Koordination von Marketing und Vertrieb : Determinanten, Gestaltungsdimensionen und Erfolgsauswirkungen 9783835005013, 3835005014, 9783835093416, 383509341X [PDF]


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Koordination von Marketing und Vertrieb : Determinanten, Gestaltungsdimensionen und Erfolgsauswirkungen
 9783835005013, 3835005014, 9783835093416, 383509341X [PDF]

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Zitiervorschau

Kerstin Haase Koordination von Marketing und Vertrieb

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Kundenmanagement& Electronic Commerce Herausgegeben von Professor Dr. Manfred Krafft UniversitatMiinster

Neue, interaktive Medien und die damit einhergehenden Moglichkeiten, einzelne Kundenbeziehungen datengeschiitzt optimal zu gestalten, verandern die wissenschaftliche und unternehmerische Landschaft nachhaltig. Mit dieser Schriftenreihe wird ein Forum fur innovative und anspruchsvolle Beitrage geschaffen, die sich mit Fragen des Customer Relationship Management des Direktmarketing, des Electronic Commerce, der marktorientierten Unternehmensfiihrung und desVetriebsmanagements auseinandersetzen.

Kerstin Haase

Koordination von Marketing und Vertrieb Determinanten, Gestaltungsdimensionen und Erfolgsauswirkungen

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Manfred Krafft

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnetdiese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet iiber abrufbar.

Dissertation WHU - Otto Beisheim School of Management, Vallendar, 2006

l.AuflageGktober2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel/Stefanie Loyal Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieBlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung aufSerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fiir Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden diirften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, SchefJIitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0501-4 ISBN-13 978-3-8350-0501-3

Geleitwort Marketing und Vertrieb zahlen als betriebliche Funktionen zu den zentralen, wenn nicht einzigen eriosgenerierenden Unternehmensbereichen. Aufgrund dieser Bedeutung ist es im Interesse jedes Unternehmens, dass diese Funktionsbereiche optimal aufeinander abgestimmte Strategien entwickein und koordiniert umsetzen. Erstaunlicher Weise zeigt ein Blick in die unternehmerische Praxis, dass diese Aufgabenbereiciie sehr oft nebeneinander her agieren, unkoordinierte Aktivitaten entfalten und demzufolge suboptimal handeln. Aufgrund des Stellenwerts dieser Problematik wijrde man nun erwarten, dass sich zahlreiche theoretisch-konzeptionelle und empirische Beitrage mit dieser Fragestellung auseinandergesetzt haben, was aber definitiv nicht der Fall ist. Dieser Forschungslucke hat sich Frau Haase in der vorliegenden Arbeit angenommen und konzentriert sich dabei auf drei zentrale Fragestellungen. Erstens untersucht sie den Einfluss ausgewahlter Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und Vertrieb. Zweitens priift Frau Haase die Effekte, die von einem Einsatz kultur-, struktur-, personen- und systembezogener Koordinationsmechanismen auf die Zusammenarbeit der beiden Bereiche ausgehen. Die dritte Forschungsfrage gilt der Thematik, inwieweit die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb den Unternehmenserfolg (gemessen als okonomischer Erfolg bzw. in Form der Reduzierung dysfunktionaler Konflikte) beeinflusst. Die Arbeit von Frau Haase erweitert mit der meines Wissens erstmaligen empirischen und theoretisch-konzeptionell fundierten Untersuchung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb den wissenschaftlichen Kenntnisstand wesentlich. Bemerkenswert ist insbesondere der integrative Charakter der Arbeit, der in der Zusammenfuhrung theoretischer Uberlegungen und Einzelaspekte in einen integrierten Bezugsrahmen zu sehen ist. Dieser integrative Ansatz hebt sich deutlich von bisherigen Beitragen auf diesem Gebiet ab, die zumeist einen explorativ-deskriptiven Charakter aufweisen und sich ausnahmslos mit einzelnen Facetten des Schnittstellenmanagements von Marketing und Vertrieb befasst haben. Die Verfasserin konzeptualisiert und operationalisiert Konstrukte zur Messung koordinationsfbrdernder Mechanis-

VI

Geleitwort

men und Untemehmensfaktoren und analysiert deren Einfluss auf die Zusammenarbeit der beiden Bereiche. Im Sinne eines S-O-R Modells priift sie auch, inwieweit die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb zum Erfolg von Organisationen beitragt. Auch fur die Unternehmenspraxis ergeben sich zahlreiche Anregungen zur effizienten Gestaltung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb. Von grundlegender Bedeutung ist die Erarbeitung und Systematisierung potenziell geeigneter Instrumente zur Koordination betrieblicher Funktionsbereiche. Damit erhalten Vertriebs- und Marketingfuhrungskrafte Leitfaden

zur

Gestaltung

relevanter

Instrumente

einen wichtigen

des

Schnittstellen-

managements. Auch die Erkenntnisse uber die Erfolgsauswirkungen einzelner Untemehmensfaktoren bzw. Koordinationsmechanismen auf die Zusammenarbeit der beiden Bereiche sind fur die Unternehmenspraxis von potenziell hoher Bedeutung. Fur die Wissenschaft und das Management stellt die vorliegende Arbeit mit Sicherheit eine informative und wertvolle Quelle dar, da die Autorin sowohl wissenschaftlich fundiert als auch mit viel Sachkenntnis und Problemverstandnis

zentrale

Fragestellungen

des

Schnittstellenmanagements

zwischen den Funktionsbereichen Marketing und Vertrieb beleuchtet. Es bleibt zu wunschen, dass die Arbeit von Frau Haase in Forschung und Praxis eine weite Verbreitung findet. Prof. Dr. Manfred Krafft

Vorwort Eine erfolgreiche Untemehmensfuhrung bedarf sowohl einer zukunftsorientierten strategischen Ausrichtung als auch einer operativen Umsetzung dieser Ziele mit Hilfe konkreter funktionaler und instrumenteller MaRnahmen. Zwischen Marketing und Vertrieb ergeben sich hierbei eine Reihe von Schnittstellenproblemen. Werden sie nicht gelost, besteht die Gefahr, dass die Arbeit beider Bereiche kontraproduktiv bzw. ineffizient ist und der Unternehmenserfolg negativ beeinflusst wird. Wahrend sich die nneisten Unternehmen uber Effizienzpotentiale eines optimierten Absatzmanagements bewusst sind, werden Schnittstellenprobleme zwischen Marketing und Vertrieb in der Praxis jedoch haufig nicht systematisch angegangen. Auch die Wissenschaft kann in diesem Bereich dem Management nur wenig Hilfestellung leisten, da kaum empirisch gesicherte Erkenntnisse zu einer optimalen Ausgestaltung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb vorliegen. An dieser Beobachtung setzt die vorliegende Arbeit an, die die Entwicklung und empirische Uberprufung eines integrierten Schnittstellenkonzeptes fur Marketing und Vertrieb zum Ziel hat. Das vorliegende Werk wurde im Fruhjahr 2006 von der WHU - Otto Beisheim School of Management als Dissertationsschrift angenommen. Die Arbeit basiert auf den Ergebnissen eines internationalen Forschungsprojektes, welches unter der Leitung von Prof. Dr. Manfred Krafft in Kooperation mit Prof. Murali Mantrala von der Missouri University (USA) und Prof. Andris Zoltners von der Kellogg School of Management, Northwestern University (USA), durchgefuhrt wurde. Fur diese Internationale Zusammenarbeit auf hohem Niveau mochte ich mich bel alien beteiligten Professoren bedanken. Mein besonderer Dank gilt Prof. Dr. Manfred Krafft. Er hat mir den Weg in das wissenschaftliche Arbeiten gewiesen und wertvoUe Hinweise zur Konzeption und Gestaltung der Untersuchung gegeben. Prof. Dr. Jurgen Weber danke ich fur die Ubernahme des Zweitgutachtens und die nutzlichen Anmerkungen zur Arbeit.

VIII

Vorwort

Hervorheben mochte ich auch die Kooperationsbereitschaft der teilnehmenden Untemehmen. Allen Marketing- und Vertriebsmanagern, die sich fur die Befragung zur Verfugung gestellt haben, sei an dieser Stelle gedankt. Ferner bedanke ich mich bei meinen Kollegen Dr. Edith Ruger, Heiko Frenzen und Dr. Torsten Lichtenau vom Lehrstuhl fur Marketing sowie Dr. oec. Christian Schmitz von der Universitat St.Gallen (Schweiz) fur die konstruktive Zusammenarbeit. Meinen Eltern und meiner Schwester danke ich von ganzem Herzen fur die unermudliche Unterstutzung bei all meinen Vorhaben. Der allergroRte Dank gebuhrt schlieBlich meinem Mann Lutz. Durch alle Bergund Talphasen hinweg war er mein treuer Begleiter. Er hat mich angefeuert und motiviert bis das Ziel erreicht war. Ohne ihn ware das Gelingen der Arbeit nicht moglich gewesen. Kerstin Haase

Inhaltsubersicht Inhaltsverzeichnis

XI

Abbildungsverzeichnis

XV

Tabellenverzeichnis

XVII

Abkiirzungsverzeichnis

XIX

1

Einfijhrung

1

1.1

Bedeutung der Koordination von Marketing und Vertrieb

1

1.2

Zielsetzung der Arbeit

6

1.3

Aufbau der Arbeit

8

2

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

13

2.1

Grundlagen zur Koordination von betrieblichen Schnittstellen

13

2.2

Schnittstelle von Marketing und Vertrieb

19

2.3

Interdisziplinare Ansatze zur Schnittstellenanalyse

32

2.4

Empirische Befunde zur Schnittstellenforschung

60

2.5

Zusammenfassung theoretisch-konzeptioneller und emplrischer

3 3.1

Erkenntnisse

75

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

81

Konzeptualisierung der Zielgrolie 'Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb'

3.2

Konzeptualisierung ausgewahlter Unternehmensfaktoren und Hypothesenformulierung

3.3

87

Konzeptualisierung ausgewahlter Koordinationsmechanisnnen und Hypothesenformulierung

3.4

84

96

Konzeptualisierung ausgewahlter Erfolgsauswirkungen und Hypothesenformulierung

108

3.5

Bezugsrahmen der Untersuchung

113

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

115

4.1

Datenerhebung und Datensatz

115

4.2

Methodische Grundlagen

120

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

133

5.1

Deskriptive Ergebnisse der Untersuchung

133

5.2

Validitat und Reliabilitat der Konstrukte

150

5.3

Hypothesenprufung

169

4

5

Inhaltsubersicht

6

Zusammenfassung und Implikationen der Arbeit 6.1 Zusammenfassung 6.2 Implikationen fur die Wissenschaft 6.3 Implikationen fur die Unternehmenspraxis Literaturverzeichnis

181 181 183 187 191

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkurzungsverzeichnis 1

ElnfiJhrung

XV XVII XIX 1

1.1

Bedeutung der Koordination von Marketing und Vertrieb

1

1.2

Zielsetzung der Arbeit

6

1.3

Aufbau der Arbeit

8

2

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der 2.1

Untersuchung

13

Grundlagen zur Koordination von betrieblichen Schnittstellen

13

2.1.1

Systemtheorie zur Erklarung der Existenz betrieblicher Schnittstellen

13

2.1.2

Definition und Klassifizierung betrieblicher Schnittstellen

17

2.2

Schnittstelle von Marketing und Vertrieb

19

2.2.1

Abgrenzung der Begriffe Marketing und Vertrieb

20

2.2.2

Konflikte an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb

22

2.2.2.1

Organisatorische Konfliktpotenziale

24

2.2.2.2

Personelle Konfliktpotenziale

26

Informationelle Konfliktpotenziale

28

2.2.2.3 2.2.3 2.3

Koordination der Bereiche Marketing und Vertrieb

Interdisziplinare Ansatze zur Schnittstellenanalyse

30 32

2.3.1

Notwendigkeit der interdisziplinaren Betrachtung

32

2.3.2

Ausgewahlte okonomische Ansatze

34

2.3.2.1

Die Interaktionstheorie

35

2.3.2.2

Die Spieltheorie

41

2.3.3

2.4

Ausgewahlte sozialpsychologische Ansatze

46

2.3.3.1

Die Theorie der sozialen Identitat

48

2.3.3.2

Die Austauschtheorien

53

Empirische Befunde zur Schnittstellenforschung

2.4.1

Empirische Ergebnisse zur Gestaltung der Schnittstelle von

2.4.2

Empirische Ergebnisse zur Gestaltung der Schnittstelle von

Marketing und F&E bzw. Produktion Marketing und Vertrieb

60 60 71

XII

2.5

Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung theoretisch-konzeptioneller und empirischer Erkenntnisse 75 3 Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung 81 3.1 Konzeptualisierung der Zielgrofie 'Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb' 84 3.2 Konzeptualisierung ausgewahlter Unternehmensfaktoren und Hypothesenformulierung 87 3.2.1 Formalisierung 87 3.2.2 Abteilungsubergreifender Informationsaustausch 89 3.2.3 Gemeinsame Unternehmensvision 91 3.2.4 Kunden- und Marktorientierung 93 3.2.5 Konzeptionelle Zwischenergebnisse zu den Unternehmensfaktoren 95 3.3 Konzeptualisierung ausgewahlter Koordinationsmechanismen und Hypothesenformulierung 96 3.3.1 Kulturbezogene Koordinationsmechanismen 99 3.3.2 Strukturbezogene Koordinationsmechanismen 101 3.3.3 Personenbezogene Koordinationsmechanismen 103 3.3.4 Systembezogene Koordinationsmechanismen 105 3.3.5 Konzeptionelle Zwischenergebnisse zu den Koordinationsmechanismen 107 3.4 Konzeptualisierung ausgewahlter Erfolgsauswirkungen und Hypothesenformulierung 108 3.4.1 Auswirkungen der Koordination auf den Unternehmenserfolg 109 3.4.2 Auswirkungen der Koordination auf dysfunktionale Konflikte.. 111 3.4.3 Konzeptionelle Zwischenergebnisse zu den Erfolgsauswirkungen 112 3.5 Bezugsrahmen der Untersuchung 113 4 Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung 115 4.1 Datenerhebung und Datensatz 115 4.2 Methodische Grundlagen 120 4.2.1 Grundlagen der Konstruktmessung 121 4.2.2 Kriterien zur Beurteilung der Messgute 122 4.2.2.1 Gutekriterien der ersten Generation 123 4.2.2.2 Gutekriterien der zweiten Generation 125

Inhaltsverzeichnis 4.2.3

Grundlagen der Schatzung und Beurteilung von Kausalmodellen

5 5.1

XIII

129

Ergebnisse derempirischen Untersuchung

133

Deskriptive Ergebnisse der Untersuchung

133

5.1.1

Deskriptive Auswertung der Unternehmensfaktoren

134

5.1.2

Deskriptive Auswertung der Koordinationsmechanismen

139

5.1.3

Analyse der Koordinationsbereiche und -defizite

146

5.2

Validitat und Reliabilitat der Konstrukte

150

5.2.1

Operationalisierung der Unternehmensfaktoren

150

5.2.2

Operationalisierung der Koordinationsmechanismen

156

5.2.3

Operationalisierung derZielgroBe

164

5.2.4

Operationalisierung der Erfolgsauswirkungen

165

5.3

Hypothesenprufung

5.3.1

Unternehmensfaktoren 5.3.2 5.3.3 6.1

169

Hypothesenprufung zu den Effekten der Koordinationsmechanismen

6

169

Hypothesenprufung zu den Effekten der

Hypothesenprufung zu den Erfolgsauswirkungen

173 177

Zusammenfassung und Implikationen der Arbeit

181

Zusammenfassung

181

6.2

Implikationen fur die Wissenschaft

183

6.3

Implikationen fur die Unternehmenspraxis

187

Literaturverzeichnis

191

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Traditionelle Darstellung des Vertriebs in Marketing-Lehrbuchem

2

Abbildung 2:

Skizzierte Bedeutung des Vertriebs in der

Abbildung 3

Statements zur Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb.. 4

Abbildung 4

Aufbau der Arbeit

11

Abbildung 5

Allgemeine Darstellung eines Systems

16

Abbildung 6

Interdependenztypen nach Thompson

19

Abbildung 7

Klassische Unterschiede zwischen Marketing und Vertrieb.... 22

Abbildung 8

Klassische Problemfelder zwischen Marketing und Vertrieb... 24

Unternehmenspraxis

Abbildung 9

3

Forschungsperspektiven beim Management von Schnittstellen

Abbildung 10: Modellierungsschema der strategischen Interdepenz

34 38

Abbildung 11: Ergebnismatrix bei Vorliegen eines Kooperationsdilemmas ... 44 Abbildung 12: Austauschattraktivitat und -abhangigkeit

56

Abbildung 13: Vorlaufiger konzeptioneller Bezugsrahmen der Untersuchung Abbildung 14: Kontinuum an Marketing- und Vertriebsaufgaben

83 85

Abbildung 15: Hypothesenubersicht zum Einfluss von Unternehmensfaktoren auf die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb Abbildung 16: Ubersicht Ciber ausgewahlte Koordinationsmechanismen

96 98

Abbildung 17: Hypothesenubersicht zum Einfluss von Koordinationsmechanismen auf die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb

108

Abbildung 18: Hypothesenubersicht zu den Erfolgsauswirkungen der Koordination von Marketing und Vertrieb

113

Abbildung 19 Endgultiger Bezugsrahmen der Untersuchung

114

Abbildung 20 Formalisierung von Aufgaben im Branchenvergleich

135

Abbildung 21 Informationsaustausch im Branchenvergleich

137

Abbildung 22 Gemeinsame Unternehmensvision im Branchenvergleich.... 138 Abbildung 23 Kunden- und Marktorientierung im Branchenvergleich

139

Abbildung 24 Kulturbezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich

141

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 25: Strukturbezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich

142

Abbildung 26: Personenbezogene Koordinationsmechanismen Im Branchenvergleich

144

Abbildung 27: Systembezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich Abbildung 28: Verglelch der idealen und erreichten Koordination

145 147

Abbildung 29: Einschatzung von Koordinationsdefiziten aus Sicht von Marketing und Vertrieb

148

Abbildung 30: Einschatzung der erreichten Koordination aus Sicht von Marketing und Vertrieb

149

Abbildung 31: Ergebnisse der Hypothesenprufung zu den Effekten der Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und Vertrieb

171

Abbildung 32: Ergebnisse der Hypothesenprufung zu den Effekten der Koordinationsmechanismen auf die Koordination von Marketing und Vertrieb

174

Abbildung 33: Ergebnisse der Hypothesenprufung zu den Effekten der Koordination von Marketing und Vertrieb auf den Unternehmenserfolg und auf das AusmaS dysfunktionaler Konflikte

179

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Ubersicht uber ausgewahlte Begriffsauffassungen in der Schnittstellenforschung

Tabelle 2:

31

Literaturubersicht zum Einfluss von Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und F&E

Tabelle 3:

65

Literaturubersicht zum Einfluss von Schnittstellenlnstrumenten auf die Koordination von Marketing und F&E

69

Tabelle 4:

Literaturubersicht zum Einfluss der Koordination von Marketing

Tabelle 5:

Ausgewahlte Forschungsbeitrage zum Management der

und F&E auf den Unternehmenserfolg Schnittstelle von Marketing und Vertrieb Tabelle 6:

Teilnehmende Unternehmen nach Branche und GroRe

Tabelle 7:

Gutekriterien der Konstruktmessung und deren

70 75 119

Anspruchsniveaus

129

Tabelle 8:

Gutekriterien des Konstrukts „Formalisierung bzgl. Rollen"

151

Tabelle 9:

Gutekriterien des Konstrukts „Abteilungsubergreifender Informationsaustausch"

152

Tabelle 10: Gutekriterien des Konstrukts „Gemeinsame Unternehmensvision"

153

Tabelle 11: Gutekriterien des Konstrukts „Kunden- und Marktorientierung"

154

Tabelle 12: Gutekriterien des Konstruktverbundes ..Unternehmensfaktoren"

155

Tabelle 13: Diskriminanzvaliditat des Konstruktverbundes ..Unternehmensfaktoren"

156

Tabelle 14: Gutekriterien des Konstrukts ..Kulturbezogene Koordinatlonsmechanismen"

157

Tabelle 15: Gutekriterien des Konstrukts ..Strukturbezogene Koordinatlonsmechanismen"

158

Tabelle 16: Gutekriterien des Konstrukts ..Personenbezogene Koordinatlonsmechanismen"

160

Tabelle 17: Gutekriterien des Konstrukts ..Systembezogene Koordinatlonsmechanismen"

161

Tabelle 18: Gutekriterien des Konstruktverbundes ..Koordinatlonsmechanismen"

162

XVIII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 19: DiskriminanzvaJiditat des Konstruktverbundes „Koordinationsmechanismen"

163

Tabelle 20: Gutekriterien des Konstrukts „Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb"

165

Tabelle 21: Gutekriterien des Konstrukts „Ausma(l dysfunktionaler Konflikte"

166

Tabelle 22: Gutekriterien des Konstrukts „Marktbezogener und okonomischer Erfolg"

167

Tabelle 23: Gutekriterien des Konstruktverbundes „Erfolgsdimensionen"... 168 Tabelle 24: Diskriminanzvaliditat des Konstruktverbundes „Erfolgsdimensionen"

169

Abkurzungsverzeichnis ADF

Asymptotically Distribution-Free

AGFI

Adjusted Goodness of Fit-Index

AMA

American Marketing Association

AMOS

Analysis of Moment Structures

Aufl.

Auflage

bzgl.

bezuglich

bzw.

beziehungsweise

CFI

Comparative Fit Index

CRM

Customer Relationship Management

CVA

Cash Value Added

DEV

durchschnittlich erfasste Varlanz

df

degrees of freedom

ed.

editor/ edition

eds.

editors

etal.

et alii (und andere)

EVA

Economic Value Added

f.

und folgende Seite

F&E

Forschung und Entwicklung

GFI

Goodness of Fit-Index

ggfGLS

gegebenenfalls

Hrsg.

Herausgeber

Jg. Jr.

Jahrgang

M

Marketing

Marketing - ZFP

Marketing - Zeitschrift fur Forschung und Praxis

ML

Maximum Likelihood

n.s.

nicht signifikant

PLS

Partial Least Square

Generalized Least Squares

Junior

R&D

Research and Development

RMSEA

Root Mean Squared Error of Approximation

ROA

Return on Asset

ROE

Return on Equity

ROI

Return on Investment

XX

ROS S. SIC u.a. ULS usw. V vgl. Vol. z.B. ZFO

Abkurzungsverzeichnis

Return on Sales Seite(n) Standard Industry Code unteranderem Unweighted Least Squares und so weiter Vertrieb vergleiche Volume zum Beispiel Zeitschrift Fuhrung + Organisation

1

EinfiJhrung

1.1

Bedeutung der Koordination von Marketing und Vertrieb

Im Mittelpunkt der absatzpolitischen Aufgabe einer Unternehmung steht die Befriedigung

der

Bedurfnisse

und

Wunsche

der

Kunden

sowie

die

Gewinnmaximierung. Diese Aufgabe kann in den meisten Unternehmen aufgrund ihres Umfangs und ihrer Komplexitat nur arbeitsteilig erfullt werden. Zu diesem Zweck wird die Gesamtaufgabe in Teilaufgaben zerlegt und spezialisierten

Funktionsbereichen

zugeordnet

(vgl.

Brockhoff/Hauschildt

1993, S. 399). In vielen Unternehmen geht es dabei urn die Bereiche Marketing und Vertrieb. In der vorliegenden Arbeit bezeichnet Marketing einen organisatorischen Teilbereich, der insbesondere fur die Initlierung, Planung, Durchfuhrung und Kontrolle der Marketingaktivitaten eines Unternehmens verantwortlich

ist (vgl. Gronroos

1989, S. 56). Der Vertrieb wird als

organisatorischer Teilbereich definiert, dessen Aktivitaten darauf gerichtet sind,

Kundenbeziehungen

zu initiieren, zu entwickein

und zu fordern

(vgl. Krafft 1995, S. 9). Mit der Lbsung absatzbezogener Teilaufgaben durch die

belden

Bereiche

entstehen

wechselseitige

Bezuge

und

damit

Abhangigkeiten zwischen den verrichtenden Einheiten (vgl. Roder2001, S. 1). Dieser Umstand macht die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb fur die Praxis heikel und fur die Forschung interessant. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es daher, die Abstimmungserfordernisse zwischen den belden betrieblichen Funktionsbereichen systematisch zu durchdringen und Lbsungen fur die Koordination von Marketing und Vertrieb zu entwickein. Bei der Beschrelbung des Verhaltnisses zwischen Marketing und Vertrieb in Lehrbuchern findet sich der Personliche Verkauf durch Auflendienstmitarbeiter zumeist als Bestandteil der Kommunikationspolitik im Rahmen der MarketingStrategie wieder

(vgl. Abbildung

1). Damit wird suggeriert, dass die

traditionelle Rollenzuweisung und die Verteilung von Verantwortlichkeiten zumeist von einem sequenziellen Prozess ausgeht, in dem der Vertrieb die Plane des Produkt- bzw. Markenmanagements ausfuhrt (vgl. Burns 2001, S. 100).

Kapitel 1

Marktdefinition

Marktanalyse Kunden

Untemehmen

Wettbewerber

Zielgruppenbestimmung

Segmentierung

Lieferanten

Positionierung

Vertrieb

Marketing-Mix Produkt

Preis

Distribution

Kommunikation

i

Marketing-Aktionsprogramm

-•Kunden

Abbildung 1: Traditionelie Darstellung des Vertriebs in Marketing-LehrbiJchern (Quelle: in Aniehnung an Dolan 1999)

In der Realitat hingegen zeichnet sich ein anderes Bild ab. Der Funktionsbereich Vertrieb ist in vielen Unternehmen von grofier, oft ausschlaggebender Bedeutung. Das vom Kaufer bestinnmte Marktgeschehen sowie der starke Wettbewerbsdruck haben ebenso dazu beigetragen wie Stagnationserscheinungen und sich rasch vollziehende technische Veranderungen. Auch aufgrund der Unternehmenshistorie und - insbesondere in der Investitionsguterbranche - aufgrund der Komplexitat der Produkte hat der Vertrieb innerhalb vieler Unternehmen haufig einen hoheren Stellenwert als das Marketing oder ist zumindest ein sehr bedeutender Bereich (vgl. Abbildung 2). Daruber hinaus kann der Vertrieb in fast alien Unternehmen als einzig eriosgenerierender Bereich bezeichnet werden, wahrend das Marketing und alle anderen Funktionsbereiche rein kostenverursachende Unternehmenseinheiten darstellen (vgl. Krafft/Albers/Lal 2004, S. 265).

Einfuhrung

Marktdefinition

Mr Marktanalyse 1 Kunden |

Wettbewerber 1 1 Lieferanten |

Unternehmen

* Segmentierung • • • ^ ^

Zielgruppenbestimmung

^ ^ j j ^ Positionierung ^ ^

Vertrieb

* Marketing-Mix Produkt

Preis

Distribution

Kommunikation

-1-

Marketing-Aktionsprogramm

Mr Kunden

Abbildung 2: Skizzierte Bedeutung des Vertriebs in der Unternehmenspraxis (Quelle: Haase et al. 2005)

Aber auch aus anderen Grunden kann das Verhaltnis zwischen Marketing und Vertrieb als ambivalent bezeichnet werden: ..Salespeople drive the firm/ customer relationship by influencing the customer's perception of the shipper's reliability and the value received from the supplier's products and services (versus value offered by competitors). As a result, salespeople have a major impact on long-term sales to that customer. This may help to convince those executives who still view the sales organization entirely in tactical terms (promoting sales after the clever marketing people have devised a brilliant strategy) that they should talk to their customers about where the value truly resides" (Mac Hulbert/Capon/Piercy 2003, S. 176). Statt sich gemelnsam nach den Vorgaben der Unternehmensstrategie auszurichten und kundenbezogen im Markt zu agieren, verhindern gegensatzliche Meinungen und Vorurteile oft eine konstruktive Zusammenarbeit. Abbildung 3 reprasentiert eine kleine Auswahl an Meinungen, wie sie im Rahmen explorativer Interviews von Marketing- und Vertriebsmanagern geauflert wurden:

Kapitel 1

Status Quo der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb Aus Sicht des Vertriebs

Aus Sicht des Marketing "Vertriebs-Leute sind vorrangig an Abschlijssen mit hohen Volumina interessiert."

"Produktmanager entwerfen Konzepte fern jeglicher Realitat."

"Unsere Verkaufer bearbeiten die Kunden, mit denen sie sich gut verstehen und die nur geringe Anspruche stellen. Die strategischen Unternehmensziele werden dabei haufig ignoriert." "Informationen sind Macht. Der Vertrieb sieht den Kunden als seinen Besitzstand an und leitet Informationen Ciber Bedurfnisse und Praferenzen nicint an uns weiter."

"Wir sind als Vertrieb nur ausfuhrendes Organ und werden uber bevorstehende Marketing-Aktionen lediglich informiert". "Wir mussen im Verkauf das Geld einnehmen, das im Marketing ausgegeben wird."

Abbildung 3: Statements zur Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb (Quelle: Krafft/Haase 2004, 8. 15)

Dlese Aussagen liefern erste Hinweise, was die Problematik an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ausmacht. Marketingmitarbeiter zeichnen sich haufig durch eine vergleichsweise langfristige Sichtweise und Wettbewerbsorientierung aus. Analysen und Planungen erfolgen aggregiert und sind zumeist auf die gesamte Produkt- und Kommunikationspolitik ausgerichtet.

Mitarbeiter

im

personlichen

Verkauf

agieren

verstarkt

kundenorientiert, wobei das Denken und Handein von operativ-taktischen Mafinahmen gepragt ist. Als problematisch erweisen sich ebenso kontrare Ziel- und Anreizsystenne. Der Marketingbereich orientiert sich traditionell an Rendite-, Marktanteils-, Image- und Umsatzzielen. Das Vorgehen im Vertrieb ist vorrangig an Umsatzzielen ausgerichtet. Auch im Wissensmanagement und gegenseitigen Informationsaustausch kommt es haufig zu Konflikten. Dem Vertrieb wird selten die Moglichkeit eingeraumt, in fruhen Planungsphasen auf Marktentwicklungen

und

Kundenpraferenzen

hinzuweisen.

Der Vertrieb

wiederum zeigt infolge seiner Orientierung an eher kurzfristigen Umsatzzielen gewohnlich wenig Interesse an strategischen Marketingvorgaben und liefert markt- und kundenrelevante Informationen erst auf Nachfrage (vgl. Krafft 2002a, S. 90). Dlese Problematik wird auch in den wenigen Forschungsbeitragen zur Koordination von Marketing und Vertrieb bestatigt: „ ... the sales-

Einfuhrung

5

marketing interface, whilst strongly interdependent, is reported as neither collaborative

nor harmonious.

