereinbarten Zielvorgaben ausrichten. Die Zielvorgaben dienen als wesentliche Grundlage für die Markenstrategie, die Konzeption der Markenidentität und ihrer Implementierung. Die Zielvorgaben sind i.d.R. durch einen einbis fünf-jährigen Zeithorizont gekennzeichnet und stehen im Kontext der übergeordneten Unternehmensziele.546 Nach der Festlegung der Markenziele ist als erste wesentliche Maßnahme die Identität der Unternehmensmarke (Corporate Brand) zu bestimmen bzw. zu analysieren.547 Hierfür bietet sich die Operationalisierung von BURMANN ET AL. mit seinen sechs konstitutiven Komponenten an.548 Im Anschluss wird die singuläre Markenbetrachtung kurzfristig verlassen und die Markenarchitektur auf Gesamtunternehmensebene über alle Marken geplant, um eine optimale Koordination des Markenportfolios zu gewährleisten.549 Parallel zur Festlegung der Markenarchitektur werden die Markenidentitäten für die strategischen Geschäftseinheiten (SGE) und Produktmarken festgelegt - soweit diese vorhanden sind.550 Die Markenidentität bildet die Grundlage für die Bestimmung des
545
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 77 f.
546
Die Zielvorgaben lassen sich in psychographische (z. B. Markenbekanntheit, Kundenzufriedenheit, Markenvertrauen etc.) und ökonomische (z.B. Preispremium der Marke, Marktanteil, Umsatzrendite etc.) Zielkategorien einteilen. Bei der Definition der Ziele ist eine operationale Formulierung zu wählen. Ziele sind dann operational formuliert, wenn sie nach Inhalt, Ausmaß, Zeitbezug und Segmentbezug präzise definiert wurden. Vgl. hierzu und den Zielkategorien MEFFERT (2000), S. 680.
547
In diesem Kontext wird in Anlehnung an die sozialwissenschaftliche Selbstkonzeptforschung auch vom Markenidentitätskonzept im Sinne einer gewünschten Soll-Identität gesprochen. Vgl. FREY/ HAUßER (1987), S. 20 ff.
548
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt B.2.2.3.
549
Die Markenarchitektur ist in der Praxis oft eher das „zufällige“ Ergebnis internen und vor allem externen Wachstums (ein gutes Beispiel bildet in diesem Kontext die Bierbranche). Da dies oftmals zu ungewollten Überschneidungen der Marktbearbeitung sowie Kannibalisierungseffekten führt, müssen die Aufgaben von Marken immer auch im Rahmen des Gesamt-Markenportfolios betrachtet und aufeinander abgestimmt werden. Vgl. zur Gestaltung von Markenarchitekturen ausführlich BURMANN/MEFFERT (2005c); ESCH/BRÄUTIGAM (2005); KAPFERER (2005).
550
Hierbei muss u. a. darauf geachtet werden, dass die Identitäten der verschiedenen Marken geringe Überschneidungen aufweisen, um mögliche Kannibalisierungseffekte zwischen Produktmarken des Unternehmens, die ein Marktsegment bearbeiten, zu minimieren. Allerdings können unter bestimmten Umständen leichte Überschneidungen gewollte sein, um das Marktsegment besser abzudecken und so für Wettbewerber schwerer zugänglich zu machen.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
117
Positionierungskonzeptes (Soll-Positionierung).551 Die Positionierung fokussiert die Aussage der Markenidentität als Führungskonzept (vgl. Abbildung 15) auf wichtige Nutzendimensionen der Nachfrager. Die Dimensionen des Positionierungsraums lassen sich aus den wesentlichen Kaufentscheidungskriterien der jeweiligen Zielgruppen ableiten.552 Ziel dabei ist, die Marke (i) in den Augen der externen Zielgruppen so attraktiv und (ii) gegenüber konkurrierenden Marken so differenziert wie möglich hinsichtlich relevanter Nutzendimensionen der Marke zu „positionieren“.553 Die Markenarchitektur, die Markenidentität und -positionierung haben dabei Einfluss auf die parallel festzulegende Markenevolutionsstrategie. Diese ist ein „langfristiger, bedingter und globaler Verhaltensplan, der die zukünftige Entwicklungsrichtung einer Marke hinsichtlich ihrer Expansion bzw. Konsolidierung für die kommenden 2-5 Jahre festlegt.“554 Im Anschluss daran müssen die Entscheidungen zur Markenorganisation getroffen werden. Sie bilden die Vorgaben für die internen Markenführungsmaßnahmen im operativen Teilabschnitt des Prozesses. Die Planung der Markenorganisation betrifft die Schaffung interner Voraussetzungen, welche zur Erreichung einer starken Markenidentität und eines identitätskonformen Markenimages notwendig sind. Sie legt die organisationale Verankerung einer Marke im Unternehmen fest. Hierzu gehört die Definition der für die Führung einer Marke notwendigen Strukturen, Prozesse sowie Informations- und Anreizsysteme. Diese müssen durch eine passende Unternehmens- und Markenkultur gestützt werden. Dabei wirkt sich die innengerichtete Markenorganisationsplanung durch die Förderung des Aufbaus von Brand Commitment (BC) und Brand Citizenship Behaviour (BCB) bei den internen Zielgruppen (vor allem den Mitarbeitern) auf den Erfolg sämtlicher Markenmaßnahmen im Prozess aus.555
551
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 65. Die Positionierung bezieht sich auf die zielgerichtete Einordnung eines Objektes in einem mehrdimensionalen Merkmalsraum. Vgl. u.a. MEFFERT (2000), S. 353 ff.; HOMBURG/KROHMER (2003), S. 409 ff.; KROEBER-RIEL/ESCH (2004), S. 44.
552
Vgl. MEFFERT (2000), S. 353; HOMBURG/KROHMER (2003), S. 410 ff.
553
Diese gewünschte Positionierung bezieht sich auf die Vorgaben der Soll-Markenidentität.
554
BURMANN/MEFFERT/BLINDA (2005), S. 184. Bei der Festlegung der Markenevolutionsstrategie wird demnach die zeitpunktbezogene Perspektive verlassen und eine zukunftsgerichtete, dynamische Perspektive eingenommen. Diese zeitliche Entwicklungsperspektive ist notwendig, da das Markenmanagement aufgrund sich ändernder Markt- und Unternehmensbedingungen Marken über die Zeit weiterentwickeln muss. Vgl. zu Markenevolutionsstrategien ausführlich BURMANN/ MEFFERT/BLINDA (2005).
555
Vgl. zum innengerichteten Markenmanagement ausführlich ZEPLIN (2006) sowie übersichtsartig BURMANN/ZEPLIN (2005c).
118
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Im zweiten Teil des Managementprozesses, dem operativen Markenmanagement, werden die strategischen Vorgaben durch die Ausgestaltung der Markenführungsinstrumente in konkrete Maßnahmen umgesetzt. Hierbei wird zwischen einer internen und externen Markenführungsebene differenziert. Die internen operativen Markenführungsmaßnahmen beziehen sich auf den konkreten Aufbau von Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour. Diese werden, wie in Abbildung 14 visualisiert und in Abschnitt B.2.2.3 beschrieben, durch drei wesentliche Hebel gefördert: (i) ein markenorientiertes Personalmanagement, (ii) eine innengerichtete Markenkommunikation und (iii) eine markenorientierte Personalführung.556 Die auf den Markt gerichteten, externen operativen Markenführungsmaßnahmen basieren im Wesentlichen auf den bekannten Instrumenten des Marketing-Mix557 sowie der rechtlichen Absicherung der Marken. Diese richten sich wiederum an den Vorgaben der Markenidentität aus und umfassen die operative Gestaltung und Umsetzung der Markenleistung558, des Markenpricing559, der Markenkommunikation560 sowie der Markendistribution561. Von zentraler Bedeutung für den Erfolg von Marken ist dabei die inhaltliche, formale und zeitliche Integration aller im Rahmen der Markenführung eingesetzten Instrumente.562 Sie gewährleistet eine in sich geschlossene und kontinuierliche Identitätsumsetzung. Die Aufgabe des rechtlichen Markenschutzes als letzter Teilschritt des operativen Markenmanagements ist es, alle schutzfähigen
556
Vgl. Abschnitt B.2.2.3 sowie BURMANN/ZEPLIN (2006), S. 34 f.
557
Die vier Instrumente des Marketing-Mix gehen ursprünglich auf MCCARTHY zurück. Vgl. MCCARTHY (1964) sowie zu den Instrumenten ausführlich u. a. HOMBURG/KROHMER (2003); MEFFERT (2000).
558
Die Markenleistungspolitik umfasst alle Entscheidungstatbestände, die sich auf die marktgerechte Gestaltung der von einer Marke im Absatzmarkt angebotenen Produkte und Dienstleistungen beziehen. Vgl. MEFFERT (2000), S. 327.
559
Innerhalb der Gestaltung des Markenpricings wird festgelegt, zu welchen Konditionen und welchen Lieferbedingungen eine Marke am Markt angeboten werden soll. Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 90 f.
560
Die Markenkommunikation greift bei der Ansprache der Nachfrager auf die gängigen Instrumente der Marketingkommunikation zurück (Werbung, Sponsoring, Event-Marketing, Verkaufsförderung, Direktkommunikation, Public Relations, etc.). Vgl. hierzu ausführlich BRUHN (2005) und die dort zitierte Literatur sowie MEFFERT (2000), S. 678 ff.
561
Die Markendistribution befasst sich mit der Übermittlung von materiellen und immateriellen Leistungen vom Verkäufer zum Käufer. Dies umfasst die Entscheidungstatbestände der Wahl der Absatzkanäle sowie des logistischen Systems. Vgl. MEFFERT (2000), S. 600 ff. sowie BURMANN/ MEFFERT (2005a), S. 95 f.
562
Vgl. hierzu ausfürhlich BLÜMELHUBER/MAIER/MEYER (2004).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
119
Brand Icons563 vor illegalem Zugriff durch Wettbewerber abzusichern und einen eventuellen Missbrauch zu verfolgen.564 Den dritten Teilbereich des Managementprozesses stellt das Marken-Controlling dar.565 Es misst im Schritt der Markenerfolgsmessung intern und extern den Erfolg aller Maßnahmen des operativen Markenmanagements. Hierbei werden sowohl psychographische als auch finanzielle Kenngrößen erfasst. Vor allem die Effektivität und Effizienz der Erreichung von interner und externer Markenstärke (vgl. Abschnitt B 2.2.1) werden gemessen sowie ggf. der Customer Equity und der Markenwert errechnet. Alle relevanten Informationen werden durch ein institutionalisiertes Markenberichtswesen an die berechtigten Personen weitergeleitet und fließen erneut in den Planungsprozess ein.566
3
Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen
Nachdem durch die Ausführungen zum MBV, RBV und CBV sowie zur identitätsbasierten Markenführung ein theoretisches Fundament gelegt wurde und insbesondere die Markenführungskompetenzen als wesentliche Komponente(n) der Markenidentität identifiziert worden sind, werden diese Markenführungskompetenzen im nächsten Schritt konzeptualisiert. Ein Kritikpunkt an der ressourcenorientierten Forschung bezieht sich auf ihren bis heute eher geringen Anwendungsbezug, der sich z. T. in einer fehlenden Spezifizierung der wesentlichen Konstrukte (z. B. Kompetenzen) widerspiegelt.567 Dies wird
563
Brand Icons stellen die „für den Nachfrager direkt erlebbaren, visuellen (z.B. Apple-Logo, Beck’s Schiff), akustischen (z.B. Telekom-Jingle), haptischen (z.B. Coca-Cola Flasche), olfaktorischen (z.B. Geruch des Connolly-Leders in einem Jaguar) und gustatorischen (z.B. Zartheit und Süße einer Milka-Tafelschokolade) Repräsentationen der Marke dar.“ BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 40. Vgl. zu den Brand Icons auch MOSER (2003).
564
Dabei übernimmt der Markenschutz im Planungsprozess zunächst eine proaktive Schutzrolle, in dem es bei der Disposition von Brand Icons zunächst ihre Schutzfähigkeit prüft, bei Selektion aktiv einen rechtlichen Schutz bspw. durch Eintragungen in nationale und internationale Markenregister vornimmt und nachgelagert kontinuierlich den Markenmissbrauch durch die Verwendung von geschützten Brand Icons unterbindet und ggf. Sanktionen verhängt. Vgl. zum Markenrecht und -schutz SCHRÖDER (2005).
565
Vgl. hierzu ausführlich MEFFERT/KOERS (2005), S. 273 ff. sowie KRIEGBAUM (2001) und TOMCZAK/ REINECKE/KAETZKE (2004).
566
Als ein Instrument des Markenberichtswesens ist bspw. eine Marken-Scorecard von hoher Relevanz. Vgl. hierzu ausführlich MEFFERT/KOERS (2005), S. 282; BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 103 ff. sowie in ähnlicher Form LINXWEILER (2001).
567
Vgl. bspw. COLLIS (1994); PRIEM/BUTLER (2001b).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
120
u. a. als ein Grund dafür angesehen, warum Praktiker des Marketings und der Markenführung die Erkenntnisse des RBV und CBV nur partiell und sehr vorsichtig übernehmen.568 In diesem Zusammenhang konstatiert CONNER (2002) kritisch, dass „[…] the RBV appears to leave unaddressed a number of key questions that may render it ineffective as a rubric for practising managers.”569 Daher muss es eine primäre Aufgabe von Forschern dieses Bereiches sein, in ihren Untersuchungen den allgemeinen Anwendungsbezug durch einen möglichst hohen Spezifizierungsgrad der Konstrukte zu erhöhen. Dies würde eine Übertragung der Erkenntnisse auf die Praxis erleichtern. Aus diesem Grund sollen im Rahmen dieser Untersuchung die Markenführungskompetenzen näher spezifiziert werden. Hierfür ist zu vermuten, dass eine Analyse existierender Kompetenzstrukturierungsansätze aus dem Bereich des strategischen Managements und des Marketings von Relevanz ist, da hieraus Erkenntnisse auf den zu entwickelnden Ansatz übertragen werden könnten. Daher wird zunächst ein Überblick über im Schrifttum existierende Ansätze gegeben. Im Anschluss werden wesentliche Ansätze erläutert und kritisch hinsichtlich ihres Erklärungsbeitrages für eine Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen geprüft. Dabei wird dreistufig vorgegangen: beginnend bei Kompetenzansätzen, die in der Literatur als marktorientierte Unternehmensführungskompetenzen bezeichnet werden, über Marketing-Kompetenzansätze, bis hin zu Marken(führungs-)kompetenzansätzen.
3.1
Konzeptualisierung und Strukturierung von Kompetenzen
„It is not possible to enumerate all possible capabilities […]. Nonetheless, certain types of capabilities can be recognized in all businesses, corresponding to the core processes for creating economic value.”570 Sowohl Marketing-Theoretiker wie SHELBY HUNT571 als auch RBV-Theoretiker wie JAY B. BARNEY572 untersuchen die Ursachen von Erfolgsdivergenzen und Wettbewerbsvorteilen zwischen Unternehmungen. Trotz oftmals unterschiedlicher Konzeptualisie-
568
Vgl. DAY (1994); HUNT (2000); CONNOR (2002).
569
CONNOR (2002), S. 313.
570
DAY (1994), S. 40.
571
Vgl. HUNT (2000).
572
Vgl. BARNEY (1991); BARNEY/WRIGHT/KETCHEN JR. (2001).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
121
rungen der Wettbewerbsvorteile stimmen beide Forschungsrichtungen in der Identifikation von Kompetenzen als bedeutende Erfolgsdeterminanten überein.573 Aufgrund der komplexen Struktur von Wissen ist es mit Hilfe der derzeit verfügbaren Methoden schwierig, sämtliche Fähigkeiten und Kompetenzen zu identifizieren, die für die Bewältigung von Unternehmensaufgaben wie der Markenführung notwendig sind.574 Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Wissen und damit auch Kompetenzen teilweise aus unternehmensindividuellen Situationen und Entwicklungen entstehen und in komplexe Strukturen integriert sind.575 Gleichwohl ist aufgrund der Bedeutung von Kompetenzen für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen eine Auseinandersetzung und Erforschung in der Betriebswirtschaft notwendig. Wie sich aus der eingangs aufgeführten Aussage von DAY (1994) ableiten lässt, besteht die Herausforderung für die Wissenschaft zum einen darin, typische Kompetenzmuster in den Unternehmen zu identifizieren.576 Zum anderen besteht die Herausforderung darin, Messansätze zu entwickeln, die Kompetenzen adäquat operationalisieren und somit erfassbar machen.577 Die Lösung dieser beiden Herausforderungen erscheint vor allem vor dem Hintergrund eines möglichst hohen Praxisbezugs notwendig. Die betriebswirtschaftliche Forschung bemüht sich daher seit über 25 Jahren, solche Strukturierungen vorzunehmen und Kompetenzen zu messen. Trotz der identifizierten Lücken in der Erforschung von Markenführungskompetenzen lassen sich im Schrifttum Beiträge in der strategischen Managementforschung und im Marketing finden, die versuchen, so genannte marktorientierte Kompetenzen (market-based capabilities) zu strukturieren. Oftmals wird aufgrund der Bedeutung des Marketings für die Sicherstellung einer Marktorientierung ebenfalls der Begriff der „Marketingkompetenzen“ verwendet. Beiträge, die sich explizit mit Kompetenzen der Markenführung beschäftigen, finden sich kaum. Dies ist u. a. auf die Dominanz des Marketings zurückzuführen, da in der Literatur die Markenführung oftmals als eine Teildisziplin des Marketings interpretiert wird.578 Die Strukturierungsansätze können mithilfe von vier Kriterien bewertet werden, die zum einen eine grobe
573
Vgl. SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001), S. 777 f.
574
Vgl. bspw. RAICH/SCHOBER (2005).
575
Vgl. BURMANN (2002a), 192 ff.; BECKER (2005), S. 194 ff.
576
Vgl. ULRICH (1981).
577
Vgl. u. a. RAICH/SCHOBER (2005); FAIX/KUPP (2002).
578
Vgl. u. a. MEFFERT (2000), S. 846 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
122
Theoretische Fundierung
Reflektion und Verankerung der Argumentation zur Ableitung der Strukturierung in der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung.
Prozessorientierung
Herleitung der Strukturierung auf Basis von Unternehmensprozessen in der Erstellung von Marktleistungen.
Holistische Perspektive
Einnahme einer ganzheitlichen Betrachtungsperspektive von Unternehmensaktivitäten und -prozessen in der Erstellung von Marktleistungen.
Markenbezug
Bewertung von Strukturierungsansätzen
Bewertungskriterien
Einschätzung über die Güte der Ansätze zulassen sowie zum anderen eine Einschätzung über deren Eignung für eine Übertragung auf den identitätsbasierten Markenführungsansatz ermöglichen. Diese Kriterien sollen zunächst erläutert werden (vgl. Abbildung 19), bevor sie zur Bewertung der Strukturierungsansätze herangezogen werden.
Reflektion und Inkludierung von Erkenntnissen der Markenforschung.
Abbildung 19: Kriterien zur Bewertung der Strukturierungsansätze Quelle: Eigene Darstellung.
(i) Theoretische Fundierung: Dieses Kriterium bezieht sich auf die Verwendung und Reflektion von ressourcentheoretischen Forschungserkenntnissen des Schrifttums bei der Herleitung von Kompetenzen. Ein hoher Grad an theoretischer Fundierung als ein wesentliches Bewertungskriterium erscheint aus Sicht des Autors notwendig, um zum einen eine hohe Kompatibilität mit den Erkenntnissen der ressourcenorientierten Forschung zu gewährleisten und zum anderen der Gefahr einer „induktiven Willkür“ bei der Identifikation von Kompetenzen zu begegnen. Dies ist vor allem daher von hoher Relevanz, da der identitätsbasierte Markenführungsansatz den Anspruch erhebt, u. a. auf dem RBV als Theoriefundament aufzubauen.579 Bei einer Strukturierung von Markenführungskompetenzen sollte daher auf theoretisch fundierte Konzepte zurückgegriffen werden.580
579
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 39 und S. 42.
580
Vgl. für die Notwendigkeit einer theoretischen Fundierung von wirtschaftswissenschaftlichen Konzepten u. a. CHMIELEWICZ (1994). In diesem Kontext ist insbesondere auf die Notwendigkeit eines theoretisch-fundierten Begriffsverständnisses hinzuweisen. Hierzu führt bspw. SCHANZ an, dass
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
123
(ii) Prozessorientierung: Dieses Kriterium bezieht sich auf die Einnahme einer prozessorientierten Perspektive bei der Abgrenzung von Kompetenzen. 581 Ein hoher Grad an Prozessorientierung ist für eine Konzeptualisierung der Markenführungskompetenzen bedeutsam, da der identitätsbasierte Markenmanagementansatz die Markenführung ebenfalls als eine funktionsübergreifende Querschnittsfunktion der Unternehmensführung ansieht, in dessen Rahmen Kompetenzen prozessorientiert betrachtet werden.582 Vor allem einige ältere Untersuchungen nehmen die Kompetenzstrukturierung dagegen anhand von Unternehmensfunktionen der Wertschöpfungskette vor.583 Sie interpretieren das Marketing demnach als eine funktionsbezogene Gestaltungsaufgabe innerhalb des Unternehmens. So grenzen u. a. SNOW//HREBINIAK (1980) weitere Funktionen wie Produktion, F&E, Finanzen, Personal etc. als spezifische Kompetenzfelder ab.584 Einzelne, in die Funktion des Marketings fallende Kompetenzen werden i.d.R. anhand von Aktivitäten identifiziert, die allein in den Verantwortungsbereich einer Marketingabteilung fallen (z. B. Kommunikation, Packaging etc.). Andere Untersuchungen interpretieren das Marketing hingegen als eine integrierte und funktionsübergreifende Managementfunktion (vgl. Abbildung 20). Sie gehen bei der Strukturierung von Kompetenzen weniger von einer betrieblichen Aufbauorganisation als von einer Ablauforganisation aus, in der funktionsübergreifende Prozesse im Vordergrund stehen.585
die begriffliche Fundierung ein erster Schritt sei, um zu realwissenschaftlichen Erkenntnissen zu gelangen. Vgl. SCHANZ (1988), S. 20. 581
Vgl. GAITANIDES/SJURTS (1995), S. 64 ff.; HINTERHUBER/STUHEC (1997), S. 17.
582
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 8. Dieses Verständnis steht auch im Einklang mit MEFFERT (2000), der die Bedeutung des Markenmanagements als integrierte Querschnittsfunktion der Unternehmensführung hervorhebt MEFFERT (2000), S. 847. Vgl. ähnlich auch AHLERT (2005a), S. 222.
583
Vgl. zur Wertschöpfungskette bspw. PORTER (1980a); HOMBURG/KROHMER (2003), S. 399 ff.
584
Vgl. BRUSH/ARTZ (1999).
585
Vgl. bspw. DAY (1994); HOOLEY et al. (1999). Zu den Begriffen Ablauf- und Aufbauorganisation vgl. u. a. WÖHE/DÖRING (2005) , S. 133 ff. u. S. 143 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
124
Marketing als integrierte, funktionsübergreifende Gestaltungsaufgabe Unterstützende Aktivitäten
Personalmanagement Forschung und Entwicklung Beschaffung Finanzen/Controlling
Eingangslogistik
Produktion
Marketing
Ausgangslogistik
Service
Ziele Strategien Maßnahmen Kontrolle
Primäre Aktivitäten
Abbildung 20: Verständnis von Marketing als Unternehmensaufgabe Quelle: In Anlehnung an MEFFERT (2000), S. 6.
Um eine möglichst hohe Kompatibilität zwischen den im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes identifizierten Aufgaben bzw. Aktivitäten und einer Strukturierung der dahinter liegenden Kompetenzen zu gewährleisten, sollten die zu analysierenden Ansätze demnach in ihrer Strukturierung ebenfalls ein hohes Maß an Prozessorientierung aufweisen. (iii) Holistik: Dieses Kriterium bezieht sich auf die Ganzheitlichkeit der Prozessbetrachtung bei der Erstellung von Markenleistungen. Eine ganzheitliche Perspektive bei der Betrachtung von Kompetenzen erscheint als ein wesentliches Bewertungskriterium sinnvoll, da i.d.R. erst das Zusammenspiel von verschiedenen Unternehmensfunktionen und -prozessen bzw. -tätigkeiten die Befriedigung von Marktbedürfnissen ermöglicht.586 Eine partielle Betrachtung von Kompetenzen in Untersuchungen reicht daher nicht aus, um diese Komplexität und Interaktion zu erfassen. Ferner handelt es sich beim identitätsbasierten Markenführungsansatz um einen holistischen Ansatz, der eben dieser Forderung einer ganzheitlichen Betrachtung von Prozessen im Leistungserstellungsprozess von Marken nachkommt.
586
Diese Ansicht wird u. a. durch eine Untersuchung von HARMSEN/JENSEN gestützt, die Manager nach notwendigen Unternehmenskompetenzen befragt haben. Hierzu stellen sie fest: “Managers believe that companies must be good at a large number of competencies in order to handle central market characteristics. The general impression is that several competencies are needed to fulfil any one market demand [...]. HARMSEN/JENSEN (2004), S. 544.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
125
Daher ist zu vermuten, dass holistische Strukturierungsansätze sich für eine Übertragung auf die vorliegende Forschungsfrage eher eignen könnten. (iv) Markenbezug: Als letztes aufgeführtes Kriterium bezieht sich der „Markenbezug“ auf die Inkludierung von Erkenntnissen der Markenforschung in die vorliegenden Ansätze. Dieses Kriterium wird deshalb als bedeutsam eingeschätzt, da die Markenführung gegenüber dem strategischen Management und auch gegenüber dem Marketing Spezifika aufweist. Daher kann ein möglichst hoher Markenbezug der Strukturierungsansätze die Übertragung von Erkenntnissen zur Beantwortung der vorliegenden Forschungsfrage vereinfachen. Im Anhang A wird eine Übersicht über verschiedene Kompetenzstrukturierungsansätze des Schrifttums dargelegt. In diesem Rahmen werden die Untersuchungsfragen, Branchenbezüge, wesentliche Forschungsergebnisse sowie die Einordnung anhand der vier Bewertungskriterien skizziert. Im Folgenden soll auf die Strukturierungsansätze des strategischen Managements und des Marketings näher eingegangen werden, da sie nach Ansicht des Autors potenziell von evozierter Relevanz für die vorliegende Forschungsfrage sind.587 Ferner werden die beiden einzigen, dem Autor bekannten Strukturierungsansätze von Markenführungskompetenzen vorgestellt und ebenfalls wie bei den anderen Ansätzen anhand der vorgestellten Kriterien auf ihren Erkenntnisgehalt für eine Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen untersucht.
587
Hierbei wird auf die Diskussion der Ansätze von VORHIES (1998) sowie SNOW/HREBINIAK (1980) verwiesen, da der Ansatz von VORHIES (1998) von VORHIES/MORGAN (2005) adaptiert und in ähnlicher, aber ausführlicheren Form diskutiert und empirisch untersucht wird. Vgl. VORHIES (1998); VORHIES/MORGAN (2005). Der Ansatz von Snow/Hrebiniak (1980) untersucht Kompetenzen im Kontext der MILES & SNOW Strategietypologien und wird in ähnlicher Form von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) sowie DESARBO ET AL. (2005) adaptiert, auf die näher eingegangen wird. Daher wird auf eine nähere Diskussion dieses Ansatzes verzichtet. Vgl. SNOW/HREBINIAK (1980); CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); DESARBO et al. (2005).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
126
3.2
Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Unternehmensführungskompetenzen des strategischen Managements
3.2.1
Ansatz von HITT/IRELAND
Ein grundlegender Ansatz der 80er Jahre, der so genannte „distinctive competencies“ (im Folgenden Kompetenzen genannt) von Unternehmen betrachtet, wurde von HITT/IRELAND vorgestellt.588 Der im Strategic Management Journal (SMJ) publizierte Beitrag „Corporate Distinctive Competence, Strategy and Industry Type“ versucht in Anlehnung an vorangegangene Forschungsarbeiten u. a. von MILES/SNOW (1978) und SNOW/HREBINIAK (1980), die Interdependenzen zwischen Kompetenzen, Unternehmensstrategien und dem Unternehmenserfolg konzeptionell und empirisch zu untersuchen.589 Hierbei wird eine grundlegende Strukturierung von Kompetenzen vorgenommen, die potenziell auch für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen relevant ist. HITT/IRELAND nehmen eine Kompetenzstrukturierung nach grundlegenden Funktionen einer Unternehmung vor. Dabei werden sieben Kompetenzen identifiziert (vgl. Abbildung 21).
588
Vgl. HITT/IRELAND (1985).
589
Zu diesen Forschungen zählen u. a. die Arbeiten von MILES/SNOW (1978) und SNOW/HREBINIAK (1980).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
127
Production / Operations
Engineering and R&D
Marketing
Finance
Grand Strategy
Corporate distinctive competencies
General administration
Competitive Advantage
Corporate and SBU Performance
Personnel Public and governmental relations
Industry Type
Abbildung 21: Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Unternehmenserfolg nach HITT/IRELAND Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Ausführungen von HITT/IRELAND (1985).
Die Autoren definieren „distinctive competencies“ als „those activities in which a firm, or one of its units, does better relative to its competition.”590 Sie entstehen nach ihrer Argumentation durch die Entwicklung spezifischer Aktivitäten in den verschiedenen Unternehmensfunktionen.591 HITT/IRELAND konstatieren, dass solche Kompetenzen, die auf dem Level des Unternehmens angesiedelt sind, entscheidende Treiber für den Erfolg des Unternehmens darstellen, da potenziell alle SGEs eines Unternehmens von ihnen profitieren können. Diese Kompetenzen besitzen daher ein größeres Wirkungspotenzial als Kompetenzen, die lediglich auf einer SGE-Ebene vorhanden sind.592
590
HITT/IRELAND (1985), S. 273. HITT/IRELAND lehnen sich bei dieser Abgrenzung an die Forschung von SELZNICK an. Vgl. SELZNICK (1952); SELZNICK (1957). Hierzu sei angemerkt, dass der Beitrag in einem frühen Stadium der ressourcenorientierten Forschung verfasst wurde. Verglichen mit terminologischen Abgrenzungen der 90er Jahre und später mag diese Definition daher unscharf und stark vereinfacht wirken.
591
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 273.
592
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 274.
128
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
HITT/IRELAND stellen in ihrem Beitrag eine Reihe von Hypothesen auf, um daraufhin den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kompetenzen und dem Erfolg von Unternehmen empirisch zu untersuchen. Dabei heben sie zwar die exponierte Relevanz von Kompetenzen für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen hervor. Sie stellen aber auch fest, dass der Zusammenhang zwischen den Kompetenzen und dem Unternehmenserfolg durch die Branchenzugehörigkeit (Industry Type) und die grundlegende Unternehmensstrategie (Grand Strategy) moderiert wird (vgl. Abbildung 21).593 D. h. je nachdem welche Charakteristika (z. B. turbulenter Markt vs. statischer Markt) die Branche aufweist, in der das Unternehmen tätig ist, kann dies die Bedeutung von spezifischen Kompetenzen verstärken oder verringern. Bspw. führen die Autoren an, dass in statischen Branchen mit geringem Wachstum die Bedeutung der Kompetenz im Marketing höher liegt als in Branchen, die sich in der Wachstumsphase befinden.594 Ebenso ist diese Kompetenz von höherer Bedeutung für Unternehmen, die eine „stability strategy“ verfolgen, als für Unternehmen mit einer „retrenchment strategy“.595 Die Untersuchung von HITT/IRELAND konzentriert sich weniger auf marktorientierte Kompetenzen, sondern fokussiert sich vor allem auf den Einfluss der Branchenzugehörigkeit sowie auf eine Strategietypologisierung auf Basis der gewählten Wettbewerbsstrategie. Die Autoren greifen für ihre Strategie-Typologisierung auf die von GLUECK (1976, 1980) entwickelte Typologie zurück. Hiernach kann zweckmäßig zwischen vier Strategie-Formen differenziert werden: „Stability”, „Internal Growth“, „External acquisitive growth“ und „Retrenchment“,596 für die theoretisch alle identifizierten Kompetenzen von Relevanz sind. HITT/IRELANDS Erkenntnisse sind für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen dennoch aus mehreren Gründen von Relevanz. Die Autoren lehnen sich bei der Herleitung der Kompetenzen an eine Reihe von Untersuchungen an,597 und verankern ihre Argumentation theoretisch fundiert für den damaligen Erkenntnisstand in Forschungsbeiträgen des strategischen Manage-
593
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 275 und S. 277.
594
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 286.
595
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 284.
596
Da eine Deskription der Typlogien nicht im Fokus dieser Untersuchung steht, vgl. hierzu ausführlich GLUECK (1976); GLUECK (1980) sowie die dort zitierte Literatur.
597
Vgl. u. a. BUCHELE (1962); PAINE/NAUMES (1974); ANTHONY/DEARDEN (1976); STEVENSON (1976).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
129
ments.598 Allerdings wird der theoretischen Fundierung der allgemeinen Argumentation um das Kompetenzkonstrukt wenig Platz eingeräumt. Hinsichtlich des Kriteriums Holistik lässt sich zu dem vorliegenden Ansatz positiv feststellen, dass es sich bei diesem um einen der ersten Ansätze handelt, der versucht, Unternehmenskompetenzen ganzheitlich auf Unternehmensebene zu strukturieren. Die Zusammenhänge zwischen der Bedeutung von Kompetenzen und Wettbewerbsvorteilen sowie überdurchschnittlichem Unternehmenserfolg werden dabei bereits grundsätzlich inhaltlich fundiert und überzeugend dargelegt. In diesem Kontext wird u. a. das Marketing als bedeutende Kompetenz identifiziert und anhand von acht Aktivitäten spezifiziert (vgl. Tabelle 5). Kompetenzbereich Marketing
Tabelle 5: Quelle:
Beschreibung der abgegrenzten Kompetenzaktivitäten Improved Marketing research and information systems. Widening the customer base by intensive market penetration and development. Ability to secure large business contracts from governments and other large customers, especially from overseas. More effective use of different pricing strategies. More novel and effective sales promotion and advertising campaigns. Widening and improving the product distribution networks and improving distributor relations. Developing more efficient and effective product-line policy for product additions and deletions. Maintaining a highly trained, motivated, vigorous and dynamic sales force.
Marketing-Kompetenzaktivitäten nach HITT/IRELAND Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 290.
Ferner weist der Ansatz Defizite auf, die eine Übertragung von Erkenntnissen für eine Strukturierung von identitätsbasierten Markenführungskompetenzen einschränken. So lässt sich in diesem Kontext zum einen der grundlegende Kritikpunkt anführen, dass HITT/IRELAND ihre Kompetenzstrukturierung nicht prozessorientiert sondern anhand von Unternehmensfunktionen vornehmen. Eine Strukturierung nach funktionalen Kriterien mag diese zwar vereinfachen und für die Praxis ggf. sogar verständlicher machen, da diese den Aufbau vieler Unternehmen widerspiegelt. Die Gefahr bei dieser Strukturierung besteht jedoch u. a. darin, dass die integrative, funktionsübergreifende Perspektive in der Erstellung der Marktleistung, d. h. in der Befriedigung von Nachfragerbedürfnissen, verloren geht. Darüber hinaus weist der Ansatz keinen expliziten Markenbezug auf. Dies erschwert eine uneingeschränkte Erkennt-
598
Vgl. u. a. SELZNICK (1952); BAIN (1959); SNOW/HREBINIAK (1980); SNOW/HAMBRICK (1980); PORTER (1980b); YAVITZ/NEWMAN (1982); HAMBRICK (1983);
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
130
nisübertragung auf die vorliegende Forschungsfrage weiter. Dennoch lassen sich sowohl für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen als auch für eine spätere Operationalisierung einige potenziell wertvolle Erkenntnisse ableiten. Bspw. bestätigen HITT/IRELAND die Bedeutung des „Market research and information system“, welches später von mehreren Forschern aufgegriffen und spezifiziert wird.599 Ebenso wird die Kundenakquisition kongruent mit dem Verständnis der identitätsbasierten Markenführung als eine Aufgabe des Marketings identifiziert. Ferner weisen andere aufgeführte Marketingaktivitäten Überschneidungen zu den im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagementprozesses identifizierten Maßnahmen auf. Bspw. lassen sich die Überschneidungen in Bezug auf die „sales promotion and advertising campaigns“ (ähnlich Markenkommunikation)‚ „effective use of different pricing strategies“ (Markenpricing), „product distribution networks and improving distributor relations“ (Markendistribution) etc. mit dem operativen Abschnitt des identitätsbasierten Markenmanagementprozesses anführen.600 Darüber hinaus weist die „product-line policy for product additions and deletions“ Parallelen mit der im strategischen Prozessabschnitt angeführten Markenevolutionsstrategie auf. Die Marketingaktivität des „Maintaining a highly trained, motivated, vigorous and dynamic sales force“ weist ferner Überschneidungen zum Evozieren von Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour der Mitarbeiter (mit Kundenkontakt) auf. Insgesamt beinhaltet der Ansatz somit nützliche Erkenntnisse für die vorliegende Forschungsfrage. Dennoch sollte eine Übertragung von Erkenntnissen aufgrund der geschilderten Defizite äußerst vorsichtig und restriktiv erfolgen. 3.2.2
Ansatz von DAY
Aufgrund ihrer weiten Verbreitung und ihres Forschung-prägenden Charakters601 soll im Folgenden auf eine Arbeit von DAY aus dem Jahr 1994 vertiefend eingegangen werden.602 DAY identifiziert in seinem konzeptionellen Beitrag grundlegende Erkenntnisdefizite in der systematischen Entwicklung einer Marktorientierung in Unternehmen. Er argumentiert, dass sich Erkenntnisse der ressourcenorientierten Forschung
599
Vgl. bspw. DAY (1994); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004).
600
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 86 ff.
601
Vgl. u.a. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); DESARBO et al. (2005); VORHIES/MORGAN (2005).
602
Vgl. DAY (1994).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
131
für das Marketing nutzen ließen, um solche Kompetenzen bzw. „capabilities“ zu identifizieren, die den Grad der Marktorientierung determinieren.603 Der Ansatz konzeptualisiert „capabilities“ von so genannten „market-driven organizations“ als „complex bundles of skills and accumulated knowledge, exercised through organizational processes, that enable firms to coordinate activities and make use of their assets.”604 Nach diesem Verständnis ermöglichen “capabilities” die Ausführung von in Prozessen durchgeführten Aktivitäten eines strategischen Geschäftsbereiches (SGE) eines Unternehmens und die Entwicklung weiterer Kompetenzen.605 Um Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, müssen SGEs über einige „distinctive capabilities“ verfügen, die denen von Wettbewerbern überlegen sind. Nach DAY führen solche „distinctive capabilities“ am ehesten zu Wettbewerbsvorteilen, die eines der drei folgenden Charakteristika aufweisen: (i) sie steuern einen überdurchschnittlichen Anteil an der Generierung eines überlegenen Kundennutzens bei, (ii) sie befähigen ein Unternehmen dazu, einen Kundennutzen kosteneffizienter zu generieren oder (iii) sie befähigen ein Unternehmen dazu, auf Veränderungen der Umwelt in verschiedener Weise schneller zu reagieren als Wettbewerber.606 Diese „distinctive capabilities“ können u. a. durch so genannte geschäftsbereichübergreifende „Core competencies“ (Kernkompetenzen) unterstützt werden, welche ihren Aufbau fördern. Zusammen mit tangiblen und intangiblen Vermögensgegen-
603
DAY diskutiert darüber hinaus, inwiefern sich Erkenntnisse des Total Quality Managements (TQM) für die Optimierung von marktorientierten Kompetenzen nutzen ließen. Hierbei steht jedoch nicht eine Strukturierung von Kompetenzen im Fokus, sondern eher die Veränderung bzw. Weiterentwicklung von Kompetenzen. Vgl. DAY (1994), S. 46. Da dies jedoch nicht Kern der vorliegenden Untersuchung ist, wird nur an solchen Stellen auf diese Erkenntnisse eingegangen, wo es für die Strukturierung von Kompetenzen sinnvoll erscheint.
604
DAY (1994), S. 38.
605
DAY vermeidet in seinem Beitrag den Terminus „competencies” (bis auf eine Abbildung), da diese - laut DAY aus der Perspektive vieler Beiträge des Schrifttums - einen eher statischen Charakter aufwiesen und sich lediglich auf „well-defined routines that are combined with firm-specific assets to enable distinctive functions to be carried out” bezögen. Anstatt dessen verwendet er in seinem Beitrag den Begriff “capabilities”. Im Gegensatz zu „competencies” würden diese sich zusätzlich auf “the mechanisms and processes by which new competencies are developed” beziehen und daher einen dynamischen Charakter aufweisen. An dieser Stelle wird dieser terminologischen Trennung, die bereits von DAY selbst in einer Fußnote kritisiert wird, nicht gefolgt, sondern der bereits abgegrenzte Terminus „Kompetenz” verwendet.
606
Vgl. DAY (1994), S. 39.
132
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
ständen (Business Assets), die in diesem Kontext als Ressourcen zu interpretieren sind, führen sie zu Wettbewerbsvorteilen, welche in einem überdurchschnittlichen Markterfolg resultieren (vgl. Abbildung 22).
Performance Outcomes
Positions of Advantage
Distinctive Capabilities Based on superiority in process management x integration of knowledge x diffusion of learning
Business Assets
Scale, scope, and efficiency Financial condition Brand equity Location
Core Competencies of the Corporation
Capabilities of the Business
Skills and accumulated knowledge Enable the activities in a business process to be carried out
Span and support multiple lines of business
Abbildung 22: Sources of Competitive Advantage and Superior Value nach DAY Quelle: Day (1994), S. 40.
Hierzu ist jedoch kritisch anzumerken, dass DAY bei der Abgrenzung von „distinctive capabilities“ sehr vage bleibt und sich auf das Anführen von Beispielen aus der Automobil-, Elektronik- und Logistikbranche beschränkt. Eine theoretisch hergeleitete Abgrenzung findet nur sehr bedingt statt.607 Ebenso fehlen eine nähere Beschreibung der Kernkompetenzen und eine fundierte Herleitung aus dem Schrifttum. Trotz der Feststellung, dass es nicht möglich sei, alle Kompetenzen eines Unternehmens zu identifizieren, schlägt DAY vor, drei Kompetenzfelder abzugrenzen, die sich entlang eines Spannungsfeldes zwischen Außen- und Innenorientierung einordnen lassen (vgl. Abbildung 23). Day orientiert sich bei der Strukturierung an der Ausrichtung von Kernprozessen von Unternehmen. Seine Kompetenzableitung ist somit grundsätzlich prozessorientiert. Am einen Ende des Spektrums lassen sich nach DAY Kompetenzen einordnen, die sich aus „Inside-out“-Prozessen ableiten lassen. Diese Kompetenzen werden jedoch trotz ihres internen Fokusses durch externe Fak-
607
Vgl. DAY (1994), S. 39.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
133
toren wie bspw. veränderte Marktanforderungen, Strategienveränderungen der Wettbewerber oder neue Marktchancen aktiviert und verändert. Als Beispiele hierfür nennt Day Transformationsaktivitäten wie „Manufacturing“, „Logistics“ und „Human Resource Management“. Am anderen Ende des Spektrums lassen sich Kompetenzen einordnen, welche sich aus „Outside-in“-Prozessen ableiten lassen. Ihr Fokus liegt außerhalb der Unternehmensgrenze. Durch sie kann ein Unternehmen Chancen, die sich auf dem Markt bieten, schneller als Wettbewerber wahrnehmen und potenziell ausschöpfen.608 D.h. durch diese Kompetenzen können interne Prozesse besser auf Marktanforderungen ausgerichtet werden. Als Beispiele hierfür nennt DAY u. a. „Channel Bonding“ und „Technology Monitoring“. Internal emphasis
External emphasis
“Capabilities of Market-Driven Organizations”
Inside-out processes
Outside-in processes
Financial Management
Market Sensing
Cost Control Technology Development Integrated Logistics Manufacturing/Transformation Processes Human Resources Management Environment Health and Safety
Spanning processes
Customer Linking
Customer Order Fulfillment
Channel Bonding
Pricing
Technology Monitoring
Purchasing Customer Service Delivery New Product/Service Development
Abbildung 23: Strukturierung von Kompetenzfeldern der marktorientierten Unternehmensführung nach DAY (1994) Quelle: DAY (1994), S. 41.
Die so genannten „spanning capabilites“ sind notwendig, um die „outside-in“- und „inside-out“-Prozesse im Sinne einer Integration und Abstimmung der Unternehmensaktivitäten miteinander zu verzahnen.609 Gleichzeitig sind für die „spanning processes“ die durch beide Seiten bereitgestellten Informationen erforderlich.610 Typ-
608
Diese Chancen beziehen sich bspw. auf die Bindung von Nachfragern an das Unternehmen sowie die Aufrechterhaltung von langfristigen Beziehungen zu Lieferanten, Absatzmittlern oder anderen strategischen Partnern.
609
Vgl. DAY (1994), S. 41.
610
Vgl. DAY (1994), S. 41.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
134
ische „spanning capabilites“ sind das „new product bzw. service development“, das„purchasing” oder das „pricing”. Angesichts der hohen Relevanz einer ausgeprägten Marktorientierung von Unternehmen argumentiert DAY, dass insbesondere solche Kompetenzen von Bedeutung seien, die die Prozesse eines Unternehmens an die Erfordernisse des Marktes anpassen. In diesem Zusammenhang identifiziert er konzeptionell zwei aus „outside-in“Prozessen abgeleitete Kompetenzen, die für den Erfolg eines Unternehmens von höherer Bedeutung sind als die übrigen Kompetenzen: „Market Sensing“ und „Customer Linking“. Nach DAY unterscheiden sich marktorientierte von anderen Unternehmen in ihrer „ability to sense events and trends in their markets ahead of their competitors.“611 „Market Sensing“ beschreibt daher in Anlehnung an JAWORSKI und KOHLI (1990) Tätigkeiten, die mit der organisationalen Fähigkeit zum „learn about customers, competitors, and channel members in order to continuously sense and act on events and trends in present and prospective markets” zusammenhängen.612 Als Folge einer starken Ausprägung dieser Kompetenz kann sich in einem Unternehmen eine überdurchschnittliche Marktorientierung in allen Unternehmensprozessen etablieren, die sich vorteilhaft auf die Wettbewerbsposition auswirkt.613 Diese Kompetenz bezieht sich dabei auf alle Akteure und Entwicklungen auf dem Markt; also nicht nur auf Nachfrager, sondern auch auf Wettbewerber, Zulieferer, Absatzmittler sowie zukünftige Markttrends, die durch gesellschaftliche, politische und technologische Entwicklungen ausgelöst werden. Die Kompetenz „Customer Linking“ zielt auf die Fähigkeit des Unternehmens ab, eine enge Beziehung zu seinen Kunden aufzubauen und langfristig abzusichern. Die Ausrichtung an langfristigen Kundenbeziehungen verlangt dabei eine nachhaltige und langfristige Orientierung in der Gestaltung von Marketingfunktionen und anderen Unternehmensaktivitäten an den Nachfragern.614 DAY merkt im Kontext der “Customer linking capability” an, dass diese Kompetenz eine hohe Ähnlichkeit zur “Channel
611
DAY (1994), S. 44.
612
ESCH et al. (2004), S. 6.
613
Vgl. u. a. RUEKERT (1992); DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER (1993); JAWORSKI/KOHLI (1993); SLATER/ NARVER (1998).
614
In diesem Kontext hebt DAY auch die Bedeutung einer kundenorientierten Prozesskoordination und konsistenten Kommunikation hervor. Vgl. DAY (1994), S. 45.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
135
bonding capability” hat, da es bei beiden Kompetenzen um die Aufrechterhaltung von Beziehungen gehe. Daher könnten „the same skills, mechanisms, and processes […] be readily transferred between those related domains.”615 DAY hebt hervor, dass das „Customer Linking“ durch die verstärkte Homogenisierung von funktionalen Produkteigenschaften und die steigenden Kundenakquisitionskosten für Unternehmen kontinuierlich an Relevanz gewinnt. Daher seien im Rahmen des Kundenakquisitionsprozesses solche Nachfrager zu identifizieren, die sich eher an das Unternehmen binden ließen. Day führt hierzu an: „This process begins by analyzing which customers are more loyal or easier to retain […].”616 Diese Argumentation stützt somit direkt die Zweckmäßigkeit und Identifikation der beiden Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung: die Kundenakquisition und die Kundenbindung.617 Der Strukturierungsansatz von DAY weist darüber hinaus in mehrerlei Hinsicht wertvolle Erkenntnisse für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen auf. (i) Zum einen bestätigt DAY, dass es sinnvoll ist, bei einer Strukturierung von Kompetenzen prozessorientiert vorzugehen. D. h. es werden auf Basis von Kernprozessen in einem Unternehmen (oder in einer SGE) Kompetenzen identifiziert. (ii) Zum anderen argumentiert DAY, dass sich in Bezug auf ihre Aktivitätsausrichtung unterschiedliche Arten von Kompetenzen identifizieren lassen. Dies könnte ebenfalls im Rahmen einer Strukturierung von Markenführungskompetenzen des identitätsbasierten Markenmanagements Anwendung finden. Eine Differenzierung in drei Kompetenzarten nehmen grundsätzlich auch GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) vor, die sich aber entweder auf die Kombination von Inputgütern, Ressourcen oder auf die Gestaltung des Rahmensystems der Unternehmung beziehen. (iii) Ferner bedient sich DAY, wie in Abbildung 23 visualisiert, bei der Identifizierung seiner Kompetenzen einer holistischen Betrachtung. Dies steht im Einklang mit der Komplexität und integrativen Perspektive, die für eine Analyse der Erstellung von Marktleistungen notwendig ist. (iv) Ferner weist DAY zwar auf die hohe Relevanz der Marktorientierung hin,618 hebt allerdings hierfür auch die Relevanz der Innenorientierung hervor. Dies steht im Ein-
615
DAY (1994), S. 44.
616
DAY (1994), S. 45.
617
Vgl. Abschnitt. B.2.2.2 sowie B.3.5.4.
618
Hieraus leitet er mit „Market Sensing“ und „Customer Linking“ zwei Kompetenzen ab, die ebenfalls im Rahmen der Markenführung von Relevanz sind. Vgl. zum „Market Sensing“ bspw. die Ausführungen zur Situationsanalyse im Rahmen des identitätsbasierten Managementprozesses und zum „Customer Linking“ bspw. die Ausführungen zur Bedeutung einer langfristig stabilen Marke-Kunden-Beziehung in Abschnitt B.2.2.2.2.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
136
klang mit der synergetischen Integration beider Perspektiven, die der identitätsbasierten Markenführung immanent ist.619 Kritisch anzumerken ist jedoch, dass DAY in der Ableitung seiner Strukturierung und ebenfalls bei der Abgrenzung wesentlicher Konstrukte nicht theoretisch fundiert argumentiert. Es fehlen zu einer Reihe von Kompetenzen Angaben zu Literaturquellen und Hinweise, auf welche Forschungsarbeiten sich DAY bei seiner Strukturierung stützt. Vielmehr begründet er seine Kompetenzabgrenzungen oftmals auf Basis induktiver Beispiele, die er zur Erklärung seiner Strukturierung heranzieht. Dies fördert zwar die Anschaulichkeit, erschwert jedoch u. a. die Nachvollziehbarkeit der Akzentuierung der beiden Kompetenzen „Market Sensing“ und „Customer Linking“ gegenüber anderen Kompetenzen (z. B. New Product/Service Development). Spezifische Kriterien, die eine solche Akzentuierung nachvollziehbarer gemacht hätten, fehlen. Hinsichtlich des Markenbezugs ist zu konstatieren, dass der Ansatz keine Erkenntnisse der Markenforschung reflektiert und daher dieses Kriterium als nicht erfüllt bewertet werden muss. Trotz dieser Einschränkungen ist der Beitrag von DAY aufgrund der geschilderten Erkenntnisfortschritte (z. B. „Market Sensing“, „Customer Linking“) und Stärken (z. B. Prozessorientierung) sowie aufgrund der starken Beachtung, die der Ansatz innerhalb des Schrifttums gefunden hat, für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen als wertvoll zu beurteilen. 3.2.3
Ansatz von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA
Ein weiterer Ansatz, der Unternehmenskompetenzen strukturiert, wurde von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA im Rahmen eines Arbeitspapiers des Marketing Science Insitutes (MSI) im Jahr 2004 veröffentlicht. In ihrem Beitrag „Market-based Assets and Capabilities, Business Processes, and Financial Performance“ stellen RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA einen konzeptionellen Bezugsrahmen vor, der versucht, den Zusammenhang zwischen marktorientierten Ressourcen und Kompe-
619
Zwar wird insbesondere im identitätsbasierten Markenführungsverständnis die innengerichtete Orientierung in ihrer Relevanz hervorgehoben, jedoch liegt sämtlichen Markenführungsmaßnahmen eine grundlegende Marktorientierung zugrunde, die sich bereits aus der Definition des Markenbegriffs ableiten lässt. Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 7. An dieser Stelle sei jedoch nochmals darauf hingewiesen, dass beide Perspektiven sich nicht ausschließen (Vgl. ähnlich auch FREILING (2001a), S. 164), sondern synergetisch für eine erfolgreiche Markenführung notwendig sind.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
137
tenzen, drei grundlegenden Unternehmensprozessen sowie Wettbewerbsvorteilen und Markterfolg darzustellen.620 Hierbei versuchen sie vor allem solche marktorientierte Kompetenzen und Prozesse zu identifizieren, die einen überdurchschnittlichen Einfluss auf den finanziellen Erfolg eines Unternehmens aufweisen. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA identifizieren drei grundlegende, funktionsübergreifende Unternehmensprozesse: „New Product Development“ (NPD), „Customer Relationship Management“ (CRM) und „Supply Chain Management“ (SCM). NPD bezieht sich auf die Fähigkeit eines Unternehmens, neue Produkte bis zur Marktreife zu entwickeln und Nachfragern anzubieten. CRM bezieht sich auf die Fähigkeit eines Unternehmens, werthaltige Nachfrager zu identifizieren, zu akquirieren und als Kunden langfristig an sich zu binden. SCM bezieht sich auf die Fähigkeit der Produktion und Lieferung der Leistung an die Kunden. Die Güte dieser Prozesse basiert auf einer Reihe von Kompetenzen und Ressourcen.621 Wettbewerbsvorteile entstehen nach RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA für Unternehmen dann, wenn Ressourcen und Kompetenzen eines Unternehmens das Charakteristikum der Knappheit (Rarity) aufweisen und sie dazu beitragen, Unternehmensleistungen zu erstellen sowie auf dem Markt anzubieten, die von den Nachfragern als Güter mit überdurchschnittlichem Wert beurteilt werden.622 Die Autoren identifizieren unter Rückgriff auf eine Reihe von Forschungsarbeiten für alle drei Prozesse Kompetenzen, von denen sie annehmen, dass es sich bei ihnen um grundlegende Treiber für die Güte dieser Prozesse handelt.623 Dabei identifizieren sie sowohl Kompetenzen, die direkt als auch indirekt Treiber für lediglich einen der Prozesse, zwei oder alle drei Prozesse darstellen. Tabelle 6 gibt eine Übersicht über die Kompetenzen sowie von den Autoren herangezogene Literaturquellen, die sie für die Abgrenzung der Kompetenzen verwenden.
620
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004).
621
RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA verwenden in ihrem Beitrag die Begriffe „ressources“ (Ressourcen) und „capabilities“ (Kompetenzen) in Anlehnung an HUNT/MORGAN (1995) synonym. Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 72. Dieser synonymen Verwendung wird an dieser Stelle nicht gefolgt, um eine konsistente Argumentation mit den bereits skizzierten Erkenntnissen zu gewährleisten.
622
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 48.
623
Vgl. zu diesen Forschungsarbeiten RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 51 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
138
Marktorientierte Kompetenzen nach RAMASWAMI/ BHARGAVA/SRIVASTAVA Capabilities in… 624
Beschreibung
Treiber für Kernprozess
(Wird im Beitrag nicht abgegrenzt.)
NPD
The ability to integrate relevant internal (manufacturing, sales, and marketing) and external (customers and suppliers) stakeholders into NPD activities.
NPD
Market sensing626
The ability to continuously sense, learn, and act on trends and events in its markets.”
NPD, CRM, SCM
Focus on customer prob627 lem solving
The willingness and ability to adopt a problem-solving stance with the customers.
NPD, CRM
The capacity of a firm to design and develop differentiated products.
NPD
Focus on high-value customers629
The ability to identify the customers that have the highest probability of churning, as well as the ones who have the greatest potential lifetime value.
CRM
Responsiveness to cus630 tomers
The ability to respond to customer needs and wants by implementing them in product and service designs.
CRM
Responsiveness to com631 petitors
The ability to respond quickly to competitor strategies.
CRM
Customer nurturing632
The ability to view customers as assets and to invest in them for the future.
CRM
Sharing information and decisions633
The ability to create information transparency regarding demand and decisions among all supply chain members.
SCM
Research & Design
Collaborative partnering
Differentiation
625
628
624
Kritisch anzumerken ist, dass RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA die Kompetenz „Research & Design“ nicht abgrenzen und lediglich auf Veröffentlichungen von HITT und HOSKISSON verweisen, in deren Rahmen diese Abgrenzung vorgenommen wurde. Vgl. HITT ET AL. (1996); HITT/ HOSKISSON/KIM (1997).
625
RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA führen zu dieser Kompetenz keine Literaturquelle an. Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 52 f.
626
Vgl. DAY (1994); SLATER/NARVER (1995).
627
Vgl. SMITH (2000); GREENYER (2003)
628
Vgl. DICKSON (1987); KELLER (1993); COOPER (1994); RUSSELL/KAMAKURA (1994); SRIVASTAVA/ SHERVANI/FAHEY (1998).
629
Vgl. SMITH (2000). Kritisch anzumerken ist hier, dass sie sich auf Kundenmanagement im Kontext von Webseiten und Online-Transaktionen bezieht. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA führen keinen Hinweis an, der erklären würde, warum trotz einer Vielzahl geeigneter Publikationen in diesem Kontext diese spezielle Literaturquelle zur Herleitung der Kompetenz Verwendung findet. Vgl. zu dieser Kompetenz bspw. u. a. GUPTA/LEHMANN/STUART (2001); BERGER/NASR (1998); BLATTBERG/GETZ/THOMAS (2001) BAYÓN/GUTSCHE/BAUER (2002); DAY (1999).
630
Vgl. DAY (1994).
631
Vgl. DAY (1999).
632
Vgl. LEVITT (1960); SHETH/PARVATIYAR (1995).
633
Vgl. LEIFER/MILLS (1996).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen 634
Supply chain leadership
Tabelle 6: Quelle:
The ability to use the relationships within the supply chain to enhance operational efficiencies and deliver better value to customers.
139
SCM
Abgrenzungen marktorientierter Kompetenzen nach RAMASWAMI/BHARGAVA/ SRIVASTAVA in Anlehnung an die Ausführungen von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 51 ff.
Um die von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA verwendete Argumentation zu verdeutlichen, soll an dieser Stelle exemplarisch auf die Kompetenzen eingegangen werden, für die die Autoren die Hypothese aufstellen, dass sie die „NPD performance“ determinieren. Hierbei handelt es sich um insgesamt fünf Kompetenzen: es wird postuliert, dass die „NPD performance“ direkt von drei und indirekt von zwei Kompetenzen beeinflusst wird. Direkt soll die „NPD performance“ von der Kompetenz „Research & Development“, der „Differentiation ability“, sowie der „Responsiveness to customers“635 beeinflusst werden; indirekt von der an DAY (1994) angelehnten Kompetenz des „Market sensing“ sowie von der Kompetenz des „Colloborative partnering“636. Diese beiden Kompetenzen wirken deshalb lediglich indirekt auf den Prozess ein, da sie verschiedenen anderen Kompetenzen vorgeschaltet sind. So wirkt sich bspw. die Kompetenz „Market sensing“ auf sechs weitere Kompetenzen aus (vgl. Abbildung 24). Kritisch anzumerken ist jedoch, dass RAMASWAMI/BHARGAVA/ SRIVASTAVA nicht begründen, nach welchen Kriterien sie diese Hierarchisierung vornehmen.
634
Vgl. GAVIRNENI/KAPUSCINSKI/TAYUR (1999).
635
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 55 f.
636
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 52. Hierbei handelt es sich um die Kompetenz eines Unternehmens zur Integration von internen und externen Stakeholdern in die Aktivitäten der Produktentwicklung. Dies bezieht sich sowohl auf Nachfrager als auch auf Zulieferer, Absatzmittler und weitere kooperative Partner im Sinne eines Stakeholder Managements. Der Terminus „Stakeholder“ umfasst alle unternehmensbezogenen Interessengruppen, die auf die Erreichung von Unternehmenszielen Einfluss nehmen können oder aber die durch die Erreichung von Unternehmenszielen beeinflusst werden. Vgl. FREEMAN (1984). Als interne Stakeholder werden bspw. die Mitarbeiter, der Betriebsrat, das Management oder die Eigenkapitalgeber bezeichnet. Zu den externen Stakeholdern zählen etwa Kunden, Öffentlichkeit oder Gläubiger. Vgl. FREILING/ RECKENFELDERBÄUMER (2004), S. 217 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
140
Research & Development
Differentiating ability
Focus on highvalue customers Collaborative partnering
Market sensing
NPD performance Responsiveness to customers
Responsiveness to competitors
CRM performance
Financial performance
Customer nurturing Focus on consumer problem solving
Sharing information and decisions
SCM performance
Supply chain leadership Note: The constructs in the box measure comparative advantage
Abbildung 24: Modell zum "Comparative Advantage in Resources and Business Performance" Quelle: In Anlehnung an RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 50.
Wie Abbildung 24 visualisiert konstatieren die Autoren, dass die Ertragskraft („Financial performance“) eines Unternehmens nur durch die drei Prozesse bestimmt wird. Allerdings hängt die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von der Güte der Kompetenzen ab, die diese Prozesse ermöglichen. Daher determinieren die skizzierten Kompetenzen, ob ein Unternehmen in einem oder mehreren Prozessen über Wettbewerbsvorteile verfügt.637 Eine Messung der Wettbewerbsfähigkeit muss demzufolge an diesen Kompetenzen ansetzen. In einer empirischen Überprüfung ihres Modells können RAMASWAMI/BHARGAVA/ SRIVASTAVA grundsätzlich das vorgestellte Modell bestätigen. Allerdings weisen die Autoren in diesem Kontext darauf hin, dass die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vorsichtig interpretiert werden sollten. Dies liegt u. a. an der beschränkten Stichprobengröße (n=88) sowie in der beschränkten Anzahl der abgefragten Kompe-
637
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 56 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
141
tenzen.638 Insbesondere bestätigen die Ergebnisse die exponierte Relevanz von vier Kompetenzen: „Market sensing“, „Customer Responsiveness“, „Focus on high value customers“ und „Customer nurturing“. Hierbei handelt es sich um Kompetenzen, die fast ausschließlich die Nachfrager als Bezugspunkt haben. Demnach bestätigt die Untersuchung die exponierte Relevanz einer starken Kundenorientierung, welche als auch Facette einer „outside-in“-Orientierung von Unternehmen verstanden wird. Die Ergebnisse stützen somit indirekt die Postulierung der zwei Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung.639 Die Ergebnisse bestätigen ferner die, ursprünglich von DAY (1994) proklamierte, hohe Relevanz des „Market Sensing“ für andere Kompetenzen und letztlich für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen, da sich diese Kompetenz stark positiv auf alle drei durch die Autoren proklamierten Kernprozesse eines Unternehmens auswirkt. Trotz dieser empirisch validierten Untersuchung weist der Ansatz von RAMASWAMI/ BHARGAVA/SRIVASTAVA hinsichtlich der Bewertungskriterien Defizite auf, die ihn für eine Übertragung der Erkenntnisse auf eine Kompetenzstrukturierung im Rahmen einer identitätsbasierten Markenführung einschränken. Hinsichtlich der theoretischen Fundierung des Ansatzes kann konstatiert werden, dass die Autoren bei der Identifikation der dargelegten Kompetenzen, überspitzt formuliert, „willkürlich“ vorgegangen zu sein scheinen. Zwar untermauern RAMASWAMI/ BHARGAVA/SRIVASTAVA die Relevanz der Kompetenzen durch zahlreiche Literaturquellen. Allerdings scheinen einige der Quellen wiederum wenig sorgsam gewählt worden zu sein, da sie z. T. eine sehr starke Themenspezifität aufweisen (z. B. auf E-Commerce), die ihre Aussagekraft für eine generelle Kompetenzableitung im Bereich des strategischen Managements einschränkt.640 Warum jedoch gerade die dargelegten Kompetenzen selektiert wurden, wird nicht erläutert. Ferner bleibt bspw. unklar, warum die „Research & Development“-Kompetenz bei einer Messung von Wettbewerbsvorteilen nicht mit eingeschlossen wird. Diese Eindrücke der „Willkür“ lassen sich zwar nicht final beweisen. Jedoch werden sie indirekt durch die Aussage der Autoren bestätigt, dass es eine Reihe weiterer Kompetenzen gäbe, die die skizzierten Prozesse beeinflussen würden.641 Dieses Defizit schränkt die Möglichkeit ei-
638
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 67.
