Kurzlehrbuch Medizinische Mikrobiologie [1., Aufl.]
 3131416513, 9783131416513 [PDF]

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Zitiervorschau

Auf einen Blick 1

Allgemeine Infektionslehre

2

Allgemeine Bakteriologie

3

Allgemeine Virologie

113

4

Allgemeine Mykologie

137

5

Allgemeine Parasitologie

151

6

Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

171

7

Infektionskrankheiten der Gastroenteralregion

185

8

Infektionen Atemwege, Lunge, Herz−Kreislauf, Sepsis

229

9

Infektionen von Haut, Weichteilen und Skelett

277

10

Infektionen Urogenitalbereich, Geschlechtskrankheiten

305

11

Schwangerschaftsrelevante Infektionen

329

12

Infektionen von ZNS, Auge und Ohr

339

13

Bakterielle Zoonosen

361

14

Durch Arthropoden übertragene Viruskrankheiten

385

15

Sonstige Viruserkrankungen

403

16

Mykosen

421

17

Parasitosen

435

18

Anhang

472

1 23

Aus Groß. U.: Kurzlehrbuch Med. Mikrobiologie und Infektiologie (ISBN 978-313-141651-3) © Georg Thieme Verlag KG 2006 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!

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Kurzlehrbuch

Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie

Uwe Groß

1. Auflage 238 Abbildungen 129 Tabellen

Georg Thieme Verlag Stuttgart  New York

Aus Groß. U.: Kurzlehrbuch Med. Mikrobiologie und Infektiologie (ISBN 978-313-141651-3) © Georg Thieme Verlag KG 2006 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form an Dritte weitergegeben werden!

Prof. Dr. med. Uwe Groß Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätskliniken Göttingen Kreuzbergring 57 37075 Göttingen

Zeichnungen: Helmut Holtermann, Dannenberg

Klinische Fälle als Kapiteleinstiege: Lehrbuchredaktion Georg Thieme Verlag Layout: Künkel und Lopka, Heidelberg Umschlaggestaltung: Thieme Verlagsgruppe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika− tion in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d−nb.de abrufbar.

F 2006 Georg Thieme Verlag Rüdigerstraße 14 D−70469 Stuttgart Unsere Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany Satz: primustype Robert Hurler GmbH, Notzingen gesetzt auf 3B2 Druck: Grafisches Centrum Cuno GmbH & Co. KG, Calbe ISBN 3−13−141651−3 (ISBN−13: 9783131416513)

123456

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, ins− besondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikati− onsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr über− nommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikatio− nen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwende− ten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrecht− lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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V

Vorwort Es gibt kaum ein klinisches Fach, in dem Infektio−

nach dem Infektionsschutzgesetz genannt. La−

nen keine Rolle spielen. Trotz der Entwicklung neu−

borblätter verschaffen zusätzlich einen schnellen

er Antiinfektiva, besserer Impfstoffe und einer Me−

Überblick über die wesentlichen Eigenschaften der

dizin, die immer hochleistungsfähiger wird, sind

Erreger.

Infektionskrankheiten

eingedämmt.

Dabei wird dem Beispiel des Gegenstandskatalogs

Ganz im Gegenteil: immer neue Resistenzen lassen

gefolgt und die Lernthemen werden entsprechend

uns eher unwohl in die Zukunft sehen. Vor allem die im Krankenhaus erworbenen nosokomialen In− fektionen nehmen weiter zu und führen zu hoher

der ICD−10−GM−Kodierung behandelt. Die entspre− chende ICD−10−GM−Nummerierung wird in den re− levanten Kapitelüberschriften jeweils in eckiger

Krankenhausmorbidität und −mortalität. In Zeiten

Klammer genannt, wobei die Reihenfolge hier je−

des zunehmenden Kostendrucks im Gesundheits−

doch aus didaktischen Gründen optimiert wurde.

wesen und DRG−Budgetierung sind schnelle und

Die neue ärztliche Approbationsordnung zielt auf

adäquate Entscheidungswege nicht nur für das

das klinisch−relevante Wissen. Demzufolge werden

Wohl des Patienten immer wichtiger. Um diesem

in diesem Buch die Grundlagen und die Systematik

Anspruch gerecht zu werden, müssen jede Ärztin und jeder Arzt grundlegende Kenntnisse über die

der Krankheitserreger bewusst kürzer gehalten als die Darstellung der angewandten Mikrobiologie

wichtigsten und häufigsten Infektionserreger und die Pathogenese der von ihnen hervorgerufenen

und ihrer Relevanz für klinisch−infektiologische Fragestellungen.

Krankheiten besitzen. Nur so kann es gelingen,

Querverweise zwischen den Kapiteln sollen das

Anamnese und Diagnostik in richtiger Weise als

Auffinden jeweils hilfreicher Zusatzinformationen

Werkzeuge für eine Ziel führende Therapie von In−

erleichtern. Zahlreiche Tabellen dienen der schnel−

fektionskrankheiten einzusetzen. Dieses Buch ver−

len Übersichtlichkeit, z.B. zur Systematik der Bak−

sucht dabei zu helfen, in einem innovativen Ansatz den Bogen zwischen dem naturwissenschaftlichen

terien und Viren. Der Inhalt der klinisch−infektiolo− gischen Kapitel wird jeweils zu Beginn in einer

Grundlagenwissen der Mikrobiologie und der kli−

Graphik zusammengefasst, um das Auffinden der

nisch angewandten Infektiologie zu spannen.

organbezogenen Krankheitskomplexe und ihrer Er− reger zu erleichtern. Neben Angaben zu Referenz−

Die neue ärztliche Approbationsordnung vom 27.

zentren und Konsiliarlaboren enthält das Buch

Juni 2002 hat Lehrende und Lernende vor neue

schließlich im Anhang noch Hinweise auf hilfreiche

Herausforderungen gestellt. Der Fächerkanon wur−

Internetseiten, die weitere und vor allem stets ak−

de aufgebrochen, interdisziplinäres Denken und Lernen ist mehr denn je gefordert. Dieses neuartige

tuelle Informationen zu mikrobiologisch−infektiolo− gischen Fragestellungen bieten.

Lehrbuch stellt sich den Herausforderungen und

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Buch nicht nur für

versucht das für die Scheine F10 (Hygiene, Mikro−

die Zeit bis zum Staatsexamen, sondern auch da−

biologie, Virologie) und Q4 (Infektiologie, Immuno−

nach noch als ein kompaktes Nachschlagewerk ge−

logie) relevante Wissen in kompakter Form darzu− stellen und zu verknüpfen. Sein Inhalt orientiert

nutzt wird.

sich schwerpunktmäßig am neuen Gegenstandska−

Wie fast jedes neue Lehrbuch hat auch dieses eine

talog, der nur noch die häufigsten Infektionskrank− heiten berücksichtigt und jetzt auch den vielfach

Urquelle: Ein von H. Schütt−Gerowitt vor vielen Jahren erstelltes Mikrobiologie−Skript für den stu−

geforderten Mut zur Lücke aufgebracht hat. Daher

dentischen Unterricht war die erste Keimzelle, wo−

werden auch getreu dem Motto Was häufig ist,

für ich mich ganz herzlich bedanken möchte. Aus

muss stets parat sein (und wird eher abgefragt) in

der Ursprungszelle sind weitere hervorgegangen,

diesem Buch die Häufigkeiten der einzelnen Infek−

Differenzierungsprozesse haben sich angeschlos−

tionskrankheiten und die offiziellen Meldezahlen

sen, an denen auch Frau Simone Claß, Frau Sigrun

keineswegs

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VI Ehlers−Rückert und Frau Dr. Christina Schöneborn vom Georg Thieme Verlag dankenswerterweise ei− nen nicht unerheblichen Anteil hatten. Nun ist hof−

Danksagung Für die Hilfe bei der Erstellung des Malaria−Kapi−

fentlich ein Buch entstanden, das sich stetig weiter−

tels möchte ich cand. med. J. Friesen (Göttingen)

entwickeln wird. Weiterentwicklungen basieren auf

meinen Dank aussprechen. Ein besonderes Danke−

Signaltransduktionskaskaden, die von äußeren Rei−

schön gebe ich an J. Wienands (Göttingen) für die

zen und Stimuli in Gang gesetzt werden. Seien Sie

kritisch−konstruktive Durchsicht des Kapitels über

dieses externe Signal und schicken Sie Anregungen, Verbesserungen und kritische Stellungnahmen an:

Infektionsimmunologie. Insbesondere die Darstel− lung von klinischen Manifestationen lebt von Ab−

[email protected]

bildungen. Viele Kolleginnen und Kollegen haben

Göttingen, im August 2006

Uwe Groß

für dieses Buch unkompliziert und schnell Bildma− terial zur Verfügung gestellt. Dafür möchte ich mich ganz herzlich bedanken bei A. Cichon, H. Eif− fert, J. Friesen, E. Grabbe, A. Günthert, G. Hasenfuß, C.G.K. Lüder, R. Nau, C. Neumann, J. Petersen, T. Raupach, U. Reichard, R. Rüchel, M. Schulze, W. Steiner, M. Weig (alle Göttingen), K. Fleischer, D. Hahn, C. Hüttinger, H. Klinker, H.P.R. Seeliger, A. Stich, W. Ziebuhr (alle Würzburg), H. Blenk (Nürn− berg), W. Boes (Duderstadt), C. Buser und T. Mer− tens (Ulm), A. Ferbert (Kassel), H. Gelderblom (Ber− lin), K.−G. Gerdts (Cuxhaven), W. Gerlich (Gießen), M. Grade (Rotenburg/W.), A. Heim (Hannover), H.− D. Klenk und L. Kolesnikowa (Marburg), D. Krüger (Berlin), S. Modrow (Regensburg), K. Schröppel (Er− langen), H. Sudeck (Hamburg), sowie dem NRZ MMR und der DTG e.V.

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VII

Inhalt 1

Allgemeine Infektionslehre

3

1.1 1.1.1

Grundlagen Von der Krankheit zur Ätiologie – Henle−Koch−Postulate Allgemeine Epidemiologie Eigenschaften und Lebensweise von Krankheitserregern (Einteilung der Krankheitserreger) Kolonisation und Infektion – Endogene und exogene Infektion Die Übertragungswege

3

1.1.2 1.1.3

1.1.4 1.1.5 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.3.4 1.3.5 1.3.6 1.3.7

2

3 4

4 5 7

Infektionsimmunologie – Abwehr von Krankheitserregern 7 Woran erkennt das Immunsystem Krankheitserreger? 7 Die Bausteine der Immunabwehr 8 Das Zusammenspiel von angeborener und erworbener Immunabwehr 14 Verlauf einer Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität Die Umgehung oder Verhinderung der unspezifischen Immunität Pathogenität und Virulenz Adhäsion, Invasion und intrazelluläre Etablierung Lokale oder systemische Ausbreitung der Krankheitserreger Die Mechanismen der Wirtsschädigung Die Umgehung oder Verhinderung der spezifischen Immunität Austritt aus dem Körper und Übertragung zu einem neuen Wirt

Allgemeine Bakteriologie

19 19 19 20 20 21 21 21

2.3.3

Die genetische Variabilität bei Bakterien

30

2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.4.5 2.4.6 2.4.7

Systematik der Bakterien Grampositive Kokken Gramnegative Kokken Grampositive Stäbchen Gramnegative Stäbchen Schraubenbakterien (Spirochäten) Zellwandlose Bakterien Obligat intrazelluläre Bakterien

32 33 47 48 54 68 70 71

2.5

Die bakterielle Normalflora des Menschen Anatomische Zuordnung der Normalflora

2.5.1 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3

Grundlagen bakterieller Diagnostik Die präanalytische Phase Die analytische Phase Die postanalytische Phase

2.7

Die Grundlagen der antibakteriellen Therapie Begriffsdefinition Einteilung nach der Wirkungsweise Die Einteilung nach dem Wirkungs− mechanismus bzw. Angriffspunkt Die Betalaktamantibiotika b−Laktamase−Inhibitoren (BLI) Aminoglykoside Tetrazykline Glycylcycline MLS−Antibiotika (Makrolide, Lincosamide und Streptogramine) Glykopeptide Chloramphenicol Chinolone (Fluorchinolone, Gyrasehemmer) Sulfonamide und Sulfonamid− Kombinationen Polypeptid− und Lipopeptidantibiotika Fosfomycin Rifampicin Fusidinsäure Mupirocin Linezolid

2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4 2.7.5 2.7.6 2.7.7 2.7.8 2.7.9 2.7.10 2.7.11 2.7.12

25 2.7.13

2.1

Aufbau der Bakterienzelle

25

2.2

Bakterieller Stoffwechsel

28

2.7.14

2.3

Grundlagen der bakteriellen Genetik Die DNA−Replikation Die bakterielle Genexpression am Beispiel des lac−Operons

29 29

2.7.15 2.7.16 2.7.17 2.7.18 2.7.19

2.3.1 2.3.2

29

73 73 76 77 79 91 92 92 92 92 94 97 97 97 98 98 99 100 101 101 102 102 102 102 102 103

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VIII

Inhalt 2.7.20 Nitroimidazole 2.7.21 Die Kombinationstherapie mit Antibiotika 2.7.22 Pharmakokinetik der Antiinfektiva 2.7.23 Typische Nebenwirkungen der Antiinfektiva 2.8 2.8.1 2.8.2 2.8.3 2.8.4

Resistenzverhalten und −entwicklung Die Resistenztypen Betalaktam−Resistenzen Erreger mit Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika Die Methoden der Resistenzbestimmung

103

4

Allgemeine Mykologie

139

103 104

4.1 4.1.1 4.1.2

Lebensweise und Morphologie Allgemeines Die Klassifizierung der Pilze

139 139 139

104

4.2

Die Diagnostik von Mykosen

141

105 106 107

4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3

142 142 142

107

4.3.4

4.3.5

Die antimykotische Therapie Die Desinfektionsmittel Die Lokalantimykotika Die systemisch anwendbaren Antimykotika Die Wirkungsmechanismen, Anwendung und Nebenwirkungen der Antimykotika Das Antimykotigramm

4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4

Die Systematik der Pilze Die Dermatophyten Die Sprosspilze (Hefen) Die Schimmelpilze Die dimorphen Pilze

145 145 145 146 149

5

Allgemeine Parasitologie

153

5.1

Allgemeines

153

5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4

Die Protozoen Die Flagellaten Die Rhizopoda Die Sporozoa Die Ciliaten

154 154 156 157 159

5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4

Die Helminthen Die Cestoden (Bandwürmer) Die Nematoden (Fadenwürmer) Die Trematoden (Egel) Allgemeines zu Diagnostik von Wurmerkrankungen Allgemeines zur Therapie von Wurmerkrankungen

159 161 162 164

Die Arthropoden Zecken und Milben Läuse Flöhe Wanzen

167 168 169 169 170

111

3

Allgemeine Virologie

115

3.1 3.1.1 3.1.2 3.1.3 3.1.4

Die Grundlagen Der Aufbau der Viren Der Lebenszyklus der Viren Das Schicksal der infizierten Zellen Der Verlauf von Virusinfektionen

115 115 116 118 118

3.2

Die Diagnostik viraler Erkrankungen Die Materialabnahme Die Grundlagen viraler Diagnostik

3.2.1 3.2.2 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.4.6

Die antiviralen Chemotherapeutika und Prophylaxe Die antivirale Therapie Resistenzentwicklung bei der antiviralen Therapie Prophylaxe und Hygienemaßnahmen Die Systematik der Viren Die Doppelstrang−DNA−Viren mit Lipidhülle Die Doppelstrang−DNA−Viren ohne Lipidhülle Einzelstrang−DNA−Virus ohne Lipidhülle Die RNA−Viren mit Lipidhülle Die RNA−Viren ohne Lipidhülle Doppelstrang−RNA−Virus ohne Lipidhülle

119 119 120 121 121 123 124 124 126

5.3.5 128 129 129 134 136

5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3 5.4.4

142

142 144

165 167

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Inhalt

6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.1.4 6.1.5 6.1.6 6.1.7 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5

Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

7.2.13 Kryptosporidiose und andere Kokzidiosen 7.2.14 Virusbedingte Darminfektionen 7.2.15 Ablauf der Untersuchung bei Verdacht auf pathogene Darmkeime 7.2.16 Meldepflicht

215 217

7.3 7.3.1

Krankheiten des Peritoneums Peritonitis

217 217

175

7.4 7.4.1 7.4.2

Infektionen der Leber Virushepatitis Leberabszess

218 218 226

177 178

7.5

178

7.5.1 7.5.2

Krankheiten der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreas Cholelithiasis und Cholezystitis Pankreatitis

226 226 227

173

Nosokomiale Infektionen Prädisponierende Faktoren Die Ursachen nosokomialer Infektionen Die gesetzliche Grundlage der Erfassung nosokomialer Infektionen Ausgewählte bakterielle Erreger nosokomialer Infektionen Die Gefahrenquellen für medizinisches Personal Die Präventionsmaßnahmen Ausbruchsituationen und −management

173 173

Die Infektionsprophylaxe Kontrolle und Überwachung von Infektionserkrankungen Die Expositionsprophylaxe Die Dispositionsprophylaxe Sterilisation und Desinfektion Lebensmittel− und Wasserhygiene

179

173 175

179 179 180 180 181

7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.2 7.2.1 7.2.2

Infektionskrankheiten der Gastroenteralregion Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duodenums Ösophagitis und Ösophagusulkus Infektionen des Magens und des Duodenums

Infektiöse Darmkrankheiten Virulenzfaktoren Cholera und andere Erkrankungen durch Vibrionen 7.2.3 Infektionen durch Salmonellen 7.2.4 Shigellose (bakterielle Ruhr) 7.2.5 Darminfektion durch Escherichia coli 7.2.6 Enteritis durch Campylobacter 7.2.7 Enteritis durch Yersinien 7.2.8 Enterokolitis durch Clostridium difficile 7.2.9 Bakteriell bedingte Lebensmittelvergiftungen 7.2.10 Amöbiasis 7.2.11 Balantidiose 7.2.12 Giardiasis

187 187 187 188 189 189 190 194 198 199 201 202 204 205 207 209 210

211 213

8

Infektionen von Atemwegen, Lunge und Herz−Kreislauf− System, Sepsis 231

8.1

Akute Infektionen der oberen Atemwege Rhinopharyngitis und grippaler Infekt Sinusitis Pharyngitis und Tonsillitis Laryngitis, Epiglottitis und Tracheitis (Tracheobronchitis) Keuchhusten (Pertussis)

8.1.1 8.1.2 8.1.3 8.1.4 8.1.5 8.2 8.2.1 8.2.2

IX

231 231 232 233 240 241

8.2.3

Grippe und Pneumonie 244 Influenzaviren 244 Schweres akutes respiratorisches Syn− drom 247 Pneumonie 248

8.3 8.3.1 8.3.2

Akute und chronische Bronchitis Akute Bronchitis Chronische Bronchitis

8.4 8.4.1 8.4.2

Weitere Erkrankungen der unteren Atemwege 258 Lungenabszess 258 Pleuraempyem 259

8.5

Tuberkulose

259

8.6 8.6.1

Myokarditis und Perikarditis Coxsackieviren

267 268

256 256 257

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X

Inhalt 8.7

Endokarditis

268

8.8 8.8.1

Sepsis Pathophysiologie der Fieberentstehung Keimspektrum und Klinik Diagnostik Therapie Phlebitis, Thrombophlebitis und Kathetersepsis Meningokokkeninfektion

271

8.8.2 8.8.3 8.8.4 8.8.5 8.8.6

9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4 9.1.5 9.1.6 9.1.7 9.1.8 9.2

9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.3

9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.3.5 9.3.6 9.3.7 9.3.8

Infektionen von Haut, Weichteilen und Skelett Infektionen der Haut und der Unterhaut Staphylococcal scalded skin syndrome Impetigo Hautabszess, Furunkel und Karbunkel Erysipel Phlegmone Erythrasma Windeldermatitis Akne vulgaris

272 273 273 273 274 274

9.4.1 9.4.2 9.4.3

Infektionen von Weichteilen, Knorpel und Knochen Spondylitis bzw. Spondylodiszitis Myositis Osteomyelitis

300 300 300 300

9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3

Infektiöse Arthropathien Eitrige Arthritis Lyme−Arthritis Reaktive und postinfektiöse Arthritis

301 301 303 303

10

Infektionen des Urogenital− bereichs einschließlich Geschlechtskrankheiten

307

279 10.1 279 280 280 281 281 282 283 283 284

Tiefere Hautinfektionen mit Beteiligung des Weichgewebes und der Muskulatur 284 Dekubitalgeschwür 284 Aktinomykose 285 Gasbrand 287 Virusinfektionen, die durch Haut− und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind Infektionen durch Herpes−simplex− Viren Varizellen (Windpocken) und Herpes ster Pocken Affenpocken Masern Röteln Viruswarzen Sonstige Virusinfektionen mit Haut− Schleimhaut−Beteiligung

9.4

289 289 zo− 291 293 294 294 296 297

10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.2.4 10.2.5 10.2.6

Infektionen des Nieren− und Harnsystems Zystitis und Pyelonephritis BK−Virusinfektion nach Nierentransplantation Hantavirusinfektion Urethritis Entzündliche Krankheiten der Becken− und Genitalorgane Fournier−Gangrän Epididymitis und Orchitis Prostatitis Adnexitis Entzündliche Krankheiten des Uterus und der Cervix uteri Vulvovaginitis

10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.3.6

Sexuell übertragbare Krankheiten Syphilis Gonokokkeninfektion Chlamydienkrankheiten Ulcus molle Trichomoniasis Infektionen des Anogenitalbereiches durch Herpesviren 10.3.7 Condylomata acuminata 10.3.8 HIV−Infektion

11

Schwangerschaftsrelevante Infektionen

312 312 312 313 313 313 314 314 315 315 315 315 320 323 324 324 326 326 326

329

11.1 298

Infektionen, die für die Perinatalperiode spezifisch sind 11.1.1 Rötelnembryopathie

307 307

329 330

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Inhalt 11.1.2 Angeborene Zytomegalie 11.1.3 Angeborene Infektion durch Herpesviren 11.1.4 Angeborene Virushepatitis 11.1.5 Angeborene HIV−Infektion 11.1.6 Bakterielle Sepsis beim Neugeborenen 11.1.7 Angeborene Toxoplasmose

12

Infektionen von ZNS, Auge und Ohr

332 332 333 334 334 336

341 341

12.2 Infektionen des Auges 12.2.1 Uveitis und Chorioretinitis bzw. chorioretinale Affektionen 12.2.2 Keratitis 12.2.3 Konjunktivitis

352

12.3 Infektionen des Ohrs 12.3.1 Otitis externa 12.3.2 Otitis media und Mastoiditis

357 357 358

13.1 13.1.1 13.1.2 13.1.3 13.1.4 13.2

344 346 347 349 351 351

352 354 355

Bakterielle Zoonosen, bakterielle Krankheiten mit generalisierter Manifestation und Krankheiten durch obligat intrazelluläre Bak− 363 terien Bakterielle Zoonosen Pest Anthrax (Milzbrand) Brucellose Leptospirose

Krankheiten durch obligat intrazelluläre Bakterien 13.3.1 Krankheiten durch Chlamydien 13.3.2 Krankheiten durch Chlamydophila 13.3.3 Rickettsiosen

371 372 374 376

13.3

378 378 380 381

341

12.1 Infektionen des ZNS 12.1.1 Meningitis und Enzephalitis 12.1.2 Intrakranielle und intraspinale Abszesse 12.1.3 Akute Poliomyelitis 12.1.4 Atypische Virusinfektionen des Zentralnervensystems 12.1.5 Tollwut (Rabies) 12.1.6 Durch Moskitos übertragene Virusenzephalitis 12.1.7 Durch Zecken übertragene Virusenzephalitis

13

13.2.2 Infektionen durch sonstige Mykobakterien 13.2.3 Listeriose 13.2.4 Tetanus 13.2.5 Borreliose, Lyme−Krankheit

XI

363 363 365 367 368

Sonstige bakterielle Krankheiten mit generalisierten Manifestationen 369 13.2.1 Lepra 369

14

Durch Arthropoden übertragene Viruskrankheiten und virale 387 hämorrhagische Fieber

14.1 14.1.1 14.1.2 14.1.3

Allgemeines Pathogenese des VHF Klinik des VHF Aspekte des Meldevorgangs und des öffentlichen Gesundheitsschutzes 14.1.4 Diagnostik des VHF 14.1.5 Therapie des VHF

387 387 389

14.2 Erkrankungen 14.2.1 (Hämorrhagisches) Dengue−Fieber 14.2.2 Sonstige durch Moskitos übertragene Viruskrankheiten 14.2.3 Sonstige durch Arthropoden übertragene Viruskrankheiten 14.2.4 Sonstige Arbovirusinfektionen 14.2.5 Gelbfieber 14.2.6 Hämorrhagisches Fieber durch Arenaviren 14.2.7 Sonstige hämorrhagische Viruskrank− heiten

392 392

15

390 390 391

394 395 395 395 397 398

Sonstige Viruserkrankungen

405

HIV−Krankheit und AIDS Epidemiologie Viruszyklus und Pathogenese Klinik Diagnostik Prinzipien der Therapie Überblick über Therapeutika gegen HIV 15.1.7 Prophylaxe

405 405 405 407 408 409

15.1 15.1.1 15.1.2 15.1.3 15.1.4 15.1.5 15.1.6

409 410

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XII

Inhalt 15.1.8 Infektiöse und parasitäre Krankheiten infolge HIV−Krankheit 410 15.2 Zytomegalie 15.2.1 Klinik 15.2.2 Diagnostik und Therapie

415 415 416

15.3 Mumps 15.3.1 Klinik 15.3.2 Diagnostik und Therapie

416 416 417

15.4 Infektiöse Mononukleose 15.4.1 Klinik 15.4.2 Diagnostik und Therapie

417 418 418

16

Mykosen

423

16.1 16.1.1 16.1.2 16.1.3

Dermatophytose (Tinea) Klinik Diagnostik Therapie

423 423 424 425

16.2 Sonstige oberflächliche Mykosen 16.2.1 Pityriasis versicolor

425 426

16.3 16.3.1 16.3.2 16.3.3 16.3.4

Kandidose (Candidose) Pathogenese Klinik Diagnostik Therapie

426 426 427 429 430

16.4 16.4.1 16.4.2 16.4.3

Aspergillose Klinik Diagnostik Therapie und Prävention

430 430 431 432

16.5 16.5.1 16.5.2 16.5.3

Kryptokokkose Klinik Diagnostik Therapie

433 433 434 434

17

Parasitosen

437

17.1 17.1.1 17.1.2 17.1.3 17.1.4 17.1.5 17.1.6 17.1.7

Protozoenkrankheiten Malaria Leishmaniose Afrikanische Trypanosomiasis Chagas−Krankheit Toxoplasmose Pneumozystose Sonstige Protozoenkrankheiten

437 437 445 447 448 448 452 453

17.2 17.2.1 17.2.2 17.2.3 17.2.4 17.2.5

Helminthosen Schistosomiasis (Bilharziose) Echinokokkose Taeniasis und Zystizerkose Askaridose Enterobiasis

454 454 457 460 463 465

17.3 Ektoparasitosen 17.3.1 Pedikulose (Läusebefall) und Phthiriasis (Filzläusebefall) 17.3.2 Skabies

466 466 469

18

Anhang

473

Links

474

Quellenverzeichnis

478

Sachverzeichnis

479

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Kapitel

1

Allgemeine Infektionslehre 1.1

Grundlagen 3

1.2

Infektionsimmunologie – Abwehr von Krankheitserregern 7

1.3

Verlauf einer Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität 19

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2

Klinischer Fall

 cke Die Enterokokken−Lu

Brettharter Bauch Die Chirurgen entschließen sich in der Tat für eine minimal−invasive Appendektomie. Als perioperative Antibiose erhält der Junge ein Cephalosporin. Wider Erwarten geht es Volker aber nach dem Eingriff nicht besser. Am zweiten postoperativen Tag steigt sein Fieber auf 39,2 8C. Seine Bauchdecke wird bretthart. Die Bauchschmerzen, die ihn jetzt plagen, kann er kaum ertragen. Der Chirurg, der ihn untersucht, ist sehr beunruhigt. Ich höre bei dem Jungen keine Darmgeräusche“, berichtet er seinem Oberarzt bei der Visite. Die Mediziner stellen die Diagnose Paraly− tischer Ileus bei Peritonitis mit Verdacht auf Darm−

Laparoskopie: unauffälliger Appendix vermiformis

perforation“ und entscheiden sich für eine sofortige

Bauchschmerzen und Erbrechen

Lavage−Behandlung der operierten Region. Während des Eingriffs entnehmen sie Abstriche aus dem ent−

Endlich Ferien!“, tönt in Volkers Ohr die Stimme sei−

zündeten Gebiet. Außerdem ändern sie die antibioti−

ner kleinen Schwester, als der vollbeladene Familien− Van an Besanon vorbei in Richtung Atlantik eilt.

sche Behandlung des Patienten in ein Cephalosporin der dritten Generation und Metronidazol um. Auf

Mir ist überhaupt nicht nach Ferien zumute“, ant−

diese Weise wollen sie Volker im Sinne einer Breit−

wortet der 16−Jährige abweisend. Die Familie wun−

band−Antibiose gegen die meisten Peritonitis−Keime

dert sich: Eigentlich hatte sich Volker auf die Atlan− tik−Reise sehr gefreut. Er wollte dort seine Freundin

abdecken.

treffen und gemeinsam mit ihr surfen gehen. Hast

Die Lücke in der Behandlung

du etwa Liebeskummer?“, fragt Volkers Mutter und dreht sich vom Vordersitz zur Rückbank des Wagens

Zwölf Stunden nach dem Antibiose−Wechsel steigt

hinüber, wo Volker und seine Schwester sitzen.

das Fieber weiterhin. Auch die Entzündungswerte im Blut gehen nicht zurück. Inzwischen werden Volkers

Nein, nur Bauchschmerzen“, antwortet Volker mit

Vitalparameter stündlich kontrolliert. In den Abstri−

leidender Miene.

chen aus der Lavage−Behandlung findet man im Labor

Was wie harmloser Ferien−Verdruss aussieht, wird bald ernst. In den nächsten drei Stunden muss Volker

vor allem grampositive Kettenkokken. Da sich der

mehrmals erbrechen. Sein Bauchweh nimmt rasant

ten die Chirurgen den Mikrobiologen der Klinik um

zu. Als der Junge immer bleicher wird und sich inzwi− ins nächstgelegene Krankenhaus zu fahren. Obwohl

ein Konsil. Dieser stellt nach genauem Studium der Akten fest, dass die verordnete Antibiose eine Lücke aufweist: Die grampositiven Enterokokken sind so−

niemand von ihnen französisch spricht, verläuft die

wohl gegen Cephalosporine der dritten Generation

Aufnahme im Krankenhaus reibungslos. Volker wird

als auch gegen Metronidazol resistent. Daraufhin

sofort vom diensthabenden Chirurgen untersucht. Dieser findet bei dem Schüler einen heftigen Druck−

erhält der Patient ein Acylaminopenicillin und einen

schmerz im rechten Unterbauch und dort auch eine

Substanzen schließt die Enterokokkenlücke“. Nach

Abwehrspannung. Außerdem misst die Schwester

einer Woche geht es Volker deutlich besser. Doch

eine erhöhte Körpertemperatur. Bald liegen auch die

entlassen wird er erst nach zwei Wochen, als sein Zu− stand stabil ist. Den Surfurlaub mit seiner Freundin

schen vor Schmerzen krümmt, beschließt die Familie,

Blutparameter vor: Die Leukozyten sind deutlich erhöht. Als der aufnehmende Chirurg mit dem Ober−

Zustand des Jungen kontinuierlich verschlechtert, bit−

b−Lactamaseinhibitor i. v. Die Kombination der beiden

muss er leider auf nächstes Jahr verschieben.

arzt telefoniert, hört ihn Volker mehrmals appendi− cite“ sagen. Da ein Freund von ihm kürzlich an einer Blinddarmentzündung operiert wurde, ahnt der Schüler, dass auch ihm ein Eingriff bevorsteht.

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1 Allgemeine Infektionslehre

1

Allgemeine Infektionslehre

1.1 Grundlagen Key Point Henle und Koch definierten in ihren Postula− ten erstmalig, welche Kriterien Krankheitser− reger erfüllen müssen. Heute weiß man, dass Bakterien, Pilze, Parasiten, Viren und Prionen diese Kriterien erfüllen und Infektionen aus− lösen können. Endogene Infektionen werden dabei von Erregern verursacht, die auch beim Gesunden den Körper besiedeln. Exogene In− fektionen entstehen durch Erreger, die von außen auf den Körper einwirken. Dabei können die Krankheitserreger über verschie− dene Übertragungswege in den Organismus gelangen. Besteht eine Infektion, sind in der Regel die 5 Zeichen einer Entzündung nach− weisbar.

3

Tabelle 1.1

Meilensteine der Mikrobiologie Jahr

Ereignis

1626

Entdeckung der Bakterien durch Antoni v. Leeuwen− hoek

1796

Impfung mit Kuhpocken−Viren durch Edward Jenner

1876

Entdeckung des Milzbrand−Erregers durch Robert Koch

1882

Entdeckung des Tuberkulose−Erregers durch Robert Koch

1898

Definition von Viren als Krankheitserreger durch Friedrich Löffler und Paul Frosch

1909

Einführung der Chemotherapie (Salvarsan gegen Lues) durch Paul Ehrlich

1928

Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming

1946

Einsatz von Antibiotika in der Tiermast

1967

Beginn der Pockenimpfung

1980

WHO erklärt die weltweite Elimination der Pocken

1988

vancomycinresistente Enterokokken (VRE) in Europa

1990

massive Zunahme nosokomialer Infektionen durch resistente Erreger

2001

Milzbrandbakterien als bioterroristisches Bedro− hungsmittel

2002

Aktivitäten zur Vorbereitung erneuter Pocken− impfungen

Infektionskrankheiten sind so alt, wie die Entwick− lungsgeschichte von Pflanze, Mensch und Tier. Was die Infektionen des Menschen betrifft, so wurde

Grundlagen

bereits zu Zeiten Galens (129–199) die Lehre der Miasmen verkündet. Sie ging davon aus, dass Aus− Erkrankungen verantwortlich sind. In der Tat waren

1.1.1 Von der Krankheit zur Ätiologie – Henle−Koch−Postulate

Menschen, die in der Nähe von Sümpfen lebten,

Robert Koch (1843–1910) gab 1882 die Entdeckung

vermehrt von hohem Fieber betroffen, an dem sie

der Tuberkelbakterien bekannt und erkannte in

oft auch starben. Die entsprechende Erkrankung wurde deshalb als mala aria“ (ital., schlechte Luft)

den folgenden Jahren den Zusammenhang zwi− schen Knochen−, Lungen− und Hauttuberkulose.

bezeichnet. Als Alternative zu den Miasmen ent−

Erstmals wurden die Henle−Koch−Postulate erfüllt,

wickelte sich die Lehre der Kontagien, die die Be−

die ursprünglich auf Friedrich Henle (1809–1885),

rührung von Kranken oder deren Atemluft als Ur−

einen Göttinger Anatom, zurückzuführen sind und

sache von Erkrankungen verantwortlich machte. Es

von seinem Schüler Robert Koch weiter entwickelt

war ein langer Weg, bis Letztere auf allgemeine Ak−

und schließlich formuliert wurden. Die Henle−

zeptanz stieß. Heute wissen wir, dass die Malaria durch den Stich der in den Feuchtgebieten brüten− den und mit Plasmodien infizierten Anopheles−

Koch−Postulate lauten: Der Krankheitserreger muss sich regelmäßig in den Körpersäften, Geweben oder Ausscheidun−

dünstungen von Sümpfen oder Kadavern für viele

mücken übertragen wird, Infektionskrankheiten al−

gen des Infizierten finden lassen.

so von kontagiösen Erregern verursacht werden.

Der Erreger muss sich aus dem erkrankten Kör−

Tab. 1.1 zeigt einen Überblick über die geschichtli−

per isolieren und in Reinkultur anzüchten las−

chen Meilensteine der Mikrobiologie.

sen. Mit einer Reinkultur des Erregers muss sich das gleiche Krankheitsbild im Tierversuch wieder er− zeugen lassen.

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4

Grundlagen

1 Allgemeine Infektionslehre

Der Erreger muss aus diesem Tier isoliert wer− den können. Heute lassen sich diese Postulate natürlich nicht

Tabelle 1.2

Einteilung der Krankheitserreger

für alle Erreger aufrechterhalten, da sie eventuell

ungefähre Größe

nicht anzüchtbar sind oder keine geeigneten Tier− modelle zur Verfügung stehen.

zeitlich) gehäuft auftritt, wird als Endemie bezeich− net; z. B. ist die Malaria in Kenia endemisch. Im Ge− gensatz dazu spricht man von einer Pandemie, wenn eine Infektion zeitlich (aber nicht örtlich) ge−

Organisation

Bakterien

1m m

Teilung

Prokaryo(n)t

Pilze

10 mm

Mitose (evtl. Meiose)

Eukaryo(n)t

Parasiten

$ 10 mm

Mitose und Meiose

Eukaryo(n)t

Viren

100 nm

intrazelluläre Replikation/ Multiplikation

subzellulär

Prionen

, 100 nm

?

Protein

1.1.2 Allgemeine Epidemiologie Eine Infektionskrankheit, die örtlich (aber nicht

Vermehrungs− art

häuft auftritt, wie z. B. die weltweite HIV−Pande− mie. Wenn eine Erkrankung örtlich und zeitlich ge− häuft beobachtet wird, so handelt es sich um eine Epidemie, z. B. Influenza−Epidemie im Winter in London.

rien, Pilze und Parasiten besitzen eine Zellstruktur und werden der belebten mikrobiellen Welt zuge− ordnet, während Viren und Prionen über kein ei− genständiges Leben verfügen. Diese Gruppen der

MERKE

Krankheitserreger unterscheiden sich einerseits

Endemie: örtlich gehäuftes Auftreten Pandemie: zeitlich gehäuftes Auftreten Epidemie: örtlich und zeitlich gehäuftes Auftre− ten einer Infektionskrankheit

durch ihre Größe und andererseits durch ihre Ver− mehrungsstrategie voneinander (Tab. 1.2). In der Gruppe der so genannten autarken mikro− biellen Lebensformen werden die Bakterien den Prokaryonten und die Pilze und Parasiten den Eu− karyonten zugeordnet: Prokaryonten sind charakterisiert durch:

Für die Bedeutung von Infektionskrankheiten wer−

Freiliegende, zirkuläre DNA (Chromosom, Kern−

den darüber hinaus Begriffe aus der allgemeinen

äquivalent), die nicht von einer Kernmembran

Epidemiologie verwendet, die auch für andere Er−

umschlossen ist,

krankungen Verwendung finden:

70S−Ribosomen,

Morbidität: Zahl der Erkrankten pro Bevölke− rungskollektiv. Inzidenz: Neuerkrankungen pro Zeiteinheit.

keine membranösen Organellen, wie z. B. Mito− chondrien! Eukaryonten sind charakterisiert durch:

Prävalenz: Anzahl der Erkrankten zu einem be−

DNA−Histo+nkomplexe,

stimmten Zeitpunkt.

Kernmembran umgeben sind,

die

Manifestationsindex: Zahl der klinisch erkrank−

80S−Ribosomen,

ten Fälle pro Anzahl der infizierten Personen.

Vorhandensein

von

membranhaltiger

einer

Organellen

Mortalität: Zahl der an einer Krankheit Verstor− benen bezogen auf ein Bevölkerungskollektiv. Letalität: Zahl der an einer Krankheit Verstorbe−

(z. B. Mitochondrien, Golgi−Apparat). Die medizinisch relevanten Bakterien haben sich vor 3,5–4 Milliarden Jahren vom letzten gemeinsa−

nen bezogen auf die Erkrankten.

men Vorläufer allen Lebens abgespalten und wer− den unter dem Begriff Eubakterien zusammenge−

1.1.3 Eigenschaften und Lebensweise von Krankheitserregern (Einteilung der Krank− heitserreger)

fasst; alle anderen Bakterien sind Archaebakterien.

Infektiöse Krankheitserreger gehören zu den Vetre−

gern

tern von fünf großen Organismen−Gruppen: Bakte−

(Abb. 1.1): Da das gemeinsame genetische Erbe zwi−

Die entwicklungsgeschichtliche Distanz bzw. Nähe zwischen Mensch und potenziellen Krankheitserre− hat

auch

therapeutische

Konsequenzen

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1 Allgemeine Infektionslehre

Grundlagen

schen Menschen und Eubakterien relativ gering ist,

(RNA−Viren, DNA−Viren) und aufgrund ihrer Struk−

stehen für die Entwicklung von selektiven Antiin− fektiva gegen Eubakterien zahlreiche für diese

tur zu Familien zusammengefasst werden.

Gruppe spezifische Zielstrukturen zur Verfügung.

folgt heute bevorzugt durch den Vergleich des ge−

So ist z. B. durch Antibiotika eine selektive Inhibie−

netischen Materials und/oder durch die Ermittlung

rung vor allem von Bakterien möglich, weil sich die

einer großen Zahl von morphologischen und bio−

Enzyme für Transkription, Translation und Replika−

chemischen Eigenschaften, die mit den Methoden

tion von Pro− und Eukaryonten unterscheiden. Im Gegensatz dazu gibt es mehr genetische Über−

der numerischen Taxonomie ausgewertet werden. In der medizinischen Diagnostik werden die meis−

schneidungen zwischen Menschen und Helminthen

ten Erreger aber immer noch überwiegend anhand

(Würmer). Hier ist es schwieriger für den Wurm spezifische Angriffspunkte im Rahmen einer antiin−

ihrer mikroskopisch erkennbaren morphologischen Eigenschaften und den in der Kultur zu prüfenden

fektiven Therapie zu finden.

physiologischen Merkmalen identifiziert. Moderne

5

Die Klassifizierung (Taxonomie) der Bakterien er−

molekularbiologische Methoden gewinnen aber

Praxistipp

auch hierfür immer mehr an Bedeutung.

Machen Sie sich klar, dass eine spezifische Therapie immer schwieriger wird, je näher der infektiöse Organismus mit dem Men− schen verwandt ist.

1.1.4 Kolonisation und Infektion – Endogene und exogene Infektion Haut und Schleimhäute des Menschen sind je nach anatomischer Region mit unterschiedlichen Mikro− organismen besiedelt bzw. kolonisiert (s. u.), die in

Die Einteilung der Infektionserreger erfolgt nach

der Regel keine oder nur wenige Virulenzfaktoren

dem in allen biologischen Wissenschaften üblichen

exprimieren und deshalb keine (= apathogen) oder

System der Klassen, Ordnungen, Familien, Gattun− gen und Arten. Ausgenommen hiervon sind die Vi−

nur eine geringe Pathogenität (= fakultativ patho− gen) besitzen.

ren, die primär nach der Art ihrer Nukleinsäuren

Abb. 1.1

Der Baum des Lebens“, basierend auf rRNA−Sequenzdaten.

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6

Grundlagen

1 Allgemeine Infektionslehre sen,

MERKE

Kolonisation: Besiedlung ohne klinische Symp− tome Infektion: Invasion mit nachfolgender Abwehrre− aktion und/oder Schädigung

wird

der

Kenntnis

der

jeweiligen

Inkubationszeiten bei der Diagnosestellung ein großer Stellenwert beigemessen. Beispiele für exogene Infektionen: Pneumonie durch aerogene Infektion mit In− fluenzaviren Diarrhö durch orale Infektion mit Salmonellen

Beim Immungesunden stellen die intakte Haut und Schleimhaut zusammen mit ihren Abwehrmecha−

Zeichen einer Entzündung: Die endogene und exogene Infektion kann von einer Kolonisation

nismen (z. B. Komplement, Lysozym, dendritische

prinzipiell dadurch unterschieden werden, dass bei

Zellen, sekretorisches IgA) eine natürliche Barriere gegen das Eindringen von potenziellen Krankheits−

Infektionen in der Regel Zeichen einer Entzündung nachweisbar sind. Die fünf Kardinalzeichen einer

erregern dar. Ist die Integrität der Haut oder

Entzündung:

Schleimhaut gestört (z. B. durch einen venösen

lokaler oder systemischer Temperaturanstieg (=

Dauerkatheter oder durch Mikrotraumen) oder ist

Calor),

die Funktionalität der Abwehrmechanismen ge− stört, können Mikroorganismen der eigenen Flora

vermehrte lokale Durchblutung (= Rubor), Einwanderung von Makrophagen, Leukozyten

in den Körper eindringen und sich lokal oder syste−

und anderen Entzündungszellen an den Ort der

misch ausbreiten.

Infektion mit daraus resultierender Schwellung

Endogene Infektionen: Die Infektion durch Mikroor− ganismen der körpereigenen Flora wird als endo−

(= Tumor), Schmerz (= Dolor) und eventuell

gene Infektion bezeichnet. Beispiele für endogene

eine eingeschränkte Funktion (= Functio laesa).

Infektionen: Die Einnahme von nierengängigen Antibiotika kann zur Vaginalmykose führen, weil die mit dem

Urin

ausgeschiedenen

antibakteriellen

Wirkstoffe das Gleichgewicht der Flora im Uro− genitalbereich zu Gunsten von auf der Schleim− haut vorkommenden Sprosspilzen verschieben können. Bei einer perforierenden Appendizitis kann eine Peritonitis durch die im Darmlumen vorkom− menden Bakterien entstehen.

Praxistipp: Prägen Sie sich die 5 Zeichen einer Entzün− dung ein: – Calor – Rubor – Tumor – Dolor – Functio laesa

Exogene Infektion: Die exogene Infektion findet

Diese fünf Kardinalzeichen der Inflammation fin− den sich aber nicht nur bei Infektionen, sondern

stets durch Erreger statt, die von außen (= exogen)

auch bei Malignomen, so dass Letztere eine wichti−

auf den Körper einwirken. Dabei handelt es sich

ge Differenzialdiagnose bei unklaren Entzündungs−

meistens um fakultativ oder obligat pathogene

parametern darstellen.

Erreger, die eine ganze Reihe von Virulenzfaktoren exprimieren und dadurch eine lokale Infektion an der Eintrittspforte oder eine systemische Infektion hervorrufen. Bei einer exogenen Infektion lässt sich die Inkubationszeit meistens gut bestimmen, da der

ACHTUNG

Entzündungszeichen treten auch bei Malignomen auf!

Kontakt mit dem infektiösen Agens leichter zu ermitteln ist. Als Inkubationszeit wird die Zeit−

Neben Fieber und einer Leukozytose sind ein CRP−

spanne von der Infektion bis zum Entstehen erster

Anstieg und eine erhöhte Blutsenkungsgeschwin−

klinischer Symptome bezeichnet. Da Krankheitser−

digkeit (BSG) weitere Entzündungsparameter, die

reger sich durch ihre jeweils spezifische Inkuba−

auf eine bakterielle Infektion, respektive Malignom,

tionszeit zum Teil voneinander unterscheiden las−

hinweisen.

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1 Allgemeine Infektionslehre

Infektionsimmunologie

1.1.5 Die Übertragungswege

Brucellose, Leptospirose, Hanta−Fieber, Tollwut,

Die meisten Erreger dringen durch die natürlichen Körperöffnungen des Menschen in den Körper ein

Lassa−Fieber und Toxoplasmose. Eine Übertragung von Zoonosen durch Vektoren

und führen dann in den anatomisch betroffenen

erfolgt z. B. bei Pest und Gelbfieber. Bei der Pest

Organen bzw. Körperregionen zur klinisch manifes− ten Infektionskrankheit. Wir unterscheiden folgen−

ist die Ratte das tierische Reservoir, das den in−

7

fektionstragenden Vektor (Floh) beherbergt.

de Übertragungswege: Übertragung über die Atemwege oder durch den Speichel führt zu Nasen−Rachen−Infektionen

1.2 Infektionsimmunologie – Abwehr von Krankheitserregern

und Pneumonien. Diese Infektionen sind nur durch Atemschutzmasken wirksam zu verhin− dern. Fäkal−orale Übertragung führt zu Gastroenteriti− den. Entsprechende Infektionskrankheiten kön− nen durch öffentliche Gesundheitskampagnen kontrolliert werden. Übertragung durch Kontakt mit kontaminierten Gegenstände, Erde etc. führt zu vielfältigen In− fektionskrankheiten, wie z. B. nosokomiale Infek− tionen im Krankenhaus, Tetanus u. a. Erstere sollten durch krankenhaushygienische Maßnah− men unterbunden werden. Übertragung durch Geschlechtsverkehr führt zu Geschlechtskrankheiten. Nur durch Identifizie−

Key Point Im Rahmen der Evolution des Menschen hat der Kontakt mit Mikroorganismen zur Ent− wicklung eines kompliziert anmutenden Ab− wehrsystems geführt. Es muss in der Lage sein, effektiv zwischen körperfremd und −ei− gen unterscheiden zu können und mit gan− zen Armeen fremder Eindringlinge fertig zu werden. Man unterscheidet angeborene un− spezifische Abwehrmechanismen vom erwor− benen spezifischen Immunsystem. Beide Sys− teme sind in ihren Funktionen eng miteinan− der vernetzt und bestehen aus zellulären und humoralen (löslichen) Komponenten.

rung und Therapie des/der Geschlechtspart− ner(s) kontrollierbar, was aber aufgrund von so− In diesem Lehrbuch kann das komplexe Feld der

zialen Komponenten oft unmöglich ist. z. B.

Immunologie nur in begrenztem Umfang abgehan−

über die Blutbahn, führt meist zu systemischen Infektionen, wie z. B. HIV oder Kathetersepsis.

delt werden. Für weiterführende Informationen ziehen Sie bitte Lehrbücher der Biochemie/Immu−

Parenterale

(akzidentelle)

Übertragung,

Bei den folgenden Übertragungswegen sind entwe−

nologie hinzu.

der Vektoren (z. B. Arthropoden, Schnecken, die dig oder/und es handelt sich um Zoonosen mit tie−

1.2.1 Woran erkennt das Immunsystem Krankheitserreger?

rischem Reservoir:

Eine effektive Immunabwehr muss gezielt zwi−

den Erreger übergangsweise beherbergen) notwen−

Vektoren:

schen körpereigenen Strukturen und mikrobiellen

O Der Erreger lebt in einem Zwischenwirt und gelangt z. B. bei Bilharziose bzw. Schistoso−

oder anderen fremden Aggressoren unterscheiden

miasis durch die intakte Haut in den Endwirt

schädlichen Zellen zu bekämpfen. Das Ausbleiben einer Immunantwort gegen körpereigene Bestand− teile wird als immunologische Toleranz bezeichnet.

Mensch. O Der Erreger wird durch einen stechenden oder

können, um selektiv nur die für den Menschen

beißenden Arthropoden durch die Haut über−

Diese muss erst erworben werden (s. S.18).

tragen und führt zu lokalen oder systemi−

Mikroorganismen bestehen aus den unterschied−

schen Infektionen, z. B. bei Borreliose, Leish−

lichsten biochemischen Molekülen. Sie können un−

maniose, FSME, Malaria u. a. Zoonosen: Die Übertragung erfolgt durch Kon−

ter bestimmten Bedingungen als Antigene wirken

takt mit Vertebraten oder Sekreten von Verte− braten (tierisches Reservoir) und führt z. B. zu

pers auslösen. Solche Antigene werden dann auch

und immunologische Abwehrreaktionen des Kör− als Immunogene bezeichnet.

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8

Infektionsimmunologie

1 Allgemeine Infektionslehre

MERKE

MERKE

(Glyko−)Protein−, Kohlenhydrat− oder Lipidstruktu− ren können antigene Eigenschaften aufweisen.

TOLL−like−Rezeptoren (TLR) erkennen bestimmte Bestandteile mikrobieller Erreger. Die Identifizie− rung erfolgt anhand des so genannten patho− gen−associated molecular pattern“ (PAMP).

Die Erkennungsmechanismen der angeborenen Immunabwehr Im Laufe der Entwicklung der Lebensformen hat sich auf der Stufe der Eukaryonten zunächst ein

Die Erkennungsmechanismen der erworbenen Immunabwehr

unspezifisch reagierendes Immunsystem entwi−

Die spezifische Immunabwehr wurde erst auf der

ckelt, die angeborene bzw. natürliche Immunab− wehr. Sie erkennt einen mikrobiellen Erreger quasi

Stufe der ersten Wirbeltiere erworben und wird

sofort als fremd, ohne vorher Kontakt mit ihm ge−

giert spezifisch und baut ein immunologisches

habt zu haben und stellt eine schnelle Sofortant−

Gedächtnis (Memory) auf, das als schnelle Verteidi−

wort auf fremde Eindringlinge dar. Dafür ist es je−

gungsstrategie gegen einen Zweitangriff durch be−

doch erforderlich, dass spezifische Strukturen als fremd“ erkannt werden. In der Tat hat sich dabei

reits bekannte Erreger dient. Bei der erworbenen Abwehr werden u. a. Antikörper und T−Zellen gebil−

entwicklungsgeschichtlich eine Mustererkennung

det, die spezifisch mit bestimmten Regionen des

durchgesetzt, die als pathogen−associated molecu−

Antigens reagieren. Diese vom Antikörper bzw.

lar pattern“ (PAMP) bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um konservierte Strukturen, die zwar beim

T−Zellrezeptor erkannten Regionen werden als Epi−

mikrobiellen

beim

10 Aminosäuren. Man unterscheidet zwischen li−

menschlichen oder tierischen Wirt vorkommen

nearen bzw. sequenziellen Epitopen (Primärstruk−

(außer in den Membranen intrazellulärer Orangel− len). Zu PAMPs gehören beispielsweise

tur des Proteins = hintereinander liegende Amino− säuren) und konformationellen bzw. strukturellen

Eindringling,

nicht

aber

auch als erworbene Immunität bezeichnet. Es rea−

tope bezeichnet und bestehen oft aus weniger als

Zellwand− bzw. Zellmembranbestandteile von

Epitopen. Letztere kommen dadurch zustande, dass

Bakterien oder Pilzen,

aufgrund der Tertiärstruktur bzw. Fältelung des

Hitzestressproteine (HSP) sowie

Proteins Aminosäuren in eine räumliche Nähe zu−

virale Nukleinsäuren (ss− oder dsRNA) oder CpG− DNA.

einander gelangen, obwohl sie in der Primärstruk− tur nicht sequenziell nebeneinander liegen.

PAMPs werden von den so genannten TOLL−like− Rezeptoren“ (TLR) erkannt, die erstmalig bei der Taufliege Drosophila als wichtiger Bestandteil eines Kontrollsystems von Schimmelpilzinfektionen ent− deckt wurden und eine zentrale Rolle für die natür− liche Immunabwehr bei Mensch und Tier spielen. TLRs werden von antigenpräsentierenden Zellen

MERKE

Die erworbene Immunabwehr basiert auf der spe− zifischen Erkennung von Antigenen anhand be− stimmter Epitope. Antikörper und Zellen des Immunsystems binden an die Antigene und lösen so eine Immunantwort aus.

(z. B. Makrophagen, dendritische Zellen) exprimiert. Die bisher bekannten TLRs reagieren selektiv mit verschiedenen PAMPs und bewirken dann als Sig− nalübermittler durch Aktivierung bestimmter Gene

Die Abwehr fremder bzw. potenziell schädlicher Le−

eine verstärkte Produktion definierter Zytokine

bensformen setzt sich aus physikalischen, zellulären

(s. u.). Hierdurch wird die Aktivierung der spezifi−

und löslichen Faktoren bzw. Mechanismen zusam−

schen Immunabwehr eingeleitet und reguliert.

men (Tab. 1.3). Diese werden im Folgenden erläutert.

1.2.2 Die Bausteine der Immunabwehr

Physikalische Abwehrmechanismen Mechanische Barrieren: Eine der Hauptfunktion von Haut und Schleimhaut besteht in der Verhinderung

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1 Allgemeine Infektionslehre

Infektionsimmunologie

Tabelle 1.3

reger werden mit Hilfe der Darmperistaltik mög−

Wichtige Abwehrsysteme des menschlichen Körpers

lichst rasch nach außen transportiert; in diesem Sinne ist sicher auch eine Durchfallsymptomatik bei

physikalische mechanische Barrieren: Abwehrme− Haut und Schleimhaut chanismen Abtransport: Flimmerepithelien des oberen Respirations− traktes Peristaltik des Darms Harnblasenentleerung Verdrängung: Kontrolle potenziell pathogener Keime durch die Normalflora pH−Veränderung der Vagina durch Lactoba− zillen zelluläre Abwehr− faktoren

humorale Abwehr− faktoren

obligat pathogenen Darmerregern u. a. als Abwehr− strategie des Körpers anzusehen. Gleichermaßen bewirkt der Harnfluss im Sinne eines Spüleffekts einen Schutz vor einer retrograden Aszension uro− pathogener Keime über die Urethra. Verdrängung: Die auf der Haut und der Schleimhaut anzutreffende Normalflora ist als Schutz anzuneh− men, da sie die Kolonisierung mit potenziell patho− genen Keimen z. B. durch folgende Mechanismen

angeborene Immunität: Granulozyten Monozyten R Makrophagen NK−Zellen erworbene Immunität: T−Zellen B−Zellen

unter Kontrolle hält (Kolonisierungsresistenz):

angeborene Immunität: Lysozym im Speichel und in der Tränenflüs− sigkeit Salzsäure und Proteasen des Magens kurzkettige Fettsäuren im Schweiß Komplementsystem erworbene Immunität: Antikörper

probiotische Funktion wahr, weil sie für die Pro−

Kompetition um Nahrungsstoffe, Bildung mikrobizider Komponenten (Bacterio− cine). Die Normalflora des Kolons nimmt außerdem eine duktion von Vitamin K und des Vitamin−B−Komple− xes, sowie für die Bildung kurzkettiger Fettsäuren von eminenter Bedeutung ist. Für die Entwicklung des mukosaassoziierten lymphatischen Immunsys− tems (mucosa−associated lymphatic tissue; MALT)

des Eindringens potenziell pathogener Keime in

ist ebenfalls die normale Darmflora notwendig. Schließlich sei auf die Veränderung der Vaginal−

tiefere Gewebeschichten. Die Wirkung dieser me−

flora im fortpflanzungsfähigen Alter verwiesen: In

chanischen Barriere wird unterstützt durch die

dieser Lebensphase besteht die Vaginalflora über−

nachfolgenden

Abwehrmechanis−

wiegend aus Laktobazillen (Döderlein−Flora), die

men, sowie durch die im Schweiß und im Schleim− hautsekret enthaltenen antimikrobiell wirksamen

das unter Östrogeneinfluss in der Scheide gebildete

Substanzen.

saures Milieu (pH 4,0–4,5) schaffen. Dies stellt ei−

physikalischen

MERKE

Haut und Schleimhaut verhindern das Eindringen pathogener Keime in tiefere Gewebeschichten.

9

Glykogen zu Milchsäure abbauen und dadurch ein nen Schutz zur Abwehr aszendierender Infektionen während einer eventuellen Schwangerschaft dar.

Die zellulären Abwehrfaktoren Die für die Immunabwehr bedeutsamen Zellen ent− stehen

aus

hämatopoetischen

pluripotenten

Abtransport: Der menschliche Körper verfügt über

Stammzellen des Knochenmarks. Hierbei wird zwi−

mehrere Strategien, um potenziell pathogenen Erre− gern trotz ihres Eindringens in Körperöffnungen (vor allem durch Mund, Nase und Harnröhre) eine

schen den myeloischen und den lymphatischen Stammzellen unterschieden.

Invasion ins Gewebe zu erschweren. Dazu zählt z. B. die synchrone Bewegung des Flimmerepithels im Nasopharynx und oberen Respirationstrakt, die eingedrungene Fremdkörper, wie z. B. Schmutzpar− tikel oder Mikroorganismen nach außen transpor− tiert, um die Lungenalveolen zu schützen. In den Gastrointestinaltrakt vorgedrungene Krankheitser−

Zellen der angeborenen Immunabwehr Aus den myeloischen Stammzellen entstehen u. a. Granulozyten und Monozyten. Sie können den Er− reger durch Phagozytose direkt zerstören oder durch die Produktion von Zytokinen oder Immun− modulatoren die Immunreaktion des Menschen be− einflussen.

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10

Infektionsimmunologie

1 Allgemeine Infektionslehre

Monozyten: Sie machen 2–8 % der kernhaltigen Blutzellen aus und zirkulieren hier für ungefähr 24 Stunden. Danach wandern sie in das Gewebe ein, um je nach Antigenkontakt in dendritische Zellen oder in gewebsspezifische residente Makrophagen (anti− genpräsentierende Zellen, s. u.) zu differenzieren, wie z. B. Langerhans−Zellen der Haut, Histiozyten des Bindegewebes,

Abb. 1.2

Alveolarmakrophagen der Lunge,

Sauerstoffabhängige mikrobizide Abwehrsysteme

Kupferzellen der Leber, Mesangiumzellen der Niere oder

ten aktivieren. Ihren Namen haben NK−Zellen von

Mikrogliazellen des Gehirns.

ihrer Fähigkeit, infizierte Zellen direkt oder indirekt

Granulozyten: Der Anteil der segmentkernigen

abzutöten.

Granulozyten im Blut liegt zwischen 60 und 70 %,

gd−T−Zellen: Die auf der Schleimhaut vorkommen− den gd−T−Zellen stellen insofern eine Besonderheit

wobei neutrophile Granulozyten den Großteil aus− machen. Nach Aktivierung durch Zytokine können

dar, als dass sie im Gegensatz zu anderen T−

sie aus den Blutgefäßen in das infizierte Gewebe

Lymphozyten zur frühen unspezifischen, natürli−

einwandern. Ihre Funktion als professionelle Phago−

chen Immunabwehr gerechnet werden und fremde Antigene unabhängig von einer MHC−vermittelten

zyten der ersten Abwehrlinie üben sie dabei mit Hilfe der von ihnen gebildeten mikrobiziden Sub− stanzen aus. Dazu gehören:

Antigenpräsentation (s. u.) mit ihrem gd−Rezeptor erkennen.

Reaktive Sauerstoffradikale (reaktive oxygene In− termediärprodukte = ROI), die stimulationsabhängig aus den Granula aus− schüttbaren Enzyme Lysozym und Proteasen, Defensine und Entzündungsmediatoren (z. B. Prostaglandine, Leukotriene und Interleukin−8) und Sauerstoffabhängige

mikrobizide

Abwehrsys−

MERKE

Zu den Zellen der angeborenen Immunabwehr gehören: Monozyten Granulozyten NK−Zellen gd−T−Zellen

teme, wie z. B. Stickstoffoxidsynthetase (NOS), die NADPH−Oxidase, die Myeloperoxidase (MPO) und die Haber−Weiss−Reaktion (Abb. 1.2); die da−

Zellen der erworbenen Immunabwehr

bei entstehenden Verbindungen (Superoxid =

Neben myeloischen Stammzellen entstehen aus

O2–, Hydroxylradikal = OHO, Hypochlorid = OCl–

den pluripotenten Stammzellen des Knochenmarks

und Stickstoffmonoxid = NOO) haben ein mikro−

auch lymphoide Stammzellen. Ihre weitere Diffe−

bizides Potenzial und sind z. T. in weitere chemi−

renzierung in T− und B−Zellen verläuft antigenunab−

sche Reaktionen eingebunden (s. Lehrbücher der

hängig in den primären lymphatischen Organen.

Biochemie). NK−Zellen: Ebenso wie Monozyten und Granulozy− ten gehören auch NK−Zellen (natürliche Killerzellen)

Der Kontakt der Lymphozyten mit Antigenen in den sekundären lymphatischen Organen führt dann dort zur weiteren Differenzierung und Spezialisie−

zur unspezifischen, angeborenen Immunabwehr.

rung.

Nach Aktivierung der von Makrophagen produzier−

T−Zellen: Die Bildung und Reifung von T−Zellen ist

ten Zytokine Tumornekrosefaktor− (TNF−)a, IL−12,

abhängig vom Kontakt des T−Zellrezeptors (TCR) mit

Interferon−(IFN−)a und −b entwickeln sich die NK−

MHC−Molekülen (s. u.) und findet im Thymus, als

Zellen in der Frühphase der Infektion zu den

eines der beiden primären lymphatischen Organe,

wichtigsten IFN− produzierenden Immunzellen, die

statt. Anschließend erfolgt die antigenspezifische

dadurch wiederum Makrophagen und T−Lymphozy−

Aktivierung in den sekundären lymphatischen Or−

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1 Allgemeine Infektionslehre ganen (Lymphknoten, Milz und lymphatisches Ge− webe von Haut und Schleimhaut). Nun können die T−Zellen durch die Produktion von Zytokinen das Regelwerk zwischen Lymphozyten und Phagozyten beeinflussen (CD4+/T−Helferzellen, TH) oder Erreger bzw. infizierte Zellen direkt abtöten (CD8+/zytotoxi− sche T−Zellen, CTL).

Infektionsimmunologie

11

MERKE

T−Zell−Rezeptor (TCR): heterodimere b− oder Struktur, kann keine freien Antigene erkennen B−Zell−Rezeptor (BCR): ist wie ein Antikörper auf− gebaut und kann freie Antigene erkennen

Humorale Abwehrfaktoren

B−Zellen: Die antigenunabhängige Bildung und Re− ifung von B−Zellen geschieht im anderen primären

In den Körperflüssigkeiten des Menschen befinden

lymphatischen Organ, dem Knochenmark. Ihre anti−

sich die humoralen (löslichen) Abwehrfaktoren.

genspezifische Aktivierung findet ebenfalls in den genannten sekundären lymphatischen Organen statt

Auch hierbei ist zwischen unspezifischen, angebo− renen Faktoren und spezifischen, erworbenen Fak−

und führt zur Produktion von neutralisierenden oder

toren zu differenzieren:

opsonierenden Antikörpern, die spezifisch mit be−

Zur unspezifischen Immunabwehr tragen z. B.

stimmten Antigenen reagieren und dadurch eine

Lysozym, die Salzsäure des Magens, sowie das

spezifische humorale Immunabwehr bewirken.

Komplementsystem bei. Immunglobuline bzw. Antikörper stellen die hu−

MERKE

T−Zellen differenzieren sich im Thymus aus. B−Zellen differenzieren sich im Knochenmark (bone marrow) aus.

moralen Bestandteile der spezifischen Immu− nabwehr dar.

Die humoralen Faktoren der unspezifischen Immu− nabwehr Lysozym: Dieses Enzym befindet sich im Speichel

T− und B−Zellrezeptoren: Für die Spezifität der erworbenen, zellulären Immunität sind die anti−

und in der Tränenflüssigkeit, sowie in Granulozyten. Es ist eine bakterizid wirkende Muraminidase, die

genbindenden Rezeptoren der Lymphozyten von

das Murein der bakteriellen Zellwand (s. S. 25) in

zentraler Bedeutung.

Disaccharide spaltet.

Die T−Zellrezeptoren (TCR) bestehen aus hetero−

Salzsäure und Proteasen des Magens: Sie bewirken

dimeren Membranproteinen und können in ab

eine unspezifische Abtötung der meisten oral auf−

oder gd unterschieden werden. Der für die spe−

genommenen Bakterien. Ausnahmen sind jedoch

zifische Immunität wichtige ab−TCR ist mit dem

z. B. säurefeste Mykobakterien und das Magenbak−

signalverarbeitenden CD3−Komplex auf der Zell− oberfläche assoziiert und kann keine freien An−

terium Helicobacter pylori (s. S. 66). Letzteres be− wirkt durch das von ihm produzierte Enzym Urease

tigene erkennen. Er reagiert nur mit solchen An−

eine Neutralisierung des pHs in der unmittelbaren

tigenen, die von antigenpräsentierenden Zellen

Umgebung und bei neutralem pH−Wert ist die

(APC) über MHC−Moleküle präsentiert werden

Schutzfunktion des Magensaftes nicht mehr gewähr−

(s. u.).

leistet.

Die spezifischen B−Zellrezeptoren (BCR) be−

Komplementsystem: Es besteht aus mehr als 20

stehen aus monomeren, membranständigen IgM−Molekülen und sind damit ähnlich wie An− tikörper (s. u.) aufgebaut. B−Zellrezeptoren kön−

Serumproteinen, die ungefähr 5 % des Plasmaei− weißes ausmachen. Es kann auf zwei Wegen zur Infektionsabwehr beitragen:

nen freie Antigene erkennen.

Einerseits werden Mikroorganismen durch Zell−

Die Variabilität der T− und B−Zellrezeptoren kommt

Lyse direkt zerstört,

durch Rekombination der in verschiedenen Formen

andererseits kann durch Opsonierung die Pha−

vorkommenden V−, D−, und J−Segmente des ent−

gozytose der Mikroorganismen induziert wer−

sprechenden Genbereichs zustande (s. S.13).

den. Das Komplementsystem kann auf drei verschiede− nen Wegen aktiviert werden (Abb. 1.3):

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Infektionsimmunologie

1 Allgemeine Infektionslehre Abb. 1.3 Vereinfachte Darstellung des Komplementsystems (MBL = Mannosebindungslectin, P = Properdin)

1. Der klassische Komplementweg wird durch die Bindung von Antigen−Antikörper−Immunkomplexen

die Oberfläche von Mikroorganismen markieren (Opsonisierung), so dass diese an Rezeptoren

(IgG1−, IgG3− oder IgM−Antikörper) an die Komple−

von Phagozyten binden und

ment−Komponente C1 initiiert. Das aktivierte C1

die Bildung einer C5−Konvertase bewirken. Die

führt zur Spaltung bzw. Aktivierung weiterer Kom−

Spaltung von C5 führt dann zur chemotaktisch

plementfaktoren, so dass ein C4 b/C2 b−Komplex

wirksamen Komponente C5 a (Anlockung von

entsteht. Dieser wird auch als klassische C3−Kon− vertase bezeichnet.

Granulozyten und Monozyten) und zu C5 b, wel− ches sich schließlich mit den Komponenten C6–

2. Im Rahmen des Lectinwegs wird durch mikro−

C9 zum Membrane−attack−complex“ (MAC) zu−

bielle Antigene direkt unter Vermittlung eines Mannosebindungslectins – und daher antikörper−

sammenlagert. Dieser Komplex ist eine lytisch wirksame Membranpore, die gramnegative Bak−

unabhängig – ebenfalls die Bildung der C3−Konver−

terien und eukaryontische Zellen zu lysieren

tase initiiert.

vermag.

3. Im alternativen Weg binden spontan aktivierte C3 b−Faktoren u. a. an mikrobielle Oberflächen und initiieren dadurch unabhängig von Antikörpern die Komplementaktivierung. Durch weitere Aktivie− rungs− bzw. Spaltvorgänge entsteht dabei ein Kom− plex aus C3 b, Faktor Bb und Properdin, der auch

MERKE

C3 stellt für sämtliche Wege der Komplementakti− vierung eine essenzielle und daher zentrale Schaltstelle dar. Spaltprodukte der C3−Konverta− sen sind C3 a und C3 b.

als alternative Verstärker−C3−Konvertase bezeichnet wird. Schließlich werden in allen drei Wegen der Kom− plementaktivierung zahlreiche C3 b−Moleküle gebil− det, die durch Bindung an B−Lymphozyten die Anti− körperproduktion stimulieren,

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1 Allgemeine Infektionslehre Die humoralen Faktoren der spezifischen Immunab− wehr: Antikörper

Infektionsimmunologie

ten werden (Abb. 1.4b). Die Einteilung der Antikör−

Die Grundstruktur der Antikörper besteht aus zwei

per wird von den schweren H−Kettentypen be− stimmt (Tab. 1.4).

jeweils identischen leichten (L) und zwei schweren

Die Variabilität der Antikörperspezifität liegt in der

Ketten (H). Diese vier Ketten sind Y−förmig zusam−

Rekombination der für die Antikörperbildung ver−

mengesetzt und weisen zwei Endbereiche mit un−

antwortlichen Gensegmente (V−, D− und J−Seg−

terschiedlicher Funktion auf (Abb. 1.4a):

mente) begründet: So stehen im menschlichen Ge−

der N−terminale Bereich (NH3+) ist hypervariabel und bewirkt durch Erkennung spezifischer Epi− tope die Antigenbindung (Antigenbindendes

nom für den variablen Bereich der H−Ketten bis zu 200 V−Segmente (variable“), 30 D−Segmente (di− versity“) und 6 J−Segmente (joining“) zur Verfü−

der C−terminale Bereich (COO–) ist konstant und

gung, die durch Rekombination eine Neuordnung dieser Gensegmente bewirken und dadurch alleine

aktiviert

Fragment = Fab) Komplementsystem

für die H−Ketten bis zu 36 000 verschiedene Varia−

(fragment cristallizable“ = Fc, besser: Comple−

tionen liefern. Da zusätzlich auch eine Variabilität

ment aktivierendes Fragment) oder Phagozyten,

für die L−Ketten besteht und außerdem mit somati−

die an das Fc−Fragment binden können.

schen Mutationen zu rechnen ist, können theore− tisch bis zu 1012 verschiedene Antikörper gebildet

entweder

das

Im Gegensatz zu allen anderen Antikörpern sind IgM−Antikörper Pentamere, d. h. sie setzen sich aus

13

werden.

fünf Immunglobulin−Grundstrukturen zusammen, die unter anderem durch J−Ketten zusammengehal−

MERKE

Durch Rekombination der verschiedenen V−, D− und J−Segmente und durch somatische Mutatio− nen können bis zu 1012 verschiedene Antikörper gebildet werden. Antikörper werden von den B−Lymphozyten syn− thetisiert und anschließend sezerniert. Wenn ein B−Zell−Rezeptor (BCR) an sein passendes mikrobiel− les Antigen bindet, wird der B−Lymphozyt stimu− liert und differenziert zu einer Plasmazelle. Die Plasmazelle proliferiert und die Tochter−Plasmazel− len sezernieren Immunglobuline (Antikörper), die das gleiche Antigen binden können wie der BZR der ursprünglich stimulierten Zellen. MERKE

1. B−Lymphozyt bindet Antigen (Stimulation) 2. B−Lymphozyt differenziert und proliferiert zu Plasmazellen 3. Plasmazellen sezernieren antigenspezifische Antikörper Dabei muss die Effizienz der spezifischen humora− Abb. 1.4 Grundstruktur von Immunglobulinen (a) und pen− tameren IgM−Immunglobulinen (b). Durch Papain−Verdau können die Immunglobuline in das N−terminale Fab− und das C−terminale Fc−Fragment aufgeteilt werden. Bei dem Verdau durch Pepsin bleibt die Hinge−Region intakt, so dass nur das Fc−Fragment aufgelöst wird.

len Immunität herausragend sein, da sich die Plas− mazellen im Gegensatz zu Bakterien nur sehr lang− sam vermehren: Während sich eine Plasmazelle nach 12 Stunden gerade einmal verdoppelt hat,

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Infektionsimmunologie

1 Allgemeine Infektionslehre

sind im gleichen Zeitraum aus einem E.− coli−Bakte−

schließend in das Lumen sezerniert (sekretorisches

rium ganze Heerscharen neuer Bakterien entstan− den (ca. 6 3 1010 Bakterien!). Ihr langsames

IgA = sIgA). sIgA−Antikörper können dann im Lu− men des Respirations− und des Gastrointestinal−

Wachstum gleichen Plasmazellen jedoch durch ihre

trakts, sowie im Speichel und in der Muttermilch

hohe Antikörperproduktivität aus – sie sind Anti−

potenzielle Erreger bereits an der Eintrittspforte

körperfabriken. Plasmazellen können im aktivierten

abfangen.

Zustand ca. 1000 Antikörper pro Sekunde herstel−

IgE−Antikörper werden besonders nach Infektion

len und damit effektiv die Armeen der fremden Eindringlinge besiegen.

mit (gewebs−)invasiven Helminthen gebildet und binden mit Hilfe spezifischer Rezeptoren an Mast− zellen

und

basophile

Granulozyten.

Dadurch

Praxistipp

kommt es nach Antigenkontakt direkt zur Freiset−

Machen Sie sich klar, dass Plasmazellen sich zwar nicht so häufig teilen wie Bakterien, dafür aber umso effektiver in ihrer Antikör− per−Produktion sind.

zung biogen aktiver Histamine und Kinine. Außer− dem spielen IgE−Antikörper als wichtige immunpa− thologische Faktoren bei Allergien eine Rolle.

1.2.3 Das Zusammenspiel von angeborener und erworbener Immunabwehr Nach Antigenstimulation bilden Plasmazellen zu−

Während die angeborene Immunabwehr sofort und

nächst im Rahmen der frühen Immunantwort pen−

unspezifisch gegen fremde Eindringlinge vorgehen

tamere IgM−Antikörper. Durch die Wirkung von Zy− tokinen wird im weiteren Verlauf der Infektion ein

kann, benötigt die erworbene Immunität ungefähr eine Woche für die Entwicklung ihrer vollen Ab−

Wechsel (Switch) der Immunglobulinklasse einge−

wehrfähigkeit, ist dafür aber auch sehr spezifisch.

leitet (Tab. 1.4 ). Dabei ist IL−12 verantwortlich für

Sie baut außerdem ein Gedächtnis (Memory) gegen

die Induktion einer so genannten TH1−Immunant− wort mit Produktion von IgG1−Antikörpern (s. S. n).

den einmal erkannten Erreger auf, so dass sie dann bei erneutem Erregerkontakt sehr schnell reagieren

Ist kein IL−12 anwesend, bewirkt dies eine TH2−Im−

kann. Dabei existiert ein enges Zusammenspiel

munantwort (s. S. n) mit der Bildung von IgG2−,

zwischen dem angeborenen und dem erworbenen

IgG4−, IgA− und IgE−Antikörpern.

Immunsystem.

IgA−Immunglobuline werden von im Bindegewebe befindlichen Plasmazellen produziert. Um von den

Die Antigenpräsentation

Epithelzellen der Schleimhäute aufgenommen zu

Die Zellen des angeborenen Immunsystems (v. a.

werden, müssen jeweils zwei IgA−Immunglobuline mit Hilfe einer J−Kette miteinander zu dimeren An−

Makrophagen, dendritische Zellen und Mikroglia) werden als antigenpräsentierende Zellen (APC) be−

tikörpern verknüpft werden. Nach Bindung mit ei−

zeichnet, weil sie dem erworbenen, spezifischen

ner sekretorischen Komponente werden sie an−

Immusystem dabei helfen, Erreger zu erkennen.

Tabelle 1.4

Eigenschaften der Antikörperklassen (Isotypen) IgM

IgG1

IgG2

IgG3

IgG4

IgA (1/2)

IgD

IgE

m

g1

g2

g3

g4

a1/2

d

e

Halbwertszeit in Tagen 5–10

21

21

7

21

6

3

2

Grundfunktion der Immunität

frühe Im− munant− wort

späte Immunantwort und Immungedächtnis

mukosale Immunität

?

Allergie und antipa− rasitär

Komplement− Aktivierung

+++

++

+

+++









plazentagängig



+

+

+

+





+

H−Kette

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Infektionsimmunologie

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Abb. 1.5 Endogene und exogene Anti− genpräsentation über MHC−Klasse−I− und MHC−Klasse−II−Moleküle (aus Kayser, Ta− schenlehrbuch Medizinische Mikrobiolo− gie)

Bei der Antigenpräsentation muss zwischen dem

Neuronen können MHC−Klasse−I−Moleküle expri−

endogenen (intrazelluläre Antigene) und dem exo−

mieren.

genen Weg (extrazelluläre Antigene) unterschieden werden (Abb. 1.5).

Der exogene Weg der Antigenpräsentation Im Gegensatz dazu werden MHC−Klasse−II−Moleküle

Der endogene Weg der Antigenpräsentation

nur von APCs exprimiert. Sie spielen vor allem für

Antigene intrazellulärer Erreger (z. B. Viren, Chla−

extrazelluläre Erreger bzw. Antigene eine Rolle.

mydien, Toxoplasmen) werden in einem Komplex

Phagozytierte extrazelluläre Antigene werden im

von Proteasen (Proteasom) zu etwa 9 Aminosäure langen Peptiden gespalten. Diese Peptide werden

Phagosom durch Fusion mit Lysosomen zunächst in Peptide gespalten. Es kommt dann zur Ver−

dann in das endoplasmatische Retikulum transpor−

schmelzung des Phagolysosoms mit MHC−Klasse−II−

tiert und dort an Major Histocompatibility Com− plex“−(MHC−) Klasse−I−Moleküle (MHC−I) gebunden.

haltigen Endosomen. Die Bindungsstelle des MHC− Klasse−II−Moleküls wird mit einem Peptidfragment

Anschließend werden die Peptide an der Zellober−

(10–12 Aminosäuren) des Erregers beladen und zur

fläche von den MHC−I−Molekülen präsentiert, wo

Zellmembran transportiert, wo es zusammen mit

sie zusammen mit dem kostimulatorischen Protein

dem kostimulatorischen Protein B7 von CD4+−T−Zel−

+

B7 von CD8 −T−Zellen erkannt werden können

len erkannt wird (s. u.). Auch B−Zellen, die ein Anti−

(s. u.).

gen gebunden haben, internalisieren dieses und

Der Mensch besitzt drei polymorphe Genregionen für MHC−Klasse−I und zwar HLA−(Humanes Leuko− zytenantigen−)A, −B und −C. Praktisch alle kernhal−

präsentieren es anschließend auf MHC−II−Molekü− len.

tigen Körperzellen mit Ausnahme von intakten

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Infektionsimmunologie

1 Allgemeine Infektionslehre

MERKE

das kostimulatorische Protein B7, das durch den

Machen Sie sich die unterschiedlichen Funktionen von MHC−I− und MHC−II−Molekülen deutlich: MHC−I−Moleküle präsentieren intrazelluläre Proteinfragmente auf der Oberfläche aller Zel− len MHC−II−Moleküle präsentieren Proteinfrag− mente aus dem Extrazellulärraum auf der Oberfläche von phagozytierenden APCs

kostimulatorischen CD28−Rezeptor der T−Zelle erkannt wird und das erst nach TLR−induzierter Genaktivierung exprimiert wird (Abb. 1.6). MERKE

Diese beiden Signale müssen gemeinsam von ei− ner antigenpräsentierenden Zelle ausgesendet werden, damit die T−Zelle durch simultane Inter− aktionen aktiviert wird.

T− und B−Zellen werden von APCs aktiviert Bei der Aktivierung von T− und B−Zellen muss zwi−

Bei alleiniger Anwesenheit des TCR−Signals kommt

schen so genannten ruhenden Zellen, die noch nie

es zur Anergie, d. h. es folgt keine Immunreaktion

Kontakt zu einem Antigen hatten (naive Zellen)

auf fremde Antigene, bei alleiniger Anwesenheit des CD28−Signals passiert gar nichts.

und den so genannten Memory−Zellen unterschie− den werden.

Die Aktivierung von Memory−T−Zellen

Die Aktivierung naiver T−Zellen

Für die Aktivierung von Memory−T−Zellen ist nur

Für die Aktivierung naiver T−Zellen stellt die APC

ein einziges Signal, das TCR−Signal, notwendig, so

zwei Signale zur Verfügung:

dass eine schnelle Immunantwort erfolgen kann.

das MHC−präsentierte Erregerpeptid, das durch

Dabei besteht natürlich die Gefahr, dass bei Epitop−

den TCR erkannt wird und

Ähnlichkeit von Erreger− und Wirtsproteinen Auto−

Abb. 1.6

Vernetzung von angeborenem und erworbenem Immunsystem

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1 Allgemeine Infektionslehre

Infektionsimmunologie

immunprozesse in Gang gesetzt werden. In der Tat

Die Entstehung von T−Helferzellen aus CD4+−T−Zellen

haben einige virale Peptide (z. B. von HBV) Ähnlich− keit mit körpereigenen Peptiden, so dass bei vorbe−

Werden Antigene auf MHC−II−Molekülen präsentiert,

stehendem Viruskontakt eine neuerliche Infektion

T−Helferzellen (TH0). Diese TH0−Zellen differenzie−

zur überschießenden und falschen Immunreaktion

ren sich in Anwesenheit bestimmter Zytokine (IL−2,

führen kann. Ein derartiger Mechanismus steht z. B.

IL−4 und IFN−g) weiter. Ist zusätzlich auch IL−12

bei der Hepatitis−B im Zentrum der Pathogenese

vorhanden,

(s. S. 221).

kommt es zur Bildung von TH2−Zellen (Abb. 1.6).

MERKE

Naive T−Zellen ohne vorherigen Antigen−Kontakt benötigen zwei Signale zur Aktivierung. Bei Me− mory−T−Zellen reicht hingegen allein die Aktivie− rung über den TCR.

Die Entstehung zytotoxischer T−Zellen (CTL) aus CD8+−T−Zellen Die Art der das Erregerpeptid präsentierenden

17

entwickeln sich CD4+−T−Zellen in antigenspezifische

entstehen

TH1−Zellen,

ansonsten

Beide Zellpopulationen produzieren IL−3 und GM− CSF. Darüber hinaus unterscheiden sie sich signifi− kant in der Zusammensetzung ihrer Effektorcock− tails.

Praxistipp Weil sie nach Antigenerkennung andere Zellen des Immunsystems für weitere Ab− wehrreaktionen aktivieren, nennt man diese Zellen T−Helfer−Zellen.

MHC−Moleküle bestimmt die weitere Entwicklung der spezifischen Immunantwort. So führt die Anti−

TH1−Zellen induzieren zelluläre Abwehrmechanismen

genpräsentation auf MHC−I−Molekülen zur Aktivie− rung von CD8+−T−Zellen, die sich dadurch in anti−

TH1−Zellen sind u. a. durch ihre Produktion von IFN−g, IL−2 und LT (TNF−b) von zentraler Bedeutung

genspezifische zytotoxische T−Lymphozyten (CTL) differenzieren (Abb. 1.6). CTL haben eine zytotoxi−

die Induktion der zellulären Immunität, die vor al−

sche Wirkung sowohl gegenüber Erregern, als auch

lem gegen intrazelluläre Erreger gerichtet ist.

gegenüber infizierten Zellen: Durch das von ihnen

für die Makrophagenaktivierung (Abb. 1.6) und für

TH2−Zellen aktivieren B−Zellen

produzierte Perforin werden im ersten Schritt Po−

Demgegenüber sind TH2−Zellen wichtige Indukto−

ren in die Membran der infizierten Zelle eingebaut,

ren der humoralen Immunität, da sie u. a. durch

so dass durch diese Poren im zweiten Schritt die zytolytisch und mikrobizid wirkenden Granzyme

Produktion von IL−4, IL−5 und IL−6 zur Aktivierung von B−Zellen führen. Das zusätzlich von den TH2−

und Granulysine in das Zytoplasma eingeschleust werden und dort einerseits intrazelluläre Erreger

Zellen gebildete IL−10 hemmt die TH1−Immunant−

abtöten, andererseits den programmierten Tod (Apoptose) der Wirtszelle induzieren. Darüber hi−

Zusätzlich zu den TH2−Zytokinen sind für die B− Zellaktivierung zwei weitere Signale unbedingt er−

naus können CTL eine Wirtszellapoptose auch

forderlich:

durch FasL/Fas−Interaktion induzieren (Abb. 1.6).

1. Nachdem das Antigen von der B−Zelle durch den

Schließlich führen CTL durch IFN−g−Produktion zur

BCR gebunden wurde, wird es internalisiert und

Aktivierung von Zellen mit Phagozytosefunktion.

über MHC−II−Moleküle auf der Oberfläche der B−

MERKE

Ein von MHC−I präsentiertes Antigen führt zur Ak− tivierung von CD8+−Zellen, die dadurch in spezifi− sche zytotoxische T−Zellen umgewandelt werden.

wort und stärkt somit den TH2−Weg (Abb. 1.6).

Zelle präsentiert. Nun muss der TCR einer passen− den TH2−Zelle an das von MHC−II auf der B−Zelle präsentierte Antigenfragment binden. 2. Außerdem ist die Interaktion zwischen dem CD40−Liganden der TH2−Zelle mit dem Glykopeptid CD40 auf der B−Zelle erforderlich.

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18

Infektionsimmunologie Diese

1 Allgemeine Infektionslehre

TH2−Zell−vermittelte

Aktivierung

führt

schließlich zur Differenzierung der B−Zelle in eine Plasmazelle (s. o.).

und IgA−Antikörpern mit hoher Antigenaffinität führt. Bei der Zweitimmunisierung mit dem gleichen Impfstoff ist die IgG−Antwort im Gegensatz zur

MERKE

IgM−Antwort sehr stark und schnell, weil mit

TH2−Zellen tragen folgendermaßen zur B−Zell−Ak− tivierung bei: 1. Zytokinausschüttung (vor allem IL−4, IL−5, IL−6), 2. Wechselwirkung zwischen TCR der TH2−Zelle und MHC−II−präsentiertem Antigen auf der B−Zelle, 3. Wechselwirkung zwischen CD40−Ligand auf TH2−Zelle und CD40 auf B−Zelle.

der Zweitimmunisierung gerade solche B−Lym− phozyten aktiviert werden, die bereits bei der Erstimmunisierung einen Isotypenswitch durch− laufen haben. MERKE

Memory−B−Zellen benötigen nur ein Signal zur Ak− tivierung.

Diese Differenzierung dauert bei einer Erstinfektion

Die immunologische Toleranz

ungefähr fünf Tage. Die von den Plasmazellen an−

Die Immunabwehr reagiert in der Regel nicht ge−

schließend produzierten spezifischen Antikörper

gen körpereigene Strukturen. Diese als immunolo−

stellen wiederum eine Verbindung zur angebore−

gische Toleranz bezeichnete Eigenschaft des Im−

nen Immunität her: Durch Antikörper−Opsonierung der Erreger wird

munsystems bezieht sich vor allem auf die spezifische Immunität und wird deshalb als erwor−

einerseits eine Komplementaktivierung eingelei−

bene Toleranz angesehen. Wir unterscheiden zwi−

tet,

schen zentraler und peripherer Toleranz.

andererseits wird die Phagozytose durch Makro− phagen unterstützt. Dabei binden die Fc−Frag− mente der Antikörper an den Fc−Rezeptor von Makrophagen und initiieren dadurch die Phago− zytose. Das von den TH2−Zellen gebildete IL−4 ist außer− dem ein wichtiges Signal für den so genannten Iso− typenswitch von der IgM− zur IgE−Produktion (vor allem bei Gewebshelminthosen = Wurmerkrankun− gen des Gewebes); das von den TH2−Zellen gebil− dete IL−5 fördert die IgA−Produktion.

Die zentrale Toleranz Die Entwicklung der zentralen Toleranz der B−Zel− len findet im Knochenmark statt. Hier wird jedes Antigen (MHC−unabhängig!) prinzipiell als autore− aktiv interpretiert und die entsprechende unreife B−Zelle wird deletiert (= klare ja/nein−Entschei− dung). MERKE

Nur B−Zellen, die im Knochenmark keinen Anti− genkontakt haben, dürfen sich weiterentwickeln.

B−Zellen werden zu B−Gedächtniszellen (Memory−B− Zellen) Einige der B−Zellen entwickeln sich zu Gedächtnis−

Bei T−Zellen ist der Thymus Ort der zentralen Tole−

zellen, die im Falle einer erneuten Infektion eine

ranzentwicklung. Hier wird jede T−Zelle auf ihre

schnelle Antikörperantwort gewährleisten, weil sie nur das erste Signal (Bindung des BCR an MHC−II gebundenes Antigen) für ihre Aktivierung benöti−

Fähigkeit überprüft, mit MHC−Molekülen zu inter− agieren. Bei zu schwacher Interaktion zwischen TCR und

gen. Dieses biologische Prinzip macht man sich

MHC wird die T−Zelle als nutzlos“ angesehen

auch bei Impfungen bzw. Immunisierungen zunut−

und durch apoptotische Vorgänge deletiert.

ze:

Bei zu starker Interaktion zwischen TCR und

Die erste Applikation eines Impfstoffs (Erstim−

MHC kann die T−Zelle gefährlich“ für den Kör−

munisierung) führt zunächst zu einer antigen−

per sein und muss deswegen ebenfalls mit Hilfe

spezifischen IgM−Antwort, die nach dem Isoty−

von apoptotischen Vorgängen deletiert werden

penswitch zur Bildung von spezifischen IgG−

(= negative Selektion).

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1 Allgemeine Infektionslehre

Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität

Nur bei optimaler Interaktion zwischen TCR und

– Gewebedestruktion, – Toxine (Intoxikation, infektiöse Intoxikation), – Induktion einer immunpathologischen Wirtsreaktion, 4. Umgehung oder Verhinderung der spezifi− schen Immunität, 5. Austritt aus dem Körper und Übertragung zu einem neuen Wirt.

MHC wird die T−Zelle als nützlich“ akzeptiert (= positive Selektion). Die zentrale Toleranz der T−Zel− len ist demnach abhängig von der Affinität zu MHC, so dass eine graduell gestufte Entscheidung hinsichtlich des Schicksals der T−Zelle vorgenom− men wird. MERKE

Nur T−Zellen, die eine optimale Bindungsstärke an MHC−Moleküle haben, werden im Thymus nicht durch Apoptose zerstört.

19

1.3.1 Die Umgehung oder Verhinderung der unspezifischen Immunität Das Immunsystem hat sich im Laufe der Evolution

Die periphere Toleranz

als Abwehrsystem gegen körperfremde Substanzen

In den sekundären lymphatischen Organen brau− chen die T−Zellen, wie oben bereits geschildert, zwei Signale um von einer APC aktiviert zu wer−

(z. B. Infektionserreger, Tumorzellen) gebildet. Be− sonders die unspezifische Immunität stellt eine sehr schnelle Abwehrreaktion des Körpers vor al−

den:

lem gegen pathogene bzw. fakultativ pathogene

ein TCR−Signal in Form des MHC−restringierten

Mikroorganismen dar.

Antigens und

Damit Pathogene eine Infektionskrankheit auslösen

ein CD28−Signal in Form des kostimulatorischen

können, müssen sie zunächst die natürliche Im−

Proteins B7.

munabwehr umgehen. Dafür haben sie eine Reihe

Fehlt die Expression von B7 (z. B. weil wegen Ab−

unterschiedlicher Strategien entwickelt. Als Bei−

wesenheit eines Erregers keine TLR−vermittelte Genexpression erfolgt), so wird die T−Zelle nicht

spiel sei die Polysaccharidkapsel verschiedener Bakterien (z. B. bei Pneumokokken oder Haemophi−

aktiviert und man spricht von peripherer Toleranz.

lus influenzae) genannt, die durch Verhinderung

Diese periphere Toleranz ist notwendig, um z. B.

der Komplementopsonierung eine Resistenz gegen

eine immunpathologische Reaktion gegen körperei−

die Phagozytose bewirkt. Eine weitere Strategie ist

gene Komponenten zu verhindern.

die direkte Infektion von Zellen der natürlichen Im−

Auch B−Zellen können in der Peripherie durch An−

munabwehr, z. B. die Infektion von Makrophagen

oder Abwesenheit kostimulatorischer Signale einer

durch Toxoplasmen.

peripheren Toleranz unterworfen werden.

1.3 Verlauf einer Infektion, Virulenz− faktoren und Pathogenität

Praxistipp Viele Krankheitserreger, die in diesem Lehr− buch besprochen werden, haben raffinierte Mechanismen entwickelt, um den Abwehr− systemen zu entgehen.

Key Point Für die erfolgreiche Etablierung einer Infek− tion ist eine abgestimmte Auseinanderset− zung zwischen Pathogen und Wirt erforder− lich, die sich in folgenden Schritten zusam− menfassen lässt: 1. Umgehung oder Verhinderung der unspe− zifischen Immunität, 2. Adhäsion, evtl. Invasion und intrazelluläre Etablierung, 3. Lokale oder systemische Ausbreitung evtl. mit Wirtsschädigung durch:

1.3.2 Pathogenität und Virulenz Pathogenität bedeutet die Fähigkeit einer mikro− biellen Art (Spezies), in einem definierten Wirt Krankheit zu erzeugen (z. B. humanpathogene Erre− ger).

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20

Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität

1 Allgemeine Infektionslehre

MERKE

1.3.3 Adhäsion, Invasion und intrazelluläre Etablierung

Es gibt apathogene, fakultativ pathogene und ob− ligat pathogene Arten von Mikroorganismen.

Als wichtigste Virulenzfaktoren lassen sich Adhä−

Der Begriff Virulenz beinhaltet den Ausprägungs−

unterscheiden. Adhäsine: Sie sind für die Initiierung der Infektion

grad der krankheitserzeugenden Eigenschaften bei

essenziell. Mit Hilfe der Adhäsine können sich die

einem definierten Stamm einer pathogenen Art.

Erreger an spezifische Rezeptoren auf der Wirtszell−

Das bedeutet:

oberfläche heften. Kommen diese Rezeptoren nur in

sine, Invasine, Aggressine, Moduline und Impedine

Virulente Stämme gibt es nur bei einer pathoge−

bestimmten Organen bzw. Geweben vor, bedingt die

nen Art, d. h. der Virulenzbegriff ist dem Patho− genitätsbegriff untergeordnet.

Interaktion zwischen Erreger−Adhäsin und Zellre− zeptor einen erregerspezifischen Gewebstropismus,

Ein Stamm ist nur virulent, wenn auch be−

d. h. nur bestimmte Organe werden in diesem Fall infiziert.

stimmte Virulenzfaktoren vorhanden sind. MERKE

Das Ausmaß der Virulenz bei einem definierten Stamm einer pathogenen Art kann variieren von avirulent bis hochvirulent. Die Virulenz kann z. B. gemessen werden durch die LD50 = Erregerdosis, bei der die Hälfte der Versuchstiere stirbt.

Invasine: Fakultativ und obligat intrazelluläre Erre− ger exprimieren zusätzlich Invasine, die die Auf− nahme des Erregers in die Zelle unterstützen. Grundsätzlich kann die Aufnahme des Erregers in eine Zelle sowohl ein aktiver Prozess des Mikroor− ganismus sein, sie kann aber auch durch die Wirtszelle erfolgen (z. B. induzierte Endozytose unter Beteiligung des zellulären Zytoskeletts). Aggressine, Moduline und Impedine: Den intrazel−

Mikroorganismen, die sich als Mitesser (Kommen− salen) auf oder in unserem Körper aufhalten, expri−

lulären Abwehrmechanismen können sich die Erre−

mieren keine oder nur wenige Virulenzfaktoren. Es

die Fusion zwischen Phagosom und Lysosomen

handelt sich daher meistens um apathogene oder

inhibieren (Fusionsinkompetenz, z. B. bei Toxo−

fakultativ pathogene Organismen. Im Gegensatz

plasmen),

dazu stehen die obligat pathogenen Erreger. Sie ex− primieren eine Vielzahl von Virulenzfaktoren, die

die Phagosomenmembran lysieren (z. B. bei Lis− terien) oder

gemeinsam die Pathogenität des Erregers bestim−

sich frei im Zytoplasma der Wirtszelle vermeh−

men. Häufig liegen die Gene dieser Faktoren in nachbarschaftlicher Nähe zueinander. Daher wird

Dabei sorgen Aggressine für eine Schädigung der

eine derartige Clusterung von Virulenzgenen auch

Zelle, Moduline sind in der Lage, die Bildung von

als Pathogenitätsinsel (PAI) bezeichnet. Diese na−

Zytokinen zu induzieren und Impedine hemmen

turgemäß hauptsächlich im Genom von Pathoge−

die Immunantwort des Wirts.

ger dadurch entziehen, dass sie z. B.

ren (z. B. bei bestimmten Mikrosporidien).

nen vorkommenden PAIs stellen relativ große Re− gionen von mehr als 10 kb dar. Sie beinhalten

1.3.4 Lokale oder systemische Ausbreitung der Krankheitserreger

außerdem Mobilitätsgene und flankierende DNA− Sequenz−Wiederholungen, die eine Insertion in fremde Genome erleichtern. So wird ein horizonta−

Die lokale oder systemische Ausbreitung des Erre−

ler Gentransfer zwischen Bakterien ermöglicht. Oft

abhängig. Staphylococcus aureus kann z. B. einer−

fallen die PAIs durch einen veränderten Guanin−

seits einen lokal begrenzten Abszess hervorrufen,

und Cytosin−Gehalt, sowie einen veränderten Ko−

andererseits kann dieses Bakterium in das Blutge−

dongebrauch auf.

fäßsystem invadieren und dann zur lebensgefährli− chen Sepsis führen.

gers ist von Faktoren des Pathogens und des Wirts

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1 Allgemeine Infektionslehre

Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität

1.3.5 Die Mechanismen der Wirtsschädigung

So kann z. B. einerseits die Epitopähnlichkeit

Die Krankheitssymptome bei Infektionskrankheiten lassen sich auf folgende grundlegende Mechanis−

zwischen Antigenen von Krankheitserregern und körpereigenen Komponenten (Kreuzreaktivität)

men zurückführen:

zu einer fehlgeleiteten Immunreaktion führen

Gewebedestruktion: Die intrazelluläre Vermehrung von Pathogenen mit anschließender Zellzerstörung

(z. B. Pan− oder Myokarditis nach Streptokokken−

(z. B. Viren, Chlamydien) kann eine Gewebszerstö−

Anderseits können hochimmunogene Kompo−

rung zur Folge haben. Toxinwirkung: Hierbei muss unterschieden werden

nenten von Krankheitserregern eine überschie− ßende Immunreaktion auslösen, die wiederum

zwischen:

eine unkontrollierte Entzündungsreaktion her−

infektion).

Intoxikation: Aufnahme präformierter sezernier− ter Toxine = Exotoxine. Die meisten so genann−

vorruft (z. B. granulomatöse Wucherungen mit fibrös−zirrhotischen Gewebsveränderungen

ten Lebensmittelvergiftungen sind typische Into− xikationen (z. B. Staphylococcus−aureus−

durch Wurmeier von Schistosomen).

Enterotoxin, Bacillus−cereus−Enterotoxin, Botuli−

MERKE

nustoxin, Aflatoxin von Aspergillus flavus).

Die Schädigung des Wirts kann erfolgen durch: Gewebedestruktion, Toxinwirkung und Immunpathologische Wirtsreaktionen.

Infektiöse Intoxikation: Die Bildung von Exotoxi− nen findet erst nach der Infektion innerhalb des Körpers statt. Beispiele hierfür sind Scharlach und Diphtherie. Zytotoxine sind extra− oder intrazellulär wirksa− me Exotoxine und führen zu einer irreversiblen Schädigung der Zielzelle mit resultierendem Zelltod entweder durch enzymatische Schädi−

1.3.6 Die Umgehung oder Verhinderung der spezifischen Immunität

gung der Wirtszellmembran durch Lipasen (z. B.

Als Beispiele für Strategien der Immunevasion im Sinne der Verhinderung bzw. Umgehung der spezi−

Clostridium−perfringens−Lecithinase), durch phy−

fischen Immunität seien genannt:

der Wirtszellintegrität

Antigenvariabilität: Innerhalb einer Infektion wird

durch Porenbildung (z. B. a−Toxin von Staphylo−

z. B. das Membranprotein PfEMP1 des Malariaerre−

coccus aureus, Streptolysin O von Streptococcus pyogenes) oder durch ADP−Ribosylierung und In−

gers Plasmodium falciparum ständig verändert. Anti−

aktivierung des Zielmoleküls (z. B. Blockade der

Varianten gebildet wurden, werden somit gegen

zellulären Proteinbiosynthese durch Diphtherie− toxin, s. S. 237).

neue Varianten wirkungslos. Bildung von IgA−Proteasen: Viele schleimhautasso−

Enterotoxine sind im Darmtrakt intrazellulär

ziierte Bakterien (z. B. Gonokokken oder Haemophi−

wirkende Exotoxine und führen im Gegensatz

lus influenzae) produzieren Proteasen, die spezi−

zu den Zytotoxinen zu einer meist reversiblen

fisches IgA abbauen.

Änderung der zellulären Signalwege und/oder der Wirtszellphysiologie (z. B. Choleratoxin,

Inhibierung der MHC−vermittelten Antigenpräsenta−

s. S.190). charids von gramnegativen Bakterien, die als Py−

Infektionserreger können die Expression von MHC− Antigenen verändern bzw. inhibieren. So wird die Antigenpräsentation vermindert und eine Stimulie−

rogen Fieber induzieren können.

rung von T−Zellen bleibt aus.

sikalische

Schädigung

Endotoxine sind Bestandteile des Lipopolysac−

21

körper, die gegen ursprünglich vorhandene PfEMP1−

tion: Leishmanien, Toxoplasmen, CMV und andere

Induktion einer immunpathologischen Wirtsreak− tion: Hierbei spielt oft nicht die Infektion selbst

1.3.7 Austritt aus dem Körper und Übertra− gung zu einem neuen Wirt

eine zentrale Rolle, sondern es kommt durch eine pathologische Wirtsreaktion zur Entwicklung von

Im Sinne der Arterhaltung muss jeder Krankheits−

Krankheitszeichen.

erreger bestrebt sein, nach der Infektion einen neu−

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22

Infektion, Virulenzfaktoren und Pathogenität

1 Allgemeine Infektionslehre

en Wirt zu infizieren. Zu den häufigsten Strategien

die Induktion von Durchfall bei Infektionen des

zählen z. B.

Gastrointestinaltrakts (Übertragung mit dem Stuhl, fäkal−orale Transmission).

die Induktion von Husten bei Infektionen des oberen und unteren Respirationstrakts (Übertra− gung durch Aerosole) oder

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Kapitel

2

Allgemeine Bakteriologie 2.1

Aufbau der Bakterienzelle 25

2.2

Bakterieller Stoffwechsel 28

2.3

Grundlagen der bakteriellen Genetik 29

2.4

Systematik der Bakterien 32

2.5

Die bakterielle Normalflora des Menschen 73

2.6

Grundlagen bakterieller Diagnostik 76

2.7

Die Grundlagen der antibakteriellen Therapie 92

2.8

Resistanzverhalten und −entwicklung 105

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24

Klinischer Fall

Infektionsquelle: Konservendose

heit auf einen Diabetes mellitus. Der sofort durch− geführte

Blutzuckertest

ergibt

jedoch

keinen

auffälligen Befund. Auch die Oberärztin ist zunächst ratlos. Sie zieht einen Neurologen hinzu, da Pawel auch über Doppelbilder klagt. Dieser diagnostiziert eine Augenmuskelparese, kann sich auf die plötzliche Erkrankung des 56−Jährigen jedoch auch keinen Reim machen. Der Assistenzarzt erhebt daraufhin nochmals mit Maciejs Hilfe eine ausführliche Anamnese. Dabei fällt Pawel das Sprechen immer schwerer. Er hat Schluckbeschwerden und seine Sprache wird immer verwaschener. Dennoch kann er berichten, dass er sich gestern noch gesund gefühlt, am Vorabend mit seiner Familie Fleisch aus der Konserve gegessen ha− be und früh zu Bett gegangen sei. Ursachen der Botulismus sind meist verdorbene Lebensmittel aus Konservendosen

Es gibt runde Bakterien und längliche, grampositive und gramnegative, aerobe und anaerobe. Im folgen− den Kapitel werden Sie einigen Bakterien begegnen, die Sie schon kennen, und viele neue Erreger kennen lernen. Sie werden auch lesen wie Bakterien Krankhei− ten hervorrufen. Manche sind dabei recht raffiniert. So das grampositive Stäbchenbakterium Clostridium botu− linum. Es produziert den stärksten bakteriellen Gift− stoff, den wir kennen: das Botulinumtoxin.

Gefahr aus der Konserve Wie bitte?“, Maciej versteht seinen Kollegen Pawel immer schlechter. Hast Du was getrunken?“, fragt er und blickt besorgt hinüber zum Steuer des LKWs. Nö“, nuschelt Pawel, wenn ich fahre, trinke ich nie. Aber die Luft ist heute so trocken.“ In der Nähe von Chemnitz halten die beiden auf einem Rastplatz an. Etwa die Hälfte der Strecke von Warschau nach Frankfurt am Main liegt hinter ihnen. Pawel hat gro− ßen Durst. Er bittet Maciej, weiterzufahren, da er Probleme habe, die Straße zu erkennen. Maciej wun− dert sich. Das Wetter ist zwar miserabel, aber die Sichtverhältnisse sind gut. In der nächsten Stunde verschlechtert sich Pawels Zustand. Maciej kann ihn kaum noch verstehen. Bei der nächsten größeren Stadt fährt er von der Autobahn ab und folgt den Hinweisschildern mit dem roten Kreuz.

Doppelbilder und Schluckbeschwerden Da Maciej gut deutsch spricht, kann er dem aufneh− menden Assistenzarzt des Uniklinikums von Pawels verwaschener Sprache und den Sehstörungen berich− ten. Der Arzt tippt zunächst wegen der Mundtrocken−

Therapie per Hubschrauber Beim Wort Konserve“ horcht die Oberärztin auf und fragt nach. Nein, beim Essen des Fleisches sei ihm nichts Besonderes aufgefallen, übersetzt Maciej ver− wundert. Dennoch stellen die Ärzte nun eine un− gewöhnliche Verdachtsdiagnose: Botulismus. Der Pa− tient wird sofort auf die Intensivstation verlegt, mit einem passageren Schrittmacher versehen und an eine kontrollierte Beatmung angeschlossen. Gleichzeitig wird in den örtlichen Apotheken Botulinum−Antitoxin angefordert und eine Serumprobe des Patienten für die mikrobiologische Diagnostik abgenommen. Da nicht genügend Antitoxin von sämtlichen Apotheken am Ort zur Verfügung gestellt werden kann, wird wei− teres Antitoxin aus einer benachbarten Großstadt per Hubschrauber eingeflogen. Gleichzeitig wird das örtli− che Gesundheitsamt informiert, das über das Bundes− gesundheitsministerium Kontakt zu den Aufsichts− behörden in Warschau aufnimmt. Auch Pawels Ehe− frau, die über ähnliche Symptome klagt, wird sofort in eine Klinik aufgenommen und behandelt.

Diagnose durch Wespentaille Dass die Verdachtsdiagnose richtig war, zeigt der Tierversuch im Institut für Medizinische Mikrobiolo− gie. Dort wird zwei Mäusen ein Extrakt des Patien− tenserums injiziert. Einen Tag später stirbt eine der Mäuse mit der charakteristischen Wespentaille“, während die andere, die zuvor Antitoxin erhalten hatte, den Test überlebt. Auch Pawel und seine Frau überleben die Intoxikation. Und bei seiner nächsten LKW−Fahrt von Warschau nach Frankfurt bringt Pawel als Dankeschön im Uniklinikum einen Korb mit polni− schen Spezialitäten vorbei. Konservendosen sind al− lerdings nicht darin.

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2 Allgemeine Bakteriologie

2

Allgemeine Bakteriologie

Schleimkapsel:

Aufbau der Bakterienzelle

Viele

Bakterien

bilden

25

eine

Schleimkapsel aus, die die Phagozytose durch Makrophagen verhindert. Eine solche Schleim−

2.1 Aufbau der Bakterienzelle

kapsel stellt einen wichtigen Virulenzfaktor dar.

Key Point Bakterienzellen haben einen grundsätzlich anderen Aufbau als eukaryontische Zellen. Sie haben keine Zellorganellen, besitzen an− dere Ribosomen als Eukaryonten und haben eine Zellwand. Bakterien unterscheiden sich jedoch untereinander stark. Einige Eigen− schaften lassen sich bereits im Lichtmikro− skop erkennen. Eine weitere Charakterisie− rung gelingt z. B. anhand bestimmter Färbe− methoden.

Praxistipp Die lichtmikroskopisch erkennbaren Unter− schiede zwischen Bakterien dienen häufig auch in der klinischen Mikrobiologie der Charakterisierung und Identifizierung von bakteriellen Krankheitserregern. Weitere Strukturbestandteile der Bakterienzelle sind im Lichtmikroskop nicht erkennbar: die Zellwand, die zytoplasmatische Membran,

Bakterien können im Durchmesser 0,2–1,0 m groß

das Zytoplasma,

sein und eine Länge von 1–15 m erreichen. Ab ei−

die 70S−Ribosomen (im Gegensatz zu den 80S−

ner 400−fachen Vergrößerung sind sie im Lichtmik− roskop sichtbar und lassen sich durch folgende

Ribosomen bei Eukaryonten) und die frei im Zytoplasma liegende DNA, die auch

lichtmikroskopisch

Chromosomenäquivalent genannt wird. Neben

erkennbare

Kriterien

unter−

dem Chromosomenäquivalent können häufig

scheiden: Form: Es gibt O kugelförmige (Kokken),

noch kleine extrachromosomale DNA−Ringe vor− handen sein, die als Plasmide bezeichnet wer−

O spiralförmige und

den und für wichtige Eigenschaften kodieren

O stäbchenförmige Bakterien. Begeißelung:

Bakterien

können

können (z. B. Antibiotikaresistenzen oder Viru− keine,

eine

(montoriche Begeißelung) oder mehrere Geißeln

lenzfaktoren). Im Durchschnitt enthält das bak− terielle Genom ca. 106 Basenpaare.

tragen. Sind mehrere Geißeln an einer Stelle ge− bündelt, wird von lophotricher Begeißelung ge−

Der Aufbau der Zellwand

sprochen. Ein allseits begeißeltes Bakterium weist eine peritriche Begeißelung auf. Begeißelte

Bakterien können unterschiedliche Arten von Zell− wänden aufweisen (Abb. 2.1). Kugel− und stäbchen−

Bakterien sind beweglich, unbegeißelte Bakteri−

förmigen Bakterien haben eine starre Zellwand.

en sind unbeweglich (z. B. Shigellen, Klebsiellen

Unter den schraubenförmigen (spiralförmigen) Bak−

und Haemophilus).

terien besitzen die Spirochäten eine flexible, die

Sporenbildung: Clostridien und Bazillen bilden

übrigen Bakterien ebenfalls eine starre Zellwand.

unter bestimmten Bedingungen Sporen (Dauer−

Die Zellwand ist sowohl für die Antibiotikaemp−

formen). Sie beinhalten das gesamte Bakterien− Genom, der Stoffwechsel ist jedoch extrem re− duziert. Solche Dauerformen weisen im Ver−

findlichkeit als auch für die Beschreibung der Bak− terien (Gramverhalten, s. u.) von Bedeutung. Transpeptidasen spielen für den Aufbau der bakte−

gleich zu den vegetativen Bakterien eine be−

riellen Zellwand eine zentrale Rolle. Sie nehmen

trächtliche Resistenz gegenüber chemischen und

die Vorstufen der Zellwand aus der Zytoplasma−

physikalischen Einwirkungen auf und können

membran auf, um sie dann in die Zellwand einzu−

viele Jahrzehnte lang lebensfähig bleiben (z. B.

bauen. Da die Transpeptidasen zugleich als Anhef−

Sporen des Milzbranderregers Bacillus anthra−

tungsstelle für Penicilline und andere b−Laktaman−

cis).

tibiotika dienen, werden sie auch als Penicillinbin− deproteine (PBP) bezeichnet.

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Aufbau der Bakterienzelle

2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.1 Aufbau der Zellwand. a) grampositive Bakterien; b) gramnegative Bakterien. PBP = Penicillinbindeprotein (nach Hof/Dörries, Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie)

Grundgerüst der Zellwand ist das Peptidoglykan (=

Porengröße haben deshalb einen entscheiden−

Murein), eine Verbindung aus zwei verschiedenen

den Einfluss auf die Permeabilität von Anti−

Zuckern, die über Aminosäuren quervernetzt sind. Abb. 2.1 zeigt den Zellwandaufbau von grampositi−

biotika (Cephalosporine = 500–600 Dalton, Chinolone = 350 Dalton, Aminoglykoside =

ven und gramnegativen Bakterien:

500 Dalton, s. a. dort).

Grampositive Bakterien besitzen eine dicke Zell−

O Schließlich sind in die äußere Membran auch

wand, weil mehrere Mureinschichten überei−

der Fortbewegungsapparat (Flagellenmotor“

nander liegen. In der Zellwand verankert sind Proteine, Zellwand−Teichonsäure und ein Zell−

mit Flagelle/Geißel) und Pili (synonym: Fimb− rien) verankert. Fimbrien haben vor allem die

wand−spezifisches Polysaccharid. Außerdem fin−

Aufgabe, eine Rezeptor−spezifische Anheftung

det man verankert in der Zellmembran die Membran−Lipoteichonsäure.

von Bakterien an bestimmte Zellen zu vermit− teln.

Gramnegative Bakterien haben nur eine Murein− schicht, der eine äußere Membran, in der u. a. Lipopolysaccharide verankert sind, aufgelagert ist. O Ein Bestandteil der Lipopolysaccharide ist Li− pid−A, das bei Zerfall der Bakterien frei wird. Es wirkt als Endotoxin und stellt eine fieber− induzierende Komponente (= Pyrogen) dar. O Daneben besitzt die äußere Membran auch Proteine mit Rezeptorfunktion (z. B. für Zu− cker− oder Eisenkomplexe) oder Transport− funktion (Porine). O Porine sind porenbildende Membranproteine,

Die Gramfärbung Die unterschiedlichen Strukturmerkmale der Zell− wand haben Einfluss darauf, wie gut sie sich mit einem Jod−Anilin−Farbstoffkomplex anfärben lassen. Die Gramfärbung wurde 1884 von dem dänischen Pathologen Christian Gram (1853–1938) entwickelt. Sie wird bis heute als Standardmethode zur schnel− len mikroskopischen Differenzierung von Bakterien eingesetzt (Abb. 2.2). EXKURS

rbung Vorgehen bei der Gramfa

die Moleküle bis zu einer Größe von ca. 600

1. Bakteriensuspension auf einem Objekttra ger aus−

Dalton passieren lassen. Veränderungen in der

streichen und lufttrocknen;

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2 Allgemeine Bakteriologie

Aufbau der Bakterienzelle

27

2. Das luftgetrocknete Pra parat durch eine Flamme

Praxistipp

ziehen (= Hitzefixierung); 3. 3 min Fa rbung mit filtriertem Karbolgentianaviolett

Die Gramfärbung folgt dem 3−2−1−Prinzip: 3 Minuten Violettfärbung 2 Minuten Lugol−Lösung 1 Minute Rotfärbung

(oder Kristallviolett); 4. Farbstoff abgießen und gut abtropfen lassen, ohne dass das Pra parat trocken wird; 5. Lugol−Lo sung (Jod−Jodkalium) auftropfen und 2 min lang einwirken lassen; 6. Flu ssigkeit abgießen;

Nun können die Präparate unter dem Mikroskop betrachtet werden: Nach Anfärbung verhindert die

7. Entfa rben mit 96 %igem Alkohol, bis keine Farbwol−

dicke Mureinschicht bei grampositiven Bakterien,

ken mehr abgehen;

dass der Farbstoffkomplex durch organische Lö− sungsmittel (Alkohol, Aceton) wieder aus der Zelle

8. Mit Wasser abspu len; 9. 1 min Fa rbung mit Fuchsin oder Eosin (rote

entfernt wird. Durch die wesentlich dünnere Zell−

Gegenfarbstoffe, die auch gramnegative Bakterien

wand der gramnegativen Bakterien kann der Farb−

anfa rben);

stoffkomplex bei diesen fast ungehindert entwei−

10. Mit Wasser abspu len und trocknen lassen.

chen. MERKE

Grampositive Bakterien erscheinen nach der Gramfärbung blau. Gramnegative Bakterien erscheinen nach der Gramfärbung rot. Abb. 2.2 Ablauf der Gramfärbung. Grampositive Bakterien werden blau (links) angefärbt, gramnegative rot (rechts), (nach Hof/Dörries, Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie). Abb. 2.3 Hydroperoxidradikale werden bei aeroben Organismen durch be− stimmte Enzyme unschädlich gemacht.

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28

Bakterieller Stoffwechsel

2 Allgemeine Bakteriologie

Zusätzlich kann man erkennen, ob es sich um Kok−

oxidativ mit Sauerstoff als terminalem Elektro−

ken, Stäbchen oder spiralförmige Bakterien han− delt.

nenakzeptor oder als so genannte anaerobe At−

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ergibt sich

akzeptoren (z. B. Nitrat oder Sulfat).

mung“ mit anderen anorganischen Elektronen−

schließlich auch durch die Lagerung der Bakterien: Haufenkokken: Staphylokokken,

MERKE

Kokken in Ketten aufgereiht: Streptokokken,

Kohlenhydrat−Katabolismus: anaerob = Fermentation aerob = Oxidation

Zweierpaare: Diplokokken. Innerhalb einer Gattung sind Bakterienform und Anfärbeverhalten einheitlich.

2.2 Bakterieller Stoffwechsel

Die Abhängigkeit von Sauerstoff Anhand des Wachstumsverhaltens in Abhängigkeit von Sauerstoff lassen sich strikte Aerobier von

Key Point

strikten Anaerobiern unterscheiden. Strikte Anaero−

Die humanmedizinisch bedeutsamen Bakte− rien sind heterotroph, d. h., sie benötigen eine organische Kohlenstoffquelle (meist in Form von Mono−, Di− oder Polysacchariden) und eine anorganische oder organische Stick− stoffquelle (meist Proteine oder Aminosäu− ren). Die Energiegewinnung kann dabei ae− rob oder anaerob erfolgen. Einige Bakterien sind fakultativ anaerob, sie können also so− wohl mit als auch ohne Sauerstoff überleben.

bier sterben in Gegenwart von Sauerstoff durch die toxische Wirkung von Hydroperoxid−Radikalen. Ih− nen fehlt das Enzym Superoxid−Dismutase, das bei Aerobiern solche Hydroperoxid−Radikale unschäd− lich machen kann (s. Abb. 2.3). Fakultativ anaerobe Bakterien können sich sowohl in Anwesenheit als auch in Abwesenheit von Sauer− stoff vermehren. Als mikroaerophil bezeichnet man solche Bakteri− enarten, die bei reduzierter Sauerstoffspannung und meist erhöhter Kohlendioxidspannung ein

Um die physiologischen Merkmale von Bakterien

Wachstumsoptimum aufweisen.

zu bestimmen, ist in der Regel ihre kulturelle An−

Carboxiphile Bakterien wachsen unter normaler

züchtung notwendig. Im Labor können verschie− dene Kulturbedingungen ausgetestet werden, bei

Sauerstoffspannung, aber nur bei erhöhter Kohlen− dioxidspannung.

denen z. B. Faktoren wie Nährmedium, Sauerstoff− angebot und Temperatur variiert werden. Die Wachstumsraten unter den gegebenen Bedingun− gen geben dann Aufschluss über die physiologi− schen Charakteristika der Kultur. Im Energiestoffwechsel bewirkt ATP den Energie− transfer zwischen Katabolismus (Energiegewin− nung, Abbau von Substanzen) und Anabolismus (Biosynthese). Die Energiegewinnung erfolgt bei den medizinisch bedeutsamen Bakterien durch Gärung“ oder At− mung. Die Gärung findet sich bei Bakterien mit fer− mentativem Stoffwechsel, wobei organische Ver− bindungen im Nährsubstrat als terminale Elekt− ronenakzeptoren dienen. Die Atmung so genannter nicht−fermentativer Bakterien (z. B. Pseudomonas) erfolgt entweder

Abb. 2.4 Regulation des lac−Operons als Beispiel für sub− stratinduzierte Genexpression. a) inaktiver Zustand in Ab−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Genetik

Die Abhängigkeit von der Temperatur

dient dann als Matrize für die bakterielle DNA−Po−

Die optimale Vermehrungstemperatur einer Bakte− rienspezies liegt in der Regel innerhalb eines engen

lymerase. Die DNA−Polymerase synthetisiert einen jeweils zur Matrize komplementären neuen DNA−

Temperaturbereichs und stellt ein stabiles taxono−

Strang. Da jeder der beiden resultierenden DNA−

misches Kriterium dar. Im Hinblick auf die opti−

Doppelstränge jeweils aus einem alten und einem

male Vermehrungstemperatur sind die medizinisch

neuen DNA−Strang besteht, wird die DNA−Replikati−

relevanten Bakterien mesophil, d. h., sie wachsen

on auch als semikonservativ bezeichnet.

29

optimal zwischen 188 und 45 8C. MERKE

2.3 Grundlagen der bakteriellen Genetik

Die DNA−Replikation bei Bakterien erfolgt semi− konservativ durch eine DNA−Polymerase und be− ginnt am Origin of replication.

Key Point Bakterien sind in der Lage, ihre ringförmige DNA mit allen Genen ausgehend von nur ei− nem einzigen Replikationsursprung zu repli− zieren. Die Genexpression findet auch bei Bakterien reguliert statt. Dazu gibt es Ope− rons, die z. B. in Abhängigkeit von bestimm− ten Umweltfaktoren dem An− und Ausschal− ten bestimmter Gene dienen. Mehrere zum Teil für Bakterien spezifische Mechanismen tragen außerdem durch Veränderungen der genetischen Variabilität zur Anpassung an die Umwelt bei.

2.3.2 Die bakterielle Genexpression am Beispiel des lac−Operons Grundlegende Arbeiten zum Verständnis der Gen− expression wurden von Jacob und Monod ca. 1961 am lac−Operon beschrieben. Ein Operon ist eine zu− sammenhängende DNA−Sequenz, die oft für mehre− re zusammengehörende Proteine kodiert und durch Regulatoren aktiviert oder reprimiert wird. Das lac− Operon kodiert die Enzyme b−Galaktosidase, Lac− tose−Permease und Galaktosid−Acetyltransferase. Diese Genprodukte sind notwendig, um Lactose ab− zubauen. Escherichia coli bevorzugt Glucose als Energiequel−

2.3.1 Die DNA−Replikation Die Replikation der bakteriellen DNA beginnt am so genannten Origin of replication“, an dem sich der DNA−Doppelstrang des Chromosomen−Äquiva− lents oder des Plasmids öffnet. Jeder Einzelstrang

le. Bei Glucoseangebot wird das lac−Operon ausge− schaltet“. Bei Glucosemangel und Lactoseangebot wird das lac−Operon eingeschaltet“. Drei DNA−bin− dende Proteine sind an der Regulation beteiligt.

wesenheit von Lactose; b) durch Lac− tose induziertes Operon: die mRNA für die Lactose abbauenden Enzyme wird transkribiert (nach Poeggel, Kurzlehr− buch Biologie). Abb. 2.5 Transduktion durch Bakterio− phagen. Infektion des Bakteriums mit ly− tischem bzw. lysogenem Phagen (nach Poeggel, Kurzlehrbuch Biologie).

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Bakterielle Genetik 2 Allgemeine Bakteriologie Die RNA−Polymerase bindet an der Promotor−Se−

2.3.3 Die genetische Variabilität bei Bakterien

quenz, die im Bereich –35 bis –10 eine charakte− ristische Basen−Sequenz enthält.

Im Rahmen der Arterhaltung müssen Bakterien

Der Repressor bindet an der Operator−Sequenz,

anpassen. Dafür kommen verschiedene Strategien

die stromabwärts teilweise mit der Promotorse−

infrage.

sich schnell veränderten Umgebungsbedingungen

quenz überlappt. Der Aktivator bindet stromaufwärts vor der Pro− motor−Sequenz und verbessert die Bindung der RNA−Polymerase. Das Gen für den Repressor wird im Normalzustand schwach exprimiert; etwa 3–10 Repressormoleküle sind pro Zelle vorhanden. Ein Repressormolekül bindet am Operator des lac−Operons. Bei Zufuhr von Lactose bindet diese an den Repressor. Durch diese spezifische Reaktion mit Lactose (Induktor) wird der Repressor vom Operator abgelöst (Dere− pression). Die RNA−Polymerase kann jetzt mRNA produzieren (Abb. 2.4). MERKE

Lactose dient als Induktor für die Genexpression. In Anwesenheit von Lactose löst sich der Repres− sor vom Operator und die mRNA des lac−Operons wird produziert (induzierte Derepression). Bei fehlender Glucose und reichlichem Lactose−An− gebot kann die Transkription des lac−Operons zu− sätzlich noch durch einen Aktivator erhöht wer− den: Glucosemangel führt zur Erhöhung von cAMP. Dieses bindet an das CAP−Protein (catabolic activa− tor protein), das nun an eine DNA−Sequenz vor dem Promotor binden kann. Die Bindung des cAMP−CAP−Komplexes an der DNA fördert die Bin− dung der RNA−Polymerase an den Promotor. Da− durch wird die Transkription zusätzlich erhöht. Das Prinzip der Derepression ist auch von Bedeutung bei der Regulation von bestimmten Antibiotikare− sistenz−Mechanismen (s. S.105). MERKE

cAMP, das bei Glucosemangel vermehrt gebildet wird, bindet an CAP. Dieser Komplex lagert sich an die DNA an und fördert so die Promotorbin− dung der RNA−Polymerase. Derartige Genregulationsmechanismen finden sich häufig bei Bakterien.

Die intrazellulären Mechanismen der Genvaria− bilität Mutation und Selektion Mutationen kommen in einer Größenordnung von 10–6 bis 10–10 vor und werden oft durch mutagene Einflüsse von außen induziert. Typische mutagene Faktoren sind radioaktive oder UV−Strahlen sowie chemische Agenzien. Genmutationen beruhen da− bei meistens auf einer zufälligen Änderung einzel− ner Nukleotide (Punktmutation), auf Deletionen oder Insertionen von DNA−Abschnitten oder auf ei− ner Änderung des Leserasters der DNA−Sequenz (frameshift“). Einige dieser Mutationen wirken sich positiv auf das Überleben der Bakterien aus. Derart mutierte Bakterien haben so bei weiterer Anwesenheit des externen mutagenen Faktors einen Vorteil gegen− über der ursprünglichen Bakterienpopulation und werden deshalb unter den dann vorliegenden Be− dingungen herausselektioniert.

Rekombination und Transposition Umstrukturierungen, Austausche, Deletionen oder Insertionen größerer DNA−Abschnitte werden der DNA−Rekombination zugerechnet. Wenn sich Gen− fragmente zweier Bakterien in ihren flankierenden Sequenzen ähneln, ist ein Genaustausch zwischen Spender− und Empfänger−DNA leicht möglich (ho− mologe Rekombination). Aber auch eine fehlende Homologie schließt den Genaustausch nicht aus. So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass für den Transfer von Pathoge− nitätsinseln offensichtlich die Anwesenheit von Mobilitätsgenen und flankierenden Repeat−Sequen− zen erforderlich ist. Ähnlich verhält es sich mit der Transposition.

Die

beteiligten

Genomfragmente

werden als Transposons (springende Gene“) be− zeichnet, die oft für Antibiotikaresistenz−Gene ko− dieren und daher eine wichtige Ursache für die Ausbreitung von Resistenzen darstellen. Sie sind in der Lage, mithilfe ihrer flankierenden so genannten inversen repetitiven Elemente (identische, aber ge−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Genetik

genläufige Nukleotidsequenzen = inverted re−

Darüber hinaus können kompetente Bakterien auch

peats“, IR) ungerichtet in verschiedene Regionen der Empfänger−DNA zu inserieren; die IR werden

frei vorliegende DNA durch ihre Zellwand aufneh− men. Dieser Mechanismus wird als Transfektion

deshalb auch als Insertionssequenzen (IS−Elemente)

bezeichnet und findet vielfältige Anwendung einer−

bezeichnet.

seits in gentechnologischen Experimenten und an−

31

dererseits im Rahmen von DNA−Vakzinierungen.

Die interzellulären Mechanismen der Genvariabilität Konjugation und Transfektion Einige Bakterien besitzen zusätzlich zu ihrem Chro− mosomenäquivalent extrachromosomale DNA, die zirkulär als Plasmid vorliegt. Als Donor (Spender) können diese Bakterien nach Kontakt mit plasmid− losen Bakterien eine tunnelähnliche Verbindung (= Sexpilus) bilden. Durch diese kann ein Einzelstrang der Plasmid−DNA innerhalb weniger Minuten in das Rezipienten−(Empfänger−)Bakterium transfe− riert werden. Anschließend wird die Plasmid−DNA in beiden Bakterienzellen repliziert und liegt wie− der doppelsträngig und extrachromosomal vor. Die− ser als Konjugation bezeichnete DNA−Austausch ist nur jeweils zwischen bestimmten Bakterien (Kom− patibilitätsgruppen) möglich. Er bildet die Basis für die horizontale Weitergabe von Virulenzfaktoren (Pathogenitätsinseln) oder die horizontale Ausbrei− tung von Antibiotikaresistenzen.

Abb. 2.6

MERKE

Machen Sie sich den Unterschied zwischen Konju− gation und Transfektion klar: Konjugation: gezielte Weitergabe von Plas− mid−DNA an ein Empfänger−Bakterium, Transfektion: Aufnahme freier DNA aus der Umgebung durch die Zellwand.

Die Transduktion Viren, die Bakterien infizieren, werden als Bakterio− phagen bezeichnet. Sie sind durch eine sehr hohe Bakterienspezifität charakterisiert, die durch spe− zielle Rezeptoren auf der Bakterienoberfläche ver− mittelt wird. Früher hat man diese Phagenspezifität für die Typisierung von Bakterienstämmen und für die Verfolgung von Infektionsketten benutzt. Die Aufnahme der Phagen−DNA wird als Transduktion bezeichnet und kann zwei Konsequenzen für das transduzierte Bakterium haben (Abb. 2.5):

Übersicht über die humanmedizinisch bedeutsamsten Bakterien

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Die Transduktion mit einem lytischen Phagen

sich in erster Linie durch Teilung vermehren. Es

führt zur intrabakteriellen Synthese neuer Pha− genpartikel mit anschließender Lyse des Bakteri−

müssen deshalb andere Kriterien zur Definition der Bakterienspezies herangezogen werden.

ums. Die Transduktion mit einem lysogenen Phagen

MERKE

führt zur Integration der Phagen−DNA in die

Im Wesentlichen ist für die Definition der Bakteri− enspezies das statistische Kriterium der Überein− stimmung in möglichst vielen stabilen morphologischen, kulturellen, biochemischen und genetischen (einschl. Nukleinsäuresequenz) Ei− genschaften maßgebend. Ist durch diese Charak− terisierung eine Spezies definiert worden, kann man Variationen je nach untersuchter Eigenschaft als Biovare (biologische Gemeinsamkeiten), Sero− vare (serologische Gemeinsamkeiten), Phagovare (Empfänglichkeit für gleiche oder ähnliche Bakte− riophagen), Pathovare (pathogenetische Gemein− samkeiten) etc. bezeichnen.

Bakterien−DNA. Im integrierten Zustand wird das Phagengenom als Prophage (temperenter Phage) bezeichnet. Durch exogene Faktoren oder spontan kann der Prophage wieder zur vegetati− ven Form werden, neue Phagen produzieren und schließlich die Wirtszelle zum Platzen bringen. Nicht selten werden von der aufgenommenen Pha− gen−DNA Virulenzfaktoren (meistens Toxine) expri− miert, die dadurch ein avirulentes Bakterium zum Pathogen werden lassen. Als Beispiel sei einerseits Corynebacterium diphtheriae genannt, das erst nach Transduktion in der Lage ist, Diphtherietoxin zu produzieren, und andererseits Streptococcus pyoge− nes, der durch Phagentransduktion das Scharlachto− xin bilden kann (s. S. 234).

Stärkere Abweichungen werden meist als atypische Stämme geführt und können Ursprung für die Defi−

2.4 Systematik der Bakterien

nition einer neuen Spezies sein. Es ist verständlich, dass bei den letztlich doch recht unscharfen Krite− rien der Speziesdefinition ständig Neugruppierun−

Key Point

gen und Umbenennungen erfolgen.

Die Bakteriensystematik verfolgt einerseits das Ziel, einen Bestimmungsschlüssel für Iso− late aus menschlichem Untersuchungsmateri− al zu liefern. Andererseits versucht die Bakte− riensystematik in Analogie zu den eukaryon− tischen Abstammungssystemen eine Ordnung verschiedener Spezies nach biologi− schen und phylogenetischen Gesichtspunkten durchzuführen, wobei Häufungen bestimm− ter Eigenschaften eine Gruppierung zulassen.

Die wichtigste Gruppierung von Bakterien auf− grund von Häufungen bestimmter Eigenschaften ist die Bildung von Genera (Gattungen). Die Zuord− nung verschiedener Genera zu Familien ist demge− genüber wesentlich unschärfer. Sie gelingt bislang nur für bestimmte Genera, nicht für alle. Die Ein− ordnung in Gattungen bringt diagnostische Vor− teile, weil die mikrobiologische Methodik verhält− nismäßig rasch die Zuordnung eines Isolates zu einer Gattung (Genus) erkennen lässt, während die Speziesidentifizierung oder gar die Charakterisie−

Prokaryonten können in drei Gruppen eingeteilt

rung von Varianten in der Regel einen sehr viel hö−

werden: frei lebende Bakterien, die auf künstlichen Nähr− böden anzüchtbar sind,

heren Zeitaufwand erfordert. Von der allgemein gültigen Systematik mit ihrer Einteilung in Klassen, Ordnungen, Familien, Gat−

Bakterien ohne Zellwand und

tungen und Arten sind für den klinischen Sprach−

Bakterien, die sich obligat nur innerhalb von Zel−

gebrauch praktisch nur Gattungs− und Artnamen

len vermehren.

wichtig; trotzdem soll anhand von Escherichia coli

Bei Eukaryonten bilden definitionsgemäß Organis−

und Staphylococcus aureus die Hierarchie der No−

men, die sich unter natürlichen Bedingungen paa−

menklatur dargestellt werden (Tab. 2.1).

ren können, eine Spezies. Bei den Prokaryonten ist

Die folgende Auflistung der humanmedizinisch be−

das Kriterium der Paarung nicht möglich, weil sie

deutsamsten Bakterien, die auch Grundlage für die

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2 Allgemeine Bakteriologie

Tabelle 2.1

Systematik der Bakterien

33

Tabelle 2.2

Beispiele der Bakterien−Nomenklatur

Laborblatt Staphylokokken

Familie

Enterobacteriaceae Micrococcaceae

GRAM

positive Haufenkokken

Gattung (Genus)

Escherichia

Staphylococcus

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

Art (Spezies)

E. coli

S. aureus

Kapsel

Varietät z. B. Serovar z. B. Pathovar

O157 EHEC

Schleimproduktion bei Koagulase−negativen Staphylokokken (keine wirkliche Kapsel) R Biofilm

Kultur

Hämolyse = Koagulase−positive Staphylococ− cus aureus keine Hämolyse = Koagulase−negative Sta− phylokokken, KNS

Katalase

positiv

Oxidase

negativ

nachfolgende Beschreibung der Systematik der Bakterien ist, berücksichtigt die Morphologie (Kok− ken/Stäbchen), das Gramverhalten sowie die Art des Stoffwechsels (fakultativ anaerob, aerob, mikro− aerophil, anaerob). Die in Abb. 2.6 in fett hervorgehobenen Gattungen

Beweglichkeit unbeweglich Bemerkungen anspruchslose Keime, hohe Salzresistenz (6,5 % NaCl) Diagnostik

Kultur, ggf. Serologie

verursachen eine Vielzahl unterschiedlicher Erkran− kungen. In diesem Kapitel werden die verschiede− nen humanpathogenen Bakterien sortiert nach Gat− tungen systematisch vorgestellt. Die von den einzelnen Spezies verursachten Krankheitsbilder werden ausführlich in den infektiologisch ausge− richteten Kapiteln dieses Lehrbuchs behandelt.

2.4.1 Grampositive Kokken Staphylokokken Staphylokokken sind grampositive Haufenkokken (Abb. 2.7), die erstmals 1884 von Robert Koch be−

schrieben wurden. MERKE

Staphylokokken werden in Koagulase−positive (S. aureus) und −negative Spezies (z. B. S. epidermi− dis, S. saprophyticus) unterteilt.

möglich (nosokomiale Infektion); dabei handelt es sich dann jedoch um eine exogene Infektion. Schon hier sei auf den Methicillin−resistenten S. aureus (MRSA, s. S.107) aufmerksam gemacht, der sich u. a. aufgrund seiner Antibiotikaresistenz weltweit in mehreren klonalen Linien stark ausbreitet (= epide− miologische Virulenz) und insbesondere im stationä− ren Bereich zu nosokomialen Infektionen führt. Weil die Staphylokokken Ursache für zahlreiche Er− krankungen sind, werden ihre Virulenzfaktoren und die Therapie ausnahmsweise in diesem Kapitel besprochen und nicht im infektiologischen Buchteil bei den jeweiligen Erkrankungen. Virulenzfaktoren y Im Gegensatz zu den meisten anderen Staphylokokken−Arten exprimiert S. aureus eine Reihe von Virulenzfaktoren (Tab. 2.3), die ent− weder in der Zellwand lokalisiert sind oder in die Umgebung sezerniert werden:

Koagulase−positive Staphylokokken (S. aureus)

Zelluläre Virulenzfaktoren:

Die Nasenvorhöfe von ca. 30 % aller gesunden Men− schen sind mit S. aureus besiedelt. Besonders emp− fänglich für eine – meist endogene – Infektion sind

Protein A vermittelt einen antiphagozytären Ef− fekt, indem es den Fc−Teil von Immunglobulinen belegt und dadurch die Bindung dieser an den

Wundbereiche, Ekzeme, Ulcus cruris und Dekubital−

Fc−Rezeptor der Makrophagen verhindert. Da−

ulzera. Dabei besitzt S. aureus eine hohe Umweltresi−

durch findet keine Phagozytose opsonierter Er−

stenz und ist unempfindlich gegen Austrocknung.

reger statt.