In the sparse literature that exist, the

relationship is characterized by a lack of cohesion, poor-co-ordination, conflict, non-cooperation, distrust, dissatisfaction, and mutual negative stereotyping" (Dewsnap/Jobber2000, S. 109). Jedoch erfordern die Marktentwicklungen einen erhohten Abstimmungsbedarf zwischen beiden Bereichen. Heute mussen die Einheiten fur Marketing und Vertrieb ihre Aktivitaten synchronisleren, und das unter Bedingungen, wo jede Abteilung nur einen begrenzten Ausschnitt der Umwelt kennt (vgl. Cespedes 1994, S. 49). Das gilt umso mehr, da Marketing und Vertrieb primar an den absatzbezogenen

Prozessen

im

Unternehmen

beteiligt

sind.

Ein

abgestimmtes Vorgehen bezuglich dieser Prozesse erscheint somit nicht nur sinnvoll, sondern auch zwingend, um Im Sinne des gesamten Unternehmens optimale Erfolge erzielen zu konnen. Von hoher Bedeutung dabei ist die Qualitat der Zusammenarbeit, die oft in erheblichem Maf^e durch die Funktionsteilung zwischen beiden Abteilungen beeintrachtlgt wird. „When companies do not consider the linkages between all functions they end up with 'broken chains' and 'tribal warfare' in which each specialist department is a tribe with loyalty towards its own members and not towards the company as a unified entity" (Gummesson 1990, S. 65). Es ist deshalb notwendig, den Abstimmungsbedarf an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb zu ermittein, die Barrieren in der Zusammenarbeit zu identifizieren und durch den Einsatz geeigneter Schnittstellenmechanismen eine optimale Koordinatlon beider Bereiche zu erzielen. Durch die Koordinatlon von Marketing und Vertrieb konnen Konflikte reduziert und der Unternehmenserfolg positiv beeinflusst werden (vgl. Haase/Krafft 2004, S.89). In letzter Zeit wurden zahlrelche Prozesse der betrieblichen Leistungserstellung

analysiert

und

optimiert,

aber

die

moglichst

reibungslose

Verzahnung von Marketing- und Verkaufsprozessen wurde bislang kaum betrachtet. „Within the firm, marketing managers have found themselves in turf battles with other management functions including sales, research and development,

engineering,

strategic

(long-range)

planning,

purchasing,

logistics, and operations. The problem of demarcating marketing from sales has perhaps been the most persistent and remains largely unresolved"

6

Kapitel 1

(Webster Jr. 2002, S. 67). Neben einigen praxisnahen Veroffentlichungen gibt es nur wenige theoretisch-konzeptionelle und empirische Beitrage (siehe Abschnitt 2.4.1), so dass hier ein gravierender Forschungsbedarf besteht. 1.2

Zielsetzung der Arbeit

Im vorigen Abschnitt wurde die Bedeutung der Zusammenarbeit der Bereiche Marketing und Vertrieb fur den Erfolg einer Unternehmung dargelegt. Dabei wurde auf die Eigenheiten beider Bereiche sowie auf den problembehafteten Umgang miteinander eingegangen. Es wurde weiterhin festgestellt, dass trotz der grolien praktischen Relevanz des Forschungsthemas gilt, dass „ ... the appropriate relationship between sales and marketing functions is still an unresolved issue" (Webster Jr. 1997, S. 46). Daher soil in der vorliegenden Arbeit die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb zunachst auf eine breite, theoretisch-konzeptionelle Basis gestellt werden. Es soil im Weiteren analysiert werden, inwieweit das Interaktlonsverhalten, das in der Praxis zwischen diesen Bereichen zu beobachten ist, sich durch theoretisch-konzeptionelle Ansatze begrunden lasst. Dabei geht es neben der Darstellung von geeigneten Theorien darum, diese auf die bestehenden Interdependenzen anzuwenden, um so die Konfliktursachen zwischen dem Marketing- und Vertriebsbereich zu erklaren. Im nachsten Schritt soil eine systematische Darstellung und Diskussion der konzeptionellen und empirischen Beitrage zum Schnittstellenmanagement erfolgen. Ein GroBteil der publizierten Beitrage zum Schnittstellenmanagement bezieht sich auf die Beziehung zwischen Marketing und Forschung & Entwicklung bzw. Produktion (vgl. Gupta/RajA/Vilemon 1986; Ruekert/Walker 1987; Griffin/Hauser 1996; Song/Montoya-Weiss/Schmidt 1997). Die Schnittstelle von Marketing und Forschung & Entwicklung darf als die am umfangreichsten erforschte Beziehung zwischen zwei Unternehmensbereichen bezeichnet werden und liefert wertvolle Hinweise auf Forschungslucken bezuglich der zu untersuchenden Schnittstelle von Marketing und Vertrieb. Wie zu zeigen sein wird, lasst sich bei der Betrachtung der Arbeiten zu Marketing und Vertrieb ein Mangel sowohl an konzeptionellen als auch an grol^zahligen, methodisch fortgeschrittenen empirischen Arbeiten

Einfuhrung

7

feststellen. Eine Erklarung dafur liefern RuekertA/Valker (1987, S. 1 f.): „ ... the shortage of theoretical and empirical work on the relationships between marketing and other functional areas follows from a natural preoccupation by both practitioners and academics with issues of vertical control and coordination within each functional area. Much of the horizontal interaction among departments is informal. Consequently it is outside the prescribed structures of the organization chart". Deshalb ist im empirischen Teil dieser Arbeit die Durchfuhrung einer methodlsch anspruchsvollen Untersuchung geplant, um die Wirkungsbeziehungen latenter Variablen wie Unternehmensfaktoren, Koordinationsmechanismen und Unternehmenserfolg innerhalb der Schnittstellengestaltung zu untersuchen. Vorbedingung dafur ist eine branchenubergreifende Erhebung, in der eine moglichst glelch hohe Anzahl an Marketing- und Vertriebsmanagern die Beziehungen an dieser Schnittstelle beurteilen. Fur diese empirische Untersuchung wird ein Bezugsrahmen entwickelt, der auf theoretisch-konzeptionellen Befunden und Informationen aus der Unternehmenspraxis basiert. Ausgehend von dem zu entwickelnden Bezugsrahmen ist die erste Forschungsfrage die Identifikation situativer Rahmenbedingungen, welche die Koordination zweier Bereiche fordern. Wie noch zu zeigen ist, werden diese Unternehmensfaktoren zum einen aus der Bestandsaufnahme der Forschungsbeitrage zum Schnittstellenmanagement entwickelt. Zum anderen soil die deskriptive Auswertung eines eigenen, zu erhebenden Datensatzes die gewonnenen Erkenntnisse prCifen und konkretisieren. Die ausgewahlten Unternehmensfaktoren werden anschliefiend auf ihre Auswirkungen auf die Koordination zwischen Marketing und Vertrieb hin untersucht (vgl. Pelham/ Wilson 1996). Bei der zweiten Forschungsfrage geht es um die Erarbeitung und die Kategorisierung koordinationsfordernder Mechanismen. HIer werden Hypothesen bezuglich der Wirkungszusammenhange zwischen den gewahlten Koordinationsmechanismen und dem erreichten Koordinationsgrad gepruft. Zahlreiche Arbeiten untersuchen den Einfluss einzelner koordinationsfordernder Instrumente auf die Zusammenarbeit zwischen Marketing und

8

Kapitel 1

Funktionsbereichen wie Forschung & Entwicklung oder Produktion (vgl. Moenaert/Souder 1990; LeendersAA/ierenga 2001). Nach unserer aktuellen Erkenntnis liegen jedoch keine empirischen Untersuchungen uber den Einfluss verschiedener Koordinationskategorien auf die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb vor. Ebenso existieren nach bestem Wissen keine Studien, die ein solch umfassendes Bild an Koordinationsmechanismen aus Theorie und Praxis zeichnen wie in der vorliegenden Arbeit. Die dritte Forschungsfrage umfasst die Erarbeitung entsprechender funktionaler und psychosozialer Erfolgsvariablen, deren unmittelbare Wirkungszusammenhange mit der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb fur die vorliegende Untersuchung von Interesse sind. In den meisten bisher publizierten empirischen Beitragen wurde untersucht, inwiefern sich die Zusammenarbeit zwischen zwei Bereichen - insbesondere zwischen Marketing und Forschung & Entwicklung - auf den Erfolg bei Produktneuentwicklungen und auf den Unternehmenserfolg auswirkt (vgl. Ayers/Dahlstrom/Skinner 1997; Song/Parry 1993b). Ob sich jedoch durch einen angemessenen Grad an Zusammenarbeit auch Konflikte zwischen den Abteilungen Marketing und Vertrieb reduzieren lassen, blieb bisher weitgehend unerforscht. Deshalb soil in der vorliegenden Arbeit der Einfluss der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb sowohl auf den Unternehmenserfolg als auch auf dysfunktionale Konflikte untersucht werden.

1.3

Aufbau der Arbeit

Zur Erreichung der formulierten Forschungsfragen erfolgt in Kapitel 2 eine Darstellung der Grundlagen von betrieblichen Schnlttstellen. Zunachst soil in Abschnitt 2.1 mit Hilfe der Systemtheorie auf einer abstrakten Ebene gezeigt werden, wie es zu Schnlttstellen in einem Unternehmen kommen kann. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, wird eine Definition der 'betrieblichen Schnittstelle' entwickelt. Anschliefiend soil eine Klassifizierung von betrieblichen Schnlttstellen vorgenommen werden, um die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb systematisch einordnen zu konnen. In Abschnitt 2.2 wird anhand von Literaturbeitragen aufgezeigt, wie sich die Zusammenarbeit an der betrieblichen Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ganz allgemein

Einfuhrung

9

gestaltet. Dazu werden einfuhrend die Begriffe Marketing und Vertrieb voneinander abgegrenzt, bevor dargelegt wird, wie es zu Konflikten oder zu einer Koordination dieser Bereiche kommen kann. Die Zusammenarbeit der beiden Funktionsbereiche wird dann theoretisch fundiert. Im Zuge einer interdisziplinaren Betrachtung werden in Abschnitt 2.3 ausgewahlte, fur die Fragestellungen dieser Arbeit als relevant angesehene okonomische und sozialpsychologische Ansatze vorgestellt. Bei den okonomischen Theorien geht es konkret urn die Interaktionstheorie und die Spieltheorie, die auf ihren jeweiligen Erklarungsbeitrag zur Koordination von Marketing und Vertrieb untersucht werden. Bei den soziaipsychoiogisciien Ansatzen werden die Theorie

der

sozialen

Identitat

und die Austauschtheorle

als

relevant

identifiziert und naher eriautert, urn schlieBlich auf die zu untersuchende Schnittstelle angewendet zu werden. Abschnitt 2.4 beinhaltet eine Bestandsaufnahme der empirischen Befunde zur Schnittstellenforschung. Das Kapitel schliefit mit einer Zusammenfassung der theoretisch-konzeptionellen und empirischen Erkenntnisse zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb. Im Kapitel 3 geht es um die Konzeptuallsierung der In der Untersuchung verwendeten

Konstrukte

sowie

die

Formullerung

von

Hypothesen.

Im

Mittelpunkt steht dabel die Entwicklung des Bezugsrahmens. In Abschnitt 3.1 erfolgt zunachst die Konzeptuallsierung der ZielgroBe Koordination von Marketing und Vertrieb. Im Hinblick auf die erste Forschungsfrage werden in Abschnitt 3.2 die fur die vorliegende Arbeit relevanten Unternehmensfaktoren identifiziert und Hypothesen bezijglich der Wirkungszusammenhange mit der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb formuliert. Fur die zweite Forschungsfrage systematisiert

werden

in

Abschnitt

3.3

Koordinationsmechanismen

und ebenfalls in einen Wirkungszusammenhang

mit der

erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb gebracht. In Abschnitt 3.4 werden die Erfolgsdimensionen des Untersuchungsmodells konzeptualisiert und Hypothesen zu den Effekten der Koordination auf den Unternehmenserfolg

entwickelt.

Schlief^lich

wird

am

Ende

des

Kapitels

der

finale

Bezugsrahmen der Untersuchung abgeleitet. Die Methodik der eigenen empirischen Untersuchung wird in Kapitel 4 vorgestellt. Hier wird zuerst auf das Vorgehen bei der Datenerhebung sowie auf

die

Charakteristika

des

Datensatzes

eingegangen,

bevor

die

10

KapiteM

methodischen Grundlagen der Konstruktmessung naher eriautert werden. Danach werden die Grundlagen der Schatzung und Beurteilung von Kausalmodellen dargestellt, mit denen die Wirkungszusammenhange zwischen den Variablen des Untersuchungsmodells untersucht werden konnen. In Kapitel 5 werden die Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung prasentiert. Dabei geht es in Anschnitt 5.1 zunachst urn die Vorstellung deskriptiver Ergebnisse der Untersuchung des Datensatzes. In Abschnitt 5.2 folgt die Messung bzw. Operationalisierung der in Kapitel 3 konzeptualisierten, theoretischen Konstrukte. Abschnitt 5.3 ist der Hypothesenprufung gewldmet. Dabei wird gemad der ersten Forschungsfrage der Einfluss ausgewahlter Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und Vertrieb untersucht. Danach folgt die Uberprufung der Effekte verschiedener Mechanismen auf die Koordination von beiden Bereichen. Und schlielilich wird der dritten Forschungsfrage nachgegangen, inwieweit sich die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb auf den Unternehmenserfolg bzw. auf das Ausmad der dysfunktionalen Konflikte auswirkt. In Kapitel 6 wird eine Zusammenfassung und Bewertung der Untersuchungsergebnisse prasentiert. Dabei fasst Abschnitt 6.1 die theoretische Fundierung der vorliegenden Arbeit zusammen. In Abschnitt 6.2 findet eine Bewertung der Arbeit unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten statt. Hier werden auch Restriktionen der Studie und Ansatzpunkte fur kunftige Forschungsvorhaben aufgezeigt. In Abschnitt 6.3 werden abschlieG»end Implikationen fur die Unternehmenspraxis abgeleitet. Einen Uberblick uber den Aufbau der vorliegenden Arbeit gibt Abbildung 4.

Einfuhrung

Abbildung 4: Aufbau der Arbeit (Quelle: eigene Erstellung)

11

2

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

Im zweiten Kapitel werden die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen der vorliegenden Untersuchung vorgestellt. Dabei soil zunachst basierend auf der Systemtheorie gezeigt werden, wie es zu Schnittstellen in einem Unternehmen kommen kann. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend, wird eine Definition von innerbetrieblichen

Schnittstellen

formuliert.

Anschlieliend

soil

eine

Klassifizierung dieser Schnittstellen vorgenommen werden, urn die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb systematisch einordnen zu kbnnen. In Abschnitt 2.2 wird gezeigt, wie sich die Zusammenarbeit an der betrieblichen Schnittstelle von Marketing und Vertrieb in der Praxis gestaltet. Dazu werden einfuhrend die Begriffe Marketing und Vertrieb im Sinne dieser Arbeit voneinander abgegrenzt, bevor dargelegt wird, wie es zu Konflikten dieser Bereiche kommen bzw. wie die Koordination der Bereiche errelcht werden kann.

Inwieweit

okonomlsche

und

sozialpsychologlsche

Ansatze

zur

Untersuchung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb beitragen und insbesondere als theoretische Bezugspunkte der Forschungsfragen der Untersuchung geeignet sind, soil in Abschnitt 2.3 naher untersucht werden. Abschnitt

2.4

beinhaltet

eine

Bestandsaufnahme

der

empirlschen

Forschungsbeitrage. Dabei werden hauptsachlich wissenschaftliche Beitrage aus der Schnittstellenforschung vorgestellt. Zuletzt werden die relevanten theoretisch-konzeptionellen und empirischen Befunde zusammengefasst und die Forschungsfragen der eigenen Untersuchung herausgearbeitet.

2.1

Grundlagen zur Koordination von betrieblichen Schnittstellen

2.1.1 Systemtheorie zur Erklarung der Existenz betrieblicher Schnittstellen Die

meisten

Unternehmen

durften

aufgrund

der

Begrenztheit

der

Koordinations- und Kontrollfahigkeit ihrer Funktionsbereiche zu einem hohen Mafl an Differenzierung neigen, die hauptsachlich nach verrichtungs- und objektorientierten Gesichtspunkten gebildet wird (vgl. Willke 1993). Damit steigt

auch

der

Vernetzungsgrad,

well

viele

der

ausdifferenzierten

Teileinheiten an der Erstellung derselben Marktieistungen mitwirken. Man

14

Kapitel 2

kann sagen: Je hoher die funktionale Differenzierung, desto hoher sind die wechselseitigen Abhangigkeiten im „System Unternehmung". Da die Wertschopfungsaktivitaten der Teileinheiten meist prozessual aufeinander aufbauen, sind die durch eine bestimmte Handlung in Gang gesetzten Foigeprozesse und Kausalketten zum Teil kaum uberschaubar (vgl. Wolf 2003, S. 145). Dieser Vielschichtigkeit des Systems Unternelimung tragt die Systemtheorie mit der Universalitat ihres Ansatzes und ilires fundamentalen Bezugsproblems der Komplexitat Rechnung. Aufierdem akzentuiert diese Theorie die Vernetztheit von Teileinheiten, wo beispielsweise das Marketing in komplexen Beziehungen mit anderen Funktionsbereichen „internal to the system" und mit der Umwelt „external to the system" gesehen wird (Johnson 1995, S. 10). Deshalb erscheint die Systemtheorie fur die theoretische Fundierung betrieblicher Schnittstellen besonders geeignet. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dient diese Theorie insbesondere dazu, den Untersuchungsgegenstand naher einzugrenzen und die Existenz von Schnittstellen und Konflikten zu begrunden. Im folgenden soil die Systemtheorie deshalb kurz dargestellt werden, bevor sie in Abschnitt 2.2 bei der Definition und Klassifizierung innerbetrieblicher Schnittstellen zur Anwendung kommt. Die Systemtheorie liefert einen methodischen Uberbau fur diverse wissenschaftliche Bereiche, wie z. B. die Biologie, die Wirtschaftswissenschaften Oder die Politikwissenschaften, weswegen sie als inter- bzw. multidisziplinarer Ansatz angesehen wird (vgl. Te-Wei Wang 2004, S. 394; Muller 1994, S. 37). Durch diese verschledenen Anwendungsmoglichkeiten ist es schwierig, ein eindeutiges Begriffsverstandnis der Systemtheorie zu finden (vgl. Wolf 2003, S. 126; Wierum 2001, S. 37). Bekannt geworden ist die Beschreibung von Bertalanffy (1956), der unter einem System eine Menge von Elementen versteht, zwischen denen Beziehungen bestehen oder hergestellt werden konnen. Eine vergleichsweise neue Begriffsdefinition stammt von Willke (2000, S. 51), welche besagt, dass „ ... der Systembegriff der neueren Systemtheorie nicht mehr nur ein Netz von Beziehungen bezeichnet, welches Telle zu einem ganzen zusammenordnet; vielmehr wird unter System ein Netz zusammengehoriger Operationen verstanden, die sich von nicht-dazugehorigen Operationen abgrenzen lassen". Wie so oft bei abstrakten Termini ist es im Zusammenhang mit dem Systembegriff von Vorteil, das Wesentliche anhand

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

15

von Kernmerkmalen zu charakterisieren. Die Merkmale eines Systems sind Elemente mit Ejgenschaften und Beziehungen (vgl. Fuchs 1973, S. 39), wobei ein Element die kleinste betrachtete Einheit in einem System darstellt, bei der eine weitere Aufteilung nicht moglich ist (vgl. Ulrich 1970, S. 107). Diese Elemente besitzen Eigenschaften, da sie einen bestimmten Zustand haben, sich verhalten konnen oder Beziehungen zu anderen Elementen besitzen (vgl. Fuchs 1973, S. 41-45). Die Verbindungen zwischen den Elementen werden als Beziehungen verstanden, die das Verhalten der Elemente und des ganzen Systems beeinflussen konnen. Elemente, die dem System nicht zugehoren, da sie sich von ihm unterscheiden, werden als Umwelt bezeichnet. Bestehen Beziehungen zwischen dem System und der Umwelt, wird das System als „offen" definiert, liegen nur systeminterne Beziehungen vor, spricht man von einem „geschlossenen" System (vgl. Kast/Rosenzweig 1972; Ulrich 1970, S. 108). Da ein System aufgrund zu hoher Komplexitat nicht jedes Element mit jedem anderen Element verbinden kann, wird die Anzahl der Beziehungen in Systemen reduziert (vgl. Wierum 2001, S. 39). Durch die Bildung von Subsystemen werden Strukturen etabliert, die die vorhandene Komplexitat verringern. Diese Subsystembildung erhoht die Anzahl der Beziehungen zwischen den Elementen innerhalb eines Subsystems und verringert die Menge der Verbindungen zwischen den Subsystemen (vgl. Fuchs 1973, S. 154). Damit ist die Komplexitat ein Entstehungsgrund fur Subsysteme (vgl. Krieger 1996, S. 14). Abbildung 5 stellt die Zusammenhange in einem System graphisch dar (vgl. Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994, S. 22).

16

Kapitel 2

System

Element

Subsystem



/

.Subsystem

Abbildung 5: Allgemeine Darstellung eines Systems (Quelle: in Aniehnung an Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994, S. 22)

Die Systemtheorie bietet verschiedene Anwendungsbereiche in der Betriebswirtschaftslehre wie z. B. zur analytischen Beschreibung der Unternehnnung. ..Systems

theory

views

the

individual,

group,

organization,

and

the

organization's larger set of interdependent organizations as a dynamic, interrelated whole. Changes in one or more parts of this complex system imply changes for others" (McCann 2004, S. 43). Ebenso wird ein Unternehmen als ein kunstlich geschaffenes, offenes sozio-technisches System definiert, das aus einer Vielzahl verbundener Elemente (Menschen und Sachmittein) besteht (vgl. Fuchs 1973, S. 141-145). Im Rahmen der Marketingwissenschaft wurde der Funktionsbereich Marketing als ein „... living system" bezeichnet „directed at the identification, creation, and servicing of demand" (Reidenbach/Oliva 1981, S. 31,36). Somit wird vor dem Hintergrund der obigen Ausfuhrungen die Systemtheorie als

geeignet

angesehen,

organisationsbezogene

Fragestellungen

eines

Unternehmens zu beantworten. Bei der Untersuchung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb werden dafur die Begriffe der Systemtheorie in diesem Kapitel so ausgelegt, dass das System als Unternehmen, das Subsystem als Abteilung (z. B. Marketing und Vertrieb), das Element als Mitarbeiter und die Umwelt als Kunden, Wettbewerber bzw. externe Stakeholder zu verstehen sind. Diesem Begriffsverstandnis liegen auch die Ausfuhrungen des nachsten Abschnitts zugrunde.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

17

2.12 Definition und Klassifizierung betrieblicher Schnittstellen Ausgehend von der hier als theoretische Basis angesehenen Systemtheorie lasst sich nun der Begriff der betrieblichen Schnittstelle herleiten. Dazu wird aus dem allgemeinen Verstandnis von Schnittstellen eine Definition der betrieblichen Schnittstelle entwickelt und eine Klassifikation betrieblicher Schnittstellen vorgenommen. Die Ausfuhrungen in Kapitel 2.1.1 haben gezeigt, dass sich die in einem Unternehmen vorhandenen Elemente zueinander und zu den Elementen der Umwelt in wechselseitigen Beziehungen befinden. Aufgrund der Vielschichtigkeit und besseren Steuerbarkeit werden die Elemente in dem System Unternehmung verschiedenen Subsystemen zugeordnet, wobei es zwangslaufig zu Unterbrechungen von bestehenden Beziehungen zwischen den Systemelementen kommt (vgl. Willke 1993). Diese Trennungen bestimmter Beziehungen zwischen den Elementen bei der Bildung von Subsystemen in einem

Unternehmen

Schnittstellen

konnen

bezeichnet

als

werden.

betriebliche Damit

bzw.

stellen

die

organisatorische Schnittstellen

Subsystemgrenzen dar (vgl. Wermeyer 1994, S. 6; Pfohl 2000, S. 310). Bei dieser

Interpretation wird der potenziell trennende Charakter von

Schnittstellen hervorgehoben. Schulte-Zurhausen (2002, S. 35) betont In diesem Zusammenhang, dass die Beziehungen „zerschnitten" werden. Durch die Subsystembildung entstehen jedoch zwischen den neu geschaffenen Subsystemen

auch

Beziehungen,

da

eine

Schnittstelle

geregelte

Verknupfungen zwischen den einzelnen Subsystemen herstellen kann, was den verbindenden Charakter einer Schnittstelle unterstrelcht (vgl. Wermeyer 1994, S. 6). Andere Autoren bemerken diesbezuglich, dass in der englischen Bezeichnung „interface" der verbindende Charakter ausgedruckt wird und schlagen vor, statt von einer Schnittstelle von einer Nahtstelle zu sprechen (vgl. beispielsweise Fischer 1993, S. 316). Zu dem muss der Begriff Schnittstelle nicht im Sinne von Durchtrennung aufgefasst werden, sondern „im Sinne des Sich-schneidens, des Sich-beruhrens" (vgl. Horvath 1991, S. 6). Vor dem Hintergrund der Systemtheorie und der Berucksichtigung des verbindenden Charakters von Schnittstellen wurden viele Definitionen fur den Schnittstellenbegriff entwickelt (vgl. z. B. Brenig 1990, S. 30; Solaro 1991,

18

Kapitel2

S. 91; Specht 1995, S. 2265; Herbst/Gagsch 1999, S. 42). Unter Beachtung der Verbundenheit von Subsystemen wird bei der Definition der betrieblichen Schnittstelle in dieser Arbeit folgendem Verstandnis gefolgt: „Eine [betriebliche] Schnittstelle kennzeichnet die Beziehungen an der Grenze zwischen zwei arbeitsteilig gebildeten sozio-technlschen Subsystemen mitsamt ihren Elementen, wobei die beiden Subsysteme innerhalb eines ubergeordneten Gesanntsystems gemeinsam zu erfullende Aufgaben und Prozesse arbeitsteilig abwickein" (Wierum 2001, S. 44). Die Schnittstellen zwischen den Subsystemen, die im Folgenden klassifiziert werden, entstehen damit aufgrund der notwendigen Arbeitsteilung im Rahmen der Strukturierung des Gesamtsystems „Unternehmung" (vgl. hierzu und im Folgenden Wermeyer 1994, S. 7-9). Die Subsysteme ubernehmen Teilaufgaben und stehen uber ihren Beitrag zur Gesamtaufgabe in Abhangigkeitsbeziehungen. Durch diese Abhangigkeitsbeziehung uben die Handlungen und Entscheidungen der Organisationsbereiche unterschiedlich starken Einfluss auf die Aktivitaten der jeweils anderen Bereiche aus. Diese wechselseitigen Abhangigkeitsbeziehungen nennt man Erfolgskopplungen Oder Interdependenzen (vgl. Adam 1996, S. 169). Interdependenzen konnen durch verschiedene Konzepte dargestellt werden (siehe z. B. die Konzepte von Frese 2000, S. 58-65 und fur einen Uberblick verschiedener Methoden zur Berucksichtigung von Interdependenzen Benkenstein 1987, S. 36-44). Der Interdependenzansatz von Thompson, der in der Literatur als klassischer Ansatz bezeichnet wird, ist besonders verbreitet und soil nachfolgend kurz dargestellt werden (vgl. Wermeyer 1994, S. 9; Wierum 2001, S. 49; Brockhoff/ Hauschildt 1993, S. 399). Dieser Ansatz klassifiziert die Interdependenzen an den betrieblichen Schnittstellen nach der Intensitat interner Abhangigkeiten. Demzufolge lassen sich die Interaktionsbeziehungen wie folgt beschreiben und wie in Abbildung 6 darstellen: - Gepoolte Interdependenzen existieren, wenn verschiedene Teilbereiche die gleiche Ressource in Anspruch nehmen. - Sequenzielle Interdependenzen liegen vor, wenn ein Teilbereich A seine Leistung an einen Teilbereich B ubergibt, das heifit wenn der Output einer organisatorischen Einheit zum Input eines anderen Subsystems wird.

19

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

Reziproke Interdependenzen entstehen, wenn zwei Teilbereiche in Leistungsabgabe,

Leistungsempfang

und

Leistungsabstimmung

wechselseitig aufeinander angewiesen sind und somit wechselseitige Input-Output-Beziehungen bestehen (vgl. Thompson 1967, S. 54-59).

^ ^

r~

1 A

B

A Gepoolte Interdependenz

h~~^ w

S~^

1

°

Sequenzielle Interdependenz

A

w

B

4 Reziproke Interdependenz

Abbildung 6: Interdependenztypen nach Thompson (Quelle: in Aniehnung an Hoge 1995, S. 49)

Eine Differenzierung der Interaktion von Subsystemen nach den genannten Interdependenztypen ist aus zwei Grunden wichtig: Zum einen ist ausgehend von den jeweiligen Interdependenztypen ein geeignetes Instrument zur Abstimmung der Aktivitaten zu wahlen. Die Abstimmung der Aktivitaten geschieht im Rahmen des sogenannten Schnittstellenmanagements. Diese Koordination ist notig, da eine fehlende Abstimmung die Spezialisierungsvorteile der arbeitsteiligen Organisation aufzehren kann. Zum anderen begrunden die unterschiedlichen Interaktionsbeziehungen auch verschledene Konflikttypen (vgl. Brockhoff 1995, S. 441). So ist mit der reziproken Abhangigkeit der Bereiche auch ein hoheres Konfliktpotenzial gegeben, womit diese wechselseitige Interaktion zur konfliktintensivsten Interaktionsvariante zahit,

da

hier

ein

sehr

hoher

Abstimmungsbedarf

vorliegt

(vgl.

Brockhoff/Hauschildt 1993, S. 400).