639
Vgl. zur Kundenakquisition und zur Kundenbindung als Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung Abschnitt B.2.2.2.
640
Vgl. bspw. die Kompetenz „Focus on high-value customers“.
641
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 67.
142
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
ner theoretisch abgesicherten Übertragung von Kompetenzen dieser Untersuchung für die Strukturierung von Markenführungskompetenzen ein. Ferner lässt sich als Kritikpunkt anführen, dass die Autoren nicht verdeutlichen, welche Kriterien für die in Abbildung 24 skizzierte Hierarchisierung der vorliegenden Kompetenzen herangezogen wird. Es ist anzunehmen, dass diese Hierarchisierung aus einer rein konzeptionellen Argumentation entstanden ist. Dies wäre aufgrund des explorativen Charakters der Untersuchung nicht „verwerflich“. Jedoch fehlen hierzu Hinweise, auch werden keine Quellen des Schrifttums angeführt, die eine solche Hierarchisierung argumentativ unterstützen würden. Da in Anlehnung an GERSCH/ FREILING/GOEKE (2005) anzunehmen ist, dass Markenführungskompetenzen hierarchisiert werden können, wären solche Hinweise für diese Arbeit wertvoll gewesen. Die Holistik des Ansatzes kann zwar positiv bewertet werden, da einer Reihe von angeführten Kompetenzen (z. B. „Differentiation ability“, „Responsiveness to customers“) fast ein Meta-Charakter zugesprochen werden kann und sie somit eine Vielzahl unterschiedlicher Aufgaben der Leistungserstellung umfassen. Allerdings führt gerade dies zu einer Einschränkung, die auf eine fehlenden Spezifität und Abgrenzbarkeit der Kompetenzen zurückzuführen ist. So wäre bspw. die „Differentiation ability“ eine „Kompetenz“, die auf eine Reihe von anderen organisationalen Fähigkeiten zurückgeführt werden könnte. Sie könnte demnach ebenso als ein Ergebnis interpretiert werden und wäre insofern nur ex-post zu beurteilen. Hinsichtlich der Prozessorientierung kann zunächst positiv angeführt werden, dass RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA diese Anforderung grundsätzlich erfüllen, indem sie drei Kernprozesse festlegen und spezifische Kompetenzen als Erfolgstreiber dieser Prozesse identifizieren. Allerdings muss hierzu kritisch angemerkt werden, dass die Autoren den Leser durch ihre Kompetenzstrukturierung im Unklaren lassen, welche habitualisiert ablaufenden Aktivitäten zu einer Erfüllung der drei Prozesse notwendig sind. Daher ließe sich aus diesem Ansatz nur mit viel kreativer Mühe ein Ablaufschema im Sinne eines Managementprozesses „konstruieren“.642 Als letzter hier angeführter Kritikpunkt lässt sich der fehlende Markenbezug im Ansatz von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA feststellen.
642
Es ist zu vermuten, dass dieses wesentliche Defizit u. a. auf die fehlende theoretische Fundierung und die „Willkür“ bei der Selektion der Kompetenzen zurückzuführen ist.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
143
Trotz dieser Einschränkungen weist der Ansatz von RAMASWAMI/BHARGAVA/ SRIVASTAVA Erkenntnisse auf, die für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen wertvoll erscheinen. So bestätigt die Untersuchung, Kompetenzen prozessorientiert zu betrachten und nicht nach Organisationsfunktionen abzugrenzen. Ferner wird die Bedeutung der Kundenorientierung hervorgehoben und wie bei DAY (1994) die Relevanz der Kompetenz „Market sensing“ bestätigt. Des Weiteren identifizieren die Autoren den „Focus on high value customers“ und das „Customer nurturing“ als bedeutende Kompetenzen, welche Parallelen zu den beiden Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung aufweisen. Diese Ansatzpunkte lassen sich für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen nutzen. 3.2.4
Ansatz von DESARBO ET AL.
Der Ansatz von DESARBO ET AL. repräsentiert einen der jüngeren Ansätze, in dessen Rahmen Kompetenzen strukturiert werden. Anknüpfend an den Erkenntnissen der MILES and SNOW-Typologie643, untersuchen die Autoren in ihrem SMJ-Beitrag „Revisiting the Miles and Snow Framework: Uncovering Interrelationships between Strategic Types, Capabilities, Environmental Uncertainty, and Firm Performance“ aus dem Jahr 2005 den Zusammenhang zwischen Markt- und Umweltbedingungen, den Ressourcen eines Unternehmens, der gewählten Strategie sowie dem dadurch bedingten Unternehmenserfolg. Im Fokus der Untersuchung steht zwar nicht die Strukturierung von Kompetenzen eines Unternehmens, sondern vielmehr die Optimierung von Strategietypologien, für die u. a. die Messung von Kompetenzen notwendig ist, je-
643
Die von MILES und SNOW entwickelte „Strategic Choice“-Typologie teilt Unternehmen basierend auf den Entscheidungsmustern ihrer SGEs hinsichtlich der Marktstrategie in vier Typen ein: (i) technisch-innovative Prospektoren treiben durch die Entwicklung neuer Produkte und neuer Märkte den Wandel innerhalb ihrer Branche an. (ii) Analysierer (Analyzer) verfolgen eine „Second-but-better“-Strategie, d. h. sie versuchen ihr Risiko durch eine abwartende, Marktchancen-analysierende Einstellung zu reduzieren und aus den Fehlern der Prospektoren zu lernen. (iii) Verteidiger (Defender) konzentrieren sich primär auf die Optimierung von Kostenstrukturen, Prozessen und Ressourceneinsatz, um sich dadurch Vorteile in der Absicherung einer strategischen Nische in einem relativ stabilen Markt zu verschaffen. (iv) Reaktoren (Reactors) verfolgen keine klar abgrenzbare Strategie, sondern reagieren kurzfristig auf exogene Markt- und Umweltfaktoren. Vgl. zu dieser Einteilung ausführlich MILES/SNOW (1978) sowie zu weiteren empirischen Untersuchung u. a. SNOW/HREBINIAK (1980); SNOW/HAMBRICK (1980); HAMBRICK (1983); MCDANIEL; KOLARI/KOLARI (1987); WEBSTER (1992).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
144
doch wird in diesem Rahmen auch eine Strukturierung von Kompetenzen (so genannten „firm strategic capabilities“) vorgenommen.644 DESARBO ET AL. definieren in Anlehnung an DAY (1990) „firm strategic capabilities“ als „complex bundles of skills and accumulated knowledge that enable firms to coordinate activities and make use of their assets to create economic value and sustain competitive advantage.“645 Sie konstatieren u. a., dass eine Vielzahl von verschiedenen Kompetenzen in Unternehmen identifiziert werden kann. Ohne diese aus einem Bezugsrahmen herzuleiten, stellen die Autoren fünf „firm strategic capabilities“ (Kompetenzfelder) vor, die sie anhand mehrerer „capabilities“ spezifizieren: „Marketing capabilities“, „Technology capabilities“, „Market-linking capabilities“, „Information technology capabilities“, „Management capabilities“.
Firm strategic capability areas
Marketing capabilities Knowledge of customers Knowledge of competitors Integration of marketing capabilities Skill to segment and target markets Effectiveness of advertising programs
Technology capabilities NPD capabilities Manufacturing processes Technology development capabilities Predicting technological changes Production facilities
Market-linking capabilities
Information technology capabilities
Management capabilities
Market-sensing capabilities
IT systems for NPD projects
Integrated logistics systems
Customer-linking capabilities
IT systems for functional integration
Cost control capabilities
Durable relationship with suppliers
IT systems for tech knowledge creation
Financial management skills
Ability to retain customers
IT systems for market knowledge creation
HR management capabilities
Channel-bonding capabilities
IT systems for internal communication
Profitability and revenue forecasting Marketing planning process
Abbildung 25: „Firm strategic capability areas“ nach DESARBO ET AL. Quelle: Eigene Darstellung.
Nach der Argumentation der Autoren ermöglichen es „Marketing capabilities“ Unternehmen, von ihren „Market sensing-“ und technologischen Fähigkeiten Gebrauch zu machen sowie effektive Marketing-Konzepte zu implementieren. Die „Technology capabilities“ beziehen sich auf die Produktentwicklung und die Produktion. Sie helfen zum einen, Marktleistungen zu differenzieren, und zum anderen in diesen Bereichen
644
Auf eine dezidierte Beschreibung der in diesem Beitrag im Fokus stehenden Untersuchungsfragen wird an dieser Stelle bewusst verzichtet.
645
DESARBO et al. (2005), S. 49 sowie DAY (1990), S. 38.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
145
Kosten zu senken. „Market-linking capabilities“ helfen vor allem, enge Beziehungen zu externen Stakeholdern (Nachfrager, Zulieferer, Absatzmittler) aufzubauen und zu stärken. Hierbei wird auch von DESARBO ET AL. auf die Bedeutung des „Market sensing“ explizit hingewiesen. Die „Information technology capabilities“ beziehen sich auf die unternehmensinterne Distribution und Verarbeitung von Informationen und fördern somit die schnelle, marktgerechte Entwicklung neuer Produkte. Unterstützend für alle skizzierten Kompetenzen wirken die „Management capabilities“, die in verschiedenen Unternehmensbereichen vorhanden sein müssen und sich auf sehr unterschiedliche Fähigkeiten beziehen.646 An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass die Kompetenzen bei DESARBO nur eine Facette im Untersuchungsdesign darstellen und z. B. der Beschreibung von verschiedenen Strategietypen sowie der methodologischen Beschreibung der gewählten Typenklassifikation deutlich mehr Platz eingeräumt wird. Trotz der in dieser Hinsicht konzeptionell guten Fundierung und empirischen Untersuchung weist der Beitrag jedoch in Bezug auf die skizzierten Kompetenzen Schwächen auf, die es notwendig machen, hierzu kritisch Stellung zu nehmen.
ET AL.
Zunächst kann neben dem an dieser Stelle nicht zu kritisierenden fehlenden Markenbezug als wesentliches Defizit die fehlende theoretisch fundierte Herleitung der fünf Kompetenzen angeführt werden. Hierzu stellen DESARBO ET AL. selbst fest: „Our review of the marketing and management literature, however, found no existing scales for most of the SBU [Strategic Business Unit, Anm. d. Verf.] capabilities being studied.“647 Dies lässt die berechtigte Frage zu, warum die Autoren diese Struktur wählen, wenn sie dadurch die theoretische Fundierung ihrer Arbeit bewusst einschränken. Dies wäre unter forschungsökonomischen Gesichtspunkten zulässig, jedoch nehmen die Autoren hierzu nicht Stellung. Ferner verstricken sie sich in den Widerspruch, dass sie dennoch geeignete Ansätze für die selektierten Kompetenzen in der Literatur identifiziert hätten. Die Autoren führen in diesem Zusammenhang an: „We identified relevant measurement scales from the marketing and management literature, and grouped them into five capability types to form the initial pool of items.“648 Allerdings erklären die Autoren bis auf die „Marketing capability“ nicht, wel-
646
Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 54 f.
647
DESARBO et al. (2005), S. 53.
648
Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 53.
146
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
che Quellen sie hierfür heranziehen oder welche Kriterien sie für eine explorative Strukturierung nach ihrer Klassifikation verwendet hätten.649 Aus den Ausführungen und der vorgenommenen Strukturierung wird ferner nicht klar ersichtlich, ob DESARBO ET AL. bei ihrer Strukturierung funktionsorientiert oder prozessorientiert vorgehen. Aus der Operationalisierung der Kompetenzen entsteht vielmehr der Eindruck, dass beide Vorgehensweisen kombiniert wurden. So grenzen die Autoren mit „Marketing“ und „Information Technology“ mögliche funktionsorientierte Kompetenzen ab. Die Kompetenzen „Market-linking“, „Management“ und „Technology“ sind hingegen stärker prozessorientiert erfasst worden, da sie funktionsübergreifend im Unternehmen verankert sind. Positiv anzumerken ist jedoch, dass die Abgrenzung der Kompetenzen nachvollziehbar erscheint. Dennoch fällt bei einer genaueren Betrachtung der einzelnen „capabilities“ der Kompetenzfelder eine gewisse terminologische Unschärfe auf. Diese bezieht sich zum einen auf die „Form“ und terminologische Bezeichnung der „capabilities. Es bleibt unklar, warum die Autoren manche „capabilities“ als „skills“ (z. B. „Financial Management skills“), andere als „ability“ (z. B. „Ability to retain customers“) oder „processes“ (z. B. Manufacturing processes) und wiederum andere als Wissen (z. B. „Knowledge of competitors“) oder sogar tangible Vermögensgegenstände (z. B. „Production facilities“) beschreiben, obgleich es sich hierbei um verschiedene Konstrukte handelt, die in der einschlägigen Literatur zur strategischen Managementforschung dezidiert behandelt und unterschiedlich abgegrenzt werden.650 Als mögliche Erklärung hierfür kann lediglich die stark an der Praxis orientierte, pragmatische Vorgehensweise in der Herleitung und Abgrenzung der „capabilities“ identifiziert werden. So führen DESARBO ET AL. an, dass sie in den Fällen, in denen sie in der Literatur für die einzelnen Kompetenzen keine ausreichenden Operationalisierungen finden konnten, sie selbst und durch Fokus-Interviews mit Managern weitere „capabilities“ hinzugefügt hätten. Dies wäre zunächst grundsätzlich nicht weiter problematisch – im Sinne der Generierung eines Erkenntnisfortschritts ggf. sogar positiv zu werten – wenn dies nicht zu den geschilderten Unschärfen geführt hätte.
649
DESARBO ET AL. weisen im Kontext der „Marketing capabilities“ lediglich auf den Messansatz von CONANT ET AL. aus dem Jahr 1990 hin sowie auf Day (1994). Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 53 sowie CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); DAY (1994).
650
Vgl. hierzu die Ausführungen im Abschnitt B.1 und die dort zitierte Literatur.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
147
Ferner führt diese „pragmatische Vorgehensweise“ zu einer fragwürdigen Zuordnung der „capabilities“ zu den fünf identifizierten Kompetenzen. Es bleibt bspw. unklar, warum der so genannte „Marketing planning process“ als „Management capability“ abgegrenzt wird, wenn bereits aufgrund der terminologischen und themenspezifischen Nähe eine Einordnung zum Kompetenzfeld „Marketing capabilities“ näher läge. Ferner fällt eine Unschärfe in der Abgrenzung bei der „Market sensing capability“ auf. Zwar weisen DESARBO ET AL. in diesem Zusammenhang auf den viel zitierten Beitrag von DAY (1994) hin, um diese Kompetenz theoretisch zu fundieren.651 Allerdings führen sie im Gegenzug unter den „Marketing capabilities“ Punkte wie „Knowledge of customers“ und „Knowledge of competitors“ an, die nach DAY (1994) als Folge (oder Facette) einer solchen Kompetenz zuzuordnen wären.652 Trotz dieser konzeptionellen Defizite können DESARBO ET AL. die grundlegende Struktur der Kompetenzen mithilfe eines empirischen Pre-Tests validieren. Hinsichtlich des Kriteriums der ganzheitlichen Perspektive erfüllt der Ansatz aufgrund der skizzierten Strukturierung von Unternehmenskompetenzen sowie aufgrund der im Rahmen der Operationalisierung identifizierten „capabilities“ das Bewertungskriterium Holistik bedingt. Jedoch muss dies eingeschränkt bewertet werden, da Kompetenzen zwar holistisch erfasst, jedoch in ihrer Bedeutung sehr unterschiedlich gewichtet wurden. So wird bspw. den „Information Technology capabilities“ ein eigenes Kompetenzfeld eingeräumt, wohingegen den „Market-sensing capabilities“ lediglich eine untergeordnete Rolle im Rahmen der „Customer-linking capabilities“ zugesprochen wird. Dies erstaunt, da sich die Autoren zum einen in dieser Hinsicht stark an DAY (1994) anlehnen und zum anderen andere Ansätze die evozierte Bedeutung dieser Kompetenz bestätigen.653 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die konzeptionellen Defizite des Ansatzes eine uneingeschränkte Verwertung der Strukturierungserkenntnisse erheblich einschränken. Daher lassen sich aus diesem Ansatz lediglich Teilfacetten für die vorliegende Forschungsaufgabe als relevante Erkenntnisse ableiten. Hierzu sind die partielle Bestätigung einer prozessorientierten Vorgehensweise bei der Strukturierung von Kompetenzen zu nennen sowie die Identifikation einer Reihe von „capabilities“, die auch im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung als be-
651
Vgl. DAY (1994).
652
Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 49 sowie DAY (1994), S. 43.
653
Vgl. DAY (1994); HOOLEY et al. (1999); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004).
148
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
deutsame Aufgaben gewertet werden. Hierzu gehören vor allem das „Market sensing“, die „NPD capabilities“, die „Customer-linking capabilities“, die „Ability to retain customers“, die „HR management capabilitities“ und der „Marketing planning process“.
3.3
Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Marketingkompetenzen
Nachdem im letzten Abschnitt Strukturierungsansätze zu Unternehmensführungskompetenzen erörtert wurden, sollen im nächsten Schritt Ansätze vorgestellt werden, die so genannte Marketingkompetenzen konzeptualisieren. Diese Ansätze sind deshalb potenziell für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen von Relevanz, da in der Literatur aber auch in der Praxis das Marketing als die dominante Funktion eines Unternehmens verstanden wird, in dessen Verantwortungsbereich die strategische und operative Führung von Marken fällt.654 Diese funktionale Fragmentierung zusammengehöriger Tätigkeitsbereiche erschwert jedoch eine ganzheitliche kunden- und prozessorientierte Orientierung in der Wertschöpfungskette mit dem Bezugsobjekt Marke. Durch die Separierung eng verzahnter Tätigkeiten und Zuständigkeitsbereiche werden Interdependenzen „zerschnitten“, wodurch eine integrative Gestaltung der Unternehmensaktivitäten zur Erzielung von Effektivitäts- und Effizienzsteigerungen in der Erstellung der Markenleistung erschwert wird.655 Auch wenn aufgrund des wissenschaftlichen und praxeologischen Erkenntnisfortschritts die Dominanz dieses funktionsorientierten Verständnisses von Marketing abnimmt, und das Verständnis zum Markenmanagement als eine funktionsübergreifende Querschnittsfunktion der Unternehmensführung anscheinend zunimmt,656 wurden in der Literatur vor allem Untersuchungen zu Marketingkompetenzen und weniger explizit zu Markenführungskompetenzen durchgeführt. Dennoch ist aufgrund der großen inhaltlichen Schnittmenge zwischen Marketing und Markenführung zu vermuten, dass im Rahmen dieser Strukturierungsansätze identifizierte Kompetenzen einen Markenbezug aufweisen und Erkenntnisse zu Marketingkompetenzen auf die vorliegende Forschungsfrage übertragen werden könnten.
654
Vgl. AHLERT (2005b), S. 213 ff.
655
Vgl. MEFFERT (2000), S. 847.
656
Vgl. BURMANN/MEFFERT/KOERS (2005), S. 8; AHLERT (2005b), S. 220.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
3.3.1
149
Ansatz von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN
Der Ansatz von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN aus dem Jahr 1990 behandelt ähnlich wie der Ansatz von DESARBO ET AL. (2005) primär die Forschungsfrage nach der Strategie-Typologisierung von Unternehmen nach MILES & SNOW und den daraus resultierenden Erfolgsimplikationen. Allerdings handelt es sich um eine der ersten Untersuchungen, in der die Autoren eine Strukturierung von Marketingkompetenzen vornehmen. Daher soll auf den Ansatz an dieser Stelle näher eingegangen werden. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN definieren „distinctive competencies“ wie zuvor HITT/IRELAND in Anlehnung an SELZNICK (1957) als „those activities in which a firm, or one of its units, does better relative to its competition.”657 Sie stellen zunächst durch eine umfangreiche Literaturrecherche fest, dass im Schrifttum keine allgemein anerkannte Konzeptualisierung und Operationalisierung der Marketingkompetenzen existiert. Daher operationalisieren die Autoren auf Basis ihrer Recherche die Marketingkompetenzen mithilfe von 20 so genannter „Marketing competencies“ (vgl. Tabelle 7). Diese Kompetenzen spiegeln nach Ansicht der Autoren (i) die grundlegenden funktionalen Tätigkeiten von Marketing-Managern wider sowie (ii) stehen im Konsens mit der allgemeinen Auffassung der Marketingliteratur über die Aufgaben des Marketings.658 Kompetenzbereich „Distinctive Marketing Competency“
Detaillierung der Kompetenzen
Knowledge of customers Knowledge of competitors Knowledge of industry trends Accuracy of profitability and revenue forecasting Awareness of organizational marketing strengths Awareness of organizational marketing weaknesses Marketing planning process Allocation of marketing department resources Integration of marketing activities Skill to segment and target markets Ability to differentiate service offerings New service development process Quality of service and offerings Effectiveness of pricing program(s) Advertising effectiveness
657
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 366 sowie HITT/IRELAND (1985), S. 273; SELZNICK (1957).
658
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 373.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
150
Tabelle 7: Quelle:
Effectiveness of public relations Image Location of facilities Effectiveness of cost containment Control and evaluation of marketing activities
„Distinctive Marketing Competencies“ nach CONANT/MOKWA/VARANDARAJAN Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 374.
Der Strukturierungsansatz von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN weist aufgrund seines hohen Marketingbezugs eine Reihe von Ansatzpunkten auf, die ihn für die vorliegende Forschungsfrage wertvoll erscheinen lassen. Beispielsweise kann das Bewertungskriterium Holistik als bedingt erfüllt bewertet werden, da die Autoren bei der Identifizierung der Marketingkompetenzen eine grundsätzlich ganzheitliche Perspektive einnehmen. Fast alle wichtigen Facetten des Marketings – von der Analyse, über die Planung und Umsetzung bis hin zur Kontrolle der Marketingmaßnahmen – werden erfasst. Dem Ansatz fehlen lediglich Kompetenzen zum „internen Marketing“, die laut jüngerer Forschungserkenntnisse ebenso in den Bereich des Marketings fallen.659 Bei der Betrachtung der vorgenommenen Operationalisierung fällt jedoch auf, dass die Autoren zum einen Marketingaktivitäten (z. B. Marketing planning) und zum anderen ebenso Wirkungen (z. B. Effectiveness of public relations) als Kompetenzen identifizieren. Sie begründen diese „duale Vorgehensweise“ in Anlehnung an die Studien von HITT/IRELAND (1985) und SNOW/HREBINIAK (1980) als probates Mittel der Kompetenzerfassung.660 Die Vorgehensweise ist jedoch zu beanstanden, da dies der oftmals kritisierten Zirkelschlussargumentation des RBV gleich kommt und einem älteren Stand der Forschung entspricht.661 Hinsichtlich der theoretischen Fundierung der Kompetenzstrukturierung weist der Ansatz grundlegende Defizite auf. Die Autoren geben lediglich an, eine umfangreiche Literaturrecherche zu spezifischen Marketingkompetenzen durchgeführt zu haben. Allerdings fehlen in erheblichem Umfang Hinweise auf die bei der Ableitung der 20
659
Nach BRUHN ist „Im Sinne einer Definition [...] internes Marketing als die systematische Optimierung unternehmensinterner Prozesse mit Instrumenten des Marketing- und Personalmanagements zu verstehen, um durch eine konsequente und gleichzeitige Kunden- und Mitarbeiterorientierung das Marketing als interne Denkhaltung durchzusetzen, damit die marktgerichteten Unternehmensziele effizient erreicht werden“ abzugrenzen. BRUHN (1999a), S. 20. Vgl. zum internen Marketing bspw. ausführlich den Herausgeberband von BRUHN (1999b) und die dort aufgeführten Beiträge.
660
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 373 sowie SNOW/HREBINIAK (1980); HITT/IRELAND (1985).
661
Vgl. FREILING (2001a), S. 46 f.; MOSAKOWSKI/MCKELVEV (1997).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
151
Kompetenzen verwendeten Literaturquellen.662 Dieser Kritikpunkt bezieht sich jedoch lediglich explizit auf die Kompetenzableitung und –strukturierung, nicht dagegen auf die Behandlung der Strategietypologien. Der Ableitung und Beschreibung der Strategietypologien nach MILES/SNOW werden im Beitrag wesentlich mehr Platz und Sorgfalt eingeräumt. Auch wenn dies aufgrund des Fokusses des Beitrages nicht notwendigerweise überrascht, wäre eine sorgfältigere theoretische Fundierung in Bezug auf die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Marketingkompetenzen wünschenswert gewesen. Dieser Kritikpunkt wiegt umso schwerer, da CONANT/MOKWA/ VARADARAJAN den Anspruch erheben, als einige der ersten Forscher den Zusammenhang zwischen den MILES and SNOW-Strategietypologien und spezifischen Marketingkompetenzen zu untersuchen. In Bezug auf das Bewertungskriterium der Prozessorientierung kann festgestellt werden, dass der Ansatz hinsichtlich der Identifikation von Marketingkompetenzen sowohl funktionsorientierte als auch prozessorientierte Facetten aufweist. Zwar stellen die Autoren keinen grundlegenden Ablauf von Maßnahmen bzw. Tätigkeiten vor, der die identifizierten Kompetenzen in einen Prozess einordnen würde. Ferner weisen die Kompetenzen einen starken funktionsorientierten Marketingbezug auf. Allerdings wird aus der grundlegend holistischen Selektion der Kompetenzen deutlich, dass die Autoren bei der Selektion die grundlegenden Marketingaufgaben und aktivitäten das Marketing als Querschnittsfunktion eines Unternehmens interpretieren. Das Marketing und somit auch die Kompetenzen werden folglich eher funktionsübergreifend und prozessorientiert betrachtet. Dies wird bspw. auch daraus deutlich, dass CONANT/MOKWA/VARADARAJAN den „New service development process“ als spezifische Kompetenz identifizieren; einen Prozess, der i.d.R. im Unternehmen funktionsübergreifend gestaltet wird. Hingegen muss das Bewertungskriterium des Markenbezugs als negativ bewertet werden, da der Ansatz keine Erkenntnisse der Markenforschung reflektiert. Lediglich kann angemerkt werden, dass die Autoren als eine Kompetenz das „Image“ anführen. Jedoch fehlen hierzu jegliche Erläuterungen. Daher bleibt unklar, was die Autoren unter dieser (angeblichen) Kompetenz verstehen.663
662
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 373 f.
663
Anzunehmen wäre zwar, dass CONANT/MOKWA/VARADARAJAN damit die organisationale Fähigkeit zum Aufbau eines (Marken-)Images meinen. Jedoch ist dies rein spekulativ und lässt keinerlei belastbare Erkenntnisse zu, die für eine fundierte Erkenntnisableitung notwendig wären.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
152
Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass der Ansatz von CONANT/MOKWA/ VARADARAJAN hinsichtlich seiner holistischen Ausrichtung für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen wertvolle Erkenntnisse bereithält. Eine Reihe von Kompetenzen wie „Knowledge of customers“, „Knowledge of competitors“, „Knowledge of industry trends“ (Situationsanalyse), „Marketing planning process” und „Skill to segment and target markets“ (strategischer Markenplanungsschritt), sowie die Kompetenzen zu „pricing program(s)“, „Advertising effectiveness“, „Effectiveness of public relations“, „Integration of marketing activities“ (Markenintegration und operative Markenmanagementaktivitäten) und zuletzt die „Control and evaluation of marketing activities” (Marken-Controlling) scheinen potenziell für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen geeignet. Aufgrund der fehlenden theoretischen Fundierung der vorgestellten Marketingkompetenzen sollte dies allerdings lediglich nach weiteren theoretischen Analysen erfolgen. Ferner muss hierbei die eingeschränkte Prozessorientierung beachtet werden. 3.3.2
Ansatz von HOOLEY ET AL.
In ihrem Beitrag „Marketing Capabilities and Firm Performance: A Hierarchical Model” aus dem Jahr 1999 stellen HOOLEY ET AL. ein Strukturierungsmodel zu Marketingkompetenzen vor und untersuchen empirisch ihren Einfluss auf den Unternehmenserfolg. Auf diesen Ansatz soll im Folgenden näher eingegangen werden, da der Ansatz zum einen auf grundlegenden Arbeiten von WEBSTER (1992) und DAY (1994) aufbaut und die Autoren zum anderen als eine der wenigen Marketingforscher in ihrer Untersuchung eine Hierarchisierung von Marketingkompetenzen vornehmen, die für die vorliegende Forschungsfrage potenziell von Relevanz ist.664 HOOLEY ET AL. definieren Marketingkompetenzen in Anlehnung an die CapabilityDefinition von MAHONEY (1995) als „the skills to create, nurture and deploy marketing assets.”665 In ihrem Ansatz kombinieren sie die konzeptionelle Arbeit von WEBSTER (1992), der vorschlägt, das Marketing entlang drei Dimensionen zu betrachten ((i) Marketing als unternehmenskulturelle Einstellung, (ii) Marketing als strategische Aufgabe und (iii) Marketing als taktisch-operative Aufgabe) mit der bereits skizzierten Arbeit von DAY (1994), der Unternehmenskompetenzen prozessorientiert nach ihrer
664
Vgl. WEBSTER (1992); DAY (1994).
665
HOOLEY et al. (1999), S. 260 sowie zur Capability-Definition von Mahoney vgl. MAHONEY (1995), S. 92 f.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
153
Ausrichtung (inside-out, outside-in, spanning) kategorisiert.666 Auf dieser Basis strukturieren HOOLEY ET AL. Marketingkompetenzen wie in Abbildung 26 visualisiert auf drei Ebenen. Auf der ersten Ebene beziehen sich die so genannten Marketing Cultural Capabilities auf solche Kompetenzen, die die Etablierung eines hohen Grades an Marktorientierung in der Organisation ermöglichen.667 Dies wird insbesondere deshalb als potenzielle Quelle für die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen gewertet,668 da ein in der Unternehmenskultur verankerter, hoher Grad an Marktorientierung die Organisation potenziell auf allen Hierarchiestufen und über alle Unternehmensfunktionen hinweg auf die Befriedigung von Kundenbedürfnissen ausrichtet. Da dies jeweils in organisationsspezifischer Art geschieht, dient eine solche Form der marktorientierten Unternehmenskultur als Isolationsmechanismus.669
Marketing Cultural Capabilities
Level 1 Marketing Capabilities
Orientation and Stance
Level 2 Marketing Capabilities
Segmentation, Targeting and Positioning
Marketing Strategic Capabilities
Marketing Operational Capabilities Level 3 Marketing Capabilities
Outside-in processes
Inside-out processes Spanning Processes
Abbildung 26: Hierarchisierung von Marketingkompetenzen nach HOOLEY ET AL. Quelle: HOOLEY ET AL. (1999), S. 262.
666
Vgl. DAY (1994).
667
Hierbei lehnen sich die Autoren stark an WEBSTER an, der aufbauend auf den Arbeiten von NARVER/SLATER und KOHLI/JAWORSKI zur Marktorientierung von Unternehmen diese Gedanken auf das Marketing überträgt. Vgl. SLATER/NARVER (1990); JAWORSKI/KOHLI (1990). WEBSTER konkludiert in diesem Kontext, dass die Fähigkeit einer Unternehmung zum Evozieren eines hohen Grads an Marktorientierung in einer Organisation an sich bereits eine Kompetenz darstellt, die in den Marketingbereich einzuordnen sei. Vgl. WEBSTER (1992) sowie HOOLEY et al. (1999), S. 261.
668
Vgl. ähnlich BARNEY (1986b); DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER (1993).
669
Vgl. SLATER/NARVER (1990); REED/DEFILLIPPI (1990); HURLEY/HULT (1998).
154
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Auf der zweiten Ebene sind die so genannten Marketing Strategic Capabilities verankert. Sie werden von HOOLEY ET AL. als die „ability to create a differentiated competitive position in the market“ abgegrenzt. Sie umfassen demnach die Kompetenzen rund um die Wahl der Positionierung eines Leistungsbündels. In diesen Kontext fallen auch die organisationalen Fähigkeiten zur Segmentierung und zum „Targeting“670. HOOLEY ET AL. verstehen diese Ebene der Marketingkompetenzen als den Kern des Marketings.671 Auf der dritten Ebene werden die so genannten Marketing Operational Capabilities eingeordnet. Sie umfassen solche Kompetenzen, die notwendig sind, um die im Rahmen der Marketingstrategie getroffenen Entscheidungen in operative Maßnahmen umzusetzen und zu implementieren. Auf dieser Ebene verankern die Autoren die drei Prozessklassen von DAY (1994), auf die bereits im Rahmen dieser Arbeit an anderer Stelle dezidiert eingegangen wurde.672 Tabelle 8 zeigt die von den Autoren gewählte Konzeptualisierung, die im Rahmen der Bewertung näher erörtert werden soll. Die Autoren stellen auf Basis konzeptioneller Überlegungen und anderer Forschungsarbeiten die Hypothese auf, dass sich die Güte der Kompetenzausprägungen auf jeder Ebene positiv auf den Unternehmenserfolg auswirkt.673 Ferner vermuten sie einen stärkeren positiven Einfluss der Marketingkompetenzen, die auf der ersten Ebene verankert sind. Eine empirische Untersuchung, in deren Rahmen 1619 Unternehmen aus Ungarn, Polen und Slowenien nach ihren Marketingkompetenzen und Unternehmenserfolg befragt wurden, kann diese Hypothesen grundlegend bestätigen.
670
Da in der deutschen Marketing-Terminologie kein spezifischer Begriff für das Wort „Targeting“ existiert wird an dieser Stelle der englische Begriff verwendet. „Targeting“ bezeichnet die Selektion eines Marktsegments zur Bearbeitung durch Marketing-Mix-Maßnahmen. Vgl. hierzu KOTLER/ KELLER (2006), S. 261.
671
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 263.
672
Vgl. Abschnitt B.3.2.2.
673
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 265 sowie u. a. JAWORSKI/KOHLI (1990); RUEKERT (1992); JAWORSKI/ KOHLI (1993); SLATER/NARVER (1990); DIBB/SIMKIN (1993);
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Kompetenzebene
155
Beschreibung der Kompetenzen
Marketing Cultural Capabilities
Market orientation Strategic priorities and survival Strategic priorities are long term building of market position
Marketing Strategic Capabilities
Relative product quality Relative service quality Relative pricing
Marketing Operational Capabilities
Outside-in Capabilities Thorough understanding of customer wants and needs Company and/or brand reputation Close relationships with valued customers Inside-out Capabilities A cost advantage in production Superior internal information systems Superior product design capability Spanning Capabilities Speed of reaction to customer requirements Proactive new product/service development to lead the market Competitive pricing
Tabelle 8: Quelle:
Konzeptualisierung der drei Marketingkompetenzebenen nach HOOLEY ET AL. Vgl. HOOLEY ET AL. (1999), S. 272.
Hinsichtlich der vier Bewertungskriterien lässt sich der Ansatz wie folgt bewerten. Zunächst kann festgestellt werden, dass die Autoren bei der Darlegung der konzeptionellen Hintergründe und der Ableitung der drei Kompetenzebenen grundsätzlich theoretisch fundiert vorgehen. Vor allem die Skizzierung und Anlehnung an die Arbeiten von WEBSTER und DAY in Kombination mit einer Reihe anderer wissenschaftlicher Quellen aus dem Schrifttum zum strategischen Management und dem Marketing können überzeugen. Jedoch muss einschränkend konstatiert werden, dass HOOLEY ET AL. vor allem in Bezug auf die Übernahme der Erkenntnisse von DAY zum einen sehr knapp und zum anderen unkritisch vorgehen. Dies überrascht insbesondere, da DAY, wie in Abschnitt B.3.2.2 dargelegt, seine Strukturierung eher induktivargumentativ und lediglich bedingt theoretisch fundiert herleitet. Ferner bleibt unklar, auf welcher Basis die Konzeptualisierung der drei Marketing Strategic Capabilities vorgenommen wurde. Hierzu fehlen grundlegende Verweise auf das Schrifttum. Aufgrund dieser Einschränkungen muss die theoretische Fundierung des Absatzes als lediglich bedingt erfüllt bewertet werden.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
156
Die Holistik des Ansatzes ist ebenfalls lediglich bedingt positiv einzuschätzen. Positiv ist zwar die grundlegend breite Herangehensweise des Ansatzes, beginnend von den Kompetenzen, in der Unternehmenskultur eine hohe Marktorientierung zu etablieren, bis hin zu operativen Kompetenzen auf Basis von DAYS Selektion.674 Betrachtet man jedoch die Spezifizierung der drei Kompetenzebenen, so muss diese eingeschränkt werden, da die Autoren zumindest im Rahmen dieses Beitrages ein sehr eingeschränktes Verständnis von den auf den Ebenen verankerten Kompetenzen darlegen. Bspw. überrascht bei der Spezifizierung der Marketing Strategic Capabilities, warum die Autoren sich bei den Möglichkeiten zu einer Positionierung auf die Produktqualität, Servicequalität und die Preispolitik begrenzen.675 Allein z. B. das Verfolgen einer Strategie zur Innovationsführerschaft sowie der Aufbau von (Marken)Images auf Basis von symbolischen Nutzendimensionen wären weitere mögliche Optionen zur Schaffung von differenzierenden Positionierungen.676 Ferner begrenzen sich HOOLEY ET AL. in Bezug auf die drei Klassen der Marketing Operational Capabilities auf jeweils lediglich drei Kompetenzen.677 Auf welcher Basis sie diese Einschränkung von DAYS Selektion vornehmen wird nicht dargelegt. Hinsichtlich des Kriteriums der Prozessorientierung erfüllt der Ansatz die Anforderung. Dies wird zum einen aus der Abgrenzung des Begriffs der Marketingkompetenzen deutlich.678 Zum anderen lehnen sich die Autoren stark an die Arbeiten von DAY an, der bereits Kompetenzen nicht funktionsorientiert, sondern im Rahmen von Prozessen identifiziert und strukturiert.679 Der Markenbezug des Ansatzes muss hingegen als nicht erfüllt bewertet werden, da der Ansatz keine Erkenntnisse der Markenforschung reflektiert und lediglich am Rand eine „Company and/or brand reputation“Kompetenz aufführt, ohne diese näher zu erläutern.
674
DAY identifiziert in seinen drei Kompetenzklassen ein sehr breites Spektrum an verschiedenen Kompetenzen wie z.B. Human Resource Management und Cost Control bis hin zu New Product Development, Market Sensing und Environment Health and Safety. Vgl. DAY (1994), S. 41.
675
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 269 f. und S. 272.
676
Die Kompetenz Unternehmens- und Markenimages aufzubauen, wird hingegen lediglich auf der operativen Kompetenzebene der Marketing Operative Capabilities verankert. Dies steht jedoch im Widerspruch zu der gängigen Meinung des Schrifttums, dass das Markenmanagement ebenfalls eine strategische und funktionsübergreifende Unternehmensaufgabe sei. Vgl. u. a. AAKER (1996); KELLER (2003); ESCH (2005); BURMANN/MEFFERT (2005a).
677
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 272.
678
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 260.
679
Vgl. DAY (1994).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
157
Insgesamt kann der Ansatz von HOOLEY ET AL. als wertvoll bewertet werden, da die Kompetenzstrukturierung grundsätzlich theoretisch fundiert vorgenommen wird. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass die Autoren bei der Ableitung der Kompetenzen der Forderung nach einer stärker prozessorientierten Ausrichtung nachkommen. Auch die Anlehnung an die Arbeit von DAY (1994), deren Erkenntnisgehalt bereits kritisch gewürdigt wurde, ist in den Punkten zum „Market sensing“ („thorough understanding of customer wants and needs“) sowie zum „Customer Linking“ („Close relationships with valued customers“) für eine Übertragung auf eine Kompetenzstrukturierung im Rahmen des identitätsbasierten Markenmanagement geeignet. Ferner sind die Erkenntnisse zu den Marketing Cultural Capabilities zum Aufbau einer Marktorientierung für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen potenziell von Relevanz. Hierbei können grundsätzliche Ähnlichkeiten zur Notwendigkeit eines Brand Commitments und Brand Citizenship Behaviours im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung identifiziert werden. 3.3.3
Ansatz von VORHIES/MORGAN
Der Ansatz von VORHIES/MORGAN (2005) repräsentiert einen der jüngeren Ansätze, in deren Rahmen Marketingkompetenzen strukturiert werden. In dem im Journal of Marketing erschienenen Beitrag „Benchmarking Marketing Capabilities for Sustainable Competitive Advantage“ stellen die Autoren eine Untersuchung vor, in deren Rahmen sie so genannte „Marketing capabilities“ (im Folgenden als Marketingkompetenzen bezeichnet) identifizieren und anhand einer branchenübergreifenden, empirischen Untersuchung in den USA deren Erfolgswirkung analysieren. Ziel des Beitrages ist die Vorstellung einer Benchmarking-Methode, die die Marketingkompetenzen von Unternehmen misst sowie potenziell zu Verbesserungen derselben genutzt werden kann. Zu Beginn des Beitrages identifizieren die Autoren eine Forschungslücke hinsichtlich einer empirischen Fundierung der Wirkungen, die das Benchmarking680 von Marketingkompetenzen für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen haben können.681 Hier-
680
Benchmarking ist ein „Ansatz zur Erfassung der relativen Stärken oder Schwächen eines Unternehmens. Gegenstand des Benchmarking ist die gezielte und umfassende Suche nach Vergleichsgrößen und Richtwerten („Benchmarks“), die repräsentativ für die besten Verfahren („Best Practices“) zur Realisierung bestimmter Vorhaben sind.“ BRUHN/HOMBURG (2004), S. 78. Vgl. zum Benchmarking ausführlich bspw. CAMP (1995); PUSCHMANN (2000); WILDEMANN (2005) und die dort zitierte Literatur.
681
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 80.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
158
für sei es zunächst notwendig, spezifische Marketingkompetenzen von Unternehmen zu identifizieren. Bei der Identifikation der Marketingkompetenzen gehen die Autoren zweistufig vor. Zunächst führen sie eine Literaturrecherche zu Marketingkompetenzen durch, aus der sie solche Kompetenzen ableiten, die nach Ansicht des Schrifttums potenziell den größten Einfluss auf den Unternehmenserfolg haben. Im Anschluss werden offene Interviews mit 30 „Senior-Marketing-Managern“ sowie vier FokusgruppenInterviews mit insgesamt 33 Marketing-Managern durchgeführt, um aus dieser Perspektive die relevantesten Marketingkompetenzen zu extrahieren. Auf dieser Informationsbasis identifizieren VORHIES/MORGAN acht Marketingkompetenzen, die nach ihrer Meinung für den Unternehmenserfolg am relevantesten sind: „Pricing“, „Product development“, „Channel management“, „Marketing communication“, „Selling“, „Marketing information system“, „Marketing planning“, „Marketing implementation“ (vgl. Abbildung 27).
Pricing
Product development Customer satisfaction
Channel management Marketing communication
Marketing capability interdependance
Overall firm‘s performance
Market effectiveness
Selling
Marketing information system
Profitability
Marketing planning Marketing implementation
Abbildung 27: "Marketing capabilities" und Unternehmenserfolg nach VORHIES/MORGAN Quelle: VORHIES/MORGAN (2005), S. 85.
Die Autoren grenzen die acht Marketingkompetenzen wie folgt ab: (1) „Pricing“ bezeichnet die „ability to extract the optimal revenue from the firm’s customer.“ (2) Unter „Product development” werden die „processes by which firms develop and manage product and service offerings.” (3) „Channel management“ wird als „the
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
159
firm’s ability to establish and maintain channels of distribution that effectively and efficiently deliver value to end-customers” definiert. (4) „Marketing communication” bezeichnet „the firm’s ability to manage customer value perceptions”. (5) „Selling“ beschreibt die „processes by which the firm acquires customer orders”. (6) Die „Marketing information systems“ beschreiben die „processes by which firms learn about their markets and use market knowledge”. (7) „Marketing planning” wird als „the firm’s ability to conceive marketing strategies that optimize the match between the firm’s resources and its marketplace” bezeichnet. (8) „Marketing implementation” beschreibt die „processes by which intended marketing strategy is transformed into realized resource deployments”. Die Marketingkompetenzen werden indirekt als Konstrukte über insgesamt 39 Indikatorvariablen abgefragt. Der Unternehmenserfolg wird über die Konstrukte „Customer satisfaction“, „Market effectiveness“ und „Profitability“ unter Verwendung des SelfTyping Ansatzes682 von Key Informants erfasst und über jeweils vier Indikatoren operationalisiert,683 welche die Autoren aus der Literatur ableiten und durch Pre-Tests validiert haben.684 Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung bestätigen die vorab von den Autoren aufgestellte Hypothese über einen positiven Zusammenhang zwischen der Ausprägung der acht Marketingkompetenzen und dem Unternehmenserfolg.685 Hinsichtlich der vier Bewertungskriterien kann der Ansatz von VORHIES/MORGAN wie folgt bewertet werden. Die theoretische Fundierung des Ansatzes ist grundsätzlich als positiv zu werten. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Autoren zu Beginn lediglich teilweise theoretische Erkenntnisse zur ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung reflektieren. Bspw. unterlassen es die Autoren, eine allgemeine
682
Vgl. Zu einer Beschreibung dieser Erhebungsmethode Abschnitt C.2.1.
683
Das Erfolgskonstrukt “Customer satisfaction” wird über die Variablen “Delivering value to your customer“, „Delivering what the customers want“, “Retaining valued customers” und “Customer satisfaction” erfasst. Das Erfolgskonstrukt “Market effectiveness” wird über die Variablen “Market share growth relative to competitors”, “Growth sales revenue”, “Acquiring new customers“, und “Increasing sales to existing customers” gemessen. Die “Profitability” wird über die Variablen “Business unit profitability”, “Return on Investment”, “Return on sales”, und “Reaching financial goals” operationalisiert. Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 92.
684
Vgl. FORNELL et al. (1996); MORGAN/CLARK/GOONER (2002); VORHIES/MORGAN (2003).
685
Ferner wird eine positive Korrelation zwischen der Interderdepenzstärke der Marketingkompetenzen und dem Unternehmenserfolg empirisch festgestellt. Da die empirische Untersuchung an dieser Stelle nicht im Fokus steht, soll hier nicht ausführlich auf die Ergebnisse eingegangen werden. Vgl. dazu ausführlich VORHIES/MORGAN (2005), S. 83 ff.
160
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Konzeptualisierung der Marketingkompetenz darzulegen. Dies überrascht, da die Autoren die acht Marketingkompetenzen u. a. ausführlich aus der Literatur ableiten und abgrenzen. In diesem Kontext führen sie zu jeder Kompetenz mindestens eine grundlegende Literaturquelle an, auf deren Basis sie ihre Abgrenzung stützen.686 Ferner kann positiv angemerkt werden, dass die Autoren diese theoretische Fundierung weiterführend durch Interviews mit Marketing-Managern auf ihre Praxisnähe und Praktikabilität überprüfen. Sie erfüllen damit die wesentliche Anforderung an die angewandte Betriebswirtschaftslehre nach der Abkehr von einer Forschung im „Elfenbeinturm“ und einer praktischen Reflexion theoretischer Erkenntnisse. Die Güte der Fundierung kann auch in Hinsicht auf das Thema „Benchmarking” festgestellt werden.687 Der Ansatz von VORHIES/MORGAN weist ferner einen hohen Grad an Ganzheitlichkeit (Holistik) bei der Identifikation von Marketingkompetenzen auf. Die Autoren identifizieren fundiert die in der Literatur als wesentlich beschriebenen Marketingkompetenzen um die 4-Ps sowie in Bezug auf die Informationsaufnahme, der Marketingplanung und -implementierung. Allerdings muss kritisiert werden, dass VORHIES/MORGAN die Perspektive des internen Marketings vernachlässigen und nicht als Kompetenz identifizieren. Dies überrascht, da es sich beim vorliegenden Ansatz um eine jüngere Arbeit handelt. Daher dürften den Autoren die Forschungsfortschritte in diesem Bereich, welche die evozierte Bedeutung des internen Marketings für den Unternehmenserfolg belegen, bekannt sein.688 Trotz dieses Kritikpunktes ist die holistische Perspektive des Ansatzes grundsätzlich als positiv zu werten. Hinsichtlich des Kriteriums der Prozessorientierung weist der Ansatz eine hohe Ausprägung auf. Auf Basis theoretischer Erkenntnisse von SRIVASTAVA/SHERVANI/ FAHEY (1999) argumentieren die Autoren, dass zwischen den Marketingkompetenzen Interdependenzen existieren.689 Hieraus leiten die Autoren die Notwendigkeit einer Abkehr von der funktionsorientierten Kompetenzbetrachtung hin zu einer prozessorientierten Perspektive bezüglich der Marketingkompetenzen ab.690 Diese Orientierung spiegelt sich ebenfalls in der Selektion der Kompetenzen wider. Zwar fehlt
686
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 82.
687
Hierzu führen die Autoren eine Reihe von Publikationen an, auf deren Basis sie ihre Forschungsfrage und Untersuchung aufbauen. Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 81 f.
688
Vgl. exemplarisch hierfür BRUHN (1999b).
689
Vgl. SRIVASTAVA/SHERVANI/FAHEY (1999).
690
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 82.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
161
die Darlegung eines expliziten Marketingprozesses, in den sich die identifizierten Kompetenzen einordnen ließen. Jedoch wird aus der Selektion und insbesondere aus der Abgrenzung der einzelnen Kompetenzen ersichtlich, dass die Autoren bei ihrer Strukturierung nicht funktionsorientiert vorgehen. So werden bspw. die Kompetenzen „Product development“, „Selling“, „Marketing information systems“ und „Marketing implementation“ explizit als Prozesse abgegrenzt. Die Kompetenzen lassen sich darüber hinaus in gängige Managementprozesse des Marketings einordnen.691 Das Bewertungskriterium des Markenbezugs muss hingegen als negativ bewertet werden, da der Ansatz ebenso wie die vorangegangenen Ansätze keine Erkenntnisse der Markenforschung reflektiert. VORHIES/MORGAN verwenden lediglich bei der Operationalisierung der Kompetenz „Marketing communication“ als eine Variable die „Brand image management skills und processes“, ohne diesen Indikator näher zu beschreiben oder hierzu empirische Erkenntnisse zu reflektieren. Dennoch kann der Ansatz insgesamt als positiv bewertet werden, da er zum einen einen hohen Grad an Prozessorientierung aufweist und zum anderen (leicht eingeschränkt) Kompetenzen theoretisch fundiert und holistisch betrachtet. Zwischen den von VORHIES/MORGAN identifizierten drei Kompetenzen „Marketing information system“, „Marketing planning“, „Product development“ existieren starke Überschneidungen zu den im strategischen Teil des Managementprozesses dargelegten Aktivitäten. Dies lässt sich auch für die mehr operativ ausgerichteten Kompetenzen „Marketing implementation“, „Pricing“, „Channel management“, „Marketing communication“, „Selling“ konstatieren. Diese Kompetenzen sind daher für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung potenziell geeignet, (adaptiert) übernommen werden zu können. Lediglich die Facetten des Marken-Controllings und der internen Mitarbeiterperspektive (interne Markenführung) bleiben unberücksichtigt.
691
Vgl. bspw. die Managementprozesse von MEFFERT (2000), S. 14; KOTLER (2000), S. 85; KUß/ TOMCZAK (2002), S. 18; SANDER (2004), S. 290.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
162
3.4
Ansätze zur Konzeptualisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen „Das Problem liegt tatsächlich darin, daß bei Unternehmen, die Markenwerte haben, nicht immer die entsprechenden Kompetenzen vorhanden sind.“692
Zwar identifizieren führende RBV-Vordenker wie WERNERFELT, BARNEY und GRANT die Bedeutung von Marken und Marke-Kunden-Beziehungen als wesentliche Ressourcen einer Unternehmung in der Erlangung von Wettbewerbsvorteilen.693 Allerdings werden hierbei die kollektiven Fähigkeiten, die für die Prozesse der Ressourcenkombination zur Nutzengenerierung für die Nachfrager benötigt werden, nicht entsprechend berücksichtigt.694 In diesem Abschnitt werden daher Ansätze vorgestellt und kritisch diskutiert, die Kompetenzen im Kontext der Markenführung konzeptualisieren und strukturieren. Hierzu ist zunächst anzumerken, dass sich im Schrifttum lediglich eine sehr begrenzte Anzahl von Beiträgen identifizieren lässt, die sich mit der Markenführung in einem ressourcen- und kompetenzorientierten Kontext auseinandersetzt, geschweige denn explizit die Strukturierung von Markenführungskompetenzen behandelt. Mögliche Erklärungen hierfür sind zum einen in der Dominanz des Marketings in der betriebswirtschaftlichen Forschung gegenüber der Markenführung sowie zum anderen in der aktuell zu konstatierenden defizitären Synthese zwischen dem Gebiet der Markenführung und der ressourcenorientierten Forschung zu suchen.695 Dennoch kann an dieser Stelle auf zwei Ansätze näher eingegangen werden. 3.4.1
Ansatz von WILLRODT
Der im Rahmen einer Dissertation vorgestellte Ansatz von Willrodt aus dem Jahr 2004 setzt sich als einer der wenigen Beiträge explizit mit dem Konstrukt „Markenkompetenz“ auseinander. Zu Beginn der Arbeit definiert der Autor als eine wesentliche Zielsetzung der Untersuchung die theoriebasierte Strukturierung des Konstrukts Markenkompetenz.
692
AAKER (1997b), S. 104.
693
Vgl. WERNERFELT (1984); BARNEY (1991); GRANT (1991).
694
Vgl. SRIVASTAVA/FAHEY/CHRISTENSEN (2001), S. 778.
695
Vgl. hierzu Abschnitt A.2.3.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
163
Allerdings legt WILLRODT seiner Arbeit das ältere, wirkungsbezogene Markenverständnis zugrunde. Er grenzt daher den Begriff „Marke“ im Gegensatz zur identitätsbasierten Markenführung als „[…] die mit einer am Markt angebotenen Leistung verbundenen Vorstellungen von den Eigenschaften der Leistung, die dazu führen, daß [!] sich diese von anderen differenziert und Bedürfnisse erfüllt“ ab.696 Marke und Markenimage sind für WILLRODT demnach synonyme Begriffe. Eine Führung von Marken durch deren Inhaber bzw. das Management eines Unternehmens sind damit definitorisch ausgeschlossen. Ferner überrascht es, dass WILLRODT trotz des von ihm geäußerten Verweises auf den CBV den Erkenntnissen der Kompetenztheorie in seiner Konzeptualisierung nicht folgt und „Markenkompetenzen“ als „[…] die Assoziationen über die Fähigkeiten eines Anbieters zur kundennutzenstiftenden Ressourcenkombination“ definiert.697 Kompetenzen werden demnach fälschlicherweise698 als Bestandteile des Markenwissens von Nachfragern interpretiert.699 Diese Form der Interpretation verwundert umso mehr, da der Autor in einer Fußnote, die sich auf diese Abgrenzung bezieht, explizit auf eine Kompetenzabgrenzung von FREILING (2002) sowie auf eine Markenkompetenzabgrenzung von BLINDA (2003) Bezug nimmt, welche beide der von WILLRODT gewählten Interpretation zuwiderlaufen, weil sie Kompetenzen als Handlungspotenziale bzw. organisationale Fähigkeiten abgrenzen.700 Dennoch folgt WILLRODT dem wirkungsbezogenen Markenkompetenzverständnis, mit der Konsequenz, dass die Aktionsebene der Markenführung definitorisch nicht berücksichtigt werden kann. Allerdings argumentiert der Autor hierbei nicht konsistent und damit an vielen Stellen widersprüchlich: bei seiner Spezifizierung der Markenkompetenzen grenzt er an einer Reihe von Stellen seine Kompetenzassoziationen auf der Seite der Nachfrager als „Fähigkeiten“ des markenführenden Unternehmens ab.701 Aus dieser inkonsistenten Verwendung der Begriffe ist es dem Leser nicht möglich, nachzuvoll-
696
WILLRODT (2004), S. 14.
697
WILLRODT (2004), S. 61.
698
„Fälschlicherweise“ aus den Perspektiven des RBV und des CBV.
699
Vgl. WILLRODT (2004), S. 182.
700
Vgl. WILLRODT (2004), S. 61 sowie in diesem Kontext FREILING (2002), S. 21 und BLINDA (2003), S. 29.
701
Bspw. grenzt WILLRODT die „Logistikkompetenz“ als „Fähigkeiten des Transports, der Lagerung, des Verfügbarmachens und der Auftragsabwicklung von Sach- und Dienstleistungen“ ab. WILLRODT (2004), S. 91.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
164
ziehen, welchen Konstruktcharakter Markenkompetenzen nach Meinung WILLRODTS haben. Auf Basis von konzeptionellen Vorüberlegungen und einer empirischen Untersuchung teilt WILLRODT Markenkompetenzen in drei Klassen ein: Meta- bzw. BasisKompetenzen, funktionale Markenkompetenzen und ideelle Markenkompetenzen (vgl. Abbildung 28). Meta- bzw. Basis-Kompetenzen (z. B. Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, Pioniergeist, Kreativität etc.) Methodenkompetenz Technische Kompetenz Funktionale Markenkompetenz
Technologische Kompetenz F&E-Kompetenz Patente
Ressourcen
Marken Internationalität
Markenkompetenz Kommunikationskompetenz Reputation
Referenzen Guter Ruf
Ideelle Markenkompetenz
Aura/Flair Atmosphäre
Achtung gleicher Werte Sympathie
Abbildung 28: Markenkompetenzen nach WILLRODT Quelle: in Anlehnung an WILLRODT (2004), S. 90 f. und S. 140.
Basis- bzw. Meta-Kompetenzen umfassen nach WILLRODT die „generellen Fähigkeiten bzw. Fähigkeitsmerkmale, die auf den Leistungsprozeß [!] und die Leistungserstellung Einfluß [!] ausüben.“702 Hierzu zählen nach Ansicht WILLRODTS bspw. Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, Pioniergeist oder Kreativität. Die funktionale Markenkompetenz (im Leistungsprozess) bezieht sich zum einen auf die technische Kom-
702
WILLRODT (2004), S. 90.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
165
petenz, die sich weiter durch Methodenkompetenz703, technologische Kompetenz704 und F&E-Kompetenz705 spezifizieren lässt, und zum anderen auf Ressourcen706 als Leistungspotenziale (Patente, Marken, Internationalität). Die ideelle Markenkompetenz bezieht sich nach Ansicht des Autors auf die Reputation der Marke und die Atmosphäre der Transaktion.707 Diese „Merkmale“ beziehen sich nicht notwendigerweise auf das tangible Transaktionsobjekt, sondern repräsentieren weitestgehende Hygienefaktoren, die Transaktionen erst ermöglichen. Hierzu zählen nach Ansicht des Autors u. a. der gute Ruf eines Unternehmens bzw. einer Marke, die so genannte Aura, die das Leistungsbündel umgibt sowie die Kommunikationskompetenz, welche die „Fähigkeiten der Interaktion“ umfasst.708 Hinsichtlich der vier Kriterien lässt sich der Ansatz wie folgt bewerten. Der Markenbezug des Ansatzes kann aufgrund der direkt markenorientierten Fragestellung und der zahlreichen Reflektionen von Beiträgen der Markenforschung als erfüllt bewertet werden. Die theoretische Fundierung des Strukturansatzes hingegen muss als nicht erfüllt bewertet werden. Dies ist vor allem auf die geschilderte, diffuse und in großen Teilen falsche terminologische Abgrenzung des Konstrukts der Markenkompetenz zurückzuführen. Trotz zahlreicher Hinweise auf Beiträge der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung folgt WILLRODT einem wirkungsbezogenen Verständnis, welches argumentativ nicht aus dem CBV abgeleitet werden kann. Der Eindruck eines sehr diffusen Kompetenzverständnisses wird durch die Spezifizierung der drei „Kompetenzklassen“ verstärkt. So bleibt unklar, auf welcher konzeptionellen Basis der Autor „Kompetenzen“ wie „Pioniergeist“ oder „Aura/Flair“ identifiziert und den Klassen zuordnet. Eine mögliche Erklärung für diese Art der Strukturierung liegt evtl. im all-
703
Die Methodenkompetenz bezieht sich nach WILLRODT auf die „eher theoretischen und konzeptionellen Fähigkeiten“, die durch den Leistungsbezug konkretisiert werden. Vgl. WILLRODT (2004), S. 91.
704
Die technologische Kompetenz wird von WILLRODT als „die auf technologiebezogene Leistungsprozesse ausgerichteten Fähigkeiten einer Organisation“ abgegrenzt. WILLRODT (2004), S. 90.
705
Die F&E-Kompetenz wird von WILLRODT in Anlehnung an SPECHT (2002) als „die Fähigkeiten zur Invention und Innovation sowie zur Erforschung und Weiterführung von Forschungsleistungen in marktreife Produkte“ abgegrenzt. WILLRODT (2004), S. 91 sowie vgl. SPECHT (2002).
706
WILLRODT legt seiner Arbeit ein an SPECHT angelehntes, breiteres Ressourcenverständnis zugrunde. Hiernach können Ressourcen als „veredelter und gebündelter externer Input“ definiert werden. Vgl. SPECHT (2004), S. 451.
707
Vgl. WILLRODT (2004), S. 92 f.
708
WILLRODT (2004), S. 91 ff.