Der Erreger kann 60 8C mindestens 30 Minuten über−

Der Clumpingfaktor erfüllt eine ähnliche Aufgabe

leben und übersteht die Magenpassage. Aus diesem

wie die Koagulase (s. u.): Er bewirkt die Bindung

Grund ist eine leichte Ausbreitung im Krankenhaus

von S. aureus an Fibrinogen, das sich besonders in

auch über die Hände des Krankenhauspersonals

verletztem Gewebe, auf Implantaten und Kathe−

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Systematik der Bakterien

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2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.7

Systematik der Bakterien

35

Grampräparat von Eiter mit Staphylococcus aureus

tern befindet. Die dadurch induzierte Aktivierung

Bildung des Staphthrombins kommt, das letzt−

von Fibrinmonomeren führt letztendlich – zu−

endlich die Bildung von Fibrin aus Fibrinogen

sammen mit der Koagulase – zur Bildung des

induziert. Zusammen mit dem Clumpingfaktor kann so ein Fibrinschutzwall gebildet werden. Er

Fibrinschutzwalls, der einen Abszess umgibt. Sezernierte Virulenzfaktoren:

ist für Antikörper und Komponenten der zellulä−

Die Plasmakoagulase (PK) ist einer der wichtigs−

ren

ten Virulenzfaktoren von S. aureus und wird des−

und scheint für die erste ungestörte Vermehrung

Immunabwehr

nahezu

undurchdringlich

halb auch im Labor diagnostisch für die Diffe− renzierung der Staphylokokken eingesetzt: PK +

des Erregers an der Eintrittspforte notwendig zu sein. Meistens stellen Mikrotraumen in der Haut

Prothrombin R Staphthrombin. Die Plasmakoa−

die Eintrittspforte für Staphylokokken dar, daher

gulase bindet an Prothrombin, wodurch es zur

finden sich Staphylokokken−Abszesse meistens in der Haut (s. auch S. 281). Für die Ausbreitung des Erregers im menschli− chen Organismus muss es jedoch auch eine Möglichkeit geben, die Abszesswand wieder durchgängig zu machen. Für diese Aufgabe kann S. aureus das Enzym Staphylokinase bilden, das Fibrinlysin−Aktivität besitzt und dadurch den Fibrinschutzwall zerstört. Die weitere Ausbrei− tung im infizierten Organismus wird durch Hya− luronidase und DNAse ermöglicht. Darüber hinaus bildet S. aureus eine ganze Reihe von Toxinen:

Abb. 2.8

Kultur von Staphylococcus aureus

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36

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Tabelle 2.3

Virulenzfaktoren von Staphylococcus aureus Virulenzfaktoren in der Zellwand Protein A

Verhinderung der Phagozytose

Clumpingfaktor

Aktivierung von Fibrinmonomeren R Bildung eines Fibrinschutzwalls

Sezernierte Virulenzfaktoren Plasmakoagulase

Bildung von Fibrin aus Fibrinogen R Bildung eines Fibrinschutzwalls

Staphylokinase (Fibrino− Zerstörung des Fibrinschutzwalls R Ausbreitung im Organismus lysin) Hyaluronidase

Auflösung interzellulärer Kittsubstanzen R Gewebeinvasivitität

DNAse

R Gewebeinvasivitität

Hämolysine (a*, b, g, d) Zerstörung von Erythrozyten und Phagozyten R Gewebsschädigung, Dermonekrose Exfoliatintoxine A, B

Epidermolyse = Spaltbildung zwischen Stratum spinosum und Stratum granulosum R Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS)

Toxin−1 (TSST−1)

Superantigen R Aktivierung von Makrophagen, Produktion von Zytokinen (TNF−a), toxisches Schock− syndrom

Enterotoxine A, B, C1−3, Superantigene R Lebensmittelvergiftung, Schock D, E * starke Immunogenität R Bildung von diagnostisch wichtigen Antikörpern: Antistaphylolysin

O Dazu gehören u. a. vier verschiedene Hämoly−

O Als weitere lebensbedrohliche Staphylokok−

sine, die Erythrozyten und Phagozyten zerstö−

kenerkrankung ist das durch das Toxin−1

ren können und u. a. für die Entstehung einer

(TSST−1) bedingte toxische Schocksyndrom zu

Dermonekrose verantwortlich gemacht wer−

nennen. Dieses Toxin kommt bei ca. 1 % aller S.−

den. Die hämolytische Aktivität auf Blutagar

aureus−Stämme vor und bewirkt als Superanti−

wird als erstes differenzialdiagnostisches Un−

gen die MHC−unabhangige Aktivierung von T−

terscheidungsmerkmal zwischen S. aureus und

Zellen, die anschließend die unkontrollierte Zy−

Koagulase−negativen Staphylokokken (KNS) bewertet. Das a−Hämolysin wird auch als Sta− phylolysin bezeichnet und ist immunogen (R

tokinfreisetzung (vor allem von TNF−a) aus Makrophagen induzieren und damit eine Schocksymptomatik hervorrufen.

diagnostische Verwendung in der Serologie). O Exfoliatintoxine kommen nur bei ca. 5 % aller S.−

EXKURS

aureus−Stämme vor und bewirken eine Epider−

Superantigene

molyse zwischen Stratum spinosum und Stra−

Superantigene, wie z. B. Toxin−1 (TSST−1), führen zu

tum granulosum. Die aus der Exfoliatintoxin−

einer gefährlichen Aktivierung von T−Zellen ohne eine

Wirkung resultierende Epidermolyse wird als Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS,

vorausgehende Antigenpräsentation über MHC−Mole−

s. S. 280) oder Staphylokokken−bedingtes Lyell− Syndrom bezeichnet und ist klinisch nicht leicht vom Arzneimittelexanthem zu unter− scheiden. Gegebenenfalls ist eine histologische

küle. Superantigene sind in der Lage, MHC−Moleküle (ohne Antigen) mit dem T−Zell−Rezeptor zu vernet− zen. Dies führt zur polyklonalen T−Zell−Aktivierung, was wiederum zur Aktivierung von Makrophagen und zur unkontrollierten Zytokinfreisetzung führt.

Untersuchung der betreffenden Hautareale zur Differenzierung notwendig. Das SSSS imponiert durch blasenartige Abhebung ganzer Haut− areale und stellt eine lebensbedrohliche Kom− plikation einer Staphylokokkeninfektion dar.

O Enterotoxine sind ebenfalls Superantigene und werden von ca. 5 % aller S.−aureus− Stämme gebildet. Durch unsaubere Handhy−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

giene können sie bei der Zubereitung eines

gesetzt werden. Doch die Bakterien haben gelernt

Lebensmittels (vor allem Milch−, Ei− und Schweinefleischprodukte, z. B. Hackfleisch)

und einen weiteren Resistenzmechanismus entwi−

während der bakteriellen Vermehrung bereits

linbindeproteins sind mittlerweile ca. 15 % aller S.−

im Lebensmittel produziert werden (= präfor−

aureus−Stämme in Deutschland resistent gegen

miertes Toxin) und aufgrund ihrer Hitzestabi−

Methicillin (MRSA). In diesen Fällen sollte in

lität leicht eine Lebensmittelvergiftung her−

Abhängigkeit vom Antibiogramm vorgegangen wer−

vorrufen. Klinik y Die durch S. aureus hervorgerufenen Erkran−

den: Oft wirken hierbei Clindamycin, Rifampicin, Fosfomycin, Fusidinsäure sowie das neuere Line−

kungen können grob in invasive und toxinbedingte

zolid. Um die Entwicklung Vancomycin−resistenter

Krankheiten eingeteilt werden. Bei folgenden inva− siven Erkrankungen findet man S. aureus:

Enterokokken zu verhindern, sollten Vancomycin oder Teicoplanin nur als Reserve eingesetzt werden.

Abszess/Furunkel (bis 100 %, s. S. 300),

Eine eventuelle Schocksymptomatik sollte sympto−

Wundinfektionen (70–80 %),

matisch u. a. durch Kortikosteroide therapiert wer−

Osteomyelitis (50–60 %, s. S. 300),

den. Aufgrund seiner starken Fähigkeit die bakteri−

Gefäßprotheseninfektionen (15–40 %), Impetigo contagiosa (20 %),

elle Proteinsynthese und damit die weitere Produktion bakterieller Toxine zu hemmen, kann

Pneumonie (10 %),

Clindamycin zur Durchbrechung der Schocksymp−

Sepsis/Endokarditis (30 %).

tomatik eingesetzt werden. Darüber hinaus hat

MERKE

37

ckelt: Durch Expression eines veränderten Penicil−

Clindamycin aufgrund seiner sehr guten Gewebspe− netrationsfähigkeit generell einen wichtigen Stel−

S. aureus ist der klassische Eiter− und Abszesserre− ger, er findet sich in nahezu jedem Abszess.

lenwert bei Staphylokokken−bedingten Haut− und

Darüber hinaus spielt S. aureus aufgrund seines na−

Im Gegensatz zu S. aureus exprimieren die Koagu−

türlichen Vorkommens auf intakter Haut eine

lase−negativen Staphylokokken keinen der bisher

wichtige Rolle bei Wundinfektionen. Meist durch

genannten Virulenzfaktoren und sind aus diesem

systemische Ausbreitung bedingt, stellt er schließ− lich vor Mycobacterium tuberculosis den wichtigs−

Grund in der Regel als wenig pathogen einzustufen. Es handelt sich um Kommensalen von Haut und

ten Erreger einer Osteomyelitis in Europa dar (in

Schleimhaut, deren wichtigster Vertreter S. epidermi−

Ländern des Südens häufig Salmonella Typhi!). Au− ßerdem können S. aureus toxische Reaktionen aus−

dis ist. Darüber hinaus seien noch S. haemolyticus, S. captitis, S. hominis und S. saprophyticus erwähnt.

lösen wie

Klinik y S. saprophyticus wird nicht selten als Erreger

Weichteilinfektionen.

Koagulase−negative Staphylokokken (KNS)

das Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS),

einer Harnwegsinfektion vor allem bei sexuell

das toxische Schocksyndrom (TSS) und

aktiven jungen Frauen gefunden, weswegen diese

die Lebensmittelvergiftung.

Erkrankung auch als Honeymoon−Zystitis bezeichnet

Therapie y Eine reine Antibiotikatherapie eines durch

wird (s. S. 308).

S. aureus bedingten Abszesses ist meistens wenig erfolgreich, sondern muss durch Abszessspaltung bzw. operative Sanierung ergänzt werden. In vielen

EXKURS

Plastikadhärenz von S. epidermidis

Fällen kann eine Therapie mit ß−Laktamantibiotika

Obwohl S. epidermidis die genannten Virulenzfaktoren

(Penicilline, Cephalosporine) – ggf. in Kombination

fehlen, spielt er doch unter bestimmten Bedingungen eine

mit Aminoglykosiden – erfolgreich sein. Mehr als 80 % aller Stämme bilden jedoch b−Laktamasen

wichtige Rolle als Krankheitserreger: Die so genannte Plastikadhärenz ermöglicht es ihm, in Form von

(bzw. Penicillinasen), so dass seit vielen Jahren

Mikrokolonien einen Biofilm durch Schleimproduktion zu

vermehrt das b−Laktamase−stabile Methicillin bzw.

bilden und darin an Plastikmaterialien (z. B. venöse

jetzt Oxacillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin ein−

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38

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie Diagnostik von Staphylokokken Der kulturelle Nachweis von Staphylokokken stellt in der Regel kein Problem dar (Abb. 2.8). Im Gegen− satz zu Streptokokken sind alle Staphylokokken Ka− talase−positiv. Das Vorhandensein einer Hämolyse auf Blutagar und die typische goldgelbe Koloniefar− be sind ein erster – jedoch nicht beweisender – Hinweis für das Vorliegen von S. aureus.

Praxistipp

Abb. 2.9 Koagulasetest zur Differenzierung von Staphylokok− ken. Nach Einreiben von Staphylokokken in Citratplasma kommt es bei S. epidermidis zur milchigen Verteilung (links), während S. aureus zur Verklumpung (rechts) führt.

Um S. aureus sicher von Koagulase−negati− ven Staphylokokken unterscheiden zu können, ist der Nachweis der Koagulase im Röhrchentest oder der Nachweis des Clum− pingfaktors in der Objektträgeragglutina− tion (Abb. 2.9) notwendig. In beiden Fällen wird eine Kolonie der verdächtigen

Katheter, künstliche Herzklappen) zu adhärieren. Da diese Mikrokolonien durch die Biofilmbildung vor dem

Bakterien in Citratplasma gegeben und das Vorhan−

Zugriff durch Antibiotika und vor der körpereigenen

eine Art Gelatinierung im Röhrchen (Plasmakoagu−

Abwehr geschützt sind, bleibt bei der Kathetersepsis

lase positiv) oder Verklumpung auf dem Objektträ−

therapeutisch oft nur die Entfernung des kolonisierten Plastikmaterials übrig.

ger (Clumpingfaktor) sichtbar gemacht. Infektionen, die entweder kulturell wegen vorbe−

densein des entsprechenden Virulenzfaktors durch

stehender Antibiose nur schwer oder gar nicht nachweisbar sind oder bei denen eine Materialab− Therapie y Aufgrund der meistens stark ausgepräg−

nahme am Ort der Infektion schwierig ist (z. B.

ten Resistenzsituation bei Koagulase−negativen Sta− phylokokken sollten diese, wie auch die S. sapro−

Osteomyelitis) können u. U. serologisch durch den Nachweis von Antikörpern gegen Staphylolysin (a−

phyticus bedingte Honeymoon−Cystitis, nach Anti−

Hämolysin) nachgewiesen werden.

biogramm therapiert werden.

Abb. 2.10

Grampräparat von Streptokokken.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

39

Tabelle 2.4

Laborblatt Streptokokken und Enterokokken GRAM

positive Kettenkokken (Pneumokokken = Diplokokken)

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

Kapsel

nur GBS und Pneumokokken

Kultur

unterschiedliche Hämolyse (a, b, g)

Katalase

negativ

Oxidase

negativ

Beweglichkeit

unbeweglich

Bemerkungen

anspruchsvolle Keime (378C, 5 % CO2), au− ßer Enterokokken (breites Temperaturspek− trum, hohe Salzresistenz [6,5 % NaCl])

Diagnostik

Latexagglutination nach Lancefield (außer Pneumokokken) Schnellnachweis aus Liquor und Blut durch Agglutination (bei GBS, Pneumokokken) bei GAS−Folgeerkrankungen: Serologie

grünend, z. B. Pneumokokken, Viridans−Streptokokken; b = hämolysierend, z. B. S. pyogenes (GAS), S. agalacticae (GBS); g = nicht− hämolysierend, z. B. Enterokokken.

Streptokokken und Enterokokken Streptokokken wurden erstmals 1874 von Paul Ehr−

Bei der b−Hämolyse kommt es zum vollständi−

lich und Theodor Billroth beschrieben. Es handelt

gen Abbau des Hämoglobins zu Bilirubin, so

sich dabei um grampositive Kettenkokken, die im mikroskopischen Bild gramlabil erscheinen können

dass ein durchscheinender Hof um die Kolonien herum entsteht.

(Abb. 2.10).

Der Begriff g−Hämolyse ist eigentlich irrefüh−

Sie werden entsprechend ihrem Hämolyseverhalten

rend, da er das Fehlen jeglicher Hämolyse be−

auf Hammelblutagar in a−, b− und g−hämolysieren− de Arten eingeteilt (Hugo Schottmüller, 1903). Die a−hämolysierenden Arten können das im

zeichnet. Die Streptokokken werden auch entsprechend ihrer C−Substanz (s. u.) in alphabetisch bezeichnete

Agar befindliche Hämoglobin nur partiell zu ei−

Gruppen eingeteilt (Lancefield−Schema). In Tab. 2.5

nem biliverdinähnlichen Produkt abbauen, was zur vergrünenden Hämolyse führt (Abb. 2.11).

sind die humanmedizinisch wichtigsten Arten auf− geführt. Da die Streptokokken für die Entstehung zahlrei− cher Erkrankungen verantwortlich sind, werden auch für diese Erreger die Virulenzfaktoren ge− meinsam hier im Systematikkapitel abgehandelt.

b−hämolysierende Streptokokken Virulenzfaktoren y

Vor

allem

b−hämolysierende

Streptokokken bilden eine Reihe von Virulenzfakto− ren, die entweder in der Zellwand lokalisiert sind oder in die Umgebung sezerniert werden (Tab. 2.6). Ein Teil dieser Faktoren ist antigen wirksam und induziert eine starke Immunantwort im infizierten Patienten. Die dabei gebildeten Antikörper dienen daher als serologisches Diagnostikum – vor allem Abb. 2.11

Hämolyseverhalten von Streptokokken: a = ver−

bei Folgeerkrankungen.

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40

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Tabelle 2.5

Einteilung der Streptokokken Erreger

Erkrankungen

Streptococcus pyogenes = b−hämolysierende Streptokokken der Angina lacunaris, Scharlach (S. 233) serologischen Gruppe A (Gruppe−A−Streptokokken, GAS) Sinusitis, Otitis media (S. 358) Impetigo contagiosa, Erysipel, Phlegmone (S. 280) Fasciitis necroticans, Fournier−Gangrän (S. 313) Streptococcal toxic shock syndrom (STSS) Puerperalsepsis (S. ) Folgeerkrankungen: akute Glomerulonephritis und akutes rheumatisches Fieber (S. 235) Streptococcus agalactiae = b−hämolysierende B−Streptokokken (GBS)

Infektion des Neugeborenen Sepsis, Meningitis Harnwegsinfekt, Wundinfekt

Streptococcus bovis = Gruppe−D−Streptokokken (GDS)

Endokarditis (nach Kolonkarzinom fahnden!)

Enterokokken = a−,b− oder g−hämolysierende Streptokokken der serologischen Gruppe D (GDS)

Harnwegsinfekt, (Uro−)Sepsis Endokarditis Peritonitis, Cholezystitis Wundinfekt

Eine Einteilung mithilfe des Lancefield−Schemas ist nicht möglich für die folgenden Streptokokken: Streptococcus pneumoniae = a−hämolysierende Streptokokken (Lobär−)Pneumonie Sepsis, Meningitis Sinusitis, Otitis media Konjunktivitis, Ulcus serpens corneae Viridans−Streptokokken = a−hämolysierende Streptokokken

Karies Endokarditis lenta

Tabelle 2.6

Virulenzfaktoren von b−hämolysierenden Streptokokken Virulenzfaktoren in der Zellwand C−Substanz

Gruppen−Polysaccharid, speziesspezifisch, antigenwirksam

M−Protein

antiphagozytär, bei A−(C−,G−)Streptokokken, Kreuzreaktion mit Herzmuskelgewebe

F−Protein

Adhäsin (Anheftung an Rachenepithel)

Kapselpolysaccharide

antiphagozytär, bei B−Streptokokken und Pneumokokken

Sezernierte Virulenzfaktoren Hämolysine

Streptolysin O* und Streptolysin S Rzelltoxisch

Hyaluronidase*

Gewebeinvasivität

DNAse*

Gewebeinvasivität

Streptokinase (Fibrinolysin)

Gewebeinvasivität

erythrogene Toxine (Spe−A, −B, −C)**

Superantigene, Scharlachexanthem

* starke Immunogenität R Bildung von diagnostisch wichtigen Antikörpern: ASL−O, AHy, ADN ** Spe = streptococcal pyrogenic exotoxin

Zelluläre Virulenzfaktoren:

Substanz ist ein Polysaccharid (kein Protein!),

Der zellwandständigen C−Substanz kommt eine

gegen das sich Antikörper richten können. Re−

überragende Rolle vor allem für die Diagnostik

becca Lancefield (1895–1981) konnte zeigen,

b−hämolysierender Streptokokken zu: Die C−

dass solche gegen die C−Substanz gerichteten

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

41

Antikörper geeignet sind, die Streptokokken mit− hilfe der Latexagglutination (Abb. 2.12 u. s. S. 88)

Praxistipp

in so genannte Lancefieldgruppen (A–T) einzu−

Bei S. pyogenes sind zurzeit der Kapseltyp III und V in Deutschland am häufigsten, bei Pneumokokken der Serotyp 14.

teilen.

AUSNAHMEN

Die C−Substanz der serologischen Gruppe D ist kein Polysaccharid, sondern eine nicht−zell− wandgebundene Teichonsäure. Pneumokokken lassen sich nicht nach Lance− field einordnen. Vom M−Protein existieren mehr als 90 Typen, die eine weitere Unterteilung von A−Streptokok− ken ermöglichen. Dieses Protein wirkt durch Hemmung der alternativen Komplementaktivie− rung der Phagozytose entgegen. Außerdem zeigt

EXKURS

Kapselnachweis Die Kapsel von Bakterien ist grundsätzlich als wichti− ger Virulenzfaktor anzusehen, da sie die Phagozytose – einen wichtigen Aspekt der natürlichen Immunab− wehr – verhindert. Der Nachweis einer Kapsel gelingt leicht, indem man eine Öse mit Bakterien mit einer Tintenlösung vermischt und anschließend unter dem Mikroskop betrachtet: Da die Tintenpartikel die Kapsel nicht anfärben, kommt es zu einer Hofbildung um die Bakterien herum (Abb. 2.13).

es eine Kreuzreaktivität mit Epitopen des Herz− muskelgewebes, so dass es bei einigen Patienten ca. 18 Tage nach akuter Infektion mit Gruppe−A−, seltener mit Gruppe−C− oder −G−Streptokokken zur Pankarditis (Endo−, Myo− und Perikarditis) kommen kann. Das F−Protein vermittelt als wichtiges Adhäsin die Anheftung an das Rachenepithel, was die häufige Assoziation von b−hämolysierenden Streptokokken mit Infektionen im HNO−Bereich erklärt. Sowohl b−hämolysierende Streptokokken der se− rologischen Gruppe B (S. agalactiae) als auch die a−hämolysierenden Pneumokokken (S. pneumo−

Abb. 2.13 färbung

Nachweis bakterieller Kapseln durch die Tusche−

niae) können von einer Polysaccharidkapsel um− geben sein.

Sezernierte Virulenzfaktoren: Zusätzlich zu den zel− lulären Virulenzfaktoren exprimieren b−hämolysie− rende Streptokokken eine Reihe von sezernierten Virulenzfaktoren. Wie bei allen hämolysierenden Bakterien sind die Hämolysine auch bei b−hämolysierenden Streptokokken für die Pathogenese der Erkran− kung von Bedeutung: Wir unterscheiden Strep− tolysin O und Streptolysin S, die beide zelltoxi− sche Eigenschaften durch Zellmembranen aufweisen.

Zerstörung

von

Die Invasivität in das Gewebe wird durch die Enzyme Hyaluronidase, DNAsen (z. B. Strepto− Abb. 2.12 Positive Reaktion für Streptococcus agalactiae (B−Streptokokken) in der Latexagglutination

dornase) und die Streptokinase vermittelt.

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42

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

EXKURS

EXKURS

Streptokinase

Komplikationen und Folgeerkrankungen

Die Streptokinase ist ein Fibrinolysin. Es wandelt

bei S.−pyogenes−Infektion

Plasminogen in Plasmin um und aktiviert so die

Eine seltene, jedoch lebensbedrohliche Komplikation

Fibrinolyse. In rekombinanter Form wird Streptokinase

stellt die Fasciitis necroticans dar, bei der es innerhalb

therapeutisch bei thrombotischen Erkrankungen (z. B. Beinvenenthrombose) eingesetzt.

der Begrenzung von Muskelfaszien zur rasanten Nek− rose des Weichteilgewebes kommen kann. Sie ist häufig mit dem Streptococcal toxic shock syndrom (STSS) assoziiert. Innerhalb dieses Komplexes muss die Four−

Praxistipp Streptolysin O, Hyaluronidase und Desoxyri− bonukleasen (DNAsen) weisen eine starke Immunogenität auf, so dass sich bei Patien− ten mit GAS−Infektion hohe Antikörpertiter (Anti−Streptolysin−O = ASL−O, Anti−Hyaluro− nidase = AHy und Anti−DNAse = ADN) nach− weisen lassen, die vor allem für die Diag− nose von Folgeerkrankungen (rheumati− sches Fieber, Glomerulonephritis) genutzt werden.

nier−Gangrän (Gangrän der Urogenitalregion, s. S. 313) als Sonderform genannt werden. Größere Wichtigkeit als die infektiösen Komplikationen haben die nicht−eitrigen Folgekrankheiten, die nur nach A−Streptokokkeninfektionen vorkommen. Hierbei handelt es sich um das akute rheumatische Fieber, die akute Glomerulonephritis und die selten auftretende Chorea minor (Hypotonie der Muskulatur mit Hyperki− nesen).

Klinik von Infektionen mit Streptococcus agalactiae (GBS) y Diese b−hämolysierenden Streptokokken

S. pyogenes kann drei phagenkodierte erythrogene

werden auch als Gruppe−B−Streptokokken (GBS)

Toxine (SPE−A, −B, −C) bilden, die als Superantigene wirken und zum Scharlachexanthem und −enan−

bezeichnet und haben neben dem Menschen auch

them sowie zum toxischen Schocksyndrom (TSS)

Euterinfektionen von Kühen auch von B−Streptokok− ken verursacht werden.

führen. Eine dauerhafte Immunität bildet sich da−

ein tierisches Reservoir: So können beispielsweise

Klinik von Infektionen mit Streptococcus pyogenes

Die urovaginale Besiedlung/Infektion schwangerer Frauen kann zur Infektion des Neugeborenen füh−

(GAS) y Streptokokkeninfektionen des Rachenringes

ren. Man unterscheidet zwischen Early−onset− und

gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten.

Late−onset−Infektionen (s. S. 334). Infektionen mit

bei jedoch nur gegen das jeweilige Toxin aus.

B−Streptokokken kommen ansonsten vor allem bei MERKE

Patienten mit Diabetes mellitus vor, bei denen sie

Der typische Erreger der Angina lacunaris und des Scharlachs ist S. pyogenes, dessen einziger natürli− cher Wirt der Mensch ist. Aber auch andere Strep− tokokken (z. B. der serologischen Gruppen C und G) rufen zuweilen Pharyngitiden hervor.

zwar ebenfalls zur Sepsis und Meningitis führen können, häufiger sind jedoch Harnwegs− und Wundinfekte. Klinik von Infektionen mit anderen Streptokokken y C−, F− und G−Streptokokken können vor allem im Mund− und Zahnbereich eitrige Prozesse auslösen. Peptostreptokokken sind obligat anaerob und ge−

S. pyogenes ist außerdem für ca. 60 % aller Pyoder−

hören zur normalen Schleimhaut− und Darmflora.

mien, v. a. Impetigo contagiosa, verantwortlich.

Werden sie in andere Regionen verschleppt, kann es

Wichtige klinische Bilder stellen das Erysipel und

zu entsprechenden Infektionen (z. B. Wundinfektio−

die Phlegmone dar. Im Zusammenhang mit A− Streptokokken sei auch auf die Puerperalsepsis

nen) kommen. Diagnostik y Der Erregernachweis gelingt aus dem

bzw. das Puerperalfieber (Kindbettfieber) hinge−

vermuteten Infektionsherd, wie z. B. Rachen− (GAS)

wiesen.

oder Vaginalabstrichen sowie Abstrichen von Neu− geborenen, Blutkulturen, Liquor, Urin u. a. (GBS).

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

Der kulturelle Nachweis von Streptokokken sollte

Streptolysin O. Der Antikörpertiter ist besonders

stets auf bluthaltigen Nährböden erfolgen, um zu− nächst das Hämolyseverhalten zu bestimmen. Bei

hoch bei den nicht−eitrigen Folgeerkrankungen,

b−hämolysierenden Streptokokken wird anschlie−

merulonephritis. Ein Titeranstieg um mehr als 2

ßend die Spezies (= serologische Gruppe) mithilfe

Stufen gilt als signifikant. Stehen nur Einzelse−

spezifischer Antiseren gegen die C−Substanz bzw.

ren zur Verfügung, werden ASL−Titer 200 IE (bei

Antikörper−beladenen Latexpartikeln (Lancefield−

Kindern 150 IE) als positiv bewertet.

Schema) oder durch biochemische Differenzierung bestimmt.

Die Sensitivität der ASL−Reaktion beträgt 80 %. Sie ist jedoch nicht spezifisch für S. pyogenes, da

Neben dem mikroskopischen Gram−Präparat steht

Streptolysin−O auch von C− und G−Streptokokken

als Schnellmethode für die wichtigsten Meningitis− Erreger (Pneumokokken, Meningokokken, Haemo−

gebildet wird. Prinzip der Reaktion: Streptolysin ist in der Lage,

philus, B−Streptokokken, E. coli) ein Antigennach−

komplementunabhängig Erythrozyten zu lysie−

weis mit Antikörper−beladenen Latexpartikeln zur

ren. Im Test wird eine Verdünnungsreihe des Pa−

Verfügung. Ist Antigen im Liquor (und ggf. anderen

tientenserums hergestellt und mit einer kon−

Körperflüssigkeiten, wie z. B. Blut) vorhanden, kommt es zu einer gut sichtbaren Agglutinationsre−

stanten Menge Streptolysin inkubiert. Wenn Antikörper gegen Streptolysin im Patientenser−

aktion mit den Latexpartikeln. Der Test hat jedoch

um vorhanden sind, inaktivieren bzw. neutrali−

im negativen Falle keinen ausschließenden Wert!

sieren sie das Streptolysin. Anschließend werden

Zusätzliche diagnostische Hinweise bei Verdacht auf Infektionen mit A−Streptokokken (S. pyogenes)

Kaninchenerythrozyten zugegeben und nach weiterer Inkubation festgestellt, bis zu welcher

gibt die Bestimmung des Antikörpertiters im Pa−

Verdünnungsstufe das Patientenserum die Hä−

tientenserum gegen Exoenzyme der Streptokokken,

molyse der Erythrozyten hemmt. Der ASL−Titer

die beim Erysipel und den nicht−eitrigen Folge− krankheiten unabdingbar für die Diagnose ist. Als

wird aufgrund einer Standardisierung der Me− thode in internationalen Einheiten (Rezipro−

diagnostisch verwertbar haben sich vor allem Anti−

kwert des Titers) angegeben.

körperbestimmungen gegen Streptolysin O (Anti−

Da ein Teil der Streptokokkeninfektionen (vor al−

streptolysin−O−Reaktion) und Desoxyribonuklease B

lem Hautinfektionen) ASL−negativ bleibt, ist die

(Anti−DNAse−B−Test) erwiesen. Bei beiden Tests handelt es sich um Neutralisationsreaktionen. Jeder

alleinige ASL−Testung unzureichend. Es wird die gleichzeitige Bestimmung von Anti−Streptokok−

Mensch hat im Laufe seines Lebens vielfachen Kon−

ken−DNAse empfohlen.

takt mit Streptokokken und wird dadurch gezwun− gen, sich mit dem Erreger auseinander zu setzen.

Anti−DNAse−B−Test (ADN−B−Test): Der ADN−B−Ti− ter ist besonders dann erhöht, wenn eine Infek−

Man findet also auch beim Gesunden Antikörper

tion der Haut (Erysipel, Phlegmone, Pyodermie)

gegen Streptokokken (Basistiter“).

mit hämolysierenden Streptokokken der Gruppe

43

dem akuten rheumatischen Fieber und der Glo−

A durchgemacht wurde und/oder wenn eine akute Glomerulonephritis infolge einer solchen

Praxistipp

Infektion vorliegt. Der Grenzwert beträgt beim

Nur hohe Titer bzw. ein Titeranstieg weisen auf eine aktive oder kürzlich durchge− machte Streptokokkeninfektion hin.

Erwachsenen 200 IE, bei Kindern 150 IE. Prinzip der Reaktion: Das Enzym DNAse spaltet DNA. Sind Antikörper gegen dieses Enzym vor− handen, wird es inaktiviert. Um diese Reaktion

Durch folgende Reaktionen können Antikörper ge−

sichtbar zu machen, werden Patientenserumver−

gen Streptokokken nachgewiesen werden:

dünnungen mit der DNAse inkubiert. Anschlie−

Antistreptolysin−O−Reaktion (ASL−Reaktion): Die

ßend wird Toluidinblau−gekoppelte DNA als

meisten

hämolysierende

Substrat zugegeben. Wenn die DNA enzymatisch

Streptokokken der serologischen Gruppe A ver−

gespalten wird, fällt der Farbstoff flockig aus

ursachen die Bildung von Antikörpern gegen

und der Überstand entfärbt sich. Wenn jedoch

Infektionen

durch

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Antikörper die DNAse inaktiviert haben, kann sie ihr Substrat (DNA) nicht mehr umsetzen und die Lösung bleibt blau. Therapie y Zur Therapie von Infektionen mit S. pyo− genes (A−Streptokokken) oder S. agalactiae (B−Strep− tokokken) sind Penicilline vom Wirkungstyp des

MERKE

Unbekapselte Pneumokokkenstämme sind aviru− lent. Nur bekapselte Pneumokokken können sich der Phagozytose durch Makrophagen widersetzen und in das Gewebe eindringen.

Penicillin G immer noch Mittel der Wahl, da gegen diese bisher keine nennenswerte Resistenzentwick− lung beobachtet wurde. Als Alternative zu den

Neben der Kapsel werden weitere Virulenzfakto−

Penicillinen kommen Cephalosporine oder – z. B.

die eigentlich schützenden Immunglobuline der

bei Penicillinallergie – Makrolide oder Clindamycin (bei GAS) infrage, wenn sie sich bei der Testung des

Schleimhaut zerstört. Die Adhärenz an das Zielgewebe wird u. a. durch

Bakterienstammes als wirksam erwiesen haben.

eine Neuraminidase vermittelt.

ren exprimiert, wie z. B. eine IgA1−Protease, die

Das Pneumolysin zerstört Phagozyten und Zi−

Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) Pneumokokken sind a−hämolysierende Streptokok−

lien−tragende Epithelzellen im oberen Respira− tionstrakt.

ken und kommen bei Mensch und Tier vor. Sie im−

Zusammen ermöglichen die Virulenzfaktoren die

ponieren im Grampräparat als grampositive lan−

Umgehung der Immunabwehr und das Eindringen ins Gewebe. Klinik y Pneumokokken können sehr unterschied−

zettförmige Diplokokken (Abb. 2.14).

liche Krankheitsbilder hervorrufen wie z. B.: Konjunktivitis, Ulcus serpens corneae, Sinusitis, Otitis media, Lobärpneumonie (s. S. 248), Sepsis und Meningitis (s. S. 248). MERKE

Pneumokokken sind mit mehr als 30 % für die meisten der ambulant erworbenen Pneumonien verantwortlich. Abb. 2.14 ken

Grampräparat einer Blutkultur mit Pneumokok−

Obwohl die Lobärpneumonie häufig mit Pneumo− kokken assoziiert ist, lässt sich nur aufgrund des

Virulenzfaktoren y Die Kapsel stellt einen wichtigen Virulenzfaktor

klinisch−röntgenologischen Bildes keine Erreger−

dar; ihr Vorhandensein ist leicht durch ein Tu−

tes Sputum ein Hinweis auf eine Pneumokokken− Pneumonie sein.

schepräparat (s. o.) oder die Neufeld−Kapselquel−

diagnose stellen. Jedoch kann ein bräunlich tingier−

lungsreaktion (Quellung der Kapsel bei Zugabe spezifischer Antikörper) überprüfbar. Aufgrund

EXKURS

ihrer Kapsel lassen sich Pneumokokken in mehr als 90 Typen einteilen. Pneumokokken können

r Pneumokokkensepsis Risikopatienten fu Besonders Patienten mit fehlender Milz bzw. mangeln− der Milzfunktion, Immunsupprimierte sowie Patienten

u. U. auch beim Gesunden im Nasen−Rachen− Raum nachgewiesen werden, sie haben dann je− doch meistens keine Kapsel.

mit chronischen Atemwegserkrankungen und Patien− ten, die  alter als 60 Jahre alt sind, werden als

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

Risikopatienten fu r die Entwicklung einer Pneumokok−

Ein wichtiger Hinweis für das kulturelle Vorliegen

kensepsis angesehen. Sie sollten durch aktive Impfung geschu tzt werden: Die Vakzine ist gegen das Kapsel−

von Pneumokokken ist besonders dann gegeben,

45

wenn die Kolonien eine zentrale Delle aufweisen

polysaccharid der meisten Pneumokokken−Serotypen

(Abb. 2.15).

(23−valente Vakzine, die auch den in Deutschland

Die Delle kommt dadurch zustande, dass die Bakte−

ha ufigsten Serotyp 14 einschließt) gerichtet und muss

rien sich selbst durch Autolyse zerstören können

z. B. bei geplanter Milzentfernung vor der Operation

und dadurch das Zentrum ihrer Kolonie einfällt –

gegeben werden. Auch chronischer Alkoholabusus stellt einen Risikofaktor dar, da es hierbei zur

ähnlich wie eine Grabstätte beim Bruch des Sarg− deckels einfällt.

verminderten Phagozytoseaktivita t kommt.

Diagnostik y Der Erregernachweis gelingt aus dem vermuteten Infektionsherd, wie z. B. respirato− rischen Materialien, sowie Blut und Liquor.

Praxistipp Die Diagnose ist definitiv gestellt, wenn die Pneumokokken aus dem Blut des Patienten angezüchtet werden, denn es kommt bei der Pneumokokken−Pneumonie häufig zu einer Bakteriämie (Blutkulturen werden dem Patienten wegen des hohen Fiebers ohnehin abgenommen).

Praxistipp Die Autolyse von Bakterien, wie z. B. Pneu− mokokken, hat auch eine praktische Konse− quenz: Patientenmaterialien sollten stets so schnell wie möglich in das mikrobiologische Labor transportiert und dort verarbeitet werden! Im Labor lassen sich Pneumokokken mithilfe des Optochin−Tests leicht nachweisen (Abb. 2.16). Dabei wird ein Optochin−haltiges Plättchen auf eine ver− dächtige Kultur gelegt. Da Pneumokokken empfind− lich gegenüber Optochin sind, bleibt ein bakteriel− les Wachstum in der Umgebung des Optochin−

Auch der Nachweis aus der Bronchiallavage hat ei−

Plättchens aus und es entsteht ein Hemmhof.

nen hohen diagnostischen Wert, während bei Spu−

Die Gallelöslichkeit ist eine weitere Möglichkeit,

tumproben die Bakterienanzahl mit in die Beurtei−

Pneumokokken schnell nachzuweisen: das Aufträu−

lung eingehen muss. Pneumokokken wachsen auf Blutagar mit Vergrü−

feln von Galleflüssigkeit auf Pneumokokken führt zu deren Lyse innerhalb von ca. 30 min bei 37 8C.

nung und zeigen eine glatte, oft schleimige Ober−

Therapie y Für die Therapie der Pneumokokken−

fläche, die durch ihren Hauptvirulenzfaktor, die Schleimkapsel, zustande kommt.

Pneumonie steht an erster Stelle Penicillin G zur

Abb. 2.15 Pneumokokkenkolonien mit typischer zentraler Delle (nach Hof/Dörries, Duale Reihe Medizinische Mikrobio− logie)

Abb. 2.16 Optochin−Test zum Nachweis von Pneumokok− ken: Hemmung des Wachstums durch Optochin.

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46

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Verfügung. Allerdings hat weltweit die Entwicklung Penicillin−resistenter Stämme begonnen (in Deutschland zeigen ca. 5 % aller Pneumokokken eine verminderte Empfindlichkeit für Penicillin), so dass dann auf Cephalosporine ausgewichen werden muss. Als Reserveantibiotikum kann ggf. auch Rifampicin oder ein neues Fluorchinolon eingesetzt werden. Gegen die im ambulanten Bereich häufig eingesetzten Makrolidantibiotika (z. B. Erythromy− cin) sind bereits mehr als 25 % aller in Deutschland isolierten Pneumokokken resistent. Die Resistenz− entwicklung der Pneumokokken in Europa gibt Anlass zu großer Sorge, da z. B. in Frankreich und in Spanien 40–50 % aller Pneumokokken Resisten−

Abb. 2.17

Kultur von Enterokokken mit a−Hämolyse

zen gegen Penicillin aufweisen; die Resistenzrate gegen Makrolide beträgt dort sogar schon über 50 %.

Am häufigsten sind jedoch Enterokokken, die keine

Viridans−Streptokokken“

Hämolyse (g−Hämolyse) zeigen. Unabhängig vom

Die in der Mundhöhle als Kommensalen vorkom−

Hämolyseverhalten exprimieren alle Enterokokken

menden vergrünenden Streptokokken werden als Viridans−Gruppe zusammengefasst. Sie bestehen

eine nicht−zellwandgebundene Teichonsäure, die als C−Substanz fungiert und eine Einordnung der

einerseits aus Arten, die mit der Kariesentstehung

Enterokokken in die serologische Gruppe D nach

in Zusammenhang gebracht werden (vor allem

Lancefield ermöglicht.

S. mutans und seltener S. sanguis) und andererseits

Enterokokken kommen natürlicherweise als Kom−

aus S. salivarius, S. mitis und der S.−milleri−Gruppe

mensalen im Intestinaltrakt (vor allem Kolon) des

(S. anginosus, S. constellatus und S. intermedius u. a.).

Menschen und von vielen Tieren vor und exprimie−

Die Viridans−Streptokokken“ exprimieren keine

ren nur wenige Virulenzfaktoren, wie z. B. eine Ag−

der bisher genannten Virulenzfaktoren, so dass die durch sie verursachten Krankheitsbilder eher einen langsamen Verlauf haben. So kann die iatrogene

gregationssubstanz, die ihnen die Adhäsion am Zielgewebe ermöglicht.

Einschleppung der Viridans−Streptokokken“ in die

MERKE

Blutbahn zur Endokarditis lenta (s. S. 269) führen.

Enterokokken können immer dann zu Infektionen führen, wenn sie aus dem Kolon in andere Regio− nen verschleppt werden.

Praxistipp Bei Eingriffen, die mit der Gefahr einer Viri− dans−Streptokokken−Einschleppung einher− gehen (z. B. Zahnextraktionen), wird daher eine Antibiotikaprophylaxe gegeben. Die durch Viridans−Streptokokken“ bedingte Endo− karditis wird mit einer Kombination aus Penicillin G und Gentamicin behandelt.

Enterokokken (Enterococcus faecalis und E. faecium) Enterokokken stellen die Chamäleone der Bakterien dar, denn sie können sowohl eine a− als auch eine b− oder g−Hämolyse aufweisen (Abb. 2.17).

Klinik y So kann es aufgrund der anatomischen Nähe von Anus und Harnröhre z. B. zunächst zur Kontamination

des

Urogenitalbereiches

und

schließlich zum Harnwegsinfekt kommen. Spielen Enterokokken im ambulanten Bereich nur eine untergeordnete Rolle, stellen sie im stationären Bereich zurzeit mehr als 20 % aller Erreger von Harnwegsinfektionen dar. Dabei wird E. faecalis bisher ca. 5–10−mal häufiger nachgewiesen als E. faecium. Bei stationären Patienten werden En− terokokken durch die im Krankenhaus verbreitete Gabe von Cephalosporinen heraus selektioniert, da

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2 Allgemeine Bakteriologie sie eine natürlichen Resistenz gegen diese b−

Tabelle 2.7

Laktamantibiotika aufweisen. Weitere Erkrankungen, die häufig auf eine Entero−

Laborblatt Neisserien

kokken−Infektion zurückgehen, sind:

GRAM

Urosepsis, Endokarditis, Peritonitis, Cholecystitis und Dekubitalulzera. Diagnostik y Insbesondere die Bewertung des Ente− rokokkennachweises (Kommensale oder Erreger?) in Materialien, die mit Haut− oder Schleimhautflora kontaminiert sein können, ist nicht immer einfach. Im Labor erfolgt der Nachweis von Enterokokken

Systematik der Bakterien

negative Diplokokken

O2−Toleranz

aerob

Kapsel

Meningokokken: meistens; Gonokokken: –

Kultur

anspruchsvolle Nährböden erforderlich

Katalase

positiv

Oxidase

positiv

Beweglichkeit

nein

Bemerkungen

anspruchsvolle Keime (378C, 5 % CO2), schneller Transport erforderlich

Diagnostik

– Mikroskopie – Kultur – Meiningokokken: zusätzlich Schnell− nachweis aus Liquor und Blut durch Ag− glutination

durch ihre Salzresistenz, mithilfe der Latexaggluti− nation (Gruppe D) und durch ihre biochemische Charakterisierung.

47

Therapie y Enterokokken sind stets resistent gegen Cephalosporine! Infektionen mit E. faecalis können

Moraxella catarrhalis kann Infektionen der Nasen−

gut mit Ampicillin, Amoxicillin oder Mezlozillin – ggf. plus Gentamicin (bei Endokarditis) – therapiert

nebenhöhlen (Sinusitis) verursachen; außerdem kann er zur Otitis media und zur Bronchitis führen.

werden. E. faecium ist oft resistenter und bedarf u. U.

Im mikroskopischen Präparat imponiert die Gat−

der Therapie mit Glykopeptiden, wie z. B. Vancomy−

tung Neisserien als semmelförmig gelagerte, gram−

cin oder Teicoplanin.

negative Diplokokken. Die apathogenen Neisserien− Arten sind als Kommensalen vor allem auf den

Streptococcus bovis Diese Streptokokken gehören ebenfalls zur serolo− gischen Gruppe D und kommen natürlicherweise als Kommensalen im Darm vor. Ein Kolonkarzinom scheint den bakteriellen Einbruch in die Blutbahn zu begünstigen.

Schleimhäuten des Nasen−Rachen−Bereichs zu fin− den. Die pathogenen Arten Neisseria meningitidis (Me− ningokokken) und N. gonorrhoeae (Gonokokken) befallen aufgrund ihrer spezifischen Adhäsine un− terschiedliche anatomische Regionen des menschli− chen Körpers.

Praxistipp Beim Nachweis von S. bovis im Blut – z. B. bei Patienten mit Endokarditis – sollte stets nach einem Malignom im Kolon gefahndet werden, da eine signifikante Korrelation zwischen einer Bakteriämie mit S. bovis und dem Kolonkarzinom besteht.

2.4.2 Gramnegative Kokken Neisseriaceae Die Familie der Neisseriaceae besteht aus den Gat− tungen Neisseria und Moraxella (beides Kokken) sowie Acinetobacter und Kingella (beides Kurzstäb− chen).

Meningokokken (N. meningitidis) Der Mensch ist der einzige Wirt von N. meningitidis (Meningokokken). Im mikroskopischen Präparat, z. B. Liquorsediment, sind Meningokokken im Ge− gensatz zu Gonokokken sowohl intra− als auch extrazellulär gelagert. Pathogene Meningokokken besitzen eine Polysaccharidkapsel, deren Antigen− struktur eine Einteilung in mehr als 10 Serotypen erlaubt. In unseren Breiten ist Serogruppe B häufig, während weltweit vor allem die Kapseltypen A und C (weniger B, Y und W−135) vorherrschen. Meningokokken rufen eine Allgemeininfektion her− vor, die sich nach einer sehr kurzen Inkubationszeit von nur wenigen Tagen stets als Bakteriämie mit daraus resultierender Meningitis manifestiert. Als

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48

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Komplikation der Infektion treten Schäden am Ge−

Tabelle 2.8

fäßendothel mit petechialen Hautblutungen sowie ein Endotoxinschock mit Verbrauchskoagulopathie

Laborblatt Bazillen

und einer Nekrose der Nebennierenrinden auf (Wa−

GRAM

terhouse−Friderichsen−Syndrom, s. S. 276). Bei Verdacht auf Meningitis wird ein direkter Erre− gernachweis aus Liquor und Blutkultur geführt. Da− für stehen im Labor die Mikroskopie, ein Antigen− nachweis mithilfe der Agglutinationsreaktion sowie die kulturelle Anzucht mit biochemischer Differen− zierung zur Verfügung.

Gonokokken (N. gonorrhoeae)

positive Stäbchen mit Sporen

O2−Toleranz

aerob/fakultativ anaerob

Kapsel

ja

Kultur

Blutagar, Selektivagar

Katalase

positiv

Oxidase

positiv

Beweglichkeit

unbeweglich

Bemerkungen



Diagnostik

S3−Labor bei B. anthracis! Mikroskopie Kultur PCR zur Artdifferenzierung! Serologie kommt beim Milzbrand i. d. R. zu spät!

Auch für N. gonorrhoeae ist der Mensch der einzige Wirt. N. gonorrhoeae verursacht die Gonorrhoe (Tripper, s. S. 320), eine der häufigsten Geschlechts− krankheiten in Deutschland. Gonokokken wurden 1879 erstmals von Albert Neisser beschrieben. Im mikroskopischen Direktpräparat, z. B. aus dem Ure− thralabstrich, kommen sie im Gegensatz zu Menin− gokokken nur intrazellulär vor.

die ubiquitär in der Umwelt vorkommen und für den Menschen gar nicht oder nur fakultativ patho− gen sind.

Die mikroskopische Verdachtsdiagnose der akuten

Bacillus anthracis

Gonorrhoe sollte auch bei klassischer klinischer

Bacillus

Manifestation möglichst immer durch kulturelle

(s. S. 365) und die einzige obligat humanpathogene

Anzucht auf Spezialmedien mit anschließender

Bazillen−Art. Der Milzbrand des Menschen ist eine

Identifizierung mittels biochemischer Reaktionen

Anthropozoonose, weil es nur durch den Kontakt

bestätigt werden. Bei extraurogenitaler Infektion

mit sporentragenden Tieren oder tierischen Pro−

(v. a. Arthritis) ist der Antikörpernachweis aus Se− rum diagnostisch oft wegweisend.

dukten zur Infektion kommen kann. Mikroskopisch zeigt sich das typische Bild eines Bambusstabs: Innerhalb einer Kapsel liegen mehre−

2.4.3 Grampositive Stäbchen Bazillen

re in Ketten gelagerte Stäbchen mit zentralen Spo−

Die Gattung Bacillus besteht aus plumpen grampo− sitiven Stäbchen, die aerob wachsen und unter schlechten Umweltbedingungen Sporen bilden kön− nen. Die Sporen selbst sind durch GRAM nicht an− färbbar. Zu der Gattung zählen zahlreiche Spezies,

Erreger

des

Milzbrands

Praxistipp

Die aeroben Bazillen sind gemeinsam mit den an− aeroben Clostridien die einzigen sporenbildenen Bakterien (s. S. 25) von humanpathogener Rele− vanz.

ten gelten zugleich als gefährliche Killer“ inner− halb der Bakterienwelt.

ist

ren.

MERKE

Diese Bakterien sind nicht nur aufgrund ihrer Fä− higkeit zur Sporenbildung faszinierend, einige Ar−

anthracis

Das mikroskopische Bild kann zwar einen ersten Hinweis geben, eine Verwechslung mit apathogenen Bacillus−Arten ist aber möglich. Daher ist stets eine weitere Diffe− renzierung nötig! Die Diagnose beruht auf dem direkten Erreger− nachweis durch Kultur (S3−Labor erforderlich) oder PCR.

Bacillus cereus und Bacillus stearothermophilus Bacillus cereus kommt ubiquitär in der Umwelt vor. Aufgrund der Bildung von Enterotoxinen können kontaminierte Nahrungsmittel (v. a. Reis) jedoch

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

49

Corynebacterium diphtheriae

Tabelle 2.9

Der Mensch ist der einzige Wirt von C. diphtheriae. Laborblatt Corynebakterien

Der Erreger wird meist durch Tröpfcheninfektion

GRAM

positive, pleomorphe Stäbchen

übertragen. C. diphtheriae vermehren sich in der

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

Kapsel



Kultur

anspruchsvolle Nährböden erforderlich

Katalase

positiv

Oxidase

negativ

Beweglichkeit

unbeweglich

Bemerkungen

anspruchsvolle Keime (378C, 5 % CO2)

Diagnostik

Mikroskopie (Neisser−Färbung) Kultur Toxinnachweis bei Corynebacterium diphthe− riae mit ELEK−Test, PCR

zur Lebensmittelvergiftung führen (s. S. 414). Das liegt vor allem an der Hitzeresistenz der Sporen, die selbst durch kurzes Erhitzen auf 100oC bei der Lebensmittelzubereitung nicht abgetötet werden. Das bereits im Nahrungsmittel präformierte Exoto− xin führt innerhalb weniger Stunden zu Erbrechen und Diarrhoe. In den meisten Fällen ist die Erkran− kung selbstlimitierend, so dass in der Regel keine Diagnostik durchgeführt wird. Bacillus stearothermophilus wird als Bioindikator zur Überprüfung von Autoklaven und Heißluftsteri− lisatoren eingesetzt.

Corynebakterien Corynebakterien sind pleomorphe, grampositive Stäbchen, die keine Sporen bilden. Bei genauer mikroskopischer Betrachtung können u. U. keulen− artige Auftreibungen (Coryne = Keule) an den Po− lenden erkannt werden. Die meisten beim Men− schen isolierten Arten gehören zur normalen Haut− und Schleimhautflora.

Regel an der Eintrittspforte (meistens Rachen, sel− tener Hautwunden) und produzieren Diphtherieto− xin, das von einem temperenten Bakteriophagen kodiert wird. Das Toxin wirkt zunächst lokal, später ggf. aber auch generalisiert. MERKE

Diese Art ist nur dann humanpathogen, wenn sie einen das Diphtherietoxin kodierenden temperen− ten Bakteriophagen enthält (s. S. 237). Die Diagnose erfolgt durch direkten Erregernach− weis aus unter den Pseudomembranen abgenom− menen Rachen−, Nasen− oder Trachealabstrichen, Wundsekret oder Operationsmaterial. Sicher für den Nachweis von C. diphtheriae ist nur der kultu− relle Nachweis. Die Mikroskopie von verdächtigen Kolonien erfolgt durch eine Spezialfärbung nach Neisser. Zur endgültigen bakteriologischen Diag− nose der Diphtherie gehört zwingend der Nachweis der Toxinbildung des jeweiligen Stammes. Er wird als Präzipitationsreaktion nach Elek−Ouchterlony durchgeführt (s. S. 239). Alternativ kann das pha− genkodierte Toxingen durch die PCR nachgewiesen werden.

Listerien Listerien sind grampositive, sporenlose, begeißelte Umweltkeime, die im Erdboden, Wasser, auf Pflan− zen und in Tieren vorkommen können. Die Gattung Listeria besteht aus mehreren Spezies, von denen v. a. Listeria monocytogenes sicher pathogen ist.

Corynebacterium jeikeium wird als fakultativ pa−

Listeria monocytogenes

thogen angesehen (Bakteriämie bzw. Sepsis,

Diese Art kann Tiere und Menschen gleichermaßen gefährden, weswegen bei der Listeriose von einer

s. S. 271). Darüber hinaus sei auf C. minutissimum, Erreger des Erythrasmas (s. S. 283) verwiesen.

Anthropozoonose gesprochen wird. L. monocytoge− nes ist bekannt als Kontaminant von Milchproduk−

Als wichtige humanpathogene Art soll im Fol−

ten (Käse, Rohmilch) und Rohkostprodukten (Sa−

genden nur auf C. diphtheriae, dem Erreger der

lat).

Diphtherie (s. S. 237), eingegangen werden.

Die Infektion des immungesunden Erwachsenen verläuft wie ein grippaler Infekt und wird meistens gar nicht bemerkt. Vor allem bei Abwehrschwäche kann sich jedoch eine lebensgefährliche Menin−

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie terien ist ihre Säurefestigkeit, d. h., sie geben auf−

Tabelle 2.10

genommene

Farbe

unter

Einwirkung

von

Laborblatt Listerien

Salzsäure−Alkohol nicht wieder ab (Ziehl−Neelsen−

GRAM

positive Stäbchen

Färbung) und werden durch Säure (Magensäure!)

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

Kapsel



Kultur

anspruchsvolle Nährböden erforderlich

Katalase

positiv

Oxidase

negativ

Beweglichkeit

beweglich bei 208C (nicht bei 378C)

Bemerkungen



Diagnostik

Mikroskopie Kultur auf Selektivnährböden Kälteanreicherung Serologie i. d. R. nicht aussagekräftig

kaum abgetötet. Diese Eigenschaft beruht insbe− sondere auf dem Vorhandensein von wachsartigen Substanzen in der Zellwand: Typischer Bestandteil sind langkettige Mykolsäureverbindungen (C80). Bei Mycobacterium tuberculosis und M. bovis handelt es sich um Trehalosedimykolat, das die zopfartige Zu− sammenlagerung der Stäbchen bewirkt und des− halb auch Cord−Faktor genannt wird. Die klinisch bedeutungsvollen Mykobakterien ha− ben eine Generationszeit von 12–18 Stunden (zum Vergleich E. coli = 20 Minuten). Unter den ubiquitä−

goenzephalitis entwickeln. Die Infektion während

ren atypischen Mykobakterien (MOTT) gibt es aber auch schnell wachsende Arten.

der Schwangerschaft (s. S. 335) kann zur Neugebo−

Im menschlichen Wirt nutzen Mykobakterien vor

renenlisteriose führen, die sich als Frühtyp (Early

allem phagozytotische Zellen (Makrophagen) als

Onset, pränatale Infektion) oder als Spättyp (Late Onset, perinatale Infektion) manifestiert. Die mik−

Wirtszellen und induzieren eine spezifische Wirts− reaktion.

robiologische Diagnostik erfolgt durch Kultur. Die

Die durch Mykobakterien hervorgerufenen Infekti−

Serologie ist nicht aussagekräftig.

onskrankheiten werden in drei große Gruppen un−

Mykobakterien

terteilt: Tuberkulose: M. tuberculosis, M. bovis, M. africa−

Mykobakterien gehören zwar prinzipiell zu den

num und M. microti,

grampositiven Stäbchen, ihre Anfärbbarkeit nach

atypische Mykobakteriose: Mycobacteria other

GRAM ist jedoch aufgrund des hohen Lipidanteils

than tuberculosis, MOTT,

der Zellwand nur schwach ausgeprägt. Das gemein− same Merkmal dieser aeroben, unbeweglichen Bak−

Lepra: M. leprae.

Mycobacterium tuberculosis Die Tuberkulose (s. S. 259) des Menschen ist eine

Tabelle 2.11

spezifische Erkrankung, die durch die typischen“ Mykobakterienarten des M.−tuberculosis−Komplexes,

Laborblatt Mykobakterien GRAM

positive Stäbchen (aber: schlechte GRAM− Anfärbbarkeit!)

O2−Toleranz

aerob

Kapsel



Kultur

besondere Nährmedien erforderlich extrem lange Replikationszeit: Mycobacteri− um tuberculosis: 12–18 Stunden; Mycobacterium leprae: 13 Tage

Katalase

variabel

Oxidase

diagnostisch ohne Bedeutung

M. tuberculosis (natürlicher Wirt = Mensch), M. bo− vis (natürlicher Wirt = Rind), M. africanum (natürli− cher Wirt = Mensch) und M. microti (natürlicher Wirt = Wühlmaus) hervorgerufen wird. Bei der Tuberkulose muss zwischen Primär− und Sekundärtuberkulose unterschieden werden. Da die Infektion meist durch Inhalation der Erreger zu− stande kommt, ist in mehr als 80 % der Fälle die Lunge betroffen, doch können prinzipiell alle Or−

Beweglichkeit

unbeweglich

gane infiziert werden. Die Diagnose der Tuberkulose wird vor allem aus

Bemerkungen

lipidreiche Zellwand R Säurefestigkeit

Morgensputum, ggf. auch aus Magensaft, Urin und,

Diagnostik

Mikroskopie (Ziehl−Neelsen−Färbung) Kultur (nicht bei Mycobacterium leprae) molekularbiologische Verfahren

je nach klinischer Situation, aus anderen Materia− lien geführt. Die Labordiagnose beruht vor allem

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

auf Mikroskopie (Ziehl−Neelsen−Färbung), Kultur,

Mycobacterium leprae

molekularbiologischen Verfahren (Gensonden und PCR) sowie Tuberkulintest (Hauttest).

Mycobacterium

Ausführliche Informationen zur Tuberkulose−Diag−

dens vorkommenden Krankheit.

nostik finden Sie auf S. 262.

Im Gegensatz zu M. tuberculosis hat M. leprae ein

Atypische Mykobakterien (Mycobacteria other than tuberculosis, MOTT) Die Bezeichnung MOTT“ steht als Abkürzung für Mycobacteria other than tuberculosis. Mehr als 80 verschiedene

Arten

ubiquitärer

Mykobakterien

kommen in der Umwelt vor. Sie werden oft auch als atypische Mykobakterien bezeichnet, da sie bei Krankheitsbildern gefunden werden, die der Tuber− kulose

ähneln,

jedoch

atypisch“

verlaufen

(s. S. 371). Sie vermehren sich schneller als Myko− bakterien

des

M.−tuberculosis−Komplexes

und

zeichnen sich in der Regel durch eine stärkere Anti− biotikaresistenz aus. Die wichtigsten Vertreter sind: M. avium−intracellulare (häufig disseminierter Befall bei AIDS), M. marinum (Hautulzeration nach Infektion im Schwimmbad oder Aquarium), sowie M. ulcerans (Erreger des tropischen Buruli−Ul− cus).

leprae

ist

Erreger

der

Lepra

(s. S. 369), einer vor allem in den Ländern des Sü−

Temperaturoptimum von weniger als 37oC (Zielor− gan ist die Haut) und vermehrt sich extrem lang− sam vor allem in Phagozyten und den Schwann− Zellen der Nervenscheiden. Nach Infektion durch direkten Kontakt dauert es wahrscheinlich mehrere Jahre, bevor die ersten Symptome auftreten. Diese sind abhängig von der Immunabwehr des Patienten und lassen sich in eine gutartige tuberkuloide Form (vor allem Haut− symptome und Befall peripherer Nerven) und der malignen lepromatösen Form (systemischer Befall) unterscheiden. Da der Erreger auf normalen Nährböden nicht an− züchtbar ist, beruht die Diagnostik auf dem klini− schen Befund, der Mikroskopie (Ziehl−Neelsen−Fär− bung)

von

Hautstanzen

(Skin−Snips)

und

Nasenschleimhaut sowie auf einem Hauttest (Le− prominreaktion, s. S. 370).

MOTT sind vor allem als Erreger opportunistischer

Praxistipp

Infektionen (außer M. marinum) bekannt, da ihr

M. leprae kann bisher nicht auf künstlichen Nährböden angezüchtet werden.

Auftreten sehr häufig eine Abwehrschwäche vor− aussetzt. Ihre Aufnahme erfolgt meistens mit der Nahrung oder mit dem Wasser; andere ubiquitäre

Aktinomyzeten

Mykobakterien werden auch aerogen aufgenom−

Der Begriff Aktinomyzeten steht für ein Bakterien− reich mit mehreren Gattungen und ist eigentlich ir−

men.

51

reführend, da es sich nicht um Strahlenpilze“, son−

Praxistipp MOTT gelten als eine Indikatorkrankheit für AIDS bei HIV−positiven Patienten (s. S. 414). Bei diesen kommt es häufig zum dissemi− nierten Befall. Am häufigsten kommt bei AIDS−Patienten M. avium−intracellulare vor. Die Diagnostik beruht auf den gleichen Methoden

Tabelle 2.12

Laborblatt Aktinomyzeten GRAM

positive verzweigte Stäbchen

O2−Toleranz

anaerob bis mikroaerophil (Norkardien = aerob)

Kapsel



wie beim M.−tuberculosis−Komplex, wobei MOTT

Kultur

längere Bebrütung erforderlich

sich in der Regel durch schnelleres Wachstum aus−

Katalase

– (A. israelii)

zeichnen.

Oxidase

negativ

Beweglichkeit

für Diagnostik nicht relevant

Bemerkungen



Diagnostik

Kultur, Mikroskopie

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52

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

dern um meist anaerobe (bzw. mikroaerophile),

eindringen und als Leitkeim die Aktinomykose

grampositive, verzweigte Fadenbakterien handelt. Nokardien sind aerobe grampositive, verzweigte

(s. S. 285) hervorrufen.

Fadenbakterien.

Als Untersuchungsmaterial für den direkten Erre− gernachweis eignen sich Eiter, Fistelsekret oder ex− zidiertes Granulationsgewebe. Bereits makrosko−

EXKURS

pisch können im Eiter u. U. so genannte Drusen

Aktinomyzeten vs. Pilze  hnlichkeit der Aktinomyzeten mit echten Pilzen Die A beschra nkt sich auf das myzeliale Wachtumsverhal−

vorhanden sein. Dabei handelt es sich um gelbliche

ten sowie die Bildung von Dispersionssporen (Ar−

Aktinomyzeten unter anaeroben oder mikroaero−

throsporen, Konidien), wozu viele Arten befa higt sind.

philen Bedingungen benötigt 7–14 Tage bis zum Ergebnis.

Im Gegensatz zu den Sporen von Bazillen und Clostridien (= sporenbildende Bakterien), bei denen die Spore eine Dauerform darstellt, dienen Disper− sionssporen der Vermehrung bzw. der Verteilung in

oder rötlich−braune, harte Körnchen, die sich schwer zerreiben lassen. Die kulturelle Anzucht der

Propionibakterien Tabelle 2.13

der Umwelt. Alle anderen grundlegenden Eigenschaf− ten wie prokaryonter Zellaufbau, mukopeptidhaltige Zellwand, Gro ße von etwa 1 mm, Bakteriophagen− und Antibiotika−Empfindlichkeit, einfache Geißelstruktur und molekularbiologische DNA−Sequenzvergleiche be− weisen die bakterielle Natur der Aktinomyzeten.

Laborblatt Propionibakterien GRAM

positive Stäbchen

O2−Toleranz

anaerob

Kapsel



Kultur

längere Bebrütung erforderlich

Katalase

positiv

In der modifizierten Ziehl−Neelsen−Färbung impo− nieren sie als partiell säurefest.

Oxidase

negativ

Beweglichkeit

unbeweglich

Innerhalb des Bakterienreiches gibt es ca. 50 Gat−

Bemerkungen



tungen von Aktinomyzeten, von denen die meisten

Diagnostik

– Kultur – Mikroskopie

im Erdboden vorkommen. Nur wenige Arten sind humanmedizinisch bedeutsam, teils als Krankheits− erreger von Mensch und Tier (z. B. aus den Gattun− gen Actinomyces, Nocardia, Streptomyces), teils als Allergene (z. B. Gattung Thermoactinomyces), aber auch als Produzenten wichtiger Antibiotika (z. B. Gattungen Streptomyces, Micromonospora). Die wichtigste Art aus der anaeroben Gattung Acti− nomyces ist Actinomyces israelii. Aus der aeroben Gattung Nocardia sind vor allem die Arten Nocar− dia asteroides und N. brasiliensis als Erreger von Pneumonien und Septikämien sowie von Wundin− fektionen – oft nach (Nieren−)Transplantationen – von klinischer Bedeutung.

Propionibakterien sind koryneforme, pleomorphe, anaerobe Stäbchenbakterien. In der menschlichen Haut kommen zwar mehrere Arten vor, doch hat Propionibacterium acnes neben seiner Bedeutung als Kommensale wahrscheinlich auch einen Stellenwert bei der Pathogenese der Akne (s. S. 284). Der Ereger kann kulturell und mithilfe biochemi− scher Reaktionen diagnostiziert werden.

Clostridien Die beiden Gattungen Clostridium und Bacillus sind

Actinomyces israelii

grampositive Stäbchen, die in der Lage sind, bei

A. israelii kommt physiologischerweise als Kom− mensale in der Mundhöhle von Gesunden vor. Bei

ungünstigen Umweltbedingungen Sporen zu bil− den. Im Gegensatz zu den Bazillen handelt es sich

Mikrotraumen der Mundschleimhaut kann dieser

bei den Clostridien jedoch um obligat anaerobe

fakultativ pathogene Erreger jedoch in das Gewebe

Bakterien.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

Tabelle 2.14

Unabhängig vom Gasbrand kann C. perfringens

Laborblatt Clostridien

auch zu Lebensmittelvergiftungen führen: Eini− ge Stämme bilden ein Enterotoxin, so dass bei

GRAM

positive Stäbchen mit Sporen

O2−Toleranz

anaerob

Kapsel

ja (C. perfringens)

Kultur

bei allen durch Clostridien hervorgerufenen Erkrankungen für die akute Therapieentschei− dung nicht relevant Eigelb−Agar zur Bestimmung der Lecithinase−/ Lipase−Aktivität

Katalase

negativ

Oxidase

negativ

Beweglichkeit C. C. C. C.

hoher Keimlast (mindestens 106 Erreger/g) im entsprechenden Lebensmittel Toxinmengen ent− stehen, die nach oraler Aufnahme jedoch zu ei− ner eher harmlosen selbstlimitierenden Enteritis mit schmerzhaftem, aber fieberfreien Durchfall führen. Bei Verdacht auf Gasbrand sollte infiziertes Materi− al durch Aspiration oder Gewebeproben aus der Tiefe der Wunde entnommen werden.

perfringens: meist unbeweglich tetani: beweglich botulinum: beweglich difficile: beweglich

Bemerkungen bakterielle Killer Diagnostik

53

evtl. Mikroskopie evtl. Toxinnachweis (Tierversuch) Serologie für Diagnostik ohne Relevanz

Praxistipp Jeder Verdacht auf Gasbrand ist als eilige CITO−(Schnell!−)Anforderung anzusehen! Der typische mikroskopische Befund ergibt eine Mischinfektion und den Nachweis grampositiver,

Die meisten der etwa 100 Clostridien−Arten kom− men ubiquitär in der Umwelt – vor allem im Erd− boden – vor. Die fakultativ pathogenen Arten Clostridium perfringens und C. difficile können dar− über hinaus als Kommensalen zur normalen men− schlichen Darmflora gerechnet werden. Neben die− sen beiden sind die obligat pathogenen Arten C. tetani und C. botulinum als Ursachen lebensbedroh−

plumper Stäbchen meist ohne Sporen (evtl. wenige subterminale Sporen). Für die definitive Diagnose ist die Kultur mit anschließender biochemischer Differenzierung erforderlich. Dabei weist C. perfrin− gens auf Blutagar (anaerobe Bebrütung) als typi− sches Merkmal eine Doppelzonenhämolyse auf.

Clostridium tetani

licher menschlicher Erkrankungen zu bewerten

Der Erreger des Tetanus (s. S. 374), C. tetani, ist ein plumpes, grampositives Stäbchen und kommt als

(Tetanus, s. S. 374 und Botulismus, s. S. 205).

Spore (Dauerform) im Erdboden vor. Es bildet bei seiner Vermehrung im Gewebe ein hochwirksames,

Clostridium perfringens Clostridium perfringens kommt natürlicherweise im Erdboden vor und gehört auch zur normalen Darm− flora des Menschen. Im mikroskopischen Bild im− poniert C. perfringens meist als großes, plumpes, grampositives Stäbchen. Dieses Bakterium ist teils unbeweglich, teils mittels peritricher Begeißelung beweglich. Clostridium perfringens kann einerseits den Gas− brand, andererseits eine Lebensmittelvergiftung hervorrufen. Der Gasbrand kann endogen (Darmperforation) oder exogen (Aufnahme des Erregers durch Mik− rotraumen der Haut) entstehen und ist durch ei− nen

rapiden

(s. S. 287).

Muskelzerfall

gekennzeichnet

neurotropes Exotoxin (Tetanospasmin), das von der Infektionsstelle aus in den Körper abgegeben wird. Es zählt zu den potentesten biologischen Toxinen und bewirkt durch Blockierung der Freisetzung hemmender Transmittersubstanzen (GABA) an der motorischen Endplatte eine Spastik der motori− schen Muskulatur. Die klinische Symptomatik ma− nifestiert sich oft als Erstes an der Gesichtsmusku− latur (grinsender Gesichtausdruck). Später führt die spastische Lähmung der Interkostalmuskulatur und des Zwerchfells zum Tod durch Ersticken (peri− phere Lähmung). Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch den Toxinnachweis

im

Mäuseversuch

gesichert

(s. S. 375). Der mikroskopische Befund (plumpe grampositive Stäbchen mit runden terminalen Spo−

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54

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

ren = Trommelschlegelform) kann die klinische

2.4.4 Gramnegative Stäbchen

Verdachtsdiagnose zwar unterstützen, ähnlich wie beim Gasbrand ist aber für die Diagnose vor allem

Gramnegative Stäbchen stellen die größte human−

die typische klinische Symptomatik ausschlagge−

die trotz ähnlicher mikroskopischer Morphologie

bend.

von immenser Heterogenität im Hinblick auf ihre klinische Bedeutung gekennzeichnet ist.

Clostridium botulinum Der Erreger des Botulismus (s. S. 205), C. botulinum, ist ein plumpes, grampositives, begeißeltes Stäb− chen, das subterminal eine Spore aufweisen kann und so an die Form eines Tennisschlägers erinnert. Beim Botulismus handelt es sich um eine reine In− toxikation mit dem Botulinumtoxin, die meist nach Genuss mangelhaft konservierter Speisen (insbe− sondere Konservendosen oder Einmachgläser) oder Schinken auftritt (Lebensmitteltoxikation). Das hit− zelabile Botulinumtoxin ist das stärkste bakterielle Toxin und hemmt die Impulsübertragung an der motorischen Endplatte durch Hemmung der Frei− setzung von Acetylcholin. Dadurch wird eine schlaffe Lähmung hervorgerufen, die sich meistens als erstes an den Augenmuskeln bemerkbar macht. Letztendlich kann es zum Tod durch periphere Atemlähmung kommen.

medizinisch relevante Gruppe der Bakterien dar,

Enterobacteriaceae Enterobacteriaceaen

sind

fakultativ

anaerobe,

gramnegative Stäbchen, die sich durch die Expres− sion des ECA (Enterobacteriaceae−common−Anti− gen) von anderen gramnegativen Stäbchenbakte− rien unterscheiden. Klinik y Das allen gramnegativen Bakterien gemein− same LPS bzw. Endotoxin wirkt als Pyrogen und kann bei Bakteriämie zum gefährlichen septischen Endotoxinschock im Rahmen einer Sepsis führen (s. S. 275). Die Klassifikation der Enterobacteriaceaen ist nicht zuletzt aufgrund von immer wieder gern vorge− nommenen Namensänderungen irritierend. Didak− tisch sinnvoll ist daher die grobe Unterscheidung der Enterobacteriaceaen in die folgenden beiden

Bereits bei klinischer Verdachtsdiagnose muss die Therapie begonnen werden!!! Vorher wird jedoch

Tabelle 2.15

noch Serum des Patienten für den Toxinnachweis im Mäuseversuch abgenommen. Da es sich um eine Intoxikation handelt, ist eine kulturelle Anzucht des Erregers meistens nicht möglich.

Laborblatt Enterobacteriaceae GRAM

negative Stäbchen

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

Clostridium difficile

Kapsel

Dieser im Darm von bis zu 5 % aller Erwachsenen als normaler Kommensale vorkommende Keim ist

Klebsiella: ja die meisten anderen: nein

Kultur

selektive Kultivierung auf Gallensalz−hal− tigen Nährböden möglich (McConkey−, Endo−, SS−Agar)

grampositives Stäbchenbakterium.

Oxidase

negativ

Nach Gabe von Antibiotika (vor allem Clindamycin)

Beweglichkeit

Salmonellen: ja Yersinia pestis: nein Enteritische Yersinien: ja Shigellen: nein Escherichia coli: ja Citrobacter: ja Enterobacter: ja Klebsiella: nein Proteus: ja Serratia: ja

Bemerkungen

obligat darmpathogen sind Salmonel− len, Shigellen, Y. enterocolitica und Y. pseudotuberculosis

Diagnostik

Kultur mit biochemischer Differenzie− rung ggf. Agglutination ggf. Serologie

ein

anaerobes,

bewegliches,

sporenbildendes,

kann es durch C. difficile zur pseudomembranösen Kolitis bzw. zur Antibiotika−assoziierten Diarrhoe kommen (s. S. 204). Bei entsprechender Symptomatik und Anamnese sollte ein endoskopischer Befund erzwungen und der Nachweis des C.−difficile−Toxins aus Stuhlpro− ben durchgeführt werden! Ein kultureller Nach− weis von Clostridium difficile allein ist nicht unbe− dingt aussagekräftig, da dieses Bakterium als Kommensale auch bei bis zu 5 % aller gesunden Er− wachsenen im Stuhl nachgewiesen werden kann.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

Gruppen, die nur die wichtigsten Gattungen be−

Serotypisierung zur Anwendung. Durch sie gelingt

rücksichtigt:

dann in der Regel eine Zuordnung der Erreger zu

obligat (darm−)pathogene Erreger: Salmonellen,

Spezies oder in Serovare: Durch Agglutinationsre−

Yersinien, Shigellen,

aktionen mit definierten Antiseren werden auf der

fakultativ pathogene Erreger: Escherichia, Citro−

Oberfläche der Enterobacteriaceaen Antigenstruk−

bacter, Enterobacter, Klebsiella, Proteus, Morga−

turen nachgewiesen, von denen es jeweils zahlrei−

nella, Serratia u. a.

che verschiedene Varianten gibt. So ergibt sich ein

Da die meisten der fakultativ pathogenen Erreger zugleich zur normalen Darmflora gehören, können

Antigenmuster: O−Antigene: Oberflächenantigene = LPS−Polysac−

sie aufgrund der anatomischen Nähe von Anal−

charidketten (thermostabil),

und Urogenitalbereich durch Schmierkontaminati− on zu Harnwegsinfektionen führen. Darüber hinaus

H−Antigene: Flagellin der Geißeln (thermolabil),

haben sie eine große Bedeutung als Erreger noso−

ran (Kapsel, auch Vi−Antigen),

komialer Infektionen.

F−Antigene: Fimbrien−Proteine.

Diagnostik y Für die Diagnostik der Enterobacteria− ceaen ist die Mikroskopie nicht wegweisend. Ente− robacteriaceaen weisen eine natürliche Resistenz gegen Gallensalze auf, so dass sie in oder auf entsprechenden Nährmedien (z. B. McConkey−Agar, Endo−Agar) selektiv angezüchtet werden können. Das ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es sich um Patientenmaterial mit unterschiedlichsten Bakterienarten handelt (z. B. Stuhl). Die genannten Nährmedien enthalten gleichzeitig Lactose und einen pH−Indikator: Bei Abbau der Lactose durch das bakterielle Enzym b−Galactosidase (s. S. 83) kommt es zu einer Ansäuerung des Nährmediums, die aufgrund des pH−Indikators durch Farbumschlag sichtbar gemacht wird. MERKE

Die Unterscheidung in Lactose−positive (= Lactose abbauende) und Lactose−negative Bakterien ist deshalb von Bedeutung, weil Erstere in der Regel der normalen Darmflora zugeordnet werden können und als coliforme Bakterien zusammenge− fasst werden, während es sich bei den Letzteren um obligat darmpathogene Erreger (Salmonellen, Yersinien oder Shigellen) handeln könnte.

55

K−Antigene: Kohlenhydrate der äußeren Memb−

Salmonella Salmonellen sind bewegliche gramnegative Stäb− chen, die in der Regel Lactose nicht abbauen kön− nen. Die Gattung Salmonella umfasst nur eine Spe− zies (Salmonella enterica) mit sieben Subspezies. Die Charakterisierung ihrer Oberflächen−(O−) und Geißel−(H−)Antigene ermöglicht eine weitere Unter− teilung in Serovare, die früher als Spezies bezeich− net wurden. Obgleich ihnen nach der heutigen Ein− teilung ein Speziesrang nicht zukommt, hat man aus praktischen Gründen die früher gebräuchlichen Namen beibehalten, man schreibt allerdings hier− bei den zweiten Namen groß (z. B. S. Typhimurium. Es soll hier darauf hingewiesen werden, dass die korrekte Bezeichnung eigentlich S. enterica Serovar Typhimurium wäre). Die Antigenmuster aller Salmonellen sind im Kauff− mann−White−Schema aufgeführt: Dabei werden das O− und das H−Antigen berücksichtigt; Letzteres kommt in zwei Phasen vor. Die Kombination aus O, H1 und H2 ergibt dann den Namen der Salmonel− len. Die früher für epidemiologische Untersuchun− gen eingesetzte Lysotypie durch Bakteriophagen wird heute nicht mehr genutzt. Einteilung der Salmonellen y Salmonellen führen beim Menschen zu zwei verschiedenen Krankheits−

Die weitere Differenzierung der Enterobacteria−

bildern und werden dementsprechend eingeteilt:

ceaen beruht auf der Testung ihrer biochemischen Leistungsmerkmale, wofür kommerziell erhältliche Testsysteme eingesetzt werden, die 20 und mehr

S. enterica Serovare Typhi bzw. Paratyphi, A, B

Reaktionen gleichzeitig erfassen können. Ist eine

S. enterica Serovare Enteritidis und Typhimurium

Differenzierung bis zur Speziesebene durch diese

(u. a.) verursachen eine akute Gastroenteritis

Bunte Reihe“ (s. S. 84) nicht möglich, kommt die

(s. S.196), die lokal auf den Darm begrenzt ist.

oder C rufen systemische Infektionen (= Typhus und Paratyphus, s. S.195) hervor.

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Typhus abdominalis und Paratyphus y Der Mensch

durch Yersinia pestis. Die von Y. pestis hervorger−

ist der einzige Wirt der typhösen Salmonellen. Die Erreger können vor allem durch kontaminiertes

ufene Pest kann sich in drei Formen manifestieren: Beulenpest, Lungenpest und Hautpest (s. S. 364).

Trinkwasser übertragen werden. In der ersten und

Diagnose der enteralen Yersiniose y Der Erreger−

zweiten Krankheitswoche müssen Blutkulturen zum

nachweis gelingt meist nur im Frühstadium der

Erregernachweis untersucht werden. Ab der zweiten

Erkrankung aus dem Stuhl oder aus Biopsiematerial.

Krankheitswoche können die Bakterien kulturell aus

Die Anzucht der Erreger erfolgt auf Selektivmedien

Stuhl nachgewiesen werden. Die endgültige Identi− fizierung erfolgt durch biochemische Differenzie−

bei 22–28oC oder als Kälteanreicherung (Yersinien können sich noch bei Kühlschranktemperatur gut

rung und Serotypisierung. In Nicht−Endemiegebie−

vermehren). Für die Diagnose der postinfektiösen,

ten kann zusätzlich die Serologie (Widalreaktion) eingesetzt werden.

reaktiven Arthritis ist der Nachweis von Antikörpern im Serum des Patienten geeignet.

Enteritische Salmonellosen: Wirte von Enteritis−Sal−

Diagnose der Pest y Die Erkrankung wird durch den

monellen sind Mensch und Tier. Für die Entstehung

Erregernachweis (Kultur, Gensonden) aus den rele−

der Salmonellose des Menschen sind mindestens

vanten Patientenmaterialien diagnostiziert (S3−La−

105 Bakterien erforderlich. Während S. Typhimuri− um vor allem durch Rindfleisch übertragen wird,

bor erforderlich, Max von Pettenkofer−Institut, München). Für epidemiologische Fragestellungen

spielen für S. Enteritidis vor allem Geflügel und Eier

stehen serologische Verfahren zur Verfügung.

eine Rolle. Bei der akuten Gastroenteritis kommt als Untersuchungsmaterial in der Regel nur Stuhl (evtl. Erbrochenes, Lebensmittel) in Betracht. Die Diagnose wird durch Kultur einschließlich bioche− mischer und serologischer Differenzierung (Kauff− mann−White−Schema) gestellt.

Shigella Bakterien der Gattung Shigella sind ebenso Lactose− negativ wie die beiden anderen obligat darmpatho− genen Gattungen Salmonella und Yersinia. Shigellen kommen nur beim Menschen vor und können z. B. durch kontaminiertes Wasser oder Lebensmittel oral übertragen werden. Dabei ist für die Entstehung kli−

Praxistipp Eine Antikörperbildung ist bei der akuten Gastroenteritis in der Regel nicht feststell− bar (Serologie ist nicht sinnvoll!), kann aber bei septischen Verlaufsformen oder eventu− ell später eintretenden Komplikationen (z. B. reaktive Arthritis) nachweisbar sein.

Yersinia Yersinien kommen natürlicherweise bei verschie− denen Tieren vor (Anthropozoonose): Während Yer− sinia pestis sein Reservoir in Ratten und Nagtieren hat, finden sich die darmpathogenen Yersinien vor allem im Schwein. Klinik y Analog zu den Salmonellen−Infektionen kann man auch die Erkrankungen durch die Gattung Yersinia einerseits in die lokal begrenzte Darminfek− tion (enterale Yersiniose, s. S. 202) evtl. mit Folgeerk− rankung (z. B. Arthritis) unterteilen, die vor allem durch Yersinia enterocolitica und Yersinia pseudotu− berculosis bedingt ist, und andererseits in die

nischer Symptome bereits eine sehr geringe Dosis von nur 10–200 Erregern ausreichend. Die für eine Erkrankung erforderliche geringe Keimzahl erklärt auch, dass Fliegen und andere Arthropoden als me− chanische Vektoren dienen können. Shigellen sind mit Escherichia coli eng verwandt und sogar nahezu identisch mit EIEC (Enteroinvasi− ve E. coli). Es werden die vier Spezies Shigella son− nei, S. flexneri, S. boydii und S. dysenteriae unter− schieden, die aufgrund ihrer O−Antigene mehrere Serovare unterteilt werden können.

in

Die durch Shigellen verursachten Erkrankungen werden auch als bakteriell bedingte Ruhrerkran− kungen bezeichnet (s. S.198), die durch schleimig− blutige Durchfälle mit schmerzhaften Krämpfen ge− kennzeichnet sind. Die Anzucht der Shigellen erfolgt auf Selektivnähr− böden (Endo−, McConkey−, SS− oder Leifson−Agar). Aufgrund ihrer nur geringen Immunogenität sind serologische Untersuchungen zum Nachweis einer Shigellose nicht sinnvoll.

systemische Infektion Pest (s. S. 363), hervorgerufen

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

57

den und für die spezifische Bindung an das Uro−

Praxistipp Shigellen sterben in Stuhlproben schnell ab; es ist deshalb besser, Schleimfetzen, Rektal− abstriche oder Biopsiematerial zu untersu− chen.

Escherichia coli Obwohl es noch drei weitere Spezies innerhalb der Gattung Escherichia gibt, spielt für die Humanme− dizin fast nur E. coli eine Rolle. Es handelt sich da− bei um einen äußerst vielseitigen Vertreter der En− terobacteriaceaen, der sowohl wichtiger Erreger

genitalepithel verantwortlich sind. Klinik y Man muss generell zwischen intestinalen (stets exogene Infektionen) und extraintestinalen (meistens endogene) Infektionen unterscheiden. MERKE

In der Regel werden alle intestinalen Subtypen von E. coli fäkal−oral übertragen, wobei sowohl eine direkte Übertragung als auch eine Transmis− sion durch kontaminiertes Trinkwasser oder durch Lebensmittel möglich sind.

vitalbedrohlicher Erkrankungen sein kann, der aber Darm von Mensch und Säugetieren vorkommt.

Tab. 2.16 zeigt die Subtypen von E. coli und die mit ihnen assoziierten Erkrankungen.

Letzteres ist der Grund dafür, dass der Nachweis

Darüber hinaus ist E. coli unabhängig vom Subtyp

von E. coli in Trinkwasser oder Lebensmitteln stets

eine wichtige Ursache für nosokomiale Infektionen

auch als normaler Kommensale regelmäßig im

als Hinweis auf eine fäkale Kontamination angese−

und kann zur Cholezystitis, zur (Uro−)Sepsis, bei

hen wird (E. coli fungiert als Fäkalindikator: 100 ml Trinkwasser müssen frei von E. coli sein).

Darmperforation zur Peritonitis und – vor allem in der unteren Körperhälfte – zu Wundinfektionen

Einteilung y Innerhalb der Spezies E. coli werden

führen.

weitere Subtypen unterschieden, die sich durch die

Diagnostik y

raus resultierender Krankheitsbilder unterscheiden.

Die Diagnostik intestinaler E.−coli−Infektionen gestaltet sich schwierig, da E. coli als normaler

Sie werden deshalb auch als Pathovare bezeichnet:

Kommensale ja ohnehin bei jedem Menschen

Bildung unterschiedlicher Virulenzfaktoren und da−

EPEC (= Enteropathogene E. coli oder Dyspepsie− Coli) bewirken eine Aktinkondensation der Darmepithelzellen mit daraus resultierender Ab− flachung und Zerstörung der Mikrovilli, so dass die Gesamtoberfläche des Darmepithels verrin− gert wird. ETEC (= Enterotoxische E. coli) produzieren ein hitzestabiles und zwei hitzelabile Enterotoxine (ST und LTI/II), die z. T. nahezu dem Choleratoxin entsprechen. EIEC (= Enteroinvasive E. coli) invadieren in die Darmepithelzellen und breiten sich durch di− rekte Invasion in benachbarte Zellen im Gewebe aus.

im Darm vorkommt und die Subtypisierung in

Tabelle 2.16

Subtypen von E. coli mit assoziierten Erkrankungen Subtyp

Erkrankungen

EPEC = Enteropathogene E. coli = Dyspepsie−Coli

Erreger der Säuglingsdiarrhoe (Eselsbrücke: P wie Paby = Baby“)

ETEC = Enterotoxische E. coli Erreger der Reisediarrhoe (Eselsbrücke: T = Tropen“) EIEC = Enteroinvasive E. coli:

Erreger einer ruhrähnlichen Colitis mit blutigen Durchfäl− len (Eselsbrücke: invasiv“ wie Shigellen, die ja die bak− terielle Ruhr verursachen)

EHEC = Enterohämorrhagi− sche E. coli

Erreger einer hämorrhagi− schen Colitis mit eventuell nachfolgendem hämolytisch− urämischem Syndrom = HUS (Eselsbrücke: H = HUS = hämo“)

EHEC (= Enterohämorrhagische E. coli) produzie− ren ein phagenkodiertes, dem Shigatoxin ähnli− ches Zytotoxin (Shiga−like Toxin), das zur Hem− mung der Proteinsynthese eukaryonter Zellen führt (besonders im kapillaren Endothel). UPEC (= Uropathogene E. coli) exprimieren auf ihrer Oberfläche P−Fimbrien, die auch als Pyelo− nephritis−assoziierte Pili (PAP) bezeichnet wer−

UPEC = Uropathogene E. coli Erreger von Harnwegsinfek− ten und einer Neugeborenen− meningitis

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

der Regel nicht routinemäßig durchgeführt wird.

bacteriaceaen kommt Enterobacter eine wichtige

Daher beruht die Diagnose intestinaler E.−coli−In− fektionen meistens primär auf den klinischen

Rolle als Erreger nosokomialer Infektionen des

Symptomen, insbesondere dann, wenn andere

Klebsiella: Als wichtiger Virulenzfaktor von Kleb−

Respirations− und des Harntrakts zu.

Ursachen bzw. Erreger oder Toxine ausgeschlos−

siellen wurde die Kapsel identifiziert, die ein

sen sind. Eine Ausnahme stellen hier jedoch die

schleimiges, muköses Wachstum in der Kultur

durch EPEC ausgelöste Säuglingsdiarrhoe (s. S. )

bewirkt. Die durch Klebsiella pneumoniae hervorge−

und die durch EHEC hervorgerufene hämorrhagi− sche Kolitis (s. S. 201) dar, weil es in beiden Fäl−

rufene Friedländer−Pneumonie (s. S. 251) stellt eine früher häufige Pneumonie mit Infektion beider

len zu schweren Komplikationen kommen kann.

Oberlappen dar. Heute sind vor allem K. pneumoniae

Die Diagnostik erfolgt dann durch Feststellung

und K. oxytoca gefürchtete Erreger nosokomialer

des Serotyps angezüchteter E.−coli−Stämme (Be−

Infektionen. Dazu zählen vor allem Pneumonien,

stimmung der O−Antigene mittels Agglutinati−

andere respiratorische Infektionen sowie Harnweg−

onsreaktion) und/oder durch den Toxinnachweis

sinfektionen, Septikämien und Wundinfektionen.

in Stuhlproben von Patienten mit Verdacht auf

Pantoea agglomerans gehört zwar nicht zu den

HUS bzw. blutigen Stühlen, besonders von Kin− dern unter 6 Jahren.

Klebsiellen, ist aber als naher Verwandter ebenfalls Erreger nosokomialer Infektionen.

Der Nachweis extraintestinaler E.−coli−Infektio−

Proteus und Morganella: Neben Proteus mirabilis

nen stellt dagegen in der Regel kein Problem

und P. vulgaris sei Morganella morganii als besonders

dar und erfolgt aus den jeweils relevanten Pa− tientenmaterialien (z. B. Urin bei Harnwegsinfek−

wichtige Art genannt. Diese beiden eng verwandten

tion, Liquor bei Meningitis, Blutkultur bei Sepsis

mialen Harnwegsinfektionen bekannt, bei denen die

oder Wundexsudat oder −abstrich bei Wundin−

Bildung von Nierensteinen als Komplikation eintritt.

fektion) durch Kultur mit anschließender bio− chemischer Differenzierung.

Die Bakterien produzieren nämlich eine sehr wirk− same Urease, die den im Urin befindlichen Harnstoff

Andere Enterobacteriaceae (Citrobacter, Enterobac− ter, Klebsiella, Proteus, Serratia) Während Serratia vor allem in der Umwelt vor− kommt, können die anderen der in diesem Kapitel genannten Enterobacteriaceaen als normale Kom− mensalen zur Darmflora gerechnet werden. Die Dif− ferenzierung der Enterobacteriaceaen gelingt nach kultureller Anzucht durch Bestimmung ihres bio− chemischen Profils in der so genannten Bunten Reihe“ (s. S. 84). Citrobacter: Das

namensgebende

biochemische

Merkmal von Citrobacter ist seine Fähigkeit, Citrat als einzige Kohlenstoffquelle abbauen zu können. Von den mehr als 10 Spezies sei Citrobacter freundii als humanmedizinisch wichtigster Vertreter ge− nannt. Citrobacter wird im Vergleich zu anderen Enterobacteriaceaen relativ selten als Erreger noso− komialer Infektionen (Pneumonie, Harnwegsinfek− tion, Wundinfektion) nachgewiesen. Enterobacter: Der wichtigste Vertreter dieser eher inhomogenen Gattung ist Enterobacter cloacae. Wie die meisten anderen fakultativ pathogenen Entero−

Gattungen sind vor allem als Erreger von nosoko−

spaltet, so dass das daraus entstehende Ammoniak eine pH−Erhöhung des Urins – und damit die Bildung von Harnsteinen – bewirkt. Darüber hinaus können sie aber auch andere klassische nosokomiale Infektionen auslösen (vor allem Pneumonie, Wun− dinfektion oder Sepsis). Der kulturelle Nachweis ist leicht, wobei diese En− terobacteriaceaen auf vielen Nährböden durch ein so

genanntes

Schwärmphänomen

auffallen

(Abb. 2.18).

Dieses kommt durch die starke peritriche Begeiße− lung und die dadurch mögliche und stark ausge− prägte Beweglichkeit zustande. Serratia: Im Gegensatz zu den anderen Enterobac− teriaceaen sind Serratien meistens nicht Bestandteil der normalen Darmflora. Von den mehr als fünf humanpathogenen Arten seien vor allem Serratia marcescens und S. liquefaciens erwähnt, die Ursache gefürchteter nosokomialer Infektionen sein können, weil Serratien sich durch eine natürliche Resistenz gegen viele üblicherweise im Krankenhaus einge− setzte Cephalosporine ausweisen. Zu den wichtig− sten durch Serratien ausgelösten nosokomialen

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Systematik der Bakterien

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O1 und O139, V. cholerae Non O1/Non 139 sowie V. fluvialis und V. parahaemolyticus. V. cholerae O1 beinhaltet zwei biochemisch unter− scheidbare Biovare: V. cholerae O1 Biovar cholerae und den Erreger der derzeitigen 7. Cholera−Pande− mie, V. cholerae Biovar eltor. Beide Biovare lassen sich in die drei Serovare Oga− wa, Inaba und Hikojima unterteilen. Neben V. cho− lerae O1 ist auch V. cholerae O139 Erreger der ech− ten Cholera

(s. S.190).

Beide produzieren

das

Choleratoxin, das zu einer schweren toxischen En− teritis mit exzessivem Wasser− und Elektrolytver− lust führt. Abb. 2.18

Schwärmendes Wachstum von Proteus in Kultur

Infektionen zählen vor allem Infektionen von Re− spirations− und Harntrakt sowie Wundinfektionen und Sepsis. Der kulturelle Nachweis ist einfach, wobei Serratien häufig schon durch ihre natürliche rote Koloniefarbe auffallen, die durch Bildung eines entsprechenden Pigments (Prodigiosin) zustande kommt.

V. cholerae Non O1/Non O139 können ein dem Cho− leratoxin ähnliches Exotoxin produzieren und somit Cholera−ähnliche Symptome hervorrufen. Andere Vibrionen wie z. B. V. fluvialis und V. para− haemolyticus rufen ebenfalls Durchfallerkrankun− gen hervor. Diagnostik y Diagnostisch fällt bereits der fischig riechende wässrige Reiswasserstuhl auf; bei nativer Mikroskopie sind stark bewegliche, fischzugartig angeordnete Bakterien zu sehen. Die Beweglichkeit kann durch spezifische Antiseren gehemmt werden

Vibrio Vibrionen sind gramnegative, gerade oder ge− krümmte, polar monotrich begeißelte Stäbchenbak− terien, die Oxidase− und Katalase−positiv sind und Kohlenhydrate fermentativ abbauen. Einteilung und Klinik y Vibrionen werden entspre− chend ihren O−Antigenen in mehr als 70 Serotypen unterteilt: Die wichtigsten Vibrionen sind V. cholerae

(Immobilisationstest). Nach selektiver Anreicherung in alkalischem Peptonwasser (hoher pH) und Aus− impfung auf festen Selektivmedien erfolgt die Bestimmung mithilfe biochemischer Verfahren und der Serotypisierung.

Aeromonas Die den Vibrionen nahe stehende Gattung Aero− monas setzt sich ebenfalls aus typischen Wasser−

Tabelle 2.17

keimen“ zusammen, die oft in Oberflächenwasser Laborblatt Vibrionen

nachweisbar sind.

GRAM

negative Stäbchen

Sie rufen normalerweise ebenfalls Durchfallerkran−

O2−Toleranz

fakultativ anaerob

kungen hervor. In diesem Zusammenhang sei er−

Kapsel



Kultur

Alkalitoleranz R Anreicherung in alkali− schem Peptonwasser

wähnt, dass Überlebende der Tsunami−Katastrophe von 2004/5 im südoastasiatischen Bereich signifi− kant häufig an Aspirationspneumonien durch Aero−

Katalase

positiv

monas erkrankt waren.

Oxidase

positiv

Die Diagnose wird durch Kultur mit biochemischer

Beweglichkeit

ja

Differenzierung gestellt.

Bemerkungen



Diagnostik

Kultur mit biochemischer Differenzie− rung Serotypisierung

Haemophilus Bakterien der Gattung Haemophilus sind pleomor− phe zarte, gramnegative Stäbchen.

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60

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie Haemophilus influenzae

Tabelle 2.18

Der Erreger kommt nur beim Menschen vor und Laborblatt Haemophilus

kann sehr unterschiedliche Krankheitsbilder auslö−

GRAM

pleomorphe, negative Stäbchen

sen. Der Name rührt von der irrtümlichen Annah−

O2−Toleranz

aerob, fakultativ anaerob

Kapsel

ja

Kultur

H. influenzae: Blutagar mit Amme oder Kochblutagar

Katalase

positiv

Oxidase

positiv

Beweglichkeit

nein

Bemerkungen

Notwendigkeit von Wachstumsfaktoren: H. influenzae: X und V (Hämin und NAD) H. parainfluenzae: nur V (NAD) H. ducreyi: nur X (Hämin) Aktive Impfung: HinB

Diagnostik

Kultur Mikroskopie Antigenschnelltest (Agglutination) für H. in− fluenza

Praxistipp Im klinischen Material können Haemophi− lus−Arten aufgrund ihrer Pleomorphie (kok− koide Formen und Stäbchen) irrtümlich als Mischinfektion gedeutet werden (Abb. 2.19).

me aus dem Jahr 1892 her, dass es sich bei H. in− fluenzae um den Erreger der Grippe (Influenza) handelt. Als

Wachstumsfaktoren

benötigt H.

influenzae

Hämin (= X−Faktor) und NAD oder NADP (= V−Fak− tor, s. u.).

Praxistipp Die Häufigkeit von H. influenzae im klini− schen Alltag wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren weiter hochsignifikant ab− nehmen, da seit einiger Zeit ein sehr effek− tiver Impfstoff zur Verfügung steht. Klinik y Vor allem H. influenzae Kapseltyp B (HinB) führt häufig als Erreger einer Superinfektion nach einem banalen Virusinfekt zu Infektionen im Nasen− Rachen−Raum (Pharyngitis, Epiglottitis, Sinusitis, Otitis media) sowie zu einer Pneumonie. Beim Raucher kommt die H.−influenzae−Infektion gehäuft als Exazerbation bei chronischer Bronchitis

Es handelt sich um haemophile Bakterien, da sie

vor. Seltener sind septische Arthritiden, Osteomye−

für ihre Vermehrung Wachstumsfaktoren benöti−

litis und Perikarditis. Dringt der Erreger in das

gen, die im Blut vorkommen. Klinisch relevant sind die Arten H. influenzae, die in der Mundhöhle als

Schleimhautepithel des Nasopharynx ein oder ge−

Kommensalen vorkommenden Arten H. parainfluen−

tem, so droht nach der Septikämie eine Meningitis.

zae, H. aphrophilus und H. paraphrophilus sowie der Erreger des Ulcus molle (s. S. 324), H. ducreyi.

winnt er anderweitig Zugang zum Blutgefäßsys−

MERKE

Die Meningitis ist die häufigste H.−influenzae− Erkrankung! Schließlich soll noch auf die bakterielle Konjunkti− vitis aufmerksam gemacht werden, die auf einer exogenen Infektion vor allem durch H. influenzae oder Pneumokokken beruht. Diagnostik y Für die Diagnostik verwendbare Pa− tientenmaterialien erhält man aus Rachenabstrich, Pus aus Nebenhöhlen oder Mittelohr, Sputum, Bronchiallavage, Blutkultur, Liquor oder Konjunkti− valabstrich.

Abb. 2.19

Grampräparat von Haemophilus influenzae

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

61

Praxistipp Die Patientenmaterialien müssen schnell in das mikrobiologische Labor transportiert werden, da der Erreger auf die Anwesenheit spezifischer Wachstumsfaktoren angewie− sen ist. Die mikroskopische Untersuchung von primär ste− rilen Materialien erlaubt aufgrund des Nachweises zarter, pleomorpher Stäbchen (z. T. kokkoid) bereits eine erste Verdachtsdiagnose. Für die Antigen− schnelldiagnostik aus Liquor steht ein (Latex−)Ag− glutinationstest zur Verfügung, dessen Ergebnis aber durch die Kultur bestätigt werden sollte. EXKURS

Abb. 2.21 Faktorentest zur Differenzierung von Haemophi− lus−Arten. In diesem Beispiel handelt es sich um H. influen− zae. Nur um das Blättchen mit beiden Faktoren (X und V) erkennt man ein Bakterienwachstum.

beschickt wurden. Durch die Diffusion der Faktoren

nomen Das Ammenpha

in den Agar lässt sich das Hämin/NAD−abhängige

Fu r den kulturellen Nachweis ist zu beachten, dass H. influenzae fu min und NAD oder r sein Wachstum Ha NADP beno tigt; beide Faktoren stehen auf Kochblut−

Wachstum von H. influenzae sicher feststellen (Abb. 2.21).

agar aufgrund der thermisch induzierten Erythrozy−

chemisch durch die Bunte Reihe“ untermauert

tenlyse zur Verfu gung. In einfachem Blutagar steht H. influenzae zwar freies Ha min zur Verfu gung, er kann

werden.

aber nur in der Na he solcher Bakterien wachsen, die ihm auch NAD liefern. Dieses so genannte Am− menphänomen“ ist besonders bei Kokultivierung mit S. aureus gut sichtbar (Abb. 2.20).

Gegebenenfalls kann das Ergebnis zusätzlich bio−

Haemophilus ducreyi Dieses Bakterium zeigt ähnliche mikrobiologische Eigenschaften wie H. influenzae, unterscheidet sich aber von diesem durch unterschiedliche Stoffwech− selleistungen. Es benötig als Wachstumsfaktor le− diglich Hämin.

Beim Faktorentest werden Blättchen auf Agarplat− ten gebracht, die separat mit den H.−influenzae−spe−

Vor allem in den Ländern des Südens und bei Pro− miskuität kommt die durch diesen Erreger verur−

zifischen Wachstumsfaktoren (X− und V−Faktoren)

sachte Geschlechtskrankheit Ulcus molle (weicher Schanker, s. S. 324) vor: Die meist im Genitalbe− reich lokalisierten schmerzhaften Ulzera sind sehr weich; die regionalen Lymphknoten sind geschwol− len und ebenfalls von weicher Konsistenz. Die Keimanzucht gelingt nur auf Spezialmedien.

Pseudomonaden Pseudomonaden stellen eine Familie aus mehreren Gattungen dar, wobei Pseudomonas, Burkholderia und Stenotrophomonas von besonderer klinischer Relevanz sind. Es handelt sich um ubiquitär, vor al− lem in Feuchtbiotopen vorkommende, gramnegati− ve Stäbchenbakterien. Aufgrund ihres strikt aero− Abb. 2.20 Ammentest zum Nachweis von H. influenzae. Nur in der Umgebung des S.−aureus−Impfstrichs kann H. influenzae in Form kleiner glasiger Kolonien wachsen.

ben Wachstums kommt es bei Kontamination von Flüssigkeiten zur oberflächlichen Kahnhautbildung.

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Tabelle 2.19

Laborblatt Pseudomonaden GRAM

negative Stäbchen

O2−Toleranz

bisher: strikt aerob neu: durch Denitrifikation ist auch ein anaerobes Wachstum möglich

Kapsel



Kultur

Kahnhaut auf Flüssignährmedien Pigmentbildung auf bestimmten Fest− nährmedien

Oxidase

positiv

Beweglichkeit

ja

Bemerkungen



Diagnostik

Nonfermenter

Pseudomonaden gehören zu den Nonfermentern, weil sie Glucose nicht fermentativ, sondern nur oxidativ verwerten können. Die medizinisch wichtigste Art der Gattung Pseu− domonas ist Pseudomonas aeruginosa.

Abb. 2.22 Pseudomonas−Infektion bei großflächiger Ver− brennungswunde

sind vor allem die durch P. aeruginosa verursachte Pneumonie, Harnwegsinfektion mit nachfolgender

Praxistipp Im klinischen Alltag stellen besonders Beat− mungsgeräte und Inhalatoren auf Intensiv− stationen eine Quelle für Infektionen durch diesen Erreger dar. Darüber hinaus können kontaminierte Augentropfen, Luftbefeuch− ter, Waschbecken und Wasser in Blumenva− sen Ausgangspunkt für eine Infektion sein. Aus diesem Grund sind z. B. Blumen in Räu− men mit abwehrgeschwächten Patienten tabu. Pseudomonaden sind wichtige Erreger nosokomia− ler Infektionen. Die der Gattung Stenotrophomonas zugehörige Art Stenotrophomonas maltophilia weist im Vergleich zu P. aeruginosa noch häufiger Multi− resistenzen auf und ist deshalb in dieser Hinsicht besonders gefürchtet.

Pyelonephritis und Sepsis zu nennen. Das aerobe Wachstum des Erregers ist wahrscheinlich ein wichtiger Grund dafür, dass eine Wundinfektion mit P. aeruginosa eine typische Komplikation bei großflächigen Verbrennungen (Abb. 22) oder post− operativ darstellt. Muköse Pseudomonaden (d. h. schleimig−wachsen− de Pseudomonaden), insbesondere P. aeruginosa und die der Gattung Burkholderia zugehörige Art Burkholderia cepacia finden sich als Erreger einer Pneumonie bei Patienten mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose). Schließlich muss noch auf die En− dokarditis bei intravenösem Drogenabusus hinge− wiesen werden: Sie kommt dadurch zustande, dass Pseudomonaden im Lumen von nicht entsorgten bluthaltigen Fixernadeln optimale Bedingungen vorfinden. Beim Spritzentausch von einem Drogen− abhängigen auf den nächsten gelangen sie so in die Blutbahn und führen zur Septikämie mit anschlie−

Klinik y Da das Auftreten von P. aeruginosa mit einer

ßender Endokarditis. Diagnostik y Die aerobe, kulturelle Anzucht von

feuchten Umgebung assoziiert ist, steht die nosoko−

Pseudomonaden stellt kein Problem dar. Auf der

miale Infektion, die bei mehrwöchigem Aufenthalt

Oberfläche von flüssigen Nährmedien bildet P.

auf der Intensivstation droht, im Vordergrund. Hier

aeruginosa eine Kahnhaut. Ein hochgradiger Ver−

Pseudomonas aeruginosa

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

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Tabelle 2.20

Laborblatt Legionellen GRAM

Abb. 2.23 bildung

Kultur von Pseudomonas aeruginosa mit Pigment−

negative Stäbchen

O2−Toleranz

aerob

Kapsel



Kultur

Spezialnährböden

Katalase

positiv

Oxidase

variabel

Beweglichkeit

ja

Bemerkungen

Prävention = Wasser auf .608C erhitzen oder sterilfiltrieren

Diagnostik

Antigennachweis aus Urin, Kultur, direkte Fluoreszenz, PCR, Serologie

dacht auf Pseudomonaden ergibt sich auch bereits durch den intensiven Lindenblütenduft und einen metallenen Glanz auf festen Nährmedien. Wegwei− send ist auch die Pigmentbildung (Pyozyanin und

Legionella pneumophila

Fluorescein), die unter geeigneten Bedingungen auf festen Nährmedien zu sehen ist (Abb. 2.23).

Heute sind 14 Serogruppen von L. pneumophila be− kannt, von denen Serogruppe 1 ungefähr für die

Auf Blutagar wächst P. aeruginosa hämolysierend.

Hälfte aller Legionellosen verantwortlich ist. Auch diese gramnegativen Stäbchen sind Umweltbakte−

MERKE

Für die endgültige Identifizierung sind die positive Oxidasereaktion und die Bestimmung der bioche− mischen Stoffwechselleistungen erforderlich. Vor kurzem konnte gezeigt werden, dass Pseudomo− naden mithilfe der Denitrifikation auch unter an− aeroben Bedingungen wachsen können!

rien, die vor allem im Wasser innerhalb von freile− benden Amöben leben. Klinik y Abwehrgeschwächte Menschen können sich durch Inhalation von Wassertröpfchen, beispiels− weise aus kontaminierten Warmwasserleitungen beim Duschen, infizieren. Neben der gefährlichen Legionellen−Pneumonie (s. S. 252) können Legionel− len auch das so genannte Pontiac−Fieber verursa−

Therapie y Pseudomonaden sind in der Regel durch

chen, das in der Regel gutartig verläuft. Nach einer sehr kurzen Inkubationszeit von 5 Stunden bis

eine ausgeprägte Multiresistenz gekennzeichnet, so

maximal 2 Tagen kommt es zu hohem Fieber ohne

dass stets die Anfertigung eines Antibiogramms

pathologischen Röntgenbefund der Lunge. Diese

notwendig ist. Eventuell wirksam sind Cephalospor−

Erkrankung verläuft nach kurzer Zeit meistens

ine 3 b/4 (Ceftazidim), Piperacillin/BLI, Carbape−

selbstlimitierend.

neme, Aminoglykoside (vor allem Tobramycin) und

Diagnostik y Bei der Legionellen−Peneumonie ge−

Fluorchinolone.

Legionella

winnt man respiratorische Materialien, beim Pon− tiac−Fieber Blutkulturen der Patienten. Die anschlie− ßende Diagnostik besteht aus kultureller Anzucht

Legionellen sind gramnegative Stäbchenbakterien,

auf Spezialnährböden, der direkten Immunfluores−

die strikt aerob wachsen. Neben der klinisch rele−

zenz oder der PCR. Der Antigennachweis im Urin

vanten Art Legionella pneumophila gibt es mehr als

(ELISA) weist Legionellen des Serotyps O1 nach. Die

40 weitere Legionellen−Arten, bei denen es sich fast

Serologie ist erst in einem späteren Stadium der

ausschließlich um harmlose Umweltkeime handelt.

Erkrankung sinnvoll und hat eher bestätigenden Charakter.

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

Bordetella

Francisella Die einzige humanpathogene Art ist Francisella tu−

Tabelle 2.21

larensis, die mikroskopisch als zartes gramnegati− ves Stäbchen erscheint. Dieser obligat aerobe Erre−

Laborblatt Bordetella kokkoide, negative Stäbchen

ger kommt vor allem in Amerika und Russland (selten in Europa) in Nagetieren vor.

O2−Toleranz

aerob

Klinik y Er kann durch direkten Tierkontakt, über

Kapsel

ja

Vektoren oder durch kontaminierte Nahrungsmittel

Kultur

Spezialnährböden

auf den Menschen übertragen werden und die

Katalase

B. pertussis = (+)

Hasenpest (Tularämie) verursachen. An der Ein−

Oxidase

B. pertussis = +

trittspforte (vor allem Haut und Schleimhaut)

Beweglichkeit

B. pertussis = nein

entwickelt sich nach einer Inkubationszeit von

Bemerkungen

aktive Impfung

Diagnostik

Kultur, Mikroskopie, PCR, Serologie

ungefähr 5 Tagen eine Läsion, die zusammen mit der Beteiligung des regionalen Lymphknotens als

GRAM

Primärkomplex bezeichnet wird. Nach hämatogener Dissemination mit intermittierendem Fieber können alle Organe sekundär infiziert werden. Der Organbe−

Bordetellen sind strikt aerobe, gramnegative, oft kokkoide Stäbchen. Die einzige klinisch bedeu− tungsvolle Art ist Bordetella pertussis, der Erreger des Keuchhustens (Pertussis, s. S. 241). Die Arten B. parapertussis und B. bronchiseptica verursachen zwar auch Infektionen des tiefen Respirationstrakts, kommen aber sehr viel seltener vor.

fall ist durch kleine, verkäsende Granulome cha− rakterisiert. Die klinische Symptomatik wird vom jeweils betroffenen Organ bestimmt; häufig wird eine Pneumonie beobachtet. Diagnostik und Therapie y Die Diagnostik erfolgt durch kulturellen Erregernachweis, ist schwierig und langwierig (mindestens 10−tägige Bebrütung der Kulturen), so dass meistens ab der 2. Kran−

Bordetella pertussis

kheitswoche die serologische Bestimmung spezi−

Bordetella pertussis wird durch Tröpfcheninfektion

fischer Antikörper zur Diagnosestellung führt. Ther−

übertragen.

apie der Wahl ist die Kombination aus Streptomycin

Klinik y Der Keuchhusten verläuft in drei Stadien:

plus Doxycyclin.

uncharakteristisches Stadium catarrhalis, charakteristisches Stadium convulsivum und Stadium decrementi. Das für den Keuchhusten (Pertussis) typische Sta−

Brucella Brucellen sind pleomorphe, gramnegative, unbe− wegliche Stäbchen, die strikt aerob wachsen und

dium convulsivum ist gekennzeichnet durch stak− katoartige Hustenanfälle mit ziehender Inspiration und Hochwürgen bzw. Erbrechen zähflüssigen, gla− sigen Sekretes. Diagnostik y Der Erregernachweis wird aus einem Transnasalabstrich (nicht Rachenabstrich!) mög− lichst im Stadium catarrhale oder im frühen Stadium convulsivum versucht. Dafür stehen die kulturelle

Tabelle 2.22

Laborblatt Brucellen GRAM

negative Stäbchen

O2−Toleranz

aerob

Kapsel



Anzucht auf Spezialnährböden, die direkte mikros−

Kultur

Blutagar

kopische Immunfluoreszenz oder die PCR zur Verfü−

Katalase

positiv

gung. Oft führt erst die Serologie zur definitiven

Oxidase

variabel

Diagnose.

Beweglichkeit

nein

Bemerkungen

Zoonose, Leberbeteiligung (Granulome)

Diagnostik

Kultur, Serologie

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

jeweils ein spezifisches tierisches Reservoir haben

thogene Bedeutung haben. Zu den in Europa wich−

(Zoonose). Die zwei wichtigsten auch den Men− schen betreffenden Arten sind B. abortus (Rinder)

tigsten gehören insbesondere Bartonella quintana: Erreger des heute extrem

und B. melitensis (Ziegen und Schafe).

seltenen Fünftagefiebers und der bazillären An−

Klinik y Sie rufen den Morbus Bang bzw. das

giomatose, s. S. 411 und

Maltafieber hervor (s. S. 367). In der Regel wird die

B. henselae: Erreger der Katzenkratzkrankheit

Krankheit aber als Brucellose bezeichnet, da die

und

ebenfalls

der

bazillären

Angiomatose,

Symptome nahezu identisch sind. Brucellen gelan− gen bei Kontakt mit infizierten oder erkrankten

s. S. 411. Besonders B. quintana, aber auch B. henselae kön−

Tieren in den menschlichen Körper und rufen eine

nen darüber hinaus Ursache einer Endokarditis

biphasische Erkrankung hervor, die durch folgende

sein.

Phasen charakterisiert ist: Undulierendes Fieber mit Leberbeteiligung (Gra− nulombildung). Oft sind auch Milz und Lymph− knoten beteiligt. Arthritis, evtl. mit Spondylitis und der Gefahr der Chronifizierung. Diagnostik y Der direkte Erregernachweis wird aus den jeweils relevanten Patientenmaterialien durch Anzucht auf nährwerthaltigen Medien versucht, wobei die Kulturen u. U. für mehr als zwei Wochen bebrütet werden müssen. Im fortgeschrittenen Stadium ist die Serologie zuverlässig.

65

Bartonella henselae Dieses Bakterium, das erst seit ca. 1990 bekannt ist und bis 1993 als Rochalimea henselae bezeichnet wurde, gehört zu den new emerging pathogens“. Insbesondere junge Katzen gelten als Reservoir und können den Erreger u. U. über Monate symp− tomlos im Blut mit sich tragen (Persistenz inner− halb der Erythrozyten). In Deutschland sind mehr als 10 % aller Katzen seropositiv. Klinik y Die durch B. henselae ausgelösten Erkrankun− gen des Menschen sind von seinem Immunstatus abhängig. Während es bei immunkompetenten Individuen vor allem zur Katzenkratzkrankheit und

Bartonellen Bartonellen sind gramnegative, fakultativ intrazel− lulär wachsende Stäbchenbakterien, deren Anzucht auf unbelebten Nährböden unter mikroaerophilen Bedingungen gelingt. Sie gehören zur so genannten Alpha−Subdivision der Proteobakterien, von denen die Brucellen die größte verwandtschaftliche Bezie− hung zeigen. Die Gattung Bartonella umfasst über 15 Spezies, von denen mehr als 5 eine humanpa−

zur Bakteriämie mit nachfolgender Endokarditis kommen kann, stellt die bazilläre Angiomatose das wichtigste klinische Korrelat der B.−henselae−Infek− tion des Immunsupprimierten dar. Bakteriämien und Endokarditiden sowie Manifestationen an an− deren Organen (ZNS, Knochen, Lunge) kommen selten vor. Die Katzenkratzkrankheit (cat scratch disease“) ist eine Krankheit vor allem von immunkompe− tenten Kindern und Jugendlichen. Nach einer

Tabelle 2.23

Kratz− oder Bissverletzung durch eine Katze ent− steht nach einer Inkubationszeit von 3–5 Tagen

Laborblatt Bartonellen GRAM

negative Stäbchen

O2−Toleranz

mikroaerophil

Kapsel



Kultur

lange Replikationszeit auf unbelebten Nährböden

Beweglichkeit

ja

Bemerkungen

fakultativ intrazelluläres Wachstum

Diagnostik

Serologie, PCR, Kultur, besser Anzucht in Zellkultur

an der Eintrittspforte eine kleine Papel, die in− nerhalb von 2 Wochen abheilt. Nach einem In− tervall von 7–50 Tagen kommt es im regionalen Lymphabflussgebiet zur meist schmerzlosen, weichen

Lymphknotenschwellung.

Insgesamt

kann die Krankheit als gutartig und selbstlimi− tierend bewertet werden. Die bazilläre Angiomatose ist eine vaskuloproli− ferative Krankheit, die dem Kaposi−Sarkom ähn− lich sieht und fast nur bei stark Immunsuppri− mierten (z. B. AIDS) vorkommt. Sie manifestiert

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Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

sich als kutane Form mit lividen, stecknadel−

Tabelle 2.24

kopfgroßen Papeln, aus denen sich Knoten und Tumore entwickeln. Die parenchymatöse Form

Laborblatt Campylobacter und Helicobacter

betrifft den Gastrointestinaltrakt, die Milz und

GRAM

negative Stäbchen

O2−Toleranz

mikroaerophil

Kapsel



Leber sowie Herz, Lunge und Knochenmark. Ent− sprechend vielfältig sind die Symptome (Hautlä− sionen, Lymphadenopathien und Abdominalbe− schwerden mit Fieber). Das histologische Korrelat der Erkrankung besteht im Wesentli− chen in kapillären Gefäßproliferationen.

Kultur

Spezialmedien erforderlich

Katalase

positiv

Oxidase

positiv

Diagnostik y Die Diagnose der Katzenkratzkrankheit

Beweglichkeit

ja

wird in erster Linie durch Serologie (Immunfluo−

Bemerkungen



reszenztest) gestellt. Alternativ kommt die PCR aus

Diagnostik

Campylobacter: Kultur mit biochemischer Differenzierung; Serologie bei Folgekrank− heiten (Arthritis, GBS) Helicobacter: Magenbiopsie mit Ureasetest, Kultur, PCR; Serologie oder Atemtest für Verlaufsmonitoring

Gewebebiopsien in Frage. Die Anzucht des Erregers gelingt zwar auf angereicherten Nährböden, erfor− dert aber unter mikroaerophilen Bedingungen (5 % CO2) bei Direktanzucht aus klinischen Materialien mindestens 2 Wochen, bevor erste Kolonien sichtbar sind. Die Zellkultur ist zwar sensitiver, aber ebenfalls langwierig. Therapie y Die Katzenkratzkrankheit muss nur selten

Die Übertragung auf den Menschen kann durch kontaminierte Lebensmittel oder Trinkwasser so− wie durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch

antibiotisch behandelt werden und wird dann mit

erfolgen. C. jejuni verursacht nach oraler Aufnahme

dem neueren Makrolid Azithromycin für 5 Tage

von nur 500 Bakterien innerhalb von 2–7 Tagen

behandelt. Azithromycin oder Clarithromycin für 2– 4 Wochen sind auch Mittel der Wahl bei der

mit kolikartigen Schmerzen und hohem Fieber. Als

bazillären Angiomatose; beim stark Immunsuppri− mierten muss die Therapie auf mindestens 2 Monate ausgedehnt werden. Alternativ zu den neueren Makroliden kommen Erythromycin, Doxycyclin und Chinolone in Betracht. Bei schweren Verläufen hat sich die Kombination aus Doxycyclin und Rifampicin als wirksam erwiesen.

Campylobacter und Helicobacter Campylobacter Die Bakterien der Gattung Campylobacter stehen den Vibrionen nahe. Es handelt sich um gramnega− tive, S−förmige, spiralig−gekrümmte Stäbchen, die nur unter strikt mikroaerophilen Bedingungen wachsen. Die für den Menschen wichtigsten Arten sind die Enteritis−Erreger C. jejuni und C. coli. Au− ßerdem sei noch C. fetus erwähnt, ein Erreger ver− schiedener fieberhafter Krankheitsbilder (Sepsis, Karditis, Athritis, septischer Abort, Meningitis). Campylobacter kommt vor allem bei Geflügel, aber auch bei Schafen, Kühen, Schweinen, Hunden und Katzen vor.

eine schwere wässrige bis blutige Gastroenteritis Folgekrankheiten können eine reaktive Arthritis und ein Guillain−Barr−Syndrom entstehen. Die Dia− gnostik erfolgt kulturell und ggf. – bei Folgekrank− heiten – serologisch.

Helicobacter Ebenso wie Campylobacter stehen auch die Bakte− rien der Gattung Helicobacter den Vibrionen nahe. Auch sie sind gramnegative, S−förmige, manchmal spiralige Stäbchen, die nur unter strikt mikroaero− philen Bedingungen wachsen. Einziger Wirt ist der Mensch. Die Kolonisation der Magenschleimhaut mit H. py− lori kann zur chronischen Typ−B−Gastritis (im Ma− genantrum lokalisiert) führen, auf deren Boden sich ein Ulcus duodeni et ventriculi oder sogar ein Ade− nokarzinom des Magens entwickeln kann (s. S.188). Die Helicobacter−Kolonisierung sollte initial stets gastroskopisch und bioptisch gesichert werden, wobei aus den Magenbiopsien neben der kulturel− len Anzucht oder dem PCR−Nachweis des Erregers auch ein Urease−Schnelltest möglich ist. Für das

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

Therapiemonitoring stehen ein Atemtest sowie se−

Klinik y Voraussetzung für eine Infektion ist eine

rologische Verfahren zur Verfügung.

Disintegrität der Haut− oder Schleimhautbarriere, z. B. durch Mikrotraumata oder Wunden (Haut),

Bacteroidaceae

bzw. durch Perforation (Darmschleimhaut). Die

67

Folge können demzufolge eine Wundinfektion mit Tabelle 2.25

stinkender, nekrotisierender Abszessbildung sowie eine Appendizitis oder Peritonitis mit Bildung eines

Laborblatt Bacteroidaceae GRAM

negative Stäbchen

Retroperitonealabszesses sein, die bei Einbruch in die Blutbahn zur Sepsis mit anschließendem Hirn−

O2−Toleranz

strikt anaerob

abszess führen können. Fast allen diesen Erkrankun−

Kapsel

nur einige Arten

gen liegt eine Mischinfektion zugrunde, an der

Kultur

anaerob, mindestens 3 Tage bebrüten

neben Bakterien der Bacteroidaceae−Familie auch

Katalase

negativ

fakultativ anaerobe bzw. aerobe Erreger (z. B. Sta−

Oxidase

negativ

phylokokken) beteiligt sind (s. auch Aktinomykose,

Beweglichkeit

nur wenige Arten

S. 285). Geht die Bacteroidaceae−Infektion vom Ur−

Bemerkungen

Die Familie wird in folgende Gattungen unterteilt: – Bacteroides – Prevotella – Porphyromonas – Fusobacterium

ogenitaltrakt aus, kann ein Tuben−, Ovarial− oder Douglasabszess die Folge sein. In der Schwan−

Diagnostik

anaerobe Kultur mit biochemischer Diffe− renzierung, Gaschromatographie

gerschaft können diese Anaerobier bei vorzeitigem Blasensprung Erreger einer gefährlichen Puerperal− sepsis sein. Diagnostik y Die Diagnose von Infektionen mit Bakteriodaceae erfolgt durch direkten kulturellen Erregernachweis.

Die Familie Bacteroidaceae besteht aus gramnegati− ven, pleomorphen Stäbchenbakterien, die obligat anaerob wachsen, weil sich beim Abbau von Sauer−

Praxistipp

stoff die für sie toxischen Hydroperoxid−Radikale

Es ist darauf zu achten, dass das Patienten− material unter anaeroben Bedingungen zum Labor transportiert wird und die Bakterien dort ebenfalls ohne Sauerstoffzufuhr für mindestens drei Tage (langsames Wachs− tum) kultiviert werden. Erst anschließend ist eine biochemische Differenzierung möglich.

aufgrund des Fehlens des Enzyms Superiod−Dismu− tase anreichern. Die Familie der Bacteroidaceae besteht aus den Gattungen Bacteroides, Prevotella, Porphyromonas und Fusobacterium, deren Arten vorwiegend als normale Kommensalen zur Haut− und vor allem Schleimhautflora des Menschen gehören. Für die Pathogenese der Bacteroidaceace−Infektion

Zusätzlich kann der gaschromatographische Nach−

ist von Bedeutung, dass Bakterien dieser Familie

weis organischer Säuren (Endprodukt bestimmter

zusammen mit anderen Anaerobiern die weitaus

Stoffwechselleistungen) zur Differenzierung dieser

häufigsten Kommensalen der Darmflora darstellen.

Anaerobier durchgeführt werden.

MERKE

Bakterien der Bacteroidaceae−Familie machen mehr als 90 % der Stuhlflora aus und sind Ursache für den typischen Fäkalgeruch durch die Produkti− on bakterieller Abbauprodukte. Infektionen mit diesen Bakterien sind daher in der Regel endoge− ner Natur (außer bei den sehr seltenen Bisswun− den).

Therapie y Bei einem Abszess sollte eine chirurgische Spaltung angestrebt werden, um Sauerstoff zuzu− führen und die Keimlast durch Drainage zu verrin− gern. Therapeutisch sind Metronidazol, Clindamycin sowie Penicillin (meist kombiniert mit einem b− Laktamase−Inhibitor),

bestimmte

Cephalosporine

(Cefoxitin) und Carbapeneme (Imipenem) wirksam. Aminoglykoside zeigen keine Wirksamkeit. Die Kenntnis dieses Wirkungsprofils erübrigt meistens eine Resistenztestung.

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68

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie

2.4.5 Schraubenbakterien (Spirochäten) Tabelle 2.26

Laborblatt Spirochäten GRAM

negative Schraubenbakterien (Spirillen)

Kapsel



Kultur

T. pallidum: nicht möglich T. vincentii: nicht möglich B. burgdorferi: mikroaerophil L. interrogans: aerob

Beweglichkeit

ja

Bemerkungen



Diagnostik

vor allem Serologie, ggf. PCR und (Dunkelfeld−)Mikroskopie, ggf. Kultur (Borrelien und Leptospiren)

Die Schraubenbakterien werden auch in der Ord− nung Spirochaetales bzw. Spirochäten zusammen−

Abb. 2.24 Mikroskopisches Präparat von Treponema palli− dum (Pfeile)

der Schleimhaut der Mundhöhle des gesunden Menschen vor. Nur wenige dieser Spezies können in vitro angezüchtet werden. Von klinischer Bedeu−

gefasst. Es sind zarte, gewundene, gramnegative

tung sind vor allem Treponema pallidum, T. vincen−

Stäbchen, die spezielle Anforderungen an den

tii (Koerreger der Angina Plaut−Vincenti) und T. ca− rateum (Erreger der Pinta).

Nährstoffbedarf haben oder sich sogar gar nicht auf unbelebten Nährböden anzüchten lassen. Sie bewe−

T. pallidum lässt sich weiter unterteilen in die Sub−

gen sich durch Rotation um ihre eigene Achse (Kor−

spezies T. pallidum ssp. pallidum (Erreger der Sy−

kenzieher−Prinzip) und werden in zwei Familien

philis), T. pallidum ssp. endemicum (Erreger des Be− jel bzw. der endemische Syphilis) und T. pallidum

eingeteilt: Spirochaetaceae mit den klinisch wichtigen Gat− tungen Treponema und Borrelia,

ssp. pertenue (Erreger der Frambösie). Hier sollen

Leptospiraceae, die nur aus der Gattung Lepto−

dum ssp. pallidum und T. vincentii besprochen wer−

spira besteht.

den

MERKE

Die von Schraubenbakterien hervorgerufenen Krankheiten verlaufen in der Regel bi− oder tripha− sisch nach einem fast identischen Schema: Stadium I = lokale Infektion, Stadium II = Dissemination, Stadium III = Persistenz.

nur die in Deutschland relevanten Spezies T. palli−

Treponema pallidum Klinik y T. pallidum ist der einzige Erreger der Syphilis (Synonym = Lues, S. 315), weswegen es sich um eine spezifische Infektionskrankheit“ handelt. Die Über− tragung des Erregers erfolgt durch Geschlechtsver− kehr. Die Krankheit verläuft in drei Stadien, die durch folgende Schlüsselsymptome charakterisiert sind:

Treponemen

Stadium I (lokale Infektion): Primärkomplex = hartes schmerzloses Ulkus an der Eintrittspforte

Treponemen sind zarte, gramnegative Spirillenbak−

mit Beteiligung der regionalen Lymphknoten.

terien, die aufgrund ihres geringen Durchmessers und schlechter Anfärbbarkeit nach GRAM im nor−

Stadium II (Dissemination): Dissemination des

malen Lichtmikroskop jedoch kaum zu sehen sind (Abb. 2.24).

Enanthem sowie generalisierter Lymphknoten− schwellung. Eventuell sind Condylomata lata im

Aus diesem Grund werden andere Färbe− bzw. mik−

Genital− oder Analbereich nachweisbar.

roskopische Nachweisverfahren eingesetzt. Einige

Stadium III (Persistenz): Entwicklung einer Neu−

Treponema−Spezies kommen als Kommensalen auf

rolues mit progressiver Paralyse und Tabes dor−

Erregers mit generalisiertem Exanthem und

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2 Allgemeine Bakteriologie

Systematik der Bakterien

salis sowie Gummata und Gefäßschäden – vor

Die Erreger des Rückfallfiebers werden im Rahmen

allem des Aortenbogens. Die konnatale Syphilis ist das Ergebnis der diapla−

dieses Kurzlehrbuchs jedoch nicht weiter behan− delt, weil sie in Europa keine besondere Rolle spie−

zentaren Übertragung des Erregers (vor allem im

len.

letzten Trimenon) und führt zum Fruchttod oder manifestiert sich als Früh− oder als Spätform. Letz− tere ist erst im späteren Lebensalter manifest und zeigt Symptome wie Tonnenzähne, Keratitis und Innenohrschwerhörigkeit (= Hutchinsonsche Trias) sowie eine Säbelscheidentibia und Sattelnase. Diagnostik y Sie beruht auf der Dunkelfeldmikrosko− pie und serologischen Verfahren mit spezifischen (TPHA, FTA−ABS, IgM−Nachweis) und unspezifischen Testverfahren (VDRL−Test).

69

Borrelia burgdorferi Als B. burgdorferi sensu lato bzw. B.−burgdorferi− Komplex werden die folgenden 3 Arten mit insge− samt 7 Serovaren bezeichnet: B. burgdorferi sensu stricto = OspA−Serovar 1, B. afzelii = OspA−Serovar 2, B. garinii = OspA−Serovar 3–7. Seltener kommen B. valaisiana, B. lusitaniae und B. spielmani als Erreger der Borreliose vor. Diese Arten werden von Schildzecken (vor allem Ixodes ricinus) vom tierischen Reservoir (besonders Rehe und Na−

Treponema vincentii

getiere) auf den Menschen übertragen.

Klinik y Diese Spezies kann u. U. zusammen mit

Klinik y Sie rufen die Borreliose (s. S. 376), auch als

Fusobacterium nucleatum die so genannte Angina

Lyme−Borreliose bezeichnet, hervor. Die Borreliose

Plaut−Vincenti hervorrufen, die deshalb auch als Fusotreponematose (s. S. 236) bezeichnet wird.

verläuft – ähnlich wie die Syphilis – in drei Stadien, die durch folgende Schlüsselsymptome charakter−

Beide Bakterienarten gehören zur normalen Mund−

isiert sind:

flora, so dass es sich bei dieser Erkrankung stets um

Stadium I: Erythema migrans,

eine endogene, nicht−ansteckende Krankheit han−

Stadium II: Meningoradikulitis Bannwarth oder

delt.

aseptische Meningitis, oft mit Facialisparese,

Diagnostik y Da die Treponemen nicht angezüchtet

Karditis,

werden können, beruht die Diagnose auf der

Stadium III: Lyme−Arthritis, Acrodermatitis chro−

Mikroskopie eines Rachenabstrichs (Fuchsinfär− bung).

nica atrophicans. Diagnostik y Die Diagnose wird in der Regel durch die Serologie gesichert. Die PCR eignet sich für den

Borrelien

direkten Erregernachweis.

Borrelien sind mikroaerophile, zarte, gramnegative Schraubenbakterien, die sich durch Rotation und

Leptospiren

den Besitz von Flagellen bewegen. Sie lassen sich

Leptospiren sind obligate Aerobier und gehören

nach Giemsa anfärben oder können – wie die Tre−

aufgrund ihrer gramnegativen, spiraligen Gestalt

ponemen – im Dunkelfeldmikroskop dargestellt werden.

auch zu den Spirochäten. Im Gegensatz zu Trepo− nemen und Borrelien sind sie an den Enden gegen−

Wir unterscheiden zwischen drei durch Borrelien

sätzlich abgebogen (Abb. 2.25). Als einzige human−

verursachte Erkrankungen des Menschen. Die wichtigste ist die Borreliose, die durch die

medizinisch bedeutsame interrogans bekannt.

Arten Borrelia burgdorferi (sensu stricto), B. gari− nii und B. afzelii hervorgerufen wird und in der nördlichen Erdhäfte vorkommt (s. S. 376). Darüber hinaus seien noch das epidemische (Läuse−)Rückfallfieber (Erreger ist B. recurrentis) und das endemische (Zecken−)Rückfallfieber (Erreger sind B. duttonii, B. hermsii u. a.) zu nennen.

Art

ist

Leptospira

Leptospira interrogans Die Art L. interrogans besteht aus mehr als 150 Se− rovaren, von denen die Serovare icterohaemorrha− giae und pomona am häufigsten sind. Klinik y Die Leptospirose (s. S. 368) ist eine (Anthro− po−)Zoonose: Ihr natürliches Reservoir sind Nage− und Haustiere, die den Erreger mit dem Urin ausscheiden. Der Mensch kann sich durch Kontakt

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70

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie Mykoplasmen Tabelle 2.27

Laborblatt Mykoplasmen GRAM

Abb. 2.25

O2−Toleranz

mikroaerophil, anaerob

Kapsel



Kultur

Spezialnährböden

Bemerkungen



Diagnostik

M. pneumoniae: vor allem Serologie ggf. PCR ggf. Kultur

Leptospiren

mit dem Urin über Mikrotraumen in seiner Haut/ Schleimhaut infizieren. Die ikterische Leptospirose (Morbus Weil) ist eine biphasische Krankheit: Stadium I: plötzlicher Fieberanstieg auf bis 40oC, Kopfschmerzen und Myalgien. Stadium II: Hepatitis und Nephritis sowie Haut− effloreszenzen als Zeichen einer generalisierten

zellwandlose Bakterien mit variabler Form

MERKE

Mykoplasmen sind Bakterien, die keine vollständi− ge Zellwand besitzen, weil ihnen die Murein− schicht fehlt. Ihre Zellmembran enthält Cholesterol, das sonst eigentlich nur in eukaryon− tischen Zellen vorkommt.

Vaskulitis, eventuell können auch eine Meningi−

Das Fehlen einer richtigen Zellwand bewirkt, dass

tis und eine Pneumonie entstehen.

Mykoplasmen leicht verformbar sind und deshalb

Als anikterische Leptospirose wird eine milder ver− laufende Infektion ohne Leberschädigung bezeich−

auch bakteriendichte“ Filter passieren und bei− spielsweise Zellkulturen kontaminieren können.

net. Leptospiren werden auch beim Menschen mit dem Urin ausgeschieden.

Zellwandwirksame Antibiotika (b−Laktamantibioti−

Diagnostik y Sie beruht vor allem auf der Serologie;

Wirt. Außerhalb des menschlichen Körpers gehen

der kulturelle Nachweis der Leptospiren aus Blut

sie aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegen Umwelt−

oder Liquor (1. Krankheitswoche) oder Urin (ab 2.

einflüsse schnell zugrunde.

Krankheitswoche) ist langwierig und schwierig.

Innerhalb der Familie der Mykoplasmen sind die

2.4.6 Zellwandlose Bakterien

Gattungen Mycoplasma und Ureaplasma human− medizinisch bedeutsam. Im menschlichen Körper

ka) sind ohne Wirkung. Der Mensch ist der einzige

Medizinisch bedeutsame Bakterien ohne Zellwand werden in einer einzigen Familie, den Mycoplasma−

kommen einige Arten als Bestandteil der Normal−

taceae, zusammengefasst. Mykoplasmen sind die

buccale in der Mundhöhle oder M. hominis im

kleinsten, außerhalb von Zellen vermehrungsfähi−

Darm). Für klinische Manifestationen beim Men−

gen Bakterien. Aufgrund ihres kleinen Genoms die−

schen sind einerseits M. hominis und Ureaplasma

nen sie als Modell für das Verständnis um die min− destens erforderliche Genausstattung autonomer

ureolyticum als Erreger einer Infektion des Urogeni−

Mikroorganismen. Dabei sind Mykoplasmen streng genommen nicht autonom, sondern sie parasitie− ren, weil sie bestimmte Komponenten (z. B. Choles− terol) nicht selbst bilden können, sondern vom Wirt benötigen.

flora auf den Schleimhäuten vor (z. B. Mycoplasma

taltrakts, andererseits M. pneumoniae als Erreger einer interstitiellen Pneumonie von Bedeutung.

Mycoplasma pneumoniae Diese zellwandlose Bakterienspezies kann durch Tröpfcheninfektion vor allem bei Kindern und Ju− gendlichen eine fiebrige, interstitielle Pneumonie mit trockenem, unproduktivem Reizhusten hervor−

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2 Allgemeine Bakteriologie rufen. Dabei sind Auskultations− und Perkussions− befund meistens relativ unauffällig (= atypische Pneumonie). Folge der Mykoplasmen−Pneumonie

Systematik der Bakterien

71

Chlamydiaceae Tabelle 2.28

kann eine reaktive Arthritis sein. Die Diagnose wird meistens serologisch geführt, alternativ kann auch

Laborblatt Chlamydiaceae

die PCR aus respiratorischen Materialien wegwei−

GRAM

negative, obligat intrazelluläre Bakterien

send sein.

Kapsel



Kultur

nur Zellkultur möglich

Diagnostik

PCR Mikroskopie Serologie ggf. Zellkultur

Ureaplasma ureolyticum Ureaplasmen können beim Gesunden als Bestand− teil der Normalflora im Urogenitalbereich vorkom− men. Welche Bedeutung sie als Erreger einer Ure− thritis und einer Prostatitis haben, ist nicht abschließend geklärt. Klinisch bedeutsam ist jedoch die intrauterine In−

Bakterien der Familie Chlamydiaceae sind eigent−

fektion mit U. ureolyticum, die zu Abort und

lich gramnegativ, doch fehlt ihrer Zellwand die

Frühgeburt führen kann. Bei perinataler Infektion

Peptidoglykanschicht. Es sind so genannte Energie−

kann U. ureolyticum zu Pneumonie, Sepsis und Me−

parasiten, weil sie ATP aus der Wirtszelle benöti−

ningitis des Neugeborenen führen.

gen, um sich vermehren zu können. Chlamydiaceae

Da M. hominis zur normalen Darmflora gehört, kann auch dieser Keim aufgrund der anatomischen

kommen in zwei Formen vor: Elementarkörperchen sind metabolisch nahezu

Nähe zu Anal− und Urogenitalregion zu einer Harn−

inaktive Dauerformen. Sie sind umweltstabil

wegsinfektion führen.

und daher für die Übertragung auf den Men−

Der Nachweis von Ureaplasmen und M. hominis

schen und die Invasion in empfängliche Wirts−

wird kulturell geführt, wobei Spezialnährmedien

zellen verantwortlich.

erforderlich sind.

Retikular− oder Initialkörperchen vermehren sich als metabolisch aktive Form innerhalb so ge−

2.4.7 Obligat intrazelluläre Bakterien Die obligat intrazellulären Bakterien wurden früher irrtümlich den Viren zugerechnet, weil sie nicht

nannter Einschlusskörperchen in der Wirtszelle. Nach intrazellulärer Vermehrung kommt es schließlich wieder zur massenhaften Umwandlung

auf synthetischen Nährmedien angezüchtet werden

in Elementarkörperchen, so dass nach Freisetzung

konnten. Molekularbiologische Sequenzvergleiche

bzw. Zellruptur neue Zellen infiziert werden kön−

sowie der Umstand, dass alle der nachfolgenden

nen.

Erreger DNA und RNA besitzen, belegen bereits seit

Die Familie Chlamydiaceae wird in die beiden Gat−

längerer Zeit eindeutig ihre Zuordnung zu den Bak−

tungen Chlamydia mit der medizinisch wichtigen

terien. Die nachfolgenden Bakterien sind zwar auf− grund ihres Zellwandaufbaus prinzipiell gramnega−

Spezies C. trachomatis und in die Gattung Chlamy− dophila mit den klinisch relevanten Arten C. psitta−

tiv, ihre geringe Größe und intrazelluläre Lagerung

ci und C. pneumoniae unterteilt.

lassen den mikroskopischen Nachweis im Gram− präparat jedoch schwierig gestalten. Der klinische Verdacht auf einen der intrazellulären Erreger muss daher dem Labor mitgeteilt werden, damit entspre− chende diagnostische Verfahren (z. B. PCR, Spezial− färbungen oder Anzucht in Zellkulturen) zu ihrem Nachweis eingesetzt werden können. In der Medizin werden Chlamydien und Rickettsien

Chlamydia trachomatis Einziger natürlicher Wirt von C. trachomatis ist der Mensch. Die Übertragung des Erregers von Mensch zu Mensch ist vom Serovar abhängig. C. trachoma− tis lässt sich in mehrere Serovare unterteilen, die jeweils charakteristische klinische Manifestationen auslösen (Tab. 2.29).

als die beiden wichtigsten Familien der obligat intrazellulären Bakterien angesehen.