2.2

Schnittstelie von Marketing und Vertrieb

In diesem Abschnitt geht es um die konkrete Darstellung der Interdependenzen zwischen der Marketing- und Vertriebsabteilung. Dabei erfolgt neben

20

Kapitel 2

einer Abgrenzung der Begriffe Marketing und Vertrieb im Sinne dieser Arbeit eine Vorstellung von gemeinsamen und gegensatzlichen Interessen, die sich aus den Aufgaben und Zielen dieser Bereiche jeweils ergeben. 2.2.1 Abgrenzung der Begriffe Marketing und Vertrieb Urn die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb genauer untersuchen zu konnen, ist es vorab notwendig, diese Begriffe klar zu definieren. Dazu werden im Folgenden der Begriff des Marketing eriautert, bevor die Aufgaben und Ziele der Marketingabteilung diskutiert werden. Der Begriff des Marketing wurde Anfang des 20. Jahrhunderts aus den USamerikanischen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften entwickelt (vgl. Meissner 1995, S. 786). Seit dieser Zeit durchlief das Marketing eine Vielzahl von Entwicklungsstufen, die beispielsweise Kotler (2003, S. 17-26) als produktions-, verkaufs-, marketing- und kundenorientiertes Marketing bzw. integriertes Marketing kategorisiert. Auch in den 1985 bzw. 2004 veroffentlichten Definitionen der American Marketing Association (AMA) ist eine Begriffsentwicklung erkennbar: - „Marketing is the process of planning and executing the conception, pricing, promotion, and distribution of ideas, goods, and services to create exchanges that satisfy individual and organizational objectives" (AMA 1985, S. 1 f.). - "Marketing is an organizational function and a set of processes for creating, communicating and delivering value to customers and for managing customer relationships in ways that benefit the organization and its stakeholder" (Kotler/Trout/White 2004, S. 16 f.). Die vielleicht markanteste Veranderung zwischen beiden Marketingdefinitionen ist, dass bei der aktuellen AMA-Definition der Bereich Marketing als eigenstandiger Funktionsbereich wahrgenommen wird. Wenn fruher - vor allem in der US-amerikanischen Marketingwissenschaft - der „activity-based perspective"-Ansatz dominant war, wo das Marketing als Aktivitat angesehen wird, dessen Platz in der Unternehmung variiert (Workman/Homburg/Gruner 1998, S. 21), geht man jetzt zum funktionsbezogenen Ansatz Ciber, bei dem das Marketing eine eigenstandige Organisationseinheit im Unternehmen

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

21

bildet. Diese Auffassung ist auch Grundlage der vorliegenden Arbeit, da bei diesem Begriffsverstandnis verstarkt Schnittstellenprobleme zwischen den Funktionsbereichen Marketing und Vertrieb auftreten. Marketing bezeichnet einen Funktionsbereich, der insbesondere fur die Planung und Durchfuhrung der Marketingaktivitaten eines Unternehmens verantwortlich ist (vgl. Bruhn/Homburg 2004, S. 505). Zur Realisierung der strategischen, marktorientierten Unternehmensziele werden die Kunden aus strategischem Blickwinkel als Gesamtheit gesehen und in einzelne Marktsegmente aufgeteilt, die dann bearbeitet werden (vgl. Bauer 2000, S. 42 f.). Dabei liegt der Fokus auf der Etablierung langfristiger und nachhaltiger Kundenbeziehungen: „Marketing is to establish, develop and commercialise long-term customer relationships" (Gronroos 1989, S. 57). Im Marketingbereich dominiert aufgrund des Aufgabenspektrums eine abstrakte, analytische Denkweise. Marketingmitarbeiter, die oft eine universitare Ausbildung mitbringen, zeichnen sich zudem durch starke kommunikative und kreative Fahigkeiten aus. Man kann in diesem Zusammenhang auch von den „Denkern" im Marketing sprechen (vgl. Krafft/Haase 2004, S. 15). Der Funktionsbereich Vertrieb ist In vielen Unternehmen von grol3>er, oft ausschlaggebender Bedeutung (vgl. Abbildung 2). Im Gegensatz zum Marketing, bei dem die Kunden als Gesamtheit gesehen werden, stehen die Mitarbeiter des Vertriebsbereichs in direkter Interaktion mit einzelnen Kunden und sehen sich so mit individuellen Anforderungen und Entscheidungsstrukturen von Kunden konfrontiert. Dem Vertrieb kommt dabei auch die Aufgabe zu, die Marketingstrategien und -konzepte im direkten Kundenkontakt umzusetzen (vgl. Bauer 2000, S. 43). Neben der akquisitionsbezogenen Aufgabe des personlichen Verkaufs, umschliefit der Begriff Vertrieb auch eine logistische Komponente, die in der Distribution von Produkten liegt. AuRerdem ist der Vertrieb haufig fur die Auftragsannahme, Serviceleistungen beim Kunden (wie Regalpflege, Displays) und fur Produkte (z. B. Installationsuberwachung) sowie Entertaining (Geschaftsessen mit dem Kunden) zustandig (vgl. Krafft 1995, S. 9). Der Vertrieb tragt die Verantwortung fur marktbezogene Zielgr6G)en wie Absatz, Umsatz sowie fur qualitative Ziele, wie z. B. die Kundenzufriedenheit. Dem Vertrieb kommt somit die Aufgabe zu, die Marketingstrategien und -konzepte im direkten Kundenkontakt umzusetzen

22

Kapitel 2

(vgl. Schwedler 2000, S. 229). Durch diese operative Ausrichtung der Tatigkeiten entwickelt sich eine Vertriebskultur, die eher handlungsorientiert ist. Vertriebsmitarbeiter sehen sich als „Macher", die praxis- und erfolgsorientiert auf ihre Personlichkeit und Erfahrung im Verkauf setzen (vgl. Cespedes 1992, S. 14). In einer abschliefienden Zusammenfassung dieses Abschnitts ist aus Abbildung 7 zu ersehen, dass die Bereiche Marketing und Vertrieb auf unterschiedlichen Ebenen agieren. Aus diesen verschiedenen Sichtweisen resultieren Konfliktpotenziale, die in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden.

Orientierung

Aggregationsniveau

Denk- und

Marketing

Vertrieb

Wettbewerb, Marke

Kunden, Vertragsabschluss

Makro

Mikro

Strategisch

Operativ

Langfristig

Kurzfristig

Handlungsweise Zeitliche Ausrichtung

Abbildung 7: Klassische Unterschiede zwischen Marketing und Vertrieb (Quelle: Haase et al. 2005)

2.2.2 Konflikte an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb Konflikte entstehen aus den unterschiedlichsten Grunden und existieren in jedem Unternehmen (vgl. Jost 1999, S. 11). Dabei entstehen nicht selten Graben zwischen Abteilungen und Mitarbeitern, die sich auf die Erfullung der Unternehmensaufgabe negativ auswirken. „Conflicts within organizations is an

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung important

source

of

independence-generating

organizational forces

variation,

cause

as

schisms

23

disintegrative between

and

members,

departments, programs, and other subunits" (Aldrich 1979, S. 91). Warum es zu Konflikten an betrieblichen Schnittstellen kommt, soil im Folgenden gezeigt werden. Dazu wird einleitend der Konfliktbegriff naher eriautert. Anschlieflend werden die Rahmenbedingungen dargestellt, in denen Konfliktsituationen entstehen. Der allgemeine Konfliktbegriff kann in einen psychischen, intraindividuellen Konflikt und in einen sozialen, interpersonellen Konflikt unterteilt werden (vgl. Naase 1978, S. 5). Da es bei einer betrieblichen Schnittstelle um die Interaktion von zwei Abteilungen geht, ist der soziale,

interpersonelle

Konfliktbegriff Gegenstand dieser Arbeit. Soziale Konflikte entstehen, wenn Interessengegensatze zwischen Parteien vorliegen (vgl. Naase 1978, S. 7). Das ist vor allem der Fall wenn sich Abteilungen mit ihren spezifischen Zielen identifizieren

und

sich

nicht

an

den

Unternehmenszielen

orientieren

(vgl. Kieser 1983, S. 443). Dabei konnen sich die unterschiedlichen Interessen auf verschiedene Ursachen beziehen, wie z. B. knappe Ressourcen oder unklare Kompetenzverteilungen bzw. Zustandlgkeiten (vgl. Jost 1999, S. 23). Die Rahmenbedingungen einer Konfliktsituation sind gegeben, wenn zwei Oder mehr Parteien in einer interdependenten Beziehung stehen, Interessensgegensatze zwischen den Parteien existieren und jede Partei Ihre eigenen Interessen verfolgt. Dabei ist es fur die Untersuchungen in dieser Arbeit wichtig, dass eine Partei im systemtheoretischen Sinn aus einem Element Oder einem Subsystem, beispielsweise einer Abteilung, bestehen kann, da gruppendynamische Prozesse dafiir sorgen, dass auch Subsysteme in ihrem Verhalten als geschlossene Einheit agieren (vgl. Jost 1999, S. 12 f.). Unter dieser Annahme sind auch Theorien, die die Interaktion von einzelnen Akteuren untersuchen, geeignet, die Schnittstelle zwischen den Abteilungen Marketing und Vertrieb zu erklaren, da auch ganze Abteilungen als Akteure auftreten konnen. Die dargestellten Rahmenbedingungen konnen in den verschiedensten Bereichen der Zusammenarbeit auftreten. Dabei konnen folgende Problemfelder zwischen Marketing und Vertrieb identifiziert werden (vgl. Abbildung 8):

24

Kapitel 2

Klassische Problemfelder zwischen Marketing (M) und Vertrieb (V) Zielkonflikte • Positionierungsabsichten (M) und deren operative Umsetzung (V) • langfristige Ziele wie Marktanteil (M) versus kurzfristige Verkaufsziele (V) Raumliche Trennung von Marketing und Vertrieb • Distanz reduziert Kommunikationswahrscheinlichkeit Divergierende Vertialtensmuster und Denkwelten • Ausbildung (Akademiker (M) versus "training on the job" (V)) • Entscheidungsfindung: auf umfangreichen Studien und Analysen basierend (M) versus gesunder Menschenverstand (V) Unterschiedliche Anreizsysteme • Fixum (M) versus substanziell variable erfolgsbezogene Entlohnung (V) • Unternehmens- oder produktbezogene (M) versus verkaufsgebietbezogene Zielvereinbarungen (V) Kommunikationsverhalten • Informationsbedarf: Aggregierte Daten Ciber Produkte und Markte (M) versus disaggregierte Daten uber einzelne Kunden (V) • Verwendung der Daten: fur interne Pianung, Budgetierung (M) versus fur Verkaufsverhandlungen (V)

Abbildung 8: Klassische Problemfelder zwischen Marketing und Vertrieb (Quelle: angelehnt an Krafft/Haase 2004, S. 14 f.)

In den folgenden Abschnitten werden die genannten Problembereiche in der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb unter organisatorische (z. B. Zielkonflikte, Anreizsysteme), personelle (wie Verhaltensmuster, Denkwelten) und infornriationelle (z. B. Kommunikationsprobleme) Konfliktpotenziale subsumiert und naher eriautert. Bel der Einteilung in die oben genannten Konfliktkategorien wurde den konzeptionellen Uberlegungen von Specht (2000, S. 273 f.) und Cespedes (1994, S. 49-52) gefolgt. 2.2.2.1

Organisatorische Konfliktpotenziale

Wenn sich Unternehmen aus Vorteilhaftlgkeitserwagungen fur eine Spezialisierung in Form einer funktionalen Arbeltsteilung entscheiden, entstehen durch die damit verbundene Abteilungsbildung zwangslaufig betriebliche Schnlttstellen. Somit sind es organisatorische Entscheidungen, die bei der

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

25

Gestaltung der Organisationsstruktur getroffen werden und die potenziell Schnittstellenprobleme nach sich Ziehen (vgl. Specht 1995, S. 2268). Neben diesen

organisationsbedingten

Schwierigkeiten

existieren

zusatzlich

Zielkonflikte, die aus den unterschiedlichen Aufgaben und Anreizsystemen der Abteilungen

resultieren

und

ein

weiteres

Konfliktpotenzial

in

der

Zusammenarbeit von organisatorischen Teilbereichen darstellen (vgl. Fischer 1993, S. 312; Freimuth 1986, S. 235; Wunderer 1985, S. 511). Als weitere organisatorische Ursache fur Schnittstellenprobleme zudem

Machtstrukturen

im

Unternehmen

gelten, die

konnen

sich durch

den

Karrierehintergrund der Geschaftsfijhrung ergeben. So fuhrt ein marketingbezogener Ausbildungs- und Karriereschwerpunkt bei Geschaftsfuhrern bzw. Vorstanden dazu, dass in diesen Unternehmen der Marketingbereich einen groReren Einfluss besitzt (vgl. Homburg/Workman/Krohmer 1999, S. 11). Bei der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb, wie sie in dieser Arbeit untersucht wird, handelt es sich um eine horizontale Beziehung zwischen beiden Bereichen, die durch eine funktionale Organisationsstruktur entsteht. Diese organisatorische Abteilungsbildung

kann zur Folge haben, dass

Zustandigkeiten nicht eindeutig festgelegt sind, was zu einem Konfliktpotenzial fuhrt (vgl. Brockhoff 1989, S. 43; Specht 1995, S. 2268). Dies liegt u.a. an einer

zu

geringen

Formalisierung

der

Arbeitsbeziehung

der

beiden

Abteilungen. Dabei versteht man unter Formalisierung das AusmaB an schriftlich

festgelegten

Regein, Verfahren

Aufgabenverantwortlichkeiten

oder Anweisungen,

und Entscheidungsbefugnisse

die

die

gewahrleisten

und damit Kompetenzkonflikte verhindern konnen (vgl. Brummund 1983, S. 143). So legt zwar in vielen Unternehmen die Marketingabteilung bei der Preisbildung den Preis in Ubereinstimmung mit der Positionierungsstrategie fest, jedoch ist haufig zu beobachten, dass der Vertrieb in Preisverhandlungen mit dem Kunden vor Ort niedrigere Preise aushandelt, um das Absatzvolumen zu erhohen, und so die Preispolitik des Marketing potenziell konterkariert (vgl. Jobber 2001, S. 664). Unklare Zustandigkeiten machen sich auch bemerkbar, wenn es durch die Arbeitsteilung zu einer

unkoordinierten

Kundenansprache von Marketing und Vertrieb kommt (vgl. Bauer 2000, S. 42; Kracklauer

2003,

S.

26).

Dies

verdeutlicht,

dass

Abstimmungen

im

Arbeitsablauf notwendig sind. Die Abteilungen sind in ihrem Handein nicht unabhangig voneinander, da die funktionale Gliederung zu wechselseitigen

26

Kapitel 2

Interdependenzen der Marketing- und Vertriebsbereiche fiihrt. Hieraus entwickelt sich ein Konfliktpotenzial, mit der Folge, dass die funktionale Gliederung eher konkurrenz- als integrationsfordernd ist (vgl. Wunderer 1985, S. 519f.). Ein weiteres Konfliktpotenzial kann sich aus der Existenz unterschiedlicher Zielvorstellungen der entstandenen interdependenten Subsysteme von Marketing und Vertrieb herausbilden. Wahrend das Marketing eher langfristige, produktorientierte Vorstellungen hat, verfolgt der Vertrieb tendenziell kurzfristige, kundenbezogene Ziele (vgl. Jobber 2001, S. 664; Belz 1999, S. 278; Kotler/Bliemel 2001, S. 1239). Diese verschiedenen Auffassungen fuhren dann zu dem Streitpunkt, ob die Kunden oder die Produkte Vorrang haben (vgl. von der Groeben 1978, S. 121). Begunstigt wird dieser Konflikt durch die bestehenden Ziel- und Anreizgrolien in den Unternehmen. Die Marketing-abteilung zielt auf den Marktanteil, wahrend der Vertriebsbereich als Zielgrol^e den Verkaufsabschluss verfolgt (vgl. Kotler/Bliemel 2001, S. 1239; Cespedes 1994, S. 48). Dies ist vor dem Hintergrund der Vergutungssysteme auch verstandlich, da die meisten Vertriebsangestellten eine substanzielle variable Bezahlung erhalten und die Hohe ihres Einkommens nachhaltig von dem Erfolg ihrer Verkaufsanstrengungen abhangt. So belegt die „Vergutungsstudie 2005" der Unternehmensberatung Kienbaum, dass ca. 76 % der Beschaftigten im Vertrieb erfolgsabhangig bezahit werden (vgl. Kienbaum 2005). Derartige durch die Spezialisierung der Subsysteme Marketing und Vertrieb hervorgerufene reziproke Interdependenzen zahlen - wie schon in Abschnitt 2.1.2 ausgefuhrt - zu den konfliktintensivsten Interaktionen zwischen Marketing und Vertrieb und erfordern einen hohen Abstimmungsbedarf. 2.2.2.2

Personelle Konfliktpotenziale

Soziale Konflikte, die an betrieblichen Schnittstellen potenziell entstehen kbnnen, sind zu einem wesentlichen Teil auf den 'Faktor Mensch' zuruckzufuhren (vgl. Schmidt 1996, S. 9). Die Personen, die an einer Schnittstelle miteinander arbeiten, konnen Vorurteile oder sogar psychlsche Barrieren im Umgang mit anderen Abteilungen und deren Mitarbeitern entwickeln. Dies kann dazu fuhren, dass die Mitarbeiter sich so stark mit ihrer Abteilung

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

identifizieren, dass eine eigenstandige Subkultur in dem

27

Unternehmen

entwickelt wird. Eine solche (Sub-)Unternehmenskultur wird auch als „the pattern of shared values and beliefs that help individuals

understand

organizational functioning and thus provide them with the norms of behavior in the organization" bezeichnet (Deshpande/Webster Jr. 1989, S. 4). Barrieren, die durch die Mitarbeiter

an der betrleblichen

Schnittstelle

entstehen, lassen sich in Willensbarrieren, wie z. B. Einstellungen und Motive, und Fahigkeitsbarrieren, die durch mangelhafte Kenntnisse begrundet sein konnen, untergliedern (vgl. Specht 1995, S. 2269). Dabei sind es ursachlich die Willensbarrieren, die zu einer mangelnden Einsicht in die Notwendigkeit und

zu

einer

geringen

Bereltschaft

und

Fahigkeit

hinslchtlich

eines

kooperativen Verhaltens fuhren (vgl. Wunderer 1985, S. 511). Statt einer konstruktiven Zusammenarbeit entwickein sich zwischen den Abtellungen auch

vielfach

betroffenen

Konkurrenzgefuhle,

Schnittstelle

aufgrund eines

fuhren.

die Dabei

Interaktionsdefizits

zu

Harmoniestorungen

entstehen

bzw. eines

leicht

an

der

Disharmonlen

Kommunikationsmangels.

Schwere Disharmonien liegen vor, wenn der andere Bereich als wenig hilfreich bzw. nutzlos angesehen wird. In diesem Fall ist zu beobachten, dass bei einem

Misserfolg,

beispielsweise

einer

nicht erfolgreichen

Produktneu-

einfuhrung, Fehler ausschliefilich der anderen Abteilung angelastet werden. Diese Harmoniestorung wird nur noch von dem Gefuhl des Misstrauens ubertroffen, bei dem eine konstruktive Zusammenarbeit kaum noch moglich ist (vgl. Wolfrum 1994, S. 1017; Wunderer 1985, S. 511). So versteht das Marketing die Vertriebsabteilung haufig nur als ausfuhrendes Organ, das nicht in Entscheidungsprozesse integriert, sondern nur informiert werden muss. Auch der Vertrieb sieht das Marketing tendenziell argwohnlsch und beklagt, dass die Marketingverantwortlichen eher hinderlich als forderlich bei der Arbeit sind, da sie keine Kenntnisse vom operativen Geschaft haben und nur marktferne Strategien entwickein (vgl. Schmitz/Zupancic 2004, S. 2). Dies fuhrt dazu, dass der Marketing- und Vertriebsbereich jeweils fur sich beansprucht, die groflere Fachkompetenz zu besitzen, was sich in manchen Fallen in einer wechselseitigen

Ignoranz Oder gar Arroganz ausdruckt

(vgl. Homburg/Schafer/Schneider 2003, S. 103). Dabei konnte man gerade an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb davon ausgehen, dass beide

28

Kapitel 2

Bereiche aufgrund ihrer markt- und kundenorientierten Aufgabenstellung eine abteilungsubergreifende Unternehmenskultur verbindet, die auf marktorientierten Werten, Normen, Artefakten und Verhaltensweisen fudt (vgl. Pflesser 1999,8.67). Wenn Abteilungen innerhalb des Unternehmens eigenstandige Subkulturen entwickein, kann das zwar einerseits den Zusammenhalt innerhalb der Abteilung starken, aber andererseits die Bereitschaft

zur

kooperativen

Zusammenarbeit zwischen Abteilungen negativ beeinflussen (vgl. Specht 1995, S. 2269; Brockhoff 1989, S. 43 und S. 73-77). Die Abteilungsmitglleder identifizieren sich dabei verstarkt mit ihren Abteilungszielen und pragen so ihr eigenes Problembewusstsein und Menschenbild (vgl. Lucas/Bush 1988, S. 257 f.; Kieser 1983, S. 443). Die einzelnen Teilbereiche etablieren ihre indivlduellen Denk- und Verhaltensmuster, die sich in spezifischen Normen und Werten (vgl. Kotler/Bliemel 2001, S. 1238; Krohmer 1999, S. 23), Oder in eigenen „thought worlds" ausdrucken (Dougherty 1992, S. 182). So sind in vielen Unternehmen parallele Marketing- und Vertriebskulturen zu beobachten (vgl. Homburg/Schafer/Schneider 2003, S. 103). Diese Subkulturen lassen in einem Unternehmen eine „sub-systemische" Unternehmenskultur entstehen, die neben dem abteilungsbezogenen Denken auch zur Folge hat, dass eine Abteilung nur mangelnde Kenntnisse uber andere Unternehmensbereiche besitzt (vgl. Freimuth 1986, S. 236). 2.2.2.3

Informationelle Konfliktpotenziale

Bei informationellen Konfliktpotenzialen geht es einerseits um den Informationsaustausch und die Kommunikation in einer Interaktion von Abteilungen, andererseits um die informationstechnischen Besonderheiten, die sich durch Hard- und Softwareerfordernisse ergeben. Dabei ist das informationelle Konfliktpotenzial eng mit dem personellen Problemfeld verknupft (vgl. Wierum 2001, S. 57; Wiebecke 1989). Die informationellen Konfliktpotenziale konnen sich, neben einem

Kommunikationsmangel

und einer

Kommunikations-

storung, auch durch eine zu grol3>e raumliche Distanz der Kommunikationsteilnehmeraul^ern.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

29

Aufgrund der Harmoniestorungen und dem damit verbundenen Abteilungsdenken kommt es zu einem Mangel an Kommunikation (vgl. Belz 1999, S. 278). So ist es in der Praxis kelne Seltenheit, dass MarketingmafJnahmen ohne Einbeziehung und Information des Vertriebs umgesetzt werden und Vertriebsmitarbeiter erst vom Kunden auf die Aktion aufmerksam gemacht werden (vgl. Bauer 2000, S. 42). Dabei ware die beidseitige Informationsversorgung insbesondere fur die strategische Planung essenziell und hier speziell in den fruhen Planungsphasen, wo es urn die Fruherkennung bzw. Fruhaufklarung von Chancen und Gefahren fur das Unternehmen geht (vgl. Weber/Schaffer 2000, S. 67 f.). Zusatzlich zum Kommunikationsdefizit kommt es zu Kommunikationsproblemen in Form von Hemmnlssen und Storungen

(vgl.

Kieser

1983,

S.

443).

So

wird

beispielsweise

der

Informatlonsfluss beeintrachtigt, wenn die Kompatibilitat der kommunikationsrelevanten

Hard-

und

Softwareprogramme

in

den

Abteilungen

nicht

gewahrleistet ist (vgl. Specht 1995, S. 2269; Cespedes 1994, S. 49). Neben den technischen und psychischen Barrieren, die durch die Subkulturbildung

begrundet

ist,

begunstigt

auch

die

raumliche

Trennung

von

Abteilungen Kommunikationsprobleme (vgl. Schneider/Muller 1993, S. 9; Van den Bulte/Moenart 1998, S. 14; Brockhoff 1994, S. 35). Vertriebsmitarbeiter sind zumeist in ihren Verkaufsregionen unterwegs und arbeiten vor Ort

beim

Kunden,

wahrend

die

Marketingabteilung

in

der

Unternehmenszentrale Ihren Aufgaben nachgeht (vgl. Bauer 2000, S. 43). So haben Allen/Fusfeld (1976) nachgewiesen, dass mit zunehmender Distanz eine

linear

sinkende

Kommunikationshaufigkeit

Kommunikationsschwierigkeiten Telefon

oder

umfangreiche direkte

konnen

Videokonferenz

mit

reduziert

Medlen werden,

einhergeht. wie

Diese

beispielsweise

jedoch

verlangen

Projektarbeiten und komplexe Problemstellungen oft eIne

Kommunikation,

da

die

zu

ubertragenden

Informationen

zu

umfangreich sind (vgl. Cantin/Thom 1992, S. 291). Wahrend sich die raumliche

Distanz

bei

standardisierten

Abstimmungsproblemen

durch

Kommunikationsmedien uberbrucken lasst, ist bei einem neuen, komplexen Abstimmungsfall,

wie

beispielsweise

bei

Produktneueinfuhrungen,

personliche Interaktion notwendig (vgl. Wermeyer 1994, S. 34).

die

30

Kapitel 2

2.2.3 Koordination derBereiche Marketing und Vertrieb Neben den beschriebenen konkurrierenden

Interessen und potenziellen

Konflikten zwischen Marketing und Vertrieb existiert auch das fundamentale und notwendige Interesse an einer Abstimmung und Zusammenarbeit. Es kommt damit zu einem Nebeneinander von Konflikt und Zusammenarbeit (vgl. Jost 1999, S. 15 f.). Reine Konkurrenzsituationen, in denen nur gegensatzliche Interessen, und reine Kooperationssituationen, in denen nur gemeinsame Interessen existieren, werden in dieser Arbeit nicht betrachtet, da sie nicht der in der Praxis verbreiteten Konfliktsituation an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb entsprechen (vgl. Klumpp 2000). Aus der Schnittstellenliteratur ergibt sich in diesem Zusammenhang zunachst die Frage der Abgrenzung des Terms Koordination

von Begriffen wie

Integration Oder Kooperation, die in diesem Zusammenhang ebenso haufig Anwendung geschlossene

finden.

Hier

Theorie

muss der

angemerkt

werden,

dass

es

keine

Koordination/Kooperation/lntegration

gibt

(vgl. Friese 1998, S. 58). Insofern bereitet es Schwierigkeiten, die Begriffe vollstandig und uberschneidungsfrei voneinander abzugrenzen. Hinzu kommt, dass die Verwendung bestimmter Begrifflichkeiten sowohl wissenschaftlichen „Moden" als auch praktischen Sachzwangen unterliegt (vgl.

Brockhoff/

Hauschildt 1993, S. 400). Tabelle 1 soil vor diesem Hintergrund eine Ubersicht ijber die in der Schnittstellenforschung gebrauchlichsten Begriffe liefern:

31

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autor Van de Ven/Delbecq/Koenig (1976,8.322)

Begriff Koordination

Trist(1977, S. 272)

Kollaboration

Johnson(1975, S. 241)

Kooperation

Lawrence/Lorsch (1967, S. 11)

Integration

Definition "... integrating or linking together different parts of the organization" "... willingness to align one's own purposes to those of diverse others" "... the coordination of behaviors among individuals" "... the process of achieving unity of effort among the various subsystems"

Ziele "... accomplish a collective set of tasks" "... and to negotiate mutually acceptable compromises" " ... to achieve mutual goals" "... in the accomplishment of the organization's tasks"

Tabelle 1: Ubersicht uber ausgewahlte Begriffsauffassungen in der Schnittstellenforschung (Quelle: eigene Erstellung)

Der kleinste gemeinsame Nenner, der sich aus alien Begriffen ergibt, ist: gemeinsame Anstrengungen zur Erreichung von wechselseitigen Zielen. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird zur genauen Begriffsklarung zunachst auf die Ausfuhrungen in Abschnitt 2.1 zuruckgegriffen. Wie dort bereits dargestellt, werden zur Steigerung der Effizienz in der organisatorischen

Leistungserbringung

Aufgaben

nach

bestimmten

Kriterien

differenziert. Diese Differenzierung verursacht die Entstehung von Teileinheiten oder Subsystemen in den Unternehmen (vgl. Lawrence/Lorsch 1967, S. 3 f.). Ziel der Differenzierung ist es, Spezialisierungsvorteile zu nutzen, urn flexibler auf interne und externe Organisationsanforderungen reagieren zu konnen. Urn die durch die Differenzierung entstehenden Vorteile auch wirklich ausschopfen zu konnen, mussen die personell, zeitlich und raumlich verteilt verrichteten Teilaufgaben wieder zu einer Leistungseinheit zusammengefugt werden (vgl. Schreydgg 1998, S. 112 f.; Kruger 1992, S. 221 f.) Bei der Koordination der Teilaufgaben geht es aber nicht nur urn das [additive] Zusammenfugen, sondern auch urn die Abstimmung der Teilaufgaben mit dem Ziel der Optimierung des Gesamtsystems (vgl. Ruhli 1992, S. 1165). Koordination wird auch als "integrating or linking together different parts of the organization

... to accomplish a collective set of tasks" definiert (vgl.

Van de Ven/Delbecq/Koenig 1976, S. 322). Moenaert/Souder (1990, S. 95) betonen jedoch, dass die Vorteile der Koordination den Nutzen funktionaler

32

Kapitel 2

Spezialisierung nicht uberkompensieren darf: „The objective is not to eliminate their functional specialization, that is, the R&D party should continue to think and act like an R&D function, an the marketing party should continue to think and act like a marketing function. However, when integrated the parties will willingly cooperate and collaborate". Bezogen auf die Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb geht es bei der Koordination also um die gemeinsame Bewaltigung von Aufgaben zur Erreichung bestlmmter Unternehmensziele, wobei jeder Bereich sein spezifisches funktionales Know-how in die Prozesse einbringt.

2.3

Interdisziplinare Ansatze zur Schnittstellenanalyse

Trotz des grundsatzlichen Interesses von Marketing- und Vertriebsabtellung an beidseitiger Abstimmung und Zusammenarbeit kommt es in der Praxis nicht zwangslaufig zu einem optimal abgestimmten Verhalten. Die folgenden Abschnitte sollen mit theoretischen Ansatzen fundieren, wo potenzielle Ursachen und Probleme in der Zusammenarbeit zwischen Marketing und Vertrieb liegen sowie erste Hinweise zu einer effizienten Losung der Koordinationsproblematik liefern. Diese Erkenntnisse wiederum bilden das Fundament fur die Entwicklung von Gestaltungsdimensionen zur Koordination der Funktionsbereiche Marketing und Vertrieb und dienen somit in Kapitel 3 als Ausgangspunkt fur die Entwicklung des Bezugsrahmens bzw. der in diesem Zusammenhang herzuleitenden Hypothesen. 2.3.1 Notwendigkeit der interdlsziplinaren Betrachtung Im vorangegangenen Abschnitt wurden verschiedene Konfliktpotenzlale an der betrieblichen Schnittstelle von Marketing und Vertrieb aufgezeigt. Um diese in ihrer Vielfaltigkeit zu erfassen, genugt es nicht, sich bei der Schnittstellenanalyse auf einen Ansatz zur Begrundung der Schnittstellenkonflikte zu beschranken. Dies soil im Folgenden belegt werden. Bei Untersuchungen von betrieblichen Schnittstellen geht es um die Analyse der Zusammenarbeit von betrieblichen Teilbereichen, die im Rahmen der Arbeitsteilung entstehen und sich in interdependenten Beziehungen befinden.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

33

Aus dieser Arbeitsteilung resultieren verschiedene Ziele und Aufgaben der Abteilungen, die auf die Beziehung zwischen den Abteilungen Einfluss ausuben. Diese Aufgabeneinflusse auf die Interaktion der Bereiche konnen durch okonomische Ansatze erklart werden (vgl. Abbildung 10), da diese eine Interaktion unter strukturellen Gesichtspunkten beleuchten und damit die institutionellen Rahmenbedingungen berucksichtigen (vgl. Roder 2001, S. 1-3). Abteilungen in einem Unternehmen sind soziale Gruppen (zum Begriff der sozialen Gruppe siehe Wiswede 2004, S. 206-208), da sie aus mehreren Personen bestehen. Diese Gruppen sind zumeist aufgrund funktionaler Differenzierung entstanden und erscheinen formal im Organigramm einer Unternehmung. Die Gruppenmitglieder ubernehmen spezifische Teilaufgaben bzw. Rollen und interagieren auf einem „significant level of interdependence" (RosenfeldAA/ilson 1999, S. 155). Im Gegensatz zu einem Team', das ebenfalls eine multipersonale, aufgabenbezogene Teileinheit im Unternehmen darstellt, liegt bei einer sozialen Gruppe nicht unbedingt Konformitat bezuglich der zu erreichenden Ziele vor. Wahrend Teammitglieder gemeinsame Ziele mit Sicherheit verfolgen, spielen bei sozialen Gruppen Anrelz- und Kontrollfragen durchaus eine Rolle (vgl. Wolf 2003, S. 112). Die Mitglieder einer Abteilung identifizieren sich zumeist als Gruppe und kategorisieren die an der Schnittstelle betelligten Abteilungen in Eigen- und Fremdgruppe. Dadurch konnen psychologische Barrieren entstehen, die eine reibungslose Zusammenarbeit an der Schnittstelle erschweren. Aber es sind ebenfalls Personen, die die Zusammenarbeit zwischen Gruppen uberhaupt erst ermoglichen: „Workplace cooperation has been conceptualized as the willful contribution of employee effort to the successful completion of interdependent organizational tasks" (Wagner 1995, S. 152). Diese sozialen Einflusse auf das Interaktionsverhalten an betrieblichen Schnittstellen konnen mit Ansatzen aus der Sozialpsychologie erklart werden. Damit sind die Bezlehungen an betrieblichen Schnittstellen neben aufgabenbezogenen auch sozialen Einflussen ausgesetzt und sollten demzufolge im Rahmen einer interdisziplinaren Betrachtung naher analysiert werden. Abbildung 9 stellt dies zusammenfassend dar.