166
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
gemeinen Untersuchungskontext (Frage nach Determinanten von Beschaffungsentscheidungen bei Industriegütern). In diesem Fall müsste WILLRODT dennoch eine falsche terminologische Verwendung des Untersuchungskonstrukts vorgeworfen werden. Ferner hat die wirkungsbezogene Abgrenzung und Spezifizierung des Konstrukts allein schon aus inhaltlich-definitorischen Gründen negative Konsequenzen für die prozessbezogene Bewertung des Ansatzes. So fehlt dem Ansatz – trotz einiger konzeptioneller Verweise auf die Bedeutung von Prozessen für die Erstellung von Marktleistungen und die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen709 – die Identifikation von Prozessen, auf deren Basis Kompetenzen eingeordnet werden könnten. Die Prozessorientierung ist demnach ebenfalls als nicht erfüllt zu bewerten. Auch das Bewertungskriterium der Holistik des Ansatzes kann als lediglich bedingt erfüllt bewertet werden. Hierbei fällt zwar zunächst positiv auf, dass der Autor bei einer Aufzählung und Deskription von Kompetenzfeldern breit vorgeht und eine Reihe von Kompetenzen identifiziert, die im Leistungserstellungsprozess potenziell von Relevanz sind. Allerdings schränkt die anschließende Spezifizierung des Strukturierungsansatzes diese grundsätzlich breite Identifikation wieder ein.710 Hierbei beschränkt sich der Autor vor allem auf stark funktional ausgerichtete Markenkompetenzen wie die F&E-Kompetenz und technologische Kompetenz. Andere Kompetenzen, wie bspw. die Marketing-/ Vertriebskompetenz, die im Vorfeld identifiziert wurden, werden hingegen nicht mehr berücksichtigt. Dies ist vermutlich auf den Branchenhintergrund der Untersuchung zurückzuführen, da Industriegüterkaufentscheidungen stark von funktionalen Charakteristika der Leistungsobjekte abhängig sind. Aufgrund der skizzierten Defizite des Strukturierungsansatzes von WILLRODT sowie der stark divergierenden konzeptionellen Grundlagen des identitätsbasierten Markenführungsverständnisses sind die im Rahmen der Untersuchung von WILLRODT gewonnenen Erkenntnisse (trotz des direkten Bezugs zur so genannten Markenkompetenz) grundsätzlich nicht geeignet, um auf die vorliegende Forschungsfrage übertragen zu werden.
709
Hierzu führt WILLRODT bspw. die so genannte Kompetenztreppe von SPECHT an. Vgl. WILLRODT (2004), S. 53 auf Basis von , S. 451.
710
Vgl. hierzu die Beschreibung von so genannten „spezifischen Kompetenzen“ auf den S. 90 f. und die letztendliche Strukturierung der Markenkompetenzen auf S. 140 von WILLRODT (2004).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
3.4.2
167
Ansatz von FREILING/WELLING
Ein weiteres Konzept zum Thema Markenführungskompetenzen wurde von FREILING/WELLING im Jahr 2005 vorgestellt. In ihrem Beitrag „Isolationsmechanismen als Herausforderung im Management so genannter „intangibler Potenziale“ - eine kompetenzbasierte Analyse“ diskutieren die Autoren u. a. Markenführungskompetenzen als Basis von Wettbewerbsfähigkeit. Zielsetzung des Beitrages ist nicht direkt die Strukturierung von Markenführungskompetenzen, sondern vielmehr die Darlegung erster Überlegungen zu einer kompetenzbasierten Markenführung.711 In diesem Rahmen stellen die Autoren ein Strukturierungskonzept vor, welches auf den Bereich der Markenführung übertragen werden kann. Dabei interpretieren FREILING/WELLING die Marke entgegen dem Markenverständnis der identitätsbasierten Markenführung als „ein individuelles und schutzfähiges Zeichen bzw. Zeichenbündel […]“.712 Sie konzeptualisieren auf Basis der allgemeinen Kompetenzdefinition von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) Markenführungskompetenzen als „wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotentiale einer Organisation, die diejenigen Prozesse zielgerichtet ermöglichen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Markenführung dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsfähigkeit und ggf. der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile dienen.“713 Nach Ansicht der Autoren ermöglicht erst das Vorhandensein von Markenführungskompetenzen in einer Organisation ein „Sich-Bewähren-Können“ auf dem Markt. In Verbindung mit der Existenz von Marken und der durch sie hervorgerufenen Markenreputation fördern Markenführungskompetenzen die Entstehung von nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen. Ferner argumentieren die Autoren, dass Marken zwar als Zeichen bestimmte Wirkungen bei den Nachfragern hervorrufen könnten. Allerdings könnte dieses Evozieren in Prozessen ohne Markenführungskompetenzen nicht im Sinne der markenführenden Institution gesteuert werden. Dies hat nach FREILING/WELLING zwei wesentliche Konsequenzen:
711
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 106.
712
FREILING/WELLING (2005), S. 122.
713
FREILING/WELLING (2005), S. 125 in Anlehnung an GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 48.
168
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
(i) Die Markenführungskompetenzen müssen als theoretische Konstrukte auf einer vom Aussagenkonzept getrennten Ebene existieren.714 (ii) Markenführungskompetenzen müssen als holistische, unternehmensinterne Handlungspotenziale betrachtet werden, die über die bloße Marken(zeichen)gestaltung hinausgehen. Vor dem Hintergrund dieser Aussage ist anzumerken, dass FREILING/WELLING auf ein Aussagenkonzeptverständnis Bezug nehmen, welches vom identitätsbasierten Markenführungsansatz abweicht.715 Danach sind Marken als Zeichen(bündel) zu interpretieren, welche zu keiner Selbstreflektion fähig sind und im engeren Sinne auch über keine Identität verfügen können. Daher könnte dieses Aussagenkonzept auch über keine Fähigkeiten oder Kompetenzen verfügen. Jedoch fasst das identitätsbasierte Markenführungsverständnis die Markenidentität als Sonderform der Gruppenidentität auf, welches im engeren Sinne zum einen als Erklärungskonstrukt für das Verhalten der markenführenden Organisation (Gruppe von Individuen) dient und zum anderen im weiteren Sinne als Führungskonzept unter Einbindung in den Managementprozess verstanden wird.716 Im Rahmen des Führungskonzeptes ist daher die Einbindung von Kompetenzen durchaus zulässig und sogar notwendig. Auch die Zusprechung von Kompetenzen im Rahmen der Markenidentität als Sonderform der Gruppenidentität erleichtert es, das Verhalten der markenführenden Institution (dies umfasst auch die von ihnen ausgehenden Signale) zu erklären. Aus der Argumentation und Auffassung von FREILING/WELLING (Marke als reines Zeichen(bündel)) kann die Trennung von Markenführungskompetenzen und Aussagenkonzept jedoch nachvollzogen werden. FREILING/WELLING legen ihren Ausführungen den Kompetenzstrukturierungsansatz von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) zugrunde (vgl. Abbildung 29). Hiernach können drei grobe Kompetenzklassen identifiziert werden.
714
Vgl. hierzu ausführlich WELLING (2006), S. 53 ff.
715
Nach FREILING/WELLING umfasst das Aussagenkonzept der Markenführung „die (vom Markenführenden i.e.S. gestaltbare) Gesamtheit der die Wahrnehmung interner und externer Zielgruppen beinflussenden Parameter, die zur zeitpunktbezogenenen (Ver-)Änderung bestimmter Wirkungen führen.“ FREILING/WELLING (2005) sowie WELLING (2006), S. 77 in Anlehnung an MEFFERT/ BURMANN (2002c), S. 51 ff. Vgl. zu einer Herleitung dieser Auffassung WELLING (2003), S. 38-43.
716
Vgl. zum Verständnis der identitätsbasierten Markenführung Abschnitt B.2.2.3. und B.2.2.5.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
169
Meta-Kompetenzen Gestaltung der Leistungserstellung (Marktzufuhrprozesse)
Gestaltung der Leistungsbereitschaft
Marktprozesse
Transaktion ?!
Marken(produkt) (Leistungsangebot)
Prozesse
(Marken-)Marktzufuhrkompetenzen
Ressourcen
(Marken-)Veredelungskompetenzen
Input
Visionäre Gestaltung
Marktrückkopplungen
Grundsätzliche Veredelbarkeit
Konkrete Veredelung
Grundsätzliche Aktivierbarkeit
Konkrete Aktivierung
Marktangebot
Abbildung 29: Strukturierung von (Markenführungs)Kompetenzen nach FREILING/WELLING Quelle: FREILING/WELLING (2005), S. 113.
Marken-Veredelungskompetenzen werden von den Autoren als solche kollektiven Fähigkeiten beschrieben, die „es ermöglichen, Informationen bzgl. der Erwartungen über die zukünftigen Marktentwicklungen, d. h. etwa insbesondere den zukünftigen Bedürfnissituationen, zu transferieren, um die internen Voraussetzungen zu schaffen, diese Bedürfnisse durch überlegene Markenprodukte befriedigen zu können.“717 Hierzu zählen FREILING/WELLING bspw. besondere, in die Zukunft gerichtete Marktforschungskompetenzen. Diese Klasse von Kompetenzen ermöglicht die Entstehung von (Marken-)Ressourcen und bezieht sich somit auf die grundsätzliche Gestaltung der Leistungsbereitschaft. Marken-Marktzufuhrkompetenzen werden als die kollektiven Fähigkeiten beschrieben, „die auf dieser Wissensbasis eine konkrete Bedürfnisbefriedigung durch Realisierung von Produktideen und deren Durchsetzung im Markt zu realisieren erlauben.“718 Hierzu zählen demnach Produktentwicklungskompetenzen sowie operative Kompetenzen, wie die Kommunikationskompetenz, als auch kollektive Fähigkeiten
717
FREILING/WELLING (2005), S. 125.
718
FREILING/WELLING (2005), S. 125.
170
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
im Hinblick auf konkrete Markenerweiterungskompetenzen. Diese Klassen der Kompetenzen ermöglichen demnach erst eine Aktivierung von Markenressourcen durch die Entstehung von konkreten Marktleistungen, die auf einem Markt angeboten werden können. Sie beziehen sich somit auf die Gestaltung der Leistungserstellung. Zwar definieren die Autoren nicht explizit Marken-Metakompetenzen, jedoch kann diese Abgrenzung aus ihren Ausführungen zum Kompetenzansatz hergeleitet werden. Danach kann diese Klasse der Markenführungskompetenzen als solche von kollektiven Fähigkeiten abgegrenzt werden, die der visionären Weiterentwicklung der markenführenden Institution dienen und Veränderungsprozesse im (der aktuellen und zukünftigen Leistungserstellung) übergeordneten Um- oder Rahmensystem ermöglichen.719 Hinsichtlich der vier Bewertungskriterien kann der Strukturierungsansatz von FREILING/WELLING wie folgt bewertet werden. Die Autoren gehen bei ihrer Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen und den Ausführungen in diesem Kontext theoretisch überaus fundiert vor. Sie legen ihren Ausführungen den State-of-the-Art des CBV zugrunde und ziehen eine Reihe von Literaturquellen heran, um ihre Argumentation im Schrifttum zu verankern.720 Hierbei ist vor allem auf das bereits im Rahmen dieser Arbeit angeführte Arbeitspapier von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) zur CbTF zu verweisen.721 FREILING/ WELLING übertragen Teile dieser kritischen Analyse auf die Markenführung und tragen somit zu einem konzeptionellen Erkenntnisfortschritt in der Markenforschung bei.722 Auch hinsichtlich des Kriteriums der Prozessorientierung erfüllt der Ansatz die Anforderung vollständig. Zum einen legen die Autoren ihrer Konzeptualisierung ein prozessorientiertes Verständnis zugrunde, welches sich bereits aus der Kompetenzdefinition ableiten lässt. Hierbei wird explizit auf die im Rahmen der Markenführung not-
719
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 113.
720
Vgl. u. a. BARNEY (1991); HAMEL/PRAHALAD (1994); ORTMANN (2004); RUMELT (1984); MAHONEY/PANDIAN (1992); NELSON/WINTER (1982); FREILING (2001a).
721
Vgl. GERSCH/FREILING/GOEKE (2005).
722
Dieser Erkenntnisfortschritt bezieht sich u. a. auf eine mögliche Abgrenzung wesentlicher Markenkonstrukte (Marke, Markenreputation, Markenprodukte) und die damit einhergehende Diskussion, ob diese Konstrukte als so genannte „Intangibles“ abzugrenzen sind. Ferner bezieht sich dieser Erkenntnisfortschritt auf die Identifikation von Isolationselementen im Rahmen der Markenführung. Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 125 und S. 126 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
171
wendigen Prozesse hingewiesen, um Marktleistungen entstehen zu lassen, die ein „Sich-Bewähren-Können“ auf dem Markt zulassen. Zum anderen strukturieren die Autoren Markenführungskompetenzen auf Basis des allgemeinen CBV-Verständnisses mit dem Zusammenhang von Kompetenzen, Wertschöpfung und Veränderungsprozessen. Diesem Verständnis ist ein hohes Maß an Prozessorientierung immanent.723 Ferner weist der Ansatz eine hohe holistische Perspektive auf. Dies folgt aus dem Meta-Charakter dieses Ansatzes. Da der Strukturierungsansatz den grundsätzlichen Wertschöpfungsprozess der Markenführung aus der Perspektive des CBV darlegt, könnten theoretisch alle spezifischen Kompetenzen den drei Kompetenzklassen zugeordnet werden. Hieraus ergibt sich sowohl eine Stärke des Ansatzes als auch eine Schwäche. Einerseits kann jeder spezifischere Strukturierungsansatz auf den vorliegenden Ansatz angewendet werden. Andererseits schränkt gerade dieser MetaCharakter den Anwendungsbezug des Ansatzes ein. So versucht er nicht wie andere Ansätze, spezifische Markenführungskompetenzen zu identifizieren und abzugrenzen. Er vermag daher nicht zu beantworten, welche spezifischen Kompetenzen für eine erfolgreiche Markenführung notwendig sind. In diesem Kontext ist den Autoren allerdings zugute zu halten, dass dies nicht im Fokus der Untersuchung stand, sondern vielmehr angestrebt wurde, in einem ersten Schritt zum kompetenzbasierten Markenmanagement Erkenntnisse des CBV auf Forschung zur Markenführung zu übertragen. Hierbei standen daher eher der konzeptionell-theoretische Erkenntnisfortschritt und weniger die Praktikabilität des Strukturierungsansatzes im Fokus. Die Autoren geben lediglich durch das Anführen von einigen Beispielen Hinweise, welche Kompetenzen sich ihrer Ansicht nach im Rahmen der Markenführung abgrenzen ließen.724 Hinsichtlich des Kriteriums des Markenbezugs erfüllt der Ansatz die Anforderungen zwar grundsätzlich, da die Autoren Erkenntnisse der Markenforschung reflektieren und in ihrem Sinne weiterentwickeln. Jedoch kann dieses Kriterium bei strenger Auslegung dennoch lediglich als nur bedingt erfüllt bewertet werden. Diese Einschränkung ergibt sich aus dem Meta-Charakter des Strukturierungsansatzes. Da dieser im Prinzip von der Argumentationslogik des CBV übernommen wird, ohne eine Adaption auf die Markenführung vorzunehmen, kann zwar bezüglich der theoretischen Ausfüh-
723
Vgl. FREILING (2004a), S. 6 ff.
724
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 125.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
172
rungen ein hoher Markenbezug konstatiert werden, allerdings trifft dies nur eingeschränkt auf die eigentliche Strukturierung von Markenführungskompetenzen zu. Trotz dieser Einschränkung kann der vorliegende Ansatz von FREILING/WELLING als sehr positiv bewertet werden. Insbesondere die theoretische Fundierung des Ansatzes im CBV sowie die Abgrenzung der wesentlichen Kompetenzkonstrukte können überzeugen. Sie stellt eine konsequente Fortentwicklung der Erkenntnisse der Forschung zum CBV dar, die in der Wissenschaft eine positive Resonanz und Akzeptanz findet.725 Somit kann ein hohes Übertragbarkeitspotenzial der Erkenntnisse konstatiert werden. Dies wird nur am Rande durch die divergierenden Auffassungen zum Markenverständnis und Aussagenkonzeptverständis der Markenidentität eingeschränkt. Auch die Strukturierung der Markenführungskompetenzen in die drei skizzierten Kompetenzklassen ist aufgrund ihrer theoretischen Fundierung sowie aufgrund ihres Meta-Charakters als kompatibel zu bewerten, um im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung übernommen werden zu können.
3.5
Konzeptualisierung und Strukturierung von Markenführungskompetenzen aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes
3.5.1
Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen
Bei einer Konzeptualisierung von Markenführungskompetenzen sind zunächst die Begriffe Markenkompetenz und Markenführungskompetenz voneinander abzugrenzen. So wird umgangssprachlich und in einigen wissenschaftlichen Publikationen der Terminus Markenkompetenz verwendet, um anzugeben, in welchen Bereich die Marke einen hohen Nutzen aus Sicht der Nachfrager generiert.726 Oftmals wird der Begriff auch für eine überlegene Produktqualität verwendet,727 oder – wie bei WILLRODT (2004) – mit den Assoziationen von Anspruchgruppen über die Fähigkeiten eines Anbieters gleichgesetzt.728 Auch wenn diese terminologischen Abgrenzungen aus Sicht der jeweiligen Autoren für ihre Untersuchungszwecke sinnvoll erscheinen
725
Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt B.1.3.
726
Vgl. in diesem Kontext auch die Kritik von FREILING/WELLING (2005), S. 125.
727
Vgl. zu einer Kritik an dieser Auffassung BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 42.
728
Vgl. WILLRODT (2004), S. 61.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
173
mögen, so weisen sie keine theoretische Fundierung durch den CBV auf.729 Daher soll hier keine dieser Auffassungen Verwendung finden und vielmehr der terminologischen Auffassung zu Markenführungskompetenzen als kollektive Fähigkeiten bzw. Handlungspotenziale der markenführenden Organisation gefolgt werden. An dieser Stelle ermöglichen die geschilderten Ausführungen zum CBV sowie die im Rahmen der Analyse der Strukturierungsansätze gewonnenen Erkenntnisse eine weitere Präzisierung des Terminus Markenführungskompetenz. Im Rahmen der vorangegangenen Analysen ist deutlich geworden, dass die Erkenntnisse von FREILING/WELLING, die im wesentlichen auf den Forschungsarbeiten zum CBV bzw. CbTF nach FREILING fußen,730 durch ihre theoretische Fundierung, die holistische Perspektive sowie dem hohen Maß an Prozessorientierung am ehesten geeignet sind, um auf die vorliegende Forschungsfrage übertragen werden zu können. Aus einer Übertragung ergeben sich darüber hinaus mehrere Vorteile für die vorliegende Arbeit und die Weiterentwicklung des identitätsbasierten Markenführungsansatzes: (i)
einem weiteren Ausufern des skizzierten Wirrwarrs an terminologischen Abgrenzungen wird entgegengewirkt,
(ii)
die Kompatibilität der identitätsbasierten Markenforschung mit den Erkenntnissen des CBV wird gewährleistet,
(iii) eine im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung vorgenommene Strukturierung von (spezifischen) Markenführungskompetenzen kann in den Klassifikationsrahmen des CBV von FREILING/WELLING bzw. GERSCH/FREILING/GOEKE eingeordnet werden und vice versa kann der Klassifikationsrahmen helfen, die Markenführungskompetenzen theoretisch zu fundieren. Auf Basis dieser Erkenntnisse sollen Markenführungskompetenzen definiert und im Folgenden verwendet werden als
729
Auch wird aus diesem heterogenen Begriffsverständnis deutlich, dass hinsichtlich einer theoretisch fundierten und eindeutigen Abgrenzung von Markenführungskompetenzen ein wesentlicher Handlungsbedarf existiert.
730
Vgl. FREILING (2001a); FREILING (2002); FREILING (2004b); FREILING (2004a); GERSCH/FREILING/ GOEKE (2005).
174
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
„wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotentiale einer markenführenden Organisation, die diejenigen Prozesse zielgerichtet ermöglichen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Markenführung dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsbewährung und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile der markenführenden Organisation dienen.“731 Markenführungskompetenzen sind aufgrund des Isolationselements der sozialen Komplexität nur schwer imitierbar. Sie können daher ebenso wenig ohne weiteres substituiert werden.732 Sie ermöglichen einen Ausgleich zwischen den Anforderungen der Nachfrager bzw. des Marktes allgemein einerseits und der markenführenden Institution andererseits. Damit fungieren sie als Steuerungsinstrument mit einem hohen Koordinationspotenzial und ermöglichen es der markenführenden Institution, sich hinsichtlich der Wachstumspotenziale (handelnde Menschen, Wissen, Markenressourcen) weiterzuentwickeln.733 Dabei basieren sie gemäß obiger Definition auf Wissensvorsprüngen gegenüber Wettbewerbern. Diese Wissensvorsprünge sind stets temporär. Es bedarf somit permanenter Investitionen in die Erhaltung von Markenführungskompetenzen.734 Hinsichtlich des Markenführungsverständnisses ist zu akzentuieren, dass sich die Markenführungskompetenzen nicht lediglich auf die Kombination von rein physischfunktionalen Komponenten und ebenfalls nicht auf die Kombination von verschiedenen (Marken-)Zeichen beschränken. Sie umfassen vielmehr alle unternehmensinternen Handlungspotenziale, die im Sinne der Markenführung für eine Differenzierung der Marke gegenüber anderen Leistungsbündeln notwendig sind. Hierbei ermöglichen sie die Prozesse, die tangible sowie intangible Inputgüter und Ressourcen in eine nutzenbringende Markenleistung umwandeln und ein „Sich-Bewähren-Können“ auf dem Markt sicherstellen. Aus einer Ressourcenperspektive betrachtet, bündelt die Marke somit alle spezifischen tangiblen und intangiblen Unternehmensfähigkeiten und Ressourcen und macht sie für den Nachfrager in verdichteter Form erlebbar.
731
In enger Anlehnung an FREILING/WELLING (2005), S. 125.
732
Vgl. hierzu auch den Beitrag von FREILING/WELLING (2005), der sich explizit mit Isolationselementen im Rahmen der Markenführung auseinandersetzt.
733
Vgl. in ähnlichem Kontext auch FREILING/WELLING (2005), S. 111.
734
Vgl. BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 21.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
175
Wurde in diesem Sinne eine Marke geschaffen, kann sie selbst wiederum als Ressource des Unternehmens interpretiert werden.735 Nachdem der Begriff der Markenführungskompetenz definiert worden ist, sollen im Folgenden auf Basis des identitätsbasierten Markenmanagementprozesses spezifische Markenführungskompetenzen identifiziert und strukturiert werden. 3.5.2
Identitätsbasierter Managementprozess als Basis der Strukturierung
Ausgangspunkt einer Strukturierung von Markenführungskompetenzen im Rahmen dieser Arbeit ist der Ablauf der identitätsbasierten Markenführung, wie in Abbildung 18 visualisiert. Auf seiner Basis können zum einen Kompetenzfelder bzw. Markenführungskompetenzen identifiziert werden und in den Ablauf der identitätsbasierten Markenführung eingeordnet werden. U. a. wird durch das Heranziehen des Managementprozesses der Forderung nachgekommen, Kompetenzen prozessorientiert zu erfassen.736 Da der Managementprozess alle mit der Marke zusammenhängenden funktions- und unternehmensübergreifende Entscheidungen und Aktivitäten umfasst, wird ferner eine holistische Perspektive bei der Identifikation von Markenführungskompetenzen sichergestellt. Hinsichtlich der theoretischen Fundierung der im Rahmen des Prozesses beschriebenen Aktivitäten kann konstatiert werden, dass trotz der Heterogenität verschiedener Markenführungsansätze die einzelnen Tätigkeiten durch das Schrifttum zur Markenforschung hinreichend dokumentiert und abgesichert sind.737 Abbildung 30 zeigt diesbezüglich eine Übersicht über die im Managementprozess dargelegten Aktivitäten und ihre theoretische Absicherung durch ausgewählte, grundlegende Beiträge des Schrifttums der Markenforschung.
735
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 59; BESANKO/DRANOVE/SHANLEY (1996), S. 542 ff.
736
Vgl. GAITANIDES/SJURTS (1995), S. 64 ff.; HINTERHUBER/STUHEC (1997), S. 17.
737
Vgl. zu den verschiedenen im Rahmen der Markenführung Aktivitäten und Tätigkeiten bspw. KAPFERER (1992); AAKER (1996); SATTLER (2001); MEFFERT/BURMANN/KOERS (2002); TOMCZAK/ BREXENDORF (2005); KELLER (2003); HAEDRICH/TOMCZAK/KAETZKE (2003); BAUMGARTH (2004); ESCH (2005); ZEPLIN (2006); BELZ (2006).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
176
Autor/ Markenaktivität
Situationsanalyse Markenziele Markenidentität(en) Positionierungskonzept Markenarchitektur Markenevolution
Kapferer (1992)
Aaker (1996)
Sattler (2001)
9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9
9 9
Markenorganisation
9 9 9 9
Meffert/ Burmann/ Koers (2002)
9 9 9 9 9 9 9
Keller (2003)
9 9 9 9 9 9
Baumgarth (2004)
Tomczak/ Brexendorf (2005)
9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9
Esch (2005)
9 9 9 9 9 9 9
Markenorientiertes Personalmanagement Innengerichtete Kommunikation
9
Markenorientierte Mitarbeiterführung Markenleistungen Markenkommunikation Markenpricing Markendistribution Markenintegration Rechtliche Absicherung Markenerfolgsmessung Markenberichtswesen
9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9
9
9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9
9 9 9 9 9 9 9 9 9 9
Burmann /Zeplin (2006)
9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9
Belz (2006)
9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9
Abbildung 30: Markenaktivitäten im Schrifttum zur Markenführung Quelle: Eigene Darstellung.
Die theoretische Fundierung der einzelnen Markenführungskompetenzen soll ferner durch die gewonnenen Erkenntnisse aus den zuvor analysierten Strukturierungsansätzen untermauert werden. Auf Basis des identitätsbasierten Managementprozesses können zunächst sechs Markenführungskompetenzen hergeleitet werden (vgl. Abbildung 31).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
1. Strategisches Markenmanagement
177
2. Operatives Markenmanagement
Markeninformationsabsorptionskompetenz
Strategische Markenplanungskompetenz
Operative Markenumsetzungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
Interne Markendurchsetzungskompetenz
Markencontrollingkompetenz
3. Marken-Controlling Veredelungskompetenzen
Marktzufuhrkompetenzen
Abbildung 31: Strukturierung von Markenführungskompetenzen im identitätsbasierten Markenmanagement Quelle: Eigene Darstellung.
In Anlehnung an Überlegungen von SNOW/HREBINIAK (1980) kann im Kontext dieser Strukturierung auch davon gesprochen werden, dass auf Basis des Managementprozesses sechs Kompetenzfelder der identitätsbasierten Markenführung identifiziert werden.738 Diese begriffliche Erläuterung erscheint deshalb sinnvoll, da die einzelnen Markenführungskompetenzen nicht als das Handlungspotenzial für eine Aktivität verstanden werden können, sondern sich auf eine Anzahl von Aktivitäten beziehen und diese erst ermöglichen. In diesem Kontext ist anzunehmen, dass die Konzeptualisierungen von FREILING/WELLING bzw. GERSCH/FREILING/GOEKE diesen Umstand berücksichtigen. Wäre dies nicht der Fall, so wäre in der Tat, wie von DAY konstatiert, jegliche Identifikation und Strukturierung von Kompetenzen eine „Sisyphusarbeit“, da beliebig viele einzelne Aktivitäten und Tätigkeiten im Rahmen der
738
Kompetenzfelder umfassen nach SNOW/HREBINIAK (1980) „an aggregate of numerous specific activities […]”. SNOW/HREBINIAK (1980), S. 317.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
178
Unternehmens- und Markenführung abgegrenzt werden könnten.739 Daher kann von einer differenzierenden Abgrenzung beider Begriffe abstrahiert werden. Wie aus Abbildung 31 ersichtlich ist, lassen sich die sechs identifizierten Markenführungskompetenzen im Kontext des CBV den Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen zuordnen. Für diese grundlegende Zuordnung können die Beschreibung der beiden Kompetenzarten von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) sowie die markenbezogenen Ausführungen von FREILING/WELLING (2005) herangezogen werden. Auf Basis der skizzierten Strukturierungsansätze werden sie im Folgenden fundiert und im Rahmen einer identitätsbasierten Markenführung konzeptualisiert. 3.5.3
Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen im Rahmen der identitätsbasierten Markenführung
3.5.3.1 Markeninformationsabsorptionskompetenz „Market-driven firms are distinguished by an ability to sense events and trends in their markets ahead of their competitors.“740 Wie DAY in dieser Feststellung konstatiert, ist eine Kompetenz des „Market sensing“ für ein „Sich-Bewähren-Können“ und für die potenzielle Erreichung von Wettbewerbsvorteilen von hoher Relevanz. In der Regel sind Markenorganisationen in der Analyse von aktuellen Informationen und Daten geschult und durch effiziente Prozesse in der Lage, auf kurzfristige Veränderungen der Marktbedingungen entsprechend zu reagieren.741 Allerdings reicht dies oftmals nicht aus. Sie müssen in der Situationsanalyse in der Lage sein, wesentliche Informationen und Entwicklungen in Hinblick auf die Zukunft zu erkennen und ggf. zu antizipieren. Eine in den USA durchgeführte Studie unter 140 Unternehmensleitern zeigt, dass dennoch zwei Drittel der befragten Unternehmen innerhalb der letzten fünf Jahre von bis zu drei nachhaltigen Wettbewerbsveränderungen mit starkem Einfluss auf ihr Geschäft überrascht wurde.742 Daher richtet sich eine wichtige Kompetenz, über die eine markenführende Institution verfügen muss, auf die Erlangung von Informationen, die das aktuelle und
739
Vgl. DAY (1994), S. 40.
740
DAY (1994), S. 44.
741
Vgl. DAY/SCHOEMAKER (2005), S. 135.
742
Vgl. DAY/SCHOEMAKER (2005), S. 136.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
179
zukünftige Marktumfeld betreffen. Fehlen diese Informationen, steigt das Risiko, auf Veränderungen des Marktes nicht vorbereitet zu sein. Die Relevanz dieser Kompetenz steigt ferner mit der Turbulenz des Marktes. Diese Markeninformationsabsorptionskompetenz wird in ähnlicher Form auch in Publikationen zu Marketingkompetenzen identifiziert.743 Bspw. beschreiben RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) diese Kompetenz als organisationale Fähigkeit zum gathering, analyzing and interpreting [of] market information. VORHIES/ MORGAN (2005) führen als eine spezifische Marketingkompetenz das so genannte Market information system eines Unternehmens auf. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) grenzen ebenfalls Knowledge about customers, competitors and industry trends als wichtige Kompetenz des Marketings ab. Ferner weisen FREILING/WELLING (2005) explizit auf die Bedeutung von in die Zukunft gerichteten Marktforschungskompetenzen hin. Daher kann als eine Kompetenz der Markenführung die Markeninformationsabsorptionskompetenz definiert werden als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, markenrelevante Informationen der Unternehmensumwelt, insbesondere latente Entwicklungen, zu absorbieren“. Bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz handelt es sich um eine Veredelungskompetenz, da sie die Informationsgrundlage schafft, um u. a. aus Inputgütern zielgerichtet Ressourcen zu entwickeln. Vereinfacht erläutert, müssen zunächst frühzeitig vorhandene oder latente Kundennutzenpotenziale auf dem Markt identifiziert werden. Die Identifikation dieser Potenziale muss jedoch gleichzeitig durch eine Absorption der Informationen in der markenführenden Organisation ergänzt werden, damit aus Informationen Wissen entsteht und somit potenziell handlungsrelevant zur Verfügung steht.744 Auf Basis dieser Informationsgrundlage können dann vorhandene, unternehmensinterne Inputgüter und Ressourcen so ausgerichtet bzw. rekonfiguriert werden, dass möglichst rasch neue Ressourcen entstehen, die diese Kundennutzenpotenziale erschließen können. Diese Ressourcen werden dann so gebündelt, dass eine Marke entsteht, die den Nachfragerbedürfnissen entspricht, auf dem Markt
743
Vgl. SNOW/HREBINIAK (1980); CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); DAY (1994); VORHIES (1998); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); DESARBO et al. (2005); VORHIES/MORGAN (2005).
744
Vgl. zum Absorptionsvermögen als Voraussetzung zum Lernen COHEN/LEVINTHAL (1990).
180
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
in ausreichender Ubiquität angeboten wird und sich gegenüber dem Wettbewerb hinreichend differenziert. 3.5.3.2 Strategische Markenplanungskompetenz Die strategische Markenplanungskompetenz wird im Kern ebenfalls in mehreren Publikationen als Kompetenz marktorientierter Unternehmensführung identifiziert. VORHIES/MORGAN (2005) bezeichnen diese Kompetenz als Marketing Planning und fassen darunter u. a. organisationale Fähigkeiten der Marktsegmentierung und Positionierung. DAY (1994) identifiziert Strategy Development als spanning process. Ferner identifizieren CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) hierzu, neben einem Marketing Planning Process, kollektive Fähigkeiten zur Leistungsdifferenzierung und Ressourcenallokation. Insbesondere diese Erkenntnisse weisen Parallelen zur Entwicklung und Gestaltung der Markenidentität auf, da sie implizit die Differenzierungskraft als konstitutives Markenmerkmal aufgreifen. Auch AAKER konstatiert in diesem Zusammenhang: „Beim Aufbau einer Marke kommt es im Grunde darauf an, was man für sich als Markenidentität festlegt. Die Voraussetzung hierfür ist, erst einmal zu verstehen, wofür die Marke steht.“745 Eine strategische Markenplanungskompetenz der identitätsbasierten Markenführung muss daher organisationale Fähigkeiten beinhalten, die die Gestaltung der Markenidentität als Substanz der Marke umfassen (vgl. Abbildung 15). Im Kontext der identitätsbasierten Markenführung lässt sich die strategische Markenplanungskompetenz somit als Veredelungskompetenz identifizieren und definieren als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, Entscheidungen über die zielführende Gestaltung der Markenidentität zu treffen sowie grundlegende Verhaltenspläne zur identitätskonformen Gestaltung aller markenrelevanten Wertschöpfungsprozesse zu entwickeln.“ 3.5.3.3 Markenevolutionskompetenz Als dritte Kompetenz lässt sich die Markenevolutionskompetenz identifizieren. Diese Kompetenz ist für die kontinuierliche und nachhaltige Fortentwicklung und Adaption der Marke von hoher Bedeutung. Die Markenevolutionskompetenz ist für die Er-
745
AAKER (1997b), S. 104.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
181
langung einer Qualitäts- und Innovationsführerschaft in einer Produktkategorie, den Spielraum für Preisprämien746 im Wettbewerb mit Private Labels sowie für die Ausweitung des Marktes der Marke von hoher Relevanz. Die Markenevolutionskompetenz ermöglicht in diesem Kontext die langfristige Verfolgung von expansiven Markenevolutionsstrategien, wie der Markenausdehnung und dem Markentransfer. Die Marke wird dabei durch Erweiterung des Leistungsspektrums (Innovationen) um funktionale und/oder symbolische Nutzendimensionen erweitert, die eine Ausdehnung des Tätigkeitsfeldes auf andere, oftmals angrenzende Produktmärkte zulassen.747 Markenevolutionen beziehen sich auf die physisch-funktionalen und symbolischen Komponenten der Markenidentität, welche die Marke nachhaltig von Wettbewerbsleistungen differenzieren. Dabei ist die Markenidentität zwar langfristig konsistent, jedoch nicht als vollkommen statisch zu betrachten.748 Für eine dynamische Entwicklung (Evolution) der Markenidentität ist eine Differenzierung in essenziellen und akzidenziellen Komponenten sinnvoll.749 Essenzielle Komponenten sollten im Zeitverlauf nicht (oder wenn nur sehr behutsam) verändert werden, da ansonsten die Gefahr besteht, den Kern der Marke zu beschädigen. Akzidenzielle Komponenten dagegen sind für eine Identität zwar bedeutend, jedoch in einem stärkeren Maße veränderbar als essenzielle Komponenten.750 Sie können daher eher mit Neuerungen angereichert werden. Akzidenzielle Identitätskomponenten können im Rahmen von Markenevolutionen daher auch in kürzeren Zeitabständen veränderten Erwartungen der Nachfrager innoviert und angepasst werden, ohne dabei den grundlegenden Charakter der Marke zu verändern.751 Relevant ist dabei vielmehr, dass bei der Evolution behutsam vorgegangen wird.752 Identitätskonforme Evolutionen stellen somit sicher, dass das Nutzenversprechen der Marke den aktuellen Bedürfnissen entspricht und die Potenziale der Marke voll ausgeschöpft werden.
746
Dr. Rolf Kunisch konstatiert hierzu: „Als Gegenmittel hilft allein die weitere Stärkung der starken Marken durch Innovationen. Sie ermöglichen Preiserhöhungen und damit eine Verbesserung der Bruttorendite.“ Vgl. Interview in STIPPEL (2005b), S. 18.
747
Vgl. hierzu BURMANN/MEFFERT/BLINDA (2005).
748
Vgl. MEFFERT/BURMANN (1996), S. 30 f.
749
Vgl. AAKER (1996), S. 86 ff.
750
Vgl. hierzu im Rahmen der Identitätsforschung auch BÖHM (1989), S. 48 f.
751
Vgl. zur Markenidentität ausführlich Abschnitt B.2.2.3 sowie zur situationsspezifischen Unterscheidung zwischen essenziellen und akzidenziellen Komponeneten der Markenidentität AAKER/JOACHIMSTHALER (2000), S. 43 ff.
752
Vgl. AAKER/JOACHIMSTHALER (2000), S. 45.
182
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
DAY (1994) erfasst Teile dieser Kompetenz als eine „spanning capability“ (vgl. Abbildung 23). Auch VORHIES/MORGAN (2005), RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) u. a. identifizieren den Neuproduktentwicklungsprozess und die zugrunde liegenden Kompetenzen als erfolgskritisch. Allerdings beschränken sich diese Ansätze auf die Identifikation von Kompetenzen im Bereich Forschung und Entwicklung und dementsprechend nur auf die (Fort-) Entwicklung von physisch-funktionalen Neuerungen des Leistungsangebots. Hingegen bleibt die Entwicklung von symbolischen Neuerungen bei allen Ansätzen in der Literatur unberücksichtigt. Bei der identitätsbasierten Markenführung muss eine Evolutionskompetenz jedoch beide Facetten berücksichtigen, da sich das Nutzenbündel Marke aus beiden Facetten konstituiert. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Markenevolutionskompetenz definieren als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, eine Markenidentität dauerhaft mit physisch-funktionalen und symbolischen Neuerungen anzureichern und dadurch aktuell zu halten.“ Da die Markenevolutionskompetenz direkt dazu dient, Produktideen zu entwickeln und durch die Implementierung in bestehende Markenleistungen und Entwicklung von neuen Markenleistungen zu realisieren, handelt es sich nach der Kategorisierung von GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) um eine Marktzufuhrkompetenz. 3.5.3.4 Interne Markendurchsetzungskompetenz Als vierte Kompetenz kann die interne Markendurchsetzungskompetenz identifiziert werden, welche vor allem mitarbeitergerichtet ist. Sie findet sich selten explizit in den skizzierten Strukturierungsansätzen oder in anderen Ansätzen aus Error! Reference source not found. im Anhang A. Zwar weist VORHIES (1998) zumindest indirekt auf die Bedeutung der Organisationsgestaltung hin, jedoch leitet er hieraus keine spezifische Kompetenz ab. Ein Verweis auf Mitarbeiterpotenziale fehlt. SNOW/ HREBINIAK (1980) sowie DAY (1994) und DESARBO ET AL. (2005) führen eine „Human Ressources Management“-Kompetenz als „inside-out-process“ bzw. „management capability“ an, jedoch ohne diese abzugrenzen oder näher zu erläutern, welche Wirkungen und Ziele mit ihr erreicht werden sollen. Am ehesten können die „Marketing Cultural Capabilities“, die HOOLEY ET AL. identifizieren und welche die Marktorientierung eines Unternehmens sicherstellen, mit der internen Markendurchsetzungskom-
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
183
petenz verglichen werden.753 Hier könnte das Evozieren einer hohen Marktorientierung auf das Evozieren einer hohen Markenorientierung übertragen werden. Allerdings ist die Verankerung der Markenorientierung bei den internen Anspruchsgruppen nur eine Facette im internen Führungskonzept des identitätsbasierten Markenmanagements, welches letztlich die Sicherstellung eines markenkonformen Brand Citizenship Behaviours zum Ziel hat. Die Relevanz einer innengerichteten Markenführung ist im Schrifttum zur Markenführung ebenfalls eine vergleichsweise neue Erkenntnis.754 Sie lässt sich jedoch schlüssig aus dem Konzept der identitätsbasierten Markenführung ableiten.755 Da die Mitarbeiter und Markenpartner die langfristige Leistungsfähigkeit einer Marke determinieren und die Markenwahrnehmung der externen Zielgruppen über alle MarkeKunden-Kontaktpunkte (Brand Touch Points) stark prägen, führt die organisationale Fähigkeit zum Evozieren dieses Verhaltens zum Ausschöpfen von Erfolgspotenzialen.756 Mitarbeiter müssen die Marke und ihre Identität demnach kennen, ihr gegenüber positiv eingestellt sein und die Identität in das eigene Verhalten übernehmen.757 Ein solches identitätskonformes Verhalten wird als Brand Citizenship Behaviour bezeichnet.758 Vor diesem Hintergrund bezeichnet die interne Markendurchsetzungskompetenz „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, bei allen Mitarbeitern, wichtigen Zulieferern und wichtigen Absatzmittlern einer Marke das für die Zielerreichung notwendige Brand Citizenship Behaviour aufzubauen.“ Da diese Kompetenz bereits Facetten zur konkreten Aktivierung der aktuell bestehenden Leistungsbereitschaften auf dem Markt umfasst, kann die interne Markendurchsetzungskompetenz als eine Marktzufuhrkompetenz kategorisiert werden.
753
Vgl. HOOLEY et al. (1999).
754
Vgl. IND (2001); WITTKE-KOTHE (2001); BURMANN/ZEPLIN (2004); ESCH/VALLASTER (2005).
755
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2006); ZEPLIN (2006); BURMANN/ZEPLIN (2005c).
756
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2005a), S. 117 sowie ausführlich ZEPLIN (2006).
757
Vgl. hierzu ausführlich ZEPLIN (2006). Der identitätsbasierte Markenmanagementansatz integriert dieses Verständnis zum einen durch seine Innenorientierung allgemein, sowie im Speziellen durch einen innengerichteten Teilabschnitt im Managementprozess, der die Markenidentität bei den Mitarbeitern zu verankern versucht. Vgl. hierzu auch die Ausführungen zum innengerichteten Teil des identitätsbasierten Managementprozesses im Abschnitt B 2.2.5.
758
Vgl. ZEPLIN (2006), S. 77.
184
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
3.5.3.5 Operative Markenumsetzungskompetenz Als fünfte Kompetenz lässt sich die operative Markenumsetzungskompetenz ableiten. Sie bezieht sich auf die Befähigung zur Implementierung von nachfragergerichteten, operativen Markenführungsmaßnahmen, die sich an den Vorgaben der Markenidentität ausrichten. Eine Reihe von Strukturierungsansätzen erfassen partiell Bereiche dieses Kompetenzfeldes. DAY (1994) identifiziert bspw. „Pricing“ als eine der „spanning capabilities“. VORHIES (1998) identifiziert weitere klassische MarketingMix-Instrumente wie „Advertising“ und „Distribution“. DESARBO ET AL. (2005) erfassen darüber hinaus die „Integration of marketing activities“. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) erweitert diese Betrachtung um die Facette der Qualität der Leistungssicherstellung (Produktpolitik). VORHIES/MORGAN (2005) identifizieren neben den Fähigkeiten der vier Marketing-Mix-Bereiche eine spezifische „Marketing Implementation“Kompetenz, die sie in Anlehnung an NOBLE/MOKWA (1999) definieren als „the processes by which intended marketing strategy is transformed into realized resource deployments“759. Ein ähnlicher externer Prozess ist auch Bestandteil des identitätsbasierten Markenmanagements. Hier wird die operative Umsetzung der Markenidentität und der geplanten Markenpositionierung in den absatzgerichteten Marketing-Mix-Instrumenten sowie deren Integration strukturiert (vgl. Abbildung 18).760 Diese Tätigkeiten beziehen sich demnach auf eine konkrete Aktivierung von bestehenden Leistungsbereitschaften. Daher kann die operative Markenumsetzungskompetenz als Marktzufuhrkompetenz kategorisiert werden. In Anlehnung an diese Erkenntnisse kann die operative Markenumsetzungskompetenz definiert werden als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, das strategische Markenidentitätskonzept in konkrete, detaillierte Maßnahmen des MarketingMix umzusetzen“. 3.5.3.6 Markencontrollingkompetenz Die Markencontrollingkompetenz, als sechste Kompetenz der identitätsbasierten Markenführung, wird in den vorliegenden Strukturierungsansätzen zwar in ähnlicher Form identifiziert, jedoch selten als Marketing-Kompetenz oder marktbasierte Kom-
759
Vgl. NOBLE/MOKWA (1999).
760
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 86 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
185
petenz einer Unternehmung kategorisiert. RAMASWAMI ET AL. (2004) identifizieren zwar keine Kompetenzen in der Performance-Messung oder dem Berichtswesen einer Unternehmung, wie dies beim Managementprozess der identitätsbasierten Markenführung der Fall ist.761 Allerdings führen sie die Kompetenz „Sharing information and decisions“ an. Dies kann partiell einer Markencontrollingkompetenz zugeordnet werden, weil sie die Versorgung mit unternehmensinternen Informationen und der Beratung aller mit der Markenführung befassten Stellen umfasst. DAY (1994) weist auf die Relevanz eines „measurement and control system that monitors progress toward the objective“ 762 hin, grenzt jedoch hierzu keine spezifische Kompetenz ab. Lediglich CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) führen explizit als eine ihrer „distinctive marketing competencies“ die organisationale Fähigkeit zum „control and evaluation of marketing activities“ an. Ein identitätsbasiertes Markencontrollingverständnis umfasst in ähnlicher Form sowohl die Messung von Erfolgsindikatoren als auch die Gestaltung des Berichtswesens der Markenführung.763 Diese Kompetenz fördert potenziell die Rationalität und Ergebnisorientierung der Markenführung. Sie versetzt ein Unternehmen in die Lage, eine zielgerichtete Entscheidungsvorbereitung zur Erhaltung und Verbesserung der Reaktionsfähigkeit der Markenführung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund kann die Markencontrollingkompetenz als eine Veredelungskompetenz kategorisiert und definiert werden als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution zur systematischen Aufbereitung markenrelevanter Führungsinformationen, der Ausrichtung der Mitarbeiterhandlungen auf das Ergebnis sowie der Gestaltung und Abstimmung des Markeninformations- und Planungssystems.“
761
Im Kontext des Markenmanagements umfasst ein Markencontrolling die Informationsversorgung und Beratung aller mit dem Markenmanagement befassten Stellen verbunden mit einer übergeordneten Koordinationsfunktion. Vgl. KRIEGBAUM (2001), S. 66 ff. Ziel ist, die Rationalität und Ergebnisorientierung der Markenführung sicherzustellen und eine zielgerichtete Entscheidungsvorbereitung zur Erhaltung und Verbesserung der Reaktionsfähigkeit des Markenmanagements zu gewährleisten. Vgl. MEFFERT/KOERS (2005), S. 276.
762
Vgl. DAY (1994), S. 42.
763
Diese Auffassung wird auch von TOMCZAK/REINECKE/KAETZKE (2004) geteilt, die eine Reihe von Methoden zur Messung des psychographischen und finanziellen Markenerfolgs diskutieren und darüber hinaus auf die Bedeutung der Informationsversorgung für die Steuerung der Marke hinweisen. Vgl. TOMCZAK/REINECKE/KAETZKE (2004), S. 1826 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
186
3.5.4
Meta-Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung
Neben diesen sechs identitätsbasierten Markenführungskompetenzen können auf Basis der besonderen Bedeutung der Marke-Kunden-Beziehung und den Arbeiten von DAY (1994), RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) und DESARBO ET AL. (2005) zwei weitere Meta-Kompetenzen abgeleitet werden: die Kundenakquisitionskompetenz und die Kundenbindungskompetenz. Die Meta-Kompetenzen bilden dabei das auf die Nachfrager bezogene Rahmensystem aller übrigen Aktivitäten der Markenführung. Sie beeinflussen damit die Ausgestaltung der sechs skizzierten Markenführungskompetenzen und ermöglichen in Kombination mit ihnen das Erschließen und Ausschöpfen von Marke-Kunden-Beziehungspotenzialen als MetaAufgaben der Markenführung. Die Ableitung dieser beiden Meta-Kompetenzen wird ferner durch die Forschung um den aufgabenorientierten Marketingansatz an der Universität St. Gallen gestützt.764 Dieser identifiziert wie der identitätsbasierte Markenführungsansatz die Kundenakquisition und die Kundenbindung als nachfragergerichtete Meta-Aufgaben der marktorientierten Unternehmensführung, für die „[…] dem Unternehmen eine Kompetenz in der jeweiligen Aufgabe atribuiert werden“ könne.765 3.5.4.1 Kundenakquisitionskompetenz Die Kundenakquisitionskompetenz ist notwendig, um die Beziehung zwischen einer Marke und einem Nachfrager zu initiieren. Diesbezüglich grenzt DAY (1994) zwar keine separate Akquisitionskompetenz ab, jedoch führt er im Rahmen des „Customer Linkings” an, dass „this process begins by analyzing which customers are more loyal or easier to retain […].”766 Somit muss vor der Kundenbindung die Entscheidung getroffen werden, welche Kundenzielgruppe angesprochen und akquiriert werden soll. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) weisen in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit eines „Focus on High-Value Customers“ hin. Er stellt sicher, dass Unternehmen die richtige Zielgruppe anvisieren und seine Ressourcen zielgerichtet auf solche Kundengruppen ausrichten, die für das Unternehmen den höchsten Customer Lifetime Value aufweisen.767
764
Vgl. u. a. TOMCZAK/REINECKE (1996), MÜHLMEIER (2004) sowie KUß/TOMCZAK (2002).
765
MÜHLMEIER (2004), S. 66.
766
DAY (1994), S. 45.
767
Vgl. BURMANN/HUNDACKER (2003); KRAFFT (2002); GÜNTER/HELM (2001).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
187
In diesem Kontext wird die Relevanz der sechs Markenführungskompetenzen für die Kundenakquisitionskompetenz deutlich. Das durch eine Markeninformationsabsorptionskompetenz und Markencontrollingkompetenz gewonnene Wissen über Kundensegmente und ihre jeweiligen Kaufkraftpotenziale (gemessen am potenziellen CLV) helfen, die geeigneten Kundensegmente für eine Akquisition zu identifizieren. Die Markenleistungen können daraufhin durch die Markenevolutionskompetenz an die Bedürfnisse der Zielgruppe angepasst werden, so dass daraus eine adäquate Markenleistung (=Bündel an Markenressourcen768) entsteht. Die beiden Marktzufuhrkompetenzen (interne Markendurchsetzungskompetenz und operative Markenumsetzungskompetenz) aktivieren die Unternehmensressource „Marke“ und erschließen das Potenzial der neuen Kunden durch ihre Akquisition. Im Rahmen einer identitätsbasierten Markenführung wird dabei angestrebt, solche Kunden zu akquirieren, die sich langfristig an die Marke binden lassen. Vor diesem Hintergrund kann die Kundenakquisitionskompetenz definiert werden als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, neue, werthaltige und nachhaltig an die Marke bindbare Kunden zu gewinnen.“ 3.5.4.2 Kundenbindungskompetenz Die Bewältigung der zweiten Meta-Aufgabe der Markenführung wird durch die Kundenbindungskompetenz ermöglicht. Sie ist notwendig, um, wie u. a. bei DAY (1994) sowie bei DESARBO ET AL. (2005) skizziert, die initiierte Marke-Kunden-Beziehung so zu gestalten, dass sie langfristig stabil wird und bleibt.769 RAMASWAMI ET AL. (2004) identifizieren in ähnlicher Weise eine so genannte „Customer-Nurturing Capability“.770 In diesem Kontext kann die Kundenbindungskompetenz definiert werden als „das Handlungspotenzial der markenführenden Institution, durch gezielte Maßnahmen werthaltige Kunden langfristig an sich zu binden.“
768
In Anlehnung an die Ressourcendefinition von GERSCH/FREILING/GOEKE lassen sich Markenressourcen abgrenzen als „das Ergebnis durch Veredelungsprozesse weiter entwickelter Inputgüter, die wesentlich zur Differenzierung der Marke und zur Sicherstellung aktueller und zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit der Marke beitragen (sollen).“ In Anlehnung an GERSCH/FREILING/GOEKE (2005), S. 46.
769
Vgl. DAY (1994); DESARBO et al. (2005).
770
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 50.
188
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Insbesondere diese Kompetenz ist im Rahmen der Markenführung von hoher Relevanz, da sie determiniert, ob die Marke langfristig in der Lage ist, den Nutzenvorteil, den sie gegenüber unmarkierten Leistungsbündeln aufweist, in einen Wettbewerbsvorteil zu überführen, der die Investitionen der Markenführung rechtfertigt. Auch hierbei ist eine hohe Interdependenz zwischen dieser Kompetenz und den sechs skizzierten Markenführungskompetenzen festzustellen. Ohne eine hohe Güte dieser Kompetenzen ist eine hohe Kundenbindung schwer vorstellbar. Die Güte der beiden Meta-Kompetenzen zusammen mit den sechs Veredelungs- und Marktzufuhrkompetenzen entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit eines markenführenden Unternehmens und letztlich über den Markenerfolg.
3.6
Konzeptualisierung des Markenerfolgs
Wie aus Tabelle 40 im Anhang A zu entnehmen ist, setzt sich das Schrifttum neben einer Identifikation und Strukturierung von Unternehmens- und Marketingkompetenzen ebenfalls mit der Beziehung zwischen Kompetenzen und dem Unternehmenserfolg auseinander. Diese werden im Rahmen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung im Vergleich zum Wettbewerb ermittelt, um hieraus auf die Existenz von Wettbewerbsvorteilen schließen zu können. Bspw. weist DAY (1994) auf die Relevanz von Kompetenzen für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen und das Erreichen einer überlegenen Profitabilität hin.771 Dieser Zusammenhang konnte u. a. durch empirische Untersuchungen von HITT/IRELAND (1985), VORHIES (1998), HOOLEY ET AL. (1999), FAHY ET AL. (2000) und eine Reihe weiterer Untersuchungen bestätigt werden.772 Wie allerdings der Unternehmenserfolg bzw. Erfolgskonstrukte zweckmäßig gemessen werden sollten, wird in der Literatur kontrovers diskutiert.773 Hierzu konnte auch in Hinsicht auf die Konzeptualisierung und Operationalisierung des Markenerfolgs bis dato kein Konsens erzielt werden.
771
Vgl. DAY (1994), S. 40.
772
Vgl. u. a. HITT/IRELAND (1985); CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); VORHIES (1998); DUTTA/ NARASIMHAN/RAJIV (1999); HOOLEY et al. (1999); BURMANN (2002a); MARQUARDT (2003); MÜHLMEIER (2004); DUTTA/NARASIMHAN/RAJIV (2005); VORHIES/MORGAN (2005); DESARBO et al. (2005).
773
Vgl. DEES/ROBINSON (1984); MCGUIRE/SCHNEEWEIS/HILL (1986); CLARK (1999); TUCKER III/TUCCI (1994); GREENLEY/FOXALL (1998) und die dort zitierte Literatur.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
189
Zur Konzeptualisierung des Unternehmenserfolgs werden im Schrifttum verschiedene Ansätze vorgeschlagen. Hierbei kann u. a. zwischen drei grundsätzlichen Vorgehensweisen differenziert werden: (i) Zielansatz: Hierbei wird der Erfolg als der Grad der Zielerreichung hinsichtlich der gesetzten Unternehmensziele definiert.774 (ii) Systemansatz: Dieser Ansatz erweitert den zielorientierten Erfolgsbegriff um die organisationalen Fähigkeiten eines Unternehmens, Ressourcen zu entwickeln, interne Systemstabilität zu erhalten sowie erfolgreich mit der Unternehmensumwelt zu interagieren.775 Er erweitert somit die Perspektive des Zielansatzes, indem er die vielfältigen Beziehungen innerhalb und außerhalb des Unternehmens berücksichtigt und insbesondere die Beziehung zwischen einem Unternehmen und der Umwelt in den Fokus stellt. Hierbei rückt vor allem die Überlebensfähigkeit eines Unternehmens in den Mittelpunkt.776 (iii) Interessenpluralistischer Ansatz (Stakeholder-Ansatz): Nach diesem Verständnis sind Unternehmen dann erfolgreich, wenn es ihnen gelingt, die Erwartungen bzw. Ansprüche sämtlicher interner und externer Interessengruppen (Stakeholder) zu erfüllen, d. h. zufrieden zu stellen. Zu den externen Stakeholdern werden bspw. Nachfrager, Lieferanten, Investoren und gesellschaftliche Institutionen gezählt. Zu den internen Stakeholdern zählen bspw. die Mitarbeiter und das Management des Unternehmens.777 Alle drei Ansätze weisen gewisse Vorteile auf. Der interessenpluralistische Ansatz sowie insbesondere der Systemansatz verfolgen bei der Analyse des Erfolges eine breitere Basis. In der Forschungspraxis bringen diese breite Basis und die Einbeziehung verschiedener Stakeholder mitunter allerdings auch Probleme mit sich, die vor allem in der Operationalisierung des Erfolgskonstrukts zu sehen sind.778 So sprechen daher FRITZ (1992) und auch HOMBURG (1995) dem Zielansatz aufgrund seiner Praxisnähe und Zweckmäßigkeit für die empirische Forschung eine hohe forschungs-
774
Vgl. z. B. STAEHLE (1999), S. 444.
775
Vgl. MILES (1980), S. 367 ff.; STAEHLE (1999), S. 445 f.
776
Vgl. BLEICHER (1976), S. 4.
777
Vgl. STAEHLE (1999), S. 449; FRITZ (1992), S. 219.
778
Vgl. DEES/ROBINSON (1984), S. 271; JENNER (1999), S. 239.
190
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
praktische Relevanz zu.779 Allerdings stellt sich beim Zielansatz die Frage, anhand welcher Ziele und Erfolgsindikatoren die Erfolgsbeurteilung erfolgen soll. Hierbei werden oftmals finanzielle Kennziffern herangezogen. Insbesondere finden Rentabilitätskennziffern wie der Return on Investment (ROI) oder Return on Assets (ROA) häufig Verwendung.780 Allerdings wird im Schrifttum ebenfalls betont, dass Unternehmen nicht ein Ziel, sondern i.d.R. eine Reihe unterschiedlicher Ziele verfolgen.781 In diesem systemorientierten Kontext wird der Unternehmenserfolg als mehrdimensionales Konstrukt interpretiert,782 welches sich sowohl aus finanzorientierten (z. B. ROI) als auch marktorientierten (z. B. Marktanteil, Kundenbindungsrate) und psychographischen Erfolgskennzahlen (z. B. Kundenzufriedenheit) ableiten lässt.783 HOMBURG (1995) argumentiert in diesem Kontext, dass diese Differenzierung notwendig sei, da marktorientierte und psychographische Erfolgsindikatoren über die Erreichung von Modalzielen der Unternehmung Auskunft geben würden.784 Nur über die Erreichung dieser Modalziele könne ein erwerbswirtschaftliches Unternehmen letztlich das Finalziel der Gewinnerzielung (Finanzziele) sicherstellen.785 Um diesen Wirkungszusammenhängen Rechung zu tragen, wird im Schrifttum oftmals gefordert, im Rahmen des Marketings und der Markenführung bei der Beurteilung des Marketing- bzw. Markenerfolgs sowohl finanzorientierte als auch nichtfinanzorientierte Erfolgsindikatoren heranzuziehen.786 Dieser Forderung nachkommend, konzeptualisieren und operationalisieren eine Reihe von Forschern im Rahmen der skizzierten Untersuchungen (vgl. Tabelle 40 im Anhang A) den Unterneh-
779
Vgl. HOMBURG (1995), S. 156; FRITZ (1992), S. 220.
780
Vgl. MCGUIRE/SCHNEEWEIS/HILL (1986), S. 127.
781
Vgl. STAEHLE (1999), S. 437 ff.; FRITZ (1992), S. 217.
782
Vgl. STAEHLE (1999), S. 445.
783
Der grundsätzliche Wirkungszusammenhang zwischen beiden Erfolgsindikatorklassen ist dabei ähnlich, wie in beim Zusammenhang zwischen Markenstärke und Markenwert zu interpretieren. Vgl. Abschnitt B.2.21 und für eine visuelle Einordnung Abbildung 8.
784
Vgl. HOMBURG (1995), S. 156.
785
Vgl. HOMBURG (1995), S. 157. In der neueren Literatur wird oftmals die Forderung nach einer Ausgewogenheit von Erfolgskennzahlen erhoben. In diesem Kontext ist die so genannte „Balanced Scorecard“ von KAPLAN/NORTON ein oftmals herangezogenes Konzept, welches zwischen „harten, ex-post-orientierten“ Erfolgsindikatoren und „soften“, ex-ante-orientierten Erfolgsindikatoren differenziert. Der Gesamterfolg eines Unternehmens wird dabei aus den vier Perspektiven Finanzwirtschaft, Markt und Kunde, Prozesse sowie Mitarbeiter und Lernen betrachtet. Vgl. Hierzu ausführlich KAPLAN/NORTON (1996); KAPLAN/NORTON/HORVÁTH (1997); KAPLAN/NORTON (2001).
786
BHARADWAJ/VARADARAJAN/FAHEY (1993); SRIVASTAVA/SHERVANI/FAHEY (1999); HOMBURG/HOYER/ FASSNACHT (2002); S. 89; BURMANN/BLINDA/NITSCHKE (2003), S. 46; MEFFERT/KOERS (2005), S. 279.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
191
mens- bzw. Marketingerfolg nach diesen beiden Perspektiven.787 Im Kontext dieser Arbeit soll sich daher nahe an die Erfolgsabgrenzungen der skizzierten Strukturierungsansätze angelehnt werden und einem breiten Verständnis des Konstrukts „Markenerfolg“ gefolgt werden. Vor dem Hintergrund des mangelnden Zugriffs auf objektive Erfolgsdaten schlagen einige Forscher die Ermittlung des Erfolgs von Unternehmen durch eine subjektive Einschätzung hinsichtlich der Erfolgsindikatoren oder der Position im Vergleich zum Wettbewerb vor.788 Bspw. können DEES/ROBINSON eine signifikante Korrelation zwischen einer subjektiven Einschätzung der Veränderung der Gesamtkapitalrentabilität und dem Umsatzwachstum im Vergleich zum Wettbewerb mit objektiven Daten empirisch nachweisen.789 Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch VENKATRAMAN/ RAMANUJAM.790 Ferner soll der Markenerfolg im Vergleich zum Wettbewerb betrachtet werden. Die Verwendung von absoluten Erfolgsindikatoren, wie der absolute Marktanteil oder dem Return on Investment, ist insofern problematisch, da diese Indikatoren die Vergleichbarkeit der Messungen aufgrund der verschiedenen Einflussgrößen (Marktgröße, Lebenszyklus etc.) stark einschränkt. Somit könnte der Markenerfolg u. a. von Unternehmen aus verschiedenen Branchen nicht verglichen werden.791 Für die gewählte Alternative der subjektiven Einschätzung über den Markenerfolg kann ferner angeführt werden, dass Studien eine starke Korrelation zwischen subjektiven und objektiven Messungen validiert haben.792 Diese Vorgehensweise wird daher auch in einer Reihe von skizzierten Untersuchungen, wie bspw. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), VORHIES (1998), HOOLEY ET AL. (1999), DESARBO ET AL. (2005) und VORGIES/MORGAN (2005), angewendet. Auf Basis dieser Erkenntnisse kann der Markenerfolg systemorientiert abgegrenzt werden als der Grad der Durchsetzung des Leistungsbündels Marke auf dem Markt und der damit verbundenen Erreichung von finanziellen und marktorientierten Erfolgsmaßstäben (Indikatoren) einer markenführenden Organisation (z.B. Unterneh-
787
Vgl. VORHIES (1998); HOOLEY et al. (1999); RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004); DESARBO (2005); VORHIES/MORGAN (2005).