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72

Systematik der Bakterien

2 Allgemeine Bakteriologie Rickettsiaceae

Tabelle 2.29 Serovare von Chlamydia trachomatis mit entsprechenden klinischen Manifestationen

Tabelle 2.30

Serovare

Klinische Manifestation

Laborblatt Ricketsiaceae

A, B, C

Trachom (Keratokonjunktivitis)

GRAM

negative, obligat intrazelluläre Bakterien

D–K

urogenitale Infektionen, Arthritis, (Ein− schluss−)Konjunktivitis, Neugeborenen− Pneumonie

Kapsel



Kultur

nur Zellkultur möglich

L1–L3

Lymphogranuloma venereum (Geschlechts− krankheit)

Diagnostik

Serologie, Mikroskopie (Giemsa, Immunfluores− zenz), ggf. Zellkultur

Chlamydophila psittaci Diese Art kommt weltweit vor und wurde bis vor kurzem noch der Gattung Chlamydia zugeordnet;

Die Familie Rickettsiacea besteht aus den human−

sie setzt sich aus mehreren Biovaren zusammen. Natürlicher Wirt von C. psittaci sind Vögel, weswe−

medizinisch wichtigen Gattungen Rickettsia, Orien−

gen für die von diesem Bakterium verursachte aty−

tung Rickettsia, Orientia und Ehrlichia handelt es

pische Pneumonie mit Fieber neben dem Begriff Psittakose auch die Begriffe Ornithose oder Papa−

sich um obligat intrazelluläre, gramnegative Stäbchen, die durch Arthropoden auf den Men−

geienkrankheit benutzt werden (s. S. 254).

schen übertragen werden. Die Gattung Coxiella

Chlamydophila pneumoniae

kommt im Menschen zwar auch nur intrazellulär vor, kann aber außerhalb des menschlichen Kör−

Bakterien dieser Art wurden früher nach den Initia− len der Patienten, in denen sie erstmalig nachge− wiesen wurden, als TWAR bezeichnet. Später wur− den sie in die Gattung Chlamydia eingeordnet, um

tia, Coxiella und Ehrlichia. Bei Bakterien der Gat−

pers für längere Zeit auch extrazellulär überleben. Diagnostik: Die Diagnose wird meistens serologisch gestellt.

seit kurzem zusammen mit C. psittaci und anderen

Rickettsia prowazekii

Arten die neue Gattung Chlamydophila zu bilden.

Als Erreger des klassischen Fleckfiebers und stell−

Der Mensch ist der einzig bekannte natürliche Wirt

vertretend für die Fleckfieber−Gruppe soll R. prowa−

dieser Art, von der es nur einen Serotypen gibt.

zekii beschrieben werden. Diese Rickettsien−Art

C. pneumoniae ist Ursache einer atypischen Pneu−

wird durch Kleiderläuse übertragen. Das Fleckfie−

monie, die vor allem Jugendliche betrifft.

ber ist durch die Kombination aus Fieber und dem

Diagnostik der Chlamydiaceae

charakteristischen makulopapulösen Exanthem ge− kennzeichnet.

Die Diagnose wird in Abhängigkeit vom Erreger durch direkten Erregernachweis mithilfe der Im−

Rickettsia rickettsii

munfluoreszenzmikroskopie (C. trachomatis) oder der PCR (alle Arten) geführt. Die Anzucht in Zell−

Stellvertretend für die Zeckenbissfieber−Gruppe soll

kultur ist aufwendig und langwierig und wird da−

R. rickettsii dargestellt werden: Dieser Erreger wird durch Zecken von Nagetieren und Hunden auf den

her nicht routinemäßig durchgeführt.

Menschen übertragen. Die klinischen Symptome sind ähnlich wie die des klassischen Fleckfiebers, außer dass beim Zeckenbiss−Fieber an der Stich−

Praxistipp

stelle eine prominente stark gerötete Läsion nach−

Ergebnisse serologischer Verfahren sind nur z. T. für die Diagnose einer Chlamydien− Infektion geeignet und aufgrund von Kreuz− reaktivitäten ggf. kritisch zu hinterfragen.

weisbar ist.

Orientia tsutsugamutshi Das nur in Asien vorkommende Tutsugamutshi−Fie− ber wird auch als das Japanische Fleckfieber be− zeichnet und durch O. tsutsugamutshi verursacht.

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2 Allgemeine Bakteriologie Der Erreger wird durch Milbenlarven von Nagetie− ren auf den Menschen übertragen. Die Klinik ist ähnlich wie die des Fleckfiebers.

Coxiella burnetii Vor allem Weidetiere wie Rinder, Schafe und Zie− gen stellen das natürliche Reservoir für Coxiellen dar. Der Mensch infiziert sich durch Inhalation er− regerhaltigen Staubes (z. B. eingetrockneter Rinder− dung) und entwickelt dann eine atypische, intersti− tielle Pneumonie ohne Hauteffloreszenzen.

Normalflora des Menschen

Staphylococcus aureus (bei manchen Menschen), apathogene Corynebakterien, aerob: apathogene Mykobakterien (besonders in Kör− perregionen mit vermehrter Schweiß− und Talg− sekretion), anaerob: Propionibakterien, Clostridien (auch C. perfringens), besonders in den Zehenzwischenräumen,

Ehrlichia

Bacteroides spp. Die transiente Hautflora besteht aus den in der

Auch die gramnegativen Ehrlichien (z. B. Ehrlichia

freien Natur vorkommenden Saprophyten (Bakteri−

chaffeensis) vermehren sich obligat intrazellulär in

en, die sich von abgestorbenem organischen Mate−

bestimmten hämatopoetischen Zellen und werden

rial ernähren).

durch Arthropoden (Zecken) auf den Menschen übertragen. Klinisch manifestiert sich die Krankheit ähnlich wie eine Mononukleose mit chronischer Müdigkeit und grippeähnlichen Symptomen (Kopf− schmerzen, Myalgien, Fieber).

73

Propionibacterium acnes Propionibacterium acnes wird bevorzugt in Haarfol− likeln und in Öffnungen der Talgdrüsen vor allem im Gesichts− und Thoraxbereich gefunden. Durch Lipolyse aus Hautlipiden kann P. acnes freie Fett− säuren produzieren, die wiederum antibakteriell

2.5 Die bakterielle Normalflora des Menschen Key Point Der durchschnittliche Mensch (70 kg) besteht aus ca. 1013 Zellen, beherbergt aber 1014 Bakterien (die zusammen jedoch nur 100 g wiegen). Regelmäßig anzutreffende Arten werden als residente Flora bezeichnet, nur vorübergehend auftretende Arten als tran− siente Flora. Viele der Mikroorganismen, die den menschlichen Körper besiedeln, leben mit diesem in Symbiose. Das heißt, dass bei− de voneinander profitieren. Nur ein kleiner Teil der Mikroorganismen spielt überhaupt eine Rolle als Krankheitserreger.

2.5.1 Anatomische Zuordnung der Normalflora Die Hautflora

wirken und dadurch einen limitierenden Faktor für die Kolonisierung der Haut darstellen. Aus diesem Grund trägt P. acnes beim Gesunden zum Gleichge− wicht der Normalbesiedlung bei. Durch Hormone (Androgene), nahrungsmittelbe− dingte, nervöse und eventuell erbliche Einflüsse kann es zu Störungen der Talgproduktion und da− mit zur veränderten Besiedlung mit P. acnes kom− men. Dies wird mit der Pathogenese der Akne in Verbindung gebracht (s. S. 284). MERKE

Propionibacterium acnes schützt die Haut des Ge− sunden vor Überbesiedelung. Bei gestörter Talg− produktion kann P. acnes für die Entstehung von Akne verantwortlich sein.

Der Verdauungstrakt Die Mundflora

Die Haut beherbergt als residente Flora ca. 1000

In der Mundhöhle beträgt die Gesamtkeimzahl im Speichel ca. 108 Keime pro ml.

Keime/cm2. Dazu gehören:

Die residente Mundflora des Erwachsenen besteht

fakultativ anaerob:

aus:

koagulasenegative Staphylokokken und Mikro− kokken,

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Normalflora des Menschen

2 Allgemeine Bakteriologie

fakultativ anaerob:

So beweist z. B. die Anwesenheit von Pneumokok−

kokken,

ken im Rachen noch keine Pneumokokken−Infekti− on. Da nur pathogene Pneumokokken−Stämme eine

koagulasenegativen Staphylokokken,

Kapsel besitzen, im Rachen aber häufig nicht be−

apathogenen Corynebakterien,

kapselte Stämme zu finden sind, gehört zur Diag−

vergrünenden so genannten Viridans−Strepto−

aerob: apathogenen Neisserien, anaerob: Leptotrichia buccalis,

nose ggf. neben dem Keimnachweis auch der Nach− weis von Virulenzfaktoren (Kapsel, Toxine etc.). Die Flora des Oesophagus ist meistens genauso zu− sammengesetzt wie die Flora der Mundhöhle. Der

Aktinomyzeten,

Magen des Gesunden sollte normalerweise steril

Fusobakterien,

sein.

Bacteroides spp., gramnegativen Kokken (Veillonellen), Borrelien und Treponemen, Peptokokken, mikroaerophilen Streptokokken, Laktobazillen. Gewöhnlich in geringer Zahl findet sich die tran− siente Flora, zu der Haemophilus spp., Enterobacteriaceae, Mikrokokken, b−hämolysierende Streptokokken (insbesondere bei Kinder und jüngeren Erwachsenen) und Sprosspilze (insbesondere bei älteren Menschen) gehören. Die meisten Keime findet man auf den Zahnbelä− gen (Plaques enthalten 106 Keime/mg) und im Gin− givalulcus. Neben Bakterien und Pilzen kommen zuweilen auch Protozoen (apathogene Amöben− und Trichomonaden−Arten) im Mund vor. Die Mundflora des Kleinkindes besteht vor allem aus den so genannten (fakultativ) aeroben Arten, während die Anaerobier erst nach der Zahnbildung einwandern. Sie finden im Zahnbelag, besonders bei geringer Zahnpflege, gute Lebensbedingungen und sind wahrscheinlich zusammen mit aeroben Zuckerspaltern an der Genese der Karies beteiligt. Aufgrund der Vielfalt des Keimspektrums im Ra− chenraum ist es oft schwierig, eine Korrelation zwischen nachgewiesenem Keim und klinischer Diagnose zu stellen. MERKE

Nicht jeder nachgewiesene Keim ist ein Erreger; aber jeder Keim im Rachenraum kann zum Erre− ger werden.

Die Darmflora Der Dünndarm des Erwachsenen ist im proximalen Bereich häufig steril, da die Magensäure den größ− ten Teil der verschluckten Keime zerstört. Im Duo− denal− und Gallensaft finden sich in mehr oder we− niger großer Zahl Sprosspilze und häufig auch Bakterien der Gattung Acinetobacter. Im Dünndarm nimmt die Besiedlung nach kaudal immer mehr zu und verschiebt sich von grampositiven Kokken zu gramnegativen Stäbchen. Es findet sich außerdem eine massive Zunahme der Anaerobier und es sind vermehrt

Enterobacteriacaeen

nachweisbar.

Schließlich entspricht die Flora im distalen Bereich des Dünndarms der Besiedelung des Colons. Im Dickdarm des Erwachsenen können 1012 Keime/g Stuhl gefunden werden, wobei der Anteil der Mik− robenmasse am Stuhlgesamtgewicht 25–33 % be− trägt. Die überwiegende Anzahl der Bakterien im Colon gehört zu den Anaerobiern. Zur residenten Darmflora gehören: anaerob: Bacteroidaceae: 40–45 %, Bifidobakterien, Laktobazillen: 40–45 %, Clostridien (z. B. C. perfringens): 1 %, fakultativ anaerob: Escherichia coli: 1–5 %, Enterokokken: 1–5 %, Klebsiella− und/oder Enterobacter−Arten: 1 %. Zur transienten Darmflora gehören: Proteus spp., Pseudomonas aeruginosa, Bacillus spp. und Sprosspilze (z. B. Candida sp.). Beim mit Muttermilch ernährten Säugling kommen die charakteristische Farbe sowie Geruch und Kon− sistenz des Stuhls durch das Überwiegen von Bifi−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Normalflora des Menschen

dobacterium bifidum zustande. Nur in geringer Zahl

Darmdekontamination als Prophylaxe

kommen Enterobakterien, Kokken und Anaerobier vor. Bei der Umstellung auf andere Kost verdrängen

In den meisten Fällen wird die Normalbesiedelung

vor allem die Anaerobier diese Bakterien und über−

wenig beeinflusst. Bei Hochrisikopatienten, wie

nehmen eine Statthalterfunktion, die gleichzeitig

z. B. Immunsupprimierten, kann es jedoch sinnvoll

als Schutz der Schleimhautbarriere zu verstehen ist

sein, zur Infektionsprophylaxe das Keimreservoir

(colonization resistance“).

im Darm selektiv (aerobe Keime und Pilze) oder to−

75

des Körpers durch therapeutische Maßnahmen nur

tal zu eliminieren. Eine derartige Darmdekontami− nation kann durch orale Gabe nicht resorbierbarer Antibiotika wie z. B. Neomycin, Polymyxin B, Am−

Praxistipp Die Zusammensetzung der Flora des menschlichen Körpers hängt auch vom Alter ab. Dieses Phänomen wird Ihnen beim weiblichen Urogenitaltrakt erneut begeg− nen.

photericin B u. a. erzielt werden.

Der Respirationstrakt Die Zusammensetzung der Nasenflora Die residente Flora der Nase setzt sich vor allem aus aeroben bzw. fakultativ anaeroben Bakterien

Gleichzeitig ändern sich durch den Wechsel der Darmflora beim Erwachsenen Aussehen und Ge−

zusammen. Dazu gehören: fakultativ anaerob:

ruch des Stuhls. Den Bacteroides−Arten kommt da−

koagulasenegative Staphylokokken,

bei eine besondere Rolle zu, denn sie produzieren beispielsweise Enzyme, die für den enterohepati−

Staphylococcus aureus (bei vielen Menschen),

schen Kreislauf von bestimmten Hormonen und

vergrünende Streptokokken,

Medikamenten notwendig sind.

Pneumokokken (vor allem Kapseltyp X),

Klinische Bedeutung der Normalbesiedelung des Darmes Die physiologische Darmbesiedlung stellt ein emp− findliches System dar, das durch verschiedene Fak− toren beeinflusst werden kann: Bei Störung des lokalen Milieus (z. B. Änderung der Nahrungsgewohnheiten) kann es zur Dys− biose mit Durchfall kommen. Antibiotikatherapie, besonders mit Clindamycin, kann zur Selektion von Clostridium difficile füh− ren

(siehe

Antibiotika−assoziierte

Diarrhoe,

Pseudomembranöse Colitis, S. 204). Beim Intensivpatienten mit Stressulkusprophy− laxe besteht die Gefahr der Aszension von Erre− gern aus dem Darm in die Luftwege, weil die Barrierefunktion des Magenmilieus fehlt. Hier− bei kann es zur Pneumonie z. B. mit Klebsiella pneumoniae kommen. Bei Darmperforation besteht die Gefahr der le− bensbedrohlichen Peritonitis und Sepsis durch die Keime der Darmflora. Wundinfektionen der unteren Körperhälfe (z. B.

apathogene Corynebakterien,

Haemophilus−Arten, aerob: apathogene Neisserien, Neisseria meningitidis (bei ca. 5 % der Gesun− den). Da die Nase der erste Filter der Atemluft ist, kön− nen dort als Bestandteil der transienten Flora die verschiedensten Mikroorganismen aus der freien Natur vorkommen. MERKE

Die Nasennebenhöhlen sind normalerweise keim− frei.

Trachea, tiefere Atemwege Die Flora der Trachea ist zahlenmäßig gering. Es ist nicht abschließend geklärt, ob nachgewiesene ver− grünende Streptokokken, Neisserien und Haemo− philus−Arten zur Standortflora gehören oder als er− stes Anzeichen krankhafter Veränderung zu werten sind. Beim Gesunden sind die tieferen Atemwege und die Alveolen in der Regel keimfrei.

Dekubitalulkus) sind meistens auf Keime aus der Darmflora zurückzuführen.

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie Der Urogenitaltrakt

MERKE

Die präpubertäre/postmenopausale Vaginalflora

Wie die Flora der Haut schützt auch die Vaginal− flora der geschlechtsreifen Frau vor Infektionen.

Neugeborene Mädchen haben in den ersten Le− benswochen eine Vaginalflora, wie wir sie auch bei der geschlechtsreifen Frau vorfinden. Nach Ver−

Die Flora des äußeren männlichen Genitale

brauch der mütterlichen Östrogene wird die Vagina

Am äußeren männlichen Genitale können folgende

bei alkalischem Milieu für ca. 10 Jahre keimarm. Es

Bakterien angetroffen werden: koagulasenegative Staphylokokken,

kommen vergrünende Streptokokken, Enterokok− ken, apathogene Corynebakterien und Enterobacte−

apathogene Corynebakterien,

riaceae vor. Diese Flora ähnelt der Haut− und Co− lonflora und findet sich auch bei Frauen nach der

Enterokokken,

Menopause.

Mykobakterien (M. smegmatis, Cave: Verwechs−

Enterobacteriaceae in geringer Zahl, lung mit Tuberkelbakterien),

Die Vaginalflora der geschlechtsreifen Frau

Treponemen (T. refringens, Cave: Verwechslung

Überwiegend sind in dieser Lebensphase Laktoba−

mit T. pallidum).

zillen (Döderlein−Stäbchen) zu finden (Abb. 2.26). Nur in geringer Zahl kommen außerdem koagula−

Die Augen

senegative Staphylokokken, vergrünende Strepto−

Die Tränenflüssigkeit hat eine bakterizide Wirkung,

kokken, Enterokokken, Peptococcaceae und Bacte−

so dass die Augenbindehaut in der Regel sehr

roides−Arten vor. Ferner können auch b− hämolysierende Streptokokken, Enterobakterien, Sprosspilze und Trichomonaden in geringer Zahl

keimarm ist. Nur vereinzelt kommen koagulasene− gative Staphylokokken und apathogene Corynebak− terien vor.

vorhanden sein, ohne klinische Erscheinungen zu verursachen. Die pathogene Bedeutung von Gard−

Sterile Bestandteile des menschlichen Körpers

nerella vaginalis ist noch umstritten.

Beim gesunden Individuum sind Blut, Liquor, Urin

Die typische Döderlein−Flora“ findet sich nur bei

und Gewebeflüssigkeit steril.

Frauen im geschlechtsreifen Alter, weil diese Bakte− rien das unter Östrogeneinfluss in der Scheide ge− bildete Glykogen verwerten und es zu Milchsäure abbauen. Sie sind deshalb für das saure Milieu des

2.6 Grundlagen bakterieller Diagnostik

Scheidensekretes (pH 4,0–4,5) verantwortlich und

Key Point

bilden dadurch eine Schutzfunktion zur Abwehr

Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass eine gute Anamneseerhebung bereits zu mehr als 70 % zur Diagnosestellung beitragen kann! Die Medizinische Mikrobiologie kommt zum Einsatz, wenn Anamnese, körperlicher Untersuchungsbefund sowie ggf. Bildgebung und Laborparameter den Verdacht auf eine infektiöse Genese lenken.

aszendierender Infektionen während einer eventu− ellen Schwangerschaft.

In diesem Kapitel werden die Grundlagen der bak− teriellen Diagnostik besprochen. Beachten Sie je− doch, dass alles, was hierbei in der präanalytischen Phase zu beachten ist, auch für nicht−bakterielle Krankheitserreger gilt! Abb. 2.26

Döderlein−Flora im Vaginalabstrich

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

Informationen zur Diagnostik von nicht−bakteriel−

ser nicht bekannt oder nur durch invasive Maßnah−

len Infektionskrankheiten finden Sie in den ent− sprechenden Kapiteln.

men zugänglich, muss auf Untersuchungsmaterial zurückgegriffen werden, in das die Erreger vom In−

77

fektionsherd aus durch hämatogene, lymphogene

2.6.1 Die präanalytische Phase

oder kanalikuläre Aussaat bzw. nach Durchwande−

Für die genaue Diagnose infektiöser Erkrankungen

rung gelangt sind. Dabei sind oft nur indirekte

sind in der Regel medizinisch−mikrobiologische

Rückschlüsse möglich, z. B. wenn durch Kontamina−

Untersuchungen notwendig. Klinik und Epidemio− logie der Erkrankung sowie die Bestimmung allge−

tion mit Mikroorganismen der Normalflora eine Verfälschung des Untersuchungsergebnisses erfolgt

meiner Infektionsparameter wie

ist oder wenn der mögliche Erreger sogar aus dem

Blutsenkungsgeschwindigkeit,

Spektrum der Normalflora stammt.

Fieber,

Grundsätzlich sind flüssige Materialien (Blut, Li−

Blutbild,

quor, Pleura−, Perikard−, Synovialergüsse, Aszites)

Leukozytenzahl,

sowie Eiter und Wundsekrete besser für die Keim−

C−reaktives Protein u. a.

anzucht geeignet als Abstriche, u. a. weil die Pro−

geben erste Hinweise auf das Vorliegen einer be− stimmten Infektion und veranlassen eine mikrobio−

benmenge bei Letzteren oft nur gering ausfällt. Die Materialien sollten aus geschlossenen Prozes−

logische Untersuchung. Differenzialdiagnostisch ist

sen nach gründlicher Hautdekontamination (alko−

jedoch zu bedenken, dass gerade diese Parameter

holisches Desinfektionsmittel, Einwirkzeit fünf Mi−

auch bei Tumorerkrankungen von Bedeutung sind.

nuten) durch Punktion gewonnen werden. Dies gilt

Bei Verdacht auf infektiologische Erkrankungen

auch für die Abnahme von Venenblut für serologi−

sollte stets auch an eine Reiseanamnese gedacht

sche Untersuchungen, da eine bakterielle Kontami−

werden, wenn keine heimischen Erreger für die kli−

nation zum Abbau von Antikörpern in der Patien−

nischen Symptome in Betracht kommen. Die optimale Gewinnung des Untersuchungsmate−

tenprobe führen könnte. Bei intraoperativ gewonnenen Proben (Gewebe, Or−

rials, der sorgfältige Transport zum Labor sowie

gane) ist eine Kontamination wegen der meist un−

die Auswahl geeigneter Typisierungsverfahren sind

wiederbringlichen Natur dieser Materialien ganz

entscheidend für das Untersuchungsergebnis.

besonders zu vermeiden. Sektionsmaterial sollte so bald wie möglich nach Todeseintritt gewonnen werden, da es innerhalb von wenigen Stunden zur

Die Materialgewinnung Praxistipp

Durchwanderung der normalen Flora aus dem Ver− dauungstrakt des Toten kommt. Die Proben dürfen für die bakteriologische Untersuchung natürlich

Bei der Gewinnung des Untersuchungsma− terials muss eine sekundäre Kontamination mit ubiquitär vorhandenen Mikroben ver− mieden werden. Darin unterscheidet sich das grundsätzliche Vorgehen nicht von an− deren aseptisch durchzuführenden medizini− schen Maßnahmen.

nicht in Formalin gegeben werden (die mikrobiolo−

Der Entnahmezeitpunkt sollte vor dem Beginn der

wie für Genital− und Rektalabstriche und natürlich

antiinfektiven Chemotherapie liegen. Ist dies in

für Stuhlproben. Bei diesen lässt sich die reichhalti−

Ausnahmefällen nicht möglich, sollte zumindest

ge Flora des Verdauungstraktes nur zum Teil durch

kein Antibiotikawechsel innerhalb der vergangenen

Anzucht

72 Stunden stattgefunden haben.

Vom Stuhl ist bei geformten Exkrementen eine

Die Probe soll, soweit möglich, direkt vom Ort des

bohnengroße Probe, bei dünnflüssigem Stuhl ca.

infektiösen Geschehens gewonnen werden. Ist die−

1 ml einzusenden. Bezüglich der Einsendung von

gische Untersuchung ist keine pathologisch−histolo− gische Untersuchung!). Mit Ausnahme der physiologischerweise sterilen Nasennebenhöhlen ist bei Materialien aus dem HNO− und Augenbereich eine Kontamination mit Bakterien der Normalflora zu erwarten. Dasselbe gilt auch für Magen−, Duodenal− und Gallensaft so−

auf

Selektivnährmedien

unterdrücken.

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78

Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie Urinproben

siehe

Kapitel

Harnwegsinfektionen

spielen hierfür eine entscheidende Rolle. Für emp− findliche Erreger müssen daher Transportmedien

(S. 309).

verwendet werden, die entweder eine Keimver− MERKE

mehrung schon während des Transports ermögli−

Allgemeine Regeln für die Entnahme von Untersu− chungsmaterial (Präanalytik): Die Entnahme sollte vor jeder Antibiotikathe− rapie erfolgen (in Ausnahmefällen: kein Anti− biotikawechsel in den vergangenen 72 Stunden!), das Material sollte am Ort der Infektion ent− nommen werden, Eiter, Sekrete, Punktate, Biopsien sind besser als Abstriche, die Kontamination durch Standortflora soll vermieden werden.

chen (z. B. Blutkulturflaschen) oder selektiv die

Für die serologische Diagnose ist zum Nachweis ei− nes Titeranstiegs bzw. −abfalls die Einsendung zweier Blutproben notwendig, die möglichst im Ab−

aerobierinfektionen (z. B. mit Bacteroidaceae−Arten)

Überwucherung durch Bakterien der Normalflora verhindern sollen (z. B. Transgrow−Medium). Ande− re Transportmedien stabilisieren potenziell schädi− gende Einflüsse (pH−Verschiebung, Sauerstoffzu− tritt), ohne Nährstoffe anzubieten. Empfindliche Keime sind insbesondere Erreger einer Meningitis (Meningokokken, Pneumokokken, H. influenzae) oder einer Pneumonie (Pneumokokken, H. influen− zae, Chlamydien u. a.), so dass gerade Liquor und respiratorische Materialien schnellstens in das La− bor transportiert werden sollten! Besondere Maßnahmen sind bei Verdacht auf An− erforderlich, da Anaerobier unter Sauerstoffeinfluss

stand von 2–3 Wochen abgenommen wurden

absterben. Außer der Einhaltung einer kurzen Transportzeit müssen spezielle Transportmedien

(Akut− und Rekonvaleszenzprobe). Dabei werden

verwendet werden, aus denen durch reduzierende

5–10 ml Blut in einem Serumröhrchen (ohne Zu−

Substanzen oder durch Evakuieren der Sauerstoff

sätze) verschickt.

entfernt wurde. Für die Transporttemperatur gilt die Regel, dass

Liquor soll nativ eingesendet werden.

Materialien, in denen vor allem anspruchslose Erre−

Der Transport

ger zu erwarten sind, die sich u. U. schon auf dem

Der Transport der Proben ins Labor muss in steri−

Weg ins Labor vermehren, gekühlt (4–88C) trans−

len, fest verschließbaren Gefäßen auf dem schnells− ten Wege erfolgen. Die Transportgefäße werden in

portiert werden sollen (z. B. Sputum und Urin), während Materialien, in denen empfindliche Erre−

der Regel vom Untersuchungslabor zur Verfügung

ger vorkommen, bei ca. 208C transportiert werden

gestellt:

sollten (z. B. Blut und Liquor).

Röhrchen mit 8–10 ml Fassungsvermögen für flüssige Materialien, Röhrchen mit Wattestieltupfer für Abstriche, Röhrchen mit Löffel am Stopfen für Stuhlproben. Ein sehr wichtiger Punkt ist die Transportzeit. Während die aerob wachsenden Bakterien eine be− grenzte Transportzeit auch unter ungünstigen Um− weltbedingungen überleben und sogar der Aus− trocknung

bis

zu

einem

gewissen

Grad

widerstehen können (z. B. Staphylokokken), sind

Praxistipp Für eine gute mikrobiologische Diagnostik ist der scheinbar aufwendigere Transport der Proben durch Boten vorzunehmen, denn lange Transportzeiten können das Un− tersuchungsergebnis verfälschen und somit zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen führen.

andere Erreger so sehr an den Warmblüterorganis− mus adaptiert, dass sie extrakorporal ohne geeig− netes Nährmedium rasch absterben. Auch die kör−

Wenn jedoch der Postversand nicht zu umgehen

pereigenen

(Granulozyten,

tet werden (bruchsichere Verpackung der Röhr−

Makrophagen, Antikörper, Komplementsystem u. a.)

chen, Versandtasche aus reißfestem Material mit

Abwehrmechanismen

ist, müssen die entsprechenden Vorschriften beach−

der Aufschrift Medizinisches Untersuchungsgut“).

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

Bei gemeingefährlichen Seuchen (z. B. Cholera) ist

direkten Verfahren des Erregernachweises. Dazu

der Transport durch Boten absolut vorgeschrieben. Ist die Zeitspanne zwischen Materialentnahme und

gehört

79

der mikroskopische (bei Viren = elektronenmik−

Beginn der Untersuchung nicht abzuschätzen, kön−

roskopische) Nachweis,

nen auch Eiterproben o. Ä. in eine Blutkulturfla−

kulturelle Verfahren bei leicht anzüchtbaren Er−

sche eingebracht werden.

regern (bei Viren = Zellkultur) sowie

Jeder Einsendung ist unbedingt ein Begleitschrei−

molekulargenetische Methoden wie der Einsatz

ben beizufügen, das die Personalien des Patienten, Angaben zu dem gewonnenen Material, der Art der

von DNA−Sonden oder die Amplifizierung der Erreger−Nukleinsäure durch die Polymerasen−

gewünschten Untersuchung, zur Anamnese (Rei−

Kettenreaktion (polymerase chain reaction, PCR).

se!), Verdachtsdiagnose und ggf. zur bisher durch− geführten Therapie enthält. Gerade die Angabe ei−

Nur in seltenen Fällen (z. B. Botulismus) wird heute noch für die Diagnostik ein Tierversuch herangezo−

ner Verdachtsdiagnose ist von Bedeutung, da für

gen.

den Erregernachweis u. U. Spezialuntersuchungen

Indirekter Erregernachweis: Bei schlecht erreichba−

erforderlich sind, die nicht zum normalen Routine−

ren oder nicht kultivierbaren Erregern (z. B. Trepone−

programm gehören (z. B. bei V.a. atypische Pneu− monie). Nur unter Einhaltung aller genannten

men), sowie bei Erkrankungen mit nicht zu kurzer Inkubationszeit (. 7 Tage) ist auch der indirekte

Punkte ist eine optimale mikrobiologische Diagno−

Infektionsnachweis durch die serologische Bestim−

stik möglich. Bei Unsicherheit sollte unbedingt vor−

mung von Erreger−spezifischen Antikörpern hilf−

her Kontakt mit dem Untersuchungslabor aufge− nommen werden.

reich. Eine Ablösung konventioneller Methoden durch Biochip−Technologie wird zum Teil die Mikro− biologie der Zukunft prägen. Auswahl diagnostischer Methoden: Sie wird nach

Praxistipp Der Transport sollte schnell erfolgen! Dem Labor müssen Patientendaten, Anam− nese, Entnahmeort und −zeit, Verdachts− diagnose und eine bestehende Antibiotika− therapie mitgeteilt werden.

folgenden Gesichtspunkten vorgenommen: Das Methodenspektrum sollte die wichtigsten Infektionen erfassen. Das bestimmten Organerkrankungen zugeord− nete Erregerspektrum wird möglichst vollstän− dig durch das Methodenspektrum abgedeckt. Bei Immunsuppression muss an opportunisti−

2.6.2 Die analytische Phase Allgemeines

sche Erreger gedacht werden.

In manchen Fällen liegt ein erregerspezifisches

In Krankenhäusern kommt es aufgrund des brei− ten Antibiotika−Einsatzes oft zur Selektion Anti−

Krankheitsbild vor und man spricht von einer spe−

biotika−resistenter Mikrobenpopulationen (Lang−

zifischen Infektion (z. B. eine akute Gonorrhoe).

lieger, Ärzte, Pflegepersonal, unbelebtes Milieu).

Hier wäre die mikrobiologische Untersuchung ei−

Obwohl die mikrobiologische Untersuchung oft

gentlich überflüssig, wenn es nicht doch einige Dif−

wegweisend für die Diagnosestellung ist, darf bei

ferenzialdiagnosen gäbe (u. a. Chlamydia trachoma−

Lebensgefahr für die Therapie keine Zeit verloren

tis) und nicht außerdem eine Antibiotikaresistenz berücksichtigt werden müsste. In den meisten Fäl− len mikrobiologischer Diagnostik liegt allerdings

gehen.

eine Erkrankung vor, bei der lediglich der Verdacht

Praxistipp

auf eine Infektion besteht oder bei der zwar von

Nach Maßgabe des statistisch gesehen typi− schen Erregerspektrums beginnt man sofort mit einer so genannten kalkulierten Thera− pie, die das zu erwartende Erregerspektrum weitgehend abdeckt. Ist der Erreger dann isoliert und liegt ein Antibiogramm vor,

einer Infektion ausgegangen werden kann, aber mehrere verschiedene Erregerspezies als Ursache in Betracht kommen. Direkter Erregernachweis: Die Methoden der medi− zinischen Mikrobiologie bestehen einerseits aus

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie variiert man gegebenenfalls die Therapie (gezielte Antibiose).

Genetik: z. B. PCR mit Ermittlung der DNA−Basensequenz, Hybridisierung etc.

Unter Umständen sind später weitere Umstellun− gen erforderlich, wenn sich kein Therapieerfolg ein− stellt.

Direkte Untersuchung des Einsendematerials Die direkte Untersuchung des Patientenmaterials kann u. U. eine sehr schnelle Diagnostik ermögli−

Die prinzipiellen Verfahren der bakteriellen Diagnostik

chen und eignet sich daher eventuell auch als CI− TO−Diagnostik, um im Rahmen der DRG−Budgetie−

Die bakteriologische Diagnostik setzt steriles Verar−

rung

beiten der Proben voraus. Das universelle Arbeits−

erlösrelevantes therapeutisches Handeln zu ermög−

instrument ist dabei die (Platin−)Drahtöse, mit der

lichen. Folgende Methoden stehen dabei zur Verfü−

Untersuchungsmaterial oder Kulturmaterial aufge−

gung:

nommen, überimpft oder verrieben werden kann

von

Krankenhäusern

ein

schnelles

Morphologie:

und die durch Ausglühen in einer Flamme vor und

Lichtmikroskopie (100 er Ölimmersionsobjektiv,

nach jedem Arbeitsgang sterilisiert wird. Die Identifizierung von Bakterien beruht auf den

10 x Okular): 1. Nativpräparat (ungefärbt): Erkennen von Größe

folgenden vier Bausteinen, wobei häufig die ersten

und Form der Mikroorganismen,

beiden für eine exakte Erregerbestimmung bereits

2. hängender Tropfen“: Erkennen der Beweglich−

ausreichen.

keit (lebende Bakterien!),

Mikroskopische Morphologie der Bakterien:

3. Gefärbte Präparate (Abb. 2.27, Abb. 2.28):

Größe,

a) Einfachfärbungen mit alkalischen Farbstoffen,

Färbeverhalten bzw. Zellwandaufbau: gramposi−

z. B. mit Methylenblau,

tiv, −negativ, Form: Kokken, Stäbchen, Spirillen,

b) Differenzialfärbungen, z. B. Gram−, Ziehl−Neel− sen−, Neisser− oder Immunfluoreszenzfärbung,

Zellverbände: Haufen, Ketten, Diplokokken,

4. Kapseldarstellung im Tuschepräparat.

Zusätzliche Merkmale: Kapsel, Sporen, Flagellen.

Antigenanalyse,

Physiologie bzw. Stoffwechselverhalten

Toxinnachweis (z. B. Tetanustoxin, Botulinumto−

der Bakterien:

xin, Endotoxine), Enzymnachweis,

Anaerober oder aerober Stoffwechsel, Enzyme der Atmungskette: Oxidase, Katalase,

Molekularbiologischer Direktnachweis:

Abbau von Kohlenhydraten (pH−Indikatorme− dien),

O DNA−Hybridisierung, O PCR zum Nachweis mikrobieller DNA/RNA

Enzyme des Proteinstoffwechsels: Kollagenase,

einschließlich Sequenzierung.

Enzyme des Aminosäurenstoffwechsels: Urease, andere Enzyme: Hämolysine, DNAse, Lipase, Stoffwechselprodukte (Gaschromatographie), Nährstoffbedarf (NAD, Hämin). Antigenstruktur der Zellwand: Flagellen, LPS (z. B. Kauffmann−White−Einteilung von Salmonellen), Polysaccharide (z. B. Lancefield−Einteilung von Streptokokken), Fettsäuren (Gaschromatographie).

Abb. 2.27 Grampräparat von Staphylokokken (grampositive Haufenkokken)

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

81

Quelle für Hämin oder andere komplexe organische Stoffe. Da die meisten Bakterien unter optimalen Bedin− gungen eine Generationszeit von ca. 15 Minuten bis wenigen Stunden haben, reichen Bebrütungs− zeiten von 18 bis 24 Stunden aus, damit aus dem unsichtbaren Inokulum makroskopisch sichtbare Kolonien entstehen. Manche Bakterien (z. B. Myko− bakterien) haben jedoch eine Generationszeit von vielen Stunden bis Tagen, so dass zu ihrer Anzüch−

Abb. 2.28 Grampräparat von E. coli (grammnegative Stäbchen)

tung Bebrütungszeiten von Tagen bis Wochen not− wendig sind. Für den Nachweis dieser Erreger wer− den

deshalb

zunehmend

molekularbiologische

Methoden eingesetzt. Die Typisierung bzw. Identifizierung gelingt mithil−

Die Anzüchtung und Typisierung von bakteriel− len Erregern

fe verschiedener Verfahren. Morphologische Beurteilung von Einzelzellen

Die Kultivierung von Bakterien wird in der Regel in

und Kolonien:

flüssigen oder auf festen Nährmedien vorgenom−

O Größe, Form, Rand, Oberfläche, Farbstoffbil−

men. Sie hat gegenüber den anderen Methoden meistens den Vorteil, dass sie die Erhebung eines

dung, Geruch, O Veränderung des Nährbodens durch diffun−

Antibiogramms (s. S. 85) ermöglicht. Neben der Er−

dierbare Stoffe wie Hämolysine.

regeridentifizierung kann also auch eine Aussage

Biochemische

über die jeweils (in vitro) effektive Behandlungs− möglichkeit getroffen werden.

schaften, Enzymausstattung (Nachweis z. B. über Differenzierungsmedien).

Für die Kultivierung werden u. a. Selektiv− und An−

Antigenanalyse: Reaktion mit polyklonalen und

reicherungsnährböden

eingesetzt.

Bei

Ersteren

Methoden:

Stoffwechseleigen−

monoklonalen Antikörpern.

steht es im Vordergrund, nur den gewünschten Er−

Molekularbiologie: Sequenzierung von PCR−Pro−

reger heranzuzüchten. Anreicherungsnährböden dienen der optimalen Vermehrung des gesuchten

dukten und Abgleich in großen Datenbanken. Antibiotika−Sensibilität: Typische natürlich vor−

Bakteriums aus keimarmen Materialien.

kommende Resistenzen.

Die Anzucht von Bakterien erfolgt überwiegend auf unbelebten Nährmedien, wobei ihre Ansprüche an

Lysotypie: Typisierung mithilfe von Bakteriopha− gen (heute selten).

die Nährstoffe, die Zusammensetzung der Atmo− sphäre und die Wachstumstemperatur berücksich− tigt werden müssen. Die meisten medizinisch bedeutsamen Bakterien haben ihr Temperaturopti− mum, entsprechend der menschlichen Körpertem− peratur, bei 37 8C. Listerien und Yersinien allerdings vermehren sich auch noch bei Kühlschranktempe− raturen (4–7 8C). Die Nährmedien enthalten neben Kohlenstoff− und Stickstoffquelle meist noch Wuchsstoffe und Vita− mine (z. B. in Form von Hefeextrakt), Kohlenhydra− te zur Deckung des Energiebedarfs, Kochsalz zur Erhöhung des osmotischen Wertes sowie anorgani− sche Puffer zur pH−Stabilisierung. Manche Bakte−

Die flüssigen Medien zur Primärkultur Flüssige Medien haben den großen Vorteil, dass wegen der günstigeren Diffusionsbedingungen die Nährstoffe leichter von den Bakterien aufgenom− men werden und damit ein schnelleres Wachstum erfolgen bzw. von geringeren Keimzahlen ausge− gangen werden kann. Natürlich kann man in einem flüssigen Medium primär nicht erkennen, ob eine Reinkultur oder eine Mischkultur vorliegt. So be− schränkt sich der Anwendungsbereich flüssiger Me− dien in der Diagnostik weitgehend auf die Anrei− cherung von Bakterien aus keimarmem Material und bei Zusatz wachstumsfördernder bzw. wachs−

rien benötigen außerdem (Schaf−)Blutzusatz als

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie tumshemmender Substanzen auf die Verwendung

terienzellen

als Selektivmedium.

abgestorbenen Zellen. Die Exponentialphase geht dann in eine stationäre Phase über, in der

zunehmend

zugunsten

der

MERKE

sich Zelltod und Zellteilung die Waage halten.

In Flüssigmedien kann nicht zwischen Rein− und Mischkultur unterschieden werden.

Erfolgt keine Beseitigung der Stoffwechselabfall− produkte und werden keine neuen Nährsubstra− te zugeführt (= statische Kultur), so schließt sich

Die einfache Nährbouillon enthält Fleischwasser oder Fleischextrakt, Pepton (Zwischenprodukt des Proteinabbaus), 0,5 % NaCl und Puffersalze. Nach

die logarithmische Absterbephase an, nach der meist nur wenige überlebende Bakterien in ei− ner Ruhephase persistieren.

Herstellung muss die Bouillon durch Autoklavieren sterilisiert werden, bevor ihr Vitamine, Kohlenhyd−

Setzt man der Nährbouillon eine gelierende Sub−

rate, Serum und je nach Einsatzbereich andere Sub−

stanz zu (0,5–2 % Agar – ein saures Sulfat−haltiges

stanzen zugesetzt werden. Zur Anreicherung anae− rob wachsender Bakterien werden wegen ihrer

Polysaccharid aus Meeresalgen), so erhält man

reduzierenden

Organstückchen

festes Nährmedium. Versetzt man dieses vor dem

(z. B. Leber) in die Bouillon gegeben und diese nach

Erstarren (bei ca. 45–508C) mit 5 % sterilem Blut

Beimpfung verschlossen.

(in der Regel Schafblut), so erhält man Blutagar,

Das Vermehrungsverhalten der Bakterien in künst− lichen Flüssig−Nährmedien wird durch eine charak−

auf dem sich anspruchsvollere Bakterien anzüchten lassen. Dieser Blutagar eignet sich auch, um die Ex−

teristische

pression von bestimmten Virulenzfaktoren zu über−

Wirkung

sterile

Wachstumskurve

beschrieben

(Abb. 2.29):

Die festen Medien zur Primärkultur

nach Ausgießen in Petrischalen und Erstarren ein

prüfen. Bildet nämlich der Erreger so genannte Hä−

Nach Einsaat in ein steriles Medium erfolgt in der so genannten Latenzzeit (englisch: lag

molysine, macht sich dies durch eine Hämolyse im

phase) zunächst eine Adaptation und Größenzu−

Auf festem Nährmedium bilden Bakterien bei aus−

nahme der einzelnen Bakterienzelle ohne Zell−

reichender Verdünnung Einzelkolonien, die durch

teilung. In der folgenden logarithmischen Wachstums− phase (log phase) nimmt die Zahl der Bakterien−

morphologische Begutachtung bereits früh die Dif− ferenzierung von Rein− und Mischkulturen ermögli− chen. Die Verdünnung erzielt man entweder durch

zellen durch Teilung exponenziell zu.

Herstellen einer Verdünnungsreihe (z. B. in steriler

Nährstoffverbrauch und entstehende Stoffwech−

physiologischer Kochsalzlösung) oder durch den

selprodukte verschieben das Verhältnis zwi−

fraktionierten Dreiösen−Ausstrich (Abb. 2.30).

Blutagar bemerkbar.

schen absterbenden und neu entstandenen Bak−

Abb. 2.29 Wachstum einer Bakterienkultur unter statischen Bedingungen (ohne Wechsel des Nährmediums)

Abb. 2.30 Fraktionierter Dreiösen−Ausstrich zur Gewinnung von Einzelkolonien. Vor der Beimpfung und zwischen den ein− zelnen Impfschritten (1, 2, 3) muss die Impföse ausgeglüht werden. Die Kolonien sind rosa dargestellt.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

Die Selektiv− und Indikatornährböden zur Differenzie− rung

Gelatineabbau (Nachweis des Enzyms Gelati−

Mit Selektiv− und Indikatornährböden überprüft

Nitratreduktion (Nachweis von Nitratreduktase)

man die Wachstumsfähigkeit eines zu identifizie−

oder

renden Erregers auf diesen Nährböden. So erhält

H2S−Bildung.

man eine erste Orientierung darüber, um welche Bakteriengattung es sich handeln könnte. Gallensalze in Endo−Agar und SS−Agar unter− drücken z. B. das Wachstum von grampositiven Bakterien und gramnegativen Kokken. Lactose−spaltende gramnegative Stäbchen setzen durch eine Aldehydreaktion das rote Fuchsin aus dem im Endo−Agar enthaltenen farblosen Indi− kator frei. Lactose−positive“ Bakterienarten be− wirken so eine Rotfärbung des Endo−Agars, wäh− rend Lactose−negative“ Bakterien hell wachsen. SS−Agar enthält eine höhere Konzentration an Gallensalzen und anderen Hemmstoffen, so dass i.d.R. nur Proteus und die klassischen darmpa− thogenen Bakterien (Salmonellen, Shigellen, Yer− sinien) wachsen können. Weitere Differenzierungsmethoden beruhen auf dem Nachweis des enzymatischen Abbaus von Kohlenhydraten und anderen Stoffen wie z. B. Harnstoff. Die dabei auftretende pH−Verschiebung wird durch Indikatoren angezeigt. Auch andere Stoffwechselleistungen werden zur Differenzierung herangezogen, wie z. B. Indolbildung aus Tryptophan,

83

nase),

Der Nährboden nach Kligler In manchen Nährmedien können mehrere Reaktio− nen gleichzeitig nachgewiesen werden, z. B. Säue− rung durch Dextrose− und Lactosespaltung sowie Gas− und H2S−Bildung im Nährboden nach Kligler (s. Abb. 2.31): Der Kligler−Agar enthält außer Bouil− lonbestandteilen Lactose und Glucose im Verhältnis 10:1, ferner Phenolrot und ein Gemisch von Natri− umthiosulfat und Eisen−II−Sulfat als Indikatoren für Säure− bzw. H2S−Bildung. Bildet das zu identifizierende Bakterium H2S, so kommt es zur Schwärzung durch Bildung von Eisensulfid. Wird Lactose gespalten, so schlägt der Phenol− rotindikator infolge starker Säurebildung von Rot nach Gelb um. Wird nur Glucose gespalten, Lactose jedoch nicht (z. B. bei Salmonella und Shigella), muss zwischen den aeroben Verhältnissen an der Oberfläche der Kultur und den weitgehend an− aeroben Verhältnissen in der Tiefe des Kligler− Röhrchens unterschieden werden. An der Ober− fläche wird Glucose zu CO2 und H2O veratmet. Außerdem wird NH3 durch oxydative Desami−

Abb. 2.31 Kligler−Agar ermöglicht den Nachweis mehrerer bakterieller Stoff− wechselreaktionen. Abb. 2.32 Bunte Reihen“ zur bioche− mischen Differenzierung von Bakterien Abb. 2.33 Nachweis einer positiven Oxidase−Reaktion (Pfeil)

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.34 Arbeitsschema zur Identifikation gramnegativer Bakterien

nierung aus Aminosäuren gebildet. CO2 und NH3

MERKE

verbinden

Staphylokokken sind Katalase−positiv, Streptokokken sind Katalase−negativ.

sich

zu

dem

sehr

alkalischen

(NH4)2CO3; das Phenolrot im Agar färbt sich rot. Bei Abwesenheit von Sauerstoff in der Tiefe wird Glucose über Ameisensäure zu CO2 und H2 ab−

Der Oxidase−Test

gebaut. Eine oxydative Desaminierung kann

Der Oxidase−Test weist das Vorhandensein des At−

nicht stattfinden. Die Säurebildung lässt den In−

mungskettenenzyms Cytochromoxidase bei Bakte− rien nach, die Sauerstoff als endgültigen Elektro−

dikator gelb umschlagen. Das Gasgemisch (CO2 + H2) treibt Blasen. S. Typhi bildet kein Gas. Ihm

nenakzeptor im Energiestoffwechsel verwenden.

fehlt das Enzym Formico−Hydrogen−Lyase. Bei

Künstliche Substrate anstelle von natürlichen Elekt−

ihm ist Ameisensäure jener Faktor, der den

ronen−Akzeptoren bewirken bei diesem Verfahren

Nährbodenindikator in der Tiefe gelb färbt.

die Reduktion des Cytochromoxidase−Systems. Die

Mehrere solcher Reaktionsröhrchen werden als

positive Oxidasereaktion ist durch die Violettfär−

bunte Reihe“ bezeichnet; in kommerziellen Diffe−

bung eines Indikators im Nährboden charakteri−

renzierungssystemen sind dadurch mehr als 20

siert (s. Abb. 2.33).

Stoffwechselleistungen gleichzeitig bestimmbar (s. Abb. 2.32).

Die Katalase−Reaktion Katalase spaltet das für Bakterien toxische Wasser− stoffperoxid in Wasser und Sauerstoff (2 H2O2 R 2 H2O + O2). Gibt man Wasserstoffperoxid zu Kata− lase−positiven Bakterien, kommt es zur Blasenbil− dung, da durch die Katalase−Reaktion gasförmiger Sauerstoff (O2) gebildet wird. Diese Katalase−Reaktion wird z. B. zur Differenzie− rung grampositiver Kokken eingesetzt:

Abb. 2.35

Arbeitsschema zur Identifitkation grampositiver

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

Bakterien−Identifizierung durch die Analyse von Wachstumseigenarten

Zur Identifizierung von Bakterien kann auch die

Die oben aufgeführten Reaktionen gehören zu den

gaschromatographische Analyse von Stoffwechsel−

Basiskriterien, die am Beginn jeder Speziesidentifi−

produkten (z. B. organische Säuren) oder die chro−

zierung stehen. Zusätzlich können Wachstumsei−

matographische Trennung von Zellwandbausteinen

genarten für die Identifizierung von Bedeutung

eingesetzt werden. Für den Schnellnachweis einiger

sein, wie z. B.

Bakterien in Körperflüssigkeiten (z. B. im Liquor)

Weitere Methoden zur Bakterienidentifizierung

Pigment− und Farbstoffbildung,

stehen Latexreagenzien (spezifische an Kunst−

Geruchsentwicklung, Temperaturoptimum,

stoffpartikel fixierte Antikörper) zur Verfügung.

Wachstum auf Mangelnährböden (z. B. Verwer− tung von Ammoniumcitrat als einziger Kohlen− stoffquelle), Salz− und pH−Toleranz. Die Charakterisierung medizinisch bedeutsamer Bakterienarten oder die Beurteilung ihrer Virulenz erfordert eventuell auch den Nachweis von Exoen− zymen oder Exotoxinen (s. S. 21). Zu den Exoenzy− men gehört z. B. die Plasmakoagulase bei Staphylo− kokken,

zu

den

Exotoxinen

z. B.

das

Das Antibiogramm Neben der Bakterienidentifizierung gehört i.d.R. die Bestimmung des Resistenzverhaltens im Rahmen eines Antibiogramms zum bakteriologischen Unter− suchungsbefund. Ein Antibiogramm (s. S.111) wird vor allem mithilfe eines semiquantitativen Agardif− fusionstests oder durch die quantitative Bestim− mung der minimalen Hemmstoffkonzentration (MHK) erstellt. In der Regel vergehen bis zum Vor− liegen der Speziesdiagnose und des Antibiogramms

Diphtherietoxin.

mindestens zwei Tage. Zukünftig könnten auch vermehrt molekularbiolo−

Arbeitsschemata für die Bakterienidentifizierung

gische Methoden eingesetzt werden, um Krank−

Nach mikroskopischer Vorbestimmung kann die

heitserreger und ihre Resistenzlage zu identifizie−

konventionelle

ren.

bakteriologische

85

Untersuchung

durchgeführt werden. Abb. 2.34 – 2.36 zeigen die un− terschiedlichen Vorgehensweisen im Grobschema.

Die molekularbiologischen Methoden zur Erre− ger−Identifizierung Molekularbiologische Methoden werden bisher vor allem für den Nachweis schwer oder nicht kulti−

Kokken

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86

Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.36

Arbeitsschema zur Identifikation grampositiver Stäbchen

Abb. 2.37 Zusammenhang zwischen Antigen− und Antikörperkonzentration bei Agglutination (a) und Präzipitation (b). I) An− tikörper−Exzess−Zone; II) Äquivalenz−Zone; III) Antigen−Exzess−Zone. Abb. 2.38 Prinzip des Hämagglutina− tionstests. Sind spezifische Antikörper im Patientenserum vorhanden, so set− zen sich die Antikörper−vernetzten Ery− throzyten wie eine Matte am Boden der jeweiligen Näpfe ab (= positive Ag− glutination, s. Testerum a). Eine fehl− ende Antikörper−Vernetzung führt zum Absacken der Erythrozyten in die Mitte des jeweiligen U−förmigen Napfes (= negative Agglutination, s. Testserum b). Abb. 2.39

Prinzip der Komplement−

vierbarer Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten ein−

Erregers ist. Durch Hybridisierung der DNA−Sonde

gesetzt. Es wird zwischen der Sondentechnik und

mit der Erreger−DNA können Zielsequenzen detek−

der Genamplifikation unterschieden.

tiert werden und somit zur Identifizierung des

Sondentechnik: Eine DNA−Sonde ist eine durch Farbstoffe oder radioaktive Isotope markierte DNA−

Erregers beitragen. Genamplifikation: Bei der Polymerase−Ketten−Reak−

Einzelstrangsequenz, die komplementär zur gesuch−

tion (PCR = polymerase chain reaction) wird ein

ten Nukleinsäure−Sequenz eines zu bestimmenden

spezifischer Genombezirk eines Mikroorganismus

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

ausgewählt, mit zwei Oligonukleotidsequenzen (Pri−

bezeichnet, bei der eine Antigen−Antikörperreakti−

mern) versehen und mithilfe des Enzyms DNA− Polymerase vervielfältigt (amplifiziert). Nach der

on nachweisbar ist.

Amplifikation kann man die Spezifität zusätzlich

fahren ist beim indirekten Nachweis eine vorherige

z. B. mittels Sonden−Hybridisierung nachweisen.

Eingrenzung potenzieller Erreger nötig, um eine

Durch die Vervielfältigungsschritte wird es möglich,

gezielte Fahndung nach erregerspezifischen Anti−

die gesuchte Sequenz zu identifizieren, selbst wenn

körpern oder einer erregerspezifischen T−Zellreakti−

sie ursprünglich im Patientenmaterial nur ein einziges Mal vorhanden ist. Wegen dieser hohen

vität durchführen zu können.

87

Im Gegensatz zu den direkten und kulturellen Ver−

Empfindlichkeit ist die Methode mit Fehlermöglich− keiten behaftet (falsch positive Reaktionen).

Die serologisch−diagnostischen Testverfahren Unter der Voraussetzung, dass seit der Infektion mit Bakterien, Viren, Pilzen oder Parasiten eine hinreichend lange Zeit verstrichen ist, können auch indirekte Verfahren des Erregernachweises für die

Praxistipp Bei serologisch−diagnostischen Testverfah− ren wird meistens nach Antikörpern gefahn− det. Prinzipiell können aber auch mithilfe bekannter Antikörper unbekannte Erreger− Antigene gesucht werden.

Diagnostik herangezogen werden. Hierbei werden

Die im Folgenden aufgeführten Nachweismethoden

spezifische Reaktionsprodukte des infizierten Orga−

funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip: Es

nismus nachgewiesen durch Antikörpernachweis (Immunglobulinklassen, Ti−

wird eine Wechselwirkung zwischen Antigen und Antikörper nachgewiesen. Lediglich die Sichtbar−

teranstieg u. a.) oder Nachweis spezifischer T−Lymphozyten (Hautre− aktion; In−vitro−Messverfahren). Serologische Verfahren beruhen einerseits auf dem qualitativen Nachweis isotypspezifischer Antikör− per: IgG− und IgM−Antikörper werden bei der Primär− infektion regelhaft am Ende der ersten Erkran− kungswoche gebildet. IgM−Antikörper bleiben meistens für 4 Wochen, teilweise bis 12 Wochen und mehr nach Erkran− kungsbeginn nachweisbar. IgG−Antikörper findet man noch nach vielen Jah− ren, teilweise sogar lebenslang nach einer Infek− tion. IgA−Antikörper gelten ebenfalls als frühe Im− munantwort und spielen vor allem eine Rolle bei Schleimhaut−assoziierten Infektionen. Andererseits beruht der Nachweis einer akuten In− fektion auf der signifikanten Änderung von Anti− körperkonzentrationen. Eine akute Infektion liegt vor, wenn zwischen dem Erst− und dem mindes− tens 10 Tage später abgenommenen Zweitserum (= Serumkontrolle) signifikante Unterschiede (minde− stens vierfacher Titeranstieg) bestehen. Als Titer wird dabei die Verdünnung des Patientenserums

machung (Detektion) dieser Bindung variiert.

Die Immunpräzipitation Bei Antigen−Antikörper−Reaktionen kommt es meis− tens zu Vernetzungen vieler Moleküle, weil Anti− körper mindestens zwei Antigenbindungsstellen besitzen und daher auch an mindestens zwei Anti− gene gleichzeitig binden können. Die Netzbildung ist dann am stärksten, wenn das Verhältnis von An− tigen und Antikörper optimal zueinander ist. Man spricht dann vom Äquilibrium (Äquivalenz−Zone in der Heidelberger Kurve, Abb. 2.37). Eine Reaktion zwischen löslichen Antigenen und Antikörpern wird als Präzipitation (Ausfällung) be− zeichnet. Sucht man ein bestimmtes Antigen z. B. im Patientenserum, gibt man entsprechende Anti− körper hinzu. Möchte man bestimmte Antikörper im Probenmaterial identifizieren, verwendet man entsprechende Antigene. Zur Sichtbarmachung bedient man sich meistens einer Gelmatrix, in der die beiden Bindungspartner aufeinander zu diffundieren können. An der Stelle des optimalen Verhältnisses zwischen Antigen− und Antikörperkonzentration (Äquilibrium) kommt es dann zur sichtbaren Präzipitationslinie, d. h., fes− te Antigen−Antikörper−Komplexe fallen im Gel aus. Eine Variante der Immunpräzipitation ist die Im−

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie

bindungsreaktion (KBR)

munelektrophorese, bei der die Bewegungsrichtung

Erythrozytenoberfläche fixiert (Abb. 2.38a). Die Hä−

von Antigenen und Antikörpern durch Anlage eines

magglutination wird in Mikrotiterplatten mit U−

elektrischen Feldes

förmigen Näpfen durchgeführt. Als Erstes wird das

gezielt beeinflusst werden

kann.

Patientenserum in reziproker Verdünnung in die Näpfe pipettiert, anschließend werden die Erythro−

Die Agglutination Der Agglutination liegt zwar das gleiche Prinzip

zyten hinzugegeben (Abb. 2.38b).

Die Komplementbindungsreaktion (KBR)

zugrunde, sie unterscheidet sich aber von der Prä− zipitation dadurch, dass einer der beiden Bin−

Die KBR war früher ein sehr weit verbreitetes sero−

dungspartner eine unlösliche Partikelstruktur be−

logisches Testverfahren, das heute jedoch vielfach

sitzt (z. B. ganzes Bakterium) oder an einen

vom ELISA abgelöst wurde. Die KBR weist erregers−

korpuskulären nicht löslichen Träger (z. B. Latexpar− tikel oder Erythrozyten = Latex− oder Hämaggluti−

pezifische Antikörper nach, die Komplement bin− den können (IgM, IgG1, IgG3). Da die Titer komple−

nation) gebunden ist. Dadurch kann die in einer

mentbindender Antikörper in der Regel rasch

flüssigen Phase durchgeführte Agglutination zwi−

abfallen, kann bereits ein einmalig sehr hoher KBR−

schen

makroskopisch

Titer aussagekräftig im Sinne einer akuten Infekti−

leicht sichtbar gemacht werden. Bei der Hämagglutination werden Erythrozyten als

on sein. In der KBR werden folgende Reagenzien eingesetzt:

Antigen

und

Antikörper

Antigenträger eingesetzt. Dabei dienen entweder

Komplement vom Meerschweinchen,

die natürlichen Erythrozytenmembran−Komponen− ten als Antigen (z. B. bei der Blutgruppendiagnos−

Indikatorsystem: O Erythrozyten vom Hammel,

tik)

oder

es

werden

Erregerantigene

an

die

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2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.40 Prinzip der direkten (a) und indirekten (b) Im− munfluoreszenz

O Kaninchenantikörper gegen Hammelerythro− zyten (= Ambozeptor),

Bakterielle Diagnostik

89

Abb. 2.41 Prinzip des Immunoblots: Auftrennung des Antigengemischs in der SDS−PAkt, Übertragen auf Nitrozellu− losemembran, Inkubation mit Patientenserum und Nachweis

Falls kein Komplement in der vorhergehenden Re− aktion verbraucht wurde (keine spezifischen An−

Testsystem:

tikörper im Patientenserum), steht es für die Lyse

O Patientenserum und

der mit Antikörpern beladenen Erythrozyten zur

O definiertes Antigen von mutmaßlichem Erre−

Verfügung. Es kommt zur Hämolyse, die KBR ist

ger.

negativ.

Bei der KBR misst man die Kompetition zwischen einem Testsystem (Patientenserum plus definiertes Antigen) und einem Indikatorsystem um zugegebe−

Wurde im Testsystem Komplement verbraucht (spezifische Antikörper im Patientenserum, die das Komplement gebunden haben), bleibt die Hämo−

nes Komplement. Bei dieser Methode wird die Hä−

lyse aus, die KBR ist negativ (Abb. 2.39).

molyse von Antikörper−beladenen Hammelerythro− zyten detektiert. Die Hämolyse wird ausgelöst,

MERKE

wenn sich Komplement an die Erythrozyten−Anti−

Die KBR ist negativ, wenn die Hammelerythrozy− ten lysiert werden. Die KBR ist positiv, wenn das Indikatorsystem keine Hämolyse zeigt.

körper−Komplexe

des

Indikatorsystems

bindet.

Wurde das Komplement vorher durch das Testsys− tem verbraucht, bleibt die Hämolyse aus. Bei der KBR geht man folgendermaßen vor: Zunächst inaktiviert man das patienteneigene

Der Immunfluoreszenztest (IFT)

Komplement durch Erhitzen der Serumprobe auf 568C für 30 min.

Immunfluoreszenzverfahren können sowohl zum Nachweis von Antikörpern als auch zum Nachweis

Anschließend gibt man das Testantigen zur Se−

von Antigenen eingesetzt werden.

rumprobe hinzu und es bilden sich im positiven

Bei der direkten Immunfluoreszenz (Abb. 2.40a)

Fall Antigen−Antikörper−Komplexe.

werden zu suchende Antigene in Abstrichen, Biop−

Diese Antigen−Antikörper−Komplexe binden das dem Ansatz in definierter Menge zugesetzte

sien o. Ä. durch Fluorochrom−markierte und gegen das nachzuweisende Antigen gerichtete Antikörper

Meerschweinchen−Komplement.

nachgewiesen. Die Bindung wird dann im Fluores−

Nun wird geprüft, ob das zugesetzte Fremdkom−

zenzmikroskop nachgewiesen.

plement von den gebildeten Antigen−Antikörper− Komplexen verbraucht wurde. Dazu gibt man

MERKE

das Indikatorsystem zu dem Ansatz (Hammel−

Antigene im Patientenmaterial werden mit fluo− reszierenden Antikörpern nachgewiesen.

erythrozyten, die mit Antikörpern gegen Ham− melerythrozyten beladen sind).

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Bakterielle Diagnostik 2 Allgemeine Bakteriologie

Abb. 2.42 Induzierte Derepression am Beispiel des AmpC− b−Laktamase−Operons. durch Enzymreaktion (hier positiv bei den Patienten 1 und 3)

Abb. 2.43 Erstellung eines Antibiogramms mithilfe des Agardiffusionstests

Der Nachweis von Antikörpern im Patientenserum

Der ELISA (enzyme−linked immunosorbent assay) wird auch als Enzymimmunoassay (EIA) bezeich−

Der ELISA erfolgt meistens mit der indirekten Immunfluores− zenz (Abb. 2.40b). Hierbei werden bekannte Antige−

net. Dabei werden bekannte Antigengemische (z. B.

ne (z. B. Borrelien) an Objektträger gekoppelt und

Ganzzelllysat eines Erregers) an eine Kunststoff−

mit Patientenserum inkubiert. Sind spezifische An− tikörper im Patientenserum anwesend, binden

oberfläche (Mikrotiterplatte) immobilisiert und mit

diese an das bekannte Antigen. Die gebundenen

körper im Patientenserum vor, so binden diese an

Antikörper können dann mit Fluorochrom−markier−

das Antigen. Analog dem IFT wird die Bindung durch Zweitantikörper (z. B. Anti−human−IgG, −IgM oder −IgA) nachgewiesen. Diese sind beim ELISA je−

ten Zweitantikörpern (z. B. Anti−human−IgG, −IgM oder −IgA) nachgewiesen werden. Dieses Verfahren ermöglicht so zugleich eine Bestimmung der Im− munglobulinklasse der Patientenantikörper.

Patientenserum inkubiert. Liegen spezifische Anti−

doch mit bestimmten Enzymen markiert und kön− nen dadurch ein bestimmtes zugegebenes Substrat umsetzen. Dabei kommt es meisten zu einer pH−

MERKE

Verschiebung, die mithilfe von Farbindikatoren op−

Antikörper im Patientenserum lässt man an spezi− fische Antigene binden. Findet eine Wechselwir− kung statt, so lassen sich die gebundenen Antikörper durch fluoreszierende Zweitantikörper nachweisen.

tisch sichtbar gemacht werden kann. Der ELISA eignet sich sowohl für den Nachweis von Antikörpern als auch für den Nachweis von Antige− nen und ist außerdem aufgrund seiner Automati− sierbarkeit oft leicht durchführbar.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterielle Diagnostik

91

MERKE

Der ELISA ist positiv, wenn es nach Antikörper− bindung durch Substratzugabe zu einer positiven enzymatischen Farbreaktion kommt.

Der Immuno− oder Westernblot Der Immuno− oder Westernblot hat gegenüber dem ELISA den Vorteil, dass er Antikörper nachwei− sen kann, die gegen bestimmte mikrobielle Pro− teine gerichtet sind. Dadurch wird die Spezifität dieses Verfahrens oft signifikant erhöht. In einem ersten Schritt wird das bekannte Anti− gengemisch (z. B. Ganzzelllysat des Erregers) elektrophoretisch in einem Polyacrylamidgel in einzelne Proteinuntereinheiten aufgetrennt. Anschließend werden die aufgetrennten Proteine auf eine Nitrozellulosemembran übertragen (ge− blottet = eigentlicher Westernblot) und dort im− mobilisiert. Nun wird das Patientenserum dazugegeben und die ggf. vorhandenen Antikörper aus dem Serum können an die aufgetrennten Proteine binden. Der Nachweis der spezifischen Antikörper erfolgt dann über Enzym−markierte Zweitantikörper und entspricht somit im Wesentlichen dem Immunfluo− reszenz− oder ELISA−Verfahren (Abb. 2.41).

2.6.3 Die postanalytische Phase Die postanalytische Phase setzt sich aus der Über− mittlung und der Interpretation des Befundes zu− sammen. Heute setzt sich neben der schriftlichen Befundübersendung in vielen Krankenhäusern zu− nehmend die Onlineübermittlung durch, die einen zeitnahen Therapiebeginn ermöglicht. Eilige (Zwi− schen−)Befunde sollten vorab telefonisch dem Kli− niker mitgeteilt werden. Für die Therapieentscheidung sind Alter, Vorerkran− kungen,

aktueller

Gesundheitszustand,

evtl.

Schwangerschaft, bekannte Antibiotika−Unverträg− lichkeiten bzw. −Allergien, Pharmakodynamik und −kinetik inkl. Ausscheidungsverhalten des Antibio− tikums zu berücksichtigen und ggf. mit dem Klini− ker zu diskutieren. Für die Interpretation der diagnostischen Tester− gebnisse muss man wissen, wie zuverlässig die ver− schiedenen Testverfahren sind. Zur Beurteilung von diagnostischen Methoden zieht man folgende Para− meter heran:

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Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie

Sensitivität: Empfindlichkeit eines Tests, kranke

griseus) entdeckt wurden und die in vitro und in

Fälle als krank zu erkennen,

vivo eine antimikrobielle Wirksamkeit entfalten.

Spezifität: Fähigkeit eines Tests, gesunde Fälle

Ihr Molekulargewicht beträgt 150 bis 5000 Dalton.

als gesund zu erkennen,

Antimikrobiell wirksame Chemotherapeutika sind

Positiver prädiktiver Wert: Wahrscheinlichkeit,

primär synthetisierte Substanzen mit analoger Wir−

krank zu sein bei positivem Testergebnis,

kung.

Negativer prädiktiver Wert: Wahrscheinlichkeit,

Mit der Aufklärung der chemischen Struktur vieler

gesund zu sein bei negativem Testergebnis.

Antibiotika und der daraus entstehenden Möglich− keit, die chemischen Grundkörper der Antibiotika

2.7 Die Grundlagen der antibakteriellen Therapie

künstlich zu verändern oder sie vollsynthetisch herzustellen, wurde diese strenge Begriffstrennung hinfällig. Selektive Toxizität ist ein wichtiges Grundprinzip

Key Point

von Antiinfektiva und besteht in der selektiven

Zur Therapie von bakteriellen Infektionen werden zahlreiche Wirkstoffe eingesetzt, die spezifisch gegen bakterielle Krankheitserre− ger gerichtet sind. Einige dieser Substanzen wirken bakteriostatisch, d. h., die Erreger werden nur in ihrem Wachstum gehemmt. Andere Stoffe wirken bakterizid und töten die Erreger ab. Antiinfektive Wirkstoffe ha− ben unterschiedliche Angriffspunkte wie die bakterielle Zellwand, die Zytoplasmamemb− ran, den Proteinbiosynthese−Apparat, die bakterielle DNA− und RNA−Synthese sowie die Folsäuresynthese.

Wachstumshemmung oder Abtötung von Mikroor− ganismen, ohne dass der infizierte Makroorganis− mus Mensch nennenswert geschädigt wird.

2.7.2 Einteilung nach der Wirkungsweise Die Wirkungsweise der Antibiotika kann bakterio− statisch oder bakterizid sein: Bakteriostatisch wirken Substanzen, die die Ver− mehrung der Keime hemmen. Bakterizide Mittel töten dagegen die Keime irre− versibel ab.

Praxistipp In diesem Kapitel wird vor allem die antibakterielle Chemotherapie abgehandelt. Für Therapeutika ge− gen Mykobakterien, Viren, Pilze und Parasiten wird auf die entsprechenden Kapitel verwiesen.

Primär bakteriostatisch wirken z. B. Tetra− zykline, Makrolide und Chloramphenicol. Primär bakterizid wirken dagegen Penicil− line, Cephalosporine, Aminoglykoside und Vancomycin.

2.7.1 Begriffsdefinition werden heute unter dem Oberbegriff Antiinfektiva

2.7.3 Die Einteilung nach dem Wirkungsme− chanismus bzw. Angriffspunkt

zusammengefasst. Sie gehen zurück

Bezüglich ihres Wirkungsmechanismus bzw. ihres

Antibiotika und antimikrobielle Chemotherapeutika

auf die Entwicklung des Salvarsans durch Paul Ehrlich (1910) zur Behandlung der Lues, auf die Entdeckung des Penicillin−Effektes durch

Angriffsortes in der Bakterienzelle weisen die Anti− biotika große Unterschiede auf (Tab. 2.31).

Sir Alexander Fleming (1928) sowie

Die Hemmung der Zellwandsynthese

die Entdeckung der Sulfonamide durch Gerhard

Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme so−

Domagk (1934).

wie Vancomycin, Teicoplanin, Oritavancin, Dalba−

Antibiotika im engeren Sinne sind Substanzen, die

vancin und Fosfomycin hemmen die Zellwandsyn−

als Stoffwechselprodukte (sekundäre Metabolite)

these: Dabei reagieren Penicilline, Cephalosporine

von Pilzen (z. B. Penicillin aus Penicillium notatum)

und Carbapeneme mit Penicillin−bindenden Protei−

oder Bakterien (z. B. Streptomycin aus Streptomyces

nen (PBP) der Zellwand. Ein wichtiges PBP ist die

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2 Allgemeine Bakteriologie

Tabelle 2.31

Antibakterielle Therapie

93

Die Schädigung der Zytoplasmamembran Die Veränderung der Permeabilität der Zytoplasma−

Einteilung der Antibiotika nach ihrem Wirkmechanismus Hemmung der Zellwandsynthese: Betalaktamantibiotika: – Penicilline – Cephalosporine – Carbapeneme Glykopeptide (z. B. Vancomycin, Teicoplanin) Fosfomycin Cycloserin Bacitracin

membran ist ein weiteres antiinfektives Prinzip, auf dem die Polymyxine selektiv bei Bakterien, aber auch die Polyen−Antimykotika Amphotericin B und Nystatin bei Pilzen beruhen. Diese Substanzen beeinflussen durch ihre Wirkung aktive und passi− ve Transportvorgänge, was zum Ausstrom von Plas− mabestandteilen führt. Daher wirken diese Sub− stanzen auch auf ruhende Keime bakterizid.

Beeinflussung der Membranpermeabilität: Polymyxine (Colistine) Amphotericin B Nystatin Daptomycin (Aminoglykoside)

Ein völlig neues Wirkungsprinzip liegt dem Dapto−

Hemmung der Proteinbiosynthese: Aminoglykoside Lincosamine Tetrazykline und Glycylzykline Makrolide und Ketolide Chloramphenicol Fusidinsäure Streptogramine Linezolid

und dadurch ebenfalls einen bakteriziden Effekt

Hemmung der DNA−Replikation: Chinolone Störung der DNA−Struktur: Nitroimidazole Hemmung der RNA−Synthese: Rifampicin Ethambutol Griseofulvin Hemmung der Folsäuresynthese: Sulfonamide Trimethoprim Paraaminosalicylsäure

mycin zugrunde. Es handelt sich um ein Lipopep− tid, das durch Einbau in die Zytoplasmamembran Kanäle für den Ausstrom von Kaliumionen schafft hat. MERKE

Eine Schädigung der Zytoplasmamembran führt zu Austritt von Plasmabestandteilen aus der Zelle und wirkt auf wachsende und ruhende Keime bakterizid.

Die Hemmung der Proteinbiosynthese Antibiotika können an verschiedenen Stellen der bakteriellen Proteinbiosynthese angreifen: Tetrazykline und Glycylzykline hemmen die Aminoacyl−t−RNA−Anlagerung an die 30S−Unter− einheit der Ribosomen. Clindamycin – wie auch die Makrolide und Keto− lide – reagiert mit der 50S−Untereinheit der Ri−

Transpeptidase, die die Quervernetzung von Ami− nosäuren im Peptidoglykan der Zellwand kataly− siert. Wird sie gehemmt, kann bei wachsenden Bakterien kein neues Zellwandmaterial mehr gebil− det werden. Daher sind die entsprechenden Anti− biotika nur gegen proliferierende Keime wirksam. Ihre Wirkung ist jedoch nicht nur bakteriostatisch, sondern auch bakterizid, da Bakterien mit geschä− digter Zellwand ihre osmotische Stabilität verlieren und somit zugrunde gehen. MERKE

Eine Hemmung der Zellwandsynthese beeinflusst nur wachsende und proliferierende Bakterien, die Wirkung ist bakterizid.

bosomen und hemmt so die Translation. Chloramphenicol reagiert mit dem Bindungsort der mRNA in der 50S−Untereinheit der bakteriel− len Ribosomen. Das neu entwickelte Linezolid inhibiert die Bil− dung des 70S−Initionskomplexes am Ribosomen. Sämtliche dieser Antibiotika wirken bakteriosta− tisch. Die Aminoglykoside greifen durch Bindung an die 30S−Untereinheit der Ribosomen in die Proteinbio− synthese der Bakterien ein; durch ihre zusätzliche (sekundäre) Wirkung auf die Membranpermeabili− tät entfalten sie aber auch eine bakterizide Wir− kung. Die Streptogramin−Kombination aus Quinupristin und Dalfopristin wirkt ebenfalls bakterizid, weil

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94

Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie

unterschiedliche Zielstrukturen angegriffen wer−

Aminosäuren im Peptidoglykan der Zellwand ver−

den, die in einer dauerhaften Konformationsände− rung der 50S−Untereinheiten der Ribosomen resul−

antibiotika zur Störung der Quervernetzung und

tieren:

Dalfopristin

bindet

an

das

antwortlich sind, führt die Bindung von b−Laktam−

Peptidyl−

damit zum Abbruch der Zellwandsynthese. Die

Transferase−Zentrum des bakteriellen Ribosoms

Spezifität der b−Laktamantibiotika für bestimmte

und Quinupristin reagiert zusätzlich mit der 50S−

PBPs ist unterschiedlich und hat demzufolge für

Untereinheit der Ribosomen.

das Überleben des Bakteriums oder für seine Mor− phogenese unterschiedliche Auswirkungen.

Die Störung von DNA−Synthese und −Struktur Die Chinolone bewirken eine Inhibition der bakte−

MERKE

riellen DNA−Synthese. Sie hemmen die bakterielle

Alle Betalaktamantibiotika greifen in die bakteri− elle Zellwandsynthese ein.

Topoisomerase (= Gyrase), die während der DNA− Synthese bei der Entwindung des DNA−Doppel− strangs hilft. Die Wirkung der Chinolone ist bakte− rizid, weil durch Hemmung der DNA−Synthese auch wichtige Funktionen der Proteinsynthese ge− stört werden. Nitroimidazole wirken nur gegen Anaerobier und bewirken Ablesefehler der DNA durch Anlagerung von Intermediärprodukten an Thymidin−Nukleoti− de. Dadurch können bleibende Mutationen entste− hen.

Die Hemmung der RNA−Synthese Das bakterizid wirkende Rifampicin kann Komplexe mit der bakteriellen RNA−Polymerase bilden, was zu einer Hemmung der RNA−Synthese (Transkripti− on) führt. Ähnlich greifen auch das Antimykotikum Griseofulvin und das bakteriostatisch wirkende An− tituberkulotikum Ethambutol in die Transkription ein.

Der wichtigste Resistenzmechanismus besteht da− rin, dass b−Laktamantibiotika durch bakterielle En− zyme, die b−Laktamasen, zerstört werden können.

Penicilline Grundsubstanz der Penicilline ist die 6−Aminopeni− cillansäure. Durch unterschiedliche Substitution am Grundgerüst wurde eine ganze Reihe von Penicil− linderivaten entwickelt, die sich bei prinzipiell glei− chem Wirkungsmechanismus (Hemmung der Zell− wandsynthese) in ihrem Wirkungsspektrum, ihrer Resistenz gegenüber b−Laktamasen, ihrer Wir− kungsintensität und ihrer Applikationsart unter− scheiden. MERKE

Penicilline können auch gegen einige Anaerobier− Infektionen eingesetzt werden.

Die Hemmung der Folsäuresynthese Sulfonamide und Trimethoprim hemmen die Fol−

Schmalspektrumpenicilline: wirken gegen grampo−

säuresynthese und wirken bakteriostatisch. Dabei

sitive Bakterien, gramnegative Kokken und Spiro−

greifen sie an unterschiedlichen Stellen in den Syn−

chaeten, sie sind nicht Penicillinase−fest:

theseweg ein:

Penicillin G (= Benzylpenicillin): nicht säuresta−

Sulfonamide sind kompetitive Antagonisten der

bil,

Paraaminobenzoesäure. Trimethoprim stoppt die Reduktion der Folsäure zu Dihydro− bzw. Tetrahydrofolsäure.

Penicillin V (= Phenoxymethylpenicillin): Oralpe− nicillin (säurestabil), Clemizol−Penicillin: Depot−Penicillin. Carboxypenicilline.

2.7.4 Die Betalaktamantibiotika

Klassische Penicillinase−feste Penicilline: wirken ge−

Betalaktamantibiotika sind chemisch durch einen

gen Penicillinase−bildende Staphylokokken (Staphy−

b−Laktamring charakterisiert. Sie binden an so ge−

lokokken−Penicilline): Methicillin war das ursprüng−

nannte Penicillinbindeproteine (PBP) in der bakteri−

lich eingeführte Penicillinase−feste Penicillin, das

ellen Zellwand. Da Transpeptidasen wichtige PBP

später durch die nachfolgenden Substanzen der

darstellen (s. o.) und für die Quervernetzung von

Gruppe der Isoxyzolylpenicilline ersetzt wurde, die

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2 Allgemeine Bakteriologie

Antibakterielle Therapie

95

häufig auf, sind aber nicht immer mit einer

Tabelle 2.32

Penicillinallergie gleichzusetzen. Penicilline mit breitem Wirkungsspektrum Aminopeni− cilline – Ampicillin – Amoxicillin – Bacampicillin

Erweiterung des Wirkungsspektrums auf En− terobacteriaceae und andere gramnegative Stäbchen wie z. B. Haemophilus, sie sind je− doch nicht wirksam gegen Pseudomonas ae− ruginosa; gut wirksam gegen Enterokokken und Listerien; säurestabil (für orale Applika− tion besonders geeignet sind Amoxicillin und Bacampicillin)

Acylamino− penicilline – Piperacillin

zusätzlich Pseudomonas−Wirksamkeit, ge− gen Enterobacteriaceae besser wirksam als Aminopenicilline

Acylureido− penicilline – Mezlocillin

gute Wirksamkeit gegen Enterobacteria− ceae, schwächer wirksam gegen Pseudo− monas, 10–15−fache Anreicherung in der Galle

– Azlocillin

spezielle Pseudomonas−Wirksamkeit, schwächer wirksam gegen Enterobacteria− ceae

Cephalosporine Grundsubstanz der Cephalosporine ist die 7−Amino− cephalosporansäure. Durch Veränderungen an die− sem Grundgerüst werden immer wieder neue Deri− vate entwickelt. Bei gleichem Wirkmechanismus unterscheiden sich die einzelnen Cephalosporin− Abkömmlinge in ihrem Wirkungsspektrum, ihrer Resistenz gegen bakterielle b−Laktamasen (die prinzipiell höher ist als die der Penicilline), ihrer Eiweißbindung und in der Applikationsweise (oral – parenteral). MERKE

Charakteristisch ist eine Cephalosporin−Lücke ge− gen Enterokokken und Listerien!

aufgrund ihrer Säurefestigkeit oral gegeben werden können:

Die Cephalosporine werden entweder in 7 Gruppen

Oxacillin

oder in 4 so genannte Generationen“ eingeteilt.

Dicloxacillin Flucloxacillin Penicilline mit breitem Wirkungsspektrum: werden in Tab. 2.32 aufgeführt. Sie sind nicht Penicillinase− fest. Nebenwirkungen y Sie bestehen – wie bei allen Antibiotika – in der Wirkung auf die körpereigene Flora und damit der Veränderung des ökologischen Gleichgewichtes. Toxische Nebenwirkungen kom− men nur bei extrem hohen Serumspiegeln und/oder Kleinstkindern vor und äußern sich in neuroto−

Die klassischen Cephalosporine der ersten Genera− tion haben eine gute Wirkung gegen grampositive und eine etwas schwächere gegen gramnegative Er− reger. In den Folgegenerationen der Cephalospo− rine wurde die stetig zunehmende Wirksamkeit ge− gen gramnegative Bakterien mit einer jeweils abnehmenden Effizienz gegen grampositive Bakte− rien erkauft“.

Cephalosporine der ersten Generation oder 1“ (Bei− spiele)

xischen Reaktionen (epileptiforme Krampfanfälle, Muskelzuckungen, Bewusstseinstrübung, Halluzina− tionen). Dabei muss es sich jedoch nicht immer um

Cephalothin: Basis“−Cephalosporin, als Präparat

eine direkte Penicillinwirkung handeln, sondern

Cefalexin−Gruppe: Vertreter dieser Gruppe sind

kann auch Folge der hohen Natrium− bzw. Kalium−

klassische Oralcephalosporine. auch heute noch gut

belastung sein, weil Penicilline überwiegend als

wirksam gegen die meisten Staphylococcus−aureus−

Natrium− bzw. Kaliumsalze vorliegen. Seltene, aber

Stämme:

sehr wichtige Nebenwirkungen der Penicilline sind allergische

Reaktionen verschiedenen

Schwere−

grades (Urtikaria bis anaphylaktischer Schock). Dabei handelt es sich um eine Gruppenallergie, die sich auf alle Penicilline erstreckt. Eine Allergisierung tritt besonders leicht ein, wenn Penicilline auf Haut oder Schleimhäute aufgebracht werden, sie sollten deshalb nicht lokal appliziert werden. Makulopapu−

heute nicht mehr im Handel; Testsubstanz für die Oral−Cephalosporine.

Cefalexin, Cefadroxil, Cefaclor u. a.

Cephalosporine der zweiten Generation oder 2“ (Beispiele) Cefazolin−Gruppe: Es handelt sich um Basis“−Ce− phalosporine.

löse Exantheme nach Ampicillingabe treten relativ

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Antibakterielle Therapie Cefazolin:

gute

2 Allgemeine Bakteriologie

Staphylokokken−Wirksamkeit,

Die Nebenwirkungen der Cephalosporine

sonst aber generell schwächere Wirkung gegen grampositive, bessere gegen gramnegative Bak−

Die Nebenwirkungen der Cephalosporine entspre−

terien; parenteral.

Penicillinen kommt bei ca. 10 % der Patienten vor.

chen denen der Penicilline; eine Kreuzallergie mit

Cefuroxim−Gruppe: Sie besteht aus Intermediär−

Bei den Cephalosporinen der zweiten, dritten und

Cephalosporinen.

vierten

Generation

können

Granulozytopenie,

Cefuroxim und Cefamandol: teilweise bessere

Thrombozytopenie oder Blutungsneigung auftreten

Wirksamkeit gegen Enterobacteriaceae; parente− rale Applikation.

(R Kontrolle der Gerinnungsfaktoren, ggf. prophy−

Cefotiam: gute Wirkung gegen grampositive

laktische Vitamin−K−Gabe in Erwägung ziehen). Eine potenzielle Nephrotoxizität ist in Betracht zu

Bakterien, ausreichende Wirkung gegen gramne−

ziehen. Durch breiten Einsatz von Cephalosporinen

gative Erreger; parenterale Applikation,

in Krankenhäusern werden Enterokokken (natürli−

Cefoxitin−Gruppe: Die Vertreter dieser Gruppe sind

che Cephalosporin−Resistenz) oft herausselektio−

hochgradig b−Laktamase− stabil.

niert.

Cefoxitin: zusätzlich (unsichere)

Anaerobier−

wirksamkeit, parenterale Applikation.

Cephalosporine der dritten Generation oder 3 a“ (Beispiele) Cefotaxim−Gruppe: Es handelt sich um Breitspekt− rum−Cephalosporine. Cefotaxim, Cefmenoxim und Ceftizoxim: beson− dere Wirksamkeit gegen resistente Klebsiella−, Serratia− und Proteus−Stämme, parenterale Ap− plikation, Ceftriaxon: ebenso; besonders lange Halbwerts− zeit, parenterale Applikation. Cefixim−Gruppe: Diese Gruppe hat ebenfalls Breit− spektrum−Wirksamkeit, wird jedoch oral appliziert. Cefixim: Wirksamkeit ähnlich wie Cefalexin mit zusätzlicher Wirksamkeit gegen gramnegative Stäbchen einschließlich H. influenzae.

Andere b−Laktamantibiotika Es gibt zwei weitere Gruppen von b−Laktamanti− biotika. Monobactame: Da diese Gruppe nur vom Aztreo− nam vertreten wird, ist eine Kreuzallergie mit anderen b−Laktamantibiotika eher unwahrschein− lich. Eine Anwendung ist auch in der Schwan− gerschaft möglich. Aztreonam ist wirksam gegen Enterobacteriaceae und regional unterschiedlich gegen Pseudomonas. Es wirkt nicht gegen grampo− sitive Bakterien und Anaerobier. Nebenwirkungen bestehen in gastrointestinalen Störungen, Exanthe− men, Hypotension oder Blutbildveränderungen. Carbapeneme: Sie sollten möglichst nur als Reser− veantibiotika eingesetzt werden. Zurzeit stehen drei Carbapeneme zur Verfügung: Imipenem (N−Formyl− Thienamycin), Meropenem und Ertapenem. Das

Cephalosporine der vierten Generation oder 3 b“ (Beispiele)

Wirkungsspektrum der Carbapeneme ist sehr breit: Enterobacteriaceae, Pseudomonas (jedoch schnelle

Alle Cephalosporine der vierten Generation können nur parenteral appliziert werden.

Resistenzentwicklung!), andere Nonfermenter (je− doch nie wirksam gegen Stenotrophomonas), Sta−

Ceftazidim−Gruppe: Die Vertreter zeichnen sich

phylokokken, Streptokokken sowie auch gegen

durch ihre Pseudomonas−Wirksamkeit aus.

gramnegative und grampositive Anaerobier.

Ceftazidim: Wirksamkeit ähnlich wie Cefota− xim−Gruppe mit meist zusätzlicher Effizienz ge− gen Pseudomonas,

MERKE

Carbapeneme sind Reserveantibiotika!

Cefepim: wie Ceftazidim, jedoch verbesserte Staphylokokken−Wirksamkeit.

Gastrointestinale Störungen sind wichtige Neben−

Cefsulodin ist ein spezielles Pseudomonas−wirksa−

wirkungen, wobei insbesondere bei Imipenem−Ga− be mit Übelkeit zu rechnen ist. Darüber hinaus

mes Cephalosporin.

kann es zu Thrombophlebitis, Eosinophilie, Exan−

Übrige Cephalosporine

themen, Agranulozytose, Thrombozytopenie, ZNS−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Antibakterielle Therapie

Reaktionen (vor allem bei Imipenem−Gabe R Sen−

ral angewendet werden oder oral zur Darmdekon−

kung der Krampfschwelle) und Rotfärbung des Urins bei Kindern kommen.

tamination bzw. zur lokalen Anwendung eingesetzt

97

werden. Nebenwirkungen y Die Aminoglykoside sind nephro−

2.7.5 b−Laktamase−Inhibitoren (BLI)

toxisch und ototoxisch. Sie entstehen vor allem bei

Diese Substanzen verdrängen kompetitiv die vom

länger anhaltenden überhöhten Talspiegeln. Von

Bakterium gebildeten b−Laktamasen und verhin−

verschiedenen Autoren wird daher jetzt die einmal

dern so ihre Wirkung. Zurzeit sind Clavulansäure, Sulbactam und Tazobactam verfügbar.

tägliche Gabe empfohlen, wodurch die Bakterizidie gesteigert wird und hohe Talspiegel vermieden

Clavulansäure und Tazobactam sind nur in fester

werden.

Kombination mit b−Laktamantibiotika erhältlich: Amoxicillin plus Clavulansäure, das Carboxypenicillin Ticarcillin plus Clavulan−

Praxistipp

säure und

Die besondere Gefahr der Aminoglykosid− Therapie besteht in der Kumulation, die vor allem natürlich bei niereninsuffizienten Pa− tienten zu befürchten ist. Aminoglykoside sollten deshalb grundsätzlich unter Kontrol− le des Serumspiegels gegeben werden.

Piperacillin plus Tazobactam. Sulbactam gibt es außer als Kombinationspräparat (Ampicillin plus Sulbactam) auch als Monosubstanz zur freien Kombination mit b−Laktamantibiotika, z. B. mit Mezlocillin, Piperacillin, Cefotaxim, Cefo− perazon.

Folgenden Aminoglykoside werden verwendet:

Praxistipp

Gentamicin: Standard−Aminoglykosid,

Es muss aber stets beachtet werden, dass der Einsatz von b−Laktamase−Inhibitoren natürlich nur dann sinnvoll ist, wenn die Resistenz der Erreger auf der Bildung von b−Laktamasen beruht.

Tobramycin:

besonders

gute

Pseudomonas−

Wirksamkeit, Netilmycin: bessere Staphylokokken−Wirksam− keit, Amikacin: bessere Wirksamkeit gegen Gentami− cin−resistente Klebsiella−, Enterobacter−, Serra−

2.7.6 Aminoglykoside

tia−, Proteus− und Pseudomonas−Stämme,

Chemisch handelt es sich um Aminozucker, in de−

Streptomycin: heute vor allem als Reserve−Anti−

ren Aufbau das Streptamin bzw. Desoxystreptamin

tuberkulotikum eingesetzt und evtl. bei Entero−

eine wichtige Rolle spielt. Die wichtigsten Amino−

kokken mit high level“−Gentamicin−Resistenz, Kanamycin: nur zur lokalen Anwendung am Au−

glykoside sind Neomycin, Gentamicin, Tobramycin, Kanamycin, Amikacin und Streptomycin. Sie haben

ge,

ein breites Wirkungsspektrum gegen grampositive

Neomycin u. Paromomycin: nur zur topischen

und gramnegative Bakterien. Streptomycin wirkt

Anwendung, z. B. Darmdekontamination.

auch gegen Mykobakterien. Ihre Wirkungsweise ist bakterizid, weil sie die Proteinsynthese hemmen

2.7.7 Tetrazykline

bzw. zur Bildung falscher, unfunktioneller Proteine führen.

Grundsubstanz ist das Tetrazyklin, ein Naphthacen− Ringsystem. Tetrazykline werden natürlich gewon− nen bzw. halbsynthetisch hergestellt. Sie wirken

MERKE

bakteriostatisch durch Bindung an die 30S−Unter−

Aminoglykoside sind nicht wirksam gegen Anae− robier. Alle Aminoglykoside werden bei oraler Gabe prak− tisch nicht resorbiert, sie können also nur parente−

einheit der Ribosomen. Dadurch wird der Zugang der Aminoacyl−tRNA an den RNA−Ribosomen−Kom− plex verhindert, so dass letztendlich eine Hem− mung der Proteinbiosynthese resultiert. Die Tetrazykline sind klassische Breitbandantibio− tika“, da sie gegen grampositive und gramnegative

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Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie

Bakterien sowie gegen Mykoplasmen, Chlamydien und Rickettsien wirksam sind. Der klinische An− wendungsbereich der Tetrazykline ist heute – u. a. wegen der Nebenwirkung – stark beschränkt. Ihre

ACHTUNG

Tigecyclin wirkt nicht gegen Proteus−Arten und Pseudomonaden.

Einsatzmöglichkeit im individuellen Fall muss an− hand des Antibiogramms geprüft werden, da auch

Tigecyclin kann zur Therapie von komplizierten

bei an sich empfindlichen Bakterienarten resistente

Haut− und Weichteilinfektionen sowie schweren in−

Stämme vorkommen; Mykoplasmen und Chlamy− dien können jedoch in der Regel als empfindlich

traabdominellen Infektionen und gegen Problem−

angesehen werden. Im Prinzip haben alle Substan−

steht nur als intravenöse Applikationsform zur Ver−

zen der Gruppe dasselbe Wirkungsspektrum. Es stehen Derivate für die orale, die parenterale und

fügung. Nebenwirkungen y Es seien Übelkeit und Erbrechen

die lokale Anwendung zur Verfügung:

genannt.

Chlortetracyclin: oral und lokal, Oxytetracyclin, Doxycyclin und Minocyclin: oral und parenteral. Nebenwirkungen y sind vor allem gastrointestinale

keime auf Intensivstationen eingesetzt werden. Es

2.7.9 MLS−Antibiotika (Makrolide, Lincosami− de und Streptogramine) Makrolide, Lincosamide und Streptogramine gehö−

Störungen. Bei Kindern kommt es zur Ablagerung

ren zwar zu chemisch völlig unterschiedlichen Sub−

der Substanz in wachsende Knochen und Zähne, was zur Gelbfärbung und Fluoreszenz der Zähne führt.

stanzgruppen, werden aber oft aufgrund ihrer ähn− lichen Wirkungsweise als MLS−Antibiotika

Tetrazykline dürfen deshalb bei Kindern und in der

zusammengefasst. Sie binden an unterschiedliche,

Schwangerschaft

werden.

jedoch benachbarte Stellen auf der 50S−Unterein−

Schließlich sei auf die Möglichkeit der Photosensi−

heit des bakteriellen Ribosoms und verhindern

bilisierung hingewiesen.

durch Hemmung der bakteriellen Peptidyltransfe−

nicht

angewendet

rase die Verlängerung der Aminosäurenkette. Der

2.7.8 Glycylcycline

Effekt besteht also in einer Störung der Proteinbio−

Tigecyclin ist ein Glycylcyclin und stellt eine von

synthese. Aufgrund des ähnlichen Wirkprinzips be− stehen teilweise Kreuzresistenzen zwischen den

den Tetrazyklinen abgeleitete neue Antibiotika− Substanzklasse dar. Es bindet mit sehr hoher Affi− nität an die 30S−Untereinheit der bakteriellen Ribo− somen und hat durch die Hemmung der Protein−

MLS−Antibiotika.

Makrolide

biosynthese einen starken bakteriostatischen Effekt. Es unterliegt dabei nicht den gegen Tetra−

Die älteste Substanz aus der Gruppe der Makrolide

cyclin wirksamen Resistenzmechanismen. Tigecyc−

Salze (Stearat, Succinat, Estolat u. a.) im Handel ist.

lin wirkt gegen grampositive und −negative Keime, Anaerobier sowie gegen atypische Erreger. Zu die−

Bezüglich der verschiedenen Salze bestehen nur geringe Unterschiede in der Pharmakokinetik.

sem empfindlichen Keimspektrum gehören

Neuere Substanzen sind Clarithromycin, Roxithro−

ist das Erythromycin, das in Form verschiedener

Staphylococcus aureus (inkl. MRSA),

mycin und Azithromycin. Auch das z. B. gegen Toxo−

Streptokokken, Vancomycin−resistente Enterokokken, Enterobacteriaceae inkl. ESBL−Bildner,

plasmen eingesetzte Spiramycin gehört zu den Ma−

Bacteroides−Arten,

es umfasst grampositive Bakterien, gramnegative

Clostridium perfringens,

Kokken, Haemophilus, Bordetella, Campylobacter und Legionellen sowie Ureaplasmen und Mycoplas− ma pneumoniae (jedoch nicht wirksam gegen My−

Mykoplasmen und Chlamydien.

kroliden. Das Wirkungsspektrum aller Substanzen ist gleich;

coplasma hominis). Clarithromycin wirkt außerdem gegen ubiquitäre Mykobakterien, insbesondere ge− gen M. avium−intracellulare.

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2 Allgemeine Bakteriologie

Antibakterielle Therapie

Makrolide werden gern als Ausweichpräparate bei

Quinupristin/Dalfopristin

Penicillinallergie benutzt und in der Kinderheilkun− de relativ häufig verwendet.

Diese Substanzen sind semisynthetische Derivate

Nebenwirkungen y sind gastrointestinale Störungen

pristin). Zusammen wirken sie durch Bindung an

oder allergische Reaktionen. Nach oraler Gabe von Erythromycin−Estolat kann es zum cholestatischen

unterschiedliche Strukturen an bakteriellen Riboso− men synergistisch und hemmen so sehr effektiv

Ikterus kommen.

die Proteinbiosynthese. Aus diesem Grund werden

99

des Streptogramins A (Dalfopristin) und B (Quinu−

sie auch als fixe 30:70−Kombination zur parentera−

Ketolide

len Therapie bestimmter Infektionskrankheiten ein−

Ketolide, wie z. B. das Telithromycin, sind semisyn−

gesetzt. Dabei erfassen sie vor allem grampositive

thetische Antibiotika mit Ähnlichkeit zu den Mak−

Erreger wie z. B. Staphylokokken (einschließlich

roliden. Daher hemmen sie ebenso die bakterielle

MRSA und GISA = Glykopeptid−intermediär resis−

Proteinsynthese durch Bindung an die 50S−Unte− reinheit der Ribosomen. Ketolide wirken auch ge−

tente S. aureus), Enterococcus faecium (einschließ− lich Vancomycin−resistente Stämme) und Pneumo−

gen Makrolid−resistente Bakterien mit einer indu−

kokken

zierbaren MLSB−Resistenz (Resistenz gegen Makrolide, Lincosamide und Streptogramin B) so−

Makrolid−resistente Stämme). Bei den gramnegati−

wie gegen Bakterien, deren Resistenz auf einem Ef−

xellen, H. influenzae und Neisserien. Außerdem

fluxmechanismus beruht.

sind atypische Erreger (Legionellen, Mykoplasmen

Telithromycin wirkt gut gegen Pneumokokken und

und Chlamydien) empfindlich.

S. pyogenes sowie Staphylokokken, die eine indu− zierbare MLSB−Resistenz aufweisen. Von Bedeutung

Zu beachten ist, dass Enterococcus faecalis eine na− türliche Resistenz gegen diese Kombination auf−

ist auch die gegenüber Erythromycin oder Clari−

weist, weil der Erreger eine effektive Effluxpumpe

thromycin bessere Wirksamkeit gegen H. influen− zae. Darüber hinaus werden auch Moraxellen sowie

exprimiert und Dalfopristin so keine ausreichenden

atypische Erreger (Legionellen, Mykoplasmen und

zen bestehen prinzipiell zwischen Streptogramin B

Chlamydien) erfasst. Da Ketolide darüber hinaus

und Makroliden, wenn die betroffenen Bakterien

eine gute Gewebspenetration mit Anreicherung in

eine Methylase bilden (erm−Gen), die die von bei−

der Bronchialschleimhaut zeigen, sind sie beson− ders zur Therapie der ambulant erworbenen Pneu−

den Antibiotika genutzte Bindungsstelle am Ribo− somen verändert. Die Indikation für Quinupristin/

monie geeignet.

Dalfopristin liegt vor allem in der Therapie kompli−

Nebenwirkungen y betreffen insbesondere den Gast− rointestinaltrakt.

zierter Haut− und Weichteilinfektionen sowie noso−

(einschließlich

Penicillin−

und/oder

ven Bakterien besteht eine Wirkung gegen Mora−

Wirkspiegel im Bakterium erreicht. Kreuzresisten−

komialer Infektionen mit grampositiven Bakterien. Nebenwirkungen y sind gastrointestinale Störungen,

Lincosamide

Myalgien und Arthralgien sowie lokale Reizungen an

Auch die Lincosamine greifen in die Proteinsynt−

der Infusionsstelle.

hese der Bakterien ein (s. o.). Die einzige therapeu− tisch verwendete Substanz ist das Clindamycin. Es wirkt gegen Staphylokokken und andere gramposi− tive Bakterien sowie gegen Anaerobier, insbesonde− re Bacteroides−Arten.

2.7.10 Glykopeptide Vancomycin und Teicoplanin Es handelt sich um großmolekulare Antibiotika, die nur gegen grampositive Bakterien wirken.

Nebenwirkungen y sind gastrointestinale Störungen, Kreislaufsensationen und allergische Reaktionen. Außerdem besteht – wie bei anderen Antibiotika auch – die Gefahr der selektiven Anreicherung von Clostridium difficile und somit die Entstehung einer pseudomembranösen Enterokolitis.

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Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie Dalbavancin

Praxistipp

Dalbavancin ist ein Lipoglykopeptid, das dem Teico−

Sie sollten nur bei schweren Infektionen wie Endokarditis oder Sepsis durch grampo− sitive Erreger (multiresistente Staphylokok− ken und Enterokokken, ggf. Corynebakte− rien) als Reservemittel eingesetzt werden.

planin ähnlich ist und vor allem bei komplizierten Haut− und Weichteilinfektionen eingesetzt werden soll. Es ist wirksam gegen grampositive Erreger einschließlich MRSA und Enterokokken mit einer vanB− oder vanC−kodierten Vancomycin−Resistenz. Bei der besonders häufigen VanA−vermittelten Van−

Nahezu alle gramnegativen Bakterien sowie Chla−

comycin−Resistenz ist jedoch auch Dalbavancin wir−

mydien und Mykoplasmen weisen eine natürliche

kungslos!

Resistenz gegen diese Wirkstoffe auf. Vancomycin und Teicoplanin werden bei oraler Ga−

Glykopeptide

Liquorgängigkeit von 10–20 % des Serumspiegels,

Ramoplanin ist ein Glycolipodepsipeptid mit Wirk− samkeit gegen grampositive Bakterien einschließ−

Teicoplanin hingegen geht gar nicht in den Liquor−

lich MRSA und VRE. Es hemmt die Zellwandsyn−

raum über. Die Glykopeptid−Antibiotika sind nicht dialysierbar und brauchen daher bei Dialysepatien−

these und kann nur oral zur lokalen Therapie

ten nur einmal wöchentlich gegeben zu werden.

sem Grund wird Ramoplanin derzeit als mögliche

Die Indikation für die Gabe der Glykopeptide ist

Alternative zum Mupirocin zur Sanierung von

sehr kritisch zu stellen, da zunehmend Vancomy− cin−resistente Enterokokken (VRE) beobachtet wur−

MRSA−kolonisierten Patienten diskutiert.

be nicht resorbiert. Vancomycin hat eine geringe

intestinaler Infektionen eingesetzt werden. Aus die−

den und seit 2002 auch resistente bzw. einge−

2.7.11 Chloramphenicol

schränkt empfindliche Staphylokokken in Japan

Es handelt sich hierbei um ein klassisches Breit−

und den USA vorgekommen sind. Auch die bisher übliche orale Vancomycin−Therapie der pseudo−

spektrum−Antibiotikum, das heute nur noch bei be−

membranösen Colitis wird heute nicht mehr emp−

bakteriostatisch durch Eingriff in die Proteinbio−

fohlen; es soll stattdessen Metronidazol eingesetzt

synthese.

werden.

Indikationen für Chloramphenicol sind wegen sei−

Nebenwirkungen y Bei parenteraler Gabe können Thrombophlebitis oder allergische Reaktionen sowie

ner guten Liquorgängigkeit (auch bei nicht entzün− deten Meningen) Meningitis und Infektionen in der

bei hoher Dosierung Nephrotoxizität und/oder Oto−

Neurochirurgie.

toxizität auftreten.

Bei Salmonellen−Infektionen, die in den Tropen er−

sonderen Indikationen eingesetzt wird. Es wirkt

worben wurden (vor allem Typhus), ist Chloram−

Oritavancin

phenicol wegen erworbener Resistenzen oft un−

Eine neue Weiterentwicklung ist das Oritavancin,

wirksam.

das schwerpunktmäßig für die Bekämpfung von

Als Nebenwirkung kann eine Knochenmarkschädi−

Vancomycin−resistenten Enterokokken (VRE) ent−

gung auftreten, wobei zwischen einer toxischen, dosisabhängigen, reversiblen und einer allergi−

wickelt wurde und auch Aktivität gegen andere grampositive Erreger hat. Im Gegensatz zu Vanco− mycin inhibiert Oritavancin einen früheren Schritt der Zellwandsynthese (Transglycosylierung) und ist

schen, dosisunabhängigen, irreversiblen Myelopa−

deshalb gegen Vancomycin−resistente grampositive

vermeidbar, wenn Tagesmaximaldosen und Höchst−

Erreger wirksam. Es besitzt eine lange Halbwerts−

menge (25–30 g) nicht überschritten werden. Die

zeit von ungefähr 144 Stunden und muss daher

dosisunabhängige

theoretisch nur einmal pro Woche eingenommen

nicht vorhersehbar, sie tritt allerdings sehr selten auf.

werden.

thie zu unterscheiden ist. Die dosisabhängige Wir− kung auf das Knochenmark ist praktisch immer

Knochenmarkdepression

ist

Als Indikation für eine Oritavancin−Therapie wer− den Haut− und Weichteilinfektionen angegeben.

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2 Allgemeine Bakteriologie

ACHTUNG

Bei Früh− und Neugeborenen darf Chlorampheni− col nicht gegeben werden, da es durch Kumulati− on zum Grey−Syndrom (kardiovaskulärer Kollaps) kommen kann.

2.7.12 Chinolone (Fluorchinolone, Gyrase− hemmer)

Einteilung der Chinolone Gruppe

Wirkstoffe

2. Generation Ofloxacin, Ciprofloxacin

systemisch (parenteral oder oral) anwendbar mit Wirk− samkeit gegen Enterobacte− riaceae und eventuell gegen Pseudomonaden; für Meningokokken−Prophyla− xe

3. Generation Levofloxacin

Spektrum gegenüber der 2. Generation um grampositive (besonders Pneumokokken) und atypische Erreger (Chla− mydien, Mykoplasmen) erwei− tert

4. Generation Moxifloxacin

Spektrum gegenüber der 3. Generation um Anaerobier erweitert

älteren Substanzen der Gruppe (z. B. Nalidixinsäu− re) erreichen keine wesentlichen Serumspiegel, aber gute Spiegel in den ableitenden Harnwegen. wegsinfektionen zugelassen. Dies gilt auch für Nor− floxacin, dessen Pharmakokinetik und Wirksamkeit aber wesentlich besser sind. Ofloxacin und Ciprofloxacin sind weiterentwickelte

Indikation

1. Generation Nalidixinsäure, oral anwendbar für Harn− Norfloxacin wegsinfektionen mit gram− negativen Erregern

Topoisomerase (Gyrase), die zum Uncoiling“ und Recoiling“ der DNA vor und nach der Zellteilung

Sie sind deshalb nur für die Behandlung von Harn−

Chinolone mit breitem Spektrum: Sie wirken gegen

2.7.13 Sulfonamide und Sulfonamid−Kombina− tionen

Enterobacteriaceae, Pseudomonaden und z. T. Sta−

Die alleinige Anwendung der Sulfonamide ist heute

phylokokken, sind jedoch nicht wirksam gegen

auf Spezialindikationen beschränkt, Kombinations−

Pneumokokken. Levofloxacin hat auch eine Wir− kung gegen Pneumokokken. Moxifloxacin hat dar−

präparate aus Sulfonamiden werden jedoch häufig verwendet. Cotrimoxazol ist ein Kombinationsprä−

über hinaus das schon ohnehin breite Wirkspekt− rum um den anaeroben Bereich erweitern können.

parat aus Trimethoprim und Sulfamethoxazol. Es

Ofloxacin und Ciprofloxacin können oral oder par− enteral gegeben werden. Die neueren Chinolone

den, die Unterschiede sind gering. Trimethoprim und Sulfonamide greifen an unter−

werden gut resorbiert und penetrieren besser ins

schiedlichen Punkten in die Folsäuresynthese ein

Gewebe als die meisten anderen Chemotherapeuti−

und wirken jeweils für sich allein bakteriostatisch.

ka.

Aus ihrer Kombination resultiert aber durch die se− quenzielle Blockade in demselben Syntheseweg

gibt auch Kombinationen mit anderen Sulfonami−

MERKE

eine synergistische Wirkung, so dass die Wirkungs−

Alle Chinolone sind für Schwangere und Kinder nicht zugelassen.

weise der Kombinationspräparate (z. B. von Cotri−

Nebenwirkungen y Es können gastrointestinale und zentralnervöse Störungen, Photosensibilisierung, al−

moxazol) gegen Sulfonamid−empfindliche Erreger bakterizid ist. Cotrimoxazol wird nach oraler Gabe gut resorbiert und daher in der Regel oral appliziert; es kann aber

auftreten sowie bei einigen Chinolonen eine Ver−

auch als Kurzinfusion gegeben werden. Es wirkt so− wohl gegen grampositive und gramnegative Bakte−

stärkung der Wirkung von Theophyllin und Koffein

rien (jedoch nicht gegen Pseudomonas) und gegen

und eine Transaminasenerhöhung. Ein besonderer

Pneumocystis jiroveci. Sein Hauptanwendungsgebiet

Anwendungsbereich ist die prophylaktische Gabe

sind Harnwegsinfektionen, akuter Schub einer

von Ciprofloxacin bei Kontaktpersonen von Patien−

chronischen Bronchitis sowie die Pneumocystis−jiro−

ten mit Meningokokken−Meningitis.

veci−Pneumonie und ihre Prophylaxe.

lergische Reaktionen und Blutbildveränderungen

101

Tabelle 2.33

Chinolone (Tab. 2.33) hemmen die bakterielle DNA−

benötigt wird. Sie wirken dadurch bakterizid. Die

Antibakterielle Therapie

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102

Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie

Nebenwirkungen y Der hämatotoxischen Wirkung

kommt als Reservetherapeutikum bei Infektionen

kommt die größte Bedeutung zu (Blutbildkontrolle unter der Therapie!). Außerdem können gastroin−

mit multiresistenten Staphylokokken sowie bei be−

testinale Störungen und allergische Reaktionen

in Frage.

stimmten Formen meningoenzephaler Infektionen

auftreten. In der Frühschwangerschaft und bei Früh− und Neugeborenen soll Cotrimoxazol nicht gegeben

2.7.16 Rifampicin

werden. Bei Patienten mit schweren Leberschäden

Dieses makrozyklische Antibiotikum wirkt durch

und schwerer Niereninsuffizienz ist Vorsicht gebo− ten.

Hemmung der bakteriellen RNA−Polymerase bakte− rizid. Es hat seinen Einsatzbereich vor allem in der Tuberkulose−Therapie, ist aber auch sehr gut gegen

2.7.14 Polypeptid− und Lipopeptidantibiotika Zur Gruppe der Polypeptidantibiotika gehören Po−

grampositive Bakterien und gramnegative Kokken wirksam. Eine nur mäßige bis schlechte Wirksam−

lymyxin B und Colistin sowie die nur lokal anwend−

keit besteht gegen gramnegative Stäbchen.

baren Substanzen Bacitracin und Tyrothricin. Poly− myxin B und Colistin werden bei oraler Gabe nicht

MERKE

resorbiert und daher zur topischen Behandlung im Darmlumen (selektive Darmdekontamination) und

Wegen seiner großen Bedeutung für die Tuberku− lose−Therapie sollte Rifampicin weitgehend die− sem Einsatzbereich vorbehalten werden.

evtl. bei Mukoviszidosepatienten zur Inhalation eingesetzt. Die Polypeptidantibiotika verändern die Permeabilität der Zytoplasmamembran und wirken nur gegen gramnegative Bakterien. Proteus und Serratia besitzen jedoch eine Gattungsresistenz. Wegen ihrer hohen Toxizität werden diese Sub− stanzen für die systemische Gabe heute praktisch nicht mehr verwendet. Eine neue Substanz ist das Lipopetid Daptomycin, das von Streptomyces−Arten synthetisiert wird und in die Zytoplasmamembran grampositiver Bakteri− en eingebaut wird. Dadurch entsteht eine Memb− randepolymerisation durch Kanäle, die einen Efflux von Kaliumionen zur Folge haben und dadurch bakterizid gegen grampositive Bakterien, ein− schließlich MRSA (Methicillin−resistente Staphylo− coccus aureus, s. S.107) wirken. Daptomycin ist vor allem zur parenteralen Therapie von komplizierten Weichteilinfekten geeignet. Kopfschmerzen, Übelkeit, Muskelschmerzen, ein Anstieg der Leberwerte sowie lokale Reizungen an der Injektionsstelle sind die häufigsten Nebenwir− kungen.

2.7.15 Fosfomycin

Allenfalls kommt es in besonderen Fällen als Alter− nativ−Therapeutikum bei Staphylokokken−, Brucel− len− und Anaerobier−Infektionen in Frage. Ein besonderer Anwendungsbereich ist die prophylak− tische Gabe bei Kontaktpersonen von Patienten mit Meningokokken−Meningitis.

2.7.17 Fusidinsäure Dieses Antibiotikum ist nur gegen grampositive Bakterien wirksam. Durch Hemmung der Protein− synthese wirkt es bakteriostatisch. Fusidinsäure kann evtl. bei Infektionen durch multiresistente Staphylokokken eingesetzt werden.

2.7.18 Mupirocin Mupirocin wird von Pseudomonas fluorescens gebil− det und hat keine Verwandtschaft mit anderen An− tibiotika. Durch Hemmung der Proteinsynthese wirkt es bakteriostatisch, jedoch nur gegen Staphy− lokokken und Streptokokken. Es wird in der Regel nur als Nasensalbe zur Elimination von MRSA bei Keimträgern angewendet.

Hierbei handelt es sich um ein Antibiotikum mit sehr kleinem Molekulargewicht, das sich keiner der bisher bekannten Substanzklassen zuordnen lässt. Fosfomycin hat eine gute Gewebegängigkeit und penetriert die Blut−Liquor−Schranke. Durch Hem−

ACHTUNG

Mupirocin darf nicht in der Schwangerschaft und bei Kindern im 1. Lebensjahr gegeben werden.

mung der Zellwandsynthese wirkt es bakterizid. Es

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2 Allgemeine Bakteriologie 2.7.19 Linezolid

Antibakterielle Therapie

ACHTUNG

Linezolid ist das erste Antibiotikum, das zu den Oxazolidinonen gehört, eine völlig neue Substanz− gruppe, die die Proteinbiosynthese am Ribosom durch Inhibierung der Bildung des 70S−Initiations− komplexes hemmt. Aus diesem Grund ist keine

Wegen tierexperimentell nachgewiesener muta− gener und kanzerogener Wirkung unterliegt die längere Gabe einer strengen Indikationsstellung.

erwarten. Es wirkt vor allem gegen grampositive

2.7.21 Die Kombinationstherapie mit Antibiotika

Keime (einschließlich MRSA und VRE) und kann

Bei schweren Infektionen – insbesondere im Kran−

oral und parenteral appliziert werden. Vereinzelt

kenhaus – reicht eine Monotherapie häufig nicht

wurde bisher eine Resistenzentwicklung besonders

aus. Jedoch kann in vitro nicht mit Sicherheit vo− rausgesagt werden, wie sich die einzelnen Präpara−

Kreuzresistenz mit anderen Antibiotika−Klassen zu

bei Enterokokken beobachtet. Linezolid kann vor allem zur Therapie komplizier− ter Haut− und Weichteilinfektionen sowie bei

te in vivo gegenseitig beeinflussen werden. Es gibt

Pneumonien eingesetzt werden. Seine Liquorgän−

oder Synergismen.

gigkeit ist sehr gut, so dass es sich theoretisch auch

Grundsätzlich sollten bakterizid wirkende Antibio−

zur Therapie von Infektionen des ZNS eignen wür−

tika nicht mit bakteriostatisch wirkenden Mitteln

de. In Deutschland ist Linezolid dafür jedoch nicht zugelassen.

kombiniert werden. Jedoch hat diese Regel keine absolute Gültigkeit mehr. Je nach Lage des Falls sind heute auch solche Kombinationen gebräuch−

2.7.20 Nitroimidazole

lich.

Diese Antiinfektiva, zu denen u. a. Metronidazol

Ein definitiver Synergismus besteht nur bei Kombi−

und Tinidazol gehören, wurden ursprünglich als

nation eines b−Laktamantibiotikums mit einem

Mittel gegen Protozoeninfektionen (Trichomoniasis,

Aminoglykosid, weshalb diese Kombination bei le−

Amöbiose) entwickelt. Es stellte sich später heraus,

bensbedrohlichen Infektionen mit empfindlichen

dass sie außerdem eine bakterizide Wirkung gegen

Erregern bisher oft gewählt wurde. Wegen der oto−

Anaerobier (insbesondere Bacteroides−Arten) besit−

toxischen Nebenwirkungen der Aminoglykoside wird die Indikation für ihren Einsatz heute aber

zen. Sie entfalten nur dann eine Wirksamkeit,

nur Anhaltspunkte für mögliche Antagonismen

wenn sie von den bei Anaerobiern vorkommenden Nitroreduktasen reduziert werden. Die dabei ent−

sehr viel kritischer gestellt.

stehenden Intermediärprodukte binden an Thymi−

bakteriellen Aktivität kann eine Kombinationsthe−

din−Nukleotide der Erreger−DNA, so dass es zu Ab−

rapie auch zur Verstärkung der toxischen Wirkung

lesefehlern

führen, wenn die Einzelsubstanzen eine gleichge−

bei

103

der

Transkription

kommt.

Neben der gegenseitigen Beeinflussung der anti−

Nitroimidazole sind gegen aerobe bzw. fakultativ

richtete Toxizität besitzen.

anaerobe Bakterien unwirksam. Bei aerob−anaero−

Beispiele für häufig verwendete Kombinationen: Breitspektrumpenicilline oder Cephalosporine

ben Mischinfektionen können sie deshalb nur in Kombination mit anderen Antibiotika eingesetzt werden.

plus Aminoglykosid bei schweren Infektionen mit gramnegativen Erregern, Penicillin G plus Aminoglykosid bei Endokarditis

MERKE

Nitroimidazole wirken nur gegen Anaerobier (und Protozoen).

durch vergrünende Streptokokken, Ampicillin oder Mezlocillin plus Aminoglykosid bei Endokarditis oder Sepsis durch Enterokok−

Nebenwirkungen y sind vor allem gastrointestinale

ken, Mezlocillin plus Aminoglykosid plus Metroni− dazol bei Perforationsperitonitis.

Störungen. In der Frühschwangerschaft sollten Nit−

Aktuell wird der breite“ Einsatz von Aminoglyko−

roimidazole nicht gegeben werden.

siden jedoch sehr kritisch gesehen.

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104

Antibakterielle Therapie

2 Allgemeine Bakteriologie

2.7.22 Pharmakokinetik der Antiinfektiva

wendung von Breitspektrumantibiotika oft eine va−

Die Pharmakokinetik berücksichtigt alle Faktoren,

ginale Candidose beobachtet.

mit Ausnahme der Toxizität, die das Verhalten ei−

Die längere Anwendung von Antibiotika kann zur

ner Substanz im Körper bestimmen:

Selektion resistenter Bakterienarten bzw. resisten−

Die Säurestabilität entscheidet über orale oder parenterale Anwendung: Ist eine Substanz säu−

ter Mutanten führen.

restabil, kann sie auch oral verabreicht werden.

sind und unterschiedliche Organsysteme betreffen

Schnelligkeit und Intensität der Resorption aus dem Magen−Darm−Trakt,

können, sind allergische Reaktionen dosisunabhän− gig und treten in Form von Urtikaria, Photoderma−

die Verteilung zwischen Blutbahn und Gewebe

tosen, allergischen Hämopathien oder als anaphy−

spielt eine Rolle bei der Dosierung,

laktischer Schock auf.

Während toxische Nebenwirkungen dosisabhängig

die Fähigkeit der Antibiotika, in die Körperzellen

Enterale Nebenwirkungen der Antibiotika

zu gelangen, beeinflusst die Wahl des Mittels zur Bekämpfung intrazellulärer Erreger, z. B. bei

Durchfälle: Sie gehören zu den häufigsten Neben−

Chlamydien,

wirkungen einer Antibiotikatherapie. Sie sind darauf

die Eiweißbindung beeinflusst die antimikro− bielle Wirksamkeit und die Diffusion ins Inter−

zurückzuführen, dass bei fast jeder Antibiotika− Therapie auch die bakterielle Normalflora des Darms

stitium,

(s. S. 74) geschädigt wird. Meist gehen sie bald nach

der Metabolismus, z. B. Glukuronidierung und

Absetzen des Präparates zurück, aber bei ca. 20 %

Azetylierung, hat Auswirkungen auf die Menge

der Patienten kommt es zu Veränderungen der

an zur Verfügung stehendem aktivem Wirkstoff und damit die Dosierung,

Colonmukosa, d. h. zu einer Antibiotika−assoziierten

die Ausscheidung beeinflusst u. U. die Indikation

sich als pseudomembranöse Enterokolitis, die mit

(z. B. bei Harnwegsinfekten) und erfolgt aktiv oder inaktiv, abhängig von der Metabolisierung

schweren wässrigen oder blutigen Durchfällen ein− hergeht.

(s. o.).

AAC: Die AAC kommt vor allem bei bzw. nach Gabe

Colitis (AAC). Als schwerste Form manifestiert sie

Das Resultat dieser Faktoren sowie die Dosierung

von Clindamycin vor, kann aber auch bei bzw. nach

und individuelle Bedingungen des Infektionspro−

der Gabe von Cephalosporinen und Aminopenicilli−

zesses ergeben die therapeutisch relevante Kon− zentration des Chemotherapeutikums am Infekti−

nen und anderen Antibiotika auftreten. Die Erkran− kung kommt durch Entero− und Zytotoxine von

onsort.

exakt

Clostridium difficile zustande. Dieses Bakterium kann

gemessen noch geschätzt werden kann, dienen als Parameter für die zu erwartende Wirksamkeit die

in der normalen Darmflora in geringer Zahl vorhan− den sein und nach Antibiotika−induzierter Zerstö−

Serumkonzentrationen in der Mitte des Applikati−

rung der übrigen Flora den Darm überwuchern.

onsintervalls oder bei Lokalisation der Infektion in

Dabei kommt es gleichzeitig zur verstärkten Expres−

einem Hohlorgan die Konzentration in der entspre−

sion der bakteriellen Toxine. Zur Diagnosestellung

chenden Hohlraumflüssigkeit (z. B. Liquor, Galle, Urin); Gewebespiegel können dagegen nur teilwei−

gehören die Endoskopie und der Nachweis der

se ermittelt werden.

am besten mit Metronidazol. Vancomycin und Teicoplanin verursachen keine AAC. Die orale Gabe dieser Substanzen sollte je−

Da

diese

im

Einzelfall

weder

2.7.23 Typische Nebenwirkungen der Antiinfektiva Wirkungsimmanente, toxische und allergische Nebenwirkungen

Toxine in Stuhlproben. Die Behandlung erfolgt heute

doch trotzdem nur in Ausnahmefällen erfolgen, um einer Verbreitung von Vancomycin−resistenten En− terokokken (VRE) vorzubeugen.

Störungen des ökologischen Gleichgewichts werden als Zeichen der allgemeinen wirkungsimmanenten Nebenwirkungen gefunden. So wird z. B. bei An−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Resistenzverhalten und −entwicklung

105

O die Resistenz gegen Makrolide durch Verhin−

FALLBEISPIEL

Eine 24−jährige Verwaltungsangestellte sucht ihren

derung der Bindung des Antibiotikums an die

Gynäkologen wegen Juckreiz in der Urovaginalgegend

50S−Untereinheit des Ribosoms (erm−Gene).

auf. Anamnestisch gibt sie an, wegen einer Erkältung

Veränderte Permeabilität: Durch Veränderung

ca. eine Woche lang ein Breitbandantibiotikum ein−

der Permeabilität der Zellmembran (Porine)

genommen zu haben. Die gynäkologische Untersu− chung ergibt weißlichen Fluor, der nach Hefe“ riecht.

können Antibiotika nicht mehr in die Bakterien−

Die mikrobiologische Untersuchung des Fluors bestä− tigt den Verdacht und ergibt massenhaft Candida

genommen auch die Biofilmbildung zu zählen, da die Biofilmmatrix eine Verschlechterung des

albicans. Nach Gabe eines Antimykotikums lassen die

Antibiotikazugangs zu den einzelnen Bakterien

Beschwerden bald nach.

bewirkt. Bypass: ein durch die Antibiotikumwirkung

2.8 Resistenzverhalten und −entwicklung

zelle eindringen. Zu diesem Bereich ist streng

blockierter Stoffwechselweg kann durch ein Er− satz−Enzym umgangen werden (z. B. Folsäurean− tagonisten). Inaktivierung: das Antibiotikum wird enzyma− tisch modifiziert oder gespalten; dies ist die

Key Point Resistenzentwicklung führt dazu, dass Erre− ger unempfindlich gegenüber bestimmten Antibiotika werden. Man unterscheidet natürliche von erworbener Resistenz. Außer− dem können Resistenzen auch zwischen Bak− terien übertragen werden. Auf der ganzen Welt haben sich Bakterien−Stämme entwi− ckelt, die bestimmte Resistenzen gegen ein oder mehrere Antibiotika aufweisen. Hier müssen besondere hygienische und thera− peutische Gesichtspunkte beachtet werden. Bakterielle Resistenz gegen Chemotherapeutika ist ein relativer Begriff. Er wird anhand der in vitro er−

häufigste Ursache der Resistenz gegen b−Lak− tamantibiotika. Die genetische Information für die Bildung von b−Laktamasen kann im Bakteri− engenom oder auf einem Plasmid kodiert sein und ihre enzymatische Aktivität kann sich nur gegen Penicilline, nur gegen Cephalosporine oder gegen beide gleichzeitig richten. Die enzy− matische Azetylierung von Chloramphenicol oder Aminoglykosiden oder die Spaltung von Makroliden durch Esterasen bewirkt ebenfalls deren Inaktivierung. Effluxpumpen: Resistente Bakterien verfügen über Membranproteine, die aufgenommene An− tibiotika aktiv aus der Zelle transportieren. Dies

mittelten minimalen Hemmkonzentration (MHK, s. S.111) und der in vivo erreichbaren Gewebe− bzw.

führt oft zu multiplen Resistenzen, da das Trans− portenzym u. U. verschiedene Antibiotika einer

Serumkonzentration gemessen. Folgende Mecha−

Stoffklasse exportieren kann. Die Tetrazyklin−,

nismen können zu einer Resistenzentwicklung bei

Makrolid− und z. T. auch die Chinolonresistenz

Bakterien führen:

beruhen z. B. auf diesem Prinzip.

Veränderte Zielstrukturen: Der Angriffspunkt (Wirkort, Target) des Antibiotikums wird durch Mutation verändert. Dazu zählen beispielsweise

Praxistipp

O die Resistenz gegen b−Laktamantibiotika durch Veränderung der PBP (= Penicillinbin−

Resistenzentwicklungen können durch fol− gende Grundregeln vermieden werden: – Auswahl eines spezifischen Antibiotikums, das dem Patienten und dem Infektionsort gerecht wird. – Wenn eine Kombinationstherapie erfor− derlich ist, dann sollten synergistische Kom− binationen eingesetzt werden (z. B. b−Lak− tamantibiotikum plus Aminoglykosid).

dungsproteine (Resistenz gegen Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme), O die Resistenz gegen Fluorchinolone durch chromosomale Mutationen oder

im Gyrase−Gen

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106

Resistenzverhalten und −entwicklung

2 Allgemeine Bakteriologie

– Eine übermäßig lange Therapie soll ver− mieden werden. – Die Therapie muss an die lokalen Resis− tenzverhältnisse angepasst werden. – Neue, hochpotente Substanzen sollen nur bei lebensbedrohlichen Fällen oder bei be− sonderen Indikationen (Antibiogramm) ein− gesetzt werden.

Die Resistenzentwicklung durch Mutation kann auf zwei Wegen erfolgen: Bei manchen Antibiotika entsteht die Vollresis− tenz in einem Mutationsschritt (Einstufenresi− stenz = Streptomycintyp), bei anderen sind offenbar mehrere gleichgerich− tete Mutationen erforderlich (Mehrstufenresis− tenz = Penicillintyp).

2.8.1 Die Resistenztypen

Infektiöse (übertragbare) Resistenz

Man unterscheidet drei verschiedene Resistenzty−

Resistenz gegen Chemotherapeutika kann zwischen Bakterien (auch über Speziesgrenzen hinweg) über−

pen.

tragen werden. Dabei wird das genetische Material,

Die natürliche Spezies− oder Gattungsresistenz

das für Resistenzgene bzw. −mechanismen kodiert

Sie stellt eine primäre Wirkungslücke einer anti− mikrobiellen Substanz dar, deren Ursache eine ge− netisch determinierte Eigenschaft der Mikroben ist.

von einem Bakterien zum nächsten weitergegeben.

Beispiele hierfür sind:

sein.

Die Resistenzgene können dabei chromosomalen oder extrachromosomalen Ursprungs (Plasmid)

die Cephalosporin−Resistenz von Enterokokken

Eine Übertragung von Resistenzgenen ist auf fol−

und Listerien,

genden Wegen möglich:

die Ampicillin−Resistenz von Pseudomonas aeru−

Transformation: Nackte DNA wird von einer ly−

ginosa,

sierten Donorzelle in eine (kompetente“) Ak−

die Aminoglykosid−Resistenz von Bacteroides.

zeptorzelle überführt (selten).

Durch Mutation erworbene Resistenz

Transduktion: Genomteile werden durch Bakte− riophagen übertragen.

Spontanmutationen in der DNA eines Bakteriums,

Konjugation: die Konjugation ist als sexueller“

die unabhängig von der Gabe eines Antibiotikums

Vorgang zu deuten, durch den bei unmittelba−

auftreten, führen in der Regel zur Resistenz gegen

rem Kontakt zwischen einer männlichen“ (Do−

eine einzige Substanz. Die Mutationsfrequenzen sind für verschiedene Bakterien und für die ver−

nor−)Zelle und einer weiblichen“ (Akzeptor−) Zelle Plasmid−DNA über einen Sexpilus übertra−

schiedenen Antibiotika unterschiedlich. Sie liegen

gen wird. Wenn unterschiedliche Resistenzgene

in der Größenordnung von 10–6 bis 10–8. Resistente Mutanten können eine klinische Relevanz erlangen,

auf den Plasmiden lokalisiert sind (häufig inner− halb von Transposons), können durch Konjugati−

wenn am Ort der Infektion hohe Bakterienzahlen

on Mehrfachresistenzen in eine Bakterienpopu−

vorliegen, die nicht schnell eliminiert werden kön−

lation gelangen. Derartige Resistenz−Plasmide

nen, d. h. also vor allem bei chronischen Infektio−

werden R−Plasmide (oder auch R−Faktoren) ge−

nen. Durch das Antibiotikum werden dann die re−

nannt.

sistenten Mutanten selektioniert. Durch ärztliches

Aufgrund dieser Mechanismen wird das Wirkungs−

Handeln besteht also immer die Gefahr, dass resis− tente Populationen erzeugt werden und sich aus− breiten. Man unterscheidet zusätzlich

spektrum von Antiinfektiva z. T. signifikant einge− schränkt. Außerdem ist der aktuelle Wirkungsgrad der Antiinfektiva von den Therapiegewohnheiten,

primäre Resistenz: Die Mutation zur Resistenz

von der epidemiologischen Situation sowie von

erfolgte bereits vor dem Kontakt mit dem Anti−

krankenhaushygienischen Maßnahmen abhängig.

biotikum, und

Generelle Empfehlungen zur Antibiotikatherapie

sekundäre Resistenz: Die Mutation zur Resistenz

anhand statistischer Untersuchungen sind deshalb

erfolgte erst während des Kontaktes mit dem

nur in besonderen Fällen möglich und haben nur

Antibiotikum.

begrenzten Wert.

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2 Allgemeine Bakteriologie 2.8.2 Betalaktam−Resistenzen nismen: Hydrolyse

des

107

MERKE

Diese Resistenzen beruhen auf folgenden Mecha− Enzymatische

Resistenzverhalten und −entwicklung

b−Laktamrings

durch Betalaktamasen, Mutationen im PBP− bzw. Transpeptidase−Gen, die dazu führen, dass der b−Laktamring der An− tibiotika nur noch schwach an die PBPs binden kann.

Da PBP2 in seiner Funktion als Transpeptidase zugleich Anheftungsstelle für alle b−Laktamanti− biotika und Carbapeneme ist und durch seine Veränderung in PBP2 a eine geringere Affinität zu diesen Antibiotika besteht, sind MRSA zugleich re− sistent gegen alle Penicilline, Cephalosporine und Carbapeneme.

Veränderung der Porine bei gramnegativen Bak− terien, wodurch Betalaktam−Antibiotika eventu− ell die äußere Membran nicht passieren können.

Obwohl MRSA keine veränderten Virulenzfaktoren aufweisen, führen sie im Vergleich zu Methicillin− sensiblen S. aureus (MSSA) doch zu einer erhöhten

2.8.3 Erreger mit Resistenzen gegen bestimmte Antibiotika [U80, U82]

Morbidität und Mortalität (Mortalität bei abwehr−

Der Nachweis der in diesem Abschnitt genannten

8 %).

Erreger muss in einer fortlaufenden Liste gemäß

ha−MRSA: Bisher haben MRSA−Stämme sich vor

IfSG vom Krankenhaushygieniker dokumentiert

allem im Krankenhausbereich (ha−MRSA; ha = hospital acquired) klonal ausgebreitet und aufgrund ihrer häufigen Multiresistenz auch gegen andere

geschwächten Patienten: MRSA = 21 %, MSSA =

werden. Aufgrund der verminderten Therapiemög− lichkeiten sind situationsbedingt besondere Hy− giene− und Isolierungsmaßnahmen anzustreben.

Antibiotikaklassen große Probleme bereitet (epide− miologische Virulenz“).

Methicillin−resistente Staphylococcus aureus (MRSA) [U80.0]

MERKE

Bestimmte Staphylococcus aureus−Stämme haben in Deutschland Resistenzen entwickelt, die zu großen therapeutischen Schwierigkeiten bei entsprechen− den Infektionen führen. Weniger als 20 % aller S. aureus−Isolate bilden keine b−Laktamase und sind also empfindlich gegen Penicillin. 60 % der S. aureus−Stämme sind b−Laktamase− Bildner, sind aber noch empfindlich gegen das b−Laktamase−stabile Methicillin (bzw. Oxacillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin). Diese Stämme nennt man Methicillin−sensible S. aureus (MSSA). Ein zunehmendes Problem stellen jetzt aber Me− thicillin−resistente S. aureus (MRSA) dar, die hier− zulande bereits 20–25 % aller S. aureus−Stämme ausmachen.

Um die Ausbreitung von MRSA zu verhindern, soll− ten folgende Hygienemaßnahmen eingehalten werden: Patientenaufklärung/Personalaufklärung, Isolierung kolonisierter und infizierter Perso− nen, hygienische Händedesinfektion (vor und nach Patientenkontakt), Schutzkleidung: Kittel, Mund−, Nasenschutz, Handschuhe, adäquate Desinfektion von Patientenzimmer und Instrumenten, Verlegungsbericht mit Hinweis auf MRSA. Die Besiedlung mit MRSA geht meistens von den Nasenvorhöfen aus. Ein Patient, der mit MRSA nur

tisch bedingten (mecA−Gen) Überexpression eines

besiedelt (d. h. nicht erkrankt) ist, sollte ggf. mit Mupirocin−Nasensalbe saniert werden.

R

Ramoplanin wird derzeit als Alternative zum Mupi−

Der Resistenzmechanismus beruht auf einer gene− veränderten PBP2 a).

Penicillinbindeproteins

(PBP2

rocin diskutiert. Alternativ kommt auch Chlorhexi− din/Neomycin für die Sanierung in Frage. Bei Haut− befall werden tägliche antiseptische Bäder mit PVD−Jodseife, Chlorhexidin, Triclosan o. a. empfoh− len.

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108

Resistenzverhalten und −entwicklung

2 Allgemeine Bakteriologie

Nur bei Vorhandensein klinischer Symptome sollte

zulande die Rate von Pneumokokken mit nur noch

eine systemische Therapie unternommen werden. Dafür sind u. a. geeignet:

mäßiger Penicillin− bzw. Makrolidempfindlichkeit von 1,8 % bzw. 5,8 % im Jahr 1992 auf 6,7 % bzw.

Linezolid,

mehr als 25 % im Jahr 2003 angestiegen.

Streptogramine (Quinupristin/Dalfopristin),

Penicillinresistenz: Sie beruht nicht auf einer b−

Glykopeptide (Vancomycin oder Teicoplanin)

Laktamase−Aktivität, sondern wird durch die Ver−

und

änderung von Penicillin−Bindeproteinen (PBP) ver−

andere Reserveantibiotika.

ursacht. Dabei hängt der Grad der Penicillinresistenz davon ab, wie viele verschiedene PBPs verändert

Praxistipp

sind. Im Gegensatz zu den MRSA muss bei PRP nicht

b−Laktamantibiotika – auch in Kombination mit b−Laktamase−Inhibitoren – sind bei MRSA grundsätzlich wirkungslos (veränder− tes PBP!).

unbedingt mit einer Kreuzresistenz zwischen allen b−Laktamantibiotika gerechnet werden. Daher sind therapeutisch u. U. Amoxicillin, Cefotaxim oder Ceftriaxon wirksam. Imipenem oder Vancomycin können als Reserveantibiotikum eingesetzt werden.

cMRSA: In neuerer Zeit werden zusätzlich zu den ha− MRSA auch MRSA beobachtet, die außerhalb des Krankenhauses erworben werden (community

Makrolidresistenz: Sie kann auf zwei Mechanismen beruhen: Die Pneumokokken exprimieren eine vom erm−

MRSA = cMRSA). Sie exprimieren das porenbildende

Gen (erythromycin ribosome methylation) ko−

Toxin Panton−Valentine−Leukozidin (PVL), das Gra− nulozyten und Monozyten lysiert und zu Gewebs−

dierte Methylase, die durch Methylierung der Bindungsstellen an den Ribosomen die Bin−

nekrosen führt. Aus diesem Grund werden cMRSA

dungsaffinität der Makrolide vermindert.

vor allem als Erreger komplizierter bzw. nekrotisie−

Oder die Bakterien exprimieren ein vom mef−

render Haut− und Weichteilinfektionen gefunden. Im Gegensatz zu haMRSA werden bei cMRSA neben der PBP2 a−vermittelten Resistenz gegen b−Laktamanti−

Gen kodiertes Effluxsystem. Der erstgenannte Resistenzmechanismus

biotika und Carbapeneme nur selten Multiresisten−

oder induzierbaren Resistenz gegen Clindamycin

zen gegen andere Substanzklassen beobachtet.

und Streptogramin B, da diese die gleichen riboso−

führt

meistens zusätzlich auch zu einer konstitutiven

malen Bindungsstellen benutzen wie die Makrolide

Penicillin− und Makrolid−resistente Pneumokok− ken [U80.1]

(MLSB−Resistenz).