34

Kapitel 2

Abteilungen/ Gruppen



• Kategorisierung in Eigen- und Fremdgruppe Sozialpsychologische ^ Ansatze

• Soziale Einflusse

Arbeitsteilung

^>

^r

T Aufgabeneinflusse

Okonomische Ansatze

i

Beziehung zwischen Abteilungen

Abbildung 9: Forschungsperspektiven beim Management von Schnittstellen (Quelle: in Aniehnung an Rbder 2001, S. 2)

2.3.2 Ausgewahlte okonomische Ansatze Bevor es zur Darstellung ausgewahlter okonomischer Ansatze kommt, wird kurz das diesen Ansatzen zugrunde liegende Verstandnis von Okonomik eriautert. Allgemein kann die Okonomik als eine Theorierichtung verstanden werden, die untersucht, wie sich die Akteure unter der Bedingung der Knappheit verhalten (vgl. Eriei/Leschke/Sauerland 1999, S. 1 f.). Zum Knappheitsproblem existieren in der Literatur zwei verschiedene Ansatze. Einerseits wird das Grundproblem der Okonomik, der „effiziente" Mitteleinsatz, als ein technisches (im Sinne, dass die Ressourcen als sachliche Mittel gesehen werden) Problem dargestellt (vgl. Schumann/Meyer/Strobele 1999, S. 6; Picot 1991, S. 144). Andererseits geht man von einem sozialen Grundproblem in der Okonomik aus, wo ein Knappheitsproblem erst dann zu einem okonomischen Problem wird, wenn mindestens zwei Akteure interagieren. Demnach befasst sich Okonomik „ ... mit Moglichkeiten und Problemen der gesellschaftlichen Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil" (Homann/Suchanek 2000, S. 5). Diese Definition betont die Bedeutung der

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

35

personlichen Interaktion. Die Handlungen werden nicht isoliert voneinander analysiert,

sondern

es

geht

urn

die

Zusammenarbeit,

mit

ihren

Voraussetzungen, Chancen und Problemen. Damit sind okonomische Ansatze nach dem eriauterten Verstandnis fur die Untersuchung der Interaktion an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb potenziell nutzlich, da diese Bereiche sich in einem

interdependenten

Verhaltnis befinden und somit eine Zusammenarbeit zwingend notwendig ist. Vor

diesem

Hintergrund

erscheint

insbesondere

das

Denkmodell

der

Interaktionstheorie zur Erklarung organisatorischer Gestaltungsprozesse von betrieblichen Schnittstellen als adaquat. Im Mittelpunkt der Interaktionstheorie stehen zielgerichtete wechselseitige Beziehungen zwischen bzw. gegenseitige Beeinflussungen von zwei Einheiten wie z. B. Akteuren oder organisatorischen Teileinheiten (vgl. Wiswede 1998). Im Gegensatz zu anderen theoretischen Ansatzen wie z.B. der Situationstheorie werden bei der Interaktionstheorie jedoch die Wechselseitigkeit der Beziehungen sowie die Merkmale der einzelnen Akteure

noch starker

in den Mittelpunkt geruckt

(vgl. Hill/

Fehlbaum/Ulrich 1992, S. 445), was gerade bei der Untersuchung von Schnittstellenproblemen elementar erscheint. Auch die Spieltheorie, deren Analysekonzept zur Abbildung und Erklarung unterschiedlichster betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme dienen kann, wird als besonders geeignet angesehen, wenn Konkurrenz- oder Konfliktsituationen, Interessenskonflikte oder Koordinationsprobleme vorliegen (vgl. Holler/llling 2003). Im Vergleich

zu

anderen

Teamtheorie

werden

thematisiert,

in

denen

entscheidungstheoretischen bei

der

Akteure

Spieltheorie oder

Ansatzen

wie

der

Entscheidungssituationen

organisatorische

Teileinheiten

unterschiedliche Ziele verfolgen und autonom handein (vgl. Wolf 2003, S. 116). Diese Tatsache kann durchaus eine Ursache von Schnittstellenproblemen sein (vgl. Abschnitt 2.2.2.1). Im Folgenden werden die Ansatze der Interaktionstheorie

und

der

Spieltheorie

naher

eriautert

und

auf

die

Schnittstelle von Marketing und Vertrieb angewendet. 2.3.2.1 Die

Die Interaktionstheorie

Interaktionstheorie,

die

sich

mit

Interaktionsproblemen

und

deren

Losungen beschaftigt, stellt ein okonomisches Theoriekonzept dar, das auf

36

Kapitel 2

verschiedenen Ansatzen basiert (vgl. Moller 2002, S. 30). So bildet der zentrale dkonomische Ansatz zur Erklarung menschlichen Verhaltens - die Neue Institutionenokonomik - eine Grundlage fur die Interaktionstheorie (vgl. Gerecke 1998, S. 137). In die deutschsprachige Betriebswirtschaftslehre ist die Interaktionstheorie vor allenn durch Macharzlna eingebracht worden. Er hat auf Basis der Situationstheorle fur eine Anwendung der Interaktionstheorie in der Organisationslehre pladiert (vgl. Macharzina 1970). Aber auch zur Systemtheorie weist die Interaktionstheorie deutliche Verbindungen auf, indem wechselseitige Beziehungen zwischen System und Umwelt unterstellt werden (vgl. Wolf 2003, S. 177). Im Folgenden soil die Grundidee der Interaktionstheorie naher dargestellt werden, Indem die Annahmen, die Anwendung und das Ziel dieser

Theorie

eriautert werden. AnschlieRend

sollen

diese

Erkenntnisse auf die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ubertragen werden, urn die organisatorischen Konfliktpotenziale (vgl. Abschnitt 2.2.2.1) zwischen den beiden Bereichen zu begrunden. Bei

der

Interaktionstheorie

gelten

die

okonomischen

Annahmen

der

individuellen Nutzenmaximierung, des Opportunismus und der begrenzten Rationalitat. Bei der individuellen Nutzenmaximierung verfolgt ein Akteur sein Eigeninteresse, indem er aus den von ihm wahrgenommenen Handlungsrestriktionen und Praferenzen diejenige Option wahit, die seinen Nutzen maximiert. Die Annahme der opportunistischen Verhaltensweise besagt, dass Akteure ihr Eigeninteresse auch auf Kosten anderer Menschen reallsleren (vgl. Krafft 2001, S. 219 f.). Die begrenzte Rationalitat bezieht sich auf das unvollstandige Wissen

des Akteurs

und der

begrenzten

Informations-

verarbeitungskapazitat, wodurch das Individuum immer nur auf seinen unvollstandigen

Informationsstand

bezogen

rational handein

kann (vgl.

Gerecke 1998. S. 165-170; Picot/Reichwald/Wigand 2003, S. 44 f.). Die Interaktionstheorie kann immer dann sinnvoll angewendet werden, wenn es zu einem Zusammenwirken von mindestens zwei Akteuren kommt, die in einem interdependenten Verhaltnis zueinander stehen. Diese Abhangigkeiten stellen

das

grundlegende

Homann/Suchanek

2000,

Problem S.

23).

der

Dabei

Interaktionstheorie resultieren

die

dar

(vgl.

Probleme

in

Interaktionen nicht aus der Knappheit von Ressourcen, sondern aus den Konflikten, die zwischen den Beteiligten um die knappen

Ressourcen

Theoretisch-konzeptionelle und empihsche Grundlagen der Untersuchung

37

entstehen (vgl. Homann 1999, S. 73). Die Knappheit impliziert Ressourcenkonkurrenz, jedoch besitzen die Akteure die Option, ihr Nutzenniveau durch Kooperation zu steigern. Damit sind Konkurrenz und Kooperation grundlegend fur die Beschreibung von Interaktionen (vgl. Schumann/Meyer/Strobele 1999, S. 9; Gerecke 1998, S. 172). Demzufolge ist das allgemeine Grundproblem aller Interaktionen das Vorliegen zugleich gemeinsamer und konfllgierender Interessen. Dieses Kernproblem wlrd auch als Dilemmastruktur bezeichnet (vgl. Homann 1999, S. 74-76). Es bestehen gemeinsame Interessen im Wunsch, Kooperatlonsgewinne zu erzielen, wahrend sich konfligierende Interessen in Bezug auf den zu leistenden Beitrag zur Kooperation und die Aufteilung der Kooperatlonsgewinne ergeben (vgl. Gerecke 1998, S. 173). Zlel der Interaktionstheorie ist es, in Interaktionen auftretende strategische Interdependenzen zu modellieren und geeignete Konfliktibsungsmechanismen zu entwickein (vgl. Moller 2002, S. 31). Grundlage dafur sind die Erkenntnlsse des

von

Friedman

insbesondere

des

entwickelten

Konzepts

der

Interdependenzkonzepts strategischen

und

hier

Interdependenz.

Das

Friedmansche Konzept ist jedoch nicht mit dem Thompsonansatz aus Abschnitt 2.1.2

zu verwechsein, da Thompson eine

Klassifikation fur

unternehmensinterne Interdependenzen entwickelte. Bel der strategischen Interdependenz, beeinflussen

die die

auch

Verhaltensinterdependenz

Handlungsentscheidungen

eines

genannt

wird,

Akteurs

den

Handlungsraum eines anderen Akteurs. Ausgangspunkt dieser Uberlegung bildet die strukturelle Interdependenz, die einen Grenzfall der strategischen Interdependenz darstellt. In diesem Fall geht das Individuum davon aus, dass seine AktIonen unabhangig von den Handlungen anderer sind und versucht, unter der Bedingung einer fixen, nicht reaktiven Umwelt, seinen individuellen Nutzen zu maximieren (vgl. Friedman 1977, S. 1-6). Diese Situation wird mit der sogenannten Handlungstheorie untersucht (vgl. Esser 1993, S. 95). Die Interaktionstheorie baut auf dieser Theorie auf und realisiert die Modellierung der strategischen Interdependenz uber die Logik der Situation, die Logik der Selektion und die Logik der Aggregation (vgl. Moller 2002, S. 31), was Abblldung 10 zusammenfasst.

38

Kapitel 2

Makroebene:

^, .. Ausgangssituation. (Veranderung von Restriktionen)

(Logik der Situation) \

g^^.^.^g Phanomen

/ (Logik der Selektion) (Logik der Aggregation) •

Mikroebene:

Akteure

Handlungen

Abbildung 10: Modellierungsschema der strategischen Interdepenz (Quelle: in Aniehnung an Gerecke 1998, S. 158)

In der Logik der Situation wird die Makro-Ebene, die die Restriktionen fur die Handlungsoptionen des Individuums vorgibt, mit der Mikro-Ebene des Akteurs verbunden. Es kommt zu einem Abgleich der Moglichkeiten des Akteurs mit seinen Vorstellungen und Bewertungen. Die Logik der Selektion bezieht sich auf die Entscheidung uber die Handlungsalternatlve des Akteurs. Er wird gemall der Handlungstheorie die Wahl treffen, die seinen Nutzen maximiert. Bei dem Schritt der Logik der Aggregation kommt es zur Aggregation der Entscheidungen der einzelnen Akteure. Die einzelnen Handlungen werden dabei mit den gemeinschaftlichen Resultaten verbunden. Hier muss der Akteur davon ausgehen, dass seine Entscheidungen nicht nur direkte, sondern auch indirekte Konsequenzen haben konnen, wenn er die Handlungen anderer durch seine Aktion beeinflusst. Darauf reagieren die anderen Akteure mit Entscheidungen, die wiederum seine Handlungsalternativen beruhren. Die Akteure wirken damit gegenseitig auf ihre Handlungsrestriktionen. Es kommt zur strategischen Interdependenz, da das Ergebnis einer Interaktion nicht nur - wie in der Handlungstheorie - von Restriktionen abhangt, sondern auch von wechselseitigen Entscheidungen und damit von gegenseitigen Beeinflussungen der Akteure (vgl. Coleman 1991, S. 13 f.; Esser 1993, S. 93-98; Gerecke 1998, S. 159-161). Die Trennung der Makroebene von der Mikroebene ermoglicht nun, eine Verhaltensanderung des Akteurs auf einen Situationswechsel auf der Makro-

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Ebene zuruckzufuhren

39

(vgl. Moller 2002, S. 33). Damit erhalten die

institutionellen Rahmenbedingungen fur das Verhalten von Akteuren eine fundamentale Bedeutung. Aufgabe der Interaktionstheorie ist es, Erklarungsoder

Losungshinweise

zur

Gestaltung

der

institutionellen

Rahmen-

bedingungen zu liefern, so dass Dilemmastrukturen vermieden werden konnen. Damit zielt dieser Ansatz nicht auf die einzelne Handlung des Akteurs, sondern auf die Handlungsbedingungen fur die Akteure, die im Rahmen des Schnittstellenmanagements verandert werden konnen. Aus diesen Ausfuhrungen geht hervor, wie sich ein

interdependentes

Verhaltnis zwischen zwei Akteuren mittels der Interaktionstheorie modellleren lasst. Dabei wird deutlich, dass die institutionellen Rahmenbedingungen einen erheblichen

Einfluss

auf

das

Verhalten

von

Akteuren

haben.

Diese

Erkenntnisse sollen nun auf die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ubertragen werden, um die organisatorischen

Konfliktpotenziale

(siehe

Abschnitt 2.2.2.1) zwischen den Unternehmensbereichen zu begrunden. Zwischen der Marketing- und Vertriebsabtellung besteht eine reziproke Interdependenz, da die Abteilungen in ihrer Leistungsfahigkeit voneinander abhangig sind (vgl. Dewsnap/Jobber 2000, S. 111 und Abschnitt 2.1). Im Marketing beispielsweise ist ubiicher Weise die Auswahl und Gestaltung des Marketing-Mix angesiedelt. Dabei geht es konkret um die Entwicklung von Konzepten fur die Marktsegment- und Zielgruppenauswahl, die Positlonierung von Leistungen und - haufig gemeinsam mit dem Vertrieb - die Bestimmung der Grundsatze der Marktbearbeltung. Aufgrund des schnellen Wandels der Umwelt und einer geringen Informationssicherheit stellt die Abschatzung der Marktreaktion

auf

eine

bestimmte

Aktivitat

des

Unternehmens

ein

gravierendes Problem fur das Marketing dar. Hinzu kommt die schwierige Vorhersage

von

Unterschlede

Konkurrenzeffekten,

die sich bei Vorliegen

noch komplexer darstellt.

regionaler

Hier spielt der - nicht immer

funktionierende - Dialog mit dem Vertrieb und deren Erfahrungen in der operativen

Umsetzung

einer

Marktstrategie

sowie

deren

unmittelbarer

Akquisitions- und Betreuungskontakt zu Kunden eine entscheidende Rolle fur den (Miss-)Erfolg im Markt. Der Vertrieb wiederum trifft haufig Entscheidungen ijber die Wahl bestimmter Vertriebswege und den Aufbau logistischer Systeme. Diese sollten im Einklang mit den strategischen Uberlegungen des

40

Kapitel 2

Marketing stehen. Weitere Interdependenzen sind bei der vom Vertrieb durchgefuhrten Kundenselektion zu beobachten, die mit den Segmentierungsund Zielgruppenkonzepten des Marketing harmonieren sollte und umgekelirt. Ein anderer problembehafteter Interdependenzfall entsteht, wenn der Vertrieb operativ kontrar zu den Positionierungsabsichten des Marketing liandeit. Ein Beispiel dafCir ist, dass der Vertrieb beispielsweise mit Distributoren oder Key Accounts Preise vereinbart, die einer vom Marketing angestrebten hoheren Rendite zuwiderlaufen. Das Vertriebsziel der kurzfristigen Umsatzsteigerung verbindet sich dann mit der Gefahr einer hausgemachten

Preiserosion

(vgl. K6hler1998). Diese reziproke Interdependenz bei der Leistungserstellung der Abteilungen fuhrt dazu, dass der Marketing- bzw. der Vertriebsbereich in seinen Aktivitaten nicht nur von seinen eigenen Entscheidungen beeinflusst wird, sondern auch von dem Verhalten des jeweils anderen Unternehmensbereiches (vgl. Luck 1969, S. 33). Es kommt zu einer strategischen Interdependenz, die sich wie folgt verdeutlichen lasst: Die Ausgangssituation auf der Makro-Ebene wird durch die Marketing- und Vertriebsabteilungen in der Funktionalorganisation dargestellt.

Beide Bereiche haben durch die Arbeitsteilung einen fest

zugewiesenen Aufgabenbereich, den sie erfolgreich gestalten wollen. In der Logik der Situation vergleichen die Abteilungen jeweils ihre Handlungsmoglichkeiten

mit

den

bereichsspezifischen

Zielen.

Dabei

sind

die

Handlungsrestriktionen wesentlich durch die zugewiesenen Aufgaben im Rahmen der Arbeitsteilung und des Formalisierungsgrades determiniert. In der Logik der Selektion auf der Mikro-Ebene treffen die Abteilungen ihre Handlungsentscheidung,

die

nutzenmaximierend

sein

soil.

Dabei

berucksichtigen die Bereiche annahmegemali ihre Eigeninteressen. Die abteilungsbezogenen Aggregation

Entscheidungen werden im Schritt der Logik der

zusammengefuhrt.

Dabei

ist

zu

erwarten,

dass

die

Marketingabteilung eher langfristige, produktorientierte Ziele verfolgt, wahrend der

Vertrieb

tendenziell

kurzfristig

und

kundenorientiert

agiert

(vgl.

Mac Hulbert/Capon/Piercy 2003, S. 181-183). Die aufgrund der eigenen Nutzenmaximierung

getroffenen

Handlungsentscheidungen

der

beiden

Bereiche behindern oft eine konstruktive Zusammenarbeit und begrunden potenzielle organisatorische Konflikte.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

41

Des Weiteren kann mit Hilfe der Interaktionstheorie erklart werden, dass die Probleme

zwischen

Marketing

und

Vertrieb

auch

von

institutionellen

Rahmenbedingungen, in Form der organisatorischen Einbindung und des Formalisierungsgrads, abhangen (vgl. Aiken/Hage 1968, S. 925 f). So verschafft

ein

hoherer

Formalisierungsgrad

eine

klare Aufgaben-

und

Kompetenzverteilung, was beispielsweise zu einer Reduktion von Problemen fuhren kann, die durch unklare Zustandigkeiten hervorgerufen wurden (vgl. RuekertAA/alker 1987, S. 10). Bei der Funktionalorganisation konnen zwar erhebliche Spezialisierungsvorteile erzielt werden, jedoch fuhrt die Trennung der Bereiche zu Dilemmastrukturen. Es ist daher notwendig, strukturelle Instrumente zu entwickein, urn diese zu uberwinden. Dazu gehbrt z. B. die Bildung

funktionsubergreifender

Teams

Oder

der

Einsatz

sogenannter

„Boundary Manager" (vgl. LysonskI 1985, S. 27). Donath stellt sogar die Frage, warum immer noch eine Trennung von Marketing und Vertrieb praktiziert wird, statt diese Bereiche vollkommen zu integrieren (vgl. Donath 1999, S. 16). 2.3.2.2

Die Spieltheorie

Die Spieltheorie ist eine Entscheidungstheorie, die sich mit der Analyse von strategischen

Entscheidungssituationen

befasst.

Damit

sind

Situationen

gemeint, in denen das Resultat von den Entscheidungen mehrerer Akteure abhangt, jeder Akteur um diese Interdependenz wei(3> und annimmt, dass auch die

anderen

Akteure

Entscheidungsfindung

die

Interdependenz

kennen

und

dies

bei

der

berucksichtigt wird (vgl. Holler/llling 2003, S. 1).

Aufgrund dieser Entscheidungsinterdependenz gilt die Spieltheorie als eine Theorie sozialer Interaktion (vgl. Rieck 2001, S. 16). Jost bezeichnet die Spieltheorie auch als eine Theorie der sozialen Konflikte, da die Spieler annahmegemal3> ihre individuelle Nutzenmaximierung verfolgen (vgl. Jost 1999, S. 55). Die Grundlagen der Spieltheorie wurden aul^erordentlich breit und allgemein konzipiert: so wurden Spiele mit verschiedenen Akteuren in Betracht gezogen, Spiele mit unterschiedlichen Informationsstrukturen, Spiele mit unterschiedlichen Kooperationsmoglichkeiten usw. Deshalb lasst sich fast jeder in der Praxis vorkommenden Konfliktsituation ein adaquates spieltheoretisches Modell zuordnen (vgl. Bamberg/Coenenberg 2004, S. 188). Um das Zusammenspiel zwischen Marketing und Vertrieb unter diesen Aspekten

42

Kapitel 2

naher beleuchten zu konnen, findet hier das klassische Gefangenen-DilemmaModell nach Luce und Raiffa Anwendung, das auch als „die beste und bekannteste Art, das Konfliktpotential zwischen Individuen abzubilden und Losungsmoglichkeiten aufzuzeigen" (Brennan/Buchanan 1993, S. 4), bezeichnet wird. Gerade das Gefangenendilemma eriaubt eine modelltheoretische Prazisierung von Kooperationsproblemen (vgl. Weber et al. 2004b, S. 11). Ein Ergebnis im Gefangenendilemma stellt immer eine Kombination der individuellen Entscheidungen der Akteure dar. Aus diesem Grund besteht zwischen den Spielern eine strategische Interdependenz. Geht man des Weiteren von der Annahme aus, dass sich die Akteure rational verhalten und eine individuelle Nutzenmaximierung anstreben, fuhren die speziellen Spielregein im Gefangenendilemma zu einem pareto-inferioren und damit suboptimalen Ergebnis fur die Inhaftierten (vgl. Pies 1993, S. 163). Dies liegt an der Tatsache, dass fur beide Inhaftierte die Strategie „Gestehen" dominant ist. Denn es ist unter den gegebenen institutionellen Rahmenbedingungen fur jeden sinnvoll zu gestehen, da er sich damit in jedem Fall besser stellt, unabhangig von der Entscheidung des anderen. Damit gestehen beide Spieler, was zu den achtjahrigen Haftstrafen fCihrt. Durch die individuelle Nutzenmaximierung kommt es zu einer kollektiven Selbstschadigung (vgl. Pies 1993, S. 165; Rieck 2001, S. 38 f.). Das Ergebnis des Gefangenendilemmas entsteht in einer Spielsituation, die nicht-kooperativ ist. Das bedeutet, dass bindende Absprachen zwischen den Spielern nicht moglich sind (vgl. Holler/llling 2003, S. 3). Dadurch wird ein Resultat verhindert, das beide besser stellt. Da eine Vereinbarung nicht realisierbar ist, gelingt den Akteuren keine glaubwurdige kollektive Selbstbindung an die fur sie vorteilhafte Strategie (vgl. Homann 1999, S. 78). Bei einem kooperativen Spiel (Verhandlungsspiel) konnen dagegen bindende Vereinbarungen getroffen werden, die auch exogen durchsetzbar sind (vgl. Holler/llling 2003, S. 6). In so einem Fall konnen die Spieler sich auf die vorteilhafte Strategie „nicht gestehen" einigen und diese fur beide nutzenmaximierend umsetzen.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

43

Das Beispiel des Gefangenendilemmas hat gezeigt, wie sich Akteure, die kooperative

und

konfligierende

Interessen

verfolgen,

unter

gegebenen

institutionellen Rahmenbedingungen verhalten. Dieser Ansatz aus der Spieltheorie soil nun die Zielkonflikte, die ein organisatorisches Konfliktpotenzial darstellen (siehe auch Abschnitt 2.2.2.1), an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb begrunden. Dazu wird zuerst die Spielsituation dargestellt, die auch als Kooperationsdilemma bezeichnet wird (vgl. Jost 1999, S. 109-111), bevor die Ergebnismatrix eriautert wird. Die Spielsituation bleibt gegenuber dem Gefangenendilemma unverandert. Es handelt sich urn ein nicht-kooperatives Spiel, bei dem zwei Akteure, in diesem Fall die Marketing- und Vertriebsabteilung, jeweils zwei Strategien zur Auswahl haben: „kooperieren" und „nicht kooperieren". Bei der Kooperation werden Aufgabeninhalte und Arbeitsablaufe eng aufeinander abgestimmt und koordiniert. So konnen beispielsweise Produktstrategien des Marketing oder Verkaufsstrategien

des

Vertriebs

von

beiden

Abteilungen

gemeinsam

entwickelt werden. Eine Alternative zum kooperativen Verhalten stellt „nicht kooperieren" dar. Bei dieser Strategie wird verstarkt das Eigeninteresse verfolgt und die Zusammenarbeit auf ein Minimum beschrankt. Dies ware der Fall, wenn beispielsweise das Marketing einen Produktpreis festlegt, der zur Produktpositionierung passt, ohne mit dem Vertrieb abzustimmen, ob der Preis marktfahig ist. „Nicht kooperierendes" Verhalten seitens des Vertriebs kann sich darin auliern, dass Kunden als Besitzstand angesehen und deshalb Kundeninformationen

zum eigenen Vorteil genutzt,

aber nicht an die

Marketingabteilung weitergegeben werden. Die Wahl einer Alternative ist mit einem Nutzengewinn bzw. -verlust fur die Abteilungen verbunden. Realisieren beide Akteure die Strategie „kooperieren", wird jeweils ein Nutzengewinn von 5 Einheiten und somit ein gesamter Integrationsgewinn

in Hohe von

10 Einheiten generiert. Weichen

die

Beteiligten in ihrer Auswahl der Strategie voneinander ab, so verliert der Kooperierende 4, wahrend der Nicht-Kooperierende 6 Nutzeneinheiten erhalt. Damit betragt der Gesamtnutzen aus der Zusammenarbeit nur noch 2 Einheiten. Wahlen beide Akteure die Strategie „nicht kooperieren", erzielen sie jeweils einen Nutzenverlust von 3 und damit einen negativen Gesamtnutzen von - 6 Einheiten. Die entsprechende Ergebnismatrix wird in Abbildung 11

44

Kapitel 2

dargestellt. Als Annahme gilt eine je 50%ige Wahrscheinlichkeit des „Kooperierens" bzw. des „Nicht-Kooperierens".

Marketing kooperieren

nicht kooperieren -4

5 kooperieren

(10)

(2) 5

Vertrieb 6 nicht kooperieren

6 -3

(2)

(-6) -4

-3

Abbildung 11: Ergebnismatrix bei Vorliegen eines Kooperationsdilemmas (Quelle: eigene Erstellung in Aniehnung an Holler/llling 2003, S. 2 f.)