ET AL. 788
Vgl. Hierzu die Ausführungen zum Self-Typing Ansatz in Abschnitt C.2.1.
789
Vgl. DEES/ROBINSON (1984), S. 271.
790
Vgl. VENKATRAMAN (1987).
791
Vgl. MOORMAN/RUST (1999).
792
Vgl. u. a. ausführlich das im Strategic Management Journal vorgestellte Vorgehen von DEES/ ROBINSON (1984).
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
192
men oder SGE) im Vergleich zum Wettbewerb. Die Bestimmung des Markenerfolgs ist somit von der Selektion der jeweiligen Erfolgsindikatoren abhängig. Diese Konzeptualisierung erscheint zweckmäßig, da die Abgrenzung einen Interpretationsspielraum zulässt und den Markenerfolg als relatives Konstrukt mit Vergleichsbezug zum Wettbewerb abgrenzt. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der Markenerfolg in Anlehnung an VORHIES/MORGAN (2005), HOOLEY ET AL. (1999) sowie MOORMAN/RUST (1999) anhand von vier Indikatoren spezifiziert, die im Vergleich zum Wettbewerb erhoben werden: Kundenzufriedenheit, Umsatzwachstum, Wachstum des wertmäßigen Marktanteils und Ertragskraft der Marke.793 Darüber hinaus wurden diese vier Indikatoren um einen weiteren Erfolgsindikator ergänzt: der Differenzierungskraft der Marke (vgl. Abbildung 32). Dieser Erfolgsindikator ergibt sich aus der konstitutiven Eigenschaft einer Marke, gemäß der dieser Arbeit zugrunde liegenden identitätsbasierten Markendefinition.
Differenzierungskraft
Kundenzufriedenheit AktionsEbene der Markenführung
Markenerfolg
Umsatzwachstum Wertmäßige Wachstum des Marktanteils Ertragskraft
Abbildung 32: Konzeptualisierung des Markenerfolgs Quelle: Eigene Darstellung.
Nach AAKER kann die Differenzierungskraft einer Marke als „der Grad der subjektiv empfundenen Unterscheidbarkeit der Marke von Wettbewerbsangeboten“ definiert werden.794 KAAS/RUNOW (1984) grenzen die Kundenzufriedenheit als „Ergebnis eines psychischen Soll-Ist-Vergleichs von Konsumerlebnissen“ ab.795 Dieses Verständnis wird von HOFMEYR/RICE spezifiziert, in dem hierunter das Ergebnis der Bewertung
793
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 82 und S. 92 sowie MOORMAN/RUST (1999), S. 188.
794
AAKER (2004), S. 84 ff. AAKER verwendet diesen Erfolgsindikator u. a. als eine Komponente in der Erfassung des Markenwertes.
795
KAAS/RUNOW (1984), S. 452.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
193
der „Konsistenz“ zwischen erbrachter Markenleistung und den Nachfragererwartungen verstanden wird.796 Das Umsatzwachstum ist die Steigerung der in einer Periode erzielten Erlöse durch verkaufte Markenleistungen.797 Das wertmäßige Wachstum des Marktanteils bezieht sich auf die Steigerung des prozentualen Anteils einer Marke am Gesamtumsatz eines Marktes.798 Als letzter Erfolgsindikator wird die Ertragskraft der Marke als das Maß für das Verhältnis von durch die Marke erwirtschafteten Erträgen und eingesetztem Kapital verstanden.799
3.7
Spezifikation der marktlichen Rahmenbedingungen als unternehmensexterne situative Einflussfaktoren
Moderne Untersuchungen im Bereich des strategischen Managements und des Marketings, insbesondere zu Erfolgsfaktoren und Kompetenzen, berücksichtigen in ihrem Untersuchungsdesign das situative Leitprinzip des kritischen Rationalismus.800 Nach STAEHLE (1999) lautet die zentrale Aussage situativer Ansätze, dass es keine generell gültigen, optimalen Handlungsalternative gibt, sondern vielmehr mehrere situationsangemessene Handlungsalternativen.801 Diesem Prinzip wird im Rahmen dieser Arbeit gefolgt. Der Kontingenzansatz impliziert eine starke Einschränkung des Allgemeingültigkeitsanspruches betriebswirtschaftlicher Aussagen. Vielmehr müssen Aussagen empirischer Untersuchungen durch die Einbeziehung von situativen Kontextfaktoren präzisiert werden, um ihre Gültigkeit aufrechterhalten zu können. Hierdurch ergibt sich zwar eine Reduzierung der Allgemeingültigkeit von betriebswirtschaftlichen Aussagen, allerdings weisen diese dennoch eine bedeutende Erklärungskraft im Rahmen der Kontextbedingungen auf.802 Grundsätzlich kann bei situativen Faktoren zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Kontextfaktoren differenziert werden. Die Ausführungen im Ab-
796
Vgl. HOFMEYR/RICE (2002).
797
In Anlehnung an Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 2997.
798
In Anlehnung an Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 1989.
799
In Anlehnung an Gabler Wirtschafts-Lexikon (2004), S. 2423.
800
Der situative Ansatz wird im Schrifttum auch als Kontingenzansatz bezeichnet. Hierbei handelt es sich um ein Grundkonzept der betriebswirtschaftlichen Forschung. Vgl. RAFFÉE (1984), S. 36 ff. Vgl. zum Kontingenzansatz im Rahmen des Marketings ZEITHAML (1988b) und die dort zitierte Literatur.
801
Vgl. STAEHLE (1999), S. 469.
802
Vgl. FRITZ (1992), S. 24.
194
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
schnitt B.1 zum Market-based View sowie zum Ressource-based und Competencebased View konnten zwar aufzeigen, dass die (unternehmensexternen) Rahmenbedingungen einer Branche nicht primär über den Erfolg bzw. Misserfolg von Unternehmen bestimmen. Allerdings bestreiten auch die ressourcenorientierten Ansätze nicht, dass die marktlichen Rahmenbedingungen einer Branche als Determinanten einen Einfluss auf das Marktverhalten von Unternehmen und zu einem gewissen Maße auch auf den Unternehmenserfolg (bzw. Wettbewerbsvorteile) haben können.803 Die marktlichen Rahmenbedingungen umfassen umweltbedingte Größen, die für das einzelne Unternehmen i.d.R. nicht kontrollierbar sind.804 Diese Variable steht im Einklang mit der grundsätzlichen Aussage des Kontingenzansatzes. Daher müssen auch die Rahmenbedingungen im Kontext einer Untersuchung zur Wirkung von Markenführungskompetenzen spezifiziert werden. Dabei soll sich an Spezifizierungen der marktliche Rahmenbedingungen angelehnt werden, die Forscher im Rahmen der skizzierten Strukturierungsansätze von Unternehmens- und Marketingkompetenzen entwickelt haben. Hierbei sind vor allem die Konzeptualisierungen von DESARBO ET AL. (2005) und VORHIES/MORGAN (2005) geeignet, die sich unmittelbar an die Arbeiten von JAWORSKI/KOHLI anlehnen.805 Hieraus lassen sich für die vorliegende Untersuchung fünf Kontextfaktoren für die marktlichen Rahmenbedingungen ableiten (vgl. Abbildung 33):806 Den Preisdruck, die Wettbewerbsdynamik, die technologische Dynamik, die Dynamik des Kundenverhaltens und das Marktwachstum einer Branche.
803
Vgl. u. a. RASCHE/WOLFRUM (1994), S. 513. Wettbewerbsvorteile beziehen sich in der ressourcenund kompetenzorientierten Forschung immer auf eine bestimmte Markt und Wettbewerbssituation. BURMANN (2002a), S. 142.
804
Vgl. GÖTTGENS (1996), S. 116. Diese Umweltbedingungen sind somit im Einklang mit der Argumentation des MBV von außen vorgegebenen Kontextfaktoren.
805
Vgl. JAWORSKI/KOHLI (1993).
806
Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 60; VORHIES/MORGAN (2005), S. 84.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
195
Unternehmensexterne situative Faktoren
Preisdruck
Wettbewerbsdynamik
Technologische Dynamik
Dynamik des Kundenverhaltens
Marktwachstum
Marktliche Rahmenbedingungen der Branche
Abbildung 33: Marktliche Rahmenbedingungen als situative Kontextfaktoren Quelle: Eigene Darstellung.
Der Preisdruck der Branche wird von DESARBO ET AL. als wettbewerbsorientierter Kontextfaktor identifiziert. Sie konzeptualisieren diesen Faktor als „Price competition in the industry“ mit der Aussage „Price competition is a hallmark in our industry“.807 Die Wettbewerbsdynamik wird von VORHIES/MORGAN als „Competitive intensity“ bezeichnet und von DESARBO ET AL. mit der Aussage „new competitor moves every day“ erfasst.808 Die technologische Dynamik wird ebenfalls von beiden Untersuchungen erfasst. VORHIES/MORGAN bezeichnen sie als „technological turbulence“ und DESARBO ET AL. erfassen sie mit den Aussagen „The technology is changing rapidly“, „The technological changes are frequent“ und „It is difficult to predict where the technology will be in the next two to three years .809 Die Dynamik des Kundenverhaltens wird von DESARBO ET AL. über die Aussagen zum „market environment“, „In our kind of business, customers’ product preferences change quite a bit over time.”, „Our customers tend to look for new products all the time“ und „Sometimes our customers are very price-sensitive, but on other occasions price is relatively unimportant“ erfasst.810 Als letzten Faktor lässt sich hingegen das Marktwachstum nicht direkt aus den beiden Ansätzen ableiten. Allerdings identifizieren VORHIES/MORGAN den Kontextfaktor „Market dynamism“, der indirekt mit dem Marktwachstum zusammenhängt.811
807
DESARBO et al. (2005), S. 60 und S. 73.
808
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 84; DESARBO et al. (2005), S. 60.
809
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 84; DESARBO et al. (2005), S. 60.
810
DESARBO et al. (2005), S. 73.
811
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 84 sowie auch BURMANN (2002a), S. 26.
196
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Nachdem die Markenführungskompetenzen, der Markenerfolg und die situativen Rahmenbedingungen konzeptualisiert wurden, können die gewonnenen Erkenntnisse im Folgenden in einer Synthese zu einem integrativen Erklärungsmodell zusammengefasst werden.
4
Integratives Erklärungsmodell und Forschungshypothesen
4.1
Integratives Erklärungs- und Wirkungsmodell als Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung
Im Rahmen der Ausführungen konnte konzeptionell aufgezeigt werden, dass Markenführungskompetenzen für ein „Sich-Bewähren-Können“ von markenführenden Organisationen von hoher Bedeutung sind. Allerdings existiert bis dato noch kein umfassendes Erklärungs- und Wirkungsmodell zu den Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements, welches Markenführungskompetenzen strukturiert, in den Kontext der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung einordnet und die grundsätzliche Wirkung dieser Kompetenzen auf den Markenerfolg darlegt. Aus diesem Grunde wurde ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt. Im Vergleich zu einer in sich geschlossenen Theorie erhebt ein theoretischer Bezugsrahmen nicht den Anspruch der Vollständigkeit und ist daher weniger präzise, dafür aber flexibler. Die Aufstellung eines theoretischen Bezugsrahmens erleichtert daher die Einordnung der Untersuchung und soll den zielorientierten Lösungsprozess fördern. Er lenkt dabei das Denken auf die zentralen Punkte, um so das Verständnis für die nachfolgende Diskussion der Untersuchungsfragen zu verbessern.812 Auf Basis der bereits vorgenommen Strukturierung und der unterstellten Wirkungsbeziehungen kann nun ein Erklärungs- und Wirkungsmodell als theoretischer Bezugsrahmen der Arbeit aufgestellt werden (vgl. Abbildung 34).
812
Vgl. zu den Inhalten und den Funktionen eines theoretischen Bezugsrahmens ausführlich bspw. KIRSCH (1976); KIRSCH (1984), S. 751 ff.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
197
Identitätsbasiertes Markenmanagement Markensubstanz und -managementprozess
Markenführungskompetenzen Veredelungs- und Meta-Kompetenzen Marktzufuhrkompetenzen Kundenakquisitionskompetenz
Markenidentität
Markenimage
Markeninformationsabsorptionskompetenz Strategische Markenplanungskompetenz
Markenführungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
Identitätsbasierter Managementprozess 1. Strategisches Markenmanagement
Interne Markendurchsetzungskompetenz
2. Operatives Markenmanagement
Situationsanalyse:
Markenorientiertes Personalmanagement
Markenidentität der Corporate Brand
Markenarchitektur
Markenidentität der übrigen Marken
Innengerichtete Kommunikation
Markenevolution
Positionierungskonzept
Markenorientierte Mitarbeiterführung
Markenleistungen
Markenkommunikation
Markenpricing
- Differenzierungskraft der Marke - Kundenzufriedenheit - Umsatzwachstum - Wachstum des Marktanteils - Ertragskraft
Operative Markenumsetzungskompetenz Markencontrollingkompetenz
Markendistribution
Markenorganisation
Markenerfolgsmessung
Kundenbindungskompetenz
3. Marken-Controlling
Unternehmenskompetenzen
Wissen
Inputgüter und Ressourcen
Unternehmung und Partner
Markenberichtswesen
Markenerfolg
Extern
Rechtliche Absicherung
Markenziele
Intern
Markenintegration
(Nachfrager, Wettbewerb, eigene Marken)
Market-based View
Resource-based View
Wirkungen der Marke im Absatzmarkt
Marktliche Rahmenbedingungen
Competence-based View Veredelungskompetenz
Marktzufuhrkompetenz
MetaKompetenz
Abbildung 34: Erklärungs- und Wirkungsmodell der identitätsbasierten Markenführungskompetenzen als Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung Quelle: Eigene Darstellung.
Dieser Bezugsrahmen fußt, wie an den Rändern der Darstellung visualisiert, als konzeptionelle Basis auf den Erkenntnissen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung und des identitätsbasierte Markenmanagements. Der Bezugsrahmen visualisiert das Grundkonzept sowie den Managementprozess der identitätsbasierten Markenführung, auf deren Basis die acht Markenführungskompetenzen als Veredelungs-, Marktzufuhr- und Meta-Kompetenzen identifiziert und abgegrenzt wurden. Sie sind als Komponenten der Ressoucen- und Kompetenzausstattung von Unternehmen zu interpretieren. Ferner werden die postulierten Wirkungsbeziehungen der Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg auf der rechten Seite der Abbildung skizzenhaft dargelegt und die marktlichen Rahmenbedingungen als unternehmensexterne situative Kontextfaktoren in das Erklärungsmodell mit einbezogen. Im Folgenden sollen die Forschungshypothesen aufgestellt werden, die es daraufhin in Kapitel C empirisch zu untersuchen gilt.
198
4.2
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
Bildung der Untersuchungshypothesen
Wie in Abschnitt A.3 skizziert, ist es eine wesentliche Zielsetzung dieser Untersuchung, die Wirkungen von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg zu untersuchen (ex ante Perspektive der kompetenzorientierten Forschung). Ferner soll untersucht werden, inwiefern sich markenführende Unternehmen mit überdurchschnittlich erfolgreichen Marken von Unternehmen mit durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken in ihrem Kompetenzprofil unterscheiden (ex post Perspektive der kompetenzorientierten Forschung). In diesem Rahmen soll als eine Nebenfrage geklärt werden, welchen moderierenden Einfluss die externen Kontextfaktoren auf das Kompetenzprofil dieser markenführenden Unternehmen und die Erfolgswirkung der Markenführungskompetenzen haben. Auf Basis der vorgenommenen Strukturierung und den Ausführungen zum Markenerfolg können diesbezüglich eine Reihe von Untersuchungshypothesen abgeleitet werden, die im Rahmen der empirischen Untersuchung überprüft werden sollen. Sie lassen sich in drei Gruppen einteilen. Zunächst kann hinsichtlich der Unterscheidung von Unternehmen in ihren Kompetenzprofilen folgende Basis-Hypothese (H1) aufgestellt werden, die weiter durch neun Unter-Hypothesen (H1a-i) spezifiziert wird: Basis-Hypothese Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen ein anderes KompeH1: tenzprofil auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. Unter-Hypothesen H1a: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte Markeninformationsabsorptionskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. H1b: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte strategische Markenplanungskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. H1c: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte Markenevolutionskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. H1d: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte interne Markendurchsetzungskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. H1e: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte operative Markenumsetzungskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeH1f: prägte Markencontrollingkompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. H1g: Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte Kundenakquisitionskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken.
Theoretische Grundlagen zur Untersuchung von Markenführungskompetenzen
199
Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen eine anders ausgeprägte Kundenbindungskompetenz auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. Die marktlichen Rahmenbedingungen von markenführenden Organisationen mit erfolgH1i: reichen Marken sind anders ausgeprägt als die marktlichen Rahmenbedingungen von markenführenden Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken. Tabelle 9: Forschungshypothesen zum Kompetenzprofil von markenführenden Organisationen Quelle: Eigene Darstellung. H1h:
Weisen diese Hypothesen einen eher deskriptiven Charakter auf, so soll mit den Forschungshypothese zur Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg ein kausaler Zusammenhang geprüft werden. Hierzu kann eine zweite Basis-Hypothese (H2) aufgestellt werden, die durch neun Unter-Hypothesen (H2a-i) spezifiziert wird. Basis-Hypothese Je positiver Markenführungskompetenzen in einer markenführenden Organisation ausH2: geprägt sind, desto größer ist der Markenerfolg. Unter-Hypothesen H2a: Je besser die Markeninformationsabsorptionskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2b: Je besser die strategische Markenplanungskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2c: Je besser die Markenevolutionskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2d: Je besser die interne Markendurchsetzungskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2e: Je besser die operative Markenumsetzungskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. Je besser die Markencontrollingkompetenz in einer markenführenden Organisation ausH2f: geprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2g: Je besser positiv die Kundenakquisitionskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. H2h: Je besser positiv die Kundenbindungskompetenz in einer markenführenden Organisation ausgeprägt ist, desto größer ist der Markenerfolg. Die marktlichen Rahmenbedingungen der markenführenden Organisationen haben keiH2i: nen Einfluss auf den Markenerfolg. Tabelle 10: Quelle:
Forschungshypothesen zur Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die aufgestellten Forschungshypothesen sollen im Folgenden im Rahmen einer empirischen Untersuchung überprüft werden.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
C
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
1
Ausgangslage und Vorgehen
201
In den Kapiteln des Abschnitts B wurden auf Basis der theoretischen Erkenntnisse des CBV und des identitätsbasierten Markenführungsansatzes zunächst das Untersuchungsgebiet und die Forschungsfragen definiert. Anschließend wurden bestehende Strukturierungsansätze von Unternehmens- und Marketingkompetenzen auf ihre Eignung für eine Strukturierung von Markenführungskompetenzen untersucht. Auf Grundlage der vorgenommenen Bewertung wurden diese Erkenntnisse in einen neuen Strukturierungsansatz übertragen, in dessen Rahmen die Markenführungskompetenzen des identitätsbasierten Markenmanagements konzeptualisiert wurden. Dieser stellt im Folgenden die Basis einer empirischen Untersuchung dar. In Hinblick auf empirische Analysen weist die kompetenz- und ressourcenorientierte Forschung (insbesondere bezüglich der Markenführung) jedoch erhebliche Defizite auf.813 Zu wesentlichen Konstrukten, wie bspw. Ressourcen, Kompetenzen, Managementprozessen, etc. fehlen empirisch abgesicherte und damit belastbare Erkenntnisse zu Operationalisierungen, die sich in einer empirischen Kompetenzstudie verwenden ließen.814 Hierzu führen HENDERSON/COCKBURN an: „[…] Despite the renewed theoretical interest in these ideas, empirical work in the area is still at a preliminary stage. […] With some notable exceptions […] relatively little empirical work has attempted to combine the richness of measures of competence derived from the fieldwork with large-scale statistical studies of competition.”815 Jedoch reicht eine theoretische Operationalisierung von konzeptionellen Überlegungen nur bedingt aus.816 Ziel dieser Untersuchung ist es daher, das aus der Theorie deduzierte Strukturierungsmodell zu den Markenführungskompetenzen eines identitätsbasierten Markenmanagements einer empirischen Analyse zu unterziehen.
813
Vgl. u. a. LUKAS/HULT/FERRELL (1996).
814
Bspw. führen SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996) an „[…] The field has a paucity of empirical studies.“ SANCHEZ/HEENE/THOMAS (1996b), S. 2.
815
COCKBURN/HENDERSON (1994), S. 63.
816
Vgl. POPPER (1997); KUHN (1997).
202
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Das folgende Kapitel stellt die Methodik und Vorgehensweise der empirischen Erhebung vor. Im Anschluss werden methodische Grundlagen und Kriterien der verwendeten Analysemethoden skizziert. Daraufhin erfolgt die Vorstellung und Diskussion von Ergebnissen der empirischen Untersuchung. Hierbei wird zunächst die Operationalisierung der Markenführungskompetenzen vorgestellt, um die unmittelbaren Untersuchungskonstrukte (vgl. Kap. B.3.5) weiter zu spezifizieren. Parallel wird dann das entwickelte Messmodell einer empirischen Reliabilitäts- und Validitätsüberprüfung unterzogen. Hierbei soll geprüft werden, ob die gewählte Operationalisierung im Rahmen des erhobenen Datensatzes einen geeigneten Messansatz darstellt, Markenführungskompetenzen zu spezifizieren. Im Anschluss werden auf Basis der vorgestellten Operationalisierung die Ergebnisse eines Diskriminanzvergleichs der Kompetenzprofile von überdurchschnittlich erfolgreichen und weniger erfolgreichen Markenorganisationen vorgestellt und diskutiert. Abschließend werden die Wirkungen von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg anhand eines multiplen Regressionsmodells untersucht und diskutiert.
2
Konzeption und Design der Befragung
Im folgenden Abschnitt werden die Charakteristika der Datenerhebung und der Datenbasis der vorliegenden Untersuchung beschrieben. Hierbei wird zunächst auf die gewählte Datenerhebungsmethode, die Entwicklung des Fragebogens sowie den damit verbundenen Pre-Test eingegangen. Im Anschluss wird die Durchführung der Stichprobenselektion sowie die eigentliche Datengenerierung durch eine Unternehmensbefragung skizziert.
2.1
Datenerhebungsmethode und Entwicklung des Erhebungsinstruments
In der empirischen Kompetenzforschung können, ähnlich wie in der Strategieforschung, verschiedene Ansätze zur Erhebung von Daten eingesetzt werden. SNOW/HAMBRICK (1980) differenzieren vier grundlegende Ansätze, die im Rahmen von Datenerhebungen angewendet werden können:817
817
Vgl. im Folgenden SNOW/HAMBRICK (1980) sowie BURMANN (2001b), S. 173.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
203
(i) Self-Typing In der empirischen Strategie- und Organisationsforschung, zu der auch die Kompetenzforschung gezählt werden kann, besteht oftmals das Problem eines Mangels an zugänglichen und geeigneten Daten für eine empirische Untersuchung. Daher wird häufig auf Personen zurückgegriffen, die in den Organisationen tätig sind und Informationen bereitstellen.818 Diese werden auch als so genannte „Key Informants“ bezeichnet.819 Diese Key Informants werden nicht durch ein statistisch repräsentatives Zufallsverfahren in der Organisation ermittelt, sondern aufgrund einer spezifischen Qualifikation, wie bspw. bestimmten Wissens und bestimmter Fähigkeiten, oder einer erleichterten Zugänglichkeit und Auskunftsbereitschaft für die Forscher selektiert.820 Bei einem Self-Typing Befragungsansatz charakterisieren die Probanden (i.d.R. TopManager) die Kompetenzen des eigenen Unternehmens.821 Die Ermittlung der Ausprägung einer Kompetenz bzw. eines Kompetenzprofils erfolgt somit aus der Selbsteinschätzung des Unternehmens. (ii) Investigator Inference Bei diesem Ansatz schätzen und bewerten Forscher selbst auf Basis der ihnen vorliegenden Informationen die Kompetenzen (oder auch Strategien) des Unternehmens ein. Dieser Ansatz wird hauptsächlich bei der Deskription von Fallstudien verwendet. Die Qualität der Einschätzung hängt dabei zum einen von der Vollständigkeit und Qualität der vorliegenden Informationen ab und zum anderen von der Fähigkeit des Forschers, diese Informationen zu interpretieren. (iii) External Assessment Der Ansatz des External Assessments umfasst die Befragung externer Experten zur Einschätzung der Kompetenzen und Strategien eines Unternehmens.822 Hierbei wird oftmals auf Sachverständige und Branchenexperten zurückgegriffen, die aufgrund einer langjährigen Erfahrung in der Bewertung und Einschätzung von Unternehmen überdurchschnittliche Kenntnisse der Branchen- und Unternehmenscharakteristika aufweisen.
818
Vgl. SCHWENK (1985), S. 496; KUMAR/STERN/ANDERSON (1993), S. 1633 f.
819
Vgl. SEIDLER (1974), S. 817 f.
820
Vgl. PHILLIPS (1981), S. 396; BAGOZZI/YI/PHILLIPS (1991), S. 423; KUMAR/STERN/ANDERSON (1993), S. 1634.
821
Vgl. SNOW/HAMBRICK (1980), S. 532.
822
Vgl. SNOW/HAMBRICK (1980), S. 533.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
204
(iv) Objective Indicators Beim vierten Ansatz wird auf die subjektive Wahrnehmung und Einschätzung von unternehmensinternen oder unternehmensexternen Personen verzichtet. Vielmehr werden objektive Daten für eine Kompetenzbewertung bzw. Strategieidentifikation herangezogen.823 Beispiele für solche objektiven Daten sind u. a. Anzahl von Mergers & Acquisitions, Produktneueinführungen, Patente, etc. Die vier Ansätze können bezüglich des vorliegenden Untersuchungszusammenhangs anhand von drei Bewertungskriterien beurteilt werden: (i) der Generierung eines ausreichenden Datensamples, das es ermöglicht, multivariate Analysemethoden anzuwenden, (ii) der Breite und Tiefe der relevanten Informationen, die durch den Datenerhebungsansatz generiert werden können und (iii) der Validität der Aussagen, welche sich auf die Objektivität der Informationen bezieht. Die Bewertung der vier Ansätze stellt sich wie in Tabelle 11 skizziert dar. Datenerhebungsansatz
Bewertungskriterium
(i) Self-Typing
(ii) Investigator Inference
(iii) External Assessment
(iv) Objective Indicators
Generierung eines großen Datensamples Breite und Tiefe der relevanten Informationen Validität der Aussagen
Tabelle 11: Quelle:
Bewertung von Datenerhebungsansätzen In Anlehnung an MATHIEU (2004), S. 67.
Die Bewertung verdeutlicht, dass der Self-Typing Ansatz eine Reihe von Vorteilen gegenüber den übrigen Ansätzen aufweist. Zum einen ist er der einzige Ansatz, bei dem es durch einen begrenzten Ressourceneinsatz möglich ist, ein ausreichend großes Datensample zu generieren. Die Samplegröße wird hierbei lediglich durch die Auskunftsbereitschaft der Befragten bzw. die Rücklaufquote begrenzt. Bei den anderen Ansätzen wird sie durch den Kenntnisstand der Forscher bzw. der externen Experten und der Verfügbarkeit von objektiven Informationen stark eingeschränkt. Letzterer Ansatz weist vor allem Schwächen hinsichtlich der Gewinnung von Daten
823
Vgl. SNOW/HAMBRICK (1980), S. 536.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
205
bei nicht publizitätspflichtigen Unternehmen auf, welche die Problematik der Datenverfügbarkeit weiter verschärft.824 Auch bezüglich der Breite und Tiefe der generierbaren Informationen weist der Self-Typing Ansatz als direkte Erhebungsmethode Stärken auf. Hier ist zu konstatieren, dass der Ansatz potenziell den größten Umfang an Informationen generieren kann. Key Infomants verfügen aufgrund ihrer Erfahrungen und des direkten Zugangs zu internen Unternehmensinformationen potenziell über den umfassendsten und aktuellsten Kenntnisstand zu den im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen. Zwar weisen Forscher, die sich langfristig vertieft mit spezifischen Branchen und Unternehmen auseinandersetzen, ebenfalls einen potenziell hohen Kenntnisstand auf. Gleichwohl haben sie nicht in demselben Umfang Zugang zu relevanten und spezifischen Unternehmensinformationen, die bspw. bei Befragungen zu Unternehmenskompetenzen erhoben werden. Daher ist dieser Kenntnisstand als weniger ausgeprägt anzusehen als der von Key Informants. Diese Einschränkung trifft auch auf externe Sachverständige zu, deren Wissen teilweise nicht auf dem aktuellsten Stand und unvollständig sein kann. Ferner können objektive Indikatoren den Inhalt und die Ausprägung von Kompetenzen nur schwer erfassen, da zum einen diese häufig nicht branchenübergreifend vorliegen und zum anderen unternehmensexterne Einflüsse die uneingeschränkte Vergleichbarkeit limitieren. Neben den skizzierten Vorteilen des Self-Typing Ansatzes weist diese Erhebungsmethodik hinsichtlich der Validität und Objektivität der Aussagen (Resistenz gegenüber Wahrnehmungs- und Interpretationsverzerrungen) Schwächen auf. Die subjektive Bewertung und der damit verbundene so genannte „information bias“ können Informationen verzerren und ihren Aussagegehalt einschränken. Dieser „information bias“ kann u. a. aus beschränkten Informationsverarbeitungskapazitäten,825 Wahrnehmungsverzerrungen und divergierenden Informationsständen entstehen, die sich (aus den Daten) nur schwer von außen identifizieren lassen.826 Key Informants müssen nicht notwendigerweise über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen, um (Markenführungs)Kompetenzen in ihrem Unternehmen einschätzen oder vergleichen zu
824
Vgl. SNOW/HAMBRICK (1980), S. 535.
825
Durch beschränkte kognitive Informationsverarbeitungskapazitäten bei der Beurteilung komplexer Sachverhalte greifen Key Informants auf vereinfachende Heuristiken zurück, die zu systematisch verzerrten Antworten führen können. Vgl. zu verschiedenen Heuristiken in diesem Kontext FISCHER/WISWEDE (1997), S. 201 ff.
826
Einen Überblick über die Formen der Einschränkungen liefert ERNST (2001), S. 87-89.
206
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
können. Diese Fehlerquelle ist allerdings in der empirischen Strategie- und Kompetenzforschung bei der Befragung von Top-Managern als Key Informants als untergeordnet anzusehen, da diese potenziell über den höchsten Kenntnisstand und die größte Befähigung verfügen, zu den im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen und ihren Ausprägungen Auskunft zu geben.827 Zwar könnten auch mehrere Key Informants befragt werden, um ggf. die Validität der Aussagen zu erhöhen. Allerdings konnte anhand einer Untersuchung von DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER festgestellt werden, dass bei der Beurteilung von Unternehmenscharakteristika die Befragung von mehreren Key Informants je Unternehmen kaum zu signifikanten Beurteilungsdivergenzen führt.828 Die übrigen drei Erhebungsmethoden weisen hinsichtlich der Objektivität und Validität der generierten Informationen dennoch potenziell eine höhere Güte auf. Trotz dieser Einschränkung wurde der Self-Typing-Ansatz mit einem Key Informant in der Literatur lange Zeit als probates Instrument bewertet, Daten zu strategischen Fragestellungen der Unternehmensführung zu erheben.829 Bis in die Gegenwart finden sich daher zahlreiche empirische angelegte Untersuchungen, die strategische Variablen der Unternehmensführung auf diese Weise erfassen.830 In der vorliegenden Untersuchung kommt daher das Self-Typing-Instrument als Erhebungsmethode zum Einsatz. Ausschlaggebend hierfür ist vor allem, dass es nur mit dieser Methode möglich ist, für die vorliegenden Fragestellungen zielgerichtet in Hinsicht auf Stichprobengröße sowie Tiefe und Breite der Informationen die benötigten Daten zu generieren. Die Gefahr eines „information bias“ wird darüber hinaus etwas verringert, indem entweder Top-Manager oder Entscheidungsträger des Marketings und der Markenführung als Key Informants befragt werden. Diese Vorgehensweise wurde bspw. ebenfalls von CONANT ET AL. (1990) und DESARBO ET AL. (2005) und weiteren Forschern gewählt.831 Für eine Überprüfung der in Abschnitt B.4.2 aufgestellten theoretischen Untersuchungshypothesen ist es ferner notwendig, den zu untersuchenden Ausschnitt der Realität zu begrenzen und zu bestimmen.832 Es wurde eine eigene Befragung von
827
Vgl. CHATTOPADHYAY et al. (1999), S. 763 f.
828
Vgl. DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER (1993), S. 29.
829
Vgl. SNOW/HAMBRICK (1980); HARRIGAN (1983); DEES/ROBINSON (1984); HUBER/POWER (1985).
830
Vgl. MATHIEU (2004), S. 67.
831
Vgl. bspw. DUSCHEK (1998); VORHIES (1998); HOOLEY et al. (1999); RAMASWAMI/BHARGAVA/ SRIVASTAVA (2004); DESARBO et al. (2005); VORHIES/MORGAN (2005).
832
Vgl. WITTE (1981), S. 22.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
207
markenführenden Unternehmen in Deutschland durchgeführt.833 Hierbei wurde der Erhebungsraum aus Kostengründen sowie aus Gründen der Verfügbarkeit von Unternehmensdaten auf Deutschland begrenzt. Ferner wurde beschlossen, die Befragung mithilfe internetbasierter Fragebögen durchzuführen. LIEBIG/MÜLLER (2005) konnten zeigen, dass sich bei einer OnlineBefragung im Vergleich zu herkömmlichen „Paper-and-Pencil-Befragungen“ keine Divergenzen in den Antworttendenzen der Probanden bzw. in den empirischen Ergebnissen ergeben.834 Allerdings kommen andere Untersuchungen in diesem Zusammenhang zu abweichenden Ergebnissen. Einige Studien ergeben bei papierbasierten Fragebögen eine geringere Tendenz zu sozial erwünschten Antworten und ein offeneres Antwortverhalten.835 Andere Studien beschreiben hingegen ein genau gegenteiliges Ergebnis.836 Hierzu ist allerdings anzumerken, dass diese Studien relativ alt sind. Sie beziehen daher nicht die technischen Möglichkeiten moderner Gestaltungs- und Befragungstechniken mit ein. Daher soll an dieser Stelle den Erkenntnissen von LIEBIG/MÜLLER gefolgt werden. Online-Befragungen weisen im Gegensatz zur konventionellen papierbasierten Methode eine Reihe von Vorteilen auf. Zum einen sind für die Befragten eine unkomplizierte Beantwortung sowie eine einfachere Ergebnisübertragung möglich, was einen positiven Einfluss auf die Rücklaufquote hat. Zum anderen ergeben sich Effektivitätsund Effizienzvorteile für die Befragungsdurchführung und die Datenaufbereitung: Antwortausprägungen liegen bereits in elektronischer Form vor. Somit können Übertragungsfehler bei der Dateneingabe vermieden und im erheblichen Ausmaß Zeit gespart werden.837 Ferner ergeben sich funktionale Vorteile hinsichtlich der Implementierung von Filter-Fragen („Item Branching“).838 Durch die kontinuierliche Datenspeicherung können darüber hinaus potenziell auch die Daten von nicht vollständig beendeten Fragebögen in einer empirischen Analyse berücksichtigt werden. Insge-
833
Eine primärstatistische Datenerhebung war aus Sicht des Autors notwendig, da aufgrund der Spezifität des Untersuchungsdesigns keine sekundärstatistischen Daten zu diesem Thema existieren, die dem Autor zugänglich gewesen wären.
834
Vgl. LIEBIG/MÜLLER (2005).
835
Vgl. KIESLER/SPROULL (1986); MARTIN/NAGAO (1989).
836
Vgl. DAVIS/COWLES (1989); LAUTENSCHLAGER/FLAHERTY (1990).
837
Vgl. zu den Vor- und Nachteilen von Online-Befragungen LIEBIG/MÜLLER/BUNGARD (2004) und die dort zitierte Literatur.
838
Vgl. hierzu und zur Online-Marktforschung allgemein ZERR (2001), S. 7 ff. und die dort zitierte Literatur.
208
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
samt kann daher für die vorliegende Untersuchung die Vorteilhaftigkeit der Anwendung einer Online-Befragung konstatiert werden.
2.2
Grundlagen zur Operationalisierung der im Modell enthaltenen Konstrukte
Das skizzierte Strukturierungsmodell zu den Markenführungskompetenzen des identätsbasierten Markenmanagements enthält theoretische Konstrukte, die nicht direkt erfasst werden können. BAGOZZI/FORNELL (1982) beschreiben ein theoretisches Konstrukt als „[…] an abstract entity which represents the ‚true’, nonobersvable state or nature of a phenomenone“.839 Es handelt sich um eine nicht beobachtbare Größe, die als „latente Variable“ bezeichnet wird. Ziel einer Konstruktmessung ist es, Beziehungen zwischen beobachtbaren (manifesten) Ausprägungen, welche häufig auch als Indikatorvariablen bezeichnet werden, und dem zu untersuchenden (latenten) Konstrukt zu spezifizieren. Hierdurch wird das Konstrukt „empirisch greifbar“ bzw. messbar. Die Zuordnung von empirischen Messindikatoren zu theoretischen Konstrukten und die damit verbundene Festlegung über die Art der Messung wird als Operationalisierung bezeichnet.840 In der Mehrzahl der Fälle werden Konstrukte anhand von mehreren Indikatoren operationalisiert, da ein Indikator in der Regel zur Erfassung des Konstrukts keinen ausreichenden Aussagegehalt aufweist.841 Daher werden in diesen Fällen multiple Indikatoren herangezogen, die bei Befragungen oftmals auch als „Items“ bezeichnet werden.842 In Abhängigkeit von der Richtung der Beziehung zwischen latenter Variable (Konstrukt) und manifesten Indikatorvariablen kann grundsätzlich zwischen zwei Messmodellen unterschieden werden: reflektive und formative Messmodelle.843 (i) Bei reflektiven Messmodellen bilden die Indikatoren einzelne, beobachtbare Partialausprägungen des Konstrukts. Sie werden alle durch das Konstrukt kausal verursacht (vgl. Abbildung 35) und korrelieren deswegen stark untereinander.844 Eine Ver-
839
BAGOZZI/FORNELL (1982), S. 24.
840
Vgl. ATTESLANDER (2003), S. 50.
841
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 348 und 259 ff.; STIER (1999), S. 30 sowie allgemein JACOBY (1978).
842
Vgl. SCHNELL/HILL/ESSER (2005) SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 146; STIER (1999), S. 49.
843
Vgl. bspw. EBERL (2004); EGGERT/FASSOT (2003).
844
Vgl. EBERL (2004), S. 3.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
209
änderung des Konstrukts führt entsprechend zu einer Veränderung aller beobachtbaren Indikatoren. Die Indikatoren sind prinzipiell austauschbar, ohne dass sich der Bedeutungsinhalt des Konstrukts dabei verändern würde. Dies verändert lediglich die Messung. Bei der Messung eines theoretischen Konstrukts mithilfe von reflektiven Variablen ist jede Messung grundsätzlich fehlerbehaftet, da sich der reale Zustand des Konstruktes nicht exakt messen und damit abbilden lässt.845 Daher wird bei reflektiven Messmodellen auch von fehlerbehafteten Messmodellen gesprochen, bei denen versucht wird, den Grad der Fehlmessung zu minimieren. (ii) Bei formativen Messmodellen konstituiert sich das Konstrukt aus den Indikatoren.846 Sie sind demnach als Komponenten des Konstruktes zu interpretieren, welche ihm kausal vorgeschaltet sind (vgl. Abbildung 35). Spezifische Indikatoren decken in diesem Fall spezifische, inhaltliche Charakteristika des Konstrukts ab. Veränderungen eines einzelnen Indikators oder das Entfernen eines Indikators führen zwangsweise auch zu einer Veränderung des Konstrukts. Formative Faktoren dienen vor allem der Informationsverdichtung. Items bzw. Indikatoren formativer Messmodelle können im Gegensatz zu reflektiven Messmodellen vollkommen unabhängig voneinander sein. Sie müssen es jedoch nicht. Bei zu starker Korrelation zwischen den formativen Items entsteht das Problem der Multikollinearität,847 da formative Messmodelle auf dem Prinzip der multiplen Regressionsanalyse beruhen.
845
Vgl. SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 143.
846
Die Indikatoren bilden im übertragenen Sinne die Bausteine des Konstrukts: sie „formen“ es. Vgl. EDWARDS/BAGOZZI (2000), S. 162.
847
Eine zunehmende Multikollinearität läßt Schätzwerte unzuverlässiger werden, die sogar in einer Nicht-Durchführbarkeit einer Regressionsanalyse bei vollkommener Multikollinearität resultieren kann. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 88. Siehe hierzu ausführlich die Ausführungen zur Überprüfung von Messmodellen auf Multikollinearität in Abschnitt C.3.3.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
210
Reflektives Messmodell
į1
x1
į2
x2
į3
x3
Formatives Messmodell
x1
Ȝ1
Ȝ2
ȟ
Ȝ3
ȟ = latente Variable x x = Vektor der manifesten Variable įx = Vektor der Messfehlerterme
x2
x3
ȗ
Ȗ1
Ȗ2
Ș
Ȗ3
Ș = latente Variable x x = Vektor der manifesten Variable ȗ = Messfehlerterm (Störterm)
Abbildung 35: Grundgedanke der reflektiven und formativen Messmodelle Quelle: In Anlehnung an EDWARDS/BAGOZZI (2000), S. 161 f.
In dem im Rahmen dieser Untersuchung zu überprüfenden Modell kommen bei nahezu allen Konstrukten reflektive Messmodelle zum Einsatz. Lediglich beim Markenerfolg wird ein formatives Messmodell verwendet, da sich der Markenerfolg auf Basis der konzeptionellen Überlegungen aus mehreren unterschiedlichen Erfolgsindikatoren konstituiert. Bei der Messung eines Konstrukts wird für jeden Indikator im Fragebogen eine Aussage bzw. eine Frage (Statement) formuliert. Dabei orientiert sich die Formulierung der Statements an den Vorgaben von EDWARDS.848 Hiernach sollen Statements:
848
einfach, klar und direkt formuliert sein,
kurz und prägnant sein und nur ausnahmsweise 20 Wörter überschreiten,
immer nur einen vollständigen Gedanken enthalten,
keine Wörter wie „alle“, „immer“, „niemand“, „niemals“ enthalten,
aus einfachen Sätzen und nicht aus Satzgefügen oder Satzverbindungen bestehen,
Vgl. EDWARDS (1957).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
211
keine Wörter enthalten, die den Befragten unverständlich sein könnten (wie z. B. Fremdwörter oder Fachausdrücke) und
keine doppelten Verneinungen enthalten.
Im Rahmen der Unternehmensbefragung wurden 5er-Skalen verwendet, um die verschiedenen Ausprägungen eines Items zu bewerten. Im Schrifttum herrscht kein Konsens in Bezug auf die Verwendung von Skalenniveaus. Vielmehr wird argumentiert, dass ein allgemeingültiges Optimum hinsichtlich der Anzahl von Skaleneinheiten nicht existiere. Daher lassen sich in der Literatur Skalen mit 2-3 Skaleneinheiten bis hin zu 21er Einheiten finden. Die Verwendung hängt individuell von der jeweiligen Erhebungssituation ab. Die Wahl der Anzahl der Skaleneinheiten wird dabei von drei Faktoren beeinflusst:849 (i) der Diskriminierungsfähigkeit der Probanden (ist abhängig von verschiedenen Einflussfaktoren wie dem Bildungsniveau der Probanden oder der Vertrautheit mit dem Sachgebiet), (ii) der Differenziertheit des einzuschätzenden Sachverhaltes, (iii) der Form der Datenerhebung (bei schriftlichen und Online-Befragungen kann eine größere Anzahl an Einheiten verwendet werden als bei telefonischen Befragungen). Für die vorliegende Operationalisierung wurde eine Rating-Skala mit fünf Skaleneinheiten gewählt. Gegen eine Verwendung von geradzahligen Skalen spricht, dass hierbei keine neutrale Bewertung zwischen den Ausprägungen „gut“ oder „schlecht“ möglich ist. In einer Erhebung von Unternehmenskompetenzen im Vergleich zum Wettbewerb ist jedoch eine neutrale Ausprägung („gleich gut“) eine realistische Ausprägung. Dies bedingt die Verwendung einer ungeraden Skala. Gegen die Verwendung einer 3er-Skala spricht die stark eingeschränkte Möglichkeit der Differenzierung bei Antworten. Ebenfalls wurde die Verwendung der häufig angewandten 7er-Skala verworfen, da im Rahmen erster Pre-Tests eines Fragebogenentwurfes Probanden Probleme bei der Unterscheidung der einzelnen Werte äußerten. Aufgrund dieser kritischen Hinweise wurde das Risiko, die 7er Skala könne die Diskriminierungsfähigkeit der Probanden übersteigen, als sehr hoch eingeschätzt und daraufhin die Verwendung der 5er-Skala beschlossen. Die Anwendung dieser Einteilung folgt
849
Vgl. STIER (1999), S. 66 ff.
212
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
ebenfalls der Empfehlung von ROHRMANN, welcher die Vorteile einer solchen Skaleneinheit hervorhebt.850 Auch RAMASWAMI ET AL. berichten bei ihrer Kompetenzmessung positiv über die Verwendung einer Rating-Skala mit fünf Skaleneinheiten.851 Die Skalierung folgt dabei einer Likert-Skala mit einer Nummerierung von -2 bis +2 und zwei benannten Antwortkategorien an den entsprechenden Maximalausprägungen.852 Die Daten müssen zumindest der Anforderung der Intervallskalierung entsprechen, um für eine multivariate Analyse geeignet zu sein.853 Daraus folgt, dass die Skalen das Kriterium der Äquidistanz zu erfüllen haben, d. h. die vorgegebenen Skalenstufen müssen Intervalle mit gleichen Abständen darstellen und von den Probanden auch so interpretiert und bewertet werden. Die Nummerierung der Antwortkategorien soll dabei diese Interpretation unterstützen. Dieser Vorgehensweise wurde im Fragebogen gefolgt, da sich hieraus mehrere Vorteile ergeben. Zum einen vermindert das Vorgehen die Komplexität für die Probanden. Diese müssen sich bei der Verwendung von gleichen, äquidistanten Itembatterien nicht auf neue Skaleneinheiten einstellen und Erläuterungen zu neuen Benennungen der Kategorien durchlesen und interpretieren. Dies vermeidet Fehler bei der Beantwortung durch Fehlinterpretationen der Skalen und reduziert die Zeit, die Probanden für die Beantwortung benötigen. Darüber hinaus kann mit einer konsistenten Vorgehensweise der Fragebogen durch den Einsatz von Matrizen bzw. Itembatterien verkürzt werden. Zum anderen weist die Vorgehensweise den bedeutenden Vorteil auf, dass dadurch durchgängig graduierte Antworten generiert werden, die untereinander ohne weiteres in Beziehung gesetzt werden können. Ferner muss eine Benennung der Kategorien mit der Nummerierung korrespondieren.854 Sie muss zum Ausdruck bringen, dass die Probanden bei der Beantwortung der Fragen eine persönliche Einschätzung in Form einer Bewertung von Statements vornehmen. Dies ist deshalb von Relevanz, da die Meinung der Probanden erfragt und nicht der Eindruck erweckt werden soll, es gäbe eine findbare „Wahrheit“.
850
Vgl. ROHRMANN (1978).
851
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004).
852
Vgl. STIER (1999), S. 79 ff.
853
Vgl. BORTZ (2005), S. 18 ff.
854
Die Benennung muss darüber hinaus theoretischen und praktischen Anforderungen genügen, die sich auf die Differenzierungsleistung, Eindimensionalität, Zuverlässigkeit und Verständlichkeit beziehen.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
213
ROHRMANN schlägt für die Benennung von Kategorien die „trifft zu“-Bezeichnung vor. Hierbei wird der positive Extrempunkt mit „Trifft völlig zu“ und der negative Extrempunkt mit „Trifft gar nicht zu“ benannt. Diesem Vorschlag wird in weiten Teilen des Fragebogens gefolgt. Bei Datenerhebungen zu Unternehmenskompetenzen findet jedoch oftmals auch ein modifiziertes Vorgehen Anwendung. Hierbei werden die Ausprägungen der Kompetenzen in Relation zum Wettbewerb abgefragt. Die Benennung der Kategorien folgt daher in diesen Fällen dem „besser-schlechter als“Schema. In der Literatur wird argumentiert, dass Befragungen zu den Ausprägungen von Unternehmenskompetenzen in Relation zum Wettbewerb präzisere Einschätzungen der Probanden evozieren würden.855 Dieser Argumentation folgend verwenden eine Reihe der skizzierten Strukturierungsansätze bei ihrer Messung von Kompetenzen Skalen mit vergleichenden Benennungen.856 Gleichwohl wird dieser Vorgehensweise nur teilweise gefolgt. Zwar wird anerkannt, dass eine relative Bewertung von Kompetenzen zu realistischeren Einschätzungen führen kann und der Gefahr einer „Überbewertung“ der eigenen organisationalen Fähigkeiten entgegenwirkt. Allerdings setzt eine vergleichende Bewertung voraus, dass Probanden hierzu durch ihr Wissen in der Lage sind. Probanden müssen daher über ausreichende Kenntnisse über die Kompetenzausprägungen des Wettbewerbs verfügen. Dass dies bei allen hier skizzierten Kompetenzen der Fall ist, muss bezweifelt werden. Zumindest kann argumentiert werden, dass ein hoher Kenntnisstand stärker innengerichteter Kompetenzen, wie der strategischen Markenplanungskompetenz oder der internen Markendurchsetzungskompetenz, anderer Unternehmen nur schwer erlangt werden kann. Bei stärker extern gerichteten Kompetenzen (z. B. der operativen Markenumsetzungskompetenz), deren Wirkungen und Ergebnisse von außen eher zu beobachten sind, ist hingegen eine Einschätzung leichter vorzunehmen. Eine vergleichende Benennung wird daher nur bei den Sachverhalten angewendet, bei denen der Proband voraussichtlich in der Lage ist, einen profunden Vergleich zwischen seiner markenführenden Organisation und Wettbewerbern vorzunehmen. Dies ist bei der strategischen Markenplanungskompetenz, der internen Markendurchsetzungskompetenz und der Markencontrollingkompetenz aus Sicht des Autors nicht oder zumindest nur stark eingeschränkt der Fall. Daher werden im Fragebogen an diesen Stellen „trifft zu“- und an Stellen, an denen ein Vergleich eher
855
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 373.
856
Vgl. bspw. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990); VORHIES/MORGAN (2005); DESARBO et al. (2005).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
214
möglich ist, „besser-schlechter als“-Bezeichnungen für die Kategorien der Itembatterien verwendet. Zusätzlich zu den fünf Antwortkategorien stand den Probanden bei der Beantwortung aller Fragen die Option „Weiß nicht“ zur Verfügung. Dies erhöht zwar die Anzahl fehlender Werte. Jedoch kann hierdurch gleichzeitig die Validität der Befragung gesteigert werden. Falschangaben werden in solchen Fällen minimiert, in denen die Probanden sich zu einer Frage nicht äußern können, aber gezwungen sind eine Antwort zu geben. Zudem ermöglicht diese Kategorie eine automatische Vollständigkeitsprüfung der Angaben nach jeder Frage.
2.3
Fragebogenaufbau und Pre-Test
Die Struktur und der Inhalt des bei der Datenerhebung verwendeten Fragebogens wurden auf in der Literatur zu findende Empfehlungen und auf am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement (LiM®) der Universität Bremen vorhandene Erfahrungen zum Design von Fragebögen hin aufgebaut.857 Hierbei wurden die folgenden grundsätzlichen Kriterien beachtet, wie sie ähnlich bei KROMREY und SCHNELL/HILL/ESSER angeführt werden:858
Der Fragebogen sollte mit einfachen Einleitungsfragen beginnen, um zum einen den Einstieg in das Thema zu erleichtern, und zum anderen Interesse am Fragebogen zu wecken.
Zusammenfassende Bündelung von Fragen, die ähnliche Themenkomplexe behandeln, um die Komplexität zu reduzieren und die Länge des Fragebogens kurz zu halten.
Einsatz von Überleitungssätzen und –fragen beim Beginn neuer Themenkomplexe.
Nutzung von Filterfragen zur gezielten Vertiefung bestimmter Aspekte.
Abfrage von demographischen und funktionsorientierten Fragen erst am Ende des Fragebogens, um die Auskunftsbereitschaft durch eine höher empfundene Anonymität zu steigern.
857
Vgl. für Empfehlungen zum Fragebogendesign bspw. EDWARDS (1957); HOMBURG/KROHMER (2003), S. 231 ff.
858
Vgl. hierzu und zur Fragebogengestaltung allgemein KROMREY (2002); SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 319 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
215
Der entwickelte Fragebogen gliedert sich in vier Abschnitte (vgl. Abbildung 36).
Struktur des Fragebogens
Einleitung
Eingabe des Nutzercodes, Hintergrund der Studie, Angabe der Marke
Fragenteil zu den Markenführungskompetenzen
Markeninformationsabsorptionskompetenz, Strategische Markenplanungskompetenz, Markenevolutionskompetenz, Interne Markendurchsetzungskompetenz, Operative Markenumsetzungsompetenz, Markencontrollingkompetenz, Kundenakquisitionskompetenz, Kundenbindungskompetenz
Fragenteil zum Markenerfolg und den Rahmenbedingungen Markenerfolg, Rahmenbedingungen des Marktes
Sonstige Angaben zum Unternehmen und zur Person Angaben: zu allgemeinen Unternehmens- und Markendaten, zur Funktion des Probanden, Kontakt- und Verlosungsdaten
Abbildung 36: Fragebogen-Struktur der Unternehmensbefragung Quelle: Eigene Darstellung.
Der vollständige Fragebogen ist in Anhang C aufgeführt. Der erste Abschnitt enthält eine kurze Einleitung, in welcher der Hintergrund der Befragung umrissen wird. Hier wurden die Probanden aufgefordert, ihren individuellen Nutzercode einzugeben, der den Zugriff auf die Teilnahme an der Befragung begrenzte.859 In Anlehnung an die Vorgehensweise von MOORMAN/RUST (1999) wurden die Probanden gebeten, für den Fall, dass ein Unternehmen über mehr als eine Marke verfügte, entweder Angaben zu der Marke zu machen, für die sie verantwortlich waren, oder – im Fall einer Verantwortlichkeit für mehrere Marken – Angaben zu der umsatzstärksten Marke zu machen.860 In den beiden mittleren Abschnitten wurden die Daten zu den acht Markenführungskompetenzen sowie dem Markenerfolg und den Rahmenbedingungen erhoben. Hierbei wurde die Reihenfolge der Fragen so gewählt, dass die Antworten möglichst nicht von vorhergehenden Fragen beeinflusst wurden.861 Der Fragebogen schloss mit einem Abschnitt, in dem die statistischen Daten zum markenführenden Unternehmen und dem Probanden erhoben wurden. Ferner wurde den Probanden die Möglichkeit
859
Vgl. zum Nutzercode die Ausführungen in Abschnitt C.2.4.
860
Vgl. MOORMAN/RUST (1999).
861
Hierbei würden die Probanden einen Sinnzusammenhang zwischen ihrer Beantwortung und den darauffolgenden Fragen herstellen und versuchen eine kognitive Konsistenz herzustellen. Dies wird auch als Halo-Effekt bezeichnet. Vgl. KROEBER-RIEL/WEINBERG (2003), S. 317.
216
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
gegeben, an einer Verlosung teilzunehmen und Kontaktdaten für die Zusendung einer Management-Summary der Studienergebnisse anzugeben. Beim Pre-Test des Fragebogens ist ein zweistufiges Vorgehen gewählt worden.862 In einer ersten Stufe wurde der Inhalt des Fragebogens einem umfangreichen, inhaltlichen Test unterzogen. Insgesamt überprüften 19 Personen (Doktoranden, Studenten und Arbeitnehmer im Alter zwischen 23 und 61 Jahren) die Verständlichkeit der Fragen, Weckung des Interesses, Verwendbarkeit der Antworten und Dauer der Befragung. Die erste Stufe des Pre-Tests führte zu Änderungen bei einigen Formulierungen der erklärenden Texte sowie bei einigen Fragen. Ferner wurden orthographische Fehler in den Texten beseitigt. Insgesamt wurde der Fragebogen von allen Test-Probanden im Großen und Ganzen als sehr verständlich, gut beantwortbar und interessant beurteilt. Ein Pre-Tester äußerte inhaltliche Vorschläge zur Erweiterung der Evolutionskompetenz, wodurch diese auch Prozess- und Organisationsinnovationen umfasst hätten. Allerdings wurde dieser Vorschlag aus konzeptionellen Überlegungen verworfen, da diese nicht durch Erkenntnisse des identitätsbasierten Markenführungsansatzes gestützt werden. In zwei Abschnitten wurden die Fragen auf Anraten von zwei Probanden noch stärker strukturiert, was zu einer optischen Verkürzung des Fragebogens führte. Die Beantwortungsdauer des papierbasierten Fragebogens schwankte bei den Pre-Testern zwischen 21 und 25 Minuten. Nach der ersten Stufe des Pre-Tests wurde der Fragebogen in eine elektronische Form übertragen. Hierfür wurde als Befragungsmethode eine standardisierte, schriftliche Online-Befragung gewählt.863 Dabei konnte auf die Expertise des Marktforschungsinstituts Globalpark GmbH in Köln-Hürth zurückgegriffen werden. Das Unternehmen implementierte den Fragebogen in ein Online-Befragungstool („Umfragecenter 4.0“), welches von Globalpark und seinen jeweiligen Auftraggebern seit mehreren Jahren in mehr als 40 Ländern erfolgreich eingesetzt und dabei ständig verbessert wurde.864 Das Hinzuziehen von Globalpark und die Verwendung eines extern erstellten Befragungstools erschien aus mehreren Gründen von Vorteil: Zum einen wurde damit die technische Umsetzbarkeit und eine hohe Qualität der Implementierung sichergestellt. Bei einer Eigenerstellung bzw. Programmierung der OnlineBefragung hätte dies zumindest nicht vollständig sichergestellt werden können. Fer-
862
Vgl. zum Pre-Test SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 324 ff.
863
Vgl. LIEBIG/MÜLLER (2003); LIEBIG/MÜLLER (2005) sowie Abschnitt C.2.1.
864
Vgl. zum Leistungsumfang des “Umfragecenters” der Globalpark GmbH o.V. (2005).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
217
ner ermöglichte die Verwendung des „Umfragecenters“ eine kontinuierliche, methodische Qualitäts- und Statuskontrolle der Befragung sowie eine fehlerfreie Konvertierung der Befragungsdaten in einen SPSS-Datensatz.865 Bei der Programmierung der Online-Befragung konnten individuelle Wünsche in der graphischen Gestaltung der Befragung berücksichtigt werden. So wurden bspw. das Logo des LiM® und Bestandteile des Corporate Designs des Lehrstuhls verwendet und in diesem Rahmen auf jeder Seite der Befragung Hinweise auf die Universität Bremen aufgeführt. Hiermit sollte der Forschungscharakter sowie die Seriosität der Befragung kommuniziert werden. Nach Abschluss der Übertragung wurde die Online-Befragung der zweiten Stufe des Pre-Tests unterzogen. Hieran nahmen elf Personen teil, welche die Befragung vor allem auf ihre Funktionalität, Vollständigkeit und die Dauer der Befragung untersuchten. Es wurde keine Einschränkung der Funktionalität festgestellt und die Antwortkategorien wurden als vollständig betrachtet. Ferner wurden keine inhaltlichen Abweichungen zur Vorlage des papierbasierten Fragebogens festgestellt. Vier der Probanden machten Vorschläge zu einer optischen Verbesserung der Bildschirmseiten. Diese Vorschläge wurden angenommen und implementiert. Ferner wurde die Länge von Itembatterien hinsichtlich einer Reduzierung des notwendigen „Herunterscrollens“ optimiert. Die Beantwortungsdauer der Online-Befragung schwankte bei den Pre-Testern zwischen 17 und 22 Minuten. Zugang zu der Befragung erhielten Pre-Tester sowie die späteren Probanden über die Hompepage des LiM® unter der URL http://www.lim.uni-bremen.de/markenkompetenz. Teilnehmer, die diese URL aufriefen, wurden automatisch auf eine entsprechende Befragungswebseite der Globalpark GmbH weitergeleitet, die nach den Corporate Design-Vorgaben des LiM® gestaltet worden war. Der verwendete Fragebogen der Online-Befragung ist in Anhang C dargestellt.
2.4
Stichprobenselektion und Datengenerierung
Im Gegensatz zu Konsumentenbefragungen werden Forscher bei Unternehmensbefragungen mit einer Reihe spezifischer Herausforderungen konfrontiert, die im Zusammenhang mit der Generierung einer für multivariate Analysemethoden ausreichend großen Stichprobengröße stehen. Aufgrund der nur beschränken Zugäng-
865
Durch die Qualitätskontrolle können Probanden u. a. optisch auf nicht beantwortete Item-Fragen hingewiesen werden.
218
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
lichkeit ist es i.d.R. zeitaufwendiger und gleichzeitig kostenintensiver, Personen in Unternehmen zu kontaktieren. Hierbei ist es vor allem eine Herausforderung, den richtigen Ansprechpartner in einem Unternehmen zu identifizieren. Dies wird u. a. durch eine starke Fluktuation der Mitarbeiter, unternehmensinterne Reorganisationen und eine allgemeine Intransparenz der Organisations- und Verantwortungsstruktur von Unternehmen erschwert. Daher stand bei der Konzeption der Unternehmensbefragung und der damit verbundenen Entscheidung über die in die Untersuchung zu integrierenden Branchen und markenführenden Unternehmen im Vordergrund, eine möglichst große Anzahl an Unternehmen zu kontaktieren. Hierbei war jedoch nicht das Ziel, eine Repräsentativität der Stichprobe hinsichtlich der Branchenverteilung und anderer Unternehmenscharakteristika zu erreichen.866 Im Gegensatz zur Meinungsforschung ist in der Marketingforschung nicht die Ermittlung von Populationsparametern von Interesse, sondern es steht die Untersuchung von Strukturen eines Modells im Vordergrund. Da am Lehrstuhl für innovatives Markenmanagement der Universität Bremen keine Datenbank mit einer ausreichend großen Anzahl von Unternehmen und entsprechenden Ansprechpartnern vorhanden war, wurde für die Generierung der Stichprobe auf Datenbanken der Hoppenstedt-Gruppe als Informationsdienstleister zurückgegriffen.867 Hiermit konnte zum einen sichergestellt werden, dass eine ausreichende Anzahl von Unternehmen zur Kontaktaufnahme selektiert werden konnte und zum anderen möglichst aktuelle Kontaktinformationen der Ansprechpartner in den jeweiligen Unternehmen erhältlich waren. Bei der Selektion der zu kontaktierenden Unternehmen wurde wie folgt vorgegangen: zunächst wurden auf Basis von NACEBranchencodes868 und unter Berücksichtigung qualitativer Überlegungen solche Branchen ausgewählt, von denen anzunehmen war, dass sie eine hohe Zahl von
866
Eine Repräsentativität liegt dann vor, wenn „aus den Ergebnissen einer Stichprobe in Bezug auf die Verteilung aller Merkmale (innerhalb bestimmter statistischer Fehlergrenzen) auf die Verteilung dieser Merkmale in der Grundgesamtheit geschlossen werden kann.“ SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 284.
867
Die Hoppenstedt-Gruppe erstellt und publiziert Zeitschriften, Firmen-, Produkt-, und Finanzinformationen für die Wirtschaft. Vgl. für nähere Informationen zu diesem Informationsdienstleister Hoppenstedt (2006).