Der

Effluxmechanismus

Penicillin− und Makrolid−resistente Pneumokokken

tenz (M−Resistenz).

breiten sich weltweit aus. So beträgt die Rate Peni− cillin−resistenter Pneumokokken (PRP) in Frank−

Vancomycin−resistente Enterokokken (VRE)

be−

schränkt sich dagegen nur auf die Makrolidresis−

reich und Spanien 40–50 % und in Asien sogar

[U80.2, U80.3]

mehr als 50 %. Bei der Makrolidresistenz (MRP)

In der Massentierhaltung wurden Antibiotika u. a.

sind die Resistenzdaten noch bedrohlicher (Frank−

als Mastbeschleuniger eingesetzt. Eines davon ist

reich 50–60 %, Asien ca. 80 %).

das Glykopeptid Avoparcin, das strukturelle Ähn−

ACHTUNG

Bei aus dem Ausland einreisenden Patienten mit Verdacht auf eine Pneumokokken−Infektion sollte wegen möglicher Resistenzen daher kein Penicil− lin oder Makrolid gegeben werden!

lichkeiten zum Vancomycin aufweist und seit 1974 in Europa in der Tiermast von Bedeutung war. EXKURS

Vancomycin in der Tiermast und die Folgen Um das Ausmaß richtig einzuordnen, sei auf das Jahr 1994 verwiesen: Damals wurden in Da nemark 24 kg

Im Vergleich dazu ist die Resistenzsituation in

Vancomycin in der Humanmedizin, aber 24 000 kg

Deutschland zwar entspannter, doch ist auch hier−

Avoparcin in der Tiermast als Leistungsfo rderer einge−

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2 Allgemeine Bakteriologie

Resistenzverhalten und −entwicklung

 ber die Nahrungskette gelangten so auch setzt! U

gene übertragen werden können, während vanC

Avoparcin− und Glykopeptid−resistente Enterokokken in den Menschen. In der Folge wurden signifikant

eine intrinsische Resistenz vermittelt. Die meisten

ha ufiger VRE bei Patienten nachgewiesen. Der direkte

tenz sind mit mehr als 80 % E. faecium. Der Resis−

Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Avoparcin

tenztyp vanA ist am häufigsten und zeigt eine so

in der Tiermast und dem Vorkommen von VRE im

genannte High−Level“−Vancomycin−Resistenz bei

Menschen wurde erst mit dem Verbot von Avoparcin

Low−Level“−Teicoplanin−Resistenz,

(Da nemark 1995, Deutschland 1996, EU 1997) deu− tlich: Es kam zu einer signifikanten Abnahme des VRE−

VanB−Typ nur gegen Vancomycin resistent ist.

Enterokokken mit erworbener Vancomycin−Resis−

während

der

Nachweises auf jetzt unter 5 %. Aus diesem Beispiel

MERKE

soll deutlich werden, dass der unkritische Einsatz von

Aufgrund der Mobilisierbarkeit der vanA− und vanB−Gene besteht die Gefahr der Übertragung auf MRSA (s. S. 107). In der Tat wurde in den USA bereits im Jahr 2002 erstmals in einem klinischen MRSA−Isolat eine Vancomycin−Resistenz nachge− wiesen, die durch das vanA−Gen von Enterokok− ken übertragen worden war. Aus dem Gesagten wird deutlich, dass Vancomycin heute nicht mehr breit eingesetzt werden sollte!

Antibiotika im Sinne eines Selektionsdrucks die Aus− breitung von Resistenzen fo rdert.

Vancomycin gehört zu den Glykopeptidantibiotika. Es hemmt die Zellwandsynthese grampositiver Bakterien dadurch, dass es am terminalen D−Ala− nyl−D−Alanylrest der Zellwandvorstufen bindet. Vancomycin−resistente Enterokokken (VRE) nutzen einen anderen Stoffwechselweg (Bypass), der zur Bildung von D−Alanyl−D−Lactatresten führt. Alterna− tiv kann D−Alanin auch abgespalten werden. Das Resultat der beiden veränderten Zellwandstruktu− ren ist eine schwächere Bindungsaffinität von Van−

ESBL−Bildner (erweitertes Spektrum der Beta− laktamase−Bildung) [U80.4] Mehr als ein Drittel aller klinischrelevanten Bakte− rien produzieren b−Laktamasen, die nach Bush

comycin, so dass die Bakterien resistent werden.

(Tab. 2.34) oder nach Ambler in Typen bzw. Klassen

Bei VRE wird zwischen den drei wichtigsten Resis−

eingeteilt werden.

tenztypen A, B und C (vanA, −B, −C) unterschieden,

Zurzeit werden bei 25 % aller Enterobacteriaceae b− Laktamasen mit stark erweitertem Spektrum (ESBL)

wobei vanA und vanB als mobilisierbare Resistenz−

109

Tabelle 2.34

Einteilung der b−Laktamasen nach Bush Typ

Charakteristika

Typ−1−Enzyme

induzierbare chromosomal kodierte Cephalospori− gramnegative Bakterien: Enterobacter, Citrobacter nasen (nicht gehemmt durch Betalaktamase−Inhibi− freundii, Serratia, Proteus vulgaris, Providencia, toren [BLI], wie z. B. Clavulansäure) Pseudomonas aeruginosa, einige andere Nonfer− menter (z. B. Acinetobacter)

Vorkommen

Typ−2−(a–e−)Enzyme

chromosomal kodierte Penicillinasen und Cephalo− gramnegative und −positive Bakterien sporinasen, die konstitutiv (immer) produziert wer− den und durch Clavulansäure gehemmt werden können

Typ−3−Enzyme

konstitutiv exprimierte plasmidkodierte Metallo− (Zn−)Enzyme, die sowohl Cephalosporine als auch Penicilline hydrolysieren und nicht durch Clavulan− säure gehemmt werden

gramnegative (sehr selten auch grampositive) Bak− terien: E. coli, Enterobacter, Salmonella, Shigella, Klebsiella, Proteus, Serratia, H. influenzae, Pseudo− monas aeruginosa, Neisseria gonorrhoeae

Typ−4−Enzyme

konstitutiv chromosomal kodierte Penicillinasen, die nicht durch Clavulansäure gehemmt werden

hauptsächlich grampositive Bakterien

Typ−Oxa−1–3−Enzyme

werden konstitutiv plasmid−kodiert produziert und vor allem manche Enterobacteriaceae und Pseudo− können alle Betalaktam−Antibiotika (einschließlich monas aeruginosa der so genannten Betalaktamase−stabilen) abbau− en

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110

Resistenzverhalten und −entwicklung

2 Allgemeine Bakteriologie

beobachtet. Sie spalten auch Cephalosporine der 3.

durch BLI gehemmt werden. Ihre Expression wird

Generation, nahezu alle nicht durch b−Laktamase− Inhibitor (BLI) geschützten Penicilline und Cephalo−

durch Cefoxitin (Cephalosporin 2) und Carbape− neme durch induzierte Derepression vermittelt

sporine sowie Monobaktame (Aztreonam). Da die

(Abb. 2.42).

entsprechenden Gene oft auf einem Plasmid lokali−

Nach ähnlichen Prinzipien wie bei der Regulation

siert sind, ist diese Resistenz leicht und stabil über−

des lac−Operons (s. S. 29) wird auch die Transkripti−

tragbar und unterliegt einem Selektionsdruck.

on von Antibiotikaresistenz−Genen und Toxin−Ge−

Dementsprechend sind lange Klinikaufenthalte, Ka− theter, künstliche Beatmung sowie Vortherapie mit

nen bei Bakterien reguliert. Die Expression der b− Laktamase−Gene des Typs 1 nach Bush kann durch

Antibiotika wichtige Risikofaktoren.

bestimmte Betalaktam−Antibiotika (z. B. Cefoxitin)

ACHTUNG

Multiresistenzen gegen Aminoglykoside und Cip− rofloxacin sind gerade bei ESBL−Bildnern nicht sel− ten. Bei Infektionen mit ESBL−Bildnern sollten keine Cephalosporine der Gruppe 3 a gegeben werden. Stattdessen können ESBL−Bildner meis− tens mit Acylaminopenicillinen/BLI, Cephalosporin 3 b/4 (Cefepim) sowie Carbapenemen bekämpft werden.

Erreger mit Bildung von AmpC−b−Laktamasen und anderen Resistenzmechanismen [U80.5, U80.6]

Bisher beschränkt sich der Nachweis von Bakterien mit AmpC−b−Laktamasen (= b−Laktamasen−Typ−1 nach Bush) auf weniger als 1 % aller klinisch iso− lierten Enterobacteriaceae. Im Vergleich zu ESBL ist die Ausbreitungstendenz von AmpC−b−Laktamasen nur gering, weil sie immer chromosomal kodiert

induziert werden. Wie die Lactose beim lac−Operon wirkt hier der Betalaktamring als Induktor. Die Re− sistenz ist also latent vorhanden und tritt erst nach Induktion phänotypisch zutage. AmpC−b−Laktamasen findet man vor allem in Ente− robacter cloacae, E. coli, Citrobacter freundii, Morga− nella morganii, Serratia marcescens sowie Pseudo− monas aeruginosa. Die b−Laktamase−Induktion bei Enterobacter cloacae wird in Abhängigkeit vom b−Laktamantibiotikum unterschiedlich stark beeinflusst: So sind Cefoxitin, Ceftazidim und Imipenem starke, Cefotaxim ein mittlerer und Piperacillin ein geringer Induktor der b−Laktamase−Aktivität. MERKE

Bakterien mit AmpC−b−Laktamase−Bildung sind meistens empfindlich gegenüber Cephalosporinen 3 b/4 (Cefpirom oder Cefepim) sowie gegen Car− bapeneme.

sind. AmpC−b−Laktamasen können außerdem nicht

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2 Allgemeine Bakteriologie

Resistenzverhalten und −entwicklung

111

Einige Isolate von P. aeruginosa und anderen Non−

Praxistipp

fermentern weisen nicht selten eine Multiresistenz gegen b−Laktamantibiotika, Carbapeneme und Chi−

Für die Therapie der multiresistenten Tuber− kulose muss – bei eingeschränkter Prog− nose – ein Zeitraum von bis zu 2 Jahren ein− kalkuliert werden. Dabei wird mit einer Dreierkombination begonnen, bei der min− destens zwei der Medikamente bei dem be− treffenden Patienten vorher noch nicht ein− gesetzt waren.

nolone auf. In diesen Fällen handelt es sich meis− tens um dereprimierte Mutanten (AmpC−b−Lakta− masen), die eine gleichzeitige Porinveränderung (OprD−Porin) und Mutationen im Gyrase−Gen auf− weisen.

Mykobakterien mit Resistenz gegen Antituber− kulotika [U82] Nach WHO−Definition wird ein Tuberkulose−Erreger

Zu den Zweitrang− oder Reservemedikamenten, die

dann als multiresistent bezeichnet, wenn die bei−

dabei in Betracht kommen, zählen z. B. Levofloxa−

den wichtigsten Erstrangmedikamente Isoniazid

cin, Ciprofloxacin, Rifabutin, Clarithromycin und

und Rifampicin keine Wirksamkeit mehr zeigen.

Capreomycin (Letzteres nur bei Streptomycin−Resis−

Ursache für die Entwicklung von Resistenzen gegen Antituberkulotika sind vor allem

tenz).

schlechte Compliance und

2.8.4 Die Methoden der Resistenzbestim− mung

der Verkauf von qualitativ schlechten Tuberkulo− semedikamenten mit verminderter Bioverfüg−

Die Resistenzbestimmung (Empfindlichkeitsprü− fung) dient der Feststellung der In−vitro−Wirkung

barkeit.

eines Chemotherapeutikums auf einen bestimmten

fehlende Tuberkulosekontrollprogramme,

Die Antibiotikaresistenzen bei Mycobacterium tu−

Erregerstamm.

berculosis beruhen fast ausnahmslos auf Punktmu− tationen der entsprechenden chromosomalen Ziel−

Reihenverdünnungstest: Reihenverdünnungsteste erlauben die sicherste Feststellung der minimalen

gene. Sie kodieren für Enzyme, die vorwiegend für

Hemmkonzentration (MHK) und der minimalen

die Zellwandsynthese oder Proteinbiosynthese von

bakteriziden Konzentration (MBK) von Antibiotika.

Bedeutung sind (Tab. 2.35).

Dafür werden die Antiinfektiva entweder in flüssi−

Die weltweite Ausbreitung der multiresistenten Tu−

gen (Bouillondilutionstest) oder auf festen (Agardi−

berkulose nimmt rasant zu.

lutionstest) Nährmedien in meist geometrischer

Betroffen sind u. a. die Einwohner der meisten Län−

Verdünnungsreihe so gelöst, dass die erreichbaren

der der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS), einschließlich Kasachstan, sowie der baltischen

Blut−, Gewebe−, Harn− oder Gallespiegel mit erfasst werden. Anschließend werden die mit unterschied−

Staaten.

lichen Antiinfektiva−Konzentrationen präparierten Nährmedien mit den entsprechenden Bakterien beimpft und es wird beurteilt, bei welchen Konzent− rationen noch ein Bakterienwachstum stattfindet.

Tabelle 2.35

Resistenz liegt vor, wenn die MHK einer Bakterien−

Ziele von Antituberkulotika

population in vitro höher ist als die erreichbare Konzentration der Substanz am Infektionsort. In praxi muss man sich jedoch meist auf die Relation

Antibioti− kum

Gen

Protein

Wirkung

Isoniazid

inhA

Enoyl−Acyl−Carrier Protein−Reduktase

Mykolsäure− synthese R Zell− wandaufbau

lenspiegel beschränken, da die Konzentrationsver−

Transkription R Proteinsynthese

zuschätzen oder zu messen sind.

von MHK und Serumspiegel bzw. Harn− oder Gal−

Rifampicin

rpoB

b−Untereinheit der RNA−Polymerase

Streptomy− cin

rpsL

ribosomales Protein Translation R S12 Proteinsynthese

hältnisse am Infektionsort im Einzelfall kaum ab−

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112

Resistenzverhalten und −entwicklung

2 Allgemeine Bakteriologie

MERKE

Als MHK gilt die niedrigste Antiinfektiva−Konzent− ration, bei der im beimpften Nährmedium nach 24−stündiger Bebrütung kein sichtbares Wachs− tum auftritt. Die MBK kann nur im Bouillondilutionstest be− stimmt werden: Material der nicht bewachsenen, antibiotikahaltigen Bouillon wird auf wirkstofffrei− en Medien subkultiviert. MERKE

Als MBK gilt die niedrigste Konzentration, bei der nach Subkultivierung kein Wachstum auftritt – bei der also eine Abtötung der Bakterien erfolgt ist. Agardiffusionstest (Hemmhoftest): Ein Agarnährbo− den wird gleichmäßig und dicht mit einem Bakte− rienstamm beimpft. Anschließend werden Filterpa− pierblättchen aufgelegt, die mit den verschiedenen Antibiotika getränkt sind. Während der Inkubations− phase diffundieren die Substanzen von den Blättch− en in den Nährboden. Im Bereich der Diffusionszo− nen entstehen nach der Bebrütung Aussparungen (Hemmhöfe) im Kolonierasen, wenn die Konzentra− tion der Substanz die MHK des getesteten Stammes erreicht oder überschreitet (Abb. 2.43). Bei Standardisierung der Technik (kreisrunde Blätt− chen, Konstanz von Blättchenbeschickung, Inoku− lum, Nährbodenschichtdicke, Bebrütungszeit) lässt

sich aus der Größe des Hemmhofdurchmessers an− hand einer Eichkurve die MHK bestimmen. Jedoch werden die Ergebnisse des Blättchentests nicht als MHK−Werte mitgeteilt. Stattdessen wird unter Zu− grundelegung der so genannten break points, die sich an den erreichbaren Serumspiegeln orientie− ren, eine semiquantitative Einstufung in die Kate− gorien empfindlich“, mäßig empfindlich“ oder resistent“ vorgenommen. Andere Testverfahren: Neben den beschriebenen bewährten Verfahren gibt es heute auch automati− sierte Methoden, die u. a. einen Wachstumsalgo− rithmus durch markiertes Kohlendioxid erarbeiten. Ferner sind auch spezielle Blättchensysteme (sog. e−Test) im Handel, die eine direkte Ablesung der MHK erlauben.

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Kapitel

3

Allgemeine Virologie 3.1

Grundlagen 115

3.2

Die Diagnostik viraler Erkrankungen 119

3.3

Die antiviralen Chemotherapeutika und Prophylaxe 121

3.4

Die Systematik der Viren 124

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114

Klinischer Fall

Verdacht auf Vogelgrippe

Ja, ja, Frauen erwischt es immer schlimmer. Dafür jammern Männer mehr“, scherzt Dr. Walz, die Oberärztin der Infektiologie, mit Jan, als sie die sorgfältige Anamnese aus der Notaufnahme der Uni− versitätsklinik durchliest. Während sie die Lungen der beiden Patienten auskultiert, ist sie sich schon beina− he sicher, dass Monika und Jan an verschiedenen Er− krankungen leiden: Bei ihm hört sie Rasselgeräusche im Sinne einer Lobärpneumonie, bei ihr ein vesikulä− res Atemgeräusch, einen Normalbefund. Wenn hier jemand an Vogelgrippe erkrankt ist, dann ist es höchstens einer von Ihnen. Auf keinen Fall aber bei− de. Sie haben völlig unterschiedliche Symptome“, sagt Dr. Walz zu Monika. Aber wir waren doch in Indonesien. Dort sind kürzlich wieder zwei Jugendli− che an Vogelgrippe erkrankt!“ klagt die Jurastuden− tin. Genau deshalb werden wir jetzt eine sorgfältige Diagnostik durchführen, um die aviäre Influenza nicht zu übersehen“, antwortet Dr. Walz und nimmt gleich

Ro ntgenbild der Lunge eines Patienten mit Loba rpneumonie (Pfeil)

Rachenabstriche und Sputum−Proben von Jan und Monika ab.

Vogelgrippe aus Indonesien?

Diagnoseweisend: Inkubationszeit

Monika ist wütend. Es ist alles deine Schuld! Du mit deinen exotischen Ideen! Eine Reise nach Indonesien! Das haben wir davon – beide Vogelgrippe!“ ruft sie

Als sich die Oberärztin auf den Weg zur anstehenden Besprechung macht, geht sie den Krankheitsverlauf

ihrem Freund Jan über den Flur nach, während dieser

Sechs Tage nach der Ankunft in Deutschland bra−

hustend zum Treppenhaus flüchtet. Das kann doch

chen die Symptome aus. Aber die beiden waren nach

nicht sein, die Vogelgrippe“, sagt er leise vor sich

Abflug von Jakarta noch drei Tage lang in Dubai. Das

hin und nimmt zwei Treppenstufen auf einmal.

bedeutet, dass die Erkrankung erst neun Tage nach

Selbstverständlich war der Urlaub in Indonesien seine

dem Indonesien−Aufenthalt ausgebrochen ist.“ Dr.

Idee. Genauso wie die Idee, auf dem Rückflug von Ja−

Walz geht plötzlich ein Licht auf. Mitten auf der Trep− pe macht sie kehrt und geht noch einmal zu Monika

karta einen Zwischenstopp in Dubai einzulegen. Aber schließlich hatten sie eine Menge Spaß miteinander.

des Studentenpaars noch einmal in Gedanken durch:

und Jan. Ich habe gute Nachrichten für Sie. Das Vo−

Und eine Pause hatten sie nach dem ersten Staats−

gelgrippe−Virus hat gewöhnlich eine Inkubationszeit

examen in Jura mehr als nötig. Dass sie jetzt beide

von bis zu sieben Tagen. Bei Ihnen sind aber seit

eine Vogelgrippe haben sollen, das kann er einfach

dem Indonesien−Aufenthalt neun Tage vergangen.

nicht glauben.

Das macht eine Ansteckung mit aviärer Influenza in

Verschiedene Symptome

Indonesien sehr unwahrscheinlich“, informiert sie die Patienten. Beide sind nach dieser Mitteilung erleich− tert. Jetzt gilt es nur noch, den endgültigen Befund

Sowohl Jan als auch Monika bekamen genau sechs Tage nach der Ankunft in Deutschland plötzlich Hus−

aus der Mikrobiologie abzuwarten. Als die Ergebnisse

ten und Fieber. Bei Monika stieg die Temperatur in−

der Rachenabstriche und des Sputums eintreffen,

nerhalb von wenigen Stunden auf 40 8C. Jetzt klagt

können beide Patienten endgültig aufatmen. Bei Mo−

sie über Muskel− und Gelenkschmerzen und hat einen

nika fand man im Rachenabstrich das normale“ In−

trockenen Husten. Bei Jan verlief der Erkrankungsbe−

fluenza−Virus A/H3N2. Bei Jan ließen sich im Sputum

ginn anders: Er hat bei sich zu Hause eine Tempera−

Pneumokokken nachweisen. Und nächstes Jahr Brasi−

tur von 38,5 8C gemessen und fühlt sich insgesamt

lien?“, wirft Monika Jan zu, als beide schon beinah wieder gesund die Klinik−Cafeteria ansteuern.

weniger angeschlagen als seine Freundin.

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3 Allgemeine Virologie

3

Allgemeine Virologie

3.1 Die Grundlagen

Grundlagen

115

roskop nur Partikel ab einer Größe von 300 nm darstellen kann, ist es für die Sichtbarma− chung von Viren nicht geeignet. Viren ver− mehren sich obligat intrazellulär und sind da− bei abhängig vom Stoffwechsel der Wirtszel− le.

Key Point Viren sind keine echten Lebewesen, sondern replikationsfähige Nukleoproteinkomplexe, die einen Durchmesser zwischen 18 nm (Par− voviren) und 300 nm (Pockenviren) aufwei− sen (zum Vergleich: Bakterien haben eine Größe von 500 nm–10 mm). Da ein Lichtmik−

Abb. 3.1

3.1.1 Der Aufbau der Viren Viren vermehren sich nicht durch Zweiteilung, son− dern durch Zusammenlagerung (Assembly) von Einzelbestandteilen; hierzu gehören: Genom: Es besteht aus Nukleinsäure, die entwe− der als RNA (linear oder segmentiert) oder als

Grundstruktur von Viruspartikeln

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116

Grundlagen

3 Allgemeine Virologie

DNA (linear oder zirkulär) vorliegt. Die RNA

dern die Viren von der primären Eintrittspforte

oder DNA kann einzelsträngig (ss) oder dop− pelsträngig (ds) sein. Die Polarität der Nuklein−

knoten als zweite Station. Hier replizieren sie sich

säure wird als positiv bezeichnet, wenn die RNA

weiter und erreichen dann auf hämatogenem We−

als mRNA direkt translatiert werden kann, bzw.

ge das retikulo−endotheliale System. Dort vermeh−

als negativ, wenn sie komplementär zur Boten−

ren sich die Viren nochmals. Es folgt oft eine zwei−

über die Lymphbahnen zu den regionären Lymph−

RNA ist.

te massivere Ausbreitung über die Blutbahn, so

Kapsid: Es handelt sich um einen Mantel aus Proteinen, der das Genom verpackt. Das Kapsid

dass letztendlich das Zielorgan mit einer hohen Vi− ruslast erreicht wird, bevor das Virus wieder aus−

kann eine ikosaedrische (kubischer Aufbau aus

geschieden wird.

Dreiecksflächen) oder helikale Struktur haben (Abb. 3.1).

MERKE

Lipidhülle: Sie stammt von der Plasmamembran

Viren haben einen langen Weg und viele Replika− tionszyklen hinter sich, bevor sie ihr Zielorgan er− reichen: Eintrittspforte .. Lymphbahn .. Lymphknoten ... Blut ... retikulo−endotheliales System .... Blut .... Zielorgan

oder von intrazellulären Membranen (Golgi−Ap− parat, endoplasmatisches Retikulum) der Wirts− zelle ab, kommt aber nicht bei allen Viren vor. Die Infektiosität behüllter Viren wird durch or− ganische Lösungsmittel oder Detergenzien stark reduziert, weil diese die virale Hülle entfernen, die sonst für die Asorption an die Wirtszelle be− nötigt wird. Spikes: Virale Rezeptor−bindende Proteine kom− men auf bzw. in der Oberfläche von behüllten und unbehüllten Viren vor und sind für die Ad− häsion an Wirtszellen notwendig. Zudem werden bei manchen Viren Enzyme mit eingebaut, z. B. DNA− oder RNA−Polymerasen.

3.1.2 Der Lebenszyklus der Viren Die natürliche Virusvermehrung (Replikation) fin− det meist zunächst an der Eintrittspforte (Tab. 3.1) in den Organismus statt, bei Tröpfcheninfektion z. B. im Epithel des Nasopharynx. Meistens wan− Tabelle 3.1

Eintrittspforten wichtiger Viren Eintrittspforte

Viren

Aerogen (Tröpfcheninfektion) Influenza, Varizella, Masern, Mumps, Röteln

Manche Virus−Infektionen durchlaufen nicht alle diese Phasen oder nehmen alternative Ausbrei− tungsrouten. So kann bei Rhinoviren z. B. die Infek− tion auf die Eintrittspforte des Nasopharynx be− schränkt bleiben oder Herpes−simplex−Viren (HHV1/2) breiten sich entlang der Nervenbahnen aus. MERKE

Man unterscheidet die folgenden Phasen der Re− plikation: Adsorption, Penetration, Uncoating, Replikation, Zusammenbau und Freisetzung (Abb. 3.2). Die Adsorption eines bestimmten Virus ist ab− hängig von der Anwesenheit spezifischer Rezep− toren auf der Oberfläche der Wirtszelle; diese

fäkal−oral

Enteroviren (Polio, Hepatitis− A) Noro−, Rota−, Adenoviren

Geschlechtsverkehr

Herpes, HIV

le für die Virusinfektion (Zelltropismus).

konjunktival (Schmier− infektion)

Adenoviren, Herpes

Bei unbehüllten Viren erfolgt die anschließende

direkter Kontakt

Papilloma (Warzen)

membrantransport (z. B. Polioviren) oder durch

Plazenta

Röteln, HIV, Parvo B19, Vari− zellen, Zytomegalie

eine Rezeptor−vermittelte Endozytose (z. B. Ade−

bestimmen daher die Empfänglichkeit einer Zel−

Penetration entweder durch direkten Trans−

noviren). Im Vergleich dazu kommt es bei be−

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3 Allgemeine Virologie

Grundlagen

117

Abb. 3.2 Vermehrungszyklus von nack− ten oder behüllten Viren. Der virale Repli− kationszyklus ist in der schematischen Abbildung beispielhaft für ein behülltes (7b) oder unbehülltes (7a) DNA−Virus dargestellt: Es sei darauf hingewiesen, dass große Unterschiede zwischen den verschiedenen Virusfamilien hinsichtlich der Strategien bei der Vermehrung der genomischen viralen Nukleinsäure und der intrazellulären Lokalisation der Nukle− insäurereplikation bzw. des Zusammen− baus des Nukleokapsids existieren. Abb. 3.3 Eisberg−Konzept der viralen In− fektion. Auswirkung eines Virusinfekts auf der Ebene der Zelle bzw. des Wirtes. Abb. 3.4 (a) Zellkultur von nicht infi− zierten RK13−Zellen; (b) Zytopathischer Effekt 7 Tage nach Infektion mit Rubel− lavirus. Durch Zugabe von Antikörper− haltigem Patientenserum ließe sich die Ausbildung des zytopathischen Effekts in der infizierten Zellkultur verhindern (mit freundlicher Genehmigung des Na−

hüllten Viren entweder zu einer direkten pH− unabhängigen Fusion der Virushülle mit der Plasmamembran der Wirtszelle oder zu einer Rezeptor−vermittelten Endozytose mit pH−ab− hängiger Fusion von Virushülle und Wirtszell− Plasmamembran. Für die Fusion sind so ge− nannte Fusionsproteine in der Virushülle erfor− derlich. Die Freisetzung der viralen Nukleinsäure aus dem Kapsid wird als Uncoating bezeichnet. Im Anschluss daran wird die virale Nukleinsäure vermehrt (Replikation). Bei Retroviren erfolgt die Replikation der (+)RNA zunächst über die Bildung einer DNA−Zwischenstufe, für die das virale Enzym Reverse Transkriptase notwendig ist. Mithilfe der Synthesemaschinerie der Wirtszelle werden u. a. Virusproteine durch Transkription und Translation produziert. Die Replikation der Virus−Nukleinsäure und die Synthese der Virus−

MERKE

Ein fertig zusammengesetztes, extrazelluläres und infektiöses Viruspartikel nennt man Virion.

Der Replikationszyklus dauert bei den verschiede− nen humanpathogenen Viren unterschiedlich lang, was u. a. auch unterschiedlich lange Inkubations− zeiten erklärt. So beträgt die Replikationszeit z. B. bei Hepatitis−A−Virus 6 bis 8 Stunden, während sie bei Papillomviren etwa 48 Stunden beträgt. Im Rahmen einer Infektion werden in der Regel meh− rere Replikationszyklen nacheinander durchlaufen, ehe sich eine Erkrankung klinisch manifestiert. Der Zeitraum zwischen der Freisetzung der viralen Nukleinsäure bei der Infektion der Zelle (Uncoa− ting) und der Neubildung morphologisch erkenn− barer Viruspartikel wird als Eklipse bezeichnet.

proteine sowie der anschließende Zusammen− bau der Viruskomponenten (Assembly) finden virusabhängig entweder im Zytoplasma oder im Nukleus der Wirtszelle statt. Die Freisetzung fertiger Virione erfolgt bei un− behüllten Viren durch Wirtszelllyse oder Exozy− tose und bei behüllten Viren durch Knospung (Budding), unter der eine vesikelartige Abschnü− rung des Virions unter Beibehaltung der Integri− tät der Wirtszellmembran verstanden wird.

Praxistipp Im Labor sind diese Vorgänge auf molekula− rer Ebene natürlich nicht zu erkennen. Hier wird der Zeitraum zwischen dem Beimpfen einer empfänglichen Zellkultur und dem Nachweis neugebildeter Virionen durch An− zucht als Minimale Latenzperiode bezeich− net.

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118

Grundlagen

3 Allgemeine Virologie

Viren können in verschiedenen Zustandsformen in

Nach einer Virusinfektion kann der Weg für eine

der Zelle vorliegen. Man unterscheidet die aktive Replikation von der Latenz.

zusätzliche Infektion mit Bakterien erleichtert sein. So entstehen bakterielle Superinfektionen.

MERKE

3.1.4 Der Verlauf von Virusinfektionen

Latenz bedeutet, dass das virale Genom in das Wirtschromosom integriert wird oder als extra− chromosomales Episom wie ein Plasmid in der Zelle vorliegt. Dabei findet nur eine minimale Transkription des Virusgenoms statt.

Die Virusinfektion kann im Menschen unterschied−

Ob ein Virus aktiv in den eigenen Vermehrungs− zyklus eintritt oder in die Latenz geht, hängt vom Virus selbst sowie von den Umweltbedingungen ab.

3.1.3 Das Schicksal der infizierten Zellen Nahezu jede Virusart weist Varianten auf, die sich in ihrer Virulenz voneinander unterscheiden. Die krank machende Wirkung kann dabei entweder di− rekt auf die Wirkung des Virus auf die infizierte Zelle zurückgeführt werden, oder aber die Immun− abwehr führt zum Zelluntergang und Gewebsscha− den. Was also mit den Zellen nach einer Virusinfektion geschieht, ist vom jeweiligen Virus abhängig: Zytolytische oder zytopathische Viren führen nach aktiver Replikation zur lytischen Infektion mit Zelluntergang durch Apoptose oder Nekrose. Eine

Schädigung durch immunpathologische

Wirtsreaktionen kann bei Infektion mit nicht−ly− tischen oder nicht−zytopathogenen Viren eintre− ten. Sie kommt vor allem bei Hepatitis−A, −B

lich verlaufen: Inapparente Infektion: Es kommt zu Viruslatenz oder −vermehrung ohne Krankheitserscheinun− gen. Klinisch−manifeste Infektion: Krankheitserschei− nungen werden sichtbar. Es muss zwischen pe− rakuter, akuter, subakuter und chronischer In− fektion unterschieden werden. Persistierende bzw. latente Infektion: Das Virus bleibt lebenslang im Wirt und kann sich ständig (z. B. HIV) oder periodisch vermehren (z. B. HHV1/2). Hierbei ist von Bedeutung, dass eine Repression von Viren vorliegen kann, die in das Wirtszellgenom integriert sind. Die Infektion ist dann latent und kann durch Inaktivierung des Repressors in eine lytische Infektion mit Virus− produktion und damit zusammenhängendem Zelluntergang übergehen. Die Persistenz kann aber auch u. U. zunächst klinisch stumm verlau− fen, wenn Zellteilung und Virusreplikation ne− beneinander stattfinden. Infektion mit onkogenem Potenzial: Die Trans− formation der Wirtszelle zur Tumorzelle kann folgendermaßen induziert werden: O durch Integration von viralen Onkogenen (z. B. vom Retrovirus HTLV−1) in das Wirtszell− genom,

oder −C vor.

O durch Insertion des Provirus in die Nähe eines

Die Zelle wird während der aktiven Infektion in ihrer Funktion modifiziert. Hierbei kann es zur

O durch Wechselwirkung von viralen Proteinen

Zellproliferation (Warzenbildung) oder zur Zell− transformation mit Immortalisierung und malig− ner Entartung (Tumorbildung) kommen. Die Zelle wird überhaupt nicht beeinträchtigt (oft bei Latenz). Eine latente Virusinfektion kommt z. B. regelmäßig bei Viren der Herpes− Gruppe vor, die episomal im Zellkern persistie− ren. Manche Menschen sind so ihr Leben lang symptomlose Träger von Herpes−Viren.

zellulären Protoonkogens, (z. B. von HPV, EBV oder Adenoviren) mit Tu− morsuppressorproteinen der Wirtszelle (p53, pRB). Nach einer Virusinfektion können immunpatho− logische Folgekrankheiten entstehen (z. B. bei chronischer Hepatitis−B). Eine Slow−Virus−Infektion zeichnet sich durch eine sehr lange Inkubationszeit und chronisch− progredientem Verlauf der Erkrankung aus (z. B. SSPE, s. S. 296).

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3 Allgemeine Virologie

Diagnostik

119

tionalen Referenzzentrums MMR, Ro− bert−Koch−Institut, Berlin).

MERKE

Gerade Virusinfektionen verlaufen im Vergleich zu bakteriellen Infektionen häufig subklinisch. Die beobachteten klinisch−manifesten Erkrankungen stellen daher nur die Spitze eines infektiologi− schen Eisbergs dar (Abb. 3.3).

3.2 Die Diagnostik viraler Erkrankungen

Das resultierende Serum wird dann für die Unter− suchung eingesetzt. EDTA−Blut oder Heparin−Blut kann sofort zentrifugiert werden. Der Überstand, das Plasma, ist z. B. für den ELISA, den Immunfluo− reszenztest und den Hämagglutinations−Hemmtest geeignet, nicht aber für den Neutralisationstest oder die Komplement−Bindungs−Reaktion. Durch eine Antikörper−Untersuchung aus Liquor oder Kammerwasser des Auges zusammen mit ei− ner parallel entnommenen Serumprobe kann man eine lokale Synthese von Erreger−spezifischen Anti−

Key Point Die meisten Virusinfektionen werden heutzu− tage serologisch oder durch Nukleinsäure− nachweis diagnostiziert.

körpern im ZNS oder im Auge aufdecken. Für den direkten Erregernachweis sollten die Un− tersuchungsmaterialien möglichst früh nach Einset− zen der Symptome entnommen werden. Je nach klinischer Situation werden Blut, Liquor, Bläschen−

3.2.1 Die Materialabnahme

inhalt, Gewebe u. a. eingesetzt.

Für den serologischen Antikörpernachweis wird Vollblut gewonnen.

EXKURS

r die Virusanzucht Transportmedien fu

Praxistipp Das Blut darf bei Abnahme und Lagerung nicht hämolytisch werden. Vollblut sollte nach Abnahme mindestens eine Stunde aus− gerinnen und erst danach (meistens im La− bor) bei 3000 UpM für 10 min zentrifugiert werden.

Material fu hrend des Trans− r die Virusanzucht darf wa ports nicht austrocknen. Daher u berfu hrt man die Untersuchungsmaterialien in ein Transportmedium, in dem die Viren unbeschadet u nnen. Als berleben ko Grundlage eines solchen Transportmediums kann z. B. das Zellkulturmedium Eagle’s MEM dienen. Es wird mit Phenolrot als pH−Indikator unter Zusatz von 0,5 %igem Rinderalbumin, 100 IE/ml Penicillin, 1 mg/ml Strepto− mycin, 500 mg/ml Neomycin und 50 E/ml Nystatin verwendet.

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120

Diagnostik

3 Allgemeine Virologie

Die Proben für die Virusanzucht sollten das Labor

die zum größten Teil auch bei anderen mikrobiolo−

möglichst rasch erreichen, gekühlt transportiert werden und vorher dem Labor angekündigt wer−

gischen

Fragestellungen

eingesetzt

werden

(s. S. 87).

den.

Eine Ausnahme macht der Neutralisationstest

Auch Proben für die PCR sollten das Labor mög−

(NT), der vor allem zum Nachweis von Infektio−

lichst unverzüglich erreichen. Für Viruslastbestim−

nen durch Enteroviren (z. B. ECHO, Coxsackie)

mungen bei HIV und HCV sind weniger als 2 h op−

eingesetzt wird: Bei diesem Test wird Patien−

timal.

tenserum zu einer Zellkultur gegeben, die mit dem gesuchten Virus infiziert ist. Enthält das Patientenserum

Praxistipp: Der rasche Transport ist allgemein wichti− ger als die Kühlung.

virusspezifische

Antikörper,

hemmen diese das Fortschreiten der Infektion in der Zellkultur. Ein positiver Antikörpernachweis wird also z. B. dadurch angezeigt, dass sich in der Zellkultur kein zytopathischer Effekt ausbil−

3.2.2 Die Grundlagen viraler Diagnostik

det (Abb. 3.4).

Das Krankheitsbild bei virologischen Erkrankungen ist oft uncharakteristisch mit grippeähnlichen Symptomen. Daher kommen differenzialdiagno− stisch häufig verschiedene Viren, aber auch andere Mikroorganismen in Betracht. MERKE

Bakterielle Infektionen lassen sich häufig von vira− len Infektionen abgrenzen: Typischerweise ist bei Virusinfektionen im Blutbild eine Lymphozytose und keine Erhöhung des C−reaktiven Proteins zu beobachten; bei Bakterien wiederum ist eine Leu− kozytose typisch. a

Die Diagnose von Virusinfektionen beruht einer− seits auf dem Virusnachweis (oft durch Virusisolie− rung, PCR oder Elektronenmikroskopie) oder dem Nachweis virusspezifischer Antikörper des Wirtsor− ganismus.

Praxistipp: Wie bei allen Infektionskrankheiten ist der direkte Erregernachweis kurz nach Erkran− kungsbeginn erfolgversprechender, während ungefähr 3 Wochen nach Infektion der spezifische Antikörpernachweis zur Diagnose führen kann.

b

Die Untersuchungsverfahren Für den Nachweis spezifischer Antikörper stehen verschiedene serologische Verfahren zur Verfügung,

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3 Allgemeine Virologie

Antivirale Chemotherapeutika und Prophylaxe

Beim Hämagglutinations−Hemmtest (HHT) nutzt

Wegen des hohen Zeit− und Arbeitsaufwands ist

man die Fähigkeit bestimmter Viren (z. B. Rötel− nvirus) aus, Erythrozyten zu agglutinieren. Die

die Bedeutung der Elektronenmikroskopie und der Erregeranzucht in der Zellkultur heute für den

virusspezifischen Antikörper werden dann da−

Routinealltag gering. Diese Verfahren bleiben spe−

durch nachgewiesen, dass sie die Hämagglutina−

ziellen Fragestellungen vorbehalten.

121

tion hinzugegebener Testviren hemmen. Der Virusnachweis ist außerdem möglich durch die Anzucht des Erregers in der Zellkultur, den Nachweis von viralen Antigenen, z. B. mit− hilfe

der

direkten

Immunfluoreszenz

(IFT,

s. S. 89), im Antigen−ELISA (z. B. Hepatitis−B−sur− face−Antigen, HBsAg, in Serum oder Rota− und Adenoviren in Stuhl) Elektronenmikroskopie, den Nachweis von viralen Nukleinsäuren, z. B. mit der Polymerase−Kettenreaktion.

Die Auswahl der Untersuchungsverfahren Eine Virusisolierung kann z. B. bei Verdacht auf En− tero−, Influenza−, HIV− und Cytomegalie−Viren ver− sucht werden. Sie ist eine Voraussetzung für die Differenzierung von Virusstämmen oder für die

3.3 Die antiviralen Chemo− therapeutika und Prophylaxe Key Point Die Entwicklung antiviraler Medikamente hat in den vergangenen Jahren nahezu revolu− tionäre Neuerungen erbracht. Die wichtigs− ten Indikationen für eine antivirale Therapie sind: – Influenza, – Infektionen mit Herpesviren, – HIV−Infektion, – Hepatitis−B und −C. Die antivirale Chemotherapie setzt an den verschiedenen Phasen des viralen Lebens− zyklus an.

phänotypische Bestimmung von Virostatika−Resis− tenzen. Antigen−Nachweise mit der direkten Immunfluo−

3.3.1 Die antivirale Therapie Die Therapie der Influenza

reszenz werden z. B. für das Cytomegalie−Virus,

Bei der Therapie der Influenza (s. S. 244) setzt man

Herpes−simplex−Virus,

auf zwei verschiedene Angriffspunkte (Tab. 3.2):

Varizella/Zoster−Virus

und

bei respiratorischen Viren (Influenza−, Parainfluen− za−, Adeno− und Respiratory−syncytial−Viren) einge− setzt.

Eine Inhibierung der Penetration und des Un− coatings von Influenza−A−Virus kann durch M2− Hemmer (Amantadin und Rimantadin) bewirkt

Die Polymerase−Kettenreaktion eignet sich prinzi−

werden.

piell für den Nachweis aller wichtigen Viren. Sie wird heute insbesondere angewendet für den

Neuraminidase−Hemmer

quantitativen (Viruslast−)Nachweis von Hepatitis−

wie

Zanamivir oder

Oseltamivir inhibieren hingegen die Freisetzung von Influenza−Viren aus der infizierten Zelle.

B− und Hepatitis−C−Viren, HIV und CMV. Daneben wird die PCR für den qualitativen Nachweis von HSV, VZV, EBV, HHV6 und HHV8 sowie für viele weitere Viren herangezogen.

Praxistipp Es sollte beachtet werden, dass der Nach− weis persistierender Viren u. U. keinen Krankheitswert hat und deshalb bei der Auswahl der Untersuchungsmaterialien und der Interpretation positiver PCR−Befunde eine gute Zusammenarbeit mit dem Mikro− biologen bzw. Virologen zielführend ist.

Tabelle 3.2

Therapeutika gegen Influenza−Viren Angriffsziel

Viraler Lebenszyklus

Wirkstoff

M2−Ionenkanal

Uncoating

Amantadin, Rimantadin

Neuraminidase

Virusfreisetzung aus infi− Zanamivir, zierter Zelle Oseltamivir

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122

Antivirale Chemotherapeutika und Prophylaxe

3 Allgemeine Virologie

Die Therapie von Herpes−Infektionen

Monophosphat wird dann von zellulären Enzymen

Wichtige Angriffsziele sind auch virale Enzyme wie

weiter zum Nukleosidtriphosphat, dem eigentli− chen Wirkstoff, prozessiert.

Polymerasen, weil sie in Wirtszellen nicht bzw. nur in verwandter Form vorkommen. Diese Therapie− strategie wird vor allem bei Infektionen mit Viren aus der Familie der Herpesviridae eingesetzt. Dabei werden Nukleosid− oder Nukleotidanaloga einge− setzt, die verhindern, dass die virale DNA−Polyme− rase korrekt arbeiten kann (Tab. 3.3).

MERKE

Die zelleigene Thymidinkinase akzeptiert Acyclo− vir nicht als Substrat, daher kann der eigentliche Wirkstoff nur in den Virus−infizierten Zellen gene− riert werden.

Acyclovir: Als Beispiel für einen Hemmstoff der viralen DNA−Polymerase ist Acyclovir zu nennen. Es handelt sich hierbei um ein Nukleosid−Analogon, das von der DNA−Polymerase bestimmter Herpesvi− ren in die wachsende DNA−Kette eingebaut wird. Die chemische Struktur des Acyclovirs unterscheidet sich von den natürlichen Nukleosiden dadurch, dass eine Hydroxyl−Gruppe an Position 3 der Desoxyri− bose fehlt. Dadurch kann keine Verknüpfung mehr zum nächsten Nukleosid hergestellt werden, so dass es zum DNA−Kettenabbruch kommt. Acyclovir wirkt vor allem auf die virale DNA−Poly− merase, seine Affinität zu zellulären DNA−Polyme− rasen ist sehr viel geringer. Außerdem besitzen nur die betreffenden Herpesviren 1, 2 und 3 eine Thy− midinkinase, die das Acyclovir (Prodrug“) in das Monophosphat (Nukleotid) umwandeln kann. Das

Foscarnet (= Phosphonoameisensäure): Hierbei han− delt es sich um ein Analogon zu Pyrophosphat, das beim Einbau von Nukleosid−Triphosphaten in die DNA anfällt. Es bindet an die Pyrophosphatbin− dungsstelle der Polymerasen und inhibiert damit DNA−Polymerasen und reverse Transkriptasen und wird z. B. zur Therapie gegen Humanes Herpesvirus 5 (CMV) eingesetzt.

Die Therapie von HIV−Infektionen Die größte Entwicklung in der antiviralen Therapie hat sich auf dem Gebiet von HIV ergeben (Tab. 3.4). Als Angriffsziele dienen hier die proteolytische Spaltung von viralen Precur− sor−Proteinen durch Proteasen, die virale reverse Transkriptase sowie die virale Integration in die Zellmembran von CD4+− Zellen.

Tabelle 3.3

Protease−Inhibitoren: Das virale gag−pol−Polyprotein

Nukleosid− und Nukleotidanaloga zur Hemmung der viralen DNA−Polymerase bei Herpes−Infektionen

wird normalerweise durch eine virale Protease

Virus

Wirkstoff

Humanes Herpesvirus 1 und 2 (HSV−1/2)

Acyclovir (Acycloguanosin)

Inhibitoren wie z. B. Lopinavir gehemmt, entstehen nicht−infektiöse Viruspartikel.

Humanes Herpesvirus 1 (HSV−1)

Brivudin (Bromovinyldeoxyuridin)

Humanes Herpesvirus 3 (VZV)

Acyclovir (Acycloguanosin)

Famciclovir/Penciclovir (Hydroxymethylbutylguanin)

Famciclovir/Penciclovir (Hydroxymethylbutylguanin) Brivudin (Bromovinyldeoxyuridin)

Humanes Herpesvirus 4 (EBV)

Famciclovir/Penciclovir (Hydroxymethylbutylguanin)

Humanes Herpesvirus 5 (CMV)

Ganciclovir (Dihydroxymethyl− guanin) Cidofovir (Cytosin−Nukleotidanalogon)

gespalten. Wird dieser Vorgang durch Protease−

Nukleosidische

Reverse−Transkriptase−Inhibitoren

(NRTI): Nukleosidanaloga bzw. nukleosidische re− verse−Transkriptase−Inhibitoren sind Inhibitoren der viralen reversen Transkriptase, die normalerweise die virale RNA in DNA umschreibt. Die NRTI werden kompetetiv anstelle der zellulären Nukleoside in die neu zu bildende DNA eingebaut. Dabei treten Behinderungen der Doppelstrangbindungen auf, die schließlich zum DNA−Strangabbruch führen. Wichtige NRTI sind z. B. Zidovudin und Lamivudin. Nicht−Nukleosidische Reverse−Transkriptase−Inhibi− toren (NNRTI): Nevirapin, Efavirenz und Delavirdin binden direkt in der Nähe der Substratbindungs− stelle für Nukleoside an das virale Enzym reverse

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3 Allgemeine Virologie

Antivirale Chemotherapeutika und Prophylaxe

123

Tabelle 3.4

Therapeutika gegen HIV Angriffsziel

Prinzip

Wirkstoff

virale Protease

Proteasehemmer

Lopinavir/Ritonavir, Saquinavir/Ritonavir, Atazanavir, Tipranavir, Amprenavir, Fosamprenavir, Indinavir, Nelfinavir

virale reverse Transkrip− nukleosidische reverse−Transkriptase− Zidovudin (Azidothymidin/AZT) = Thymidin−Analogon tase Inhibitoren (NRTI) Stavudin (d4T) = Thymidin−Analogon Lamivudin (3TC) = Cytidin−Analogon DDC Zalcitabin (ddC) = Cytidin−Analogon Didanosin (ddI) = Inosin−Analogon Abacavir = Guanosin−Analogon

virale Integration

nicht−nukleosidische reverse−Tran− skriptase−Inhibitoren (NNRTI)

Nevirapin, Efavirenz, Delavirdin

Pyrophosphatanalogon

Foscarnet

Fusionshemmer

T20, Enfuvirtide

Transkriptase und behindern dadurch die reverse

Die antivirale Kombinationstherapie

Transkription.

Bei einigen chronischen Virusinfekten ist die Wahr−

Pyrophosphatanalogon: Auch bei HIV−Infektionen

scheinlichkeit dafür, dass die Infektion klinisch ma−

kann Foscarnet im Rahmen der Therapie eingesetzt

nifest wird, erst oberhalb einer bestimmten Virus−

werden.

konzentration bzw. Viruslast von Bedeutung. Insbesondere bei chronischen Virusinfektionen

Fusionshemmer: T20 und Enfuvirtide binden an das virale Transmembranprotein gp41 und hemmen

werden Kombinationen von Wirkstoffen mit unter−

dadurch die virale Integration des Virus in die Zell− membran von CD4+−T−Zellen (Entry−Inhibitor).

schiedlichen Angriffspunkten eingesetzt. Hierbei

Die Therapie von Hepatits−B− und −C−Virusinfek− tionen

last. Kombinationen von antiviralen Medikamenten

Da die durch HBV und HCV verursachte Hepatitis auf der Induktion immunpathologischer Mechanis−

hemmstoffe und Protease−Hemmstoffe) oder bei der Hepatitis−B und −C zur Anwendung (Interferon−

men durch die Viren besteht, werden für die Thera−

a und Nukleosid−Analoga wie Lamivudin oder Ri−

pie sowohl antivirale Therapeutika als auch Im− munmodulatoren eingesetzt.

bavirin). Die antivirale Therapie wird hierbei mei−

kann der Virus zwar meistens nicht eliminiert wer− den, das Ziel liegt aber in einer Senkung der Virus− kommen z. B. bei der HIV−Infektion (Polymerase−

stens kontinuierlich fortgesetzt (z. B. bei HIV) oder für eine bestimmte Dauer zur nachhaltigen Sen− kung der Viruslast (z. B. HBV und HCV) angewandt.

Tabelle 3.5

Therapeutika gegen Hepatitis−B und −C

3.3.2 Resistenzentwicklung bei der antiviralen Therapie

Virus

Angriffsziel

Wirkstoff

Wie auch bei der Verwendung von Antibiotika

HBV

DNA−Polymerase

Adefovir (Adenosin− Nukleotidanalogon)

reverse Transkriptase

Lamivudin (3TC)

von resistenten Varianten gerechnet werden. Eine

Immunmodulation

Interferon−a

derartige Resistenz kann u. U. in der Zellkultur ge−

RNA−Metabolismus

Ribavirin (Purinanalogon)

Immunmodulation

Interferon−a

prüft werden (z. B. bei HIV und CMV). Alternativ können Mutationen, die zur Resistenz führen, durch Sequenzierung der relevanten viralen Nukle−

HCV

muss bei der antiviralen Therapie insbesondere von chronischen Infektionen mit dem Auftreten

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124

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

insäureabschnitte ermittelt werden (z. B. HBV, HCV,

Die zu den Enteroviren gehörenden Coxsackieviren

HIV und CMV).

können bei Säuglingen eine gefürchtete Myokardi− tis verursachen.

3.3.3 Prophylaxe und Hygienemaßnahmen Trotz der rasanten Erfolge bei der Entwicklung

Die Gefahren auf Dialyse− und Intensivstationen

neuer antiviraler Therapeutika steht die Prophylaxe

Auf Dialyse− und Intensivstationen bestehen An−

bei Virusinfektionen weiterhin im Vordergrund und

steckungsgefahren mit parenteral übertragbaren

sollte daher stets konsequent und adäquat durch− geführt werden.

Viren, wie z. B. HIV, HBV und HCV. Bei Transplantationen können verschiedenste Viren mit dem Organ übertragen werden. Durch Blutun−

MERKE

tersuchungen des Spenders lassen sich vor allem

Viruserkrankungen können u. U. sowohl durch eine Expositionsprophylaxe als auch durch eine Dispositionsprophylaxe verhindert werden: Expositionsprophylaxe = Vermeidung des Vi− ruskontaktes Dispositionsprophylaxe = Vermeidung der Er− krankung

Infektionen durch HIV, Hepatitis−B− und Hepatitis− C−Viren weitgehend verhindern. Als Probleme blei− ben oft aber Cytomegalie, EBV (Transfusionsmono− nukleose) und HHV6/7/8. Ferner können Viren in der Phase einer akuten In− fektion über das Blut sowie zusammen mit Orga− nen übertragen werden, wie Masern−, Hepatitis−A− oder – sehr selten – Tollwut−Viren.

Es sollte selbstverständlich sein, dass im Kranken− haus möglichst Einmalartikel verwendet werden.

FALLBEISPIEL

Medizinische Geräte, wie z. B. Endoskope, Zahnboh−

Nach einer Pauschalreise in Ägypten leidet ein 43−

rer oder Nasenspekula sind nach Gebrauch sachge−

jähriger Handelsvertreter unter Fieber bis 39,58C,

mäß zu desinfizieren.

Durchfall und Schmerzen im rechten Oberbauch. Der

Nosokomiale Virusinfektionen sind auf Frühgebore−

konsultierte Hausarzt veranlasst eine Stuhluntersu−

nen−, Säuglings− und Kinderstationen sowie bei

chung und nimmt Blut für die Bestimmung von Leberenzymen ab, weil die Skleren gelblich verändert

Transplantatempfängern und auf onkologischen Stationen besonders gefürchtet. Vor allem Perso− nen, die Virusinfekte inapparent durchmachen,

erscheinen. Im Stuhl finden sich keine darmpathoge− nen Bakterien oder Parasiten; die Transaminasen sind

übertragen die Infektion.

erhöht. Bei der Zweitvorstellung wenige Tage später hat sich der Sklerenikterus deutlich verschlechtert. Erst

Die Gefahren auf Säuglingsstationen

jetzt gibt der Patient an, während seines Urlaubs viele

Auf Säuglingsstationen besteht eine Gefährdung

Austern und anderes Seafood“ gegessen zu haben.

durch Humane Herpesviren 1 und 2 (Herpes sim−

Daraufhin nimmt der Arzt eine Hepatitisserologie ab

plex), wobei ein reaktivierter Gesichts− oder Lip− penherpes von Kontaktpersonen eine Ansteckungs−

und verordnet dem Patienten Bettruhe, körperliche

quelle darstellt.

Schonung und Schonkost. Das serologische Ergebnis bestätigt den Verdacht auf Hepatitis A.

An Varizellen erkrankte Kinder sollen wegen der hohen Kontagiosität streng isoliert oder besser ent− lassen werden.

3.4 Die Systematik der Viren

Rotaviren und Respiratory Syncytial−Viren können sich insbesondere in Säuglings− und Kinderstatio−

Key Point

nen epidemieartig ausbreiten und zu Durchfällen (Rotaviren) oder lebensgefährlichen überblähten Lungen (Respiratory−Syncytial−Virus) führen.

Viren werden in Abhängigkeit ihrer Nuklein− säure, dem Aufbau des Kapsids und des Vor− handenseins einer Hülle in vier große Grup− pen eingeteilt und hier systematisch bespro− chen:

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3 Allgemeine Virologie – behüllte DNA−Viren, – nackte DNA−Viren, – behüllte RNA−Viren, – nackte RNA−Viren.

Systematik der Viren

125

Tabelle 3.7

Übersicht über die Herpesviren Bezeich− nung

Synonym (Abkürzung)

3.4.1 Die Doppelstrang−DNA−Viren mit Lipidhülle Hepadnaviridae

HHV 1

Herpes−simplex−Virus 1 (HSV 1) Alpha

HHV 2

Herpes−simplex−Virus 2 (HSV 2) Alpha

HHV 3

Varizella−Zoster−Virus (VZV)

Alpha

Hepatitis B−Virus (HBV)

HHV 4

Epstein−Barr−Virus (EBV)

Gamma

Das HBV kommt nur beim Menschen vor und zeigt

HHV 5

Humanes Cytomegalievirus (HCMV)

Beta

weltweit die höchste Prävalenz unter allen Hepati− tisviren. Der Mensch infiziert sich vor allem paren−

HHV 6

teral durch Sexual− oder Blutkontakt, sowie durch

HHV 7

Mutter/Kind−Kontakte. Ungefähr 85 % aller HBV−In−

HHV 8

fektionen verlaufen klinisch inapparent. Die klini− schen Symptome der HBV−Infektion beruhen vor allem auf immunpathologischen Mechanismen (s. S. 221). Bei der Hepatitis−B stehen Schmerzen im rechten Oberbauch, sowie als Zeichen des Leberschadens eine Dunkelfärbung des Urins (Bilirubinurie), heller Stuhl, eine Transaminasenerhöhung und eine Biliru−

Subfamilie (Herpesvirinae)

Beta Beta Kaposi−Sarkom−assoziiertes Herpesvirus (KSHV)

Alpha

MERKE

Allen Herpesviren gemeinsam ist, dass sie nach akuter Infektion lebenslang im Zellkern der Wirts− zelle in episomaler Form persistieren und bei Ab− wehrschwäche reaktivieren können.

binämie im Vordergrund. An den Skleren ist meis− tens ein Ikterus erkennbar. Später kann sich eine Leberzirrhose entwickeln, die im schlimmsten Fall

Die Subfamilien der Herpsvirinae unterscheiden

in ein hepatozelluläres Karzinom übergeht. Die

Alpha−Herpesviren sind nach schneller Replika−

Diagnostik der Hepatitis−B beruht auf dem serolo−

tion zelllytisch aktiv und persistieren dann le−

gischen Nachweis viraler Antigene und der gegen

benslang in Ganglienzellen (neurotrope Herpes−

sie gerichteten Antikörper sowie dem DNA−Nach−

viren).

weis mithilfe der PCR.

Beta−Herpesviren replizieren langsam, führen zu starker Vergrößerung der infizierten Zellen (Cy−

Hepatitis−Delta−Virus (HDV) Das Hepatitis−Delta−Virus (HDV) ist ein inkomplet− tes RNA−Virus, das sich nur in Gegenwart des HBV vermehren kann, weil Letzteres die Hüllmembran (HBs−Antigene) für HDV liefert. HDV wird wie HBV parenteral übertragen und kommt endemisch vor allem in Rumänien sowie Teilen von Afrika und Südamerika vor. Die

HDV−Infektion

(s. S. 224)

kann

serologisch

durch Bestimmung spezifischer Antikörper sowie

sich folgendermaßen:

tomegalie) und persistieren in Granulozyten und Lymphozyten (lymphotrope Herpesviren). Gamma−Herpesviren persistieren in B−Lympho− zyten (lymphotrope Herpesviren) und haben ein onkogenes Potenzial.

Humanes Herpesvirus 1 und 2 (Herpes simplex Virus, HSV) HHV 1 und 2 kommen weltweit nur beim Men− schen vor. Die Infektion (s. S. 289) erfolgt durch di−

mithilfe der RT−PCR (PCR nach reverser Transkrip− tion) nachgewiesen werden.

rekten Kontakt (Kuss, Geschlechtsverkehr) oder

Herpesviridae

der Nervenbahnen in die regionalen Ganglien ein

Es werden acht humane Herpesviren (HHV) unter−

und verbleibt dort episomal im latenten Stadium.

durch Tröpfchen− bzw. Schmierinfektion. Nach aku− ter Infektion wandert das Virus retrograd entlang

schieden, die jeweils spezifische Krankheiten verur− sachen (Tab. 3.7).

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Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

Tabelle 3.6

Systematik der Virusfamilien in alphabetischer Ordnung mit den jeweils wichtigsten Vertretern Mit Hülle DNA

Ohne Hülle

Hepadnaviridae (I)

HBV

Adenoviridae (I)

Adenovirus

Herpesviridae (I)

HHV1 = HSV1

Papillomaviridae (I)

HPV

HHV2 = HSV2

Polyomaviridae (I)

JCV

HHV3 = VZV HHV4 = EBV

BKV Parvoviridae* (I)

Parvovirus B19

HHV5 = CMV HHV6 HHV7 HHV8 = KSHV

RNA

Poxviridae (K)

Variola−Virus

Arenaviridae (I)

Guanarito−Virus

Astroviridae (I)

Astrovirus

Junin−Virus

Hepeviridae (I)

HEV

Lassa−Virus

Caliciviridae (I)

Norovirus

Machupovirus

Picornaviridae (I)

Coxsackievirus

Flaviviridae (I)

Denguevirus

Echovirus

FSME−Virus

Poliovirus

Gelbfieber−Virus

HAV

HCV Japan−B−Enceph.−Virus

Rhinovirus Reoviridae** (I)

Rotavirus

Kyasanur−Forest−Virus Omsk−HFV West−Nil−Virus Retroviridae (I) Togaviridae (I)

HIV Rötelnvirus Sindbisvirus

Bunyaviridae (H)

Dobravavirus Hantaanvirus Krim−Kongo−HFV Oropouche−Virus Pappataci−Fieber−Virus Puumalavirus Rift−Valley−Fieber−Virus

Coronaviridae (H) Filoviridae (H)

Coronavirus Ebolavirus Marburgvirus

Orthomyxoviridae (H) Paramyxovirus (H)

Influenzavirus Parainfluenza−Virus Masernvirus Mumpsvirus RSV

Rhabdoviridae (H)

Tollwut−Virus

Die Kapsidstruktur der Viren ist wie folgt angegeben: I = Ikosaedrisch, K = Komplex, H = Helikal.

*

= ssDNA,

**

= dsRNA

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3 Allgemeine Virologie

MERKE

Mehr als 90 % aller Erwachsenen sind latent mit HHV 1 und 10–30 % mit HHV 2 infiziert. Durch ex− terne Reize kann eine endogene Reaktivierung mit Rezidiv ausgelöst werden.

Systematik der Viren

127

mit onkogenem Potenzial. Hierzulande beträgt die Seroprävalenz des Erwachsenen mehr als 90 %. Nach Tröpfcheninfektion kann es zum Pfeifferschen Drüsenfieber (Infektiöse Mononukleose, s. S. 417) kommen, die vor allem aus einer Pharyngitis, einer Hepatosplenomegalie sowie durch atypische mono− nukleäre T−Lymphoblasten im Blutbild auffällt. Das

Dabei werden neue Viruspartikel gebildet, die aus den Ganglien entlang der Axone wieder in die

Virus persistiert nach der Primärinfektion lebens− lang in B−Lymphozyten. Das Virus hat ein onkoge−

Haut− bzw. Schleimhautperipherie wandern. Die

nes Potenzial und kann die Wirtszellen immortali−

Haut−/Schleimhautmanifestationen zeigen sich als Bläschen, die bei HHV 1 vor allem im Mundbereich

sieren und transformieren. So sind ein Teil der Hodgkin−Lymphome,

und bei HHV 2 im Genitalbereich auftreten. Da−

das in Afrika bei Kindern vorkommende Burkitt−

rüber hinaus können u. a. eine Keratokonjunktivitis

Lymphom und

und bei Immunsuppression eine gefürchtete gene− ralisierte Infektion auftreten.

das südostasiatische Nasopharynxkarzinom

Die perinatale Übertragung von HHV 2 kann zur

mit einer EBV−Infektion assoziiert. Die EBV−Infektion wird serologisch durch Bestim−

Herpesenzephalitis Neugeborener führen (s. S. 332).

mung spezifischer Antikörper sowie durch PCR−Ver−

Die Infektion wird meistens durch Virusanzucht oder PCR−Nachweis aus Bläscheninhalt oder Liquor

fahren diagnostiziert.

diagnostiziert.

Humanes Herpesvirus 5 (Humanes Cytomegalievirus, HCMV bzw. CMV)

Humanes Herpesvirus 3 (Varizella−Zoster−Virus, VZV)

Das CMV kommt weltweit nur beim Menschen vor

VZV ist ebenfalls ein weltweit vorkommendes neu− rotropes Virus, das durch Tröpfchen−, Schmier−

und wird durch Speichel und andere Körperflüssig−

oder aerogene Infektion übertragen wird. Die le−

übertragen. Ungefähr 90 % aller Infektionen verlau−

benslange Persistenz findet in den dorsalen, senso− rischen Spinalganglien statt. Die Seroprävalenz im

fen asymptomatisch. Ansonsten ist das Krankheits−

keiten z. B. beim Küssen oder Geschlechtsverkehr

Das klinische Bild der Primärinfektion imponiert

bild der Primärinfektion mononukleoseähnlich. Da− bei weisen die infizierten Zellen charakteristische zytomegale Veränderungen (Eulenaugen) auf.

jungen Erwachsenenalter beträgt mehr als 90 %. als Windpocken (Varizellen, s. S. 291), bei denen

HCMV persistiert lebenslang in Granulozyten und

ein makulopapulöses generalisiertes Exanthem im Vordergrund steht. Hierbei kommen alle Efflores−

Lymphozyten sowie in der Speicheldrüse. CMV ist

zenzstadien (Bläschen, Pusteln, Papeln, Krusten)

fürchtet (s. S. 332) und kann andererseits bei Im−

nebeneinander vor (Buntes Exanthem“). Bei stär−

munsuppression im Rahmen einer Reaktivierung

kerer Immunschwäche kann eine endogene Reakti− vierung entlang der Nervenbahnen stattfinden, die

zu einer interstitiellen Pneumonie oder zu einer Chorioretinitis führen.

als so genannte Gürtelrose streng auf das von der

Die Diagnostik erfolgt serologisch durch Bestim−

infizierten Nervenbahn betroffene Dermatom be−

mung spezifischer Antikörper, durch den Immun− fluoreszenznachweis des pp65−Antigens in Leuko−

grenzt ist. Neben der serologischen Antikörperbestimmung wird für die Diagnostik die Virusanzucht oder PCR

einerseits als Erreger einer pränatalen Infektion ge−

zyten sowie durch die PCR und die Virusisolierung für den Direktnachweis.

aus Bläscheninhalt, Liquor oder Gewebe durchge− führt.

Humanes Herpesvirus 6 HHV 6 infiziert vor allem Säuglinge und Kleinkin−

Humanes Herpesvirus 4 (Epstein−Barr−Virus, EBV)

der, so dass mit 2 Jahren ca. 95 % aller Kinder sero−

EBV kommt weltweit beim Menschen vor und ge−

positiv sind. Nach Übertragung durch Tröpfchen

hört zu den lymphotropen Gammaherpesvirinae

oder Speichel entwickelt sich bei einem kleinen Prozentsatz der Infizierten das Exanthema subitum

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128

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

(Drei−Tage−Fieber, s. S. 298). Die Viruspersistenz er−

Adenoviridae

folgt in CD4+ T−Lymphozyten.

Adenovirus

Die Diagnose wird durch PCR aus Rachenspülwas−

Es gibt mehr als 50 humanpathogene Adenovirus−

ser oder Speichel oder serologisch durch Antikör−

Serotypen, die durch Tröpfcheninfektion, Kontakt

perbestimmung gestellt.

mit kontaminiertem Wasser oder fäkal−oral über− tragen werden.

Humanes Herpesvirus 7 HHV 7 verursacht ein Krankheitsbild, das der infek− tiösen Mononukleose sehr ähnelt. Dieses Virus wird in Speichelproben von 75 % aller Erwachsenen gefunden. Es ist jedoch nicht immer ein klinisches

Adenoviren können vor allem bei Säuglingen und Kindern respiratorische und gastrointestinale Er− krankungen verursachen. Bestimmte Serotypen ru− fen darüber hinaus eine hochkontagiöse Kerato−

Bild vorhanden.

konjunktivitis bei hervor (s. S. 356).

Patienten

aller

Altersstufen

Humanes Herpesvirus 8 (Kaposi−Sarkom−assoziiertes Herpesvirus, KSHV)

Für die Diagnose stehen immunzytologische Me− thoden und die PCR zum direkten Erregernachweis

HHV 8 wird durch Speichel oder Geschlechtsver−

zur Verfügung.

kehr übertragen und persistiert in Epithel−, Endo− thel− und Spindelzellen von Haut und Schleimhaut.

Papillomaviridae

Bei immunsupprimierten Patienten (vor allem

Humanes Papillomavirus (HPV)

AIDS−Patienten) induziert HHV 8 die Angiogenese,

Es kann zwischen mehr als 80 Genotypen des HPV

so dass es zum Kaposi−Sarkom in Form von malig−

unterschieden werden, die durch direkten Haut−

nen Gefäßtumoren vor allem in der Haut kommt (s. S. 412).

kontakt übertragen werden und ein unterschiedli− ches Potenzial zur Induktion gut− und bösartiger

Die Diagnose erfolgt mithilfe der PCR in den Zellen

Gewebstumore haben. So verursachen die HPV−Ge−

des Kaposi−Sarkoms oder durch serologische Ver− fahren.

notypen 1–4 gutartige Hautwarzen (Verruca vulga− ris), die vor allem bei Kindern und Jugendlichen vorkommen (s. S. 297). Condylomata accuminata

Poxviridae

(Feig− oder Genitalwarzen) werden von den HPV−

Variolavirus

Genotypen 6 und 11 ausgelöst (s. S. 297). Die HPV−

Die Erde ist 1980 von der WHO für pockenfrei er− klärt worden. Erreger der Pocken war Orthopoxvirus

Genotypen 16 und 18 sind verantwortlich für die Entwicklung des malignen Zervixkarzinoms und

variola (Variolavirus), das größte humanpathogene

des Peniskarzinoms.

Virus. Nach Übertragung durch Tröpfcheninfektion entwickelten 95 % der Infizierten (hoher Manifes−

Die Diagnose wird meistens zytohistologisch ge− stellt.

tationsindex!) die Pocken mit dem typischen Haut− ausschlag, bei dem die Effloreszenzen jeweils syn−

Polyomaviridae

chron auftreten (s. S. 293).

JC−Virus

Der Virusnachweis wurde aus Bläscheninhalt durch

Das weltweit vorkommende JC−Virus wird wahr− scheinlich oral bereits im Kindesalter übertragen

Elektronenmikroskopie oder Virusanzucht geführt; heute stünde die PCR für den Erregernachweis zur Verfügung.

und persistiert dann lebenslang latent in der Niere,

3.4.2 Die Doppelstrang−DNA−Viren ohne Lipidhülle

AIDS oder Leukämie, kommt es unter einer Reakti−

Im Allgemeinen sind nackte Viren im Gegensatz zu

siven multifokalen Leukenzephalitis (s. S. 349).

behüllten Viren umweltresistenter.

Die Diagnostik gelingt durch PCR aus Liquor.

dem ZNS und wahrscheinlich auch in Leukozyten. Nur bei starker Immunsuppression, vor allem bei vierung zum infausten Krankheitsbild der progres−

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3 Allgemeine Virologie

Systematik der Viren

BK−Virus

des westafrikanischen Lassa−Fiebers und des süd−

Das BK−Virus kommt weltweit vor und weist große

amerikanischen hämorrhagischen Fiebers.

Ähnlichkeiten zum JC−Virus auf. Die Infektion fin−

Natürliches Reservoir sind Nagetiere, die Übertra−

det vor allem im 2.–5. Lebensjahr wahrscheinlich

gung erfolgt durch Nagerexkrete.

auf aerogenem Wege statt und führt zur klinisch inapparenten Viruspersistenz in Urothelialzellen. Bei aggressiver immunsuppressiver Therapie nach Nierentransplantation entsteht die Polyoma−assozi− ierte Nephropathie (PVN, s. S. 312), die zum Nieren− verlust führen kann. Diagnostisch werden die PCR aus Blut (!) und die Immunhistologie aus Nierengewebe durchgeführt.

3.4.3 Einzelstrang−DNA−Virus ohne Lipidhülle Parvoviridae Parvovirus B19 Das Parvovirus B19 besitzt nur eine einzelsträngige DNA und ist mit einem Durchmesser von weniger als 30 nm sehr klein. Die Seroprävalenz beim Er− wachsenen beträgt zwischen 40–60 %. Parvovirus

129

Lassa−Virus Als Reservoir für das Lassa−Virus dient die Vielzit− zenratte (Mastomys natalensis). Der Mensch infi− ziert sich durch Aufnahme virushaltigen Staubes, durch kontaminierte Lebensmittel oder durch Kon− takt mit infizierten Menschen. Das Lassafieber (s. S. 397) ist durch eine fiebrige Pharyngitis und ei− nen retrosternalen Schmerz gekennzeichnet. Der hämorrhagische Verlauf geht mit multifokalen Le− bernekrosen, einer interstitiellen Pneumonie mit Lungenblutung, Enzephalitis und Multiorganversa− gen mit hoher Letalität einher. Diagnostisch wird aus Blut ein Erregernachweis durch RT−PCR, sowie ein Antigen− und Antikörper− nachweis durchgeführt.

B19 ist der Erreger des Erythema infectiosum (5. Krankheit, s. S. 299), das ein typisches Exanthem mit täglich wechselnden girlandenartigen Figuren (Ringelröteln) zeigt. Außerdem verursacht es aplas−

Praxistipp Aufgrund der sehr hohen Kontagiosität müssen die Patienten strikt isoliert werden.

tische Krisen bei hereditären Anämien und kann bei pränataler Infektion zum Hydrops fetalis führen

Guanarito−, Junin− und Machupo−Virus

(s. S. 330).

Es handelt sich hierbei um Erreger des südamerika−

Die Diagnostik erfolgt durch Antikörperbestim−

nischen hämorrhagischen Fiebers, deren natürli−

mung oder PCR aus Blutproben.

ches Reservoir Nagetiere sind. Der Mensch infiziert sich durch virushaltigen Nagetierurin, durch Biss

3.4.4 Die RNA−Viren mit Lipidhülle Arenaviridae

infizierter Tiere oder durch Aufnahme kontaminier−

Die Familie der Arenaviridae (Tab. 3.8) besteht aus den beiden Gattungen Arenavirus (mit dem Lassa−

von ausgedehnten Haut− und Organblutungen – insbesondere der Nieren – dominiert (s. S. 387). Die

Virus) und Tacaribevirus (mit dem Guanarito−, Ju−

Diagnostik entspricht der des Lassa−Fiebers.

ter Lebensmittel. Die klinische Symptomatik wird

nin− und Machupo−Virus). Arenaviren sind Erreger

Tabelle 3.8

Übersicht über die Arenaviridae Gattung

Virus

Krankheit

Verbreitung

Arenavirus

Lassa−Virus

Lassa−Fieber

Westafrika

Tacaribevirus

Guanarito−Virus

Venezuelanisches HF

Südamerika (jeweils relativ kleine Endemiegebiete)

Junin−Virus

Argentinisches HF

Machupo−Virus

Bolivianisches HF

HF = hämorrhagisches Fieber

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130

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

Flaviviridae

Beim Dengue−hämorrhagischen Fieber kommen zu−

Die Familie der Flaviviridae besteht aus den Gat− tungen Hepacivirus (mit dem Hepatitis−C−Virus),

sätzlich hämorrhagische Manifestationen in Haut (Petechien) und inneren Organen vor. Letztere Ver−

Flavivirus mit mehreren sehr unterschiedlichen Vi−

laufsform ist eine häufige Kinderkrankheit in Indo−

rusarten (Tab. 3.9) sowie der nicht humanmedizi− nisch relevanten Gattung Pestivirus (Erreger der

nesien, die mit einer hohen Letalität einhergeht.

Schweinepest).

mung spezifischer Antikörper sowie die RT−PCR zur

Natürliche Wirte für die Viren der Gattung Flavivi−

Verfügung.

rus sind Mensch und Affe. Die Übertragung erfolgt durch Mücken und Zecken.

Für die Diagnose stehen die serologische Bestim−

Frühsommermeningoenzephalitis−Virus (FSME−Virus) Dieses Virus kommt nur in Europa vor und wird

Hepatitis−C−Virus (HCV) Das weltweit vorkommende HCV wird vor allem

von Schildzecken (Ixodes ricinus) vom tierischen Reservoir (Nagetiere, Igel etc.) auf den Menschen

parenteral mit kontaminiertem Blut auf den Men−

übertragen. Bei nur wenigen Menschen (1–3 % aller

schen übertragen. Es verursacht die Hepatitis−C, die

Zeckenstiche in Endemiegebieten) kommt es zur

im akuten Stadium klinisch nicht von einer Hepati−

Meningoenzephalitis (s. S. 351), die aufgrund der

tis−A oder −B zu unterscheiden ist (s. S. ). In 70 % der Fälle kommt es zu persistierenden Infektionen

Zeckenaktivität ihren Höhepunkt im Frühsommer

mit chronischen Verläufen, die nach vielen Jahren

Die Erkrankung wird serologisch durch Antikörper−

in eine Leberzirrhose und ein hepatozelluläres Kar− zinom übergehen können.

nachweis oder mithilfe der RT−PCR durch direkten Virusnachweis aus Liquor diagnostiziert.

Die Diagnostik erfolgt durch Antikörpernachweis und durch Virusnachweis mithilfe der RT−PCR.

hat.

Gelbfieber−Virus Das Gelbfieber−Virus kommt in Afrika, Mittel− und

Dengue−Virus Das Dengue−Virus kommt vor allem in den Ländern

Südamerika vor, wo es mit verschiedenen Stech− mückenarten der Gattung Aedes bzw. Stegomyia

des Südens vor und wird durch Aedes−Stechmücken

oder Haemagoggos zwischen Menschen und Affen

(neuerdings umbenannt in Stegomyia−Stechmü−

übertragen wird.

cken) auf den Menschen übertragen. Es verursacht

Das Virus verursacht das Gelbfieber (s. S. 395). Cha−

das Dengue−Fieber, das durch ein charakteristisches Knochenbruchfieber (starke Gelenk− und Muskel−

rakteristisch für diese Erkrankung ist der Virusbe−

schmerzen mit hohem Fieber) auffällt (s. S. 392).

rus und epigastrische Schmerzen manifestiert.

fall der Leber, der sich vor allem durch einen Ikte−

Tabelle 3.9

Übersicht über die Flaviviridae Gattung

Virus

Krankheit

Verbreitung

Hepacivirus

Hepatitis−C−Virus

Hepatitis−C

weltweit

Flavivirus

Dengue−Virus

Dengue−Fieber

SO−Asien (Indonesien), Ozeanien, Karibik, Südamerika

FSME−Virus

FSME

Europa

Gelbfieber−Virus

Gelbfieber

Afrika (Nigeria/Liberia), Südame− rika (Peru)

Japanisches B−Enzephalitis−Virus

Japanische B−Enzephalitis

Japan, China, SO−Asien, Indien

Kyasanur−Forest−Virus

Kyasanur−Forest−Krankheit

Indien

Omsk−HF−Virus

Omsk HF

Westsibirien

West−Nil−Virus

West−Nil−Fieber

Afrika, Osteuropa, Nordamerika

HF = hämorrhagisches Fieber

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3 Allgemeine Virologie

Systematik der Viren

Aufgrund von Gerinnungsstörungen kommt es zu

endlich zum Krankheitsbild AIDS (Acquired−Immu−

Haut− und Organblutungen mit Nierenversagen. Die größte diagnostische Bedeutung haben serolo−

no−Deficiency−Syndrom, s. S. 405) führt. Als Folge

gische Verfahren des Antikörpernachweises.

vielfältige opportunistische Infektionen mit ver−

Japanisches B−Enzephalitis−Virus Dieses Virus kommt endemisch in Japan, China, In− dien und Südostasien vor und wird durch weibli− che Stechmücken der Gattungen Culex und Aedes vom natürlichen Reservoir (u. a. Vögel, Reptilien, Fledermäuse, Schweine) auf den Menschen über− tragen. Es kann eine schwer verlaufende fiebrige Enzephalitis (s. S. 351) verursachen, die mit einer Letalität von 20–50 % einhergeht. Die Erkrankung wird serologisch oder mithilfe der PCR aus Liquor diagnostiziert. Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung. Für Reisen in Endemiegebiete kann eine Impfung

der massiven Immunschwäche entwickeln sich schiedenen Erregern, die letztendlich zum Tode führen können. Die Diagnostik einer HIV−Infektion basiert auf sero− logischen Methoden des Antikörpernachweises. Darüber hinaus stehen für den direkten Virusnach− weis ein p24−Antigen−ELISA oder/und die (RT−)PCR zur Verfügung.

Togaviridae Die Familie der Togaviridae besteht aus den Gat− tungen Alphavirus (mit verschiedenen tropenmedi− zinisch relevanten Virusarten) und Rubivirus (mit dem Rötelnvirus, Tab. 3.10).

mit einer Totvakzine durchgeführt werden.

Alphavirus

Kyasanur−Forest−Virus und Omsk−HF−Virus

Die Alphaviren gehören zu den Arboviren (arthro− pode borne), weil sie durch Stechmücken verschie−

Diese in Indien oder Westsibirien vorkommenden Viren werden von Zecken auf den Menschen über− tragen und verursachen ein hämorrhagisches Fie− ber (s. S. 398); die Infektion mit dem Kyasanur−Fo− rest−Virus kann evtl. auch mit einer Enzephalitis einhergehen.

West−Nil−Virus Das durch dieses Virus verursachte West−Nil−Fieber kommt in Afrika, Osteuropa und USA vor und wird durch Culex−Stechmücken vom natürlichen Reser− voir (Vögel) auf den Menschen übertragen. Bei ei− nigen Menschen kann sich eine fieberhafte Menin− gitis oder Enzephalitis entwickeln (s. S. 394). In Speziallaboren wird eine Diagnostik mithilfe der PCR, Anzucht oder Serologie durchgeführt.

Retroviridae Humanes−Immundefizienzvirus (HIV) Das weltweit beim Menschen vorkommende HI−Vi− rus wird parenteral oder durch Geschlechtsverkehr übertragen und infiziert dann CD4+−Zellen. Dort übersetzt es mithilfe einer viralen reversen Tran− skriptase seine virale RNA in doppelsträngige DNA, die dann in das Genom der Wirtszelle als Provirus eingebaut wird. Nach jahrelanger Latenz kommt es schließlich zu einer sequenziell sich verschlim− mernden Schwächung der Immunabwehr, die letzt−

131

denster Arten auf den Menschen übertragen wer− den.

Die

Erkrankungen

(s. S. 388)

verlaufen

entweder mit einer grippeähnlichen Symptomatik mit Arthritiden, makulopapulösen Exanthemen und Lymphadenopathien oder gehen in eine enzephali− tische Symptomatik über (bei EEE, VEE, WEE). Die Diagnose wird durch Erregernachweis (PCR, Anzucht) in Speziallaboren gestellt.

Rubivirus Das weltweit vorkommende Rötelnvirus wird durch Tröpfchen− oder Schmierinfektion auf den Men− schen übertragen. Es verursacht bei ungefähr der Hälfte der Patienten die Röteln mit einem charak− teristischen

Hautausschlag

und

begleitender

Lymphadenitis (s. S. 296). Bei Infektion während der Schwangerschaft ist eine diaplazentare Über− tragung mit schweren Folgen für das Kind möglich (s. S. 330). Die Diagnose einer Infektion erfolgt serologisch durch Antikörper−Nachweis.

Bunyaviridae Die Familie der Bunyaviridae ist mit mehr als 200 Spezies eine der artenreichsten Virusfamilien, von denen aber nur einige Arten humanpathogen sind (Tab. 3.11). Da ihr Reservoir im Tierreich zu finden

ist, handelt es sich bei den Erkrankungen des Men−

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132

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

Tabelle 3.10

Übersicht über die Togaviridae Gattung

Virus

Krankheit

Alphavirus (natürlicher Wirt = Tier/Mensch, die Übertragung erfolgt durch Stechmücken)

Chikungunya−Virus

Chikungunya−Krankheit

Afrika, SO−Asien

Eastern−Equine−Enzephalitis− Virus

Östliche Pferde−Enzephalitis (EEE)

Osten der USA und Südame− rika

O’Nyong−nyong−Virus

O’Nyong−nyong−Krankheit

Afrika

Ross−River−Virus

Ross−River−Krankheit

Australien und Ozeanien

Semliki−Forest−Fieber−Virus

Semliki−Forest−Fieber

Afrika

Sindbis−Virus

Sindbis−Krankheit

Skandinavien, Australien, In− dien und Afrika

Rubivirus

Verbreitung

Venezuela−Equine−Enzephalitis− Venezolanische Pferde−Enze− Virus phalitis (VEE)

Mittel− und Südamerika

Western−Equine−Enzephalitis− Virus

Westliche Pferde−Enzephalitis (WEE)

Westen und Südwesten der USA

Rötelnvirus (Rubellavirus)

Röteln

weltweit

Tabelle 3.11

Übersicht über die Bunyaviridae Gattung

Virus

Krankheit

Verbreitung

Phlebovirus

Rift−Valley−Fieber−Virus

Rifttal−Fieber

Ost−, Zentral− und südliches Afrika, Madagaskar

Pappataci−Fieber−HF−Virus

Pappataci−Fieber

Europa, Nordafrika, Asien, Südamerika

Oropouche−Virus

Oropouche−Viruskrankheit

Amazonien

Orthobunyavirus Nairovirus

Krim−Kongo−HF−Virus

Krim−Kongo HF

Asien, Afrika, Osteuropa

Hantavirus

Hantaan−Virus

HFRS (Koreanisches HF)

China, Korea, Russland

Dobrava−Virus

HFRS/Nephropathia epidemica

Europa

Puumala−Virus

Nephropathia epidemica

Europa

Sin−Nombe−Virus

Hanta−Pulmonales Syndrom (HPS)

USA

HF = hämorrhagisches Fieber; HFRS = HF mit renalem Syndrom

schen durch Bunyaviridae stets um Anthropozoo−

Rift−Valley−Fieber−Virus und Pappataci−Fieber−Virus

nosen. Die humanpathogenen Gattungen sind ei−

Diese Viren verursachen gleichnamige Erkrankun−

nerseits Phlebovirus, Orthobunyavirus, Nairovirus, die durch Mücken oder Zecken übertragen werden,

gen und werden durch Phlebotomus−Sandmücken

sowie andererseits die Gattung Hantavirus, deren

gen.

Vertreter durch Nagerexkrete auf den Menschen übergehen. Das geographische Vorkommen der

Typisch für die Erkrankungen sind grippeähnliche

von ihrem Tierreservoir auf den Menschen übertra−

Tierreservoire und Vektoren bestimmt das Ende−

Verläufe mit Fieber bis 40 oC (s. S. 395); vor allem beim Rifftalfieber kann es in seltenen Fällen zu

miegebiet der jeweiligen Bunyaviren (Tab. 3.11).

Hämorrhagien oder Enzephalitiden kommen.

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3 Allgemeine Virologie In Speziallaboren steht eine Antikörper−Diagnostik

Systematik der Viren

133

Filoviridae Ebola− und Marburg−Virus

zur Verfügung.

Ebola− und Marburg−Virus gehören zur Gattung Fi−

Oropouche−Virus Dieses Virus wird von Stechmücken auf den Men− schen übertragen und verursacht eine grippeähnli− che Symptomatik (s. S. 395). Die Diagnostik erfolgt durch Antikörpernachweis.

lovirus und kommen in Zentral− und Westafrika vor. Ihre natürlichen Wirte sind Affen und die Übertragung der Viren erfolgt durch den Kontakt mit infizierten Tieren und parenteral. Beide Viren verursachen schwerste Formen des hämorrhagi−

Krim−Kongo−HF−Virus

schen Fiebers mit Leberversagen und Enzephalitis,

Das hämorrhagische Krim−Kongo−Fieber (s. S. 398)

die mit sehr hoher Letalität einhergehen (Ebola−

wird von dem gleichnamigen Virus verursacht, das

Krankheit, Marburg−Krankheit s. S. 398). Die Diagnostik erfolgt in Hochsicherheitslaboren

durch Zecken vom Tierreservoir (Vögel und Nage− tiere) auf den Menschen übertragen wird. Die Krankheit ist durch eine plötzlich auftretende

durch Virusanzucht bzw. −nachweis mit PCR und Elektronenmikroskopie sowie durch Antikörperbe−

schwerste Blutungsneigung in Haut und Organe

stimmungen.

charakterisiert und weist eine hohe Letalität auf. Für die Diagnostik stehen Antikörper− und PCR−

Orthomyxoviridae

Nachweise in Speziallaboren zur Verfügung.

Influenza−Virus Influenza−Viren zeichnen sich durch ein segmen−

Hantavirus Die Gattung Hantavirus besteht aus mehreren Vi− rusarten, die natürlicherweise in verschiedenen Mausarten vorkommen, von diesen u. a. mit dem Urin ausgeschieden werden und dadurch den Men− schen infizieren. Infektionen durch die in Europa und Asien vorkommenden Hantaviren verursachen vorwiegend eine renale Symptomatik mit akuter interstitieller Nephritis und u. U. mit Hämorrha− gien, während in Nordamerika pulmonale Mani− festationen im Vordergrund stehen. Die Diagnose erfolgt durch Antikörpernachweis oder Virusnachweis mithilfe der RT−PCR.

tiertes RNA−Genom aus. Es werden drei humanpa− thogene Gattungen von Influenzaviren unterschie− den: Influenza−A−Viren nutzen Wasservögel als primäres Wirtsreservoir und können Säugetiere (vor allem Schweine) und den Menschen infizieren. Übertra− gungsmöglichkeiten sind die Tröpfcheninfektion von Mensch zu Mensch, Kontakt mit kontaminier− ten Gegenständen sowie Trinkwasser oder die Schmierinfektion. EXKURS

t der Influenza−A−Viren Die Antigenvariabilita Influenza−A−Viren zeichnen sich im Gegensatz zu den anderen Influenzaviren durch eine ausgepra gte Anti−

Coronaviridae Coronavirus Humane Coronaviren werden durch Aerosole über− tragen und sind in der Regel relativ harmlose Erre−

genvariabilität aus. Nach Durchmischung von RNA−

ger von Schnupfen und Infektionen des oberen Re−

die zu Grippepandemien fu nnen. Bestimmte hren ko Subtypen der Influenza−A−Viren sind auch Ursache der

spirationstraktes, sowie von Gastroenteritiden. Im Jahr 2002 wurde jedoch das SARS−Coronavirus als Ursache

einer

Pneumonie

lebensgefährlichen

(schweres,

akutes,

interstitiellen

so genannten aviären Influenza (Geflu gelpest oder Vogelgrippe, s. S. 246).

respiratorisches

Atemwegssyndrom, SARS, s. S. 247) identifiziert. Die Infektion wird serologisch durch Bestimmung spezifischer Antikörper diagnostiziert. Bei Verdacht auf SARS steht außerdem eine RT−PCR aus respira− torischen Materialien oder Stuhl in Speziallaboren zur Verfügung.

Segmenten (Reassortment) entstehen neue Subtypen,

Influenza−B−Viren haben nur den Menschen als Wirtsreservoir,

während

Influenza−C−Viren

den

Menschen sowie Schweine infizieren können. Influenza−A− und −B−Viren verursachen die rich− tige Grippe (Influenza, s. S. 244). Sie beginnt schlagartig mit hohem Fieber und geht dann in

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134

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

eine hämorrhagische oder interstitielle Pneumo−

makulopapulöses Exanthem mit teilweise konfluie−

nie über.

renden Flecken und einer Lymphadenitis auffällt.

Influenza−C−Viren sind Ursache einer leichten

Die Diagnose einer Masernvirusinfektion erfolgt

Form der Grippe.

durch den Nachweis spezifischer Antikörper.

Zur Diagnosestellung stehen der direkte Virusnach− weis durch PCR, Virusisolierung, Elektronenmikro− skopie und Antigennachweis sowie die Antikörper− bestimmung zur Verfügung.

Mumpsvirus Der

durch

dieses

Virus

verursachte

Mumps

(s. S. 416) wird auch als Parotitis epidemica oder umgangssprachlich als Ziegenpeter bezeichnet und ist durch eine fieberhafte, schmerzhafte zunächst

Paramyxoviridae Die Familie der Paramyxoviridae besteht aus den vier weltweit vorkommenden Gattungen Paramy− xovirus, Pneumovirus, Morbillivirus und Rubulavi− rus (Tab. 3.12). Die zu diesen Gattungen gehörenden Virusarten kommen nur beim Menschen vor und werden durch Tröpfcheninfektion übertragen.

ein− dann meistens beidseitige Schwellung der Glandula parotis charakterisiert. Die Erkrankung wird durch Bestimmung spezifi− scher Antikörper oder durch RT−PCR bzw. Virusan− zucht aus Rachenabstrichen, Speichel, Liquor, Blut, Urin oder Biopsien diagnostiziert.

Tabelle 3.12

Rhabdoviridae

Klassifikation der Paramyxoviridae

Das Tollwutvirus kommt weltweit vor und verur− sacht die Tollwut (s. S. 349). Sie betrifft vor allem

Tollwutvirus (Rabies− oder Lyssavirus) Gattung

Art

Paramyxovirus

Parainfluenzavirus (Serotypen 1 und 3)

Pneumovirus

Respiratory−Syncytial−Virus (RSV)

Morbillivirus

Masernvirus

Rubulavirus

Mumpsvirus

fleischfressende Warmblüter, wie Füchse und ande− re Wildtiere, inklusive Fledermäuse, aber auch Hunde, Katzen und Weidetiere. Der Mensch infi− ziert sich durch Kontakt mit Speichel von tollwüti− gen Tieren, meistens durch Biss. Typisch für diese Anthropozoonose ist eine akute, progressive Enze−

Parainfluenzavirus Die beiden Serotypen 1 und 3 verursachen eine grippeähnliche Symptomatik mit Fieber und Bron−

phalitis mit Angstzuständen und Muskelspasmen, die in eine Paralyse und schließlich den Tod über− gehen.

chiolitis oder eine akute stenosierende Laryngotra−

Die Diagnose erfolgt durch Antigennachweis aus

cheitis (s. S. 257).

Speichel, Rachen− oder Kornealabstrich mithilfe der

Für die Diagnostik stehen der Antikörpernachweis

PCR oder eines direkten Fluoreszenztests. Post mor−

sowie der Direktnachweis durch Virusisolierung,

tem gelingt der Nachweis von zytoplasmatischen

RT−PCR oder Immunfluoreszenz zur Verfügung.

Einschlüssen (Negri−Körperchen) im Gehirn.

Respiratory−Syncytial−Virus (RSV) RSV verursacht vor allem bei Säuglingen und Klein− kindern in der kalten Jahreszeit eine Bronchiolitis, die zu einer Exspirationshemmung mit lebensge− fährlicher Überblähung der Lunge führen kann (s. S. 257). Die Diagnose erfolgt durch Virusanzucht, RT−PCR oder direkter Immunfluoreszenz.

3.4.5 Die RNA−Viren ohne Lipidhülle RNA−Viren ohne Lipidhülle sind umweltresistent, werden fäkal−oral übertragen und verursachen zum größten Teil Gastroenteritiden.

Astroviridae Astrovirus

Masernvirus

Es gibt 7 Serotypen der Astroviren, die zu Fieber mit Übelkeit, Brechdurchfall und Abdominal−

Dieses lymphotrope Virus ist Erreger der Masern

schmerzen führen können (s. S. 214). Diese akute

(s. S. 294), die durch ein typisches Enanthem der Wangenschleimhaut mit Koplikflecken sowie ein

Gastroenteritis

ist

selbstlimitierend

und

kann

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3 Allgemeine Virologie

Systematik der Viren

durch Antigennachweis oder mithilfe der RT−PCR

Augeninfektionen. Darüber hinaus kann es nach ei−

aus Stuhl diagnostiziert werden.

ner Infektion mit Coxsackievirus A zur Herpangina

135

(s. S. 299) und nach Infektion mit Coxsackievirus B

Hepeviridae

zur Myokarditis (s. S. 267) kommen. Da die Viren

Hepatitis−E−Virus (HEV)

mit dem Stuhl ausgeschieden werden, sind auch

Die vom gleichnamigen Virus verursachte Hepatitis

Gastroenteritiden möglich.

E (s. S. 225) kommt vor allem in Afrika und Vorder−

Für die Diagnostik stehen zwar Verfahren des Di−

asien vor und ist klinisch nicht von einer Hepatitis A (s. u.) zu unterscheiden.

rektnachweises aus Rachenabstrichen und Stuhl zur Verfügung, aufgrund der Benignität der Erkran−

Die Erkrankung wird serologisch durch Antikörper−

kungen (außer Myokarditis durch Coxsackieviren)

nachweis oder mithilfe der RT−PCR diagnostiziert.

wird darauf aber meistens verzichtet.

Poliovirus

Caliciviridae Norovirus (früher: Norwalk−like Virus) Noroviren stellen hierzulande noch vor Salmonel− len die häufigste Ursache der akuten Gastroenteri− tis dar (s. S. 213). Sie kommen weltweit nur beim Menschen vor und verursachen eine akut begin− nende Gastroenteritis mit Erbrechen, Diarrhöen, abdominalen Schmerzen und Myalgien bei nur ge− ringem Fieber. Die Diagnose wird mithilfe der RT−PCR (oder durch Elektronenmikroskopie) gestellt.

Polioviren waren bis vor ca. 20 Jahren weltweit ver− breitet; heute werden nur noch neue Erkrankungs− fälle in Afrika und Südasien gemeldet. Da die Viren sich in den motorischen Neuronen in der grauen Substanz des Rückenmarks und im Hirnkortex ver− mehren, ist die typische klinische Symptomatik der Poliomyelitis durch schlaffe Lähmungen mit der Gefahr der peripheren Atemlähmung charakteri− siert (s. S. ). In einigen Fällen kann es auch zur iso− lierten Enzephalitis kommen. Die Diagnose wird durch den Erregernachweis mit− hilfe der PCR aus Rachenspülwasser, Stuhl und Blut

Picornaviridae Der Name Picorna setzt sich aus pico“ (klein) und

sowie durch Antikörpernachweis gestellt.

RNA“ zusammen. Diese kleinen RNA−Viren lassen

Hepatitis−A−Virus (HAV)

sich in die fäkal−oral übertragbaren Gattungen En−

HAV kommt weltweit vor und verursacht die

terovirus und Hepatovirus sowie in die durch Tröpfcheninfektion übertragbare Gattung Rhinovi−

tisch nie chronifiziert (s. S. 219).

rus unterteilen (Tab. 3.13).

Die Diagnose beruht vor allem auf dem serologi−

gleichnamige gutartige, akute Hepatitis, die prak−

schen Nachweis spezifischer Antikörper sowie auf dem Virusnachweis durch RT−PCR oder einem Anti−

Tabelle 3.13 Klassifikation der wichtigsten humanpathogenen Picornaviridae

gentest aus Stuhl.

Gattung

Art

EXKURS

Enterovirus

Coxsackievirus A und B ECHO−Virus Enterovirus

Maul−und−Klauenseuche−Virus Ferner geho rt das Maul−und−Klauenseuche−Virus zur Familie der Picornaviridae, das beim Menschen eine

Poliovirus

seltene Berufserkrankung nach Kontakt mit infizierten

Hepatovirus

Hepatitis A−Virus (HAV)

Tieren darstellt und durch schmerzhafte Bla schen

Rhinovirus

Rhinovirus

sowie evtl. eine Gastroenteritis auffa llt.

Coxsackievirus, ECHO−Virus und Enterovirus

Rhinovirus

Diese Viren der Gattung Enterovirus verursachen vor allem eine grippeähnliche Symptomatik mit

Die humanen Rhinoviren kommen in mehr als 110 Serotypen vor und sind die klassischen Erreger des

Fieber und Atemwegssymptomen (s. S. 257) sowie

Schnupfens (s. S. 232). Im Gegensatz zu den Entero−

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136

Systematik der Viren

3 Allgemeine Virologie

und Hepatoviren werden Rhinoviren durch Tröpf− chen− oder Schmierinfektion übertragen. Der Schnupfen dauert meistens nur eine Woche, kann

3.4.6 Doppelstrang−RNA−Virus ohne Lipidhülle Reoviridae Rotavirus

aber durch bakterielle Superinfektionen kompli−

Rotaviren besitzen eine segmentierte dsRNA und

ziert werden. Eine Diagnostik mithilfe der RT−PCR ist nur bei

können deshalb durch einen RNA−Segmentaus− tausch (Reassortment) zahlreiche Serotypen bilden.

schwierigen Sonderfällen indiziert.

Neben dem Menschen stellen auch Kälber und Schweine ein Virusreservoir dar. Nach fäkal−oraler Übertragung kommt es beim Menschen, vor allem innerhalb der ersten drei Lebensjahre zu einer aku− ten Gastroenteritis (s. S. 214), die in den Ländern des Südens aufgrund einer Dehydrierung zur ho− hen Kindersterblichkeit beiträgt. Die Diagnostik erfolgt mithilfe von Antigentests aus Stuhl.

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Kapitel

4

Allgemeine Mykologie 4.1

Lebensweise und Morphologie 139

4.2

Die Diagnostik von Mykosen 141

4.3

Die antimykotische Therapie 143

4.4

Die Systematik der Pilze 145

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138

Klinischer Fall

Zoophile Keime

Der Fleck auf der Brust Inzwischen sind acht Wochen vergangen. Ingo und Elke verbringen immer mehr Zeit miteinander und gerne würde sich der 57−Jährige auch körperlich der geliebten Frau etwas mehr annähern. Würde er, wenn da nicht dieser hässliche Fleck auf seiner Brust wäre. Er ist vor etwa einem Monat als kleiner rötli− cher Punkt aufgetreten, hat jetzt einen umschriebe− nen roten Rand und schuppt. Keine Salbe hilft, im Gegenteil: er wächst und wächst mit jedem Tag. Ingo beschließt einen Dermatologen aufzusuchen.

Tinea superficialis (hier am Arm)

Bei Hautausschlägen muss der Arzt nicht nur an systemische Infektionen oder allergische Exantheme,

Differenzialdiagnose: Borreliose, allergisches Kontaktekzem oder Pilz Der Hautarzt denkt beim wandernden rötlichen Rand zunächst an ein Erythema migrans bei Borreliose. Doch dazu passt die Schuppung nicht. Auch das sehr

diagnose Dermatomykose“ ist deshalb so wichtig,

langsame Wachstum des Ausschlags über einen Mo− nat wäre für das Erythema nach Zeckenstich unty−

weil sie die spezifische antimykotische Therapie zur

pisch. Als der Patient von einem starken Juckreiz der

Folge hat. Nicht selten werden Dermatomykosen ba−

geröteten Stelle berichtet, denkt der Dermatologe

nalisiert oder übersehen. Dabei empfinden die Patien− ten sie meistens als sehr störend. Außerdem können

kurz an das allergische Kontaktekzem, etwa als Reak−

sie mit großen psychischen Belastungen einhergehen.

Anhänger. Aber auch in diesem Fall würde sich das

sondern auch an Hautpilze denken. Die Differenzial−

tion auf einen nickelhaltigen Hemdknopf oder einen Ekzem eher schnell entwickeln. Außerdem hat Ingo

Die verhängnisvolle Überraschung Zum ersten Mal seit seiner Scheidung fühlte sich Ingo

in letzter Zeit keine Änderungen in der Kleidung oder dem Schmuck vorgenommen. Um festzustellen, ob

K. gut. Die sympathische Laborassistentin Elke, die er

sich hinter der Veränderung ein Pilz verbirgt, kratzt

im Berliner Jazzcaf kennen gelernt hatte, scheint

der Arzt oberflächliche Hautreste der schuppenden

sich für ihn zu interessieren. Bei einem Spaziergang erzählte ihm Elke von ihrer Tierliebe. Sie habe zu

Stelle ab und lässt sie in eine sterile Petrischale fallen.

Hause einen Hund, zwei Katzen und ein Kaninchen.

Hautschuppen mit 30 % KOH lysiert hat und die Reste

Ihr fehle nur noch ein Meerschweinchen.

der Lösung mikroskopisch untersucht hat, ist die Dia−

Als unternehmungslustiger und einfallsreicher Mann bereitet Ingo ihr eine Überraschung. Beim nächsten

gnostik fast vollständig: Im Mikroskop sind doppel− brechende Fäden zu sehen: Dermatophyten.

Treffen hält er plötzlich ein Meerschweinchen in der

Haben Sie vielleicht in letzter Zeit mit Haustieren zu

Hand. Elke ist begeistert und nimmt das kleine Tier

tun gehabt?“, fragt der Hautarzt seinen Patienten, als

sofort in die Hände. Nach wenigen Sekunden weiß sie auch schon einen Namen für ihren neuen Mitbe−

dieser wieder in die Praxis kommt, um das Ergebnis

wohner: Tina. Ingo und Elke spielen noch eine Weile

der Frage überrascht: Ja, ich habe meiner Freundin

mit dem Meerschweinchen, dann gehen sie gemein−

ein Meerschweinchen gekauft.“ Der Hautarzt erklärt,

sam spazieren. Auf dem einsamen Waldweg in der

dass Hautpilz−Infektionen manchmal von Tieren auf Menschen übertragen werden. Er rät Ingo K., das Fell

Nähe ihres Hauses küssen sie sich zum ersten Mal.

Nachdem die MTA im Labor die Körperzellen in den

der Untersuchung zu erfragen. Der 57−Jährige ist von

des Meerschweinchens mit Handschuhen nach Ent− zündungen abzusuchen und gegebenenfalls zum Tier− arzt zu gehen. Außerdem beginnt der Dermatologe mit der antimykotischen Behandlung.

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4 Allgemeine Mykologie

4

Allgemeine Mykologie

4.1 Lebensweise und Morphologie 4.1.1 Allgemeines Key Point Pilze (Mycetes, Fungi) wurden früher als chlo− rophylllose Thallophyten dem Pflanzenreich zugeordnet, gelten aber jetzt als eines von fünf Teilreichen des Belebten. Sie sind euka− ryonte Organismen, deren Grundbauplan ei− nen Zellkern mit mehr als einem Chromo− som, Kernmembran, endoplasmatisches Reti− kulum, Mitochondrien und Ribosomen aufweist. Die Zytoplasmamembran enthält als wichtigste Lipidstruktur Ergosterol; die Zellwand besteht u. a. aus Chitin, Glukan und Mannan.

Lebensweise und Morphologie

139

Tabelle 4.1

Einteilung der Pilze nach dem DHSB−System Pilzgruppe

Wichtigste Gattungen

Dermatophyten

Epidermophyton, Trichophyton, Microsporon

Hefepilze

Candida, Cryptococcus, Tricho− sporon

Schimmelpilze

Aspergillus, Penicillium, Schwärzepilze

Biphasische Pilze

Histoplasma, Coccidioides

andere

Zygomyzeten, Pneumocystis, Mikrosporidia

Grund gelten die meisten mikrobiell bedeutsamen Pilze als opportunistische Erreger. Ein Teil von ihnen (z. B. Sprosspilze der Gattung Candida) kommt als Kommensalen auf der Haut oder Schleimhaut des Menschen vor und kann

Aufgrund dieser Besonderheiten sind die Zytoplas−

so unter bestimmten Bedingungen zur endoge− nen Infektion führen.

mamembran und die Zellwand wichtige Ziele für

Andere, wie z. B. Schimmelpilze der Gattung

antimykotische Therapeutika.

Aspergillus kommen ubiquitär in der Umwelt

Das Erscheinungsbild der Pilze ist außerordentlich vielgestaltig und schließt die einzellige Bäckerhefe

und als Sporen (Konidien) in der Luft vor und können durch Tröpfcheninfektion vor allem

genauso ein wie die hochdifferenzierten, mehrzelli−

beim immungeschwächten Menschen eine exo−

gen Hutpilze. Von den etwa 300 000 bekannten Pilzarten kann

gene Infektion verursachen.

jedoch nur ein kleiner Teil unter bestimmten Be−

europäischen Systemmykosen (z. B. Coccidioides)

dingungen Krankheiten hervorrufen.

oder die Erreger von Dermatophytosen (z. B. Tri−

Wieder andere, wie z. B. die Erreger der außer−

chophyton), gelten als klassische Pathogene, die MERKE

Für die Medizin besitzen Pilze Bedeutung als invasiver Krankheitserreger, Produzenten von Sekundärmetaboliten, die antibakterielle (z. B. Penicillin; Penicillium nota− tum) oder immunmodulatorische Eigenschaf− ten aufweisen (z. B. Cyclosporin, Tolipocladium inflatum), Toxinbildner (z. B. Aflatoxin, Aspergillus flavus) und Allergene.

auch beim Immunkompetenten zur Pilzinfektion führen können. Die humanmedizinisch bedeutsamen Pilze lassen sich nach dem so genannten DHSB−System in vier Gruppen einteilen (Tab. 4.1).

4.1.2 Die Klassifizierung der Pilze Pilze sind autarke Organismen und deshalb sowohl im Wirt als auch in der Umwelt überlebensfähig. Da sie früher dem Pflanzenreich zugeordnet wur− den, folgt ihre Systematik den Regeln der Botanik. Als eukaryonte Mikroorganismen sollten sie neben der asexuellen Vermehrung grundsätzlich auch

Die meisten humanmedizinisch bedeutsamen Pilze

über einen sexuellen Lebenszyklus verfügen. Aus

besitzen keine Virulenzfaktoren im klassischen

diesem Grund richtet sich auch die Systematik

Sinn, so dass es erst bei lokaler oder systemischer

nach dem Bau ihrer Sexualorgane und sexuellen

Immunschwäche zur Infektion kommt. Aus diesem

Fruchtformen.

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140

Lebensweise und Morphologie

4 Allgemeine Mykologie mycetes (Fungi imperfecti) eingeordnet werden. Problematischerweise werden laufend perfekte For− men entdeckt, die einen anderen Namen erhalten als die imperfekte Form. So sind z. B. Trichophyton mentagrophytes und Arthroderma benhamiae nicht zwei unterschiedliche Pilzarten, sondern das im− perfekte und perfekte Stadium der gleichen Pilzart.

Praxistipp

Abb. 4.1 Die vier Grundelemente zur Zuordnung von Pil− zen. a Hyphe: Pilzfaden = vielzelliger Verband langge− streckter Pilzzellen, die durch porenhaltige Septen miteinander verbunden sind; b Myzel: Hyphengeflecht bzw. Geflecht verzweigter Pilzfäden, das durch unge− schlechtliche Vermehrung entstanden ist; c Blastospore: Synonym: Blastokonidien, Sprosszellen, Hefe; bei einzelli− gen Pilzen durch Sprossung der Mutterzelle entstandene vegetative Tochterzellen; d Pseudomyzel: Ketten von Sprosszellen, die hyphenartig gestreckt sind. Die voll− ständigen Septen des Pseudomyzels sind Grenzflächen zwischen Mutter− und Tochterzellen. Die Hyphenwand des Pseudomyzels ist im Bereich des Septums eingezogen.

Da mit den in der medizinischen Mykologie üblichen Methoden perfekte Stadien in der Regel nicht nachgewiesen werden, ist in diesem Bereich die Nomenklatur der imper− fekten Formen bevorzugt zu verwenden. Die weitergehende Klassifizierung nach Gattungen und Arten basiert auf der Morphologie der Pilzkul− turen (Struktur und Farbe), der Bestimmung von Stoffwechselleistungen (Fermentation, Assimilati− on) und insbesondere auf mikromorphologischen Merkmalen, wobei die folgenden vier Grundele−

Pilze, bei denen die sexuelle Vermehrungsform be− kannt ist, werden als Fungi perfecti bezeichnet. Bei zahlreichen human− und tierpathogenen Pilzen ist jedoch ein sexuelles (perfektes) Stadium nicht be− kannt, so dass sie in die künstliche Klasse Deutero−

mente für die erste Zuordnung von Pilzen von we− sentlicher Bedeutung sind (Abb. 4.1). Die morphologische Beurteilung erlaubt oft bereits eine erste Zuordnung: So kommen z. B. Hyphe und Myzel vor allem bei Schimmelpilzen vor, Blastospo−

Tabelle 4.2

Weitere Merkmale für die Differenzierung von Pilzen Merkmal

Beschreibung

Vegetationsmyzel

im Nährsubstrat haftendes Myzel ohne Fruchtkörper

Luftmyzel

Fruchtkörper tragendes Myzel

Spore, vegetative

ohne vorhergehende Kernverschmelzung und Reduktionsteilung entstandenes Vermehrungsorgan

Spore, sexuelle

nach Kernverschmelzung und Reduktionsteilung entstandenes Vermehrungsorgan

Ascospore

sexuelle Sporen, die in einem Ascus (Schlauch) heranreifen

Sporangiosporen

im Innern eines Sporenbehälters (Sporangium) gebildete vegetative Endosporen

Sporangiophor

Sporangien−tragende Hyphe

Konidien

frei an den Hyphen gebildete vegetative Ektosporen

Mikrokonidien

einzellige, rundliche Sporen, die bei Schimmelpilzen und Dermatophyten vorkommen

Makrokonidien

mehrzellige, gewöhnlich septierte Sporen, die nur bei Dermatophyten vorkommen

Konidiophor

Konidien−tragende Hyphe, die evtl. einen kurzen Stiel (Sterigma) aufweist

Chlamydospore

Mantelspore, Hyphenabschnitt mit verdickter doppelt brechender Zellwand (vegetativ) = wichtiges Merkmal von Candida albicans und C. dubliniensis

Arthrospore

quader− oder walzenförmiges vegetatives Hyphenfragment

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4 Allgemeine Mykologie

Diagnostik von Mykosen

141

re und Pseudomyzel findet man vor allem bei Sprosspilzen. Darüber hinaus existieren weitere Merkmale, die für die morphologische Differenzierung von Pilzen eingesetzt werden (Tab. 4.2).

4.2 Die Diagnostik von Mykosen Key Point Wie auch bei anderen Infektionen werden bei Mykosen mikroskopische, kulturelle, mo− lekularbiologische und immunologische Ver− fahren eingesetzt. Der Untersuchungsgang und die diagnostische Wertigkeit der Unter− suchungsmethoden richten sich nach der Lo− kalisation der Mykose bzw. danach, ob He− fen, Schimmelpilze oder biphasische Pilze als Ursache für die Erkrankung erwartet werden.

Abb. 4.2 Mikroskopischer Nachweis eines Pilzmyzels mithil− fe von optischen Aufhellern (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. R. Rüchel, Göttingen).

Der mikroskopische Nachweis von Pilzelementen ist oft nicht einfach und gelingt u. U. erst nach Pro− benaufbereitung (Auflösung von Haut, Haaren und Nägeln durch 30–40 %ige Natronlauge) und durch Spezialanfärbung (z. B. Grocott−Gomori−Silberfär− bung oder Nachweis mit optischen Aufhellern,

Wegen des ubiquitären, saprophytischen Vorkom− mens opportunistischer Pilze, wie z. B. Candida

Abb. 4.2). Eine Pilzidentifizierung ist damit aber in der Regel nicht möglich.

oder Schimmelpilze, ist eine Kontamination der Untersuchungsmaterialien häufig.

Die direkte mikroskopische Untersuchung des Pa− tientenmaterials erlaubt aber immerhin die allge− meine Diagnose Verdacht auf Mykose“. Zur Spezi−

Praxistipp:

fizierung der Erreger sind kulturelle oder ggf.

In physiologischerweise mikrobiell−kontami− nierten Untersuchungsmaterialien (Stuhl, Sputum) ist der Pilznachweis oft Ausdruck einer Kolonisation und hat keinen Krank− heitswert. Erst der wiederholte kulturelle Pilznachweis und/oder der quantitative Nachweis hoher Pilzkonzentrationen kann eine Abgrenzung zwischen Kontamination, Kolonisation und Infektion ermöglichen.

molekularbiologische (Tab. 4.3).

Verfahren

notwendig

Anzucht y Für die meist problemlose Anzucht stehen neben den üblichen Nährböden auch Selektivme− dien, wie z. B. der Sabouraud−Agar, zur Verfügung.

Tabelle 4.3 Untersuchungsmöglichkeiten bei verschiedenen Pilzinfektionen

Material

Dermatomykosen

(Schleim−)Haut−Mykosen durch Hefen und Schimmel− pilze

Systemmykosen durch Hefen, Schimmelpilze und biphasi− sche Pilze

Hautschuppen, Haare, Nägel

Hautschuppen, Haare, Nägel oder Stuhl, Urin, Sputum

Blut, Liquor, Punktate, Biop− sien, Sputum, Urinsediment

Mikroskopie

+

+

+

Kultur (ggf. PCR)

+

+

+

Antikörper−Nachweis



(+)

+

Antigen−Nachweis



+

+

Hauttest





+ (biphas. Pilze)

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142

Antimykotische Therapie

4 Allgemeine Mykologie Phenol und Phenolderivate,

Praxistipp

Salicylsäure und Benzoesäure oder ihre Derivate,

Kulturelle Untersuchungen bei biphasischen Erregern von Systemmykosen dürfen wegen der Infektionsgefahr nur in speziell einge− richteten Laboratorien durchgeführt wer− den.

aliphatische Carbonsäuren oder

Als Lokalantimykotika werden nicht resorbierbare

PCR y Der Stellenwert der PCR zum direkten Pilz−

Substanzen eingesetzt, die wegen toxischer Allge− meinreaktion nicht parenteral verabreicht werden

nachweis aus Patientenmaterial ist bisher nicht

können, aber für die lokale Therapie oberflächli−

abschließend geklärt. Zusammen mit der Sequen− zierung ist die PCR aber teilweise zur Erregeridenti−

cher Mykosen der Haut, der Schleimhäute (z. B. Gastrointestinal− oder Genitaltrakt) und zur Inhala−

fizierung nach kultureller Anzucht geeignet.

tionsbehandlung bei Bronchial− und Lungenmyko−

Antikörpernachweis y Er unterliegt bei den meisten

sen geeignet sind:

quarternäre Ammoniumbasen.

4.3.2 Die Lokalantimykotika

Pilzinfektionen der Einschränkung, dass aufgrund

Nystatin, Polyen−Makrolid: v. a. Candida,

des ubiquitären Vorkommens von Pilzen in der Umwelt auch gesunde Personen oft Antikörper

Pimaricin, Polyen−Makrolid: Dermatophyten, He− fen, Schimmelpilze,

aufweisen.

Tolnaftat, Thiocarbamat: v. a. Dermatophyten und Schimmelpilze,

Praxistipp Einzeltiter sind deshalb diagnostisch von geringerer Aussagekraft als der Nachweis einer Titerbewegung.

lokal Amphotericin B und Imidazol−Derivate.

4.3.3 Die systemisch anwendbaren Antimykotika Die zunehmende Zahl von Patienten mit System−

Bei den obligat pathogenen Erregern außereuropäi−

mykosen hat in den letzten Jahren zur Entwicklung

scher Systemmykosen (s. u.) haben der Antikörper−

einiger neuer Antimykotika (vor allem Triazole und

nachweis und die positive Hautreaktion jedoch

Echinocandine) geführt, deren in−vitro−Wirkungs−

einen hohen diagnostischen Stellenwert. Testver− fahren zum Nachweis von Pilzantigenen im Serum

spektrum in Tab. 4.4 dargestellt ist. Dabei sei aber darauf hingewiesen, dass bei Anwendung im

stehen zurzeit erst für einige der Pilzspezies zur

menschlichen Organismus natürlich eine unter−

Verfügung.

schiedliche Effizienz möglich ist.

4.3 Die antimykotische Therapie

4.3.4 Die Wirkungsmechanismen, Anwen− dung und Nebenwirkungen der Antimykotika

Key Point Bei der antimykotischen Therapie unterschei− det man in Abhängigkeit von Applikation und Wirkungsweise Desinfektionsmittel, Lokalan− timykotika und systemisch anwendbare Anti− mykotika.

Polyene Die Wirkstoffe Amphotericin B, Nystatin und Nata− mycin gehören chemisch zur Gruppe der Polyene. Sie bewirken über Komplexbildung mit Ergosterol eine Permeabilitätsänderung der Pilzzellmembran und wirken dadurch fungizid. Resistenzen gegen

4.3.1 Die Desinfektionsmittel

die Polyen−Antimykotika kommen fast gar nicht

Für die lokale Therapie von Dermatomykosen kön− nen u. U. Externa eingesetzt werden. Diese Präpara−

vor, weshalb ein Antimykotigramm meistens nicht

te enthalten z. B. als Einzelkomponenten oder in

to− und myelotoxisch und kann eine Thrombophle−

Kombination:

bitis verursachen.

erforderlich ist. Amphotericin B ist nephro−, hepa−

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4 Allgemeine Mykologie

Antimykotische Therapie

143

Tabelle 4.4

Charakterisierung der Pilzgruppen des D−H−S−B−Systems und die in−vitro−Wirksamkeit von Antimykotika Pilzgruppe

Gewebstropismus

Typische Wuchsformen

Gut wirksame Antimykotika (.75 % der Stämme sind empfindlich)

Haut

Spross− zellen

A

Dermatophyten: – Epidermophyton – Trichophyton – Microsporon

+

Hefen: – Candida albicans – Candida glabrata – Candida krusei – C. tropicalis – Cryptococcus – Trichosporon

+

Schimmelpilze: – A. fumigatus – A. flavus – A. terreus – A. niger – Fusarium

(+)

Biphasische Pilze: – Histoplasma – Coccidioides Andere Pilze: – Zygomyzeten – Pneumocystis – Mikrosporidien

Innere Organe

Myzel

5

C

F

I

V

x

x

x x x

x

x

x

x x x

x x x

x x x

x x x x

x x x x

x x

x x

P

T

X

x x x

x x x

+

+

+

(+) x x x x x

+

x x x x

+ x x x x

+

x (x) x x x (x)

+

x x x x

+ x x

+ +

+ Sonder− formen

x x x x x

x

x

Sonder− formen

x

A = Amphotericin B, 5 = 5−Fluorcytosin, C = Caspofungin Triazole: F = Fluconazol, I = Itraconazol, V = Voriconazol, P = Posaconazol T = Terbinafin (Griseofulvin hat identisches Wirkspektrum), X = Ciclopirox, topisch (x) = mäßige Wirksamkeit von 5−Fluorcytosin

Praxistipp

Amphotericin B gegeben. Bei nachgewiesener in−

CAVE: Durch die Gabe von Amphotericin B kann es zur Hypokaliämie kommen.

vitro−Empfindlichkeit eines Pilzstammes für Flucy− tosin kann die Amphotericin−B−Dosis geringer ge− halten werden. Die Nebenwirkungen von Flucytosin

Die Therapie muss einschleichend begonnen wer−

bestehen in gastrointestinalen Störungen und Mye−

den. Bei der Gabe von Amphotericin B per infusio−

lotoxizität, evtl. werden auch hepatotoxische Ne−

nem ist außerdem die Lichtempfindlichkeit der

benwirkungen beobachtet.

Substanz zu beachten. Bei Anwendung von liposo− malem Amphotericin B besteht eine geringere Toxi− zität, so dass eine höhere Dosierung möglich ist.

Azole Azole hemmen die Ergosterolsynthese der Pilzzelle durch Inhibierung des für die Synthese notwendi−

Flucytosin

gen Zytochrom−P450−Isoenzyms. Der Effekt ist zu−

Das Nukleosidanalogon Flucytosin (5−Fluorcytosin)

nächst fungistatisch, da der weitere Aufbau der zy−

hemmt die Nukleinsäuresynthese, vor allem von

toplasmatischen Membran gestört wird. Die Azole

Spross− und Schimmelpilzen. Da primäre und se−

werden in die Imidazole (Miconazol, Ketokonazol

kundäre Resistenzen vorkommen, muss jedoch die

und Clotrimazol) und in die Triazole (Fluconazol,

Empfindlichkeit jedes Pilzstammes getestet wer−

Itraconazol, Vorikonazol und Posaconazol) unter−

den. Flucytosin wird meistens in Kombination mit

teilt. Das Wirkungsspektrum der Azole ist sehr un−

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144

Antimykotische Therapie

4 Allgemeine Mykologie

terschiedlich (s. Tab. 4.4). Resistenzen gegen Azole

Bei Haut− und Schleimhautmykosen durch Hefen

kommen prinzipiell vor, die Erstellung eines Anti− mykotigramms ist aber mangels Standardisierung

und Schimmelpilze ist unter dem Aspekt der gerin−

nicht für alle Substanzen möglich. Aus diesem

Empfindlichkeitsbestimmung nicht unbedingt er−

Grund orientiert man sich vielfach am klinischen

forderlich.

Erfolg. Als Nebenwirkung der systemisch anwend−

Bei Systemmykosen ist eine Empfindlichkeitsbe−

baren Präparate tritt vor allem eine gastrointesti−

stimmung der Erreger ratsam:

gen Nebenwirkungen einer lokalen Therapie die

nale Störung auf, bei Gabe von Fluconazol kann es beispielsweise zur Erhöhung der Leberwerte und

gegen Amphotericin B, weil bei genereller Emp− findlichkeit der Pilze der Grad der Empfindlich−

zu Blutbildveränderungen kommen.

keit Hinweise auf die erforderliche Dosierung geben kann (hochempfindlicher Stamm R redu− zierte Dosis R geringere Nebenwirkungen);

Praxistipp

gegen 5−Fluorcytosin, weil der Anteil primär re−

Mögliche Interaktionen zwischen den Azo− len und anderen Medikamenten, die eben− falls über das Zytochrom−P450−System ver− stoffwechselt werden, sind zu beachten.

sistenter Candida−Stämme in den letzten Jahren zugenommen hat und unter der Therapie Se− kundärresistenz auftritt; für die meisten Azole stehen z.Z. keine standar− disierten Testverfahren zur Verfügung.

Echinocandine Echinocandine hemmen die Glucansynthese in der Zellwand von Spross− und Schimmelpilzen sowie von Pneumocystis. Da Glucan nur bei Pilzen vor− kommt, ist die Nebenwirkungsrate der Echinocan− dine verhältnismäßig gering. Bisher ist mit Caspo− fungin nur ein Antimykotikum dieser Substanzklas− se zugelassen.

Praxistipp: Das Antimykotigramm kann als Ver− dünnungsreihentest mit antagonistenfreiem Agarmedium, als Agardiffusionstest oder als so genannter E−Test durchgeführt werden, wobei Letzterer eine Annäherung an MHK− Werte erreichen kann.

Griseofulvin Griseofulvin greift in den Guaninstoffwechsel der Pilzzelle ein. Es war lange Zeit das beste Mittel ge−

FALLBEISPIEL

Ein 27−jähriger Klinikangestellter begibt sich zu seinem

gen Dermatophyten, wird aber heute wegen seiner

Betriebsarzt, weil er unter Schmerzen über der Brust

Nebenwirkungen kaum noch verwendet.

klagt. Diese verschlimmern sich unmittelbar nach der

Terbinafin Statt Griseofulvin gibt man bei Dermatophyten jetzt das Allyamin Terbinafin, das oral und lokal ge− geben werden kann.

4.3.5 Das Antimykotigramm

Nahrungsaufnahme. Anamnestisch ist bekannt, dass er seit vielen Jahren unter Allergien leidet und deswegen immer wieder Kortikosteroide verordnet bekommt. Die Inspektion des Rachens ist unauffällig. Daraufhin wird eine Gastroskopie durchgeführt, bei der sich weißliche Beläge auf der Ösophagusschleimhaut dar− stellen lassen. Deswegen wird die Diagnose Sooröso−

Bei Dermatophyten ist zur Auswahl der antimyko− tischen Therapie eine Empfindlichkeitsbestimmung

phagitis gestellt. Gleichzeitig werden Schleimhaut−

in der Regel nicht erforderlich, da bereits aus der

Diagnostik entnommen und dem Patienten eine

Erregerdiagnose auf wirksame Lokalantimykotika

Therapie mit Fluconazol angeraten.

geschlossen werden kann und mit Terbinafin ein potentes Medikament zur topischen und oralen Be−

Trotz Therapie bessert sich die Symptomatik nicht; es kommt sogar zur weiteren Ausdehnung der Beläge, so

handlung von Dermatophythosen zur Verfügung

dass diese bei der Wiedervorstellung bereits bei der

steht.

Racheninspektion auffallen. Die Pilzdifferenzierung

biopsien

für

die

weiterführende

histologische

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4 Allgemeine Mykologie

Systematik der Pilze

ergibt jetzt Candida glabrata mit einer Resistenz

von verschiedenen Dermatophytenarten gleicher−

gegen Fluconazol. Nach Umstellung der Therapie auf Amphotericin B bessert sich die Symptomatik. Aller−

maßen verursacht werden können. An der Körper−

dings ergibt die in der Zwischenzeit abgenommene

als rote, schuppende Effloreszenzen, die allmählich

serologische Diagnostik, dass der Patient HIV−positiv

vom Zentrum zur Peripherie fortschreiten. Die In−

ist,

Soorösophagitis

fektion von Nägeln ist durch Aufsplitterung der Na−

wahrscheinlich nicht allein auf die Therapie mit

gelfläche gekennzeichnet; infizierte Haare werden

Kortikosteroiden zurückzuführen ist.

brüchig. Für die Diagnose einer Dermatophytose wird von

so

dass

die

Ursache

der

4.4 Die Systematik der Pilze Key Point Die Einteilung der Pilze folgt dem in der ge− samten Biologie üblichen Prinzip von Klassen, Ordnungen, Familien, Gattungen und Arten. Für praktisch−klinische Zwecke hat sich je− doch die Einteilung in Dermatophyten, Hefen (Sprosspilze) und Schimmelpilze bewährt (DHS−System). Daneben gibt es noch beson− dere Pilze (Pneumocystis und Mikrospori− dien) sowie einige obligat pathogene Pilzar− ten, die im außereuropäischen Ausland vor− kommen und als dimorphe oder biphasische Pilze bezeichnet werden, da sie sowohl Sprosszellen als auch Hyphen bilden können.

145

oberfläche imponieren sie bei Hautmanifestation

befallenen Haaren oder vom aktiven Rand der Ef− floreszenzen entnommenes Patientenmaterial (Nä− gel, Hautschuppen) mikroskopiert und eine Kultur angelegt.

4.4.2 Die Sprosspilze (Hefen) Zu den Sprosspilzen gehören einerseits die apatho− genen Saccharomyces−Arten, die als Bäcker−, Bier− oder Weinhefen dienen und andererseits die fakul− tativ pathogenen Arten der Gattungen Candida, die die Gattung Torulopsis mit beinhaltet, sowie Tricho− sporon und Cryptococcus. Sprosspilze vermehren sich durch Sprossung, bei der eine kleine vegetative Tochterzelle aus der Mutterzelle herauswächst. Die Zellen sind 5–8 mm groß (zum Vergleich S. aureus = 1 mm) und erscheinen in der Gramfärbung gram− positiv trotz des völlig anderen Zellwandaufbaus der Pilze. Sie lassen sich leicht auf allen Nährme−

4.4.1 Die Dermatophyten

dien anzüchten, ihre Isolierung aus stark bakterien−

Diese Faden− bzw. Hyphenpilze bestehen aus den weltweit vorkommenden Gattungen Trichophyton,

haltigem Material wird jedoch durch Verwendung von Selektivmedien erleichtert.

Epidermophyton und Microsporum. Sie befallen

Candida

Haut, Nägel und/oder Haare und können je nach Reservoir direkt von Mensch zu Mensch bzw. von

Es gibt mehr als 200 Candida−Arten, von denen

Tieren oder vom Erdboden auf den Menschen über−

Candida albicans mit Abstand die weltweit häufigs−

tragen werden.

te Art ist. Die anderen Arten werden als Non−albi−

Die drei Gattungen der Dermatophyten können

cans−Arten bezeichnet. Dazu gehören insbesondere

aufgrund ihrer mikroskopischen Morphologie und

C. tropicalis, C. pseudotropicalis, C. glabrata, C. kru−

kultureller Eigenschaften voneinander unterschie−

sei, C. parapsilosis und C. dubliniensis. Im Gegensatz

den werden. Darüber hinaus zeigen sie ein unter− schiedliches Befallsmuster: Epidermophyton floccosum befällt Haut und Nä−

zu C. albicans können sie – mit Ausnahme von C. dubliniensis – unter Mangelbedingungen keine Dauerformen (Chlamydosporen) bilden. Die meis−

gel,

ten Pilze der Gattung Candida können in Hefeform

Trichophyton spp. befällt Haut, Nägel und Haare

als normale Kommensalen die Haut und Schleim−

und kommt auch bei Haustieren vor,

häute des Menschen besiedeln. Bei Störungen des

Microsporum spp. befällt Haut und Haare und

ökologischen Milieus oder bei Immunschwäche

kommt ebenfalls bei Tieren vor.

können sie sich jedoch in eine Hyphenform um−

Die durch Dermatophyten verursachten Krankhei−

wandeln (außer C. glabrata) und oberflächlich oder

ten werden als Tinea bezeichnet (s. S. 430), weil sie

tief in das Gewebe eindringen.

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146

Systematik der Pilze

4 Allgemeine Mykologie

Die Kandidose (s. S 426) ist eine opportunistische

Die Sprosspilze der Gattung Trichosporon rufen ne−

Infektion mit Sprosspilzen, die als lokale, ober− flächlich lokalisierte Infektion oder als lebensbe−

ben Systemmykosen bei stark immunsupprimier−

drohliche Systemmykose auftreten kann. Die muko−

kung kommt unabhängig vom Immunstatus vor

kutane Kandidose manifestiert sich mit weißlichen

und besteht aus einem Haarbefall in Form von wei−

Belägen auf Schleimhäuten (Soor, s. S. 427) oder als

ßen Knötchen. Das Myzel von Trichosporon kann in

Rötung mit der Gefahr von Mazerationen auf der

Arthrosporen zerfallen, was die Trichosporon−Arten

Haut. Bei stärkerer Beeinträchtigung der Abwehrla− ge kann es zur Systemmykose mit Fungämie und

von den Candida−Arten unterscheidet. Malassezia furfur ist Erreger der Pityriasis versico−

Organbefall kommen.

lor, einer oberflächlichen Hautmykose (s. S. 426).

ten Patienten die Piedra alba hervor. Diese Erkran−

Die Diagnostik ist nicht immer leicht, da zwischen Besiedlung und Infektion unterschieden werden muss. Die mikroskopische Untersuchung kann

Praxistipp

durch Anwendung von optischen Aufhellern oder

Von den apathogenen Saccharomyces−Arten wird S. cerevisiae als Bäcker− oder Bierhefe verwendet. Saccharomyces kann in Stuhl− proben oder Mundabstrichen vorkommen und muss gegen die fakultativ pathogenen Sprosspilze abgegrenzt werden.

einer Silberfärbung (Grocott) erleichtert werden. Nach kultureller Anzucht erfolgt die Differenzie− rung morphologisch (z. B. Chlamydosporen?) und biochemisch. Außerdem wird für die Diagnose von Systemmykosen der Nachweis von Mannanantigen aus Serumproben durchgeführt. Der Stellenwert der PCR zum Direktnachweis ist noch nicht ab−

4.4.3 Die Schimmelpilze

schließend geklärt.

Von der großen Zahl der ubiquitär verbreiteten Schimmelpilze sind Aspergillus−Arten sowie einige

Cryptococcus Beim Menschen spielen vor allem Cryptococcus

Gattungen aus der Ordnung Mucorales medizinisch relevant.

neoformans (weltweit) und C. gattii (vor allem in

Grundstruktur der Schimmelpilze sind die Hyphen,

den Tropen) als Erreger der Kryptokokkose eine

deren Gesamtheit im Verbund als Myzel bezeichnet

Rolle (s. S. 433).

wird. Im Unterschied zu den Sprosspilzen bilden

Diese Sprosspilze vermehren sich wahrscheinlich auf Gräsern und anderen Pflanzen, um dann mit

die Schimmelpilze vom Substratmyzel ausgehend ein Luftmyzel aus. Dieses bedingt das charakteristi−

der Nahrung in den Darm von Vögeln (v. a. Tauben)

sche wolkenartige Aussehen des Schimmels“. Am

zu gelangen. Der Mensch infiziert sich durch Einat− men von kontaminierten (Kot−)Stäuben. Die Infek−

Luftmyzel werden die asexuellen (vegetativen) Fortpflanzungssporen in jeweils speziesspezifischer

tion betrifft zunächst die Lunge, um anschließend

Weise ausgebildet:

beim massiv Immunsupprimierten (vor allem bei

Bei Aspergillus werden sie als Kondidien be−

AIDS) zur subakut verlaufenden Meningoenzephali−

zeichnet und von speziellen Zellen, die sich an

tis zu führen (s. S. 413).

einer endständigen Blase des Luftmyzels befin−

Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Er−

den, nach außen abgeschnürt.

regernachweis, Antigennachweis und kulturelle An− zucht aus Liquor gestellt.

Bei den Mucorales entstehen sie in einem Be− hälter“ (Köpfchen) und heißen Sporangiosporen. Schimmelpilze wachsen gut auf allen Nährböden.

Weitere Sprosspilze

Sie können morphologisch anhand ihrer Fortpflan−

Rhodotorula−Arten wachsen durch Bildung karoti−

zungsorgane identifiziert werden. Die Identifizie−

noider Pigmente in Form von rötlichen Kolonien

rung ist sehr wichtig, da Schimmelpilze naturge−

auf Sabouraud−Agar. Sie sind besonders in feuchten

mäß häufig als Kontaminanten auftreten, die gegen

Bereichen der Umwelt verbreitet und führen selten

die fakultativ pathogenen Arten abgegrenzt werden

zu Fungämien bei abwehrgeschwächten Patienten

müssen.

mit liegenden Venenkathetern.

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4 Allgemeine Mykologie

Systematik der Pilze

147

Tabelle 4.5

Systematik der Schimmelpilze Aspergillus spp. (A. fumigatus, A. flavus, A. niger) Klinik:

Aspergillose der Lungen, des Gehörganges, innerer Organe, Aspergillom, disseminierte Aspergillose bei Agranulozytose (s. S. 430)

Vorkommen:

weltweit, häufig als Saprophyten auf Lebensmitteln

Kultur:

flaumige, rauchgraue bis dunkelgrüne, blassgelbe oder dunkelbraune bis schwarze Kolonien

Mikroskopie:

septiertes Myzel, Konidiophor mit bläschenförmiger Anschwellung (Vesiculum), Mikrokonidienketten an kurzem Stiel (Sterigma), Gießkannenschimmel“

Penicillium spp. Klinik:

selten: Penicillose der Lungen und innerer Organe; P. maneffei: systemische Infektion bei HIV−Patienten

Vorkommen:

weltweit, häufig als Saprophyten auf Lebensmitteln

Kultur:

samtartige bis flaumige Kolonien unterschiedlicher Färbung

Mikroskopie:

septiertes Myzel, Konidiophor ohne Endauftreibung, aber mit Verzweigungen (Metulae), Mikrokonidien− ketten an Sterigmen, Pinselschimmel“

Mucor spp. Klinik:

Mucormykose des Gehirnes, der Augen und der Lungen

Vorkommen:

weltweit, ubiquitär

Kultur:

watteartige, graue Kolonien

Mikroskopie:

unseptiertes Myzel, lange verzweigte Sporangiophoren mit Endauftreibung (Columella), Sporangium mit Endosporen, Köpfchenschimmel“; die ähnliche Gattung Rhizopus unterscheidet sich durch wurzelförmige Ausläufer des Myzels.

Aspergillus

Mucor, Rhizomucor, Absidia und Rhizopus. Sie treten

Schimmelpilze der Gattung Aspergillus kommen als

selten als Besiedler von Verbrennungswunden auf.

Saprophyten ubiquitär in der Umwelt vor. Unter den ca. 200 Arten gibt es klinisch relevante Arten,

Bei abwehrgeschwächten Patienten können sie das Krankheitsbild der rhinozerebralen Mukormykose

die den Menschen per inhalationem infizieren. Da−

hervorrufen, bei dem die Pilze von den Nasenne−

zu zählen u. a. Aspergillus fumigatus, A. flavus, A. terreus, A. nidulans, A. niger und A. versicolor.

benhöhlen aus ins Gehirn eindringen. Außerdem

Aspergillus kann beim Immunkompetenten zur In− fektion (Aspergillom der Lunge, s. S. 430), Intoxika−

Blutgefäßen. Sie können zu Gefäßthromben führen

tion (Aufnahme des hepatotoxischen Aflatoxins mit

Herzkammern) einwachsen. Auch ein Lungenbefall

dem Lebensmittel, z.B: verschimmelte Erdnüsse, s. S. 431) und Allergie (exogen allergische Alveolitis,

ist möglich. Die Prognose ist in der Regel infaust, da nur Patienten mit schwerem Grundleiden befal−

Farmerlunge, s. S. 431) führen. Beim granulozytope−

len werden.

haben die Mucorales eine besondere Affinität zu und/oder durch die Gefäßwand ins Gewebe (z. B.

nischen oder anderweitig immunsupprimierten Pa− tienten kommt nicht selten die invasive Aspergillo−

Weitere Schimmelpilze

se (pulmonale oder generalisierte Manifestationen) als lebensbedrohliche Infektion vor (s. S. 431). Auf

Penicillium− und Acremonium− (= Cephalosporium−) Arten sind typische Laborkontaminanten und nur

die Diagnostik wird ausführlich auf S. 431 einge−

äußerst selten Erreger menschlicher Mykosen; sie

gangen.

haben aber als Antibiotika−Produzenten große Be− deutung.

Mucorales

Fusarium− und Scedosporium−Arten kommen bei

Schimmelpilze der Ordnung Mucorales gehören zu

immunsupprimierten Patienten als seltene Erreger

den Zygomyzeten und beinhalten die Gattungen

vor.

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148

Systematik der Pilze

4 Allgemeine Mykologie

Tabelle 4.6

Systematik der Biphasischen (Dimorphen) Pilze Coccidioides immitis Klinik:

Coccidioidomykose (vorwiegend Befall der Lunge, s. S. 256) Myzelphase hochinfektiös R Laborinfektionen!

Vorkommen:

Aride Zonen der USA, Mittel− und Südamerika, Nagetierbauten

Merkmale:

Myzelphase: Septiertes Myzel mit Arthrosporen Hefephase: runde Zellen, die sich in Sporangien (Sphärulen) mit Endosporen umwandeln (Gewebeform)

Histoplasma capsulatum Klinik:

Histoplasmose (vorwiegend Befall der Lunge)

Vorkommen:

Mittlerer Westen der USA, Mittelamerika, tropisches Afrika; Vogelmist, Fledermauskot

Merkmale:

Myzelphase: Septiertes Myzel mit morgensternförmigen Chlamydosporen Hefephase: Sprosszellen, im Gewebe intrazellulär in Makrophagen

Blastomyces dermatitidis Klinik:

Nordamerikanische Blastomykose (vorwiegend Befall der Lunge s. S. 256)

Vorkommen:

Osten und Mittelwesten der USA und Kanadas

Merkmale:

Myzelphase: Septiertes Myzel mit birnenförmigen Mikrokonidien Hefephase: Zellen mit meist nur einer Tochterzelle, die lange mit der Mutterzelle durch eine große Pore verbunden bleibt

Paracoccidioides brasiliensis Klinik:

Südamerikanische Blastomykose (vorwiegend subkutane Infektion, Ulzera, s. S. 256)

Vorkommen:

Südamerika (Brasilien)

Merkmale:

Myzelphase: Septiertes Myzel mit runden oder ovalen Konidien, Chlamydosporen Hefephase: Zellen mit multiplen Sprossen, so dass rosettenartige Formationen entstehen

Sporothrix schenckii Klinik:

Sporotrichose (kutane und subkutane Infektionen, Lymphangitis)

Vorkommen:

Weltweit, Infektionen durch Hautverletzungen an Dornen, Holzsplittern etc.