Die Ergebnisnnatrix zeigt - analog zu den Ergebnissen des Gefangenendilemmas - dass es fur beide Akteure das Beste ware zu kooperieren, da hier der maximale Nutzen in Hohe von 10 Einheiten realisiert werden kann. Da die Spieler annahmegemafi nach Nutzenmaximierung streben, kommt es in der Zusammenarbeit nicht zu einer Kooperation. Stattdessen kooperieren die Akteure nicht und schaden damit sich selbst und dem Unternehmen, da nicht die produktivste Interaktionsform gewahit wird. Dies lasst sich anhand der Ausgestaltung der Ziel- und Anreizsysteme der Marketing- und Vertriebsabteilung in der Praxis zeigen. So wurde empirisch nachgewiesen, dass die Zielsysteme von Marketing und Vertrieb voneinander abweichen. Dies betrifft sowohl quantitative Zielgrofien (wie Marktanteil, Umsatz Oder Deckungsbeitrag) als auch qualitative Zielgroflen (wie Markenimage oder Kundenzufriedenheit). Die Marketingabteilung verfolgt - bedlngt durch ihre Aufgaben - produktbezogene Zlelvorgaben, wahrend im Vertriebsbereich kundenbezogene Ziele anvisiert werden (vgl. Klumpp 2000, S. 166-171). Auch bezuglich der Anreizsysteme konnten

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

45

Differenzen zwischen den Bereichen empirisch festgestellt werden. Marketingmitarbeiter erhalten zumeist ein Festgehalt und werden uber die AusfiJhrung ihrer Tatigkeit intrinsisch motiviert (vgl. Weiner 1994, S. 201-203). Dazu zahlen immaterielle Anreize wie beispielsweise Verantwortung, Handlungsspielraume oder Beforderungsmoglichkeiten (vgl. Bastian 2000, S. 296). Wenn das Marketing auch uber variable Vergutungsbestandteile entlohnt wird, so sind diese meistens mit der Erreichung von Profitabilitatskennziffern oder MarktanteilsgroBen verbunden. Der Vertrieb hingegen erhalt in den meisten Fallen eine Kombination aus Fixum und variablen Einkommensanteilen und wird somit sehr viel nachhaltiger uber die Gewahrung materieller Vergutungsbestandteile extrinsisch motiviert (vgl. Weiner 1994, S. 201-203). Unter die variablen Anteile fallen Provisionen, Pramien oder Sonderzahlungen, die sehr haufig an die ErfuHung von Umsatzoder anderen Volumenkennziffern gekoppelt sind (vgl. Krafft 1995, S. 69 f.). Diese dargestellten Ziel- und Anreizgr6G>en lassen sich nun auf das Kooperationsdilemma aus der Spieltheorie ubertragen, urn zu demonstrieren, wie es zu Zielkonflikten zwischen Marketing und Vertrieb kommt. Fur beide Bereiche ist die Strategie des „Nicht-Kooperierens" die dominante Strategie, da jede Abteilung vor dem Hintergrund der gegebenen Anreizstruktur versucht, seinen Nutzen zu maximieren. Aufgrund unterschiedlicher Ziele und Anreize kommt es statt zu einer produktiven Zusammenarbeit, von der beide Bereiche am meisten profitieren, zu Konflikten an der Schnittstelle. Die Abteilungen setzen ihre Vorstellungen opportunistisch um, was unter Berucksichtigung der voneinander abweichenden Ziel- und Anreizstrukturen auch rational ist. So sind Vertriebsmitarbeiter haufig an Geschaftsabschlussen interessiert, die mit hohen Volumina einhergehen. Marketingmitarbeiter hingegen favorisieren oft bestimmte (hoch profitable) Produktgruppen mit entsprechendem Ressourceneinsatz. Daruber hinaus gelten sie als bijrokratisch und zu stark fokussiert auf interne Prozesse und Machtspiele, die der eigenen Karriere mehr dienen als dem Gesamtinteresse des Unternehmens. Daher kommt es durch die alleinige Verfolgung individueller Interessen zu einem Ergebnis, das fur beide Seiten mit einem Nutzenverlust verbunden ist. Die Dilemmastruktur und die institutionellen Rahmenbedingungen verhindern somit Kooperationsgewinne und fuhren zur kollektiven Selbstschadigung. Zur Uberwindung der aufgezeigten Konflikt-

46

Kapitel 2

potenziale in der Unternehmenspraxis ist es deshalb notwendig, neue Zielund Anreizsysteme zu entwickein, die eine produktive, bereichsuber-greifende Zusammenarbeit ermoglichen. Weber et al. verweisen hier auf ein Steuerungssystem, das im Rahmen einer gesamtunternehmensbezogenen, wertorientierten Denkhaltung und Handiungsausrichtung konkrete wertorientierte Zielsetzungen fur alle Mitarbeiter vermittelt. Dieses wertorientierte Steuerungssystem soil moglichst alle Mitarbeiter zur Schaffung von Unternehnnenswert anhalten. Auf Grundlage der an diesem Zlel ausgerichteten internen SteuerungsgroBen sind daher operative Ziele fur die einzelnen Mitarbeiter zu formulieren (vgl. Weber et al. 2004a, S. 32 und siehe auch Abschnitt 3.3.4 in dieser Arbeit). Zur Durchsetzung eines solchen wertorientierten Ziel- und Steuerungssystems sind wiederum Mafinahmen notwendig wie die Implementierung eines entsprechend gestalteten Anreizsystems. Z. B. fur Fuhrungskrafte schlagen Weber et al. die Einfuhrung von Incentlveprogrammen vor, die sich an der Erreichung wertorientierter Spitzenkennzahlen wie EVA (Economic Value Added) oder CVA (Cash Value Added) als Bemessungsgrundlage ausrichten (vgl. Weber et al. 2004a, S. 230). 2.3.3 Ausgewahlte sozialpsychologische Ansatze Zur theoretischen Fundierung der Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb finden in der vorliegenden Arbeit neben den okonomischen Ansatzen Theorien aus der Sozialpsychologie Anwendung. Dabei stellt die Sozialpsychologie eine Kombination aus dem Wissenschaftszweig der Psychologie, die sich mit dem Individuum beschaftigt, und der Soziologle, die als Untersuchungsgegenstand die Gesellschaft hat, dar (vgl. Wiswede 1998, S. 33). Der Sozialpsychologie fehit eine ubergreifende theoretische Perspektive. Sie besteht vielmehr aus relativ unverbundenen Theorien (fur eine Ubersicht zu den theoretischen Ansatzen der Sozialpsychologie siehe Wiswede 2004, S. 517 f.), die eine einheitliche Definition des Begriffs erschweren. Der Grundgedanke besteht aber darin, „ ... individuelles Verhalten und Bewusstsein aus dem sozialen Prozess heraus zu erklaren und diesen Prozess durch Muster aufeinander bezogener Interaktionen zu strukturieren" (Wiswede 2004, S. 521). Da hier die Interaktion der Abteilungen Marketing und Vertrieb untersucht wird, wird dieser Arbeit folgende Definition zugrundegelegt: „Dle

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

47

Sozialpsychologie beschreibt und erklart die Interaktionen zwischen Individuen sowie die Ursachen und Wirkungen dieser Interaktionen" (Herkner 1991, S. 17). Diese Definition betont die Interaktionsbeziehung von Individuen, jedoch sind die Ansatze, die im weiteren Verlauf dargestellt werden, auch auf eine

Intergruppenbeziehung,

wie

sie

innerhalb

des

Schnittstellen-

managements relevant ist, anwendbar. Zum

Untersuchungsgegenstand

der Sozialpsychologie

werden

folgende

Forschungsbereiche gezahit (vgl. Wiswede 2004, S. 520): -

Konflikt, Kooperation und Wettbewerb,

-

Interaktion und soziale Rollen,

-

Soziale Vergleichsprozesse,

-

Gerechtigkeit in Sozialbeziehungen,

-

Macht und Fuhrung in sozialen Systemen,

-

Motivation und Handein sowie

-

Soziale Wahrnehmung und Einstellungen.

Fur die Untersuchung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb sind die drei erstgenannten Forschungsbereiche von besonderer Relevanz. Dabei werden Konflikte und Kooperation zwischen sozialen Gruppen speziell in der Theorie der sozialen Identitat naher untersucht. Mit diesem Theorieansatz liegt die bisher weitreichendste und empirisch am besten geprufte Basis zur Untersuchung von Beziehungen zwischen Gruppen vor (vgl. Guttler 2003, S. 150). Der Erklarungsrahmen dieser Theorie lasst insbesondere die Betrachtung von Intergruppen-Beziehungen bzw. Intergruppen-Konflikten zu [im Gegensatz z. B. zur Theorie des realistischen Konflikts] (vgl. Mummendey 1985, S. 191), was zur Erklarung der Schnittstellenproblematik von hoher Bedeutung

ist.

Interaktionen

zwischen

sozialen

Gruppen

und

soziale

Vergleichsprozesse wiederum finden in den Austauschtheorien nach Homans bzw. Thibaut/Kelley besondere Beachtung. Beide Theorienansatze gehoren zu den

sogenannten

prozessbezogenen

Austauschtheorien,

die

soziale

Interaktion als interpersonellen Austausch von Belohnungen und Strafreizen auffassen. Diese Theorien sind fur die Erklarung von Schnittstellenproblemen geeigneter

als Ansatze

der sogenannten

inhaltsbezogenen Austausch-

theorien, die sich auf die Erklarung von Austauschinhalten und den sich daraus

ergebenden

Austauschwahrscheinlichkeiten

konzentrieren

48

Kapitel 2

(vgl. Wiswede 2004; Foa/Foa 1980). Die Theorie der sozialen Identitat und die Austauschtheorien nach Homans bzw. Thibaut/Kelley werden deshalb als besonders geeignet angesehen, Interaktionen und Konflikte an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb (vgl. Abschnitte 2.2.2.2 bzw. 2.2.2.3) theoretisch zu fundieren und sollen im Folgenden nahererlautert werden. 2.3.3.1

Die Theorie der sozialen Identitat

Die Theorie der sozialen Identitat wurde im Wesentlichen von Henri Tajfel begrundet (vgl. Abrams/Hogg 1990, S. 1 f.). Tajfel betont, dass schon eine Kategorisierung der sozialen Umwelt In Gruppen als Quelle von Intergruppenkonflikten anzusehen ist (vgl. Abschnitt 2.1.2), was auch bei unternehmensinternen Schnittstellenproblemen von Bedeutung erscheint (vgl. Ashforth/Mael 1989). In einer spateren Veroffentlichung wird die Theorie der sozialen Identitat im Rahmen von Untersuchungen zur Schnittstelle von Marketing und Forschung & Entwicklung angewendet und das sogenannte Konzept der „relative functional identification" in die Marketingliteratur eingefuhrt (vgl. Fisher/Maltz/Jaworski 1997). Die Theorie der sozialen Identitat stutzt sich im Wesentlichen auf vier Elemente: Soziale Kategorisierung, soziale Identitat, sozialer Vergleich und soziale Distinktheit (vgl. Tajfel 1978b). Zum Verstandnis dieser Theorie werden zunachst die einzelnen Elemente vorgestellt, bevor sie zu einem Ablauf zusammengefasst werden. Kategorisieren ist ein Prozess, „ ... in dem die Umwelt nach Kategorien, also Personen, Objekten und Ereignissen (oder deren ausgewahlten Attributen) geordnet wird, die in Bezug auf ihre Relevanz fur die Handlungen, Absichten Oder Einstellungen eines Individuums ahnlich oder aquivalent sind" (Tajfel 1975, S. 345). Bei der Bildung von Kategorien ist es aufierdem von Bedeutung, zwischen dem induktiven und dem deduktiven Aspekt des Kategorisierens zu unterscheiden. Beim induktiven Kategorisieren wird von einem Merkmal oder einer Eigenschaft eines Individuums auf die gesamte Kategorie geschlossen, beim deduktiven Kategorisieren werden einem Individuum aufgrund der Zugehorigkeit zu einer bestimmten Kategorie bestimmte Eigenschaften zugeordnet (vgl. Tajfel 1975, S. 348; Mummendey 1985, S. 197). Durch die Kategorisierung der sozialen Umwelt legt ein Individuum auch die eigene Position in dem Kategoriensystem fest. Die aus

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

49

der Zugehorigkeit zu einer Kategorie resultierende soziale Identitat bildet mit der personlichen Identitat die Identitat des Individuums (vgl. Roder 2001, S.44f.). Wahrend unter die personliche Identitat individuelle Eigenschaften fallen, wie z. B. Geschmack und Intellekt, versteht Tajfel unter sozialer Identitat den Teil des Selbstkonzeptes einer Person, der sich aus dem Wissen urn die Mitgliedschaft in einer sozialen Gruppe sowie dem Wert und der emotionalen Bedeutung, die mit dieser Mitgliedschaft verbunden sind, ableitet (vgl. Tajfel 1978b, S. 63). Je nach Situation bestimmt die soziale Oder personliche Identitat nicht nur die aktuelle Handlungsweise des Individuums, sondern wie Sproull dazu anmerkt: „ldentity beliefs guide future actions, justify past actions" (Sproull 1981, S. 215). Kommt es zu einer Intergruppensituation, dominiert die soziale Identitat gegenuber der personlichen Identitat. Die soziale Identitat wird mit dem Gruppenverhalten verknupft, was sich in einen kognitiven Prozess der Kategorisierung und einen motivationalen Prozess, das heiSt dem Bedurfnis nach positiver sozialer Identitat, unterteilen lasst. Positive soziale Identitat entsteht, wenn sich die eigene Gruppe in Vergleichen positiv von anderen Gruppen abhebt. Diese, von jedem Individuum gewunschte, positive soziale Identitat kann somit nur Ciber einen sozialen Vergleich eriangt werden (vgl. Mummendey 1985, S. 199 f.). Soziale Vergleiche dienen dazu, Unterschiede zwischen der eigenen und der fremden Gruppe festzustellen. Dabei werden die charakteristischen Eigenschaften (z. B. die Fahigkeit, Ziele zu erreichen) einer Gruppe erst durch die wahrgenommenen Unterschiede zu anderen Gruppen deutlich (vgl. Tajfel 1978b, S. 66). Die positive soziale Identitat kann ein Individuum aus Vergleichsergebnissen generieren, die positiv ausfallen. Dies ist immer dann der Fall, wenn sich die Eigengruppe von der Fremdgruppe abhebt (vgl. Mummendey 1985, S. 200). Je hoher die Differenz zur Fremdgruppe ist, desto mehr gewinnt die Eigengruppe an Selbstwert und damit an positiver sozialer Identitat. Damit besteht das Ziel des sozialen Vergleichs darin, den Abstand zur Fremdgruppe zu vergr6l3)ern. Da dies beide Gruppen wollen und eine positive soziale Identitat nur zu Lasten einer anderen Gruppe entwickelt werden kann, ist das Verhaltnis zwischen Gruppen auf einer Ebene kompetitiv (vgl. Roder 2001, S. 46 f.). So konnte empirisch nachgewiesen werden, dass

50

Kapitel 2

Konflikte zwischen zwei Gruppen die Polarisation gegenuber jeweils der anderen Gruppe noch verstarken (vgl. Brown et al. 1986, S. 283). Es kommt zu einem sozialen Wettbewerb, wobei dieser vom materiellen Wettbewerb zu unterscheiden ist, bei dem es urn die Realisierung eines realistischen, materiellen Ziels geht (vgl. Turner 1975, S. 10). Dabei steigt die Relevanz des Gruppenvergleichs mit der Bedeutung von zwei Faktoren: einerseits mit der Vergleichsdimension, die das beim Vergleich betrachtete Merkmal, beispielsweise die Verfugbarkeit von Informationen, reprasentiert, und andererseits mit der Vergleichbarkeit der Gruppen, die von der Ahnlichkeit der Gruppen bestimmt wird (vgl. Mummendey 1985, S. 200 f.). Die soziale Distinktheit ist als psychologische Eigenart einer Gruppe zu sehen (vgl. Tajfel 1978a, S. 83). Sie besteht aus der positiven sozialen Identitat, die aus den sozialen Vergleichen resultiert. Entwickelt eine Gruppe durch Vergleiche eine steigende positive soziale Identitat und damit positive Eigenart, entsteht eine positive Distinktheit. Stellt eine Gruppe fest, dass sie im relevanten Gruppenvergleich, bezogen auf die Vergleichsdimension, schlecht abschneidet, sinkt der Gruppenstatus und damit die soziale Identitat (vgl. Roder 2001, S. 48). In diesem Fall ist die Gruppe bestrebt, die Distanz zur Fremdgruppe zu erhohen, damit eine positive Distinktheit entsteht. Dafur bieten sich zwei Moglichkeiten an: Zum einen kann ein auf die Vergleichsdimension bezogener sozialer Wettbewerb stattfinden; zum anderen besteht die Moglichkeit des Wechsels der Vergleichsdimension, z. B. Job Rotationen zwischen verschiedenen Abteilungen statt formal organisierter Gruppenmeetings (vgl. Wiswede 1992, S. 748). Die vier dargestellten Elemente der Theorie der sozialen Identitat lassen sich nun zu einem Beziehungsgefuge zusammenfassen. Demnach wird die komplexe, soziale Umwelt durch Kategorisierung unterteilt, wobei sich das Individuum einer Gruppe zuordnet. Durch diese Gruppenzugehorigkeit wird eine soziale Identitat generiert. Das Verlangen nach einer positiven sozialen Identitat fuhrt dazu, dass es zu einem sozialen Vergleich mit einer anderen Gruppe kommt. Da die Starke der positiven sozialen Identitat aus der Gruppenmitgliedschaft mit dem Unterschied zu anderen Gruppen wachst, ist es das Ziel, eine positive Distinktheit zu schaffen. Dieser Wunsch nach positiver Distinktheit generiert gleichzeitig ein Konfliktpotenzial in der

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

51

Zusammenarbeit von Gruppen bzw. Abteilungen (vgl. Roder 2001, S. 49 f.). So wird beispielsweise im Prozess der Formulierung und Durchsetzung von Strategien, Konflikte zwischen den verschiedenen Gruppen bzw. Abteilungen innerhalb eines Unternehmens festgestellt: „Subunits tend to protect their turf for at least two reasons: self-interest and self-identity. During strategic decision processes, interest groups form around official objectives, responsibilities, and intentions of business units; they also form around differences between groups at varying levels of the organizational hierarchy" (Frankwick/WalkerAA/ard 1994,8.97). Die vorangegangenen Ausfuhrungen haben gezeigt, wie eine Kategorisierung der

Umwelt

in Eigen- und Fremdgruppe

Konflikte zwischen

Gruppen

begunstigen kann. Die Theorie der sozialen Identitat liefert insbesondere einen Beitrag zur Erklarung von psychischen Barrieren bei der Zusammenarbeit von Abteilungen und bei der Subkulturblldung innerhalb eines Unternehmens. Dies soil im Folgenden fur die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb aufgezeigt werden. Dazu wird zuerst die Wirkungskette der Elemente der Theorie der sozialen Identitat an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb vorgestellt. AnschlieBend werden die Konsequenzen der posltiven Distinktheit fur die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb untersucht. Die Wirkungskette der Theorie der sozialen Identitat kann an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb wie folgt ablaufen: Der Vorgang der sozialen Kategorisierung wird erheblich durch die organisatorische Struktur eines Unternehmens

beeinflusst.

Arbeiten

zwei

eigenstandige

Abteilungen

miteinander, ist fur die Mitarbeiter die Einteilung in Eigen- und Fremdgruppe leichter

als

wenn

die

Tatigkeiten

in

einer

gemeinsamen

Abteilung

institutionalisiert waren. Diese Unterscheidung in Eigen- und Fremdgruppe wird durch den induktiven und deduktiven Charakter des Kategorisierens verstarkt.

Im Sinne

des

induktiven

Aspekts

neigt

beispielsweise

der

Marketingmitarbeiter dazu, auf die mangelnden Fahigkeiten der gesamten Vertriebsabteilung zu schlieBen, wenn es einem einzelnen Vertriebsmitarbeiter nicht gelingt, einen fur das Marketing strategisch wichtigen Kunden zu akqulrieren oder zu halten. Anders ist es beim deduktiven Aspekt, bei dem der Vertriebsmitarbeiter im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem Marketingmitarbeiter

annimmt,

dass

dieser

keine

Kenntnisse

vom

operativen

52

Kapitel 2

Tagesgeschaft hat, weil die Marketingabteilung in der Unternehmenszentrale angesiedelt

ist und keinen direkten

Kundenkontakt

hat. Schon

diese

gegenseitigen Einschatzungen sorgen fur Spannungen in der taglichen Zusammenarbeit (vgl. Piercy 2002, S. 252-254). Ein weiterer Aspekt in der Theorie der sozialen Identitat ist der Wunsch des Individuums nach positiver sozialer Identitat aus der Gruppenmitgliedschaft. Daher

kommt es zu einem sozialen Verglelch zwischen

Eigen- und

Fremdgruppe. Die Bedeutung des sozialen Vergleichs ist von der Wichtlgkeit der Vergleichsdimension und der Vergleichbarkeit der Vergleichsgruppe abhangig. So ist ein Vergleich zwischen der Marketing- und Vertriebsabteilung Liber die Qualitat von verfugbaren Informationen von grolier Relevanz. Die Vergleichbarkeit in einem sozialen Vergleich hangt davon ab, inwiefern die andere Gruppe als relevante Vergleichsgruppe gesehen wird. Daher wird sich der

Marketingbereich

eher

mit dem Vertrieb vergleichen als mit der

Buchhaltung, da beide in absatzorientierten Berelchen arbeiten und nicht im administrativen Bereich. Aus diesen sozialen Vergleichen entsteht eine positive DIstlnktheit der Marketing- und Vertriebsabteilung. Da die Abteilungen bestrebt sind, eine mbglichst positive Distinktheit zu erreichen, konnen im Zeitablauf eigenstandige Bereichskulturen und damit Subkulturen entstehen, die ein konstruktives Zusammenarbeiten erschweren (vgl. Hofstede et al. 1990, S. 311-313). Einige Autoren betonen, dass soziokulturelle Differenzen eine Barriere bei einer effektiven Zusammenarbeit von Marketing und Forschung & Entwicklung darstellen (vgl. Gupta/RajA/Vilemon 1986, S. 12; Dougherty 1992, S. 182; Griffin/Hauser 1996, S. 196). Andere Autoren gehen noch einen Schritt weiter und sehen „belief structures" als Ursache von Konflikten und politischen Machtkampfen sowohl zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen als auch fiir „defensive behavior across functions". (Frankwick/Walker/Ward 1994, S. 192 f.) Bei Untersuchungen zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb wurde an diesen Beitragen angeknupft und der Begriff der psychologischen Distanz eingefuhrt (vgl. Dawes/Massey 2001, S. 5). Diese ergibt sich aus der positiven Distinktheit der beiden Abteilungen. Je grower die psychologische Distanz, desto starker sind die jeweiligen Subkulturen der interagierenden Bereiche in einem Unternehmen ausgepragt, was personelle Konfliktpotenziale zur Folge

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung hat.

Dabei

wird

die

psychologische

Distanz

53

wesentlich

durch

die

Arbeitserfahrung der Mitarbeiter aus der Marketing- und Vertriebsabteilung (vgl. Dewsnap/Jobber 2000, S. 116). Diese psychologische Distanz kann sich uber ihren negativen Einfluss auf die Qualitat der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb auch mittelbar auf den Geschaftserfolg

auswirken. Eine verbesserte Zusammenarbeit

von

Marketing und Vertrieb kann vor allem dazu fuhren kann, dass Ziele und Aktionen besser abgestimmt werden und so die Erfolgschancen

ihrer

Umsetzung steigen (vgl. Dewsnap/Jobber 2000, S. 116 f.). Diese Ausfuhrungen zur Anwendung der Theorie der sozialen Identitat zeigen, dass die Kategorisierung und das daraus resultierende Streben nach positiver DIstinktheit ein wesentliches Problem an der Schnlttstelle von Marketing und Vertrieb begrundet und einen Teil des personellen Konfliktpotenzials erklart. Wenn die psychischen Barrieren im Miteinander nicht mehr bestehen, ist eine produktivere Zusammenarbeit der Abteilungen wahrscheinllcher. Daher ist es notwendig, den Abteilungen ein Verstandnis fur die Arbeitsweise der jeweils anderen Abteilung zu vermittein, um so die negativen Auswirkungen einer Subkulturbitdung abzumildern und die Zusammenarbeit erfolgreicher zu gestalten. Dies kann belspielsweise im Zuge von Job-Rotationen

und

gemeinsamer Trainingsprogramme geschehen, bei der die Mitarbeiter der Marketing- und Vertriebsabteilung Einblicke in die Denk- und Arbeitsweisen des jeweils anderen Bereichs bekommen. 2.3.3.2 Die

Die Austauschtheorien

Austauschtheorien

gelten

als

der

umfassendste

psychologische

Theorieansatz, der sich mit der Untersuchung von sozialen Interaktionen beschaftigt (vgl. Piontkowski 1982, S. 12). Der Kerngedanke der verschiedenen Austauschtheorien ist, dass soziale Interaktion als ein Austausch von Belohnungen und Bestrafungen angesehen werden kann (vgl. Wiswede 1998, S. 151). Die Austauschtheorien nach Homans und Thibaut/Kelley, die als zentrale Zweige der Austauschtheorie betrachtet werden (vgl. Kern 1990, S. 10 f.; Wiswede 2000, S. 96), sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

54

Kapitel 2

Die Austauschtheorie nach Homans basiert auf den Erkenntnissen des instrumentellen Lemens (vgl. Mijller 1983, S. 665). Diese Theorie besagt, dass jedes Handein durch die damit verbundenen Konsequenzen beeinflusst wird (vgl. Wiswede 2000, S. 67). Dabei gelten positive Verstarkung bzw. Belohnung und negative Verstarkung bzw. Kosten als lernpsychologische Beeinflussung des Verhaltens (vgl. Bierhoff 1973, S. 299). Mit dieser Theorie wird versucht, nicht den Lernprozess an sich sondern das Verhalten nach dem Lernprozess zu erklaren (vgl. Homans 1972, S. 16). Diese Austauschtheorie besteht aus folgenden Aussagen (vgl. Homans 1972, S. 45-64; Muller 1983, S. 665 f.): 1) Wird das Handein einer Person in einer Situation belohnt, wird die Person in einer ahnlichen Situation genauso handein (Reizgenerallsierungsthese). 2) Je ofter das Verhalten einer Person belohnt wird, desto haufiger wird die Person diese Aktivitat wiederholen (Erfolgsthese). 3) Je wertvoller eine Belohnung nach einer Aktivitat fur eine Person ist, desto wahrscheinlicher wird sie dieses Verhalten ausuben (Wertthese). 4) Je haufiger ein Verhalten in der Vergangenhelt von einer Person belohnt wurde, desto weniger attraktiv ist jede weitere EInheit dieser Belohnung (Sattigungsthese). 5) Wird ein Verhalten einer Person nicht belohnt, obwohl sie es erwartet hat, Oder erhalt sie eine Bestrafung, mit der sie nicht gerechnet hat, entwickelt sie das Gefuhl von Arger (Frustratlonsthese). Hier wird dementsprechend eine Interaktion als ein kalkulierter Austausch von Belohnung und Kosten betrachtet. Dabei sind unter Belohnungen in sozialen Interaktionen neben materiellen Objekten wie Geld oder Outer auch immaterielle Werte wie Status (beispielsweise Prestige oder Selbstachtung) und Informationen (wie z. B. Rat oder Meinung) zu verstehen (vgl. Foa/Foa 1980, S. 79). Mit Kosten sind Handlungen gemeint, die als Strafe eriebt werden bzw. eindeutig belohnende Handlungen, die nicht realisiert wurden (vgl. Homans 1972, S. 50). Jedes Individuum nimmt in einer Interaktionsbeziehung einen kognitiven Abgleich von Belohnungen und Kosten vor, wobei eine positive Differenz als Gewinn bezeichnet wird (vgl. Piontkowski 1982, S. 12 f.). Die Akteure einer Interaktion werden demnach eine soziale Beziehung (etwa ein Arbeitsverhaltnis) aufnehmen bzw. fortfuhren, wenn fur beide Akteure ein Gewinn vorliegt (vgl. Homans 1972, S. 60). Das ist mit der

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

55

Annahme verbunden, dass die Akteure rational agieren und ihre individuelle Nutzenmaximierung verfolgen (vgl. Piontkowski 1982, S. 13; Treibel 2000, S. 97). Dieses reduktionistische Menschenbild und das Fehlen altruistischer Handlungen konnte als Kritik an der Austauschtheorie nach Homans vorgebracht werden. Fur die Problemstellung der vorliegenden Arbeit werden altruistische Handlungen, das heiflt belohnende Handlungen, die daraus resultieren, dem anderen einen Gefallen zu erweisen, jedoch nicht als adaquat erachtet. Die obigen Ausfuhrungen bezlehen sich auf Situationen, in denen die Akteure uber die Interaktion frei entscheiden konnen und diese nur bei einem positiven Nutzen aufnehmen. Es kann aber auch bei einem negativen Nutzen zu einer Interaktion kommen. Dies ist der Fall, wenn die Akteure in ihrer Entscheidung nicht freigestellt sind. So kann in einem Unternehmen die Geschaftsfuhrung eine Zusammenarbeit von zwei Abteilungen in einem konkreten Projekt fordern. Die Interaktion wird auch dann stattfinden, wenn diese als bestrafend empfunden wird, well der Interaktionspartner nicht sympathisch ist und eine gewisse Ablehnung empfunden wird. Dies geschieht, wenn die Kosten durch ein Unterlassen der Interaktion, in Form der entgangenen Belohnung durch die Geschaftsfuhrung, zu hoch sind (vgl. Homans 1972, S. 157 f.). Die Austauschtheorie nach Thibaut/Kelley befasst sich mit den Austauschergebnissen von Interakteuren und deren Anstrengungen, gemeinsam mit anderen (oder auf Kosten anderer) zu maximalen oder befriedigenden Interaktionsertragen zu gelangen. Die Besonderheit dieser Theorie besteht in der Einbeziehung von Vergleichsniveaus. Das ist einerseits ein Vergleichsniveau (comparison level = CL), das sich aus den Erfahrungen mit Interaktionsergebnissen in ahnlichen sozialen Situationen ergibt. Und es ist andererseits ein Vergleichsniveau fur Alternativen (comparison level for alternatives = CLAIO, das Gewlnne aus anderen Interaktionen reprasentiert. Durch diese beiden Standards kann ein Akteur die durchschnittlichen Ergebnisse einer Interaktion (W) bewerten, indem er W mit CL und CLAK vergleicht (vgl. Thibaut/Kelley 1959, S. 21-24). Um die Attraktivitat einer Interaktion zu ermittein, vergleicht der Akteur W mit CL, was auch der KostenNutzen-Uberlegung bei Homans entspricht. Liegt W uber CL, ist die Interaktion attraktiv. Dementsprechend spricht man von einer unattraktiven Austausch-

56

Kapitel 2

beziehung, wenn W unter CL liegt. Der Abgleich von W mit CLMt zeigt dem Akteur die Alternativen, die er hat, wenn er CL nicht realisiert. Dieser Vergleich verdeutlicht dem Akteur, ob er von CL abhangig ist oder nicht. Liegt CLAK unter CL, liegt eine Abhangigkeit vor, da der Akteur bei einem Nicht-Erreichen von CL nur schlechtere Alternativen zur Auswahl hat. Eine unabhangige Beziehung existiert, wenn CLAK uber CL liegt, da bei einer Nichtrealisierung von CL noch attraktivere Alternativen vorhanden sind (vgl. Herkner 1991, S. 398 f.). Diese Zusammenhange werden in Abbildung 12 verdeutlicht:

attraktiv und unabhangig

u 1

^

CL

\ CLAit

0 attraktiv und abhangig

unattraktiv und abhangig

M

^

1

1

+ ^

W +

1

1

CLAit

CL

W

1

1

1

CLAI,

W

CL



^

Abbildung 12: Austauschattraktivitat und -abhangigkeit (Quelle: nach Herkner 1991, S. 398)

Die Austauschtheorien nach Homans und Thibaut/Kelley veranschaulichen, dass Interaktionen zwischen Akteuren (z.B. Abteilungen) bewertet werden konnen. Dazu werden Kosten und Nutzen einer Beziehung ermittelt und verglichen, wobei die Bereitschaft zur Interaktion mit hoherem Gewinn bzw. wachsender Attraktivitat ansteigt. Ebenso erklaren die belden Ansatze, dass eine Interaktion auch unfreiwillig etabliert bzw. aufrechterhalten werden kann. Diese Erkenntnisse sind fur die Beziehung von Marketing und Vertrieb wichtig, wie nachfolgend verdeutlicht werden soil. Die Ausfuhrungen zu den obigen Austauschtheorien haben gezeigt, wann und unter welchen Bedingungen es zu sozialer Interaktion kommt. Inwiefern diese Theorien auf die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb anwendbar sind, soil

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

57

anhand des informationellen Konfliktpotenzials zwischen diesen Bereichen begrundet werden (siehe auch Abschnitt 2.2.2.3). Urn die Kommunikationsprozesse der Abteilungen bewerten zu konnen, werden zuerst Dimensionen identifiziert, die zur Beschreibung der Kommunikation dienen. AnschlieBend wird

dargestellt,

dass

Kommunikationsflusse

auch

die

psychologische

Distanz

auf

einwirkt, da es sich urn Interaktionen

die

zwischen

Menschen handelt, die an betrieblichen Schnittstellen kommunizieren und somit die informationellen mit den personellen Konfliktpotenzialen verknupft sind

(vgl. Abschnitt

2.3.3.3).