868
Das „Nomenclature générale des activités économiques“ (NACE) ist ein System zur Klassifizierung von Wirtschaftszweigen, welches von der Europäischen Union, auf Basis der ISIC Rev. 3 (International Standard Industrial Classification of all Economic Activities) der Vereinten Nationen, entworfen wurde. Dieses entspricht der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamtes.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
219
markenführenden Unternehmen aufwiesen.869 Aus diesen Branchen wurden aus der Hoppenstedt-Datenbank 1.200 Unternehmen zufällig selektiert, von denen der Informationsdienstleister folgende Informationen bereitstellen konnte: Adresse, Name des Entscheiders inkl. Position/Funktion im Marketing oder in der Geschäftsführung sowie Telefonnummer. Diese Liste wurde um 50 Unternehmen ergänzt, welche aus dem Datenbestand des LiM® stammten. Der Grund für diese Ergänzung lag vor allem in der Qualität der Kontakte. Aufgrund der „persönlichen“ Beziehungen, die zwischen dem LiM® und den Kontakten bestanden, war zu antizipieren, dass ein Großteil dieser Verantwortlichen an der Befragung teilnehmen würde. Demnach wurden insgesamt 1.250 Unternehmen als Stichprobe selektiert. Jedem dieser Unternehmen und Ansprechpartner wurde im Folgenden in Zusammenarbeit mit der Globalpark GmbH ein individueller, achtstelliger, alphanumerischer Nutzercode zugeteilt.870 Dieser Code ermöglichte später zum einen den Zugriff auf die Befragung durch die Probanden sowie zum anderen die eindeutige Identifikation des Unternehmens und der Marke. Ferner konnte hiermit ein unberechtigter Zugriff oder eine mehrfache Teilnahme an der Befragung ausgeschlossen werden. Zur Kontaktaufnahme wurde ein personifiziertes Anschreiben aufgesetzt, in dem der Hintergrund des Forschungsprojektes geschildert und um die Unterstützung durch Teilnahme an der Befragung gebeten wurde. Das Anschreiben enthielt darüber hinaus die URL sowie den individuellen Nutzercode, mit dem an der Befragung teilgenommen werden konnte. Zugleich wurde den Unternehmen die vertrauliche Behandlung der Daten und die anonyme Auswertung garantiert. Als Anreiz für die Beteiligung an der Erhebung wurde eine exklusive Zusammenfassung (ManagementSummary) der Ergebnisse angeboten sowie die Teilnahme an einer Verlosung von Sachpreisen. Für etwaige Rückfragen wurden die Kontaktinformationen des Projektleiters angegeben, der auch Autor dieser Dissertationsschrift ist. Auf Basis der Kontaktinformationen wurde den Probanden der Unternehmen Anfang Juni 2005 (Kalenderwoche 23) das personifizierte Anschreiben postalisch zugestellt und parallel die Online-Befragung freigeschaltet. Ende Juni wurde damit begonnen, bei den Unternehmen „nachzufassen“, die in der Zwischenzeit noch nicht an der Befragung teilgenommen hatten. Hierfür wurden die Verantwortlichen entweder telefo-
869
Bei dieser Selektion wurde auf Erfahrungen von früheren empirischen Erhebungen am Marketing Centrum Münster (MCM) sowie auf Erfahrungen am LiM® zurückgegriffen.
870
Ein alphanumerisches Zeichen ist entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer.
220
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
nisch kontaktiert oder durch Recherche der jeweiligen E-Mail-Adresse eine E-mail zur Erinnerung zugesandt. Diese E-Mail enthielt erneut Informationen zum Hintergrund des Forschungsprojektes und die spezifischen Zugangsinformationen zur Teilnahme an der Befragung. Allerdings wurde ein Absatz ergänzt, in dem auf die Bedeutung einer hohen Anzahl von teilnehmenden Unternehmen für das Gelingen des Forschungsprojektes aufmerksam gemacht wurde. Das Befragungsportal wurde in Kalenderwoche 32 geschlossen und die Datenerhebung beendet. Durch die Ansprache der Unternehmen und die Nachfassaktion konnte ein Rücklauf von 161 verwertbaren Fragebögen erreicht werden, von denen 124 Fragebögen vollständig ausgefüllt wurden. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 12,9%. Angesichts der Tatsache, dass die anvisierten Key Informants entweder Mitglieder der Geschäftsleitung waren oder aus der zweiten und dritten Führungsebene der Unternehmen stammten, repräsentiert die Rücklaufquote einen zufrieden stellenden Wert. Die Auswertung der Angaben bezüglich der Position im Unternehmen belegt, dass bei der Erhebung überwiegend die anvisierten Key Informants erreicht wurden. Hierbei gaben 12,1% an, Inhaber, Geschäftsführer, Vorstandsmitglied oder Prokurist zu sein. 56,5% der Teilnehmer gehörten der Gruppe der Direktoren, Marketing- und Kommunikationsleiter an. 5,6% waren Vertriebs- oder PR-Leiter. 21,8% der Teilnehmer hatten die Funktion eines Marketing-, Brand-, oder Produktmanagers und 4,0% andere Funktionen im Unternehmen inne (vgl. Abbildung 37).
Direktor/Marketing-Leiter/ Kommunikations-Leiter: 56,5% Marketing-Manager/BrandManager/ProduktManager: 21,8%
Vorstand/Geschäftsführer/ Inhaber/Prokurist: 12,1%
Vertriebsleiter/PR-Leiter: 5,6% Andere: 4,0%
Abbildung 37: Übersicht über die Funktionen der Befragungsteilnehmer Quelle: Eigene Darstellung.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
221
Von den Teilnehmern zeigten 87,6% Interesse an einer Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse und gaben an, eine Management-Summary erhalten zu wollen. Dies kann als Hinweis für ein hohes Involvement der Befragten interpretiert werden. Abbildung 38 gibt die Verteilung der teilnehmenden Unternehmen in Hinblick auf die Mitarbeitergrößenklasse und die Branchenzugehörigkeit an. Ferner gaben 57,8% der Teilnehmer an, dass die Marke, für die sie verantwortlich seien, im B2C-Geschäft angesiedelt sei. 16,8% waren im B2B-Geschäft tätig und 25,5% gaben an, ihre Marke sei in beiden Bereichen anzusiedeln.
Branchenzugehörigkeit der Unternehmen
Financial Services: 20,2 %
Unternehmensgröße nach Mitarbeiterzahl
Automobilhersteller und -zulieferer: 5,6%
101-250 MA : 15,3%
251-500 MA: 19,4%
Versand- und Einzelhandel: 6,4% Elektronik & Telekommunikation: 12,9%
51-100 MA: 14,5% Fast Moving Consumer Goods: 21,0%
Andere: 33,9%
bis 50 MA: 15,3%
über 500 MA: 35,5%
Abbildung 38: Mitarbeiterzahl und Branchenzugehörigkeit der teilnehmenden Unternehmen Quelle: Eigene Darstellung.
Trotz des zufrieden stellenden Rücklaufes kann eine Verzerrung der Ergebnisse aufgrund einer Nicht-Teilnahme von Unternehmen an der Befragung nicht ausgeschlossen werden. In der Literatur wird in diesem Kontext vom so genannten „Nonresponse Bias“ gesprochen.871 Demnach ähneln Probanden, die relativ spät auf eine Befragungsanfrage reagieren und teilnehmen, denjenigen potenziellen Probanden, die
871
Vgl. zum Nonresponse Bias bspw. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 227 f. sowie zur Beschreibung, wie dies bei Befragungen reduziert werden könne COHEN (2005).
222
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
überhaupt nicht antworten.872 Daher wurde die Gruppe der Teilnehmer, die innerhalb der ersten zwei Wochen an der Befragung teilgenommen hatten, mit der Gruppe verglichen, die in den letzten zwei Wochen des Erhebungszeitraums teilgenommen hatte. Die erste Gruppe umfasste 41 Unternehmen. Die zweite Gruppe umfasste 19 Unternehmen. Der T-Test für die Mittelwertgleichheit zeigte, dass zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich der relevanten Variablen keine signifikanten Unterschiede bestehen. Nur bei einer Variable, der Markeninformationsabsorptionskompetenz, war dies nicht der Fall. Da die Untersuchung jedoch über 50 Variablen umfasst, ist insgesamt nicht von einem Nonresponse Bias auszugehen. Hinsichtlich des Problems von fehlenden Werten („missing values“) wurde wie folgt vorgegangen: zunächst wurde geprüft, ob es Fragebögen gab, bei denen 20% der Fragen nicht bzw. mit „Weiß nicht“ beantwortet wurden, um diese ggf. aus dem Datenpool zu entfernen. Dies war nicht der Fall. Zum Umgang mit fehlenden Werten stellt das Programm SPSS drei Möglichkeiten zur Verfügung:873 (i) Bei der Option „Listenweiser Fallausschluss“ werden solche Fälle, bei denen eine Variable fehlt, komplett (d. h. der gesamte Fragebogen) aus dem Datensatz entfernt. Der Vorteil dieser Methode ist ihre Einfachheit sowie, dass es bei vollständig zufallsverteilten fehlenden Werten zu keiner Verzerrung kommen kann. Der Nachteil ist jedoch, dass insbesondere bei Untersuchungen mit einer großen Anzahl von Variablen, wie im Fall der vorliegenden Untersuchung, eine erhebliche Reduktion der Fallzahl in Kauf genommen werden muss.874 Dies resultiert in einem hohen Maß an Informationsverlusten.875 (ii) Der „Paarweise Fallausschluss“ entfernt bei fehlenden Werten nicht den gesamten Fall, sondern nur die betroffene Variable. Dies führt nicht dazu, dass die Fallzahl reduziert wird. Allerdings liegen bei der Durchschnittsbildung pro Variable unterschiedliche Fallzahlen vor. Hierdurch kann eine Ungleichgewichtung der Variablen entstehen, was insbesondere bei Kovarianzberechnungen zu einem kaum zu rechtfertigenden Anstieg an Komplexität führt.
872
Vgl. KANUK/BERENSON (1975), S. 449; ARMSTRONG/OVERTON (1977), S. 397.
873
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 325; SCHAFER/GRAHAM (2002), S. 155 ff.
874
Vgl. SCHAFER/GRAHAM (2002), S. 156.
875
Vgl. in diesem Zusammenhang BYRNE (2001), S. 290.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
223
(iii) Die Methode des „fallweisen Mittelwert-Einsetzens“ ist vor allem für Variablengruppen möglich, die untereinander stark korrelieren.876 Sie wird deshalb für reflektive Konstrukte oder Konstruktdimensionen eingesetzt, deren Indikatoren eine ausreichend hohe interne Konsistenz aufweisen (Į 0,7). Bei dieser Methode werden die fehlenden Werte von einzelnen Indikatoren durch das Einsetzen der Mittelwerte der dem jeweiligen Konstrukt zugeordneten übrigen Indikatoren ersetzt. Hierdurch werden allerdings die Varianz und damit verbunden die Korrelationen zwischen den Variablen verringert.877 SCHAFER/GRAHAM konnten in einer Untersuchung jedoch belegen, dass hierbei zwar Verzerrungen auftreten können, diese allerdings nicht gravierend sind.878 Letzterer Vorgehensweise soll in dieser Untersuchung gefolgt werden, da sie deutlich effizienter als der listenweise Fallausschluss ist und hierbei vor allem die für eine multivariate Analyse notwendige hohe Fallzahl nicht reduziert wird. Ferner wurde in einem letzten Schritt überprüft, ob die Gesamtvarianz aller gültigen Antworten eines Probanden gleich Null war. Hierdurch sollte nochmals überpüft werden, ob Fälle existierten, bei denen Probanden ausschließlich „Weiss nicht“ angeklickt und/oder sich mit der gleichen Antwort bei allen Fragen „durchgeklickt“ hatten.879 Dies war nicht der Fall. Daher konnte im Folgenden ein Datensatz mit 124 Fällen für die empirische Analyse verwendet werden. Zur Analyse der statistischen Daten wurden das Softwarpaket SPSS 12.01 für das Betriebssystem Windows eingesetzt.
876
Vgl. BAGOZZI/BAUMGARTNER (1996), S. 392 f.
877
Vgl. hierzu und zu einer detaillierten Diskussion weiterer Verfahren in diesem Kontext BYRNE (2001), S. 291 f. Andere Autoren verwenden auch die neuere Methode der „Maximum-Likelihood (ML)-Schätzungen“ für die fehlenden Werte, die auch im Softwarepaket AMOS standardmäßig voreingestellt ist. Allerdings lassen sich in diesem Fall die Anpassungsmaße GFI und AGFI nicht mehr berechnen, die zur Beurteilung der globalen Anpassung herangezogen werden. Vgl. BYRNE (2001), S. 292; SCHAFER/GRAHAM (2002), S. 164.
878
Vgl. SCHAFER/GRAHAM (2002), S. 158.
879
Dieses Vorgehen wird mitunter auch als „Timestamp Analyse“ bezeichnet.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
224
3
Methodische Grundlagen und Kriterien der quantitativen Analyse
3.1
Methodische Grundlagen von multivariaten Diskriminanzvergleichen
Ziel der statistischen Untersuchung der Kompetenzprofile ist es zu analysieren, inwiefern sich diese Unternehmen in ihren Kompetenzausprägungen unterscheiden und welche Wirkungen Kompetenzausprägungen für die Zuordnung von Unternehmen zu überdurchschnittlich erfolgreichen oder weniger erfolgreichen Markenorganisationen haben. Damit lässt sich dieser Teil der empirischen Untersuchung den varianzanalytischen Untersuchungen zuordnen. Hierfür müssen zunächst innerhalb der Stichprobe zwei oder mehr Gruppen gebildet werden, deren Kompetenzprofile daraufhin auf Divergenzen überprüft werden. Ferner muss eine Selektion der abhängigen und unabhängigen Variablen vorgenommen werden. Um solche Unterschiedshypothesen zu überprüfen, kann grundsätzlich auf univariate und multivariate Auswertungsverfahren zurückgegriffen werden.880 BORTZ (2005) weist darauf hin, dass bei Analysen, in denen Stichproben insgesamt auf Divergenzen (hinsichtlich mehrerer oder aller Variablen) überprüft werden sollen, multivariate Ansätze den univariaten Ansätzen überlegen seien.881 Ferner bedingen bestimmte Untersuchungscharakteristika die Anwendung einer multivariaten Analyse. Dies ist immer dann erforderlich, wenn:
eine Teilmenge von Variablen identifiziert werden soll, die am meisten zur Differenzierung der Stichproben beitragen,
die relative Relevanz der Variablen für die Differenzierung der Stichproben ermittelt werden soll und
ein den am besten trennenden Variablen gemeinsam zu Grunde liegendes Konstrukt zu bestimmen ist.
880
Vgl. BORTZ (2005), S. 585.
881
Vgl. BORTZ (2005), S. 586. Dies gilt typischerweise für Untersuchungen, in denen ein komplexes Merkmal durch mehrere, in der Regel korrelierte Indikatoren operationalisiert wird.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
225
Keine dieser Erkenntnisse ist aus einzelnen univariaten Analysen ableitbar. Daher muss ein multivariates Analyseverfahren angewendet werden. Eines dieser multivariaten Analyseverfahren ist die Diskriminanzanalyse.882 Die multivariate Diskriminanzanalyse geht auf FISHER zurück und ist ein Verfahren zur Analyse von Gruppendivergenzen.883 Sie ermöglicht es zum einen, die Unterschiedlichkeit von zwei oder mehreren Gruppen hinsichtlich einer Mehrzahl von Variablen zu untersuchen und zum anderen solche Variablen zu identifizieren, die beide Gruppen besonders gut voneinander trennen.884 Auf die Untersuchungsfrage bezogen heißt das, dass mit diesem Verfahren untersucht werden kann, inwiefern sich bspw. die Gruppenzugehörigkeit von überdurchschnittlich erfolgreichen Markenorganisationen und weniger erfolgreichen Organisationen durch die Ausprägungen der Markenführungskompetenzen (Kompetenzprofil) der markenführenden Organisationen erklären lässt. Trotz einer formalen Ähnlichkeit zwischen der Diskriminanzanalyse und der Regressionsanalyse, mit der sich der Einfluss von Kompetenzen auf den Markenerfolg untersuchen lässt, bestehen gravierende modelltheoretische Unterschiede. Zum einen ist die unabhängige Variable (Gruppierungsvariable) des Diskriminanzmodells fixiert und die Merkmale (abhängige Variablen) variieren stochastisch. Bei der Regression verhält es sich genau umgekehrt: die abhängigen Variablen sind Zufallsvariablen und die unabhängige Variable ist fixiert.885 Zum anderen weist bei der 2-Gruppen Diskriminanzanalyse die unabhängige Variable eine nominale bzw. binäre und keine metrische Skalierung auf. Nach BACKHAUS ET AL. (2006) können bei der multivariaten Diskriminanzanalyse drei grundlegende Gütekriterien zur Prüfung des Diskriminanzkriteriums herangezogen werden: der Eigenwert, die kanonische Korrelation und Wilks’ Lambda mit dem damit verbundenen Signifikanzwert.886
882
Die Diskriminanzanalyse gehört somit, wie z. B. die Regressionsanalyse oder die Varianzanalyse, zur Klasse der strukturen-prüfenden Verfahren. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 156.
883
Vgl. ursprünglich FISHER (1936).
884
Soll hingegen lediglich überprüft werden, ob sich zwei Gruppen hinsichtlich nur einer einzigen Variable signifikant unterscheiden, kann dies durch einen t-Test und bei mehr als zwei Gruppen durch eine Varianzanalyse überprüft werden. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 156.
885
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 177.
886
Vgl. im Folgenden BACKHAUS et al. (2006), S. 181 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
226
(i) Eigenwert (Maximalwert des Diskriminanzkriteriums): Der Eigenwert ergibt sich aus der Division von „erklärter Streuung“ durch den Divisor „nicht-erklärte Streuung“. Y
SSb SS w
Formel 1:
erklärte Streuung nicht erklärte Streuung Formel zur Berechnung des Eigenwerts der Diskriminanzfunktion
Der Eigenwert bildet ein Maß für die Güte (Trennkraft) der Diskriminanzfunktion. Hierzu ist allerdings negativ festzuhalten, dass er nicht auf Werte zwischen Null und Eins normiert ist. Da die erklärte Streuung und die nicht-erklärte Streuung beliebig positive Werte annehmen können, kann der Eigenwert auch größer als Eins sein. Dies schränkt die Interpretationskraft dieses Gütekriteriums ein. Im Gegensatz dazu ist der Quotient der erklärten Streuung und der Gesamtstreuung auf die Werte von Null bis Eins normiert und daher einfacher zu interpretieren. Y 1 Y
SS b SS b SS w
Formel 2:
erklärteStreuung Gesamtstre uung
Formel zur Berechnung des normierten Eigenwertes
In einem Zwei-Gruppen-Fall, bei dem sich formal ebenfalls bei abgeänderter Fragestellung eine logistische Regressionsanalyse anwenden lässt,887 entspricht der Quotient der Formel 2 dem Bestimmtheitsmaß R2, das als Gütemaß bei der Regressionsanalyse angewendet wird. Hieraus lässt sich der kanonische Korrelationskoeffizient berechnen. (ii) Kanonischer Korrelationskoeffizient: Der kanonische Korrelationskoeffizient wird aus der Wurzel des Quotienten aus erklärter Streuung und Gesamtstreuung ermittelt. c
Y 1 Y
Formel 3:
887
erklärteSt reuung Gesamtstre uung Formel zur Berechnung des kanonischen Korrelationskoeffizienten
Hierbei würde allerdings nicht untersucht werden, inwiefern sich die beiden Gruppen hinsichtlich ihrer Kompetenzausprägungen unterscheiden, sondern wie gut die Regressionsfunktion die Zugehörigkeit zu einer Gruppe erklären kann. Dies steht jedoch bei einer multivariaten Diskriminanzanalyse nicht unbedingt im Fokus.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
227
Im Zwei-Gruppen-Fall entspricht die kanonische Korrelation der (einfachen) Korrelation zwischen den geschätzten Diskriminanzwerten und der Gruppierungsvariable. Üblicherweise wird zur Prüfung der Diskriminanz das Kriterium Wilks’ Lambda herangezogen, welche auch als U-Test bezeichnet wird. (iii) (multivariates) Wilks’ Lambda: Das gebräuchlichste Kriterium zur Prüfung der Diskriminanz bildet Wilk’s Lambda. Dieses Gütekriterium berechnet sich aus der Division von nicht-erklärter-Streuung und Gesamtstreuung.
/
1 1 Y
Formel 4:
nicht erklärteStreuung Gesamtstreuung Formel zur Berechnung von Wilks' Lambda
Beim Wilks’ Lambda handelt es sich um ein inverses Gütemaß. D. h., dass kleinere Werte eine höhere Trennkraft der Diskriminanzfunktion bedeuten. Die Relevanz von Wilks’ Lambda liegt darin, dass sich dieser Wert in eine probalistische Variable transformieren lässt, welche Wahrscheinlichkeitsaussagen über die Divergenz von Gruppen erlaubt. Hieraus wird eine statistische Signifikanzprüfung der Diskriminanzfunktion möglich. Die Signifikanzprüfung beinhaltet einen Test der Nullhypothese H0: H0: Die beiden Gruppen unterscheiden sich nicht. H1: Die beiden Gruppen unterscheiden sich. Dabei liefert die Transformation, wie in Formel 5 dargestellt, eine Variable, die angenähert wie F 2 (Chi-Quadrat) verteilt ist mit J×(g-1) Freiheitsgraden.
F2
ª J G º «¬ N 2 1»¼ ln /
Formel 5: mit:
Formel zur Signifikanzprüfung der Diskriminanzfunktion
N: Anzahl der Fälle J: Anzahl der Variablen G: Anzahl der Gruppen
/ : Wilks’ Lambda ln: natürlicher Logarithmus Der F 2 -Wert wird mit kleinerem / größer. Somit bedeuten höhere Werte eine größere Divergenz der beiden Gruppen. Generell sind hierdurch sowohl univariate als auch multivariate Signifikanzprüfungen möglich. Um jedoch die Divergenz der Kompetenzprofile von zwei Gruppen zu prüfen, müssen mehrere bzw. im besten Fall alle
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
228
Diskriminanzfunktionen bzw. deren Eigenwerte gemeinsam berücksichtigt werden. Hierbei wird das multivariate Wilks’ Lambda verwendet, welches sich aus der Multiplikation der univariaten Lambdas ergibt.888 K
/
1
1 Y k 1
Formel 6: mit:
k
Formel zur Berechnung des multivariaten Wilks' Lambda
Yk: Eigenwert der k-ten Diskriminanzfunktion
Hierbei kann wieder eine Signifikanzprüfung der Unterschiedlichkeit der Gruppen bzw. der Gesamtheit der Diskriminanzfunktionen auf Basis des Wilks’ Lambda für die residuelle Diskriminanz durchgeführt werden. Sie gibt jedoch diesmal Auskunft, ob die Diskriminanzfunktionen in ihrer Gesamtheit die beiden Gruppen signifikant trennen. Dies bedeutet nicht automatisch, dass alle einzelnen Diskriminanzfunktionen (vereinfacht ausgedrückt, die unabhängigen Variablen) signifikant sind (außer bei k=1). Die statistische Signifikanz einer Diskriminanzfunktion besagt darüber hinaus noch nicht, dass die Funktion die beiden Gruppen gut trennt, sondern lediglich, dass sich die Gruppen bezüglich dieser Diskriminanzfunktion signifikant unterscheiden.889 Daher sind bei einer Analyse der Gruppendivergenzen bei den Kompetenzprofilen auch die Unterschiede der Mittelwerte sowie die anderen, oben skizzierten, Bewertungskriterien zu beachten und zu interpretieren. Korrelationen und positive Signifikanzen können jedoch nicht automatisch als Kausalitätshinweise interpretiert werden, sondern lediglich als Koinzidenzen. Sie liefern bestenfalls Hinweise, zwischen welchen Merkmalen kausale Beziehungen bestehen könnten.890 Der Kausalitätsbegriff ist in der empirischen Forschung sehr umstritten und einige Vertreter, wie bspw. BLALOCK, EBERHARDT oder BUNGE vertreten die Ansicht, dass Kausalität empirisch nicht nachweisbar sei.891 Es sei höchstens möglich, mit dem Mittel der Logik einen Kausalnachweis anzuführen. Daher werden die Ergebnisse im Rahmen der empirischen Untersuchung, soweit möglich, logisch und
888
BACKHAUS et al. (2006), S.184.
889
Wie bei allen statistischen Tests gilt, dass nicht jeder signifikante Unterschied auch relevant sein muss. In Abhängigkeit von der Größe des Stichprobenumfanges kann auch ein kleiner Mittelwertunterschied bei einer großen Stichprobe signifikant sein.
890
Vgl. BORTZ (2005), S. 236.
891
Vgl. BLALOCK (1968); EBERHARD (1973); BUNGE (1987).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
229
gleichzeitig vorsichtig interpretiert, ohne dabei von einem kausalen Automatismus bei signifikanten und hohen Korrelationen auszugehen.
3.2
Vorgehensweise zur Beurteilung von Konstruktoperationalisierungen und Messmodellen
Im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung steht die Strukturierung von Markenführungskompetenzen. Damit einher geht die Operationalisierung der hiermit verbundenen hypothetischen Konstrukte im Rahmen von Messmodellen. Wie angeführt, handelt es sich bei den Modellen zu Markenführungskompetenzen um reflektive Messmodelle. Die Messung dieser reflektiven Modelle durch Indikatoren ist grundsätzlich fehlerbehaftet, da sich die Realität durch die Messung nicht hundertprozentig genau abbilden lässt.892 Diese Messfehler lassen sich in zufällige und systematische Fehler einteilen. Daher setzt sich ein gemessener Wert (XO: observed score) für eine Variable immer aus dem wirklichen Wert der Variable (XT: true score) sowie dem zufälligen (XR: random error) und systematischen Fehler (XS: systematic error) zusammen. XO
XT X R X S
Formel 7: Zusammensetzung von Werten aus reflektiven Messmodellen
Der Zufallsfehler tritt bei jeder Messung in unterschiedlicher Stärke auf und beeinflusst die Messergebnisse, ohne dass dabei eine erkennbare Systematik zu identifizieren ist. Systematische Fehler treten bei jeder Messung in der gleichen Höhe und unabhängig von zufälligen Einflussgrößen auf.893 Systematische Fehler entstehen bspw. durch Halo-Effekte und bei Voreingenommenheit der Probanden im Rahmen eines information bias.894 Wird ein Konstrukt über mehrere Indikatoren gemessen, so kann die Konstruktoperationalisierung anhand von zwei grundlegenden Gütekriterien beurteilt werden: der Reliabilität (Zuverlässigkeit einer Messung) und der Validität (Gültigkeit der Messung).895 Die Reliabilität wird von PETER als „the degree to which measures are free
892
Vgl. SCHNELL/HILL/ESSER (2005), S. 143.
893
Vgl. CONNER (1991), S. 117.
894
Vgl. BAGOZZI/YI/PHILLIPS (1991), S. 421.
895
Vgl. HOMBURG/GIERING (1996), S. 6 sowie im Folgenden auch PETER (1979), S. 6 ff.; SCHNELL/ HILL/ESSER (2005), S. 145 ff.
230
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
from error and therefore yield consistent results“896 definiert. Sie beschreibt demnach das Ausmaß der formalen Genauigkeit der Messung und damit, ob die Messung frei von Zufallsfehlern ist. Gütemaße für die Reliabilität schätzen daher auch das Ausmaß der systematischen Varianz einer Messung. Können die Indikatoren einen wesentlichen Anteil an dieser Varianz erklären, stellen sie verlässliche Messungen des Konstrukts dar. Die Validität bezeichnet „the degree to which instruments truly measure the constructs which are intended to measure.“897 Sie beschreibt demnach die konzeptionelle Richtigkeit der Messung, d. h. das Ausmaß, in dem das Messinstrument das misst, was es messen soll und frei von systematischen Fehlern ist.898 Der Zusammenhang zwischen Reliabilität und Validität kann anhand folgender Aussage beschrieben werden: Es ist zwar möglich, dass wiederholte Messungen stets dasselbe Ergebnis liefern (Reliabilität gegeben), aber etwas anderes gemessen wird als beabsichtigt war (Validität nicht gegeben). Andersherum ist es jedoch nicht denkbar, dass ein Messinstrument tatsächlich das misst, was es messen soll, wenn wiederholte Messungen nicht zumindest näherungsweise die gleichen Werte ergeben. Reliabilität stellt somit eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung der Validität dar.899 In der Literatur wird zwischen vier Arten der Validität differenziert, die für diese Untersuchung von Relevanz sind.900 1) Inhaltsvalidität: Sie gibt an, ob die Indikatoren inhaltlich zu dem messenden Konstrukt passen und die Bedeutungsinhalte umfassend abbilden. Da für diese Form der Validität keine oder zumindest nur sehr schwer objektiv messbare Kriterien existieren, wird die Inhaltsvalidität i.d.R. durch qualitative Analysen überprüft. 2) Nomologische Validität: Diese Form der Validität betrachtet das Konstrukt in einem theoretischen Kontext, indem sie postulierte Kausalbeziehungen, die anhand von Hypothesen spezifiziert werden, mit den empirischen Resultaten vergleicht. Können die Hypothesen bestätigt werden, kann dem Modell eine nomologische Validität zugesprochen werden.
896
PETER (1979), S. 7.
897
PETER (1979), S. 6.
898
Vgl. KLINE (2005), S. 59.
899
Vgl. zu dieser Beschreibung auch ZEPLIN (2006), S. 173.
900
Vgl. neben HOMBURG/GIERING (1996), S. 7 ausführlich auch HILDEBRANDT (1998).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
231
3) Konvergenzvalidität: Sie ist dann gegeben, wenn zwischen den Indikatoren, die ein Konstrukt messen sollen, eine hohe Korrelation existiert, d. h. alle unterschiedlichen Indikatoren durch ihre ausreichende Homogenität dasselbe messen und prinzipiell austauschbar sind. 4) Diskriminanzvalidität: Diese Form der Validität betrachtet das Ausmaß, in dem zwei Indikatoren unterschiedliche Sachverhalte erfassen. Die Korrelation zwischen zwei Indikatorvariablen, die unterschiedlichen Konstrukten zugeordnet werden, soll dabei schwächer sein als die Korrelation zwischen Indikatoren eines Konstrukts (oder einer Dimension eines Konstrukts). In der Literatur werden zahlreiche Gütekriterien zur Messung der Reliabilität und Validität von Konstruktoperationalisierungen vorgeschlagen.901 Dabei lassen sich bei der Reliabilitäts- und Validitätsprüfung Kriterien der ersten und zweiten Generation unterscheiden. Die Kriterien der ersten Generation gehen im Wesentlichen auf Gütekriterien der explorativen Faktorenanalyse zurück. Die zweite und wesentlich leistungsfähigere Generation greift auf Gütekriterien der konfirmatorischen Faktorenanalyse zurück. Diese Gütekriterien können jedoch leider im Rahmen dieser Untersuchung nicht erhoben werden. Dies begründet sich aus dem eingeschränkten Stichprobenumfang der Untersuchung. Dieser umfasst hier lediglich 124 Fälle, die im Rahmen der Unternehmensbefragung erhoben wurden und nach Bereinigung des Datensatzes für eine Auswertung zur Verfügung stehen. Allerdings existieren Faustregeln für die Mindestgröße der Stichprobe in Abhängigkeit von der Anzahl der Modellvariablen. Eine vielzitierte Empfehlung von NUNALLY verlangt mindestens zehnmal so viele Fälle wie Modellvariablen.902 Da in der vorliegenden Untersuchung über 50 Variablen gleichzeitig in das zu testende Modell einfliessen würden, genügt der Stichprobenumfang den Anforderungen für eine konfirmatorische Faktorenanalyse als Spezialfall der Kausalanalyse sowie der Erstellung eines Kausalmodells nicht. Im Folgenden werden die in der vorliegenden Untersuchung verwendeten, und durch die Literatur abgesicherten Prüfmethoden vorgestellt.903 Zu den Ansätzen der ersten
901
Vgl. BACKHAUS et al. (2006); HOMBURG/BAUMGARTNER (1995); KLINE (2005).
902
Vgl. NUNNALLY (1978), S. 402
903
Dabei wird dem Vorschlag von HOMBURG/GIERUNG (1996) und der dort zitierten Literatur gefolgt, und die unterschiedlichen Methoden in einer mehrstufigen Prüfung kombiniert. Vgl. HOMBURG/ GIERING (1996).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
232
Generation gehören das Cronbach’sche Alpha, die Item-to-Total-Korrelation und die explorative Faktorenanalyse mit dem Kaiser-Meyer-Olkin Kriterium und dem Anteil der erklärten Gesamtvarianz: (i) Cronbach’sches Alpha904: Das Cronbach’sche Alpha misst die interne Konsistenz (Reliabilität) einer Gruppe von Indikatoren, die einen Faktor darstellen sollen. Es beschreibt den Mittelwert aller Korrelationen, die entstehen, wenn die Indikatoren auf alle möglichen Weisen in zwei Hälften geteilt werden und die Summen der jeweils den beiden Hälften zugeordneten Indikatorvariablen miteinander korreliert werden.905 Das Cronbach’sche Alpha ist das am häufigsten verwendete Reliabilitätskriterium.906 Berechnet wird es nach der Formel:
D
mit:
ª V k2 º k « ¦ » k 1 k 1« V t2 » ¬« ¼» k:
Anzahl der Indikatoren eines Faktors,
V k2 :
Varianz der Ausprägungen des i-ten Indikators,
V t2 :
Varianz der Summe der Ausprägungen aller Indikatoren des Faktors.
Der Wertebereich des Cronbach’schen Alphas erstreckt sich von Null bis Eins. Hohe Werte deuten auf eine hohe Reliabilität hin. Als Richtwert für eine akzeptable Reliabilität wird häufig der Empfehlung von NUNNALLY gefolgt, der einen Mindestwert von 0,7 fordert.907 Bei Untersuchungen mit stark explorativem Charakter, wie im vorliegenden Fall, wird oftmals auch ein Mindestwert von lediglich 0,6 verlangt.908 Der Aussagegehalt des Cronbach’schen Alphas wird jedoch aufgrund von Nachteilen eingeschränkt. In diesem Kontext ist vor allem kritisch anzumerken, dass der Wert des Koeffizienten positiv mit der Anzahl der Indikatoren zusammenhängt und somit Konstruktwerte bei vielen Indikatoren nicht mehr uneingeschränkt aussagekräftig
904
Das Cronbach’sche Alpha geht zurück auf CRONBACH (1951).
905
Vgl. HOMBURG/GIERING (1996), S. 8.
906
Vgl. PETERSON (1994), S. 382.
907
Vgl. NUNNALLY (1978), S. 245.
908
Vgl. MALHOTRA/BIRKS (2003), S. 308. Allerdings lassen sich im betriebswirtschaftlichen Bereich auch durchaus empirische Studien mit Werten unter dieser Grenze finden. Vgl. DESPHANDÉ/ FARLEY/WEBSTER (1993), S. 29 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
233
sind. Ferner ist eine inferenzstatistische Beurteilung (d. h. die Beurteilung mittels eines statistischen Tests) des Koeffizienten nicht möglich.909 (ii) Corrected-Item-To-Total-Correlation: Die Corrected-Item-To-Total-Correlation (CITC) misst nicht das Konstrukt als Ganzes, sondern bezieht sich auf die einzelnen Indikatoren. Sie bezeichnet die Korrelation einer Indikatorvariablen mit der Summe aller Indikatorvariablen. Je stärker die Korrelation eines Indikators mit der Gesamtheit der Indikatoren, desto höher ist auch seine Reliabilität.910 Durch dieses Maß lässt sich eine Reihenfolge hinsichtlich der Güte der Indikatoren erstellen. Die CITC dient als Eliminationskriterium für Indikatoren, indem bei einem zu niedrigen Cronbach’schen Alpha die Indikatorvariable mit der geringsten Corrected-Item-To-TotalCorrelation eliminiert wird. Dies führt nach CHURCHILL JR. in der Regel zu einer Steigerung der Reliabilität.911 Allerdings sollte diese Elimination nicht lediglich aus Gründen der Anpassung des Modells an die Gegebenheiten des Datensatzes durchgeführt werden. Dies impliziert, dass der Elimination auf Basis von CITC-Werten keine inhaltlichen Überlegungen entgegenstehen.912 (iii) Explorative Faktorenanalyse: Die Aufgabe der explorativen Faktorenanalyse besteht darin, die Indikatoren hinsichtlich ihrer zugrunde liegenden Faktorenstruktur zu untersuchen.913 Dies geschieht im Gegensatz zur konfirmatorischen Faktorenanalyse ohne vorherige Definition der Faktorenstruktur. Allerdings kann sie auch zur Validierung verwendet werden. Zur Validierung kommt in der vorliegenden Untersuchung als Faktorenextraktionsverfahren die Hauptachsenanalyse zum Einsatz. Sie betrachtet den Faktor im Gegensatz zur Hauptkomponentenanalyse kausal als Ursache für die Indikatoren.914 Dies entspricht dem Ansatz der reflektiven Messmodelle für theoretische Konstrukte innerhalb von Strukturgleichungsmodellen. Mithilfe der Zuordnung der Indikatoren zu den entsprechenden Faktoren können Hinweise auf die Konvergenz- und Diskriminanzvalidität der theoretischen Konstrukte gewonnen werden.915 Eine akzeptable Konvergenz- und Diskriminanzvalidität liegt vor,
909
Vgl. CORTINA (1993), S. 101.
910
Vgl. NUNNALLY (1978), S. 279.
911
Vgl. CHURCHILL JR. (1979), S. 68 f.
912
Vgl. für ein ähnliches Vorgehen BECKER (1999) sowie LIEROW (2006), S. 161.
913
Vgl. ausführlich zur explorativen Faktorenanalyse BACKHAUS et al. (2006), S. 260 ff.
914
Vgl. hierzu und auch zum Unterschied zur Hauptkomponentenanalyse, bei der keine kausale Interpretation der Faktoren möglich ist, ausführlich BACKHAUS et al. (2006), S. 292 f.
915
Vgl. CHURCHILL JR. (1979), S. 69; HOMBURG/GIERING (1996), S. 12.
234
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
wenn sich alle Indikatoren eindeutig dem zugehörigen Faktor zuordnen lassen. Das bedeutet auch, dass eine explorative Faktorenanalyse, durchgeführt über nur solche Variablen, die einem Faktor zugeordnet werden, ceteris paribus auch nur diesen einen Faktor extrahieren sollte. Darüber hinaus wird als Mindestmaß für Faktorladungen häufig ein Wert von 0,4 verlangt.916 D. h. es werden bei einer mehrdimensionalen Prüfung nur solche Indikatoren einem Faktor wirklich zugeordnet, die auf ihn hoch laden (0,4) und hinsichtlich der anderen Faktoren lediglich eine geringe Ladung aufweisen. Ferner wird mithilfe des Kaiser-Meyer-Olkin-Kriteriums (KMO), das auf Basis der Anti-Image-Korrelationsmatrix berechnet wird,917 die generelle Eignung der Verdichtung zu Faktoren gemessen. Es zeigt an, in welchem Umfang die Ausgangsvariablen zusammengehören und dient somit als Indikator dafür, ob eine Faktorenanalyse sinnvoll erscheint oder nicht.918 Der Wertebereich liegt zwischen 0 und 1. Als Grenzwert für die eindeutige Zuordnung wird nach KAISER und RICE ein Wert von KMO 0,5 angegeben, wobei Werte ab 0,6 als „mittelmäßig“ und ab 0,7 als „ziemlich gut“ bewertet werden.919 In der Literatur wird das MSA bzw. KMO-Kriterium als das beste zur Verfügung stehende Verfahren zur Prüfung der Korrelationsmatrix angesehen und die Durchführung im Rahmen der Faktorenanalyse daher empfohlen.920 Ein weiteres Ergebnis der explorativen Faktorenanalyse ist der Anteil der durch die Faktoren erklärten Varianz der beobachteten Indikatorvariablen. Dieser Anteil informiert über die Größe des Informationsverlustes bei Reduktion der Variablen auf eine deutlich kleinere Zahl von Faktoren.921 Daher wird in der Regel gefordert, dass der extrahierte Faktor mindestens 50% der Varianz der zugehörigen Indikatoren erklären soll. Nach HUBER/HERMANN/PETER (2003) existieren im Schrifttum zum Marketing und zur Markenführung allerdings durchaus Studien, die in renommierten Zeitrschriften publiziert werden und deren durchschnittlich erklärte Varianz teilweise deutlich unter 50% liegt.922
916
Vgl. HOMBURG/GIERING (1996), S. 12.
917
Diese Prüfgröße wird auch als „measure of sampling adequacy (MSA)“ bezeichnet. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 276.
918
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 276.
919
Vgl. KAISER (1974), S. 111 ff.
920
Vgl. STEWART (1981).
921
Vgl. HOMBURG/KROHMER (2003), S. 309.
922
Vgl. HUBER/HERRMANN/PETER (2003), S. 357.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
235
Da aufgrund des begrenzten Stichprobenumfangs in Relation zu der Anzahl der verwendeten Indikatoren keine Prüfung der Operationalisierung auf Basis einer konfirmatorischen Faktorenanalyse durchgeführt werden kann, wird auf eine Beschreibung der in diesem Rahmen aufzuführenden Gütekriterien verzichtet. Dies gilt ebenso für die Beschreibung der Kausalanalyse, die zur Beurteilung des Gesamtmodells bei einer Vielzahl empirischer Studien angewendet wird.
3.3
Vorgehensweise zur Beurteilung des Gesamtmodells
Da aufgrund der Einschränkungen des verfügbaren Datensatzes die Anforderungen für den Einsatz einer Kausalanalyse zur Beurteilung des Gesamtmodells nicht erfüllt werden, wird hierfür auf das Verfahren der multiplen Regressionsanalyse zurückgegriffen.923 Mithilfe dieses Verfahrens ist es möglich, Beziehungen zwischen zwei oder mehreren Indikatorvariablen und einem abhängigen Faktor zu analysieren. Bezogen auf die vorliegende Fragestellung soll untersucht werden, welche Wirkungen die Ausprägungen von Markenführungskompetenzen auf den Erfolg von Marken aufweisen. Durch diese Konstellation einer Ursache-Wirkung-Beziehung wird das Konzept der Kausalität unterstellt. Die Regressionsanalyse ist eine gängige mathematisch-statistische Methode, um solche Dependenzbeziehungen zu untersuchen.924 Das Ergebnis dieser Analyse besteht in einer Gleichung zur Vorhersage von Kriteriumswerten und im multiplen Korrelationskoeffizienten R. Ähnlich wie bei der bivariaten Regression wird die multiple Regressionsgleichung nach der Methode der kleinsten Quadrate geschätzt. Diese hat folgende Form: Yˆ
K
k 1
mit:
K
¦ e ¦ >y 2 k
k 1
k
(b0 b1 x1k ...b j x jk ...bJ x Jk
@
ek = Wert der Residualgröße (k=1, 2, …,K) yk = Werte der abhängigen Variablen (k=1, 2, …, K) b0 = konstantes Glied b j = Regressionskoeffizienten (j=1, 2, …, J) x jk = Werte der unabhängigen Variablen (j=1, 2, …, J; k=1, 2, …,K) J = Zahl der unabhängigen Variablen K = Zahl der Beobachtungen
923
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 45 ff. sowie BORTZ (2005), S. 448 ff.
924
Vgl. HOMBURG/HERRMANN/PLESSER (2000), S. 119 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
236
Allerdings wird darüber hinaus ein weiterer Koeffizient hinzugezogen: der Determinationskoeffizient R2. Dieser wird auch als Bestimmtheitsmaß bezeichnet. Er gibt an, welcher Anteil der Varianz der Kriteriumsvariablen durch die in die Regressionsanalyse einfließenden Prädikatorvariablen erklärt wird. Je höher der Determinationskoeffizient, desto höher auch der postulierte Einfluss, den die unabhängige Variable auf die abhängige Variable ausübt. R2 berechnet sich wie folgt: 2
K
R2
¦ ( yˆ
k
y)
k 1
2
K
¦(y
k
y)
erklärte Streuung Gesamtstreuung
k 1
Formel 8: Formel zur Berechnung des Determinationskoeffizienten
Das Bestimmtheitsmaß R2 wird in seiner Höhe durch die Anzahl der in die Analyse einfließenden Regressoren beeinflusst. Bei gegebener Stichprobengröße kann sich somit automatisch der Erklärungsanteil erhöhen, obwohl die Möglichkeit existiert, dass dies zufallsbedingt ist. Der Wert des Bestimmtheitsmaßes kann also auch mit der Einbindung von irrelevanten Regressoren zunehmen, aber nicht abnehmen. Insbesondere bei einer kleinen Zahl von Freiheitsgraden verschlechtern sich mit der Anzahl der Regressoren die Schätzeigenschaften des Modells.925 Dieser Sachverhalt wird durch das korrigierte Bestimmtheitsmaß R2korr berücksichtigt, indem es den einfachen Determinationskoeffizienten um eine Korrekturgröße vermindert, die umso größer ist, je größer die Zahl der Regressoren und je kleiner die Zahl der Freiheitsgrade ist. Somit ist die Aussagekraft des korrigierten Bestimmtheitsmaßes höher zu bewerten. Eine sinnvolle Interpretation des korrigierten Bestimmtheitsmaßes darf jedoch nicht an der absoluten Höhe des Wertes ansetzen, sondern muss vielmehr ebenso im Modellkontext betrachtet werden. Hierbei sind qualitative Kriterien anzulegen, da Ursache-Wirkung-Beziehungen immer vom jeweiligen Situationsbezug abhängen. Im Rahmen von Marketingkompetenzen bewerten bspw. HOOLEY ET AL. Werte des korrigierten Bestimmtheitsmaßes R2korr ab 0,15 als Indiz für einen hohen Einfluss von Kompetenzen auf den Erfolg von Unternehmen.926
925
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 67.
926
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 272 f.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
237
Bei einer Regressionsanalyse müssen die Prädikatorvariablen auf Multikollinearität, Autokorrelation und Heteroskedastizität geprüft werden. Autokorrelation bezeichnet die Korrelation der Residuen in der Grundgesamtheit und kann zu Verzerrungen der Standardfehler, Koeffizienten, und Konfidenzintervallen führen.927 Sie kann anhand des Durbin-Watson-Tests überprüft werden. Dabei weisen niedrige Werte auf das Vorliegen einer Autokorrelation hin. Die Grenzwerte sind von der Anzahl der Fälle sowie der Anzahl der Regressoren abhängig. Allerdings tritt dieses Problem i.d.R. vermehrt bei Zeitreihenanalysen auf. Da in dieser Untersuchung jedoch Querschnittsdaten verwendet werden, die lediglich in nur einer Periode erhoben wurden und daher die Störterme nicht über die Zeit korreliert sein können, kann dieser Sachverhalt hier eher vernachlässigt werden. Heteroskedastizität beschreibt den Zustand, wenn die Streuung der Residuen in einer Reihe von Werten der prognostizierten abhängigen Variablen nicht konstant ist, d. h. die Störterme sind nicht varianzhomogen.928 Die Störgröße darf nicht von den Prädikatorvariablen und von der Reihenfolge der Beobachtungen abhängig sein, da dies zur Ineffizienz der Schätzung und einer Verfälschung des Standardfehlers des Regressionskoeffizienten führt. Um zu prüfen, ob Heteroskedastizität vorliegt können eine Reihe von Prüfverfahren angewendet werden.929 Eine Möglichkeit auf das Vorliegen einer Heteroskedastizität zu testen, die in dieser Untersuchung Anwendung finden soll, ist die Überprüfung der standardisierten Residuen. Diese erhält man durch Division der Residuen durch ihre Standardabweichung. Liegen die standardisierten Residuen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt, kann von einem Nicht-Vorliegen einer Heteroskedastizität ausgegangen werden.
Als Multikollinearität wird die „wechselseitige, lineare Abhängigkeit von Variablen im Kontext multivariater Verfahren“ bezeichet.930 Weisen die Prädikatorvariablen eine zu hohe Multikollinearität auf, kann im Extremfall die Durchführung einer Regressionsanalyse unmöglich werden. Basierend auf den Arbeiten von MARQUARDT Anfang der 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat sich als Diagnosemaß für Multi-
927
Vgl. HITT/IRELAND (1985), S. 15 f. sowie BACKHAUS et al. (2006), S. 99 f.
928
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 84 f.
929
Vgl. GREENE (2003), S. 215 ff. sowie BACKHAUS et al. (2006), S. 84 ff.
930
BORTZ (2005), S. 452 ff. Durch sie wird der Einsatz von multiplen Regressionsanalysen beeinträchtigt, indem sie die Genauigkeit der Schätzungen der Partialkorrelationen gefährden. BACKHAUS et al. (2006), S. 89.
238
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
kollinearität der Variance Inflation Factor (VIF) etabliert. Dabei handelt es sich zwar um keinen präzisen Wert, jedoch um ein robustes, weithin anerkanntes Multikollinearitätmaß.931 Der VIF indiziert den Faktor, um den sich die Varianzen der betroffenen Indikatoren durch Multikollinearität vergrößern.932 Dabei repräsentiert ein höherer Wert eine entsprechend stärkere Kollinearität. Bei empirischen Daten besteht i.d.R. immer ein gewisser Grad an Multikollinearität, der jedoch nicht automatisch störend sein muss. Relevant ist vielmehr, dass er eine kritische Schwelle nicht überschreitet. Allerdings lässt sich nach BACKHAUS ET AL. keine exakte Grenze für „ernsthafte Multikollinearität“ angeben.933 Während Forscher wie GREENE einen VIF-Wert über 20 als Anzeichen einer zu hohen Multikollinearität ansehen, werden in anderen Beiträgen teilweise niedrigere Werte angesetzt.934 BELSLEY fordert bspw. einen deutlich konservativen Schwellenwert von 7-10.935 Diese strenge Forderung soll im Rahmen dieser Untersuchung noch weiter verschärft werden, um einen möglichst hohen Erklärungsfähigkeit der Regressionskoeffizienten zu gewährleisten. Daher findet hier ein VIFWert von 4 als Grenzwert Anwendung. Ferner kann als weiterer Indikator die Toleranz der Regressoren herangezogen werden. Die Toleranz einer Variablen X k ist
definiert als 1-rj2 und repräsentiert somit den Kehrwert des VIF. 936 Entsprechend bedeuten hier kleine Werte eine höhere Multikollinearität und ein Wert nahe dem Maximum 1 ein geringes Ausmaß.937
3.4
Strukturkoeffizienten zur Interpretation der Prädikatorvariablen des Gesamtmodells
Wie skizziert, liegt i.d.R. ein gewisser Grad von Multikollinearität der Prädikatorvariablen bei empirischen Untersuchungen immer vor. Dies muss zwar insgesamt nicht unbedingt zu einer Verhinderung der Durchführung einer Regressionsanalyse führen,
931
Vgl. GILBERT (1978), S. 87.
932
Vgl. CRANEY/SURLES (2002), S. 391.
933
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 99.
934
Vgl. GREENE (2003), S. 58.
935
Vgl. BELSLEY (1991), S. 28.
936
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 90.
937
Vgl. GÖTZ/LIEHR-GOBBERS (2004), S. 20.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
239
nach BORTZ beeinträchtigt jedoch das Vorliegen auch eines gewissen Maßes an Multikollinearität den Einsatz der multiplen Regression auf dreifache Weise:938
Bei extremer Multikollinearität ist die rechnerische Genauigkeit der b-GewichtSchätzungen gefährdet.939
Multikollinearität kann zu Verzerrungen der Teststatistiken führen.
Multikollinearität erschwert die Interpretation der Stärke des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Prädikatorvariablen und der Kriteriumsvariablen.
Im Extremfall kann dies zu der Situation führen, dass im Rahmen einer Regressionsfunktion zwar ein insgesamt höchst signifikanter Einfluss eines Konstrukts auf die Kriteriumsvariable nachgewiesen werden kann, jedoch sämtliche einzelnen Regressionskoeffizienten angeblich nicht signifikant zu diesem Ergebnis beitragen.940 Die bWerte sind daher nur sehr eingeschränkt für eine Interpretation verwendbar. Es ist anzunehmen, dass dieses Problem ebenfalls im Rahmen der empirischen Untersuchung dieser Arbeit auftreten könnte. Um diese Probleme zu vermeiden, wird im Rahmen dieser Untersuchung zusätzlich zu den Regressionskoeffizienten auf die so genannten Strukturkoeffizienten ( c j ) zurückgegriffen. Durch sie ist es möglich, den Zusammenhang zwischen den Prädikatorvariablen und der vorhergesagten Kriteriumsvariablen ohne Verzerrungen zu beschreiben.941 Strukturkoeffizienten errechnen sich, wenn man die Einzelkorrelationen durch die multiple Korrelation dividiert: cj mit:
r jk R c j = Strukturkoeffizienten
rjc = Korrelation zwischen der Prädikatorvariablen y j und der Kriteriumsvariablen x j R = Korrelationskoeffizient
938
Vgl. BELSLEY/KUH/WELSCH (1980), S. 114 f.
939
Vgl. im Folgenden BORTZ (2005), S. 453.
940
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 90.
941
Vgl. BORTZ (2005), S. 453.
240
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Die Strukturkoeffizienten können dabei Werte zwischen -1 und +1 annehmen. Je größer c j , desto stärker ist der Zusammenhang zwischen den Variablen.942 Somit ist theoretisch die Merkmalskonstellation denkbar, dass eine Einzelkorrelation (und damit auch der entsprechende Strukturkoeffizient) ein anderes Vorzeichen aufweist als das b-Gewicht. Dies hat jedoch keine Auswirkungen auf die prognostizierten Kriteriumswerte.943 Damit stehen zur Interpretation der multiplen Regressionsgleichung zwei verschiedene Indizes mit jeweils spezifischer Relevanz zur Verfügung: (i) zum einen das b-Gewicht (auch Beta-Koeffizient genannt), dem zu entnehmen ist, welchen Beitrag eine einzelne Prädikatorvariable im Kontext aller übrigen Prädikatorvariablen zur Erklärung der tatsächlichen Kriteriumsvarianz leistet; (ii) zum anderen der Strukturkoeffizient, der angibt, welchen Anteil eine Prädikatorvariable an der vorhergesagten Kriteriumsvarianz hat ohne Berücksichtigung der übrigen Prädikatorvariablen.944 Im Rahmen dieser Untersuchung finden im Kapitel C.6 beide Indizes en Anwendung, um ein höchst mögliches Maß an Interpretation der Prädikatorvariablen zu gewährleisten.
4
Operationalisierung der Untersuchungskonstrukte
4.1
Operationalisierung der Markenführungskompetenzen
Im Folgenden werden die Operationalisierungen der Markenführungskompetenzen vorgestellt. Ausgangspunkt der jeweiligen Operationalisierung ist die voran gegangene konzeptionelle Analyse der Konstrukte sowie die im Managementprozess der i-
942
Vgl. zur Herleitung und Berechnung der Strukturkoeffizienten BORTZ (2005), S. 470.
943
Vgl. BORTZ (2005), S. 453.
944
Vgl. hierzu auch THORNDIKE (1978), S. 171 f. sowie THOMPSON/BORELLO (1985).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
241
dentitätsbasierten Markenführung beschriebenen Ablaufschritte.945 Hieraus ergeben sich die Dimensionen der einzelnen Kompetenzen.946 Bei der Entwicklung der Operationalisierungen wurden fünf Experten mit einbezogen, welche über fundierte Kenntnisse zum identitätsbasierten Markenmanagementansatz verfügen. Hierbei ergab sich das Problem, den großen Umfang an möglichen Maßnahmen und Tätigkeiten der im Managementprozess aufgeführten Ablaufschritte in den Indikatoren adäquat abzubilden und gleichzeitig den Umfang und die Komplexität nicht so weit zu erhöhen, dass der Fragebogen für die Probanden nicht mehr handhabbar gewesen wäre. Insgesamt wurden 53 Indikatoren abgeleitet, die sich in unterschiedlichem Maße auf die sechs Markenführungskompetenzen verteilen. Die beiden Meta-Kompetenzen wurden direkt abgefragt, da sie holistisch betrachtet werden sollten. Nach HOMBURG/BAUMGARTNER steht dies im Einklang mit der gängigen Vorgehensweise, Konstrukte auch eindimensional zu operationalisieren.947 Der Test, ob die jeweilige Kompetenz über die gewählten Items eine genügend hohe Reliabilität und Validität aufweist, wird durch die Ermittlung der Gütekriterien der ersten Generation durchgeführt (Cronbach’sches Alpha und Corrected-Item-to-TotalCorrelation als Reliabilitätskriterien sowie Faktorladungen, Kaiser-Meyer-OlkinKriterium und Gesamtvarianz als Validitätskriterien). Dies kann jedoch keine dezidierte Operationalisierungsüberprüfung der Reliabilität und Validität unter Einbeziehung von Gütekriterien der zweiten Generation ersetzen, die allerdings aufgrund der diesem Datensatz immanenten Einschränkungen nicht möglich ist. Daher sollten die hier entwickelten Operationalisierungen anhand eines zweiten Datensatzes mit einem größeren Stichprobenumfang überprüft werden. Dennoch dienen die herangezogenen Kriterien als erster Hinweise, inwiefern die Operationalisierungen frei von Zufallsfehlern sind und eine ausreichend hohe Konvergenz- und Diskriminanzvalidität aufweisen. 4.1.1
Operationalisierung der Markeninformationsabsorptionskompetenz
Die Markeninformationsabsorptionskompetenz wird anhand von sechs Items erfasst, welche die organisationalen Fähigkeiten in Bezug auf die Erlangung und Ver-
945
Vgl. Abschnitt B.2.2.5.
946
Dieser Zusammenhang leitet sich aus konzeptionellen Überlegungen ab, ohne dass hierzu bisher eine empirische Validierung durchgeführt wurde.
947
Vgl. HOMBURG/BAUMGARTNER (1995), S. 1104 sowie HOMBURG/PFLESSER (2000), S. 654.
242
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
arbeitung von unternehmensexternen Informationen darstellen sollen. Dabei wurden die Items so formuliert, dass die Probanden ihre markenführende Organisation im Vergleich zum Wettbewerb beurteilen sollten. Diese drei Items beziehen sich auf die Nachfrager (bzw. Kunden). Dabei werden die organisationalen Fähigkeiten zur Erlangung von Informationen zu den „Bedürfnissen und dem Verhalten aktueller (End-) Kunden“, „zu zukünftigen Trends im Kaufverhalten“ und „wichtigen gesellschaftlichen Entwicklungen“ erhoben. Ein weiteres Item bezieht sich auf die Informationen zu den „aktuellen und potenziellen Wettbewerbern und ihren Strategien“. Ferner deckt das fünfte Item die Informationen zu „neuen technologischen Entwicklungen“ ab. Das letzte Item bezieht sich auf die organisationalen Fähigkeiten in der „entscheidungsrelevanten Aufbereitung aller vorher erlangten Informationen für das Management“. Eine ähnliche Operationalisierung nehmen VORHIES/MORGAN (2005) vor, die ihre so genannte „Market information management“ Kompetenz anhand von fünf Items operationalisieren (vgl. Abbildung 39).948 Weitere Parallelen lassen sich bei den Operationalisierungen von RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) sowie bei DESARBO ET AL. (2005) identifizieren, die ebenfalls die organisationalen Fähigkeiten zur Erlangung von Informationen über Kunden und Wettbewerber und deren Verwendung erheben.949
948
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 92.
949
Vgl. RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004), S. 60; DESARBO et al. (2005), S. 72.
Operationalisierung von Desarbo et al. (2005)
Operationalisierung von Ramaswami/Bhargava/ Srivastava (2004)
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
243
Market information system Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its marketing capabilities…
Gathering information about customers and competitors
Using market research skills to develop effective marketing programs
Tracking customer wants and needs
Making full use of marketing research information
Analyzing our market information
Market sensing How would you rate your company’s…
…ability to track changes in customer needs and wants?
…analysis of customer satisfaction with your products?
…surveillance of competitors?
…collection of strategic information about customers and competitors for use in strategic planning?
Marketing (Information) capabilities Please evaluate how well or poorly you believe that this business unit performs in the specific capability relative to your three major competitors in the industry…
Knowledge of customers
Knowledge of competitors
Market sensing capabilities
Abbildung 39: Operationalisierung von Informationskompetenzen i.w.S. nach VORHIES/MORGAN (2005), RAMASWAMI/BHARGAVA/SRIVASTAVA (2004) sowie DESARBO ET AL. (2005) Quelle: Eigene Darstellung.
Da diese drei Studien die wesentlichen Informationsbereiche abdecken, wurden die Operationalisierungen leicht adaptiert übernommen. Zusätzlich wurde ein Item zur Absorption von Informationen über technologische Entwicklungen in der Branche aufgenommen, da diese als Vorlauf-Indikator für zukünftige Kundenbedürfnisse und neue Produktangebote von Wettbewerbern interpretiert werden können und damit wichtige Informationen für die Markenführung repräsentieren. Tabelle 12 zeigt die verwendeten Statements zur Erfassung der Markeninformationsabsorptionskompetenz sowie deren Reliabilitäts- und Validitätswerte der ersten Generation.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
244
Messmodell für die Markeninformationsabsorptionskompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Unsere Markeninformationsabsorptionskompetenz hinsichtlich… …der Bedürfnisse und dem Verhalten aktueller (End-) Kunden ist […]
Cronbachsches Alpha Item
[inf_kbed]
…zukünftiger Trends im Kaufverhalten ist […]
[inf_trend]
…wichtiger gesellschaftlicher Entwicklungen ist […]
[inf_gesell]
…unserer aktuellen und potenziellen Wettbewerber und deren Strategien ist […] … neuer technologischer Entwicklungen ist […] der Aufbereitung aller gewonnenen, entscheidungsrelevanten Informationen für das das Management ist […]
Tabelle 12: Quelle:
Į (mind. 0,6)
Į = 0,737 [inf_wettb] [inf_techn]
[inf_verw]
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,454
0,538
¥
0,616
0,714
¥
0,443
0,519
¥
0,418
0,456
¥
0,474
0,570
¥
0,430
0,496
¥
¥
Kaiser-MeyerErklärte Gesamtvarianz Olkin(mind. 50%) Kriterium
0,756
¥
30,81%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markeninformationsabsorptionskompetenz Eigene Darstellung.
Insgesamt kann dem Konstrukt der Markeninformationsabsorptionskompetenz eine nur knapp befriedigende Reliabilität und eine knapp ausreichende Validität zugesprochen werden. Mit einem Wert von Į = 0,737 liegt das Cronbach’sche Alpha über dem geforderten Mindestwert von 0,6 für explorative Studien (vgl. Tabelle 12).950 Alle CITC-Werte liegen über den Wert von 0,4, was als Grenze für einen ausreichend hohen linearen Zusammenhang zwischen den Variablen angesehen wird.951 Allerdings wird dieser Wert bei vier der sechs Indikatoren nur knapp überschritten. Da im Rahmen dieser Arbeit keine Gütekriterien der zweiten Generation angeführt werden können, werden die Gütekriterien der an sich „explorativen“ Faktorenanalyse zu einer Validierung der Kompetenz herangezogen. Diese bezieht sich auf die Konvergenz- und Diskriminanzvalidität.952 Somit wird im Rahmen der Prüfung ohne die Heranziehung eines modifizierten Kausalmodells ebenfalls eine konfirmatorische Prüfung der postulierten Faktorenstruktur vorgenommen.953 Hierbei ergibt die Faktorenanalyse, dass alle Items mit einem Wert von über 0,4 auf das Konstrukt laden. Hierbei ist hervorzuheben, dass die Kompetenz der Absorption von Informationen zu
950
Vgl. MALHOTRA/BIRKS (2003), S. 308; DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER (1993), S. 29 ff. sowie Kapitel C.2.2.