Merkmale:

Myzelphase: Septierte, zarte, verzweigte Hyphen mit büschelartig angeordneten Mikrokonidien Hefephase: Zigarrenförmige bis runde Sprosszellen

Die Diagnostik der Schimmelpilzinfektionen

PCR sowie den Antigen− und Antikörpernachweis

In manchen Fällen können bereits mikroskopisch

zu nutzen. Mit der PCR liegen allerdings noch nicht

Pilzhyphen nachgewiesen werden. Dies kann je−

genügend Erfahrungen vor.

doch nur als Hinweis dienen, eine Aussage zur Art der Pilze ist nicht möglich. Die kulturelle Anzucht ist einfach, da sie auf allen Nährböden wachsen, jedoch ist u. U. eine Bebrü− tungszeit von 4–5 Tagen erforderlich. Kulturen der Mucorales bilden weiße oder graue wollige Rasen aus, die Aspergillus−Arten haben grünes, schwarzes oder bräunliches Luftmyzel. Im mikroskopischen Präparat der Kulturen werden dann die typischen Sporenbildungsorgane beurteilt. Es kann schwierig sein, die ätiologische Relevanz

ACHTUNG

In Bezug auf den Antikörpernachweis ist in Be− tracht zu ziehen, dass bei immunsupprimierten Patienten keine hinreichende Antikörperbildung stattfindet. Deshalb kann die Aspergillus−Serologie praktisch nur beim Aspergillom und bei der aller− gischen Aspergillose bewertet werden. Für die Mucorales−Infektionen beim Immunsupprimierten steht außer der kulturellen Anzucht keine weitere Methode zur Verfügung.

nachgewiesener Schimmelpilze zu erkennen. Des− halb versucht man, als weitere Möglichkeiten die

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4 Allgemeine Mykologie

Systematik der Pilze

4.4.4 Die dimorphen Pilze

kosen vorkommen, kann eine Infektion nur dort er−

Während systemische Infektionen durch die ubi−

worben werden (Reiseanamnese!). Differenzialdia−

quitär verbreiteten Hefe− und Schimmelpilze als

gnostisch

opportunistische

Abwehr−

Tuberkulose und Tumoren des lymphoretikulären

schwäche entstehen, sind die dimorphen Pilze ob− ligat pathogen. Sie sind durch die Ausbildung un−

Systems abzugrenzen. Die Pilze sind Bodenbewoh−

terschiedlicher Wuchsformen in Abhängigkeit von

durch Einatmen von sporenhaltigem Material oder

der

gekennzeichnet

über Hautverletzungen. Wenn keine Spontanheilung eintritt, sollte Itraco−

Bei 25–30 8C werden Myzelien mit Konidien ge−

nazol oder Voriconazol, bei der Coccidioidomykose

bildet (Myzelphase),

auch Posaconazol gegeben werden, bei schwerem Verlauf sollten Amphotericin B bzw. dessen Lipid−

Infektionen

Wachstumstemperatur

nur

bei

(Tab. 4.6).

bei 37 8C kommt es zur Bildung von Sprosszel− len (Hefephase). Da sie nur in bestimmten Endemiegebieten in

sind

die

Erkrankungen

149

gegen

ner; die Infektion erfolgt auf aerogenem Wege

präparationen eingesetzt werden.

Amerika und Afrika (außereuropäische Systemmy−

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Kapitel

5

Allgemeine Parasitologie 5.1

Allgemeines 153

5.2

Die Protozoen 154

5.3

Die Helminthen 159

5.4

Die Arthropoden 167

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152

Klinischer Fall

Wechselfieber

Höchste Zeit für den Arztbesuch Endlich wieder da!“, freut sich seine Frau, als sie ihre schweren Koffer im Wohnungsflur abstellt. Der Abendflug hat sie ganz schön angestrengt. Mit dir hatte ich in der Türkei irgendwie mehr Spaß als mit meinem besserwisserischen Onkel!“, ruft sie ins Wohnzimmer hinein. Nach ihrem gemeinsamen Ba− deurlaub in der Nähe von Antalya mit Ausflügen in das östliche Hinterland blieb sie noch für zwei Wo− chen in der Türkei, um ihre Familie zu besuchen. Herr H. reiste früher nach Deutschland zurück, weil die Schulferien zu Ende gingen. Mein Gott, wie siehst du denn aus!?“, fragt Frau H. erschrocken, als sie ihren Mann bleich und schweiß−

Malaria. Plasmodium vivax, Ringform.

Mattigkeit und Abgeschlagenheit

gebadet im Bett liegen sieht. Lass mich raten: Du warst nicht beim Arzt. Ich wusste es. Morgen gehen wir zu Dr. May. Keine Widerrede.“

Sie sehen heute nicht gut aus“, bemerkt die Zwölfklässlerin im Vorbeigehen, als der Mathematik− lehrer Hermann H. seine Akten auf dem Pult zusam−

Dicker Tropfen und Blutausstrich Ach, Sie waren in der Nähe von Antalya“, sagt Dr.

menschiebt. Dem sonst energischen 42−Jährigen

May nachdenklich, als er dem Mathelehrer Blut ab−

kommt heute der Weg zum Lehrerzimmer wie eine

nimmt. Wegen der periodischen Fieberanfälle des Pa−

Odyssee vor. Seine Beine fühlen sich watteweich an. Die Grüße der Schüler nimmt er nur entfernt wahr.

tienten schickt er die Blutprobe als Notfalllabor weg.

Als er in die Schulaula tritt, schafft er es kaum, den Widerstand der Schwingtür zu überwinden.

Die Ergebnisse bringen den Allgemeinarzt diagno− stisch weiter: Er findet im Blut eine geringgradig aus−

Schon seit sieben Tagen fühlt er sich immer wieder

geprägte Leukopenie und eine Thrombopenie. Außer− dem ist der Wert der Laktatdehydrogenase auf das

schwach. Die Lehrerkollegen rieten ihm schon mehr−

Doppelte ihres Grenzwertes erhöht. Das ist ein Hin−

mals dazu, zu Hause zu bleiben. Trotzdem kommt

weis auf einen Zellzerfall. Möglicherweise haben Sie

der engagierte Lehrer jeden Tag in die Schule. Die

sich bei Ihrem Urlaub eine Infektionskrankheit geholt.

Ausrede, die er parat hat, ist immer die gleiche: Ich muss die Zwölfklässler unbedingt auf die Matheklau−

Ich schicke Sie lieber in die infektiologische Ambulanz der Uniklinik“, erklärt der Hausarzt.

sur vorbereiten“

Tägliches Fieber

Kranke Erythrozyten Als der Assistenzarzt in der Ambulanz einen Blutaus−

Was die Kollegen nicht wissen: Abends geht es dem

strich aus dem Blut von Herrn H. anfertigen lässt,

42−Jährigen noch viel schlechter. Seit einer Woche

macht sich der Mathelehrer Vorwürfe: Warum bin

hat er an einigen Abenden Fieberattacken von bis zu

ich bloß nicht früher zum Arzt gegangen? Am Ende

40 8C mit Schüttelfrost. Auf keinen Fall möchte er aber zum Arzt gehen, denn er fürchtet die Krank−

ist es etwas Ernstes.“ Seine Befürchtung bestätigt

schreibung. Und außerdem geht es ihm ja zwischen

Parasitämie von einem Prozent gefunden. Der 42−

den Fieberattacken ganz gut. Es ist bestimmt nur

Jährige muss sich während des Türkei−Urlaubs mit den Malaria−Erregern angesteckt haben.

ein kleines Virus“, beruhigt er sich.

sich: Im Blutausstrich wird Plasmodium vivax mit einer

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5 Allgemeine Parasitologie

5

Allgemeine Parasitologie

Allgemeines

153

Zystenbildung Rückzug in immunologisch inerte Wirtsgewebe

5.1 Allgemeines

(z. B. ZNS) Escape−Mechanismen: O Befall von Makrophagen,

Key Point Parasiten sind für ihr Überleben von anderen Organismen, ihren Wirten, abhängig. Die zum Teil sehr komplexen Lebenszyklen von Parasiten spiegeln ihre ausgeprägte Fähigkeit zur Adaptation an sehr unterschiedliche Um− welt− bzw. Wirtsbedingungen wider. So ist der Parasit häufig gezwungen, sich bioche− misch und morphologisch dem neuen Wirt anzupassen.

O Verminderung der Antigenpräsentation, O Antigen−Varianz, O molekulare Maskierung. Bei der molekularen Maskierung umgibt sich der Parasit mit wirtseigenen Antigenen, so dass er vom Immunsystem nicht als fremd erkannt wird. Lebenszyklen y Man unterscheidet zwischen dem Endwirt (definitiver Wirt), in dem der Parasit sich geschlechtlich vermehrt und dem Zwischenwirt, in dem entweder nur eine asexu−

Wenn zwei Organismen aufeinander stoßen, gibt es verschiedene Möglichkeiten des Miteinanders: Symbiose = Zusammenleben beider Organismen

elle Vermehrung (z. B. Protozoen) oder gar keine Vermehrung (z. B. Larven von Helminthen) statt− findet.

zum gegenseitigen Nutzen, Kommensalismus = Zusammenleben beider Or−

Sowohl Zwischen− als auch Endwirt können da−

ganismen ohne gegenseitigen Nutzen,

rasiten von einem Wirt zum nächsten zu übertra−

Parasitismus = Der Parasit lebt auf Kosten des

gen. Für die Übertragung des Parasiten von einem

anderen, des Wirts.

auf den anderen Wirt gibt es auch andere Strate−

Die Abhängigkeit des Parasiten von seinem Wirt ist das Ergebnis einer langen Koevolution zwischen den beiden Partnern Wirt und Parasit. Viele Parasi− ten haben eine so enge Beziehung zu ihrem Wirt entwickelt, dass nicht nur der Wirt das Leben des Parasiten bestimmt, sondern auch der Parasit den Wirt manipuliert. So wird einerseits die Entwick− lung des Immunsystems als eine Antwort des Wir− tes auf die Invasion von Parasiten verstanden, an− dererseits

haben

Parasiten

Evasionsstrategien

entwickelt, um den Abwehrmechanismen des Wir− tes zu begegnen oder sogar die Immunabwehr des Wirtes zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren.

rüber hinaus als Transportwirt dienen, um den Pa−

gien, wobei die häufigste eine Umwandlung des Parasiten in umweltresistente Parasitenstadien (Zysten, Eier) oder auch Larven beinhaltet. MERKE

Typische Lebenszyklen und Übertragungsstrate− gien von Parasiten: Endwirt 1  umweltresistente Zysten, Eier und Larven  Endwirt 2 Endwirt  Zwischenwirt Endwirt R Zwischenwirt 1 R Zwischenwirt 2 (Transportwirt) R Endwirt

Bei phylogenetisch alten Wirt−Parasit−Beziehungen

Parasitosen y Die häufigsten Infektionskrankheiten

besteht ein stabiles Verhältnis zwischen den bei−

in den Tropen werden durch Parasiten hervorge−

den Partnern mit einer daraus resultierenden ge−

rufen. Solche Erkrankungen nennt man Parasitosen.

ringen klinischen Schadwirkung. Bei phylogene−

So ist zum Beispiel fast eine Milliarde aller

tisch jungen Parasitosen kann es hingegen u. U. zur

Menschen chronisch mit Hakenwürmern infiziert.

starken Schädigung des Wirtes kommen. Ähnlich wie bestimmte Viren vermögen auch eini− ge Parasiten lebenslang im Wirt zu persistieren. Sie

Außerdem werden jedes Jahr nach Schätzungen der WHO 300–500 Millionen Menschen mit dem Mala− ria−Erreger infiziert (s. S. 437). Mehr als eine Million

nutzen dazu folgende Mechanismen:

Menschen versterben jährlich an dieser Infektion. Medizinisch bedeutsame Parasitosen sind jedoch nicht nur auf die Tropen beschränkt: Es wird z. B.

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154

Protozoen

5 Allgemeine Parasitologie

Tabelle 5.1

Einteilung der Parasiten Protozoen (Urtiere, Einzeller) Flagellaten (Geißel− tierchen)

Rhizopoden Sporozoen (Wurzel− (Sporen− füßler) tierchen)

Lamblien Entamoeba Trichomonas Leishmanien Trypanoso− ma

Helminthen (Würmer) Ciliaten (Wimpern− tierchen)

Toxoplasma Balantidium Plasmodium Kryptospori− dien Isospora Babesien

Arthropoda (Gliederfüßler)

Cestoden (Band− würmer)

Nematoden Trematoden Arachnoidea Tracheata (Faden− (Saug− (Spinnen− (Tracheen− würmer) würmer) tiere) tiere)

Taenia Echinococ− cus

Ascaris Enterobius Trichinellen

Schistosoma Milben Zecken

Läuse Flöhe Wanzen Fliegen Mücken

Bevölkerung mit dem Protozoon Toxoplasma gondii

Giardia intestinalis (Synomym: Lamblia intestina− lis oder Giardia lamblia)

latent infiziert ist.

Giardia intestinalis ist ein Dünndarmflagellat des

Einteilung y Parasiten werden den Eukaryonten zugeordnet, weil ihr Zellkern von einer Membran

Menschen und einiger Säugetierarten. Lamblien be− sitzen – wie die nachfolgend beschriebenen Tricho−

umgeben ist und mehrere Chromosomen enthält.

monaden – keine Mitochondrien und sind daher

Außerdem weisen Parasiten membranhaltige Orga− nellen, wie z. B. den Golgi−Apparat auf.

Anaerobier. Sie kommen in zwei Formen vor, dem

Sie werden in die folgenden Gruppen eingeteilt

gung wichtigen und umweltresistenten Zystensta− dium.

geschätzt, dass ungefähr die Hälfte der deutschen

(Tab. 5.1):

replikativen Trophozoiten und dem für die Übertra−

Protozoen (Einzeller),

Trophozoiten haben eine birnenfömige Gestalt

Helminthen (Würmer, Vermes) und

und besitzen zwei prominente Zellkerne und 8 Flagellen;

Arthropoden (Gliederfüßler). Aufgrund ihrer Lokalisation unterscheidet man

Zysten weisen vier Kerne auf.

zwischen auf dem Menschen parasitierenden Ekto− parasiten (z. B. Läuse) und den im Menschen leben− den Endoparasiten (z. B. Helminthen).

5.2 Die Protozoen Tabelle 5.2

Key Point Protozoen gehören zu den entwicklungsge− schichtlich am frühesten entwickelten Parasi− ten; sie werden abhängig von ihren Bewe− gungsorganen unterteilt in – Flagellaten (z. B. Leishmania), – Rhizopoda (z. B. Amoeba), – Sporozoen (z. B. Toxoplasma und Plasmo− dium) und – Ciliaten (z. B. Balantidia).

5.2.1 Die Flagellaten Flagellaten bewegen sich mit Hilfe ihrer Flagellen (Geißeln) fort. Die klinisch wichtigsten Arten sind in Tab. 5.2 dargestellt.

Einteilung der klinisch wichtigsten Flagellaten Weltweit vorkommende Arten Erreger

Erkrankung

Lamblia intestinalis

Diarrhö

Trichomonas vaginalis

Geschlechtskrankheit

Nur in den Ländern des Südens“ vorkommende Arten Erreger

Erkrankung

Leishmania tropica Leishmania major Leishmania mexicana

Hautleishmaniose

Leishmania donovani

viszerale Leishmaniose

Leishmania braziliensis

mukokutane Leishmaniose

Trypanosoma cruzi

Chagas−Krankheit

Trypanosoma brucei

Schlafkrankheit

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5 Allgemeine Parasitologie

MERKE

Lebenszyklus von Gardia intestinalis: Zysten R Endwirt Mensch R Trophozoiten R Zysten

Protozoen

155

Zwischenwirten Mensch, Hund und Nagetier ver− mehren sich Leishmanien als geißelloses Amas− tigoten−Stadium obligat intrazellulär innerhalb von dendritischen Zellen, Makrophagen und Monozyten. Es gibt mehr als zehn verschiedene Leishmanien−Ar− ten, die morphologisch zwar nicht voneinander un−

Der Mensch infiziert sich oral durch kontaminier−

terschieden werden können, z. T. aber sehr unter−

tes Trinkwasser oder Lebensmittel mit Zysten, wo− bei die meisten Infektionen asymptomatisch blei−

schiedliche Krankheitsbilder verursachen.

ben. Ansonsten kann es zu wässrigen Durchfällen, z. T. mit Malabsorptionserscheinungen (Steatorrhö = Fettstühle) kommen (s. S. 210). Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis der Zysten aus Stuhl oder der Trophozoi− ten aus Duodenalaspirat gestellt.

MERKE

Lebenszyklus der Leishmanien: Amastigote R Endwirt Sandmücke: R Promasti− gote R Zwischenwirt Hund, Nagetier und Mensch: R Amastigote

Trichomonaden

Beim Menschen werden in Abhängigkeit von der

Der Mensch ist der einzige Wirt dieser mehrfach begeißelten Flagellaten, die nur im anaeroben Tro− phozoitenstadium vorkommen. Morphologisch cha−

Leishmanien−Art verschiedene reise− und tropen− medizinische Krankheitsbilder im Mittelmeerraum,

rakteristisch sind die an einem Pol lokalisierten

Asien, Afrika und Südamerika verursacht. Die Hautleishmaniose (s. S. 445) wird von L. ma−

vier freien Flagellen und eine so genannte Schlepp−

jor, L. tropica und L. mexicana verursacht und

geißel, die gleichzeitig als Randstruktur eine für

manifestiert sich als Papel und Hautulkus, die

den Parasiten typische, undulierende Membran be− grenzt. Im menschlichen Körper kommen apatho−

lokal auf den Mückenstichbereich begrenzt blei− ben.

gene Trichomonaden als Bestandteil der normalen

Bei der viszeralen Leishmaniose durch L. dono−

Flora von Mundhöhle (Trichomonas tenax) und der Darmschleimhaut (T. hominis) vor. Eine Bedeutung

vani steht die Hepatosplenomegalie im Vorder−

als Krankheitserreger hat nur T. vaginalis. Letzterer

grund (s. S. 446). Die mukokutane Leishmaniose (s. S. 446) beruht

wird durch Geschlechtsverkehr übertragen.

auf einer Infektion mit L. braziliensis und resul− tiert in Haut− und Schleimhautulzerationen im

MERKE

Lebenszyklus der Trichomonaden: Trophozoit R Endwirt Mensch R Trophozoit

Nasopharynxbereich. Die Leishmaniose wird durch direkten mikroskopi− schen Erregernachweis oder PCR aus dem Randbe− reich des Hautulkus oder von Knochenmark−, Milz−

Nach einer Inkubationszeit von 2–24 Tagen mani−

oder Leberpunktaten gestellt. Bei viszeralen Verläu− fen werden auch serologische Verfahren für die

festiert sich diese Geschlechtskrankheit hauptsäch−

Diagnostik eingesetzt.

lich bei der Frau als Kolpitis oder Vaginitis, seltener als Urethritis (s. S. 324). Die Krankheit wird durch direkten mikroskopischen Erregernachweis diag−

Trypanosomen gehören – zusammen mit Leishma−

nostiziert.

nien – zur Familie der Trypanosomatidae. Es muss

Leishmanien Leishmanien werden von ihrem tierischen Reservoir

zwischen den in Afrika vorkommenden Trypanoso− ma brucei und den in Südamerika vorkommenden Trypanosoma cruzi unterschieden werden. Der Le−

(Hunde, Nagetiere) durch den Stich ihres nachtakti−

benszyklus ist insofern ähnlich, als dass der Arth−

ven Endwirts (Sandmücke = Phlebotomus, seltener

ropoden−Vektor zugleich Endwirt ist und die Try−

Lutzomyia) auf den Menschen übertragen. In den

panosomen vom tierischen Reservoir auf den

Trypanosomen

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156

Protozoen

5 Allgemeine Parasitologie

Menschen (Zwischenwirt) überträgt. Im Menschen

Tabelle 5.3

vermehrt sich T. brucei vorwiegend extrazellulär im Blut und Liquor, während T. cruzi die intrazelluläre

Einteilung der Rhizopoden

Lebensweise in Zellen der glatten Muskulatur be− vorzugt.

apathogene Endoparasiten

MERKE

Lebenszyklus von T. brucei: Trypomastigote R Endwirt Tsetse−Fliege: R Pro− zyklische R Epimastigote R Metazyklische R Zwischenwirt Rind, Antilope und Mensch: R Try− pomastigote Lebenszyklus von T. cruzi: Trypomastigote R Endwirt Raubwanze: R Epi− mastigote R Trypomastigote R Zwischenwirt Hund, Katze, Nagetier und Mensch: R Trypoma− stigote R Amastigote R Epimastigote R Trypo− mastigote Die durch T. brucei verursachte Afrikanische Try− panosomiasis bzw. Schlafkrankheit (s. S. 447) ist im akuten febril−glandulären Stadium durch Fie− ber und Lymphknotenschwellungen vor allem im hinteren Halsbereich und

Gruppe

Kernmorphologie

Endolimax− Gruppe: – E. nana Jodamoeba: – J. buetschlii

großes, zentrales Karyosom

Entamoeba− Gruppe: – E. gingivalis – E. hartmanni – E. coli – E. dispar

kleines zentrales Karyosom

pathogene Endoparasiten

Entamoeba− Gruppe: – E. histolytica

frei lebende Amöben

Naegleria Acanthamoeba

großes, zentrales Karyosom

im Darm, aber auch in der Mundhöhle – vorkom− men. MERKE

Es gibt nur eine darmpathogene Amöbenart: Entamoeba histolytica.

im späteren meningoenzephalitischen Stadium durch eine zunehmende Eintrübung und Koma

Die wichtigsten, den Menschen betreffenden Arten

gekennzeichnet. T. cruzi ruft die Chagas−Krankheit (s. S. 448) hervor,

sind in Tab. 5.3 dargestellt: Die Darmamöben sind Anaerobier und lassen sich

in deren Verlauf eine Myokarditis und eine Vergrößerung verschiedener Bereiche des Gastroin−

aufgrund der Morphologie ihres Kerns (Amöben−

testinaltrakts im Vordergrund stehen (Enteromega−

generell apathogene Endolimax−Gruppe (großes,

lie). Die Diagnose erfolgt durch den mikroskopischen

zentrales Karyosom = Kernkörperchen) und die Entamoeba−Gruppe unterteilen. Letztere kann u. a.

Erregernachweis aus relevanten klinischen Mate−

durch ihre Größe und ihren Kern (Radspeicherkern

rialien (z. B. Blut, Liquor, Muskelbiopsie).

mit kleinem zentralen Karyosom) und die Anzahl der Kerne im Zystenstadium untereinander diffe−

5.2.2 Die Rhizopoda

renziert werden (Tab. 5.4).

Als Rhizopoda (Wurzelfüßler“) werden Protozoen bezeichnet, die sich durch so genannte Pseudopo−

Darmamöben werden als umweltstabile Zysten mit

dien fortbewegen. Dabei handelt es sich um Aus−

aufgenommen und wandeln sich im Darm in das

stülpungen des Zytoplasmas, die an Sollbruchstel−

Trophozoitenstadium um, um nach einiger Zeit

len der parasitären Plasmamembran ausgestülpt

wieder Zysten zu bilden, die dann letztendlich mit dem Stuhl ausgeschieden werden.

werden und den Restkörper nach sich ziehen. Von diesen Parasiten, die allgemein als Amöben be−

diagnostik ist Kerndiagnostik“) sehr schnell in die

kontaminiertem Wasser oder Lebensmitteln oral

zeichnet werden, gibt es zahlreiche apathogene Ar−

Entamoeba histolytica

ten, die entweder freilebend in der Umwelt oder

Als einzige Darmamöbenart ist Entamoeba histoly−

als Endoparasiten innerhalb eines Wirtes – meist

tica humanpathogen. Erst vor wenigen Jahren

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5 Allgemeine Parasitologie

Protozoen

157

tationen, wie z. B. einen Leberabszess oder einen

Tabelle 5.4

Hirnabszess verursachen. Die Diagnostik wird aus Stuhlproben durch direk−

Unterscheidung der Entamoeba−Gruppe Zyste

Tropho− zoit

E. hartmanni (= kleine Zyste)

3–10 mm

E. histolytica/E. dispar (= mittelgroße Zyste)

10–16 mm 10–20 mm (1–)4 (nicht invasiv) 20–60 mm (invasiv)

E. coli (= große Zyste)

3–10 mm

Kerne im Zysten− stadium (1–)4

15–25 mm 10–50 mm (2–)8

ten mikroskopischen Erregernachweis gestellt. Zu− sätzlich können ein Antigennachweis (ELISA) oder die PCR aus Stuhl durchgeführt werden. Bei extra− intestinaler Manifestation sind serologische Metho− den zum Antikörpernachweis indiziert.

5.2.3 Die Sporozoa Sporozoen weisen keine klassischen Bewegungsor− ganellen aus. Ihr Zytoskelett ist jedoch mit Oberflä− chenproteinen verbunden, über die eine zitterartige Bewegung ermöglicht wird. Die humanmedizinisch

konnte gezeigt werden, dass die aufgrund morpho−

wichtigen Sporozoen verursachen sehr heterogene

logischer Kriterien als Entamoeba histolytica klassifi− zierten Amöben im eigentlichen (strengen) Sinne

Infektionen, die einerseits lokal auf den Darm be− grenzt bleiben (z. B. Kryptosporidien), andererseits

zwei unterschiedliche Spezies umfassen: Entamoeba

aber auch systemisch verlaufen (z. B. Toxoplasmose

dispar und Entamoeba histolytica.

und Malaria).

Im Gegensatz zu E. dispar bilden E. histolytica wichtige Virulenzfaktoren (bestimmte Amoebapo− re, Cystein−Proteasen), mit deren Hilfe sie in das Gewebe eindringen können. Der Mensch infiziert sich durch orale Aufnahme von Zysten, die sich im

Toxoplasma gondii Toxoplasma gondii gehört zur Klasse der Sporozoa (Ordnung Coccidia, Kokzidien) und ist aufgrund

Kolon in nichtinvasive und invasive Trophozoiten

seiner sehr geringen Wirtsspezifität einer der häu− figsten, weltweit verbreiteten Parasiten. Sein natür−

umwandeln. Aus nichtinvasiven Trophozoiten ent−

licher Lebenszyklus spielt sich zwischen dem End−

stehen schließlich wieder Zysten, die mit dem

wirt (Katzen) und den Zwischenwirten (Nagetiere,

Stuhl ausgeschieden werden. Kommt es nach Infek−

Vögel, Schlachttiere) ab: Die Katze scheidet nach

tion zur Bildung von invasiven Trophozoiten, so

geschlechtlicher Entwicklung von T. gondii im Darm Oozysten aus, die nach Reifung (Sporulation)

dringen diese in das Gewebe ein. Eine weitere Ver− wandlung in Zysten tritt in diesem Fall nicht ein, so dass die Erreger nicht ausgeschieden werden.

vom Zwischenwirt oral aufgenommen werden und sich in ihm weiter zu Tachyzoiten (replikatives Pa− rasitenstadium) und schließlich zu Bradyzoiten

MERKE

entwickeln. Bei Letzteren handelt es sich um das

Lebenszyklus von Entamoeba histolytica: Zysten R Endwirt Mensch: R nichtinvasive Tro− phozoiten R Zysten Zysten R Endwirt Mensch: R invasive Trophozoi− ten R STOPP

Ruhestadium von T. gondii, das lebenslang inner−

Nach Aufnahme von Zysten kann E. histolytica zur Amöbenruhr (s. S. 207) oder Amöbiasis führen. Diese manifestiert sich als Rektokolitis mit blutig−

halb von Zysten im Gewebe persistiert (vor allem im Gehirn und in der Muskulatur). Frisst eine Kat− ze eine zystenhaltige Maus oder Vogel ist der Le− benszyklus geschlossen. Der Mensch gehört eben− falls zu den Zwischenwirten und kann sich oral durch sporulierte Oozysten oder unzureichend er− hitztes, zystenhaltiges Fleisch von Schlachttieren (z. B. Schweinen) infizieren.

schleimigen Durchfällen und Krämpfen. Vom Darm aus können die Amöben direkt oder hämatogen an− dere Organe befallen und extraintestinale Manifes−

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Protozoen

5 Allgemeine Parasitologie

MERKE

MERKE

Lebenszyklus von Toxoplasma gondii: Zysten (Bradyzoiten) R Endwirt Katze: R Oo− zysten R Sporozoiten R Zwischenwirt Maus, Mensch u.v. a.m.: R Tachyzoiten  Zysten R Endwirt Katze: Oozysten oder Zwischenwirte: Tachyzoiten

Plasmodien kommen in verschiedenen Stadien vor: Gametozyten: Geschlechtsform R Mikro− und Makrogametozyten Sporozoiten: Übertragungsform (Transmis− sion) Merozoiten: intrazellulärer Einzelparasit Trophozoiten: erythrozytäre Ringform Schizont: Teilungsform

Mehr als 95 % aller Toxoplasmose−Infektionen des immunkompetenten

Menschen

verlaufen

ohne

Symptome; es kommt allerdings zur unbemerkten, lebenslangen Persistenz von Toxoplasma−Zysten vor

Die geschlechtliche Vermehrung (Gamogonie) der

allem im Gehirn der Infizierten (latente Infektion).

Plasmodien findet in der weiblichen Anopheles−

Bei Patienten mit Symptomen kommen vor allem

Mücke statt, die deswegen als Endwirt fungiert. Die

eine nuchale Lymphadenopathie und – sehr selten – eine Retinochorioiditis (Entzündung der Aderhaut

daraus resultierenden Sporozoiten werden durch den Mückenstich in die Blutbahn des Menschen in−

des Auges) mit der Gefahr der Erblindung vor

jiziert, der für die humanpathogenen Plasmodien−

(s. S. 448). Bei Erstinfektion während der Schwan−

Arten der einzige Zwischenwirt ist. In ihm erfolgt

gerschaft kann es in bis zu 50 % der Fälle zur dia−

die ungeschlechtliche Vermehrung (Schizogonie) der Parasiten in zwei Phasen: Die präerythrozytäre

plazentaren Übertragung des Parasiten auf den Fe− tus

mit

daraus

resultierender

konnataler

(Leber−) und die erythrozytäre (Blut−) Phase: Dazu

Toxoplasmose (s. S. 336) kommen.

gelangen die mit dem Mückenstich in die Blutbahn

Bei stark immunsupprimierten Patienten (z. B. bei AIDS oder Transplantatempfängern) manifestiert

injizierten Plasmodien als Sporozoiten hämatogen zunächst in die Leber. In den Hepatozyten findet

sich die Toxoplasmose meistens als reaktivierte, ze−

die erste ungeschlechtliche Vermehrung statt, so

rebrale Toxoplasmose oder – bei Erstinfektion – als

dass Merozoiten entstehen. Nach Ruptur der Hepa−

schwere systemische Infektion (pulmonale Toxo−

tozyten werden die Plasmodien in die Blutbahn

plasmose). Die Labordiagnose beruht vorwiegend auf serologi−

ausgeschwemmt und befallen die Erythrozyten. In ihnen findet die zweite ungeschlechtliche Vermeh−

schen Methoden, da der Erreger vor allem diagnos−

rung statt, wobei sich die Parasiten über die Ring−

tisch schwer zugängliche Organe (z. B. Muskulatur oder Gehirn) befällt. In Abhängigkeit von der klini−

form (Trophozoit) zum Schizonten (Teilungsform) entwickeln. Nach der weiteren Differenzierung in

schen Situation ist auch der direkte Erregernach−

Merozoiten rupturieren die Erythrozyten, so dass

weis aus Liquor, Fruchtwasser, Blut oder Biopsie−

nun neue Erythrozyten infiziert werden können

material möglich. Hierbei wird heute vor allem die

und der Blutzyklus erneut beginnt. Einige Merozoi−

PCR (selten Tierversuch, Anzucht in Zellkultur oder

ten differenzieren sich zu Gametozyten, die von

Mikroskopie) eingesetzt.

der Mücke aufgesaugt werden. In der Mücke ent−

Plasmodien Plasmodien sind die Erreger der Malaria (s. S. 437),

steht der Ookinet nach Vereinigung aus männli− chen (Mikro−) und weiblichen (Makro−) Gameten. Nach Durchlaufen weiterer Entwicklungsstadien

einer in den Ländern des Südens vorkommenden,

entsteht die Sporozyste, aus der die Sporozoiten in

systemischen lebensgefährlichen Krankheit. Auf−

die Speicheldrüse der Mücke gelangen.

grund ihres im anterioren Teil vorhandenen Invasi− onsapparates gehören sie – wie Toxoplasma – zu den Apicomplexa.

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5 Allgemeine Parasitologie

Helminthen

MERKE

MERKE

Lebenszyklus der Plasmodien: Gametozyt R Endwirt Anopheles: Ookinet R Spo− rozoit R Zwischenwirt Mensch: R Merozoit RTrophozoit R Schizont R Merozoit oder Game− tozyt

Lebenszyklus von Cryptosporidium parvum: Oozysten R End− und Zwischenwirt Rind, Mensch u.v. a.m.: R Sporozoiten R Schizonten R Mero− zoiten R Gametozyten R Oozysten

Es gibt vier humanpathogene Plasmodienarten, die

Die Kryptosporidiose (s. S. 211) manifestiert sich vor allem bei AIDS−Patienten als massive, wässrige

unterschiedliche Formen der Malaria verursachen

Diarrhö.

können: Erreger der Malaria tropica = Plasmodium falci−

kommt es lediglich zu einer kurzzeitigen selbstli− mitierenden Diarrhö oder die Infektion bleibt

Beim

Immunkompetenten

159

hingegen

parum

symptomlos. Die Diagnose basiert auf dem direk−

Erreger der Malaria tertiana = P. vivax und P.

ten, mikroskopischen Erregernachweis der säurefe−

ovale

sten Oozysten (4–6

Erreger der Malaria quartana = P. malariae

ten Ziehl−Neelsen−Färbung.

mm) mit Hilfe einer modifizier−

Bei der Malaria stehen zwar Fieber mit Schüttel− frost sowie Anämie normalerweise im Zentrum der klinischen Manifestationen, die Malaria kann aber höchst unterschiedlich verlaufen.

5.2.4 Die Ciliaten Ciliaten besitzen im Trophozoitenstadium zahlrei− che Zilien auf ihrer Oberfläche, mit denen sie sich fortbewegen. Wohl der bekannteste Vertreter die−

Praxistipp

ser auch als Wimpertierchen bezeichneten Proto−

Die Malaria gilt als Chamäleon der Infek− tiologie“, so dass bei allen (!) unklaren Krankheitszeichen nach Tropenaufenthalt stets an die Malaria gedacht werden muss!

zoen ist das Pantoffeltierchen. Der einzige human− medizinisch bedeutsame Erreger ist Balantidium coli.

Balantidium coli Der Verdacht auf Malaria kann nur durch den mik−

Dieser Parasit ist als Trophozoit mit einem Durch−

roskopischen Erregernachweis im Blut gesichert werden. Dazu werden ein dicker Tropfen und ein

messer von bis zu 300 mm im Vergleich zu den an− deren Protozoen sehr groß und kommt regelmäßig

Blutausstrich angefertigt. Die Serologie ist nicht

beim Schwein als harmloser Darmbewohner vor.

zum Nachweis einer akuten Malaria geeignet!

Dieses erkrankt nicht, kann B. coli aber als Zyste ausscheiden. Die Infektion des Menschen erfolgt

Cryptosporidium parvum

durch orale Aufnahme von Zysten.

Es gibt mehr als 5 Arten von Kryptosporiden, von

Die klinischen Erscheinungen der Balantidienruhr

denen aber vor allem Cryptosporidium parvum für

(s. S. 209) entsprechen denen der Amöbenruhr (In−

den Menschen fakultativ pathogen ist. Diese zu

vasion in die Kolonschleimhaut R blutig−schleimi−

den Kokzidien gehörende Protozoon−Art kommt vor

ge Diarrhöen).

allem in Kälbern vor und kann vom Menschen über mit Oozysten kontaminiertes Trinkwasser oral auf− genommen werden. Im Jejunum und Ileum werden

Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis in einer frischen Stuhlprobe gestellt.

dann

Sporozoiten

freigesetzt,

die

sich

unge−

5.3 Die Helminthen

schlechtlich und geschlechtlich weiterentwickeln und schließlich wieder als Oozysten mit dem Stuhl

Key Point

ausgeschieden werden.

Helminthen sind multizelluläre, hochdifferen− zierte Lebewesen, die entwicklungsge− schichtlich sekundär in ihre Wirtsorganismen (Mensch oder Tier) eingewandert sind. Hel−

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Helminthen 5 Allgemeine Parasitologie Larven entwickeln. Bei Arten ohne Zwischenwirt

minthen werden in Bandwürmer (Cestoden), Rund− oder Fadenwürmer (Nematoden) und Saugwürmer bzw. Egel (Trematoden) einge− teilt. Im erwachsenen Zustand sind die meis− ten Helminthen als Darmparasiten Anaero− bier, ihre Larven sind jedoch Aerobier. Daraus resultiert häufig ein Wirtswechsel oder ein Organwechsel im selben Wirt.

erfolgt die Entwicklung der Eier bzw. der Larven in der freien Natur.

Praxistipp Für den Befall mit Helminthen werden statt des Ausdrucks Infektion“ in der Regel die Be− griffe Invasion“ oder Infestation“ gebraucht.

Das Lebewesen, das den erwachsenen, geschlechts− Eine Übersicht über die medizinisch wichtigen Hel− minthen gibt Tab. 5.5.

reifen Wurm beherbergt, wird Endwirt oder kurz Wirt genannt, während sich im Zwischenwirt die

Tabelle 5.5

Übersicht der medizinisch wichtigen Wurmarten (Helminthen) Ordnung Cestoden (Bandwürmer)

Nematoden (Fadenwürmer)

Trematoden (Saugwürmer)

Gattung

Arten

Diphyllobothrium

D. latum

Dipylidium

D. canium

Fischbandwurm Gurkenkernbandwurm

Hymenolepsis

H. nana

Zwergbandwurm

Taenia

T. solium T. saginata

Schweinebandwurm Rinderbandwurm

Echinococcus

E. granulosus

Hundebandwurm

E. multilocularis

Fuchsbandwurm

Trichuris

T. trichiura

Peitschenwurm

Trichinella

T. spiralis

Trichine

Ancylostoma

A. duodenale*

Hakenwurm

Necator

N. americanus*

Hakenwurm

Strongyloides

S. stercoralis

Zwergfadenwurm

Enterobius

E. vermicularis

Madenwurm

Ascaris

A. lumbricoides

Spulwurm

Wucheria

W. bancrofti*

Filarien

Loa

L. loa*

Filarien

Onchocerca

O. volvulus*

Filarien

Dracunculus

D. medinensis*

Medinawurm

Dicrocoelium

D. dendriticum

kleiner Leberegel

Fasciola

F. hepatica

großer Leberegel

Fasciolopsis

F. buski *

großer Darmegel

Opisthorchis

O. felineus *

Katzenleberegel

Clonorchis

C. sinensis *

chinesischer Leberegel

Paragonimus

P. westermani*

Lungenegel

Schistosoma

S. haematobium*

Pärchenegel

S. mansoni* S. japonicum* Fett hervorgehobene Gattungen und Arten sind im GK für die ÄAO enthalten *ausschließlich oder überwiegend Parasiten tropischer oder ostasiatischer Länder

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5 Allgemeine Parasitologie

Helminthen

5.3.1 Die Cestoden (Bandwürmer)

Die meisten Infestationen verlaufen ohne Symp−

Da Bandwürmer keinen klassischen Verdauungs− trakt besitzen, sondern Nährstoffe über ihre Ober−

tome. Ansonsten kann es zu uncharakteristischen Abdominalbeschwerden und Abmagerung kommen

fläche (Tegument) aufnehmen, leben sie als wenig

(s. S. 460). Die Diagnose erfolgt durch den Nach−

agile, schlaffe Endoparasiten im Darm ihrer End− wirte. Es handelt sich um bandförmige Würmer,

weis von Proglottiden und/oder Eiern im Stuhl.

deren Körper aus Kopf (Skolex) und Gliedern (Pro−

Taenia solium (Schweinebandwurm)

glottiden) besteht. Der Kopf sitzt am dünnen Vor− derende und dient mit Hilfe von Saugnäpfen (und

Der Schweinebandwurm kommt vor allem in Zent− ral− und Südamerika vor. Der Lebenszyklus ist na−

eventuell Hakenkranz) der Befestigung des Wur−

hezu identisch mit dem von T. saginata, nur dass

mes an der Darmwand des Wirtes. Proglottiden

das Schwein als Zwischenwirt fungiert. Der adulte Wurm von T. solium wird nur“ 2–4 m lang. Unter

werden kontinuierlich von einer Wachstumszone im Halsbereich des adulten Wurms produziert. Cestoden sind Zwitter, die sich selbst befruchten.

Umständen kann auch der Mensch sich mit den Ei−

Die Eier werden in den reifen Proglottiden oder un−

Zwischenwirt fungieren kann, wenn in ihm Finnen

ter Auflösung der Proglottiden ausgeschieden und

heranwachsen (Zystizerkose).

161

ern von T. solium infizieren, so dass er ebenfalls als

gelangen so zur Reifung in die freie Natur. Wenn sie vom spezifischen Zwischenwirt aufgenommen

MERKE

werden, entwickelt sich in ihm die hier als Finne

Lebenszyklus von Taenia solium: Finne R Endwirt Mensch: R adulter Wurm R Eier R Zwischenwirt Schwein, (Mensch):R Finne

bezeichnete Larvenform. MERKE

Unter den klinisch wichtigsten Cestoden sind be− sonders der Rinder− (Taenia saginata), Schweine− (T. solium), Hunde− (Echinococcus granulosus) und Fuchsbandwurm (E. multilocularis) zu nennen. Die Bezeichnungen sind jedoch irreführend, da bei den Taenia−Arten der Mensch und nur bei den Echinococcus−Arten die Tiere Endwirte sind.

Der klinische Verlauf entspricht dem des Befalls mit dem Rinderbandwurm. Zusätzlich kann es bei der Aufnahme von Eiern jedoch auch zur Zystizer− kose (= Heranreifen von Finnen im Menschen) mit Befall von Gehirn, Augen und Muskulatur kommen (s. S. 462). Bei der Diagnostik ist es wichtig, zwischen einem Befall mit T. saginata und T. solium zu unterschei−

Taenia saginata (Rinderbandwurm)

den, um ggf. die Entwicklung einer Zystizerkose zu

Der Rinderbandwurm ist weltweit verbreitet und kommt als adulter Wurm mit einer Länge von 5–

verhindern. Eine Differenzierung ist nur durch die

10 m im Jejunum des Menschen vor. Die ausge−

des Wurms durch die mikroskopische Untersu−

schiedenen Proglottiden oder Eier können vom Zwischenwirt (Rind) aufgenommen werden und

chung des Bandwurmkopfes (Skolex) möglich (s. S. 462). Die Eier der beiden Taenia−Arten sehen

entwickeln sich dort in der Muskulatur zu Finnen

identisch aus. Da es sich bei der Zystizerkose um

(Larvenstadium) Beim Verzehr von rohem Rind−

eine extraintestinale Manifestation handelt, erfolgt

fleisch (evtl. auch Kalbfleisch) gelangen diese wie−

die mikrobiologische Diagnose serologisch durch

der in den Menschen, wo mit der Entwicklung in adulte Würmer der Lebenszyklus abgeschlossen ist.

Antikörpernachweis.

Morphologie der Proglottiden und ggf. bei Abgang

Echinococcus granulosus (Hundebandwurm) MERKE

Lebenszyklus von Taenia saginata: Finne R Endwirt Mensch: R adulter Wurm R Eier R Zwischenwirt Rind: R Finne

Echinococcus granulosus ist Erreger der zystischen Echinokokkose (s. S. 457) und kommt weltweit vor; innerhalb Europas vor allem im Mittelmeergebiet und in Südosteuropa. Endwirt ist der Hund, der sich durch finnenhaltiges Schlachtfleisch (Innerei−

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162

Helminthen 5 Allgemeine Parasitologie en, Leber) infiziert. Aus den Finnen entstehen im Jejunum des Hundes adulte Würmer, die – wie bei Taenia – Zwitter sind und Eier produzieren. Zwi− schenwirte sind Paarhufer (Schaf, Rind, Schwein) und evtl. der Mensch: Nach oraler Eiaufnahme bil− den sich Finnen in Form einer blasenförmigen Hy−

MERKE

Lebenszyklus von Echinococcus multilocularis: Finne R Endwirt Fuchs (Hund, Katze): R Adulter Wurm R Ei R Zwischenwirt Maus und Mensch: R Finne

datide in der Leber. Der Kreislauf ist geschlossen, wenn die Finnen wieder von ihrem Endwirt aufge− nommen werden (frische Innereien als Mahlzeit).

Die alveoläre Echinokokkose betrifft fast aus−

Der Mensch ist Fehlwirt, weil er ja in der Regel

rierend ausbreiten. Zusätzlich kann es bei 10 % der

nicht von seinem Hund gefressen wird und somit eine weitere Entwicklung von E. granulosus in ihm

Patienten zu Fernabsiedlungen in andere Organe (Metastasen“) kommen, so dass die Krankheit

nicht möglich ist (Sackgasse Mensch“).

eher bösartig verläuft.

schließlich die Leber, in der die Finnen sich infilt−

Die Diagnostik entspricht nahezu der der zysti− MERKE

Lebenszyklus von Echinococcus granulosus: Finne R Endwirt Hund: R Adulter Wurm R Ei R Zwischenwirt Paarhufer und Mensch: R Finne

schen Echinokokkose.

5.3.2 Die Nematoden (Fadenwürmer) Nematoden sind getrenntgeschlechtliche Helmin− then, deren Entwicklung ausgehend vom Ei vier Larvenstadien (L1–L4) durchläuft, um sich letzt−

Die klinischen Erscheinungen der zystischen Echi−

endlich in männliche und weibliche Adultwürmer

nokokkose manifestieren sich meistens als dumpfe

zu differenzieren. Nährstoffe nehmen sie mit Hilfe

Schmerzen im rechten Oberbauch (Befall der Leber

ihres Verdauungstraktes auf. Aufgrund ihrer Mus−

in 60 % der Fälle). Bei Lungenechinokokkose prä− sentieren die Patienten sich mit den Zeichen einer

kulatur sind sie agil und beweglich. Von den kli−

Pneumonie. Die zystische Echinokokkose ist nicht

standskatalogrelevanten

so gefährlich wie die alveoläre Form der Krankheit

(Spulwurm) und Enterobius (Madenwurm) be− schrieben werden. Aufgrund seiner generellen Be−

(Infektion mit E. multilocularis), weil die Hydatide von E. granulosus von einer Schutzwand umgeben ist.

nisch wichtigsten Arten sollen hier nur die gegen− Nematoden

Ascaris

deutung und seines besonderen Lebenszyklus wird außerdem auf Trichinella eingegangen.

Der klinische, sonographische oder CT−Befund ist wegweisend für die Diagnose, die durch serologi−

Ascaris lumbricoides (Spulwurm)

sche Verfahren bestätigt wird.

Der Spulwurm des Menschen kommt weltweit als

Echinococcus multilocularis (Fuchsbandwurm) Echinococcus multilocularis verursacht die alveoläre Echinokokkose (s. S. 459) und ist in der nördlichen Hemisphäre verbreitet; in Europa sind besonders

häufigster Wurm vor. Der Mensch infiziert sich durch Aufnahme von Lebensmitteln, die mit Wurmeiern kontaminiert sind (z. B. bei Fäkaldün− gung). Im menschlichen Jejunum entwickeln sich aus den Eiern Larven, die in die Blutbahn eindrin−

Deutschland, die Alpenländer und Ostfrankreich so−

gen und hämatogen in die Lungen gelangen. Dort

wie die Türkei betroffen. Der Fuchs (selten auch

verlassen die Larven den Blutkreislauf und wan−

Hund oder Katze) als Endwirt infiziert sich durch

dern die Trachea entlang zum Schlund, um ver−

Fressen von finnenhaltigen Mäusen. Nach Entwick−

schluckt zu werden.

lung der Finnen in adulte Würmer scheidet der Fuchs in seinen Fäkalien die Eier aus, die vom Zwi− schenwirt (Mäuse und Mensch) oral aufgenommen

Nach erneuter Ankunft im Jejunum setzt sich die Entwicklung der Larven fort. Die resultierenden adulten Würmer sind getrenntgeschlechtlich. Ein

werden und sich dann vor allem in der Leber zu

befruchtetes Weibchen legt schließlich wieder Eier,

Finnen differenzieren.

die mit dem Stuhl ausgeschieden werden und zu−

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5 Allgemeine Parasitologie

Helminthen

nächst am Boden reifen müssen, um wieder infek−

jektträger im mikroskopischen Bild als wenig licht−

tiös zu werden.

brechende, asymmetrisch abgeflachte Strukturen.

MERKE

Trichinella spiralis (Trichinen)

Lebenszyklus von Ascaris lumbricoides: Ei R Bodenreifung Larve L2 R Endwirt Mensch: R Larve R Lunge: R Larve L4 R Jejunum: R Adulter Wurm R Ei

Trichinen bzw. Trichinellen sind zweigeschlechtli−

Während der Lungenwanderung der Spulwurmlar− ve kann sich eine Pneumonie mit einem eosinophi− len Lungeninfiltrat entwickeln (Löffler−Syndrom, s. S. 463). Die intestinalen Symptome der Askariose können sich in Leibschmerzen und Übelkeit äu− ßern. Bei starkem Wurmbefall ist ein Ileus möglich. Die Diagnose wird in der Regel durch den mikro− skopischen Einachweis im Stuhl, eventuell auch schon makroskopisch durch abgehende adulte Würmer gestellt.

Enterobius vermicularis (Oxyuren) Enterobius vermicularis ist ein sehr kleiner, ge− trenntgeschlechtlicher Nematode (2–13 mm), der nur beim Menschen – vor allem bei Kindern – vor− kommt. Nach oraler Aufnahme infektiöser Eier ent− wickeln sich im Kolon über verschiedene Larven− stadien die adulten Würmer. Das Männchen stirbt nach der Begattung, das Weibchen wandert zur Ei− ablage nachts in die Analregion und verursacht dort einen heftigen Juckreiz. Durch das Kratzen ge− langen die Eier auf die Hände bzw. unter die Fin− gernägel und über das Daumenlutschen“ wieder in den Mund (Autoinfektion).

163

che, 1–4 mm lange Nematoden, bei denen sich Lar− ve und geschlechtsreifer Wurm in demselben Wirt, aber in verschiedenen Organen entwickeln (Organ− wechsel: Darm R Muskulatur). Trichinen kommen weltweit ubiquitär vor; ihre Verbreitung ist vom Klima unabhängig, da sie zu keinem Zeitpunkt ih− rer Entwicklung außerhalb eines Wirtes leben. Be− vorzugt befallen werden fleischfressende Tiere (Wild− und Hausschwein, Fuchs, Bär u. a.), die sich durch die Fleischmahlzeit quasi gegenseitig anste− cken. Hauptansteckungsquelle für den Menschen ist un− genügend erhitztes Schweinefleisch (Mett“, Schin− ken, Wurst), sowie Wildschwein. In Deutschland sind Trichinen wegen der strengen Fleischbeschau (= spiralenförmige Trichinenlarven im Fleisch, Abb. 5.1)

selten geworden; jedoch treten nach

Schwarzschlachtungen immer mal wieder kleine Epidemien auf. Nachdem larvenhaltiges

Fleisch

aufgenommen

wurde, wird die Larve im Magen des Wirtes freige− setzt und reift im Dünndarm zum geschlechtsreifen adulten Wurm heran. In dieser Phase kommt es zum Stadium der Darmtrichinose. Nach der Begat− tung stirbt das Männchen; das Weibchen lebt noch 4–6 Wochen, bohrt sich in die Dünndarmwand ein und legt dort täglich etwa tausend lebende Larven

MERKE

Lebenszyklus von Enterobius vermicularis: Ei R Reifung im Ei: Larve L1R L2 R Endwirt Mensch: R Kolon: Larve L2R L4 R Adulter Wurm R Ei Die Enterobiose bzw. Oxyuriasis ist eine harmlose Krankheit, die meistens nur durch den starken Juckreiz in der Analregion auffällt (s. S. 465). Die Diagnose wird morgens durch einen an der Analre− gion abgenommenen Klebefilmstreifen mit den daran haftenden Eiern gestellt. Diese erscheinen nach Fixierung des Klebestreifens auf einem Ob−

Abb. 5.1 Entdeckung von Trichinellen bei der Fleischbe− schau (spiralige Wurmlarve)

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164

Helminthen 5 Allgemeine Parasitologie ab (wegen fehlender Außenphase ist die Produk−

Diagnostik y Ein Verdacht auf Trichinose besteht bei

tion von Eiern nicht notwendig). Diese gelangen über den Lymphe−Blut−Weg ins rechte Herz, dann

akutem rheumatischem Krankheitsbild mit Eosino−

über die Lunge und das linke Herz in den arteriel−

Kreatininkinase, sowie einer Kreatinurie. Eingekap−

len Blutstrom und damit in alle Organe. Bevorzugt

selte, verkalkte Trichinen können röntgenologisch

siedeln sie sich bereits eine Woche nach Infektion

nachgewiesen werden. Die mikrobiologische Diag−

in gut durchbluteter quergestreifter Muskulatur an

nose erfolgt serologisch (z. B. ELISA). Da die Serolo−

(Zwerchfell, Interkostalmuskeln, Zungen− und Au− genmuskeln, evtl. Herz). Hier kommt es zur wech−

gie durch Kreuzreaktionen mit anderen Nematoden eine unzureichende Spezifität besitzt, ist nur der

selseitigen Kommunikation zwischen Wurmlarve

Nachweis von Trichinen in Muskelbiopsiematerial

und Muskelzellen, die nach etwa einem Monat in einem Abkapselungsprozess mit Ernährungsgaran−

als sichere Diagnose einzustufen. Therapie y Für die Therapie werden Mebendazol,

tie durch die Muskelzelle (Umdifferenzierung der

Albendazol oder Thiabendazol, eventuell kombiniert

Muskelzelle in die so genannte Ammenzelle“) en−

mit Kortikosteroiden eingesetzt. Die Wirkung ist

det. So kann die Muskeltrichine bis zu 30 Jahre le−

sicher bei Darmtrichinose; es ist jedoch nicht sicher,

bensfähig bleiben (Stadium der Muskeltrichinose).

ob auch eingekapselte Larven erreicht werden! Trichinenhaltiges Fleisch ist hochinfektiös. Eine

philie, Erhöhung von Laktatdehydrogenase und

MERKE

Abtötung der Trichinen gelingt nur durch Erhitzung

Bei Trichinen gibt es keine Außenphase und keine Eier!

(80oC) oder Tiefkühlung (–25oC für mindestens 10– 20 Tage). Gepökeltes und gekühltes Fleisch und sogar Trockenfleisch bleiben hingegen infektiös. Die

Der natürliche Lebenszyklus wird geschlossen, wenn der vorhergehende Wirt gefressen wird und die in seiner Muskulatur befindlichen Larven so in den neuen Wirt gelangen. Die Trichinose bzw. Tri− chinellose ist also die Krankheit des Fressens und Gefressenwerdens“, der Mensch ist Fehlwirt. MERKE

Lebenszyklus von Trichinella spiralis: Muskellarve R Fleischfressende Tiere und Mensch: R Darm: Adulter Wurm R Larve R Muskellarve

klinisch manifeste Trichinose ist gemäß IfSG mel− depflichtig. Im Jahr 2005 wurden keine, in 2004 ge− rade einmal 5 Fälle gemeldet.

5.3.3 Die Trematoden (Egel) Trematoden werden auch als Egel oder Saugwür− mer bezeichnet. Der bekannteste Vertreter ist si− cherlich der Blutegel (Hirudo medicinales), der in der Medizin als Heilmittel“ eingesetzt wird. Bei Trematoden handelt es sich um Helminthen, die dorsoventral abgeplattet sind und zwei Saugnäpfe für die Anheftung an das Wirtsgewebe aufweisen: einen Mundsaugnapf und einen Vent− ralsaugnapf. Ein Verdauungstrakt ist zwar rudimen−

Klinik y Klinische Erscheinungen treten nach einer

tär vorhanden, endet aber blind ohne Analöffnung.

Inkubationszeit von ca. einem Monat im Stadium der Darmtrichinose nur bei massivem Befall in Form

Die Nährstoffaufnahme erfolgt deshalb – wie bei

von enteritischen Erscheinungen auf. Die Symptome der Muskeltrichinose können bereits ab einer Woche nach Infektion erstmalig auftreten und hängen vom

Es sind zahlreiche auch humanmedizinisch rele− vante Trematoden bekannt, die meistens aufgrund ihres Wirtsspektrums mit dem Lebensraum Wasser

Sitz der Larven ab. Bei starkem Befall entsteht ein

in Verbindung stehen. Dazu gehören die Gattungen

den Cestoden – über das äußere Tegument.

hochfieberhaftes Krankheitsbild (41oC) mit rheuma−

Fasciola (Großer Leberegel), Opisthorchis (Katzenle−

tischen Erscheinungen, Muskelschmerzen sowie

beregel), Clonorchis (Chinesischer Leberegel) und

Gesichtsödemen und Eosinophilie. Gefürchtet ist

Paragonimus (Lungenegel). Wie den deutschen Be−

die Beteiligung des Myokards oder des Gehirns (Meningoenzephalitis). Die Letalität kann in diesen

zeichnungen dieser Egel zu entnehmen ist, führt

Fällen bis zu 30 % betragen.

Leber oder Lunge.

die Infestation des Menschen zu einem Befall von

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5 Allgemeine Parasitologie

Helminthen

Schistosomen sind, im Gegensatz zu den übrigen

den Eiern die Larven (Mirazidien), die aktiv ihre

Trematoden des Menschen, getrenntgeschlechtliche Trematoden, die paarweise in ihrem Wirt leben.

Zwischenwirte (Wasserschnecken) aufsuchen und sich in ihnen weiter in Zerkarien differenzieren.

Sie werden daher auch als Pärchenegel bezeichnet

Der Lebenszyklus ist geschlossen, wenn Zerkarien

und werden hier als einzige Trematodengattung

im Süßwasser auf einen Menschen treffen und sich

beschrieben,

durch die gesunde Haut einbohren. Über die Haut−

weil

sie weltweit

die tödlichste

Wurmerkrankung verursachen.

165

venen gelangen sie in den Körperkreislauf und wachsen dort zu adulten Würmern heran.

Schistosomen (Pärchenegel) Schistosomen sind Erreger der Schistosomiasis

MERKE

bzw. Bilharziose (s. S. 454). Klinisch bedeutsam

Lebenszyklus von Schistosomen Zerkarie R Endwirt Mensch: Adulter Wurm R Ei R Süsswasser: Mirazidium R Zwischenwirt Was− serschnecke: R Zerkarie

sind fünf Schistosomen−Arten: Schistosoma manso− ni, S. intercalatum, S. japonicum und S. mekongi sind Erreger der Darmbilharziose. Die Blasenbilharziose wird durch S. haematobium verursacht. Die einzel− nen Arten können relativ leicht durch die Lage des charakteristischen Höckers bzw. Stachels am Ei un− terschieden werden. Schistosomen−Männchen paarweise

in

der

und

Blutbahn

−Weibchen ihres

leben

Endwirtes

(Mensch) zusammen. Die Eier werden in den Blut− gefäßen abgelegt, durchdringen die Gefäßwand und werden mit dem Stuhl oder Urin ausgeschie− den. Gelangen sie in Süßwasser, so schlüpfen aus

Beim Eindringen der Zerkarien in die Haut kann sich eine Zerkariendermatitis entwickeln. Bei der Darmbilharziose stehen vor allem Veränderungen der Darmschleimhaut (Pseudopolypen) oder der Le− ber (mit Folgen wie bei einer Leberzirrhose) im Vordergrund. Die Blasenbilharziose imponiert durch eine Hämaturie als Zeichen eines Gewebsumbaus der Blasenschleimhaut. Die Diagnose wird in erster Linie durch den Nach− weis der Eier im Stuhl oder im Urin oder/und mit

Tabelle 5.6

Hilfe von serologischen Verfahren gestellt.

Unterschiede der drei wichtigsten Schistosomenarten Schistosoma haematobium

5.3.4 Allgemeines zu Diagnostik von Wurmerkrankungen

Vorkommen

Afrika, Westasien

Die Diagnose eines Wurmbefalls des Darmes wird

Endwirt

Mensch

in der Regel durch die mikroskopische Untersu−

Lokalisation der Venen der Harnblase Adultwürmer Eier

Endstachel, Ausscheidung im Urin

Schistosoma mansoni Vorkommen

Afrika, Arabien, Südamerika und Westin− dien

Endwirt

Mensch

Lokalisation der Mesenterialvenen Adultwürmer Eier

seitlicher Stachel, Ausscheidung im Stuhl

Schistosoma japonicum Vorkommen

Japan, China und malaiischer Archipel

Endwirt

Mensch, Hund, Katze, Schwein und andere Tiere

chung des Stuhls und der morphologischen Beur− teilung der darin befindlichen Wurmeier gestellt (Abb. 5.2). Hierbei werden neben der Beurteilung

von Nativpräparaten Anreicherungs−/Konzentrati− onsverfahren angewandt. EXKURS

MIFC−Verfahren Das am meisten verwendete Verfahren, mittels dessen auch Protozoen−Zysten nachgewiesen werden, ist das MIFC−Verfahren

(Merthiolat−Jod−Formaldehyd−Kon−

zentration). Dazu werden 5 ml Lo sung I (200 ml Merthiolat−Lo sung 1 %ig in Aqua dest., 25 ml Formalin,

Lokalisation der Darm− oder Lebervenen Adultwürmer

5 ml Glyzerin, 250 ml Aqua dest.) und 1 ml Lo sung II

Eier

Jod darin lo sen und auf 100 ml mit Aqua dest.

Seitenhöcker, Ausscheidung im Stuhl

(7.5 g Kaliumjodid in 18 ml Aqua dest. lo sen, dann 5 g

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166

Helminthen 5 Allgemeine Parasitologie

Abb. 5.2 Wichtige im Stuhl nachweisbare Helminthen(−Eier) in identischem Maßstab. Strongyloides stercoralis kommt nur als Larve im menschlichen Stuhl vor.

auffu llen) unmittelbar vor Gebrauch gemischt. Darin wird eine bohnengroße Menge Stuhl verru hrt und die Suspension durch Gaze filtriert. Nach Zugabe von 7 ml  ther wird kra geku ftig geschu hltem A ttelt und nach 2

Nachweismethoden in Blut und Gewebe sowie auf die Möglichkeit einer serologischen Diagnostik wurde jeweils im Text hingewiesen. Bei der Parasitendiagnostik, insbesondere bei Hel− minthosen, ist die Präpatenzzeit zu berücksichti−

Minuten Stehen wird die Probe 1 Minute bei ca. 2500  berstand wird abgegossen UpM zentrifugiert. Der U

gen. Das ist der Zeitraum zwischen der Infektion

und das Sediment zuna chst mit dem 10 er−Objektiv

und dem Auftreten von Vermehrungsprodukten des

und zur genaueren Beurteilung einer eingestellten Struktur mit dem 40 er−Objektiv mikroskopiert.

Parasiten (z. B. Wurmeiern im Stuhl).

Bei den Bandwürmern erfolgt die direkte Betrach− tung der Proglottiden mit einer Lupe. Auf spezielle

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5 Allgemeine Parasitologie

Tabelle 5.7

Arthropoden

Tabelle 5.8

Mindestpräpatenzzeiten der wichtigsten Helminthen

Übersicht der wichtigsten Anthelminthika

Helminthen

Substanz

Wirkungsspektrum

Diethylcarbamazin

Ascaris Filarien

Mebendazol

Ascaris Trichuris Enterobius Echinococcus Trichinella Ancylostoma/Necator Strongyloides

Albendazol

Trichinen Echinococcus Hymenolepis

Niclosamid

Taenia saginata/solium Diphyllobothrium Hymenolepsis Dipylidium

Praziquantel

Fasciola Dicrocoelium Schistosoma Clonorchis Opisthorchis Paragonimus Taenia saginata/solium Zystizerkose Diphyllobothrium Dipylidium

Pyrantelembonat

Ascaris Trichuris Enterobius Ancylostoma/Necator

Pyriviniumembonat

Enterobius

Spulwurm (Ascaris)

Präpatenz− zeit 10 Wochen

Peitschenwurm (Trichuris)

5 Wochen

Hakenwürmer (Ancylostoma, Necator)

5 Wochen

Madenwurm (Oxyuris); nicht Stuhl, sondern Klebestreifenmethode

5 Wochen

Rinder− und Schweinebandwurm (T. saginata, 10 Wochen * T. solium) Zwergbandwurm (Hymenolepis)

167

2 Wochen

Fischbandwurm (Diphyllobothrium)

3 Wochen

Chinesischer Leberegel, Katzenleberegel (Clonorchis, Opisthorchis)

2 Wochen

Großer Leberegel (Fasciola)

8 Wochen

Großer Darmegel (Fasciolopsis)

4 Wochen

Kleiner Leberegel (Dicrocoelium)

6 Wochen

Schistosoma mansoni

5 Wochen

Schistosoma japonicum

3 Wochen

Ei−Nachweis im Urin: Schistosoma haemato− bium

10 Wochen

Ei−Nachweis im Sputum: Lungenegel (Paragonimus)

8 Wochen

Larven−Nachweis im Stuhl: Zwergfadenwurm (Strongyloides)

3 Wochen

Larven−Nachweis im Blut: Wuchereria, Loa loa

3–6 Monate

Larven−Nachweis in der Haut: Onchocerca

10 Monate

Larven−Nachweis im Gewebe: Trichinen (Trichinella)

16 Tage

* in der Regel Abgang von Proglottiden

nicht bekannt ist. Aufgrund der großen Ähnlichkeit zwischen menschlichem und Helminthengenom sind Nebenwirkungen nicht selten. In Tab. 5.8 sind nur die in Deutschland erhältlichen

Praxistipp Die Präpatenzzeit ist oft länger als die Inku− bationszeit! In diesen Fällen ist der Nach− weis von Wurmeiern oder −larven zum Zeit− punkt der klinischen Erscheinungen noch nicht möglich. Hieran ist besonders bei Tou− risten zu denken, die sich nach der Rückkehr aus tropischen Ländern auf Parasi− ten untersuchen lassen.

5.3.5 Allgemeines zur Therapie von Wurmerkrankungen Für Wurmerkrankungen werden verschiedene An− thelminthika eingesetzt, deren Wirkungsweise oft

Präparate aufgeführt.

5.4 Die Arthropoden Key Point Die meisten klinisch−relevanten Arthropoden (Gliederfüßler) leben als Ektoparasiten ständig oder zeitweise auf ihrem Wirt. Es wird zwischen Arachnoidea (Spinnentiere) und Tracheata (Insekten) differenziert; diese lassen sich leicht durch die Anzahl der Bein− paare beim adulten Tier (Arachnoidea = 4, Tracheata = 3) unterscheiden. Die Diagnose erfolgt oft bereits durch morphologische Art−

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168

Arthropoden

5 Allgemeine Parasitologie

bestimmung mit Hilfe einer Lupe. Bei Milben ist aufgrund der geringen Größe fast immer die mikroskopische Beurteilung notwendig.

5.4.1 Zecken und Milben Zecken und Milben gehören zu den Spinnentieren und besitzen somit im geschlechtsreifen Zustand vier Beinpaare. Die Entwicklung verläuft vom Ei über ein Larvenstadium mit drei Beinpaaren und das Nymphenstadium mit vier Beinpaaren zum er− wachsenen Tier. Eine grobe Unterscheidung zwi− schen Zecken und Milben ist anhand ihrer Größe möglich: Zecken sind in der Regel größer als 1 mm, Milben sind kleiner als 1 mm. Die Lebensdauer der erwachsenen Tiere kann meh− rere Jahre betragen. Unter den parasitierenden Ze−

MERKE

Zecken spielen als Überträger folgender Krank− heitserreger eine große Rolle: FSME−Viren (Arboviren): Fühsommer−Menin− goenzephalitis (s. S. 351) Borrelia burgdorferi: Borreliose (s. S. 376) Coxiella burnetii: Q−Fieber (s. S. 382) Rickettsia conorii: Zeckenbissfieber Rickettsia rickettsii: Erreger des Rocky moun− tain spotted fever (s. S. 382) EXKURS

Zeckenentfernung Die Entfernung der Zecken sollte mechanisch mit einer speziellen Zeckenpinzette, einer mit einem Bindfaden

cken kann zwischen stationären (Ixodiden = Haft−

geformten Schlinge oder mit den Fingern erfolgen: Dazu wird die Zecke langsam in Richtung auf ihr

zecken) und temporären Ektoparasiten (Argasiden

Hinterteil herausgezogen, wobei leichte Drehbewe−

= Lauf− oder Wanderzecken) unterschieden werden. Bei den medizinisch bedeutsamen Milben sind ei−

gungen das Lo sen der Beisswerkzeuge erleichtern. Die  len u.a Benutzung von Klebstoff, O . zum Lo sen der

nerseits nicht parasitierende, aber allergieauslösen−

Zecke ist nicht zu empfehlen, weil dies zu einer

de Arten zu nennen, andererseits gibt es auch en−

vermehrten Abgabe des mo glicherweise infektio sen Speichels fu hren kann.

do− und ektoparasitierende Arten.

Haftzecken Zu dieser Gruppe gehört in unseren Breiten vor al−

Milben

lem der Holzbock (Ixodes ricinus). Dabei handelt es sich um einen stationären Ektoparasiten, der wäh−

Praxistipp

rend der Blutaufnahme mindestens einige Tage fest

Da die sehr kleinen nicht parasitierenden Nahrungsmittel− und Hausstaubmilben Asthma und allergische Hauterscheinungen auslösen können, sollten sie als ätiologi− sches Agens bei unklaren allergischen Reak− tionen in die Differenzialdiagnostik einge− schlossen werden.

in der Haut seines Wirtes verbohrt“ ist. Sowohl Larven als auch Nymphen und erwachsene Zecken bohren sich mit dem Kopf in die Haut des Wirtes ein, um sich mit Blut voll zu saugen. Dadurch schwillt der Hinterleib des Tieres so stark an, dass die Größe einer Rizinusbohne (Namensgebung) er− reicht werden kann. Erwachsene Männchen saugen kein Blut; sie befruchten das Weibchen auf dem

Die endoparasitierende Milbe Sarcoptes scabiei ist

Wirt, welches dann nach ca. 10 Tagen zur Eiablage

Ursache der Skabies bzw. Krätze (s. S. 469). Dabei gräbt die weibliche Krätzemilbe Gänge in die menschliche Haut, in die nach Befruchtung die Eier

auf den Boden zurückkehrt. Der Zeckenbefall ruft lokale Reizerscheinungen her− vor. Darüber hinaus kann es zur bakteriellen Super−

abgelegt werden. Aufgrund eines starken Juckreizes

infektion kommen, insbesondere wenn die Entfer−

kommt es zu Kratzspurverletzungen, die schließ−

nung der Zecke nicht sachgemäß erfolgt.

lich bakteriell superinfiziert werden. Zusätzlich kann ein allergisches Exanthem am ganzen Körper auftreten. Unter den ektoparasitierenden Milben gibt es auch blutsaugende Arten. Dabei muss zwischen Arten

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5 Allgemeine Parasitologie

Arthropoden

unterschieden werden, bei denen nur die erwach−

superinfizieren. Kleiderläuse spielen darüber hi−

senen Tiere Blut saugen und solchen, bei denen nur die Larven Blut saugen.

naus eine wichtige Rolle als Überträger von Krank− heitserregern:

MERKE

MERKE

Milben, bei denen die adulten Tiere Blut saugen: Dermanyssus gallinae (Vogelmilbe): Auslöser von stark juckenden, allergischen Exanthe− men). Dermanyssus spp.: In den USA Überträger von Enzephalitisviren.

Durch Läuse übertragbare Krankheitserreger: Rickettsia prowazeki: Epidemisches Fleckfieber (s. S. 382) Bartonella quintana: Fünftage Fieber = Wolhy− nisches Fieber (s. S. 65) Borrelia recurrentis: Läuse−Rückfallfieber = eu− ropäisches Rückfallfieber

Milben, bei denen die Larven Blut saugen: Trombicula autumnalis: Der Biss dieser Larven führt zu sehr unangenehmen Hautreizungen. Trombicula acamushi: In Japan Überträger von Orientia tsutsugamushi (Erreger des Tsutsuga− mushifiebers, Milbenrückfallfieber).

5.4.3 Flöhe Auch Flöhe sind flügellose, stechend−saugende In− sekten, die aufgrund ihrer starken Hinterbeine zu enormen Sprungleistungen befähigt sind; im Leis−

Läuse sind flügellose Insekten und haben daher

tungsvergleich zum Floh müsste der Mensch über den Kölner Dom springen können (!). Flöhe sind temporäre Ektoparasiten. Sie leben normalerweise

nur 3 Beinpaare. Sie besitzen einen Stech−Saug−

außerhalb des Menschen z. B. in Fußbodenritzen

Rüssel zur Blutaufnahme. Das Weibchen legt Eier

und suchen nur zum Blutsaugen den Wirt auf. Da−

(Nissen), aus denen die Larven (Nymphen) schlüp− fen um sich schließlich in erwachsene Läuse zu dif−

her ist eine ausgeprägte Wirtsspezifität nicht erfor−

ferenzieren. Eine Verpuppung findet nicht statt, so

Arten wird die Ausbildung von Chitinkämmen an

dass die Vermehrungsweise der Läuse als ametabol

Kopf und Thorax sowie die Anordnung von Chitin−

bezeichnet wird.

borsten am Kopf herangezogen. Flöhe entwickeln sich unter Verpuppung (= Ruhe−

5.4.2 Läuse

MERKE

Beim Menschen parasitieren drei Läusearten: Pediculus humanus capitis (Kopflaus, s. S. 467), Pediculus humanus humanus seu vestimentorum (Früher P. humanus corporis; Kleiderlaus, s. S. 468) und Phthirus pubis (Filz− oder Schamlaus, s. S. 468). Die Namensgebung weist auf den jeweiligen Be− fallsort hin.

169

derlich. Für die Unterscheidung der verschiedenen

stadium, holometabole Entwicklung). Dazu legen weibliche Flöhe täglich bis zu 25 Eier, aus denen nach 2–12 Tagen madenartige Larven schlüpfen, die sich nach weiteren 2–3 Wochen in einer Art Kokon verpuppen. Aus der Puppe schlüpft auf ei− nen Vibrationsreiz hin (= Ankündigung eines Wirts) die Imago, das fertige Insekt. Dadurch kann es dann zu einem Massenschlüpfen von monate− lang im Ruhestadium verharrenden Puppen kom− men, wenn ein Tierlager (oder Nest) neubesiedelt wird. Adulte Flöhe haben eine Lebensdauer von ei−

Die Kopflaus wird meistens durch direkten Körper− kontakt übertragen, während die Transmission der

nigen Monaten bis zu fünf Jahren. Sie sind lateral

Kleiderlaus auf den Gebrauch kontaminierter Ge− genstände zurückzuführen ist. Für die Übertragung

schnell durch das Tierfell bewegen zu können und

extrem abgeflacht (Adaptation, um

sich sehr

so dem Biss der Tierschnauze zu entgehen).

der Filzlaus spielt der Geschlechtsverkehr die wich− tigste Rolle. Der Lausbefall führt zu einem Juckreiz. Die dadurch entstehenden Kratzwunden können sich bakteriell

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170

Arthropoden

5 Allgemeine Parasitologie

MERKE

Medizinisch wichtig sind: Xenopsylla cheopi (tropischer Rattenfloh R Über− träger der Pest, s. S. 363), Pulex irritans (Menschenfloh), Ctenocephalides canis und felis (Hunde− und Kat− zenfloh) sowieTunga penetrans (Sandfloh).

Hunde− und Katzenfloh Diese Tierflöhe besitzen deutliche Chitinkämme (Abb. 5.3), sind aber untereinander schwer zu unter−

scheiden.

Abb. 5.4 Flohstiche am Unterschenkel (aus Moll: Duale Rei− he Dermatologie)

lokal Quaddeln und sogar generalisiert ein allergi− sches Exanthem entstehen. Zur Flohbekämpfung sollten Ritzen versiegelt und Tierstätten regelmäßig gesäubert werden. Kausal kann Lindan als Spray in der Wohnung und als Emulsion oder Gel am Körper eingesetzt werden.

5.4.4 Wanzen Ihre Entwicklung verläuft wie die der Läuse ameta− bol. Es handelt sich um stechend−saugende flügel− lose oder geflügelte, temporäre Ektoparasiten.

Bettwanze (Cimex lectularius) Die Bettwanze ist ein stark dorsoventral abgeplat− tetes, flügelloses, 5–8 mm großes Insekt, das welt− weit verbreitet ist. Ein massiv verwanzter Raum fällt häufig schon durch den Geruch auf, weil die Bettwanze über den Besitz von Stinkdrüsen ver− fügt. Bettwanzen leben in der Umgebung des Men− schen und suchen ihn nachts zum Blutsaugen auf. Ihre Lebensdauer beträgt bis zu 12 Monate. Der Abb. 5.3

Hundefloh mit typischem Halskamm (Q)

Wanzenstich erfolgt oft in Reihe (wie bei den Flö− hen) und führt zu lokalen oder generalisierten to− xisch−allergischen Erscheinungen; als Krankheits−

Als Überträger von Krankheitserregern spielen sie keine Rolle. Sie saugen auch beim Menschen Blut,

überträger spielen Hauswanzen keine Rolle. Ihr

was zu punktförmigen, von einem Hof umgebenen Blutungen führt, die oft in einer Reihe lokalisiert

u. a. verschmutzen. Die Entwanzung einer Woh− nung ist sehr schwierig; sie sollte daher durch ei−

sind (Abb. 5.4) und Juckreiz auslösen; u. U. können

nen Kammerjäger erfolgen.

schwarzer, klebriger Kot kann Tapeten, Mobiliar

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Kapitel

6

Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe 6.1

Nosokomiale Infektionen 173

6.2

Die Infektionsprophylaxe 179

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172

Klinischer Fall

Isolierpflichtiger Keim

100 pro Minute tachykard. Umgehend informiert sie den Stationsarzt Dr. Matthews. Dieser denkt nach: Mit einer Tachykardie und einem Fieber von über 38 8C präsentiert die ältere Frau das Systemic In− flammatory Response Syndrome“, SIRS. Sofort nimmt er Blutproben für ein Routine−Blutbild, das C−reaktive− Protein und Blutkulturen ab. Er befürchtet die Gefahr einer Sepsis. Im Anschluss verschreibt er der Kranken eine Cephalosporin−Antibiose intravenös.

Haufenkokken in der Blutkultur In den nächsten anderthalb Tagen besteht das hohe Fieber fort. Sowohl die Leukozyten der Patientin als Zum Nachweis der Keimbesiedlung wird ein Nasenabstrich durchgefu hrt.

auch das C−reaktive−Protein ergeben stark erhöhte Werte. Aus der Blutkultur lassen sich grampositive

Vorbeugung nosokomialer Keime

Haufenkokken isolieren. Nach Rücksprache mit dem Oberarzt verordnet Dr. Matthews der Patientin Oxa−

Schnellen Schrittes marschiert Frau S., die Hygienebe−

cillin i. v. Dieses Antibiotikum ist gegen die meisten

auftragte der Klinik, von Station zu Station. Ihre heu− tige Aufgabe ist unbeliebt, aber notwendig. Sie führt

Staphylokokken wirksam. Bei der Chefarzt−Visite am

eine Kontrolle der Keimbesiedlung der Hände von

nächsten Tag ist das Fieber der Patientin aber un− verändert hoch. Hoffentlich sind die Staphylokokken

Ärzten und Pflegepersonal durch, um die Wirksam−

nicht Oxacillin− bzw. Methicillin−resistent.“ sagt Dr.

keit der Händedesinfektion zu überprüfen. Minutiös

Matthews. Warten wir den endgültigen Befund der

und genau lässt sie jeden Mitarbeiter auf dem

Blutkulturen ab“, beruhigt ihn der Chefarzt.

Nährboden von Petrischalen Handabdrücke hinterlas− sen. Dass ihre Pingeligkeit und Hartnäckigkeit bei

Isolierung wegen MRSA

den Kontrollen ab und zu belächelt wird, ist ihr klar. Doch Frau S. weiß um die Wichtigkeit ihrer Arbeit:

Oh nein“, murmelt Dr. Matthews vor sich hin, als er

Durch die Untersuchungen lassen sich Träger von Kei− men identifizieren, die für stationäre Patienten

steht MRSA“, was für Methicillin−resistenter Staphy− lococcus aureus“ steht. Jetzt hat er viel zu tun. Er

gefährlich werden könnten. Während sie Petrischalen

veranlasst die Isolierung der 71−Jährigen Frau und

auf dem Schwesternschreibtisch stapelt, wechseln Pfleger Christian und Schwester Sonja eindeutige

stellt die antibiotische Behandlung nach Antibio− gramm um. Nun gilt es, die Infektionsquelle zu iden−

Blicke: Schon wieder Keimkontrolle. Das nervt.“

tifizieren: Es werden Nasen−Rachenabstriche der Pa−

Nachdem die Hygienebeauftragte den Raum verlas− sen hat, sagt Sonja zu Christian: Stell dir vor sie fin−

tientin,

den bei uns MRSA! Dann heißt es erst mal: Stations−

Kranken in Kontakt gekommen sind.

arbeit adieu!“. Lachend verlässt sie das Schwesternzimmer, um die Vitalparameter der bett−

Ironie des Schicksals

den Laborbefund in der Hand hält. Auf dem Zettel

ihrer

Bettnachbarin

und

aller

Ärzte,

Schwestern und Pfleger abgenommen, die mit der

zwei Wochen wegen einer dekompensierten Nieren−

Sonja ist untröstlich: Kannst du dich noch erinnern als ich über die Hygiene−Kontrolle und MRSA gelacht

insuffizienz stationär aufgenommen wurde.

habe?“, sagt sie zu Christian. Sie haben bei mir den−

lägerigen 71−jährigen Patientin zu messen, die vor

selben MRSA gefunden wie im Nasen−Rachenabstrich

SIRS

der Patientin. Ich hatte ihn sowohl auf den Händen

Schwester Sonja hält kurz inne, als sie auf das Fieber−

als auch in der Nase. Jetzt werde ich wohl eine Weile

thermometer blickt. Die Patientin, die wegen ihrer

stationsfern in der Dokumentation arbeiten, bis die

Niereninsuffizienz dialysepflichtig ist, hat 39,5 8C Fie− ber. Außerdem ist sie mit einer Herzfrequenz von

Therapie mit der Mupirocin−Salbe anschlägt“

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

6

Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

6.1 Nosokomiale Infektionen [T80–T88]

Key Point Als nosokomial werden Infektionen bezeich− net, die im Krankenhaus oder ambulant durch ärztliche oder pflegerische Maßnah− men erworben wurden. Die Angaben zur Häufigkeit nosokomialer Infektionen schwan− ken zwischen 5,7 und 6,3 %. Oft zeichnen sich die übertragenen Krankheitserreger durch eine überproportionale Antibiotikaresistenz aus, weil sie in der Krankenhausumgebung einem erhöhten Selektionsdruck ausgesetzt sind. Da die betroffenen Patienten nicht sel− ten unter Langzeittherapie stehen, ist ihre Immunabwehr darüber hinaus oft geschwächt. Der US−amerikanische Mikrobio− loge Stan Falkow hat daher dazu gesagt: No− sokomiale Infektionen sind Krankheiten des Fortschritts“.

Nosokomiale Infektionen

173

MERKE

Generell stellen Harnwegsinfektionen die häufig− sten nosokomialen Infektionen dar. Im Bereich der Intensivmedizin hat die so genannte EPIC−Stu− die, die mehr als 10 000 Patienten einschloss, je− doch ergeben, dass die Pneumonie mit fast 47 % eindeutig den größten Anteil an allen nosokomia− len Infektionen hat. EXKURS

disponierende und expositionelle  r pra Beispiele fu Risikofaktoren Als wichtige prädisponierende Risikofaktoren fu r die Entwicklung der nosokomialen Pneumonie ko nnen ein hohes Alter des Patienten, sowie ein reduzierter ko rperlicher Allgemeinzustand, chronische Atemweg− serkrankungen und eine vorausgegangene Operation angesehen werden. Ein expositioneller Risikofaktor stellt hier die maschinelle Beatmung dar. Als expositioneller Risikofaktor fu r die nosokomiale Harnwegsinfektion wird der liegende transurethrale Dauerkatheter angesehen. Die Harnwegsinfektion kommt aufgrund der ku ufiger bei rzeren Urethra ha Frauen als bei Ma nnern vor. Weitere prädisponie−

Es muss zwischen endogenen und exogenen noso− komialen Infektionen unterschieden werden. Die endogene nosokomiale Infektion kommt

rende Faktoren sind ein ho heres Lebensalter, sowie ein reduzierter ko rperlicher Allgemeinzustand.

meistens durch die körpereigene Standortflora

Ein Gefa ßkatheter stellt ein expositionelles Risiko fu r eine nosokomiale Septikämie dar, vor allem wenn der

von Haut und Schleimhaut bei therapeutisch in−

betroffene Patient ein ho heres Alter bei reduziertem

duzierter Immunsuppression (z. B. nach Trans−

ko rperlichem Allgemeinzustand aufweist und unter immunsuppressiver Therapie steht.

plantationen) zustande. Sie lässt sich daher nur Die exogene nosokomiale Infektion ist nicht sel−

Das Risiko fu r eine postoperative Wundinfektion steigt mit der Dauer der Operationszeit und dem

ten auf mangelnde Händehygiene des am Pa− tienten tätigen Personals oder auf kontaminierte

Patientenfaktoren sind hohes Alter, Diabetes mellitus

medizinische Gegenstände bzw. Geräte zurück−

und Adipositas.

schwer vermeiden.

Kontaminationsgrad der Wunde an. Pra disponierende

zuführen.

6.1.2 Die Ursachen nosokomialer Infektionen

6.1.1 Prädisponierende Faktoren

Als Ursache nosokomialer Infektionen können un−

Für die Entstehung einer nosokomialen Infektion

terschiedlichste

sind prädisponierende Faktoren des Patienten und

Maßnahmen angesehen werden, von denen hier

die jeweilige expositionelle Risikosituation zu be− achten.

nur die wichtigsten aufgelistet werden.

ärztliche

und/oder

pflegerische

Infusion, Transfusion, Injektion oder Impfung Solche Maßnahmen können bei unzureichender Hautdesinfektion oder bei Verwendung von konta−

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174

Nosokomiale Infektionen

6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

minierten Blutprodukten oder Infusionslösungen

nahmen auszuschließen (z. B. keine Blutspende bei

zu folgenden Komplikationen führen:

Aufenthalt in einem Malaria−Endemiegebiet in den vergangenen 6 Monaten).

(Thrombo−)Phlebitis [T80.1], lokale oder systemische Infektionen [T80.2], Septikämie oder Sepsis [T80.2, T88.0].

Komplikationen nach einem Eingriff [T81.4]

Als Ursache für derartige Infektionen stehen vor al−

Nach operativen Eingriffen werden u. a. folgende

lem Kommensalen der Hautflora im Vordergrund,

Infektionskrankheiten beobachtet:

allen voran koagulasenegative Staphylokokken (KNS, s. S. 37). Diese Erreger können länger liegen−

intraabdominaler Abszess, Nahtabszess,

de venöse Katheter als Leitschiene nutzen und eine

subphrenischer Abszess,

katheterassoziierte Infektion verursachen. Bakterielle Kontaminationen von Blutprodukten

Wundsepsis.

sind in der Regel eine Rarität, weil die meisten

Therapeutisch eingesetzte Fremdkörper

Bakteriämien zu klinisch erkennbaren Symptomen

Weitere nosokomiale Infektionen können durch

führen, die bei ärztlichen Untersuchungen im Rah−

therapeutisch eingesetzte Fremdkörper ausgelöst

men der Blutspende auffallen würden. Dennoch gibt es einige Bakterien, die auch bei langandau−

werden. Dazu zählen zum Beispiel: Infektion durch eine Herzklappenprothese

ernder Bakteriämie oft keine Symptome induzie−

[T82.6] (s. auch Endokarditis, S. 268),

ren. Hierzu gehören Treponemen, Borrelien, Yersi−

Infektion durch Prothesen, Implantate oder

nien und Brucellen. In Ländern mit unzureichenden Screening−Verfahren muss an die

Transplantate im Urogenitaltrakt [T83.8], Infektion durch eine Gelenkendoprothese oder

Übertragung von verschiedenen Viren, vor allem

durch eine interne Osteosynthesevorrichtung

HBV, HCV und HIV, durch Blut bzw. Blutprodukte

[T84.5−T84.7],

gedacht werden.

Infektion durch sonstige interne Prothesen, Im− plantate oder Transplantate [T85.7].

MERKE

Viele der diagnostisch und therapeutisch eingesetz−

Spender von Blutkonserven bzw. Blutprodukten werden in Deutschland mikrobiologisch bzw. serologisch auf folgende Erreger hin untersucht: Treponema pallidum, HBV, HCV, HIV.

ten Katheter und Implantate bestehen aus Kunst− stoffen, wobei am häufigsten Polyethylene, Polyvi− nylchloride und Polyurethane benutzt werden. Mit dem zunehmenden Einsatz dieser künstlichen Ma− terialien ist auch die Anzahl der fremdkörperasso−

Die Lagertemperatur von Blutprodukten ist für die

ziierten Infektionen gestiegen. Diese werden mei− stens von Erregern verursacht, die zur normalen

mögliche sekundäre Vermehrung von kontaminie−

Haut− und Schleimhautflora gehören. Koagulasene−

renden Bakterien von Bedeutung.

gative Staphylokokken (KNS) sind die wichtigsten

So werden beispielsweise Thrombozytenkon−

Erreger von fremdkörperassoziierten Infektionen,

zentrate bei Temperaturen von 20–22 8C gela−

vor allem S. epidermidis.

gert, so dass sich in ihnen u. U. Hautkeime, wie

S. epidermidis nutzen ihre Plastikadhärenz, um

z. B. Staphylokokken, vergrünende Streptokok− ken, Propionibakterien, aber auch Serratien und Bazillen vermehren können.

über liegende Kunststoffkatheter in die Blutbahn zu gelangen. Die Plastikadhärenz wird durch die Oberflächenproteine SSP−1 und −2, sowie durch

Erythrozytenkonzentrate werden bei 4 8C gela−

das Glukosaminglykan PIA vermittelt. Allmäh−

gert, so dass hier nur kältetolerante Keime, wie

lich entsteht eine am Kunststoff ausgebildete

z. B. Yersinien, eine Gefahr der sekundären

Staphylokokkenkolonie, die von einer Matrix aus

Keimvermehrung darstellen.

bakteriellen und körpereigenen Komponenten

Bei aus den Tropen stammenden Blutspendern ist

umgeben ist und einen so genannten Biofilm

die mögliche Übertragung von Plasmodien und Try−

darstellt (Abb. 6.1). Dieser kann eine Stärke von

panosomen durch entsprechende Vorsichtsmaß−

bis zu 160 m erreichen und verhindert dadurch

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe Toxoplasmose

und

Nosokomiale Infektionen

175

Creutzfeldt−Jakob−Krankheit

(z. B. durch Dura mater).

6.1.3 Die gesetzliche Grundlage der Erfassung nosokomialer Infektionen Die kontinuierliche Aufzeichnung nosokomialer In− fektionen mit einem definierten Resistenzmuster ist nach § 23 IfSG vorgeschrieben und wird in einer fortlaufenden Liste vorgenommen (Abb. 6.2). Diese Art der Dokumentation stellt ein wichtiges Instrument der Qualitätssicherung in der Kranken− versorgung dar und erlaubt auch die Erfassung von Antibiotika−Verbrauch und Risikobereichen. Die Verantwortung für die Realisierung der Dokumen− tation obliegt dem Ärztlichen Direktor, der diese

Abb. 6.1 Staphylokokken−Biofilm auf einem Teflon−Katheter (mit freundlicher Genehmigung von Dr. C. Hüttinger und PD Dr. W. Ziebuhr, Würzburg)

Aufgabe in der Regel dem Krankenhaushygieniker überträgt. Dieser kann bei adäquater Bewertung der Liste rechtzeitig Ausbrüche erkennen und um− gehend die ggf. erforderlichen Hygienemaßnahmen

u. U. die Wirksamkeit von Antibiotika. Die The−

einleiten, sowie zusammen mit dem Mikrobiologen ggf. die eingesetzten Antibiotikaregimes überprü−

rapie einer derartigen Infektion besteht meis−

fen.

tens in der Entfernung des kolonisierten Kathe− ters. Problematisch wird die Infektion jedoch, wenn der betreffende Patient intrakorporale

6.1.4 Ausgewählte bakterielle Erreger nosokomialer Infektionen

Kunststoffimplantate, wie z. B. künstliche Herz−

Vor allem im stationären Bereich führt der breite

klappen, besitzt. In diesem Fall können die über

Einsatz von Antibiotika zum erhöhten Selektions−

den liegenden Katheter eingeschleppten KNS hä−

druck und damit zur Ausbreitung resistenter Erre−

matogen an die künstliche Herzklappe gelangen und dort eine biofilmassoziierte Endokarditis

ger.

hervorrufen.

Koagulasenegative Staphylokokken (KNS)

Als weitere relativ häufige Erreger einer kunst− stoffassoziierten Infektion sind Staphylococcus

Fast ein Drittel aller nosokomialen Septikämien werden durch KNS (s. S. 37) verursacht. Sie errei−

aureus, Coryne− und Propionibakterien, Strepto−

chen die Blutbahn entweder durch unzureichende

kokken und Enterokokken, Pseudomonas aerugi−

Hautdesinfektion bei Gefäßpunktionen oder durch

nosa, Acinetobacter baumannii, Enterobacteria−

liegende venöse Katheter.

ceae, sowie Candida−Hefen zu nennen. Die

Mehr als die Hälfte der KNS sind gegen Methicillin

klinischen Symptome sind sowohl von der Loka−

(bzw. Oxacillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin) re−

lisation, als auch vom Erreger abhängig. Für die Diagnostik stehen vor allem Blutkulturen und die mikrobiologische Untersuchung der entfern−

sistent. Der Resistenzmechanismus beruht – eben− so wie bei MRSA (s. u.) – auf einer Veränderung der Penicillinbindeproteine, so dass sämtliche b−Lak−

ten Kunststoffmaterialien im Vordergrund. Die

tamantibiotika nicht mehr wirksam sind.

Therapie richtet sich nach dem jeweiligen Erre− ger und Antibiogramm. Eine

Vielzahl

von

Infektionskrankheiten

kann

durch ein Transplantat übertragen werden. Dazu zählen neben den durch Blut oder Blutprodukte übertragbaren Krankheiten u. a. die Zytomegalie,

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176

Nosokomiale Infektionen

Abb. 6.2

6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Melde− und Erfassungspflicht nach IfSG am Beispiel von MRSA

Methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA)

Tabelle 6.1

Das b−Laktamase−stabile Methicillin wurde 1959

Sanierung und Therapie von MRSA

entwickelt. Bereits zwei Jahre später wurden die

Sanierungsmaßnahmen:

ersten methicillinresistenten S. aureus (MRSA, s. S. 107) beschrieben. Hierzulande beträgt der An−

Nase

Mupirocin (2–3 3 pro Tag für 5–7 Tage), Chlor− hexidin, Chlorhexidin/Neomycin, ggf. Rifampicin (Kombination!, z. B. Ciprofloxacin)

cillin, Dicloxacillin oder Flucloxacillin) resistent ist,

Rachen

Mupirocin nasal (ggf. systemische Therapie)

auf Intensivstationen zur Zeit ca. 30 %. Die im

Haut

tägliche antiseptische Bäder“ (PVP−Jodseife, Chlorhexidin, Triclosan, ScinSanScrupt) bei gutem Hautzustand

teil von S. aureus, der gegen Methicillin (bzw. Oxa−

Krankenhaus erworbenen MRSA (ha−MRSA) weisen meistens Multiresistenzen auch gegen nicht−b−Lak− tamantibiotika auf.

Systemische Therapie (nicht zur Sanierung oder Prophylaxe)

Hauptübertragungsweg für die Verbreitung von MRSA sind die Hände des medizinischen Personals. Die aerogene Übertragung, sowie Resistenzentwick−

Rifampicin (kombinieren!)

lung gegen Methicillin unter Therapie stellen dage−

Oxazolidinone (Linezolid = Zyvoxidh)

gen untergeordnete Probleme dar.

Glykopeptide (Vancomycin, Teicoplanin) als Reserve

Fluorochinolone, Fusidinsäure, Fosfomycin Streptogramine (Quinupristin/Dalfopristin= Synercidh)

MERKE

b−Laktamantibiotika in Kombination mit b−Lak− tamase−Inhibitoren sind sinnlos!

Vancomycinresistente Enterokokken (VRE) Dem Einsatz von Glykopeptiden in der Tiermast (mittlerweile in der EU stark eingeschränkt) und

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Nosokomiale Infektionen

dem breiten Einsatz von Vancomycin (z. B. bisher

werden; Erstere versagen jedoch bei gleichzeitiger

gegen MRSA) ist die Entwicklung von vancomycin− resistenten Enterokokken (VRE, s. S. 108) anzulas−

Porinveränderung (oft bei Pseudomonaden!).

177

Pseudomonas aeruginosa

ten.

Pseudomonaden sind für 30 % aller nosokomialen Infektionen von Intensivpatienten verantwortlich

Praxistipp

und nosokomiale Infektionen mit P. aeruginosa

Da die entsprechenden Resistenzgene u. U. auf einem Plasmid lokalisiert sind, besteht die Gefahr der konjugativen Resistenzgen− übertragung auf MRSA, die dadurch nur noch sehr eingeschränkt therapierbar wären.

weisen mit 40 % eine höhere Mortalität auf als sol− che mit anderen Erregern (14 %). Therapeutisch können ggf. Cephalosporine 3 b/4 (z. B. Ceftazidim), Piperacillin mit b−Laktamase−Inhibitor (jeweils kombiniert mit Tobramycin), sowie Carbapeneme oder Fluorchinolone eingesetzt werden. In letzter

E. coli und Klebsiellen mit ESBL−Bildung

Zeit werden zunehmend Pseudomonaden isoliert,

Der unkritische Einsatz von b−Laktamantibiotika

die ampC−Betalaktamasen bilden, Porin−Verände−

hat zur Bildung und Verbreitung von Enterobacte− riaceae mit Extended−Spectrum−b−Laktamasen

rungen aufweisen (R Carbapenem−Resistenz) oder auch gegen Monobactame (Aztreonam) resistent

(ESBL) geführt. Hiervon sind vor allem E. coli und

sind. Außerdem sind Pseudomonaden häufig auch

Klebsiellen betroffen. Es handelt sich dabei um b−

gegen Desinfektionsmittel resistent, was ihre Aus−

Laktamasen, die auf Plasmiden kodiert werden und

breitung im Krankenhausbereich fördert.

daher leicht übertragbar sind. Sie weisen aufgrund auf, so dass auch 3. Generations−Cephalosporine in−

6.1.5 Die Gefahrenquellen für medizinisches Personal

aktiviert werden. Oft besteht auch eine Resistenz gegen Aminoglykoside und Chinolone.

Das medizinische Personal ist vor allem durch un− beabsichtigte Nadelstichverletzungen infektionsge−

Für die Therapie von ESBL bildenden Enterobacte−

fährdet. Als transfusionsmedizinisch wichtige Erre−

riaceaen stehen folgende Optionen zur Verfügung:

ger gelten dabei HBV, HCV und HIV.

von Punktmutationen eine Substraterweiterung

b−Laktamantibiotika in Kombination mit b−Lak− tamase−Inhibitoren

(z. B.

Piperacillin/Tazobac−

EXKURS

tam),

Unterschiedliche Infektionsrisiken bei Nadelstich−

Cefepim, Cefoxitin,

verletzungen

Carbapeneme (Meropenem; Imipenem).

Das Infektionsrisiko einer Nadelstichverletzung bei

Gramnegative Bakterien mit ampC−Betalakta− mase−Bildung Vor allem Enterobacter cloacae, Escherichia coli,

viruspositiven Patienten betra gt fu r das medizinische Personal bei einem HBV−positiven Patienten weniger als 30 %, bei einem HCV−positiven Patienten weniger als 3 % und bei einem HIV−Positiven ca. 0,3 %.

Citrobacter freundii, Serratia marcescens und Pseu− domonas aeruginosa können so genannte ampC−b− Laktamasen bilden, die meistens chromosomal ko− diert und daher wenig verbreitet sind (s. S. 110). MERKE

Im Gegensatz zu ESBL sind ampC−b−Laktamasen nicht durch b−Laktamase−Inhibitoren hemmbar. Therapeutisch können in diesem Fall oft nur noch Carbapeneme oder Cefpirom/Cefepim eingesetzt

Bei einer Nadelstichverletzung sollte die Wunde ausgeblutet und desinfiziert werden; außerdem sollte Blut für die Bestimmung des präexpositionel− len Immunstatus asserviert werden. MERKE

Nach erwiesener Exposition mit HBV sollte un− verzüglich eine aktive Impfung durchgeführt und gegebenenfalls mit einer passiven Impfung kom− biniert werden.

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Nosokomiale Infektionen

6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Nach Exposition mit HCV ist über drei Monate eine Überwachung, z. B. durch RT−PCR aus Blut, angezeigt. Sobald die Infektion nachgewiesen ist, sollte eine Behand−lung einsetzen. Diese ist bei frühem Beginn erfolgreicher als später. So kann u. U. eine 24−wöchige Interferon−Therapie inner− halb von 6 Monaten nach Exposition den chroni− schen Verlauf der Erkrankung verhindern. Nach Exposition mit HIV sollte eine Postexpositi− onsprophylaxe mit einer Dreifachkombination (s. S. 409) begonnen werden.

6.1.6 Die Präventionsmaßnahmen

Klassische Ausbruchssituationen sind z. B. die Häufung von Gastroenteritiden durch Noro− viren, die Häufung von Wundinfektionen mit MRSA nach Operation durch einen bestimmten Chirur− gen, die Häufung von tödlich verlaufenden Aspergil− losen auf einer hämatologisch−onkologischen Station in einem kürzlich sanierten Altbau. Auf− grund der bei Altbauten oft bestehenden Feuch− tigkeit sind gerade hier schimmelige“ Bereiche zu erwarten, so dass bei der Sanierung Aspergil− luskonidien freigesetzt werden.

Ein Teil der nosokomialen Infektionen bzw. der für

Bereits im Vorfeld eines Ausbruchs sollte ein Aus−

das medizinische Personal relevanten Infektionen

bruchsmanagement−Team

kann durch geeignete Präventionsmaßnahmen ver− hindert werden. Dazu zählen u. a.:

Krankenhaushygieniker, Hygienefachkraft, Mikro− biologe, hygienebeauftragte Ärzte, Stationspersonal

(Ärztlicher

Direktor,

Technische Maßnahmen:

der betreffenden Station, u. a.) gegründet und das

O Unterbrechung der Infektionskette (Isolierung,

Ausbruchsmanagement festgelegt werden. Dabei

Desinfektion, Sterilisation), O Asepsis, O sachgerechte Aufbereitung von Medizinpro− dukten,

ist auf die Quellensuche (Auslöseereignis), Sanie− rung bzw. Therapie der Indexpatienten, Identifika− tion und Unterbrechung von Übertragungswegen, sowie weitere Kontrollmaßnahmen einzugehen.

O adäquater Einsatz von Antiinfektiva. Organisatorische Maßnahmen:

Durch ein derartiges Ausbruchsmanagement kann die weitere Ausbreitung der Erreger verhindert

O Hygienekommission,

werden.

O Surveillance, O Schulung und Weiterbildung des Personals, O Optimierte Behandlungs− und Pflegetechniken bzw. −pfade. Bauliche Maßnahmen: O z. B. Isolierungszimmer mit Schleusen.

6.1.7 Ausbruchsituationen und −management MERKE

Als Ausbruch wird das Auftreten von mehr Krank− heitsfällen als zeitlich oder räumlich zu erwarten wäre, definiert. Häufig ist bereits bei dem Auftre− ten von zwei oder mehr Patienten ein epidemi− scher Zusammenhang zu erwarten. Einen wichtigen Hinweis auf epidemiologische Zusam− menhänge liefert z. B. der Nachweis von Erregern, die ein spezielles Resistenzmuster aufweisen.

Praxistipp Das gehäufte Auftreten nosokomialer Infek− tionen, bei denen ein epidemischer Zusam− menhang wahrscheinlich ist bzw. vermutet wird, muss nach § 6 IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden, damit dieses in die entsprechenden Kontrollmaß− nahmen einbezogen werden kann. FALLBEISPIEL

Im Rahmen der Routinediagnostik werden bei einer stationären, dialysepflichtigen, hochfieberhaften 71− jährigen Patientin grampositive Haufenkokken in der abgenommenen

Blutkultur

gefunden.

Sie

wird

zunächst kalkuliert mit Oxacillin therapiert. Die wei− tere Diagnostik ergibt jedoch, dass es sich um eine Sepsis mit methicillinresistenten Staphylococcus au− reus (MRSA) handelt. Daraufhin wird die Antibiose umgestellt. Um die potenzielle Infektionsquelle zu

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Infektionsprophylaxe

identifizieren, werden Nasen−Rachenabstriche bei der

vor, die auf Verlangen dem Gesundheitsamt vorge−

Patientin, ihrer Bettnachbarin und dem entsprechen− den ärztlichen und pflegerischen Personal abgenom−

legt werden muss (s. S. 175).

men. Zugleich wird die Patientin bis zum Vorliegen des

MERKE

Ergebnisses isoliert. Die mikrobiologische Untersu−

Darüber hinaus ist eine doppelte Meldepflicht ausgewählter Erreger bzw. Krankheiten vorgese− hen, um bundesweit die epidemiologische Dyna− mik kontagiöser Erkrankungen zu erfassen. Diese sieht nach § 6 die Meldung des behandelnden Arz− tes bei entsprechender klinischer Diagnose (ggf. auch bei Verdacht oder Tod), sowie nach § 7 die Meldung des Mikrobiologen bei direktem oder in− direktem Erregernachweis vor.

chung der Abstriche ergeben eine nasale MRSA− Besiedlung bei der betreffenden Patientin und einer Person des Pflegedienstes. Beide werden daraufhin mit einer Mupirocin−haltigen Nasensalbe behandelt und die Pflegekraft wird patientenfern in der Dokumenta− tion eingesetzt.

6.2 Die Infektionsprophylaxe Key Point Infektionsepidemiologische Kenntnisse ermöglichen bei vielen Infektionskrankheiten präventionsmedizinische Maßnahmen, zu de− nen u. a. die Expositions− und Dispositions− prophylaxe sowie Sterilisationen, Desinfek− tionen und andere hygienische Vorgehens− weisen gehören. Um Ausbrüche rechtzeitig erkennen zu können, besteht des Weiteren eine Meldepflicht im Rahmen des Infektions− schutzgesetztes.

179

6.2.2 Die Expositionsprophylaxe MERKE

Die Expositionsprophylaxe soll den Kontakt zu ei− nem Erreger verhindern. Die am häufigsten praktizierte Expositionsprophy− laxe besteht in der Isolierung des infektiösen Pa− tienten. Weitere expositionsprophylaktische Maß− nahmen sind z. B. Desinfektion und Sterilisation, Benutzung eines Moskitonetzes, Anwendung von Insektiziden oder die Tötung infizierter Tiere.

6.2.1 Kontrolle und Überwachung von Infektionserkrankungen

EXKURS

Das frühere Bundesseuchengesetz und das Gesetz

ne Quaranta

zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten wur−

Im Gegensatz zur Isolierung (eines Erkrankten) im

den 2001 durch das Infektionsschutzgesetz (IfSG) abgelöst. Seine Umsetzung ist Aufgabe der Bundes−

Sinne der Expositionsprophylaxe bezieht sich die

länder; die Einhaltung des IfSG obliegt den Leitern der jeweiligen Einrichtungen (meistens Ärztlicher

Quarantäne auf die Isolierung einer gesunden Person, die mit einem Erkrankten in Kontakt gekommen ist.

Krankenhäuser hat durch die Aufstellung von Hy−

Diese Kontaktperson wird fu r die Dauer der Inkuba− tionszeit der betreffenden Krankheit unter Quaranta ne gestellt, um ggf. bei Entwicklung klinischer Symptome

gieneplänen dafür Sorge zu tragen, dass die Aus−

schnellstens  arztlich eingreifen zu ko nnen. Als inter−

breitung nosokomialer Infektionen verhindert wird. Für die praktische Umsetzung der Hygienepläne wird in der Regel ein Krankenhaushygieniker be−

national anerkannte Quaranta ne−Erkrankungen gelten

Direktor). Die jeweilige Hygienekommission der

die Cholera, die Pest und das Gelbfieber.

stellt, der in seiner Aufgabe durch Hygienefach− kräfte und hygienebeauftragte Ärzte unterstützt wird. Das IfSG (§ 23) sieht die kontinuierliche Aufzeich− nung nosokomialer Infektionen mit einem definier− ten Resistenzmuster in einer fortlaufenden Liste

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180

Infektionsprophylaxe

6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

6.2.3 Die Dispositionsprophylaxe

Die passive Impfung

MERKE

MERKE

Als Dispositionsprophylaxe werden alle Maßnah− men verstanden, die zwar den Kontakt zum infek− tiösen Agens zulassen, aber den Ausbruch der entsprechenden Krankheit verhindern sollen.

Die passive Impfung bzw. Immunisierung besteht in der Gabe von Hyperimmunseren (Immunglobu− line), die idealerweise humanen Ursprungs (z. B. von Rekonvaleszenten oder Geimpften) sein soll− ten.

Dazu zählen die aktive und passive Impfung, sowie die Antibiotikaprophylaxe (Chemoprophylaxe). In

Der Vorteil der passiven Immunisierung besteht im

unseren Breiten werden Impfempfehlungen von

sofortigen Schutz; als Nachteil wird die aufgrund

den entsprechenden Kommissionen (in Deutsch−

der Halbwertszeit von Antikörpern nur für einige

land z. B. STIKO = Ständige Impfkommission am

Wochen bis wenige Monate anhaltende Protektivi−

RKI, www.rki.de) empfohlen; eine generelle Impf−

tät angesehen.

pflicht existiert nicht, kann aber in Ausnahmefällen (z. B. Pocken im Rahmen eines bioterroristischen Attentats) angeordnet werden.

Die Antibiotikaprophylaxe Die prophylaktische Gabe von Antiinfektiva ist vor allem in solchen Fällen allgemein akzeptiert, bei

Die aktive Impfung

denen ein Impfstoff nicht zur Verfügung steht und bei denen das Risiko für eine Infektionskrankheit

MERKE

relativ hoch ist. Dazu zählen u. a. die einmalige pe−

Die aktive Impfung bzw. Immunisierung besteht in der Verabreichung des abgeschwächten (at− tenuierten) Erregers (Lebendimpfstoff), in der Gabe eines Totimpfstoffes oder in dem Einsatz von Erregerbestandteilen.

rioperative Antibiotikagabe vor ausgewählten Ope−

Derartige Impfstoffe (Vakzine) regen das Immun− system aktiv zur Bildung einer protektiven Immu−

rationen, die Malariaprophylaxe oder die Rifampi− cin− bzw. Chinolonprophylaxe nach Kontakt mit einem an einer Meningokokkenmeningitis erkrank− ten Patienten.

6.2.4 Sterilisation und Desinfektion

nität an, die meistens – nach Gabe von ein oder

MERKE

zwei weiteren Impfdosen (Boosterung) – lange an−

tionsimpfungen (z. B. postexpositionelle Impfungen oder Reiseimpfungen) unterschieden. Mathemati−

Es muss zwischen den folgenden Begriffen unter− schieden werden: Sterilisation: Abtötung oder Entfernung aller Mikroorganismen bzw. Viren Desinfektion: Entfernung von Krankheitserre− gern Asepsis: Verhinderung der Kontamination

sche Modelle haben ergeben, dass theoretisch min− destens 70 % der Bevölkerung geimpft sein müss−

Eine hygienische Händedesinfektion erfolgt nach

ten, damit sich eine Infektionskrankheit in der

Kontakt mit potenziell kontaminierten Gegenstän−

Population nicht weiter ausbreitet.

den oder Personen. Die Hände werden zuerst mit

hält. Der Nachteil der aktiven Impfung besteht da− rin, dass ein Immunschutz nicht sofort erreicht wird. Bei der aktiven Impfung wird vor allem zwi− schen Regelimpfungen (Impfkalender) und Indika−

Alkohol (60–80 %, s. u.) für mindestens 30–60 Sek. desinfiziert und danach mit Seife gewaschen. Die chirurgische Händedesinfektion soll zur Reduk− tion der Keimzahl führen: Nach gründlichem Wa− schen mit Seife werden die Hände anschließend

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Infektionsprophylaxe

für mindestens 3 Min. mit Alkohol (60–80 %, s. u.)

Die chemischen Methoden

desinfiziert. Für die Sterilisation und Desinfektion werden un−

Die meisten chemischen Mittel (Tab. 6.2) bewirken

terschiedliche physikalische und chemische Metho−

Eiweißreste auf Flächen oder Instrumenten können

den bzw. Wirkstoffe eingesetzt. Die Wirkung ver−

die Wirksubstanz binden und ihren Effekt abschwächen (Eiweißfehler). Für die Auswahl der

läuft zeit−, erreger− und konzentrationsabhängig.

181

eine irreversible Denaturierung von Proteinen.

jeweiligen Substanzen inklusive Konzentrationsan−

Die physikalischen Methoden

gaben und Einwirkungszeiten steht eine vom RKI

Hitze

oder von VAH (Verband für angewandte Hygiene

Eine Hitzebehandlung von Mikroorganismen führt

e.V., www.vah−online.de) herausgegebene Liste zur

aufgrund einer irreversiblen Denaturierung von

Verfügung.

Proteinen zur Abtötung. Die wichtigsten Verfahren

Der Erfolg der Sterilisationsmaßnahme kann durch

sind die Autoklavierung, Trockensterilisation und Pasteurisierung.

Farbindikatoren zur Bestätigung der erzielten Tem− peratur oder durch Sporenpäckchen überprüft wer−

Autoklavierung: Sterilisation mit feuchter Hitze bzw.

den. Letztere enthalten thermostabile Sporen von

mit unter Überdruck stehendem gesättigten Was− serdampf:

Bacillus subtilis oder B. stearothermophilus, die nach

15 Min. bei 121 8C (202 kPa) oder

sein müssten und daher in einem nachfolgenden Kulturansatz nicht wachsen dürften (Vitalitätstest).

5 Min. bei 134 8C (302 kPa) Trockensterilisation:

Sterilisation

einem adäquaten Sterilisierungsvorgang abgetötet

mit

trockener

30 Min. bei 180 8C oder

6.2.5 Lebensmittel− und Wasserhygiene Die Lebensmittelhygiene

3,5 Std. bei 160 8C

Während eines jeden Schritts der Lebensmittelher−

Hitze

Pasteurisierung: Ultrakurzerhitzung von flüssigen Lebensmitteln, vor allem Milch wenige Sekunden auf 80–85 8C erhitzen

Strahlen Nichtionisierende Strahlen, wie z. B. UV−Licht (200– 280 nm), beeinträchtigen die Replikation der DNA. Sie werden vor allem dazu eingesetzt, die Keimzahl der Raumluft zu reduzieren. Die Wirkung ionisierender Strahlen, wie z. B. Gam− mastrahlen oder Korpuskulärstrahlen, ist komplex. Dabei kommt es zur Bildung reaktiver Gruppen, die weitere Reaktionen in Gang setzen, so dass letztendlich DNA und Proteine geschädigt werden. Ionisierende Strahlen werden eingesetzt, um Kunst− stoffe, Verbands− oder Nahtmaterial, sowie be− stimmte Pharmaka zu sterilisieren.

stellung, aber auch während der Lagerung bis zum Verzehr des Lebensmittels durch den Konsumenten kann es zu einer Kontamination mit potenziellen Krankheitserregern kommen. Es muss zwischen drei Situationen unterschieden werden: Lebensmittelverderb: Hier handelt es sich um die Kontamination durch Mikroorganismen, die durch Bildung biogener Amine den Geschmack und das Aussehen eines Lebensmittels beein− trächtigen. Meistens handelt es sich um relativ harmlose Erreger (z. B. Bazillen), die nur selten zu Infektionen führen. Lebensmittelintoxikation: Sie ist durch bakteri− elle Toxine charakterisiert, die im kontaminier− ten Lebensmittel produziert werden und nach Verzehr innerhalb kurzer Zeit zu klinischen

Filtration

Symptomen (relativ harmloser Brechdurchfall

Durch Auswahl von feinporigen Filtern können vor

oder lebensbedrohlicher Botulismus) führen. Die

allem Pilze, Parasiten und Bakterien aus Flüssigkei−

häufigsten bakteriellen Toxine dieser Art sind

ten (z. B. Infusionslösungen, Zellkulturmedien) ent−

hitzestabile Enterotoxine von Staphylococcus au−

fernt werden. Ultrafeinfilter sind darüber hinaus

reus oder Bacillus cereus, sowie das hitzelabile Botulinumtoxin.

auch für die Entfernung größerer Viren geeignet.

Lebensmittelinfektionen: Sie kommen durch Aufnahme kontaminierter Nahrungsmittel, oft

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182

Infektionsprophylaxe

6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Tabelle 6.2

Chemische Methoden zur Desinfektion und Sterilisation Chemisches Mittel

Einsatzmöglichkeit

Alkohole: Ethanol (80 %) oder – geeignet für chirurgische und hygienische Händedesinfektion Propanol (60 %) oder Isopropanol – keine Wirkung gegen Bakteriensporen und unbehüllte Viren (70 %) Aldehyde: Formaldehyd oder Glutaraldehyd oder Glyoxal

– – – –

geeignet zur Desinfektion von Instrumenten und Geräten, sowie für Flächen und Wäsche Gassterilisation Cave: Reizung von Haut und Schleimhaut! bei hoher Konzentration auch wirksam gegen Bakteriensporen

Ethylenoxid

– geeignet zur Behandlung von thermolabilem Material in der Großindustrie (z. B. Sterilisa− tion von Einmalartikel)

Halogene: Chlor oder Jod

– – – –

Oxidationsmittel: Ozon, Wasserstoffperoxid, Kaliumper− manganat, Peressigsäure

– geeignet zur Desinfektion von Schleimhaut, Haut und Wunden

geeignet zur Desinfektion von Trink− und Badewasser (Chlor) geeignet zur Desinfektion von Haut und kleinen Wunden (Jod) wirksam gegen alle Mikroorganismen und Viren Chloramine werden zur Scheuer− und Wäschedesinfektion, sowie zur Desinfektion von Aus− scheidungen eingesetzt

Tenside: anionische, kationische, – Desinfektion von Oberflächen – keine Wirkung gegen M.−tuberculosis−Gruppe, Bakteriensporen und unbehüllte Viren amphotere oder nichtionische Detergenzien Phenolderivate

– Bestandteil von Flächendesinfektionsmitteln und zur Desinfektion von Ausscheidungen – CAVE: toxisch für den Menschen – nicht wirksam gegen Mykobakterien, Bakteriensporen und HBV

tierischen Ursprungs, zustande. Beispiele hierfür

EXKURS

sind die Gastroenteritis durch Salmonellen oder

Das HACCP−Konzept

Campylobacter jejuni. Die Sicherheit von Lebensmitteln ist in verschiede−

Sieben Aktivita ten fu hren zur Umsetzung des HACCP− Konzeptes:

nen Verordnungen geregelt. So muss z. B. gemäß

1. Identifizierung und Analyse der allgemeinen Gefah−

Hackfleischverordnung das Hackfleisch generell am

ren sowie Festlegung der Maßnahmen zu ihrer

Produktionstag verkauft werden. Lebensmittelver−

Beherrschung,

arbeitende

Betriebe

einschließlich

Restaurants

2. Identifizierung der kritischen Punkte (CCP, z. B.

müssen ihre Vorgehensweise dem europäischen

Temperatur, Zeit, pH), 3. Bestimmung der kritischen Grenzwerte fu r die einzelnen kritischen Punkte,

HACCP−Konzept unterwerfen. Hierbei ist vorge− schrieben, dass das Unternehmen selbst kritische Kontrollpunkte festlegt, an denen Proben entnom−

4. Festlegung von regelmäßigen Überwachungs− und

men und untersucht werden.

Kontrollmaßnahmen (z. B. wie oft etwas untersucht

Die derartige Hazard Analysis of Critical Control

werden soll),

Points (HACCP) unterliegt der Dokumentations−

5. Festlegung der im Bedarfsfall zu treffenden

pflicht; die angefertigten Dokumente müssen auf Verlangen den zuständigen Aufsichtsbehörden vor−

Maßnahmen (z. B. wenn bei den Kontrollen Fehler

gelegt werden.

begangen wurden), 6. Festlegung von Überprüfungs− und Revisionsver− fahren, 7. Dokumentation sa mtlicher Verfahren und Messer− gebnisse bzw. andere relevante Werte oder Maßnah− men.

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6 Krankenhaushygiene und Infektionsprophylaxe

Infektionsprophylaxe

Die Wasserhygiene

bzw.

Das Trinkwasser

Schlamm abgetrennt werden können,

Im Gegensatz zu dem alltäglich für Reinigungs−

Desinfektion: Anwendung von Chlor, UV−Be−

und andere Zwecke benutzten Brauchwasser muss

strahlung oder Ozon,

anorganischen

Trübstoffen,

die

183

als

Anwendung von Ionenaustauschverfahren.

Trinkwasser nach der Trinkwasserverordnung u. a. einen mikrobiologischen Mindestqualitätsstandard

Als Mineralwasser wird ein Grundwasser bezeich−

aufweisen.

net, das mehr als 1 g geogene Stoffe pro Kilogramm enthält. Tafelwasser enthält Zutaten wie z. B. Koh− lenstoffdioxid oder Carbonat.

MERKE

Der Mindestqualitätsstandard für Trinkwasser er− laubt eine Höchstkeimzahl von nicht mehr als 100 KBE/ml (KBE= keimbildende Einheiten), wobei je− doch in 100 ml keine Escherichia coli, koliforme Bakterien (= laktosepositiv), Enterokokken oder Clostridium perfringens vorhanden sein dürfen. Insbesondere E. coli, aber auch andere koliforme

Das Badewasser MERKE

Badewasser von Schwimmbädern soll eine Ge− samtbakterienzahl von nicht mehr als 100 KBE/ml aufweisen, wobei in 100 ml keine Escherichia coli, koliforme Bakterien oder Pseudomonas aeruginosa enthalten sein dürfen (DIN 19634).

gramnegative Stäbchen und Enterokokken werden als Fäkalindikatoren angesehen. Pseudomonaden und Legionellen können als Ursache nosokomialer Infektionen u. U. vor allem in Wassertotleitungen bzw. blind endenden Rohren vermehrt nachgewie−

In natürlichen Badegewässern beträgt der Grenz− wert von E. coli 2000 KBE/100 ml und an kolifor− men Keimen 10 000 KBE/100 ml.

Das Abwasser

sen werden. Darüber hinaus dürfen die in Trinkwasser festge− legten Grenzwerte für Nitrat (50 mg/l) und Nitrit

Abwasser wird in der Regel in Kläranlagen so weit

(0,1 mg/l), sowie für Fluorid (1,5 mg/l), Cadmium

Seen, Meere) diese nicht mit pathogenen Erregern

(0,005 mg/l), polyzyklische aromatische Kohlenwas−

belastet. Die Abwasserbehandlung in einer Kläran− lage erfolgt sequenziell in 4 Stufen (Tab. 6.3).

serstoffe (0,0001 mg/l), organische Chlorverbindun− gen

(0,01 mg/l)

und

gereinigt, dass es bei Abgabe in Vorfluter (= Flüsse,

Pflanzenschutzmittel

(0,0005 mg/l) nicht überschritten werden. Die An−

Tabelle 6.3

wesenheit von erhöhten Nitrat−Konzentrationen wird als Indiz für eine übermäßige Düngungsbei− mengung angesehen. Zu viel Nitrat kann u. U. durch Methämoglobinbildung die Sauerstoffsätti− gung im betroffenen Individuum einschränken und durch Umwandlung in Nitrosamin ein kanzeroge− nes Potenzial entfalten. Darüber hinaus muss Trinkwasser geruchlos, gut im Geschmack, klar und farblos sein. Trinkwasser wird meistens aus Grund− oder Ober− flächenwasser aufbereitet. Hierfür können folgende Methoden eingesetzt werden: Filtration: Abtrennung von festen Stoffen durch

Die 4 Reinigungsstufen einer Kläranlage Klärstufe

2. Biologische Reinigung

1. Belebungsbecken: Aerober bakterieller Abbau von Schmutzstoffen 2. Nachklärung: Rückhaltung der Schmutz− stoffe und Bakterien

3. Chemische Reinigung

Entfernung von algenförderndem Phosphat durch Fällung mit Hilfe der Flockungsreakti− on (s. o.)

4. Flockungs− filtration

Rückhaltung u. a. von pathogenen Mikroor− ganismen

Sand− oder Aktivkohlefilter, Flockung: Durch Zugabe von Aluminium− oder Eisensalzen entstehen Flocken aus organischen

Verfahren

1. Mechanische 1. Rechen: Rückhaltung grober Verunreini− Reinigung gungen 2. Sandfang: Rückhaltung von Kies und Sand 3. Ölfang: Rückhaltung von Fett und Öl 4. Sedimentation: Rückhaltung von Schmutzpartikeln

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184

Infektiologie und Krankheitsbilder

Infektiologie und Krankheitsbilder

werden aus bestimmten Gründen organunabhängig abgehandelt (farbige Felder). Es wird darauf hinge−

Nachdem im ersten Teil dieses Buches die Grundla−

wiesen, dass die in diesem Lehrbuch vorgenom−

gen zum Verständnis der Mikrobiologie, Hygiene und Immunologie gelegt wurden, soll nun der

mene Reihenfolge aus didaktischen Gründen in ei−

Schwerpunkt auf die infektiologischen Zusammen−

abweicht. Die ICD−10−Kodierung, auf die der Ge−

hänge gelenkt werden. Wie der nachfolgenden Bildübersicht zu entnehmen ist, werden die mei−

genstandskatalog aufbaut, ist in der Abbildung und

sten der GK−relevanten Erkrankungen organorien−

nigen Fällen von der des Gegenstandskatalogs

in allen nachfolgenden Kapiteln jeweils in eckigen Klammern angegeben.

tiert besprochen (weiße Felder). Einige Erreger

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Kapitel

7

Infektionskrankheiten der Gastroenteralregion 7.1

Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duoodenums 187

7.2

Infektiöse Darmkrankheiten 189

7.3

Krankheiten des Peritoneums 217

7.4

Infektionen der Leber 218

7.5

Krankheiten der Gallenblase, der Gallen− wege und des Pankreas 226

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186

Klinischer Fall

Stäbchen im Kartoffelsalat

zumute. Sie hat Bauchschmerzen und Durchfall. Auch sonst fühlt sie sich nicht wohl. Mir ist schlecht“ sagt sie und verschwindet Richtung Toilette. Als sie zurückkommt klingelt ihr Handy. Was? Max ist in der Klinik? Brechdurchfall? Ja, mir geht es leider auch nicht gut“, spricht sie in den Hörer. Erwin kommt das alles irgendwie spanisch vor, sowohl Mira als auch der Bräutigam sind nach der Hochzeitsfeier an denselben Symptomen erkrankt. Etwa eine Le− bensmittelvergiftung?

Notaufnahme auf Hochtouren Die Assistenzärztin Daniela M. ist im Stress: Ich kann Ursache des Übels: der Kartoffelsalat

es nicht glauben. Das ist heute der sechste Patient mit Brechdurchfall und Fieber!“, berichtet sie ihrem

Rohe Eigelbe ohne Kühlung Was für eine Hitze!“ Frau Müller wischt sich den

Oberarzt. Die junge Medizinerin hat in der Notauf− nahme nur fünf Betten zur Verfügung. Sie kommt

Schweiß vom Gesicht. An dem heißen Julitag hat sie

mit dem Verlegen der Patienten auf die Normalstati−

sich einiges vorgenommen. Sie will für die abendliche

on kaum nach. Es stellt sich heraus, dass alle Patien−

Hochzeitsfeier ihrer Nachbarn den Kartoffelsalat zu−

ten mit fieberhaftem Brechdurchfall am vorigen Tag Gäste derselben Hochzeit waren. Wenn da nicht

bereiten. Holst du mir die großen Glasschüsseln hoch?“, ruft sie ihrem Mann zu, als dieser in den Kel− ler geht, um sich ein kühles Bier zum Mittagessen zu

eine Salmonellose dahinter steckt“, vermutet sie.

holen. Die Nachbarn erwarten 60 Hochzeitsgäste. Nach sorgfältiger Rechnung schneidet Frau Müller 18

Hochzeitsgäste stationär auf. Ihre sorgfältig erhobene Anamnese ergibt, dass alle diese Patienten am Vor−

Kilo warme frisch geschälte Kartoffeln in den Salat

abend den Kartoffelsalat vom Hochzeitsbuffet geges−

hinein und rührt anschließend zehn rohe Eigelbe hin−

sen haben. Sie lässt von allen Kranken Stuhlproben

zu. Und das bei dieser Hitze!“, stöhnt sie, als sie den

entnehmen und kontrolliert die Elektrolyte. Die The−

Kühlschrank öffnet, um die Salatschüsseln hineinzu−

rapie ist symptomatisch: Die Ärztin senkt das Fieber und substituiert Flüssigkeit.

stellen. Erst jetzt sieht sie, dass alle Kühlfächer voller Sektflaschen sind. Für den Kartoffelsalat ist nun wirk−

Insgesamt nimmt Daniela M. an diesem Tag acht

lich kein Platz mehr. Na ja, die vier Stunden bis zur

Salmonellen in allen acht Stuhlproben

Feier wird der es ja wohl aushalten“, sagt sich die er−

Innerhalb von drei Tagen bestätigt sich die Ver−

fahrene Hausfrau und macht sich daran, ihre Garde−

dachtsdiagnose der Ärztin: In Stuhlproben von allen

robe für die Hochzeitsfeier vorzubereiten. Den Kar− toffelsalat lässt sie auf dem Küchentisch stehen.

acht

Patienten

findet

man

das

gramnegative

Stäbchen Salmonella Enteriditis. Außerdem stellt sich heraus, dass außer den acht stationär aufgenommen

Brechdurchfall nach Hochzeitsbuffet

Personen noch 27 weitere Hochzeitsgäste an Brech−

Die Feier war genial!“, freut sich der Cousin des

durchfall erkrankt sind. Zum Glück sind die anderen 27 nicht auch noch in die Notaufnahme gekommen“, stellt Daniela M. erleichtert fest.

Bräutigams Erwin. Doch seiner Schwester Mira, die gestern noch energisch beim Hochzeitswalzer mit− tanzte, ist an diesem Morgen gar nicht zum Lachen

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7 Gastroenteralregion

7

Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duodenums

Infektionskrankheiten der Gastroenteralregion

187

heit oder schweren Grundleiden wie Alkoholismus, Diabetes mellitus, Malignomen oder immunsup− pressiven Erkrankungen.

Als Gastroenteralregion wird der Gastrointestinal−

Die Ösophagitis wird vor allem von den Hefepilzen

trakt einschließlich Leber, Gallenblase und Gallen−

Candida albicans und seltener auch von Candida

wege sowie Pankreas bezeichnet. Das Peritoneum

glabrata oder Candida tropicalis, sowie von den vi−

wird aus didaktischen Gründen ebenfalls in diesem Kapitel abgehandelt.

ralen Erregern HSV (HHV1, s. S. 126) oder CMV

7.1 Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duodenums

raxschmerzen, die meistens Anlass für eine endo−

(HHV5, s. S. 127) verursacht. Leitsymptome sind Schluckbeschwerden und Tho− skopische Untersuchung sind. Makroskopisch fällt die Candida−Ösophagitis durch

Key Point

zusammenhängende, abstreifbare Pseudomembra−

Beim Immunkompetenten ist der Ösophagus nur ausnahmsweise Ziel einer Infektion. Häufigste Ursache einer Ösophagitis ist eine Candida−Infektion. Der Magen ist üblicherweise steril, kann aber Ort einer Helicobacter−pylori−Infektion sein.

nen auf geröteter Schleimhaut auf. Die mikrobiolo−

7.1.1 Ösophagitis und Ösophagusulkus [K 20 und K 22.1]

Infektionen des Ösophagus sind selten und stehen meist im Zusammenhang mit mechanischen Passa− gebehinderungen (Stenose) oder signifikanter Än− derung des lokalen Milieus, z. B. bei Refluxkrank−

Abb. 7.1

gische Diagnose erfolgt aus Bürstenabstrichen oder – bei Ulzerationen – aus Biopsien durch mikrosko− pische und kulturelle Verfahren. Therapie der Wahl ist Fluconazol. Flache, ausgestanzte Ulzera sind hinweisend auf eine HSV−Ösophagitis, die durch HSV−spezifische Immunfluoreszenzverfahren ebenfalls aus Bürsten− abstrichen oder Biopsien bestätigt wird. Therapeu− tisch kommt Aciclovir zum Einsatz. Größere Ulzera finden sich oft bei einer CMV−Infek− tion, die histologisch durch typische Eulenaugen−

Erkrankungen des Gastroenteralbereichs und häufige Erreger

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188

Krankheiten des Ösophagus, des Magens und des Duodenums 7 Gastroenteralregion zellen auffällt (s. S. 415) und meist durch PCR dia−

Ulcus ventriculi: Sofortschmerz nach Nahrungs−

gnostiziert wird. Ganciclovir ist Therapie der Wahl. Sehr selten betrifft eine Systemerkrankung wie z. B.

aufnahme oder nahrungsunabhängige Schmer− zen

Tuberkulose [K 23.0] oder Lues den Ösophagus.

Ulcus duodeni: Spät−, Nacht−, Nüchternschmer−

Die Infektion mit Trypanosoma cruzi kann zur Cha−

zen, Besserung nach Nahrungsaufnahme.

gas−Krankheit führen, ein Megaösophagus [K 23.1] kann die Folge sein (s. S. 448).

7.1.2 Infektionen des Magens und des Duodenums Gastritis und Duodenitis [K 29] Entzündungen von Magen und Duodenum können akut oder chronisch verlaufen. Bei der Gastritis un− terscheidet man drei Formen: Typ A: Autoimmungastritis Typ B: bakteriell bedingte Gastritis (H. pylori) Typ C: chemisch−toxisch bedingte Gastritis (durch NSAR und/oder Gallereflux). Überwiegend wird Helicobacter pylori als Erreger der Gastritis nachgewiesen. Als Spätfolge kann sich eine chronisch atrophische Gastritis entwickeln, die u. U. in ein Adenokarzinom des Magens mündet. MERKE

Erosion: Defekt der Magenmukosa, der die Muscularis mucosae nicht durchdringt. Ulkus: Umschriebener Substanzdefekt, der die Muscularis mucosae durchdringt.

Ulcus ventriculi und Ulcus duodeni [K 25 – K 26] Die chronische Entzündung der Magen− oder Duo− denalschleimhaut als Folge einer Helicobacter−pylo− ri−Infektion kann zur Ulkuskrankheit führen. Ca. 10 % der europäischen Bevölkerung entwickelt mindestens einmal im Leben ein H.−pylori−beding− tes Ulkus. MERKE

Ca. 80 % der Besiedlungen mit H. pylori verlaufen ohne klinische Symptome. Bei 70 % der Patienten mit Ulcus ventriculi wird H. pylori nachgewiesen, beim Ulcus duodeni sind es sogar 95 %.

Helicobacter pylori Bakterien der Gattung Helicobacter sind eng ver− wandt mit Campylobacter und stehen den Vibrio− nen nahe (s. S. 66). Einziger Wirt ist der Mensch. Die Prävalenz der Magenschleimhautbesiedlung mit dem wichtigsten Vertreter der Gattung, H. pylo− ri, ist in den Ländern des Südens im Gegensatz zu den industrialisierten Ländern bereits im Kindesal− ter sehr hoch. In den industrialisierten Ländern korreliert die Prävalenz mit dem Lebensalter, so sind z. B. 40 % der 40−Jährigen kolonisiert. Pathogenität und Virulenzfaktoren y Neben der Beweglichkeit des Erregers, die für die Durchdrin− gung der oberflächlichen Schleimschicht des Ma− gens notwendig ist, stellt die bakterielle Urease einen wichtigen Virulenzfaktor dar. Mit Hilfe dieses Enzyms bildet H. pylori aus Harnstoff Ammoniak, so dass ihm das Überleben in der sauren Umgebung des Magens ermöglicht wird. Darüber hinaus wurde ein so genanntes vakuolisierendes Zytotoxin (VacA) identifiziert, das Epithelzellen zerstört und als Antigen in serologischen Testverfahren eingesetzt wird. Diagnostik y Die Helicobacter−Kolonisierung sollte initial stets gastroskopisch gesichert werden, um ein eventuell bestehendes Adenokarzinom des Ma− gens durch Biopsie auszuschließen. Der Nachweis von Helicobacter kann dann gleichzeitig aus dem Biopsiematerial erfolgen, wobei neben der kulturel− len Anzucht oder dem PCR−Nachweis auch die Fähigkeit von H. pylori zur schnellen Harnstoffspal− tung aufgrund seines Enzyms Urease genutzt wird (Urease: Schnelltest, Abb. 7.2). Falsch positive Ergebnisse des Urease−Schnelltests sind jedoch möglich, z. B. bei Urease produzieren− den Bakterien, die bei Anazidität im Magen nach− weisbar sein können. Da Antibiotika−Resistenzen mit zunehmender Häu− figkeit beobachtet werden, sollte nach Möglichkeit

Im Gegensatz zur eher milde verlaufenden Gastritis

ein Antibiogramm erstellt werden. Hierfür ist die

verursachen Magen− oder Duodenalulzera meistens

Anzucht auf Spezialmedien notwendig.

charakteristische epigastrische Beschwerden:

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

189

Clarithromycin plus Omeprazol. Alternativ kann, vor allem bei Resistenzentwicklungen, Amoxicillin anstelle von Metronidazol oder Clarithromycin ge− geben werden. Alternativ zur Antibiotikagabe kann auch Wismut eingesetzt werden, das ebenfalls eine antibakterielle Wirkung gegen H. pylori hat.

7.2 Infektiöse Darmkrankheiten Key Point

Abb. 7.2 Urease−Schnelltest zum Nachweis von H. pylori in Biopsiematerial. Bei positivem Befund färbt sich der das Biopsat enthaltende Agar auf Grund einer pH−Änderung von gelb nach rot.

Infektiöse Darmkrankheiten gehören zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt (Tab. 7.1). Ihre wirkliche Zahl ist jedoch schwer anzuge− ben, da sie häufig innerhalb von wenigen Ta− gen ohne Therapie ausheilen. Hauptsymptom ist der Durchfall, der je nach Erreger überwie− gend wässrig oder überwiegend blutig− schleimig sein kann. Fieber muss nicht unbe− dingt auftreten. Bakterielle Erreger sind in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern in fal− lender Häufigkeit vor allem Campylobacter, Salmonellen, Escherichia coli, Yersinien und Shigellen.

Tabelle 7.1

MERKE

Da der Erreger außerhalb des menschlichen Körpers schnell abstirbt, müssen die Magenbiop− sien innerhalb von 4 Stunden im Labor sein.

In Deutschland gemeldete infektiöse Darmkrankheiten in 2005 und 2004 Erreger

2005

2004

Norovirus−Gastroenteritis

62 619

64 973

Campylobacter−Gastroenteritis

62 114

55 796

Für das Therapie−Monitoring ist als wenig invasive

Rotavirus−Erkrankung

54 240

37 789

Möglichkeit einerseits der Atemtest (Messung von

Salmonellose

52 245

56 976

markiertem CO2 in der Atemluft nach oraler Auf−

E.−coli−Enteritis

5 881

5 585

C−Harnstoff), andererseits

Yersiniose

5 624

6 184

der Nachweis spezifischer IgG−Antikörper im Serum

Giardiasis

4 517

4 626

nahme von

13

C− oder

14

(z. B. durch Immunoblot, oder ELISA) geeignet. Neuerdings ist auch ein Antigennachweis aus Stuhlproben möglich.

Kryptosporidiose

1 309

936

Hepatitis A

1 217

1 938

Shigellose

1 168

1 151

136

189

0

3

Typhus und Paratyphus

Therapie Erkrankungen, die durch Helicobacter pylori hervor−

Cholera

gerufen werden, können durch eine Kombinations− therapie, bestehend aus zwei Antibiotika plus ei−

7.2.1 Virulenzfaktoren

nem

Um Durchfall auszulösen, müssen Bakterien be−

Protonenpumpeninhibitor,

für

mindestens

sieben Tage behandelt werden: Metronidazol plus

stimmte Virulenzfaktoren (vgl. S. 19) besitzen:

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190

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

Tabelle 7.2

Daneben ist für die Entstehung einer Diarrhö die

Einteilung der Durchfallerreger

Virulenz des Erregers entscheidend. Sie spiegelt sich vor allem an den zur Erkrankung erforderli−

Klinik und Erreger Toxinbildner

kein Fieber, keine Leukozyten im Stuhl

O Zytotoxin

blutige Durchfälle ohne Erbrechen (Clastridium difficile, EHEC)

O Enterotoxin

wässrige Durchfälle und Erbrechen (Vibrio cholerae, ETEC) Hitzelabile Enterotoxine (LT) stimulieren die Adenylatzyklase (R cAMP q). Rezeptor für LT ist das Gangliosid GM1. Hitzestabile Enterotoxine (ST) stimulie− ren die Guanylzyklase (R cGMP q).

chen Infektionsdosen bei gesunden Erwachsenen wider: Shigellen: 10–102 Keime Campylobacter: . 102 Keime Enteritis−Salmonellen: 105 Keime ETEC: 108 Keime Vibrio cholerae: 108 Keime Clostridium perfringens: 1010 Keime.

invasive Erreger

Fieber, Leukozyten im Stuhl

7.2.2 Cholera und andere Erkrankungen durch Vibrionen (vgl. S. 59)

O Eindringen nur in Epithelzellen

blutige Durchfälle mit Schmerzen (Shigellen, EIEC)

Cholera

O tiefes Eindringen wässrige Durchfälle (Salmonellen, Yersinien, Campylobacter)

[A 00]

Epidemiologie und Einteilung Die Cholera ist eine akute Infektionskrankheit des Magen−Darm−Kanals, die sich als oft schwere, toxi−

Adhärenzfaktoren (z. B. Fimbrien): Sie ermögli− chen ein Anheften an die Darmwand. Die Bin− dung erfolgt meistens an spezifische Rezeptoren (Glykoproteine oder −lipide) an der Oberfläche der Epithelzellen. Toxine: Diese werden von vielen Bakterien se− zerniert. Zwei Toxintypen müssen unterschieden werden O Zytotoxine zerstören ihre Zielzellen irreversi− bel. Da auch Endothelzellen der Blutgefäße be− troffen sind, kommt es zu blutigen Durchfällen. O Enterotoxine beeinflussen reversibel den Me− tabolismus der Zielzelle, so dass es zur Hyper− sekretion von Wasser und Elektrolyten in das Darmlumen und damit zu wässrigen Durch− fällen kommt. Invasine: Sie bewirken die Invasion von einigen Bakterien in die Darmwand, so dass diese letzt− endlich intrazellulär vorliegen. Viele invasive Bak− terien können gleichzeitig Toxine produzieren.

sche Enteritis mit exzessiven Wasser− und Elektro− lytverlusten manifestiert. Diese seuchenartig ver− laufende

Erkrankung

hat

sich

seit

dem

19. Jahrhundert vom indischen Subkontinent ausge− hend mehrfach pandemisch ausgebreitet. Die der− zeitige Pandemie ist im Gegensatz zu früheren durch Biovar eltor bedingt.