Kommunikationsdimensionen

Diese

Wirkungen

untersucht,

werden

anhand

von

bevor gezeigt wird, wie diese

Dimensionen die Zusammenarbeit beeinflussen. Wie im Abschnitt 2.3.2.2 verdeutlicht wurde, besteht zwischen der Marketingund

Vertriebsabteilung

eine

reziproke

Interdependenz.

Der

daraus

resultierende Abstimmungsbedarf geht mit einem hohen Kommunikationsbedarf einher. Die notwendige Kommunikation kann mit den Dimensionen Kommunikationshaufigkeit und Dialog beschrieben werden. Dabei werden Kommunikationshaufigkeit als die Intensitat des Informationsaustausches mit verschiedenen Medien und Dialog als ein von beiden Parteien forcierter, wechselseitiger Kommunikationsprozess definiert (vgl. Dawes/Massey 2001, S. 8). Die Dimension Kommunikationshaufigkeit wird in der relevanten Literatur als elementare Grofle zur Beurteilung von Kommunikationsprozessen angesehen (vgl. RuekertA/Valker 1987; Fisher/Maltz/Jaworski

1997). Der

Einfluss der beiden vorgestellten Dimensionen auf die Zusammenarbeit an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb soil im Folgenden gezeigt werden. Inwieweit sich die psychologische Distanz auf Kommunikationsflusse zwischen Marketing und Vertrieb auswirkt, wurde in einer Studie mit folgender Hypothese empirisch uberpruft: Steigende psychologische Distanz fuhrt zu einer abnehmenden Kommunikationshaufigkeit und weniger Dialog zwischen Marketing und Vertrieb (vgl. Dawes/Massey 2001, S. 29). Dies konnte jedoch in der gleichen Arbeit nicht bestatigt werden, was sich durch Argumente der Austauschtheorien begrunden lasst. Dass es trotz der psychologischen Distanz zwischen den Bereichen zur Interaktion kommt, hat zwei Grunde. Einerseits konnten die Abteilungen durch die reziproke Interdependenz auf eine Interaktion zwingend angewiesen sein, andererseits sind gegebenenfalls

58

Kapitel 2

die Kosten durch eine Vermeidung der Zusammenarbeit, beispielsweise einer schlechten Beurteilung durch die Geschaftsfuhrung, zu hoch. Somit lasst sich die Beziehung von Marketing und Vertrieb nach den Ausfuhrungen zur Austauschtheorie als unattraktiv und abhangig bezeichnen, was folgendes Beispiel verdeutlicht. Es wird ein Interaktionsergebnis von W realisiert. Es erfolgt ein Vergleich von W mit CL, der die Interaktionserfahrungen mit anderen Unternehmensbereichen - beispielsweise der Personalabteilung - reprasentiert. Aufgrund der zu vermutenden Probleme in der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb (siehe Abschnitt 2.2.2) wird mit W eine Interaktion erreicht, die ein geringeres Ergebnis als CL bringt und zu einer unattraktiven Beziehung der beiden Abteilungen fuhrt (es sind auch Probleme der Marketing- bzw. Vertriebsabteilung mit der Personalabteilung zu beobachten, jedoch haben diese eine geringere Wirkung, weswegen auch CL uber W liegt). Da aber beide Unternehmensbereiche auf die Interaktion angewiesen sind, befinden

sie

sich

in einer

Abhangigkeitsbeziehung,

weil

ohne

diese

Kommunikation nur noch schlechtere Alternativen mit CLAU moglich sind, beispielsweise einer Interaktion mit dem Controlling, in der die Bereiche dann nicht mehr die notwendigen Informationen zur Arbeitsbewaltigung bekommen wurden. Durch diese Abhangigkeit fuhrt die psychologische Distanz nicht zu einer

Abnahme

der

Kommunikation,

jedoch

ist

der

existierende

Informationsaustausch fur beide Seiten unattraktiv. Ein weiterer

spezifischer

Erklarungsbeitrag

der Austauschtheorie

nach

Thibaut/Kelley bezieht sich auf die Beziehung zwischen Kommunikationshaufigkeit und Qualitat der Zusammenarbeit zwischen zwei Bereichen. So konnte nachgewiesen werden, dass eine vermehrte Kommunikation durch den blol^en Austausch von Informationen via Telefon, Email, Fax, Berichten und Sitzungen nicht zu einer von den Mitarbeitern wahrgenommenen erhohten Qualitat und Effektivitat der Schnittstelle fuhrt (vgl. Kahn/Mentzer 1998, S. 57). Dies liegt an der Tatsache, dass die Interaktion trotz einer wachsenden Kommunikationshaufigkeit

unattraktiv und abhangig bleibt. Es bestehen

weiterhin psychologische Barrieren im Umgang miteinander, auch wenn es, z. B. durch Anordnung der Geschaftsfuhrung, zu mehr Austauschaktivitaten kommt.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

59

Dagegen tragt der Dialog zu einer verbesserten Effektivitat der Schnittstelle bei und fuhrt zu geringeren Konflikten (vgl. Dawes/Massey 2001, S. 33). Zu ahnlichen Ergebnissen kommen andere Autoren, die den Begriff Kollaboration einfuhren. Dieser bezieht sich im Gegensatz zur blofJen Interaktion auf gegenseitiges Verstandnis, gemeinsame Ideen und Visionen sowie das gemeinsame Erreichen von Zielen. Hier konnte empirisch nachgewiesen werden, dass sich Kollaboration positiv auf die Qualitat der Zusammenarbeit zwischen zwei Bereichen - in diesem Fall zwischen Marketing und Forschung & Entwicklung - auswirkt (vgl. Kahn/Mentzer 1998). Das bedeutet, wenn zwei Bereiche kollaborieren, bleibt die Interaktion zwar ein Abhangigkeitsverhaltnis, jedoch wandelt sie sich von einer unattraktiven zu einer attraktiven Verbindung. Das Interaktionsergebnis liegt somit uber dem Vergleichsniveau. Damit die Marketing- und Vertriebsabteilung jeweils einen Anreiz hat, den Dialog zu forcieren, ist es notwendig, ein attraktives Austauschverhaltnis zu erreichen. Dazu gilt es, die in einer Interaktion ausgetauschten Belohnungen, wie beispielswelse Informationen, zu verbessern. Des Welteren sind die Interaktionskosten zu reduzieren. Eine wesentllche Kostenkomponente, die dazu fuhrt, dass ein Austauschverhaltnis als unattraktiv gesehen wird, ist die raumliche Trennung der Marketing- und Vertriebsabteilung. Diese Trennung wirkt kostentreibend, da die Uberbruckung der Distanz mit einem Mehraufwand verbunden ist, was sich in den Kosten-Nutzen-Uberlegungen niederschlagt. So wird die ortliche Trennung von Abteilungen auch als Grund fur eine erschwerte direkte Konnmunikation und verzogerte Entscheidungsfindungen angesehen (vgl. Griffin/Hauser 1996, S. 197). Diese Ausfuhrungen haben gezeigt, inwieweit die Austauschtheorien die Kommunikatlonsbeziehung an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb zu erklaren hilft. Diese Kommunikationsbezlehung ist - birgt durch psychlsche Barrleren - als unattraktiv und abhangig anzusehen und bildet somit ein informationelles Konfliktpotenzial. Die Kommunikatlonsbeziehung kann aber vor allem durch einen verbesserten Dialog attraktiver gestaltet werden. An diesem Punkt muss das Management ansetzen und dafur sorgen, dass der beidseitige Kommunikationswille gefordert wird, um die informationellen Konflikte zu reduzieren.

60

2.4

Kapitel 2

Empirische Befunde zur Schnittstellenforschung

Nachdem in den vorausgegangenen Abschnitten die theoretischkonzeptionellen Grundlagen betrieblicher Schnittstellen erarbeitet wurden, wird nun eine Bestandsaufnahme der empirischen Forschungsbeitrage vorgenommen, die sich speziell mit der Schnittstellenproblematik auseinandergesetzt haben. Damit werden auch die ersten konzeptionellen Grundlagen fur die Hypothesenformulierung in Kapitel 3 gelegt. Wie schon in den vorangegangenen Abschnitten erwahnt, existieren zur Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb nur wenige praxisbezogene und konzeptionelle Beitrage und kaum empirische Untersuchungen. Deshalb wird in Abschnitt 2.4.1 zuerst auf die zahlreichen empirischen Beitrage zur Schnittstelle zwischen Marketing und Forschung & Entwicklung (F&E) bzw. Produktion zuruckgegriffen. Dabei konnen wichtige Informationen zu Determinanten und Beeinflussungsmoglichkeiten bezuglich der zu untersuchenden Schnittstelle von Marketing und Vertrieb gewonnen werden (vgl. Dewsnap/Jobber 2000). Die Literatur zur Schnittstelle von Marketing und F&E bzw. Produktion wird nach den in der vorliegenden Arbeit aufgeworfenen Forschungsfragen strukturiert und ausgewertet, bevor im darauffolgenden Abschnitt die empirischen Forschungsbeitrage zur Schnittstelle zwischen Marketing und Vertrieb vorgestellt werden. 2.4.1 Empirische Ergebnisse zur Gestaltung der Schnittstelle von Marketing und F&E bzw. Produktion Die empirischen Arbeiten zum Schnittstellenmanagement zwischen Marketing und F&E bzw. Produktion werden nicht, wie in vielen Forschungsbeitragen ubiich, nur nach chronologischen Gesichtspunkten, sondern auch nach ihrem Untersuchungsgegenstand klassifiziert. Die Struktur wird dabei von den drei zentralen Forschungsfragen der vorliegenden Untersuchung vorgegeben: 1) Literaturubersicht zum Einfluss von Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und F&E: Empirische Arbeiten, die sich mit situativen Gegebenheiten (z. B. organisatorischen Dimensionen oder kulturellen Aspekten) und der Zusammenarbeit der Bereiche Marketing und F&E bzw. Produktion auseinandersetzen.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

61

2) Literaturubersicht zum Einfluss von Schnittstelleninstrumenten auf die Koordination von Marketing und F&E\ Empirische Arbeiten, die Schnittstelleninstrumente und deren Wirkungen auf die Zusammenarbeit zwischen Marketing und F&E bzw. Produktion zum Inhalt haben. 3) Literaturubersicht zum Einfluss der Koordination von Marketing und F&E auf den Unternelimenserfolg: Empirische Arbeiten, die sich mit der Beziehung zwischen Marketing und F&E bzw. Produktion und moglichen Effekten auf den Unternehmenserfolg und auf Konflikte zwischen den Bereichen beschaftigen. Da sich einige der zentralen Publikationen mit alien drei Problematiken befassen, sind Uberschneidungen und Mehrfachnennungen moglich. Bei der Durchsicht der emplrischen Beitrage zu den Unternehmensfaktoren wird offenslchtlich, dass beim Schnittstellenmanagement zum einen organisatorische Fragen und zum anderen kulturelle Aspekte eine Rolle spielen. In Tabelle 2 wird ein Literaturuberblick zum derzeitigen Forschungsstand aufgezeigt. Die Quellen sind dabei chronologisch sortiert. Bei den organlsatorischen Dimensionen geht es hauptsachlich um die Formalislerung von Prozessen, um eine klare Verteilung der Rollen und Verantwortlichkeiten, um die Zentralisierung bzw. Dezentralisierung von Macht und um Organisationsstrukturen. In den vorliegenden empirischen Arbeiten wurde festgestellt, dass insbesondere die formale Festlegung der Rollen und Verantwortlichkeiten von Mitarbeitern die Zusammenarbeit zwischen Marketing und F&E verbessern kann (vgl. Ayers/Dahlstrom/Skinner 1997; Gupta/Raj/Wilemon 1987; Moenaert/Souder 1990). John/Martin (1984) fanden heraus, dass formalisierte Prozesse und Regein bei der Marketingplanung zu einer hoheren Glaubwurdigkelt und besseren Umsetzung des Marketingplanes fuhren. In hochintegrierten Unternehmen konnten die Mitarbeiter aufgrund formalisierter Rollen und Verantwortlichkeiten zu einer aktiven Mitwirkung bei betrieblichen Prozessen an der Schnittstelle von Marketing und F&E stimuliert werden (vgl. Song/Parry 1993a). Die Zentralisierung von Macht bzw. eine Starke Hierarchisierung behindern zumeist die Zusammenarbeit zwischen Marketing und F&E (vgl. John/Martin 1984; Tsai 2002).

62

Kapitel 2

Einen weiteren Schwerpunkt in den Arbeiten bilden kulturelle Einflussfaktoren und hier insbesondere die Quantitat und Qualitat des Informationsaustausches sowie eine Untemehmenskultur, die von Vertrauen, Offenheit sowie Marktund Kundenorientierung getragen wird. Bin regelmafiiger

Informations-

austausch fordert einigen Studien zufolge das gegenseitige Verstandnis, mindert Konflikte und tragt zu einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Bereichen Marketing und F&E bei (vgl. Barclay 1991; Fisher/Maltz/Jaworski 1997; Gupta/Raj/Wilemon

1985a; Gupta/Wilemon

1988; Souder

1988).

Ebenso wirkt sich eine durch Vertrauen, Offenheit und Bereitschaft zum Lernen gekennzeichnete Unterneiimenskultur positiv auf die Arbeitsbezieiiung zwischen den Bereichen aus (vgl. McAllister 1995; Sinkula/Baker/Noordewier 1997). Wenn markt- und kundenorientiertes Denken und Handein Bestandteil der Untemehmenskultur ist, erhoht sich nicht nur der „Esprit de Corps", sondern auch die Kooperationsbereitschaft der einzelnen Unternehmensbereiche (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1985b; Jaworski/Kohli 1993). En/vahnt sei auch

die

Bedeutung

einer

gemeinsamen

Unternehmensvision,

die

integrationsfordernd wirkt und den Zusammenhalt im Unternehmen starkt (vgl. Gupta/Raj/Wilemon 1985b; Sinkula/Baker/Noordewier 1997). Die nachfolgende Tabelle 2 fasst die zentralen Veroffentlichungen zum Einfluss von Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und F&E Im Uberblick zusammen.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autoren

Denison (1984)

John/Martin (1984)

Gupta/Raj/ Wilemon (1985a)

Gupta/Raj/ Wilemon (1987)

Ruekert/ Walker (1987)

Untersuchungsgegenstand Unternehmenskultur, Arbeitsplatzorganisation, Untemehmenserfolg

Organisationsstruktur, Marketingplanung

Informationsaustausch

Organisationsstruktur

Formalisierung, Informationsaustausch

Datengrundlage und Analysemethoden Schriftliche Befragung von 34 Untemehmen

Forschungsergebnisse

-

Inhaltliche Auswertungen Schriftliche Befragung von Marketingmitarbeitern aus 53 Unternehmen Regressionsanalyse

-

Schriftliche Befragung von 167 Unternehmen

-

Mittelwertvergleiche Schriftliche Befragung von 109 Marketing- und 107 F&E-Managern

-

Mittelwertvergleiche Schriftliche Befragung von 151 Unternehmen Korrelationsanalysen

Gupta/ Wilemon (1988)

Informationsaustausch

Befragung von 80 Unternehmen

-

Korrelationsanalysen Souder (1988)

Informationsaustausch, Vertrauen

Befragung von 289 Projektteilnehmern von F&E-Projekten Korrelationsanalysen

63

-

In Unternehmen mit einer Unternehmenskultur, die die Partizipation der Mitarbeiter fordert, arbeiten die Abteilungen engerzusammen, was zu mehr Erfolg im Markt fuhrt Formalisierte Prozesse und Regein bei der Marketingplanung fuhren zu einer hoheren Glaubwurdigkeit und besseren Umsetzung des Marketingplanes Dagegen haben zentralisierte Machtstrukturen negative Auswirkungen Kommunikationsdefizite sind die grodte Barriere in der Koordination von Marketing und F&E

Formalisierte Prozesse und Verantwortlichkeiten werden in hochintegrierten Unternehmen starker genutzt

Formalisierte Koordinationsprozesse und ein geregelter 1 nformationsaustausch beeinflussen die Effektivitat der Beziehung zwischen Marketing und anderen Funktionsbereichen und reduzieren Konflikte Der Transfer realistischer, valider Informationen von Marketing an F&E hat einen positiven Effekt auf die erreichte Kooperation zwischen beiden Bereichen Ein Mangel an Interaktion, Kommunikation, Wertschatzung und Vertrauen geht einher mit disharmonischen Beziehungen zwischen Marketing und F&E

64 Autoren

Kapitel 2 Untersuchungsgegenstand

Barclay (1991)

Organisationsstruktur, Untemehmenskultur

Jaworski/ Kohli (1993)

Marktorientierung

Song/Parry (1993a)

Organisationsstruktur

Siguaw/ Brown/ Widing II (1994)

Marktorientierung

Datengrundlage und Analysemethoden Befragung von 627 Einkaufern und 486 Ingenieuren PLS Befragung von 222 Geschaftseinheiten Regression Befragung von 274 F&E-Managern Mittelwertvergleiche Befragung von 306 Verkaufsmanagern

Forschungsergebnisse

-

Kommunikationsbarrieren zwischen Unternehmensbereichen erhohen Konflikte

-

Marktorientierung im Unternehmen hat einen positiven Effekt auf das Commitment der Mitarbeiter und den Korpsgeist

-

Formalisierte Rollen und Verantwortlichkeiten stimulieren die Zusammenarbeit zwischen Marketing und F&E

-

Marktorientierung im Unternehmen hat positive Effekte auf das Commitment der Mitarbeiter, kundenorientiertes Verhalten, Zufriedenheit im Beruf und negative Effekte auf Rollenkonflikte und Klarheit der Rollen im Unternehmen Rollenkonflikte haben einen negativen Einfluss auf das Commitment der Mitarbeiter und Zufriedenheit im Beruf Vertrauen zwischen Managern ijbt einen positiven Effekt auf die interpersonelle Kooperation in Unternehmen aus Koordination stimuliert das Commitment der Mitarbeiter in hochintegrierten Unternehmen

Korrelation

-

McAllister (1995)

Interpersonelles Vertrauen

Pelham/ Wilson (1996)

Organisationsstruktur, Marktorientierung

Song/ Neeley/ Zhao (1996)

Formalisierung, Informationsaustausch

Befragung von 194 Managern

-

LISREL Befragung von 68 Unternehmen

-

LISREL Befragung von 376 Unternehmen

-

Regression

-

Die Formalisierung von Interaktionsprozessen zwischen Marketing und F&E hat einen positiven Effekt auf den Informationsaustausch zwischen beiden Bereichen Ein Mangel an Glaubwurdigkeit beeinflusst die Qualitat und Quantitat des Informationsaustausches negativ

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autoren

Untersuchungsgegenstand

Datengrundlage und Analysemethoden Befragung von 115 Marketingmitarbeitern bzw. Ingenieuren in 19 Produktentwicklungsprojekten

Ayers/ Dahlstrom/ Skinner (1997)

Organisationsstruktur

Fisher/ Maltz/ Jaworski (1997)

Informationsaustausch

Sinkula/ Baker/ Noordewier (1997)

Unternehmenskultur, ..organizational learning"

Befragung von 125 Unternehmen

Tsai (2002)

Organisationsstruktur

Langsschnittdaten von 24 Geschaftseinheiten

Kausalanalyse Befragung von 89 Managern

Forschungsergebnisse

-

Formalisierte Rollen und Verantwortlichkeiten erhohen den Koordinationsgrad zwischen Marketing und F&E

-

Regelmaliiger Informationsaustausch fuhrt zu einem verbesserten Kommunikationsverhalten und zu einer effektiveren Arbeitsbeziehung zwischen Marketingmitarbeitern und Ingenieuren Eine gemeinsame Unternehmensvision und eine Unternehmenskultur. die von Offenheit und Lernbereitschaft gepragt ist. verbessert den Wissenstransfer zwischen Marketing und anderen Bereichen Hierarchische Strukturen (Zentralisierung) haben eine negativen Einfluss auf den Wissensaustausch zwischen innerbetrieblichen Bereichen

Regression

-

Kausalanalyse

Regression

65

-

Tabelle 2: Literaturubersicht zum Einfluss von Unternehmensfaktoren auf die Koordination von Marketing und F&E (Quelle: eigene Erstellung)

Bel der Durchsicht der empirischen Beitrage zu den Schnittstelleninstrunnenten fallt auf, dass sich erneut eine Vielzahl der untersuchten Mechanismen auf die Gestaltung der Organisationsstruktur bzw. der Unternehmenskultur beziehen. In Tabelle 3 wird ein Literaturuberblick zum derzeitigen Forschungsstand aufgezeigt. Die Quellen sind dabei chronologlsch sortiert. Zu den strukturellen Mechanismen sind vor allem funktionsubergreifende Teams, temporare Task Forces und multifunktionale Teams fur die Durchfuhrung von Projekten zu zahlen (vgl. Gupta/RajA/Vilemon 1987; Kahn 2001; Maltz/Kohli 2000). Auch die raumliche Nahe zwischen Marketing und F&E kann sich positiv auf das Kommunikationsverhalten und die Zusammenarbeit auswirken (vgl. LeendersA/Vierenga 2001; Van den Bulte/Moenart 1998).

66

Kapitel 2

Auf unternehmenskultureller Seite wird am haufigsten die Mitwirkung der Geschaftsfuhrung bei Kooperationsbestrebungen und der Reduktion bereichsubergreifender Konflikte genannt (vgl. GuptaA/Vilemon 1988; Morgan/Piercy 1998; Parry/Song 1993; Song/Xie/Dyer 2000). Aber auch der informelle Austausch von Informationen und allgemein ein informelles Netzwerk zwischen Mitarbeitern aus Marketing und F&E kann zu einer besseren Zusammenarbeit beitragen (vgl. LeendersAA/ierenga 2001; Tsai 2002). Daruber hinaus geht aus Tabelle 3 hervor, dass durch Job Rotation von Managern aus beiden Bereichen Verstandnis und Ubereinstimmung fur strategische und operative Entscheidungen gewonnen werden kann (vgl. Edstrom/Galbraith 1977; Gupta/Raj/Wilemon 1986). Genauso verbessern gemeinsame Trainingsprogramme und eine abgestimmte Rekrutierungspolitik die Beziehung zwischen beiden Bereichen (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1986; GuptaA/Vilemon 1991). Ein weiteres Ergebnis der Bestandsaufnahme der Literatur ist die Bedeutung kongruenter Zielvereinbarungen, die zu einer verbesserten Kooperation zwischen beiden Bereichen fuhren kann (vgl. AndersonAA/eitz 1989; Pinto/ Pinto/Prescott 1993; Tjosvold/Dann/Wong 1992). In engem Zusammenhang damit ist die Abstimmung der Anreiz- und Entlohnungssysteme zu sehen, wodurch ein bedeutendes Konfliktpotenzial verringert werden kann (vgl. LeendersAA/ierenga 2001; Menon/Jaworski/Kohli 1997; Song/ Montoya-Weiss/Schmidt 1997). Auch der Einsatz von Informations- und Entscheidungssystemen (z. B. Kundendatenbanken) kann die Zusammenarbeit von Marketing und F&E fordern (vgl. Galbraith 1968). Und nicht zuletzt konnten Sherman/Souder/Jenssen (2000) empirisch nachweisen, dass der Wissens- und Erfahrungstransfer gemeinsamer, abgeschlossener Projekte zur Koordination beider Berelche beltragt. Die nachfolgende Tabelle 3 fasst die zentralen Veroffentlichungen zum Einfluss von Schnittstelleninstrumenten auf die Koordination von Marketing und F&E im Uberblick zusammen.

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autoren

Gupta/Raj/ Wilemon (1987)

Untersuchungsgegenstand Organisationsstruktur

Datengrundiage und Analysemethoden Schriftliche Befragung von 109 Marketing- und 107 F&E-Managern Mittelwertvergleiche

Gupta/ Wilemon (1988)

Verhalten der Geschaftsfuhrung

Befragung von 80 Unternehmen

Forschungsergebnisse

-

-

-

Korrelation Anderson/ Weitz (1989)

Zielkongruenz, Unternehmenskultur

Gupta/ Wilemon (1991)

Organisationsstruktur

Tjosvold/ Dann/Wong (1992)

Konflikte zwischen Abteilungen

Parry/Song (1993)

Organisationsstruktur, Verhalten der Geschaftsfuhrung

Schriftliche Befragung von 690 Managern aus 95 Unternehmen Regression Befragung von 83 Marketingmanagern von HighTech-Unternehmen Inhaltliche Auswertungen Befragung von 63 Mitarbeitern eines Telekommunikationsunternehmens LISREL Schriftliche Befragung von 274 F&E-Managern

-

-

-

Regression Pinto/Pinto/ Prescott (1993)

Organisationsstruktur

Befragung von 273 Projektteams

67

-

Regression -

Unterstutzung der Geschaftsfuhrung fur eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen Marketing und F&E 1st in hochkoordinierten Unternehmen eher anzutreffen Ebenso tragen funktionsubergreifende Teams und temporare Task Forces zur Koordination von Marketing und F&E bei Unterstutzung der Geschaftsfuhrung bei Kooperationsbemuhungen verbessert den erreichten Kooperationsgrad zwischen Marketing und F&E Die Kongruenz von Zielen und unternehmenskulturellen Gemeinsamkeiten fordert das Vertrauen und die Kontinuitat von Unternehmensbeziehungen Gemeinsame Trainingsprogramme und eine abgestimmte Rekrutierungspolitik verbessern die Beziehungen zwischen Marketing und F&E Voneinander abhanglge Ziele stimulieren die Dynamik in zwischenbetrieblichen Beziehungen und tragen zu einem hoheren Unternehmenserfolg bei Unterstutzung der Geschaftsfuhrung bei Koordinationsbemuhungen beeinflusst den erreichten Koordinationsgrad zwischen Marketing und F&E positiv Die Vereinbarung bereichsubergreifender Ziele hat einen positiven Effekt auf die Kooperation verschiedener Unternehmensbereiche Vereinbarungen uber die Bewertung bereichsubergreifender Projekte wirken sich positiv auf die Kooperation aus

Kapitel 2

68 Autoren

Untersuchungsgegenstand

Germain/ Droge/ Daugherty (1994)

Organisationsstruktur, Umweltunsicherheit

Datengrundiage und Analysemethoden Schriftliche Befragung von 183 Unternehmen

Menon/ Jaworski/ Kohli (1997) Song/ MontoyaWeiss/ Schmidt (1997)

Organisationsstruktur

LISREL Befragung von 222 Geschaftseinheiten

Morgan/ Piercy (1998)

Abteilungsubergreifende Kooperation

Regression Befragung von 185 Marketing- und 122 Produktionsmanagern

Kooperation von Marketing und Kundenservice

Kausalanaiyse Tiefeninterviews mit 18 Marketingund 19 Kundenservicemanagern

Forschungsergebnisse

-

-

-

Regression Van den Bulte/ Moenart (1998)

Informationsaustausch, Organisationsstruktur

Maltz/Kohli (2000)

Koordinationsmechanismen

Sherman/ Souder/ Jenssen (2000)

Wissensmanagement

Song/Xie/ Dyer (2000)

Verhalten der Geschaftsfuhrung

Kahn (2001)

Marktorientierung, abteilungsubergreifende Kooperation

Befragung von 29 F&E-und10 Marketing- bzw. Vertriebsmanagern und 4 Direktoren Regression Schriftliche Befragung von 788 Managern Regression Befragung von 65 Geschaftseinheiten

-

-

Regression Schriftliche Befragung von 968 Marketingmanagern Regression Schriftliche Befragung von 45 Marketing-, 63 Produktions- und 48 F&E-Managern Regression

-

-

Just in Time Selling (JIT) erhbht die Spezialisierung von Unternehmensbereichen und hat keinen Einfluss auf Koordinationsbestrebungen Marktbezogene Entlohnungssysteme fordern bereichsubergreifende Beziehungen und reduzieren Konflikte Abgestimmte Anreiz- und Entlohnungssysteme haben einen positiven Einfluss auf den erreichten Kooperationsgrad zwischen Marketing und F&E Kompetenz der Geschaftsfuhrung beeinflusst Kommunikation zwischen Marketing und Qualitatsabteilung positiv und reduziert Konflikte zwischen beiden Abteilungen Die nahe raumliche Anordnung der Bereiche Marketing und F&E fordert den Informationsaustausch und die Zusammenarbeit

Der Einsatz funktionsubergreifender Teams reduziert Konflikte der Marketingabteilung mit anderen Funktionsbereichen Der Wissens- und Erfahrungstransfer gemeinsamer, abgeschlossener Projekte tragt zur Koordination von Marketing und F&E bei Unterstutzung der Geschaftsfuhrung bei den Koordinationsbemuhungen verbessert die Kollaboration zwischen Marketing und F&E Zusammenarbeit (Einsatz funktionsubergreifender Teams) beeinflusst die Leistung von Produktentwicklung und Produktmanagement positiv

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autoren

Leenders/ Wierenga (2001)

Untersuchungsgegenstand Koordinationsmechanismen

Datengrundlage und Analysemethoden Schriftliche Befragung von 148 Managem

Forschungsergebnisse

-

Regression

Tsai (2002)

Wissensmanagement

Langsschnittdaten von 24 Geschaftseinheiten Regression

69

-

Informelle soziale Beziehungen, der Einsatz funktionsubergreifender Teams, abgestimmte Anreiz- und Entlohnungssysteme und raumliche Nahe beeinflussen die erreichte Koordination zwischen Marketing und F&E positiv Soziale Interaktion in Form eines informellen Austauschs zwischen Abteilungen hat einen positiven Effekt auf den Wissenstransfer

Tabeile 3: Literaturubersicht zum Einfluss von Schnittstelleninstrumenten auf die Koordination von Marketing und F&E (Quelle: eigene Erstellung)

Einen Uberblick uber ennpirische Beitrage, die sich mil denri Einfluss der Koordination auf den Unternehmenserfolg beschaftigen, liefert Tabeile 4. Die Quellen zunn derzeltlgen Forschungsstand sind wiederunn chronologisch sortlert. Alle Arbeiten hierzu kommen zu dem uberelnstinnmenden Ergebnis, dass eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Marketing und F&E zu mehr Erfolg bei Produktneuentwicklungen und anderen Innovationsprozessen fuhrt. Eine funktionierende Zusammenarbelt zwischen Verkauf, F&E und Produktion kann sogar den [relativen] Unternehmenserfolg von Unternehmen verbessern (vgl. Lawrence/Lorsch 1967).