951
Vgl. CHURCHILL JR. (1979), S. 68.
952
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 295 f.
953
Vgl. zu diesem Vorgehen die Ausführungen in Kap. C.3.2.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
245
zukünftigen Trends im Kaufverhalten [inf_trend] mit 0,714 am stärksten auf die Markeninformationsabsorptionskompetenz lädt. Dies kann als ein Hinweis auf eine besonders hohe Relevanz für dieses Konstrukt interpretiert werden. Der Wert für das KMO-Kriterium liegt mit 0,756 ebenfalls über dem geforderten Mindestwert von 0,5 und kann nach der Einteilung von KAISER/RICE als „ziemlich gut“ bezeichnet werden.954 Obwohl dem Konstrukt der Markeninformationsabsorptionskompetenz durch die Erfüllung aller vorhergehenden Gütekriterien eine knapp befriedigende Reliabilität und knapp ausreichende Validität zugesprochen werden kann, erklärt die Operationalisierung lediglich 30,81% der Gesamtvarianz. Sie verfehlt somit die geforderte Schwelle von 50% deutlich, obwohl die explorative Faktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten Varimax-Methode mit Kaiser-Normalisierung nur einen Faktor generiert. Hieraus kann geschlussfolgert werden, dass die Operationalisierung nur bedingt tragfähig ist. Anscheinend sind die Absorptionskompetenzen hinsichtlich der einzelnen Informationen sehr heterogen ausgeprägt, was einen höheren Gesamtvarianzanteil verhindert. Auch eine Modifikation der Operationalisierung durch Elimination der beiden Indikatoren mit den niedrigsten Faktorladungen ([inf_verw] und [inf_wettb]) vermag die erklärte Gesamtvarianz des Konstrukts lediglich auf 36,57% anzuheben. Zu vermuten ist, dass zu einer Verbesserung der erklärten Gesamtvarianz das Konstrukt der Markeninformationsabsorptionskompetenz zum einen mehrdimensional hätte erfasst und zum anderen durch eine größere Anzahl von Itemvariablen operationalisiert werden müssen. Da jedoch im Rahmen der vorliegenden holistischen Untersuchung versucht wurde, eine Vielzahl von ähnlich komplexen Konstrukte zu messen, musste die Dezidiertheit der Konstruktoperationalisierung eingeschränkt werden. Dies ist jedoch dennoch als Schwachstelle der Untersuchung zu bewerten. Zwar existiert im Schrifttum eine Reihe von publizierten Kausalmodellen, deren Konstrukte ebenfalls eine sehr niedrige erklärte Gesamtvarianz aufweisen,955 allerdings soll diesem Vorgehen hier nicht gefolgt werden. Aus der Perspektive des Autors ist die mitunter gängige Praxis, Grenzwerte für Gütekriterien „nach Belieben“ den jeweiligen Gegebenheiten eines Datensatzes anzupassen, nur um ein bestimmtes methodisches Vorgehen beibehalten zu können, mehr als fragwürdig.
954
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 276 sowie Abschnitt C.3.2.
955
Vgl. z. B. HUBER/HERRMANN/PETER (2003), S. 357.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
246
4.1.2
Operationalisierung der strategischen Markenplanungskompetenz
Die strategische Markenplanungskompetenz wird anhand von sieben Items operationalisiert. Diese bilden gemäß des identitätsbasierten Verständnisses der strategischen Markenplanung zum einen die Gestaltung der Markenidentität und zum anderen Aussagen zur Güte der strategischen Markenausrichtung ab.
Operationalisierung von Conant/Mokwa/ Varadarajan (1990)
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
Dabei wurden Statements zur Ausrichtung der Marke auf die Zielgruppe sowie zur Vision der Markenverantwortlichen formuliert. Des Weiteren beziehen sich drei Items auf die strategische Aufgabenverteilung der Marke im Rahmen der Markenarchitektur. Hierbei soll die Güte der Markendehnung, die Klarheit und Abgrenzbarkeit der strategischen Aufgaben der Marke sowie die Kommunikation der Position der Marke im Rahmen der Markenarchitektur bewertet werden. Das letzte Item bezieht sich auf die Struktur der Wertschöpfungskette der Marke. Die Ansätze von CONANT/MOKWA/ VARADARAJAN (1990) und VORHIES/MORGAN (2005) nehmen zwar ähnliche Operationalisierungen vor,956 allerdings beziehen sich diese lediglich auf grundlegende Marketingaktivitäten. Abbildung 40 visualisiert deren Operationalisierungen.
Marketing planning Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its marketing capabilities…
Marketing planning skills
Ability to effectively segment and target the market
Marketing management skills and processes
Developing creative marketing strategies
Thoroughness of marketing planning processes
Distinctive marketing competency (selection)
Marketing planning processes
Skill to segment and target markets
Allocation of marketing department resources
Abbildung 40: Operationalisierungen der Marketing-Planung nach VORHIES/MORGAN (2005) und CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) Quelle: Eigene Darstellung.
956
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 374; VORHIES/MORGAN (2005), S. 92.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
247
Teile dieser Operationalisierungen in Bezug auf das „Targeting“ werden modifiziert übernommen. Allerdings nimmt der identitätsbasierte Managementprozess starken Bezug auf die Markenidentität, die von den oben skizzierten Operationalisierungen sowie anderen Ansätzen nicht erfasst wird. Sie repräsentiert jedoch im identitätsbasierten Ansatz den wichtigsten Entscheidungstatbestand der strategischen Markenplanung.957 Daher wurden im Rahmen der Operationalisierung der identitätsbasierten Markenplanungskompetenz neue Items entwickelt. Tabelle 13 zeigt die verwendeten Statements zur Erfassung der strategischen Markenplanungskompetenz sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation. Aufgrund des internen, intransparenten Charakters dieses Kompetenzfeldes wurden die Items nicht im Vergleich zum Wettbewerb erhoben, sondern über „Trifft-zu“ bzw. „Trifft-nicht-zu“ Statements. Messmodell für die strategische Markenplanungskompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Inwieweit treffen bei Ihrer Marke diesbezüglich folgende Aussagen zu? Die Marke ist perfekt auf ihre relevante Zielgruppe ausgerichtet. Die Markenverantwortlichen verfügen über eine klare Markenvision.
Item
Cronbachsches Alpha Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Į (mind. 0,6)
Explorative Faktorenanalyse Kaiser-MeyerErklärte OlkinGesamtvarianz Kriterium (mind. 50%)
Faktorladungen (mind. 0,4)
[plan_Zielgr]
0,545
0,638
¥
[plan_vision]
0,528
0,624
¥
0,679
0,801
¥
0,540
0,589
¥
0,512
0,500
¥
0,564
0,614
¥
0,471
0,500
¥
Die Identität unserer Marke ist umfassend [plan_identita und klar definiert. et] Der Grad der Markendehnung (Zahl der Produktlinien, Zahl der bearbeiteten [plan_dehnun Märkte und Marktsegmente), den wir g] zurzeit realisiert haben, ist angesichts unserer Ziele optimal. Die wettbewerbsstrategischen Aufgaben Į = 0,810 der Marke im Vergleich zu allen anderen [plan_maufga Marken unseres Unternehmens sind be] intern klar definiert. Die Position der Marke im Rahmen der Markenarchitektur unseres Unterneh[plan_positio mens wird im Markt klar kommuniziert n] und wird von den Endkunden verstanden.
¥
Die Struktur unserer Wertschöpfungskette (Fertigungstiefe) ist [plan_fertigun optimal geeignet, das Nutzenverg] sprechen unserer Marke gegenüber dem (End-) Kunden einzulösen.
Tabelle 13: Quelle:
0,784
¥
38,01%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der strategischen Markenplanungskompetenz Eigene Darstellung.
Hiernach kann dem Konstrukt der strategischen Markenplanungskompetenz eine gute Reliabilität und Validität zugesprochen werden, mit der Einschränkung, dass die Schwelle des Gesamtvarianzanteils wiederum deutlich verfehlt wird. Das Cron-
957
Vgl. BURMANN/MEFFERT/FEDDERSEN (2006), S. 31.
248
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
bach’sche Alpha liegt mit einem Wert von Į = 0,810 in einem guten Bereich. Ebenso liegen bis auf das Item [plan_fertigung] zur Struktur der Wertschöpfungskette alle CITC-Werte über 0,5. Hervorzuheben ist hierbei, dass das Item [plan_identität] zur Definition der Markenidentität mit 0,679 den höchsten CITC-Wert aufweist. Die Bewertung der Konvergenz- und Diskriminanzvalidität durch die Faktorladungen der explorativen Faktorenanalyse fällt ebenfalls positiv aus. Alle Ladungen liegen z. T. weit über dem geforderten Minimalwert von 0,4. Auch hierbei ist wieder der gute Wert des Items [plan_identität] hervorzuheben. Der Wert für das KMO-Kriterium liegt mit 0,784 ebenfalls weit über dem geforderten Mindestwert von 0,5 und kann nach der Einteilung von KAISER/RICE als „ziemlich gut“ bezeichnet werden. Allerdings kann der Faktor lediglich 38,01% der Gesamtvarianz der ausgewählten Indikatoren erklären und liegt somit deutlich unter dem Schwellenwert. Dies ist wiederum durch eine relativ große Heterogenität der einzelnen Items in jedem Unternehmen zu erklären. Die eindimensionale Operationalisierung ist daher für eine Kausalanalyse nicht geeignet. Durch eine Modifikation der Operationalisierung könnte lediglich eine gerade noch ausreichende Verbesserung erzielt werden. Hierfür wird der Indikator mit der niedrigsten Faktorladung und dem niedrigsten CITC-Wert (= [plan_fertigung]) eliminiert. Durch eine erneute explorative HauptachsenFaktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten Varimax-Methode mit KaiserNormalisierung wird eine zweidimensionale Konstruktoperationalisierung ermittelt, die einen Gesamtvarianzanteil von 51,65% erklären kann. Modifiziertes Messmodell für die strategische Markenplanungskompetenz
Item [plan_Zielgr] [plan_vision] [plan_identitaet] [plan_dehnung] [plan_maufgabe] [plan_position]
Tabelle 14: Quelle:
Explorative Faktorenanalyse Kaiser-MeyerFaktorladungen (mind. Olkin-Kriterium 0,4) (mind. 0,5) Faktor 1 Faktor 2 0,654 0,206 0,688 0,194 0,782 0,363 0,767 ¥ 0,339 0,433 0,198 0,541 0,201 0,837
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
51,65%
¥
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz für die modifizierte strategische Markenplanungskompetenz Eigene Darstellung.
Während der erste Faktor den Ausgangspunkt und Kern der strategishen Markenplanungskompetenz repräsentiert, erfasst der zweite Faktor erweiterte Aufgaben im Rahmen der strategischen Markenplanung. Die Dehnung einer Marke greift dabei am weitesten in die Zukunft, so dass deren Korrelation mit Faktor 2 am schwächsten ausfällt. Durch eine Elimination der drei dem Faktor 2 zugewiesenen Indikatoren
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
249
könnte der Gesamtvarianzanteil lediglich weiter auf 56,63% gesteigert werden. Dies würde jedoch den KMO-Wert nahe an die tolerierbare Schwelle von 0,50 senken. Insgesamt zeigt die Überprüfung trotz Modifikation wesentliche Schwachstellen der Operationalisierung auf, die sie für zukünftige Untersuchungen als problematisch erscheinen lassen. Daher sollte im Rahmen zukünftiger Operationalisierungen das Konstrukt mehrdimensional operationalisiert werden. 4.1.3
Operationalisierung der Markenevolutionskompetenz
Die Markenevolutionskompetenz wird anhand von sechs Items operationalisiert. Sie beziehen sich gemäß des identitätsbasierten Markenverständnisses nicht nur auf funktionale Neuerungen, sondern ebenfalls auf symbolische Neuerungen. Daher decken vier Items den Innovationsgrad in den vier klassischen Marketinginstrumenten ab. Zwei Items beziehen sich auf den finanziellen Ressourceneinsatz, der für eine Entwicklung von Markeninnovationen notwendig ist. Hierbei wird postuliert, dass die Markenevolutionskompetenz einer markenführende Organisation, welche überdurchschnittlich in Forschung und Entwicklung investiert und einen hohen Anteil ihres Umsatzes mit Neu-Produkten bzw. -Konzepten erwirtschaftet, höher ausgeprägt ist als umgekehrt.958 Da die Ergebnisse dieser Kompetenz(ausprägungen) für externe Marktteilnehmer und insbesondere Branchenkenner wie die selektierten Key Informants relativ transparent sind, werden die Items der Markenevolutionskompetenz durch im Vergleich zum Wettbewerb formulierte Statements abgefragt. Ein ähnliches Vorgehen lässt sich bei VORHIES/MORGAN (2005) beobachten, der diese Kompetenz ebenfalls im Vergleich zum Wettbewerb abfragt (vgl. Abbildung 41).
958
Nach einer McKinsey-Studie sind die innovativsten Unternehmen mit dem größten Anteil an erfolgreichen Neuprodukteinführungen an ihren Gesamtumsätzen auch gleichzeitig die Unternehmen mit den höchsten Investitionen in die Kommunikation. Analog konnte in der gleichen Studie eine negative Korrelation zwischen dem Marktanteil der Handelsmarken und der Innovationsrate von Herstellermarken festgestellt werden. Vgl. McKinsey & Company (1999) zitiert nach GALUNIC/RODAN (1997), S. 146 f.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Operationalisierung von Desarbo et al. (2005)
Operationalisierung von Conant/Mokwa/ Varadarajan (1990)
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
250
New Product Development Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its marketing capabilities…
Ability to develop new products/ services
Developing new products/services to exploit R&D investments
Test marketing of new products/ services
Successfully launching new products/services
Insuring that products/service development efforts are responsive to customer needs
Distinctive marketing competency (selection)
New service development process
Technology capabilities Please evaluate how well or poorly you believe that this business unit performs in the specific capability relative to your three major competitors in the industry…
New product development capabilities
Abbildung 41: Operationalisierung von Produktentwicklungs- bzw. Innovationskompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) sowie DESARBO ET AL. (2005) Quelle: Eigene Darstellung.
Das symbolische Innovationen umfassende Verständnis weicht, wie bei der Konzeptualisierung der Markenevolutionskompetenz skizziert, vom gängigen funktional geprägten Innovationsverständnis ab. Daher beziehen sich die skizzierten Strukturierungsansätze bei ihren Operationalisierungen lediglich auf funktionale Gesichtspunkte. Bspw. fragen CONANT/MOKWA/VARDARJAN und DESARBO ET AL. Probanden lediglich nach ihrem Urteil der „New service developing process“, bzw. “New product development capabilities”. Auch VORHIES/MORGAN folgen diesem engeren Innovationsverständnis in ihrer Operationalisierung, wobei sie in ihrer Erhebung mehrere Items verwenden. Aus der Perspektive des identitätsbasierten Markenführungsverständnisses bezieht sich die Evolutionskompetenz jedoch auch auf die symbolischen Elemente der Marke. Daher ist es notwendig, neue Items in die Operationalisierung mit aufzunehmen. Dies erfolgt durch die Einbeziehung der Innovationsgrade der vier klassischen Marketinginstrumente. Tabelle 15 zeigt die verwendeten Items zur Erfassung der Markenevolutionskompetenz sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
251
Messmodell für die Markenevolutionskompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Bewertung des Innovationsgrades der Marke.
Item
Cronbachsches Alpha Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Į (mind. 0,6)
Explorative Faktorenanalyse Kaiser-MeyerErklärte Gesamtvarianz Olkin(mind. 50%) Kriterium
Faktorladungen (mind. 0,4)
In welchem Umfang investiert Ihre Marke im Vergleich zu ihrem Hauptwettbewerber in Forschung und Entwicklung bzw. in die [evolution_fe_ Entwicklung und den Test neuer budget] Konzepte? Unsere Marke investiert [...] in F&E bzw. den Test neuer Konzepte als unser Hauptwettbewerber.
0,452
0,492
¥
Wenn Sie an den Umsatzanteil der NeuProdukte/Konzepte denken, dann liegt [evolution_um dieser Anteil bei Ihrer Marke im Vergleich s_ neupr2] zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...].
0,482
0,530
¥
0,335
0,498
¥
[evolution_ser vice]
0,514
0,680
¥
[evolution_ distribution]
0,371
0,502
¥
0,347
0,417
¥
Innovationsgrad der Kommunikation Ihrer Marke (z.B. Verwendung neuer [evolution_ko Kommunikationsinstrumente) im mmu] Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...]. Innovationsgrad der Service-Politik Ihrer Marke im Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...]. Innovationsgrad der Distributionspolitik Ihrer Marke im Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...].
Innovationsgrad der Preis-, Finanzierungs& Konditionenpolitik Ihrer Marke im [evolution_prei Vergleich zu dem ihres Hauptwettbes] werbers [...].
Tabelle 15: Quelle:
Į = 0,685
¥
0,702
¥
27,66%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markenevolutionskompetenz Eigene Darstellung.
Insgesamt kann dem Konstrukt der Markenevolutionskompetenz im Rahmen dieser Datenerhebung eine nicht ausreichende Reliabilität und Validität zugesprochen werden. Der Wert des Cronbach’schen Alphas liegt mit Į = 0,685 nur knapp über dem geforderten Mindestmaß von Į = 0,6 für explorative Studien. Die CITC-Werte verdeutlichen, dass die für eine Evolutionskompetenz eher untypischen Items zur Distributionspolitik [evolution_distribution], Kontrahierungspolitik [evolution_preis] und Kommunikationspolitik [evolution_kommu] mit unter 0,4 die niedrigsten Korrelationswerte aufweisen. Die Faktorladungen der explorativen Faktorenanalyse liegen jedoch über dem geforderten Mindestmaß, wenn auch im Falle des Items [evolution_preis] mit 0,417 nur knapp. Dennoch liegt der Wert für das KMO-Kriterium mit 0,702 über dem geforderten Mindestwert von 0,5. Die insgesamt eher kritische Gesamtbeurteilung der Operationalisierung basiert vor allem auf der niedrigen erklärten Gesamtvarianz. Diese repräsentiert mit 27,66% einen unbefriedigenden Wert. Operationalisierungen im Rahmen künftiger empirischer Untersuchungen dieser Kompetenz sollten daher modifiziert werden. Eine Konstruktanpassung im Rahmen dieser Untersuchung liefert hingegen keine befriedigenden Werte. Auch eine Elimination der drei Indikatoren mit den niedrigsten Fak-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
252
torladungen ([evolution_preis], [evolution_fe_budget], [evolution_kommu]) kann den Anteil der Gesamtvarianz lediglich auf 35,81% steigern (vgl. Tabelle 16).Dieser Wert liegt immer noch unter dem geforderten Minimalwert von 50%. Dies ist ein starkes Indiz, dass trotz der Anpassung zwischen den verbliebenen drei Indikatoren eine zu starke Heterogenität existiert, um sie eindimensional erfassen zu können. Daher kann auch auf eine erneute Prüfung der Reliabilität verzichtet werden. Modifiziertes Messmodell für die Markenevolutionskompetenz
Item
Tabelle 16: Quelle:
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. Kaiser-Meyer0,4) Olkin-Kriterium (mind. 0,5) Faktor 1
[evolution_ums_ neupr2]
0,528
[evolution_service]
0,754
[evolution_ distribution]
0,455
0,611
¥
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
35,15%
×
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der Markenevolutionskompetenz Eigene Darstellung.
Eine Anpassung der Operationalisierung im Rahmen einer neuen Untersuchung müsste daher weiter gehen als in diesem Rahmen möglich ist. Empfehlenswert wäre es bspw., das Konstrukt zweidimensional zu erfassen und dabei klar zwischen funktionalen und symbolischen Neuerungen zu trennen. Auch sollte die gemischte Operationalisierung aus qualitativen Eindrücken des Managements und einem objektiven, quantitativen Item (Umsatzanteil) erneut geprüft werden. 4.1.4
Operationalisierung der internen Markendurchsetzungskompetenz
Die interne Markendurchsetzungskompetenz wird anhand von 17 Indikatoren operationalisiert. Die hohe Anzahl der Items ergibt sich zum einen aus der Komplexität dieser Kompetenz, die sich auf das Generieren von markenkonformen Einstellungen (Brand Commitment) und einem markenkonformen Verhalten (Brand Citizenship Behaviour) der bei der Markenleistungserstellung und -darbietung involvierten Personengruppen (Mitarbeiter, Management etc.) bezieht.959 Zum anderen stellt gerade diese organisationale Fähigkeit ein in der Marketing- und Markenforschung noch sehr lückenhaft erforschtes Konstrukt dar.960 Daher wurde im Rahmen dieser Unter-
959
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2006), ZEPLIN (2006).
960
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2005c), S. 280.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
253
suchung eine möglichst breite Operationalisierung der internen Markendurchsetzungskompetenz angestrebt. Die 17 Items beziehen sich dabei auf die Güte der Struktur der Markenorganisation, auf Facetten des Brand Commitments und Brand Citizenship Behaviours, auf die Struktur- und Kulturfits sowie die Ressourcen- und Kompetenzausstattung (hier nach ZEPLIN interpretiert als Zuteilung von Verfügungsrechten) der Mitarbeiter als Kontextfaktoren der internen Markenführung.961 Ferner beziehen sie sich auf die drei Instrumente der internen, operativen Markenführung: dem markenorientierten Personalmanagement, der markenorientierten Mitarbeiterführung und der internen Kommunikation.962 Wie geschildert, lassen die im Rahmen dieser Arbeit skizzierten Strukturierungsansätze anderer Autoren nur sehr begrenzt Erkenntnisübertragungen zur internen Markendurchsetzungskompetenz zu. Dies gilt gleichermaßen für die Operationalisierung. Daher wurden die Items in enger Anlehnung an eine von ZEPLIN durchgeführte empirische Untersuchung zum Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour entwickelt.963 Tabelle 17 zeigt die verwendeten Items zur Erfassung der internen Durchsetzungskompetenz sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation.
961
Vgl. zu diesen Faktoren ausführlich ZEPLIN (2006), S. 148 ff.
962
Vgl. BURMANN/ZEPLIN (2006).
963
Vgl. hierzu die gewählten Operationalisierungen des BC und BCB von Zeplin. Vgl. ZEPLIN (2006), S. 189 ff. und S. 247 ff.
254
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Messmodell für die internen Markendurchsetzungskompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Inwieweit treffen bei Ihrer Marke diesbezüglich folgende Aussagen zu? Die Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen verstehen die Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens. Jeder Mitarbeiter kann erklären, was die Identität (Kern) der Marke für seine tägliche Arbeit bedeutet.
Cronbachsches Alpha Item
Į (mind. 0,6)
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
[durchsetz_ bedeutung]
0,565
0,572
¥
[durchsetz_ erklären]
0,607
0,661
¥
Das Markenmanagement in unserem Unternehmen ist Chefsache. Die Führungskräfte leben die Identität (Kern) der Marke in ihrem täglichen Verhalten überzeugend vor.
[durchsetz_ chefsache]
0,290
0,273
×
[durchsetz_ vorleben]
0,739
0,767
¥
Ein markenkonformes Verhalten aller Mitarbeiter wird durch ein formelles Anreizsystem unterstützt
[durchsetz_ anreiz]
0,407
0,427
¥
[durchsetz_ entschkomp]
0,647
0,691
¥
[durchsetz_ ressfit]
0,504
0,502
¥
[durchsetz_ hrfit]
0,479
0,594
¥
Alle Mitarbeiter verfügen über die Entscheidungskompetenzen, die für ein hohes Marken-Engagement notwendig sind. Alle Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Ressourcen, um sich mit voller Kraft für die Marke einsetzen zu können. Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter achten wir sehr stark darauf, dass der Bewerber zur Identität der Marke passt. Das Know-how aller Mitarbeiter passt sehr gut zur Identität der Marke.
[durchsetz_ knowhowfit]
0,593
0,625
¥
0,643
0,664
¥
[durchsetz_ identfit]
0,718
0,776
¥
Die Struktur unserer Markenorganisation ist im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ struktur]
0,480
0,547
¥
Die Arbeitsprozesse unserer Markenorganisation sind im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ prozesse]
0,450
0,563
¥
Unsere Mitarbeiter mit Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, auch über das hinaus, [durchsetz_ was laut Stellenbeschreibung von ihnen verhalten_mit] verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
0,540
0,583
¥
Unsere Mitarbeiter ohne Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, auch über das hinaus, [durchsetz_ve was laut Stellenbeschreibung von ihnen rhalten_ohne] verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
0,525
0,579
¥
Die Mitarbeiter unserer Zulieferer setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen.
[durchsetz_ zulieferer]
0,405
0,449
¥
Die Mitarbeiter unserer Absatzmittler setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen.
[durchsetz_ absatzmittler]
0,305
0,282
×
Alle unsere Mitarbeiter fühlen sich unserer Marke sehr eng verbunden.
[durchsetz_ verbunden]
Die Identität der Marke passt sehr gut zur Unternehmenskultur.
Tabelle 17: Quelle:
Į = 0,879
¥
Kaiser-MeyerErklärte OlkinGesamtvarianz (mind. 50%) Kriterium
0,865
¥
33,50%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der internen Markendurchsetzungskompetenz Eigene Darstellung.
Dem Konstrukt der internen Markendurchsetzungskompetenz kann insgesamt eine nur befriedigende Reliabilität und Validität zugesprochen werden. Der Wert des
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
255
Cronbach’schen Alphas liegt zwar mit Į = 0,879 weit über dem geforderten Mindestmaß von Į = 0,6. Hier ist zu vermuten, dass dieser gute Wert von der großen Anzahl an Indikatoren positiv beeinflusst wird, allerdings indizieren die z. T. sehr hohen CITC-Werte ebenfalls eine hohe Reliabilität. Insbesondere die von ZEPLIN konzeptionell besonders hervorgehobenen Itemvariablen „Markenidentitätsverständnis der Mitarbeiter“ ([durchsetz_ erklären] CITC = 0,607), das „Vorleben der Markenidentität durch Führungskräfte“ ([durchsetz_ vorleben] CITC = 0,739) und die „Verbundenheit der Mitarbeiter mit der Marke“ ([durchsetz_ verbunden] CITC = 0,643) weisen hohe Werte auf, ebenso wie die Itemvariable „Fit zwischen Markenidentität und Unternehmenskultur“ ([durchsetz_ identfit] CITC = 0,718). Dies kann als starkes Indiz für einen hohen linearen Zusammenhang zwischen diesen Variablen interpretiert werden. Ferner erfüllen 15 der 17 Indikatoritems mit Faktorladungswerten von teilweise weit über 0,4 das Kriterium zur Prüfung der Konvergenz- und Diskriminanzvalidität. Auch hierbei weisen die Items [durchsetz_ identfit] (Faktorladung 0,776) und [durchsetz_ vorleben] (Faktorladung 0,767) die höchsten Werte auf. Die beiden Items [durchsetz_ chefsache] und [durchsetz_absatzmittler] erfüllen hingegen mit Werten von 0,273 bzw. 0,282 das Gütekriterium nicht. Hierfür lassen sich theoretisch-konzeptionelle Argumente finden. In der Praxis weist das Involvement des Top-Managements vieler Unternehmen für die Markenführung Schwächen auf.964 Das Markenmanagement ist in diesen Fällen eher auf der zweiten oder dritten Hierarchiestufe verankert. Dieser Missstand könnte sich auch im Datensatz dieser Untersuchung widerspiegeln. Ferner ist zu beobachten, dass das Brand Commitment und Brand Citizenship Behaviour von Mitarbeitern der Absatzmittler für Herstellermarken oftmals gering ausgeprägt ist.965 Dies kann zum einen mit der Vielzahl von Marken, die Absatzmittler vertreiben, und zum anderen mit der Existenz von teilweise direkten Konkurrenzbeziehungen (Private Labels vs. Herstellermarken) erklärt werden. Hinsichtlich der Validität liegt der Wert für das KMO-Kriterium mit 0,865 weit über dem geforderten Mindestwert von 0,5. Nach KAISER/RICE kann dieser Wert als „verdienstvoll“ bezeichnet werden. Allerdings ist auch bei dieser Kompetenzoperationalisierung zu bemängeln, dass das Konstrukt mit einem Wert von 33,50% einen sehr geringen Anteil der Gesamtvarianz der ausgewählten Indikatoren erklären kann.
964
Vgl. BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 84 f.
965
Vgl. in diesem Kontext ähnlich AHLERT (2005b), S. 223; DILLER/GOERDT (2005), S. 1210.
256
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Anscheinend handelt es sich bei dieser Kompetenz um ein Konstrukt, welches sehr unterschiedliche Dimensionen umfasst. Eine Untersuchung von Zeplin identifiziert ebenfalls mehrere Dimensionen.966 Allerdings wurde hier das Ziel verfolgt, eine verdichtete Messung vorzunehmen, um die innengerichtete Markendurchsetzungskompetenz mit anderen Komptenzen besser vergleichen zu können. Dabei wurde zunächst bewusst in Kauf genommen, dass sich dadurch der Anteil der erklärten Varianz vermindern würde. Dennoch stellt die postulierte eindimensionale Operationalisierung somit in dieser Form keine tragfähige Basis für zukünftige empirische Studien dar. Um die Güte der Operationalisierung zu verbessern, muss sie modifiziert werden. Durch diese Modifikation wird der konfirmatorische Charakter der Konstruktanalyse aufgegeben und durch eine explorative Vorgehensweise ersetzt. Hierbei wird mehrstufig vorgegangen. In einem ersten Schritt werden die vier Indikatoren mit den niedrigsten Faktorladung und den niedrigsten CITC-Werten eliminiert. Hierbei handelt es sich um die bereits diskutierten Variablen [durchsetz_ chefsache] und [durchsetz_ absatzmittler] sowie ferner die Variablen [durchsetz_ anreiz] und [durchsetz_ zulieferer]. Letztere weisen zwar CITC- und Faktorwerte auf, die über den Schwellenwerten liegen. Allerdings erfüllen sie die Anforderungen im Vergleich zu den anderen 13 Variablen nur denkbar knapp (CITC-Werte von 0,407 bzw. 0,405 sowie Faktorladungen von 0,427 bzw. 0,449). In einem zweiten Schritt wird mit den übrigen Variablen eine explorative Hauptachsen-Faktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten Varimax-Methode mit Kaiser-Normalisierung durchgeführt. Dies bestätigt die Annahme, dass es sich bei der Kompetenz um ein mehrdimensionales Konstrukt handelt. Es wird eine dreidimensionale Faktorenstruktur ermittelt, wie in Tabelle 18 dargestellt. Sie kann einen Anteil von 52,15% der Gesamtvarianz erklären. Auch der KMO-Wert liegt über dem geforderten Schwellenwert.
966
Vgl. ZEPLIN (2006); S. 77 und 190 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
257
Modifiziertes Messmodell für die interne Markendurchsetzungskompetenz Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4) Item
Faktor 3
0,783
0,152
0,159
[durchsetz_ erklären]
0,777
0,198
0,270
[durchsetz_ vorleben]
0,520
0,386
0,411
[durchsetz_ entschkomp]
0,228
0,490
0,428
[durchsetz_ ressfit]
0,048
0,323
0,443
[durchsetz_ knowhowfit] [durchsetz_ verbunden]
0,119
0,482
0,426
0,197
0,229
0,662
0,452
0,300
0,402
[durchsetz_ identfit]
0,288
0,530
0,499
[durchsetz_ struktur]
0,162
0,750
0,096
0,184
0,680
0,162
0,348
0,098
0,554
0,310
0,099
0,588
[durchsetz_ prozesse] [durchsetz_ einsatz_mit] [durchsetz_einsatz_o hne]
Quelle:
Faktor 2
[durchsetz_ bedeutung]
[durchsetz_ hrfit]
Tabelle 18:
Faktor 1
Kaiser-Meyer-OlkinKriterium (mind. 0,5)
0,872
¥
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
52,15%
¥
Faktorenstruktur, rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der internen Markendurchsetzungskompetenz Eigene Darstellung.
Die drei Faktoren lassen sich inhaltlich gut interpretieren: Faktor 1 umfasst die Indikatoren, die sich inhaltlich dem Brand Commitment zuordnen lassen. Dies wird zum einen aus dem Indikator zur Verbundenheit der Mitarbeiter mit der Marke ([durchsetz_ verbunden]) deutlich. Zum anderen ist hierfür ein großes Verständnis zur Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens ([durchsetz_bedeutung]) notwendig. Dieses wird durch ein Vorleben der Markenidentität durch die Führungskräfte direkt gefördert ([durchsetz_ vorleben]967). Ferner äußert sich ein hohes Brand Commitment in der Fähigkeit der Mitarbeiter, genau erklären zu können, was die Markenidentität für ihre tägliche Arbeit bedeutet ([durchsetz_ erklären]). Faktor 2 umfasst die Indikatoren, die die strukturellen internen Rahmenbedingungen einer Markenorganisation abdecken, welche für das BCB förderlich sind. Hierzu zählen die den Mitarbeitern zugesprochenen Entscheidungskompetenzen ([durchsetz_ entschkomp]968), der Fit der Mitarbeiter zur Markenidentität bei der Einstellung ([durchsetz_
967
Dieser Indikator lädt ebenfalls mit 0,411 auf den Faktor 3. Da er allerdings stärker auf den Faktor 1 lädt, wird er diesem Faktor zugeordnet.
968
Dieser Indikator lädt ebenfalls mit 0,428 auf den Faktor 3. Da er allerdings stärker auf den Faktor 2 lädt, wird er diesem Faktor zugeordnet.
258
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
hrfit]969), der Fit der Markenidentität zur Unternehmenskultur ([durchsetz_ identfit]970) sowie die Struktur ([durchsetz_struktur]) und die Arbeitsprozesse ([durchsetz_prozesse]) der Markenorganisation. Faktor 3 umfasst die beiden Indikatoren zum freiwilligem und engagierten Einsatz der Mitarbeiter mit und ohne Kundenkontakt ([durchsetz_einsatz_mit] und [durchsetz_einsatz_ohne]). Nach ZEPLIN entsprechen diese Items inhaltlich indirekt dem Brand Citizenship Behaviour.971 Sie werden durch die beiden Items [durchsetz_ ressfit] und [durchsetz_ knowhowfit] ergänzt. Auch diese lassen sich inhaltlich gut und konform mit den Ergebnissen von ZEPLIN interpretieren. Danach wird das BCB durch einen hohen Fit zwischen Know-how der Mitarbeiter und der Markenidentität gefördert. Ferner ist ein hohes Maß an BCB nur dann möglich, wenn den Mitarbeitern auch die erforderlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Insgesamt läßt sich feststellen, dass eine Reihe der Faktor 1 (BC) und Faktor 2 (strukturelle interne Rahmenbedingungen) zugeordneten Indikatoren ebenfalls auch auf den Faktor 3 (BCB) laden. Dies lässt sich inhaltlich gut aus den Forschungsergebnissen von ZEPLIN ableiten, da sie die beiden ersten Faktoren als unmittelbare Einflussfaktoren für das BCB identifiziert.972 Um zu prüfen, ob die identifizierten Dimensionen die Kriterien der Reliabilität und Validität erfüllen, werden die Konstrukte einer erneuten Überprüfung anhand der Gütekriterien der ersten Generation unterzogen (Tabelle 19).
969
Dieser Indikator lädt ebenfalls mit 0,426 auf den Faktor 3. Da er allerdings stärker auf den Faktor 2 lädt, wird er diesem Faktor zugeordnet.
970
Dieser Indikator lädt ebenfalls mit 0,499 auf den Faktor 3. Da er allerdings stärker auf den Faktor 2 lädt, wird er diesem Faktor zugeordnet.
971
Vgl. ZEPLIN (2006); S. 77 und 190 ff.
972
Vgl. ZEPLIN (2006); S. 148.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
259
Modifiziertes Messmodell für die interne Markendurchsetzungskompetenz Cronbachsches Alpha
Lokale Kriterien Item-Statement: Inwieweit treffen bei Ihrer Marke diesbezüglich folgende Aussagen zu?
Item
Die Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen verstehen die Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens.
[durchsetz_ bedeutung]
Jeder Mitarbeiter kann erklären, was die Identität (Kern) der Marke für seine tägliche Arbeit bedeutet.
[durchsetz_ erklären]
Die Führungskräfte leben die Identität (Kern) der Marke in ihrem täglichen Verhalten überzeugend vor.
Į (mind. 0,6)
CorrectedItem-to-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,692
0,786
¥
0,723
0,828
¥
[durchsetz_ vorleben]
0,663
0,738
¥
Alle unsere Mitarbeiter fühlen sich unserer Marke sehr eng verbunden.
[durchsetz_ verbunden]
0,570
0,623
¥
Alle Mitarbeiter verfügen über die Entscheidungskompetenzen, die für ein hohes Marken-Engagement notwendig sind.
[durchsetz_ entschkomp]
0,594
0,651
¥
Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter achten wir sehr stark darauf, dass der Bewerber zur Identität der Marke passt.
[durchsetz_ hrfit]
0,588
0,640
¥
Die Identität der Marke passt sehr gut zur Unternehmenskultur.
[durchsetz_ identfit]
0,652
0,743
¥
Die Struktur unserer Markenorganisation ist im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ struktur]
0,662
0,699
¥
Die Arbeitsprozesse unserer Markenorganisation sind im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ prozesse]
0,634
0,716
¥
Alle Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Ressourcen, um sich mit voller Kraft für die Marke einsetzen zu können.
[durchsetz_ ressfit]
0,381
0,460
¥
Das Know-how aller Mitarbeiter passt sehr gut zur Identität der Marke.
[durchsetz_ knowhowfit]
0,642
0,759
¥
Unsere Mitarbeiter mit Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, auch über das hinaus, was laut Stellenbeschreibung von ihnen verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
[durchsetz_ einsatz_mit]
0,447
0,588
¥
0,574
0,709
¥
Unsere Mitarbeiter ohne Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, [durchsetz_ein auch über das hinaus, was laut satz_ohne] Stellenbeschreibung von ihnen verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
Tabelle 19:
Quelle:
0,831
0,827
0,725
¥
¥
¥
Kaiser-MeyerOlkin-Kriterium (mind. 0,5)
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
0,767
¥
55,93%
¥
0,834
¥
47,73%
x
0,665
¥
40,92%
x
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für die einzelnen Dimensionen des modifizierten dreidimensionalen Messmodells der internen Markendurchsetzungskompetenz Eigene Darstellung.
Die Ergebnisse der Prüfung bestätigen die entwickelte Operationalisierung nur eingeschränkt. Zwar kann konstatiert werden, dass die Modifikation zu einer Verbesserung der Konvergenz und Diskriminanzvalidität geführt hat. Alle drei Dimensionen erfüllen sämtliche Anforderungen hinsichtlich der Grenzwerte des Cronbach’schen Alphas, der Faktorladungen und der KMO-Werte. Allerdings kann nur die Dimension des Brand Commitments mehr als 50% der Gesamtvarianz der jeweiligen Indikatoren
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
260
erklären. Die Dimension der strukturellen internen Rahmenbedingungen verfehlt den Schwellenwert mit 47,73% knapp. Die Dimension des Brand Citizenship Behaviours verfehlt hingegen mit 40,92% den Grenzwert deutlich. Insgesamt kann daher auch die modifizierte Operationalisierung in dieser Form für zukünftige empirische Untersuchungen nur eingeschränkt empfohlen werden. 4.1.5
Operationalisierung der operativen Markenumsetzungskompetenz
Die operative Markenumsetzungskompetenz wird anhand von neun Indikatoren operationalisiert. Bei dieser Operationalisierung wurden Teile der Operationalisierungen von CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), DESARBO ET AL. (2005) und VORHIES/ MORGAN (2005) adaptiert übernommen.973 Abbildung 42 visualisiert die Operationalisierungen dieser Autoren. Ähnlich wie bei CONANT/MOKWA/VARADARAJAN und DESARBO ET AL., die jedoch jeweils nur die Instrumente Preispolitik und Kommunikationspolitik betrachten, beziehen sich fünf der Indikatoren gemäß des identitätsbasierten Markenführungsverständnisses auf die 4-Marketing-Mix-Bereiche. Diese werden anhand des Fits des jeweiligen Instruments zur Markenidentität erfasst. Dabei wird der Fit der Produktpolitik zur Markenidentität durch die beiden Items „Fit zwischen Produktprogramm und Markenidentität“ und „Fit zwischen Servicepolitik und Markenidentität“ ähnlich wie bei VORHIES/MORGAN operationalisiert. Ferner beziehen sich, adaptiert von CONANT/ MOKWA/VARADARAJAN, zwei Items aufgrund der für Marken hohen Relevanz der Qualität auf die Kompetenz im „Qualitätsmanagement und Sicherungssysteme“ und das „Auftreten von Qualitätsschwankungen in den Marketing-Mix Bereichen“. Die beiden letzten Items umfassen, wie bei VORHIES/MORGAN, die „Geschwindigkeit der operativen Umsetzung des Marketing-Mix’“ und die „Veränderung des Marketing-Mix der Marke als Reaktion auf Veränderungen in der Umwelt“.
973
Vgl. VORHIES/MORGAN (2005), S. 92; DESARBO et al. (2005), S. 72; CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 374.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
261
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
Marketing implementation, Pricing, Channel management, Communication Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its marketing capabilities…
Organizing to deliver marketing programs effectively Using pricing skills and systems to respond quickly to market changes Strength of relationship with distributors
Translating marketing strategies into action Knowledge of competitors pricing tactics
Attracting and retaining the best distributors
Operationalisierung von Desarbo et al. (2005)
Operationalisierung von Conant/Mokwa/ Varadarajan (1990)
Developing and executing advertising programs
Executing marketing strategies quickly
Doing an effective job of pricing products/services
Closeness in working with distributors and retailers
Monitoring competitors’ prices and pricing changes
Adding value to our distributor’s businesses
Advertising management and creative skills
Providing high levels of service support to distributors
Public relation skills
Distinctive marketing competency (selection)
Quality of service offerings
Effectiveness of pricing programs
Advertising effectiveness
Effectiveness of public relations
Marketing capabilities Please evaluate how well or poorly you believe that this business unit performs in the specific capability relative to your three major competitors in the industry…
Integration of marketing activities
Effectiveness of pricing programs
Effectiveness of advertising programs
Abbildung 42: Operationalisierungen von operativen Marketingkompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) sowie DESARBO ET AL. (2005) Quelle: Eigene Darstellung.
Tabelle 20 zeigt die verwendeten Statements zur Erfassung der operativen Markenumsetzungskompetenz sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien. Die Statements wurden so formuliert, dass die Probanden ihre markenführende Organisation im Vergleich zum Wettbewerb beurteilen sollten.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
262
Messmodell für die operative Markenumsetzungskompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Bitte bewerten Sie folgende organisationale Fähigkeiten. Im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke…
Cronbachsches Alpha
Item
Į (mind. 0,6)
... sind unsere Qualitätsmanagement und [umsetz_ -sicherungsysteme […] qumngt] ... passt unser Produktprogramm[…] zu [umsetz_prdpr unserer Markenidentität. ogr] ...passt unsere Service-Politik […] [umsetz_ service] ...passt unsere Preis-, Finanzierungs- und Konditionenpolitik […] zur [umsetz_preis] Markenidentität. ...passt unsere Distribution […] zu [umsetz_distri unserer Markenidentität. bution] Į = 0,685 ...passt unsere Markenkommunikation [umsetz_kom […] zu unserer Markenidentität. mu] ...ist die Geschwindigkeit der operativen [umsetz_ Umsetzung des Marketing-Mixes bei geschw] unserer Marke […] ...verändern wir den Marketing-Mix der Marke als Reaktion auf Veränderungen in unserer Umwelt […] ...treten bei uns Qualitätsschwankungen in den Marketing-Mix Bereichen [….] auf.
Tabelle 20: Quelle:
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,358
0,427
¥
0,422
0,523
¥
0,441
0,527
¥
0,285
0,364
×
0,351
0,484
¥
0,507
0,635
¥
0,415
0,450
¥
[umsetz_ veraendr]
0,259
0,299
×
[umsetz_ quschwank]
0,223
0,295
×
¥
Kaiser-MeyerErklärte Gesamtvarianz Olkin(mind. 50%) Kriterium
0,684
¥
20,92%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der operativen Markenumsetzungskompetenz Eigene Darstellung.
Hiernach kann dem Konstrukt der operativen Markenumsetzungskompetenz insgesamt eine unbefriedigende Reliabilität und Validität zugesprochen werden. Der Wert des Cronbach’schen Alphas liegt mit Į = 0,685 nur knapp über dem geforderten Mindestmaß von Į = 0,6 für explorative Studien.974 Aus den CITC-Werten wird deutlich, dass vor allem die beiden Items der „Veränderung des Marketing-Mix der Marke“ ([umsetz_veraendr] CITC = 0,259) sowie des „Auftretens von Qualitätsschwankungen“ ([umsetz_quschwank] CITC = 0,223) die niedrigsten Korrelationswerte verzeichnen. Einen ähnlich geringen Wert weist ferner das Item „Fit zwischen Preis-, Finanzierungs- und Konditionenpolitik und Markenidentität“ ([umsetz_preis] CITC = 0,285) auf. Die Fit-Items zum Produktprogramm, zur Servicepolitik sowie zur Markenkommunikation weisen mit über 0,4 befriedigende Werte auf. Dieses Bild zeigt sich auch bei der Validitätsprüfung wider. Hierbei verfehlen die drei genannten Indikatoren [umsetz_quschwank], [umsetz_veraendr] und [umsetz_preis] den geforderten Wert für Faktorladungen von 0,4. Auch die Indikatoren [umsetz_qumngt] und [umsetz_geschw] liegen lediglich knapp über den geforderten Minimalwert. Die übri-
974
Vgl. MALHOTRA/BIRKS (2003), S. 308; DESPHANDÉ/FARLEY/WEBSTER (1993), S. 29 ff. sowie Kapitel C.2.2.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
263
gen Faktorladungen liegen jedoch über dieser Schwelle. Auch der Wert für das KMO-Kriterium liegt mit 0,684 über dem geforderten Mindestwert von 0,5, kann aber nach der Einteilung von KAISER/RICE nur als „mittelmäßig“ bezeichnet werden. Die negative Gesamtbeurteilung der Operationalisierung basiert erneut vor allem auf der niedrigen erklärten Gesamtvarianz. Diese repräsentiert mit 20,92% einen unbefriedigenden Wert. Eine Anpassung der Operationalisierung durch die Elimination der drei Indikatoren, die die Anforderungen an die Faktorladungen nicht erfüllen, sowie der zwei Indikatoren, die den Schwellenwert nur knapp erreichen, kann hier nur marginale Verbesserungen erzielen. Zwar kann aufgrund der Modifikation anhand einer explorativen Faktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten Varimax-Methode mit KaiserNormalisierung eine eindimensionale Operationalisierung bestätigt werden. Allerdings erklärt diese modifizierte Operationalisierung lediglich einen Anteil von 29,23% der Gesamtvarianz (vgl. Tabelle 21). Modifiziertes Messmodell für die operative Markenumsetzungskompetenz
Item
Tabelle 21: Quelle:
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. Kaiser-Meyer0,4) Olkin-Kriterium (mind. 0,5) Faktor 1
[umsetz_prdprogr]
0,481
[umsetz_ service]
0,492
[umsetz_distribution]
0,570
[umsetz_kommu]
0,609
0,703
¥
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
29,23%
×
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells der operative Markenumsetzungskompetenz Eigene Darstellung.
Dieser Wert liegt immer noch weit unter dem geforderten Minimalwert von 50%. Daher kann auch auf eine erneute Prüfung der Reliabilität verzichtet werden. Dies ist ein starkes Indiz, dass trotz der Anpassung zwischen den verbliebenen vier Indikatoren eine zu starke Heterogenität existiert, um sie eindimensional erfassen zu können. Zukünftige Untersuchungen sollten daher von vornherein das Konstrukt mehrdimensional operationalisieren und für jede Dimension mehrere Indikatoren verwenden. Zwar würde dies zu einer stark erhöhten Anzahl der Indikatoren und eines damit verbundenen erhöhten Aufwandes für eine Erhebung resultieren. Allerdings könnten hierdurch aus Sicht des Autors die enttäuschenden Ergebnisse der vorliegenden Operationalisierung vermieden und dennoch dem konzeptionellen Gedanken einer inhaltlich breit gefächerten operativen Markenumsetzungskompetenz Rechnung getragen werden.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
264
4.1.6
Operationalisierung der Markencontrollingkompetenz
Operationalisierung von Desarbo et al. (2005)
Operationalisierung von Conant/Mokwa/ Varadarajan (1990)
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
Die Markencontrollingkompetenz wird anhand von sechs Indikatoren operationalisiert. Diese beziehen sich gemäß des identitätsbasierten Markenführungsverständnisse auf die beiden Ablaufschritte der Markenerfolgsmessung und des Markenberichtswesens (vgl. Abbildung 18). Da von den skizzierten Strukturierungsansätzen lediglich CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) und VORHIES/MORGAN (2005) direkt eine Controllingkompetenz identifizieren, diese jedoch relativ unspezifisch als „Control and evaluation of marketing activieties“ bzw. „Monitoring marketing performance“ abgrenzen,975 wird bei der Operationalisierung auf Erkenntnisse des identitätsbasierten Markenführungsansatzes zu den Aufgaben und Bezugsobjekten des Markencontrollings zurückgegriffen.976 Zwar identifizieren DESARBO ET AL. (2005) eine verwandte organisationale Fähigkeit, die sie allerdings lediglich als „Accuracy of profitability and revenue forecasting“ benennen, ohne sie weiter zu spezifizieren (vgl. Abbildung 43). Marketing implementation Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its marketing capabilities…
Monitoring marketing performance
Distinctive marketing competency (selection)
Control and evaluation of marketing activities
Management capabilities Please evaluate how well or poorly you believe that this business unit performs in the specific capability relative to your three major competitors in the industry…
Accuracy of profitability and revenue forecasting
Abbildung 43: Operationalisierungen von Marketingcontrollingkompetenzen nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) und DESARBO ET AL. (2005) Quelle: Eigene Darstellung.
975
Vgl. CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990), S. 374; VORHIES/MORGAN (2005), S. 92.
976
Vgl. MEFFERT/KOERS (2005) sowie BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 101 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
265
Da dies jedoch keine Merkmale einer markenspezifischen Erfolgsmessung bzw. eines ebensolchen Berichtswesens umfasst, wird dieser Aspekt nicht in die Operationalisierung integriert. Drei der im Rahmen der Operationalisierung verwendeten Items umfassen Statements zur Messung des Markenerfolgs. Hierbei wird zum einen holistisch nach der Qualität des Prozesses der Messung der Markenperformance gefragt ([ctrl_messung]). Zum anderen beziehen sich zwei Items auf die Qualität der Messung der Kundenzufriedenheit und der Mitarbeiterzufriedenheit ([ctrl_kundzufr]; [ctrl_mazufr]). Diese beiden Zufriedenheitskonstrukte werden in praxi oftmals als holistischer Indikator für den psychographischen Erfolg einer Marke verwendet. Daher kann vermutet werden, dass Unternehmen mit guten organisationalen Fähigkeiten in der Messung dieser Konstrukte ebenfalls andere psychographische Erfolgsfaktoren, die im Zusammenhang mit der Messung der Marke-KundenBeziehung stehen, „tracken“. Ferner beziehen sich zwei der Indikatoren auf das Markenberichtswesen. Ein Indikator bezieht sich direkt auf die Qualität des Markenberichtswesens ([ctrl_bericht]). Der andere Indikator bezieht sich auf den Umfang der Nutzung von Ergebnissen aus dem Marken-Controlling zur operativen Steuerung der Marke ([ctrl_steuerung]). Er ist somit als Indikator zu interpretieren, der holistisch die Güte des Steuerungspotenzials des Berichtswesens abbilden soll. Der letzte Indikator bezieht sich auf die Ergebnisorientierung der Mitarbeiter der markenführenden Organisation ([ctrl_ergebnisor]). Diese Facette wird als relevant angesehen, weil ein hohes Maß an Ergebnisorientierung bei den Mitarbeitern als eine unternehmenskulturimmanente Eigenschaft interpretiert werden kann, die den Controllingfokus aller Mitarbeiter widerspiegelt. Tabelle 22 zeigt die verwendeten Statements zur Erfassung der Markencontrollingkompetenz sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation. Aufgrund des internen, intransparenten Charakters dieses Kompetenzfeldes wurden die Items nicht im Vergleich zum Wettbewerb erhoben.
266
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Messmodell für die Markencontrollingkompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Hinsichtlich des Marken-Controllings beantworten Sie bitte folgende Fragen. Die Qualität unseres Prozesses der Messung und des permanenten Trackings der Marken-Performance ist […].
Cronbachsches Alpha Item
[ctrl_messung]
Der Umfang der Nutzung von Ergebnissen aus dem Marken-Controlling [ctrl_ zur operativen Steuerung der Marke ist steuerung] […] Die Qualität unseres Marken[ctrl_bericht] Berichtswesens ist […]. Die Qualität der Kundenzufriedenheitsmessung für unsere [ctrl_kundzufr] Marke ist […]. Die Qualität der Mitarbeiterzufrieden[ctrl_mazufr] heitsmessung für unsere Marke ist […]. Die Ergebnisorientierung der Mitarbeiter unserer Marke in allen Bereichen ist […].
Tabelle 22: Quelle:
Į (mind. 0,6)
[ctrl_ergebnis or]
Į = 0,841
¥
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,685
0,788
¥
0,759
0,845
¥
0,711
0,801
¥
0,675
0,644
¥
0,547
0,541
¥
0,335
0,316
×
Kaiser-MeyerErklärte Gesamtvarianz OlkinKriterium (mind. 50%)
0,783
¥
46,36%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt der Markencontrollingkompetenz Eigene Darstellung.
Dem Konstrukt der Markencontrollingkompetenz kann insgesamt eine befriedigende Reliabilität und Validität zugesprochen werden. Der Wert des Cronbach’schen Alphas liegt mit Į = 0,841 weit über dem geforderten Mindestmaß von Į = 0,6. Auch die CITC-Werte liegen bis auf bei einem Indikator durchweg über 0,5 und weisen somit untereinander einen guten linearen Zusammenhang auf. Hier fällt lediglich die Itemvariable [ctrl_ergebnisor] aus dem Rahmen. Ferner lassen sie Ergebnisse auf eine gute Konvergenz- und Diskriminanzvalidität schließen. Besonders hervorzuheben ist hierbei die Itemvariable [ctrl_steuerung], die mit 0,845 die höchste Faktorladung aufweist. Dagegen liegt dieser Wert bei der Itemvariable [ctrl_ergebnisor] mit 0,316 unter dem Mindestmaß. Hierfür lassen sich theoretisch-konzeptionelle Argumente finden. Bei dem letztgenannten Item handelt es sich eher um den Versuch, die Controlling-Einstellung der Mitarbeiter abzubilden. Sie bezieht sich somit nicht auf die Güte von Controllinginstrumenten im herkömmlichen Sinne, sondern könnte auch, ähnlich wie beim Brand Commitment, als ein indirektes Ergebnis der umfassenden Verankerung eines leistungsfähigen Markencontrollings interpretiert werden. Die Itemvariable weist somit einen anderen inhaltlichen Charakter auf als bspw. das Item zur Qualität des Markenberichtswesens als direktes Gütekriterium für ein Controllinginstrument. Dieser Umstand könnte die Ursache für die niedrige Faktorladung und den geringen CITC-Wert sein. Ferner ist der Wert für das KMO-Kriterium ein weiterer Indikator für die Validität der Operationalisierung. Er liegt mit 0,783 über dem geforderten Mindestwert von 0,5
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
267
und kann nach der Einteilung von KAISER/RICE als „ziemlich gut“ bezeichnet werden. Dieser gute Wert, das hohe Cronbach’sche Alpha sowie die hohen CITC-Werte und Faktorladungen spiegeln sich auch darin wider, dass das Konstrukt gegenüber den anderen Kompetenzkonstrukten mit 46,36% einen relativ hohen Anteil der Gesamtvarianz der ausgewählten Indikatoren erklären kann. Das Konstrukt der Markencontrollingkompetenz verfehlt somit den Schwellenwert von 50% nur knapp. Eine Modifikation der Operationalisierung vermag jedoch die Güte der Validität soweit zu erhöhen, dass auch der Schwellenwert für die Gesamtvarianz überschritten wird. Hierfür wird der diskutierte Indikator [ctrl_ergebnisor] eliminiert und eine erneute Reliabilitäts- und Validitätsprüfung unternommen. Modifiziertes Messmodell für die Markencontrollingkompetenz Lokale Kriterien Item-Statement: Hinsichtlich des Marken-Controllings beantworten Item Sie bitte folgende Fragen. Die Qualität unseres Prozesses der Messung und des permanenten Trackings der Marken-Performance ist [ctrl_messung] […]. Der Umfang der Nutzung von Ergebnissen aus dem Marken[ctrl_ Controlling zur operativen Steuerung steuerung] der Marke ist […] Die Qualität unseres Marken[ctrl_bericht] Berichtswesens ist […]. Die Qualität der Kundenzufriedenheitsmessung für [ctrl_kundzufr] unsere Marke ist […]. Die Qualität der Mitarbeiterzufriedenheitsmessung für unsere Marke ist […]. [ctrl_mazufr]
Tabelle 23: Quelle:
Cronbachsches Alpha CorrectedĮ (mind. 0,6) Item-to-TotalCorrelation
Į = 0,860
Explorative Faktorenanalyse Kaiser-MeyerErklärte Olkin-Kriterium Gesamtvarianz (mind. 0,5) (mind. 50%)
Faktorladungen (mind. 0,4)
0,739
0,811
¥
0,779
0,855
¥
0,737
0,815
¥
0,651
0,621
¥
0,504
0,506
¥
¥
0,77
¥
53,91%
¥
Reliabilitäts- und Validitätswerte für das modifizierte Messmodell der der Markencontrollingkompetenz Eigene Darstellung.
Die explorative Faktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten VarimaxMethode mit Kaiser-Normalisierung bestätigt die eindimensionale Operationalisierung. Durch die Elimination der Itemvariable [ctrl_ergebnisor] kann somit die modifizierte Operationalisierung des Konstrukts der Markencontrollingkompetenz insgesamt bestätigt werden. 4.1.7
Operationalisierung der Meta-Kompetenzen zur Kundenakquisition und Kundenbindung
Die beiden Meta-Kompetenzen der Markenführung werden im Rahmen dieser Untersuchung direkt über jeweils einen Indikator operationalisiert. Beide MetaKompetenzen repräsentieren Konstrukte, die relativ einfach und zugleich inhaltlich hinreichend präzise auf abstrakter Ebene mit nur einer Frage gemessen werden
268
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
können. Diese eindimensionale Operationalisierung ist nicht ungewöhnlich. Eine Reihe von Konstrukten in den hier zitierten empirischen Kompetenzstudien wird ebenfalls eindimensional anhand nur eines Indikators operationalisiert. HOMBURG und BAUMGARTNER stellen bspw. in einer Untersuchung fest, dass bei quantitativen Analysen von deutschen Wissenschaftlern 46,5% der Konstrukte mit nur einem Indikator operationalisiert werden. In amerikanischen Studien werden 34,6% der Konstrukte mit nur einem Indikator gemessen.977 Beide Kompetenzen werden jeweils im Vergleich zum Wettbewerb abgefragt, da diese Informationen aufgrund ihrer erhöhten Transparenz durch die Key Informants leichter eingeschätzt werden können. Abbildung 44 zeigt der Vollständigkeit halber die Statements zu den beiden Meta-Kompetenzen. Indikatoren
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke die Fähigkeit Ihrer Marke, neue (Erst-)Kunden für sich zu gewinnen?
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke die Fähigkeit Ihrer Marke, Kunden langfristig an die Marke zu binden?
Marken-Meta-Kompetenzen
Kundenakquisitionskompetenz
Kundenbindungskompetenz
Abbildung 44: Operationalisierung und Statements der beiden Marken-Meta-Kompetenzen Quelle: Eigene Darstellung.
Da die beiden Kompetenzen lediglich durch eine Indikatorvariable operationalisiert werden, ist eine Reliabilitäts- und Validitätsprüfung mithilfe der Gütekriterien der ersten Generation nicht möglich.
4.2
Operationalisierung des Markenerfolgs
Der Markenerfolg wird in der vorliegenden Untersuchung als fünfdimensionales Konstrukt mit den Bestandteilen Differenzierungskraft, Kundenzufriedenheit, Umsatzwachstum, wertmäßiges Wachstum des Marktanteils und Ertragskraft konzeptualisiert.978 Die jeweiligen Dimensionen werden ähnlich wie bei CONANT/MOKWA/
977
Vgl. HOMBURG/BAUMGARTNER (1995), S. 1104 sowie HOMBURG/PFLESSER (2000), S. 654.
978
Vgl. hierzu Abschnitt B.3.6.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Operationalisierung von Hooley et al. (1999)
AL.
(1999) durch jeweils eine Indikatorvariable
Marketing Performance Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its performance…
Customer Satisfaction
Current (anticipated) profitability
Market effectiveness
Customer satisfaction
Retaining valued cutomers
Acquiring new customers
Growth in sales revenue
Business unit profitability
Return on Investment
Delivering what your customers want
Delivering value to your customers
Market share growth relative to competitors
Increasing sales to existing customers
Return on sales
Reaching financial goals
Operationalisierung von Conant/Mokwa/ Varadarajan (1990)
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
VARADARAJAN (1990) und HOOLEY ET operationalisiert (vgl. Abbildung 45).
269
Organizational performance Please rate your organization’s performance…
Profitability relative to competitors
Return on Investment
Organizational performance Please evaluate how your organization performs relative to your main competitors…
Profit
Return on Investment
Sales Volume
Market share
Abbildung 45: Operationalisierung des Markenerfolgs nach VORHIES/MORGAN (2005), CONANT/MOKWA/VARADARAJAN (1990) und HOOLEY ET AL. (1999) Quelle: Eigene Darstellung.
Eine noch spezifischere Operationalisierung als bei VORHIES/MORGAN (2005) wäre zwar grundsätzlich möglich. Hierbei erschien die Gefahr jeoch zu groß, dass die Mehrheit der Probanden trotz Anonymitätszusage zu einer Vielzahl von Erfolgsindikatoren keine Auskunft gegeben hätte. Das vereinfachte Vorgehen wurde gewählt, da vermutet wurde, dass die Probanden hinsichtlich der Bewertung von globalen Erfolgsindikatoren eine größere Antwortbereitschaft zeigen würden. Der Markenerfolg wird im Rahmen dieser Untersuchung reflektiv modelliert, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die erhobenen Items unabhängig voneinander sind. Im Gegenteil: Aufgrund der Interdependenten zwischen qualitativen und quantitativen Erfolgsgrößen ist vielmehr davon auszugehen, dass ein dahinter liegende Faktor für die Ausprägungen verantwortlich ist und die Faktoren damit untereinander korrellieren. Ähnlich argumenterieren auch MATHIEU sowie BECKER, die den
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
270
strategischen bzw. M&A Erfolg ebenfalls reflektiv modellieren.979 Tabelle 24 zeigt die verwendeten Statements zur Erfassung des Markenerfolgs sowie die Werte der Reliabilitäts- und Validitätskriterien der ersten Generation. Messmodell für den Markenerfolg Lokale Kriterien
Cronbachsches Alpha
Item-Statement: Wie bewerten Sie den Erfolg Ihrer Marken im Vergleich zum Item Hauptwettbewerber hinsichtlich dieser Erfolgsfaktoren? Wie hoch bewerten Sie im Vergleich zum [erfolg_differkr Hauptwettbewerber die aft] Differenzierungskraft Ihrer Marke?