Praxistipp Da sich die epidemiologische Situation sehr schnell verändert, ist es notwendig, vor Rei− sen aktuelle Informationen einzuholen (tro− penmedizinische Beratungsstellen, außer− dem Informationen im Internet: www.fit− for−travel.de). Vibrionen werden entsprechend ihrer O−Antigene in mehr als 70 Serotypen unterteilt. Die wichtigs− ten Vertreter sind V. cholerae O1 und O139, V. chole− rae Non O1/139 sowie V. fluvialis und V. parahaemo− lyticus.

Praxistipp

Vibrio cholerae O1 beinhaltet zwei biochemisch

Erreger mit ähnlichen Pathogenitätsmecha− nismen erzeugen ähnliche Krankheitsbilder, so dass durch Erfahrung anhand der klini− schen Symptomatik die in Frage kommen− den Erreger eingegrenzt werden können (Tab. 7.2).

unterscheidbare Biovare: Biovar cholerae: von Robert Koch 1884 erstmals kultiviert und als Kommabazillus“ bezeichnet; der klassische Choleraerreger (heute weniger bedeutsam)

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

Biovar eltor: Erreger der derzeitigen 7. Cholera−

Toxin = Exotoxin), das eine A1A2(B)5−Struktur hat.

Pandemie. Letzterer ist zwar weniger virulent als Biovar cho−

Es bindet über den B−Teil an das GM1−Gangliosid

lerae, dafür aber resistenter gegen Umwelteinflüs−

alkalischen Bedingungen ist vorzugsweise der pro−

se.

ximale Dünndarm betroffen.

Pathogenität und Virulenzfaktoren Der Durchfall wird vor allem durch das Cholerato− xin hervorgerufen, das von Vibrio cholerae O1 und Vibrio cholerae O139 gebildet werden kann. Es han− delt sich dabei um ein sezerniertes Enterotoxin (= im Darm wirkendes, vom Bakterium sezerniertes

191

der Membran von Darmepithelzellen. Aufgrund der

Der toxische A−Teil wird abgespalten und in die Zelle geschleust: dort katalysiert er eine ADP−Ribo− sylierung des Gsa−Proteins durch Inaktivierung der GTPase, wodurch die Adenylatzyklase der Wirtszel− le langzeitig aktiviert wird (Abb. 7.3). Durch die da− raus resultierende permanente Erhöhung von cAMP

Abb. 7.3 Wirkungsweise des Cholera− Toxins. a ein Signalmolekül bindet an den Membranrezeptor; b die Unte− reinheiten des Gs−Proteins dissoziie− ren, GDP wird am Gsa−Protein zu GTP phosphoryliert; c Gsa−GTP bildet in Verbindung mit der Adenylatzyklase den aktiven Enzymkomplex, der ATP in cAMP umwandelt; d das Signalmo− lekül dissoziiert vom Membranrezep− tor ab, der Ruhezustand wird wiederhergestellt. Der letzte Schritt wird durch Choleratoxin verhindert: der A−Teil des Choleratoxins kataly− siert eine ADP−Ribosylierung des Gsa− Proteins durch Inaktivierung der GTPase, die Adenylatzyklase der Wirtszelle bleibt aktiviert.

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

in den Darmepithelzellen kommt es zur verstärk−

(Waschfrauenhände), aber auch an den eingefalle−

ten Sekretion von Chlorid/Bicarbonat und der ver− minderten Resorption von NaCl. Wässriger Durch−

nen Augäpfeln (Abb. 7.4) zu erkennen ist.

fall ist die Folge.

Praxistipp

Klinik Eine Gefahr für die Ausbreitung der Cholera be− steht nur in Ländern mit großer Bevölkerungs− dichte, warmem Klima, mangelhafter Trinkwasser− versorgung

und

fehlender

Kanalisation

und

Abwasseraufbereitung. In Nord− und Westeuropa ist deshalb – auch wenn hin und wieder impor− tierte Fälle auftreten – eine Ausbreitung nicht zu befürchten. In den Endemiegebieten erfolgt die orale Aufnahme der Erreger durch verunreinigtes Trinkwasser (oft fäkal verseuchtes Oberflächenwas− ser) und Nahrungsmittel. Der einzige Wirt ist der Mensch. Aber wenn z. B. Abwässer unaufbereitet ins Meer geleitet werden, können auch Meerestiere (z. B. Muscheln) die Erre− ger aufnehmen und roh verzehrt zur Infektions− quelle werden. Nach einer Inkubationszeit von einigen Stunden bis zu 5 Tagen und der Aufnahme relativ hoher Keim− zahlen treten die typischen, immer wässriger wer− denden massiven Durchfälle (10–20 Liter/Tag = Reiswasserstuhl) auf, die eventuell einen fischarti− gen Geruch aufweisen und meistens nicht von Schmerzen begleitet sind. Zusammen mit dem schwallartigen Erbrechen ent− wickelt der Patient sehr schnell eine lebensbedroh− liche Exsikkose, die zunächst leicht an den Händen

Zusammen mit dem massiven wässrigen Durchfall ist das nur geringe oder gänzlich fehlende Fieber für den erfahrenen Infektio− logen unter tropischen Bedingungen bereits ein wichtiges Indiz für das Vorliegen der Cholera. Da der Patient gleichzeitig massiv Elektrolyte ver− liert, kann es schließlich zum Tod durch Kreislauf− versagen kommen. Die dramatische Symptomatik hält in der Regel für 3 bis 4 Tage an. MERKE

Zu beachten ist, dass 90–95 % aller Infizierten gar keine Symptome aufweisen. Dies ist besonders problematisch, da der Erreger 1 bis 2 Wochen un− bemerkt ausgeschieden wird.

Diagnostik Bei Verdacht auf Cholera muss der Stuhl schnell ins Labor transportiert werden, da die Vibrionen leicht absterben. Ein fischig riechender, massiv wässriger Reiswasserstuhl sollte vom Erfahrenen zunächst nativ mikroskopiert werden: Stark bewegliche, fischzugartig angeordnete Bakterien sind ein erster Hinweis für das Vorliegen der Cholera−Erreger. Die Verdachtsdiagnose kann durch den Immobilisa− tionstest erhärtet werden. Dabei nutzt man die ty− pische starke Beweglichkeit der Vibrionen aus: Zu einer wenige Stunden bebrüteten Peptonwasserkul− tur wird spezifisches Antiserum gegeben und das Sistieren der Beweglichkeit im Dunkelfeldmikro− skop verfolgt. Im Grampräparat imponieren Vibrionen als gram− negative kommaartig gebogene Stäbchenbakterien (Abb. 7.5). Die Anzucht erfolgt durch selektive Anreicherung

in alkalischem Peptonwasser: Vibrionen zeichnen sind durch eine Alkalitoleranz aus, d. h. sie wach− sen noch bei pH 9,0, während alle anderen Darm− bakterien bei diesem pH absterben. Zusätzlich wird Abb. 7.4

Tief eingesunkene Augenhöhlen bei Cholera

eine Ausimpfung auf feste Selektivmedien (z. B.

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

193

In einer Ausbruchsituation stellt die Wasserhy− giene die wesentliche Bekämpfungsmaßnahme dar. Zur Prophylaxe wird vor Reisen in Choleragebiete eine Impfung empfohlen, obgleich sie nur einen unvollständigen und nur ca. 6 Monate anhaltenden Impfschutz bewirkt. Es existiert ein Schluckimpf− stoff mit lebenden abgeschwächten Erregern, der in Deutschland zwar noch nicht zugelassen, aber erhältlich ist. Außerdem gibt es einen intrakutan zu applizierenden Impfstoff mit abgetöteten Erre− gern, der aber oft schlecht vertragen wird. Beide Abb. 7.5 Im Grampräparat imponieren Vibrionen als gram− negative kommaartig gebogene Stäbchenbakterien

Impfstoffe vermitteln nur gegen O1−Vibrionen Schutz, jedoch nicht gegen O139. Seit kurzem steht ein oraler Kombinationsimpfstoff zur Verfügung,

TCBS−Agar) vorgenommen. Ein erhöhter Salzgehalt

der einen Schutz gegen ETEC und Cholera ver−

(10 % NaCl) im Medium fördert das Wachstum der

spricht. Cholera gehört zu den internationalen Quarantäne−

halophilen Bakterien. Nach Anzucht der Erreger er− folgt die biochemische Identifizierung (positive Oxidase−Reaktion, bunte Reihe) und die Serotypi−

krankheiten (Beobachtung und Isolation von Perso−

sierung:

Demzufolge sind natürlich auch Verdacht, Erkran− kung, Tod und Erregernachweis gemäß IfSG melde−

Cholera−auslösende

O1−

bzw.

O139−

Stämme agglutinieren mit den gegen O1− bzw. O139 gerichteten Antikörpern. Vibrio−cholerae−Non−O1− und −Non−O139−Bakterien

nen, die Kontakt mit V.−cholerae−Patienten hatten).

pflichtig (s. S. 217).

sind zwar biochemisch identisch mit Vibrio chole−

Andere Vibrionen

rae O1, agglutinieren jedoch nicht mit den gegen

Die übrigen Vibrionen (V. cholerae Non O1/Non

das O1− bzw. O139−Antigen gerichteten Antikör−

O139, V. parahaemolyticus, V. fluvialis u. a.) sind ubi−

pern. Sie wurden früher deshalb auch als NAG− Vibrionen = non agglutinable germs“ bezeichnet.

quitär vor allem in Oberflächengewässern verbrei−

Therapie und Prävention Die Therapie besteht in erster Linie in der Wasser− und Elektrolytsubstitution und der Azidosebehand− lung. Für die Berechnung der ausgeschiedenen Flüssigkeit können spezielle Betten mit einem an der entsprechenden Stelle lokalisierten Auffangloch eingesetzt werden. Für die antibiotische Therapie sind Tetrazykline, evtl. auch Cotrimoxazol oder Chinolone, Mittel der Wahl. Sie verkürzen und vermindern die Erreger− ausscheidung und hemmen möglicherweise auch die Toxinproduktion. MERKE

tet und z. T. obligat halophil. Das gilt auch für V. parahaemolyticus, der in Japan eine Rolle als Durchfallerreger spielt. Diese Vibrionenart wird über kontaminierte Nahrungsmittel (roher Fisch, Sushi“) aufgenommen. Dabei ist jedoch eine hohe Infektionsdosis erforderlich, so dass sich die Bakte− rien vor der Nahrungsaufnahme im Lebensmittel vermehrt haben müssen. Vibrio−cholerae−Non−O1/Non−O139−Bakterien können ein dem Choleratoxin ähnliches Exotoxin produzie− ren und somit Cholera−ähnliche Symptome hervor− rufen. Die übrigen Vibrionen sowie auch Bakterien aus der den Vibrionen nahe stehenden Gattung Ae− romonas rufen ebenfalls Durchfallserkrankungen hervor.

Die Cholera ist eine lebensgefährliche Erkrankung, die unbehandelt eine Letalität von ca. 50 % auf− weisen kann!

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

7.2.3 Infektionen durch Salmonellen (vgl. S. 55) [A 01, A 02]

Kombination aus O, H1 und H2 dann den Namen

Salmonellen sind bewegliche gramnegative Stäb−

der Salmonellen, der bei den meisten ein Ortsname der Erstisolierung ist. Nur bei den ältesten“ Sal−

chen.

monellen hat man die Namen (z. B. S. Typhimurium,

Nach der heute gültigen Taxonomie umfasst die Gattung Salmonella nur eine Spezies (S. enterica),

S. Enteritidis) beibehalten und natürlich bei S. Typhi

die aufgrund biochemischer Merkmale in 7 Sub−

halten.

und S. Paratyphi, da sie den Krankheitsnamen bein−

spezies unterteilt wird. Die Charakterisierung ihrer Oberflächen− (O−) und Geißel− (H−) Antigene er−

H−Phasenvariation bei Salmonellen

möglicht eine weitere Unterteilung der Subspezies

Salmonellen können alternativ zwei serologisch

in Serovare, welche früher speziesspezifisch waren.

unterscheidbare Flagellen ausbilden (H1− und H2− Phase). Das H2−Operon besteht aus einem invertier−

MERKE

baren Promotor, dem Strukturgen für das Flagellin

Man schreibt ausnahmsweise bei Salmonellen den zweiten Namen auch groß (z. B. Salmonella Typhi− murium).

H2 und dem Gen für einen Repressor, der an dem

Die Antigenmuster aller Salmonellen sind im Kauff− mann−White−Schema aufgeführt. Aufgrund ihrer O− Antigene werden sie in Gruppen A, B, C, D usw. eingeteilt. Die H−Antigenmuster kommen in zwei Phasen (H1 und H2) vor. Letztendlich ergibt die

Operator des H1−Operons bindet. Der invertierbare Promotor ist flankiert von inverted repeats“, ge− genläufigen komplementären Sequenzen, und ist assoziiert mit einem Gen für ein Rekombinations− enzym (Invertase, Abb. 7.6). Während der Replikati− on der genomischen DNA bildet der invertierbare Promotor während der DNA−Einzelstrangbildung in seltenen Fällen (ca. 10−5) einen loop“ und tauscht

Abb. 7.7 H−Phasen−Variation bei Sal− monellen: Zeigt Promotor−H2 in die umgekehrte Richtung, dann werden weder Flagellin−H2 noch Repressor H1 gebildet und es erscheinen Salmo− nellen des Phänotyps H1

Abb. 7.6 Der invertierbare Promotor: Er ist flankiert von inverted repeats“, gegenläufigen komplementären Se− quenzen, und assoziiert mit einem Gen für die Invertase

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

die inverted repeats“ aus. Dadurch erhält der Pro−

befallen Knochenmark, Milz, Leber und andere Or−

motor die entgegengesetzte Richtung, die Tran− skription des Gens kann nicht mehr erfolgen.

gane. Diese Vorgänge dauern noch in der ersten

Beim Einschalten“ von Promotor−H2 wird Flagel−

nächst uncharakteristische Symptome wie Bronchi−

lin−H2 und Repressor−H1 gebildet, was zur Repressi−

tis oder Angina zeigen. Dann aber steigt das Fieber

on des H1−Operons führt (Abb. 7.7).

treppenförmig an und bleibt für 1 bis 2 Wochen

195

Krankheitswoche an. Dabei kann der Patient zu−

als Kontinua bei 40–41oC bestehen. Es wird als

Klinische Einteilung Salmonellen führen beim Menschen zu zwei ver−

Kontinua bezeichnet, weil die tageszeitliche Tempe− raturschwankung nur maximal 1oC beträgt.

schiedenen Krankheitsbildern, die aus epidemiolo−

Kopfschmerzen und Somnolenz (typhos = Nebel,

gischen, pathogenetischen, diagnostischen und the− rapeutischen Gründen klar voneinander getrennt

Dunst), Roseolen, eine relative Bradykardie, Leuko− penie, Eosinopenie, relative Lymphozytose und

werden müssen:

Splenomegalie

Zyklische systemische Infektionen, die als Ty−

(Milzschwellung)

sind

weitere

Symptome.

phus und Paratyphus bezeichnet und von S. Ty− phi bzw. S. Paratyphi verursacht werden. lokale Infektionen (akute Gastroenteritis) durch enterische Salmonellen.

Typhus abdominalis und Paratyphus

[A 01]

Diese Erkrankungen spielen in den südlichen Län−

Praxistipp Roseolen, die nur bei weniger als 30 % der Patienten vorkommen, sind für den Typhus pathognomonische, infektiöse, rote Flecken auf der Bauchhaut (Abb. 7.8).

dern nach wie vor eine wichtige Rolle, während sie in Deutschland heute selten sind. Bei den in

Die Bradykardie wird als relativ bezeichnet, weil

Deutschland diagnostizierten Fällen handelt es sich vorwiegend um Rückkehrer aus tropischen/subtro−

der Patient trotz des hohen Fiebers eine normale Pulsfrequenz aufweist. Durchfall tritt zunächst

pischen Ländern.

nicht auf, sondern eher Obstipation.

Zum Vergleich: Inzidenz in Deutschland ca. 0,08/

In der zweiten Krankheitswoche gelangen die Bak−

100 000; in Südostasien ca. 1000/100 000.

terien wieder in den Darm und vermehren sich vor

Epidemiologie und Pathogenität Während S. Typhi und S. Paratyphi B weltweit ver− breitet sind, kommen S. Paratyphi A nur in tropi− schen und subtropischen Ländern und S. Paratyphi C nur im östlichen Mittelmeerraum, Afrika, Asien

allem in den Peyer−Plaques unter Ausbildung von Geschwüren mit der Gefahr der Darmperforation (Typhoid Perforation“). Jetzt erst treten auch breiige Durchfälle auf. Später können sich die Ty− phuserreger im Knochen (häufiger Erreger einer

und Südamerika vor. Der Mensch ist der einzige Wirt, wobei als Infekti− onsquelle vor allem klinisch gesunde Keimträger bzw. Dauerausscheider dienen. Die Erreger können durch direkten Kontakt oder über Gegenstände, vor allem aber durch kontaminiertes Trinkwasser oder – ausnahmsweise – durch kontaminierte Lebens− mittel übertragen werden (fäkal−oraler Weg, epide− mische Ausbreitung!). Die Infektionsdosis liegt bei ca. 1000 Erregern.

Klinik Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 3 Wochen. In die− ser Zeit dringen die Erreger vor allem vom Darm aus über den Lymphweg in die Blutbahn ein und

Abb. 7.8 Roseolen (Pfeile) bei Typhus (mit freundlicher Ge− nehmigung von PD Dr. A. Stich, Würzburg)

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

Osteomyelitis in den Tropen!) oder in der Galle (R

nicht mehr wirksam (Resistenzraten z. B. in Ghana

Dauerausscheider) einnisten.

.95 %!).

Diagnostik MERKE

Bei unklarem Fieber nach Tropenaufenthalt muss neben der Malaria (s. S. 437) und dem Dengue− Fieber (s. S. 392) unbedingt auch an Typhus oder Paratyphus gedacht werden!

Für die Therapie des Erwachsenen werden heute Chinolone (Ciprofloxacin) eingesetzt. Alternativthe− rapeutika – insbesondere bei Kindern – sind vor al− lem Cephalosporine, ggf. auch Aminopenicilline oder Cotrimoxazol. Eine Testung des jeweiligen Stammes ist jedoch erforderlich, da Resistenzen vorkommen. Eine Sanierung von Dauerausscheidern ist mit Hilfe

Bei Verdacht müssen in der ersten und zweiten

von Chinolonen (z. B. Ciprofloxacin) oder durch operative Entfernung der besiedelten Gallenblase

Krankheitswoche Blutkulturen zum Erregernach−

möglich.

weis untersucht werden.

Für die Impfung gegen Typhus, die als Reiseimp−

Im Laufe der Erkrankung werden typhöse Salmo− nellen dann auch mit dem Urin und der Galle aus− geschieden.

fung empfohlen wird, steht einerseits ein oral zu

Ab der zweiten Krankheitswoche können die Bak−

besteht auch die Möglichkeit der parenteralen Imp−

terien aus Stuhl kulturell nachgewiesen werden.

fung mit Kapselantigen (Vi), deren Wirkung zwei

Bei der weiteren biochemischen Untersuchung un− terscheidet sich S. Typhi in einigen Reaktionen von

bis drei Jahre anhalten soll (gegenüber nur einem Jahr bei dem oral zu verabreichenden Impfstoff).

den übrigen Salmonellen. Die endgültige Identifi−

Der Vi−Impfstoff wird neuerdings auch als Kombi−

zierung erfolgt durch Serotypisierung, wobei S. Ty−

nationsimpfstoff zusammen mit HAV−Vakzinierung

phi außer O− und H−Antigenen noch ein Kapselanti− gen (Vi−Antigen) besitzt.

angeboten.

verabreichender Impfstoff aus lebenden, abge− schwächten Erregern zur Verfügung. Andererseits

Praxistipp: Praxistipp Da es sich bei Typhus und Paratyphus um systemische Infektionen handelt, kommt es auch zur Antikörperbildung. Diese lässt sich in Nicht−Endemiegebieten diagnostisch nut− zen, wenn zu Beginn der Erkrankung und nach ca. 2 Wochen Serum gewonnen wird.

Die Impfung gegen Typhus ist nicht wirk− sam gegen Paratyphus.

Salmonellen−Gastroenteritis

[A 02]

Im Gegensatz zu Typhus und Paratyphus haben Er− krankungen durch Enteritis−Salmonellen hierzulan− de vor allem ab Mitte der 80 er Jahre stark zuge− nommen (1985 ca. 30000 Fälle, 2005 ca. 52000

Die Titerbestimmung erfolgt mit Hilfe einer Anti−

Fälle). Enteritische Salmonellen sind damit zusam−

gen−Antikörper−Agglutinationsreaktion, der Widal−

men mit Campylobacter die häufigsten Erreger ei−

reaktion (aufgrund der hohen Durchseuchung in

ner bakteriellen Gastroenteritis in Deutschland.

tropischen Endemiegebieten ist die Widalreaktion dort jedoch nicht aussagekräftig für die Akutdiag− nostik).

Epidemiologisch ist interessant, dass bis ca. 1985 S. Typhimurium am häufigsten nachgewiesen wur− de, in 2003 aber S. Enteritidis für 66,9 % und S. Ty−

Therapie und Prävention Vor allem aufgrund der drohenden Darmperfora− tion liegt die Letalität des Typhus unbehandelt bei

phimurium für 19,3 % aller Infektionen mit S. enteri− ca in Deutschland verantwortlich war.

Epidemiologie und Pathogenität

15 %. Das in tropischen Endemiegebieten vielfach

Enteritis−Salmonellen sind ubiquitär im Tierreich

eingesetzte Chloramphenicol ist dort meistens

weit verbreitet. Die Infektion der Tiere, vor allem von Geflügel und Rindern, erfolgt über die Futter−

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

mittel. Da beim gesunden, erwachsenen Menschen

Enteritis−Salmonellen können im Anschluss an die

nur eine hohe Infektionsdosis (mindestens 105

akute Erkrankung in Knochen oder Gallenblase per−

Bakterien) zur Erkrankung führt, ist eine Vermeh−

sistieren (jedoch sehr viel seltener als bei S. Typhi).

rung der Salmonellen in Nahrungsmitteln notwen− dig. Während S. Typhimurium vor allem durch Rindfleisch übertragen wird, spielen für S. Enteriti− dis vor allem Produkte eine Rolle, die mit rohen Eiern hergestellt werden (Eis, Mayonnaise oder Cremes). Aber auch durch Geflügel (v. a. Hähn− chen), Hackfleisch und andere Nahrungsmittel (Teigwaren, Schokolade) kann S. Enteritidis übertra− gen werden.

197

Diagnostik Bei der akuten Gastroenteritis kommt als Untersu− chungsmaterial in der Regel nur Stuhl (evtl. Erbro− chenes, Lebensmittel) in Betracht. Um die Salmo− nellen unter der Vielzahl der Darmbakterien herauszufinden, müssen Selektivmedien (z. B. En− do−, McConkey−, SS− oder Leifson−Agar) eingesetzt werden. Auf dem Endo− oder McConkey−Agar sind laktosenegative (helle) Kolonien verdächtig, andere Nährböden (SS−Agar) nutzen die Fähigkeit der Sal−

Praxistipp S. Enteritidis hat eine hohe Temperaturtole− ranz (Wachstum bei 6–478C), so dass es bei Kühlschranktemperaturen mehr als eine Woche überlebt! Darüber hinaus können Eier transovariell bereits mit Salmonellen infiziert sein oder die Salmonellen können später durch die Schale einwandern. Da sie sich dann sekundär in den Eiern ab .6 8C vermeh− ren, ist eine Kühllagerung der Eier auch im Super− markt unbedingt zu fordern.

Klinik Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt weni− ge Stunden bis drei Tage. Bedingt durch die Einwanderung der Salmonellen in die tiefen Darm−

monellen zur H2S−Bildung aus, wobei durch chemi− sche Reaktionen schwarze Kolonien entstehen (Abb. 7.9).

MERKE

Die verdächtigen Kolonien werden biochemisch und serologisch weiter untersucht und nach Fest− stellung ihres vollständigen Antigenmusters an− hand des Kauffmann−White−Schemas benannt (s. S. 55). Eine Antikörperbildung ist bei der Gastroenteritis in der Regel nicht feststellbar, kann aber bei septi− schen Verlaufsformen oder bei eventuell später eintretenden Komplikationen (z. B. reaktive Arthri− tis) nachweisbar sein.

wandschichten unter Schonung der oberflächli−

Therapie und Prävention

chen, gefäßreichen Darmepithelschicht und evtl. auch bedingt durch die Enterotoxinproduktion set−

Bei sonst gesunden Erwachsenen und größeren Kindern wird bei der Enteritis−Salmonellose i.d.R.

zen dann akut wässrige, meist nicht blutige

keine antibiotische Therapie durchgeführt, da diese

Durchfälle und Erbrechen ein. Das in der Regel auf− tretende Fieber kann auf 39–408C ansteigen. Wasser− und Elektrolytverlust sowie die Endotoxin− resorption bewirken eine Herz− und Kreislauf− schwäche, die zum Tod älterer Patienten führen kann. Abwehrgeschwächte Patienten entwickeln häufig septische Verlaufsformen; bei Säuglingen kann es darüber hinaus auch zur Meningitis kom− men. Als Komplikation kann eine reaktive Arthritis auf− treten (s. S. 303).

Abb. 7.9

Wachstum von Salmonellen auf SS−Agar

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

die akuten Symptome nicht beeinflusst und die

7.2.4 Shigellose (bakterielle Ruhr) (vgl.S. 56)

Ausscheidungszeit sogar verlängert wird. Es reicht aus, sich auf symptomatische Maßnahmen (vor al−

Im Gegensatz zu den enteritischen Salmonellen

lem Wasser− und Elektrolytersatz) zu beschränken.

und Yersinien gibt es bei den Shigellen kein tieri−

[A 03]

sches Reservoir, d. h. sie kommen nur beim Men− schen vor und können z. B. durch kontaminiertes

Praxistipp

Wasser oder Lebensmittel oral übertragen werden.

In der Regel erfolgt bei sonst gesunden Er− wachsenen und größeren Kindern keine an− tibiotische Therapie.

Für die Entstehung klinischer Symptome ist eine

Bei der septischen Verlaufsform, die vor allem bei

sehr geringe Dosis von nur 10–200 Erregern aus− reichend, weil die Erreger relativ säurestabil sind und daher die Magenpassage gut überstehen. Auf− grund der für eine Erkrankung erforderlichen ge−

stets antibiotisch therapiert werden: beim Erwach−

ringen Keimzahl können Fliegen und andere Ar− thropoden als mechanische Vektoren dienen, wenn

senen mit Chinolonen, bei Kindern mit Cotrimoxa−

an ihrer Oberfläche die entsprechende Keimmenge

zol, Cefotaxim oder Aminopenicilline. Eine Testung der Antibiotikaempfindlichkeit ist in diesen Fällen

haftet.

Immunsupprimierten vorkommt (z. B. AIDS), muss

erforderlich.

Epidemiologie Obwohl die Shigellose weltweit vorkommt, werden

Meldepflicht Dauerausscheider und Keimträger

die meisten Erkrankungen in Deutschland bei Rei−

Als Dauerausscheider werden Menschen bezeich−

serückkehrern besonders aus Ägypten, Tunesien,

net, die länger als 10 Wochen nach der Erkrankung

Türkei und Indien diagnostiziert.

noch die Bakterien ausscheiden. Sie werden regel−

Shigellen sind mit Escherichia coli eng verwandt

mäßig vom Gesundheitsamt überwacht.

(s. S. 57). Es werden vier Spezies unterschieden, die

Bei Typhus/Paratyphus werden die Patienten häufi− ger (5–10 %) zu Dauerausscheidern, bei der Salmo−

aufgrund ihrer O−Antigene in mehrere Serovare un− terteilt werden können. Dabei ist Shigella sonnei

nellen−Enteritis nur in ca. 0,1 % der Fälle.

mit ca. 70 % in Deutschland die weitaus häufigste

Keimträger (Ausscheider) sind gesunde Menschen, bei denen durch Zufall (z. B. bei der Untersuchung vor der Arbeitsaufnahme im Lebensmittelgewerbe)

S. dysenteriae (ca. 2 %). Die durch Shigellen verur− sachten Erkrankungen werden auch als bakteriell

Salmonellen nachgewiesen werden.

bedingte Ruhrerkrankungen bezeichnet. Sie sind in

Art vor S. flexneri (ca. 20 %), S. boydii (ca. 8 %) und

Deutschland im Vergleich zu den enteritischen Sal−

Praxistipp Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG, www.rki.de) ist der klinische Verdacht oder die Erkrankung vom behandelnden Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu melden, wenn eine Person in einem lebensmittelver− arbeitenden Betrieb beschäftigt ist oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkran− kungen auftreten, für die ein epidemiologi− scher Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Dies gilt auch für die anderen Enteritis−Erreger (s. S. 217).

monellen selten (Tab. 7.1).

Pathogenität und Virulenzfaktoren Shigellen sind ebenso wie Salmonellen invasive Er− reger, die das Zytoskelett der Wirtszelle derart ma− nipulieren, dass ihre Invasion und anschließende transzelluläre Ausbreitung im gefäßreichen, ober− flächlichen Darmepithel durch Aktinkondensierung (ähnlich wie bei Listerien, s. S. 49) induziert wird. Für die klinische Symptomatik der besonders schwer verlaufenden Infektion mit S. dysenteriae ist vor allem das Shigatoxin verantwortlich: Es han− delt sich dabei um einen Virulenzfaktor mit zyto− und enterotoxischer Aktivität, der eisenabhängig exprimiert wird.

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

Gelangen Shigellen auf unsere Schleimhäute oder

genstände, WC und andere Utensilien der Erkrank−

in die Blutbahn, so kommt es u. U. mit Laktoferrin oder dem Transferrin zur Konkurrenz um frei ver−

ten desinfiziert und die Wäsche entweder bei mehr als 60 oC gewaschen oder alternativ für mindestens

fügbare Eisenionen. Der für das Bakterium resultie−

12 Stunden in Desinfektionslösung gegeben wer−

rende Eisenmangel führt zur Expression des Toxin−

den.

gens.

Wie für alle Gastroenteritiden gilt auch hier, dass

199

gemäß IfSG der Verdacht und die Erkrankung an

Klinik Nach oraler Aufnahme invadieren die Erreger zu− nächst in das gefäßreiche oberflächliche Darmepi− thel des terminalen Ileums und besonders des Ko− lons und führen nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen zu häufigen, erst wässrigen, dann schlei− mig−blutigen

Durchfällen

mit

schmerzhaften

Krämpfen. Im Dickdarm können sich Geschwüre oder nekrotische Veränderungen ausbilden. Die Er− reger gehen i.d.R. nicht ins Blut über. Wenn nach 1 bis 2 Wochen die Symptome abklingen, kann sich eine chronische Verlaufsform mit gastrointestinalen Irritationen entwickeln.

das Gesundheitsamt gemeldet werden muss, wenn der Patient in der lebensmittelverarbeitenden In− dustrie beschäftigt ist oder wenn mindestens zwei Erkrankungen im zeitlichen und geographischen Zusammenhang stehen. Darüber hinaus muss das Labor bei der Shigellose den direkten oder indirek− ten Erregernachweis melden.

7.2.5 Darminfektion durch Escherichia coli [A 04]

Bestimmte Subtypen von E. coli haben als Durch− fallerreger große Bedeutung. Sie werden stets als

Diagnostik

exogene Erreger direkt, über Nahrungsmittel oder über Wasser fäkal−oral übertragen und in Abhän−

Shigellen sterben in Stuhlproben leicht ab, da sie

gigkeit ihrer Pathogenitätsmechanismen (Abb. 7.10)

hier durch Bakteriophagen lysiert werden können.

in Pathovare unterteilt (vgl. S. ).

Es ist deshalb besser, Schleimfetzen, Rektalabstri− che oder Biopsiematerial zu untersuchen und die

Enteropathogene Escherichia coli (EPEC)02_062

Transportzeit in das Labor sehr kurz zu halten!

EPEC (= Enteropathogene E. coli oder früher Dys−

Shigellen sind unbewegliche, kapsellose, gramnega−

pepsie−Coli) zerstören durch ihre Anheftung den

tive Stäbchen aus der Familie der Enterobacteria−

Bürstensaum vor allem im unteren Dünndarm. Sie

ceae, die sich biochemisch und serologisch (O−Anti− gene) gegen andere Enterobacteriaceae und

werden als Erreger schwerer, früher oft epidemisch auftretender Enteritiden bei Säuglingen gefunden.

untereinander abgrenzen lassen. Die Anzucht der

Für ältere Kinder und Erwachsene sind sie apatho−

Shigellen ist unproblematisch, erfolgt aber auf Se− lektivnährböden (Endo−, McConkey−, SS− oder Leif−

gen. Für die Diagnostik ist der Erregernachweis notwen−

son−Agar). Aufgrund ihrer nur geringen Immunoge−

dig, da sich das Krankheitsbild klinisch nicht von

nität

Enteritiden durch andere Erreger unterscheiden

sind

serologische

Untersuchungen

zum

Nachweis einer Shigellose nicht sinnvoll.

Therapie und Prävention Die bakterielle Ruhr wird in der Regel immer anti− biotisch behandelt. Da die Erreger oft sehr resistent sind, muss eine Testung durchgeführt werden. Wenn als wirksam getestet, kommen Chinolone, Ampicillin, Cotrimoxazol oder Tetrazykline in Frage. Da für eine Erkrankung nur sehr geringe Keimzah− len ausreichen, spielen für die Verhinderung der Ausbreitung der Erkrankung neben der Antibiose die Händehygiene und Fliegenbekämpfung eine wichtige Rolle. Aus diesem Grund sollten auch Ge−

lässt. Zur Feststellung des Serotyps angezüchteter E. coli−Stämme werden die O−Antigene (z. B. O 55 und O 111) mittels Agglutinationsreaktion be− stimmt. Da die Coli−Dyspepsie ein schweres Krankheitsbild darstellt, ist eine antibiotische Therapie bei nach− gewiesener in−vitro−Empfindlichkeit z. B. mit Ampi− cillin oder Cotrimoxazol angezeigt.

Enterotoxische Escherichia coli (ETEC) ETEC (= Enterotoxische E. coli) sind für die so ge− nannte Reisediarrhö verantwortlich. Gebräuchliche

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200

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion Abb. 7.10 Pathogenitätsmechanismen der verschiedenen E. coli−Typen: a enterotoxi− sche E. coli (ETEC), b enterohämorrhagi− sche E. coli (EHEC), c enteropathogene E. coli (EPEC), d enteroinvasive E. coli (EIEC)

Namen für diese Erkrankung sind auch Inkas

wenn andere Ursachen bzw. Erreger oder Toxine

Quickstep“ oder Montezumas Rache“.

ausgeschlossen sind. Die Therapie erfolgt meistens symptomatisch (Flüs−

MERKE

sigkeits− und Elektrolytausgleich), in schweren Fäl−

T = Tropen bei ETEC

len kommen insbesondere Chinolone infrage. Seit kurzem steht ein oraler Kombinationsimpfstoff zur

ETEC heften sich mit ihren Fimbrien fest an die Darmepithelien an und produzieren dann ein hit−

Verfügung, der einen Schutz gegen ETEC und Cho− lera verspricht.

zestabiles und zwei hitzelabile Enterotoxine (ST und LTI/II): die Struktur von LTI entspricht der des

Enteroinvasive E. coli (EIEC)

Choleratoxins, so dass es gemeinsam mit den bei− den anderen Toxinen die Physiologie der Darmepi−

EIEC (= Enteroinvasive E. coli) invadieren in die

thelzellen in ähnlicher Weise wie Choleravibrionen

wie Shigellen oder Listerien: Molekularbiologische

manipuliert (s. S. 191). Die Reisediarrhö verläuft da−

Untersuchungen haben gezeigt, dass EIEC und Shi− gellen sogar fast identisch sind. EIEC lösen ruhrähnliche, blutige Diarrhöen aus.

her ähnlich wie bei der Cholera als wässriger Durchfall ohne Fieber.

Darmepithelzellen und verhalten sich dann ähnlich

Die Diagnostik gestaltet sich schwierig, da andere E. coli−Stämme als normale Kommensalen ja ohne−

Für die Diagnostik gilt, ebenso wie bei ETEC, dass

hin bei jedem Menschen im Darm vorkommen und die Subtypisierung in der Regel nicht routinemäßig

insbesondere dann, wenn andere Ursachen bzw. Er−

durchgeführt wird. Daher beruht die Diagnose

sind.

intestinaler E. coli−Infektionen meistens primär auf

Die Therapie erfolgt meist symptomatisch (Flüssig−

den klinischen Symptomen, insbesondere dann,

keits− und Elektrolytausgleich), in schweren Fällen

sie primär auf den klinischen Symptomen beruht, reger – in diesem Fall Shigellen – ausgeschlossen

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7 Gastroenteralregion kommen auch hier insbesondere Chinolone zum Einsatz.

Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) Diese Bakterien wurden in der letzten Zeit gehäuft

Infektiöse Darmkrankheiten

201

MERKE

Aus diesem Grund ist HUS die häufigste Ursache des akuten Nierenversagens im Kindesalter (Esels− brücke: H = HUS = hämo“).

vor allem bei Kindern mit blutigen Durchfällen nachgewiesen. EHEC (= Enterohämorrhagische E.

Eine gezielte EHEC−Diagnostik sollte bei folgenden

coli) produzieren ein phagenkodiertes, dem Shiga− toxin ähnliches Zytotoxin (Shiga−Toxin). Da dieses

Patienten durchgeführt werden: Durchfall mit hämolytischer Anämie

Toxin auch zytotoxisch gegen die im Labor häufig

Nierenversagen und/oder

verwendeten Verozellen (Affennierenzellen) wirkt, wird es auch als Verotoxin“ bezeichnet. Dieses

Kontakt zu EHEC−positiven Personen. Das gilt ganz besonders für Kinder, die jünger als 6

Exotoxin führt zur Hemmung der Proteinsynthese

Jahre alt sind. Die Labordiagnose beruht auf dem

eukaryonter Zellen, besonders im kapillaren Endo−

kulturellen Nachweis entsprechender Serotypen

thel. Außerdem kann es zu Epithelschäden im Ko−

(Agglutination: am häufigsten liegt Serotyp O157

lon, ggf. mit Darmperforation, kommen. Erst An− fang der 80 er Jahre wurde die Verotoxinbildung

vor) und/oder dem Nachweis des Toxins bzw. des

bei bestimmten E.−coli−Serotypen (besonders O157)

Toxin−ELISA, Kolonie−Immunoblot oder die PCR zur Verfügung.

nachgewiesen und mit bestimmten Krankheitsbil− dern in Zusammenhang gebracht. EHEC wird vor allem in Rindern, Schafen und Zie− gen gefunden und kann durch kontaminierte Le− bensmittel, vor allem Rohmilchprodukte, auf den Menschen übertragen werden. Eine direkte fäkal− orale Übertragung von Mensch zu Mensch ist ebenfalls möglich. Ein epidemiologisches Problem sind infizierte Personen ohne klinische Symptoma−

Toxingens in Stuhlproben. Hierfür stehen u. a. ein

Praxistipp Antibiose stimuliert die Toxinproduktion und verschlechtert daher die Symptomatik. Aus diesem Grund werden in der Regel bei EHEC−Infektionen keine Antibiotika gege− ben, sondern symptomatisch, ggf. durch forcierte Diurese oder Dialyse, therapiert.

tik, weil sie den Erreger für 5–20 Tage ausscheiden können. Bei allen anderen Patienten können nach einer In−

Als Prävention kommen vor allem lebensmittelhy− gienische Maßnahmen und der Verzicht auf Roh−

kubationszeit von 1–3 (selten 8) Tagen blutige

milchprodukte und rohes Fleisch in Betracht.

Durchfälle mit Übelkeit und Abdominalschmerzen entstehen; Fieber ist eher selten. Bei 10–20 % der

Bei HUS besteht eine doppelte Meldepflicht gemäß IfSG: Verdacht, Erkrankung und Tod muss der Kli−

Patienten kommt es zu einer schweren Verlaufs−

niker, den direkten oder indirekten EHEC−Nachweis

form, die sich als hämorrhagische Kolitis mit Fieber

das Labor melden (s. S. ).

manifestiert. 5–10 % der Infizierten ein hämolytisch−urämisches

7.2.6 Enteritis durch Campylobacter (vgl. S. 66) [A 04.5]

Syndrom (HUS), das durch die Trias hämolytische Anämie Nierenversagen und

Die Bakterien der Gattung Campylobacter stehen den Vibrionen nahe. Campylobacter sind gramne− gative, S−förmige, spiralig gekrümmte Stäbchen, die

Unabhängig vom vorherigen Verlauf entwickeln

thrombotisch−thrombozytopenische Purpura

nur unter strikt mikroaerophilen Bedingungen

charakterisiert ist. 10 % der Fälle verlaufen tödlich.

wachsen. Die für den Menschen wichtigsten Arten

Das HUS tritt vor allem bei Kindern auf, weil im

sind C. jejuni und sehr viel seltener C. coli.

jungen Lebensalter die Nierenepithelzellen die ent−

Campylobacter kommt vor allem bei Geflügel

sprechenden Rezeptoren vermehrt exprimieren.

(Pute, Hühner, Enten, Gänse), aber auch bei Scha− fen, Kühen, Schweinen, Hunden und Katzen vor. Die Übertragung auf den Menschen kann z. B.

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202

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

durch nicht genügend gegartes Geflügelfleisch,

heiten wie die reaktive Arthritis und das GBS wer−

nicht pasteurisierte Milch oder durch kontaminier− tes Trinkwasser erfolgen; auch eine Übertragung

den serologisch diagnostiziert (z. B. Immunoblot).

von Mensch zu Mensch ist möglich.

Therapie und Prävention Eine antibiotische Therapie ist in leichten Fällen

Pathogenität und Virulenzfaktoren

nicht indiziert; bei hohem Fieber und schwerem

Die Pathogenität von C. jejuni ist relativ hoch (In−

Verlauf sind Makrolide (z. B. Erythromycin) Mittel

fektionsdosis = 500 Erreger). Dabei spielt seine Be−

der Wahl; alternativ kommen Ampicillin, Amino−

weglichkeit eine große Rolle, durch die der Erreger

glykoside, Tetrazyklin und Chinolone in Betracht.

die über dem Darmepithel liegende Schleimschicht

Bei Letzteren sei auf die Möglichkeit der Resistenz−

durchdringen kann. Campylobacter dringt anschlie−

entwicklung hingewiesen.

ßend in die tieferen Schichten der Darmmukosa ein, produziert ein Zyto− und mehrere Enterotoxine

Für die Verhinderung der Infektion sind allgemeine Maßnahmen der Hände− und Lebensmittelhygiene

und vermehrt sich intrazellulär.

einzuhalten. Eine Betriebshygiene bei der Geflügel− schlachtung und Milchgewinnung ist unerlässlich.

Klinik Nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen kommt es bei einer Infektion mit C. jejuni, C. coli, C. lari

Prinzipiell sollte nur ausreichend erhitztes (Geflü− gel−) Fleisch gegessen werden.

und einigen anderen Campylobacter−Arten zu− nächst zu Prodromi, die sich initial als starke Kopf−

Praxistipp

und Gelenkschmerzen manifestieren. Danach ent− wickelt sich dann sehr schnell hohes Fieber (bis blutig−schleimigen

Das ausreichende Erhitzen ist gerade vor dem Hintergrund der sehr hohen Nachweis− rate von C. jejuni (50–60 %!) in Geflügelpro− ben von Bedeutung.

Stühlen sowie periumbilikalen und kolikartigen Schmerzen gesellt. In der Folge kann eine reaktive

Der Verdacht und die Erkrankung einer Gastroente−

aseptische Arthritis auftreten.

ritis sind gemäß IfSG vom Kliniker dem Gesund−

Außerdem ist C. jejuni an der Pathogenese des Guil−

heitsamt zu melden, wenn der Patient in einem le−

lain−Barr−Syndroms (GBS) beteiligt. Hierbei han−

bensmittelverarbeitenden

delt es sich um eine Polyradikuloneuropathie durch multifokale Entzündungen der Markscheiden peri−

wenn mindestens zwei im epidemiologischen Zu− sammenhang stehende Erkrankungen auftreten.

pherer Nerven und Spinalganglien mit daraus re−

Das Labor muss den direkten oder indirekten Erre−

sultierender schlaffer Lähmung.

gernachweis melden.

408C), zu der sich eine Enteritis mit zunächst wässrigen,

dann

eventuell

Betrieb

arbeitet

oder

MERKE

7.2.7 Enteritis durch Yersinien (vgl. S. 363)

C. jejuni ist an der Pathogenese des Guillain− Barr−Syndroms (GBS) beteiligt.

Yersinien kommen bei verschiedenen Tieren vor,

[A 04.6]

die Bei vielen Menschen verläuft die Infektion zwar oft auch ohne Symptome, der Erreger kann aber für 2–4 Wochen ausgeschieden werden.

Diagnostik Für die Anzucht von C. jejuni aus Stuhlproben sind Spezialmedien notwendig, die bei 37 8C und 42 8C bebrütet werden. Die Kolonien sehen wie Flüssigkeitströpfchen aus und sind oxidase− und katalase−positiv. Folgekrank−

darmpathogenen

Formen

besonders

bei

Schweinen (Anthropozoonose). Die Infektion des Menschen erfolgt durch Verzehr ungenügend er− hitzter tierischer Lebensmittel.

Pathogenität und Virulenzfaktoren Für die Pathogenität der Yersinien ist das Vorhan− densein von drei Virulenzplasmiden notwendig. Das klassische Virulenzplasmid kodiert innerhalb einer bestimmten Region die Gene für so genannte Yops (Yersinia outer protein). Da die Yops wichtige Virulenzfaktoren darstellen (z. B. Interaktion mit

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

203

Signaltransduktionskaskaden der Wirtszelle, Auf− bau des bakteriellen Typ−III−Sekretionssystems oder Effekt als Zytotoxine), wird eine solche Region auch als Pathogenitätsinsel bezeichnet. Darüber hinaus kann noch ein größeres Plasmid vorkommen, wel− ches für ein Kapselprotein kodiert und damit anti− phagozytisch wirkt. Ein drittes, kleineres Plasmid weist Gene für Pesticin (ein Bacteriocin) und für eine Koagulase auf. Für die Vermehrung des Pester− regers im Floh und seine Übertragung auf den Menschen spielt der Virulenzfaktor Koagulase eine zentrale Rolle (vgl. Pest s. S. 363).

Klinik Die enterale Yersiniose kommt als einzige infek− tiöse Durchfallerkrankung in den kälteren Ländern häufiger vor als in den warmen, vor allem im Herbst und Winter. Yersinia enterocolitica wird besonders bei Säug− lingen und Kindern gefunden, bei denen der Er− reger nach einer Inkubationszeit von 2–3 Tagen eine akute meist wässrige Enteritis oder Entero− kolitis mit Fieber verursacht. Yersinia pseudotuberculosis kommt eher bei Ju− gendlichen und Erwachsenen vor und ist Ursa− che einer akuten terminalen Ileitis mit mesente− rialer

Lymphadenitis

und

evtl.

mit

den

Symptomen einer Appendizitis. Das akute Krankheitsbild besteht meistens für

Abb. 7.11 Erythema nodosum an den Unterschenkelstreck− seiten (aus Moll: Duale Reihe Dermatologie)

3–10 Tage und heilt dann spontan ab. Als Folgeer−

Die Anzucht der Erreger erfolgt auf Selektivmedien

krankungen tritt bei ca. 25 % der Patienten nach

bei 22–28 8C oder/und als Kälteanreicherung bei

1–2 Wochen eine reaktive Arthritis mit oder ohne

4 8C. Yersinien können sich im Gegensatz zu den

Erythema nodosum (Abb. 7.11) sowie ein Reitersyn−

meisten anderen Bakterien noch bei Kühlschrank−

drom und eine Uveitis auf. Die reaktive Arthritis ist

temperatur gut vermehren. In späteren Krankheits−

assoziiert mit dem HLA−Typ B27 (s. S. 303) und

stadien, besonders bei der postinfektiösen Arthritis,

dauert unbehandelt oft 1–6 Monate und länger an.

ist der Nachweis von Antikörpern im Serum des Patienten mittels ELISA und Immunoblot hilfreich.

Diagnostik Der Erregernachweis gelingt meist nur im Frühsta− dium der Erkrankung und zwar aus Stuhl bei Y. en− terocolitica und eher aus Biopsiematerial (z. B. Me− senteriallymphknoten) bei Y. pseudotuberculosis.

Hierbei ist die Persistenz von IgA−Antikörpern ins− besondere gegen YopD von diagnostischem Nutzen.

Therapie Eine antibiotische Therapie ist außer bei septischem Verlauf meist nicht nötig. Mittel der Wahl wären Te−

MERKE

Der Erregernachweis gelingt bei Y. enterocolitica eher aus Stuhl, bei Y. pseudotuberculosis eher aus Biopsiematerial.

trazykline, Cotrimoxazol oder Fluorchinolone.

Praxistipp Eine antibiotische Therapie ist bei Infektion mit Yersinien meist nicht nötig.

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

7.2.8 Enterokolitis durch Clostridium difficile (vgl. S. 54) [A 04.7] Clostridium difficile ist ein grampositives, sporenbil− dendes Stäbchenbakterium und gehört bei bis zu 5 % aller gesunden Individuen zur normalen Darm− flora. Nach Gabe von Antibiotika kann es zur pseu− domembranösen Kolitis bzw. antibiotika−assoziier− ten

Diarrhö durch die Störung der Darmflora

kommen. Diese Komplikation wird vor allem bei bzw. nach Gabe von Clindamycin beobachtet, kann aber auch bei bzw. nach der Gabe von Cephalospo− rinen und anderen Antibiotika (Ausnahmen: Vanco− mycin, Teicoplanin) auftreten. MERKE

Durch die Antibiose wird das Gleichgewicht der Darmflora gestört, so dass C. difficile sich übermä− ßig vermehren kann.

Abb. 7.12 Pseudomembranöse Kolitis der Darmschleimhaut durch antibiotika−induzierte Selektion von C. difficile (aus Messmann: Lehratlas der Koloskopie)

Diagnostik Pathogenität und Virulenzfaktoren Für die Entwicklung der pseudomembranösen Koli− tis werden zwei Toxine verantwortlich gemacht, die jedoch nicht von allen C.−difficile−Stämmen ge− bildet werden:

Zusätzlich zum endoskopischen Befund muss der Nachweis des C.−difficile−Toxins aus Stuhlproben geführt werden! Ein kultureller Nachweis von C. diffi− cile alleine ist nicht unbedingt aussagekräftig.

Therapie und Prävention

Enterotoxin A ist vor allem für den Flüssigkeits−

Die pseudomembranöse Kolitis stellt insbesondere

verlust verantwortlich R wässrige Diarrhö

beim alten oder abwehrgeschwächten Patienten

Zytotoxin B schädigt irreversibel die Zellen des

eine vital bedrohliche Erkrankung mit einer Letali− tät von bis zu 40 % dar. Die Therapie erfolgt heute

Kolons. Bei einem Ungleichgewicht der Darmflora zuguns−

am besten oral mit Metronidazol und dem Abset−

ten von C. difficile setzt die Toxinproduktion ein,

zen der bisherigen Antibiose. Vancomycin oder Tei−

wobei unklar ist, welche genauen Mechanismen für das An− und Abschalten der entsprechenden To−

coplanin oral sollte nur in Ausnahmefällen gegeben

xingene verantwortlich sind.

Klinik Die klinischen Symptome werden vor allem von kolikartigen Bauchschmerzen mit wässrigen (Ente− rotoxinwirkung) oder blutigen (Zytotoxinwirkung) Diarrhöen bestimmt. In schweren Fällen kann es

werden, um einer Verbreitung von Vancomycin−re− sistenten Enterokokken (VRE) vorzubeugen. Ein völlig neuartiges Therapie−Konzept hat sich mit der Entwicklung von Tolevamer eröffnet: Es bindet und inaktiviert das Enterotoxin A und kann daher als nichtantibiotische Alternative zukünftig einen breiten Einsatz bei dieser Erkrankung finden.

zum Abgang von Pseudomembranen (Schleimhaut− fetzen) kommen (Abb. 7.12). Koloskopisch kann eine ödematös geschwollene Kolonschleimhaut mit gelblichen Belägen vorliegen. Da stets die Gefahr einer tödlich verlaufenden Darmperforation besteht, ist eine mikrobiologische Schnelldiagnostik gerechtfertigt.

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7 Gastroenteralregion 7.2.9 Bakteriell bedingte Lebensmittelvergif− tungen [A 05]

Infektiöse Darmkrankheiten

205

Pathogenität und Virulenzfaktoren Das hitzelabile Botulinumtoxin wird von Clostri− dium botulinum gebildet und dabei von einem Bak−

Praxistipp

teriophagen kodiert. Es kommt in sieben unter−

Die in diesem Kapitel dargestellten Erkran− kungen sind in der Regel reine Intoxikatio− nen, die durch orale Aufnahme des bereits im Lebensmittel präformierten Toxins ver− ursacht werden. Aus diesem Grund gelingt der Erregernachweis aus Patientenmaterial in den meisten Fällen bei diesen Erkrankun− gen nicht.

schiedlichen Typen (A–G) vor, von denen Typ A, B und E die wichtigste humanpathogene Bedeutung haben. MERKE

Botulinumtoxin A ist das stärkste bakterielle Toxin: 10−6 mg töten eine Maus; 1 g kann minde− stens eine Million Menschen töten (R Bioterroris− mus).

Lebensmittelvergiftung durch Staphylococcus aureus (vgl. S. 33) [A 05.0]

Das Botulinumtoxin ist ein Neurotoxin, das die Im−

Die häufigste bakterielle Lebensmittelvergiftung

pulsübertragung an der motorischen Endplatte

wird durch S. aureus verursacht, wenn sich Entero−

durch Hemmung der Freisetzung von Acetylcholin

toxin−bildende Stämme in Lebensmitteln vermeh−

hemmt und dadurch eine schlaffe Lähmung hervor−

ren. Die klinischen Erscheinungen sind Übelkeit,

ruft. Letztendlich kann es zum Tod durch periphere

Erbrechen, Leibschmerzen, Durchfall und eventuell

Atemlähmung kommen.

Kreislaufstörungen. Sie treten wenige Stunden nach Genuss des Nahrungsmittels auf und sind allein auf die Wirkung der Enterotoxine zurückzuführen.

Klinik Die Zeit zwischen dem Genuss der Speise und dem Auftreten der Krankheitssymptome beträgt 12

MERKE

Es handelt sich um eine reine Lebensmittelintoxi− kation. Die Enterotoxine sind hitzestabil; sie werden durch 30−minütiges Kochen nicht inaktiviert. Die Therapie dieser meist selbstlimitierend verlaufenden Erkran− kung erfolgt nur symptomatisch.

Botulismus (vgl.S. 54)

[A 05.1]

Beim Botulismus handelt es sich um eine generali− sierte Intoxikation mit dem Botulinumtoxin, die nach Genuss mangelhaft konservierter Speisen (insbesondere Konservendosen oder Einmachgläser mit Fleischwaren und Hülsenfrüchten) oder Schin− ken auftritt (Lebensmittelintoxikation). Nicht im− mer sind eine geschmackliche Veränderung des Le− bensmittels und/oder eine Deformierung des Deckels von Konservendosen oder Einweggläsern nachweisbar.

Stunden bis 8 Tage. Die klinischen Prodromalsymp− tome sind Übelkeit, Schwindel, Erbrechen, dann treten Lähmungserscheinungen, besonders der Au− genmuskeln (typisches

Symptom:

Doppelbilder

und Lichtscheu) auf. Hinzu kommen eine schlaffe Lähmung der Schlund− und Zungenmuskulatur (Schluckbe− schwerden), sowie Hemmung der Speichelsekretion (trockener Mund“). Schließlich tritt der Tod durch periphere Atemlähmung (schlaffe Lähmung der In− terkostalmuskulatur) ein. Seltener sind Botulismus−Fälle, die von Wunden ausgehen (Wundbotulismus). Gefürchtet ist der Säuglingsbotulismus, der u. a. durch Verfütterung von sporenhaltigem Honig entstehen kann: die Sporen keimen erst im Säuglingsdarm aus und bil− den dann erst im menschlichen Körper das Botuli− numtoxin (infektiöse Intoxikation). Jedes Risiko birgt auch eine Chance: Botulinumto− xin wird in sehr geringen Konzentrationen thera− peutisch als Muskelrelaxans und zur Hemmung der Hyperhidrosis durch Hemmung der Schweiß− drüsenfunktion eingesetzt. Außerdem wird es kos−

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Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

metisch zur Korrektur von Falten genutzt (Botox− Partys“).

Diagnostik MERKE

Bereits bei klinischer Verdachtsdiagnose muss die Therapie beginnen!

Praxistipp Der kulturelle Nachweis der Bakterien aus Patientenmaterial gelingt in der Regel nicht, weil es sich beim Botulismus um eine Intoxikation und nicht um eine Infektion handelt. Der Nachweis der Bakterien im verdorbenen Nah−

Vorher wird jedoch noch Serum des Patienten für

rungsmittel hat auch aus forensischen Gründen Be−

den Toxinnachweis abgenommen. Der Toxinnach− weis (evtl. auch aus Erbrochenem und/oder im

deutung. Hier stellt die kulturelle Anzucht unter anaeroben Bedingungen normalerweise kein Prob−

Nahrungsmittel) sichert nachträglich die klinische

lem dar.

Verdachtsdiagnose. Im mikrobiologischen Labor er−

Clostridium botulinum imponiert im mikroskopi−

folgt der Toxinnachweis im Mäuseversuch (einer

schen Präparat als plumpes grampositives, begei−

der noch wenigen notwendigen diagnostischen Tierversuche in der Mikrobiologie): Dabei wird der

ßeltes Stäbchen, das subterminal eine Spore auf− weisen kann und so an die Form eines

Maus ca. 0,5 ml Serum intraperitoneal appliziert.

Tennisschlägers erinnert. Die endgültige Identifizie−

Einer Kontrollmaus wird ein Gemisch aus Patien−

rung des Erregers erfolgt nach Anzucht mittels bio−

tenserum plus Botulinum−Antitoxin injiziert. Unge−

chemischer Reaktionen.

schützte Tiere bilden aufgrund der schlaffen Parese der Bauchmuskulatur die typische Wespentaille“ innerhalb von Stunden bis Tagen aus. Geschützte Kontrolltiere überleben ohne Ausbildung einer Wespentaille (Abb. 7.13).

Therapie und Prävention Der Botulismus ist eine potenziell lebensbedrohli− che Erkrankung mit einer Letalität von 25–70 %! Nur bei frühzeitigem Therapiebeginn, d. h. wenn das Toxin noch nicht die motorischen Endplatten besetzt hat, ist ein polyvalentes Antiserum wirk− sam (passive Immunisierung). Weitere spezifische Therapiemöglichkeiten be− stehen nicht. Falls die Nahrungsaufnahme noch nicht zu lange zurückliegt, kann eine Magenspü− lung die Aufnahme weiterer Toxinmengen reduzie− ren. Meistens ist es erforderlich, den Patienten auf der Intensivstation symptomatisch zu behandeln. Dazu gehören u. a. die assistierte Beatmung und ein passagerer Herzschrittmacher. Einzige prophylaktische Maßnahme ist das Vermei− den aller suspekten Speisen (Deformierung des

Abb. 7.13 Nachweis von Botulinumtoxin durch Mausver− such: Beiden Tieren wurde intraperitoneal botulinumtoxinhal− tiges Patientenserum appliziert. Die linke Maus wurde durch zusätzliche Gabe eines Antitoxins geschützt, die rechte Maus ist ungeschützt und hat die typische Wespentaille durch die schlaffe Lähmung der Bauchmuskulatur entwickelt.

Deckels von Konservendosen oder Einweggläsern oder geschmackliche Auffälligkeiten). Das Botuli− numtoxin ist hitzelabil und wird durch 15−minüti− ges Kochen zerstört. Trotzdem sollten verdächtige Speisen auch nach Erhitzen nicht verzehrt werden! Nach IfSG muss bereits der Verdacht auf Botulis− mus dem Gesundheitsamt gemeldet werden.

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7 Gastroenteralregion Andere bakterielle Lebensmittelvergiftungen

[A

Infektiöse Darmkrankheiten

207

Entamoeba dispar und Entamoeba histolytica (sensu stricto).

05.2 – A 05.9]

Anaerobe Sporenbildner, z. B. bestimmte Typen von

Diese sind morphologisch nicht voneinander zu

Clostridium perfringens, führen nach Aufnahme infi−

unterscheiden und werden deshalb meistens als

zierter Nahrungsmittel durch im Darm gebildete Ente− rotoxine zu Durchfall und Übelkeit. Besonders schwer

E.−histolytica/E.−dispar−Komplex bezeichnet.

verläuft die Erkrankung durch Clostridium perfrin− gens Typ F (Enteritis necroticans).

Hinweis

Angehörige der Endosporen−bildenden aeroben Fa−

Weltweit wird die Zahl der Amöbenträger auf mehr als 400 Millionen geschätzt, von denen mehr als 70 000 an ihrer Erkrankung sterben. Besonders ist die Bevölkerung der Länder des Südens (sog. Entwicklungslän− der) betroffen.

milie Bacillaceae sind in zahlreichen Arten ubiqui− tär verbreitet und kommen z. B. als Zersetzungs− bakterien in humusreicher Erde, aber auch in Staub, Wasser, Luft und im Darminhalt von Mensch und Tieren vor. Ihre Sporen stellen Dauerformen dar und sind hoch resistent gegen Umwelteinflüsse. Sie können z. B. auch in 70 %igem Alkohol überdau−

Virulenzfaktoren und Pathogenese

ern (deshalb sollte Alkohol zur Desinfektion steril−

Im Gegensatz zu E. dispar bildet E. histolytica wich−

filtriert werden, Jodtinktur ist dagegen autoste−

tige Virulenzfaktoren (eine bestimmte Amoebapore

ril“).

aerobe

und Cystein−Proteasen), mit deren Hilfe sie in das

Sporenbildner sind zum Beispiel Bacillus cereus und B. subtilis, die bei hoher Keimzahl in Speisen Ursache unspezifischer Lebensmittelvergiftungen

Gewebe eindringen kann (R histo−lytica“). E. histolytica existiert in verschiedenen Formen: die

sein können. Unter der Einwirkung ihrer Enzyme

ren Aufnahme in der Regel die Infektion erfolgt,

entstehen im Nahrungsmittel aus Proteinen bioge− ne Amine, die zu der klinischen Symptomatik

können in der Umwelt Wochen bis Monate infek− tiös bleiben. Sie werden überwiegend mit Nah−

Medizinisch

bedeutungsvolle

meist vierkernigen Zysten (10–16 mm), durch de−

führen. B. cereus kommt gelegentlich auch als

rungsmitteln oder Wasser aufgenommen. Fliegen

Wundinfektionserreger vor (z. B. nach Heugabelver−

und andere Arthropoden (Kakerlaken) können als

letzung des Auges). B. subtilis wird wegen seiner

mechanische Vektoren agieren und Zysten von

guten Empfindlichkeit für Antibiotika als Testkeim zur Prüfung von Untersuchungsmaterial hinsicht−

menschlichen Fäkalien auf Lebensmittel transpor− tieren.

lich des Vorhandenseins von antimikrobiell wirksa−

Im Dünndarm des Befallenen entwickelt sich aus

men Substanzen eingesetzt. B. stearothermophilus und B. subtilis sind Testkeime zur biologischen

den Zysten eine vegetative Form, die zunächst als nicht invasiver Trophozoit (im deutschsprachigen

Kontrolle von Sterilisationsgeräten.

Raum auch als Minutaform“ bezeichnet) nur im

Als Nahrungsmittelzersetzer wirken auch verschie−

Darmlumen lebt und sich im Dickdarm wieder in

dene gramnegative Stäbchen, z. B. Proteus. Bei

die Zystenform umwandelt. Aus noch unbekannten

Säuglingen kann Pseudomonas aeruginosa eine Ente− ritis verursachen.

Gründen kann sich der nicht−invasive Trophozoit jedoch in einen invasiven Trophozoiten umwan−

Als einzige Darmamöbenart ist Entamoeba histoly−

deln. Dieser ist größer (Magnaform“), phagozytiert Erythrozyten und zerstört durch porenbildende En− zyme (s. o.) das Gewebe im Kolon, so dass es zu ei−

tica humanpathogen. Obwohl diese weltweit vor−

ner Colitis kommt.

kommenden Amöben prinzipiell auch bei einigen

Histologisch imponieren die Erosionen als so ge−

Tieren gefunden werden, scheint der Mensch

nannte Flaschenhalsgeschwüre, weil sie sich in der

Hauptwirt zu sein. Erst vor wenigen Jahren konnte gezeigt werden, dass die als Entamoeba histolytica

Tiefe der Darmwand ausbreiten (Abb. 7.14).

7.2.10 Amöbiasis

[A 06]

klassifizierten Amöben zwei unterschiedliche Spe− zies umfassen:

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208

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion Klinik Nach Aufnahme von Zysten kann E. histolytica nach einer Inkubationszeit von Wochen bis Monaten zur Amöbenruhr führen. Diese manifestiert sich als Rektokolitis

mit

blutig−schleimigen

Durchfällen

(Stuhl wie Himbeergelee“), Bauchschmerzen und Krämpfen.

Praxistipp Bei 3–5 % der Patienten mit vermeintlicher Reisediarrhö“ sind Amöben die Ursache. Vom Darm aus können die Amöben bei ca. einem Drittel der Patienten entweder direkt – im Rahmen einer Durchwanderung der Darmwand – oder hä− matogen andere Organe befallen. Besonders häufig manifestiert sich die extraintesti− nale Amöbiasis als Leberabszess, selten als Menin− Abb. 7.14

Flaschenhalsgeschwür (Pfeil) in der Darmwand

gitis oder Hirnabszess. Der Amöben−Leberabszess stellt ein schweres, bedrohliches Krankheitsbild dar

MERKE

Die Begriffe Minuta− und Magnaform“ haben sich international nicht durchgesetzt. Daher sollte bes− ser einheitlich von Trophozoit gesprochen wer− den.

mit hohem Fieber und zunächst dumpfen, dann heftigen Schmerzen im rechten Oberbauch. Die Bildgebung zeigt u. U. mehrere Abszesse ohne dass eine Abszesswand klar erkennbar ist (Abb. 7.15). Die gewebszerstörende Invasivität kann auch eine le− bensbedrohliche Darmperforation mit anschließen− der Streuung der Amöben in die Bauchhöhle zur Folge haben.

Abb. 7.15 Amöben− leberabszesse im CT (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. D. Hahn, Würzburg)

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

Diagnostik

Bei extraintestinaler Manifestation sind bei mehr

Ist ein Mensch von Amöben befallen, weist aber

als 90 % der Patienten keine Amöben mehr im

keine klinischen Symptome auf, lassen sich mikro−

Stuhl nachweisbar. Diagnostisch werden daher ei−

skopisch fast immer nur die Zysten im Stuhl nach−

nerseits in der Klinik bildgebende Verfahren und

weisen. In diesem Fall liegt wahrscheinlich eine In−

andererseits im Labor serologische Methoden zum

fektion mit E. dispar vor.

Antikörpernachweis herangezogen.

Treten jedoch blutig−schleimige Durchfälle auf, be− steht hochgradiger Verdacht auf E. histolytica. In diesem Fall ist mikroskopisch im noch warmen Stuhl nach der invasiven Trophozoitenform zu su− chen. MERKE

Die invasive Trophozoitenform ist an den in ihr enthaltenen phagozytierten Erythrozyten (pa− thognomonisch!) und dem Herausschieben von Pseudopodien zu erkennen.

209

Therapie Amöben sind wie auch Trichomonaden und Lamb− lien anaerobe Protozoen. Daher ist die Gabe von Metronidazol, Tinidazol und anderen Nitroimidazo− len, evtl. in Kombination mit Resochin, Therapie der Wahl. Bei asymptomatischen Patienten mit Nachweis von Zysten sowie im Anschluss an die Behandlung eines Amöben−Leberabszesses sollte Paromomycin oder Diloxanidfuroat gegeben wer− den. Letzteres ist hierzulande nur über internatio− nale Apotheken zu beziehen.

Für den Nachweis der vegetativen Form wird der

7.2.11 Balantidiose

Stuhl demzufolge nativ mikroskopiert, während die Zysten auch nach Fixierung und MIF−Anrei−

Erreger der Balantidiose ist Balantidium coli, ein Ci−

cherung (Sedimentation mit anschließender Mer−

300 mm) und als Zyste (40–60 mm) vorkommt. Na−

thiolat−Jod−Formalin−Färbung) nachgewiesen wer−

türliches Reservoir sind Schweine, die meistens

den (Abb. 7.16).

nicht erkranken und den Erreger fäkal ausscheiden.

Da jedoch die Sensitivität des mikroskopischen

Der Mensch infiziert sich durch orale Aufnahme

Nachweises gering ist, wird zusätzlich für die Stuhl−

von Zysten.

diagnostik auch ein Antigennachweis mittels ELISA (Verwendung von spezifischen monoklonalen Anti− körpern) und die PCR eingesetzt. Beide Verfahren

Die Erkrankung ist selten und verläuft ähnlich wie die Amöbenruhr, d. h. es kann zu Ulzerationen im Kolon mit blutig−schleimigen Diarrhöen kommen.

haben den zusätzlichen Vorteil, dass sie spezifisch

Die Diagnose wird durch den mikroskopischen

für E. histolytica sind und somit die bedeutungslose

Nachweis der lebhaft beweglichen Balantidien in

Infektion mit E. dispar abgrenzen können.

einer frischen Stuhlprobe gestellt (Abb. 7.17). Thera−

Abb. 7.16 Gewebstrophozoit (Magnaform) von Entamoeba histolytica. Pathognomonisch sind intrazelluläre Erythrozyten.

Abb. 7.17 (Pfeil)

[A 07.0]

liat (Wimpertierchen), der als Trophozoit (bis zu

Mikroskopische Darstellung von Balantidium coli

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210

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

peutisch sind Metronidazol und andere Nitroimida−

mener Nahrung und dem Dünndarmepithel sehr

zole, sowie Tetrazykline und Paromomycin wirk− sam.

stark eingeschränkt wird. Dies führt schließlich zur Entwicklung einer Zottenatrophie und zu Malab− sorptionserscheinungen.

7.2.12 Giardiasis (Lambliasis)

[A 07.1]

Trophozoiten

entgehen

dabei der Immunabwehr durch Variantenbildung

Giardia intestinalis (syn. Lamblia intestinalis, Giardia

ihrer Oberflächenproteine.

lamblia) kommt im Menschen und in einigen Säu−

Nach Umwandlung in Zysten werden die Lamblien

getierarten vor. Lamblien besitzen – wie Trichomo− naden – keine Mitochondrien und sind daher Anae−

mit dem Stuhl ausgeschieden und können durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel ei−

robier. Wie die meisten anderen Darmprotozoen

nen neuen Wirt infizieren (Infektionsdosis , 1000

kommen sie in zwei Formen vor:

Parasiten). Die Infektion tritt daher häufiger unter schlechten hygienischen Bedingungen auf.

dem replikativen Trophozoitenstadium und dem für die Übertragung wichtigen und um− weltresistenten Zystenstadium, das über Wo−

Epidemiologie und Klinik

chen bis Monate in der Umwelt lebensfähig

In Europa und Nordamerika sollen bei ca. 2–5 %

bleiben kann. Trophozoiten (10–20 mm) imponieren als birnen−

und in den Ländern des Südens sogar bei bis zu 50 % der Bevölkerung Lamblien im Stuhl nachweis−

förmige Zellen mit zwei prominenten Zellkernen

bar sein. Weltweit treten wahrscheinlich ca. 200

und einem in der Längsachse liegenden Paket aus 8

Millionen Erkrankungen auf.

Flagellen, das an mehreren Stellen aus dem Zellleib austritt. Dadurch haben die vegetativen Formen insgesamt

die

Gestalt

eines

Gespenstes“

(Abb. 7.18).

Für Zysten (ca. 10 x 15 mm) sind innerhalb einer prominenten Außenwand liegend vier Kerne und

MERKE

In Deutschland (und auch weltweit) ist die Giar− diasis die nach IfSG−Meldedaten mit ca. 4500 Er− krankungen/Jahr häufigste parasitologisch bedingte Darminfektion.

ein in der Längsachse positioniertes Flagellenpaket charakteristisch. Trophozoiten haften mit einem speziellen Organell, der Adhärenzscheibe, sehr fest an die Mikrovilli der Epithelzellen des Duodenums. Nach Vermehrung kleiden sie so die Oberfläche des Duodenums pflastersteinartig aus (wie eine Kopfsteinpflaster“− Straße), so dass der Kontakt zwischen aufgenom−

Viele Infektionen mit diesen Flagellaten verlaufen asymptomatisch. Wenn Symptome auftreten, so manifestieren sie sich nach einer Inkubationszeit von 3–21 Tagen in Form von akuten, milden, wässrigen Durchfällen mit Flatulenz, z. T. mit Mal− absorptionserscheinungen (Steatorrhö = Fettstühle) und von Krämpfen im rechten Oberbauch begleitet. Die Symptome dauern 2–4 Wochen an. Der Über− gang in chronische Diarrhöen mit Übelkeit, Erbre− chen und Fieber ist in ca. einem Drittel der Fälle möglich.

Diagnostik und Therapie Die Diagnose wird durch den mikroskopischen Nachweis der Zysten oder seltener Trophozoiten im frischen Stuhl gestellt. Dabei fallen in ungefärb− ten Stuhlpräparaten Trophozoiten durch ihre typi− sche Pendelbewegung“ auf. Die Sensitivität des Erregernachweises kann zwar durch MIF−Anreicherung gesteigert werden, auf− Abb. 7.18

Trophozoiten (Pfeile) von Lamblien

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

grund der Fixierung des Materials sind dann aller−

innerhalb einer parasitophoren Vakuole (vom Para−

dings keine Pendelbewegungen mehr nachweisbar. Im Vergleich zum Stuhl kann die Sensitivität des

siten in der Wirtszelle gebildete Vakuole) und bil−

Erregernachweises

ausgeschieden werden.

signifikant

erhöht

werden,

den schließlich wieder Oozysten, die mit dem Stuhl

wenn Duodenalsaft untersucht wird. In diesem

Die Oozysten können u. U. die für die Trinkwasser−

Körpermaterial herrschen in der Regel die vegetati−

aufbereitung eingesetzten Chlor− und Ozonkon−

ven Formen (Trophozoiten) vor. Alternativ zur Mik−

zentrationen überstehen und dadurch monatelang

roskopie kann die Diagnose auch durch PCR, Anti− gennachweis oder Anzucht in Spezialmedien

im Trinkwasser überleben. So wurde in Deutsch− land beispielsweise bei 36 % aller untersuchten

gestellt werden. Therapeutisch kommen Metroni−

Trinkwasserproben der Nachweis von Kryptospori−

dazol, Tinidazol und andere Nitroimidazole, Alben−

dien geführt. Die auch in industrialisierten Ländern hohe Sero−

dazol und Nitazoxanid zum Einsatz.

211

prävalenzrate in der gesunden Bevölkerung (in

7.2.13 Kryptosporidiose und andere Kokzidiosen (vgl. S. 159)

Deutschland ca. 40 %) erklärt sich auch daraus, dass

Bei den Erregern dieser Krankheiten handelt es sich um Protozoen der Kokzidien−Gruppe, zu denen

Oozysten im Gegensatz zur Gattung Isospora für die Infektiosität nicht notwendig und die für eine

Cryptosporidium parvum, Isospora− und Sarcocystis−

Infektion erforderliche Erregerdosis mit ca. 100 Oo−

Arten gehören.

zysten sehr niedrig ist.

Kryptosporidiose

[A 07.2]

Epidemiologie Die Kryptosporidiose wird von Cryptosporidium parvum verursacht und ist eine weltweit vorkom− mende Anthropozoonose: Infizierte Tiere, vor al− lem Kälber (Prävalenz . 20 %), sind das natürliche Reservoir dieser Kokzidien und scheiden den Para− siten fäkal aus. Über den Wasserkreislauf gelangen diese dann letztendlich in das Trinkwasser. Kryptosporidien werden demnach in erster Linie durch kontaminiertes Trinkwasser verbreitet. Eine

eine Reifung (Sporulation) der ausgeschiedenen

MERKE

Beim Immunkompetenten führen niedrige Infekti− onsdosen fast nie zu klinischen Manifestationen. Es kam allerdings in den letzten Jahren bei immun− kompetenten Menschen sporadisch zu größeren Epidemien (z. B. 1993 in Milwaukee/USA: . 400 000 Infizierte), die ihren Ursprung in stark kontaminier− ten Trinkwasserquellen mit hohen Erregerkonzen− trationen hatten.

Klinik

direkte Übertragung von Mensch zu Mensch (auch durch anogenitalen Geschlechtsverkehr!) ist eben−

Bei hoher Infektionsdosis können vor allem bei

so möglich. Der Verzehr von ungenügend erhitztem

Kleinkindern, aber auch beim immunkompetenten

Rind− oder Schweinefleisch steht bei der Übertra−

Erwachsenen nach einer Inkubationszeit von 3–12

gung dagegen nicht im Vordergrund.

(28) Tagen wässrige Durchfälle (bis 17 Liter pro

Nach oraler Aufnahme der Oozysten werden die in

Tag, keine Blutbeimengung, keine Leukozyten) ent−

ihnen enthaltenen Sporozoiten im Jejunum und

stehen, die 2–10 (26) Tage andauern, dann aber

Ileum freigesetzt. Dort findet anschließend die un− geschlechtliche (Schizogonie) und geschlechtliche Vermehrung (Gamogonie) der Erreger statt.

meistens spontan ausheilen. Neben dem Durchfall

MERKE

Ungeschlechtliche Vermehrung = Schizogonie Geschlechtliche Vermehrung = Gamogonie

imponieren Erbrechen, leichtes Fieber, abdominale Krämpfe, Appetitlosigkeit und Müdigkeit. Die Präpatenzzeit (Zeit von Infektion bis Nachweis des Parasiten im Stuhl) beträgt 7 Tage. Oozysten werden beim Immunkompetenten an− schließend 2–3 Wochen ausgeschieden. Cryptosporidium parvum hat in den vergangenen

Dabei vermehren sich Kryptosporidien im Dünn− darmepithel intrazellulär wie für Sporozoen üblich

Jahren in der Humanmedizin vor allem als Erreger schwerster, wässriger Diarrhöen bei AIDS−Patienten

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212

Infektiöse Darmkrankheiten

7 Gastroenteralregion

Bedeutung erlangt. Bei diesen Patienten kann die Diarrhö einen chronischen, lebensbedrohlichen Ver− lauf mit massiver Gewichtsabnahme nehmen. 10 % der infizierten AIDS−Patienten weisen außerdem eine sklerosierende Cholangitis, Pankreatitis und Hepatitis auf. Selten kann es auch zu einem Befall

HINWEIS

Im Speziallabor steht außerdem die PCR zur Ver− fügung, deren Spezifität aber angesichts der ho− hen Prävalenz von Kryptosporidien in Trinkwasser zu hinterfragen ist.

der Lunge kommen.

Therapie und Prävention

Diagnostik Die Diagnose basiert daher vor allem auf dem di− rekten,

mikroskopischen

Erregernachweis

aus

Stuhlproben. Kryptosporidien werden mittels der Kinyoun−Färbung, einer modifizierten Ziehl−Neel− sen−Färbung, dargestellt, in der sie als säurefeste (= rote), sphärische Oozysten mit einer Größe von 4–6 mm imponieren (Abb. 7.19). Eine Verwechslung mit den morphologisch ähnlichen Cyclospora ist möglich, letztere sind jedoch größer (8–10 mm). Die modifizierte Ziehl−Neelsen−Färbung wird fol− gendermaßen durchgeführt: Eine kleine Stuhlprobe wird auf einen Objektträger in Kochsalz getropft, verrieben und luftgetrocknet. Anschließend wird das Präparat 1–2 Minuten mit Methanol fixiert und mit unverdünntem Karbol−Fuchsin ohne Erhit− zen für 15–20 Minuten gefärbt. Eine einminütige Entfärbung mit 3 % HCl in absolutem Äthanol schließt sich an. Nach kurzer Spülung mit Wasser wird es schließlich für 30 Sekunden mit 0,25 % Ma− lachitgrün gegengefärbt, mit Wasser abgespült und luftgetrocknet. Alternativ kommt der direkte Immunfluoreszenz− test oder ein Antigen−ELISA zum Einsatz.

Eine kausal wirksame Therapie gibt es nicht. Die Gabe von Paromomycin (2 g/Tag) für mindestens 5 Tage hat in Einzelfällen Erfolg gezeigt. Darüber hi− naus werden Spiramycin, Azithromycin und das So− matostatin−Analogon Octreotid als neuere Thera− pieansätze versucht. Für eine Abtötung von C. parvum−Oozysten ist min− destens der Einsatz von 10 %igem Formalin oder eine Erhitzung .65 8C für mindestens 30 min not− wendig.

Kokzidiose

[A 07.3, A 07.8]

Außer Kryptosporidien können auch weitere Kokzi− dien zu gastrointestinalen Beschwerden führen. Isospora belli: Die Übertragung erfolgt durch perorale Aufnahme von mit sporulierten Oozy− sten kontaminierten Lebensmitteln oder Wasser. I. belli kommt nur im Menschen vor und ver− mehrt sich geschlechtlich in den epithelialen Zellen am Übergang von Duodenum zu Jejunum, so dass am Ende nichtsporulierte Oozysten mit dem Stuhl ausgeschieden werden. Sarcocystis suihominis und Sarcocystis bovihomi− nis: Die Übertragung erfolgt durch den Verzehr von ungenügend erhitztem und infiziertem Schweine− oder Rindfleisch. Sarcocystis ver− mehrt sich nach oraler Aufnahme im Darm, wird aber als bereits sporuliertes Oozystenstadium mit dem Stuhl ausgeschieden. Unter anderem durch Fäkaldüngung von Weideflächen können Sarcocystis−Parasiten in den Nahrungskreislauf ihrer Zwischenwirte Schwein und Rind gelan− gen, wo sie letztendlich in der Muskulatur (Fleisch) persistieren.

Klinik Bei Immunkompetenten kommt es nach einer In− Abb. 7.19 Zahlreiche Kryptosporidien im Stuhl eines AIDS− Patienten. Kryptosporidien werden in der modifizierten Ziehl−Neelsen−Färbung rot angefärbt.

kubationszeit von 4–8 Stunden (Sarcocystis) bzw. 2–3 Tagen (Isospora) meist zu selbstlimitierenden Enteritiden. Während die durch Isospora hervorge−

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

rufenen Durchfälle mehrere Tage andauern können

Therapie

und von Übelkeit und Erbrechen begleitet werden, führt die Sarcocystis−Infektion zu kurzzeitigen,

Der Nachweis von Isospora und Sarcocystis im

aber heftigen von Koliken begleiteten Durchfällen,

fehlender klinischer Symptomatik möglich: ca.

die meistens innerhalb eines Tages wieder abklin−

2–5 % aller gesunden Personen sind Ausscheider.

gen.

Da Isosporose und Sarkozystose häufig selbstlimi−

Chronische Diarrhöen mit Koliken, Fieber und Ge−

tierend sind, erübrigt sich meistens eine medika−

wichtsabnahme werden vor allem bei AIDS−Patien− ten beobachtet.

mentöse Therapie. Ggf. ist jedoch bei hohem Was−

Diagnostik Für die Diagnostik der Isosporose (Isosporidiose) und der Sarkozystose (Sarkosporidiose) ist zu be− achten, dass aufgrund der im Vergleich zur Inkuba− tionszeit langen Präpatenzzeit (ca. 7 Tage) u. U. trotz klinischer Symptomatik noch keine Oozysten im Stuhl nachweisbar sind. Die Diagnose stützt sich nämlich auf den direkten Erregernachweis aus Stuhl und ggf. auf den histologischen Nachweis in Dünndarmbiopsien. Zunächst wird eine native Stuhlaufschwemmung in physiologischer

Kochsalzlösung

mikroskopisch

untersucht. Ggf. sollte der Stuhl für 2–3 Tage in 2 %iger Kaliumdichromatlösung aufbewahrt wer− den, um nach Reifung (Sporulation!) der Oozysten eine genauere Bestimmung zu erleichtern. Aufgrund der häufig geringen Parasitenzahl ist meistens eine Anreicherung durch Flotation (Zink− sulfat oder Saccharose) erforderlich. Oozysten von Isospora belli haben eine Größe von 25–33 x 10–20 mm und sind an einem Ende häufig leicht zugespitzt. Nach Reifung der zunächst nicht sporulierten Oozysten entstehen innerhalb der Oo− zystenmembran zwei Sporozysten mit je vier Spo− rozoiten.

213

Stuhl oder in der Biopsie ist prinzipiell auch bei

ser− und Elektrolytverlust eine entsprechende Substitution angezeigt. Bei protrahiertem oder chronischem Verlauf ist die Gabe von Cotrimoxazol, Roxithromycin, Pyrimethamin oder Primaquin indi− ziert. Bei AIDS−Patienten mit chronischen Durchfällen muss außer der Kokzidiose auch an die Möglichkeit der Mikrosporidiose gedacht werden. Erreger sind Mikrosporidien verschiedener Arten (vor allem En− terozytozoon bieneusi und Encephalitozoon intesti− nalis). Aktuelle molekularbiologische Untersuchun− gen

weisen

darauf

hin,

dass

es

sich

bei

Mikrosporidien nicht um Protozoen, sondern um Pilze handelt. Die Diagnose erfolgt durch direkten mikroskopischen Erregernachweis nach Trichrom− färbung oder durch PCR aus jeweils relevanten kli− nischen Materialien. Therapeutisch haben Alben− dazol und Fumagillin in Einzelfällen Erfolg gezeigt.

7.2.14 Virusbedingte Darminfektionen

[A 08]

Noroviren und Rotaviren gehören zu den häufigs− ten nach IfSG meldepflichtigen Erregern einer Ga− stroenteritis. Sie sind – wie Adeno− und Astroviren – unbehüllt und deshalb sehr umweltresistent.

Noroviren Noroviren (früher: Norwalk−like Viren) gehören als RNA−Viren zur Familie der Caliciviridae und stellen

Praxistipp

noch vor Campylobacter die häufigste Ursache der

Da die Oozysten sehr transparent sind, kann ihr Nachweis in nativem Stuhl schwierig sein.

akuten Gastroenteritis dar.

Bei einer Infektion mit Sarcocystis sind Oozysten

MERKE

Noroviren sind die häufigste Ursache der akuten Gastroenteritis.

(20–25 x 12–15 mm) und Sporozysten (14 x 8 mm) im Stuhl nachweisbar. Serologische Untersuchungen bieten derzeit keine diagnostische Hilfestellung.

Sie kommen weltweit nur beim Menschen vor, wo− bei die Erkrankung gehäuft in der kalten Jahreszeit in Gemeinschaftseinrichtungen (inklusive Kreuz− fahrtschiffen) beobachtet wird.

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214

Infektiöse Darmkrankheiten Noroviren

werden

7 Gastroenteralregion

fäkal−oral

von

Mensch

zu

scheidet die Viren aber über einen Zeitraum von

Mensch oder durch kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder Gegenstände übertragen. Bereits 10–

8–14 Tagen aus!

100 Viruspartikel reichen aus, um zu erkranken.

Stuhl sind für die mikrobiologische Diagnostik gut

Nach einer Inkubationszeit von 12–48 Stunden ent−

geeignet und weisen insbesondere am 3.–4. Krank−

wickelt sich eine akut beginnende Gastroenteritis

heitstag eine hohe Sensitivität auf. Die Therapie

mit Erbrechen, Diarrhöen, abdominalen Schmerzen

beschränkt sich wie bei den Noroviren auf einen

und Myalgien bei nur geringem Fieber. Die Symp− tome bestehen für 12–72 Stunden und hören dann

Volumen− und Elektrolytausgleich. Auf strikte Hy− gienemaßnahmen ist zu achten.

Die zur Verfügung stehenden Antigentests aus

von selbst auf. Problematisch ist die Infektion, weil auch asympto−

Adenoviren

matische Verläufe vorkommen und weil der Patient

Insbesondere die Serotypen 31, 40 und 41 dieser

eine Ansteckungsgefahr für bis zu 48 Stunden nach

DNA−Viren sind mit Gastroenteritiden bei Säuglin−

Sistieren der Symptome darstellt.

gen und Kleinkindern assoziiert.

Da Antigennachweisverfahren eine nur geringe

Bei Immunsuppression, insbesondere im Kindesal−

Sensitivität aufweisen, wird die Diagnose vor allem mit Hilfe der RT−PCR (oder durch Elektronenmikro−

ter, können Adenoviren zu Organmanifestationen (z. B. Zystitis), aber auch zu lebensbedrohlichen

skopie) gestellt.

disseminierten Verläufen führen, die wahrschein−

Die Therapie beschränkt sich auf einen Volumen−

lich Ergebnis einer Reaktivierung sind.

und Elektrolytausgleich. Aufgrund der hohen Kon− tagiosität sind strikte Hygienemaßnahmen einzu−

Für die Diagnose steht ein Antigennachweis aus Stuhl zur Verfügung. Eine kausale Therapie existiert

halten. Bei Norovirus−Infektion entwickelt sich eine

nicht, so dass die symptomatische Behandlung im

Immunität nur für maximal ein Jahr.

Vordergrund steht.

Rotaviren

Astroviren

Rotaviren besitzen eine segmentierte dsRNA und

Astroviren (Abb. 7.20) sind ebenfalls unbehüllt und

gehören zur Familie der Reoviridae. Aufgrund der

besitzen eine ss(+)RNA. Wie bei Rotaviren führen

Segmentierung des Genoms ist bei Doppelinfektion

sie nach einer Inkubationszeit von 1–3 Tagen zu

ein Reassortment – ähnlich wie bei Influenzaviren – möglich (s. S. 133). Aus diesem Grund existieren

Fieber mit Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen und Ab− dominalschmerzen. Die Symptome bestehen jedoch

auch zahlreiche Serotypen. Neben dem Menschen

nur für 2–3 Tage.

sind auch Kälber und Schweine ein Reservoir. Vor allem innerhalb der ersten drei Lebensjahre ru−

Infektionsepidemiologisch ist von Bedeutung, dass die Viren einen Tag vor bis einen Tag nach der kli−

fen Rotaviren eine Gastroenteritis hervor, die in

nisch manifesten Erkrankung noch weiterhin mit

den Ländern des Südens aufgrund einer Dehydrie−

dem Stuhl ausgeschieden werden (R Ansteckungs−

rung zur hohen Kindersterblichkeit beiträgt: In die−

gefahr).

sen Ländern sind Rotaviren verantwortlich für

Die Diagnostik erfolgt durch den Antigennachweis

knapp 1 Million Todesfälle pro Jahr!

oder mit Hilfe der RT−PCR (reverse Transkriptase−

Rotaviren werden genau wie Noroviren vor allem in der kalten Jahreszeit (enger Kontakt!) fäkal−oral von Mensch zu Mensch oder durch kontaminierte

PCR) aus Stuhl. Therapie− und Hygienemaßnahmen entsprechen dem Vorgehen bei den anderen viralen Erregern einer Gastroenteritis.

Lebensmittel, Wasser oder Gegenstände übertra− gen. Auch hierbei reichen bereits 100 Viruspartikel

Weitere virusbedingte enterale Infektionen

aus, um zu erkranken.

Bei vielen anderen Viren ist die enterale Infektion

Die Inkubationszeit beträgt 1–3 Tage, die klini−

nur Durchgangsstation zu Zielorganen, deren Befall

schen Symptome sind ähnlich wie die der Norovi−

klinisch weit relevanter ist. Hierbei sei besonders

rus−Infektion: Diarrhö, Erbrechen und Fieber ste−

auf das Hepatitis−A− (Picornaviridae) und das Hepa−

hen für 4–7 Tage im Vordergrund. Der Mensch

titis−E−Virus (Calciviridae) hingewiesen.

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7 Gastroenteralregion

Infektiöse Darmkrankheiten

215

tis im Säuglings− und Kleinkindesalter, der Nach− weis von Amöben und Lamblien bei Tropenrück− kehrern, sowie der Nachweis von Cryptosporidien bei AIDS, außerdem die Untersuchung auf Würmer bzw. Wurmeier.

Praxistipp Die unkomplizierte, d. h. wässrige fieber− freie Diarrhö (, 3 Tage), wird i.d.R. keiner mikrobiologischen Diagnostik zugeführt, weil es sich hierbei oft um eine selbstlimi− tierende Reisediarrhö mit ETEC handelt. Nur wenn diese trotz symptomatischer Therapie über drei Tage persistiert und bei allen komplizier− ten Durchfällen (blutiger Durchfall oder/und Fieber oder/und Kinder oder/und Patient aus Lebensmit− telbranche) sollte der Stuhl zunächst mikroskopiert werden, um anhand der Leukozytenbeurteilung eine erste Abschätzung der möglichen Ursache vor− zunehmen. Bei Nachweis von Leukozyten im Stuhl sollte Abb. 7.20 Astroviren (mit freundlicher Genehmigung von Dr. H. Gelderblom, RKI Berlin)

eine Kultur auf Bakterien angelegt und ggf. ein C.−difficile−Zytotoxintest durchgeführt werden. Bei Abwesenheit von Leukozyten im Stuhl sind vor allem Viren oder Parasiten für die Sympto−

Enteroviren (Polio−, Coxsackie−, ECHO−Viren) kön−

matik verantwortlich, so dass das weitere Vorge−

nen nach Infektion des Gastrointestinaltrakts über mesenteriale Lymphknoten in den Blutstrom gelan−

hen diese Erreger einbeziehen muss. In Abb. 7.21 wird der Ablauf der Untersuchung dar−

gen und so das ZNS, das Myokard und die Skelett−

gestellt.

muskulatur infizieren und dadurch eine Meningitis, Enzephalomyelitis und Myokarditis hervorrufen.

Direkte Untersuchung von Stuhlmaterial Eine direkte mikroskopische Untersuchung des

7.2.15 Ablauf der Untersuchung bei Verdacht auf pathogene Darmkeime

Stuhls wird nur zum Nachweis von Parasiten bzw.

In einem bakteriologischen Laboratorium werden

zyten durchgeführt.

Untersuchungen auf pathogene Darmkeime vor al−

Die mikroskopische Beurteilung von Bakterien hat

lem aus arbeitshygienischen Gründen meistens in einem spezialisierten Labor (z. B. Stuhllabor, Ty− phuslabor) durchgeführt. Gezielt gefahndet wird

keinen Sinn, da in der Regel im Stuhl reichlich Bak− terien der normalen Flora vorhanden sind.

Wurmeiern, sowie ggf. zur Bestimmung von Leuko−

nach Infektionen mit Bakterien der Gattungen Sal− monella, Shigella, Yersinia, Campylobacter, Staphy−

Praxistipp

lococcus, Clostridium und Vibrio, daneben im Früh−

Ausnahme: Bei akuter Cholera sind die Vib− rionen im Direktausstrich leicht erkennbar.

kindesalter

nach

Bakterien

der

Gattung

Escherichia. Zu den Aufgaben des Stuhllabors gehört ferner der Nachweis von Rotaviren und Adenoviren bei Enteri−

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216

Infektiöse Darmkrankheiten

Abb. 7.21

7 Gastroenteralregion

Diagnostisches Vorgehen bei akutem Durchfall

Kulturelle Züchtung pathogener Darmbakterien

hemmen. Der McConkey−Agar enthält Gallesalze

Blut

in einer Konzentration von 0,15 % und unter−

Bei Verdacht auf eine Infektion mit Salmonella Ty− phi, Salmonella Paratyphi A oder B, Yersinia pseudo−

drückt das Wachstum der grampositiven Flora.

tuberculosis oder Campylobacter jejuni sollten spe−

(SS−Agar),

zielle Blutkulturen angelegt und durch regelmäßige Subkulturen auf Wachstum hin überprüft werden.

Natriumzitrat enthält und auch das Wachstum der meisten koliformen Keime hemmt.

Salmonellen werden nach dem Kauffmann−White−

Zusatz von Typisierungsreagenzien: Sie lassen

Schema durch agglutinierende Seren typisiert. Besonders in der ersten Krankheitswoche ist der

nach eingetretenem Wachstum die Anwesenheit

Nachweis von S. Typhi im Blut zu über 80 % positiv, während Stuhlmaterial zu dieser Zeit nur in etwa

kennen, z. B. Laktose als pH−Indikator zum

20 % der Fälle positive Ergebnisse liefert.

Stuhl Um einen raschen Erregernachweis trotz des Vorhandenseins einer reichhaltigen natürlichen Stuhlflora binnen 24 Stunden zu führen, wird das Stuhlmaterial direkt auf Selektivnährböden ausge− strichen. Diese enthalten im Allgemeinen zwei Ar− ten von Zusätzen: Hemmstoffe für störende Keime der normalen Flora (z. B. Escherichia coli, Proteusarten): Man verwendet Farbstoffe wie Brillantgrün, Detergen− zien wie Natriumdodecylsulfat oder auch Anti− biotika, die möglichst viele Keime – mit Ausnah− me der darmpathogenen Erreger – im Wachstum

Noch selektiver ist der Salmonella−Shigella−Agar welcher

0,85 %

Gallesalze

und

bestimmter Keimgruppen näherungsweise er− Nachweis der Unfähigkeit von Yersinia−, Salmo− nella− und Shigellaspezies Laktose abzubauen. Die Direktmethode liefert zwar rasch ein vorläufi− ges Ergebnis, jedoch ist ihre Empfindlichkeit in der Regel relativ gering. Um diese zu erhöhen, werden Anreicherungsnährmedien als spezielle Bouillon− nährmedien eingesetzt. Sie enthalten vor allem spezielle Nährstoffe, die das Wachstum bestimm− ter, pathogener Bakterien im Stuhl begünstigen. In flüssigen Medien vermehren sich außerdem Bak− terien im Allgemeinen sehr viel besser als auf fes− ten Nährböden. Aus derartigen Nährböden wird dann nach 24 Stunden und 48 Stunden eine Sub− kultur auf McConkey− oder Endoagar angelegt. Nach weiteren 24 Stunden kann dann ggf. eine

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7 Gastroenteralregion

Krankheiten des Peritoneums

weitere Differenzierung durch biochemische Unter−

mischen Ländern aufgrund der hohen Seropräva−

suchungen oder durch Agglutination mit spezifi− schen Antiseren durchgeführt werden.

lenz jedoch meistens nicht hilfreich.

217

Antikörperbestimmungen sind diagnostisch hilf− reich vor allem bei Postinfektionserkrankungen mit Yersinia pseudotuberculosis, Yersinia enterocolitica

Praxistipp

(z. B. reaktive Arthritis) sowie Campylobacter jejuni/

Manche Keime, wie z. B. Shigella flexneri, büßen ihre Vermehrungsfähigkeit rasch ein, wenn die Proben nicht bald nach der Ent− nahme verimpft werden.

coli (z. B. Guillain−Barr−Syndrom).

7.2.16 Meldepflicht Der Verdacht auf oder Erkrankung an einer ente− ralen Infektion muss gemäß IfSG vom behandeln−

Die endgültige Identifizierung vor allem von Sal−

den Arzt und der Erregernachweis vom Labor an

monella− oder Shigellaspezies erfolgt

das

1. durch Bestimmung der O− und H−Antigene

lokale

Gesundheitsamt

gemeldet

werden

(www.rki.de, Abb. 7.22).

nach dem Schema von Kauffmann/White 2. Absicherung durch Bunte Reihe“ 3. Ermittlung von Infektketten ggf. mit mikro− biologischen Verfahren.

Antikörpernachweis im Serum Die Serologie spielt für die Diagnostik einer akuten

7.3 Krankheiten des Peritoneums Key Point Die Peritonitis wird meist durch Erreger der normalen Darmflora verursacht und weist trotz Therapie eine hohe Letalität auf.

Darminfektion nur eine sehr untergeordnete Rolle. In der dritten bis vierten Krankheitswoche steigt

7.3.1 Peritonitis

der Titer spezifischer Antikörper gegen O− und H− Antigene bei Infektionen mit S.−Typhi− und S.−Para−

Als Peritonitis wird die Entzündung der Bauchhöh− le bezeichnet. Sie wird meistens durch Erreger der

typhi−Spezies an. Die Typhusserologie ist in ende−

normalen Darmflora verursacht.

Abb. 7.22

[K65]

Melde− und Erfassungspflicht nach IfSG

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218

Infektionen der Leber

7 Gastroenteralregion

Bei der primären Peritonitis gelangen die Erreger

Die alleinige Therapie mit einem Cephalosporin ist

hämatogen oder lymphogen in die Bauchhöhle, vor allem bei bestehender Leberzirrhose oder bei me−

aufgrund der Enterokokkenlücke oft nicht ausrei− chend.

tastasierenden Malignomen.

Bei CAPD−assoziierter Peritonitis sollte ggf. ein can−

Vor allem Enterobacteriaceae, Enterokokken und

didawirksames Antimykotikum (z. B. Fluconazol) in

Anaerobier bilden das Erregerspektrum. Selten

die kalkulierte Therapie einbezogen werden. Nach

werden die spezifischen“ Erreger Chlamydia tra−

dem Erregernachweis kann die Therapie entspre−

chomatis, Gonokokken, Treponema pallidum oder Mycobacterium tuberculosis als Ursache gefunden.

chend dem Antibiogramm umgestellt werden. Die Therapie der sekundären Peritonitis muss stets

Bei Kindern kommen vor allem Pneumokokken,

zusätzlich durch operative Maßnahmen mit intra−

ß−hämolysierende Streptokokken, Staphylokokken

operativer Lavage ergänzt werden.

und Enterobacteriaceae vor. Die sekundäre Peritonitis entsteht dagegen durch

7.4 Infektionen der Leber

einen direkten Erregerübertritt aus dem Lumen des Gastrointestinaltrakts bei gestörter Integrität der

Key Point

Darmwand, z. B. durch Darmperforation. In der Re− gel handelt es sich um eine Mischinfektion mit der

Hierzulande sind Hepatitiden in der Mehrzahl auf nichtinfektiöse Ursachen, wie z. B. Alko− holkrankheit (30–50 %), Medikamente, Gift− stoffe und Autoimmunerkrankungen zurück− zuführen. Bei den infektiösen Ursachen sind die klassischen Hepatitisviren am wichtigs− ten.

normalen Darmflora.

Praxistipp Patienten mit chronischer ambulanter Peri− tonealdialyse (CAPD) stellen eine besondere Risikogruppe für die Entwicklung einer Peri− tonitis dar. Erreger sind hier vor allem koa− gulasenegative Staphylokokken, S. aureus, Pseudomonas aeruginosa und Candida. Bei akuter Pankreatitis tritt ein akutes Abdomen mit heftigen Bauchschmerzen, Meteorismus, Übel−

7.4.1 Virushepatitis

[B15, B19]

Unter den infektiösen Ursachen haben die klassi− schen Hepatitisviren sicher die bedeutendste Rolle; sie kommen nur beim Menschen vor. Neben den klassischen Hepatitisviren können aber auch Bakte− rien (v. a. Leptospiren, Brucellen, Listerien), Parasi− ten (Plasmodien, Entamoeba histolytica, Echinokok−

keit und Erbrechen auf. Eventuell können Darmge−

ken und Schistosomen) sowie andere Viren (v. a.

räusche fehlen. Durch Flüssigkeitsverlust in die Bauchhöhle kommt es im Verlauf zur Exsikkose

EBV, CMV) Ursache für eine Hepatitis sein. Ca. 5 %

mit Tachykardie, Hypotonie ggf. Fieber und septi−

der akuten Hepatitiden und etwa 10 % der chroni− schen Fälle bleiben ätiologisch ungeklärt.

schem Schock.

Da der klinische Verlauf unabhängig vom infektiö−

Für den mikrobiologischen Erregernachweis wird Aszitesflüssigkeit mikroskopisch und kulturell un−

sen Agens meistens sehr ähnlich verläuft, soll er zusammenfassend für alle Virushepatitiden be−

tersucht. Bei Verdacht auf spezifische Erreger ist

schrieben werden.

eine gezielte Anforderung und ggf. Serologie (z. B. bei Lues) erforderlich. Die kalkulierte Antibiotikatherapie der primären

Klinik

Peritonitis sollte Enterokokken und Anaerobier ein−

Das 2–7 Tage dauernde Prodromalstadium der He−

schließen und deshalb zunächst mit einem Acyl− Piperacillin/Tazobactam), einem Carbapenem oder

patitis ist wenig charakteristisch und beginnt in der Regel mit grippalen Symptomen wie leichtem Fieber, Abgeschlagenheit, Müdigkeit, Gelenk− und

einem neueren Chinolon durchgeführt werden.

Muskelschmerzen. Gastrointestinale Beschwerden

aminopenicillin plus Betalaktamase−Inhibitor (z. B.

Symptome der akuten Virushepatitis

wie Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Appetitlosigkeit

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7 Gastroenteralregion

Infektionen der Leber

und Schmerzen im rechten Oberbauch ergänzen

keit auf. Die Lebervergrößerung führt zu Druckbe−

den klinischen Befund. Bei Hepatitis A und B wird u. U. ein flüchtiges Exanthem bemerkt.

schwerden im rechten Oberbauch. Eventuell ist der Urin dunkel verfärbt und es bestehen Ikterus und

Im Anschluss entwickelt sich das Stadium der he−

Leberhautzeichen (u. a. Spider naevi). In 30 % der

patischen Organmanifestation, das 4–8 Wochen

Fälle liegt eine begleitende Splenomegalie vor.

andauern kann. Als Zeichen des Leberschadens

Therapieziel bei chronischer Hepatitis ist einerseits

kommt es zur Dunkelfärbung des Urins (Bilirubin−

die Senkung der Viruslast oder – falls möglich –

urie) und Entfärbung des Stuhls, sowie einer deut− lichen Erhöhung von Transaminasen (GOT/AST,

die Viruseliminierung bzw. Inhibierung der Virus− aktivität durch Nukleosidanaloga und andererseits

GPT/ALT) und Bilirubin im Blut. Aufgrund der Erhö−

die Stimulierung der Immunabwehr durch Interfe−

hung der Gallensäuren verspürt der Patient einen unerträglichen Juckreiz (Kratzspuren!). Leber, Milz

ron−a. Durch diese kombinierte Vorgehensweise verringert sich die Schwere der Erkrankung deut−

und oft auch die Lymphknoten sind vergrößert. An

lich und das Fortschreiten der Erkrankung verlang−

den Skleren ist meistens ein Ikterus erkennbar, mit

samt sich.

219

dessen Beginn es dem Patienten oft besser geht (Abb. 7.23).

MERKE

Schließlich bessert sich der Krankheitszustand als

Es gelingt bis heute nur selten, die Infektion durch die Therapie zur Ausheilung zu bringen, obwohl auch Spontanheilungen vorkommen.

Zeichen des beginnenden Rekonvaleszenzstadiums. Allerdings kann die Leistungsfähigkeit noch über Wochen bis Monate eingeschränkt bleiben.

Symptome der chronischen Virushepatitis

Diagnostik und Therapie

Infektionen mit HBV und HCV können zur chroni−

Als Ursache von Virushepatitiden sind in erster Li−

schen Virushepatitis führen. In Abhängigkeit des

nie die Hepatitis−Viren A, B, C, D und E zu nennen,

Ausmaßes der entzündlichen Aktivität kann die kli−

die sehr unterschiedlichen Virusfamilien angehören

nische Situation höchst unterschiedlich sein. Bei

(Tab. 7.3).

geringer entzündlicher Aktivität ist die Leber nicht

Virushepatitis A

[B15]

vergrößert und es werden meist keine Beschwer− den geäußert. Bei den chronischen Verläufen werden chronisch

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 1217 R 1,5/100 000;

persistierende von chronisch aggressiven Verlaufs−

Die Seroprävalenz von spezifischen Antikörpern ge−

formen unterschieden.

gen Hepatitis−A−Viren (HAV) beträgt in Deutsch−

Bei mäßiger bzw. schwerer entzündlicher Aktivität fällt der Patient durch eine starke Leistungsminde−

land mehr als 45 %, d. h. fast die Hälfte der erwach− senen deutschen Bevölkerung hat schon einmal

rung und Müdigkeit verbunden mit Appetitlosig−

Kontakt mit Hepatitis−A−Viren gehabt. Die meisten

2004: 1938 R 2,3/100 000)

Fälle sind auf unsaubere hygienische Zustände im Rahmen von Fernreisen zurückzuführen. HAV gehört zu den kleinen RNA−Viren (Pico−rna−vi− ridae R abgeleitet von pico = sehr klein und RNA). Das Virus kommt weltweit vor und wird fäkal−oral durch

kontaminierte

Lebensmittel

(Muscheln!)

oder Wasser (Eiswürfel!) übertragen. Im Dünndarm dringt HAV in das Gewebe ein, um hämatogen über die Pfortader die Leber als Zielor− gan zu erreichen. Zunächst kommt es dann zur intrahepatischen

Virusvermehrung,

ohne

dass

Symptome auftreten. Abb. 7.23 Sklerenikterus (aus Füeßl, Middeke.: Duale Reihe Anamnese und Klinische Untersuchung)

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220

Infektionen der Leber

7 Gastroenteralregion

Tabelle 7.3

Übersicht Hepatitisviren HAV

HBV

HCV

HDV

HEV

HGV

Nukleinsäure

ss(+)RNA

ds/ssDNA

ss(+)RNA

ss(−)RNA

ss(+)RNA

ss(+)RNA

Hülle

o

+

+

+ (von HBV)

o

+

Chronizität

o

5%

50–70 %

90 %

o

?

Karzinom

nein

ja

ja

ja

nein

nein

Übertragung

fäkal−oral

parenteral

parenteral

parenteral

fäkal−oral

parenteral

Kausaltherapie

nein

ja

ja

ja: HBV

nein



Die Viren werden ab der 2.–3. Woche nach Infek− tion mit der Galle und dem Stuhl für bis zu 6 Wo−

lebenslange Immunität. Allerdings kann es – insbe− sondere bei vorbestehender Leberschädigung – bei

chen ausgeschieden. Inapparente Verläufe kommen

über 40−jährigen Patienten in ca. 2 % der Fälle zu

vor allem bei Kleinkindern (.90 %) vor; ungefähr

einem tödlichen Verlauf kommen.

10–25 % der HAV−Infektionen des Erwachsenen bleiben klinisch stumm.

MERKE

Die Hepatitis A bzw. Hepatitis epidemica beruht

Die Hepatitis A ist eine meist gutartige Leberin− fektion, die vollständig ausheilt. Nach durchge− machter HAV−Infektion entwickelt sich eine lebenslange Immunität.

weniger auf einer viralen Leberschädigung als viel− mehr auf einem immunpathogenetischen Prozess, bei dem zytotoxische T−Lymphozyten und NK−Zel− len hepatotoxisch wirksam werden. So kommt es, dass der Patient erst 1–2 Wochen nach Beginn der

Diagnostik und Therapie

Virusausscheidung, d. h. nach einer Inkubationszeit

Die Hepatitis A kann bereits zu Beginn der klini−

von ungefähr 3–5 Wochen, Symptome der akuten

schen Symptome serologisch durch Bestimmung

Virushepatitis entwickelt. Schließlich sind nach 3–

spezifischer IgM− und IgG−Antikörper diagnostiziert

4 Wochen neutralisierende Antikörper in der Lage, die Viren zu eliminieren.

werden (Abb. 7.24). Darüber hinaus stehen eine RT− PCR, sowie ein Antigentest zum Virusnachweis im

Die Hepatitis A ist daher meistens eine gutartige

Stuhl zur Verfügung (Tab. 7.4).

Leberinfektion, die ausheilt ohne in ein chronisches Stadium (keine Virusträger) überzugehen. Nach

Für die aktive Impfung stehen sowohl ein Totimpf−

durchgemachter HAV−Infektion entwickelt sich eine

HAV und HBV zur Verfügung. Die Impfung ist u. a.

stoff als auch ein Kombinationsimpfstoff gegen

Abb. 7.24 Verlauf der akuten HAV−Infektion

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7 Gastroenteralregion

Infektionen der Leber

221

schen Bereich oder durch Mutter/Kind−Kontakte

Tabelle 7.4

statt. Befunde im Verlauf einer HAV−Infektion

späte Inkubationsphase

HAV im Stuhl

anti−HAV− IgG

anti−HAV− IgM

+ (infektiös!)





akute Infektion

+/–

+

+

frühere Infektion



+



indiziert bei Reisen in Endemiegebiete, sowie für infektionsgefährdetes medizinisches Personal und Personal von bestimmten Gemeinschaftseinrich− tungen (z. B. Kindergarten), Kanalisations− oder Klärwerksarbeiter, Personen mit chronischer Leber− erkrankung oder Personen mit potenziellem Kon− takt zu Infizierten. Die Therapie kann nur symptomatisch erfolgen.

Virushepatitis B

[B16, B18, B19]

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 1235 R 1,5/100 000; 2004: 1276 R1,5/100 000) Das HBV ist ein DNA−Virus und gehört zur Familie Hepadnaviridae (Hepa und DNA). Sein Genom ist insofern auffällig, als dass seine DNA nicht in voller Länge doppelsträngig ist. MERKE

HBV zeigt weltweit die höchste Prävalenz unter allen Hepatitisviren.

Praxistipp: 3 er Regel: Infektionsrisiko bei Nadelstich− verletzungen HBV R ,30 % HCV R ,3 % HIV R 0,3 % Nach der Infektion disseminiert HBV auf hämatoge− nem Weg in das Zielorgan Leber. Die Pathogenese beruht ebenso wie bei der HAV−Infektion auf im− munpathologischen Mechanismen. Dabei wird den zytotoxischen CD8−T−Zellen die größte Bedeutung bei der Zytolyse infizierter Hepatozyten beigemes− sen. Die HBV−Infektion verläuft wahrscheinlich auf− grund von immunologischen Faktoren sehr varia− bel: ca. 85 % aller HBV−Infektionen sollen klinisch inapparent verlaufen. Allein in Deutschland wird mit einer Prävalenz von 500 000 asymptomatisch infizierten Personen gerechnet, von denen einige eine chronische Hepatitis mit dem unten angege− benen Verlauf entwickeln. Die klinisch manifeste akute Hepatitis B zeigt sich nach einer Inkubationszeit von 1–6 Monaten und unterscheidet sich von der Symptomatik nicht von der akuten Hepatitis A (s. S. ). Sie heilt in mehr als 90 % aller Fälle nach einer ungefähr einen Monat

Man schätzt, dass sich weltweit 2 Milliarden Perso−

andauernden ikterischen Phase folgenlos aus. Bei weniger als 1 % der Betroffenen verläuft die In−

nen infiziert haben, von denen bis zu ca. 20 % eine

fektion fulminant.

Viruspersistenz aufweisen, d. h. ca. 370 Millionen

Besonders bei jüngeren Patienten besteht das Risi−

Menschen sind zurzeit chronische Virusträger. Die

ko, dass sich eine chronische Hepatitis (5–10 % aller

Hepatitis B führt weltweit zu ca. 1,2 Millionen To−

Infizierten) entwickelt. Ihr weiterer Verlauf kann

desfällen im Jahr. In Deutschland sind 7 % der Bevölkerung seroposi−

gutartig sein (asymptomatischer Virusträger) oder

ungefähr 1200 Neuinfektionen gemeldet.

es kommt zu einer chronisch persistierenden Hepa− titis. Im schlimmsten Fall manifestiert sich bei ungefähr einem Drittel der Patienten mit chro−

Das Virus ist beim Infizierten vor allem im Blut,

nisch−aggressiver Hepatitis nach 5–10 Jahren eine

aber auch in Speichel, Zervikalsekret, Sperma, an−

Leberzirrhose. Sie ist durch Veränderungen der Le−

deren Sekreten sowie Muttermilch enthalten.

berarchitektur charakterisiert: Es kommt zu einem

Die Infektion findet daher vor allem auf parentera−

bindegewebigen Umbau der Leber mit fortschrei−

lem Wege durch Sexual− oder Blutkontakt, sowie durch intravenösen Drogenabusus mit Nadelsha−

tendem

tiv, 0,5 % sind chronisch infiziert. Jährlich werden

Funktionsverlust (Leberverhärtung und

−schrumpfung).

ring, durch Nadelstichverletzungen im medizini−

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222

Infektionen der Leber

7 Gastroenteralregion Schließlich kann nach weiteren 20–30 Jahren ein primäres hepatozelluläres Karzinom (HCC) entste− hen. Gefürchtet ist auch eine perinatale HBV−Infektion (vgl. S. 333), weil diese mit 80–90 % besonders häufig zur Chronifizierung führt (Abb. 7.25).

Diagnostik Im Jahr 1970 entdeckte David S. Dane im Blut Infi− zierter 42 nm große Partikel (Abb. 7.26). Diese nach ihm benannten Dane−Partikel stellen das komplette Virus dar. Darüber hinaus sind im Blut Infizierter noch Filamente und bis zu 25 nm große Sphären (kugelige Formen) zu finden, die jeweils aus dem HBs−Antigen zusammengesetzt sind und keine DNA beinhalten. Aus diesem Grund handelt es sich bei den beiden letzteren Strukturen um nicht−infektiöse Partikel, die jedoch Ausdruck einer Überproduktion viraler Hüllproteine sind. Das HBs−Antigen ist das Surface− (Oberflächen−) Protein des HBV und wurde früher auch als Australia−Antigen bezeichnet. Es wird auf− grund seiner hohen Immunogenität auch als akti− Abb. 7.25 Verlauf einer akuten Hepatitis B: a Ausheilung, b Übergang in Chronizität

ver Impfstoff eingesetzt. Weitere Komponenten des HBV sind das HBc (Core−Antigen) und ein als HBe bezeichnetes Nichtstrukturprotein. Abb. 7.26 HBV−Komponenten, die im Verlauf eine Infektion im Blut zu fin− den sind. Virus: S = HBs−Antigen; inne− res Nukleokapsid (HBc), virales Genom, Polymerase mit reverser Tran− skriptase (RT) und Primer−Protein (pr) (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. W. Gerlich, Gießen).

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7 Gastroenteralregion

Infektionen der Leber

223

Tabelle 7.5

Diagnostik bei HBV−Infektion Antigen−Nachweis

Antikörper−Nachweis

DNA−Nach− weis

HBs−Ag

HBe−Ag

anti−HBc

anti−HBc−IgM anti−HBe

anti−HBs

HBV−DNA

Inkubationsphase

+

+

+







+

akute Hepatitis B

+

+

+

+





, 109

abgelaufener Infekt





+



+

+



Virusträger

+

–/+

+



+/–



105

chronisch mild

+

+/–

+

–/+

+/–



105−107

chronisch aggressiv

+

+/–

+

+/–

–/+



107−109

nach Impfung











+



Praxistipp: Die Diagnostik der Hepatitis B beruht auf dem serologischen Nachweis bestimmter vi− raler Antigene und der gegen sie gerichte− ten Antikörper. Dadurch ist oft eine weitge− hend sichere Zuordnung in eines der vielen Krankheitsstadien möglich.

MERKE

Es kann gar nicht oft genug auf die Bedeutung der Vermeidung des direkten Kontakts potenziell infektiöser Patientenmaterialien (z. B. bluthaltige Kanülen) zum Schutz vor einer Infektion hinge− wiesen werden! Die aktive Impfung wird mit einem Totimpfstoff

Darüber hinaus wird die PCR zum Nachweis der Vi−

durchgeführt, der aus rekombinant hergestelltem

ruslast im Blut eingesetzt (Tab. 7.5).

HBs−Antigen besteht. Es handelt sich um eine Re− gelimpfung, die bereits im Kleinkindesalter (2., 3.,

Therapie und Prävention Die Therapie der chronischen Hepatitis B erfolgt mit pegyliertem Interferon−a. Dabei ist das Interfe− ron an Polyethylenglykol gebunden, wodurch eine längere Halbwertszeit und konstantere Serumspie− gel erreicht werden. Als Primärtherapie oder bei Versagen der Interferon−Therapie werden die Nuk− leosidanaloga Lamivudin oder Adefovir eingesetzt. Im Endzustand einer chronischen Infektion bleibt ebenso wie bei der fulminanten akuten Infektion oft nur die Lebertransplantation, um das Leben des Patienten zu retten. Weil HBV nicht nur in der Le− ber persistiert, braucht ein Hepatitis B−Träger nach

4., 11.–14. Monat) durchgeführt wird. Darüber hinaus sollten durch aktive Impfung Risi− kogruppen (z. B. medizinisches Personal, Dialysepa− tienten oder Reisende in Endemiegebiete) vor einer Hepatitis B geschützt werden. Nach Exposition, z. B. durch Nadelstichverletzung, sollte Blut für die Bestimmung des Hepatitis−B−Im− munstatus asserviert werden. Bei ungeimpften Per− sonen ist nach erwiesener Exposition mit Hepatitis B unverzüglich eine aktive Impfung durchzuführen und gegebenenfalls mit einer passiven Impfung zu kombinieren.

Lebertransplantation praktisch lebenslang eine Pro− phylaxe, damit die Infektion des transplantierten Organs verhindert wird. Von besonderer Wichtigkeit ist die Expositions− und Dispositionsprophylaxe.

Praxistipp: Nach Exposition mit HBV R anti−HBs bestimmen! Ein Problem bei der Hepatitis B stellen die selten vorkommenden HBs−Escape−Mutanten und HBe−Mi− nusvarianten dar, die vor allem unter Interferon−

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224

Infektionen der Leber

7 Gastroenteralregion phylaxe gegen die HDV−Infektion hat sich die Imp−

Tabelle 7.6

fung gegen HBV erwiesen. Empfehlungen nach HBV−Exposition aktueller anti−HBs− aktive Impfung Wert (HBV−Totimpf− stoff)

passive Impfung (Immunglobulin)

.100 IE/l

nein

nein

Virushepatitis C

[B17.1]

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 8308 R 10,1/100 000; 2004: 9072 R 11,0/100 000) Von allen Virushepatitiden zeigen HCV−Infektionen

. 10 bis , 100 IE/l ja

nein

, 10 IE/l

ja

ja

in Deutschland die höchste Inzidenz. Die Virushe− patitis C wird durch das Hepatitis−C−Virus (HCV)

nicht innerhalb ja 48 h zu bestimmen

ja

verursacht (bis Ende der 80 er Jahre als Non−A− non−B−Hepatitis bezeichnet). Es handelt sich dabei um ein 38–50 nm großes, behülltes RNA−Virus, das zur Gattung Hepacivirus aus der Familie der Flavi−

therapie selektioniert werden. Sie gelten auch als

viridae gehört. HCV kommt in 6 Genotypen mit

Risikofaktor für die Entstehung der fulminanten

zahlreichen Subtypen vor.

Verlaufsform der Hepatitis B. Einerseits kann we− gen des prinzipiellen Vorliegens einer HBe−Minus−

Die HCV−Infektion findet vor allem auf dem Blut− wege statt, wobei sie früher Hauptursache für

variante bei der Diagnostik nicht in allen Fällen

Posttransfusionshepatitiden war. Durch Screening−

eine Infektiosität allein vom Nachweis von HBe−An−

Verfahren aller Blutprodukte ist diese Gefahr in un−

tigen abhängig gemacht werden und andererseits

seren Breiten heute weitgehend eingedämmt. Da− für stellt jetzt besonders der i. v. Drogenabusus

schützt die aktive Impfung mit rekombinantem HBs−Antigen nicht vor einer Infektion durch eine HBs−Escape−Mutante.

Delta−Virus (Super−) Infektion eines HBV− Trägers [B17.0]

(mehr als 65 % aller Infizierten) ein Risiko für die Übertragung von HCV dar. Weitere 3–5 % der Infek− tionen beruhen auf einer nosokomialen Übertra− gung (z. B. Nadelstichverletzung im medizinischen Bereich).

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 15 R , 0,1/100 000;

Eine Übertragung beim Geschlechtsverkehr wird

2004: 8 R , 0,1/100 000)

bei mehr als 15 % der Infizierten angenommen, die−

Das Hepatitis−Delta−Virus (HDV) ist ein inkomplet− tes RNA−Virus (Einzelstrang), das sich nur in Ge−

ser Übertragungsweg wird aber bisher als nicht ge− sichert angesehen. Die perinatale Übertragung des

genwart des HBV vermehren kann, weil Letzteres

Virus von der schwangeren Mutter auf das Kind

die Hüllmembran (HBs−Antigene) für HDV liefert. HDV wird wie HBV parenteral übertragen und

findet bei weniger als 5 % der HCV−infizierten Schwangeren statt.

kommt endemisch vor allem in Rumänien, sowie

Ungefähr die Hälfte der Infektionen verläuft ohne

Teilen von Afrika und Südamerika vor. Es gibt zwei

Symptome. In den anderen Fällen kommt es nach

Möglichkeiten der HDV−Infektion:

einer Inkubationszeit von durchschnittlich 6–8 Wo−

Die HDV−Superinfektion eines HBV−Trägers ver− läuft zunächst meistens symptomarm, führt

chen in vielen Fällen zu einer Symptomatik, die als

aber in 90 % der Fälle zur Chronifizierung mit

nommen wird.

vermeintlich grippaler Infekt ohne Ikterus wahrge−

dann schwerem Verlauf. Im Gegensatz dazu kommt es bei einer HBV/

MERKE

HDV−Koinfektion oft zunächst zu einem schwe−

Nur weniger als 10 % der Infizierten entwickeln ei− nen Ikterus!

ren, protrahierten Verlauf der HBV−Infektion, die aber nur bei 2 % der Betroffenen chronifiziert. Die HDV−Infektion kann serologisch durch Bestim− mung spezifischer Antikörper, sowie mit Hilfe der RT−PCR nachgewiesen werden. Als wirksamste Pro−

Genau das ist gefährlich: die HCV−Infektion führt bei 85–100 % der Betroffenen zur Viruspersistenz und geht in .70 % der Fälle in eine chronisch ent−

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7 Gastroenteralregion

Infektionen der Leber

225

MERKE

Je früher die Therapie beginnt umso besser. So kann u. U. eine 24−wöchige Interferon−Therapie in− nerhalb von 6 Monaten nach Exposition den chro− nischen Verlauf der Erkrankung verhindern.

Virushepatitis E

[B 17.2]

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 54 , 0,1/100 000; 2004: 53 , 0,1/100 000) Die Hepatitis E ist die zweithäufigste Hepatitis in Afrika und Vorderasien, speziell im Sudan, Tschad und Irak. Dort kommt es immer wieder zu Ausbrü− Abb. 7.27 Akute HCV−Infektion mit Übergang in die chroni− sche Verlaufsform (ALT = Alanin−Aminotransferase; GPT = Glutamat−Pyruvat−Transaminase)

chen

mit

mehreren

Tausend

Erkrankten.

In

Deutschland werden jährlich 30 bis 60 Fälle gemel− det, die in der Regel bei Fernreisen in die entspre− chenden Endemiegebiete erworben werden.

zündliche Hepatitis über. Diese führt bei ca. 20 % der Patienten innerhalb von 20 Jahren zur Leberzir− rhose mit dem Risiko der späteren Entwicklung ei− nes hepatozellulären Karzinoms.

Ursache für die Erkrankung ist das Hepatitis−E−Vi− rus (HEV). Dabei handelt es sich um ein unbehüll− tes RNA−Virus aus der Familie der Hepeviridae. Es wird unter schlechten hygienischen Bedingun− gen fäkal−oral durch kontaminierte Lebensmittel

Diagnostik und Therapie

oder Wasser (Eiswürfel!) übertragen.

Die Diagnose erfolgt durch Nachweis virusspezifi−

Nach einer Inkubationszeit von ungefähr 30 Tagen

scher Antikörper sowie durch Virusnachweis mit

entwickelt sich eine Symptomatik, die klinisch

Hilfe der RT−PCR (Abb. 7.27).

nicht von der einer Hepatitis A zu unterscheiden

Die Therapie besteht aus der Kombination von pe−

ist, wobei nur 25 % der Patienten einen Ikterus auf− weisen. Eine Chronifizierung tritt nie ein.

gyliertem Interferon und Ribavirin über eine Dau− er von 24 (HCV−Genotyp 2 oder 3) bis 48 Wochen (Genotyp 1). Für den Therapieerfolg ist der beim Patienten vorliegende HCV−Genotyp entscheidend: Bei 50–60 % der mit dem Genotyp 1 Infizierten kann mit dieser Kombinationstherapie eine dauer− hafte Elimination des Virus erreicht werden. Beim Genotyp 2 oder 3 beträgt die Heilungsrate sogar bis zu 80 %. Eine Impfprophylaxe ist bisher nicht möglich, so dass auf die Verhinderung von Blut−zu−Blut−Kon− takten verwiesen werden muss. Nach Exposition, z. B. durch Nadelstichverletzung, sollte Blut für die Bestimmung des Hepatitis−C−Im− munstatus asserviert werden. Nach Exposition mit Hepatitis C ist über drei Monate eine Überwa− chung, z. B. durch RT−PCR aus Blut angezeigt. So− bald die Infektion nachgewiesen ist, sollte eine Be− handlung einsetzen.

Praxistipp: Besonders während einer Schwangerschaft im letzten Trimenon ist die Infektion gefährlich: hier kommen schwere Verläufe mit einer Letalität von bis zu 20 % vor. Die Erkrankung kann durch Nachweis spezifischer Antikörper und/oder mit Hilfe der RT−PCR von ei− ner Hepatitis A unterschieden werden. Präventionsmaßnahmen sollten vor allem darin be− stehen, nur sauberes Trinkwasser zu verwenden und keine potenziell kontaminierten Lebensmittel zu essen.

GBV−C/HGV Das GB Virus−C (GBV−C, auch als Hepatitis G−Virus bekannt) wurde 1967 in menschlichen Serum−Pro− ben nachgewiesen und zunächst irrtümlicherweise mit Hepatitiden in Verbindung gebracht. Heute

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226

Krankheiten der Gallenblase

7 Gastroenteralregion

wird davon ausgegangen, dass GBV−C keine human− pathogene Bedeutung hat und nicht zu einer He− patitis führt. Es findet auch keine Replikation von GBV−C in Hepatozyten statt. Das GBV−C ist ein be− hülltes RNA−Virus, das zur Familie der Flaviviridae gehört und wahrscheinlich durch Blut−Blut−Kontakt übertragen wird. Es vermehrt sich in Lymphozyten einschließlich CD4+−T−Zellen. In Deutschland besitzen 15–20 % der Bevölkerung Antikörper gegen GBV−C, bei 1–2 % kann sogar RNA im Blut nachgewiesen werden. GBV−C kommt häu− fig in Zusammenhang mit einer Hepatitis C vor ohne jedoch einen Einfluss auf die Hepatitis C zu nehmen: ca. 80 % der GBV−C−Infizierten haben eine Hepatitis C, umgekehrt ist bei 10 % der Hepatitis−C− Patienten GBV−C nachweisbar. MERKE

7.5 Krankheiten der Gallenblase, der Gallenwege und des Pankreas Key Point: Das für Entzündungen der Gallenblase ver− antwortliche Erregerspektrum stammt aus dem Darm und besteht vor allem aus Entero− bacteriaceae und Enterokokken. Infektionsbedingte Pankreatitiden sind eher selten.

7.5.1 Cholelithiasis und Cholezystitis [K80 – K81]

Gallensteine (Cholelithiasis) sind bei mindestens jedem zehnten Individuum jenseits des 40. Lebens− jahres nachweisbar. Sie bewirken einen Stau der Gallenflüssigkeit, der Infektionen der Gallenblase (Cholezystitis) und der Gallengänge (Cholangitis)

Bei HIV−Infizierten führt die Koinfektion mit GBV−C zu einer Hemmung der HIV−Replikation und damit zu einem signifikanten Überlebensvorteil.

begünstigt.

Praxistipp: Die Infektion kann durch die Anwesenheit spezifi− scher Antikörper oder durch RT−PCR nachgewiesen werden.

7.4.2 Leberabszess

Das für die Infektion verantwortliche Keimspekt− rum stammt aus dem Darm und besteht vor allem

[K75]

Ein Leberabszess entsteht meist auf dem Boden ei− ner Cholangitis, seltener durch hämatogene Ein− streuung von Erregern. Häufig werden Streptokok− ken (S. milleri), E. coli oder Anaerobier isoliert. Bei Reiserückkehrern ist auch an Amöben zu denken (s. S. 207). Die klinische Symptomatik wird von Oberbauch− schmerzen mit Fieber und ggf. Ikterus dominiert. Therapeutisch sollte eine perkutane Abszessdraina− ge versucht werden und in Abhängigkeit von dem daraus erfolgten Erregernachweis gezielt antibio− tisch behandelt werden (bei Amöbenleberabszess z. B. Metronidazol).

Wo Stase, da Infektion!

aus Enterobacteriaceae und Enterokokken. Weniger häufig kommen darüber hinaus Infektionen mit P. aeruginosa, Streptokokken, Salmonellen, Candida und anderen Pathogenen vor. Die akute Cholezystitis und Cholangitis äußert sich vor allem in akuten rechtsseitigen Oberbauch− schmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Fieber. Labor− medizinisch fallen eine Erhöhung von Bilirubin, GOT/AST und alkalischer Phosphatase auf. Meist bilden sich die Beschwerden innerhalb von 4 Tagen spontan zurück. Andernfalls ist eine chirurgische Intervention angezeigt. Eine gefürchtete Komplikation stellen das Gallen− blasenempyem oder die Perforation mit anschlie− ßender Peritonitis oder Sepsis dar. Die endoskopisch retrograde Cholangiopankreatiko− graphie (ERCP) wird einerseits zur Entfernung von Gallensteinen eingesetzt, andererseits kann da− durch Material für den mikrobiologischen Erreger− nachweis gewonnen werden. Für die kalkulierte Antibiotikatherapie haben sich Mezlocillin und Piperacillin in Kombination mit ei−

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7 Gastroenteralregion

Krankheiten der Gallenblase

nem Betalaktamase−Inhibitor oder Carbapeneme

Darm. Ursache sind vor allem Enteroviren und Pa−

bewährt. Cephalosporine weisen eine Enterokok− kenlücke auf, so dass ihr therapeutischer Effekt be−

ramyxoviren, sowie Salmonellen und Campylobac− ter. Gefürchtet ist die Einwanderung des Nemato−

grenzt ist.

den

Ascaris

lumbricoides

in

den

227

Ductus

pancreaticus (s. S. 463).

7.5.2 Pankreatitis

[K 85]

Die Klinik wird meist vom jeweiligen Erreger dik−

Die infektionsbedingte Pankreatitis ist eher selten

tiert und weist nicht auf eine akute Pankreatitis

und beruht auf einer Organbeteiligung im Rahmen einer systemischen viralen Infektion oder entsteht

hin. Diese wird üblicherweise erst durch eine Erhö− hung von Lipase und Amylase diagnostiziert. Die

durch Aszension pathogener Bakterien aus dem

Therapie richtet sich nach dem Erregernachweis.

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Kapitel

8

Infektionen von Atem− wegen, Lunge und Herz− Kreislauf−System, Sepsis 8.1

Akute Infektionen der oberen Atemwege 231

8.2

Grippe und Pneumonie 244

8.3

Akute und chronische Bronchitis 256

8.4

Weitere Erkrankungen der unteren Atemwege 258

8.5

Tuberkulose 259

8.6

Myokarditis und Perikarditis 267

8.7

Endokarditis 268

8.8

Sepsis 271

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Die iatrogene Keimquelle

aus den Augen zu verlieren, greift er nach der Kanüle und der 20ml−Spritze und sticht in die Haut. Langsam zieht er die Spritze mit Blut auf und befüllt dann mit− tels einer sterilen Nadel die beiden Blutkultur−Fla− schen: Eine für anaerobe und eine für aerobe Keime.

Suche nach der Infektionsquelle Bei dem 29−jährigen Intensivpatienten ist die sterile Blutentnahme besonders wichtig: Vor einer Woche wurde der junge Büroangestellte wegen multipler Frakturen nach Motorradunfall operiert. Seitdem liegt er auf der chirurgischen Intensivstation. Er ist intu− biert, hat einen Blasenkatheter und einen zentral− venösen Zugang in der linken Vena subclavia. Am vierten Tag nach der Operation stieg seine Körper− temperatur auf 38 8C. In der letzten Blutkultur fand man bei dem Patienten koagulasenegative Staphylo− kokken. Vermutlich hat man die Haut des Patienten bei der Blutentnahme nicht richtig desinfiziert“, erklärt Dr. Krämer dem Famulus. Neugierig fragt Dirk nach: Kommen denn der Tubus oder der Blasenka− Gezogener Katheter (a), Abschneiden der Spitze in 4–6 cm La nge (b)

theter als Infektionsquellen in Betracht?“ Dr. Krämer lacht: Du hast in der Vorlesung aufgepasst. Genau.

Keime der physiologischen Flora von Haut und

Nur, im Urin ist nichts zu finden. Auch das Tracheal− sekret ist in Ordnung. Der Röntgen−Thorax war heute

Schleimhäuten verursachen normalerweise keine In−

unauffällig. Eine Pneumonie hat der Mann also eher

fektionen. Für Patienten, die wegen schweren Erkran−

nicht.“

kungen intubiert werden müssen oder großlumige venöse Zugänge brauchen, können aber genau diese

Kathetersepsis

Erreger gefährlich werden. Physiologisch vorkom−

Am übernächsten Tag studiert Dirk die Laborbefunde des Patienten. Er wundert sich: Bei dem 29−jährigen

mende Bakterien reichern sich gerne auf Katheter− spitzen oder Tuben an. Wenn sie ins Blut ausge− schwemmt

werden,

können

sie

eine

Sepsis

hervorrufen.

Büroangestellten fand man erneut koagulasenegative Staphylokokken in der Blutkultur. Hat er etwa doch unsteril Blut abgenommen? Aus Neugier schaut sich der Famulus die Laborparameter des Patienten an.

Die sterile Blutentnahme

Die Leukozyten im Blut sind deutlich erhöht. In der

Es ist Dirks zweiter Tag auf der chirurgischen Inten−

Pflegekurve wurde mehrmals eine Herzfrequenz von

sivstation. Der Famulus soll seine ersten Blutkulturen

über 100/Minute dokumentiert. Möchtest du beim

abnehmen. Als er Kanülen, Desinfektionsmittel und die Blutkultur−Flaschen vorbereitet, geht er den steri− len Blutentnahme−Vorgang noch einmal in Gedanken

ZVK−Wechsel zuschauen?“, hört Dirk Dr. Krämer hin− ter sich sagen. Die Staphylokokken im Blut des Pa− tienten kommen vielleicht vom zentralen Venenka−

durch. Erst vor einer Woche hat er das Hygiene−Semi−

theter. Er liegt schon seit über einer Woche“,

nar besucht, in dem ein Film über das korrekte Blut−

erläutert der Arzt dem Famulus. Beim Entfernen des

abnehmen gezeigt wurde.

Katheters beobachten die Mediziner eine leichte

Am Patientenbett angekommen führt er konzentriert

Rötung um die Einstichstelle. Und in der Tat, die

einen Schritt nach dem anderen durch: Nach Anlage

Körpertemperatur des 29−Jährigen sinkt wenige Stun−

der Staubinde tastet er die Armvene, desinfiziert sich die Hände und zieht sich Handschuhe an. Dann desin−

den nach Katheterentfernung auf Normalwerte. Das

fiziert er die Hautstelle, indem er das antiseptische Mittel längere Zeit einwirken lässt. Ohne die Vene

mikrobiologische Ergebnis der eingesandten Kathe− terspitze ergibt eine Keimbesiedelung mit koagulase− negativen Staphylokokken.

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege

8

Infektionen von Atemwegen, Lunge und Herz−Kreislauf−System, Sepsis

231

gilt, oder sie gehören zur residenten Flora der obe− ren Luftwege (s. S. 75) und werden erst bei lokaler oder allgemeiner Resistenzminderung invasiv. Erkrankungen durch diese Erreger entstehen also

8.1 Akute Infektionen der oberen Atemwege

endogen, die Erkrankung ist somit kaum übertrag− bar und tritt nur in Einzelfällen auf, während die exogen erworbenen Erreger ansteckend sind und

Key Point Infektionen der Atemwege und der Lunge werden in der Regel durch Tröpfcheninfek− tion bzw. Aerosole übertragen. Vor allem in den oberen Atemwegen (Nasopharynx) fin− det oft initial zunächst eine virale Infektion statt, die die Epithelzellen schädigt und den Weg für eine bakterielle Superinfektion bahnt. Infektionen der Lunge und der Atemwege können durch eine Vielzahl von Erregern verursacht wer− den, die exogen über die Luft, seltener durch direk− ten körperlichen Kontakt oder durch Aufnahme kontaminierter Nahrungsmittel erworben werden. Manche fakultativ pathogenen Mikroorganismen

Gruppenerkrankungen oder Epidemien hervorrufen können. MERKE

Die Erreger besitzen nicht die gleiche Affinität zu allen Abschnitten des Respirationstraktes, sodass eine gewisse Korrelation zwischen der Lokalisa− tion des Prozesses und dem zu erwartendem Erre− ger besteht. Die Kenntnis solcher Affinitäten ist wichtig für die Einleitung einer Therapie, wenn das Ergebnis der mikrobiologischen Untersuchung nicht abgewartet werden kann.

8.1.1 Rhinopharyngitis Infekt [J06]

[J00]

und grippaler

besiedeln zunächst nur die Schleimhäute, was noch

Akute Infektionen der Nasenschleimhaut führen meist zum Schnupfensyndrom (Erkältungsschnup−

nicht als Infektion oder gar als Infektionskrankheit

fen“), das durch vermehrte Sekretion (Rhinorrhö),

Abb. 8.1

Erregerspektrum von Atemwegen, Lunge und Herz

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232

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz

Schleimhautschwellung mit Behinderung der Na−

durchgeführt werden. Therapeutisch steht seit kur−

senatmung und Niesreiz gekennzeichnet ist. Beson− derheiten wie schleimig−eitrig oder blutig−seröse

zem Pleconaril zur Verfügung, das die Adsorption

Sekretion, Schleimhautulzera oder tumoröse Wu− cherungen können zusätzlich Hinweise auf die Ätiologie der Rhinitis geben. Bei chronischen Erkrankungen stehen Beschwerden durch die atrophierte oder Schleimhaut im Vordergrund.

hyperplastische

Rhinitis, Schnupfen Primäre Ursache des Schnupfens (syn. common cold) sind Viren. Rhinoviren mit mehr als 110 Sero− typen verursachen bis zu 50 % aller common colds“ und kommen das ganze Jahr über vor. Wei− tere 15 % werden, hauptsächlich im Winter, durch Coronaviren verursacht. Infrage kommen auch Pa− rainfluenza− und Adenoviren sowie bei Kleinkin− dern das Respiratorische Synzytial Virus (RSV). Die Übertragung erfolgt überwiegend durch Tröpfcheninfektion. Meistens beginnt der Schnup− fen mit Brennen und Trockenheitsgefühl im Naso− pharynxbereich; manchmal kommen Kopfschmer− zen und subfebrile Temperaturen vor, außerdem wird reichlich wässriges Nasensekret produziert. Durch Störung der Nasenatmung hört sich die Stimme nasal an. Das stetige Ausschnupfen führt zur lokalen Reizung des Naseneingangs. Meist kommt es nach 1–2 Wochen zur Spontanheilung.

der Viren hemmt.