70 Autoren

Kapitel 2 Untersuchungsgegenstand

Lawrence/ Lorsch (1967)

Differenzierung und Integration

Souder (1980)

Koordination von Marketing und F&E

Cooper (1984)

Produktneuentwicklung

Domsch/ Gerpott/ Gerpott (1991)

Koordination von Marketing und F&E

Pinto/Pinto/ Prescott (1993)

Kooperation von Marketing und F&E

Datengrundlage und Analysemethoden Befragung von 6 Chemieunternehmen

Forschungsergebnisse

-

In erfolgreichen Unternehmen (relativer Unternehmenserfolg) funktioniert die Koordination von Verkauf, F&E und Produktion Forschungsprojekte, die keine Schnittstellenprobleme zwischen Marketing und F&E aufwiesen, waren kommerziell erfolgreich

-

Managementstrategien, die die Beziehung zwischen Marketing und F&E ausbalancieren, fuhren zu erfolgreichen Produktneuentwicklungen Eine Verbesserung der Zusammenarbeit von Marketing und F&E beeinflusst das kommerzielle Leistungsniveau bei Innovationsprozessen positiv Bereichsubergreifende Kooperation zwischen Marketing und F&E hat einen positiven Einfluss auf den Erfolg von Produktneuentwicklungen Der postulierte positive Effekt der Koordination der Bereiche Marketing und F&E auf den Erfolg bei Produktneuentwicklungen konnte bestatigt werden Eine funktionierende Schnittstelle von Marketing und F&E hat - verglichen mit Konkurrenzprodukten positive Effekte auf die Entwicklung von Produktvorteilen

Korrelation 312 Tiefeninterviews mit Projektmitarbeitern von 150F&E-Projekten Inhaltliche Auswertungen Befragung von 122 Unternehmen Inhaltliche Auswertungen Befragung von 565 Industrieforschern

-

Korrelation

Befragung von 273 Projektteams

-

Regression

Song/Parry (1993b)

Koordination von Marketing und F&E

Li/ Calantone (1998)

Neuproduktentwicklung

Befragung von 264 Managern von High-Tech-Unternehmen Regression Befragung von 236 Geschaftsfuhrern von SoftwareUnternehmen Kausalanalyse

-

-

Tabelie 4: Literaturubersicht zum Einfluss der Koordination von Marketing und F&E auf den Unternehmenserfolg (Quelle: eigene Erstellung)

Die systematische Aufarbeitung der empirischen Beitrage hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit mehrerer Funktionsbereiche von organisatorischen und

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

71

kulturellen Unternehmensfaktoren beeinflusst wird. Es geht dabei vor allem urn Faktoren wie Formalisierung, Zentralisierung, Informationsaustausch

und

Untemehmenskultur. Weiterhin geht aus der Bestandsaufnahme der Literatur hervor, dass sich durch den Einsatz von Schnittstellenmechanismen die Koordination der Bereiche oftmals verbessert und Konflikte reduziert werden konnen.

Eine

funktionierende

Abstimmung

zwischen

den

Abteilungen

wiederum kann den Unternehmens- und Produktneuentwicklungserfolg positiv beeinflussen. Die gewonnenen Erkenntnisse aus den empirischen Arbeiten zur Schnittstelie von Marketing und F&E bzw. Produktion sind von hoher Relevanz fur die Abstimmung von Marketing und Vertrieb (Dewsnap/Jobber 2000). Auch an der Schnittstelie von Marketing und Vertrieb konnte aufgrund klar definierter Rollen und Verantwortlichkeiten die Zusammenarbeit der beiden Bereiche verbessert werden. Ebenso wurde sich ein regelmalllger

Informations-

austausch und eine von Offenheit und Markt- bzw. Kundenorientierung gepragte Untemehmenskultur positiv auf die Abstimmung von Marketing und Vertrieb auswirken (vgl. Piercy 2002, S. 252-258). Wie an der Schnittstelie von Marketing und F&E konnte sich ein abgestimmtes Weiterbildungs- und Rekrutierungskonzept positiv auf die Koordination von Marketing und Vertrieb auswirken (vgl. Donath 2004, S. 5). Durch ein koordiniertes Anreiz- und Entlohnungssystem wiederum konnte es zu einem

„ ... close fit of sales

goals with strategic goals" kommen (Cespedes/Doyle/Freedman 1989, S. 48). Und nicht zuletzt besteht die Annahme, dass neben einer erfolgreichen Abstimmung von Marketing und F&E auch eine koordinierte Schnittstelie von Marketing und Vertrieb positiv zum Markt- und Unternehmenserfolg beitragen kann: „... a high degree of cooperation and integration between marketing and sales can lead to a huge competitive advantage in the marketplace" (Mac Hulbert/Capon/Piercy 2003, S. 160). 2.4.2 Empirische Ergebnisse zur Gestaltung der Sclinittstelle von Marketing und Vertrieb Die meisten publizierten Beitrage zur Schnittstelie von Marketing und Vertrieb sind theoretisch-konzeptioneller Natur. Dabei handelt es sich oft um praxlsbezogene Publikationen zur Managementweiterbildung, in denen Gestaltungs-

72

Kapitel 2

empfehlungen abgegeben werden, die sich aus den Erfahrungen der Autoren speisen. Dies mag zwar die Relevanz des Themas fur die Unternehmenspraxis widerspiegein, hilft aber bei der Beantwortung der Forschungsfragen nicht viel weiter. Einen Oberblick uber die empirischen Forschungsbeitrage, die sich mit der Abstimmung von Marketing und Vertrieb beschaftigen, liefert Tabelle 5. Die Quellen zum derzeitigen Forschungsstand sind auch hier chronologisch angeordnet. Als erstes erwahnt sei der Beitrag von Luck (1969), in dem die Schnittstellen des

Produktmanagements

zu alien anderen

Funktionsbereichen

naher

untersucht werden. Bezuglich der Schnittstelle von Produktmanagement und Verkauf identifiziert er als Hauptproblem, dass die Produktmanager mit ihren jeweiligen

Produktgruppen

um

die

Aufmerksamkeit

der

Verkaufer

konkurrieren. Hier schlagt Luck vor, den [kurzfristigen] Fokus der Produktmanager von den Produktgruppen auf den entsprechenden Markt zu lenken, um die jeweiligen Produktstrategien besser an die Bedurfnisse der Kunden anpassen zu kdnnen. Dariiber hinaus wird die oft mangelhafte Effizienz des Produktmanagements

thematisiert.

Zur

Losung

des

Problems

werden

detaillierte und erfolgsdefinierte Stellenbeschreibungen vorgeschlagen (Luck 1969,8.36). In den empirischen Beitragen von Cespedes (1993, 1994) wird auf der Grundlage von Interviews mit Marketing- und Vertriebsmanagern zuerst der Abstimmungsbedarf

zwischen

Marketing,

Vertrieb

und

Kundenservice

ermittelt. Dieser hat sich in den letzten Jahren aufgrund des verscharften Wettbewerbs, anspruchsvolleren Kunden, kurzeren Produktiebenszyklen und erhohten Anforderungen bezuglich Beschaffung und Logistik enorm erhoht. In den befragten Unternehmen wurden deshalb innerhalb des Schnittstellenmanagements

entsprechende Koordinationsmechanismen entwickelt und

eingesetzt. Beispielsweise fuhrt Cespedes den Einsatz

multifunktionaler

Teams an, wenn es um die Betreuung von Kunden geht, die sich aus dem gesamten

Angebotsspektrum

einer

Unternehmung

bedienen

oder

als

mafigebend und richtungsweisend hinsichtlich der Produktanwendungen oder des Managements der Zulieferkette gelten. Als Schlusselinstrumente fur die Koordination

von

Marketing,

Vertrieb

Cespedes weiterhin ubergeordnete

und

Kundenservice

identifiziert

Koordinationsstellen, Job

Rotationen

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

73

zwischen den Abteilungen sowie abgestimmte Karriereforderungs- und Weiterbildungssysteme. Strahle/Spiro/Acito (1996) wiederum untersuchen die Beziehung zwischen ausgewahlten Marketingstrategien und der entsprechenden verkaufstechnischen Umsetzung. Die Ursachen fiir Diskrepanzen zwischen Marketingund Vertriebsmanagern bei der Strategieumsetzung sind unterschiedlicher Natur. So fokussierten sich die Vertriebsmitarbeiter beispielsweise starker auf Produkte in Wachstumsmarkten als auf Produkte in gesattigten bzw. stagnierenden Markten. Als ein Argument dafur wird das im Vertrieb verbreitete volumenbezogene Anreiz- und Entlohnungssystem genannt, wo aufgrund starker Umsatzzuwachse mehr verdient werden kann als beispielsweise durch das Halten von Marktanteilen. Erwahnt sei auch die Dissertation von Klumpp (2000), in der die Entwicklung von Gestaltungsempfehlungen fur das Zusammenspiel von Marketing und Vertrieb im Vordergrund steht. Klumpp ermittelt den Abstimmungsbedarf zwischen beiden Abteilungen, analysiert die Aufgabenverteilung, unterscheidet typische Implementierungssltuationen und entwickelt Steuerungsmechanismen, die als adaquat angesehen werden. Dazu gehoren organisatorische Mechanismen wie dauerhafte bzw. zeitlich befristete multifunktionale Teams, vollamtliche Koordinationsstellen und Projektteams. Aber auch die Koordination des Informationsaustausches und motivationsbezogene Mechanismen wie z. B. Provisions- und Pramiensysteme konnen die Abstimmung der Bereiche Marketing und Vertrieb positiv beeinflussen. Im Arbeitspapier von Dawes/Massey (2001) geht es um Einflussfaktoren auf die Effektivitat der Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb. In dem von diesen Autoren entwickelten und empirlsch uberpruften Modell uben der sozialpsychologische Faktor Vertrauen sowie eine starke Position des Marketlngmanagers im Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Effektivitat der Beziehung aus. Ebenso konnte empirlsch gezeigt werden, dass ein permanenter Dialog zwischen beiden Abteilungen einen positiven Effekt auf die Schnittstelleneffektivitat hat. Hingegen ubt die Aussprache von Drohungen als mogliche Beeinflussungsstrategie seitens der Manager einen negativen Einfluss auf die Effektivitat der Beziehung aus.

74 Autoren

Luck (1969)

Kapitel 2 Untersuchungsgegenstand Schnittstellen eines Produktmanagers

Datengrundlage und Analysemethoden Befragung von 25 Produktmanagern Inhaltliche Auswertungen

Cespedes (1993)

Cespedes (1994)

Strahle/ Spiro/Acito (1996)

Klumpp (2000)

Koordination von Marketing und Vertrieb in Konsumguteruntemehmen

Koordination von Marketing, Vertrieb und Kundenservice

Umsetzung der Marketingstrategie durcin den Vertrieb

Abstimmung von Marketing und Vertrieb

Interviews mit 75 Marketing- bzw. Vertriebsmanagern

Forschungsergebnisse

-

-

-

Inhaltliche Auswertungen

Interviews mit 125 Marketing- bzw. Vertriebsmanagern

-

Inhaltliche Auswertungen

-

Befragung von 25 Marketingdirektoren und 367 Vertriebsmanagern von 25 Nahrungsmittelherstellern Nichtparametrische Tests Schriftliche Befragung von 133 IndustriegCiterunternehmen Mittelwertvergleiche

-

Produktmanager entwickein Verkaufskonzepte und konkurrieren um die Aufmerksamkeit der Verkaufer Detaillierte Stellenbeschreibungen mit dem Fokus Marktorientierung fur Produktmanager konnen die Effektivitat des Produktmanagements verbessern Durch den Einsatz von Koordinationsmechanismen wie z.B. multifunktionaler Teams, abgestimmter Karriereforderungs- und Weiterbildungsprogramme, Schnittstellenmanagern, und gemeinsamen Kundendatenbanken kann die Koordination verbessert werden Analyse der Umwelteinflusse, die eine Koordination von Marketing und Vertrieb erfordern Entwicklung von Koordinationsmechanismen fur unterschiedliche Umweltsituationen Die Ursachen fur Diskrepanzen zwischen Marketing- und Vertriebsmanagern bzgl. der Produktstrategie sind unterschiedliche Zielvorstellungen, unterschiedliche Entlohnungskonzepte, kurze Produktlebenszyklen bzw. Kommunikationsdefizite Gestaltungsempfehlungen fur die Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb beinhalten den Einsatz von Projektteams, vollamtliche Koordinationsstellen, Personalrotationen und zielorientierte Anreizsysteme

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung Autoren

Dawes/ Massey (2001)

Untersuchungsgegenstand Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb

Datengrundlage und Analysemethoden Schriftliche Befragung von 201 Vertriebsmanagem in Grofibritannien und Australien AMOS

75

Forschungsergebnisse

-

Vertrauen und ein stetiger Dialog zwischen Marketing und Vertrieb erhohen die Effektivitat der Beziehung zwischen Marketing und Vertrieb, wohingegen dysfunktionale Konfiikte einen negativen Einfluss ausuben

Tabelle 5: Ausgewahlte Forschungsbeitrage zum Management der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb (Quelle: eigene Erstellung)

Als Zwischenfazit kann festgestellt werden, dass nach unserem derzeitigen Kenntnisstand sechs empirische Arbeiten zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb vorliegen. In der vorliegenden Literatur wurde der Abstimmungsbedarf an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb analysiert sowie interne und externe Determinanten des Schnittstellenmanagements identifiziert. Daruber hinaus wurden Koordinationsmechanismen ermittelt, die die Zusammenarbeit der beiden Bereiche verbessern konnen. Es besteht jedoch zum jetzigen Forschungsstand der Bedarf einer konzeptionellen Weiterentwicklung, indem die zahlreichen Einflussgrolien in ein Modell integriert werden. AuHerdem erscheint es sinnvoll, verstarkt fortgeschrittene statistische Methoden zur Uberprufung der konzeptionellen Annahmen einzusetzen.

2.5

Zusammenfassung theoretisch-konzeptioneller und empirischer Erkenntnisse

Die betriebliche Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ist in der Praxis potenziell mit erheblichen Problemen belastet, die die Effektivitat der Zusammenarbeit und in der Konsequenz das Unternehmensergebnis negativ beeinflussen. Trotz der hohen praxisrelevanten Bedeutung ist die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb jedoch als ein In der Wissenschaft wenig erforschter Bereich zu bezeichnen. Daher war das erste Ziel dieser Arbeit, die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb theoretisch zu fundieren.

76

Kapitel 2

Dazu erfolgte einleitend die konzeptionelle Grundlegung von betrieblichen Schnittstellen. Es wurde gezeigt, dass die Systemtheorie besonders geeignet erscheint, den Begriff der betrieblichen Schnittstelie zu entwickeln. Diese Theorie tragt der Komplexitat des Systems Unternehmung Rechnung und akzentuiert die Vernetztheit von Teileinheiten, wie z. B. die komplexe Beziehung zwischen den Funktionsteileinheiten Marketing und Vertrieb. Die Schnittstellen in einem Unternehmen lassen sich der Systemtheorie zu Folge nach dem Grad der Interdependenz untergliedern, wobei zwischen der Marketing- und Vertriebsabteilung eine reziproke Interdependenz postuliert wird, da sie in ihrer Leistungsausubung aufeinander angewiesen sind. Bei der Abgrenzung der Begriffe Marketing und Vertrieb im Sinne der vorliegenden Arbeit wurde herausgestellt, dass mit Marketing ein Funktionsbereich im Unternehmen gemeint ist, der insbesondere fur die langfristige strategische Planung und Durchfuhrung von Marketingaktivitaten verantwortlich ist. Dem Vertrieb wiederum kommt die Aufgabe zu, die Marketingstrategien operativ und im direkten Kundenkontakt umzusetzen. Es wurde deutlich, dass sich aus diesen gegensatzlichen Orientierungen konfligierende und kooperierende Interessen ergeben, wobei die Konflikte nach organisatorischen, personellen Oder informationellen Grunden klassifiziert werden konnen. Die kooperierenden Interessen bilden die Basis fur die Koordination der Bereiche Marketing und Vertrieb, wo durch gemeinsame Anstrengungen wechselseitige Ziele erreicht werden konnen. Bei der naheren Untersuchung der Schnittstelie wurde die Notwendigkeit einer interdisziplinaren Betrachtung verdeutlicht. Wahrend Konfliktpotenziale, die sich aus der Organisations- und Aufgabenstruktur sowie aufgrund unterschiedlicher Zielsysteme ergeben, mit Hilfe okonomischer Ansatze analysiert werden konnen, bieten sich fur die Erklarung personeller und informationeller Konflikte sozialpsychologische Ansatze an, die die Ursachen und Wirkungen der Interaktionen von Individuen erklaren. Dadurch wird es moglich, die Analyse der betrieblichen Schnittstelie auf ein breites theoretisches Fundament zu stellen. Bei den okonomischen Ansatzen wurden die Interaktionstheorie und die Spieltheorie vorgestellt, die die Erklarung organisatorischer Konfliktpotenziale ermoglichen. Beide Ansatze zeigen, dass die institutionellen Rahmen-

Theoretisch-konzeptionelle und empirische Grundlagen der Untersuchung

77

bedingungen einen starken Einfluss auf das Verhalten der Mitarbeiter an der Schnittstelle ausuben konnen. Im Rahmen der Interaktionstheorie kann anhand der Aufgabenteilung bezuglich einer Funktionalorganisation und anhand des Formalisierungsgrads erklart werden, warum es beispielsweise zu einem konkurrierenden statt zu einem kooperativen Verhalten der Abteilungen kommt. Dieses konkurrierende Verhalten kann innerhalb der Spieltheorie aufgrund der bestehenden Ziel- und Anreizsysteme mit ihren Motivationswirkungen thematisiert werden. Aus der Sozialpsychologie wurde die Theorie der sozialen Identitat angewendet, mit deren Hilfe insbesondere personelle Konfliktpotenziale erklart werden konnen, sowie die Austauschtheorien, die vor allem Grunde fur das informationelle Konfliktpotenzial aufzeigen konnen. Dabei wurde anhand der Theorie der sozialen Identitat veranschaulicht, inwiefern es zu einem Bereichsdenken der Abteilungen kommt und durch die daraus entstehenden psychologischen Barrieren ein konfligierendes Verhalten gefordert wird. Mit Hilfe der Austauschtheorien wurde verdeutlicht, dass die Kommunikationsbeziehungen zwischen den untersuchten Bereichen als potenziell unattraktiv und abhangig einzuordnen sind, was zu Informationsproblemen fuhrt. Es ist betont worden, dass Kollaboration mehr als blode Interaktion fur die Zusammenarbeit zwischen Unternehmensbereichen forderlich ist. Die vorgestellten theoretischen Ansatze zeigen, wie und warum sich die Mitarbeiter an der analysierten Schnittstelle so verhalten, wie es in der Praxis zu beobachten ist. Diese Theorien bilden somit eine vorlaufige Basis fur die in Kapitel 3 zu diskutierenden Determinanten und Instrumente des Schnittstellenmanagements, mit deren Hilfe Schnittstellenprobleme reduziert werden konnen. Dabei wurde durch die interdisziplinare Betrachtung deutlich, dass neben organisationsbezogenen Mechanismen vor allem personenbezogene MaBnahmen ergriffen werden mussen. Aus der Bestandsaufnahme der empirischen Literatur in Abschnitt 2.4 kann hinsichtlich der in der vorliegenden Arbeit aufgeworfenen Forschungsfragen folgendes Resumee gezogen werden: In Bezug auf die erste Forschungsfrage, wo es um die Identifikation situativer und zugleich die Koordination von Marketing und Vertrieb fordernde Rahmenbedingungen geht, kann postuliert

78

Kapitel 2

werden, dass ausgewahlte organisatorische und kulturelle Faktoren zu einer verbesserten Zusammenarbeit beitragen (vgl. Abschnitt 2.4.1). Bei den organisatorischen Dimensionen handelt es sich vor allem um die Faktoren Formalisierung von Prozessen sowie Rollen und um die Zentralisierung von Macht. Zu den untersuchten kulturellen Dimensionen gehoren der Informationsaustausch und die Unternehmenskultur, wobei bezuglich der Unternehmenskultur vor allem die Aspekte Markt- und Kundenorientierung und eine gemeinsame Unternehmensvision eine entscheidende Rolle zu spielen scheinen. Bei der zweiten Forschungsfrage geht es um die Erarbeitung und Kategorisierung integrativer Elemente und Prozesse sowie die Untersuchung der Wirkungszusammenhange von ausgewahlten Schnittstellenmechanismen auf die Abstimmung von Marketing und Vertrieb. Wie aus den zitierten Forschungsbeitragen hervorgeht, ist vor allem bei den nachfolgend aufgefuhrten Mechanismen ein positiver Effekt auf die Zusammenarbeit von Unternehmensbereichen zu erwarten (vgl. Abschnitte 2.4.1 bzw. 2.4.2): - Multifunktionale Teams, - zeitlich begrenzte Task Forces, - Unterstutzung durch die Geschaftsfuhrung bei Koordinationsprozessen, - Informelle Netzwerke, - Job Rotation, - gemeinsame Karriereforderungs- und Weiterbildungssysteme, - bereichsubergreifend abgestimmte Zielvereinbarungen und - bereichsubergreifend koordinierte Anreiz- und Entlohnungssysteme. In keinem der in den vorangegangenen Abschnitten diskutierten Forschungsbeitragen wurde jedoch eine Klassifizierung von Schnittstellenmechanismen herausgearbeitet. Ein weiterer Forschungsbedarf ergibt sich aus der Tatsache, dass in den bisherigen Arbeiten lediglich der Einfluss bestimmter Aspekte von Schnittstellenmechanismen (beispielweise nur strukturelle und kulturelle) auf die Beziehung zwischen zwei Bereichen gepruft wurde. Hier besteht der eigene Forschungsanspruch darin, moglichst viele Facetten des Schnittstellenmanagements auf deren Wirksamkeit bezuglich der Koordination von Marketing und Vertrieb hin zu untersuchen.

Theoretisch-konzeptioneile und empirische Grundlagen der Untersuchung

79

Die dritte Forschungsfrage umfasst die Analyse der Wirkungsbezlehungen zwischen der Abstimmung von Marketing und Vertrieb und ausgewahlter funktionaler und psychosozialer Erfolgsvariablen. In den meisten empirischen Arbeiten wird ein positiver Zusammenhang zwischen der Schnittstellenqualitat und dem Erfolg bei Produktneuentwicklungen bzw. dem Unternehmenserfolg bestatigt. Ob sich jedoch dadurch auch Konflikte zwischen Unternehmensbereichen reduzieren lassen, blelbt weitgehend unerforscht. Hier setzt die vorliegende Arbeit an und uberpruft den Einfluss des Koordinationsgrads von Marketing und Vertrieb auf den relativen Unternehmenserfolg bzw. auf dysfunktionale Konflikte. Die Bestandsaufnahme der Forschungsbeitrage zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb zeigt, dass mit der vorliegenden Untersuchung in relativ unerforschtes Terrain vorgestoflen wird. Es besteht zunachst Bedarf an der Entwicklung eines koharenten Bezugsrahmens, der alle aufgeworfenen Forschungsfragen integriert. Zweitens liegen auf dem Gebiet der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb nach unserem derzeitigen Erkenntnisstand nur wenlge (theoretisch fundlerte) groBzahlige, empirische Untersuchungen vor. Dadurch erglbt sich ein gravierender Forschungsbedarf bezuglich der Untersuchung kausaler Beziehungen von Unternehmensfaktoren, Schnittstellenmechanismen, Erfolgsdimensionen und der Koordination beider Bereiche.

3

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

Nachdem im vorigen Kapitel die theoretischen Grundlagen des Schnittstellenmanagements und die fur diese Arbeit relevante Literatur analysiert wurden, geht es in diesem Abschnitt urn die Entwicklung des Bezugsrahmens der Untersuchung und der entsprechenden Hypothesen. Ein erstes Ziel ist die Auswahl relevanter Unternehmensfaktoren und die Entwicklung von Hypothesen hinsichtlich der Wirkungsbeziehungen zwischen ausgewahlten situativen Rahmenbedingungen und der Koordination von Marketing und Vertrieb. Zum zweiten geht es urn die Erarbeitung und Kategorisierung von Koordinationsmechanismen. Auch hier werden Hypothesen bezuglich der Wirkungszusammenhange zwischen den gewahlten Instrumenten und der Koordination von Marketing und Vertrieb aufgestellt. Und drittens folgt die Erarbeitung entsprechender funktionaler und psychosozialer Erfolgsvariablen, deren unmittelbare Wirkungszusammenhange mit der Koordination von Marketing und Vertrieb fur die vorliegende Untersuchung von Interesse sind. Als funktionale ErfolgsgrbBe fungiert in der vorliegenden Untersuchung der relative Unternehmenserfolg und als psychosoziale Erfolgsvariable das AusmaB dysfunktionaler Konflikte. Unter Einbezug der in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse zur Schnittstellenproblematik von Marketing und Vertrieb, des konzeptionellen Beitrags von Rouzies et al. (2005) sowie der konzeptionellen Ansatze von Griffin/Hauser (1996), Ruekert/Walker (1987) und Gupta/Raj/Wllemon (1986), deren Beitrage im Forschungsbereich der Schnittstelle von Marketing und F&E als wegweisend gelten, basiert der vorlaufige Bezugsrahmen der Untersuchung auf drei grundsatzlichen Dimensionen: - Situative Dimensionen: Dazu gehoren Unternehmensfaktoren und Schnittstellenmechanismen. - Prozessdimensionen: Damit ist die Koordination von Marketing und Vertrieb gemeint, und zwar in Bezug auf konkrete interdependente Aufgabenbereiche. - Funktionale und psychosoziale Erfolgsdimensionen: Hierzu gehoren der relative Unternehmenserfolg und das Ausmad dysfunktionaler Konflikte.

82

Kapitel 3

Analog zu den Beitragen von Rouzies et al. (2005), Griffin/Hauser (1996) und Gupta/RajA/Vilemon (1986) interessiert fur die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb, welchen Einfluss bestimmte situative Dimensionen ausuben. Dazu zahlen organisatorische und kulturelie Aspekte von Unternehmensfaktoren wie Formalisierung und Marktorientierung sowie untersciiiedliche Schnittstellenmechanismen wie z. B. multifunktlonale Teams, Informelle Netzwerke oder auch Job Rotationen. In verschiedenen Beitragen der Schnittstellenforschung wie auch in den Arbeiten von Griffin/Hauser (1996) und Gupta/Raj/Wilemon (1986) bezieht sich die Untersuchungsdimension „Koordination zwischen zwei Funktionsbereichen" auf konkrete interdependente Aufgabenbereiche. Da es sich dabei hauptsachlich urn Arbeiten zur Schnittstelle von Marketing und F&E handelt, sind die ausgewahlten Aufgaben innerhalb des Neuproduktentwicklungsprozesses angesiedelt. Bezogen auf die vorliegende Arbeit mussen demzufolge interdependente Aufgabenbereiche innerhalb von absatzbezogenen Prozessen deflniert werden. In einigen Modellen wird zudem zwischen der real erreichten und der notwendigen Koordination unterschieden. Dabei wird postuliert, dass der notwendige Grad an Koordination einerseits von der Marktstrategie und Umweltfaktoren (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1986, S. 8) und andererseits von der Projektphase in Neuproduktentwicklungsprozessen bzw. von der Projektunsicherheit abhangig ist (vgl. Griffin/Hauser 1996, S. 201). Bezogen auf die wenig erforschte Schnittstelle von Marketing und Vertrieb soil zunachst einmal die Analyse realer Prozesse und Determinanten im Vordergrund stehen. Im Hinblick auf die Entwicklung des Bezugsrahmens interessiert also, Inwiefern die tatsachlich erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb von bestimmten Unternehmensfaktoren und ausgewahlten Koordinationsmechanismen beeinflusst wird. Im Modell von Ruekert/Walker (1987) beeinflusst die Koordination von Marketing und anderen Funktionsbereichen funktionale Erfolgsfaktoren wie z. B. das Erreichen von Marketing- bzw. F&E-Zielen und psychosoziale ErfolgsgrolJen wie beispielsweise Konflikte. In der vorliegenden Arbeit soil untersucht werden, inwieweit speziell die Koordination von Marketing und

83

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

Vertrieb Auswirkungen auf den Untemehmenserfolg bzw. auf das Ausmali dysfunktionaler Konflikte hat. Diese Uberlegungen fuhren zu einem vorlaufigen Bezugsrahmen, der in Abbildung 13 dargestellt wird. In den folgenden Abschnitten sollen die einzelnen Untersuchungsdimensionen nun konkretisiert und konzeptualisiert werden und am Ende des Kapitels in einen verfeinerten Bezugsrahmen der Untersuchung einflielien. Dabei wird zuerst die Konzeptualisierung der Prozessdimension 'erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb' vorgenommen, da diese Zielgrofie zu alien anderen Untersuchungsdimensionen in einem Wirkungszusammenhang steht. Danach erfolgt die Konzeptualisierung der situativen Dimensionen 'Unternehmensfaktoren' und 'Koordinationsmechanismen' sowie der Erfolgsdimensionen 'Untemehmenserfolg' und 'AusmaG) an dysfunktionalen Konflikten'.

Situative, strukturelle und kulturelle Dimensionen

Prozessdimensionen

Unternehmensfaktoren

..... _^ .9e g -C

Funktionale und psychosoziale Erfolgsdimensionen

Untemehmenserfolg

IE O

Koordinationsmechanismen

13

w

Ausmad an dysfunktionalen Konflikten

^ LU

Abbildung 13: Vorlaufiger konzeptioneller Bezugsrahmen der Untersuchung (Quelle: eigene Erstellung)

84

3.1

Kapitel 3

Konzeptualisierung der ZielgroKe 'Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb'

Das Schnittstellenmanagement hat betriebliche Schnittstellen unter Effektivitats- und Effizienzaspekten zu analysieren, zu planen, zu gestalten und zu kontrollieren. Insbesondere ist dafiir zu sorgen, dass die Aktivitaten aufeinander abgestimmt werden sowie Unter- bzw. Uberkoordination vermieden wird. Folgen einer Uberkoordination konnen beispielsweise unnotige Prozessverzogerungen und Motivationsverluste bei den Mitarbeitern sein, wenn sie sich in ihrer Handlungsfreiheit und Kreativitat unangemessen eingeschrankt fuhlen. Folgen von Unterkoordination konnen beispielsweise Doppelarbeiten sein (vgl. Kern 1992, S. 57 f.). Als Zielgrol^e wurde deshalb die nach Ansicht der Befragungsteilnehmer erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb gewahlt. Bei der Bestimmung der Schnittstellenqualitat von Marketing und Vertrieb ist zunachst die Identifikation von Aufgabenbereichen, bei denen eine Koordination notwendig erscheint, sinnvoll. Ein ahnliches Vorgehen ist - jedoch in Bezug auf die Schnittstelle von Marketing und F&E - bei Gupta/Raj/Wilemon (1985a, S. 290) zu finden: „What are the areas or activities in the new product development process that require R&D/marketing integration?" Bei der Beantwortung dieser Problematik haben sich in den Beitragen zum Schnittstellenmanagement zwei unterschiedliche Herangehensweisen etabliert. Zum einen findet sich speziell in Arbeiten zur Schnittstelle von Marketing und F&E der prozessorientierte Ansatz: Ausgangspunkt ist hier die Unterteilung von Produktinnovationsprozessen in verschiedene Phasen. Bezogen auf die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb lassen sich ahnliche Ansatze, die die Definition eines Phasenmodells bei absatzbezogenen Aufgabenprozessen zum Inhalt haben, in der Literatur nur schwer finden. Zum anderen existieren Beitrage, die den Akzent auf die Bestimmung von Kernaufgabenkomplexen legen, die in der Zusammenarbeit von Funktionsbereichen zu bewaltlgen sind: Ausgangspunkt ist hier der Versuch, grundlegende inhaltliche Felder herauszuarbeiten, bei denen weitgehend unabhangig von der spezifischen Situation eines Unternehmens die Notwendigkeit einer wechselseitigen Abstimmung plausibel erscheint. Diesem Ansatz folgend wurden in der einschlagigen Literatur folgende

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

85

relevante Aufgabenbereiche fur die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb identifiziert: Haufig wird die grundsatzliche Funktion des Marketing in der Kundenbindung, der Produktneuentwicklung und der Entwicklung der Marktorientierung als wichtigem Element der Unternehmenskultur gesehen (vgl. Moorman/Rust 1999, S. 182). Weiterhin konnen die Marketingkompetenzen in Basisaufgaben wie Marktsegmentierung und Positionierung, in integrative Aufgaben wie Neuproduktentwicklungsprozesse sowie in unterstotzende Aufgaben wie Wettbewerbs- und Marktanalysen gegliedert werden (vgl. Day 1992, S. 328). Die Aufgaben an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb konnen aber auch - wie in Abbildung 14 - als ein Kontinuum dargestellt werden (vgl. Cespedes 1994, S. 48). Marketing

...