Į (mind. 0,6)
Wie hoch bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber den Grad der [erfolg_zufried] Kundenzufriedenheit gegenüber Ihrer Marke?
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,205
0,252
×
0,379
0,435
¥
0,677
0,880
¥
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber das Umsatzwachstum Ihrer Marke in den letzten fünf Jahren in Deutschland?
[erfolg_ umsatz_wachst Į = 0,701 ]
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber das wertmäßige Wachstum des Marktanteils Ihrer Marke in den letzten fünf Jahren in Deutschland?
[erfolg_mkantei l_wachst]
0,645
0,878
¥
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber die Ertragskraft Ihrer Marke im relevanten Markt?
[erfolg_ertrag]
0,404
0,422
¥
Tabelle 24: Quelle:
¥
Kaiser-MeyerErklärte OlkinGesamtvarianz Kriterium (mind. 50%)
0,605
¥
39,57%
×
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt des Markenerfolgs Eigene Darstellung.
Hiernach kann dem Konstrukt des Markenerfolgs insgesamt eine nicht befriedigende Reliabilität und Validität zugesprochen werden. Der Wert des Cronbach’schen Alphas liegt zwar mit Į = 0,701 knapp über dem geforderten Mindestmaß von Į = 0,6 für explorative Studien. Aus den CITC-Werten wird jedoch deutlich, dass die CITCWerte von zwei Itemvariablen ([erfolg_differkraft], [erfolg_zufried]) unter dem Wert 0,4 liegen und daher lediglich eine sehr geringe Korrelation mit den übrigen Items aufweisen. Auch der Wert des Erfolgsitems [erfolg_ertrag] liegt mit gerade einmal 0,404 auf einem sehr niedrigen Level. Die beiden Erfolgsitems zu Marktanteil und Umsatzwachstum erfüllen hingegen die Anforderungen deutlich. Dieses zwiespältige Bild spiegelt sich ebenfalls in den Ergebnissen der explorativen Faktorenanalyse wider. Der Wert für das KMO-Kriterium liegt zwar mit 0,605 immer noch über dem geforderten Mindestwert von 0,5. Allerdings kann dieser Wert nach der Einteilung von KAISER/RICE nur noch gerade als „mittelmäßig“ bezeichnet werden. Ferner erfüllen die vier Itemvariablen [erfolg_zufried], [erfolg_ umsatz_wachst],
979
Vgl. MATHIEU (2004), S. 299 ff.; BECKER (2005), S. 431 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
271
[erfolg_mkanteil_wachst] und [erfolg_ertrag] das Mindestmaß für Faktorladungen von 0,4 für die Prüfung der Konvergenz- und Diskriminanzvalidität, wenn auch teilweise nur knapp. Allerdings verfehlt die Itemvariable [erfolg_ differkraft] auch hier den Schwellenwert deutlich. Dies überrascht aus einer konzeptionell-theoretischen Perspektive, da insbesondere diese Variable einen der Markenführung immanenten Erfolgsindikator darstellen sollte. Zu vermuten ist, dass gerade in dieser Sonderstellung die Erklärung für das schlechte Abschneiden der Itemvariable im Rahmen der Operationalisierung liegt. Die vier übrigen Variablen stellen übliche Erfolgsindikatoren dar. Dies trifft vor allem auf die Indikatoren [erfolg_umsatz_wachst], und [erfolg_mkanteil_wachst] zu, die sich in der Praxis zudem häufig gleichläufig bewegen. Trotz dieser Einschränkung kann das Markenerfolgskonstrukt verglichen mit den Kompetenzkonstrukten einen Anteil von 39,57% der Gesamtvarianz der ausgewählten Indikatoren erklären. Das Konstrukt verfehlt somit den Schwellenwert um rund 10%. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurde eine Modifikation des Erfolgskonstrukts durchgeführt. Hierfür wird die Itemvariable [erfolg_differkraft] eliminiert und eine erneute explorative Faktorenanalyse über den Eigenwert 1 mit der rotierten Varimax-Methode mit Kaiser-Normalisierung vorgenommen (vgl. Tabelle 25). Dieses führt zu einer Verbesserung des Cronbach’schen Alphas auf Į = 0,740. Modifiziertes Messmodell für den Markenerfolg
Item [erfolg_zufried] [erfolg_ umsatz_wachst] [erfolg_mkanteil_wa chst] [erfolg_ertrag]
Tabelle 25: Quelle:
Explorative Faktorenanalyse Kaiser-MeyerFaktorladungen (mind. Olkin-Kriterium Faktor 1 (mind. 0,5) 0,432
Erklärte Gesamtvarianz (mind. 50%)
0,902 0,584
¥
48,18%
×
0,872 0,403
Rotierte Faktorladungen, KMO-Werte und Gesamtvarianz des modifizierten Messmodells des Markenerfolgs Eigene Darstellung.
Durch die Modifikation wird ein Anteil der Gesamtvarianz von 48,18% erzielt, also sehr nahe an den Schwellenwert von 50%. Hierdurch sinkt allerdings der Wert des KMO-Kriteriums auf einen gerade noch ausreichenden Wert von 0,584. Die modifizierte Operationalisierung demnach gerade noch als ausreichend interpretiert werden.
272
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Allerdings soll an dieser Stelle der Anpassung durch Elimination der Itemvariable [erfolg_differkraft] aus nicht gefolgt werden. Hierfür lassen sich zum einen konzeptionelle Gründe anführen, die unmittelbar mit der thematischen Ausrichtung der Arbeit und den Untersuchungskonstrukten zusammenhängen. Schließlich repräsentiert insbesondere die Differenzierungskraft einer Marke langfristig die Grundlage für den psychographischen und finanziellen Erfolg einer Marke. Zum anderen lassen sich hierfür forschungsökonomische Gründe anführen, da der Markenerfolg im Rahmen dieser Untersuchung kompakt dargestellt werden sollte und dies durch eine mehrdimensionale Operationalisierung verhindert worden wäre. Im Zuge zukünftiger empirischer Untersuchungen sollte den empirischen Operationalisierungsergebnissen dennoch Beachtung geschenkt werden und das Konstrukt des Markenerfolgs für eine dezidiertere Analyse mehrdimensional konzeptualisiert werden. Hierbei wäre es aus Sicht des Autors ratsam, zwischen einer stark markenbezogenen (psychographisch-orientierten) Erfolgsdimension und einer finanzorientierten Erfolgsdimension zu trennen und dabei die Differenzierungskraft der Marke als dritte Dimension aufzunehmen.
4.3
Operationalisierung der situativen Kontextfaktoren
Die Beschreibung der unternehmensexternen situativen Kontextfaktoren orientiert sich an den Ausführungen zu den marktlichen Rahmenbedingungen bei VORHIES/MORGAN (2005) und DESARBO ET AL. (2005).980 Diese lehnen sich unmittelbar an die Arbeiten von JAWORSKI/KOHLI an.981 Sie identifizieren jeweils drei Dimensionen: die Wettbewerbsintensität, die Marktdynamik und die technologische Dynamik. Während VORHIES/MORGAN die jeweilige Dimension direkt anhand eines Indikators operationalisieren, verwenden DESARBO ET AL. sechs Indikatoren (vgl. Abbildung 46). Hierbei decken sie mehrere Facetten ab, die an dieser Stelle aufgegriffen werden.
980
Vgl. DESARBO et al. (2005), S. 60; VORHIES/MORGAN (2005), S. 84.
981
Vgl. JAWORSKI/KOHLI (1993).
Operationalisierung von Vorhies/Morgan (2005)
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
273
Environmental Dynamism Please rate your business unit relative to your major competitors in terms of its performance…
Competitive intensity
Market dynamism
Technological turbulence
Operationalisierung von Desarbo et al. (2005)
Organizational environment Please evaluate your SBU’s environment…
Competitive environment
Market environment
Technological turbulence
Competition is cutthroat
Preferences change through time
Technology is changing rapidly
Many promotion wars in industry
Customer look for new products
Tech change provides opportunities
Price competition in industry
Price relatively unimportant
Difficult to forecast technology
New competitive moves every day
Product-related needs are different
New product ideas from technology
Competitors are relatively weak
Cater to many of the same customers
Tech developments are minor
Competitors can match offers readily
Difficult to predict marketplace changes
Technological changes are frequent
Abbildung 46: Operationalisierungen der marktlichen Rahmenbedingungen nach VORHIES/MORGAN (2005) und DESARBO ET AL. (2005) Quelle: Eigene Darstellung.
Die fünf Dimensionen der marktlichen Rahmenbedingungen werden daher anhand von sechs Items operationalisiert. Dabei werden die vier Dimensionen Preisdruck, Wettbewerbsdynamik, Technologische Dynamik und Dynamik des Kundenverhaltens anhand von je einer Indikatorvariable erfasst. Die Dimension Marktwachstum wird hingegen anhand von zwei Indikatoren erfasst: das Marktwachstum in den vergangenen fünf Jahren und das antizipierte Marktwachstum der kommenden fünf Jahre. Die verwendeten Statements können der Abbildung 47 entnommen werden.
274
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Indikatoren
Dimensionen des Markenerfolgs
Wie hoch bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber die Differenzierungskraft Ihrer Marke?
Differenzierungskraft
Wie hoch bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber den Grad der Kundenzufriedenheit gegenüber Ihrer Marke?
Kundenzufriedenheit
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber das Umsatzwachstum Ihrer Marke in den letzten fünf Jahren in Deutschland?
Umsatzwachstum
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber das wertmäßige Wachstum des Marktanteils Ihrer Marke in den letzten fünf Jahren in Deutschland?
Wertmäßige Wachstum des Marktanteils
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber die Ertragskraft Ihrer Marke im relevanten Markt?
Ertragskraft
Abbildung 47: Operationalisierung und Statements der marktlichen Rahmenbedingungen Quelle: Eigene Darstellung.
Da mit Ausnahme des Kontextfaktors Marktwachstum jeweils ein Indikator zur Beschreibung der jeweiligen Dimensionen der marktlichen Rahmenbedingungen verwendet wird, ist eine Reliabilitäts- und Validitätsprüfung mithilfe der Gütekriterien der ersten Generation nicht möglich. Ob die Statements tatsächlich zur Messung der Konstruktdimensionen geeignet sind, wurde im Rahmen des Fragebogen-Pretests geprüft. Da der Kontextfaktor Marktwachstum anhand von zwei Indikatoren operationalisiert wird, kann eine Reliabilitäts- und Validitätsprüfung vorgenommen werden (vgl. Tabelle 26). Messmodell für das Konstrukt Marktwachstum Lokale Kriterien Item-Statement: Wie bewerten Sie vergangene und zukünftige Veränderungen des Marktwachstums.
Cronbachsches Alpha Item
Der Markt ist in den letzten fünf Jahren [...].
rahmen_wachs _vgh]
Der Markt wird vorrausichtlich in den kommenden fünf Jahren [...].
rahmen_wachs _zukft]
Tabelle 26: Quelle:
Į (mind. 0,6)
Į = 0,809
Corrected-Itemto-TotalCorrelation
Explorative Faktorenanalyse Faktorladungen (mind. 0,4)
0,679
0,824
¥
0,679
0,824
¥
¥
Kaiser-MeyerErklärte OlkinGesamtvarianz Kriterium (mind. 50%)
0,500
¥
67,86%
¥
Reliabilitäts- und Validitätskriterien für das Konstrukt Marktwachstum Eigene Darstellung.
Das Konstrukt erfüllt sämtliche Anforderungen der Reliabilität der ersten Generation. Allerdings liegt der KMO-Wert hinsichtlich der Validität genau auf dem Schwellenwert. Hingegen wird das härtere Validitätskriterium des erklärten Gesamtvarianzanteils mit 67,86% deutlich erfüllt. Danach kann dem Konstrukt eine befriedende Reliabilität und Validität zugesprochen werden.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
5
275
Ergebnisse des Kompetenzprofilvergleichs von erfolgreichen und weniger erfolgreichen Markenorganisationen
Nachfolgend soll untersucht werden, inwiefern sich die Kompetenzprofile von Markenorganisationen mit überdurchschnittlich erfolgreichen Marken von den Kompetenzprofilen der Markenorganisationen mit lediglich durchschnittlich und weniger erfolgreichen Marken unterscheiden.982 Hierfür wurde die grundsätzliche Hypothese (H1) aufgestellt, dass „markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken ein anderes Kompetenzprofil aufweisen als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken.“ Zur Überprüfung der Haupthypothese (H1) und den dazugehörigen Unterhypothesen (H1a - H1i) wird eine multivariate Diskriminanzanalyse durchgeführt. Sie repräsentiert ein statistisches Verfahren zur Analyse von Gruppendivergenzen, welches univariaten Mittelwertvergleichen überlegen ist.983 Zur Einteilung der Gruppen werden die fünf erhobenen Erfolgsindikatoren verwendet. In Anlehnung an HOOLEY ET AL. wird der Datensatz hierfür anhand des arithmetischen Mittelwertes der Erfolgsindikatoren in zwei Gruppen eingeteilt.984 Solche Unternehmen mit einem Mittelwert 2,0 (d. h. die über alle Performanceindikatoren gemittelt besser oder deutlich besser als andere Markenorganisationen abschneiden) werden der Gruppe der überdurchschnittlich erfolgreichen Markenorganisationen (Gruppe A) zugeordnet.985 Solche Unternehmen mit einem Mittelwert > 2,0 werden der Gruppe der durchschnittlich oder weniger erfolgreichen Markenorganisationen (Gruppe B) zugeordnet. Aus diesem Vorgehen ergeben sich für die beiden Gruppen die jeweiligen Größen von Gruppe A: N=48 und Gruppe B: N=76. Bevor dezidiert auf die einzelnen Markenführungskompetenzen eingegangen wird, soll in einem ersten Schritt ein Überblick über die Ausprägungen der organisationalen Fähigkeiten beider Gruppen gegeben werden. Abbildung 48 visualisiert, welcher
982
Die Untersuchung wurde mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Keylens AG (Düsseldorf) durchgeführt.
983
Vgl. ursprünglich FISHER (1936) sowie vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 156.
984
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 269. Ähnlich geht auch GREENLEY bei einer Untersuchung über den Einfluss der Marktorientierung auf den Unternehmenserfolg vor. Vgl. GREENLEY (1995).
985
Der Gesamtmittelwert über alle fünf Erfolgsindikatoren liegt bei 2,318.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
276
Prozentsatz der beiden Gruppen jeweils angibt, in den Markenführungskompetenzen „wesentlich besser“ oder „besser“ zu sein als der Wettbewerb. Kompetenzfeld der Markenführung
Wesentlich besser und besser als Wettbewerber (Anteil der Nennungen in %) 0
10
20
30
40
50
60
70
80
90 (%)
43,8
17,1
Markeninformationsabsorptionskompetenz Strategische Markenplanungskompetenz
Markenevolutionskompetenz
28,9
11,8
+35,6%
+19,4%
31,3
9,2
29,2
Interne Markendurchsetzungskompetenz
10,5
31,3
+20,0%
+20,7%
Markencontrollingkompetenz
30,1
Kundenakquisitionskompetenz
-0,3% 30,3
37,8
Kundenbindungskompetenz Marktliche Rahmenbedingungen
+26,6%
64,6
Operative Markenumsetzungskompetenz
Differenz
68,1
45,3
23,4
83,3
23,7
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
+30,3%
+38,0%
-0,3% Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
N = 124
Abbildung 48: Divergenzen in der Beurteilung über die Ausprägungen der Markenführungskompetenzen im Vergleich zum Wettbewerb Quelle: Eigene Darstellung.
Aus dieser ersten Analyse wird ersichtlich, dass sich ein größerer Anteil der Gruppe A in den Markenführungskompetenzen besser beurteilt als in der Gruppe B. Lediglich bei der Markencontrollingkompetenz existiert hierbei keine nennenswerte Divergenz. Auch bezüglich der Einschätzung über die Dynamik der marktlichen Rahmenbedingungen herrschen keine nennenswerten Unterschiede. Nach diesem ersten Überblick werden im Folgenden im Rahmen der multivariaten Diskriminanzanalyse Teile der in Abschnitt C.3.1 skizzierten Gütekriterien zur Prüfung des Diskriminanzkriteriums herangezogen: Wilks’ Lambda mit dem damit verbundenen Signifikanzwert sowie das Bestimmtheitsmaß R2, welches sich aus dem
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
277
Eigenwert und der kanonischen Korrelation ableiten lässt.986 Hierdurch wird eine genauere, multivariate Analyse der Divergenzen beider Gruppen ermöglicht.
5.1
Divergenzen bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz
Die Ergebnisse der Gruppendivergenzen hinsichtlich der Markeninformationsabsorptionskompetenz sind eindeutig. Wie Abbildung 49 zeigt, ist das Kompetenzprofil der Markenorganisationen mit überdurchschnittlich erfolgreichen Marken (Gruppe A) signifikant besser ausgeprägt als das Profil der Gruppe B mit lediglich durchschnittlich oder weniger erfolgreichen Marken. Die Kompetenzprofile beider Gruppen weisen bei allen Indikatorvariablen signifikante Divergenzen auf. Frage: Wie schätzen Sie Ihre Markeninformationsabsorptionskompetenz hinsichtlich […] ein? 1,93
Aktueller Kundenbedürfnisse
Zukünftiger Trends im Kaufverhalten
Sig. Wlk. 2,40
2,64
2,05
Wichtiger gesellschaftlicher Entwicklungen
2,30
Aktueller und potenzieller Wettbewerber und deren Strategien
2,30
Neuer technologischer Entwicklungen
2,81
2,64
2,05
Der entscheidungsrelevanten Aufbereitung von Informationen für das Management
2,74
2,12
2,61
0,918
***
0,881
***
0,918
**
0,965
***
0,901
***
0,915
***
0,802
R2
2,13 Markeninformationsabsorptionskompetenz gesamt
0,198
2,64 1
1,5
…deutlich besser Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau = Bestimmtheitsmaß R2
***
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
2
2,5
besser
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
3 Gleich gut
5 Mittelwerte …deutlich schlechter
N = 124 * Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 49: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Wie die Wilk’s Lambda-Werte zeigen, können die Indikatoren zur Markeninformationsabsorptionskompetenz beide Gruppen gut voneinander trennen. Auch unter Einbeziehung aller Indikatorvariablen ergibt sich für die gesamte Markeninformationsabsorptionskompetenz ein höchst signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen.
986
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 181 ff.
278
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Betrachtet man ferner die Mittelwertdivergenzen beider Gruppen bestätigt sich dieses Bild. Das Bestimmtheitsmaß R2 liegt bei 0,198. Demnach können die Ausprägungen in dieser Markenführungskompetenz zu 19,80% die Zugehörigkeit eines Unternehmens der Stichprobe zu einer der beiden Gruppen erklären. Dieser zunächst niedrig anmutende Wert ist aus mehreren Gründen als realistisch und befriedigend zu interpretieren. Zum einen bezieht sich das Bestimmtheitsmaß lediglich auf dieses einzelne Kompetenzfeld. Der Erfolg von markenführenden Organisationen wird jedoch durch alle Kompetenzen und vor allem deren Zusammenspiel im Rahmen der Leistungserstellung und Marktzufuhr determiniert. Zum anderen handelt es sich bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz um (lediglich) eine Veredelungskompetenz, die am Anfang der Wertschöpfung der Marke steht. Sie hat somit einen eher indirekten Einfluss auf die Nutzenwahrnehmung der Nachfrager und die Kaufentscheidung. Daher kann ein Erklärungsanteil von knapp einem Fünftel als durchaus realistisch interpretiert werden. Insgesamt kann aufgrund der empirischen Ergebnisse konstatiert werden, dass überdurchschnittlich erfolgreiche Markenorganisationen über ein besseres Kompetenzprofil in der Markeninformationsabsorptionskompetenz verfügen. Die Hypothese H1a kann daher nicht abgelehnt werden.
5.2
Divergenzen bei der strategischen Markenplanungskompetenz
Bei der Überprüfung der Untersuchungshypothese H2b ergibt sich ein ähnliches Bild. Auch hier unterscheiden sich die Ausprägungen der organisationalen Fähigkeiten in der strategischen Markenplanungskompetenz beider Gruppen signifikant voneinander. Abbildung 50 visualisiert die Kompetenzprofile sowie die Gütekriterien der Diskriminanzfunktion.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
279
Frage: Inwiefern treffen folgende Aussagen in Hinsicht auf die Markenidentität (Markenkern) und strategischen Gesichtspunkte zu? Die Marke ist perfekt auf ihre relevante Zielgruppe ausgerichtet.
1,87
Die Markenverantwortlichen verfügen über eine klare Markenvision.
2,16
1,58
Die Identität unserer Marke ist umfassend und klar definiert.
2,19
1,84
Der Grad der Markendehnung, den wir zurzeit realisiert haben, ist angesichts unserer Ziele optimal.
2,80
2,36
Die wettbewerbsstrategischen Aufgaben der Marke im Vergleich zu allen anderen Marken unseres Unternehmens sind intern klar kommuniziert und werden vom Kunden verstanden.
2,41
2,04
Die Position der Marke im Rahmen der Markenarchitektur unseres Unternehmens wird im Markt klar kommuniziert und wird von den Kunden verstanden.
2,61
2,11
Die Struktur unserer Wertschöpfungskette (Fertigungstiefe) ist optimal geeignet, das Nutzenversprechen unserer Marke gegenüber dem Kunden einzulösen.
2,00
2,44
0,163
2,41 1
1,5
…trifft voll zu
2
2,5
besser
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
***
0,928
***
0,904
*
0,969
**
0,953
**
0,964
**
0,946
**
0,951
***
0,837
R2
1,95
Strategische Markenplanungskompetenz gesamt
Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau R2 = Bestimmtheitsmaß
Sig. Wlk.
2,30
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
3 Teils-teils
5 Mittelwerte …trifft gar nicht zu N = 124
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 50: Kompetenzprofildivergenzen bei der strategischen Markenplanungskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Unternehmen mit erfolgreichen Marken weisen in allen erhobenen Bereichen der strategischen Planung die besseren organisationalen Fähigkeiten auf. Hervorzuheben ist hierbei, dass die organisationale Fähigkeit zur Markendehnung im Kontext der Zieldefinition verglichen mit den anderen Indikatoren der strategischen Markenplanungskompetenz bei beiden Gruppen schlechter ausgeprägt zu sein scheint. Hier existiert anscheinend auch für Unternehmen der Gruppe A noch ein Verbesserungspotenzial. Interessant ist dabei die Frage, ob der insgesamt suboptimale Zustand des Markendehnungsgrads eher auf eine Überdehnung der jeweiligen Marke oder auf noch nicht ausgeschöpfte zusätzliche Dehnungspotenziale schließen lässt. Hier sollten weiterführende Forschungen ansetzen. Unter Einbeziehung aller Indikatorvariablen ergibt sich für die gesamte strategische Markenplanungskompetenz ein höchst signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Dennoch liegt das Bestimmtheitsmaß R2 bei lediglich 0,163. Zwar können auch hier dieselben Argumente wie bei der Markeninformationsabsorptionskompetenz angeführt werden, welche diesen „niedrigen“ Wert relativieren. Dennoch überrascht es zumindest, dass dieser Wert unter dem der Markeninformationsabsorptionskompetenz liegt. Es wäre zu vermuten gewesen, dass die strategische Markenplanungskompetenz einen höheren Anteil der Varianz erklärt. Schließlich wird
280
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
in der Literatur immer wieder auf die hohe Bedeutung von Entscheidungen für den Erfolg im Rahmen der Markenstrategie hingewiesen.987 Allerdings lassen sich hierfür verhaltenswissenschaftliche Begründungen finden. So kann die Vermutung geäußert werden, dass die Probanden in der Beurteilung dieser Markenführungskompetenz teilweise voreingenommen geantwortet haben. Die strategische Planung fällt unmittelbar in den Verantwortungsbereich der Probanden. Markenverantwortliche, die diese organisationalen Fähigkeiten negativ beurteilen, kritisieren sich somit unmittelbar selbst und stellen ihre eigenen Fähigkeiten in Frage. Es ist daher zu vermuten, dass eine Reihe von Probanden ihr Unternehmen in diesem Bereich tendenziell besser beurteilt hat, als dies in Wirklichkeit der Fall ist. Dies trifft vor allem auf solche Probanden von lediglich durchschnittlich und weniger erfolgreichen Markenorganisationen zu. Somit könnte der Grund für den überraschend niedrigen Erklärungsgehalt in der Datenerhebungsmethode durch Self-Typing liegen. Trotz dieser interpretativen Einschränkungen belegen die empirischen Ergebnisse, dass das Kompetenzprofil der strategischen Markenplanung von überdurchschnittlich erfolgreichen Markenorganisationen signifikant besser ausgeprägt ist als das Kompetenzprofil der Gruppe B. Daher kann die Hypothese H1b nicht abgelehnt werden.
5.3
Divergenzen bei der Markenevolutionskompetenz
Die Markenevolutionskompetenzprofile trennen beide Gruppen besonders gut. Vier der sechs Variablen weisen höchst signifikante Divergenzen auf. Sie können darüber hinaus ein hohes Maß an Diskriminanz erklären. In Abbildung 51 werden die Kompetenzprofile beider Gruppen dargestellt. Dabei fällt zunächst auf, dass die Gruppe B sich im Vergleich zur eigenen Bewertung der strategischen Planungskompetenz und auch der Markeninformationsabsorptionskompetenz deutlich schlechter beurteilt.
987
Vgl. u. a. KELLER (2003), S. 41 ff.; ESCH (2005), S. 81; BURMANN/MEFFERT (2005a), S. 77 ff.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
281
Frage: Wie bewerten Sie den Innovationsgrad (Evolutionsfähigkeit) Ihrer Marke in folgenden Bereichen verglichen mit Ihrem Hauptwettbewerber? Sig. Wlk. Unsere Marke investiert […] in F&E bzw. den Test neuer Konzepte als unser Hauptwettbewerber.
2,46
3,26
****
0,872
Wenn Sie an den Umsatzanteil der NeuProdukte/Konzepte denken, dann liegt dieser Anteil bei Ihrer Marke im Vergleich zu dem Ihres Hauptwettbewerbers […].
2,20
2,93
***
0,892
Innovationsgrad der Kommunikation Ihrer Marke (z.B. Verwendung neuer Kommunikationsinstrumente).
2,23
2,89
***
0,897
****
0,863
Innovationsgrad der Servicepolitik Ihrer Marke.
2,00
2,67
Innovationsgrad der Distributionspolitik Ihrer Marke.
2,51
Innovationsgrad der Preis-, Finanzierungsund Konditionenpolitik Ihrer Marke.
2,57
0,971
2,96
**
0,949
***
0,750
R2 Kan. KK
2,33
Markenevolutionskompetenz gesamt
0,250
2,92 1
1,5
…deutlich mehr/ höher Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau R2 = Bestimmtheitsmaß
2,82
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
2
2,5
besser
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
3 Gleich viel/ hoch
5 Mittelwerte …deutlich weniger/ niedriger N = 124
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,0001
Abbildung 51: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markenevolutionskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Werden die einzelnen Indikatoren betrachtet, fällt zunächst auf, dass ein erheblicher Unterschied zwischen beiden Gruppen im Umfang der Investitionen in Forschung und Entwicklung existiert. Anscheinend investieren überdurchschnittlich erfolgreiche Markenorganisationen deutlich mehr in die Weiterentwicklung ihrer Markenleistungen. Der Wilk’s Lambda Wert für diesen einzelnen Indikator liegt deutlich unter 0,9 und trennt die beiden Gruppen somit stärker als jeder Indikator der strategischen Markenplanungskompetenz und Informationsabsorptionskompetenz. Dies spiegelt sich ebenso im Umsatzanteil von Neu-Produkten und -Konzepten wider. Auch hier besteht eine höchst signifikante Divergenz mit einem Wilk’s Lambda Wert von 0,892. Ferner verfügen erfolgreiche Markenorganisationen über einen höheren Innovationsgrad in der Kommunikation und der Service-Politik. Insbesondere hier scheinen überdurchschnittlich erfolgreiche Markenorganisationen die „innovativeren“ Ideen zu haben und umzusetzen. Hingegen kann kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen beim Innovationsgrad in der Distributionspolitik festgestellt werden. Hier scheinen die Möglichkeiten sehr begrenzt. Anscheinend sind Markenorganisationen generell Restriktionen des Handels unterworfen, die ihre Differenzierungsfähigkeit einschränken. Nicht zuletzt die weitere Verbreitung so genannter Multi-Channel-Strategien dürfte die Austauschbarkeit und damit die fehlenden Erfolgsunterschiede zwischen den Marken im Bereich der Distributionskompetenzen
282
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
erklären. Dies würde begründen, warum dieser Bereich kein signifikantes Diskriminanzkriterium darstellt. Trotz dieser kleinen Einschränkung vermögen die Ausprägungen der Markenevolutionskompetenz eine höchst signifikante Trennung zwischen beiden Gruppen zu leisten. Ferner kann diese Kompetenz relativ gut die Zugehörigkeit einer Markenorganisation zu der einen oder anderen Erfolgsgruppe erklären. Das Bestimmtheitsmaß R2 liegt mit 0,250 deutlich über denen der beiden vorangegangenen Markenführungskompetenzen. Dies ist konform mit der praktischen und theoretischen Erkenntnis, dass sich Marken gegenüber Wettbewerbern vor allem durch ihren hohen Innovationsgrad differenzieren.988 Ferner handelt es sich bei dieser Kompetenz um eine Marktzufuhrkompetenz, die einer konkreten Bedürfnisbefriedigung durch Realisierung von Produktideen dient. Daher überrascht es weniger, dass ihr Erklärungsgehalt höher liegt und Unternehmen mit erfolgreichen Marken über ein wesentlich besser ausgeprägtes Kompetenzprofil als Unternehmen mit lediglich durchschnittlich oder weniger erfolgreichen Marken verfügen. Aufgrund dieser empirischen Erkenntnisse kann die Hypothese H1c nicht abgelehnt werden.
5.4
Divergenzen bei der internen Markendurchsetzungskompetenz
Insbesondere die interne Markendurchsetzungskompetenz weist aufgrund ihrer relativ hohen Anzahl an Indikatorvariablen eine Reihe von potenziellen Ansatzpunkten auf, beide Gruppen zu trennen. Hierbei ist zunächst zu konstatieren, dass die Ausprägungen in den verschiedenen organisationalen Fähigkeiten dieses Kompetenzfeldes sehr heterogen ausfallen. Jedoch verfügen auch hier Unternehmen der Gruppe A über die besseren organisationalen Fähigkeiten. Allerdings kann empirisch bei sechs der 17 Indikatoren keine signifikante Divergenz zwischen beiden Gruppen nachgewiesen werden. Abbildung 52 visualisiert die Kompetenzdivergenzen beider Gruppen sowie die Gütekriterien der Diskriminanzfunktion.
988
Vgl. SATTLER (1999); BRETSCHNEIDER (2004) und für ein Praxisbeispiel für die Bedeutung von Innovationen bei FMCG-Marken MORWIND/KOPPENHÖFER/NÜßLER (2005).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
283
Frage: Das Verständnis der Mitarbeiter für die Aufgaben der Markenführung, die Identifikation der Mitarbeiter mit einer Marke und die Unterstützung der Marke durch die Mitarbeiter beeinflussen oft den Erfolg einer Marke. Hier spricht man auch davon, dass „eine Marke von innen heraus gelebt werden muss“. Bitte bewerten Sie folgenden Aussagen… Die Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen verstehen die Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens.
1,83
2,84
2,36
2,45
**
Ein markenkonformes Verhalten aller Mitarbeiter wird durch ein formelles Anreizsystem unterstützt. 2,78
Alle Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Ressourcen, um sich mit voller Kraft für die Marke einsetzen zu können.
3,23
3,13
2,72
Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter achten wir sehr stark darauf, dass der Bewerber zur Identität der Marke passt. Das Know-how aller Mitarbeiter passt sehr gut zur Identität der Marke.
1,64
1,92
2,34
2,71
2,25
Unsere Mitarbeiter mit Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, [gek.].
2,14
1,78
Unsere Mitarbeiter ohne Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, [gek.].
***
0,909
*
0,963
**
0,938
***
0,917
**
0,956
2,63
2,36
Die Mitarbeiter unserer Zulieferer setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen.
0,978
2,81
Die Mitarbeiter unserer Absatzmittler setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen.
0,963
0,980
1,93
Die Arbeitsprozesse unserer Markenorganisation sind im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
*
0,995
2,16
Die Struktur unserer Markenorganisation ist im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
0,950
2,41
2,17
Die Identität der Marke passt sehr gut zur Unternehmenskultur.
**
2,29
2,14
0,954
0,999
3,48
3,42
Alle Mitarbeiter verfügen über die Entscheidungskompetenzen, die für ein hohes Marken-Engagement notwendig sind.
1,64
0,938
0,998
2,03
Alle unsere Mitarbeiter fühlen sich unserer Marke sehr eng verbunden.
**
2,11
2,00
Die Führungskräfte leben die Identität (Kern) der Marke in ihrem täglichen Verhalten überzeugend vor.
Wlk. 0,895
2,50
Jeder Mitarbeiter kann erklären, was die Identität (Kern) der Marke für seine tägliche Arbeit bedeutet. Das Markenmanagement in unserem Unternehmen ist Chefsache.
Sig. ***
3,05
2,63
0,981
3,03
*
0,961
***
0,678
R2
2,29
Interne Markendurchsetzungskompetenz gesamt
0,322
2,59 1
Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau = Bestimmtheitsmaß R2
1,5
…trifft voll zu
2
2,5
besser Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
3 Teils-teils
5
Mittelwerte
…trifft gar nicht zu N = 124
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 52: Kompetenzprofildivergenzen bei der internen Markendurchsetzungskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Bei der Betrachtung der einzelnen Indikatorvariablen zeigen sich deutliche Unterschiede. Zum einen divergiert das Verständnis der Mitarbeiter in allen Funktionsbereichen zur Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens in beiden Gruppen höchst signifikant voneinander. Dieser Indikator vermag beide Gruppen am bes-
284
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
ten voneinander zu trennen. Hieraus wird deutlich, dass dem Vorhandensein eines hohen Maßes an Verständnis für die Bedeutung von Marken eine hohe Erfolgsrelevanz zukommt. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass Mitarbeiter der erfolgreichen Markenorganisationen besser erklären können, was die Markenidentität für ihre tägliche Arbeit bedeutet. Wie im Rahmen der Operationalisierung dargelegt, repräsentieren beide Facetten wichtige Komponenten des Brand Commitments, welches nach einer Untersuchung von ZEPLIN wiederum einen direkten Einflussfaktor für das Brand Citizenship Behaviour darstellt.989 Die empirischen Ergebnisse stützen somit die Argumentation zur Erfolgswirkung dieses Konstrukts. Ferner leben die Führungskräfte in Unternehmen mit erfolgreichen Marken die Markenidentität in ihrem täglichen Verhalten besser vor als ihre Pendants in durchschnittlich oder weniger erfolgreichen Markenorganisationen. Kein Unterschied lässt sich hingegen bei der Beurteilung feststellen, inwiefern das Markenmanagement im Unternehmen „Chefsache“ sei. Hier stimmen beide Gruppen in fast demselben hohen Maße zu. Als Grund hierfür lässt sich anführen, dass in der Praxis wohl nur wenige Top-Führungskräfte dieser Aussage widersprechen können, sind sie doch für den wirtschaftlichen Erfolg von Marken (mit-) verantwortlich. Daher ist es wenig überraschend, wenn auch die Probanden der durchschnittlich und weniger erfolgreichen Markenorganisationen für sich in Anspruch nehmen, die Markenführung sei für sie sehr relevant. Interessant ist jedoch, dass sowohl die Gruppe B als auch die Gruppe A über relativ schwach ausgeprägte Anreizsysteme zur Unterstützung eines markenkonformen Verhaltens der Mitarbeiter verfügen. Diese Kompetenzausprägung liegt auf einem sehr niedrigen Niveau (MW: 3,48 vs. 3,42) und unterscheidet beide Gruppen nicht signifikant voneinander. Gründe hierfür könnten in den Schwierigkeiten der Beurteilung eines markenkonformen Verhaltens sowie in den Schwierigkeiten der Implementierung eines solchen Systems liegen. Anscheinend existiert hier noch ein starker Nachholbedarf auch für erfolgreiche Markenorganisationen, um die unternehmensinterne Verankerung der Marke zu stärken. Ebenfalls relativ gering ausgeprägt sind die Übertragung von Entscheidungskompetenzen (hier verstanden als Weisungsbefugnisse) und das zur Verfügung stellen von Ressourcen, die für ein markenkonformes Verhalten der Mitarbeiter notwendig wären. Allerdings trennen diese Divergenzen beide Gruppen signifikant voneinander.
989
Vgl. ZEPLIN (2006), S. 202.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
285
Keine signifikanten Unterschiede lassen sich hingegen beim Fit zwischen den Bewerbern bei der Einstellung sowie zwischen dem Know-how der Mitarbeiter bezüglich der Markenidentität feststellen. Beide Facetten werden relativ gut bewertet. Hierfür lassen sich wiederum theoretische Gründe anführen. So investieren Unternehmen zum einen aufgrund der Bedeutung von hochqualifizierten Mitarbeitern viele Ressourcen in die Mitarbeiterakquisition. Zum anderen achten sie aufgrund restriktiver Kündigungsschutzgesetze darauf, dass ein potenzieller Mitarbeiter zum Unternehmen passt. Dies übertragen die Probanden vermutlich mehr oder weniger unreflektiert auch auf den Fit zur Markenidentität. Dieses Vorgehen überträgt sich unmittelbar auf den Know-how-Fit der Mitarbeiter zur Markenidentität, der bei einer hohen Güte im Einstellungsprozess ebenfalls auf einem hohen Niveau liegen sollte. Große Divergenzen lassen sich hingegen im Verbundenheitsgefühl der Mitarbeiter von erfolgreichen Marken feststellen. Dieser Indikator trennt beide Gruppen höchst signifikant voneinander. Diese Beobachtung ist konform mit den vorangegangenen Ausführungen zum Verständnis der Mitarbeiter zur Bedeutung der Marke für den Erfolg von Unternehmen. Da dieser Indikator einen direkten Anhaltspunkt für das tatsächliche Brand Commitment aller Markenmitarbeiter darstellt, überrascht es wenig, dass die Mitarbeiter der Gruppe A ein überaus hohes Verbundenheitsgefühl aufweisen (MW 1,64). Ferner passt die Markenidentität bei diesen markenführenden Organisationen besser zur Unternehmenskultur als bei der Gruppe B. Darüber hinaus trennen die beiden Indikatorvariablen bezüglich der Struktur und der Arbeitsprozesse der jeweiligen Markenorganisation beide Gruppen hoch signifikant bzw. höchst signifikant voneinander. Auch hier zeigen sich Vorteile im Kompetenzprofil der Gruppe A. Dies lässt sich leicht theoretisch begründen, da eine effektive und effiziente Gestaltung von Prozessen i.d.R. zu Wettbewerbsvorteilen führt, die sich im Erfolg von Organisationen niederschlagen. Sie beeinflussen als interne Rahmenbedingungen das Ausmaß des Zustandekommens von Brand Citizenship Behaviour positiv. Gleiches trifft auch für den freiwilligen und sehr engagierten Einsatz der Mitarbeiter mit Kundenkontakt für die Marke zu. Wie in den Ausführungen zur Operationalisierung dargelegt, kann dieser Indikator als direkter Anhaltspunkt eines Brand Citizenship Behaviours gewertet werden. Zwar befinden sich die Mittelwerte beider Gruppen auf einem hohen Niveau, allerdings ist auch diese Divergenz hoch signifikant. Dies kann dahingehend interpretiert werden, dass das BCB einen signifikant positiven Einfluss auf den Erfolg von Marken aufweist, wie im Rahmen der Untersuchung von ZEPLIN ebenfalls festgestellt wurde. Auch die gute Beurteilung des BCB
286
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
der Mitarbeiter mit Kundenkontakt der Gruppe B kann theoretisch begründet werden. Die Mitarbeiter dieser Unternehmen stehen unter besonderem Erfolgsdruck, da sie direkt dem Feedback der Nachfrager ausgesetzt sind. Ferner können sie durch einen überdurchschnittlichen Einsatz die Ergebnisse des Unternehmens verbessern. Dieser allgemeine Erfolgsdruck kann darüber hinaus (je nach Lage des Unternehmens) durch mögliche Arbeitsplatzrisiken verstärkt werden. Daher überrascht es wenig, wenn die Probanden den Einsatz ihrer Mitarbeiter mit Kundenkontakt ebenfalls auf einem hohen Niveau bewerten. Hingegen kann dies für den freiwilligen und sehr engagierten Einsatz der Mitarbeiter ohne Kundenkontakt nicht festgestellt werden. Anscheinend fällt es beiden Gruppen schwerer bei Mitarbeitern, die nicht dem direkten Feedback der Nachfrager ausgesetzt sind, BCB aufzubauen. Dies trifft ebenfalls für die Mitarbeiter der Zulieferer zu, deren Einsatz für die Marke noch einmal stark abfällt. Hier scheinen die markenführenden Organisationen nur eingeschränkt in der Lage zu sein, die Mitarbeiter der Zulieferer zu motivieren. Ein Grund könnten ein fehlendes Verständnis oder mangelhafte Anreizsysteme sein. Lediglich bei den Mitarbeitern der Absatzmittler kann ebenfalls ein signifikanter Unterschied festgestellt werden. Die Werte liegen jedoch insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Unter Einbeziehung aller Indikatorvariablen ergibt sich für die gesamte interne Markendurchsetzungskompetenz ein höchst signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Die Relevanz dieser Kompetenz für den Erfolg von markenführenden Organisationen spiegelt sich auch im relativ hohen Wert des Bestimmtheitsmaßes R2 wider. Danach kann die Markenführungskompetenz einen Anteil von 33,20% der Varianz der Gruppenzugehörigkeit der Unternehmen erklären. Dieser Wert liegt deutlich über den Werten der Markeninformationsabsorptionskompetenz und der strategischen Markenplanungskompetenz und auch über dem Wert der Markenevolutionskompetenz. Dies lässt sich auch damit erklären, dass es sich bei dieser Markenführungskompetenz um eine Marktzufuhrkompetenz handelt. Sie dient der unmittelbaren Durchsetzung der Markenleistung im Markt. Somit wird durch die organisationalen Fähigkeiten in diesem Kompetenzfeld auch unmittelbar die Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager und das Einlösen des Markennutzenversprechens durch ein adäquates Markenverhalten ermöglicht. Da die empirischen Ergebnisse belegen konnten, dass Unternehmen mit einer überdurchschnittlich erfolgreichen Marke das signifikant bessere Profil in dieser Markenführungskompetenz aufweisen, kann die Hypothese H1d nicht abgelehnt werden.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
5.5
287
Divergenzen bei der operativen Markenumsetzungskompetenz
Bei der Überprüfung der Untersuchungshypothese H1e zeigt sich ein ähnliches Bild, denn in den Ausprägungen der operativen Markenumsetzungskompetenz beider Gruppen kann eine Reihe von signifikanten Unterschieden identifiziert werden (vgl. Abbildung 53). Frage: Nachdem die Identität (Kern) einer Marke strategisch geplant wurde, muss dieser Plan in konkrete operative Maßnahmen des Marketing-Mix übersetzt werden. Bitte bewerten Sie hierzu folgenden Aussagen … Im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke sind unsere Qualitätsmanagement und -sicherungssysteme […].
2,09
Im Vergleich zur Situation beim Hauptwettbewerber der Marke passt unser Produktprogramm […] zu unserer Markenidentität. Im Vergleich zur Situation beim Hauptwettbewerber der Marke passt unsere Service-Politik […] zur Markenidentität.
1,82
2,41
2,18
2,14
Im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke ist die Geschwindigkeit der operativen Umsetzung des Marketing-Mix bei unserer Marke […].
0,860
****
0,900
2,69
*
0,970
2,70
***
0,922
**
0,942
2,61
2,73
2,45
Im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke verändern wir den Marketing-Mix der Marke als Reaktion auf Veränderungen in unserer Umwelt […].
0,982
3,04
2,73
Im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke treten bei uns Qualitätsschwankungen in den Marketing-Mix Bereichen [….] auf.
2,81
2,27
*
0,972
***
0,919
R2
2,22
Operative Markenumsetzungskompetenz gesamt
0,266
***
0,734
2,65 1
1,5
2
2,5
…deutlich besser/ häufiger Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau R2 = Bestimmtheitsmaß
***
2,39
1,89
Im Vergleich zur Situation beim Hauptwettbewerber der Marke passt unsere Markenkommunikation […] zu unserer Markenidentität.
0,943
2,37
Im Vergleich zur Situation beim Hauptwettbewerber der Marke passt unsere Preis-, Finanzierungs- und Konditionenpolitik […] zur Markenidentität. Im Vergleich zur Situation beim Hauptwettbewerber der Marke passt unsere Distribution […] zu unserer Markenidentität.
Sig. Wlk. **
2,49
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
3 gleich gut gleich häufig
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
5 Mittelwerte …deutlich schlechter/ seltener N = 124
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 53: Kompetenzprofildivergenzen bei der operativen Markenumsetzungskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Insgesamt verfügt die Gruppe A bei dieser Kompetenz über das wesentlich bessere Profil. Bis auf eine Variable trennen alle Indikatorvariablen beide Gruppen signifikant voneinander. Darunter lassen sich Variablen identifizieren, die eine besonders hohe Diskriminanzfähigkeit aufweisen. Hierzu zählt der Fit des Produktprogramms zur Markenidentität. Unternehmen mit erfolgreichen Marken schaffen es anscheinend wesentlich besser, ihr Produktprogramm auf die Markenidentität abzustimmen. In einem ähnlichen Ausmaß ist dies für den Fit zwischen Service-Politik und Markenidentität festzustellen. Für den Erfolg von Marken ist es anscheinend von besonderer Bedeutung, dass zum einen der (physisch-)funktionale Kern der Marke identitätskon-
288
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
form umgesetzt wird und zum anderen, dass dies auch auf die Service-Politik zutrifft. Hier lassen sich Parallelen zur Markenevolutionskompetenz identifizieren. Auch hier trennte der Innovationsgrad der Produkt- und Service-Politik die beiden Gruppen überdurchschnittlich gut voneinander. Interessant ist auch die Tatsache, dass die Distributionspolitik überdurchschnittlich erfolgreicher Marken höchst signifikant besser zur Markenidentität passt, als es bei der Gruppe B der Fall ist. Anscheinend schaffen Unternehmen der Gruppe A trotz eingeschränkter Innovationsmöglichkeiten in diesem Kontext, ihr vertikales Absatzsystem passender zu gestalten. In diese Argumentation passt auch die signifikante Divergenz des BCB der Absatzmittler bei der internen Markendurchsetzungskompetenz. Zukünftige Forschungsimpulse sollten daher gerade diese Aspekte mit ihren potenziellen Erfolgswirkungen näher untersuchen.990 Dies trifft ferner auf den Fit zwischen Kommunikationspolitik und Markenidentität zu, bei dem ebenfalls eine hoch signifikante Divergenz konstatiert werden kann. Durch Informationsüberlastung der Nachfrager und die sinkende Effektivität klassischer Kommunikationsinstrumente entsteht für Unternehmen die Notwendigkeit, neue, erlebnisorientierte Kommunikationswege in ihren Kommunikationsmix zu integrieren.991 Anscheinend sind erfolgreiche Markenorganisationen besser in der Lage einen optimalen Fit zwischen Kommunikation und Markenidentität herzustellen.992 Ebenfalls höchst signifikant trennen die organisationalen Fähigkeiten in Bezug auf die Vermeidung von Qualitätsschwankungen in den vier Marketing-Mix-Bereichen beide Gruppen voneinander. Unternehmen der Gruppe A vermeiden diese negativen Schwankungen besser und führen ihre Marken konsistenter. Unter Einbeziehung aller Indikatorvariablen ergibt sich für die gesamte operative Markenumsetzungskompetenz ein höchst signifikanter Unterschied im Kompetenzprofil beider Gruppen. Die Relevanz dieser Kompetenz für den Erfolg von markenführenden Organisationen spiegelt sich auch im relativen hohen Wert des Bestimmtheitsmaßes R2 wider. Danach kann die Markenführungskompetenz einen Anteil von 26,60% der Varianz der Gruppenzugehörigkeit der Unternehmen erklären. Dieser Wert liegt ähnlich hoch wie bei der Markenevolutionskompetenz. Wird in Be-
990
Vgl. in diesem Kontext BURMANN/MALONEY (2006).
991
Vgl. LEVERMANN (1998), S. 19 sowie auch für Beispiele erlebnisorientierter Sponsoringaktivitäten BURMANN/NITSCHKE (2006).
992
Vgl. NITSCHKE (2006).
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
289
tracht gezogen, dass es sich hier um eine Marktzufuhrkompetenz handelt, die unmittelbar zur Bedürfnisbefriedigung der Nachfrager beiträgt, erscheint dieser Erklärungsgehalt realistisch. Durch die empirischen Ergebnisse konnte ferner bestätigt werden, dass solche Unternehmen mit einer überdurchschnittlich erfolgreichen Marke das signifikant bessere Profil in dieser Markenführungskompetenz aufweisen. Die Hypothese H1e kann daher nicht abgelehnt werden.
5.6
Divergenzen bei der Markencontrollingkompetenz
Ein anderes Bild zeigt sich bei den Ausprägungen der Kompetenzprofile im Markencontrolling. In diesem Kompetenzfeld können keine signifikanten Divergenzen festgestellt werden. Bei der Untersuchung der Markencontrollingkompetenz kommt das modifizierte Messmodell zum Einsatz, in welchem die Itemvariable [ctrl_ergebnisor] eliminiert wurde, da dieses die Gütekrieterien im Rahmen der Operationalsierung des Konstrukts nicht erfüllte.993 Abbildung 54 visualisiert die Kompetenzprofile sowie die Gütekriterien der Diskriminanzfunktion dieser Markenführungskompetenz.
993
Vgl. Kap. C.4.1.6. Untersucht man die Diskriminanzkraft der Ergebnisorientierung der Mitarbeiter, so kann eine höchst signifikante Divergenz identifiziert werden (MW: 2,11 vs. 2,65 mit einem Wilk’s Lambda-Wert von 0,903).
290
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Bitte bewerten Sie hinsichtlich des Markencontrollings folgende Fragen … Sig. Wlk. Die Qualität unseres Prozesses der Messung und des permanenten Trackings der Marken-Performance ist […].
2,49
2,80
Der Umfang der Nutzung von Ergebnissen aus dem Markencontrolling zur operativen Steuerung der Marke ist […].
2,71
Die Qualität unseres MarkenBerichtswesens ist […].
2,55
2,66
0,999
0,999
2,71 R2
2,72
Markencontrollingkompetenz gesamt
0,953
0,047
2,60 1 …sehr gut
Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau = Bestimmtheitsmaß R2
0,985
2,80
2,49
Die Qualität der Mitarbeiterzufriedenheitsmessung für unsere Marke ist […].
0,997
2,83
2,55
Die Qualität der Kundenzufriedenheitsmessung für unsere Marke ist […].
0,979
1,5
2
2,5
besser
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
5
3 Teils-teils
Mittelwerte
…sehr schlecht
N = 124 * Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 54: Kompetenzprofildivergenzen bei der Markencontrollingkompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Besonders hervorzuheben ist hierbei, dass die Markencontrollingkompetenz das einzige Kompetenzfeld darstellt, in dem die Unternehmen der Gruppe B bei drei der Indikatorvariablen besser abschneiden als die Gruppe mit den erfolgreichen Marken. Anscheinend stellen die organisationalen Fähigkeiten im Markencontrolling (noch) keine signifikanten Erfolgstreiber dar. Dies gilt sowohl für die Messung des Markenerfolgs als auch für die Qualität des Markenberichtswesens und der Zufriedenheitsmessung bei internen und externen Bezugsgruppen. Ebenso wenig vermag die Nutzung von Ergebnissen zur operativen Steuerung der Marken beide Gruppen signifikant voneinander zu trennen. Hierfür lassen sich theoretische Argumente anführen. Zum einen handelt es sich bei der Markencontrollingkompetenz um eine Veredelungskompetenz. Diese Kompetenzkategorie ist in den empirischen Analysen bisher stets durch einen geringeren Erklärungsgehalt aufgefallen als die Marktzufuhrkompetenzen. Das Ergebnis aus Abbildung 54 heißt jedoch nicht, dass sich der Erfolg von Marken durch ein professionelles, identitätsbasiertes Markencontrolling nicht noch steigern ließe. Es belegt lediglich, dass der aktuelle Markenerfolg offenkundig ohne spezifisch ausgeprägte Kompetenzen im Bereich des Markencontrollings erzielt wurde. Unter Einbeziehung aller Indikatorvariablen ergibt sich für die gesamte Markencontrollingkompetenz kein signifikanter Unterschied zwischen beiden Gruppen. Insgesamt kann daher festgestellt werden, dass Unternehmen mit einer überdurchschnitt-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
291
lich erfolgreichen Marke nicht über ein signifikant besseres Profil in dieser Markenführungskompetenz verfügen. Die Hypothese H1f ist daher vorläufig abzulehnen.
5.7
Divergenzen bei der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz
Hinsichtlich der beiden Meta-Kompetenzen der Markenführung lassen sich hingegen wieder eindeutige Aussagen zugunsten der Unternehmen mit erfolgreichen Marken treffen. Sie verfügen in beiden Kompetenzen über die bessere Ausprägung. Abbildung 55 visualisiert die Kompetenzprofile sowie die Gütekriterien der Diskriminanzfunktion der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz. Frage: Die folgenden Fragen beziehen sich auf die Fähigkeit der bei Ihnen für die Marke verantwortlichen Personen, für die Marke neue (End-)Kunden zu gewinnen und bestehende (End-) Kunden langfristig fest an die Marke zu binden. Inwieweit treffen diesbezüglich folgende Aussagen zu?
Kundenakquistion: Wie bewerten Sie die Fähigkeit Ihrer Marke, neue (Erst-)Kunden (Konsumenten) für sich zu gewinnen im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke?
Sig. Wlk.
R2
2,86
2,23
0,126
****
0,874
****
0,810
R2
Kundenbindung: Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber die Fähigkeit Ihrer Marke, Kunden langfristig an die Marke zu binden?
2,67
1,92
1
1,5
2
2,5
deutlich besser
3 gleich gut
0,190
5 Mittelwerte deutlich schlechter
besser Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau R2 = Bestimmtheitsmaß
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
N = 124 * Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 55: Divergenzen bei der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz Quelle: Eigene Darstellung.
Hiernach vermag die Ausprägung der Kundenakquisitionskompetenz höchst signifikant zwischen beiden Gruppen zu trennen. Gruppe A verfügt in diesem Bereich klar über die besseren organisationalen Fähigkeiten. Dies gilt in noch stärkerem Maße für die Kundenbindungskompetenz. Sie weist im Rahmen dieser Untersuchung den höchsten Wilk’s Lambda-Wert einer einzelnen Indikatorvariablen auf. Dies steht im Einklang mit den konzeptionellen Überlegungen, nach denen Organisationen mit starkem Markenfokus Kompetenzen entwickeln, die es ihnen ermöglichen, Kunden stärker an sich zu binden. Die Ergebnisse unterstreichen indirekt die hohe Bedeutung einer langfristig stabilen Marke-Kunden-Beziehung für den Markenerfolg. Überdurchschnittlich erfolgreiche Markenorganisationen verfügen offenkundig in besonderer Weise über spezifische Kompetenzen zum Aufbau und der Pflege langfristiger
292
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Marke-Kunden-Beziehungen. Zu vermuten ist, dass somit der postulierte MetaCharakter dieser Kompetenz und ihrer damit einhergehenden Wirkung auf die übrigen Markenführungskompetenzen zum Tragen kommt.994 Dies sollte Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Insgesamt kann daher festgestellt werden, dass überdurchschnittlich erfolgreiche Unternehmen über signifikant bessere Kompetenzen in der Kundenakquisition und in der Kundenbindung verfügen. Die Hypothesen H1g und H1h können daher nicht abgelehnt werden.
5.8
Divergenzen bei den marktlichen Rahmenbedingungen
„[…] the reason growth is threatened, slowed, or stopped is not because the market is saturated. It is because there has been a failure of management.“995 Anders stellt sich die Situation bei den marktlichen Rahmenbedingungen dar. Diese können mit Ausnahme einer Indikatorvariablen nicht signifikant zwischen beiden Gruppen trennen. Abbildung 56 zeigt die Einschätzung zu den marktlichen Rahmenbedingungen sowie die Gütekriterien der Diskriminanzfunktion.
994
Vgl. hierzu ebenfalls die Ausführungen in Kap. C.6.1.7.
995
LEVITT (1960), S. 138.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
293
Frage: Wie bewerten Sie die folgenden Rahmenbedingungen des für Ihre Marke relevanten Marktes?
Sig. Wlk.
Das Kaufverhalten unserer Kunden war in den letzten fünf Jahren […].
2,91
Unsere Wettbewerber und deren Strategien haben sich in den letzten fünf Jahren […] verändert.
2,19
Die Produkt- und Prozesstechnologien in unserer Branche haben sich in den letzten fünf Jahren […] verändert. Der Preisdruck in unserer Branche hat sich in den letzten fünf Jahren […] verändert.
0,926
0,981
2,43
0,995
0,985
1,52
Der Markt ist in den letzten fünf Jahren […].
2,93
2,95
1,000
R2
2,65
Marktliche Rahmenbedingungen Gesamt
0,997
3,13
3,02
Der Markt wird vorrausichtlich in den kommenden fünf Jahren […].
0,098
*
0,902
2,47 1 …stark wechselhaft/ …sehr stark/ …stark (ge)wachsen
Legende: Wlk. = Wilk‘s Lambda Sig. = Signifikanzniveau R2 = Bestimmtheitsmaß
***
2,48
2,27
1,35
3,52
Mittelwerte
1,5
Überdurchschnittlich erfolgreiche Marken
2
2,5
3
dynamischer
Durchschnittlich und weniger erfolgreiche Marken
5 …sehr stabil/ …überhaupt nicht/ …stark (ge)schrumpf(t)en N = 124
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Abbildung 56: Divergenzen bei den marktlichen Rahmenbedingungen Quelle: Eigene Darstellung.
Hieraus wird deutlich, dass beide Gruppen die marktlichen Rahmenbedingungen ähnlich beurteilen. Lediglich hinsichtlich des Kaufverhaltens der Kunden in den letzten fünf Jahren existiert eine höchst signifikante Abweichung. Anscheinend war das Kaufverhalten der Nachfrager von markenführenden Organisationen mit erfolgreichen Marken (Gruppe A) stabiler als das Kaufverhalten der Nachfrager der Gruppe B. Allerdings ist diese Aussage hinsichtlich des Niveaus, auf dem es zu Kaufverhaltensveränderungen gekommen ist, einzuschränken. Aus den Mittelwerten kann interpretiert werden, dass das Kaufverhalten der Nachfrager der Gruppe B ebenfalls nur sehr bedingt als dynamisch zu bezeichnen ist. Ferner weist der relativ hohe Wilk’s Lambda-Wert auf eine zwar signifikante, aber nur mittlere Diskriminanzfähigkeit dieser Indikatorvariablen hin. Die übrigen fünf Indikatorvariablen weisen hingegen keine signifikanten Divergenzen auf. Sie streuen jedoch sehr stark. So wird beispielsweise der Preisdruck in der jeweiligen Branche von beiden Gruppen als sehr stark beurteilt. Dagegen wird das Marktwachstum der letzten fünf Jahre und der kommenden fünf Jahre als lediglich moderat eingeschätzt. Die Einschätzungen hinsichtlich der Wettbewerber und ihrer Strategien sowie Veränderungen in Produktund Prozesstechnologien werden ebenfalls von beiden Gruppen als lediglich moderat dynamisch beurteilt.
294
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Dieses Bild wird darüber hinaus durch den niedrigen Wert des Bestimmtheitsmaßes R2 gestützt. Danach kann zwar vor allem durch die Divergenz bei der Beurteilung des Kaufverhaltens beider Gruppen insgesamt von einer signifikanten Divergenz ausgegangen werden. Allerdings können gerade einmal 9,80% der Gesamtvarianz die Gruppenzugehörigkeit durch die marktlichen Rahmenbedingungen erklären. Dieser Wert liegt mit Ausnahme der Markencontrollingkompetenz weit unter dem Erklärungsgehalt, welchen die Markenführungskompetenzen aufweisen. Aus diesen Ergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass die marktlichen Rahmenbedingungen für die Erklärung des Erfolgs einer Marke in der Stichprobe offenkundig nur eine geringe Bedeutung haben. Dies unterstützt die grundsätzliche Aussage der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung, nachdem die marktlichen Rahmenbedingungen für das Erreichen von Unternehmenserfolgen zwar eine Rolle spielen, die Kompetenzen allerdings als unternehmensinterne Handlungspotenziale von weit höherer Relevanz für die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen sind als die unternehmensexternen Rahmenbedingungen. Überspitzt formuliert bedeutet dies, dass Unternehmen, die über die entsprechenden Markenführungskompetenzen verfügen, unter nahezu allen Marktbedingungen erfolgreich sein können. Insgesamt kann daher die Untersuchungshypothese H1i zwar nicht abgelehnt werden, jedoch kann ihr lediglich ein relativ geringer Bedeutungsgehalt zugesprochen werden. Betrachtet man die Ergebnisse der Untersuchungshypothesen H1a-i kann insgesamt die Hauptuntersuchungshypothese H1 „Markenführende Organisationen mit erfolgreichen Marken weisen ein anderes Kompetenzprofil auf als markenführende Organisationen mit lediglich durchschnittlich bzw. weniger erfolgreichen Marken.“ nicht abgelehnt werden.
6
Prüfung des Gesamtmodells zum Zusammenhang von Markenführungskompetenzen und Markenerfolg
6.1
Wirkung von Markenführungskompetenzen auf den Markenerfolg
Im Folgenden werden die im Rahmen der Untersuchungshypothesen H2a-H2i postulierten Zusammenhänge zwischen den Markenführungskompetenzen und dem Markenerfolg geprüft. Die Grundsatzhypothese hierbei lautet, dass je positiver Markenführungskompetenzen in einer markenführenden Organisation ausgeprägt sind, desto größer ist der Markenerfolg. Ferner wurde angenommen, dass die marktlichen
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
295
Rahmenbedingungen der markenführenden Organisationen keinen Einfluss auf den Markenerfolg haben. Diese Untersuchungen werden in Anlehnung an HOOLEY ET AL. anhand einer multiplen Regressionsanalyse durchgeführt.996 Der Markenerfolg als abhängige Variable wird in diesem Modell durch die Summe der im Rahmen der Untersuchung erhobenen Erfolgsindikatoren dargestellt. Die Markenführungskompetenzen repräsentieren die unabhängigen Variablen im Regressionsmodell. Hierbei werden die skizzierten Indikatorvariablen der jeweiligen Kompetenz herangezogen. Je Markenführungskompetenz wird eine Regressionsanalyse durchgeführt, die den kausalen Zusammenhang zwischen jeder Kompetenz und dem Markenerfolg prüft.997 Zunächst wird jedes Modell auf mögliche Prämissenverletzungen hin untersucht. Für die Beurteilung werden die Gütemaße und Grenzwerte verwendet, die im Rahmen des Kapitels C.3.3 beschrieben worden sind. In diesem Zusammenhang sollen zunächst die Wirkungen jeder Markenführungskompetenz einzeln betrachtet werden. Die Interaktionswirkungseffekte der Markenführungskompetenzen werden zunächst nicht untersucht. Diese werden anschließend im Rahmen eines Gesamtmodells betrachtet. 6.1.1
Wirkung der Markeninformationsabsorptionskompetenz auf den Markenerfolg
Bei der Regressionsanalyse der Markeninformationsabsorptionskompetenz können keine Verletzungen der Modelprämissen festgestellt werden. Sämtliche VIF- und Toleranz-Werte zur Überprüfung der Multikollinearität liegen unterhalb der Schwellenwerte, so dass zunächst von keiner hohen Multikollinearität ausgegangen werden kann, die die Regressionsanalyse gefährden könnte. Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Hier liegt der maximale Wert der Abweichung eines Residuums bei 2,25. Somit liegt keine Heteroskedastizität vor. Der zusätzlich durchgeführte Durbin-Watson-Test zur Prüfung auf das Vorliegen von Autokorrelation liegt mit einem Wert von 2,32 ebenfalls unterhalb des Grenzwertes (vgl. Tabelle 27).