Akute, unspezifische bakterielle Rhinitis Im Verlauf einer Virusinfektion der Nasenschleim− haut tritt oft eine bakterielle Superinfektion auf, die klinisch am Übergang des serös−schleimigen Sekretes der Virus−Rhinitis in ein rahmig−eitriges Sekret erkennbar ist. Erreger sind vor allem Strep− tococcus pneumoniae (Pneumokokken), S. pyogenes, Haemophilus influenzae und Staphylococcus aureus, seltener Enterobacteriaceae oder Pseudomonas. In der Regel handelt es sich um endogene Infektio− nen, eine aerogene Übertragung ist aber möglich und kann vor allem Kleinkinder gefährden. Da der ursächliche Erreger nur durch die mikrobio− logische Untersuchung erkannt werden kann, soll− ten bei allen schweren, schlecht heilenden oder zur Ausbreitung neigenden Infektionen Nasenabstriche kulturell untersucht werden. Die antibiotische Therapie richtet sich nach dem nachgewiesenen Erreger: bei Pneumokokken Ben− zylpenicillin (außer bei Verdacht auf Penicillinresis− tenz, die besonders bei Auslandsanamnese vorlie− gen kann R in diesem Fall sollte kalkuliert Cephalosporin gegeben werden), bei Haemophilus mit nachgewiesener Empfindlichkeit Aminopenicil− line oder Makrolide, bei Penicillin−G−empfindlichen Staphylokokken Penicillin G, sonst Penicillinase−

Rhinoviren

feste Penicilline (Oxacillin, Dicloxacillin oder Flu−

Die zur Familie Picornaviridae gehörenden Rhinovi−

cloxacillin) oder andere Antibiotika nach Antibio−

ren sind nackte und daher umweltresistente RNA−

gramm.

Viren, die weltweit vorkommen und durch Tröpf− cheninfektion übertragen werden. Besonders häufig

8.1.2 Sinusitis

sind Kinder von der Infektion betroffen, später nimmt die Infektionsrate kontinuierlich ab.

Bei der Sinusitis kommt es zur Entzündung der Schleimhaut einer oder mehrerer Nebenhöhlen. Be−

Die Vermehrung der Viren bleibt lokal auf die Ein−

fallen werden in abnehmender Häufigkeit die Kie−

trittspforte, das Nasopharynx−Epithel, beschränkt. Eine hämatogene Streuung findet nicht statt.

ferhöhlen, die Siebbeinzellen, die Stirnhöhlen und die Keilbeinhöhle. Folgende Erreger sind häufig:

[J01]

Nach einer Inkubationszeit von 1–4 Tagen entw−

akute Sinusitis:

ickeln sich eine Hyperämie der Schleimhaut und

O 70 % S. pneumoniae, S. pyogenes, H. influenzae,

ein Ödem des subepithelialen Bindegewebes. Ty− pisch ist die massive Produktion von wässrigem Nasensekret (tropfende Nase“). Häufig gesellen

S. aureus O 12 % Anaerobier, Enterobacteriacae

sich Heiserkeit, Halsschmerzen und Husten hinzu. Falls erforderlich, kann eine Diagnostik mithilfe der RT−PCR oder durch Virusanzucht in Zellkultur

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege chronische Sinusitis:

noch nicht genügend Antikörper gegen die Kapseln

O 10 % S. pneumoniae, S. pyogenes, H. influenzae, S. aureus

von H. influenzae und Pneumokokken gebildet haben.

O 55 % Anaerobier, Enterobacteriacae

führt häufig als Erreger einer Superinfektion nach

Besonders H. influenzae mit dem Kapseltyp B (HinB)

Nebenhöhlenentzündungen entwickeln sich meist

einem banalen Virusinfekt zur Pharyngitis oder zur

in Folge anatomischer oder entzündlicher Verände−

Epiglottitis. Hierbei handelt es sich in der Regel um

rungen der Nase. Darüber hinaus müssen aber

eine endogene Infektion.

auch iatrogene Infektionen, die durch unsterile In− strumente oder Spülflüssigkeiten oder durch Ein−

Auf dem gleichen pathogenetischen Prinzip beruht auch die Entstehung einer akuten Sinusitis, die in 70 %

schleppung von Erregern bei der Punktion zustan−

der Fälle von H. influenzae oder Pneumokokken

de kommen, berücksichtigt werden. Auch eine dentogene Fortleitung ist möglich.

verursacht wird (zum Vergleich: bei der chronischen Sinusitis kommen diese beiden Erreger nur in 10 % der

Der ursächliche Erreger kann nur durch die mikro−

Fälle vor R Verschiebung des Keimspektrums zuguns−

biologische Untersuchung von Punktat oder Spül−

ten von Anaerobiern und Enterobacteriaceaen bei der

flüssigkeit geklärt werden.

chronischen Sinusitis). Meistens ist der Sinus maxillaris

Wenn – wie üblich – sterile physiologische Koch− salzlösung zur Spülung verwendet wird, ist wegen

betroffen. Zusätzlich kann H. influenzae auch für eine Otitis media und eine Pneumonie (s. S. 248) verant−

möglicher Inaktivierungswirkung dieser Flüssigkeit

wortlich sein, die ebenfalls das Ergebnis einer bakte−

auf die Erreger für raschen Transport der Probe zu

riellen Superinfektion nach banalem Virusinfekt des

sorgen. Die Behandlung der Sinusitis besteht primär in der

oberen Respirationstrakts sein können.

Gabe von abschwellenden Nasentropfen und ggf. in der Spülung der infizierten Nebenhöhle.

Praxistipp: Erst sekundär und vor allem in hartnäckigen Fällen sollten Antibiotika (nach Anzucht und Testung des Erregers, z. B. Aminopenicilline) eingesetzt werden. EXKURS

233

8.1.3 Pharyngitis und Tonsillitis

[J02–J03]

Aufgrund der Lokalisation der Entzündung lassen sich Pharyngitis und Tonsillitis voneinander ab− grenzen. Es bestehen aber fließende Übergänge zwischen diesen Krankheitsbildern, so dass ihre ge− meinsame Besprechung sinnvoll ist.

Streptokokkenpharyngitis und Scharlach

[A38,

A40]

Streptokokkeninfektionen des Rachenringes gehö−

Bakterielle Superinfektionen

ren zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Sie können zu gefährlichen Komplikationen und Folge−

Grundlage für die meisten bakteriellen Infektionen im

krankheiten führen, insbesondere dann, wenn sie

Nasen−Rachen−Bereich ist eine vorbestehende Schädi− gung der Integrität der Schleimhaut, die meistens durch eine virale Infektion (Rhino−, Coxsackie−, ECHO−,

nicht diagnostiziert und nicht ausreichend thera−

Parainfluenza− und Influenzaviren) ausgelöst wird. Bei

fektion und geht vom akut Erkrankten aus. Es müs−

einer darauf aufbauenden Infektion spricht man von

sen aber auch gesunde Keimträger als Infektions−

einer Superinfektion“.

quelle in Betracht gezogen werden. Erkrankungen

Eine bakterielle Superinfektion entsteht vor allem

sind vor allem im Schulkindalter häufig.

piert werden. Die Übertragung erfolgt meist durch Tröpfchenin−

durch H. influenzae, aber auch durch Gruppe−A− Streptokokken und Pneumokokken, weil diese Bakte− rien spezifisch an die entsprechenden Viren binden. Vor allem Kinder im Alter von 6 Monaten bis 4 Jahren sind betroffen, weil sie einerseits keine mütterlichen Antikörper mehr aufweisen und andererseits selbst

MERKE

Pharyngitis, Tonsillitis, Rhinitis: 15–30 % Grup− pe−A−Streptokokken (Streptococcus pyogenes) Sinusitis, Otitis media: 3 % Gruppe−A−Strepto− kokken (Streptococcus pyogenes)

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234

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz

Abb. 8.2 Angina lacunaris mit typischen Eiterstippchen (Pfeil) auf den Tonsillen (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. W. Steiner, Göttingen)

Der typische Erreger von Angina lacunaris und Scharlach ist Streptococcus pyogenes, dessen einzi− ger natürlicher Wirt der Mensch ist. Angina lacunaris (syn. Tonsillitis): Die Angina lacu− naris entwickelt sich nach einer Inkubationszeit von 2–4 Tagen und ist durch ein Enanthem, Hals− schmerzen, hohes Fieber und Eiterstippchen char− akterisiert, die sich meistens an den Tonsillen befinden und leicht mit einem Abstrichtupfer weggewischt werden können (Abb. 8.2).

a

S. pyogenes (GAS = Gruppe−A−Streptokokken) ist eine b−hämolysierende Streptokokkenart und be− sitzt ein breites Spektrum zellständiger und extra− zellulärer Virulenzfaktoren, die als Antigene wirken und im menschlichen Körper die Bildung spezifi− scher Antikörper hervorrufen. Solche Antikörper, die mit menschlichen Geweben kreuzreagieren oder nach Zusammenlagerung mit ihrem Antigen als Immunkomplexe im Körper zirkulieren können, spielen eine wichtige Rolle bei der Pathogenese von Streptokokkenerkrankungen bzw. ihrer Folgeer− krankungen (s. S. 39). Scharlach: Als Folge einer Streptokokken−Tonsillitis kann es zum Scharlach kommen. Es gibt insgesamt drei phagenkodierte erythrogene Toxine (SPE−A, −B, −C), die als Superantigene wirken und nur von

b Abb. 8.3 Kleinfleckiges Exanthem (a aus Hof, Dörries: Duale Reihe Mikrobiologie) und periorale Blässe (b aus Jung, Moll: Duale Reihe Dermatologie) bei Scharlach

einigen S. pyogenes−Stämmen produziert werden (s. S. 42). Diese erythrogenen Toxine sind für das Scharlachexanthem (Abb. 8.3) mit nachfolgender

MERKE

Hautschuppung v. a. an Handtellern und Fußsohlen

Es handelt sich demzufolge um eine infektiöse In− toxikation.

sowie für das Scharlachenanthem verantwortlich und können auch zum Toxic−shock−Syndrom (TSS) führen.

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege Weitere charakteristische Krankheitszeichen des

Das akute rheumatische Fieber (ARF) kommt in der

Scharlachs sind die Himbeerzunge mit hypertro− phierten Papillen und die periorale Blässe, d. h. das

Regel nur nach einer Racheninfektion (nach ca. 18

Fehlen eines Exanthems im Mundbereich.

Arthritis, Pankarditis (Endo−, Myo− und Perikarditis)

235

Tagen) vor und ist charakterisiert durch die Trias und Chorea minor. Bei Letzterer handelt es sich um eine Hypotonie der Muskulatur mit Hyperkinesen,

Praxistipp

die sich als schnelle und unwillkürliche Kontraktio−

Eine dauerhafte Immunität bildet sich nur gegen das jeweilige SPE−Toxin aus, so dass man theoretisch bis zu dreimal an Scharlach erkranken kann.

nen einzelner Muskeln manifestieren. Die Patienten fallen durch eine motorische Unruhe mit Schnei− den von Grimassen“ und eventuell durch Grunz− laute auf. Als pathogenetisch bedeutsame Teilaspekte werden

Andere Streptokokken, z. B. der serologischen Grup−

sowohl direkte toxische Wirkungen durch die Erre−

pen C und G, rufen zuweilen ebenfalls Pharyngiti−

ger selbst oder durch ihre Produkte (Toxine) als

den hervor. Dagegen spielen b−hämolysierende

auch ein molekulares Mimikry (zelluläre und hu−

Streptokokken der serologischen Gruppe B (= S. agalactiae) im Respirationstrakt praktisch keine

morale Kreuzreaktion zwischen M−Protein der Streptokokken und Myokard) für die Entwicklung

Rolle. Sie sind aber einer der wichtigsten Erreger

der Pankarditis diskutiert.

von

Neugeborenen−Sepsis

und/oder

Meningitis

(s. S. 334). Lokale Komplikationen bei Tonsillitis und Pharyngi− tis sind der parapharyngeale und der peritonsilläre Abszess. Bei weiterer Ausbreitung der Infektion kann es zu dem schweren Krankheitsbild der septi− schen Jugularvenenthrombose und zur Sepsis mit Purpura fulminans und Verbrauchskoagulopathie kommen.

Diagnostik, Therapie und Prävention Diagnostik y Der kulturelle Nachweis von A−Strepto− kokken aus Rachenabstrichen erfolgt auf bluthalti− gen Nährmedien. Die Spezies (= serologische Gruppe nach Lancefield) wird mit spezifischen Antikörpern bzw.

Antikörper−beladenen

Latexpartikeln

oder

durch biochemische Differenzierung bestimmt. Zusätzliche diagnostische Hinweise gibt die Be−

Als Folge einer A−Streptokokken−Infektion können

stimmung des Antikörpertiters im Patientenserum gegen Exoenzyme der A−Streptokokken, die bei den nichteitrigen Folgekrankheiten unabdingbar für die

nichteitrige

Folgekrankheiten [I00–I02] akutes

Diagnose ist. Als diagnostisch verwertbar haben

rheumatisches Fieber, akute Glomerulonephritis,

sich Antikörperbestimmungen gegen Streptolysin

Chorea minor (selten).

O (ASL−O) und Desoxyribonuklease B (ADN) erwie−

Bei ca. 3 % aller A−Streptokokken−Infektionen ent−

sen (s. S. 42).

Folgekrankheiten

auftreten:

wickelt sich eine akute Glomerulonephritis (AGN): Dabei handelt es sich um das Ergebnis einer Anti− gen−Antikörper−Reaktion (Ablagerung von Komple− xen aus Antigenen von S. pyogenes und gegen sie gerichtete Antikörper an der glomerulären Basal− membran), die zur Immunkomplex−Nephritis führt. Die

dadurch

entstehende

Entzündungsreaktion

führt zur gesteigerten Kapillarpermeabilität mit Proteinurie und Erythrozyturie. Eine chronische Niereninsuffizienz kann u. U. die Folge sein. Die AGN kann ca. 10 Tage nach Tonsillopharyngitis/ Scharlach oder – häufiger – ca. 21 Tage nach einer Pyodermie/Erysipel auftreten (s. S. 42).

MERKE

Da jeder Mensch im Laufe seines Lebens zur Aus− einandersetzung mit Streptokokken gezwungen ist, findet man auch bei gesunden Menschen An− tikörper gegen diese Antigene (Basistiter“), so dass nur hohe Titer bzw. ein Titeranstieg auf eine floride oder kürzlich durchgemachte Streptokok− keninfektion hinweisen. Therapie y Bei S.−pyogenes−Infektionen ist Penicillin vom Wirkungstyp des Penicillin G immer noch Mittel der Wahl, da gegen diese bisher keine nennenswerte

Resistenzentwicklung

beobachtet

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236

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz

wurde. Unabhängig vom klinischen Erfolg einer

befund, aber gering gestörtem Allgemeinbefinden

Penicillintherapie ist die Behandlung in ausreichen− der Dosierung mindestens 10 Tage fortzusetzen, um

gekennzeichnet. Auffällig ist ein starker Foetor ex ore (unangenehmer Mundgeruch).

dem Auftreten einer Folgekrankheit sicher vorzu−

Es

beugen.

Meist heilt die Krankheit innerhalb von 1–2 Wo−

Als Alternative kommen Cephalosporine oder Mak−

chen aus, sie kann sich aber auch als ulzeröse Sto−

rolide bzw. Clindamycin infrage, wenn sie sich bei

matitis ausbreiten. Bei abwehrschwachen Patien−

der Testung des Bakterienstammes als wirksam er− wiesen haben. Eine Makrolid−Therapie kann wegen

ten, insbesondere in den Tropen, kann eine destruierende Entzündung der Schleimhaut und

der guten intrazellulären Penetration dieser Phar−

der angrenzenden Gewebe ausgelöst werden, die

maka von Nutzen sein, wenn sich eine Angina mit

als Noma bezeichnet wird.

erkranken überwiegend

junge

Erwachsene.

b−Laktamantibiotika nicht ausheilen lässt.

Praxistipp Praxistipp Ein infiziertes Kind sollte frühestens 24 h nach Therapiebeginn wieder Kontakt mit anderen Kindern haben. Prävention y Eine Prävention von A−Streptokokken− Infektionen durch Impfung ist nicht möglich. Die

Die Angina Plaut−Vincenti ist eine der weni− gen bakteriellen Infektionskrankheiten, die nicht kulturell, sondern allein mikroskopisch aus dem nach Gram oder mit Fuchsin gefärbten Originalpräparat diagnostiziert wird (Abb. 8.4).

Entstehung des akuten rheumatischen Fiebers lässt

Im Grampräparat sieht man gramnegative, relativ

sich jedoch mit großer Sicherheit durch die 10−

lange, an den Enden zugespitzte Stäbchen (Fuso−

tägige orale Penicillintherapie verhindern. Zur Dauerprophylaxe bei besonders gefährdeten Perso−

bakterien) und sehr zarte gramnegative Schrauben− bakterien (T. vincentii).

nen (z. B. vorgeschädigte Herzklappe) hat sich die

Die klinische Differenzialdiagnose umfasst vor al−

tägliche orale Penicillineinnahme oder eine monat−

lem die Diphtherie, aber auch einen syphilitischen

liche Injektion eines Depotpräparates (z. B. Ben−

Primäraffekt (s. S. 315) oder ein Neoplasma.

zathin−Penicillin) bewährt. Das Auftreten einer akuten Glomerulonephritis lässt sich nicht mit

Die Therapie erfolgt durch hoch dosierte Penicillin− Gabe, alternativ können Tetrazykline oder Clinda−

gleicher Sicherheit chemoprophylaktisch abwenden.

mycin eingesetzt werden.

Der vorbeugende Wert einer Tonsillektomie ist um− stritten, da Streptokokken−Pharyngitiden auch nach Entfernung der Tonsillen auftreten können.

Angina Plaut−Vincenti (Fusotreponematose [A69.1]

Die Angina Plaut−Vincenti wird auch als Fusotrepo− nematose bezeichnet. Sie gilt als spezifische Infek− tionskrankheit, da sie endogen durch die Koinfek− tion mit Treponema vincentii und Fusobacterium nucleatum (Kommensalen der normalen Mundflo− ra) hervorgerufen wird. Daher spielen wahrschein− lich Einschränkungen der Immunabwehr oder/und ein Ungleichgewicht innerhalb der Normalflora eine Rolle bei der Pathogenese. Die Erkrankung ist durch eine meist einseitige, nekrotisierende Tonsillitis mit dramatischem Lokal−

Abb. 8.4 Angina Plaut−Vincenti: Koinfektion mit Spirochä− ten (*) und Fusobakterien (R)

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege Diphtherie (echter Krupp

[A36]

Wegen der relativ guten Umweltresistenz von

die durch das Bakterium Corynebacterium diphthe−

C. diphtheriae kann auch von Gegenständen abge− wirbelter Staub zur Infektion führen.

riae hervorgerufen wird.

Die Erreger vermehren sich in der Regel an der Ein−

Die Diphtherie ist eine akute Infektionskrankheit,

Pathogenität und Virulenzfaktoren Die Diphtherie ist eine lokale Infektion, die zu ei− ner generalisierten Intoxikation führen kann. MERKE

Phagenfreie Stämme bilden kein Toxin und sind somit atoxisch, d. h. ungefährlich. Nur C. diphthe− riae−Stämme, die das Diphtherietoxin bilden, sind virulent!

237

trittspforte (meistens Rachen, seltener Hautwun− den) und produzieren Toxin, das zunächst lokal, später ggf. aber auch generalisiert wirkt. Daher ist die Diphtherie meistens eine primär an den Tonsil− len lokalisierte Schleimhautinfektion, die durch to− xische Fernwirkung zur schweren Allgemeinerkran− kung führen kann. Das Toxin wirkt lokal nekrotisierend und gefäßdila− tierend, wodurch es zur Ödembildung, zu Blutun− gen und zur Fibrinausscheidung kommt. Durch Zelltod und Fibrinausscheidung bedingt bilden sich

Die minimal letale Dosis beträgt 0,1 mg/kg Körper− gewicht. Das Diphtherietoxin ist ein Exotoxin mit

die charakteristischen pseudomembranösen Beläge auf der infizierten Schleimhaut aus (Abb. 8.5).

AB−Struktur. Die B−Unterheit bindet an entspre−

Nach einer Inkubationszeit von durchschnittlich

chende Zielzellen. Nach Translokation durch die

2–6 Tagen entwickelt sich in Abhängigkeit von der

Zytoplasmamembran entfaltet die A−Untereinheit

Eintrittspforte die Nasen−, Rachen−, Kehlkopf− oder Wunddiphtherie. Sie ist durch die bereits geschil−

ihre toxische Aktivität durch ADP−Ribosylierung des Elongationsfaktors−2 (EF−2):

derten festen Membranen, eine Gaumensegelpa−

Inhibition der Proteinsynthese in Eukaryonten:

rese, Fieber, lokale Lymphknotenschwellung und

Diphtherietoxin NAD + EF−2 EADP−Ribosyl−EF−2

schweres Krankheitsgefühl charakterisiert. Gefürch− tete Komplikationen sind die nach 8–10 Tagen ein−

+ Nikotinamid + H+

tretende Früh− oder die erst nach 4–8 Wochen auf−

Der EF−2 spielt eine wesentliche Rolle in der Pro−

tretende Spätmyokarditis und Nervenlähmungen.

teinbiosynthese, weil er normalerweise die Verlän−

Vor allem in den Ländern des Südens ist außerdem

gerung der Aminosäurenketten an den Ribosomen bewirkt. Durch die ADP−Ribosylierung wird EF−2 in

die Wunddiphtherie von klinischer Bedeutung.

seiner Funktion gehemmt: Als Folge wird die Pro−

Früher war die durch die pseudomembranösen Be−

teinbiosynthese der Wirtszelle gehemmt und die Zelle stirbt. Die klinischen Symptome sind abhän−

läge bedingte Laryngitis diphtherica eine gefürch− tete Komplikation, die ohne frühzeitige Tracheoto−

gig von der durch das Diphterietoxin zerstörten

mie zum Erstickungstod führte. Sie ist u. a. durch

Diese fällt durch weißliche Wundränder auf.

Wirtszelle bzw. des zerstörten Gewebes.

Klinik Die Übertragung des Erregers erfolgt meist durch Tröpfcheninfektion, wobei Erkrankte, Inkubations− ausscheider oder Keimträger als Infektionsquelle dienen können. MERKE

Keimträger spielen sicher die größere Rolle, denn die durch die Impfung erzeugte Immunität ist an− titoxisch und schützt somit zwar vor der Erkran− kung, verhindert aber nicht das Keimträgertum! Abb. 8.5 Diphterie: pseudomembranöse Beläge (Pfeil), (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. A. Stich, Würzburg)

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238

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz

den so genannten Caesarenhals (durch die starke

Das Material muss wegen der Gefahr der Überwu−

Lymphknotenbeteiligung) und süßlichen Mundge− ruch charakterisiert.

cherung durch andere Bakterien schnell oder ge− kühlt zum Untersuchungslabor gebracht werden. Der Verdacht wird durch den Erregernachweis be−

EXKURS

stätigt. Vereinfachend sieht die mikrobiologische

Diphtherieimpfung

Diagnostik folgendes Vorgehen vor:

Nachdem in Osteuropa und der früheren Sowjetunion

1. Kultur

wegen des politischen Umbruchs in den 90 er−Jahren

2. Mikroskopie von Kultur 3. Differenzierung und Toxinnachweis.

die Diphtherieimpfung nicht mehr adäquat durch− geführt werden konnte, traten dort bis 1995 jährlich ca. 50 000 Diphtheriefälle mit einer Letalität von ca. 3 % auf. Sie zeigten überwiegend keine Larynxbeteili− gung, sondern durch toxische Fernwirkungen des Diphtherietoxins bedingte Manifestationen. Seit 1996 sind die Erkrankungszahlen zurückgegangen, da Im− pfungen wieder verstärkt durchgeführt wurden. Ein− zelfälle kommen auch in Deutschland vor.

1. Kultur y Der sichere Nachweis von C. diphtheriae gelingt kulturell. Dafür werden Universalmedien (Blutagar, Löffler−Medium aus koaguliertem Serum) sowie selektive Differenzierungsnährböden (z. B. Clauberg−III−Agar, Tinsdale−Agar) eingesetzt. 2. Mikroskopie y Nach 12–20−stündiger Bebrütung können von verdächtigen Kolonien auf den Univer− salmedien mikroskopische Präparate angefertigt werden: C. diphtheriae weist im mikroskopischen

Diagnostik Das Hauptproblem besteht darin, dass das Krank− heitsbild bei uns nicht mehr bekannt ist. Es ist also sehr wichtig, ggf. an die Diphtherie überhaupt zu denken und dann zunächst den Impfstatus des Pa− tienten zu erfragen. Für die Überprüfung des Impfstatus stehen serolo− gische Methoden (ELISA) zur Verfügung. Wenn der Impfstatus wegen Zeitmangels nicht zu ermitteln ist oder wenn definitiv keine ausreichende Immu− nisierung vorliegt, muss die Indikation zur passiven Immunisierung allein aufgrund des klinischen Bil− des gestellt werden.

Präparat eine keulenförmige Gestalt und eine typische Lagerung in Y− und V−Form auf. Besteht der Verdacht auf das Vorliegen von Diph− theriebakterien, wird eine Spezialfärbung nach Neisser durchgeführt (2 min Eisessig/Methylen− blau/Kristallviolett gefolgt von 1 min Chrysoidin). Durch die Neisser−Färbung lassen sich in den Stäb− chen

metachromatische

Körnchen

darstellen

(Abb. 8.6). Bei diesen Polkörperchen handelt es sich

um für Diphtheriebakterien charakteristische meta− chromatische Granula bzw. Voluntinkörnchen, die aus Kalzium− und Polyphosphatablagerungen be− stehen. MERKE

Praxistipp Der Verdacht auf Diphtherie ist dann gege− ben, wenn die Schleimhaut von fest sitzen− den Pseudomembranen belegt ist und es nach Abheben der Membranen darunter zur Blutung kommt. Der Verdacht wird durch den Erregernachweis be− stätigt: Dazu ist es unbedingt erforderlich, dass vor

Trotz der typischen Morphologie von C. diphthe− riae im Neisser−Präparat sollte der direkte mikro− skopische Nachweis vom Rachenabstrich nicht durchgeführt werden, da einerseits auf der Ra− chenschleimhaut harmlose diphtheroide“ Bakte− rien mit Polkörperchen vorkommen können, andererseits bei niedriger Erregerkonzentration die Wahrscheinlichkeit ihrer mikroskopischen Auf− findung sehr gering ist.

Beginn der Therapie Untersuchungsmaterial ge− wonnen wird, und zwar unter den Pseudomembra− nen abgenommene Rachen−, Nasen− oder Tracheal− abstriche, Wundsekret oder Operationsmaterial. Dazu wird nach Lokalanästhesie die Pseudomemb− ran mit einer Pinzette abgehoben.

3. Differenzierung und Toxinnachweis y Erhärtet sich der Verdacht, werden Subkulturen angelegt, um eine biochemische Differenzierung mit Hilfe von Saccha− rose, Glucose und Stärke vorzunehmen: C. diphthe−

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege

Abb. 8.6

239

Nachweis von Corynebacterium diphtheriae mit der Gram− (links) und der Neisser−Färbung (rechts)

riae spaltet stets Glucose, manchmal Stärke und

Therapie und Prävention

niemals Saccharose. Zur endgültigen bakteriologischen Diagnose der

Therapie y Im Vordergrund der kausalen Therapie

Diphtherie gehört zwingend der Nachweis der To−

steht die frühzeitige und ausreichend dosierte Gabe von Antitoxin (500–4000 I.E. pro kg Körpergewicht),

xinbildung des jeweiligen Stammes. Er wird als

das vom Pferd stammt. Um anaphylaktischen Re−

Präzipitationsreaktion

Elek−Ouchterlony

aktionen vorzubeugen, sollte vorher eine Intraku−

durchgeführt (Abb. 8.7): Dazu werden die verdächti−

tan− oder Konjunktivaltestung zum Ausschluss einer

gen Kolonien zusammen mit einem Antitoxin−halti−

Allergie durchgeführt werden. Fällt die Reaktion

gen Filterpapierstreifen auf eine Agarplatte gege−

positiv aus, verwendet man gepooltes, insgesamt

ben, um bei Toxinbildnern ggf. nach einer Inkubationszeit von bis zu 3 Tagen eine Präzipita−

aber viel weniger wirksames Humangammaglobu−

nach

tionslinie zu erkennen. Alternativ kann das pha−

lin. Außerdem muss eine Antibiotikatherapie mit Peni−

genkodierte Toxingen durch die PCR nachgewiesen

cillin, Erythromycin oder evtl. Tetrazyklinen durch−

werden.

geführt werden, um die weitere Toxinproduktion zu unterbinden und die Ausscheidungszeit der Bak−

MERKE

Für die endgültige Erregeridentifizierung ein− schließlich Toxinnachweis benötigt das bakterio− logische Labor mindestens 3–4 Tage.

terien zu verkürzen.

Praxistipp Bei Verlegung der Atemwege muss ggf. eine Tracheotomie durchgeführt werden.

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240

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz Abb. 8.7 Präzipitations− reaktion nach Ouchterlony Abb. 8.8 Stadien des Keuchhustens

Prävention y Die Diphtherie lässt sich durch eine Impfung verhindern! Die aktive Immunisierung

Eine wichtige Differenzialdiagnose der Diphtherie

zum Aufbau einer antitoxischen Immunität erfolgt

oder der Streptokokkenpharyngitis ist die Mono−

mit Diphtherie−Formoltoxoid. Die Grundimmuni− sierung findet bereits im Kindesalter (2–3–4–11 bis

nukleose. Die Erkrankung geht einher mit Fieber, einer Tonsillitis mit weißen Belägen, Schwellung

14 Lebensmonate) mit einer höheren Antigendosis

der Halslymphknoten und dem Gefühl der Abge−

(D) statt, Auffrischungsimpfungen sollten alle 10 Jahre durchgeführt werden.

schlagenheit. Da EBV nicht nur eine Racheninfekti−

Für Kinder ab einem Alter von 5 bzw. 6 Jahren, Ju−

fektion ist, wird die infektiöse Mononukleose auf

gendliche und Erwachsene ist ein Impfstoff mit ge−

S. 417 detailliert beschrieben.

Infektiöse Mononukleose (Pfeiffer−Drüsenfieber)

on verursacht, sondern eine systemische Virusin−

ringerer Toxoidkonzentration (d) zu verwenden, da men.

8.1.4 Laryngitis, Epiglottitis und Tracheitis (Tracheobronchitis) [J04–J05]

Nur wenn eine Herdimmunität erreicht ist, d. h.,

Laryngitis und Epiglottitis y Heiserkeit und Abge−

wenn mindestens 75 % der Bevölkerung geimpft sind, wird ein Epidemieschutz für die Bevölkerung

schlagenheit können Hinweis für eine Laryngitis

aufgebaut.

sich meistens deszendierend im Rahmen einer

Bei allen Kontaktpersonen eines Erkrankten sollte

Pharyngitis oder – seltener – aszendierend bei einer

ebenfalls erst einmal der Impfstatus durch ELISA

Tracheobronchitis. Sie können zu einer Behinderung

ermittelt werden. Nicht immune Kontaktpersonen können durch die

der Atmung führen und dann akut lebensbedrohlich sein.

prophylaktische Gabe von Penicillin oder Erythro−

Die Erkrankung tritt bei Kindern in zwei Formen

mycin geschützt werden. Der Nachweis toxinbildender Erreger ist gemäß

auf:

mit dem Lebensalter die Impfreaktionen zuneh−

oder Epiglottitis sein. Die Erkrankungen entwickeln

subglottische

stenosierende

Laryngotracheitis

IfSG meldepflichtig (im Jahr 2005 wurde in

(Pseudokrupp) im Verlauf banaler Viruserkan−

Deutschland ein Fall gemeldet).

kungen

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege Epiglottitis acutissima, wobei es sich um eine

infektion übertragen werden. Sekundär wird die

schwere Erkrankung durch Infektion mit Haemo− philus influenzae Kapseltyp b handelt. Bekapselte

vorgeschädigte Schleimhaut häufig bakteriell super−

Arten sind invasiv und können deshalb neben

ken, H. influenzae, Klebsiella pneumoniae bzw. b−

einer Epiglottitis auch eine Meningitis oder eine

hämolysierende Streptokokken gefunden werden.

septische Arthritis verursachen. Unbekapselte

Säuglinge, Kleinkinder und alte Menschen sind

Arten besiedeln hingegen nur die Schleimhaut

besonders anfällig für schwer verlaufende Bronchial−

und können zu einer nichtinvasiven bronchopul− monalen Infektion führen. Haemophilus influenzae

infektionen. Typische Symptome sind Husten mit Auswurf sowie leichtes Fieber und Brustschmerzen.

241

infiziert, wobei in fallender Häufigkeit Pneumokok−

benötigt die Wachstumsfaktoren Haemin (Faktor X) und NAD (Faktor V). Da Letzterer von Staphy−

MERKE

lococcus aureus produziert wird, wächst H. in−

Die Diagnose wird zunächst klinisch gestellt. Die mikrobiologisch−virologische Absicherung ist schwierig und unzuverlässig, da der Virusnach− weis nur in den ersten drei Krankheitstagen ge− lingt.

fluenzae auf Blutagar in der Umgebung von S. au− reus (Satelliten− oder Ammenphänomen). Selten sind andere Erreger für Infektionen von Kehlkopf und Epiglottis verantwortlich. Zahlenmä− ßig herrschen die harmlosen katarrhalischen Er− krankungsformen durch RS−, Parainfluenza−, Coro− na− oder Adeno−Viren vor. Für die Diagnose steht die klinische Erkennung der Kehlkopf− oder Epiglottisentzündung im Vorder− grund. Die individuelle Ätiologie kann aber nur durch die Erregerisolierung und −identifizierung aus Kehlkopfabstrichen festgestellt werden.

Die Erkennung der bakteriellen Superinfektion ist kaum einfacher, da die o. g. bakteriellen Erreger in der Mund− und Rachenflora vorkommen können und somit ihr Nachweis nicht zwingend ihre Erre− gerfunktion beweist. Auch bei bronchoskopisch gewonnenem Untersu− chungsmaterial besteht diese Schwierigkeit. Das Untersuchungsmaterial muss rasch transportiert

Praxistipp Bei der Epiglottitis acutissima ist ein Ra− chenabstrich zum Nachweis nicht geeignet; stattdessen wird H. influenzae meist in der Blutkultur nachgewiesen. Die Therapie erfolgt bei der subglottischen steno− sierenden Laryngotracheitis zunächst nur sympto− matisch (antiphlogistisch−antipyretisch), bei der Epiglottitis acutissima wird nach Abnahme des Ma− terials für die Diagnostik die Therapie mit Cefota− xim begonnen. Als Alternativen kommen je nach Antibiogramm Ampicillin, Tetracyclin und Erythromycin in Be− tracht. Bei stärkerer Einengung des Luftweges ist die Tracheotomie oder die Intubation u. U. nicht zu umgehen. Seit der Einführung der Haemophilus− Impfung tritt die Epiglottitis acutissima wesentlich seltener auf. Akute Tracheitis und Bronchitis (Tracheobronchitis) y Primäre Ursache sind fast immer Adeno−, Parain−

werden, um Überwucherung der Erreger zu ver− meiden. Material zur Virusisolierung erfordert spe− zielle Transportmedien. Die Therapie erfolgt zunächst nur symptomatisch (Stillung des Hustenreizes, Brusteinreibungen etc.). Eine Antibiotikagabe ist nur angezeigt, wenn die Krankheit nach 10–14 Tagen nicht abklingt bzw. wenn ein hochfieberhafter Verlauf und weitere kli− nische Parameter auf das Entstehen einer Pneumo− nie hinweisen (s. S. ). Kann mit genügender Sicher− heit ein bakterieller Superinfektionserreger durch die

bakteriologische

Untersuchung

ausgemacht

werden, ist er nach Antibiogramm zu behandeln. Sonst muss im Sinne der kalkulierten Chemothera− pie mit Aminopenicillinen, Cephalosporinen, Tetra− zyklinen, Cotrimoxazol oder neueren Fluorchinolo− nen die Ausheilung versucht werden.

8.1.5 Keuchhusten (Pertussis) Der Keuchhusten (syn. Pertussis, vgl. S. 64) ist eine durch Bordetella pertussis hervorgerufene Infekti−

fluenza−, Corona− oder RS−Viren, die durchTröpfchen−

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242

Akute Infektionen der oberen Atemwege

8 Atemwege und Herz

onskrankheit,

Hus−

Zerstörung der Zilien, so dass die Flimmerepithe−

tenanfällen einhergeht. WHO−Schätzungen gehen von weltweit 40 Millio−

lien den überproduzierten Schleim nicht mehr ab− transportieren können. Aus diesem Grund sammelt

nen Erkrankungen und 350 000 Todesfällen aus,

sich der Schleim intratracheal an, um dann reflek−

wobei der Keuchhusten vor allem eine Gefahr für

torisch durch massive Hustenanfälle regelrecht aus

kleine Kinder darstellt (, 1 Jahr). In afrikanischen

der Trachea herausgeschleudert zu werden. Wahr−

Ländern ist der Keuchhusten neben den Masern

scheinlich ist die Induktion derartiger Hustenan−

und der Malaria wichtige Ursache der hohen Kin− dersterblichkeit.

fälle eine Strategie von B. pertussis, um über Aero− sole von einem Menschen mit hoher Sicherheit auf

die

mit

charakteristischen

einen anderen Menschen übertragen zu werden: MERKE

Nichtimmune Personen erkranken unabhängig vom Lebensalter bei Erregerkontakt mit 60– 80 %iger Wahrscheinlichkeit.

Die Trachea ist das Ziel für Bordetella pertussis, des− wichtigstes

Adhäsin,

das

schnell ab.

Klinik Der Keuchhusten ist auf einen spezifischen Erreger

Pathogenität und Virulenzfaktoren sen

Der einzige Wirt von B. pertussis ist nämlich der Mensch; in der Umwelt stirbt der Erreger sehr

Filamentöse

Hämagglutinin, FHA“ spezifisch an Glykoproteine der Flimmerepithelien der Trachea bindet. FHA ver− mag auch andere Bakterien, wie z. B. Haemophilus influenzae, Pneumokokken und Staphylococcus au− reus zu binden, was die häufige Superinfektion durch diese Bakterien im Anschluss an den Keuch− husten erklärt. Weitere bakterielle Adhäsine von B. pertussis sind Fimbrien und Pertactin. Für die kli− nische Symptomatik des Keuchhustens (Pertussis) sind mehrere Exotoxine verantwortlich: Das Pertussistoxin (PTX) besteht aus einer aktiven A−Untereinheit und mehreren B−Untereinheiten mit Bindungseigenschaften. Nach Andockung an die Flimmerepithelzelle wird die A−Untereinheit durch die Zellmembran transloziert und hemmt durch ADP−Ribosylierung die Funktion eines sonst auf die Adenylatzyklase der Wirtszelle inhibierend−wirken−

zurückzuführen und daher eine spezifische bakteri− elle Infektionskrankheit. Infektionsquelle ist in der Regel der erkrankte Mensch, gesunde Keimträger sind eher selten. Die Erregerübertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Nach einer Inkubations− zeit von 10–14 Tagen verläuft die Erkrankung in drei Stadien (Abb. 8.8). Stadium catarrhale: Es dauert 1–2 Wochen und ist durch uncharakteristische respiratorische Symp− tome gekennzeichnet. In dieser Phase sind die Flimmerepithelien noch intakt und der Erreger ist aufgrund seiner massiven Vermehrung in der Tra− chea leicht nachweisbar. Allerdings wird wegen der uncharakteristischen Symptomatik in dieser Phase nicht an Keuchhusten gedacht. Differenzialdiagnos− tisch könnten die Symptome u. a. auch an eine banale Bronchitis oder Erkältungskrankheit sowie an die Tuberkulose, Mukoviszidose und Fremdkör− peraspiration denken lassen.

den Gi−Proteins. Dadurch kommt es zur Aktivierung der zelleigenen Adenylatzyklase, die die Produktion von cAMP aus AMP stimuliert. Die intrazelluläre cAMP−Produktion wird zusätzlich durch eine bakte− rielle Adenylatzyklase (CYA) signifikant gesteigert. Als Folge des intrazellulären cAMP−Anstiegs kommt es zur Sekretion von Flüssigkeit aus der Flimmer− epithelzelle und – wahrscheinlich durch Diffusi− onsvorgänge bedingt – auch zur Überproduktion von Schleim aus den benachbarten Schleimbecher− zellen. Das tracheale Zytotoxin ist die Hauptursache des Hustens bei dieser Erkrankung. Es bewirkt eine

Abb. 8.9

Subkonjunktivale Hämorrhagien mit Gewebsein−

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8 Atemwege und Herz Akute Infektionen der oberen Atemwege

243

Praxistipp Pausenloses Husten spricht in der Regel ge− gen Pertussis! Stadium convulsivum: In dieser 2–6 (8) Wochen andauernden Phase sind die Flimmerepithelien bereits größtenteils zerstört, so dass die charakte− ristischen stakkatoartigen Hustenanfälle mit ziehen− der Inspiration und Hochwürgen bzw. Erbrechen zähflüssigen, glasigen Sekretes im Vordergrund stehen. In schweren Fällen tritt der Tod im akuten Anfall ein. Der Patient ist u. U. zyanotisch; im Blutbild fällt eine Lymphozytose auf. Bakterielle Superinfektio−

blutungen bei Pertussis

nen mit H. influenzae, Pneumokokken oder S. au− reus können zur Otitis media oder zur Pneumonie führen. Da es sich oft um kleine Kinder mit begin− nendem Zahndurchbruch handelt, ist ein Zungen− bandgeschwür nahezu pathognomonisch für den Keuchhusten: Es kommt durch das beim Husten entstehende Reiben des Zungenbandes an den noch scharfen kleinen Frontzähnchen im Unterkiefer zu− stande. Kopfschmerzen als Zeichen einer Enzephalopathie werden beobachtet. Problematisch sind die Folgen des pulmonalen Überdrucks: So kann eine Alveo− larruptur mit einem interstitiellen und subkutanen Emphysem entstehen. Subkonjunktivale Hämorrhagien (rotes Kaninchen− auge“) mit Gewebseinblutungen und Nasenbluten sind nicht selten (Abb. 8.9). Bei Bindegewebsschwä− che können Hernien auftreten.

Diagnostik Die Diagnose erfolgt meistens klinisch. Da jedoch in einigen Fällen auch andere Bordetellen, Adenovi− ren und sogar Chlamydien eine dem Stadium con− vulsivum ähnliche Symptomatik auslösen können, sollte grundsätzlich eine mikrobiologische Diagnos− tik angestrebt werden. MERKE

Hauptprobleme: Der Erregernachweis ist im cha− rakteristischen Stadium convulsivum nur noch schwer möglich und im vorhergehenden uncha− rakteristischen Stadium catarrhale wird meist nicht an den Keuchhusten gedacht. Der Erregernachweis wird aus einem Transnasalab− strich (nicht Rachenabstrich!) möglichst im Sta−

Praxistipp

dium catarrhale oder im frühen Stadium convulsi−

In diesem Stadium wird aufgrund der Symptomatik zwar an Keuchhusten gedacht, die Erregerzahl in der Trachea ist jedoch schon stark vermindert, so dass der direkte Erregernachweis u. U. falsch−negativ ausfällt.

vum versucht. Sowohl für den Transport als auch für die Kultur ist ein Spezialmedium (Holzkohle− Blutagar) erforderlich. Da B. pertussis langsam wächst, müssen die Kulturen mindestens 3–5 Tage bei 37 oC bebrütet werden. Die Identifizierung ge− lingt entweder durch Agglutination oder Immun− fluoreszenz mit spezifischen Antiseren oder durch

Stadium decrementi: Dieses Stadium kann mehrere

biochemische

Wochen andauern. Der Patient ist jetzt sehr anfällig

schnelle Alternative stellt der Nachweis durch die

Differenzierung.

Eine

gute

und

gegenüber äußeren Reizen, die neuerliche Husten−

direkte mikroskopische Immunfluoreszenz (Materi−

anfälle auslösen können (psychische Komponente?).

al auf einem Objektträger ausstreichen und luftge− trocknet ins Labor schicken) oder durch die PCR

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244

Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz

dar. Da im für den Keuchhusten typischen Stadium convulsivum meist schon mehrere Wochen seit In− fektion verstrichen sind, führt letztlich oft erst die Serologie zur definitiven Diagnose (Nachweis von IgA− und IgM−Antikörpern, Serokonversion). MERKE

Der Erregernachweis erfolgt mittels Transnasalab− strich (nicht Rachenabstrich!)

Therapie und Prävention Therapie y Die Therapie besteht neben symptoma− tischen Maßnahmen in der Gabe von Makroliden (Erythromycin oder besser Clarithromycin bzw. Roxithromycin) für zwei Wochen. Bei Makrolid− Unverträglichkeit kommt Cotrimoxazol infrage. Im Stadium catarrhale gegeben führt die Therapie zur klinischen Besserung; im Stadium convulsivum hingegen kann zwar eine Eradikation des Erregers und damit eine Verminderung der Infektiosität des Patienten erreicht werden, eine klinische Besserung ist oft aufgrund der schon bestehenden Zilienzer− störung nicht mehr möglich. Generell sollte der Pa− tient vor äußeren Reizen abgeschirmt werden (keine Aufregung, keine Raucher in der Umge− bung). Prävention y Die aktive Immunisierung gegen Keuch− husten gehört zu den bei uns empfohlenen Impfun− gen. Sie wird meist in der Kombination mit der Diphtherie− und Tetanusimpfung schon im ersten Lebensjahr durchgeführt. Der azelluläre Impfstoff besteht aus den rekombinant hergestellten Antige− nen FHA, PTX und Pertactin. Trotz Impfung oder durchgemachter Erkrankung wird zwar eine jahr− zehntelange Immunität erreicht, diese besteht aber wahrscheinlich nicht lebenslang. Ein Impferfolg kann serologisch nachgewiesen werden. MERKE

Wegen der Ansteckungsgefahr sollten sich Patien− ten im Stadium catarrhale und in den ersten vier Wochen des Stadiums convulsivum nicht in Ge− meinschaftseinrichtungen aufhalten.

8.2 Grippe und Pneumonie

[J10–J18]

Key Point Der Begriff Grippe“ wird im Volksmund oft fälschlicherweise als Synonym für eine banale Erkältungskrankheit benutzt. Im infektiologi− schen Sinn ist die Grippe jedoch eine Pneu− monie, die durch Influenzaviren verursacht wird und deshalb auch als Influenza bezeich− net wird. Es wird geschätzt, dass in unseren Breitengraden jährlich 10–20 % der Gesamt− bevölkerung an Influenza erkranken.

8.2.1 Influenzaviren (vgl. S. 133) Die einzelsträngige RNA des Influenzavirus ist in 7 oder 8 Segmente unterteilt, die für die epidemiolo− gisch hochbedeutsame Antigenvariation von großer Bedeutung sind. In der Virushülle sind nämlich Glykoproteine eingelagert, die als Spikes über die Virusoberfläche hinausragen: Hämagglutinin (H) Neuraminidase (N). Darüber hinaus kommt das Transmembranprotein M2 in der Virushülle vor. Es formt einen Ionenka− nal, der für den viralen Uncoatingprozess notwen− dig ist. Die kodierenden Gene für H und N befinden sich jeweils auf unterschiedlichen RNA−Segmenten. Um Bindungseigenschaften entfalten zu können, muss das Hämagglutinin zuvor von Proteasen ge− spalten werden. Dies kann auch durch eine von Staphylococcus

aureus

gebildeten

Serinprotease

oder körpereigene Proteasen geschehen. Aus die− sem Grund kann eine vorbestehende Staphylokok− keninfektion die Entwicklung einer Influenza be− günstigen. Das Hämagglutinin bindet sowohl an Erythrozyten als auch an die Epithelzellen des Re− spirationstrakts und bewirkt den Viruseintritt. Die Neuraminidase ist für den Virusaustritt aus der Zielzelle notwendig. MERKE

Primäre Zielzellen der Influenzaviren sind die zi− lientragenden Epithelzellen des Respirations− trakts. Einzelne Mutationen bewirken antigenwirksame Veränderungen innerhalb dieser beiden Glykopro−

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

teine: Antigendrift bei Influenza−A− und −B−Viren.

Influenza−C−Viren: RNA mit 7 Segmenten, Infek−

Der Antigendrift ist Grundlage für Influenzaepide− mien. RNA−Segmentaustausche zwischen Influenza−

tion von Menschen und Schweinen möglich.

A−Viren des Menschen und von Vögeln (aviäre In−

Pandemien

fluenzaviren) führen sogar zu neuen Subtypen: An−

Pandemien werden fast nur von Influenza−A−Viren

tigenshift (nur bei Influenza−A−Viren). Diese Verän−

verursacht, da diese ihre antigenen Oberflächen−

derungen sind selten, können aber Ursprung von

moleküle H und N im Sinne einer Antigenvariation

Pandemien sein. Es gibt drei humanpathogene Gattungen von In−

ständig verändern können und dadurch bei einer erneuten Infektion nicht mehr vom humoralen Im−

fluenzaviren:

munsystem erkannt werden. Bisher sind Pande−

Influenza−A−Viren: RNA mit 8 Segmenten; primä− res Wirtsreservoir sind Wasservögel. Ausge−

mien alle 10–40 Jahre aufgetreten und haben sich dabei jedes Mal weltweit explosionsartig ausge−

prägte Antigenvariabilität. Die dadurch zustande

breitet (s. u.). Auslöser ist fast immer ein neuer

kommenden Untertypen befallen dabei jeweils

Subtyp des Influenza−A−Virus, der stets auf einer

nur bestimmte Wirte. Darüber hinaus können

Durchmischung von humanen und aviären Genseg−

sie aber von anderen als Vektor dienenden Wir− ten übertragen werden, ohne dass diese erkran−

menten der viralen RNA beruht (Reassortment R Antigenshift). Dabei findet die Durchmischung der

ken. Influenzaviren infizieren den Menschen,

RNA−Segmente meistens im Schwein statt, weil

verschiedene Säugetierarten wie z. B. Schweine

dieses Wirtstier von humanen und aviären Influen−

sowie zahlreiche Vogelarten.

zaviren gleichermaßen infiziert werden kann. Da in Südostasien häufig Menschen, Schweine und Vögel

MERKE

auf engstem Raum zusammenleben, haben Pande−

Da der Respirationstrakt von Schweinen eine be− sondere Empfänglichkeit für menschliche und aviäre Influenzaviren hat, kommt es vor allem hier zu Mischinfektionen als Grundlage des Reassort− ments (Antigenshift, Abb. 8.10).

mien meistens ihren Ursprung dort. In den vergan−

245

genen 100 Jahren hat es 3 große Pandemien gege− ben, die jeweils nach ihrem Ursprung benannt wurden. Dabei war der Erreger der Spanischen Grippe“ im Gegensatz zu den anderen Pandemien nicht durch Antigenshift, sondern durch Antigen−

Influenza−B−Viren: RNA mit 8 Segmenten. Der Mensch ist das einzige Wirtsreservoir.

drift entstanden. 1918–1920: A/H1N1 (Antigendrift) R Spanische Grippe“, 20–50 Mio. Tote 1957–1958: A/H2N2 (Antigenshift) R Asiati− sche Grippe“, ca. 1 Mio. Tote 1968–1969: A/H3N2 (Antigenshift) R Hong− konggrippe“, ca. 1 Mio. Tote. Um vorbeugend agieren zu können, wurde im Jahr 1948 ein weltweites Überwachungssystem instal− liert, das die in den jeweils nationalen Referenzla− boratorien isolierten Virusstämme ständig dahinge− hend überprüft, ob neue Subtypen entstanden bzw. zu erwarten sind. Darauf aufbauend werden von der WHO die Empfehlungen für die Impfstoffzu− sammensetzung der kommenden Saison gegeben.

Klinik (Inzidenz nach IfSG: 2005: 12734 R 15,4/100 000; Abb. 8.10 Antigenshift von Influenzaviren als Basis für Pan− demien: Die Kombination verschiedener H− und N−Antigene führt zu unterschiedlich pathogenen Influenza−A−Subtypen.

2004: 3486 R 4,2/100 000)

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246

Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz

Die hohe Kontagiosität der Influenza ist auf die

Vor allem bei über 60−jährigen Patienten ist die Er−

zahlreichen Übertragungsmöglichkeiten zurückzu− führen: Die Übertragung findet zwar vor allem

krankung mit einer hohen Letalität verbunden.

durch Tröpfcheninfektion statt, daneben besteht

Diagnostik und Therapie

aber auch ein Transmissionsrisiko über kontami−

Für die Diagnostik stehen einerseits der direkte Vi−

nierte

rusnachweis durch PCR, Virusisolierung, Elektro−

Gegenstände,

Trinkwasser

oder

durch

Schmierinfektion.

nenmikroskopie und als Schnelltest ein Antigen−

Das klassische Bild dauert meistens ca. 1 Woche und wird vor allem durch Influenza−A− und In−

nachweis zur Verfügung, andererseits ist die Bestimmung spezifischer Antikörper möglich.

fluenza−B−Viren verursacht. Nach einer Inkubati−

Für die kausale Therapie werden Neuraminidase−

onszeit von wenigen Stunden bis 5 Tagen kommt es schlagartig zunächst zu unspezifischen Sympto−

hemmer (Oseltamivir = Tamiflu; Zanamivir = Re− lenza, Letzteres nur zur Aerosolapplikation) und

men, wie hohem Fieber bis 40 8C mit Kopf− und

M2−Hemmer (Amantadin und Rimantadin) einge−

Gliederschmerzen, Schnupfen sowie einem tro−

setzt (s. S. 121). Während Neuraminidase−Hemmer

ckenen Husten, eventuell mit Dyspnoe.

die Virusfreisetzung aus der infizierten Wirtszelle inhibieren, führen M2−Hemmer zur Hemmung des Virus−Uncoatings, indem sie den dafür notwendi−

Praxistipp

gen viralen M2−Ionenkanal blockieren.

Der Patient ist bereits 3–4 Tage nach Infek− tion selbst als Ausscheider für seine Mit− menschen infektiös.

Für die aktive Impfung stehen Tot− bzw. Spaltimpf− stoffe zur Verfügung, die einen Schutz gegen die je− weils aktuellen Epidemiestämme (H1N1, H3N2, B) vermitteln. Die Impfung sollte im Herbst durchge−

Das Vollbild der Influenza wird durch eine primär

führt werden und ist indiziert für

hämorrhagische oder interstitielle oder sekundär bakteriell superinfizierte Pneumonie geprägt.

Personen mit Komplikationsrisiko: .60 Jahre, chronische Kreislauf− und Atemwegserkrankun−

Gerade die bakterielle Superinfektion ist kein selte−

gen, Stoffwechselerkrankungen oder Immunde−

nes Ereignis, da Staphylokokken, Pneumokokken

fekte

und Haemophilus influenzae an die Glykoproteine

Ärzte und Pflegepersonal.

der Influenzaviren binden können.

Die Dauer des Schutzes ist kurz und reicht oft nur

Bei gleichzeitiger Einnahme von Salizylaten kann

eine Saison. Die durch die Impfung induzierte Im−

es im Anschluss an eine Infektion mit dem Influen−

munität verhindert nicht immer die Infektion, son−

za−B−Virus im Kindesalter zum Auftreten eines Reye−Syndroms mit Leberschädigung und Enzepha−

dern nur die Erkrankung. Etwa 10 % der geimpften Personen erkranken allerdings trotz Vakzination,

lopathie kommen.

z. B. bei Auftreten neuer Virusvarianten. Bei Epidemien und Pandemien sollten auch Neura−

MERKE

minidasehemmer und M2−Hemmer ergänzend zur

Die Behandlung kindlicher Influenza−B−Infekte mit Salizylaten wird als Ursache für das Auftreten des Reye−Syndroms angesehen. Daher sollte die Be− handlung von fieberhaften Erkrankungen mit ASS bei Kindern und Jugendlichen nur nach strenger Indikationsstellung erfolgen.

Impfung eingesetzt werden. Der direkte Nachweis von Influenzaviren ist gemäß IfSG meldepflichtig.

Aviäre Influenza (Vogelgrippe, Geflügelpest) Von der aviären Influenza (Vogelgrippe, Geflügel− pest) werden Hühner, Puten, Wachteln, Gänse, En−

Die Infektion mit Influenza−C−Virus führt meistens zu einer milden Form der Grippe. Im Jahr 2005 betrug die Inzidenz der Influenza al− lein in Deutschland mehr als 15/100 000 Personen.

ten und wild lebende Wasservögel befallen. Seit 1981 ist hier ein aggressiver Subtyp der Influenza− A−Viren gefürchtet, weil er epidemieartig auftritt und meistens zum Tod der infizierten Vögel führt.

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

Der aktuell vorherrschende Subtyp A/H5N1 ist be−

nen nachgewiesen, so dass die Speziesgrenze be−

sonders aggressiv (High Pathogenic Avian Influen− za, HPAI) und führt zum schnellen Tod befallener

reits überschritten ist.

Vögel. Ausnahmen sind wild lebende Enten und

EXKURS:

andere Wasservögel, da diese zu seinem natürli−

Gefährdung des Menschen durch die Vogelgrippe

chen Reservoir gehören und das Virus sie für seine

Bis Dezember 2005 ist zwar nur in ungefähr 130 Fällen

Vermehrung benötigt.

und vor allem in Asien die Übertragung des Influenza−

Obwohl sich prinzipiell alle Vogelarten infizieren können, scheinen klinische Symptome vor allem

subtyps A/H5N1 von infizierten Vögeln auf den

bei Hühnern, Puten und Wachteln vorzukommen:

mit einer Letalität von mehr als 50 % überdurchschnitt−

Fieber, Atembeschwerden und Durchfall. Auch Zug−,

lich häufig tödlich. Neben den charakteristischen

See− und Küstenvögel können sich infizieren, ent− wickeln aber seltener schwere Symptome. Aus die−

Symptomen einer Influenza hat sich die Infektion mit dem viralen Subtyp A/H5N1 bei den bisher beschrie−

sem Grund wird vor allem den Zugvögeln eine Rol−

benen Fällen des Menschen mit einer starken Leuko−

le bei der gefürchteten weltweiten Ausbreitung der

penie

Vogelgrippe beigemessen. Bei Ausbruch der Vogelgrippe werden Vögel im

Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher nicht

Menschen beobachtet worden, diese verlaufen aber

und

Thrombozytopenie

manifestiert.

Eine

Ausbruchsgebiet notgeschlachtet, um eine weitere

mit letzter Sicherheit nachgewiesen worden. Mens− chliche Infektionen können durch Vermeidung des

Verbreitung zu verhindern. In China wurde bereits

Kontakts zu möglicherweise infiziertem Geflügel ver−

ein Impfstoff gegen A/H5N1 für die Anwendung bei Geflügel zugelassen. Es besteht jedoch die Gefahr,

hindert werden. Eine Doppelinfektion des Menschen mit A/H5N1 und

dass dieser Impfstoff lediglich die Manifestation

dem aktuell vorherrschenden humanen Influenzavi−

klinischer Symptome verhindert, nicht aber zur Eli−

russubtyp könnte prinzipiell Ausgangspunkt der Ent−

mination des Virus im infizierten Tier führt. Da− durch kann es zum unerkannten Vektor der Vogel−

wicklung eines neuen Subtyps sein. Eine Influenza−

grippe werden.

Impfstoff könnte eine derartige Durchmischung mit

Im Sommer 2005 wurde ein Importstopp der Euro−

zwei viralen Subtypen (Reassortantenbildung) verhin−

päischen Union für Geflügel aus den betroffenen

dern, schützt aber nicht vor einer Infektion mit dem Vogelgrippevirus. Bei bereits erfolgter A/H5N1−Infek−

asiatischen Ländern verhängt. Mit der einsetzenden Aktivität der Zugvögel wurde darüber hinaus im

247

schutzimpfung mit dem aktuellen menschlichen

tion des Menschen sind im Frühstadium der Erkran−

Herbst 2005 in Deutschland ein Verbot der Frei−

kung – ebenso wie bei der regulären Influenza – die

landhaltung von Geflügel ausgesprochen. Säugetiere, einschließlich Menschen, sind prinzipi−

antiviralen Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Tami−

ell weniger empfänglich für das Virus, können aber

nem) wirksam. Gegen die M2−Hemmer Amantadin und

gelegentlich infiziert werden.

Rimantadin ist der Subtyp A/H5N1 hingegen resistent.

flu) und Zanamivir (Relenza, Applikation per inhalatio−

Global sich ausbreitende Infektionen gehen haupt− sächlich von Südchina aus. Hier leben Bauernfami− lien oftmals noch zusammen in einem Raum mit Geflügel (z. B. Enten) und Schweinen. Da das Schwein als Reservoir für Vogelgrippe− und menschliche Influenzaviren fungieren kann, könnte

8.2.2 Schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) [U04] Im November 2002 wurde in Südostasien eine bis

ein völlig neuer Subtyp entstehen, der eine neue

dahin unbekannte Form von aggressiver Pneumo− nie beobachtet, die sich innerhalb eines halben

aggressive Pandemie humaner Influenza – ein−

Jahres weltweit ausbreitete und insgesamt über

schließlich Mensch−zu−Mensch−Übertragung – aus−

8000 Patienten betraf, von denen fast 10 % verstar−

lösen kann. Damit wäre die Grundlage für eine

ben. In einer bis dahin beispiellosen weltweiten

neue Pandemie gelegt. Tatsächlich wurde der Sub−

Kooperation wurden Coronaviren als Ursache für

typ A/H5N1 in Indonesien auch bereits in Schwei−

das als SARS (schweres akutes respiratorisches Syndrom) bezeichnete Krankheitsbild identifiziert.

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Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz

Das SARS−Coronavirus (SARS−CoV) ist ein behülltes

Tabelle 8.1

ss(+)RNA−Virus, das aerogen übertragen wird. Die Hülle besitzt Glykoproteine in regelmäßiger Anord−

Pneumonie

nung, die dem Virus elektronenmikroskopisch eine

Einteilung

Corona−(Strahlenkranz−)ähnliche Morphologie ver− leihen. Vermutlich sind Nagetiere das natürliche Reservoir, so dass es sich hierbei um eine Zoonose handelt. Klinik y Nach einer Inkubationszeit von 2–7 Tagen entwickeln sich im Prodromalstadium Fieber, Kopf−

nach klinisch− pathologischen Aspekten

alveoläre Pneumonie: O Lobärpneumonie: Infektion der Alveo− len eines Lungenlappens O Bronchopneumonie: multilobuläre al− veoläre Infektion interstitielle Pneumonie: Infektion des Lungeninterstitiums

nach dem Umfeld während des Er− krankungsbeginns

O ambulant erworbene Pneumonie O nosokomiale Pneumonie

und Muskelschmerzen. Nach 3–7 Tagen entsteht in der respiratorischen Phase eine interstitielle Pneu− monie mit trockenem, unproduktivem Husten sowie Dyspnoe und Hypoxämie. Alle anderen humanen Coronaviren verursachen meistens banale Infekte

Formen/Ursachen

nach der Ätiologie O Infektionen O physikalische Noxen O chemische Noxen O Kreislaufstörungen

des oberen Respirationstraktes oder Gastroenteriti− den. Diagnostik y Die Infektion wird serologisch durch Bestimmung spezifischer Antikörper diagnostiziert.

Praxistipp

Bei Verdacht auf SARS sollte eine RT−PCR aus respiratorischen Materialien oder Stuhl in Spezialla−

Meistens werden die Einteilungen kombi− niert, um aufgrund des jeweils typischen Keimspektrums u. U. sehr schnell kalkuliert eine Therapie zu initiieren.

boren (z. B. Virologie Marburg oder BNI Hamburg) unter hoher Sicherheitsstufe durchgeführt werden. Therapie y Eine kausale Therapie gegen SARS ist bisher nicht möglich, die Gabe von IFN−a hat sich als

Die alveoläre Pneumonie wird meist durch Bakteri−

hilfreich erwiesen. Am wichtigsten sind jedoch die

en verursacht. Sie liegt in der Regel dann vor, wenn

Expositionsprophylaxe mit Mundschutz und Qua−

mindestens drei der folgenden Kriterien erfüllt

rantäne der Betroffenen.

sind:

8.2.3 Pneumonie

Fieber . 38,5 8C Leukozytose Husten mit purulentem Trachealsekret

Key Point Pneumonien gehören zu den sehr häufigen Erkrankungen. In unseren Breiten kommen jährlich mehr als 5 Fälle/1000 Personen vor, d. h. alleine in Deutschland ist jährlich mit 400 000 Pneumonien zu rechnen. Zurzeit sterben hierzulande mehr als 15 000 Patien− ten jährlich an einer Pneumonie (ohne In− fluenza!).

Bildgebung: neu aufgetretenes und konstantes oder zunehmendes Infiltrat Die klinische Untersuchung ergibt auskultatorisch feuchte Rasselgeräusche und bei der Perkussion eine Klopfschalldämpfung über dem betroffenen infiltrierten Lungenareal. Fehlen bei der körperli− chen Untersuchung diese Befunde, wird von einer atypischen Pneumonie gesprochen. Sie wird häufig auch gleichgesetzt mit der interstitiellen Pneumo− nie.

Allgemeines

Die interstitielle (atypische) Pneumonie hat oft ei−

Bei der Pneumonie handelt es sich um eine akute

nen langsamen Verlauf, meist besteht nur eine ge−

oder chronische Entzündung der Lunge, die den Al−

ringe Temperaturerhöhung. Trockener Reizhusten

veolarraum und/oder das Interstitium betrifft. Ein−

mit spärlichem bis fehlendem Auskultationsbefund

teilungsprinzipien sind in Tab. 8.1 aufgeführt.

ist typisch (Tab. 8.2).

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

249

Tabelle 8.3

Praxistipp Bei der interstitiellen Pneumonie ist oft die Diskrepanz zwischen positivem Röntgenbe− fund und geringem Auskultationsbefund auffallend.

Spektrum der wichtigsten Erreger einer Pneumonie mit Angabe der jeweils relativen Häufigkeit1

ambulant

alveoläre Pneumonie

interstitielle Pneumonie

Pneumokokken +++

Mykoplasmen ++

Haemophilus influenzae ++ Legionellen2 ++

Tabelle 8.2 Wichtige Unterscheidungsmerkmale zwischen alveolärer (typischer) und interstitieller (atypischer) Pneumonie alveoläre Pneumonie

interstitielle Pneumonie

Beginn

akut

langsam

Husten

produktiv (eitriges Sputum)

trockener Reizhus− ten (kein Sputum)

Fieber

. 38,5 8C

, 38,5 8C

Untersuchungsbe− fund

Rasselgeräusche + Klopfschalldämp− fung +

keine Rasselgeräu− sche keine Klopf− schalldämpfung

Bildgebung (Röntgen)

Infiltrate

interstitielle Zeich− nungsvermehrung

Labor

Leukozytose CRP q, BSG q

Neutropenie mit relativer Lymphozytose CRP, BSG im Normbereich

Moraxellen +

Coxiellen +

Staphylococcus aureus +

RS−Viren +

E. coli +

Enteroviren +

Klebsiella pneumoniae (+) nosokomial3 Enterobacteriaceae +++

Chlamydien (+) Legionellen2 ++

Staphylococcus aureus +++ Pilze ++ Pseudomonas aeruginosa +++ KN Staphylokokken ++ 1

in Anlehnung an CAPNETZ− und EPIC−Studie, Influenza und Tuberkulose sind hier nicht berücksichtigt 2 Legionellen können u. U. sowohl eine alveoläre als auch eine interstitielle Pneumonie hervorrufen. 3 oft Mehrfachinfektionen KN = Koagulase−negativ

Virusinfektion voraus. In ca. einem Viertel aller Fälle gelingt kein Erregernachweis.

Das Spektrum der wichtigsten Erreger einer Pneu− monie mit Angabe der relativen Häufigkeit ist in Tab. 8.3 aufgeführt.

Bei Neugeborenen muss vor allem mit C. trachoma− tis und B−Streptokokken im Rahmen einer perinata− len Infektion gerechnet werden. Ursache einer Pneumonie bei jüngeren Kindern ist oft eine Infek− tion mit RS−Viren, bei älteren Kindern spielen auch

Vorgehen bei ambulanter Pneumonie: Solange noch kein Erregernachweis vor− liegt, kann bei einem Patienten mit ambu− lant erworbener Pneumonie und ohne Aus− landsanamnese aufgrund der Erregerhäufig− keiten zunächst mit einem Penicillin begonnen werden. Wenn sich darunter kein baldiger Erfolg einstellt, kommen Makrolide oder Tetrazykline infrage.

Mykoplasmen und H. influenzae eine wichtige Rol− le. Bei einer Aspirationspneumonie ist u. a. mit An−

Pneumokokken−Pneumonie (vgl. S. 44)

aerobiern zu rechnen.

Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) sind für

Ambulant erworbene Pneumonien

über 30 % der ambulant erworbenen Lungenent− zündungen verantwortlich. Da dieser Erreger auch

Die Häufigkeitsverteilung der Erreger ambulant er− worbener Pneumonien ist einem ständigen Wandel

bei gesunden Menschen in geringer Zahl in der Ra−

unterworfen. Zurzeit kommen bei uns Pneumokok−

tisch immer um eine endogene Infektion.

chenflora vorkommen kann, handelt es sich prak−

ken mit über 30 %, M. pneumoniae mit 10 %, Legio− nellen mit 6 % H. influenzae mit 5 % sowie in gerin− gerer Häufigkeit weitere Bakterien und Viren vor. Den bakteriell bedingten Pneumonien geht oft eine

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Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz rung der Penicillin−bindenden Proteine, so dass

MERKE

Obwohl die Lobärpneumonie häufig mit Pneumo− kokken assoziiert ist, lässt sich allein aufgrund des klinisch−röntgenologischen Bildes keine Erreger− diagnose stellen (Abb. 8.11).

sich die Vollresistenz über die Stufe der mäßigen Empfindlichkeit langsam entwickelt. Die Penicillin−resistenten Stämme weisen häufig auch noch Resistenzen gegen andere Antibiotika auf (z. B. Makrolide: in Deutschland sind . 25 % der Pneumokokken resistent gegen Erythromycin).

Bräunlich tingiertes Sputum kann ein Hinweis auf eine Pneumokokken−Pneumonie sein. Die Diagnose ist definitiv gestellt, wenn die Pneumokokken aus

Praxistipp

dem Blut des Patienten angezüchtet werden, denn es kommt bei der Pneumokokken−Pneumonie häu−

Eine Testung jedes Stammes ist daher abso− lut notwendig, um die Entwicklung von Re− sistenzen auch bei uns weiter zu beobach− ten. Als Reserveantibiotikum kann ggf. auch Rifampicin oder Vancomycin eingesetzt werden.

fig zu einer Bakteriämie (Blutkulturen werden dem Patienten wegen des hohen Fiebers ohnehin abge− nommen). Auch der Nachweis aus der Bronchialla− vage hat einen hohen diagnostischen Wert, wäh− rend bei Sputumproben die Bakterienanzahl mit in die Beurteilung eingehen muss.

Seit 1998 wird die Impfung gegen Pneumokokken für alle Personen über 60 Jahre empfohlen. Hierfür

MERKE

Hauptvirulenzfaktor der Pneumokokken ist die Schleimkapsel. Unbekapselte Pneumokok− kenstämme sind avirulent.

steht eine 23−valente Vakzine zur Verfügung, die auch den in Deutschland häufigsten Serotyp 14 einschließt. Seit kurzem wird von der STIKO außerdem eine ge−

Die Therapie erfolgt mit Penicillin G. Allerdings

nerelle Impfung gegen Pneumokokken für Säuglin− ge und Kleinkinder bis zum vollendeten 2. Lebens−

gibt es inzwischen weltweit Penicillin−resistente

jahr mit einem Konjugatimpfstoff empfohlen.

Stämme, dann wird auf Cephalosporine ausgewi−

Zusätzlich ist bei Patienten mit Milzexstirpation

chen. Die Resistenz beruht nicht auf Penicillinase−

eine aktive Immunisierung gegen Pneumokokken

Bildung, sondern auf der schrittweisen Verände−

notwendig, da diese Patienten vermehrt an schwe−

Abb. 8.11

Patient mit Lobärpneumonie (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. E. Grabbe, Göttingen)

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

ren Pneumokokken−Infektionen erkranken. Die Vak−

festzustellen. Bei Stämmen mit Penicillinase−Bil−

zine ist gegen das Kapselpolysaccharid der meisten Pneumokokken−Serotypen (jedoch nicht alle) ge−

dung kommen Aminopenicilline plus Penicillinase−

richtet und muss bei geplanter Milzentfernung vor

während bei Resistenz aufgrund der Veränderung

der Operation gegeben werden.

der Penicillin−Bindeproteine (PBP) nach Testergeb−

Ebenfalls impfen sollte man abwehrgeschwächte

nis auf andere Antibiotika, z. B. Makrolide oder

Personen und Patienten mit chronischen Erkran−

neue Chinolone, zurückgegriffen werden muss.

kungen des Herzen, der Lunge und der Nieren so− wie mit Sichelzellanämie. Auch chronischer Alko−

Seit einigen Jahren steht für Kinder ab vollendetem 2. Lebensmonat sowie für Risikopatienten (Ab−

holabusus

die

wehrschwäche, chronische Bronchitis) eine aktive

Gemäß IfSG müssen Penicillin−resistente Pneumo−

Impfung (Konjugatimpfstoff aus Kapselpolysaccha− rid Typ B) zur Verfügung.

ist

ein

Risikofaktor,

da

hier

Phagozytoseaktivität vermindert ist. kokken als Erreger einer nosokomialen Infektion vom Hygienezuständigen in einer fortlaufenden Liste dokumentiert werden.

251

Inhibitor oder Cephalosporine (Ceftriaxon) infrage,

Klebsiellen−Pneumonie (vgl. S. 58) [J15] Die durch Klebsiella pneumoniae hervorgerufene al− veoläre Pneumonie hatte früher den Namen Fried−

Haemophilus−Pneumonie (vgl. S. 60)

länder−Pneumonie. Wie bei Pneumokokken und

Ein Bakterium, welches häufig als Erreger einer Su−

Haemophilus ist ein wichtiger Virulenzfaktor dieser

perinfektion nach einem banalen Virusinfekt zur

Erreger die Schleimkapsel. Sie kann so stark ausge−

alveolären Pneumonie führt, ist Haemophilus in− fluenzae. Vor allem bei Rauchern kommt die H. in−

bildet sein, dass sich beim Abnehmen der Kolonien von der Agarplatte ein Schleimfaden hochziehen

fluenzae−Infektion gehäuft als Exazerbation bei

lässt. Während dieser Erreger früher auch im am−

chronischer Bronchitis vor.

bulanten Bereich häufiger vorkam, ist er heute vor

Nachdem H. influenzae über Aerosole eingeatmet

allem im Krankenhaus verbreitet (nosokomiale

wird, haftet er sich mit Hilfe von Fimbrien an die

Pneumonie). Bei der Therapie ist die natürliche

Schleimhautepithelien des oberen Respirations−

Resistenz gegen Aminopenicillin zu beachten.

trakts und persistiert als transienter Bestandteil der Rachenflora für längere Zeit bei 30–50 % aller gesunden Individuen. Diese Persister sind meistens unbekapselte Bakterien. Wichtigster Virulenzfaktor von invasiven und damit pathogenen H. influenzae

Mykoplasmen−Pneumonie (vgl. S. 70) [J15] Mycoplasma pneumoniae ist Verursacher einer in− terstitiellen Pneumonie. Der Mensch der einzige Wirt.

ist eine Kapsel, die den Erreger vor der Phagozy− tose schützt und serologisch in die Typen A–F ein− geteilt werden kann. Der Kapseltyp B ist am ge− fährlichsten. H. influenzae kann der humoralen Immunität entgehen, indem er eine IgA1−Protease bildet, die das Schleimhaut−assoziierte IgA spalten kann. Eine Bakteriämie ist eher selten, so dass man für die Diagnostik auf den Nachweis aus der Bronchial− lavage oder aus dem Sputum angewiesen ist. Für den kulturellen Nachweis ist zu beachten, dass H. influenzae für sein Wachstum Hämin (Faktor X) und NAD oder NADP (Faktor V) benötigt; eine aus− führliche Beschreibung befindet sich auf S. 61. Mittel der Wahl sind in Deutschland Aminopenicil− line. Besonders in den südeuropäischen Ländern ist jedoch eine

zunehmende

Resistenzentwicklung

Praxistipp Durch das Fehlen einer funktionierenden Zellwand sind Mykoplasmen resistent ge− gen zellwandwirksame Antibiotika (z. B. Re− sistenz gegen alle b−Laktamantibiotika). Au− ßerdem sind sie sehr empfindlich gegen− über Umwelteinflüssen. Pathogenese y

Die

Übertragung

findet

durch

Tröpfcheninfektion statt. Es handelt sich stets um eine exogene Infektion, da M. pneumoniae im Gegensatz zu anderen Mykoplasmen nicht zur Normalflora gehört. Die Bakterien sind Oberflächen− parasiten: Sie benötigen externe Wuchsstoffe, wie z. B. Cholesterin, Fettsäuren und Nukleotide, die sie nach Anheftung an das Flimmerepithel des Respi−

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Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz

rationstrakts durch Fusion mit der Wirtszellmemb− ran akquirieren. Dabei parasitieren sie vom Wirts− zellstoffwechsel. Schließlich kommt es zur Hem− mung der Zilienmotilität und zur Zellzerstörung. Klinik y Die Mykoplasmen−Pneumonie hat mit ca. 10 % einen wichtigen Anteil an allen ambulant erworbenen atypischen Pneumonien. Die Infektion manifestiert sich nach einer Inkubationszeit von 12– 20 Tagen zunächst als Pharyngitis oder Tracheo− bronchitis. Bei den weitaus meisten Patienten kommt es danach zur spontanen Abheilung. Nur bei weniger als einem Viertel aller Betroffenen geht die Infektion in eine fiebrige, interstitielle Pneumo− nie mit trockenem, unproduktivem, hartnäckigem Reizhusten über. Diese ist u. a. dadurch gekenn− zeichnet, dass Auskultations− und Perkussionsbe− fund meistens wenig aussagekräftig sind (daher

Abb. 8.12 plasmen

Typische spiegeleiähnliche Kolonien von Myko−

atypische“ Pneumonie). Radiologisch ist vor allem die interstitielle Zeich− nungsvermehrung (meistens basal) bereits ein er− ster Hinweis auf einen der möglichen Erreger einer interstitiellen Pneumonie. Hier spielen im ambu− lanten Bereich neben den Mykoplasmen vor allem Chlamydophila, Coxiellen und Viren eine Rolle. Mykoplasmen findet man dabei gehäuft bei 5–15− jährigen Patienten, insbesondere als Ursache einer Ausbruchsituation bei engem Zusammenleben im frühen Herbst. Obwohl der Verlauf der atypischen Pneumonie meistens nicht schwer ist, können als Komplikation nach einer Mykoplasmen−Pneumonie eine reaktive Arthritis und – seltener – eine Menin− gitis, Karditis und Erythema exsudativum multi− forme entstehen.

Zunehmende Bedeutung gewinnt die Multiplex− PCR aus respiratorischen Materialien, die die für die interstitielle Pneumonie relevantesten bakteri− ellen Erreger simultan erfasst. Die Mikroskopie spielt wegen der Kleinheit und der problemati− schen Anfärbbarkeit der Erreger keine Rolle. Therapie y Zur antibiotischen Therapie werden am besten Tetrazykline oder ggf. Chinolone, besonders bei Kindern auch Makrolide eingesetzt. MERKE

b−Laktamantibiotika sind grundsätzlich gegen My− koplasmen nicht wirksam (Fehlen einer funktio− nellen Zellwand).

Diagnostik y Die Routinediagnostik erfolgt serolo− gisch, wobei nur ein deutlicher Titeranstieg bewei−

Legionellen−Pneumonie (vgl. S. 63) [A48]

send für die akute Infektion ist.

Im Juli 1976 trat bei 221 von etwa 4400 Teilneh−

Außer spezifischen Antikörpern treten bei einem

mern eines Kongresses des amerikanischen Vetera−

Teil der Patienten zusätzlich im Verlauf der Erkran−

nenverbandes in Philadelphia eine akute, hoch feb−

kung Kälteagglutinine (Autoantikörper gegen Ery− throzyten) auf. Der kulturelle Nachweis des Erregers aus Sputum

rile Pneumonie auf (Legionärskrankheit). Von den 221 Erkrankten verstarben 34, das entspricht 15 %. Als Erreger wurde ein damals neues gramnegatives,

oder Rachensekret auf Spezialmedien ist zwar

strikt aerobes Stäbchen, Legionella pneumophila,

möglich, erfordert jedoch eine Bebrütungszeit von

isoliert. Heute sind 14 Serogruppen von L. pneumo−

mindestens 1 (–2) Wochen. Die Kulturen sind

phila bekannt, von denen Serogruppe 1 ungefähr

durch ein spiegeleiartiges Aussehen charakterisiert

für 60 % aller Legionellosen verantwortlich ist. Da

(Abb. 8.12). Dabei kann auch u. U. ein Wachstums−

ihr Wachstumsoptimum bei 25–42 8C liegt und sie

hemmtest mit Immunseren eingesetzt werden.

erst ab Temperaturen von mehr als 60 8C abgetötet werden, haben Legionellen ihr Reservoir vor allem

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

253

in Warmwasserleitungen, aber auch in Kühltürmen und Klimaanlagen. Sie überleben wahrscheinlich vor allem in freilebenden Amöben und werden als Aerosol vom Menschen aufgenommen. Die Patho− genität ist relativ gering, sodass von Seiten des Pa− tienten

bestimmte

stehen

müssen:

Prädispositionsfaktoren

Dazu

zählt

vor

allem

be− eine

herabgesetzte zelluläre Immunität, wie sie bei al− ten Menschen und bei Patienten mit konsumieren− den Erkrankungen (Malignome), Lungenerkrankun− gen, Immunsuppression durch Kortikosteroide oder nach Transplantation, aber auch Dialysepatienten sowie Diabetikern und Alkoholikern vorzufinden ist. Pathogenese und Klinik y Nach Tröpfchenübertra− gung werden die Legionellen durch eine so genannte coiled“ Phagozytose von Alveolarmakrophagen aufgenommen und vermehren sich anschließend innerhalb von intrazellulären Autophagosomen, die nicht mit Lysosomen fusionieren. Die bakterielle Vermehrung verläuft so rasant, dass bereits nach 8–18 Stunden die Wirtszelle zerstört wird.

Abb. 8.13 Legionellen−Pneumonie (mit freundlicher Geneh− migung von PD Dr. K. Schröppel, Stuttgart)

Vor allem bei älteren Menschen führen Legionellen nach einer Inkubationszeit von 2–10 Tagen zur Pneumonie mit oft schwerem Verlauf. Sie beginnt

Serotyps O1 nach; er sollte daher stets bei V. a.

meistens wie eine Erkältungskrankheit und entwik−

Legionellen−Pneumonie durchgeführt werden. Mit−

kelt sich dann zur hochfiebrigen, atypischen Pneu−

tels des Antikörpernachweises kann die Erkrankung

monie, deren radiologisches Korrelat sich in multi−

im späteren Stadium diagnostiziert werden.

widerspiegelt

Therapie und Prävention y Die Letalität der unbe−

(Abb. 8.13). Die Pneumonie wird u. a. deshalb als

handelten Legionellose liegt bei 20 %. Aufgrund der

atypisch bezeichnet, weil der Patient einen tro−

diagnostischen Schwierigkeiten und des schweren

ckenen, unproduktiven Husten aufweist. Die Pa− tienten machen oft einen verwirrten Eindruck.

klinischen Verlaufs muss die Therapie mit Makroli− den (Erythromycin für 3 Wochen), evtl. in Kombina−

lobulären

Lungeninfiltraten

tion mit Rifampicin, bereits bei klinischem Verdacht MERKE

begonnen werden. Alternativ können Chinolone

Legionellen (vor allem L. pneumophila) kommen heute bei ca. 8 % der ambulant erworbenen Pneu− monien vor.

oder Tetrazyklin versucht werden. Legionellen sind resistent gegen Cephalosporine.

Praxistipp Diagnostik y Die kulturelle Anzucht von Legionellen aus respiratorischen Materialien ist auf Spezialme− dien (BCYE−Agar) zwar möglich, aber schwierig. Als weitere diagnostische Methoden stehen die direkte

Bei einer Pneumonie, die auf die Gabe der Standard“−Antibiotika nicht nach zwei Ta− gen anspricht, sollte immer an Legionellen gedacht werden.

Immunfluoreszenz und die PCR zur Verfügung, deren Aussagewert jedoch noch unsicher ist. Der

In Einrichtungen mit Risikopatienten sollte Wasser

Antigennachweis im Urin (ELISA) hat die höchste

auf .60 8C erhitzt oder durch Sterilfilter behandelt

Sensitivität und weist Legionellen des häufigen

werden.

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254

Grippe und Pneumonie

8 Atemwege und Herz

Der Nachweis von Legionellen ist nach IfSG melde−

Für die Diagnostik werden serologische Methoden

pflichtig (Anzahl der gemeldeten Fälle 2005: 554 R Inzidenz = 0,7/100 000; 2004: 475 R Inzidenz =

benutzt oder der Erregernachweis mittels PCR oder

0,6/100 000).

ELISA versucht. Bei Pneumonie kann respiratori−

Chlamydophila−(Chlamydien−)Pneumonie (vgl. S. 72) [J16]

Chlamydophila (früher = Chlamydia) psittaci ist Auslöser der Papageienkrankheit“ (Ornithose, Psit− takose), einer interstitiellen Pneumonie. Es handelt sich um eine Anthropozoonose, die von Papageien− vögeln, Tauben, Nutzgeflügel und Seevögeln aero− gen über eingetrockneten Vogelkot auf den Men− schen übertragen werden kann. Die Erkrankung ist nicht von Mensch zu Mensch übertragbar. Seit ein paar Jahren ist außerdem Chlamydophila

Antigennachweis durch Immunfluoreszenz bzw. sches Material untersucht werden. Ansonsten wer− den Abstriche (Bindehaut, Urethra) mit speziellen Tupfern entnommen. Da Chlamydien obligat intrazelluläre Bakterien sind, lassen sie sich nicht auf künstlichen Nährbö− den anzüchten, sondern ggf. nur in Gewebekultu− ren. Für die Therapie der Chlamydien−Pneumonien sind Tetrazykline Mittel der ersten Wahl, eine Alternati− ve sind die neueren Chinolone; Kinder erhalten Makrolide.

tragbare Chlamydophila−Art bekannt, die eine am−

Andere durch Bakterien oder Pilze verursachte Pneu− monien

bulant erworbene, interstitielle Pneumonie verur−

Das Q−Fieber ist eine Anthropozoonose, die sich

sachen kann (Abb. 8.14). Neuerdings wird diese Chlamydophila−Art mit der Ätiologie der Arterio−

überwiegend als Pneumonie manifestiert. Erreger ist Coxiella burnetii, er kommt bei Haustieren (Rind,

sklerose und damit auch der koronaren Herzer−

Schaf, Ziege) vor. Die Infektion erfolgt aerogen

krankung in Verbindung gebracht.

durch

Chlamydia trachomatis kann in Abhängigkeit von

Dung). Coxiellen gehören zu den intrazellulären

der Serogruppe (Serogruppe D−K) eine Urethritis,

Rickettsien und lassen sich somit auf künstlichen

Zervizitis oder Salpingitis hervorrufen (s. S. 382).

Nährböden nicht anzüchten.

pneumoniae als eine von Mensch zu Mensch über−

Einatmen

erregerhaltigen

Staubes

(z. B.

Während des Geburtsvorganges kann sich das Neu− geborene infizieren und dann eine Pneumonie ent− wickeln. Sie ist charakterisiert durch schleimigen Auswurf in der 3.–4. Lebenswoche und verläuft oft

MERKE

Das Q−Fieber ist die einzige zurzeit in Mitteleuro− pa verbreitete Rickettsiose.

afebril. Die zervikale Untersuchung auf C. tracho− matis wurde vor wenigen Jahren in die Richtlinien für die Schwangerschaftsvorsorge aufgenommen.

Die Diagnose wird vor allem serologisch gestellt; die Therapie erfolgt wie bei den Chlamydien pri− mär mit Tetrazyklinen. Weiter Informationen zum Q−Fieber s. S. 382. Selten können auch andere Bakterien, wie z. B. E. coli und hämolysierende Streptokokken im am− bulanten Bereich eine Pneumonie auslösen. Bei AIDS−Patienten muss an eine interstitielle Pneumo− nie durch den Pilz Pneumocystis jiroveci gedacht werden (s. S. 413). Einige aggressive Erreger, die auch oder überwie− gend über andere Eintrittspforten den menschli− chen Organismus befallen, können bei aerogener Aufnahme zu lebensgefährlichen Lungenentzün− dungen führen. Dazu gehören vor allem der Milz−

Abb. 8.14 Interstitielle Pneumonie (CT) (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. E. Grabbe, Göttingen)

branderreger Bacillus anthracis (s. S. 48), der Pester− reger Yersinia pestis (s. S. 56), der in diesem Falle

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8 Atemwege und Herz

Grippe und Pneumonie

die fast immer tödliche Lungenpest hervorruft, und

aeruginosa (.25 %), Acinetobacter (7 %) sowie Ste−

Francisella tularensis (s. S. 64), Erreger der Tularämie (Hasenpest). Außerdem können im Rahmen einer

notrophomonas maltophilia (3 %, Tendenz q) ver−

Brucellose und einer Syphilis Pneumonien auftre−

Circa 10 % der nosokomialen Pneumonien werden

ten.

durch Legionellen hervorgerufen. Bei immunsup−

Virale Pneumonien Virusinfektionen der Atemwege sind häufig und wandeln sich meist erst bei bakterieller Superinfek− tion zur Pneumonie. In manchen Fällen entsteht aber auch eine reine Viruspneumonie ohne bakteri− elle Komponente. Erreger sind Parainfluenza−, RS−, Adeno− oder Corona−Viren sowie evtl. Masern− oder Mumps−Viren als Komplikation bei diesen Erkran− kungen. Das diagnostische und therapeutische Vor− gehen entspricht dem der Bronchitis.

Nosokomiale Pneumonien Pathogenese y Nosokomiale Infektionen sind im Krankenhaus erworbene Infektionen, die zur Zeit der Krankenhausaufnahme bei dem Patienten nicht vorhanden waren und auch nicht in der Inkubation waren. In Deutschland werden jährlich 120 000 nosokomiale Pneumonien beobachtet, die mit einer Inzidenz von 1–3 % pro Beatmungstag vorkommen. Nosokomiale Pneumonien machen mit mehr als 45 % den überwiegenden Anteil aller nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen aus. Die Letalität der nosokomialen Pneumonien beträgt 30 %, bei Patienten mit High risk pathogens“ (s. u.) sogar bis zu 65 %. Nosokomiale Pneumonien treten zwar auch bei nicht beatmeten Patienten auf, kommen aber bei beatmeten Patienten wesentlich häufiger vor. Risikofaktoren sind Intubation (vor allem Reintuba− tion nach Extubation), PEEP−Beatmung, Gabe von H2−Blockern oder Antazida zur Ulkus−Prophylaxe sowie enterale Ernährung per Nasen−Magen−Sonde und Aspiration. Erreger und Klinik y Die Early onset“−Pneumonie tritt 48 h–5 Tage nach der Krankenhausaufnahme auf. Erreger sind in ca. 5–10 % der Fälle Pneumo−

255

antwortlich.

primierten Patienten kommen Pneumocystis jiroveci (Transplantationspatienten) oder Aspergillus (Kno− chenmarktransplantation, Patienten in der Aplasie) vor. Diagnose y Sie beruht auf den oben genannten klinischen und röntgenologischen Befunden sowie dem Erregernachweis. Als Untersuchungsmaterial benutzt man das Trachealsekret bzw. durch endo− tracheale Absaugung und/oder bronchoskopisch gewonnenes Material, insbesondere die bronchoal− veoläre Lavage oder die Materialentnahme mittels der geschützten Bürste“. In besonderen Fällen müssen invasivere Maßnahmen angewandt werden. Therapie y Möglichst gezielt nach Antibiogramm. Solange der ursächliche Erreger noch nicht gefunden ist, muss sie im Sinne der kalkulierten Chemothe− rapie begonnen werden. Darunter versteht man eine Antibiose, die sich nach dem klinisch und regional zu erwartenden Erregerspektrum richtet. Hierfür ist die Kenntnis des auf der Station vor− kommenden Erregerspektrums wichtig. Immer sind Pseudomonas und S. aureus mit in das Therapie− schema einzubeziehen. So könnte z. B. die Therapie mit Piperacillin plus Tazobactam in Kombination mit einem Aminoglykosid oder mit einem Chinolon plus ein Staphylokokken−Penicillin begonnen wer− den. Wenn jedoch auf einer Station häufiger Kleb− siella oder Enterobacter vorkommt, kämen primär auch Cephalosporine der dritten Generation in Fra− ge. MERKE

Bei den nosokomialen Erregern ist durch die Se− lektion resistenter Stämme immer mit einer ho− hen Resistenzrate zu rechnen.

kokken, in ca. 5 % Haemophilus influenzae sowie Diese Erreger kommen bei der später beginnenden Late onset“−Pneumonie kaum noch vor. Dann sind

Da die Erreger von Patient zu Patient übertragen werden können (cross infection“), sind hygieni− sche Maßnahmen zur Prävention besonders wich−

in ca. 35 % der Fälle Enterobacteriaceae (vor allem

tig: Händewaschen, Isolierung von Patienten mit

Klebsiella− und Enterobacter−Arten), S. aureus in

resistenten Erregern. Eine wichtige präventive

auch Moraxella catarrhalis.

30 % und die High risk pathogens“ Pseudomonas

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256

Akute und chronische Bronchitis

8 Atemwege und Herz

Maßnahme ist zudem die Vermeidung einer Aspi−

8.3 Akute und chronische Bronchitis

ration.

Pneumonien durch systemische Pilzinfektionen Auch Pilzinfektionen können Auslöser von Pneu− monien sein. In Europa kommen vor allem 3 Pilze als Ursache systemischer Infektionen vor: Candida (s. S. 426) Aspergillus (s. S. 430) Cryptococcus (s. S. 433). Die Erreger werden ausführlich im Kapitel Myko− sen besprochen. Außerhalb Europas muss außerdem mit folgenden Erregern gerechnet werden: Coccidioides immitis: Erreger der Kokzidioidomy− kose, die als Pneumonie mit Pleuritis in Erscheinung tritt und meist spontan ausheilt. Selten Disseminie− rung

mit

granulomatösen

Veränderungen

in

verschiedenen Organen, was bei Befall der Neben− nieren meist zum Tode des Patienten führt (vgl. S. 148). Histoplasma capsulatum: Auslöser der Histoplas− mose, die sich überwiegend in Form einer der Tuberkulose ähnlichen Erkrankung der Lunge mani− festiert und meist spontan ausheilt. Bei abwehr− geschwächten Patienten kommt es zur Disseminier− ung mit ulzerösen Veränderungen im Mund sowie Befall von Milz, Leber und Knochenmark (vgl. S. 148). Blastomyces dermatitidis: Erreger der nordamerika− nischen Blastomykose; chronische granulomatöse Infektion, die herdförmig die Lunge, aber auch Haut und Knochen befällt. Paracoccidioides brasiliensis: Verusacher der Para− kokzidioidomykose (syn. südamerikanische Blasto−

Key Point Die akuten Infektionen der unteren Atemwe− ge, zu denen auch die akute Bronchitis gehört, sind die häufigsten Erkrankungen überhaupt. Eine Häufung der Bronchitiden und anderer Erkältungskrankheiten findet man vor allem im Frühjahr und im Herbst. Das Hauptsymptom ist der teils quälende Husten. Als Bronchitis wird die Entzündung der Bronchien bezeichnet. Aufgrund klinisch bedeutsamer Unter− schiede erfolgt eine Einteilung in akute Bronchitis und chronische Bronchitis.

8.3.1 Akute Bronchitis

[J20–J21]

Die akute Bronchitis wird meist durch Viren ausge− löst, die sich in den nasopharyngealen Epithelzel− len vermehren. Hier spielen vor allem Rhino−, In− fluenza− und Parainfluenzaviren eine bedeutende Rolle, aber auch RS−, Coxsackie− und ECHO−Viren (s. Tab. 8.4). Die Übertragung erfolgt üblicherweise durch Tröpfcheninfektion, teilweise auch fäkal−oral. Übliche Symptome sind Hustenreiz, retrosternale Schmerzen beim Husten, zäher, spärlicher Auswurf (eitrig bei bakterieller Superinfektion) sowie allge− meine Infektionszeichen (Kopf− und Gliederschmer− zen, Temperaturerhöhung). Die Diagnose wird primär klinisch gestellt, für den Erregernachweis stehen Kultur (zum Nachweis bak− terieller Erreger), Virusanzucht, PCR und Antigen− nachweis zur Verfügung. Die Therapie erfolgt bei

mykose). Die Erkrankung tritt oft erst Jahre nach Inhalation der Sporen auf und äußert sich in Form von Geschwüren in der Mundhöhle, Stomatitis und Zahnausfall. Bei der Ausbreitung im Körper werden Milz, Leber, Knochenmark und Lunge befallen. Dann ist die Prognose infaust.

Tabelle 8.4

Virale Verursacher der Bronchitis Familie

Gattung

Art

Picornaviridae

Enterovirus

Coxsackievirus A und B ECHO−Virus

Paramyxoviridae

Rhinovirus

Rhinovirus

Paramyxovirus

Parainfluenzavirus

Pneumovirus

RS−Virus

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8 Atemwege und Herz Akute und chronische Bronchitis viraler Ursache symptomatisch, bei bakterieller

behindert. Die resultierende Überblähung der Lun−

Bronchitis werden Antibiotika verabreicht.

ge kann lebensbedrohlich sein. Bei Immunsuppri−

257

mierten wird auch eine interstitielle Pneumonie

Bronchitis durch Coxsackieviren (vgl. S. 135)

mit hoher Letalität beobachtet. Die Infektion wird

[J20.3]

durch Virusanzucht, RT−PCR oder direkte Immun−

Coxsackieviren verursachen meistens im Sommer

fluoreszenz nachgewiesen. Bei lebensbedrohlicher

eine grippeähnliche Symptomatik mit Fieber und

Klinik kann ein humanisierter monoklonaler Anti−

Atemwegssymptomen. Es handelt sich um nackte RNA−Viren, von denen mehrere Serotypen existie−

körper gegeben oder Ribavirin als Aerosol einge− setzt werden.

ren, die jedoch keine Kreuzimmunität verleihen. Nach fäkal−oraler Infektion vermehren sie sich zu−

Bronchitis durch Rhinoviren (vgl. S. 135)

nächst in den Epithelzellen des Nasopharynx und

Die humanen Rhinoviren sind die klassischen Erre−

anschließend im Gewebe des Darms, von wo sie

ger des Schnupfens. Der typische Schnupfen mit

wieder ausgeschieden werden. Für die Diagnostik

wässrigem Sekret kann von einer Bronchitis abge−

steht zwar die Virusisolierung oder RT−PCR aus Ra−

löst werden. Die Infektion dauert ca. 1 Woche, kann

chenabstrichen und Stuhl zur Verfügung, aufgrund der Benignität der Erkrankung wird darauf aber in

aber durch bakterielle Superinfektionen kompli− ziert werden. Eine Diagnostik mit Hilfe der RT−PCR

der Regel verzichtet. Eine Kausaltherapie ist nicht

ist nur bei schwierigen Sonderfällen indiziert. Eine

möglich.

Kausaltherapie existiert nicht.

[J20.6]

Bronchitis durch Parainfluenzaviren (vgl. S. 134)

Bronchitis durch ECHO−Viren (vgl. S. 241)

[J20.4]

ECHO−Viren

Parainfluenzaviren sind behüllte RNA−Viren. Sie ru−

Symptomatik mit Fieber und Atemwegssympto−

fen eine grippeähnliche Symptomatik hervor, die von hohem Fieber begleitet wird. Gefürchtet ist

men. Die Diagnostik kann zwar durch Virusisolie− rung oder RT−PCR erfolgen, diese wird aber mei−

eine Laryngotracheobronchitis mit inspiratorischem

stens

Stridor (Differenzialdiagnose: Pertussis, s. S. 241).

Kausaltherapie ist nicht möglich.

nicht

verursachen

in

eine

Anspruch

[J20.7]

grippeähnliche

genommen.

Eine

Für die Diagnostik stehen serologische Verfahren sowie der Direktnachweis durch Virusisolierung,

8.3.2 Chronische Bronchitis

[J41]

RT−PCR oder Immunfluoreszenz zur Verfügung. MERKE

Eine Kausaltherapie ist nicht möglich.

Bronchitis durch RS−Viren (vgl. S. 134)

[J20.5]

Das Respiratory−Syncytial−Virus (RSV) verursacht vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern in der kalten Jahreszeit eine Bronchiolitis. Aufgrund seiner

Laut WHO ist eine chronische Bronchitis dann an− zunehmen, wenn bei einem Patienten in zwei auf− einander folgenden Jahren während mindestens 3 aufeinander folgenden Monaten pro Jahr Husten und Auswurf bestanden.

hohen Kontagiosität sind nosokomiale Infektionen gefürchtet. Das Virus wird durch Tröpfcheninfektion und kon− taminierte Gegenstände übertragen und vermehrt sich in den nasopharyngealen Epithelzellen. Dabei kommt es zur Fusion mit nichtinfizierten Zellen (Riesenzell− bzw. Synzytienbildung). Durch weitere Ausbreitung werden das Flimmerepithel des Respi− rationstrakts und schließlich die Bronchiolen infi− ziert. Die Riesenzellbildung geht mit einer Zerstö− rung der Flimmerepithelien und einer begleitenden Inflammation einher, die schließlich die Exspiration

Symptome einer chronischen Bronchitis lassen sich unabhängig vom Geschlecht bei 30 % der Menschen jenseits des 50. Lebensjahres nachweisen. Bei der chronisch obstruktiven Bronchitis tritt zusätzlich eine Bronchialobstruktion auf (COPD = chronic ob− structive pulmonary disease). Die chronische Bronchitis ist ein multifaktorielles Krankheitsgeschehen, bei dem neben dem Nikotin− abusus die infektiöse Komponente eine wesentliche Rolle spielt.

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258

Weitere Erkrankungen der unteren Atemwege Neben den bei der akuten Bronchitis genannten Er− regern werden insbesondere bei Exazerbationen Enterobakterien (E. coli, Enterobacter− und Proteus−

8 Atemwege und Herz

8.4 Weitere Erkrankungen der unteren Atemwege

Arten), Pseudomonas aeruginosa und andere Mikro−

8.4.1 Lungenabszess

organismen gefunden. Bei Bronchiektasen können

Beim Lungenabszess kommt es zur eitrigen Ein−

außerdem Anaerobier eine Rolle spielen.

schmelzung von Lungengewebe, die oft mit einer

Es handelt sich praktisch immer um endogene In−

Kavernenbildung einhergeht. Ursache für den Abs− zess sind entweder eine vorausgehende (Aspirati−

fektionen, die durch Deszension der Erreger aus dem oberen Atemtrakt entstehen.

[J85]

ons−)Pneumonie oder ein Lungeninfarkt aufgrund

Klinisch bestehen – überwiegend morgens – Hus−

einer Embolie. Wichtigster Risikofaktor für die Ent−

ten und Auswurf, in späteren Stadien treten Belas−

stehung einer Aspirationspneumonie und damit ei−

tungsdyspnoe und Leistungsabfall auf. Bei der Aus−

nes Lungenabszesses sind Bewusstseinsstörungen

kultation fallen meist trockene, bei größeren

(z. B. Alkohol− und Drogenabusus, neurologische Störungen, Hirninfarkte).

Sekretmengen auch feuchte Rasselgeräusche (RG), bei Obstruktion zudem ein verlängertes Exspirium mit Giemen und Brummen auf.

Gefürchtet ist prinzipiell die Entstehung eines Hirnabszesses durch hämatogene Verschleppung der Erreger aus dem Lungenherd.

MERKE

Sobald der Lungenabszess Anschluss an das Bron−

Für die bakteriologische Diagnose ist Sputum nicht gut geeignet.

chialsystem hat, findet sich nekrotisches, fötides

In schweren, progredienten Fällen ohne sichtbaren Therapieerfolg und insbesondere zur Sicherung ei− ner Anaerobierinfektion sind eingreifende Techni− ken zur Gewinnung von Untersuchungsmaterial, z. B. bronchoskopische Materialgewinnung oder transtracheale Aspiration nicht zu umgehen. Die Basistherapie besteht vor allem im Vermeiden der auslösenden Noxen (Nikotinkarenz!) sowie der symptomatischen Therapie mit Inhalationen sowie ggf. einer medikamentösen antiobstruktiven Thera− pie. Bei Infektexazerbation erfolgt die antibiotische Therapie, die der der akuten Tracheobronchitis ent− spricht (s. S. 241). MERKE

Durch Antibiotika wird in der Regel keine dauer− hafte Sanierung erreicht.

Material im Sputum.

Praxistipp Bei fehlendem Abhusten nekrotischen Ma− terials kann die Diagnose schwierig sein, denn der Verlauf ist oft schleichend und der Patient klagt u. U. nur über Fieber, Schwäche und Thoraxschmerzen. Wegweisend ist häufig erst der Röntgenbefund, bei dem die Abszesshöhle meistens durch eine Spiegel− bildung charakterisiert ist. Meistens liegt eine Mischinfektion vor, bei der fast immer auch Anaerobier beteiligt sind. Darüber hi− naus kommen Viridans−Streptokokken sowie die typischen Pneumonieerreger (selten Pneumokok− ken) vor. Bei neutropenischen oder anderweitig im− munsupprimierten Patienten ist auch an Aspergil− len und an Mykobakterien zu denken. Der direkte Erregernachweis sollte nicht aus Spu− tum geführt werden, da auf diese Weise der Nach− weis einer ursächlichen Beteiligung von Viridans− Streptokokken kaum möglich ist. Stattdessen sollte bronchoskopisch gewonnenes respiratorisches Ma− terial verwendet werden. Gegebenfalls ist auch eine Lungenbiopsie notwendig, um an die Abszess− höhle zu gelangen.

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8 Atemwege und Herz Die Therapie besteht in der Beseitigung der Ursa− che sowie der Antibiose. Sie wird mindestens drei Wochen durchgeführt und sollte stets auch Anaero− bierwirksamkeit aufweisen: Aminopenicillin plus b−Laktamase−Inhibitor Piperacillin plus b−Laktamase−Inhibitor Cephalosporin der 3. oder 4. Generation plus Clindamycin neues Fluorchinolon (z. B. Moxifloxacin) bei

MRSA−Verdacht:

z. B.

Vancomycin

plus

Rifampicin oder Linezolid. Gegebenfalls sind außerdem die Abszessdrainage sowie die chirurgische Sanierung erforderlich.

8.4.2 Pleuraempyem

[J86]

Ein Empyem ist eine Eiteransammlung in einer präformierten Höhle, in diesem Fall in der Pleura− höhle. Ursache ist meistens eine eitrige Pneumonie, ein Lungenabszess, eine Infektion eines nekrotisie− renden Lungenkarzinoms oder eine fortgeleitete Oberbauchinfektionen. Vor allem bei Pneumonien durch Pneumokokken oder S. aureus kann ein Pleuraempyem entstehen, das durch Mischinfektion mit Anaerobiern (Bacte− roides, Peptostreptokokken) komplizierend wird. Gefürchtet ist zudem bei Patienten mit einer Neu− tropenie die Aspergillose mit Einbruch von Asper− gillen in den Pleuraspalt. Seltener werden Klebsiel− len oder Viridans−Streptokokken nachgewiesen. Klinisch stehen hohes Fieber und Mattigkeit im Vordergrund. Die Perkussion ergibt eine Klopf− schalldämpfung über dem betroffenen Areal. Die Diagnose wird durch direkten Erregernachweis aus dem Eiterpunktat gestellt. In Ergänzung zur Entlastung des Empyems durch Saugdrainage wird sofort eine kalkulierte Antibiotikatherapie unter Einschluss von Anaerobiern vorgenommen: z. B. Piperacillin/Tazobactam plus Aminoglykosid oder neuere Fluorchinolone. Bei neutropenischen Patienten muss auch an die entsprechende antimykotische Therapie gedacht werden. Nach Vorliegen des kulturellen Befundes und Antibiogramms bzw. Antimyzetogramms wird die Therapie ggf. angepasst.

8.5 Tuberkulose

Tuberkulose

259

[A15–A19]

Key Point Nach einem vorübergehenden Rückgang der Tuberkulosefälle erlebt diese Erkrankung heutzutage – nicht zuletzt aufgrund der zu− nehmenden Resistenzentwicklung und der weltweiten Migration – wieder eine Renais− sance: Die WHO geht davon aus, dass die Tu− berkulose die häufigste bakterielle Infekti− onskrankheit ist, die zum Tode führt. Mindes− tens ein Viertel der Weltbevölkerung ist infiziert. Die Tuberkulose wird auch als Schwindsucht und weiße Pest“ bezeichnet. Sie war bereits zu Zeiten von Aristoteles als Phthisis“ bekannt. Robert Koch berichtete erstmals 1882 in Berlin über den Erreger der Tuberkulose (vgl. S. 50). Die weitaus meisten Tuberkulosefälle treten bei Menschen in den Ländern des Südens auf. Bei Vor− liegen einer HIV−Infektion verläuft die Tuberkulose bei diesen Patienten in der Regel klinisch apparent und breitet sich besonders schnell aus. Die WHO hat ein Programm initiiert, das eine kos− tenlose Tuberkulosetherapie in den betreffenden Ländern vorsieht. In Europa stellt sich zurzeit besonders im Osten eine bedrohliche Situation dar (www.EuroTB.org). Dabei ist trotz gesetzlich vorgeschriebener Mel− dung die Dunkelziffer hoch: ein Tuberkulosefall verursacht wahrscheinlich 2–10 neue Infektionen.

Pathogenese Der Erreger der Tuberkulose gehört zu den Myko− bakterien: säurefeste Stäbchen, die durch Säure (Magensäure!) kaum abgetötet werden. Die Tuber− kulose des Menschen ist eine spezifische Erkran− kung, die durch die typischen“ Mykobakterienar− ten des Mycobacterium−tuberculosis−Komplexes hervorgerufen wird: Mycobacterium tuberculosis (natürlicher Wirt Mensch), aber auch M. bovis (na− türlicher Wirt Rind), M. africanum (natürlicher Wirt Mensch) und M. microti (natürlicher Wirt Wühl− maus). Nach Inhalation der Erreger kommt es in der ersten Krankheitsphase vor allem in den gut belüfteten

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260

Tuberkulose

8 Atemwege und Herz Abb. 8.15 Pathogenese der Tuberkulose Abb. 8.16 Miliar−Tb (CT) (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. E. Grabbe, Göttingen)

Lungenspitzen (aerobe Bakterien!) zum extra− und

bleibt (intrazelluläre Erregerpersistenz innerhalb

intrazellulärem Bakterienwachstum, besonders in

der Lunge).

Alveolarmakrophagen (Abb. 8.15).

Typisch für die Erkrankung sind die Tuberkel bzw.

Das klinische Korrelat dieses Primäraffekts wird deshalb als Simon−Spitzenherd bezeichnet. Zusätz−

tuberkulösen Granulome, die aus mehreren bakte− rienhaltigen Makrophagen (Langerhans−Riesen−

lich werden die hilären Lymphknoten befallen. Pri−

zellen) bestehen und von einem Mantel aus Epi−

märaffekt und Befall der regionalen Lymphknoten

theloidzellen,

bilden den Ghon−Primärkomplex.

umgeben sind. In diesem Primärtuberkel entsteht

Anschließend kann es – insbesondere bei immun− supprimierten Patienten – zum Einbruch in die

zentral eine verkäsende Nekrose mit Aufhebung al− ler Strukturen.

Blutgefäße mit hämatogener Streuung kommen

Bei 90 % aller Patienten kommt es schließlich zur

(Miliartuberkulose). Der Erreger kann dann in allen Organen zu multiplen Mikroabszessen führen, wo−

Vernarbung bzw. Verkalkung des Tuberkels. Die verbleibenden 10 % der Patienten können bei

bei nur eine geringe Granulombildung beobachtet

Abnahme der zellulären Immunität eine Reaktivie−

wird. Gefürchtet ist der Befall von Meningen, Leber

rung erleiden und der Krankheitsprozess entwi−

und Knochenmark.

ckelt sich zur endogenen Sekundärtuberkulose. Da−

Aufgrund des Zellwandaufbaus zeigen Mykobakte−

bei erleiden 5 % der Patienten eine Reaktivierung

rien eine relativ geringe Immunogenität, so dass

bereits innerhalb von zwei Jahren nach der Primär−

sich beim immunkompetenten Patienten erst nach 3–4 Wochen eine T−Zellimmunität entwickelt, die zur Abnahme des intrazellulären Wachstums der

tuberkulose (s. Abb. 8.15). Meist handelt es sich bei dieser Sekundärtuberkulose um eine endogene Re− infektion, selten ist auch eine exogene Reinfektion

Bakterien führt. Die humorale Immunität spielt bei

möglich.

der Tuberkulose keine vorherrschende Rolle.

Aufgrund der Induktion einer besonderen immu−

Makrophagen

und

Lymphozyten

In den meisten Fällen erfolgt allerdings trotz zellu−

nologischen Reaktion durch M.−tuberculosis−Kom−

lärer Reaktion intrazellulär keine Abtötung der Er−

plex führt die Sekundärtuberkulose meist zu kli−

reger, weil eine Fusion zwischen bakterienhaltigen

nischen

Phagosomen und enzymhaltigen Lysosomen aus−

verkäsenden Nekrose und zur Bildung einer Ka−

Symptomen:

Dabei

kommt

es

zur

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8 Atemwege und Herz

Tuberkulose

261

verne (Höhle), in der die Bakterien sich stark ver− mehren können. MERKE

Bricht die Kaverne in die ableitenden Atemwege durch, so wird von offener“ Tuberkulose gespro− chen, weil der Erreger nun über das Bronchialsy− stem streuen kann und damit der Patient infektiös für seine Umgebung wird.

Klinik M. tuberculosis wird in der Regel durch Tröpfchen− infektion von Mensch zu Mensch übertragen. Infek− tionsquelle sind Patienten mit einer unbehandelten offenen“ Tuberkulose. Der Empfänger muss eine

Abb. 8.17 Kachektischer Patient mit Tuberkulose (mit freundlicher Genehmigung von J. Friesen, Göttingen)

bestimmte Konstitution aufweisen. Risikofaktoren sind u. a. hohes Alter, chronische Erkrankungen, Al− koholismus und Immunschwäche (z. B. AIDS). Circa 90 % der primären Fälle verlaufen subklinisch. Die meisten klinisch−manifesten Erkrankungen be− ruhen daher auf einer Reaktivierung (Sekundär− bzw. Postprimär−Tuberkulose). Besonders gefährdet sind alle immunsupprimierten Patienten (AIDS−Pa− tienten, Patienten unter immunsupprimierender sowie unter Kortikosteroidtherapie). Die meisten klinisch−apparenten Verläufe manifes− tieren sich an der Lunge, ansonsten können prinzi− piell alle anderen Organe befallen werden: Niere,

Abb. 8.18

Sputum mit Mycobacterium tuberculosis (rot)

Knochen, Leber, Meningen, Darm, Haut. Die Symptomatik ist zunächst eher von Allge− meinsymptomen

beherrscht:

Gewichtsabnahme,

5 Jahren durch hämatogene Streuung relativ häufig

Nachtschweiß und ein Leistungsknick sollten erster Anlass sein, an die Tuberkulose zu denken. Darüber

zu Meningitis oder Knochenbefall.

hinaus fallen die betroffenen Patienten durch sub−

tionen der Tuberkulose häufiger als bei anderen

febrile Temperaturen und Appetitlosigkeit auf. Erst später gesellen sich bei der Lungentuberkulose

Patienten, auch die Meningen können befallen wer− den.

Husten, atemabhängige Schmerzen und Hämopty−

Eine weitere Komplikationen bei AIDS− und ander−

sen hinzu. Die Nierentuberkulose fällt zunächst

weitig stark immunsupprimierten Patienten ist die

durch eine Hämaturie auf.

käsige Pneumonie, die radiologisch wie eine Lo−

Unter Umständen sind bei allen Formen der Tuber−

bärpneumonie aussieht, sowie eine infaust verlau− fende Sepsis (Typhobazillose Landouzy).

kulose ein Erythema nodosum und eine Pleuritis

Bei AIDS−Patienten sind extrapulmonale Manifesta−

exsudativa nachweisbar. Die Klinik ist beim Erwachsenen meistens anders als im Kindesalter: Während bei nicht immunsup−

Manifestationen in anderen Organen können ent−

primierten Erwachsenen die chronische Lungentu−

de kommen (Miliartuberkulose).

berkulose vorherrscht, kommt es bei Kindern unter

Durch M. bovis, den Erreger der Rindertuberkulose,

weder durch Durchwanderung (Pleura, Perikard) oder ebenfalls durch hämatogene Streuung zustan−

wird meist primär eine Darmtuberkulose hervorge−

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262

Tuberkulose

8 Atemwege und Herz

rufen, seltener wird zuerst die Lunge durch Staub−

Gewebeproben, Lymphknoten o. Ä. dürfen auf kei−

inhalation befallen. M. bovis wird praktisch nicht von Mensch zu Mensch übertragen. Erkrankungen

nen Fall in Formalin eingelegt werden! Das Mate−

treten bei Metzgern, Tierärzten oder Landwirten

zucht; es muss nativ eingesandt werden. Punktate

als Berufskrankheit auf und wurden früher über

dürfen auch nicht in eine Blutkulturflasche gege−

Nahrungsmittel (Rohmilch) erworben. Seit der in−

ben werden, da das darin enthaltene Medium für

tensiven Bekämpfung der Rindertuberkulose ist

das Wachstum von Mykobakterien nicht ausreicht.

rial ist dann natürlich unbrauchbar für die An−

diese Erkrankung bei uns sehr selten geworden.

Diagnostik

Praxistipp

Die klinisch wichtigen Mykobakterien haben eine Generationszeit von 12–18 Stunden (zum Vergleich

Generell wenig geeignet als Untersuchungs− material sind Abstriche, da wegen der meist zu geringen Keimzahl der Nachweis von Mykobakterien aus Abstrichen selten ge− lingt!

E. coli = 20 Minuten), sodass bei den konventionel− len Kulturverfahren frühestens nach 2–3 Wochen mit Wachstum zu rechnen ist. MERKE

Die Untersuchung von Stuhl dient heute vor allem

Alle Mykobakterien wachsen in der Regel nicht auf den üblichen Nährböden. Wegen dieser be− sonderen Eigenschaft ist bei Verdacht auf Erkran− kungen durch Mykobakterien die spezielle Untersuchung explizit anzufordern.

dem Nachweis von MOTT bei AIDS−Patienten (s. S. 414). Bei noch ungesicherter Diagnose sind – falls mög− lich – 3 Proben an 3 unterschiedlichen Tagen zu entnehmen. Als Behandlungskontrolle bei gesicher− ter Diagnose sind Untersuchungen in 2–4−wöchi−

Bei Verdacht auf Lungentuberkulose sind minde− tens 3 x 5 ml tief abgehustetes Morgensputum das beste und am leichtesten zu gewinnende Untersu− chungsmaterial. Ist dies nicht zu erhalten, kann z. B. bei Kleinkindern oder alten Menschen Magen−

gen Abständen zu empfehlen. Das diagnostische Vorgehen bei Verdacht auf Tu− berkulose ist in Tab. 8.5 kurz zusammengefasst.

Mikroskopischer Nachweis

saft eingesandt werden. Ausnahmsweise kommt

Wegen der langen Dauer des kulturellen Nachwei− ses kommt der mikroskopischen Untersuchung

auch ein Kehlkopfabstrich (nicht Rachenabstrich!)

große Bedeutung zu.

oder bronchoskopisch bzw. durch Bronchiallavage

Sie ist bei entsprechendem Verdacht bei allen Un−

gewonnenes Material infrage. Bei Verdacht auf urogenitale (Nieren−)Tuberkulose

tersuchungsmaterialien angezeigt. Ausnahme ist

werden mindestens 100 ml Morgenurin untersucht,

vorhandener Tuberkelbakterien ein mikroskopi−

bei Verdacht auf Genitaltuberkulose der Frau muss Menstrualblut eingesandt werden, welches mit

scher Nachweis praktisch nicht zu führen; anderer− seits können apathogene säurefeste Stäbchen,

Urin: Hier ist wegen der geringen Anzahl eventuell

Kappenpessaren am 1. und 3. Tag der Menses ge− wonnen und in der doppelten Menge Aqua dest.

Tabelle 8.5

aufgelöst wird. Bei Verdacht auf Genitaltuberkulose des Mannes wird das Ejakulat untersucht. Bei verdächtigen Pleura− und Gelenkergüssen ist Punktionsmaterial zu gewinnen und bei Verdacht auf tuberkulöse Meningitis wird der Liquor (min− destens 5–10 ml) untersucht. Bei Verdacht auf an−

Vorgehen bei Verdacht auf Tuberkulose Ablauf

Perikard u. a.) ist die Untersuchung von Gewebe−

O mikroskopischer Nachweis (ggf. direkter Nachweis durch Sondentechnik) O kultureller Nachweis O bei positiver Kultur R Differenzierung der Mykobakterien u. evtl. Resistenztest O PCR

proben oder Punktaten angezeigt.

Der gelegentlich noch erwähnte Meerschweinchenversuch ist heute meistens obsolet und nur bestimmten Fragestellungen vorbehalten.

dere Lokalisationen (Lymphknoten, Knochen, Haut,

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8 Atemwege und Herz

Tuberkulose

263

Smegmabakterien“, vorhanden sein, deren Nach− weis zu Fehldiagnosen führen könnte. Für den mikroskopischen Nachweis werden flüssige Materialien aus sterilen Köperbereichen nur zentri− fugiert. Sputum u. a. Materialien werden erst nach Vorbehandlung

mit

N−Acetyl−L−Cystein−NaOH

zentrifugiert, welches zähes“ Material verflüssigt und die Begleitflora zum Teil abtötet. Die Zentrifu− gation dient der Anreicherung, denn nur bei einem Keimgehalt ab ca. 104−5 Bakterien/ml ist ein mikro− skopischer Nachweis möglich. Nach der Zentrifuga− tion wird das Sediment auf neue Objektträger aus− gestrichen und nach Ziehl−Neelsen oder Kinyoun gefärbt bzw. mit fluoreszierenden Farbstoffen wie Auramin oder Acridinorange behandelt. EXKURS

Ziehl−Neelsen−Färbung

Abb. 8.19 Kultur von M. tuberculosis auf Löwenstein−Jensen− Agar (mit freundlicher Genehmigung von A. Cichon, Göttin− gen)

kung von Chemotherapeutika verändern kann: So zeigen Tuberkelbakterien nach langfristiger INH− Behandlung keine gleichmäßige Färbung mehr, sie sind nur noch segmental angefärbt.

zum Nachweis säurefester Stäbchen: – 1. Das luftgetrocknete Präparat muss hitzefixiert sein – 2. Karbolfuchsin auftropfen und auf der Färbebank bis zur Dampfbildung ca. 8 Min. lang erhitzen,

MERKE

Ein negativer mikroskopischer Befund schließt eine Tuberkulose aufgrund der geringen Sensiti− vität der Mikrokopie nicht aus!

jedoch nicht kochen lassen. Verdunstetes Karbol− fuchsin durch Nachtropfen ersetzen. Abkühlen lassen, Farbe abgießen – 3. Entfärben mit Salzsäure−Alkohol, bis keine Farbe mehr abgeht – 4. Mit Wasser nachspülen

Kultureller Nachweis Die Mykobakterien benötigen für ihr Wachstum komplex zusammengesetzte Nährböden, auf denen sie strikt aerob bebrütet werden müssen. Vor dem Beimpfen der Nährböden müssen die Proben mit

– 5. Nachfärben mit Methylenblau (höchstens 1 min)

N−Acetyl−L−Cystein−NaOH vorbehandelt und an−

– 6. Mit Wasser abspülen und trocknen lassen R

schließend bei 3000 g zentrifugiert werden. Diese

Mikroskopieren.

Vorbehandlung dient drei Zwecken:

In der Ziehl−Neelsen−Färbung wird Salzsäure zum

Anreicherung der Mykobakterien

Nachweis säurefester Bakterien“ eingesetzt. Dabei

Reduzierung oder völlige Abtötung der Begleit−

erscheinen alle säurefesten Stäbchen rot, Zellen und andere Bakterien blau (Abb. 8.18).

flora Verflüssigung des Materials. Nur normalerweise steriles Material, wie z. B. Li−

MERKE

Allein aufgrund des mikroskopischen Bildes kann kein Verdacht auf eine bestimmte Mykobakterien− art ausgesprochen werden. Als positives Untersu− chungsergebnis wird daher nur Nachweis säurefester Stäbchen“ mitgeteilt.

quor, kann auch ohne Vorbehandlung verimpft werden. Mit jeder zu untersuchenden Probe müs− sen mehrere unterschiedliche Nährböden beimpft werden, worunter auch ein flüssiger Nährboden sein sollte. Für die Kultur verwendet man meist Ei− haltige Festnährböden, z. B. nach Löwenstein−Jen− sen, Stonebrink oder Gottsacker, die zur Unterdrü− ckung der Begleitflora Farbstoffe (z. B. Malachit−

Das ist wichtig, weil sich die mikroskopische Mor−

grün) oder/und Antibiotika enthalten (Abb. 8.19).

phologie der säurefesten Stäbchen durch Einwir−

Ein häufig verwendeter synthetischer, flüssiger

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264

Tuberkulose

8 Atemwege und Herz

Tabelle 8.7

Einteilung der Mykobakterien nach Runyon Gruppe

Mykobakterien

I photochromogene (Pigmentbil− M. kansasii dung nur nach Lichteinwirkung), M. marinum langsam wachsende Mykobakterien M. simiae

Abb. 8.20 Vegetation an der Mitralklappe bei Endokarditis – transösophageales Echokardiogramm (mit freundlicher Ge− nehmigung des Echokardiographie−Labors der Abteilung Kar− diologie und Pneumologie, Göttingen)

Nährboden ist der nach Middlebrook. Die Sensiti−

II skotochromogene (Pigmentbil− dung auch im Dunkeln), langsam wachsende Mykobakterien

M. M. M. M.

szulgai xenopi scrofulaceum gordonae

III nicht chromogene (keine Pig− mentbildung),langsam wachsene Mykobakterien

Mycobacterium−tubercu− losis−Komplex M. avium−intracellulare M. molmoense M. haemophilum

M. fortuitum IV nicht chromogene, schnell M. chelonae wachsende Mykobakterien (sichtbare Kolonien in einer Woche)

vität des kulturellen Keimnachweises beträgt 102−3 Erreger/ml. Auf festen Nährböden benötigt M. tuberculosis etwa 2–4 Wochen, M. bovis etwa 3–6 Wochen, bis Kolo−

Differenzierung und Resistenztest

nien sichtbar werden; für die atypischen“ Myko− bakterien (MOTT, s. S. 51) variiert die Inkubations−

Nachdem kulturelles Wachstum festgestellt wurde, kann mit Hilfe von Gensonden, der PCR oder einer Sequenzierung sofort die Identifizierung vorgenom−

zeit je nach Spezies zwischen wenigen Tagen und

men werden.

6–8 Wochen. Mycobacterium tuberculosis zeigt ein

Wenn so keine Identifizierung möglich ist, müssen

eugones Wachstum mit blumenkohlartigen, farblo−

andere Kriterien herangezogen werden wie z. B. die

sen Kolonien, während M. bovis dysgon in glatten,

Wachstumstemperaturen, biochemische Reaktionen

farblosen Kolonien wächst. In flüssigen Medien gelingt der Nachweis des

sowie die Wachstumszeit und Pigmentbildung

Wachstums in der Regel wesentlich schneller, für M. tuberculosis meist innerhalb von 1–2 Wochen. Hier−

Zur Unterscheidung der Bakterien des M.−tubercu− losis−Komplexes dient der Niacin−Test, der bei

zu stehen heute verschiedene kommerzielle Sy−

M. tuberculosis positiv, bei M. bovis negativ ausfällt.

(Tab. 8.7).

steme zur Verfügung: z. B. Systeme, bei denen die

Ergibt die Differenzierung M.−tuberculosis−Kom−

Wachstumsdetektion mittels Fluoreszenz erfolgt.

plex“, so erfolgt eine Testung der Antibiotika−Emp−

Bei Feststellung von Wachstum wird in jedem Fall

findlichkeit, die in der Regel in Flüssigmedien

zunächst ein mikroskopisches Präparat angefertigt. Ist kein Wachstum nachweisbar, müssen die Kultu−

durchgeführt wird. Beim Ergebnis MOTT bzw. aty−

ren mindestens 6 Wochen bebrütet werden, bevor

werden, ob eine Differenzierung und ggf. ein Resi− stenztest erfolgen sollen.

ein negativer Befund herausgegeben werden darf (Tab. 8.6).

pische Mykobakterien“ muss im Einzelfall erwogen

Nicht kulturelle Nachweisverfahren Als nicht kulturelles Nachweisverfahren kommt die

Tabelle 8.6

Empfindlichkeit der Tuberkulosediagnostik

PCR zum Einsatz. Ihre Sensitivität beträgt zurzeit ca. 50–100 Erreger/ml. Da sie auch abgetötete Bak− terien nachweist, ist sie auch nur geeignet für die

Test

Keime/ml

Erstuntersuchung bei noch unklarer Diagnose,

Kohlenstoff−Umsatz (BACTEC)

10–100

nicht aber zur Kontrolle einer Therapie. Falsch−ne−

PCR

50–100

gative Ergebnisse (besonders aus Sputum) kommen

Kultur (LJ = Löwenstein−Jensen−Agar)

100–1000

Mikroskopie

10 000–100 000

vor, bedingt durch Inhibitoren der Polymerase oder auch durch die oft sehr inhomogene Verteilung der

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8 Atemwege und Herz

Tuberkulose

Bakterien im Untersuchungsmaterial (für die PCR

bakterizid: Antituberkulotika 1. Ordnung oder

werden nur sehr kleine Probenvolumina einge− setzt). Seit kurzem steht darüber hinaus der Di−

Erstrangmedikamente wg. hohem Quotienten aus Wirksamkeit und Toxizität

rektnachweis durch molekulare Sonden zur Verfü−

bakteriostatisch: Antituberkulotika 2. Ordnung

gung.

oder Zweitrangmedikamente.

Tuberkulintest

Antituberkulöse Medikamente 1. Ordnung

Tuberkulintests [z. B. Tine−Test (Stempel−Test) oder

INH = Isoniacid: Wegen seiner stark bakteriziden

Mendel−Mantoux−Test (Intrakutantest)] sind indi−

Wirkung und seiner guten Verträglichkeit ist es das

ziert für Umgebungsuntersuchungen und bei klini−

führende Mittel. Es wirkt auf intra− und extrazellu−

scher Verdachtsdiagnose. Nach durchgemachter

läre Mykobakterien durch Hemmung der Mykol−

Tuberkuloseinfektion bildet sich eine Überempfind− lichkeitsreaktion vom verzögerten Typ aus (Typ IV).

säuresynthese und der Nukleinsäuresynthese. Die Pharmakokinetik zeichnet sich durch eine rasche

Für den Tuberkulintest wird in Deutschland das

intestinale Resorption mit hoher Konzentration in

GT−Tuberkulin verwendet, ein gereinigtes Tuberkel−

Serum, Gewebe und Liquor aus.

protein. 0,1 ml Tuberkulin werden intrakutan an

Nebenwirkungen y Neurotoxizität mit Parästhesien

der Innenarmunterseite injiziert. Positiv wird eine

und Neuritiden.

265

Induration von 6 mm Durchmesser bewertet, abge− lesen wird nach 72 h. Der Tuberkulinhauttest ist aufgrund der hohen Ra− te falsch−negativer Befunde bei HIV−infizierten Pa− tienten insbesondere bei fortgeschrittenem Im− mundefekt diagnostisch nur sehr eingeschränkt verwertbar. Bei BCG−Impfung und Infektion mit an− deren Mykobakterien kann er auch falsch−positiv ausfallen.

Therapie und Prävention Die Letalität der Tuberkulose in Deutschland be− trägt ca. 8 %. Bei Behandlung mit nur einem Antitu− berkulotikum kommt es bei hohen Keimzahlen im Gewebe sehr häufig zur Resistenzentwicklung in− nerhalb weniger Wochen.

Praxistipp Diese Nebenwirkung kann durch Gabe von Vitamin B6 verhindert werden, da in den Zellen des menschlichen Körpers ein Anta− gonismus von INH oder Isonikotinsäure ge− gen Pyridoxin (= Vitamin B6) anzunehmen ist. Selten werden auch insbesondere bei älteren Pa− tienten psychische Störungen, Magen−Darm−Be− schwerden, das Auftreten antinukleärer Antikörper sowie eine leichte Lebertoxizität beobachtet. SM = Streptomycin: Aminoglykosid aus Streptomyces griseus, das nur auf extrazelluläre Mykobakterien wirkt. SM greift u. a. in die Proteinsynthese am Ribosom ein, stört so die Translation und fördert die

Praxistipp

Bildung von Nonsense−Peptiden“.

Aufgrund der raschen Resistenzentwicklung ist eine Monotherapie bei Tuberkulose als Kunstfehler zu betrachten (Ausnahme: Tu− berkulose der Haut mit geringer Keimkon− zentration).

Wegen seiner guten Liquorgängigkeit wird SM bei tuberkulöser Meningitis verwendet. Nebenwirkungen y nephro− und ototoxisch (Schädi− gung des VIII. Hirnnerven).

Die Therapie wird daher und um möglichst unter−

Praxistipp

schiedliche Angriffspunkte innerhalb der Bakterien

Schwindel und Hörstörungen sind Alarm− symptome, die zum sofortigen Absetzen des Präparates zwingen.

zu treffen immer mit einer Dreier− oder Viererkom− bination begonnen. Auch bei den antituberkulösen Medikamenten unterscheidet man bakterizid und bakteriostatisch wirksame Substanzen:

Eine Störung der Nierenfunktion wird zwar nur sel− ten beobachtet, SM sollte dennoch bei Patienten

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Tuberkulose

8 Atemwege und Herz

mit bereits eingeschränkter Nierenfunktion vor−

Nebenwirkungen y reversible Schädigung des N.

sichtig eingesetzt werden. RMP = Rifampicin: Breitspektrumantibiotikum aus

opticus mit Einschränkung von Sehvermögen, Ge−

Streptomyces mediterranei wirkt bakteriostatisch auf

Kontrollen des Augenhintergrundes und des Farb−

extra− und intrazelluläre Mykobakterien, indem es

sehvermögens erforderlich.

die Transkription hemmt. RMP weist eine sichere

Weitere Substanzen: Cycloserin (CS), Prothionamid

Wirkung gegen persistierende, ruhende Keime auf.

(PTH) oder Ethionamid (ETH) sowie Capreomycin

Eine primäre Resistenz gegen RMP ist viel seltener als gegen INH oder SM.

(CM) sind weitere Antituberkulotika 2. Ordnung, die nur eingesetzt werden, wenn aus verschiede−

sichtsfeld und Farbsehen. Daher sind regelmäßige

Nebenwirkungen y Hepatotoxizität R engmaschige

nen Ursachen eines der anderen Mittel nicht gege−

Kontrolle der Leberfunktion (Anstieg der Transami−

ben werden kann. Als Reservemittel kommen au−

nasen?). Nach RMP−Gabe wurde auch über Throm−

ßerdem noch Vancomycin und Ofloxacin infrage.

bozytopenien berichtet. Da RMP ein starker Enzyminduktor ist, kommen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten vor: Die Wirksamkeit oraler Kontrazeptiva kann herab− gesetzt oder aufgehoben werden. Auch die Halb− wertszeit von Kortikosteroiden, Cumarin−Derivaten und oralen Antidiabetika kann vermindert sein.

Therapiekonzept Die Therapie einer Tuberkulose orientiert sich am Zustand des Patienten, der Lokalisation der Tuber− kulose und den individuellen Gegebenheiten. Die Dauer der Chemotherapie muss mindestens 6 Mo− nate betragen, wobei sich an die Initialphase von

Antituberkulöse Medikamente 2. Ordnung

2(–3) Monaten die Stabilisierungsphase von 4(–7) Monaten anschließen muss. Falls ein 6−Monate−Re−

PZA = Pyrazinamid: PZA wirkt stärker gegen intra−

gime unter Einbeziehung von PZA in der Initial−

als gegen extrazellulär persistierende Keime, ist

phase nicht möglich ist sowie bei allen extrapul−

jedoch unwirksam gegen M. bovis. Im Gegensatz

monalen

zum In−vitro−Wirkungstyp (bakteriostatisch) wirkt

Monate−Regime angewandt werden. Die im Nor−

es in vivo wegen des sauren Milieus im Inneren der

malfall verwendeten Kombinationen sind in Tab. 8.8

verkäsenden Granulome bakterizid.

aufgeführt.

Nebenwirkungen y Hepatotoxizität, Hyperurikämie, Arthralgien. Eventuell ist eine Induktion von Photo− dermatosen möglich.

Tb−Manifestationen,

soll

ein

9−(12−)

Tabelle 8.8

Therapie der Tuberkulose

MERKE

PZA soll nur in der Initialphase der Therapie und nur bei völlig intakter Leber eingesetzt werden. Wegen der Hemmung der tubulären Harnsäure− sekretion ist es außerdem bei Gicht kontraindi− ziert.

Initialphase

Stabilisierungsphase

6−Monate− Regime

2 (–3) Monate INH, RMP, PZA, EMB oder SM täglich

= 4 (–7) Monate INH, RMP täglich oder 2–3− mal pro Woche

9−(12−) Monate− Regime

2(–3) Monate INH, RMP, EMB oder SM täglich

7(–10) Monate INH, RMP täglich oder 2–3− mal pro Woche

EMB = Ethambutol: EMB wirkt sehr gut in Kombina−

Resistenzen

tion mit INH und RMP. Besondere Bedeutung hat es bei Verdacht auf INH−Resistenz oder bei Unverträg−

Die Therapie der Tuberkulose wird durch eine Zu− nahme der Resistenzen insbesondere bei Patienten

lichkeit von anderen Antituberkulotika. Es wirkt auf intra− und extrazelluläre Mykobakterien durch

aus Osteuropa erschwert. So sind jetzt schon ca.

Hemmung der Nukleinsäuresynthese und führt zur

und den baltischen Staaten therapierefraktär (zum

Störung des bakteriellen Phosphathaushaltes. Es

Vergleich: In Westeuropa beträgt die Rate der the−

wird hauptsächlich durch die Nieren ausgeschieden;

rapierefraktären Tuberkulosen 1–5 %).

eine eingeschränkte Nierenfunktion ist daher eine

Es muss prinzipiell zwischen der primären und der sekundären Resistenz unterschieden werden:

relative Kontraindikation.

10–15 % aller Tuberkulosen vor allem in Kasachstan

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8 Atemwege und Herz Myokarditis und Perikarditis primäre (synonym natürliche) Resistenz: Infek−

Zur Prävention sind Hygienemaßnahmen unerläss−

tion mit resistenten Mykobakterien. sekundäre Resistenz: Selektion resistenter My−

lich. Ein Patient mit offener Lungentuberkulose muss strikt isoliert werden. Bei nachgewiesener

kobakterien

Behandlung.

Rifampicin−Empfindlichkeit des Erregers kann die

Diese kann entweder durch unzureichende Kon−

Isolierung bei guter Compliance meistens nach

zentrationen der Antituberkulotika (z. B. man−

dreiwöchiger Rifampicin−Therapie gelockert wer−

gelnde Compliance des Patienten) oder durch

den.

falsche Auswahl der Antituberkulotika bedingt sein.

Nach Exposition mit M. tuberculosis wird eine Se− kundärprophylaxe mit INH über 3 (–6) Monate für

durch

insuffiziente

Multidrug−Resistance (MDR): Resistenz gegen INH

folgende Individuen empfohlen:

und RMP. In diesem Fall werden teilweise bis zu acht verschiedene Wirkstoffe miteinander kombiniert

Kinder unter 5 Jahren

und die Therapiedauer auf bis zu 24 Monate

Hauttests

ausgedehnt.

267

Erwachsene unter 35 Jahren bei Konversion des Immunsupprimierte (z. B. HIV positiv).

Um die zunehmende Resistenzsituation einzudäm−

Meldepflicht y Erkrankung und Tod sind gemäß IfSG

men, empfiehlt die WHO für die Länder des Südens das so genannte DOT = Directly Observed Treat−

vom feststellenden Arzt oder/und Pathologen inner− halb von 24 Stunden dem Gesundheitsamt zu

ment, d. h. die Einnahme der Antituberkulotika un−

melden. Das gilt auch bei fehlendem Erregernach−

ter Aufsicht über mindestens sechs Monate. In

weis und/oder bei der Behandlungsverweigerung

Deutschland wird das DOT vor allem bei Zweifel

des Patienten. Darüber hinaus hat das Labor jeden

an der Compliance des Patienten angewandt. Für

Nachweis von M.−tuberculosis−Komplex zu melden.

diesen Zweck wurde in Parsberg/Bayern ein spe−

(Inzidenz nach IfSG: 2005: 6057 R 7,3/100 000;

zielles Krankenhaus eingerichtet.

2004: 6549 R 7,9/100 000)

Prävention

8.6 Myokarditis und Perikarditis

[I30]

Die Tuberkuloseschutzimpfung ist eine Aktivimp− fung mit einem lebenden, attenuierten (abge−

Key Point

schwächten) Stamm von M. bovis: BCG−Impfstoff,

Der klinische Verlauf der vor allem im jungen Erwachsenenalter vorkommenden Myokardi− tis variiert stark und kann alle Formen vom asymptomatischen Verlauf bis zum fulminan− ten Verlauf annehmen. Es ist wichtig, an die Erkrankung zu denken: Anamnestisch stehen die Symptome meist im Zusammenhang mit einem (vorausgehenden) Infekt.

Bacille−Calmette−Gurin Kopenhagen“. Die Dauer des Impfschutzes soll 5 bis 15 Jahre be− tragen, wobei als Impferfolg nicht die Vermeidung einer Infektion, sondern nur das Fehlen einer tu− berkulösen Meningitis und einer Miliartuberkulose angesehen wird. Nachteile sind der unzuverlässige Schutz und Impf− komplikationen, die von einer Gewebsreaktion an der Einstichstelle und Lymphknotenabszessen bis

Die Myokarditis ist eine entzündliche Erkrankung

hin zu Osteomyelitiden, Septikämien und BCG−Me−

des Herzmuskels, oft vergesellschaftet mit einer

ningitis reichen. Außerdem wird nach der Impfung der Tuberkulintest positiv und steht dann nicht mehr als Diagnostikum zur Verfügung.

Entzündung des Perikards (Perimyokarditis). Wich− tigster Erreger der Myokarditis sind Coxsackieviren B1–B5, seltener Coxsackieviren A4 und A16, sowie ECHO−Viren 9 und 22. Darüber hinaus kann es in−

MERKE

Aufgrund des unzureichenden Schutzes und der Komplikationen wird die BCG−Impfung heute in Deutschland von der STIKO nicht mehr empfoh− len.

folge anderer viraler Infektionen, wie z. B. einer In− fluenza oder einer infektiösen Mononukleose, zur Myokardbeteiligung kommen.

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268

Endokarditis

8 Atemwege und Herz tienten mit fulminantem Verlauf kann es zur Links−

Tabelle 8.9

herzinsuffizienz mit Angina−pectoris−Symptomatik Erreger der Perimyokarditis

kommen, die eventuell zum kardiogenen Schock

Perimyo− karditis

Erreger

führt.

häufig

Coxsackieviren B1–5 (seltener A4, A16)

aus dem erkrankten Organ als Beweis für die

selten

ECHO−Viren 9, 22, Influenzaviren, EBV u. a. Streptokokken, Staphylokokken, Mycoplasma pneumoniae, Borrelia burgdorferi, N. meningitidis, M.−tuber− culosis−Komplex, Toxoplasmen, Corynebac− terium diphtheriae (Toxinwirkung)

Infektion gefordert werden. Daher erfolgt die Diag−

Bakterielle Myokarditiden sind sehr viel seltener und stehen meistens im Zusammenhang mit einer Endokarditis (s. u.). Obwohl die Ursache der isolierten Perikarditis in 30–80 % unklar bleibt, wird auch hier in den meis− ten Fällen eine virale Genese vermutet.

8.6.1 Coxsackieviren (vgl. S. 135) Coxsackieviren sind hüllenlose und daher umwelt− resistente RNA−Viren. Sie verwenden die Protein− synthesemaschinerie der Myokardzellen zur Repli− kation, die dann selbst nicht mehr für den eigenen Zellstoffwechsel genutzt werden kann (host shut off“). Die Erstinfektion erfolgt meistens bereits im Kindesalter, Reinfektionen sind jedoch lebenslang möglich. Nach erfolgter fäkal−oraler oder Tröpf− cheninfektion vermehren die Viren sich zunächst asymptomatisch im Nasopharynx und gelangen dann lymphogen und hämatogen zu ihren Zielorga− nen (Myokard, Respirationstrakt, Muskulatur, ZNS). Erst vor einigen Jahren wurde gezeigt, dass Coxsa− ckieviren auch im Myokard persistieren können. Die Ausscheidung erfolgt über respiratorisches Se− kret oder mit dem Stuhl. Klinik y Die meist jungen Patienten fallen durch plötzlich auftretende Schwäche, Müdigkeit, Tachy− kardie mit Rhythmusstörungen und Belastungsdys− pnoe auf. Bei Perikardbeteiligung kommen Präkor− dialschmerzen sowie in 30–60 % der Fälle ein auskultatorisch hörbares Perikardreiben hinzu. Häu− fig findet sich eine erhöhte BSG, auch CRP, CK/CK−MB sowie Troponin T können erhöht sein. Fieber besteht nicht immer. In einigen Fällen fällt die Myokarditis lediglich durch EKG−Veränderun−

Diagnostik y Diagnostisch muss der Virusnachweis

nostik der Coxsackievirus−bedingten Myokarditis durch RNA−Nachweis aus der Endomyokardbiopsie (RT−PCR, Hybridisierung). Der serologische Antikör− pernachweis (Serokonversion!) kann u. U. zusätz− liche Informationen liefern. Darüber hinaus sind bei Verdacht auf andere mögliche Erreger (s. Tab. 8.9) kulturelle bzw. serologische Nachweisverfahren an− zustreben. Therapie y Die symptomatische Therapie (körper− liche Schonung, medikamentöse Therapie der Herz− insuffizienz) steht im Vordergrund. Eine kausale Therapie der durch Coxsackieviren verursachten Perimyokarditis ist nicht möglich. Bei anderen Erregern kann ggf. eine spezifische antiinfektive Therapie eingeleitet werden.

8.7 Endokarditis Key Point Die Endokarditis tritt üblicherweise als infek− tiöse (bakterielle) Endokarditis auf und ist meist Folge einer transitorischen Bakteriämie (Inzidenz 2–7 Fälle je 100 000 Einwohner). Leitsymptome sind Fieber, Herzgeräusche und BSG−Erhöhung. Ursächliche Erreger sind in der Mehrzahl der Fälle Streptokokken und Staphylokokken. Bei der Endokarditis handelt sich um eine septi− sche Erkrankung, deren Herd im Bereich des Endo− kards bzw. der Herzklappen liegt. Voraussetzung für die Absiedlung von Bakterien, die bei den nor− malen transitorischen Bakteriämien im Blut krei− sen, ist ein bereits bestehender – meist rheumati− scher – Vorschaden des Klappenapparates oder künstliche Herzklappen. Es werden zwei Formen unterschieden: Akute Endokarditis: Erkrankung durch Erreger hoher Pathogenität, auch gesunde Herzklappen

gen (ST−Anomalien, negative T−Wellen) auf. Bei Pa−

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8 Atemwege und Herz

Endokarditis

269

Tabelle 8.10

Häufigkeit der transitorischen Bakteriämie auslösendes Ereignis

positive Blutkultur (in Prozent)

Zahnextraktion Peridontalchirurgie Zähneputzen Tonsillektomie Transurethrale Prostataresektion

18–85 % 33–88 % 0–26 % 28–38 % 12–46 %

können befallen und zerstört werden. Oft fulmi− nanter Verlauf. Subakute Endokarditis (Endocarditis lenta): Er−

Abb. 8.21

Pathogenese des Fiebers

krankung durch Erreger niedriger Pathogenität, manifestiert sich meist an vorgeschädigten oder künstlichen Herzklappen, subakuter, schleichen− der Verlauf. Oberfläche der Mitralklappe kommt. Bei Patienten MERKE

Fast immer befällt die Endokarditis einen vorge− schädigten Klappenapparat oder künstliche Herz− klappen. Klinik y Fieber tritt fast immer auf, außerdem

mit Verweilkathetern und bei Fixern ist gehäuft das rechte Herz betroffen.

Praxistipp Eine normale BSG schließt eine Endokarditis so gut wie aus.

Allgemeinsymtpome wie Abgeschlagenheit, Appe− titlosigkeit und Schwäche. Neu aufgetretene Herz−

Der Verlauf der Erkrankung wird von der ursächli−

geräusche sind sehr verdächtig, ebenfalls verdächtig

chen Erregerart bzw. ihrer Virulenz und von der

ist es, wenn sich bei einem bereits bekannten Vitium

Abwehrlage des Patienten bestimmt. Die subakut verlaufende Endokarditis lenta kommt vor allem

die Geräuschqualität verändert. Eine Anämie kann sich ebenso einstellen wie eine Nierenbeteiligung (Löhlein−Herdnephritis), bakteri− elle Mikroembolien können zur embolischen Herd− enzephalitis führen. Kutane Symptome sind häufig:

bei vorgeschädigten Klappen mit Ulzerationen und Thrombenbildung vor. Hierbei findet man im Blut des Patienten überwiegend Erreger mit niedriger Pathogenität, wie z. B. vergrünende Streptokokken,

Osler−Knötchen sind schmerzhafte Knötchen an

und zwar vor allem die Dextran−bildenden Viri−

Fingern und Zehen aufgrund einer Immunkomplex−

dans−Streptokokken S. sanguis, S. bovis, S. mutans.

Vaskulitis, auch Petechien treten ebenfalls häufig

Diese sind auch bei Spätinfektionen von Herzklap−

auf. Im Labor fallen typische Entzündungszeichen auf

penprothesen zu finden, jedoch kommen hierbei

(BSG q und CRP q). In der transösophagealen Echokardiographie lassen sich meist Auflagerungen

häufiger aufgrund ihrer Plastikadhärenz koagulase− negative Staphylokokken (KNS) sowie Bakterien der HACEK−Gruppe vor. Diese gehören normalerweise

(Vegetationen) auf den Herzklappen feststellen (Abb. 8.20). Am häufigsten ist mit 74 % die Mitral−

zu den Kommensalen der Mundhöhle und können

klappe betroffen, da es bei einer Mitralinsuffizienz

Blutbahn eingeschwemmt werden.

z. B. nach einem zahnmedizinischen Eingriff in die

im linken Herzen in der Systole bei hohem Aus−

Haemophilus parainfluenzae und H. aphrophilus

stoßdruck zur Wirbelbildung und damit zu Mikro− traumen und Thrombenbildung auf der atrialen

Actinobacillus actinomycetemcomitans Cardiobacterium hominis

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270

Endokarditis

8 Atemwege und Herz

Eikenella corrodens

Praxistipp

Kingella kingae.

Das Labor muss auf die Verdachtsdiagnose Endokarditis“ hingewiesen werden, damit die Kulturen wegen evtl. langsam wachsen− der Erreger länger bebrütet werden (. 3 Wochen)!

Enterokokken und der ebenfalls zu den D−Strepto− kokken gehörende Streptococcus bovis spielen vor allem eine Rolle als Endokarditiserreger bei älteren Männern, die einen urologischen Eingriff hinter sich gebracht haben. MERKE

In 10–20 % der Fälle gelingt jedoch der Erreger−

Es gibt praktisch keine Erregerart einschließlich der Pilze, die nicht schon als Ursache akuter oder subakuter Endokarditiden gefunden wurde.

nachweis nicht; man spricht dann von der abakte− riämischen Form. Bei V.a. Infektion mit Brucellen, Bartonellen, Chlamydien oder Coxiellen sind sero− logische Verfahren des Antikörpernachweises ange−

Bei der akuten Form werden meist pathogenere Bakterienarten wie z. B. Staphylococcus aureus oder gramnegative Stäbchen gefunden. Hierbei sind die Klappen meistens nicht vorgeschädigt (Tab. 8.11). Diagnostik y Die Diagnosesicherung erfolgt durch wiederholte Abnahme von Blutkulturen, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei der Endokarditis die Erreger kontinuierlich in die Blutbahn gelangen. Die Abnahme sollte vor Beginn der Antibiotikatherapie durchgeführt werden. Dabei sollten mindestens drei venöse aerob/anae− robe Blutkulturpaare innerhalb von 24 Stunden (unabhängig vom Fieberanstieg) abgenommen wer− den, um die Sensitivität des Erregernachweises zu erhöhen.

zeigt. Bei vorbestehender Antibiose und negativem Erregernachweis kann u. U. ein Absetzen der Anti− biose für mindestens 3 Tage mit anschließender Neuabnahme von Blutkulturen zum Erfolg führen. Therapie y Die Therapie (Tab. 8.12) muss über min− destens 2–6 Wochen durchgeführt werden. Unter Umständen ist eine chirurgische Intervention erfor− derlich. Zur Therapie der durch vergrünende Strep− tokokken hervorgerufenen Endokarditis lenta gibt man je nach Schwere des Falles für 4–6 Wochen Benzylpenicillin täglich plus ein Aminoglykosid (Gentamicin) in den ersten zwei Wochen. Bei Penicillinallergie sowie bei allen grampositiven Erregern, die eine hohe Resistenz aufweisen (z. B. manche Enterokokkenstämme, koagulasenegative Staphylokokken

und

Corynebacterium

jekeium),

Tabelle 8.11

Erregerhäufigkeiten bei der Endokarditis (Angaben in Prozent) natürliche Herzklappe Neu− geborene

2M–15 J

künstliche Herzklappe nach operativem Eingriff 16–60 J

. 60 J

früh (,60 T)

mittel (2–12 M)

spät (.12 M)

Viridans−Streptokokken

15–10

40–50

45–60

30–45

1

7–10

30–33

S. aureus

40–50

22–27

30–40

25–30

20–24

10–15

15–20

KNS

8–12

4–7

4–8

3–5

30–35

30–35

10–12

Enterokokken

,1

3–6

5–8

14–17

5–10

10–15

8–12

Enterobacteriaceae

8–12

4–6

4–10

5

10–15

2–4

4–7

Pilze

8–12

1–3

1–3

1–2

5–10

10–15

1

HACEK / negativ

2–6

0–15

3–10

5

3–7

3–7

3–8

Corynebakterien

,1

,1

,1

,1

5–7

2–5

2–3

Mehrfachinfektion

3–5

,1

1–2

1–3

2–4

4–7

3–7

T = Tag, M = Monat, J = Jahr

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8 Atemwege und Herz Sepsis

271

Tabelle 8.12

Therapie der Endokarditis natürliche Herzklappen

künstliche Herzklappen

Viridans−Streptokokken, S. bovis (Penicil− lin−empfindlich)

Penicillin G 4 Wo. oder Ceftriaxon 4 Wo.

Penicillin G 6 Wo. + Gentamicin 2 Wo. (Vancomycin 4 Wo.)

Streptokokken, Enterokokken, Abiotro− pha (Penicillin−resistent)

Ampicillin + Gentamicin 4–6 Wo.

Ampicillin + Gentamicin 6 Wo. (Vancomycin + Gentamycin 4–6 Wo.)

Staphylokokken Methicillin−empfindlich

Flucloxacillin/Oxacillin 4–6 Wo. (oder Cefazolin oder Vancomycin) (jeweils + Gentamycin 3–5 Tage)

Flucloxacillien/Oxacillin + Rifampicin 6–8 Wo. + Gentamicin 2 Wo.

Staphylokokken Methicillin−resistent

Vancomycin 4–6 Wo. (+ Gentamycin 3–5 Tage)

Vancomycin + Rifampicin 6–8 Wo. + Gen− tamicin 2 Wo.

HACEK

Cefotaxim oder Ceftriaxon 4 Wo.

Cefotaxim oder Ceftriaxon 6 Wo.

Bei Allergie gegen b−Laktamantibiotika Vancomycin

muss ggf. Vancomycin oder Teicoplanin gegeben

8.8 Sepsis

[A41]

werden. Endokarditiden, die durch andere Erreger verursacht werden, müssen mit den jeweils adäqua− ten Antiinfektiva therapiert werden. Prophylaxe y Patienten mit Anamnese eines rheu− matischen Fiebers, einer bakteriellen Endokarditis, mit bekannten Herzfehlern oder nach Herzoperatio− nen sind Risikopatienten! Sie müssen vor bestimm− ten Eingriffen eine Endokarditisprophylaxe durch− führen (Tab. 8.13).

Key Point Der Sepsisbegriff hat in den letzten Jahren eine Veränderung erfahren: Während die klassische Sepsisdefinition durch Schottmül− ler einen Ausgangsherd (unspezifische pyo− gene Infektion, Wundinfektion, Harnwegsin− fektion) forderte, von dem ständig oder in−

Tabelle 8.13 Endokarditisprophylaxe für Erwachsene bei ärztlichen Eingriffen (Dt. Gesellschaft für Kardiologie/Paul−Ehrlich−Gesell− schaft)

A A

Risiko

Penicillinverträglichkeit

Penicillinunverträglichkeit

+

Amoxicillin 2 g (, 70 kg) bis 3 g (.70 kg) p.o. 1 h vor Eingriff

Vancomycin 1 g i. v. als Infusion über 1 h, Beginn 1 h vor Eingriff*

++

plus 1 g p.o. 6 h nach Eingriff

wie oben

Risiko

oral

parenteral

B

+

Clindamycin 600 mg p.o. 1 h vor Eingriff

Vancomycin 1 g i. v. als Infusion über 1 h, Beginn 1 h vor Eingriff

B

++

plus 300 mg p.o. 6 h nach Eingriff

wie oben*

* Bei hospitalisierten Patienten evtl. zusätzlich Gentamicin 1,5 mg/kg KG i. v. + = erhöhtes Endokarditisrisiko: Herz(klappen)fehler (auch Mitralklappenprolaps mit Insuffizienz), hypertrophische obstruktive Kardiomyopathie ++ = besonders hohes Endokarditisrisiko: z. B. nach Herzklappenersatz, früher abgelaufene bakterielle Endokarditis, zyanoti− sche Herzfehler A: Eingriffe im Bereich des Oropharynx (auch zahnärztliche Eingriffe!), Respirations−, Gastrointestinal−(auch Ösophagusvarizen− sklerosierung) und Urogenitaltrakt, bei Hochrisikopatienten auch Endoskopien mit/ohne Biopsie sowie TEE B: Eingriffe an infizierten Herden der Haut− und Hautanhangsgebilde Herzpässe für betroffene Patienten können bei der Paul−Ehrlich−Gesellschaft für Chemotherapie, Lindwurmstr. 4, 80337 München angefordert werden

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272

Sepsis

8 Atemwege und Herz

termittierend Bakterien in die Blutbahn abge− geben werden, steht heute die inflammatori− sche Reaktion im Vordergrund der Betrach− tung.

8.8.1 Pathophysiologie der Fieberentstehung Auslöser für den septischen Prozess sind Zellwand− bestandteile von Bakterien: bei gramnegativen Bakterien das Endotoxin (=

In unseren Breiten kommt die Sepsis mit einer In−

Lipid A) bei grampositiven Bakterien das Peptidoglykan

zidenz von 0,5–1 % aller Krankenhauspatienten

sowie auch so genannte Superantigene“, (z. B.

vor; auf Intensivstationen muss sogar mit einer Inzidenz von 20 % gerechnet werden. Die neue

Enterotoxine von Staphylococcus aureus).

Bezeichnung lautet SIRS = Systemic Inflammatory

MERKE

Response Syndrome (systemisches Inflammations−

Die Freisetzung dieser bakteriellen Komponenten, insbesondere des Endotoxins, kann durch die anti− biotische Therapie gefördert werden.

syndrom). Danach wird unter Sepsis“ eine Inflam− mation infektiöser Ätiologie verstanden, die durch mindestens zwei der folgenden Kriterien gekenn− zeichnet ist: Körpertemperatur . 38 8C oder , 36 8C (häufig Schüttelfrost) Herzfrequenz . 90/min (Tachykardie) Tachypnoe: Atemfrequenz . 20/min oder pa− CO2, 32 mmHg Leukozytose

(.12 000/ml)

oder

Leukopenie

(,4000/ml) oder Linksverschiebung (d. h. .10 % unreife Leukozytenformen im Differenzialblut− bild). Der Krankheitsherd tritt bei dieser Definition in den Hintergrund. Der Nachweis von Bakterien im Blut des Patienten ist aber nach wie vor ein wichti− ges Kriterium für das Vorliegen eines septischen Prozesses. Von der Sepsis muss die Bakteriämie unterschieden werden, bei der lediglich Bakterien im Blut nach− weisbar sind, ohne dass klinische Erscheinungen bestehen. Eintrittspforten bzw. Ausgangsherde sind in abneh− mender Reihenfolge: .40 % Lunge ca. 20 % Abdominalregion ca. 10 % Urogenitaltrakt (Urosepsis, vor allem durch E. coli).

Darüber hinaus können Gallensäuren und auch Medikamente (u. a. Antibiotika) als exogene Pyro− gene wirken. Die bakteriellen Faktoren oder die an− deren exogenen Pyrogene wirken auf Makropha− gen/Monozyten und neutrophile Granulozyten ein, welche daraufhin primäre Mediatoren, z. B. Inter− leukin 1, 6, 8 und 12 und Tumornekrosefaktor, ab− geben. Diese bewirken die Freisetzung sekundärer Mediatoren wie z. B. Plättchen−aktivierender Faktor, Thromboxan u. a., die die oben beschriebenen Sep− sissymptome auslösen. Wenn die Therapie nicht greift,

kommt

es

schließlich

zum

septischen

Schock, zur disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) und zum Multiorganversagen. Dadurch hat die Sepsis auch heute noch eine hohe Letalität von mehr als 20 %. MERKE

Fieber ist eine Sollwertverstellung des hypothala− mischen Regelzentrums auf eine höhere Tempera− tur (.38 8C): Mikrobielle Pyrogene (z. B. Endotoxin, Peptidogly− kan, Superantigene) R Makrophagen/Monozyten/ Granulozyten R endogene Pyrogene (z. B. IL−1, −6, −8, −12, TNF−a) R Hypothalamus R PGE2 R Soll− wertverstellung R Fieber.

Praxistipp Bei Intensivpatienten ist auch an intravasale Fremdkörper aus Kunststoffmaterialien (Ka− theter!) zu denken, die vor allem Koagu− lase−negativen Staphylokokken als Eintritts− pforte dienen können (s. S. 37).

Es kommt eine ganze Reihe von Faktoren für die Induktion von Fieber in Frage. Dazu gehören neben Bakteriämien oder Fungämien auch Neoplasien, intraabdominale Abszesse, Bindegewebserkrankun− gen, granulomatöse Erkrankungen (Sarkoidose u. a.) und metabolische Störungen (z. B. Gicht, Thyreoto−

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8 Atemwege und Herz Sepsis

273

werden wiederholt Blutkulturen abgenommen: täg− lich 2–3 Proben über 1–3 Tage möglichst im Fie− beranstieg bzw. während des Schüttelfrosts. Da die Konzentration der Keime meist gering ist, müssen sie in geeigneten Medien angezüchtet werden. Man verwendet heute in der Regel käufliche Kulturfla− schen, die unter leichtem Unterdruck stehen und Nährbouillon und als Zusatz zur Gerinnungshem− mung fast immer Natriumpolyanetholsulfonat ent− halten. Man entnimmt mit einer sterilen Spritze Abb. 8.22

Petechien bei Waterhouse−Friderichsen−Syndrom

oder einem Besteck, das über einen Schlauch mit der Kulturflasche verbunden ist, 2 x ca. 5–10 ml Ve− nenblut und injiziert bzw. saugt es in zwei Kultur−

xikose). Bei Auslandsanamnese sind u. a. eine Mala−

flaschen.

ria oder ein Typhus auszuschließen.

8.8.2 Keimspektrum und Klinik Keimspektrum y Vor allem Bakterien sind für die Entstehung einer Sepsis verantwortlich. Bei neutro− penischen oder anderweitig immunsupprimierten Patienten sind Fungämien, vor allem mit Candida− Pilzen, nicht selten.

Praxistipp: Abnahme nicht aus liegenden Venenkathe− tern wegen der Gefahr der von den Ansatz− stutzen ausgehenden bakteriellen Kontami− nationen! Die Bebrütung des Blutkulturflaschenpaares erfolgt unter aeroben und anaeroben Bedingungen für bis zu 10 Tage. Während dieser Zeit werden ggf.

Tabelle 8.14

systemabhängig Keimspektrum bei Sepsis

mikroskopische

und

kulturelle

Zwischenuntersuchungen durchgeführt und bei

Erreger

Häufigkeit (in Prozent)

Keimnachweis die jeweils relevanten Differenzie−

Grampositive Kokken (S. epidermidis .. S. aureus)

50–70 %

rungsschritte vorgenommen.

Gramnegative Stäbchen (E. coli u. a. Enterobacteriaceae, Pseudomonas)

20–40 %

Grampositive Stäbchen (Propioni−, Corynebacterium)

5%

Pilze/Hefen

3–5 %

lokalen Resistenzmuster berücksichtigt.

Anaerobier

2–3 %

Bei bekanntem Ausgangsherd ist vor allem seine

Gramnegative Kokken

,1 %

vollständige Sanierung anzustreben, die häufig in

8.8.4 Therapie Bis zum Vorliegen des Erregernachweises sollte eine kalkulierte Therapie begonnen werden, die das zu erwartende Keimspektrum umfasst und die

chirurgischen Maßnahmen besteht. Die antibioti− Klinik y Im Vordergrund der klinischen Symptome stehen Fieber, Schüttelfrost, Tachykardie, Blutdruck−

sche Therapie soll stets in hoher Dosierung über nicht zu kurze Zeit hinweg durchgeführt werden. Die Wahl des Antibiotikums hängt von der nachge−

abfall und eventuell die Entwicklung einer Schock−

wiesenen Erregerart und deren Antibiogramm ab.

symptomatik.

Nach Möglichkeit sollen bakterizid wirkende Mittel verwendet werden.

8.8.3 Diagnostik

Staphylokokkensepsis:

Bei klinischen Hinweisen auf eine Sepsis sollte

Flucloxacillin. Bei Vorliegen eines Testergebnisses

man versuchen, die verursachenden Bakterien bzw.

mit Empfindlichkeit für Benzylpenicillin sollte Ben−

Pilze aus dem Blut zu isolieren. Zur Diagnostik

zylpenicillin gegeben werden. Als Kombinations−

Isoxazolylpenicilline,

z. B.

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274

Sepsis

8 Atemwege und Herz

partner kommt v. a. bei Endokarditis ein Aminogly− kosid infrage (meist Gentamicin). Bei Oxacillin− resistenten Stämmen (= MRSA) oder bei Penicillin− allergie kann ggf. Vancomycin oder Linezolid gege− ben werden. Enterokokkensepsis: Ampicillin oder Mezlocillin ggf.

MERKE

Neben S. aureus und Enterobacteriaceae ist der häufigste Erreger S. epidermidis. Er kann mit Hilfe einer extrazellulären Schleimmatrix (keine Kapsel) am Kunststoff adhärieren.

in Kombination mit einem Aminoglykosid. Bei Penicillinallergie oder Ampicillin−Resistenz kommt z. B. Vancomycin infrage. Allerdings kommen beson−

Bei einer Phlebitis handelt es sich um eine Gefäß−

ders in den USA schon häufig hoch−resistente

des peripheren venösen Katheters lokalisiert ist

Enterokokkenstämme vor, die auch auf Vancomycin nicht mehr ansprechen (VRE). Die Therapie ist dann

und durch eine schmerzhafte Rötung und Schwel− lung auffällt. Meistens besteht auch Fieber. Die

sehr problematisch; u. U. wirkt in diesen Fällen

Thrombophlebitis entwickelt sich auf dem Boden

Teicoplanin.

der Phlebitis: Durch die Entzündungsreaktion des

E. coli−Sepsis: Ursache ist meistens eine Cholangitis

Gefäßendothels kommt es lokal zur Initiierung der

oder eine Pyelonephritis. Die Auswahl des Antibiotikums richtet sich nach

Blutgerinnungskaskade mit Thrombusentstehung.

dem Resistenzverhalten. Für die Initialtherapie

steigerten Sepsisrisiko einher (Endokarditisgefahr!).

kommen z. B. Cefotaxim plus Gentamicin oder die

Die Therapie bei S.−epidermidis−bedingter Phlebitis und Kathetersepsis besteht meistens darin, das be−

neuen Fluorchinolone in Frage. Pseudomonassepsis: Pseudomonas−wirksames b− Laktamantibiotikum, z. B. Piperacillin/BLI oder Cef−

entzündung, die meistens an der Einstichregion

Die Thrombophlebitis geht mit einem 20−fach ge−

fallene Kunststoffteil (ggf. inkl. Herzklappe) auszu− tauschen.

tazidim oder Carbapeneme. Neugeborenensepsis: meistens durch b−hämolysie− rende Streptokokken der Gruppe B (vgl. S. 334);

Tabelle 8.15

Therapie mit Penicillin G, Ampicillin oder Mezlocil−

Kathetersepsis

lin.

Begünstigende Faktoren

Bei septischen Prozessen ohne Erregernachweis

O PVC ist häufiger besiedelt als Polyäthylen, Polyurethan oder Teflon O Plastikspitzen sind häufiger betroffen als Metallspitzen O V.−jugularis−Katheter ist häufiger kontaminiert als Subcla− via− oder periphere Katheter O lange Katheter sind häufiger befallen als kurze O ZVK sind häufiger kontaminiert als periphere VK (hier steigt das Infektionsrisiko allerdings nach 48 h rapide an) O lange Liegedauer! O mangelnde Sorgfalt beim Legen und Pflegen des Kathe− ters

sollten ggf. die Reserveantibiotika (!) Imipenem oder Meropenem therapeutisch eingesetzt werden. Spezielle Therapieschemata gibt es für Patienten, die sich aufgrund einer Chemotherapie wegen ma− ligner Erkrankung in der Aplasie befinden.

8.8.5 Phlebitis, Thrombophlebitis und Kathe− tersepsis [I80] Venenkatheter

(VK),

Blasenkatheter,

Drainagen,

Herzklappen, Trachealtuben u. a. bestehen aus Kunststoffen. Diese können Eintrittspforte oder Streuherde für Bakterien und Pilze sein. VK−Infek− tionen sind teilweise bei mehr als 15 % der statio− nären Patienten zu finden. Klinische Konsequenzen können eine Phlebitis, Thrombophlebitis oder eine Kathetersepsis sein (Tab. 8.15).

8.8.6 Meningokokkeninfektion (vgl. S. 47) [A39]

Neisseria meningitidis (Meningokokken) ist Erreger einer Allgemeininfektion, die sich stets als Meningi− tis mit Bakteriämie manifestiert. Sie sind für ca. 20 % aller Meningitiden verantwortlich und lassen sich aufgrund der Antigenstruktur der Polysaccha− ridkapsel in mehr als 10 Serotypen einteilen. In Deutschland kommt in 75 % die Serogruppe B vor (Eselsbrücke: Deutsche Bahn; DB), während welt−

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8 Atemwege und Herz Sepsis weit vor allem die Kapseltypen A und C (weniger B, Y und W−135) vorherrschen.

275

MERKE

Ein noch unbekannter Faktor wird darüber hinaus für einen zytotoxischen Effekt gegen Flimmerepi− thelzellen verantwortlich gemacht.

Praxistipp Die Region südlich der Sahara gilt als wich− tiges Endemiegebiet (subsaharischer Menin− gitisgürtel) der Serogruppen A und C R In− dikation für Reiseimpfung!

Klinik Neisseria meningitidis zeichnet sich durch eine sehr hohe Kontagiosität aus und wird durch Tröpfchen− infektion übertragen. Man unterscheidet zwischen

Vor allem die Anwesenheit der Kapsel entscheidet

sporadischen (vor allem Typ B) und epidemischen Formen (Heime, Kasernen R vor allem Typ A und

darüber, ob es sich um virulente Meningokokken

C). Bei ca. 5–10 % der Bevölkerung persistiert der

handelt. Für den Verlauf einer Infektion entschei−

Erreger symptomlos im Nasen−Rachen−Raum.

dend sind sowohl zelluläre als auch sezernierte

Damit es zur Bakteriämie durch Meningokokken

Faktoren. Zelluläre Faktoren y

sen folgende beiden Bedingungen erfüllt sein:

Pathogenität und Virulenzfaktoren

und daraus resultierender Meningitis kommt, müs−

Wie alle gramnegativen Bakterien besitzen Me− ningokokken in ihrer Zellwand Liposaccharid− strukturen, die im Gegensatz zu gramnegativen Bakterien (LPS) bei den Kokken aus Lipooligo−

Der Nasopharynx ist mit virulenten, d. h. bekap− selten Meningokokken besiedelt. Der Patient besitzt keine gegen den entspre− chenden Kapseltyp spezifischen Antikörper. Ein

sacchariden (LOS) bestehen. Genau wie LPS hat

Risiko stellen daher auch der Komplement−

LOS eine pyrogene Wirkung auf den menschli−

oder/und Immunglobulinmangel, z. B. nach Plas−

chen Organismus, so dass eine systemische Me− ningokokkeninfektion in der Regel mit hohem

Die Meningitis beginnt schlagartig nach einer In−

Fieber einhergeht.

kubationszeit von meistens nur 1–3 Tagen (eben

Für die Adhäsion an die Epithelzellen des Naso−

noch kerngesund, jetzt tot!“) und ist durch Fieber, Reizbarkeit, Nackensteife und Kopfschmerzen ge−

pharynx verantwortlich sind eine Reihe von Pili

maspende, dar.

und Oberflächenadhäsine, wie z. B. Pilin, PilC, Opa und Opc von denen die drei erstgenannten

kennzeichnet.

Strukturen sich durch eine Antigenvariation aus−

ders oft nach einer unzureichend oder zu spät the−

zeichnen, so dass es während einer Infektion als Immunevasionsstrategie stets zur Bildung unter−

rapierten

schiedlich

Meningokokken−

können sich in Demenz und Psychosen manifestie−

Entscheidend für die Invasivität und damit für

ren. Bei ca. 30 % der Patienten tritt zusätzlich eine dis−

die Virulenz der Meningokokken ist jedoch die

seminierte intravasale Koagulation mit LOS−Schock

Anwesenheit der Polysaccharidkapsel. Sie ver−

auf: Das bakterielle Endotoxin schädigt in diesen

hindert u. a. die Phagozytose, nachdem der Erre− ger an das Nasopharynxepithel gebunden hat. Sezernierte Faktoren y Wie einige andere Erreger, die

Fällen das Gefäßendothel, sodass die Erythrozyten

ausgestatteter

stämme kommt.

Aufgrund intrakranieller Verklebungen, die beson− Meningokokken−Meningitis

beobachtet

werden, kann es zu Spätschäden kommen. Diese

in den Extravasalraum gelangen und petechiale Blutungen in die Haut hervorrufen (Abb. 8.22).

Schleimhaut−assoziierte Kolonisationen bzw. Infek− tionen hervorrufen, exprimieren Meningokokken

Praxistipp

eine IgA1−Protease, die entsprechende auf den

Diese Petechien lassen sich durch einen Glasspatel nicht wegdrücken.

Schleimhäuten lokalisierte Immunglobuline zer− stört. Zusammen mit der Antigenvariation der Oberflächenadhäsine verfügen Meningokokken so

Bei Versagen der Nebennieren durch Nekrose der

über ein effizientes System der Immunevasion.

Nebennierenrinde resultiert das Waterhouse−Fride−

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276

Sepsis

8 Atemwege und Herz

Abb. 8.23 Grampräparat von Meningokokkenliquor: intra− und extrazelluläre Lagerung der Bakterien

richsen−Syndrom. Es kann darüber hinaus zu Ne− krosen der Akren kommen.

Therapie und Prävention Ohne Therapie hat die Meningokokken−Meningitis

MERKE

eine Letalität von .50 %! Durch rechtzeitige adä−

Verdächtig auf Meningokokken−Meningitis: keine Vorerkrankung Petechien (Kapillarblutungen, enthalten Me− ningokokken) fulminanter Verlauf Waterhouse−Friderichsen−Syndrom (Nekrose der Nebennierenrinde).

Diagnostik Ein Rachenabstrich hat keinen Sinn für die Akut− diagnose der Meningokokkenmeningitis oder −sep− sis! Stattdessen sollte Liquor und Blut untersucht werden. Das Material muss aufgrund der hohen Umweltempfindlichkeit des Erregers schnellstens ungekühlt in das Labor gebracht werden. Die Labo−

quate Therapie kann sie auf ,1 % reduziert werden. Therapie der Wahl bei Meningokokkennachweis ist Penicillin G, da bisher Penicillinasen nur sehr selten von Meningokokken gebildet werden. MERKE

Da eine schnell einsetzende Therapie lebensret− tend sein kann und darüber hinaus insbesondere bei Meningokokkenmeningitis die Entstehung intrakranieller Verklebungen zu verhindern hilft, sollte bei fehlendem Keimnachweis und in Ab− hängigkeit von der Anamnese (abrupter Beginn!) eine kalkulierte Therapie mit einem Cephalospo− rin der 3. Generation begonnen werden.

ratoriumsdiagnostik besteht aus einer Liquorsofort− diagnostik

(Mikroskopie

und

Antigennachweis

Für Kontaktpersonen muss eine Chemoprophylaxe

durch Agglutationsschnellteste) und der Kultur.

mit Rifampicin über 2–3 Tage (Kinder) oder Cipro−

Mikroskopisch handelt es sich bei Meningokokken

floxacin als Einmaldosis (Erwachsene) durchgeführt

um semmelförmig angeordnete, gramnegative Dip− lokokken, die im Patientenmaterial intra− und extrazellular vorliegen (Abb. 8.23). Meningokokken

werden. Eine Impfung gegen das Kapsel−Polysaccharid exis−

sind anspruchsvolle Keime, die Kochblutagar oder

tiert nur für die Serogruppen A und C, nicht aber gegen die in Deutschland besonders oft vorkom−

Spezialmedien benötigen. Bei Nachweis verdächti−

mende Serogruppe B, weil Letztere nur über eine

ger und Oxidase−positiver (!) Kolonien wird mit

sehr geringe Immunogenität verfügt. Trotzdem

Hilfe der biochemischen Differenzierung (Bunte

empfiehlt die STIKO die Impfung gegen Meningo−

Reihe) die Neisserien−Spezies bestimmt (s. S. 84).

kokken der Serogruppe C für alle Kinder im 2. Le− bensjahr zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Gemäß IfSG sind die Erkrankung und der Erreger− nachweis aus normalerweise sterilen Materialien (Blut, Liquor u. a.) meldepflichtig. Anzahl der ge− meldeten Fälle 2005: 626 R0,8/100 000; 2004: 600 R0,7/100 000.

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Kapitel

9

Infektionen von Haut, Weichteilen und Skelett 9.1

Infektionen der Haut und der Unter− haut 279

9.2

Tiefere Hautinfektionen mit Beteiligung des Weichgewebes und der Muskula− tur 284

9.3

Virusinfektionen, die durch Haut− und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind 289

9.4

Infektionen von Weichteilen, Knorpel und Knochen 300

9.5

Infektiöse Arthropathien 301

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278

Klinischer Fall

Streptococcus pyogenes

Blutkulturen weisen den Weg In der Notaufnahme der Uniklinik fragt Dr. Ute K.: Ha− ben Sie sich in letzter Zeit eine Beinverletzung zugezo− gen?“ Gregor denkt scharf nach: Nein. Ich hatte nur Risse zwischen den Fußzehen. Sie heilten vor etwa einer Woche ab“, erinnert er sich. Die Assistenzärztin nimmt Blut und Blutkulturen ab. Verdacht auf Phlegmone“, schreibt sie auf den Aufnahmebogen. Gregors Blutwerte zeigen eindeutige Entzündungszeichen: Die Leukozyten und das C−reaktive Protein sind deutlich erhöht. Weiter− hin besteht mit 39,5 8C hohes Fieber. Die Ärztin ordnet eine intravenöse Therapie mit einem Cephalosporin so− wie Flüssigkeitssubstitution und fiebersenkende Medika−

Rhagaden im Zehenzwischenraum

Als der Chirurg Theodor Billroth 1894 in das Mikroskop− okular blickte, um den Wundeiter eines Patienten zu un− tersuchen, sah er erstmals kugelrunde bis eiförmige Bak− terien, die in geschlängelten Reihen dicht nebeneinander angeordnet waren. Bei dem Bild fühlte sich Billroth an eine Halskette erinnert. Er gab den neu entdeckten Bak− terien den Namen Streptokokken“, was aus dem grie− chischen kommt und gewundene Körner“ heißt. Die Gruppe der Streptokokken gibt ein buntes Bild ab: Sie kommen physiologisch als Bestandteile der Hautflora vor, können aber auch pathogen sein, etwa wie Streptococcus pyogenes, der zum Beispiel den Scharlach oder die Phleg− mone hervorrufen kann.

Fieber und Schüttelfrost Als Gregor M. seine 4−jährige Tochter vom Kindergarten abholt, fühlt er sich krank wie noch nie. Beim Aussteigen aus dem Auto wird ihm schwindlig, in der Oberbauchge− gend verspürt er ein flaues Gefühl. Es scheint ihm, als würde sein Herz rasen. Er schwitzt. Sie sehen aber bleich aus, bekommt er von der Kindergärtnerin zu

mente an und verlegt den Patienten auf Normalstation. Der Zustand von Gregor verschlechtert sich zunehmend. 24 Stunden nach Aufnahme sieht man auf der inzwi− schen tiefrot gewordenen Haut des Unterschenkels offe− ne Stellen. Manche von ihnen sind schwarz. Die Herz− so− wie Atemfrequenz des Patienten bleiben instabil. Hin und wieder antwortet Gregor im Rahmen einer Bewusst− seinstörung nicht adäquat auf Fragen. Sowohl die Leuko− zyten als auch das CRP schießen in die Höhe. Das Ergeb− nis der Blutkulturen lautet: grampositive Kokken“.

Wechsel der Antibiose Aufgrund der Verdachtsdiagnose septischer Schock bei nekrotisierender Fasciitis“ stellt der zu Rate gezogene In− fektiologe die Antibiose auf Penicillin und Clindamycin um. Mittlerweile wurde auch der Keim in der Blutkultur genau charakterisiert: Es ist Streptococcus pyogenes, M−Typ 1, der mit dem erythrogenen Toxin Superantigen SpeA ausgestattet ist. Der Wechsel der Antibiose und die er− folgte operative Sanierung scheint die richtige Therapie zu sein: Nach zwei Tagen fallen die Entzündungsparame− ter. Dem Patienten geht es zunehmend besser.

Janina das Jäckchen anzuziehen. Ja, mir geht es heute

Ansteckungsquelle: Rhagaden zwischen den Zehen

nicht gut“, antwortet er. Schon am Morgen erwachte

Als Gregor vier Wochen nach Aufnahme die Klinik

Gregor mit Kopfschmerzen, bei der Arbeit war ihm ab−

verlässt, ist sein Bein vollständig abgeheilt. Er fühlt sich

wechselnd heiß und kalt, und allgemein fühlte er sich

wieder so gut, dass er gleich am Wochenende mit sei−

sehr schwach. Als sich Gregor am Abend zum Schlafen−

nen Töchtern einen Ausflug ans Meer machen möchte.

gehen umzieht, fällt ihm eine große Rötung am rechten

Die Ärzte der Uniklinik wollen allerdings unbedingt er−

Unterschenkel auf. Am nächsten Morgen ist alles noch

fahren, woher Gregors Infektion stammte. Dr. Ute K.

schlimmer. Der Unterschenkel ist rot, überwärmt und

bohrt noch einmal nach: Waren Ihre Kinder vielleicht in

geschwollen. Er schmerzt unerträglich. Gregor fühlt sich

letzter Zeit krank?“ Gregor nickt: Ja, drei Wochen bevor

noch schwächer als am vorherigen Tag. Kurz entschlos−

ich in die Klinik kam hatten sie beide Scharlach.“ Ver−

sen fährt der 34−Jährige anstatt zur Arbeit mit dem Taxi

mutlich hat sich Gregor M. über die Rhagaden zwischen

zum Hausarzt. In der Praxis wird ein Blutdruck von 100/

den Fußzehen bei seinen Kindern mit Streptokokken an−

50 mmHg, eine Herzfrequenz von 102/min und die Tem−

gesteckt.

hören, als er unbeholfen versucht, seiner kleinen Tochter

peratur von 39,3 8C gemessen. Der Hausarzt überweist ihn ins Krankenhaus.

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9 Haut, Weichteile und Skelett

9

Infektionen der Haut und der Unterhaut

279

Infektionen von Haut, Weichteilen und Skelett

9.1 Infektionen der Haut und der Unterhaut [L00–L08] Key Point Zur normalen transienten Hautflora gehören vor allem Staphylococcus aureus und Strepto− coccus pyogenes, die deshalb auch die häufig− sten bakteriellen Erreger einer Hautinfektion sind. Die viral bedingten Exantheme sind oft Ausdruck typischer Kinderkrankheiten, wie z. B. Masern, Röteln, Varizellen, Exanthema subitum und Ringelröteln. Abb. 9.2

Aufbau der Haut

Die Haut lässt sich grob in Epidermis, Dermis (Co− rium) und Unterhaut (subkutanes Gewebe) eintei− len (Abb. 9.2). Als Exanthem wird ein generalisierter Hautaus−

Es wird zwischen der eigentlichen Infektion der Haut und der Beteiligung der Haut im Rahmen sys−

schlag bezeichnet, dessen Einzeleffloreszenzen ma−

temischer Infektionen unterschieden.

kulös (fleckförmig), papulös (knotig), vesikulös

Die häufigsten bakteriellen Erreger einer Hautinfek−

(bläschenförmig) oder ulzerös (geschwürig) sein können. Effloreszenzen an den Schleimhäuten wer−

tion sind S. aureus, S. pyogenes, Borrelien (Erythema migrans) und Treponemen (Lues). Darüber hinaus

den als Enanthem bezeichnet.

sind Dermatomykosen durch Candida und Derma−

Abb. 9.1

Infektionen von Haut, Weichteilen und Skelett

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280

Infektionen der Haut und der Unterhaut

9 Haut, Weichteile und Skelett

tophyten möglich, bei den Parasiten spielen vor al−

und kommt vor allem bei kleineren Kindern und

lem Leishmanien und Arthropoden, wie z. B. die Krätzemilbe (Scabies) eine Rolle. Die viral beding−

Säuglingen (Pemphigus neonatorum) vor. Sie be− ruht auf einer meist extrakutanen Infektion mit ei−

ten Exantheme sind oft Ausdruck typischer Kinder−

nem Exfoliatintoxin−produzierenden S. aureus. Die−

krankheiten.

ses Toxin gelangt hämatogen zur Haut und bewirkt

Man unterscheidet je nach Befallsort verschiedene

hier eine Epidermolyse mit Spaltbildung zwischen

primäre bakterielle Infektionen der Haut:

dem Stratum spinosum und dem Stratum granulo−

Impetigo: Befall der Epidermis Follikulitis: Infektion des oberflächlichen Haar−

sum (DD zum toxischen Lyell−Syndrom, z. B. bei Arzneimittelallergie: subepidermale Hautablösung

balges

mit Nekrose der gesamten Epidermis).

Furunkel: Abszessbildung des Haarbalgs bis in die Subkutis

Zunächst entwickeln die betroffenen Kinder begin−

Karbunkel: Einbeziehung benachbarter Haarbäl−

innerhalb von 1–2 Tagen in Blasen übergehen.

ge

Diese rupturieren, sodass die Haut sich in großen

Erysipel: Befall dermaler Lymphgefäße

Arealen ablöst. Oft tritt die Erkrankung im An−

Phlegmone: Einbeziehung von subkutanem Fett− gewebe

schluss an eine bullöse Impetigo, eine Otitis media oder Pharyngitis auf.

nend im Gesicht unscharf begrenzte Erytheme, die

Auch durch die Einwirkung mikrobiell−toxischer Faktoren können Hauterkrankungen ausgelöst wer−

MERKE

den:

Die Schleimhäute sind – im Gegensatz zum Lyell− Syndrom – nicht betroffen.

Staphylococcal scaled skin syndrome (SSSS): Ex− foliatintoxine von Staphylococcus aureus (s. S. 36) Scharlach: erythrogene Toxine von Streptococcus pyogenes (s. S. 233) Waterhouse−Friderichsen−Syndrom:

Lipooligo−

saccharide von Meningokokken (s. S. 276). EXKURS

Die mikrobiologische Diagnostik beruht auf dem kulturellen Erregernachweis. Therapeutisch stellt Flucloxacillin das Antibiotikum der ersten Wahl dar. Darüber hinaus sind eine Vo− lumen− und Elektrolytsubstitution angezeigt.

Exanthematöse Kinderkrankheiten

9.1.2 Impetigo

Im 17. Jahrhundert begannen Ärzte damit, exanthe−

Die Impetigo (syn. Eiterflechte) ist eine typische

matöse Kinderkrankheiten voneinander abzugrenzen

Pyodermie, d. h. eine durch Eitererreger bedingte

und einfach durchzunummerieren, weil zu diesem

Hauterkrankung (Streptokokken und/oder Staphy−

Zeitpunkt eine mikrobielle Ursache ja noch nicht

lokokken). Charakteristisch ist eine Infektion der

bekannt war. Diese Bezeichnungen werden z. T. auch

obersten Epidermisschichten, die zu einem meist

heute noch benutzt: – 1. Krankheit = Masern (s. S. 294) – 2. Krankheit = Scharlach (s. S. 233)

großflächigen, leicht juckenden Hautausschlag führt. Dieser ist zunächst bläschenförmig und pus−

– 3. Krankheit = Röteln (s. S. 296)

sten auf.

– (4. Krankheit = Röteln−Unterform)

Die Erkrankung ist sehr ansteckend und tritt vor−

– 5. Krankheit = Ringelröteln (s. S. 299)

wiegend im Kindesalter auf.

– 6. Krankheit = Exanthema subitum (s. S. 298).

Prädisponierende Faktoren sind schlechte Hygiene−

9.1.1 Staphylococcal scalded skin syndrome (vgl. S. 36)

[L00]

Das Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS, syn. staphylogenes Lyell−Syndrom) ist eine schwe−

[L01]

tulös und weist dann zahlreiche honigfarbene Kru−

bedingungen und oft ein vorbestehendes atopi− sches Ekzem. Die dadurch bedingten Mikrotrauma− ta der Haut stellen eine ideale Eintrittspforte für die transient auf der Haut vorhandenen Keime S. pyogenes sowie S. aureus dar.

re, lebensbedrohliche, blasige Erkrankung der Haut

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Infektionen der Haut und der Unterhaut

281

Man unterscheidet eine großblasige von einer kleinblasigen Form. Haupterreger der großblasigen, bullösen Impetigo ist S. aureus; die eher kleinblasi−

Praxistipp

Das Kratzen durch den Patienten führt zu einer

Gefürchtete Komplikation bei einer Infek− tion im Nasolabialbereich ist die Ausbrei− tung der Infektion in die Vena angularis mit nachfolgender septischer Thrombose des Sinus cavernus.

schnellen Ausbreitung der Erreger und erklärt die Großflächigkeit der betroffenen Hautpartien.

Ein Abszess ist eine Eiteransammlung in einer

ge Impetigo contagiosa wird zwar meistens von S. pyogenes verursacht, ist aber oft mit S. aureus su− perinfiziert.

Als Komplikation kann eine postinfektiöse Glome−

nicht präformierten Höhle (Abb. 9.3). Die Abszess−

rulonephritis auftreten.

wand wird vor allem durch bakterielle Produkte

Diagnostisch wird der direkte Erregernachweis

von Staphylococcus aureus (Plasmakoagulase und

durch Kultur angestrebt. Dazu wird Eiter oder ein

Clumpingfaktor) aufgebaut, der auch der häufigste

entsprechender Abstrich einer eitrigen Hautstelle

Abszesserreger ist. Dies trifft insbesondere bei Abs−

entnommen.

zessen der Haut zu, wo S. aureus ja Mitglied der

Bei der Impetigo contagiosa ist serologisch meis− tens die Streptokokken−spezifische ADNase erhöht.

transienten Flora ist und so leicht durch kleinste Mikrotraumen oder durch Einwanderung entlang

In Abhängigkeit von Erreger und Antibiogramm

des Haarschafts in die Tiefe der Haut vordringen

sind meistens Penicillin, Flucloxacillin oder Makro−

kann. Vor allem bei Wundabszessen müssen als

lide wirksam. Topisch kann bei der großblasigen Form außerdem Fusidinsäure− oder Gentamicin−

potenzielle Erreger neben S. aureus grundsätzlich

Salbe angewandt werden.

werden, die als residente Hautflora von außen in

auch Anaerobier (z. B. Bacteroides) einkalkuliert die Wunde gelangen können.

9.1.3 Hautabszess, Furunkel und Karbunkel [L02]

Nach kulturellem Erregernachweis aus Eitermateri− al besteht die Therapie des Abszesses oder Furun−

Die häufig vorkommende Follikulitis ist eine Infek−

kels in der Stichinzision zur Eiterentleerung, falls

tion des oberen Bereichs eines Haarfollikels, die

eine spontane Drainage nicht erfolgt. Ausgedehnte−

durch eine hellgelbe Pustel mit einem zentralen

re Befunde sowie das Karbunkel machen eine kom−

Haar charakterisiert ist und fast immer durch S. au− reus bedingt ist.

binierte chirurgische Vorgehensweise plus systemi− scher Antibiose mit Flucloxacillin, Makroliden oder

Auch beim Furunkel und Karbunkel steht S. aureus

Clindamycin erforderlich.

als Erreger im Vordergrund. Als Furunkel wird die abszedierende und nekrotisierende Entzündung

9.1.4 Erysipel

des gesamten Haarfollikels einschließlich des um−

Das Erysipel (syn. Wundrose) ist eine intradermale

gebenden Gewebes bezeichnet. Aufgrund der Ne−

Infektion der oberen Dermis mit scharfer Begren−

[A46]

krotisierung kommt es zum irreversiblen Haarver− lust.

Meistens

sind

auch

die

regionalen

Lymphknoten am Entzündungsprozess beteiligt. Beim Karbunkel sind mehrere Haarfollikel betrof− fen, und zusätzlich ist auch das subkutane Fettge− webe in den Entzündungsprozess eingeschlossen. Ausgedehnte Infektionen sind meistens von Fieber begleitet.

Abb. 9.3

Spontan rupturierender Abszess mit Eiter

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282

Infektionen der Haut und der Unterhaut

9 Haut, Weichteile und Skelett

Abb. 9.4 Erysipel: flächenhaftes, leuchtend rotes Erythem (mit freundlicher Genehmigung von Dr. W. Boes, Duder− stadt)

Abb. 9.5 Phlegmone: livide, teigige, unscharf begrenzte Hautschwellung (mit freundlicher Genehmigung von Dr. W. Boes, Duderstadt)

zung (Abb. 9.4). Fast immer ist Streptococcus pyoge−

FALLBEISPIEL

nes der Erreger, selten auch b−hämolysierende

Bei einer 78−jährigen, pflegebedürftigen Frau fällt dem

Streptokokken der Gruppe C oder G, sowie Staphylo−

ambulanten Pflegedienst eine gerötete Stelle des

coccus aureus.

rechten Unterschenkels auf. Der herbeigerufene Hau−

Als Eintrittspforte dienen oft kleine Mikrotraumen,

sarzt veranlasst wegen des reduzierten Allgemeinzu−

Rhagaden oder ekzematös veränderte Hautpartien.

stands (Gewichtsverlust, Dyspnoe, Müdigkeit) und hohem Fieber (39,38C) eine Krankenhauseinweisung.

Innerhalb kurzer Zeit bildet sich dann ein flächen− haftes, leuchtend rotes Erythem aus. Das Erysipel kann sich sehr schnell peripher über das Lymph− gefäßsystem weiter ausbreiten und typische zun−

Bei Aufnahme imponiert der Lokalbefund der Haut als

genförmige

regionalen

Sakralregion ist darüber hinaus ein beginnender

Lymphknoten können ebenfalls beteiligt sein. Die

Dekubitus nachweisbar. Laborchemisch fällt eine Anä− mie (Hämoglobin 9,7 g/dl, Hämatokrit 27 %) sowie

Ausläufer

bilden.

Die

Haut ist überwärmt und aufgrund der starken Ent− zündungsreaktion geschwollen, sodass die Hautpo−

scharf begrenzte, überwärmte und rote Effloreszenz; ein Druckschmerz ist nicht nachweisbar. In der

ren hervortreten.

erhöhte Entzündungsparameter (CRP 17,0 mg/dl, Leu− kozyten 20,9/nl) auf. Eine Kultur von einem oberfläch−

Der Patient hat in der Regel hohes Fieber, das eventuell von Schüttelfrost begleitet wird. Gefürch−

lich abgenommenen Hautabstrich im Bereich der geröteten Stelle ergibt lediglich den Nachweis der

tete Komplikation ist die postinfektiöse Glomerulo−

Hautflora (S. epidermidis und Corynebacterium spp.).

nephritis, bei 5 % der Patienten wird außerdem eine Bakteriämie beobachtet.

Der Verdacht auf ein Erysipel wird erst serologisch

Da es sich um eine intradermale Infektion ohne Be−

gem ASL (200 IE) bestätigt. Nach Therapie mit

teiligung der Epidermis handelt, ist der Versuch des kulturellen Erregernachweises durch oberfläch−

Penicillin G kommt es innerhalb weniger Tage zur deutlichen Besserung. Der beginnende Dekubitus wird

liche Hautabstriche nicht zielführend. Stattdessen ist die Erhöhung der Anti−Streptokok−

durch adäquate Lagerungstechniken behandelt.

durch eine erhöhte ADNase (1 200 IE) bei grenzwerti−

ken−DNAse (ADNase−Titer) im Serum diagnostisch gut verwertbar. Penicillin oder Makrolide (bei Peni− cillinallergie) werden zur Therapie eingesetzt.

9.1.5 Phlegmone

[L03]

Die Phlegmone (syn. Zellulitis) ist eine schwere, MERKE

abszedierende Infektion mit diffuser Ausbreitungs−

Da die Epidermis nicht infiziert ist, sind oberfläch− liche Hautabstriche nicht hilfreich.

tendenz, wobei die Infektion nicht auf die Dermis begrenzt bleibt, sondern auf das subkutane Gewe− be übergeht (Abb. 9.5). Klinisch ist eine livide, teigi−

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Infektionen der Haut und der Unterhaut

283

ge, unscharf begrenzte Hautschwellung auffallend, oft mit Beteiligung der regionalen Lymphknoten. Die Phlegmone ist meist Folge einer Infektion mit Streptococcus pyogenes. Darüber hinaus können u. a. S. aureus, S. pneumoniae und Enterobacteriaceae Auslöser sein. Bei der durch S. pyogenes verursach− ten Phlegmone ist die serologische Diagnostik durch ADNase−Titerbestimmung der Kultur überle− gen. Penicillin ist Therapie der Wahl, ansonsten richtet sich die Therapie nach dem vermeintlichen Erreger.

9.1.6 Erythrasma

[L08.1]

Das Erythrasma ist eine oberflächliche Dermatitis, die bei starker lokaler Feuchtigkeit von dem Haut− kommensalen Corynebacterium minutissimum ver− ursacht wird. Diese Infektion imponiert als ein scharf begrenztes Erythem mit diskreter Schup− pung, eventuell besteht ein leichter Juckreiz. Speziell in den Hautfalten wird die Haut aufge− weicht und wund gerieben, und es kommt zur Ver− mehrung von C. minutisssimum im Stratum cor− neum. Hier sind die Herde dann auch besonders

Abb. 9.6

Candida−Mykose

9.1.7 Windeldermatitis

häufig zu finden. Übergewicht, starke Schweißpro− duktion und enge Kleidung begünstigen die Infek−

Die Windeldermatitis entsteht, wenn bei Kleinkin−

tion.

dern nach Einnässung die Windel zu selten ge−

Die Porphyrinproduktion von C. minutissimum wird

wechselt wird und die Haut am Gesäß, den Genita−

diagnostisch genutzt, da die Bestrahlung des Ery−

lien und am Oberschenkel durch den Wärmestau

thems mit UV−A−Licht (Wood−Licht) zur roten Fluo− reszenz führt. Die Anwendung von Cremes ohne

und Alkalischädigung (Urin) mazeriert wird. Die Folge ist meistens eine Infektion, an der vor allem

Wirkstoffe kann durch ihren austrocknenden Effekt

Candida, aber u. U. auch S. aureus oder S. pyogenes

bereits eine therapeutische Hilfe darstellen.

beteiligt sind. Dadurch erscheinen Erosionen auf

[L22]

geröteter Haut (Abb. 9.6). Bereits ein regelmäßiger

Abb. 9.7

Pathogenese der Akne

Abb. 9.8 Akne mit zahlreichen Komedonen (aus Sterry, Paus: Checkliste Dermatologie)

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284

Tiefere Hautinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

Tabelle 9.1

Einteilung Dekubitus Stadium

Klinik

1. Grades

nicht wegdrückbare Rötung bei intakter Haut

2. Grades

Teilverlust der Haut; Epidermis bis hin zu Antei− len des Koriums sind geschädigt.

3. Grades

Verlust aller Hautschichten einschließlich Schädi− gung oder Nekrose des subkutanen Gewebes, die bis auf, aber nicht unter, die darunterliegen− de Faszie reichen kann.

4. Grades

Verlust aller Hautschichten mit ausgedehnter Zerstörung, Gewebsnekrose oder Schädigung von Muskeln, Knochen oder stützenden Struktu− ren wie Sehnen oder Gelenkkapseln.

zuwendender Vitamin−A−Säure plus systemischer Minocyclin−Gabe.

9.2 Tiefere Hautinfektionen mit Beteiligung des Weichgewebes und der Muskulatur Key Point

Abb. 9.9

Besonders bettlägrige Menschen sind von tie− feren Hautinfektionen mit Beteiligung des Weichteilgewebes betroffen.

Ulcus cruris bei einer AIDS−Patientin

9.2.1 Dekubitalgeschwür Windelwechsel kann die Symptome signifikant re− duzieren.

[L89]

Dekubitalulzera sind Druckgeschwüre, die im Rah− men einer lokalen Durchblutungsstörung aufgrund eines lang andauernden Drucks entstehen, z. B. bei

9.1.8 Akne vulgaris

(vgl. S. 73)

Die Akne vulgaris ist eine multifaktorielle Erkran−

längerem Liegen auf einer Stelle. Aus diesem Grund sind davon vor allem alte oder pflegebedürftige

kung jener Hautareale, die viele Talgdrüsen aufwei−

Menschen betroffen. Realistische Schätzungen ge−

sen. Sie ist durch Bildung von Komedonen (Mites−

hen davon aus, dass jeder zehnte Bewohner eines

sern) gekennzeichnet, zusätzlich treten Papeln,

Pflegeheims entsprechende Wundgeschwüre auf−

[L70]

Pusteln und Knoten auf.

weist. Die Einteilung ist in Tab. 9.1 aufgeführt.

Die Komedonen kommen einerseits durch ver−

Durch regelmäßiges Wechseln der Liegeposition so−

mehrte Talgproduktion durch Androgenwirkung in der Pubertät und andererseits durch die Lipase−Ak− tivität der zur normalen Hautflora gehörenden Pro−

wie Abpolsterung besonders gefährdeter Stellen kann die Entstehung eines Ulkus oft sehr effektiv verhindert werden. Bevorzugte Lokalisation sind

pionibacterium acnes zustande (Abb. 9.7). Die aus

Körperstellen, an denen die Haut dicht über dem

dem Talg freigesetzten Fettsäuren induzieren eine

Knochen liegt (Ferse, Dornfortsätze der Wirbelsäu−

perifollikuläre

le, Kreuzbein).

Entzündungsreaktion

u. a.

durch

Komplementaktivierung, was zur Abflussbehinde−

Häufig kommt es zur Infektion eines Dekubitalge−

rung des Talgs und damit zur Bildung der Komedo−

schwürs. Wie bei allen Wundinfektionen muss da−

nen führt (Abb. 9.8). Die Therapie ist komplex und

bei grundsätzlich mit Staphylococcus aureus und

besteht u. a. aus der Kombination von topisch an−

Anaerobiern (Bacteroides) gerechnet werden. Bei

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Tiefere Hautinfektionen

285

In über 90 % der Fälle handelt es sich um Actino− myces israelii, außerdem sind A. naeslundii, A. visco− sus und A. odontolyticus relevant. Sie gehören zur residenten oder transienten Flora des menschlichen Körpers. 98 % aller Aktinomykosen manifestieren sich im Zervikofazialbereich, was auf die besonders dichte Anaerobierbesiedlung der Mundhöhle und die An− fälligkeit dieser Region für Verletzungen zurückzu− führen ist. Andere Lokalisationen sind möglich. Die zervikofaziale Aktinomykose tritt besonders bei jüngeren Erwachsenen auf (Abb. 9.10); Männer er− kranken dreimal häufiger als Frauen. Abb. 9.10 Aktinomykose: brettharte, wenig schmerzhafte, livide verfärbte Induration (Pfeil) im Zervikofazialbereich

Pathogenese

Diabetikern ist häufig Streptococcus agalactiae die

Kennzeichen der Erkrankung ist, dass die Aktino− myzeten nie in Reinkultur aus dem Entzündungs−

Ursache für eine Infektion. Ein Geschwür in Anal−

prozess isoliert werden, sondern dass es sich stets

nähe wird meistens durch Bakterien der Darmflora

um eine Mischinfektion handelt. Dabei kommt den

(Enterokokken, Enterobacteriaceae und Anaerobier) infiziert. Bei Patienten, bei denen ein eventuell an−

Aktinomyzeten offenbar die Rolle eines Leitkei− mes“ zu, der für die typische Symptomatik, den

gelegter Wundverband zu selten gewechselt wird

Verlauf und die Prognose der Erkrankung verant−

und dadurch lokal Feuchtigkeit besteht, kommt

wortlich ist. Die Begleitflora kann aus weiteren An−

Pseudomonas aeruginosa in Betracht (Abb. 9.9). Der Erregernachweis wird kulturell gestellt. Die

aerobiern wie z. B. dem typischen Begleiter A. acti− nomycetemcomitans, Peptococcaceae, Bacteroides−

Therapie sollte in erster Linie in der Sanierung des

Arten, Fusobakterien u. a. oder auch aus fakultativ

Dekubitalulkus durch Wunddebridement und der

anaerob wachsenden Bakterien (Staphylokokken,

Verhinderung neuer Druckgeschwüre durch adä−

Streptokokken, Enterobacteriaceae u. a.) bestehen.

quate Lagerung des Patienten (z. B. Luftkissenbet− ten) bestehen. In Abhängigkeit vom Erregerspekt−

Vermutlich bahnt die Begleitflora die Infektion, in− dem sie ein reduziertes Milieu schafft, das den an−

rum und der Ausdehnung des Infektionsbefundes

aeroben Aktinomyzeten erst die Etablierung im Ge−

ist in der Regel zusätzlich eine systemische Anti− biose angezeigt.

webe ermöglicht. Dabei verstärkt die Begleitflora durch ihre Enzyme und Toxine die relativ geringe Invasionskraft der Aktinomyzeten. Von den eher anekdotisch anmutenden Fällen einer

9.2.2 Aktinomykose

[A42]

(vgl. S. 51)

exogenen Infektion durch Menschenbiss abgesehen,

Actinomyceten sind grampositive, nicht sporenbil−

entsteht die Aktinomykose daher fast immer endo−

dende, mikroaerophile bis anaerobe Stäbchenbak−

gen. Zum Eindringen ins Gewebe benötigen die Ak−

terien und Auslöser der Aktinomykose, einer spezi−

tinomyzeten ein negatives Redoxpotenzial, das in normal durchbluteten Bereichen nicht vorliegt. Es kann aber an eingedrungenen Fremdkörpern (z. B.

fischen Anaerobierinfektion. MERKE

Getreidegrannen,

Spezifische unterscheiden sich von unspezifischen Infektionen dadurch, dass hier regelmäßig ganz bestimmte Mikroorganismen nachweisbar sind und sich bei diesen Erkrankungen auch ein histo− logisch typisches Bild finden lässt.

oder bei Gewebsquetschung/−zertrümmerung (Un−

Fischgräten,

Knochensplitter)

fallfolge) durch die gestörte Blutzirkulation entste− hen und wird durch die Begleitflora mitbedingt.

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Tiefere Hautinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

Abb. 9.11 Eiter mit Drusen: gelbliche oder rötlich−braune, harte Körnchen, die sich schwer zerreiben lassen. Sie be− stehen aus Myzelkolonien der Aktinomyzeten und ihrer Be− gleitbakterien und sind von einem Leukozytenwall umgeben.

Klinik Das klinische Vollbild der Aktinomykose ist durch brettharte, wenig schmerzhafte, livide verfärbte In− durationen vor allem im Zervikofazialbereich cha− rakterisiert. Komplizierend kommen in der Regel

Abb. 9.12 Grampräparat von Actinomyces israelii: Nester von grampositiven, gewellten und verzweigten Stäbchen

die Ausbildung eines vielkammerigen, eitergefüll− ten Höhlensystems, das sich über multiple Fisteln oft nach außen selbst drainiert, zentrale Vernar− bung bei peripher fortschreitender Infiltration und

Eine Verdachtsdiagnose kann bereits geäußert wer−

eine ausgesprochene Rezidivneigung hinzu. Bei Einbruch der Erreger in das Blutsystem drohen

den, wenn im Eiter makroskopisch schon sichtbar,

lebensgefährliche hämatogene Metastasierungen

(Abb. 9.11).

ca.

1–2 mm

große

Drusen

vorhanden

sind

vor allem in das ZNS, in dem optimale Bedingun− gen für anaerobe Keime herrschen: Die Folge kann

Praxistipp

ein Hirnabszess sein.

Diagnostik Als Untersuchungsmaterial dienen Eiter, Fistelsek− ret oder exzidiertes Granulationsgewebe. Eine Kon− tamination mit der Schleimhautflora muss unbe− dingt vermieden werden. Um eine Schädigung durch Oxidationsvorgänge

zu

Drusen kommen nur in ca. 30 % der Fälle vor, und es gibt außerdem auch bei ande− ren Erkrankungen Körnchen im Eiter, die zu Verwechslungen führen können. Man muss deshalb die drusenverdächtigen Partikel mikroskopisch weiter untersuchen.

vermeiden, sind

möglichst große Probenvolumina zu gewinnen

Die Drusen werden weiter untersucht, indem man

und/oder ein Sauerstoff−reduzierendes Transport−

sie auf einem Objektträger mit einem Tropfen

medium zu verwenden.

1 %iger Methylenblau−Lösung versetzt und mit ei− nem Deckglas andrückt. Dann sieht man bei

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Tiefere Hautinfektionen

287

Therapie Nur selten gelingt die Ausheilung allein durch ope− rative Eröffnung und Ausräumung der Abszesse, es kommt in der Regel zu Rezidiven. Grundlage der Therapie ist die Gabe von Antibiotika, die aber meist durch chirurgische Maßnahmen unterstützt werden muss. Die Auswahl des Präparates richtet sich nicht nur nach der Empfindlichkeit der Aktino− myzeten, sondern muss auch die Begleitbakterien berücksichtigen. Penicillin ist nicht Mittel der Wahl, da zwar die Aktinomyzeten, nicht aber die Begleitkeime wie z. B. Actinobacillus (Haemophilus) actinomycetemcomitans oder Bacteroides−Arten er− fasst würden. Zuverlässiger wirken Aminopenicil− Abb. 9.13 Grampräparat von Clostridium perfringens: Typisch ist die Mischinfektion mit plumpen grampositiven Stäbchen, die im Gewebe oft keine Sporen aufweisen (In die− ser Abbildung ist ausnahmsweise eine Monoinfektion zu se− hen).

nation mit Clavulansäure oder Sulbactam, da damit

schwacher Vergrößerung ein blumenkohlartiges

Mezlocillin, Cefoxitin oder Tetrazykline in Kombi−

Gebilde mit radiärer Fadenstruktur, das sich im

nation mit Clindamycin oder Metronidazol infrage.

line (Ampicillin, Amoxicillin) am besten in Kombi− dann auch die Begleitkeime (auch Bacteroides fragi− lis) erfasst werden. Als Alternative kommen auch

Zentrum nicht anfärbt. Zerreibt man die Druse zwischen zwei Objektträgern und färbt dann nach Gram, sieht man Nester von grampositiven, gewell−

Praxistipp

ten und verzweigten Stäbchen (Abb. 9.12). In der modifizierten Ziehl−Neelsen−Färbung zeigen

Penicillin hilft nur gegen Actinomyzeten, nicht aber gegen die Begleitkeime und ist daher nicht Mittel der Wahl.

Aktinomyzeten eine partielle Säurefestigkeit. Au− ßerdem erkennt man eine Vielzahl anderer Bakteri− en als Ausdruck der obligaten Mischinfektion.

9.2.3 Gasbrand

Die

durchsichtige Spezialnährböden und erfolgt unter

Die beiden wichtigsten nekrotisierenden Haut− und Weichgewebe−Infektionen sind die durch Strepto−

anaeroben Bedingungen. Die Kulturen können täg−

coccus pyogenes verursachte Fasciitis necroticans

lich auf das Vorhandensein typischer myzelialer Mikrokolonien durchgemustert werden, ohne das

(Fournier Gangrän als Sonderform, s. S. 313) und der Gasbrand, dessen häufigster Erreger Clostridium

anaerobe Milieu zu stören. Erst nach einer Bebrü−

perfringens ist. Dieses anaerobe, grampositive Stäb−

tungszeit von 7–14 Tagen sind die Kolonien mak−

chenbakterium kommt natürlicherweise im Erdbo−

roskopisch sichtbar, dann allerdings oft ohne myze−

den vor und gehört auch zur normalen Darmflora

liale Morphologie.

des Menschen.

Zur vollständigen Diagnostik gehört die Identifizie−

Der Glasbrand kann exogen oder endogen entste−

rung, da auch apathogene Aktinomyzetenarten auf den Schleimhäuten vorkommen und gegen die pa− thogenen Arten abgegrenzt werden müssen. Die

hen: endogener Gasbrand: Gefährdet sind Patienten mit perforierendem Kolon−Karzinom, nach

Identifizierung erfolgt biochemisch oder mithilfe

Bauchoperationen, septischen Aborten sowie

Fluorochrom−markierter

Diabetiker mit Durchblutungsstörungen der Fü−

kulturelle

Anzucht

erfordert

spezifischer

hochwertige,

Antikörper.

[A48]

(vgl. S. 53)

Serologische Methoden haben nur eine geringe Be−

ße.

deutung.

exogener Gasbrand: Risiken sind tiefe, erdver− schmutzte Wunden, Zertrümmerungswunden, Quetschungen,

Nekrosen,

Gefäßverletzungen,

Muskelwunden und Schussverletzungen.

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288

Tiefere Hautinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

Weitere Erreger des Gasbrandes sind C. histolyti−

Das ist umso wichtiger, als auch andere Bakterien,

cum, C. novyi, C. haemolyticum, C. oedematiens und C. septicum.

wie z. B. Escherichia coli, als Wundverschmutzer Gas produzieren können.

Pathogenese

Diagnostik

Innerhalb des Darms wird C. perfringens wahr−

Jeder Verdacht auf Gasbrand ist als eilige CITO−

scheinlich durch die normale Darmflora unter Kon−

(schnell oder sofort) Anforderung anzusehen! Bei

trolle gehalten. Gelangt der Erreger jedoch in eine für ihn unübliche anatomische Region, kann es zur

Verdacht auf Gasbrand sollte Material durch Aspi− ration oder Gewebeproben aus der Tiefe der Wun−

Expression wichtiger Virulenzfaktoren kommen.

de entnommen werden, da die Isolierung von

Hier ist vor allem das bakterielle Alpha−Toxin, eine

Clostridien aus Oberflächenabstrichen nicht bewei−

Lezithinase, für den sehr aggressiv verlaufenden

send ist. Der typische mikroskopische Befund er−

Muskelzerfall entscheidend.

gibt eine Mischinfektion und den Nachweis gram−

Das Gleiche gilt auch bei einer Wundinfektion

positiver, plumper Stäbchen meist ohne Sporen

durch exogene Exposition. Bei Wundinfektionen

(evtl. wenige subterminale Sporen) (Abb. 9.13).

handelt es sich ohnehin meistens um Mischinfek− tionen, bei denen Staphylococcus aureus eine we− sentliche Rolle spielt: Die fakultativ anaeroben Sta− phylokokken verbrauchen nämlich den Sauerstoff in der Wunde, so dass sich sekundär C. perfringens unter dann anaeroben Wundverhältnissen vermeh− ren kann. Zusätzliche Faktoren wie z. B. Mangel− durchblutung durch Schock, Abbindung etc. tragen zur weiteren Unterbindung der Sauerstoffversor− gung im derartig infizierten Gewebe bei.

Klinik Die Inkubationszeit ist kurz (5–48 Stunden!) und setzt mit plötzlicher Dramatik und starken Schmer− zen ein. Der starke Spannungsschmerz kommt u. a. durch die Gasbildung (CO2) im Gewebe zustande und imponiert als Knister− oder Krepitus−Geräusch (Knirschen von Schnee“). Der klinische Verdacht auf Gasbrand wird dann er− härtet, wenn ein schnell voranschreitender Muskel−

MERKE

Durch den mikroskopischen Befund kann der klini− sche Verdacht zwar weiter erhärtet werden, je− doch ist der Therapiebeginn nur vom klinischen Bild abhängig zu machen. Keinesfalls darf mit der Therapie gewartet werden, bis das mikrobiologi− sche Kulturergebnis vorliegt. Der Kulturbefund hat daher nur einen nachträgli− chen, bestätigenden Charakter. Bei Anzucht von C. perfringens in Flüssigmedium zeigt sich die typische Gasbildung bereits innerhalb weniger Stunden. Der Erreger bildet in Kulturen und im Infektionsprozess meistens keine Sporen (sehr selten subterminale Sporen), ist als einziger Gasbranderreger unbeweglich und weist auf Blut− agar (anaerobe Bebrütung) als typisches Merkmal eine Doppelzonenhämolyse auf, weil er zwei Hä−

zerfall besteht und die Muskulatur trocken und morsch“ erscheint (wie gekochter Schinken“). Der Patient ist meist bei vollem Bewusstsein. MERKE

Auch bei adäquater Therapie sterben 40–60 % der Patienten, und das oft innerhalb weniger Stunden. Daher erfordert bereits der Verdacht auf Gas− brand umgehende Entscheidungen des verant− wortlichen Arztes und ein gutes Zusammenspiel mit dem Mikrobiologen!

Abb. 9.14 a Herpes labialis: zahlreiche Bläschen, die sich innerhalb weniger Tage in kleine Ulzerationen umwandeln und unter Krustenbildung abheilen (aus Sterry, Paus: Checkliste Dermatologie) b Herpes genitalis (mit freundli− cher Genehmigung von PD Dr. A. Günthert, Göttingen)

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Virusinfektionen

molysine gleichzeitig exprimiert. Für die differen−

sind. Die HSV−2−Infektion findet vorwiegend durch

zierende Kultur wird ein Eigelbagar eingesetzt, auf dem der Gasbranderreger eine positive Lezithinase−

Geschlechtsverkehr statt und weist mit 10–30 % la−

und negative Lipase−Reaktion ergibt. Die endgültige

Durchseuchung auf.

289

tent infizierter Erwachsener ebenfalls eine hohe

Differenzierung erfolgt oft mit Hilfe der Bunten Reihe“.

Pathogenese

Eine serologische Untersuchung macht aufgrund

Nach der Primärinfektion befällt das neurotrope

der rasch voranschreitenden Infektion natürlich überhaupt keinen Sinn.

Virus zunächst mukoepitheliale Zellen. Hier kommt es zu einer starken Virusvermehrung und zur In− fektion von peripheren Nervenzellen. Bevor das Im−

Therapie und Prävention Am wichtigsten sind schnellste chirurgische Maß−

munsystem die Infektion unter Kontrolle gebracht hat, wandern die Viren retrograd entlang der auto−

und

nomen und sensiblen peripheren Nerven in die re−

Öffnung des Infektionsgebietes, um mehr Sauer−

gionalen Ganglien (Trigeminusganglion oder Lum−

stoff zuzuführen. Wenn erforderlich, darf auch vor

bosakralganglien) ein und verbleiben dort im

einer Amputation nicht zurückgeschreckt werden. Unterstützend werden Penicillin G in hoher Dosie−

latenten Stadium. In diesem Stadium findet eine episomale Genomreplikation bei minimaler Genex−

rung (40 Millionen Einheiten pro Tag) plus Metroni−

pression statt, ohne dass neue Viruspartikel gebil−

dazol plus ein Tetrazyklin oder Clindamycin (3 x

det werden: die Viren persistieren in nichtinfektiö−

600 mg pro Tag) gegeben. Ob eine hyperbare Sauer− stofftherapie und die Gabe von Antitoxin effektiv

ser Form innerhalb neuronaler Zellen. Da diese normalerweise keine oder nur sehr wenige MHC−

sind, ist bisher unklar.

Moleküle auf ihrer Oberfläche exprimieren, wird

nahmen

mit

großzügiger

Wundtoilette

die Infektion vom Immunsystem nicht als solche

9.3 Virusinfektionen, die durch Haut− und Schleimhautläsionen gekennzeichnet sind [B00–B09]

erkannt, so dass HHV 1/2 lebenslang im Organis− mus persistieren. MERKE

Key Point Viele der wichtigsten viralen Erkrankungen manifestieren sich (auch) durch Haut− und Schleimhauteffloreszenzen. In diesem Kapitel soll neben den viralen Erregern typischer Kin− derkrankheiten (Varizellen, Masern, Röteln, Exanthema subitum und Ringelröteln) u. a. auch auf HSV und Pockenviren eingegangen werden.

9.3.1 Infektionen durch Herpes−simplex−Viren [B00] (vgl. S. 126)

HHV 1 und 2 persistieren lebenslang im Organis− mus. Durch eine Vielzahl unterschiedlicher Reize, z. B. Sonnenlicht, Prüfungsstress, Nervenreizung, Fieber, Hormonveränderungen, kann eine Transaktivierung viraler Replikationsgene induziert und eine endo− gene Reaktivierung mit Rezidiv ausgelöst werden. Es werden neue Viruspartikel gebildet, die aus den Ganglien entlang der Axone wieder in die Haut− bzw. Schleimhautperipherie wandern und – falls die Reaktivierung z. B. asymptomatisch verläuft

Herpes−simplex−Viren (HSV 1 und HSV 2) werden

(Rekurrenz) – von dort aus ggf. Kontaktpersonen

heute taxonomisch eigenständig als Humane Her−

infizieren.

pesviren 1 und 2 (HHV 1 und HHV 2) bezeichnet.

Eine klinisch manifeste Reaktivierung wird bei ca. 60 % der HHV−2−, aber nur bei weniger als 20 % der HHV−1−infizierten Personen beobachtet.

Der Mensch ist das einzige Reservoir und infiziert sich mit HHV 1 sehr leicht durch direkten Kontakt (z. B. Kuss) oder durch Tröpfchen− bzw. Schmierin− fektion, so dass bis zum 5. Lebensjahr ca. 50 % und im Erwachsenenalter mehr als 90 % latent infiziert

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Virusinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

a Abb. 9.15 Varizellen−Hautausschlag: Alle Effloreszenzstadien mit Bläschen, Pusteln, Papeln, Krusten kommen nebeneinan− der vor (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. A. Stich, Würzburg)

Klinik Nach einer Inkubationszeit von 3–7 Tagen entwi− ckeln sich bei nur ca. 10 % der primär infizierten Personen an der Eintrittspforte Läsionen in Form von virushaltigen Bläschen, die sich innerhalb we−

b

niger Tage in kleine Ulzerationen umwandeln und dann mit schneller Krustenbildung abheilen.

Herpesenzephalitis beim Kind oder Erwachse−

Die HHV−1−Infektion manifestiert sich dabei meis− tens bereits im Kindesalter als Gingivostomatitis

nen: Charakteristisch ist der Befall des Tempo− rallappens. Oft Dauerschäden und hohe Letalität

bzw. Stomatitis aphthosa im Mundbereich (Ab−

(.50 %).

b. 9.14a) und geht mit Fieber, Schluckbeschwerden

Herpes genitalis bzw. Herpes anogenitalis

und einer Schwellung der regionalen Lymphknoten

generalisierte Infektion bei Immunsuppression.

einher. Die Primärinfektion mit HHV 2 führt zu den typi−

Bei der HHV−2−Infektion kommt vor allem der Her−

schen Läsionen im Genitalbereich mit Beteilung der

tale, diaplazentare Übertragung von HHV 1 oder

regionalen Lymphknoten (Abb. 9.14b). In Abhängig− keit von den praktizierten Sexualtechniken können

HHV 2 führt zur Herpes−simplex−Embryofetopathie des Kindes. Während beide Virusarten bei einer

aber auch Läsionen im Anal− und/oder Oralbereich

perinatalen Übertragung einen Herpes neonatorum

nachweisbar sein.

des Neugeborenen verursachen können, wird die

Alle anderen klinischen Manifestationsformen sind

Herpesenzephalitis Neugeborener nur als Folge ei−

das Resultat der bereits beschriebenen endogenen

ner HHV−2−Infektion angesehen (s. S. 332).

pes genitalis als endogenes Rezidiv vor. Die präna−

Reaktivierung (Rekrudeszenz): Herpes simplex labialis (Lippenherpes) Herpes simplex facialis Ekzema herpeticum: Meist durch Autoinokkula− tion bedingte Infektion eines ekzematisch vor−

MERKE

Rekurrenz: asymptomatisch ablaufendes Rezi− div Rekrudeszenz: symptomatisches Rezidiv.

geschädigten Hautareals mit HHV 1; letaler Ver− lauf bei bakterieller Superinfektion möglich.

Diagnostik und Therapie

Keratokonjunktivitis: Befall der Kornea, der auch

Serologische Methoden sind aufgrund der hohen

als Keratitis dendritica (mit Ulzerationen) oder

Seroprävalenz in der Bevölkerung nur bei jungen

bei tiefergehendem Befall als Keratitis discifor−

Patienten und/oder zum Nachweis der Primärinfek− tion durch IgM−Antikörperbestimmung geeignet.

mis (ohne Ulzerationen) bezeichnet wird.

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Virusinfektionen

Die Serologie stößt jedoch bei immunsupprimier−

in den dorsalen, sensorischen Spinalganglien, um

ten Patienten auf eine nachvollziehbare Grenze. In diesem Fall, aber auch bei allen anderen Patienten

vor allem bei Schwäche der Immunabwehr zu reak−

kann die Virusisolierung aus Bläscheninhalt, Abstri−

Bei endogener Reaktivierung sind die auf der Haut

chen, Rachenspülwasser, bronchoalveoläre Lavage,

meist einseitig sichtbaren Läsionen eng an die ana−

Liquor u. a. versucht werden.

tomischen Grenzen eines Dermatoms geknüpft und

Diese spezifische und sehr empfindliche Nachweis−

werden aufgrund der Bevorzugung von mittleren

methode ist aufwendig und dauert 2–4 Tage. Routi− nemäßig wird daher alternativ der Virusnachweis

Thorakalsegmenten auch als Gürtelrose bzw. Zoster bezeichnet.

291

tivieren.

durch PCR (bei Enzephalitis aus Liquor!) durchge− führt.

Der

elektronenmikroskopische

Nachweis

Klinik

wird aufgrund seiner geringen Spezifität kaum

Fast alle Infektionen manifestieren sich nach einer

noch durchgeführt, da alle Herpesviren die gleiche

Inkubationszeit von ungefähr 2 Wochen als Wind−

Morphologie haben.

pocken, die neben grippeähnlichen Symptomen

Für die Behandlung wird Aciclovir (Acycloguanosin)

mit Fieber und Gliederschmerzen vor allem durch

eingesetzt. Es bewirkt durch Einbau in die virale DNA replizierender, nicht latenter Viren einen DNA−

ein Enanthem und ein stark juckendes generalisier− tes makulopapulöses Exanthem von ca. einer Wo−

Kettenabbruch. Resistenzentwicklungen sind mög−

che Dauer imponieren (Abb. 9.15). Neben dem

lich. Als weitere Virostatika sind Adefovir, Cidofo−

Rumpf sind auch der Kopf und die Gliedmaßen be−

vir, Famciclovir und Brivudin zu nennen.

troffen, während die Palmar− und Plantarflächen frei bleiben. Alle Effloreszenzstadien mit Bläschen,

9.3.2 Varizellen (Windpocken) [B01] und Herpes zoster [B02] (vgl. S. 127)

Pusteln, Papeln, Krusten kommen nebeneinander vor (buntes Exanthem“).

Die Windpocken und der Zoster beruhen auf einer Infektion durch das Humane Herpesvirus 3 (HHV 3), das auch als Varizella−Zoster−Virus (VZV) bekannt ist. Es ist neurotrop und morphologisch nahezu identisch mit HHV 1 und HHV 2, weist aber mit etwa 200 nm einen etwas größeren Durchmesser auf. MERKE

Die Windpocken sind durch eine außerordentlich hohe Kontagiosität charakterisiert: Bereits im jun− gen Erwachsenenalter sind mehr als 90 % der Be− völkerung seropositiv.

Pathogenese Nach Übertragung durch Tröpfchen−, Schmier− oder aerogene Infektion vermehrt sich das Virus in mu− koepithelialen Zellen und streut dann lymphogen in die regionalen Lymphknoten und das retikuloen− dotheliale Gewebe. Anschließend kommt es zur ersten hämatogenen Dissemination in Leber und Milz. Die anschließende zweite virämische Phase manifestiert sich klinisch als Windpocken. Danach verharrt HHV 3 lebenslang in einem Latenzstadium

Abb. 9.16 Herpes zoster (Gürtelrose) a thorakal (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. H. Klinker, Würzburg) und b Zoster ophthalmicus (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Dr. J. Petersen, Göttingen)

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292

Virusinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

Praxistipp Differenzialdiagnostisch ist das Nebeneinan− derbestehen der verschiedenen Effloreszen− zen hilfreich, da diese prinzipiell den Pocken sehr ähneln. Bei Letzteren befinden sich die sichtbaren Effloreszenzen jedoch stets im gleichen Stadium (Synchronisation). Die HHV−3−Primärinfektion kann vor allem bei Kin− dern zu bakteriellen Superinfektionen der zerkratz−

a

ten Hauteffloreszenzen führen. Bei Jugendlichen und Erwachsenen kommt es sehr selten zu Kompli− kationen, die sich als Pneumonie, Thrombozytope− nie, Otitis, Nephritis, Arthritis, Zerebellitis oder Me− ningoenzephalitis äußern. Verschiedene Faktoren (Alter, Traumata, Immun− schwäche) können eine endogene Reaktivierung entlang der Nervenbahnen bewirken, die ohne Virämie verläuft und zu Effloreszenzen führt, die sich morphologisch nicht von den Windpocken un− terscheiden, jedoch streng auf das von der infizier− ten Nervenbahn betroffene Dermatom begrenzt sind (Abb. 9.16a). Die begleitenden Schmerzen sind massiv und erfordern eine adäquate Analgesie. Nicht selten sind neurologische Komplikationen: Fazialisparese, segmentale Myelitiden, para− und

b Abb. 9.17 Patient mit Pocken (aus dem Fundus von H. P. R. Seeliger)

postinfektiöse Meningoenzephalitis oder Guillan− Barr−Syndrom sowie postzosterische Neuralgien. Eine Beteiligung motorischer Nerven kann zu Läh− mungen führen. Beim HHV−3−Befall des Trigeminus kann es zur Augenbeteiligung (Zoster ophthalmi− cus) kommen (Abb. 9.16b).

Valciclovir zur Verfügung. Diese Medikamente kommen vor allem beim schmerzhaften Zoster

Gefürchtet ist die Generalisation bei immunsuppri−

zum Einsatz.

mierten Patienten, die mit einer Letalität von ca.

Die Impfung gegen Varizellen wird mit einem Le−

40 % einhergeht.

bendimpfstoff in der Regel im Alter von 11–14 Mo− naten durchgeführt. Darüber hinaus sollten un−

Diagnostik und Therapie

geimpfte

Routinemäßig wird die Infektion durch serologi− sche Antikörperbestimmung (IgM und IgG) aus Se− rum oder Liquor diagnostiziert. Kreuzreaktionen

Varizellen−Anamnese, seronegative Frauen mit Kin− derwunsch, seronegative Patienten vor geplanter immunsuppressiver Therapie (z. B. Transplantation,

mit HHV−1 und HHV−2 können gelegentlich vor−

Leukämie) sowie andere Risikopersonen geimpft

kommen. Der direkte Virusnachweis kann mit Hilfe

werden.

der PCR oder der Virusisolierung aus Bläschenin−

Eine postexpositionelle Prophylaxe mit Varizella−

halt, Liquor oder Gewebe geführt werden.

Zoster−Immunglobulin (VZIG) ist indiziert u. a. für

9−

bis

17−jährige

Jugendliche

ohne

Für die antivirale Therapie der aktiven Infektion

Neugeborene, bei denen die Mutter 7 Tage vor

steht für Kinder Aciclovir und für Erwachsene ne−

bis 2 Tage nach der Geburt an Windpocken er−

ben dem Aciclovir auch Brivudin, Famciclovir und

krankte

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Virusinfektionen

293

ungeimpfte, seronegative Schwangere nach Vari− zellenkontakt innerhalb von 48 (–96) Stunden bei möglicher Exposition für ungeimpfte Perso− nen mit negativer Varizellen−Anamnese oder für Immunsupprimierte.

9.3.3 Pocken

[B03]

Im Jahr 1980 hat die WHO die Welt für pockenfrei erklärt (seitdem konnte weltweit allerdings auch keine weitere Infektionskrankheit ausgerottet wer− den). Restbestände von Pockenviren lagern in Si− cherheitslaboren beim CDC (Atlanta, USA) und beim Forschungsinstitut VECTOR (Koltsovo, Russ− land). Die Pocken des Menschen (syn. Variola vera oder major, Blattern) werden von Orthopoxvirus variola (Variolavirus) aus der Familie der Poxviridae verur− sacht (DNA−Virus). Es ist mit einer Größe von 230 x 400 nm das größte bekannte Virus. Das Virus ist insofern einzigartig, als es außerhalb des Zellkerns im Zytoplasma der befallenen Wirtszelle repliziert. Klinik y Pocken kommen nur beim Menschen vor und werden direkt durch Tröpcheninfektion oder durch Einatmen von Staub von kontaminierten Gegenstän− den (z. B. Kleidung eines Pockenkranken) übertra−

Abb. 9.18 Masern: a Koplik−Flecken: kleine, weißliche, kalkspritzerähnliche, fest haftende Beläge an der Wangen− schleimhaut umgeben von einem roten Hof, b Masern−Ex−

gen. Nach einer Inkubationszeit von 12–14 Wochen

Diagnostik y Der Virusnachweis wird aus Bläschen−

treten rasch starkes Fieber, Schüttelfrost und Ra−

inhalt durch Elektronenmikroskopie geführt und

chenbeschwerden (Enanthem) auf. Der typische

ermöglicht eine morphologische Abgrenzung zu

Hautausschlag der Pocken folgt als Eruptionssta− dium am 6. –10. Tag nach Krankheitsbeginn. Es

den Varizellen. Alternativ wird auch eine Anzucht in Zellkulturen durchgeführt. Heute steht die PCR

bilden sich am gesamten Körper zunächst (1)

für den Erregernachweis zur Verfügung.

Macula, die in (2) Papeln, dann in (3) Bläschen, anschließend in (4) unangenehm riechende Pusteln

Prävention y Es gibt keine kausale Therapie. Bei einem früheren Ausbruch haben sich Quarantäne−

und nach 1–3 Wochen letztlich in (5) Krusten

maßnahmen und die aktive Impfung bewährt.

übergehen. Die Effloreszenzen ähneln zwar sehr

Dieser Lebendimpfstoff (Vacciniavirus) wurde aus

denen der Windpocken, bei den Pocken zeigt sich

abgeschwächten Varianten des Kuhpockenvirus en−

jedoch ein monomorphes Bild, d. h., es kommt

twickelt. Trotz Attenuierung kann das Vacciniavirus

immer nur ein Stadium der Pockeneffloreszenzen

jedoch hämatogen streuen und als gefährlichste

gleichzeitig vor (Abb. 9.17). Bei leichteren Verläufen heilen die Effloreszenzen unter deutlich sichtbarer Narbenbildung ab. Der Patient ist 2 Tage vor Beginn

Komplikation der Impfung eine postvakzinale En− zephalitis verursachen. Bereits bei begründetem Verdacht muss der Patient

des Hautausschlags bis zum Abfall der Krusten

isoliert und gemäß IfSG dem regionalen Gesund−

infektiös. Oft kommt es aber zu schweren Verläufen

heitsamt und dem Robert−Koch−Institut gemeldet

der Pocken, die mit Hirnschäden, Lähmungen,

werden.

Erblindung und Taubheit einhergehen können. Un− behandelt führt die Erkrankung in ca. 30 % der Fälle zum Tod.

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Virusinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

EXKURS

Nach einer Inkubationszeit von ca. 12 Tagen ent−

Bioterrorismus

wickelt sich unter dem Bild fieberhafter grippeähn− licher Symptome das typische, den echten Pocken

Die nach dem 11. September 2001 aufgeflammten Diskussionen zu möglichen Bedrohungen durch bio−

sehr ähnliche vesikuläre Exanthem. Die Letalität

terroristischen Einsatz von Pockenviren haben dazu

liegt bei ca. 10 %.

geführt, dass viele Länder neue Chargen von Pock− enimpfstoffen eingelagert und Pockenalarmpläne en−

In Europa ist die Wahrscheinlichkeit von importier−

tworfen haben. Das gilt auch für Deutschland. Für den Pockenalarmplan ist von Bedeutung, dass die

wenn der Patient sich innerhalb der vergangenen 3 Wochen in Regenwaldgebieten Zentral− oder West−

Impfung ihre Schutzwirkung auch noch entfalten kann,

afrikas aufgehalten hat und ein akutes Krankheits−

wenn sie bis etwa 5 Tage nach der Infektion

bild mit Fieber und pockenähnlichem vesikulärem

vorgenommen wird. In Deutschland stehen mittler−

Exanthem bietet.

weile wieder genügend Impfstoffe für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung. Pockenalarmplan gemäß Zivilschutzausnahmeverord−

Elektronenmikroskopie

nung vom 18.6 2003:

len. Alternativ sind auch eine Anzucht in Zellkultu− ren und der Nachweis durch PCR möglich.

Phase 1 Weltweit kein Pockenkrankheitsfall R Impf−

ten Affenpocken sehr gering. Verdacht besteht,

Der Virusnachweis wird aus Bläscheninhalt durch geführt

und

ermöglicht

eine morphologische Abgrenzung zu den Varizel−

empfehlung für Personen, die für Erkennung und

Bereits bei begründetem Verdacht muss der Patient

Behandlung von Verdachtsfällen ausgewählt wurden

isoliert und gemäß IfSG dem regionalen Gesund−

Phase 2 Pockenfall in einem entfernten Land

heitsamt und dem Robert−Koch−Institut gemeldet werden.

außerhalb Deutschlands R Impfung wichtiger Funk− tionsträger Phase 3 Pockenfall in Nachbarland oder Deutschland

9.3.5 Masern

R Abriegelungsimpfungen, evtl. Massenimpfungen

Masern werden vom weltweit vorkommenden, RNA−haltigen Masernvirus verursacht, das nur den

innerhalb von 4–5 Tagen.

[B05]

Menschen befällt. Die Masern sind hochkontagiös, sodass bereits im Kindesalter die meisten Infektio−

9.3.4 Affenpocken

[B04]

nen stattfinden. Ein besonderes Problem stellen die

Auch Tierpockenviren können den Menschen infi−

Masern in den Ländern des Südens dar, weil sie

zieren, lösen allerdings meistens nur milde Symp−

dort mit einer hohen Letalität einhergehen. Ver−

tome aus. Ausnahme ist das Affenpocken−Virus.

mutlich sind Masern weltweit für ungefähr die

Während der Pockenschutzimpfung bis ca. 1970 waren Geimpfte aufgrund der Kreuzimmunität

Hälfte aller theoretisch durch Impfung vermeidba− ren Todesfälle verantwortlich.

zwischen den meisten Pockenviren auch gegen Af−

Die WHO hat sich zum Ziel gesetzt, die Masern –

fenpocken geschützt. Seit 1970 wurden jedoch ver−

neben der Poliomyelitis – weltweit auszurotten.

mehrt Erkrankungsfälle in den tropischen Regen− waldgebieten Zentral− und Westafrikas gemeldet,

Der

die wahrscheinlich auf den nachlassenden Impf−

chung im Kindesalter immer wieder Ausbrüche

schutz zurückgeführt werden können. Daher wird impfstoffen (MVA) in den Endemiegebieten erwo−

vorkommen. So ist beispielsweise zu erklären, dass in Deutschland in den Jahren 2003 und 2005 we− gen Ausbrüchen insgesamt jeweils über 750 Fälle

gen.

gemeldet wurden, sich diese Zahl im Jahr 2004

Als natürliches Reservoir werden Rotschenkelhörn−

aber nur“ auf 121 belief.

chen angesehen; Affen infizieren sich wohl eher zufällig. Die Primärinfektion des Menschen geht

Nach Infektion des Nasopharyngealraums erreicht

von infizierten Tieren aus. Tröpfcheninfektionen

gionalen Lymphknoten, wo die erste Virusreplikati−

von Mensch zu Mensch sind jedoch prinzipiell

onsphase stattfindet und eine Lymphopenie mit

auch möglich.

Einschränkung der Immunabwehr induziert. Durch

jetzt wieder der Einsatz von attenuierten Pocken−

Mensch

infiziert

sich

vor

allem

durch

Tröpfcheninfektion, wobei trotz hoher Durchseu−

das lymphotrope Masernvirus sehr schnell die re−

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9 Haut, Weichteile und Skelett

295

Virusinfektionen

hämatogene Streuung gelangt das Virus in die Haut

um Epithelnekrosen, die durch die Virusvermeh−

und wieder in den Pharyngealbereich.

rung zustande kommen. Erst nach dem Enanthem (ab dem 14. Tag) entwickelt sich im Exanthemsta−

Klinik

dium von retroaurikulär ausbreitend das typische

Nach der Inkubationszeit von 8–12 Tagen entwi−

makulopapulöse Exanthem, dessen Flecken teilwei−

ckelt sich bei mehr als 95 % der Infizierten das Pro−

se konfluieren und meistens schon innerhalb von

dromalstadium, das durch grippeähnliche Symp−

24

tome mit hohem Fieber bis 41 8C, Katarrh in Form einer Rhinitis mit trockenem Husten sowie einer

(Abb. 9.18b). Das Exanthem bildet sich im Allgemei−

nen nach 4–5 Tagen zurück.

Konjunktivitis charakterisiert ist.

In ca. 20 % der Fälle kommt es zu Komplikationen:

Stunden

den

ganzen

Körper

betreffen

Otitis media mit eventuell dauerhafter Schädigung des Hörvermögens oder/und Pneumonie. Letztere

Praxistipp

zeigt sich als primäre, interstitielle Masernpneu−

In diesem Stadium weist die Symptomatik nicht auf die Infektion mit Masern hin, der Patient ist aber bereits für seine Mitmen− schen eine Infektionsgefahr.

monie, seltener als Riesenzellpneumonie mit viel− kernigen Riesenzellen (pathognomonisch für Ma− sern). Die Vorschädigung der Lunge kann u. U. eine bakterielle Pneumonie als Superinfektion nach sich ziehen. Auch eine generalisierte Lymphadenopa−

Erst ab dem 12. Krankheitstag kommt es zum typi−

thie, thrombozytopenische Purpura, Myokarditis

schen

und Keratitis können auftreten. Letztere ist in den

Wangenschleimhaut mit Koplik−Flecken (Abb. 9.18a). Dabei handelt es sich

a

Enanthem

der

anthem (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. A. Stich, Würzburg)

b

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Virusinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

Ländern des Südens eine der häufigsten Ursachen

tion bei einer späteren Schwangerschaft auch wei−

für Blindheit bei Kindern. Gefürchtet ist die Beteiligung des ZNS in Form ei−

testgehend einen Schutz vor Rötelnembryopathie.

ner Enzephalomyelitis mit EEG−Veränderungen, die

nuierte Lebendvakzine handelt, können in einigen

häufig mit Dauerschäden und einer hohen Letalität

Fällen Impfmasern als abgeschwächte Form der

einhergeht. Ohne ZNS−Beteiligung liegt die Letalität

Masern auftreten, die in der Regel keine schwer−

der Masern hierzulande bei unter 1 %. Die durchge−

wiegenden Folgen haben.

machte Infektion verleiht eine lebenslange Immu− nität.

Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod sind ge− mäß IfSG meldepflichtig. Außerdem besteht ein Tä−

Die Masern können die Immunabwehr supprimie−

tigkeits− und Aufenthaltsverbot in Gemeinschafts−

rend beeinflussen, so dass Superinfektionen oder

einrichtungen.

Da es sich beim Masernimpfstoff um eine atte−

sogar die Exazerbation einer Tuberkulose ermög− licht werden.

9.3.6 Röteln

Eine charakteristische Folgeerkrankung bei Kindern

Die Röteln (Rubeola, Rubella) werden vom Rubella−

und Jugendlichen ist die Subakute sklerosierende

virus verursacht und sind eine typische, weltweit

Panenzephalitis (SSPE), die zu den Slow−Virus−In− fektionen zählt (s. S. 118). Als infektiöses Agens

vorkommende Kinderkrankheit, die nur den Men− schen befällt. Sie werden insbesondere deshalb ge−

konnte ein Masernvirus mit defektem M−Protein

fürchtet, weil die Primärinfektion während der

identifiziert werden, das eine starke intrathekale

Schwangerschaft zur Rötelnembryopathie des Kin−

Antikörperproduktion induziert (Diagnostik!). Die SSPE entwickelt sich bei weit weniger als 1  der

des führen kann (s. S. 330).

Infizierten innerhalb eines Zeitraums von bis zu 10

Alter von 5–14 Jahren durch und erwerben dabei

Jahren nach der Primärinfektion und nimmt meis−

eine meist lebenslange Immunität. Der Mensch in−

tens einen langsam progredienten Verlauf von 1–3 Jahren Dauer. Der Patient entwickelt schrittweise

fiziert sich durch Tröpfchen− oder Schmierinfek− tion. Die Verhinderung der Übertragung ist

psychische Störungen bis hin zur Demenz, später

schwierig, da der Infizierte bereits ca. 6 Tage vor

epileptische Anfälle, Myoklonien und ein Dezereb−

Ausbruch des charakteristischen Exanthems das

rationssyndrom mit charakteristischen Veränderun−

Virus im Rachen und mit dem Urin ausscheidet

gen im EEG.

und damit infektiös für seine Mitmenschen ist. Nach der Infektion repliziert das Rubellavirus pri−

[B06]

Röteln machen normalerweise bereits Kinder im

MERKE

mär im nasopharyngealen Epithel und erreicht auf

Die SSPE führt immer zumTod!

dem lymphogen Weg die regionalen Lymphkno− ten. In der anschließenden virämischen Phase

Diagnostik und Prävention Die Diagnose erfolgt durch den serologischen Nachweis spezifischer IgM−Antikörper. Bei der SSPE wird die intrathekale Antikörperantwort mit Elek− trophorese nachgewiesen. Bisher lassen sich die Masern nicht kausal thera− pieren. Stattdessen wird präventiv die Impfung als kombinierte

Masern−Mumps−Röteln−(MMR−)Imp−

fung durchgeführt. Sie gehört in Deutschland zu den Regelimpfungen und sollte im Alter zwischen 11 und 14 Monaten und nochmals bis zum Ende des 2. Lebensjahres vorgenommen werden. Die 2. Impfung vermittelt aufgrund der MMR−Kombina−

kommt es zur Dissemination und Streuung in die Organe.

Klinik Nur ungefähr die Hälfte der Infektionen verläuft mit Symptomen. Die klinisch manifeste Erkrankung ist eine generalisierte Infektion mit Multiorganbe− teiligung, die nach einer Inkubationszeit von 10–14 Tagen Prodromalsymptome zeigt: grippeähnliche Beschwerden mit Kopfschmerzen, Rhinitis und Konjunktivitis, die sich kaum von denen der Ma− sern unterscheiden lassen. Hauptsymptom ist der charakteristische Hautaus− schlag, der – wie die Masern – hinter den Ohren

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Virusinfektionen

297

Diagnostik und Prävention Die Diagnose erfolgt serologisch durch Bestimmung von IgM−Antikörpern oder durch den Hämaggluti− nationshemmtest. Eine kausale Therapie ist bisher nicht möglich. Prä− ventiv wird die Kombinationsimpfung zusammen mit Masern− und Mumps−Impfstoffen (MMR−Imp− fung) eingesetzt.

9.3.7 Viruswarzen

[B07]

(vgl. S. 128)

Viruswarzen sind benigne, knotenartige, schmerz− lose Hautwucherungen, die von humanen Papillo− maviren (HPV) verursacht werden. Die mehr als 80 Genotypen haben ein unterschiedliches Potenzial zur Induktion gut− und bösartiger Gewebstumore. Die Verruca vulgaris ist die häufigste Warzenform. Sie wird von den HPV−Typen 1−4 verursacht und ist meistens an Händen und Füßen bei Kindern und Jugendlichen lokalisiert. Im späteren Lebensalter bilden sie sich oft spontan zurück. Plane Warzen (Verrucae planae juveniles) kommen vor allem bei Kindern und Jugendlichen an Stirn, Wangen und peroral vor. Auslöser ist HPV 3. Condylomata acuminata (Feig− oder Genitalwarzen, s. S. 326) sind kleine, teilweise konfluierende War− Abb. 9.19

Hautausschlag bei Röteln (aus Niessen: Pädiatrie)

zen, die in der Genital− und Analregion lokalisiert sind und die von HPV 6 und 11 ausgelöst werden.

beginnt und sich dann auf den ganzen Körper aus− breitet und nur 2–5 Tage anhält. MERKE

Es handelt sich dabei um kleine, scharf begrenzte, hellrote Makulae, die nicht konfluieren (Differen− zialdiagnose Masern, Abb. 9.19).

Die Infektion erfolgt durch direkten Hautkontakt oder durch Kontakt mit virushaltigem Warzenma− terial. Da das Virus sich in Hautzellen vermehrt, können z. B. infizierte Hautschuppen in feuchten Handtüchern und anderen Gegenständen für die Infektion verantwortlich sein. Wenn die Schutzfunktion der Haut durch Mikrolä− sionen unterbrochen ist, kann das Virus eindringen und sich in den Epithelzellen der Haut vermehren.

Charakteristisch ist die begleitende Lymphadenitis vor allem der nuchalen und retroaurikulären

Hier findet dann das faszinierende Wechselspiel zwischen Virus und Wirt statt, das letztlich zur

Lymphknoten. In seltenen Fällen kommen Arthral− gien der kleinen Gelenke oder eine Myo− bzw. Peri−

Warzenbildung führt: In den undifferenzierten Zel−

karditis vor. Die durchgemachte Infektion verleiht

somal vor. Eine vollständige virale Replikation fin−

eine lebenslange Immunität. Selten kommt es zur

det hier noch nicht statt. Das virale Genom wird

meist tödlich verlaufenden Autoimmunenzephali−

aber durch Teilung und Differenzierung der Wirts−

tis, die als progressive Panenzephalitis verläuft und wohl eine Slow−Virus−Disease“ ist.

zellen an die nachfolgenden Tochterzellen weiter−

len des Stratum basale liegt das virale Genom epi−

gegeben, die sich schließlich im Stratum corneum zu Keratinozyten differenzieren. Jetzt ist die Zeit für das virale Genom gekommen, den vollständigen replikativen Viruszyklus zu

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Virusinfektionen

9 Haut, Weichteile und Skelett

durchlaufen und die Early−Proteine E6 und E7 zu bilden. Bei den HPV−Typen 16 und 18, die eine grundlegende Beteiligung bei der Entwicklung des Zervixkarzinoms haben, bindet das virale Protein E6 an das wirtszelleigene Tumorsuppressorprotein p53 und das virale Protein E7 an das zweite wirts− zelleigene Tumorsuppressorprotein pRB. Im Gegensatz dazu bindet das Protein E6 der HPV− Typen 1–4 nicht an p53, und die Bindung des vira− len Proteins E7 an pRB ist nur schwach ausgeprägt. MERKE

Die vom HPV−Typ abhängige Bindung an die Tu− morsuppressorproteine bestimmt, ob es zur ma− lignen Transformation der infizierten Zelle kommt oder ob eine benigne Warze entsteht.

Abb. 9.20 Mollusca contagiosa: weißliche, zentral einge− dellte Papeln (aus Sterry, Paus: Checkliste Dermatologie)

direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertra− gen. Die Diagnose kann durch PCR oder histolo− gisch gesichert werden. Eine Anzucht ist nicht

Die schwache Bindung des viralen Proteins E7 der

möglich. Aus kosmetischen Gründen können die

HPV−Typen 1–4 an das Tumorsuppressorprotein

Dellwarzen therapeutisch mit einem scharfen Löf− fel abgetragen werden.

pRB bewirkt eine Aktivierung der Transkription mit nachfolgender unkontrollierter Zellteilung. Resultat dieses Prozesses ist eine epitheliale Hyperplasie,

Exanthema subitum (vgl. S. 127)

ohne dass es dabei zur malignen Transformation der Zelle kommt (da p53 ja nicht gehemmt wird).

Das Exanthema subitum (syn. Dreitagefieber) wird vom Humanen Herpes−Virus 6 (HHV 6) verursacht.

Die so entstandene gutartige, lokal begrenzte Haut−

Es kommt vor allem bei Säuglingen und Kleinkin−

warze bildet sich im Laufe von Monaten bis Jahren

dern bis zum 16. Lebensmonat vor und verursacht

unter Einwirkung zytotoxischer T−Zellen allmählich

meistens keine klinischen Symptome. Mit 2 Jahren

zurück. Eine mikrobiologisch−virologische

sind ca. 95 % aller Kinder infiziert. Untersuchung

Nach Übertragung durch Tröpfchen oder Speichel

von Hautbiopsien ist in der Regel nicht notwendig,

kommt es nach einer Inkubationszeit von 5–10 Ta−

wäre aber prinzipiell durch molekularbiologische Verfahren (PCR, Hybridisierung) möglich. Therapeu−

gen zunächst zur Primärinfektion, die sich als akut auftretendes, 3–5 Tage anhaltendes Fieber mit Leu−

tisch kann die Warze operativ oder durch Kryo−

kozytose präsentiert. Anschließend entwickelt sich

und andere Verfahren beseitigt werden.

unter Fieberabfall und ausgehend vom Rücken das

9.3.8 Sonstige Virusinfektionen mit Haut− Schleimhaut−Beteiligung [B08] Molluscum contagiosum

das von einer extremen Leukopenie und Lympho−

3 Tage andauernde typische Exanthem (Abb. 9.21), zytose begleitet wird und unter Abblassung ohne

Der Erreger gehört innerhalb der Familie der Poxvi− ridae zur Gattung Molluscipoxvirus und verursacht

Schuppen verheilt. In seltenen Fällen kann als Komplikation eine Enzephalitis eintreten. Das DNA−Virus persistiert nach der Primärkrank−

gutartige epidermale Tumoren, die auch als Dell−

heit im Latenzstadium in CD4−positiven T−Lympho−

warzen oder Molluscum contagiosum bezeichnet

zyten, um bei Immunsuppression (z. B. nach Kno−

werden (Abb. 9.20). Diese weißlichen, zentral einge−

chenmarktransplantation) reaktivieren zu können.

dellten Papeln können am ganzen Körper, außer

Hierbei stehen eine Pneumonie, Hepatitis und Cho−

den Palmar− und Plantarflächen, vorkommen und

rioretinitis im Vordergrund.

heilen meist nach einigen Monaten spontan ab.

Die Diagnose wird durch PCR aus Rachenspülwas−

Das weltweit vorkommende DNA−Virus wird durch

ser oder Speichel oder serologisch durch Antikör−

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Virusinfektionen

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nicht notwendig, da die Erkrankung nach 1–2 Wo− chen spontan ausheilt. Aufgrund der typischen kli− nischen Manifestation erübrigt sich hier in der Re− gel eine infektiologisch−virologische Diagnostik. Beim Erwachsenen kann sich Parvovirus B19 inner− halb des Knochenmarks in erythropoiden Vorstu− fenzellen vermehren und diese anschließend zer− stören. Dadurch kommt es bei Patienten, die ohnehin an Anämien leiden (z. B. hereditäre, chro− nische hämolytische Anämie, Sichelzellanämie) zu Abb. 9.21 Hauteffloreszenzen beim Exanthema subitum (mit freundlicher Genehmigung von PD Dr. U. Reichard, Göttingen)

aplastischen Krisen. Beim ansonsten gesunden Er− wachsenen verläuft die Parvovirus−Infektion in al− ler Regel jedoch ohne Symptome. Parvovirus−asso− ziierte

Thrombozytopenien,

Neutropenien

und

perbestimmmung gestellt. Therapeutisch haben

Arthritiden können aber vorkommen. In 20–30 %

Ganciclovir oder Foscarnet Erfolge gezeigt.

kann die Infektion in ein persistierendes Stadium übergehen.

Erythema infectiosum

Gefährlich ist die Infektion während des 2. und 3.

Erreger des Erythema infectiosum (syn. Ringelrö−

Trimenons der Schwangerschaft, da es dann zum

teln) ist das weltweit vorkommende Parvovirus

Hydrops fetalis kommen kann, der in ca. 70 % zum Abort führt.

B19. Es besitzt eine einzelsträngige DNA und ist mit einem Durchmesser von 20–28 nm sehr klein. In unseren Breiten sind 40–60 % der Bevölkerung se−

Für die Diagnose werden in der Regel serologische

ropositiv. Die Ringelröteln sind eine klassische Kinderkrank−

IgG−Antikörper eingesetzt. Während der virämi− schen Phase ist der direkte Virusnachweis aus Blut

heit. Nach aerogener Infektion und einer Inkubati−

mit Hilfe der PCR oder ggf. der Elektronenmikro−

onszeit von 2–3 Wochen tritt ein eigentlich harm− loses, typisches, rezidivierendes Exanthem im

skopie möglich.

Gesicht oder an den Extremitäten mit girlandenför−

tion unbedingt vermieden werden (z. B. kein Auf− enthalt bei Ringelröteln im Kindergarten). Sollte es

migen Figuren auf (Abb. 9.22). Da die Effloreszenzen sich dabei fast täglich ändern, wird die Erkrankung auch als Ringelröteln bezeichnet. Eine Therapie ist

Verfahren zum Nachweis spezifischer IgM− und

Während der Schwangerschaft sollte eine Exposi−

dennoch zu einer Infektion kommen, so kann durch frühe passive Immunisierung (Immunglobu− lingabe) die diaplazentare Übertragung des Virus verhindert werden. Ein intrauteriner Blutaustausch kann zur Verhinderung der Erkrankung des infizier− ten Föten beitragen. Die oft asymptomatische virämische Phase ist durch sehr hohe Viruskonzentrationen charakteri− siert, so dass eine Übertragung durch Blutprodukte vorkommen kann.

Vesikuläre Pharyngitis durch Enteroviren (Herpangina) Die Herpangina wird von Coxsackie−A−Viren verur− sacht. Nach fäkal−oraler Übertragung oder durch Aufnahme von kontaminierten Lebensmitteln oder Abb. 9.22 Erythema infectiosum: Exanthem mit girlan− denförmigen Figuren (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. S. Modrow, Regensburg)

Wasser vermehrt sich das Virus zytolytisch in den Epithelzellen des Oropharynx. Betroffen sind vor

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Infektionen von Weichteilen, Knorpel und Knochen

9 Haut, Weichteile und Skelett Boden einer Bakteriämie oder postoperativ nach Eingriffen an der Wirbelsäule. Der hierzulande am häufigsten nachgewiesene Erreger ist neben Sta− phylococcus aureus vor allem Mycobacterium tuber− culosis. Klinik y Im Vordergrund der Erkrankung stehen Rückenschmerzen mit daraus resultierender Fehl− haltung, die wiederum die Rückensymptomatik verstärkt. Bei Ausdehnung des entzündlichen Pro− zesses sind Wurzelkompressionen mit Lähmungs−

Abb. 9.23 Herpangina: kleine Bläschen mit rotem Ent− zündungshof (Pfeil), (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. W. Steiner, Göttingen)

erscheinungen möglich. Diagnostik y Bildgebende Verfahren sind wegwei− send für die Diagnose. Im Rahmen der chirurgischen Therapie sollte Material für die mikrobiologische und histologische Diagnostik gewonnen werden.

allem Kleinkinder. Nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen bis zu 6 Wochen kommt es zu ei−

Therapie y Bei S. aureus sollte die Wahl des Anti− biotikums neben der Empfindlichkeit des Erregers

nem abrupten Fieberschub mit gastrointestinalen

(z. B. Flucloxacillin oder Linezolid) auch die Gewe−

Symptomen. Typisch sind kleine Bläschen mit ro− tem Entzündungshof, die im Bereich des weichen

begängigkeit (z. B. unter Einbeziehung von Clinda−

Gaumens, der Tonsillen und der Uvula auftreten

mycin) berücksichtigen. Bei M. tuberculosis ist eine adäquate antituberkulöse Therapie indiziert.

und sich spontan innerhalb von 2 Wochen zurück− bilden (Abb. 9.23). Aufgrund der Spontanheilung und des typischen klinischen Befundes erübrigt

9.4.2 Myositis

[M60]

sich in der Regel eine mikrobiologische Diagnostik,

Die beiden wichtigsten bakteriellen Infektionen der Muskulatur sind die durch Streptococcus pyogenes

die prinzipiell z. B. durch PCR aber möglich wäre.

verursachte Fasziitis necroticans (s. S. 313) und der

9.4 Infektionen von Weichteilen, Knorpel und Knochen

(s. S. 287). Die typische klinische Symptomatik die−

durch Clostridium perfringens bedingte Gasbrand ser Erkrankungen mit rascher Progredienz ist weg− weisend für die Diagnose. Das Ergebnis des direk−

Key Point:

ten

Entzündliche Erkrankungen der Wirbelsäule entwickeln sich meistens hämatogen auf dem Boden einer Bakteriämie oder postope− rativ nach Eingriffen an der Wirbelsäule. Sta− phylococcus aureus und Mycobacterium tu− berculosis stehen hierzulande als Erreger im Vordergrund. Die beiden wichtigsten bakteriellen Infektio− nen der Muskulatur sind die Fasciitis necroti− cans und der Gasbrand. Außerdem ist an Wurmbefall zu denken (Taenien, Trichinen).

Erregernachweises aus dem Infektionsherd darf für die Therapie nicht abgewartet werden. Diese muss

mikroskopischen

und

kulturellen

schnellstens erfolgen und besteht aus chirurgischen Maßnahmen und der Gabe von Penicillin G plus Clindamycin. Vor allem in Ländern mit ungenügender Fleischhy− giene bzw. ungenügender Fleischbeschau ist auch an Trichinen zu denken. Bei Taenia−solium−Befall besteht durch potenzielle Infektion mit den Schweinebandwurm−Eiern die Gefahr der Zystizer− kose (s. S. 462). Wichtige Hinweise können Eosino− philie und Muskelschmerzen sein. Die Diagnose

9.4.1 Spondylitis bzw. Spondylodiszitis

[M46]

wird durch Antikörpernachweis gestellt. Therapeu−

Die entzündliche Erkrankung der Wirbelsäule wird

tisch wirksam gegen beide Wurmarten ist Alben−

als Spondylitis bezeichnet, bei Einbeziehung der

dazol; wirksamer bei der Zystizerkose ist aber oft

Bandscheibe wird von Spondylodiszitis gesprochen.

Praziquantel.

Sie entwickeln sich meistens hämatogen auf dem

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Infektiöse Arthropathien

In Südamerika sei darüber hinaus auf die Möglich−

Bei Kindern werden neben S. aureus vor allem

keit der Chagas−Krankheit durch T. cruzi hingewie− sen (s. S. 448).

Streptococcus pyogenes und Haemophilus influenzae

301

als Erreger nachgewiesen. Klinik y Oft weisen lediglich plötzlich auftretende

9.4.3 Osteomyelitis

[M86]

Schmerzen im Knie− oder Unterschenkel− bzw.

Bei der Osteomyelitis sind Knochen und Knochen−

Rückenbereich in Zusammenhang mit einer Schon−

mark infiziert. Die akute Osteomyelitis entsteht hä−

haltung auf eine Osteomyelits hin. Unter Umständen

matogen und manifestiert sich meist am Femur oder der Tibia, im Erwachsenenalter auch an der

ist eine lokale Schwellung bei Befall von Gliedma− ßenknochen sichtbar. Darüber hinaus bestehen oft

Wirbelsäule (meistens Lumbalregion). Die akute

Fieber und eine allgemeine Mattigkeit.

kann in eine chronische Osteomyelitis übergehen (Abb. 9.24).

Diagnostik y Bildgebende Verfahren, wie MRT, CT und Szintigraphie, stehen meistens im Zentrum der

In mehr als 70 % ist Staphylococcus aureus der Erre−

initialen Diagnosestellung. Die serologische Unter−

ger. In den Ländern des Südens spielen auch Sal−

suchung auf Staphylokokken−spezifische Antikörper

monellen eine wichtige Rolle. Bei Erwachsenen ist

(ASTA) kann bei S.−aureus−bedingter Osteomyelitis

darüber hinaus vor allem an Enterobacteriaceae (E. coli), Pseudomonas aeruginosa und vor allem bei

einen ersten wichtigen Hinweis auf die Ursache der Erkrankung liefern. Für die direkte mikrobiologische

Infektion der Wirbelsäule an Mycobacterium tuber−

Diagnostik sind vor allem Nadelaspirate, Knochen−

culosis zu denken.

biopsien oder die direkte Materialentnahme am Infektionsherd im Rahmen eines therapeutisch− chirurgischen Eingriffs geeignet. Blutkulturen sind zwar weniger invasiv, dafür aber auch nur in ca. 50 % der Fälle diagnostisch verwertbar. Therapie y Bereits bei begründetem Verdacht ist die Gabe eines Breitbandantibiotikums unter Berück− sichtigung der Staphylokokken−Wirksamkeit und guter Knochenpenetrationsfähigkeit angezeigt (z. B. Amoxicillin/Clavulansäure oder neuere Cephalo− sporine; bei V.a. MRSA Linezolid) und die betroffene Extremität ruhig zu stellen. Nach Vorliegen des Erregernachweises inklusive Antibiogramm wird die Therapie gezielt um− bzw. fortgesetzt. Meistens ist eine zusätzliche chirurgische Vorgehensweise

a

zur Ausräumung des Infektionsherdes und Platzier− ung lokaler Antibiotika (z. B. Gentamicin) nicht zu umgehen.

9.5 Infektiöse Arthropathien Key Point

b Abb. 9.24 a Chronische Osteomyelitis der Tibia mit dazu− gehörigem b Röntgenbefund (mit freundlicher Genehmi− gung von Dr. W. Boes, Duderstadt)

Die infektiöse oder septische Arthritis kann als direkte Infektion über eine Wunde (Punk− tion, Injektion) oder im Rahmen einer andau− ernden Infektion entstehen, z. B. bei Sepsis. Seltener sind fortdauernde Infektionen im Rahmen einer Tuberkulose bzw. durch Gono− kokken, Pilze, Brucellen oder Parasiten.

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302

Infektiöse Arthropathien

9 Haut, Weichteile und Skelett

Bei der reaktiven Arthritis tritt die Entzün− dung begleitend oder nach einer Infektions− krankheit auf. Im Gelenk können keine leben− den Erreger nachgewiesen werden.

Klinik y Das betroffene Gelenk ist aufgrund eines Gelenkergusses meistens schmerzhaft geschwollen, weshalb der Patient eine Beuge−Schonhaltung ein− nimmt. Außerdem ist das Gelenk in der Regel gerötet und überwärmt (DD reaktive Arthritis).

9.5.1 Eitrige Arthritis

[M00, M01.3]

Meistens besteht auch hohes Fieber.

Bei der eitrigen oder septischen Arthritis handelt es sich um eine meist bakteriell bedingte Infektion des Gelenks, die in der Hälfte der Fälle auf hämato− genem Weg erfolgt. Auch eine nosokomiale Infek− tion im Rahmen einer vorausgegangenen Gelenks− operation oder −punktion ist möglich. Beim Erwachsenen sind vor allem Staphylococcus

Praxistipp Die körperliche Untersuchung sollte alle Or− gansysteme einbeziehen, um Rückschlüsse auf eine mögliche Genese der Gelenkbeteili− gung zu ziehen.

aureus, Streptococcus pyogenes (GAS) und Entero− bacteriaceae verursachende Erreger, seltener Pneu− mokokken, Gonokokken oder Mycobacterium tuber− culosis. Im Kindesalter ist Haemophilus influenzae

Diagnostik y Die Ergussbildung stellt sich radiolo−

der wichtigste Erreger. Auch im Rahmen einer In−

reits ein Zeichen der Knorpelzerstörung im fortge−

fektion mit Parvovirus B19 kann es zum direkten

schrittenen Infektionsstadium (Abb. 9.25).

Virusbefall der Gelenkmembran kommen, ebenso

So schnell wie möglich sollte eine Gelenkpunktion

wird in der Frühphase von Masern, Mumps, Röteln

durchgeführt werden, um die mikrobiologische

und Varizellen sowie bei Hepatitis−B eine passagere

Diagnostik durch Mikroskopie und Kultur sowie

Gelenkbeteiligung beobachtet.

ggf. mit Hilfe der universellen PCR durchzuführen:

MERKE

Im Gegensatz zur direkten bakteriellen Gelenkin− fektion sind bei den viral bedingten Arthralgien Ablagerungen von Antigen−Antikörperkomplexen für die Symptomatik verantwortlich.

gisch durch Verbreiterung des Gelenkspalts dar. Eine Verschmälerung des Gelenkspalts ist dagegen be−

Dabei werden ungezielt bakterielle Gensequenzen gesucht und diese anschließend sequenziert. Bei Verdacht auf Borreliose (Lyme−Arthritis, s. u.) oder eine virale Genese steht der gezielte Anti− körpernachweis im Vordergrund. Therapie y Die Therapie besteht in der Ruhigstellung des Gelenks, der arthroskopischen Spül−Saugdrai− nage und ggf. weiterer chirurgischer Maßnahmen sowie der Gabe von Antibiotika. Dabei werden Abb. 9.25 a Postopera− tive eitrige Arthritis, b zum Vergleich das ge− sunde Gelenk (aus Hof, Dörries: Duale Reihe Me− dizinische Mikrobiologie) Abb. 9.26 Reaktive Ar− thritis mit Schwellung des linken Sprunggelenks nach enteraler Yersiniose

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9 Haut, Weichteile und Skelett

Infektiöse Arthropathien

zunächst Breitspektrumantibiotika (z. B. Cephalo−

der Lyme−Arthritis dadurch, dass sie bereits Tage

sporine oder Amoxicillin/Clavulansäure) gegeben, bis eine Anpassung in Abhängigkeit vom Erreger−

bis Wochen nach einer akuten Infektion des Uroge−

nachweis erfolgen kann.

tritt und als Oligoarthritis der unteren Extremitä−

303

nital−, Gastrointestinal− oder Respirationstrakts auf− ten imponiert. Vor allem Knie− und Sprunggelenke

MERKE

sind betroffen (Abb. 9.26).

Diagnostik und Therapie sollten so schnell wie möglich erfolgen, um eine folgenlose Ausheilung zu ermöglichen. Ist der Knorpel erst einmal ge− schädigt, ist meist nur noch eine Defektheilung möglich.

Die wahrscheinlichsten Ursachen in Abhängigkeit

9.5.2 Lyme−Arthritis (vgl. S. 69)

[M01, auch A69]

Die Lyme−Arthritis wird vor allem von B. burgdor− feri sensu strictu verursacht und manifestiert sich erst Monate bis Jahre nach einer akuten Infektion im Stadium III der Borreliose. Betroffen sind vor al− lem die großen Gelenke der unteren Extremitäten. Es ist bisher nicht eindeutig klar, ob der Erreger im Gelenk persistiert oder nicht. Die meisten Patienten können sich weder an einen vorausgegangenen Zeckenstich noch an ein Erythema migrans erin− nern. Für die Diagnose steht vor allem der Anti−

der Lokalisation einer vorangegangenen Infektion sind in Tab. 9.2 aufgeführt. Besonders häufig sind Patienten betroffen, die das HLA−Antigen B27 aufweisen. Die Persistenz be− stimmter Antikörper weist auf eine Erreger− oder Antigenpersistenz, z. B. im lymphatischen Gewebe, hin. Darüber hinaus muss vor allem bei Kindern nach einem Racheninfekt mit Streptococcus pyoge− nes mit der Poststreptokokken−Arthritis im Rahmen des rheumatischen Fiebers gerechnet werden (s. S. 42). Klinisch unterscheidet sich der Lokalbe− fund von der eitrigen Arthritis vor allem darin, dass eine Überwärmung und Rötung des betroffe− nen Gelenks nur selten nachweisbar sind. Ansons− ten liegt aber auch eine schmerzhafte Schwellung mit Beuge−Schonhaltung vor. Die Arthralgien heilen meistens nach 3 Wochen spontan ab.

körpernachweis zur Verfügung. Eine PCR aus Ge− lenkpunktat ist nur relativ selten erfolgreich. Die

Tabelle 9.3

Therapie erfolgt in erster Linie mit Ceftriaxon für 3 Wochen.

Differenzialdiagnose der S.−pyogenes−bedingten Arthritis

9.5.3 Reaktive und postinfektiöse Arthritis

Erkrankung

Hinweise

akutes rheumatisches Fieber

O ca. 18 Tage nach Angina lacunaris bzw. Scharlach O Beteiligung der großen Gelenke (wechselnde Gelenke!) R Spontanhei− lung nach 3 Wochen O Pankarditis O Chorea minor O gutes Ansprechen auf Azetylsalizylsäure (ASS)

Poststreptokokken−Arthritis

O innerhalb von 10 Tagen nach Angina lacunaris O symmetrische Polyarthritis O keine Karditis O Dauer über mehrere Monate O kein Ansprechen auf Azetylsalizylsäure (ASS)

[M02–M03]

Die reaktive bzw. postinfektiöse Arthritis ist eine sterile Arthritis, bei der keine Erreger im Gelenk nachgewiesen werden. Sie unterscheidet sich von

Tabelle 9.2 Ursachen in Abhängigkeit der Lokalisation der vorange− gangenen Infektion Lokalisation

Erreger

Urogenitaltrakt

Chlamydia trachomatis Mycoplasma hominis

Gastrointestinaltrakt

Yersinia enterocolitica Salmonella enterica Campylobacter jejuni

Respirationstrakt

Mycoplasma pneumoniae Chlamydophila pneumoniae Neisseria meningitidis

Rachen (Kinder)

Streptococcus pyogenes

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304

Infektiöse Arthropathien

9 Haut, Weichteile und Skelett

MERKE

Bei der reaktiven Arthritis bestehen im Gegensatz zur infektiösen Arthritis meist keine Rötung und Überwärmung des Gelenks. Eine Sonderstellung nimmt die S.−pyogenes−bedingte Gelenkbeteili− gung ein (Tab. 9.3). Die Diagnose der reaktiven Arthritis wird durch den Antikörper−Nachweis gegen zu erwartende Er− reger (s. Tab. 9.2) gestellt. Für die gezielte Untersu− chungsanforderung ist daher eine gute Anamnese− erhebung wesentlich.

Praxistipp Fragen Sie den Patienten, ob er z. B. Durch− fall oder Atemwegsbeschwerden einige Wochen vor Beginn der Arthralgien hatte. Unter Umständen gelingt sogar auch noch der di− rekte Erregernachweis am Ort der Primärinfektion. Die gezielte Antibiotikatherapie richtet sich nach dem Ergebnis der Serologie, sollte aber in Anbe− tracht der hohen Spontanheilungsrate eher zurück− haltend erfolgen. Ansonsten sind bei darmpathoge− nen Erregern vor allem Chinolone, bei Chlamydien und Mykoplasmen Tetracycline und bei S. pyogenes und Meningokokken vor allem Penicillin therapeu− tische Optionen.

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Kapitel

10

Infektionen des Urogenital− bereichs einschließlich Geschlechtskrankheiten 10.1

Infektionen des Nieren− und Harnsystems 307

10.2

Entzündliche Krankheiten der Becken− und Genitalorgane 313

10.3

Sexuell übertragbare Krankheiten 315

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306

Klinischer Fall

leon Das infektiologische Chama

Geschwür am Penis Dr. Berger untersucht Christoph von Kopf bis Fuß. Er fin− det rötliche, leicht nässende, papulöse Effloreszenzen an den Extremitäten sowie am Stamm und am Kopf. Die Hautveränderungen schmerzen zwar nicht, doch insbe− sondere an den Handflächen empfindet Christoph sie als sehr störend. Bei der weiteren körperlichen Untersu− chung fällt Dr. Berger eine generalisierte Lymphadenitis auf, d.h. die Lymphknoten sind am ganzen Körper ver− größert tastbar und schmerzen. Dr. Berger runzelt die Stirn: Auf den ersten Blick ist die Diagnose nicht zu stel− len. Und die Anamnese ist völlig unauffällig. Der Patient hatte noch nie Hautprobleme und ist auch ansonsten selten krank. Medikamente nimmt er nicht ein. Dennoch wird Dr. Berger das Gefühl nicht los, dass etwas Ernst− haftes dahinter steckt. Ein akutes HIV−Exanthem? Oder Lues? Sind Ihnen in letzter Zeit Hautveränderungen an Ihrem Penis aufgefallen?“, fragte Dr. Berger. An mei− nem Penis?“, wiederholt Christoph und merkt, wie er rot wird. Nein, nein“, stottert er, oder vielmehr, jetzt, wo Sie fragen“. Und er erzählt, dass er vor etwa zwei Mo− naten ein hartes, schmerzloses Geschwür an seinem Pe−

Hautmanifestationen im Stadium Lues II

nis bemerkt hat. Da dieses aber spontan abgeheilt sei, hat er ihm damals keine Bedeutung beigemessen. Dr.

Über viele Jahrhunderte hinweg war die Syphilis, auch

Berger nickt. Die Beschreibung passt zu einem so ge−

Lues genannt, eine gefährliche und unheilbare Ge−

nannten Ulcus durum.

schlechtskrankheit. Der Komponist Robert Schumann litt daran, der Schriftsteller Charles Baudelaire ebenso. Ob

Partnerbehandlung erforderlich!

sich Nietzsche, Heine, Napoleon und viele andere Persön−

Ich würde bei Ihnen gerne einige Bluttests durchführen,

lichkeiten ebenfalls mit dem Bakterium Treponema palli−

unter anderem auf Lues und zur Sicherheit auch auf eine

dum infiziert haben, ist nicht sicher. Dass allerdings der

Infektion mit HIV“, sagt Dr. Berger. Christoph bekommt

italienische Abenteurer Casanova an Syphilis gelitten hat,

einen Riesenschreck, aber Dr. Berger versichert ihm, dass

gilt als wahrscheinlich. Während sich Casanova noch mit

er nicht glaubt, dass Christoph an AIDS erkrankt ist. Als

dem toxischen Quecksilber einrieb, um seine Erkrankung

Christoph in der darauffolgenden Woche wieder zu Dr.

zu besiegen, gibt es heute ein wirkungsvolles Medikament

Berger kommt, ergibt die serologische Untersuchung

gegen Syphilis: Penicillin. Auch der Student Christoph aus

keinen Anhalt für eine HIV−Infektion. Die Luesserologie

der folgenden Fallgeschichte kann damit behandelt wer−

zeigt folgende Werte: TPHA 1: 64 000, VDRL positiv,

den.

IgM positiv. Das bedeutet, dass Sie an Syphilis erkrankt sind“, erklärt Dr. Berger. Syphilis?!“, entfährt es Chri−

Peinliche Pickel

stoph, ist die nicht schon ausgestorben?“ Leider nein“,

Patrick hat sie schon in der siebten Klasse gehabt. Giu−

sagt Dr. Berger, aber im Gegensatz zu früher ist die Er−

seppe und Bert haben später daran gelitten. Christoph

krankung heutzutage gut behandelbar.“ Er erläutert

ist als einziger der Clique davon verschont geblieben:

auch, dass Christoph an einer frühen Form der Syphilis

Diese furchtbaren, peinlichen Pickel und Mitesser hatte

leidet. Die heute selten gewordene Spät− oder Tertiärsy−

er nie. Um so mehr ärgert ihn, dass er jetzt, mitten im

philis kann u. a. zu neurologischen Ausfällen oder zur De−

Studium, doch noch Akne bekommen muss. Ist er mit

menz führen.

22 nicht schon zu alt dafür? Eine Weile hilft er sich mit

Christoph erhält in der Arztpraxis eine Kurzzeitinfusion

Mitteln und Cremes aus der Drogerie, doch schließlich

mit Penicillin. Anschließend wird die Penicillin−Therapie

sucht er einen Hautarzt auf.

oral weiter geführt. Bis zum Abschluss der Behandlung soll Christoph keinen Geschlechtsverkehr haben. Auch die nette Kommilitonin, mit der Christoph erst seit zwei Monaten befreundet ist, muss zum Arzt gehen und sich eventuell behandeln lassen. Und das ist Christoph wirk− lich sehr peinlich!

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10 Urogenitalbereich/Geschlechtskrankheiten

10 Infektionen des Urogenital− bereichs einschließlich Geschlechtskrankheiten 10.1 Infektionen des Nieren− und Harnsystems [N16, N30–N39]

Nieren− und Harnsystem

307

sich nach kürzerem oder längerem Intervall durch Aszension eine Infektion des Nierenparenchyms entwickelt.

10.1.1 Zystitis und Pyelonephritis Häufigster Infektionsweg ist die Aszension der meist aus der Fäkalflora stammenden Erreger über

Key Point Vor allem Frauen leiden an Harnwegsinfek− tionen, da die kurze Harnröhre das Eindrin− gen von Keimen begünstigt. Betroffen sind aber auch ältere Männer, wenn eine ver− größerte Prostata den Harnabfluss stört.

die Urethra als Eintrittspforte. Die Infektion kann seltener auch hämatogen erfolgen. Die Ansiedlung der Erreger wird erheblich begünstigt durch ver− schiedene prädisponierende Faktoren: Länge der Urethra: Frauen haben aufgrund der Kürze ihrer Urethra häufiger Harnwegsinfekte als Männer

Harnwegsinfektionen sind die häufigsten bakteriel−

Lokale pathologisch−anatomische Veränderungen

len Infektionen des Menschen. Es wird zwischen

bzw. Einengungen des Urogenitaltraktes (Strik− turen, Tumore, Steine, Missbildungen, Prostata−

der Infektion des oberen Harntraktes (Nierenbe− cken und Ureter) und der des unteren Harntraktes (Harnblase und Urethra, Prostata) unterschieden: Pyelonephritis: Entzündung des Niereninterstiti−

hypertrophie, Schwangerschaft), die zu Abfluss− behinderungen

führen:

Wo

Stase,

da

Infektion.“

ums und Nierenbeckenkelchsystems

Veränderungen des hormonellen Gleichgewich−

Zystitis: Entzündung der Harnblase

tes und der allgemeinen Abwehrlage (z. B.

Urethritis: Entzündung der Harnröhre

Schwangerschaft, Diabetes mellitus)

Prostatitis: Entzündung der Prostata. Erregeransiedlungen in den ableitenden Harnwe−

diagnostische oder therapeutische Eingriffe (Ka− theterisieren, Instrumentationen, Operationen).

gen stellen häufig nur das Vorstadium dar, aus dem

Circa 40 % der nosokomialen Infektionen auf

Abb. 10.1

Infektionen des Urogenitalbereichs und Geschlechtskrankheiten

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308

Nieren− und Harnsystem Normalstationen

sind

10 Urogenitalbereich/Geschlechtskrankheiten Harnwegsinfektionen,

fektion) oder in wechselnder Kombination (Misch−

meist infolge eine Katheterisierung. Vom Verlauf her lassen sich akute und primär oder

infektion) auftreten können. Wegen der engen

sekundär chronische Erkrankungen unterscheiden.

meist aus dem Darm, wo sie als fakultativ patho