996
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 271 ff.
997
Hierbei werden die Korrelationen und Signifikanzniveaus zwischen den unabhängigen Variablen und der abhängigen Variablen betrachet. Allerdings sollten die Korrelationen und positive Signifikanzen nicht automatisch als Kausalitätshinweise interpretiert werden, sondern lediglich als Koinzidenzen. Sie liefern allerdings Hinweise, zwischen welchen Merkmalen kausale Beziehungen bestehen könnten. Vgl. BORTZ (2005), S. 236.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
296
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die Markeninformationsabsorptionskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
…der Bedürfnisse und dem Verhalten aktueller (End-) Kunden ist […]
Item
[inf_kbed]
…zukünftiger Trends im Kaufverhalten ist […]
[inf_trend]
…wichtiger gesellschaftlicher Entwicklungen ist […]
[inf_gesell]
…unserer aktuellen und potenziellen Wettbewerber und deren Strategien ist […] … neuer technologischer Entwicklungen ist […]
[inf_techn]
der Aufbereitung aller gewonnenen, entscheidungsrelevanten Informationen für das das Management ist […] N = 124;
Tabelle 27: Quelle:
[inf_wettb]
[inf_verw]
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
0,145
1,510
0,134
0,702
0,746
1,340
0,186
1,797
0,075
0,799
0,640
1,563
0,021
0,229
0,820
0,495
0,781
1,280
0,039
0,431
0,667
0,451
0,827
1,209
0,118
1,199
0,233
0,663
0,705
1,418
0,136
1,453
0,149
0,638
0,784
1,276
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,197
0,156
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,581
****
2,322
4,780
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der Markeninformationsabsorptionskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Insgesamt erklären die Ausprägungen der Markeninformationsabsorptionskompetenz 15,6% (korrigiertes R2) der Varianz des Markenerfolgs. Die empirische Signifikanz des F-Wertes liegt auf einem sehr hohen Niveau. Somit kann die Nullhypothese verworfen werden. Die Beta-Koeffizienten weisen alle die postulierte Richtung auf. Bei einer Betrachtung der Regressionskoeffizienten fällt auf, dass innerhalb der Regressionsfunktion bis auf die Itemvariable [inf_trend] die t-Werte keine signifikanten Einflüsse postulieren.998 Dies steht im Widerspruch zu den Ergebnissen der Diskriminanzanalyse, bei der für jede der Itemvariable aus Abbildung 48 eine signifikante Divergenz im Kompetenzprofil festgestellt wurde. Da innerhalb der multiplen Regressionsfunktion die Signifikanzen der t-Werte der Regressionskoeffizienten auf einem niedrigen Niveau liegen, kann trotz der erfüllten VIF- und Toleranz-Werte nicht ausgeschlossen werden, dass die standardisierten Beta-Werte aufgrund eines gewissen Ausmaßes an Multikollinearität verzerrt werden.999 In diesem Fall kann es dazu kommen, dass einige oder alle Regressionskoeffizienten nicht signifikant sind, obwohl das Bestimmtheitsmaß R2 der Regressionsfunktion signifikant ist.1000 Es ist an-
998
Die Regressionskoeffizienten besitzen eine inhaltliche Bedeutung, da sie den marginalen Effekt der Änderung einer unabhängigen Variablen der jeweiligen Markenführungskompetenz auf die abhängige Variable (Markenerfolg) angeben. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 61.
999
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 99 sowie ausführlich die Darlegung in Kap. C.3.4.
1000
In diesen Fall kann zwar ein großer Teil der Varianz nicht einem Regressionskoeffizienten zugeordnet werden, was zu einem Absinken des Signifikanzniveaus führt, jedoch verringert sich ebenfalls das Niveau des Standardfehlers der Regression, was sich wiederum positiv auf den Determinationskoeffizienten auswirkt. Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 89.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
297
zunehmen, dass dies im vorliegenden Fall zutrifft. Um dennoch die Wirkungseinflüsse der einzelnen Regressionskoeffizienten interpretieren zu können, wird auf die jeweiligen Strukturkoeffizienten zurückgegriffen, die diese Verzerrungen nicht aufweisen.1001 Aus diesen Strukturkoeffizienten wird deutlich, dass alle Itemvariablen relativ stark an dem Zustandekommen des Bestimmtheitsmaßes teilhaben. Dabei kann auch die bereits festgestellte hohe Bedeutung der Variable [inf_trend] bestätigt werden. Unternehmen sollten somit in diesem Tätigkeitsfeld ihre organisationalen Fähigkeiten ausbauen. Die Höhe des erklärten Varianzanteils der Markeninformationskompetenz kann in Anlehnung an HOOLEY ET AL. als durchaus realistisch angesehen werden.1002 Hierbei ist zu beachten, dass die vorliegende Regressionsanalyse lediglich die Wirkung einer einzigen Kompetenz von einer Vielzahl in Unternehmen verankerten Kompetenzen betrachtet. Insofern stellt ein Erklärungsgehalt der Markeninformationsabsorptionskompetenz von 15,6% auf höchst signifikantem Niveau einen durchaus guten Wert dar. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2a nicht abgelehnt werden. 6.1.2
Wirkung der strategischen Markenplanungskompetenz auf den Markenerfolg
Auch bei der Regressionsanalyse der strategischen Markenplanungskompetenz können keine Verletzungen der Modelprämissen festgestellt werden. Sämtliche VIFund Toleranz-Werte zur Überprüfung auf Multikollinearität liegen unterhalb der Schwellenwerte (vgl. Tabelle 28). Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Hier liegt die maximale Abweichung eines Residuums bei 2,61. Es besteht somit keine Heteroskedastizität. Der Durbin-Watson-Test ermittelt einen Wert von 2,08, welcher ebenfalls unterhalb des festgelegten Grenzwertes liegt.
1001
Vgl. BORTZ (2005), S. 453 sowie die Ausführungen in Kap. C.3.4.
1002
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 273.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
298
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die strategische Markenplanungskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
Die Marke ist perfekt auf ihre relevante Zielgruppe ausgerichtet.
[plan_Zielgr]
0,130
1,262
0,210
0,624
0,609
1,641
Die Markenverantwortlichen verfügen über eine klare Markenvision.
[plan_vision]
0,177
1,669
0,098
0,608
0,568
1,759
Die Identität unserer Marke ist umfassend und klar definiert.
[plan_identitaet]
-0,139
-1,138
0,257
0,485
0,428
2,336
Der Grad der Markendehnung (Zahl der Produktlinien, Zahl der bearbeiteten Märkte und Marktsegmente), den wir zurzeit realisiert haben, ist angesichts unserer Ziele optimal.
[plan_dehnung]
0,063
0,633
0,528
0,549
0,646
1,549
Die wettbewerbsstrategischen Aufgaben der Marke im Vergleich zu allen anderen [plan_maufgabe] Marken unseres Unternehmens sind intern klar definiert.
0,069
0,727
0,469
0,555
0,705
1,418
Die Position der Marke im Rahmen der Markenarchitektur unseres Unternehmens wird im Markt klar kommuniziert und wird von den Endkunden verstanden.
[plan_position]
0,141
1,377
0,171
0,617
0,608
1,645
Die Struktur unserer Wertschöpfungskette (Fertigungstiefe) ist optimal geeignet, das Nutzenversprechen unserer Marke gegenüber dem (End-) Kunden einzulösen.
[plan_fertigung]
0,275
2,971
0,004
0,814
0,750
1,333
N = 124;
Tabelle 28: Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,255
0,210
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,497
****
2,080
5,677
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der strategischen Markenplanungskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die strategische Markenplanungskompetenz kann insgesamt 21,0% (korrigiertes R2) der Varianz des Markenerfolgs erklären. Die empirische Signifikanz des F-Wertes ermittelt einen höchst signifikanten Wirkungszusammenhang zwischen dieser Kompetenz und dem Markenerfolg. Bei der Betrachtung der einzelnen Regressionskoeffizienten fällt zunächst der negative Einfluss der Itemvariable [plan_identität] auf den Markenerfolg auf. Dies überrascht insofern, da der identitätsbasierte Markenmanagementansatz postuliert, dass eine klare und umfassende Markenidentität den Markenerfolg in einem hohen Maße positiv beeinflussen sollte. Es lassen sich allerdings theoretische und statistische Argumente für diesen anscheinenden Widerspruch anführen, welche die Ergebnisse relativieren. Zum einen konnte im Rahmen der Diskriminanzvergleiche festgestellt werden, dass sich sowohl erfolgreiche als auch weniger erfolgreiche markenführende Organisationen in dieser organisationalen Fähigkeit sehr positiv einschätzen. Es ist zu vermuten, dass dies die Erfolgswirkung des Indikators im Rahmen des vorliegenden Datensatzes erheblich einschränkt. Ferner indizieren die Ergebnisse einer univariaten Regressionsanalyse eine positive Wirkung dieser Variable auf den Markenerfolg. Hierbei konnte ein signifikanter korrigierter R2-Wert von 0,052 ermittelt werden. Daher ist zu vermuten, dass lediglich die speziellen Interaktionen der Prädikatorvariablen im Rahmen der Regressionsfunktion sowie ein Vorliegen eines gewissen Maßes an Multikollinearität für das negative Vor-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
299
zeichen verantwortlich sind. Diese Vermutung wird durch den positiven Strukturkoeffizienten von 0,485 der Variable unterstützt. Des Weiteren zeigt die Analyse eine hohe Relevanz der Struktur der Wertschöpfungskette sowie der Ausrichtung der Marke auf die Zielgruppe und das Vorhandensein einer klaren Markenvision bei den Verantwortlichen. Diese erscheint insofern schlüssig, als dass eine konsequente und klare Positionierung einer Marke als eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg einer Marke angesehen wird. Ferner zeichnen sich erfolgreiche Unternehmen i.d.R. durch eine klar ausgerichtete Geschäftsstrategie aus, die die zukünftige Entwicklungsrichtung des Unternehmens (bzw. der Marke) aufzeigt und die somit auch internen Stakeholdern als Motivationsanker dienen kann. Darüber hinaus determiniert die Struktur der Wertschöpfungskette wesentlich die Effektivität und Effizienz von Aktivitäten im Rahmen der Markenleistungserstellungs- und -marktzufuhrprozesse. Sie wirkt somit unmittelbar auf die Steigerung von qualitativen und quantitativen Zielen. Insgesamt kann die positive Wirkung der strategischen Markenplanungskompetenz auf den Markenerfolg bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2b nicht abgelehnt werden. 6.1.3
Wirkung der Markenevolutionskompetenz auf den Markenerfolg
Die Werte der Gütekriterien der Regressionsanalyse der Markenevolutionskompetenz lassen darauf schließen, dass keine Verletzungen der Modelprämissen vorliegen. Sowohl die VIF- als auch die Toleranz-Werte zur Überprüfung auf Multikollinearität für die gesamte Funktion liegen weit unterhalb risikobehafteter Schwellenwerte (vgl. Tabelle 29). Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Hier liegt der maximale Abweichung bei 2,72. Es liegt keine Heteroskedastizität vor. Der Durbin-Watson-Test ermittelt einen Wert von 2,208 und liegt somit unterhalb des festgelegten Grenzwertes für Autokorrelation.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
300
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die Markenevolutionskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
In welchem Umfang investiert Ihre Marke im Vergleich zu ihrem Hauptwettbewerber in Forschung und Entwicklung bzw. in die Entwicklung [evolution_fe_ und den Test neuer Konzepte? Unsere budget] Marke investiert [...] in F&E bzw. den Test neuer Konzepte als unser Hauptwettbewerber.
0,020
0,212
0,832
0,477
0,772
1,295
Wenn Sie an den Umsatzanteil der Neu-Produkte/Konzepte denken, dann [evolution_ums liegt dieser Anteil bei Ihrer Marke im _ neupr2] Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...].
0,277
2,923
0,004
0,837
0,752
1,329
Innovationsgrad der Kommunikation Ihrer Marke (z.B. Verwendung neuer Kommunikationsinstrumente) im Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...].
[evolution_kom mu]
0,123
1,323
0,188
0,550
0,784
1,275
Innovationsgrad der Service-Politik Ihrer Marke im Vergleich zu dem ihres [evolution_serv ice] Hauptwettbewerbers [...].
0,156
1,591
0,114
0,746
0,699
1,431
Innovationsgrad der Distributionspolitik Ihrer Marke im Vergleich zu dem ihres Hauptwettbewerbers [...].
0,046
0,494
0,622
0,470
0,777
1,288
0,037
0,412
0,681
0,354
0,839
1,192
[evolution_ distribution]
Innovationsgrad der Preis-, Finanzierungs- & Konditionenpolitik [evolution_prei Ihrer Marke im Vergleich zu dem ihres s] Hauptwettbewerbers [...]. N = 124;
Tabelle 29: Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,211
0,171
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,558
****
2,208
5,225
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der Markenevolutionskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Insgesamt erklären die Ausprägungen der Markenevolutionskompetenz 17,1% (korrigiertes R2) der Varianz des Markenerfolgs. Die empirische Signifikanz des F-Wertes liegt auf einem sehr hohen Niveau. Somit kann die Nullhypothese verworfen werden. Die Beta-Koeffizienten weisen alle die unterstellte Richtung auf. Überraschend sind wiederum die nicht signifikanten Korrelationswerte der Mehrheit der Regressionskoeffizienten. Hierfür kann trotz der erfüllten VIF- und Toleranz-Werte ein Vorliegen eines gewissen Ausmaßes an Multikollinearität verantwortlich gemacht werden.1003 Daher werden hier wieder die Strukturkoeffizienten zur Interpretation der Einflussgrößen der Itemvariablen herangezogen. Aus diesen wird ersichtlich, dass vor allem der Umsatzanteil von Neu-Produkten/Konzepten einen hohen Erklärungsgehalt aufweist. Dies lässt sich gut begründen, da sich innovativere Unternehmen i.d.R. an geänderte Nachfragerbedürfnisse besser anpassen können und somit erfolgreicher sind als ihre weniger innovativen Pendants. Ferner werden die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse bestätigt, wonach der Innovationsgrad in der Service-Politik eine weitere bedeutende Determinante des Markenerfolgs repräsentiert. Anscheinend ist
1003
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 89 und S. 99 sowie die Ausführungen in Kap. C.3.4.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
301
hier im Vergleich zu den anderen Mix-Instrumenten die Hebelwirkung besonders stark. Die Nachhaltigkeit der höheren Produktinnovationskompetenz in Gruppe A erscheint auf Basis der Ergebnisse in Tabelle 29 zweifelhaft, denn beide Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant bei den Investitionen in die Entwicklung neuer Produkte. Ggf. sind die Investitionen in Gruppe A effektiver und effizienter als in Gruppe B. In diesem Fall wäre der Vorsprung sehr wohl nachhaltig. Darüber hinaus lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die Erfolgswirkungen von organisationalen Fähigkeiten, die Kontrahierungs- und Distributionspolitik mit Neuerungen anzureichern, begrenzt sind. Markenführende Unternehmen sollten sich daher insbesondere auf die Verbesserung der Kundenbetreuung und Service-Politik konzentrieren. Die Höhe des erklärten Varianzanteils der Markenevolutionskompetenz kann in Anlehnung an HOOLEY ET AL. als realistisch angesehen werden,1004 da sich dieser Wert lediglich auf die Wirkung eines Kompetenzfeldes beschränkt. Ein Anteil von 17,1% kann somit als ein guter Wert interpretiert werden. Insgesamt kann die positive Wirkung der Markeninformationsabsorptionskompetenz auf den Markenerfolg bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2c nicht abgelehnt werden. 6.1.4
Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg
Auch bei der Regressionsanalyse der internen Markendurchsetzungskompetenz können keine Verletzungen der Modelprämissen festgestellt werden. Sämtliche VIFund Toleranz-Werte zur Überprüfung auf Multikollinearität liegen zwar z. T. ein wenig höher als bei den bisher skizzierten Kompetenzen. Allerdings liegen sämtliche VIFWerte unter 3 und somit immer noch erheblich unterhalb des konservativen Schwellenwertes von BELSLEY (vgl. Tabelle 30).1005 Bei den standardisierten Residuen liegt die maximale Abweichung eines Residuums bei einem Wert von 2,42 und somit in dem zulässigen Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Daher kann von einem Vorliegen einer Heteroskedastizität abgesehen werden. Der zusätzlich durchgeführt Durbin-Watson-Test zur Prüfung auf Autokorrelation liegt mit einem Wert von 2,095 ebenfalls unterhalb des in der Durbin-Watson-Tabelle festgelegten Grenzwertes.
1004
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 273.
1005
Vgl. BELSLEY (1991), S. 28.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
302
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die interne Markendurchsetzungskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Die Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen verstehen die Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens. Jeder Mitarbeiter kann erklären, was die Identität (Kern) der Marke für seine tägliche Arbeit bedeutet. Das Markenmanagement in unserem Unternehmen ist Chefsache.
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
[durchsetz_ bedeutung]
0,380
3,101
0,002
0,740
0,437
2,289
[durchsetz_ erklären]
-0,089
-0,672
0,503
0,552
0,377
2,655
[durchsetz_ chefsache]
-0,051
-0,542
0,589
0,153
0,744
1,344
Die Führungskräfte leben die Identität (Kern) der Marke in ihrem täglichen Verhalten überzeugend vor.
[durchsetz_ vorleben]
-0,041
-0,329
0,743
0,477
0,422
2,370
Ein markenkonformes Verhalten aller Mitarbeiter wird durch ein formelles Anreizsystem unterstützt
[durchsetz_ anreiz]
0,018
0,190
0,850
0,265
0,703
1,423
Alle Mitarbeiter verfügen über die Entscheidungskompetenzen, die für ein hohes Marken-Engagement notwendig sind.
[durchsetz_ entschkomp]
-0,042
-0,349
0,728
0,411
0,450
2,224
Alle Mitarbeiter verfügen über die notwendigen Ressourcen, um sich mit voller Kraft für die Marke einsetzen zu können.
[durchsetz_ ressfit]
0,054
0,490
0,625
0,144
0,535
1,868
Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter achten wir sehr stark darauf, dass der Bewerber zur Identität der Marke passt.
[durchsetz_ hrfit]
-0,010
-0,093
0,926
0,384
0,612
1,634
Das Know-how aller Mitarbeiter passt sehr gut zur Identität der Marke. Alle unsere Mitarbeiter fühlen sich unserer Marke sehr eng verbunden.
[durchsetz_ knowhowfit]
-0,120
-1,046
0,298
0,266
0,502
1,991
[durchsetz_ verbunden]
-0,029
-0,255
0,799
0,483
0,519
1,928
Die Identität der Marke passt sehr gut zur Unternehmenskultur.
[durchsetz_ identfit]
0,139
1,058
0,292
0,566
0,382
2,620
Die Struktur unserer Markenorganisation ist im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ struktur]
0,091
0,819
0,415
0,522
0,537
1,863
Die Arbeitsprozesse unserer Markenorganisation sind im Vergleich zum Hauptwettbewerber eine wichtige Stärke unserer Marke.
[durchsetz_ prozesse]
0,193
1,736
0,086
0,595
0,530
1,888
Unsere Mitarbeiter mit Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, auch über das [durchsetz_ hinaus, was laut Stellenbeschreibung verhalten_mit] von ihnen verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
0,268
2,411
0,018
0,559
0,532
1,880
Unsere Mitarbeiter ohne Kundenkontakt setzen sich freiwillig sehr engagiert für unsere Marke ein, auch über das hinaus, was laut Stellenbeschreibung von ihnen verlangt wird, und auch ohne dass sie dafür gesondert entlohnt werden.
[durchsetz_ver halten_ohne]
-0,076
-0,685
0,495
0,292
0,534
1,872
[durchsetz_ zulieferer]
0,000
0,001
0,999
0,147
0,726
1,377
[durchsetz_ absatzmittler]
-0,186
-1,997
0,048
-0,177
0,756
1,323
Die Mitarbeiter unserer Zulieferer setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen. Die Mitarbeiter unserer Absatzmittler setzen sich mit aller Kraft für unsere Marke ein, so wie wir uns das wünschen. N = 124;
Tabelle 30: Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,305
0,193
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,523
***
2,095
2,736
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Insgesamt erklären die Ausprägungen der internen Markendurchsetzungskompetenz 19,3% (korrigiertes R2) der Varianz des Markenerfolgs. Die empirische Signifikanz des F-Wertes liegt damit auf hohem Niveau. Bei einer Betrachtung der Strukturkoef-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
303
fizienten der einzelnen Itemvariablen, können die Ergebnisse der Diskriminanzanalyse grundsätzlich bestätigt werden.1006 Danach trägt u. a. das Verständnis der Mitarbeiter zur Bedeutung der Marke für den Erfolg des Unternehmens überproportional zur Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg bei. Ein weiterer Indikator hierfür, der unmittelbar mit dem Brand Commitment zusammenhängt, ist die Fähigkeit der Mitarbeiter, erklären zu können, was die Markenidentität für ihre tägliche Arbeit bedeutet. Daraus lässt sich ableiten, dass es im Rahmen einer innengerichteten Markenführung vor allem die Aufgabe sein sollte, durch eine adäquate interne Kommunikation und ein Vorleben der Markenidentität durch die Vorgesetzten dieses Verständnis zu fördern. Ferner bestätigen die Ergebnisse die hohe Relevanz des Brand Citizenship Behaviour der Mitarbeiter mit Kundenkontakt sowie die Bedeutung der Strukturen und Arbeitsprozesse der markenführenden Organisation für ihren Erfolg. Wie aus Tabelle 30 zu entnehmen ist, weisen die entsprechenden Items alle hohe Strukturkoeffizienten auf. Weniger relevant scheint dagegen die Behauptung zu sein, dass das Markenmanagement im Unternehmen Chefsache sei. Hierzu wurde bereits angemerkt, dass diese Aussage sehr eingeschränkt interpretiert werden sollte, da die Probanden dazu neigen, sich bei dieser Selbsteinschätzung hoch zu bewerten. Dies vermindert den Erklärungsgehalt der Itemvariablen erheblich. Ferner kann aus den Strukturkoeffizienten die Aussage abgeleitet werden, dass ein BCB der Mitarbeiter ohne Kundenkontakt sowie der Zulieferer und Absatzmittler in der Stichprobe von sehr geringer Relevanz ist. Im letzteren Fall weist der Strukturkoeffizient sogar ein negatives Vorzeichen auf, was auf einen reziproken Wirkungszusammenhang schließen lassen würde. Dies ist nur schwer theoretisch zu erklären; insbesondere da der t-Test einen signifikanten Beta-Wert ausweist. I.d.R. würde man dagegen einen sachlogisch positiven Zusammenhang zwischen einem überdurchschnittlichen Engagement und Einsatz einer Personengruppe und dem Markenerfolg unterstellen. Zu vermuten ist, dass dies auf Interaktionseffekte zurückzuführen ist. Eine univariate Regressionsanalyse dieses Items ermittelt einen nicht signifikanten positiven Wirkungszusammenhang zwischen abhängiger Variable und Markenerfolg. Dieses Ergebnis kann ferner durch die Diskriminanzanalyse bestätigt werden.
1006
Vgl. Abschnitt C.5.4.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
304
Insgesamt kann die positive Wirkung der internen Markendurchsetzungskompetenz auf den Markenerfolg jedoch bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2d nicht abgelehnt werden. 6.1.5
Wirkung der operativen Markenumsetzungskompetenz auf den Markenerfolg
Die Werte der Gütekriterien der Regressionsanalyse der operativen Markenumsetzungskompetenz lassen darauf schließen, dass keine Verletzungen der Modelprämissen vorliegen. Sowohl die VIF- als auch die Toleranz-Werte zur Überprüfung auf ein hohes Ausmaß an Multikollinearität liegen weit unterhalb risikobehafteter Schwellenwerte (Tabelle 31). Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ±3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Der maximale Wert der Abweichung eines Residuums liegt bei 2,65. Von dem Vorliegen einer Heteroskedastizität kann daher abgesehen werden. Der Durbin-Watson-Test zur Überprüfung auf Autokorrelation ermittelt einen Wert von 2,116 und liegt somit unterhalb des in der DurbinWatson-Tabelle festgelegten Grenzwertes. Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die operative Markenumsetzungskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
... sind unsere Qualitätsmanagement und –sicherungsysteme […]
[umsetz_ qumngt]
-0,005
-0,058
0,954
0,336
0,735
1,361
... passt unser Produktprogramm[…] zu unserer Markenidentität.
[umsetz_prdpr ogr]
0,271
3,170
0,002
0,740
0,793
1,261
...passt unsere Service-Politik zu unserer Markenidentität […] ...passt unsere Preis-, Finanzierungsund Konditionenpolitik […] zur Markenidentität.
[umsetz_ service]
0,046
0,531
0,597
0,469
0,771
1,297
[umsetz_preis]
0,073
0,885
0,378
0,434
0,844
1,185
0,149
1,698
0,092
0,543
0,748
1,337
0,100
1,100
0,274
0,600
0,705
1,419
...passt unsere Distribution […] zu unserer Markenidentität.
[umsetz_distrib ution] ...passt unsere Markenkommunikation [umsetz_komm […] zu unserer Markenidentität. u] ...ist die Geschwindigkeit der operativen Umsetzung des MarketingMixes bei unserer Marke […]
[umsetz_ geschw]
0,051
0,543
0,588
0,447
0,646
1,547
...verändern wir den Marketing-Mix der Marke als Reaktion auf Veränderungen in unserer Umwelt […]
[umsetz_ veraendr]
0,144
1,511
0,133
0,409
0,640
1,563
[umsetz_ quschwank]
0,208
2,592
0,011
0,527
0,898
1,114
...treten bei uns Qualitätsschwankungen in den Marketing-Mix Bereichen [….] auf. N = 124;
Tabelle 31: Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,341
0,289
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,369
****
2,116
6,554
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der operativen Markenumsetzungskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die operative Markenumsetzungskompetenz kann insgesamt einen sehr hohen Anteil von 28,9% (korrigiertes R2) der Varianz des Markenerfolgs erklären. Dieser Wert ist mit Abstand der höchste Wert der vorliegenden Kompetenzen. Die empirische
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
305
Signifikanz des F-Wertes liegt auf einem hohen Niveau. Diese Ergebnisse lassen sich durch theoretische Argumente untermauern. Es handelt sich bei der vorliegenden Kompetenz um eine der drei Marktzufuhrkompetenzen. Hierzu wurde bereits im Rahmen der Diskriminanzvergleichen festgestellt, dass diese Kompetenzen besonders gut geeignet ist, überdurchschnittlich erfolgreiche markenführende Organisationen von durchschnittlich und weniger erfolgreichen Organisationen zu trennen. Eine hohe Ausprägung dieser organisationalen Fähigkeiten ermöglicht es Unternehmen anscheinend, die Erfolgspotenziale der Marke (und damit auch die Potenziale der vorgeschalteten Kompetenzen) besonders effektiv auszunutzen. Solche Unternehmen hingegen, die in diesem Bereich Schwächen aufweisen, können nur einen verminderten Teil dieser Potenziale ausschöpfen. Betrachtet man wiederum einzelne Strukturkoeffizienten, so fällt vor allem die hohe Hebelwirkung der Variable [umsetz_prdprogr] auf. Ein hoher Fit zwischen dem Produktprogramm und der Markenidentität hat anscheinend einen besonders hohen Anteil an der Erfolgswirkung der Kompetenz. Dies trifft ferner auf den Fit zwischen Markenkommunikation und Markenidentität zu [umsetz_kommu]. Dies ist auch theoretisch gut zu begründen, da der erstgenannter Fit vor allem den funktionalen Nutzen einer Marke determiniert und der letztgenannter Fit insbesondere den symbolischen Nutzen einer Marke determiniert. Ferner spielt die Vermeidung von Qualitätsschwankungen, wie schon im Rahmen der Diskriminanzanalyse festgestellt, für den Markenerfolg eine bedeutende Rolle. In allen Marketing-Mix-Bereichen ist ein möglichst hohes und konsistentes Qualitätsniveau für Marken von besonderer Relevanz. Alles im allem kann die Höhe des erklärten Varianzanteils der operativen Markenumsetzungskompetenz in Anlehnung an HOOLEY ET AL. als überdurchschnittlich gut angesehen werden.1007 Insgesamt kann die positive Wirkung der Kompetenz auf den Markenerfolg bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2e nicht abgelehnt werden. 6.1.6
Wirkung der Markencontrollingkompetenz auf den Markenerfolg
Auch bei der Regressionsanalyse der Markencontrollingkompetenz können keine Verletzungen der Modelprämissen festgestellt werden. Die VIF- und Toleranz-Werte zur Überprüfung auf ein zu hohes Maß an Multikollinearität liegen zwar z. T. ein we-
1007
Vgl. HOOLEY et al. (1999), S. 273.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
306
nig höher als bei den bisher skizzierten Analysen. Allerdings liegen sämtliche VIFWerte unter dem Wert 3 und somit immer noch erheblich unterhalb des konservativen Schwellenwertes von BELSLEY (Tabelle 32).1008 Bei den standardisierten Residuen liegt die maximale Abweichung eines Residuums bei einem Wert von -2,46 und somit in dem zulässigen Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Es liegt keine Heteroskedastizität vor. Der zusätzlich durchgeführte Durbin-WatsonTest zur Prüfung auf Autokorrelation liegt mit einem Wert von 2,185 ebenfalls unterhalb des Grenzwertes. Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die Markencontrollingkompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
Die Qualität unseres Prozesses der Messung und des permanenten Trackings der Marken-Performance ist [ctrl_messung] […].
-0,124
-0,865
0,389
-0,241
0,388
2,580
Der Umfang der Nutzung von Ergebnissen aus dem MarkenControlling zur operativen Steuerung der Marke ist […]
[ctrl_ steuerung]
0,271
1,799
0,075
0,136
0,352
2,843
[ctrl_bericht]
-0,261
-1,759
0,081
-0,425
0,363
2,757
[ctrl_kundzufr]
0,178
1,451
0,149
0,340
0,532
1,881
[ctrl_mazufr]
-0,088
-0,768
0,444
0,000
0,609
1,641
Die Qualität unseres MarkenBerichtswesens ist […]. Die Qualität der Kundenzufriedenheitsmessung für unsere Marke ist […]. Die Qualität der Mitarbeiterzufriedenheitsmessung für unsere Marke ist […]. N = 124;
Tabelle 32: Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,057
0,017
2
Standard- F-Test fehler
2,786
1,420
sig
DurbinWatson
nicht sig.
2,185
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung der Wirkung der Markencontrollingkompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die Ergebnisse der Regressionsanalyse können die im Rahmen der multivariaten Diskriminanzanalyse gewonnenen Indizien zur verminderten Wirkungsrelevanz der Markencontrollingkompetenz für den Markenerfolg bestätigen. Zum einen liegt das korrigierte Bestimmtheitsmaß R2korr bei dieser Kompetenz lediglich bei 1,7%. Zum anderen unterschreitet das Signifikanzniveau den kritischen Schwellenwert deutlich. Somit kann die Hypothese, dass der von dem Modell erklärte Zusammenhang zwischen der Markencontrollingkompetenz und dem Markenerfolg zufällig ist, nicht verworfen werden. Insgesamt kann die positive Wirkung der Markencontrollingkompetenz auf den Markenerfolg nicht bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2f vorläufig abgelehnt werden.
1008
Vgl. BELSLEY (1991), S. 28.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
6.1.7
307
Wirkung der Kundenakquisitionskompetenz und der Kundenbindungskompetenz auf den Markenerfolg
Bei der Regressionsanalyse der Kundenakquisitions- und Kundenbindungskompetenz erübrigt sich ein Test auf Multikollinearität der Variablen, da beide Kompetenzen jeweils durch lediglich eine Itemvariable abgebildet werden. Allerdings ist ein Test auf das Vorliegen von Heteroskedastizität möglich, der jedoch bei beiden Kompetenzen negativ ausfällt. Die standardisierten Residuen schwanken jeweils in dem zulässigen Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Bei der Kundenakquisitionskompetenz beträgt die maximale Abweichung eines standardisierten Residuums bei -1,740 und bei der Kundenbindungskompetenz bei 2,448. Die zusätzlich durchgeführten Durbin-Watson-Tests zur Prüfung auf Autokorrelation ergeben jeweils Werte von 2,305 bzw. 2,115 (vgl. u. a. Tabelle 33 und Tabelle 34). Sie liegen unterhalb des kritischen Werts. Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die Kundenakquisitionskompetenz KollinearitätsKoeffizienten analyse Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
R
korrigiertes 2 R
0,000
1,000
/
/
0,162
0,155
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke die Fähigkeit Ihrer Marke, neue (Erst-) Kunden für sich zu gewinnen?
[kunde_akquis e]
N = 124;
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Tabelle 33: Quelle:
0,402
4,856
2
Gesamtmodell Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,582
****
2,305
23,583
Beurteilung der Wirkung der Kundenakquisitionskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die Kundenbindungskompetenz Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Toleranz
VIF
R
korrigiertes 2 R
0,000
1,000
/
/
0,258
0,252
Wie bewerten Sie im Vergleich zum Hauptwettbewerber der Marke die Fähigkeit Ihrer Marke, Kunden langfristig an die Marke zu binden?
[kunde_bindun g]
N = 124;
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Tabelle 34: Quelle:
0,508
6,518
Gesamtmodell
Strukturkoeffizient
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,429
****
2,115
42,483
Beurteilung der Wirkung der Kundenbindungskompetenz auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die Ergebnisse der Regressionsanalysen bestätigen die postulierten positiven Wirkungszusammenhänge zwischen einer hohen Ausprägung dieser beiden Kompetenzen und dem Markenerfolg. Obwohl beide Kompetenzen lediglich anhand jeweils eines Indikators operationalisiert wurden und dies verglichen mit multiplen Regressionfunktionen i.d.R. den Erklärungsgehalt einschränkt, weisen beide Kompetenzen korrigierte R2-Werte von 15,50% bzw. 25,20% auf. Die Signifikanzwerte beider Kom-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
308
petenzen liegen jeweils auf einem höchst signifikanten Niveaus (t-Werte von 4,856 bzw. 6,518). Die Signifikanztests bestätigen die Zusammenhänge auf einem höchst signifikanten Niveau. Die beiden Meta-Kompetenzen der identitätsbasierten Markenführung scheinen somit von hoher Bedeutung für den Erfolg von Marken zu sein, da sie neben ihrer unmitelbaren Wirkung das Rahmensystem der übrigen Markenführungskompetenzen beeinflussen (vgl. Abbildung 57 in Kap. D.1). Ferner untermauern die Ergebnisse die Konzentration der Markenführung auf die Herstellung einer stabilen Marke-Kunden-Beziehung. Im Vergleich zur Kundenakquisition ist eine hohe Kundenbindungskompetenz für den Erfolg von Unternehmen anscheinend wesentlich bedeutender. Dies stützt die Argumentation vieler Autoren, die postulieren, dass Unternehmen ihren Erfolg durch einen Fokus auf die Bindung von Kunden eher steigern könnten, als dies durch einen Fokus auf die Kundenakquisition zu erreichen wäre.1009 Insgesamt kann die positive Wirkung der Kundenakquisitionskompetenz und der Kundenbindungskompetenz auf den Markenerfolg bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse können daher die Hypothese 2f und 2g nicht abgelehnt werden. 6.1.8
Wirkung der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg
Da im Rahmen dieser Arbeit die Wirkungen der Markenführungskompetenzen im Kontext des kritischen Rationalismus untersucht werden, wird an dieser Stelle ebenso der Einfluss der marktlichen Rahmenbedingungen als situationsbezogene Kontextfaktoren untersucht. Dies ermöglicht ferner, einen Vergleich der potenziellen Wirkungsstärken von Kompetenzen und marktlichen Rahmenbedingungen anzustellen. Hierdurch ist es möglich, einen Beitrag zur grundsätzlichen Debatte im strategischen Management zu leisten, welche Faktoren für den Erfolg von Unternehmen den höheren Bedeutungsgehalt aufweisen: primär unternehmensinterne Faktoren, wie die ressourcenorientierte Forschung proklamiert, oder unternehmensexterne, wie markenbasierten Ansätze proklamieren.1010
1009
Vgl. bspw. DAY (1999), S. 5; REICHHELD/SASSER (1990); POWER/DRISDOLL/BOHN (1992).
1010
Hierzu ist zu bemerken, dass dies nicht den Hauptfokus der Untersuchung darstellt. Da die marktlichen Rahmenbedingungen jedoch nicht so umfassend operationalisiert wurden und ihnen in der Erhebung ferner nicht so viel Raum eingeräumt wurde, sollten die Ergebnisse lediglich als eine weitere Komponente im Kontext ähnlicher Untersuchungen interpretiert werden.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
309
Auch in diesem Fall wird eine Regressionsanalyse verwendet. Zunächst wurde überprüft, inwiefern die Modellprämissen erfüllt werden. Die Werte der Gütekriterien lassen darauf schließen, dass hierbei keine Verletzungen vorliegen. Sämtliche VIF- und Toleranz-Werte zur Überprüfung auf das Vorliegen eines zu hohen Maßes an Multikollinearität liegen unterhalb der Schwellenwerte. Bei den standardisierten Residuen liegt die maximale Abweichung eines Residuums bei einem Wert von -2,23 und somit in dem zulässigen Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Daher kann erneut Heteroskedastizität ausgeschlossen werden. Auch der zusätzlich durchgeführte Durbin-Watson-Test liegt mit einem Wert von 2,242 unterhalb des festgelegten Grenzwertes (vgl. Tabelle 35). Gütebeurteilung des Regressionsmodells für die marktlichen Rahmenbedingungen Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Item-Statement
Item
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
Das Kaufverhalten unserer Kunden war in den letzten fünf Jahren [stark wechselhaft … sehr stabil].
[rahmen_kaufv ]
-0,337
-3,632
0,000
-0,723
0,852
1,173
Unsere Wettbewerber und deren Strategien haben sich in den letzten fünf Jahren [sehr stark … überhaupt nicht] verändert.
[rahmen_wettst rat]
-0,066
-0,681
0,498
-0,177
0,791
1,264
Die Produkt- und Prozesstechnologien in unserer Branche haben sich in den [rahmen_techn letzten fünf Jahren [sehr stark … o] überhaupt nicht] verändert.
0,192
1,975
0,051
0,215
0,777
1,288
Der Preisdruck in unserer Branche hat sich in den letzten fünf Jahren [sehr [rahmen_preis] stark … überhaupt nicht] verändert.
-0,058
-0,629
0,531
-0,164
0,868
1,152
Der Markt ist in den letzten fünf Jahren rahmen_wachs [...]. _vgh]
-0,012
-0,100
0,921
-0,068
0,480
2,084
Der Markt wird vorrausichtlich in den kommenden fünf Jahren [...].
rahmen_wachs _zukft]
-0,214
-1,826
0,070
-0,327
0,535
1,869
N = 124;
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Tabelle 35: Quelle:
Gesamtmodell
R
2
0,142
korrigiertes 2 R
0,098
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,668
***
2,242
3,223
Beurteilung der Wirkung der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg Eigene Darstellung.
Die Regressionsanalyse ermittelt ein korrigiertes Bestimmtheitsmaß R2korr von 0,098. Die empirische Signifikanz des F-Wertes liegt bei 0,006 und postuliert somit einen hoch signifikanten Wirkungszusammenhang zwischen den Rahmenbedingungen und dem Markenerfolg. Somit kann die Nullhypothese verworfen werden, wonach der von dem Modell erklärte Zusammenhang zufällig ist. Aus den Strukturkoeffizienten der einzelnen Itemvariablen wird deutlich, dass sich turbulente Marktbedingungen zu einem großen Teil anscheinend negativ auf den Markenerfolg auswirken. Dies trifft vor allem auf die Dynamik des Kaufverhaltens zu. Zeichnet sich der Markt durch ein wechselhaftes Kaufverhalten der Nachfrager aus, wird es für Unternehmen anscheinend schwieriger, Marken erfolgreich zu führen. Hingegen fördern anscheinend technische Veränderungen der Prozesstechnologien den Markenerfolg. Ferner wir-
310
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
ken sich negative Einschätzungen über die zukünftige Entwicklung des Marktwachstums negativ aus. Dies lässt sich theoretisch gut begründen. Markenführung zeichnet sich durch hohe Konsistenz und Kontinuität in Bezug auf die Markenidentität aus. Muss eine markenführende Organisation nun unter stark wechselhaften Bedingungen des Kaufverhaltens agieren, wird es für die Markenführung wesentlich schwieriger, diese Anforderungen an die Markenführung im Markt durchzusetzen. Wenn auch der Strukturkoeffizient mit lediglich +0,215 ein geringes Einflussmaß der Dynamik der Prozesstechnologien anzeigt, lässt sich ebenfalls theoretisch gut argumentieren, warum dieser Indikator als einziger einen positiven Einfluss auf den Markenerfolg aufweist. Neue Prozesstechnologien bergen für Unternehmen i.d.R. neue Marktchancen, indem sie z. B. Produkte verbessern, so dass Bedürfnisse der Nachfrager besser oder billiger befriedigt werden können. Ferner ermöglichen sie, Innovationen und damit neue Kundenpotenziale zu erschließen. All diese Faktoren wirken sich positiv auf den Markenerfolg aus. Die Wirkungen der marktlichen Rahmenbedingungen insgesamt sind allerdings zu relativieren. Schließlich ermittelt die Regressionsanalyse lediglich ein korrigiertes Bestimmtheitsmaß R2korr von 0,098 und damit bis auf die Markencontrollingkompetenz eine geringere Wirkung als bei allen Markenführungskompetenzen. Diese Ergebnisse fügen sich sehr gut in die Erkenntnisse der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung ein. Bestätigt wird, dass die marktlichen Kontextfaktoren sehr wohl einen Einfluss auf den Markenerfolg ausüben können. Dieser Einfluss ist jedoch im Vergleich zu den internen Kontextfaktoren von Unternehmen eher gering. Dies bedeutet, dass markenführende Organisationen trotz widriger externer Umstände dennoch durch die Existenz von entsprechenden Ressourcen und einer hohen Güte von Markenführungskompetenzen in der Lage sind, ihr Bestehen auf dem Markt zu sichern und potenziell Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Insgesamt kann die Wirkung der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg bestätigt werden. Aufgrund der empirischen Ergebnisse kann daher die Hypothese 2i vorläufig abgelehnt werden.
6.2
Betrachtung des Gesamtmodells
Nachdem die Einflüsse der einzelnen Markenführungskompetenzen und der marktlichen Rahmenbedingungen auf den Markenerfolg dargelegt wurden, wird im letzten Schritt das Gesamtmodell betrachtet. Hierbei fließen alle betrachteten Untersu-
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
311
chungskonstrukte zusammen in die Analyse ein, um in einer Regressionsanalyse zu untersuchen, welche unabhängigen Variablen den höchsten Einfluss auf den Markenerfolg ausüben. Hierfür wurden die einzelnen Konstrukte zunächst zu einem Faktor verdichtet, indem das arithmetische Mittel der einzelnen Werte der Indikatorvariablen gebildet wurde und diese als unabhängige Variable in die Berechnung aufgenommen wurden.1011 Das Regressionsmodell wurde zunächst auf das Vorliegen von Prämissenverletzungen hin untersucht. Diese konnten nicht festgestellt werden. Die VIF- und die Toleranz-Werte zur Überprüfung auf Multikollinearität liegen weit unterhalb risikobehafteter Schwellenwerte (vgl. Tabelle 36). Dennoch können durch das Aufstellen einer Korrelationsmatrix mehrere signifikante Korrelationen zwischen den einzelnen Markenführungskompetenzen ermittelt werden, so dass von einem gewissen Grad an Multikollinearität ausgegangen werden muss (vgl. Anhang D). Nach BACKHAUS ET AL. muss dies allerdings nicht unbedingt störend sein.1012 Auch die standardisierten Residuen liegen in einem Intervall von ± 3 Standardabweichungen um den Nullpunkt. Der maximale Wert der Abweichung eines Residuums liegt bei -2,156. Daher liegt keine Heteroskedastizität vor. Der zusätzlich durchgeführte Durbin-Watson-Test zur Überprüfung der Autokorrelation ermittelt einen Wert von 1,966 und liegt somit unterhalb des in der Durbin-Watson-Tabelle festgelegten Grenzwertes.
1011
Vgl. für ein ähnliches Vorgehen HOOLEY et al. (1999), S. 268 sowie ferner im Kontext einer Untersuchung zur Marktorientiertung von Unternehmen GREENLEY (1995).
1012
Vgl. BACKHAUS et al. (2006), S. 88.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
312
Gütebeurteilung des Regressionsmodells für das Gesamtmodell der Markenführungskompetenzen und den marktlichen Rahmenbedingungen Kollinearitätsanalyse
Koeffizienten Markenführungskompetenz
Beta t-Wert (standard.)
sig
Strukturkoeffizient
Toleranz
VIF
Markeninformationsabsorptionskompetenz
0,090
1,011
0,314
0,632
0,609
1,643
Strategische Markenplanungskompetenz
0,197
2,068
0,041
0,612
0,534
1,872
Markenevolutionskompetenz
0,064
0,649
0,518
0,622
0,492
2,032
Interne Markendurchsetzungskompetenz
0,121
1,381
0,170
0,563
0,628
1,593
Operative Markenumsetzungskompetenz
0,172
1,609
0,110
0,789
0,423
2,362
Markencontrollingkompetenz
-0,162
-2,049
0,043
0,022
0,772
1,295
Kundenakquisitionskompetenz
0,051
0,541
0,590
0,600
0,547
1,828
Kundenbindungskompetenz
0,288
3,564
0,001
0,757
0,736
1,358
Marktliche Rahmenbedinungen
-0,023
-0,313
0,755
-0,214
0,887
1,127
N = 124;
Tabelle 36:
Quelle:
Gesamtmodell
R
korrigiertes 2 R
0,450
0,407
2
Standard- F-Test fehler
sig
DurbinWatson
2,163
****
1,966
10,378
* Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Beurteilung des Gesamtmodells zum Zusammenhang zwischen Markenführungskompetenzen, Meta-Komptenzen, marktlichen Rahmenbedingungen und Markenerfolg Eigene Darstellung.
Der Erklärungsbeitrag aller in die Regressionsfunktion aufgenommenen abhängigen Variablen liegt mit einem Determinationskoeffizienten von 0,450 auf einem befriedigenden Niveau. Zieht man den Wert des korrigierten Bestimmtheitsmaßes R2korr heran, kann das Gesamtmodell einen Anteil von 40,70% der Varianz erklären. Die empirische Signifikanz des F-Wertes ermittelt einen höchst signifikanten Wirkungszusammenhang. Somit kann die Nullhypothese verworfen werden, wonach der von dem Modell erklärte Zusammenhang zufällig ist. Betrachtet man die Strukturkoeffizienten der einzelnen Markenführungskompetenzen, aufgeteilt nach ihrer Zuordnung zu den Gruppen der Veredelungs-, Marktzufuhrund Meta-Kompetenzen, lassen sich folgende Rückschlüsse ziehen: Hinsichtlich der Veredelungskompetenzen bietet sich ein geteiltes Bild. Auf der einen Seite weisen sowohl die Markeninformationsabsorptionskompetenz als auch die strategische Markenplanungskompetenz relativ hohe Einflüsse innerhalb des Gesamtmodells auf. Beide Strukturkoeffizienten liegen über 0,6 (vgl. Tabelle 36). Somit kann argumentiert werden, dass beide Veredelungskompetenzen in ähnlichem Ausmaße zum Markenerfolg beitragen. Auf der anderen Seite lässt sich dies jedoch nicht für die Markencontrollingkompetenz feststellen. Hier weist der Strukturkoeffizient mit 0,022 einen fast nicht existenten Einfluss auf den Markenerfolg aus. Diese Beobachtung bestätigt die Ergebnisse der voran gegangenen Regressionsanalyse, die einen
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
313
nicht signifikanten Determinationskoeffizienten R2korr von lediglich 0,017 auswies. Insgesamt kann somit erneut übergespitzt konstatiert werden, dass anscheinend die Markencontrollingkompetenz noch keinen direkten Einfluss auf den Markenerfolg ausübt. Hier besteht ein großes Potenzial für Unternehmen. Allerdings ergab die Korrelationsmatrix verschiedene signifikante Korrelationen zu anderen Kompetenzen, insbesondere der strategischen Markenplanungskompetenz (Korrelationsfaktor von 0,419****, vgl. Tabelle 38). Dies lässt sich theoretisch gut argumentieren, da insbesondere Entscheidungen der strategischen Markenplanung von Informationen beeinflusst werden, die durch das Markencontrolling bereitgestellt werden. Daher ist zu vermuten, dass die Markencontrollingkompetenz indirekte Wirkungseinflüsse aufweist. Die Strukturkoeffizienten der drei Marktzufuhrkompetenzen liegen in einem Bereich zwischen 0,563 (interne Markendurchsetzungskompetenz) und 0,789 (operative Markenumsetzungskompetenz). Auch diese Ergebnisse bestätigen die Analyse der vorangegangen Diskriminanz- und Regressionsanalysen. Hiernach birgt anscheinend die operative Markenumsetzungskompetenz mit Abstand das größte Wirkungspotenzial für die Erlangung von Markenerfolgen. Dies kann zwar als eine wenig überraschende, allerdings als eine durchaus gut zu begründende Erkenntnis festgestellt werden. Denn letztlich entscheidet trotz aller Relevanz der vorgelagerten Kompetenzen die Gestaltung der gesamten Markenleistung an den Markenkontaktpunkten des Nachfragers wesentlich über den Erfolg einer Marke. In den meisten Fällen wird an den Punkten, an denen Nachfrager die Markenleistung hautnah erfahren können, die Entscheidung über den Kauf oder Nicht-Kauf einer Marke getroffen. Die Güte und Kaufverhaltensrelevanz dieser Marken-Kontaktpunkte werden wesentlich durch die operative Umsetzungskompetenz beeinflusst. Allerdings ist sachlogisch zu argumentieren, dass auch diese operative Marktzufuhrkompetenz nur dann zu einem Erfolg führen kann, wenn die anderen Markenführungskompetenzen ähnlich gut ausgeprägt sind. Dies spiegelt sich auch in den ähnlich hohen Strukturkoeffizienten der beiden übrigen Marktzufuhrkompetenzen wider (vgl. Tabelle 36).
Quelle:
Markeninformationsabsorptionskompetenz 1 Signifikanz (2-seitig) 124 N Strategische Marken0,429 planungskompetenz Signifikanz (2-seitig) **** 124 N Markenevolutions0,504 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 124 Interne Markendurch0,242 setzungskompetenz Signifikanz (2-seitig) *** 124 N Operative Marken0,498 umsetzungskompetenz Signifikanz (2-seitig) **** 124 N Markencontrolling0,196 kompetenz Signifikanz (2-seitig) ** 113 N Kundenakquisitions0,383 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 121 Kundenbindungs0,382 kompetenz Signifikanz (2-seitig) **** N 123 * Į 0,1; ** Į 0,05; *** Į 0,01; **** Į 0,001
Korrelationen
Tabelle 37: 0,568 **** 124
**** 124 0,376 **** 124 1 124 0,265 *** 124 0,622 **** 124 0,224 ** 113 0,570 **** 121 0,346 **** 123
**** 124 1 124 0,376 **** 124 0,568 **** 124 0,432 **** 124 0,419 **** 113 0,304 *** 121 0,251 *** 123
*** 123
0,255
** 121
0,180
**** 113
0,346
**** 124
0,412
124
1
*** 124
0,265
*** 124
0,504
0,429
0,242
**** 123
0,451
**** 121
0,595
* 113
0,165
124
1
**** 124
0,412
**** 124
0,622
**** 124
0,432
**** 124
0,498
n.s. 113
0,037
n.s. 112
0,039
113
1
* 113
0,165
**** 113
0,346
** 113
0,224
**** 113
0,419
** 113
0,196
**** 120
0,350
121
1
n.s. 112
0,039
**** 121
0,595
** 121
0,180
**** 121
0,570
*** 121
0,304
**** 121
0,383
Korrelationsmatrix der aggregierten Markenführungskompetenzen und Meta-Kompetenzen Interne MarkenMarkeninformaStrategische Operative MarkenMarkenevolutionsMarkencontrolling-Kundenakquisitionsabsorptions- Markenplanungsdurchsetzungsumsetzungskompetenz kompetenz tionskompetenz kompetenz kompetenz kompetenz kompetenz
123
1
**** 120
0,350
n.s. 113
0,037
**** 123
0,451
*** 123
0,255
**** 123
0,346
*** 123
0,251
**** 123
0,382
Kundenbindungskompetenz
314 Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
Korrelationsmatrix der aggregierten Markenführungskompetenzen und der Meta-Kompetenzen der Markenführung Eigene Darstellung.
Empirische Analyse zur Messung und Wirkung von Markenführungskompetenzen
315
Aus der Diskussion über die Bedeutung der beiden Meta-Kompetenzen wurde konzeptionell ein hohes Maß an Wirkungspotenzial antizipiert. Dieses wurde bereits in den Diskriminanz- und Regressionsanalyen teilweise bestätigt. Die Strukturkoeffizienten der beiden Meta-Kompetenzen in Tabelle 36 können diese Erkenntnisse weiter bestätigen. Hiernach weist insbesondere die Kundenbindungskompetenz einen sehr hohen Einfluss auf den Markenerfolg auf. Ferner ist anhand der aufgestellten Korrelationsmatrix festzustellen, dass zwischen beiden Meta-Kompetenzen und den Markenführungskompetenzen bis auf die Markencontrollingkompetenz durchweg signifikante Korrelationen bestehen. Dies bestärkt die konzeptionelle Argumentation, dass diese Kompetenzen nicht nur direkt den Markenerfolg beeinflussen, sondern darüber hinaus in einem hohen Maße die Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen determinieren (vgl. auch Abbildung 57). Für eine genauere Analyse bedarf es allerdings tiefer gehender Untersuchungen im Rahmen zukünftiger Forschungsbemühungen. Als letzter Punkt kann durch die Analyse des Gesamtmodells eine positive Wirkung von dynamischen Marktbedingungen auf den Markenerfolg nicht bestätigt werden. Sowohl der Beta-Koeffizient (-0,023, n.s.) als auch der Strukturkoeffizient weisen mit negativen Werten auf einen negativen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen von dynamischen marktlichen Rahmenbedingungen und dem Erreichen eines hohen Maßes an Markenerfolg hin. Dies fügt sich gut in die Ergebnisse und die Argumentation der Diskriminanz- und Regressionsanalyse der marktlichen Rahmenbedingungen ein. Diese waren bis auf die Veränderungen der Produkt- und Prozesstechnologien ebenfalls durch negative Wirkungen gekennzeichnet. Der Erfolg von Marken scheint somit eher auf statischen und leichter prognostizierbaren Märkten möglich. Allerdings kann auch bei dieser Analyse konstatiert werden: der Erfolg von Marken wird im Wesentlichen durch die Ausgestaltung der Markenführungskompetenzen determiniert. Somit können auch unter dynamischen Marktbedingungen markenführende Unternehmen grundsätzlich erfolgreich agieren.
Schlussbetrachtung und Ausblick
D
Schlussbetrachtung und Ausblick
1
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
317
Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung war die Feststellung, dass Markenführungskompetenzen eine sowohl theoretische als auch praxeologische Relevanz für die Erklärung des Markenerfolgs haben. Insbesondere im Rahmen des identitätsbasierten Markenführungsansatzes kommt ihnen als Kernbestandteil der Markenidentität eine hohe Bedeutung zu. Dies steht im Gegensatz zu der Beobachtung, dass die Erforschung von Markenführungskompetenzen bisher sowohl von deutschen als auch von internationalen Markenforschern vernachlässigt wurde. Dies überrascht insofern, als dass aus Perspektive der ressourcen- und kompetenzorientierter Forschung die Identifikation und zielgerichtete Gestaltung dieser Kompetenzen den Kern aller Markenführungsaktivitäten darstellen.1013 Die wenigen Beiträge, die zumindest Marketingkompetenzen untersuchen, beziehen lediglich wenige Teilaspekte der Markenführung mit ein, die mit den Erkenntnissen der identitätsbasierten Markenführung nicht uneingeschränkt kompatibel sind. FREILING/WELLING proklamieren daher in einem der wenigen Beiträge, die systematisch versuchen, die ressourcen- und kompetenzorientierte Forschung mit der Markenforschung zu verknüpfen, die hohe Relevanz einer „momentan noch nicht diskutierten kompetenzbasierten Markenführung“.1014 Die im Rahmen dieser Arbeit bearbeitete Forschungslücke erscheint somit zum einen breit und zum anderen im Rahmen der wissenschaftlichen Diskussion aktuell und bearbeitungswürdig. Mit dieser Arbeit wurde konsequenterweise die Zielsetzung verfolgt, einen ersten Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten. Hierfür wurden erste Erkenntnisse zur Konzeptualisierung, Operationalisierung und Wirkung von Markenführungskompetenzen auf Basis des identitätsbasierten Markenmanagementansatzes erabeitet. Dabei wurde sowohl der Erklärungs- als auch der Gestaltungsaufgabe einer entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre Rechnung getragen, indem zunächst theoretisch-deduktiv ein Erklärungsmodell zu Markenführungskompetenzen aus dem Schrifttum abgeleitet und im Anschluss empirisch untersucht wurde.
1013
Vgl. HAMMANN (2002), S. 350; BURMANN/MEFFERT (2005b), S. 41.
1014
Vgl. FREILING/WELLING (2005), S. 105.
Schlussbetrachtung und Ausblick
318
Als Grundlage der Untersuchung wurde in Abschnitt A die Notwendigkeit einer stärker kompetenzorientierten Markenführung herausgearbeitet. Hierfür wurde zunächst in den Kapiteln A.2.2 bis A.2.4 anhand einer Analyse des Schrifttums zum Marketing sowie klassischer und aktueller Markenführungsansätze der Forschungsbedarf abgeleitet. Hierbei wurde die erste wesentliche Erkenntnis generiert, dass von den skizzierten Markenführungsansätzen der identitätsbasierte Markenmanagementansatz potenziell am besten geeignet ist, um unternehmensinterne Handlungspotenziale konzeptionell zu erklären. In Abschnitt B wurde zunächst auf die Grundlagen der ressourcen- und kompetenzorientierten Forschung eingegangen. Dabei wurde festgestellt, dass die ressourcenund kompetenzorientierte Forschung trotz ihrer Anerkennung in der Betriebswirtschaft durch eine starke Heterogenität und Intransparenz der Untersuchungsgegenstände und -ziele gekennzeichnet ist. Zur Sicherung der Anschlussfähigkeit der vorliegenden Arbeit an den aktuellsten Stand der ressourcen- und kompetenztheoretischen Forschung wurde beschlossen, sich insbesondere hinsichtlich definitorischer Abgrenzungen an den aktuellen Forschungserkenntnissen rund um die Entwicklung einer CbTF anzulehnen.1015 Im Folgenden wurde der identitätsbasierte Markenführungsansatz als konzeptionelle Basis der Untersuchung vorgestellt. Dieser zeichnet sich als einer der wenigen Ansätze der Markenführung durch die Berücksichtigung und Integration einer internen und externen Perspektive der Markenführung aus. Für die Untersuchung der Markenführungskompetenzen war primär die interne Perspektive von Relevanz. An dieser Stelle wurden zwei Meta-Aufgaben der identitätsbasierten Markenführung herausgearbeitet. Ferner wurde der Ansatz in wichtigen Teilfacetten der Markenidentität weiter fundiert. So konnte insbesondere aus den Forschungsarbeiten von MEAD die Zulässigkeit der Identifikation von Kompetenzen als Identitätskomponente abgeleitet werden.1016 Markenführungskompetenzen sichern danach die Leistungsfähigkeit der Marke ab, indem sie die markenführende Institution (im Sinne von Handlungspotenzialen) zur Einlösung des kommunizierten Markennutzenversprechens durch ein konsistentes Markenverhalten befähigen. Erst durch diese „Leistungskompetenz“ kann auf Seiten der Nachfrager gegenüber einer Marke Vertrauen entstehen. Ferner wurden neueste Erkenntnisse der Markenidentität als Erklärungs- und Füh-
1015
Vgl. hierzu GERSCH/FREILING/GOEKE (2005) sowie auch FREILING (2004a) und FREILING (2004b).
1016
Vgl. MEAD (1978).
Schlussbetrachtung und Ausblick
319
rungskonzept diskutiert sowie ein verbesserter Managementprozess der identitätsbasierten Markenführung vorgestellt. Die zentralen konzeptionellen Kapitel der Arbeit sind B.3 und B.4. Hier wurden zunächst neun Ansätze zur Strukturierung von Unternehmensführungs-, Marketingund Markenführungskompetenzen vorgestellt und anhand von vier Kriterien auf ihre Übertragbarkeit für die identitätsbasierte Markenführung kritisch gewürdigt. Ergebnis dieser Analyse war, dass sich kein einzelner Ansatz allein für eine Übertragung eignet. Allerdings konnten übertragbare Teilerkenntnisse wie u. a. die Bedeutung einer Market Sensing Kompetenz von DAY übernommen werden.1017 Insbesondere wurden die Erkenntnisse des Ansatzes von FREILING/WELLING für eine Übertragung auf den identitätsbasierten Markenführungsansatz als geeignet identifiziert. Auf Basis dieser Erkenntnisse wurden Markenführungskompetenzen definiert als: „wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotentiale einer markenführenden Organisation, die diejenigen Prozesse zielgerichtet ermöglichen, die im Zusammenhang mit den Aufgaben der Markenführung dem Erhalt der als notwendig erachteten Wettbewerbsbewährung und gegebenenfalls der Realisierung konkreter Wettbewerbsvorteile der markenführenden Organisation dienen.“ Ferner wurde die Klassifikation in Veredelungs-, Marktzufuhr- und Meta-Kompetenzen für die vorliegende Strukturierung genutzt. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wurden sechs Markenführungskompetenzen und zwei Meta-Kompetenzen der Markenführung identifiziert und konzeptualisiert. Die Markeninformationsabsorptionskompetenz, die strategische Markenplanungskompetenz und die Markencontrollingkompetenz repräsentieren demnach Veredelungskompetenzen, da sie als Handlungspotenziale die Gestaltung der Leistungsbereitschaft ermöglichen. Die Markenevolutionskompetenz, die interne Markendurchsetzungskompetenz und die operative Markenumsetzungskompetenz repräsentieren dagegen Marktzufuhrkompetenzen, da sie als Handlungspotenziale die Gestaltung der Leistungserstellung ermöglichen (vgl. Abbildung 57).
1017
Vgl. DAY (1994), S. 41.
Schlussbetrachtung und Ausblick
320
Marken-MetaKompetenz
Marken-MetaKompetenz
Markenführungskompetenzen
Markeninformationsabsorptionskompetenz
Strategische Markenplanungskompetenz
Markencontrollingkompetenz
Gestaltung der Leistungsbereitschaft
Marken-Marktzufuhrkompetenzen
Markenevolutionskompetenz
Interne Markendurchsetzungskompetenz
Kundenbindungskompetenz
Kundenakquisitionskompetenz
Marken-Veredelungskompetenzen