Vertrieb

Marktforschung Produktentwicklung Positionierung Segmentierung Werbung Budgetierung/ Aliokation Preisgestaltung Verkaufsforderung Distributionsmanagement Beschwerdemanagement Kundenmanagement Personlicher Verkauf

Abbildung 14: Kontinuum an Marketing- und Vertriebsaufgaben (Quelle: in Aniehnung an Cespedes 1994, S. 48)

Zusammenfassend werden als eher marketingrelevante Aufgaben insbesondere Markforschungstatigkeiten, die Positionierung und Segmentierung sowie die Produktentwicklung angesehen. Und als eher vertriebsrelevante Aufgaben gelten das Distributions-, Kunden- und Beschwerdemanagement sowie verkaufsfordernde Tatigkeiten (vgl. Ruekert/ Walker/Roering 1985, S. 21; Vorhies/Morgan 2003, S. 112; Krohmer/ Homburg/Workman 2002, S. 460; Webster Jr. 1992, S. 11 f.). Damit fliel3)en aus der Bestandsaufnahme der Literatur folgende - an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb relevante Aufgabenbereiche in die vorliegende Untersuchung ein: Marktforschung, Erarbeitung der strategisclien Stoflrichtung, Positionierung von Produkten und

86

Kapitel 3

Dienstleistungen, Produktentwicklung und -einfuhrung, Distributionsmanagement, Verkaufsforderung, Kundenmanagement und Beschwerdemanagement. Nach der Festlegung von Aufgabenfeldern, bei denen eine Koordination der Funktionsbereiche Marketing und Vertrieb sinnvoll erscheint, stellt sich nun die Frage nach der Beurteilung der Koordinationsgute bzw. Qualitat der Abstimmung an dieser innerbetrieblichen Schnittstelle. Zur Bewaltigung dieses Problems werden in der Literatur zwei alternative Vorgehensweisen vorgeschlagen: Die meisten empirischen Studien wahlten eine einstufige Messung der Schnittstellenqualitat. HIer wird unterstellt, dass der ideale und erreichte Koordinationsgrad zwischen zwei Funktionsbereichen implizit angemessen in die Bewertung des Schnittstellenqualitatsniveaus einflielien. So wurde das Qualitatsniveau an der Schnittstelle von Marketing und F&E haufig direkt uber eine Bewertung der ..effectiveness of integration between R&D and marketing" gemessen (vgl. Souder/Chakrabarti 1978, S. 90). Ein anderer Ansatz zur Messung der Schnittstellenqualitat stellt eine zweistufige Messung dar, bei der der (fur die jeweilige Unternehmenssituation) ideale sowie der gegenwartig erreichte, interfunktionale Koordinationsgrad getrennt bestimmt und dann Soll-lst-Differenzen berechnet werden. Eine hohe Differenz zwischen dem Idealen und erreichten Koordinationsgrad deutet auf eine mangelhafte Schnittstellenqualitat hin und eine geringe Differenz entsprechend auf ein gutes Koordinationsniveau (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1985a; Gupta/Raj/Wilemon 1985b; Song/Parry 1992; Dunn/Harnden 1975). Der zweistufige MelJansatz hat gegenuber dem einstufigen den Vorteil, dass durch ihn auch bei gleicher Schnittstellenqualitat noch zu erkennen 1st, mit welchem idealen bzw. erreichten Koordinationsgrad von zwei Funktionsbereichen das ermittelte Qualitatsniveau in einem Aufgabenbereich verbunden ist. Deshalb werden in einer deskriptiven Analyse (siehe Abschnitt 5.1.3) im ersten Schritt die Aufgabenfelder mit dem hochsten Koordinationsbedarf identifiziert. Bei diesen Aufgaben sehen die Befragten demzufolge Schwerpunkte fur eine besonders intensive Abstimmung. Und in einem zweiten Schritt sollen die Aufgabenbereiche mit den grofiten Koordinationsdefiziten ermittelt werden,

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

87

d.h. die Aufgaben mit der hochsten Differenz zwischen dem idealen und ereichten Koordinationsgrad. Diese als kritisch identifizierten Aufgabenbereiche an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb flieBen dann im Rahmen der Operationalisierung in die Zielgrofie erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb ein.

3.2

Konzeptualisierung ausgewahlter Unternehmensfaktoren und Hypothesenformulierung

Die empirische Forschung zum Schnittstellenmanagement vermittelt den Eindruck, dass es bei der Zusammenarbeit zwischen zwei Funktionsbereichen vor allem auf die Formalisierung bezuglich Aufgaben und Kompetenzen, einen regen abteilungsubergreifenden

Informationsaustausch,

eine

gemeinsame

Unternehmensvision sowie eine nachhaltige Kunden- und Marktorientierung als ubergreifendes Wertedach fur alle Aktivitaten ankommt (vgl. Cespedes 1994, S. 53). In der einschlagigen Literatur wird davon ausgegangen, dass nur dann, wenn die Schnittstelle zwischen den Bereichen Marketing und Vertrieb optimal gestaltet ist, also Unternehmensstruktur und -kultur koordinationsfordernd konstituiert sind, zentrale Unternehmensziele wie die Ausweitung des Marktanteils, Umsatzsteigerungen, Erhohung der Bekanntheit im Markt oder eine Verbesserung in der Kundenzufriedenheit reallsiert werden konnen. 3.2.1 Formalisierung Wie bereits in den Ausfuhrungen zur Interaktionstheorie deutlich wurde (vgl. Abschnitt

2.3.2.1),

hat die Ausgestaltung

der institutionellen

Rahmen-

bedingungen einen erheblichen Einfluss auf die Handlungen von Akteuren sowie bei der Vermeidung konfliktfordernder Dilemmastrukturen (vgl. Moller 2002). Das gilt insbesondere fur Situationen, wo Schnittstellenprobleme zwischen

den

ungenugende

Funktionsbereichen Abstimmung

von

Marketing

und

Aufgabeninhalten,

Vertrieb Zielen,

auf

eine

Informations-

grundlagen und Maflnahmen zuruckzufuhren sind (vgl. Abschnitt 2.2.2.1). Innerhalb einer organisatorischen Einheit konnen Tatigkeiten meist relativ gut abgestimmt werden, jedoch zwischen organisatorischen Einheiten ist die Abstimmung potenziell gefahrdet. Die Zusammenarbeit von Marketing und

88

Kapitel 3

Vertrieb kann negativ beeinflusst werden, wenn durch die Definition der Organisationsbereiche und die Zuordnung von Kompetenzen Leerraume entstehen, in denen die Verantwortung nicht eindeutig definiert ist. Ebenso konfliktgeladen sind Situationen, in denen Marketing und Vertrieb fur gleiche Aufgaben zustandig sind oder sich zustandig fuhlen. Die fur jedes Unternehmen potenziell relevante Problematik der Rollenkonflikte und des Rollenverstandnisses hat sich innerhalb der Marketingwissenschaft als ein breites Forschungsfeld etabliert. So stellten Bettencourt/Brown (2003, S. 405) in ihrer Studie fest: " ... our results demonstrated that role conflict and role annbiguity lead to psychological withdrawal from the job and organization in terms of reduced job satisfaction and organizational commitment". Gerade bei Vertriebsmitarbeitern konnen Rollenkonflikte und eine unklare Rollenauffassung zu einer verminderten Einsatzbereitschaft fuhren, was sich letztlich negativ auf das Erreichen von Umsatzzielen und in der Kundenbetreuung auswirkt (vgl. MacKenzie/ Podsakoff/Ahearne 1998, S. 94). Daher sollten Vertriebsmanager auf die individuellen Bedurfnisse ihrer Vertriebsmitarbeiter in Bezug auf personliche Ziele, Anreizsysteme und Entlohnung eingehen sowie die Rolle eines jeden Mitarbeiters im Verkaufsteam und im Unternehmen klar definieren (vgl. Shoemaker 2003, S. 24) In diesem Sinne pladieren RuekertAA/alker/Roering (1985, S. 15) fur einen gewissen Formalisierungsgrad hinsichtlich Prozesse und Aktivitaten: „Formalization leads to greater efficiency because such rules serve to routinize repetitive activities and transactions." Bei der Bestandsaufnahme der Literatur zur Schnittstelle von Marketing und F&E in Abschnitt 2.4.1 konnte festgestellt werden, dass in vielen Studien die Formalisierung von Prozessen, Aktivitaten und Rollen Gegenstand der Untersuchung war. Gupta/Raj/Wilemon (1986, S. 10 f.) weisen in ihrem konzeptionellen Beitrag auf Vor- und Nachteile der Formalisierung von Prozessen und Aktivitaten hin. Als Vorteil zahit dabei das klare Rollenverstandnis, als Nachteil eine weniger schwacher Marktorientlerung. Jedoch wurde in den meisten empirischen Arbelten geschlussfolgert, dass die positiven Aspekte der Formalisierung auf die Koordination von Bereichen uberwiegen. So ubt die Formalisierung von Prozessen und Aktivitaten einen

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

89

positiven Effekt auf marktorientiertes Verhalten sowie auf den Erfolg von Produktneuentwicklungen und das Marktwachstum aus (vgl. PelhamA/Vilson 1996,

S.

35).

Formalisierung

kann

-

wenn

abteilungsubergreifend

angewendet - zu einer klaren Zuordnung von Verantwortlichkeiten und Aufgabenerfordemissen

fuhren

und

damit

zu

einer

Reduktion

von

dysfunktionalen Konflikten zwischen den Bereichen beitragen (vgl. Menon/ Bharadwaj/Howell

1996). Ebenso sind Mitarbeiter, deren Aufgaben und

Verantwortlichkeiten klar definiert sind, eher zu abteilungsubergreifender Zusammenarbeit bereit (vgl. Ayers/Dahlstrom/Skinner 1997, S. 112; Parry/ Song 1993, S. 15): "In high-integration companies, the responsibilities of the managers were clearly articulated via policies, new product development procedures and job descriptions" (Gupta/RajAA/ilemon 1987, S. 41). Bin weiterer

positiver

Effekt

ist,

dass

aufgrund

einer

klaren

abteilungs-

ubergreifenden Aufgabenverteilung dysfunktionale Konflikte zwischen den Bereichen reduziert werden konnen (vgl. Menon/Bharadwaj/Howell 1996). Aufgrund der Erkenntnis, dass die Formalisierung von Rollen, Aufgaben und Verantwortungsbereichen an unternehmensinternen Schnittstellen - nachweislich an der Schnittstelle von Marketing und F&E - uberwiegend positive Auswirkungen auf die Zusammenarbeit der jeweiligen Funktionsbereiche hat, wird an der

Schnittstelle

von

Marketing

und Vertrieb von

ahnlichen

WIrkungsbeziehungen ausgegangen. Deshalb lautet die erste Hypothese: H1:

Eine

starkere

Formalisierung

Verantwortungsbereichen

geht

mit

bezuglicti einer

Rollen,

Aufgaben

umfassenderen

und

erreichten

Koordination von Marketing und Vertrieb eintier 3.2.2

AbteilungsubergreifenderInformationsaustausch

Wie bereits in Abschnitt 2.2.2.3 diskutiert, nehmen Schnittstellenprobleme mit der raumlichen Distanz zwischen Organisationseinheiten potenziell zu. Durch die raumliche Trennung der Bereiche Marketing und Vertrieb, die zumeist unausweichlich ist, da der AuI3>endienst regional prasent sein muss, wahrend die Marketingabteilung in der Zentrale agiert, wird die

Kommunikation

zwischen Vertrieb und Marketing beeintrachtlgt. Dies kann auch durch den Einsatz von Informationstechnologien nur teilweise kompensiert werden.

90

Kapitel 3

Insbesondere bei der Abstimmung komplexer Problemstellungen kann sich das Fehlen spontaner, informeller Information und Kommunikation negativ bemerkbar machen, in dem es zu verzogerten Entscheidungen bzw. verspateten Reaktionen beispielweise in Bezug auf veranderte Marktbedingungen kommt (vgl. Dewsnap/Jobber 2000, S. 114; Griffin/Hauser 1996, S. 197). Wie in den Ausfuhrungen zu den Austauschtheorien bereits diskutiert wurde (vgl. Abschnitt 2.3.3.2), wirkt eine raumliche Trennung der Funktionsbereiche kostentreibend. Bei den daraus resultierenden Kosten-Nutzen-Uberlegungen zum gegenseitigen Austausch von Informationen geht es den beiden Funktionsbereichen aber nicht nur urn den Mehraufwand zur Uberbruckung der Distanz, sondern auch urn die Qualitat und den Nutzen der ausgetauschten Informationen (vgl. Kahn/Mentzer 1998). Ein ungenugender Informationsaustausch ist haufig eine der Hauptursachen fur eine nicht funktionierende Zusammenarbeit zwischen zwei Bereichen. So berichten Gupta/RajA/Vilemon (1985b), dass 31% der von ihnen befragten Marketing- und F&E-Manager Kommunlkationsdefizite als die groBte Barriere bei der Koordination von Marketing und F&E ansehen. „The managers also pointed out that the communication barriers were created by time pressures, differences between the priorities of R&D and marketing, and poor timing of information exchange" (Gupta/RajA/Vilemon 1985b, S. 18). Ein mangelnder Informationsaustausch ist daruber hinaus die Hauptursache beim Entstehen manifester Konflikte zwischen zwei Bereichen. Diese Defizite konnen sich sowohl auf die Qualitat und Verwertbarkeit der ausgetauschten Informationen als auch auf die Quantitat im Informationsfluss zwischen zwei Bereichen beziehen (vgl. Barclay 1991, S. 150). Daher ist bei der unternehmensinternen Kommunikation einerseits von Bedeutung, dass in der Wahrnehmung des Empfangers die Informationen als realistisch, objektiv und valide eingeschatzt werden (vgl. Gupta/Wilemon 1988, S. 28). Andererseits konnen quantitativ durch eine Erhohung der Kommunikationshaufigkeit zwischen Unternehmenseinheiten - wie z. B. zwischen Marketing und Qualitatsabteilung - positive Effekte auf den marktbezogenen Unternehmenserfolg erzielt werden und zwar in Form von Kundenzufriedenheit, Kunden-

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

91

bindung, Umsatzwachstum und Ausdehnung des Marktanteils (vgl. Morgan/ Piercy1998, S. 202). In wissenschaftlichen Beitragen zur Rolle der Unternehmenskultur gilt die Entwicklung geeigneter Normen als ein Schlusselelement bei der Verbesserung der Kommunlkation zwischen zwei Abteilungen. Zu solchen Normen gehort unter anderem der permanente abteilungsubergreifende Austausch von Managern verschiedener Bereiche oder die Etablierung eines Unternehmensklimas, das die Kommunikation zwischen den Abteilungen unterstutzt. In diesem Zusammenhang konnte nachgewiesen werden, dass solche Normen an der Schnittstelle zwischen Marketing und Technikabteilung die Frequenz des Austauschs erhohen und einseitigen Informationsfluss zu vermeiden helfen (vgl. Fisher/Maltz/Jaworski 1997, S. 65). Da der regelmal^ige Informationsaustausch eine der Schlusselvariablen bei der erfolgreichen Koordination von Unternehmensbereichen darstellt (vgl. GuptaAA/ilemon 1988, S. 28), ist es aus Sicht der Unternehmen ratsam, jeden einzelnen Mitarbeiter dahingehend in die Pflicht zu nehmen und durch eine Atmosphare der „open-door policy" das pro-aktive Verhalten der Mitarbeiter beim Informationsaustausch zu fordern (vgl. Souder 1980, S. 13). Auch an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb kann durch den regelmafiigen Austausch von Informationen uber Kunden, Konkurrenz und Marktentwicklungen sowie durch wechselseitiges Informieren uber strategische und operative Vorhaben die Zusammenarbeit gestarkt und verbessert werden. Diese Uberlegungen munden in folgende Hypothese: H2: Ein regelmafliger funktionsubergreifender Informationsaustausch getit mit einer umfassenderen errelctiten Koordination von Marketing und Vertrieb einher 3.2.3 Gemelnsame Unternehmensvlslon Funktionsbereiche wie Marketing und Vertrieb entwickein im Laufe der Zeit oft eine spezifische Kultur, das heif2»t bereichsweite interindividuell ubereinstimmende Denk- und Verhaltensmuster, die in Werten, Normen, Sprachen,

92

Kapitel 3

Symbolen und Lebensstilen zum Ausdruck kommen (vgl. Abschnitt 2.2.2.2). Unterschiedliche Ausbildungswege,

Laufbahnen

und Denkwelten

tragen

ebenso dazu bei, dass gerade in Marketing und Vertrieb bereichsspezifische Arbeits- und Denkweisen entstehen. Daraus ergeben sich oft Vorurteile und Klischees zwischen Mitarbeitem der beiden Abteilungen (vgl. Lorge 2002, S. 27). Wie in der Spieltheorie erarbeitet wurde (vgl. Abschnitt 2.3.2.2), kommt es

dadurch

haufig

zur

alleinigen

Verfolgung

[bereichs-]

Interessen, das zu einem Nutzenverlust in der

individueller

bereichsubergreifenden

Zusammenarbeit bzw. zu einem Kooperationsdilemma fuhren kann (vgl. Jost 1999).

In

einer

Untersuchung

zu

den

Erfolgsfaktoren

erfolgreicher

Produktneuentwicklungen wurde deshalb vorgeschlagen, unterschiedlichen Denkwelten mit einer integrativen Unternehmenskultur zu begegnen: „This research also suggests that thought world barriers cannot be overcome unless aspects of the organizational context which foster separation are also overcome. (...) It is inferred that an innovative social order must be designed specifically for new products so that: 1) interactions between thought worlds are based on appreciation and joint development, 2) product definitions are based on collective, first-order customer knowledge, and 3) product norms are based on the specific market" (Dougherty 1992, S. 196). Vor diesem Hintergrund

kann

geschlussfolgert

werden, dass

den

in den

Kopfen

verankerten spezifischen Denkwelten und Vorurteilen nur beizukommen ist, wenn die verantwortlichen Manager dauerhaft eine am Kunden orientierte Unternehmensvision im Unternehmen etablieren konnen. Eine gemeinsame Unternehmensvision sowie ein im Unternehmen gelebtes Wertesystem konnen nicht nur Vorurteile abmildern und Denkwelten positiv beeinflussen, sondern auch die Basis fur von gegenseitigem Vertrauen und Commitment

gepragte,

abteilungsubergreifende

Beziehungen

sein

(vgl. Ittner/Larcker 1997, S. 523). Morgan/Hunt (1994) kommen in ihrer Studie zu einem ahnlichen Ergebnis: „Shared values, the only concept that we posit as being a direct precursor of both relationship commitment and trust, is the extent to which partners have beliefs in common about what behaviors, goals, and policies are important or unimportant, appropriate or inappropriate, and right or wrong" (Morgan/Hunt 1994, S. 25).

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung Nicht

selten

stellen

kulturelle

Differenzen

93 zwischen

Mitarbeitem

aus

unterschiedlichen Funktionsbereichen und das Fehlen eines einheitlichen Wertesystems deshalb ein Hindernis fur eine erfolgreiche Zusammenarbeit dar (vgl. Gupta/RajA/Vilemon 1985b, S. 19). Dabei kann sich gerade ein unternehmensinharentes Wertesystem

nachweislich effizienter auf Koordinations-

bestrebungen auswirken als externe Kontrollsysteme, die auf expliziten Regein und MaBnahmen basieren (vgl. Denison/Misiira 1995, S. 215). Eine gemeinsame Unternehmensvision kann jedoch nicht nur zur verbesserten Zusammenarbeit

von Abteilungen

beitragen, sondern

ubt auch

einen

signifikant positiven Einfluss auf den Erfolg in der Produktneu-entwicklung und im Produktmanagement aus (vgl. Kahn 1996, S. 145). Bezogen auf die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb wurde eine gemeinsame, auf das jeweillge Unternehmen zugeschnittene Vision die Basis fur ein von beiden Selten akzeptiertes und gelebtes Wertesystem bilden. Dadurch konnen Konfllkte und Vorurteile, die sich aus bereichsspezlflschen Denk- und Verhaltensmustern ergeben, abgemlldert und die Zusammenarbeit nachhaltig verbessert werden. Daraus ergibt sich die folgende Hypothese: H3: Eine gemeinsame Unternehmensvision gelit mit einer umfassenderen erreicliten Koordination von l\/larketing und Vertrieb eintier 3.2.4 Kunden-und

Marktorientierung

Ein Konfliktpotenzial an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb birgt die potenzleli divergierende grundlegende Ausrichtung dieser Organisatlonseinheiten, die bel opportunlstischem Verhalten der Akteure der beiden Bereiche zu einem

Kooperationsdilemma

fuhren

kann

(vgl. auch die

Ausfuhrungen zur Spleltheorie in Abschnitt 2.3.2.2). Im Marketlngberelch werden tradltlonell langfrlstige und an Rendite-, Marktantells-, Image- und Umsatzzlelen orientierte Planungen durchgefiJhrt. In marketlng-domlnanten Unternehmen wird dem Vertrieb dabei melst keine Moglichkeit gegeben, bereits in fruhen Planungsphasen auf Restrlktionen, Marktentwicklungen sowie Kundenpraferenzen hinzuwelsen und elgene Vorschlage zur Marktbzw. Produktstrategle zu erbrlngen. Der Vertrieb wiederum zelgt infolge der Orlentlerung an kurzfristigen Umsatzzlelen gewohnlich wenig Interesse an

94

Kapitel 3

strategischen

Marketingvorgaben

(vgl.

auch

Abschnitt

2.2.2.1).

Die

Konsequenz einer derart divergierenden Orientierung ist, dass der Vertrieb oftmals

gezwungen

ist,

sich

den

vorgegebenen

Marketingkonzepten

anzupassen bzw. sich damit zu arrangieren. Haufig wird dem Vertrieb nach Ubermittlung der Konzepte und Strategien die alleinige Verantwortung fur die Umsetzung im Markt ubertragen (vgl. Barclay 2000, S. 6). Als ein wirksames Mittel zur Angleichung divergierender bereichsspezifischer Ausrichtungen gilt die Etablierung einer stark am Kunden bzw. am Markt ausgerichteten Unternehmenskultur: "Market orientation is the organizational culture that most effectively and efficiently creates the necessary behavior to the creation of superior value for buyers and, thus, continuous superior performance for the business" (Narver/Slater 1990, S. 21). Die Autoren fuhren welter aus, dass wenn alle Unternehmensbereiche am Kunden bzw. am Markt ausgerichtet sind, verbessert das nicht nur den allgemeinen Unternehmenserfolg, sondern fordert mit dem gemeinsamen Ziel „Dlenst am Kunden" auch die unternehmensinterne Zusammenarbeit. Wahrend Narver und Slater den Ansatz der Marktorientierung an der Etablierung einer markt- und kundenorientierten Unternehmenskultur festmachen, steht bei Jaworski und Kohli die Gewinnung und der Transfer von Marktinformationen im Vordergrund. Diese Informationsprozesse sind von Faktoren abhangig wie 'Betonung einer marktorientierten Unternehmenskultur durch die Geschaftsfuhrung' sowie 'Konflikte zwischen Bereichen' und 'Machtstrukturen im Unternehmen' (vgl. Jaworski/Kohli 1993, S. 64). Ungenugende Marktkenntnlsse konnen demzufolge auch eine Barriere in der Zusammenarbeit von Funktionsbereichen darstellen (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1985b, S. 19). Ebenso beeinflusst Marktorientierung das Commitment der Mitarbeiter, den Korpsgeist im Unternehmen und den Unternehmenserfolg (vgl. Jaworski/Kohli 1993, S. 64). Als einen reziproken Effekt einer etablierten marktorientierten Kultur im Unternehmen konnen vom Korpsgeist „getriebene" Mitarbeiter schneller und in konzertlerter Art und Weise auf Marktveranderungen reagieren (vgl. Jaworski/Kohli 1996, S. 129). Homburg und Pflesser schlagen deshalb in ihrem Modell vor, Normen und Artefakte der Marktorientierung im

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

95

Untemehmen einzusetzen, um den Mitarbeitern verschiedener Bereiche einen abgestimmten kundenorientierten Auftritt im Markt zu ermoglichen. Zu den Normen gehoren beispielsweise die Definition marktorientierter Verantwortlichkeiten fur Mitarbeiter oder Offenheit beim Austausch marktbezogener Informationen (vgl. Homburg/Pflesser 2000b, S. 451). Zusatzliche positive Effekte der Marktorientierung konnten in Bezug auf die Kundenorientierung und Rollenzufriedenheit von Vertriebsmitarbeitern festgestellt werden (vgl. Siguaw/BrownA/Viding II 1994). Daruber hinaus konnen mit Hilfe einer markt- und kundenorientierten Unternehmenskultur der Erfolg bei Produktneuentwicklungen und die Leistung des Produktmanagements positiv beeinflusst werden (vgl. Kahn 2001, S. 320). Zusammenfassend wird davon ausgegangen, dass auch an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb durch die Etablierung einer kunden- und marktorientierten Denk- und Arbeitsweise sich die jeweiligen Mitarbeiter sowohl langfristigen strategischen Zielen (wie z. B. der Markt- und Produktstrategie) als auch kurzfristigen operativen Zielen (wie beispielsweise dem monatlichen Umsatz) verpflichtet fuhlen. Bine solche gemeinsame Ausrichtung konnte demzufolge die Koordination der beiden Bereiche wesentlich erieichtern. Diese Uberlegungen munden in folgende Hypothese: H4: Eine starkere Kunden- und Marktorientierung in den Bereiclien Marketing und Vertrieb geht mit einer umfassenderen erreictiten Koordination der beiden Abteilungen eintier 3.2.5 Konzeptionelle Zwisctienergebnisse zu den Unternelimensfaktoren Bin erstes Ziel bei der Entwicklung des Bezugsrahmens war die Auswahl relevanter Unternehmensfaktoren und die Bntwicklung von Hypothesen hinsichtlich der Wirkungsbeziehungen zwischen den ausgewahlten Faktoren und der Koordination von Marketing und Vertrieb. Auf der Grundlage empirischer Beitrage und theoretischer Uberlegungen konnten Problematiken des Schnittstellenmanagements zwischen beiden Bereichen aufgezeigt werden und die entsprechend relevanten Unternehmensfaktoren identifiziert und konzeptualisiert werden. Abbildung 15 stellt dieses Hypothesengerust

96

Kapitel 3

noch mal graphisch dar. Im weiteren Verlauf der Arbeit sollen deskriptive Erkenntnisse zu den Untemehmensfaktoren gewonnen und die Hypothesen empirisch uberpruft werden.

Formalisierung bzgl. Rollen

\ H I ( + )

Abteilungsubergreifender Informationsaustausch

Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb

H2(+)

\ v

Gemeinsame Unternehmensvision

Kunden-und Marktorientierung

/H4(+)

Abbildung 15: Hypothesenubersicht zum Einfluss von Untemehmensfaktoren auf die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb

3.3

Konzeptualisierung ausgewahlter Koordinationsmechanismen und Hypothesenformulierung

Schnittstellen markieren Systemgrenzen interagierender Organisationseinheiten, so dass ihnen einerseits die Eigenschaft und Funktion einer Abgrenzung zukommt. Andererseits ist fur die Anwendung des Begriffs bedeutsam, dass an diesen Stellen zugleich ein System funktionsubergreifender Regelungen wirksam wird, das den Informations- und Leistungsaustausch der interagierenden Einheiten Marketing und Vertrieb steuert. Instrumente solcher grenzubergreifender Regelungen bestehen in der Regel aus einer Kombination von Madnahmen bzw. Mechanismen, die dazu dienen, den vielfaltigen Ursachen und ihren Vernetzungen gerecht zu werden

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

97

(vgl. Hillebrand/Biemans 2003, S. 736). In Praxis und Theorie ist eine Vielzahl an Mal^nahmenbundeln bekannt, die im Rahmen der Schnittstellengestaltung zum Einsatz kommen. Deshalb soil gemafi dem zweiten Forschungsziel zunachst eine Systematisierung der grundlegenden Gestaltungsoptlonen des Schnittstellenmanagements

vorgenommen

werden,

bevor

konkrete

Hypothesen zu den Wirkungsbeziehungen zwischen dem Einsatz spezifischer Koordinationsmechanismen und der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb aufgestellt werden. Die

Organisationsforschung

Klassifikationen

von

hat

eine

Vielzahl

Schnittstellenmechanismen

unterschiedlicher zur

Losung

der

Koordinationsproblematik hervorgebracht. So wird beispielsweise zwischen strukturellen Mal^nahmen wie uni- oder multipersonaler Koordinationsorgane, technokratischen Zielsystemen

Malinahmen

und personalen

wie

die

Koordination

von

Plan-

und

Mal^nahmen wie abgestimmte Aus- und

Weiterbildungsmafinahmen unterschieden (vgl. Khandwalla 1975, S. 143156).

Andere

Autoren

postulieren

mechanismen, das von formellen

ein

Kontinuum

an

organisatorischen

Koordinations-

Prozessen

bis zu

informellen Prozessen wie „mirror-image organizations" reicht (vgl. Mohrman 1993, S. 117; Galbraith/Kazanjian

1986). Daruber hinaus wird in der

einschlagigen Literatur ein ganzes Spektrum einzelner Instrumente genannt, wie

z.

B.

temporare

Teams,

Matrixstrukturen

und

der

Einfluss

der

Geschaftsfuhrung (vgl. Olson/Walker Jr./Ruekert 1995, S. 49) In

der

vorliegenden

Studle

wird

mit

geringen

Modifikationen

einer

Systematisierung von Barclay (2000, S. 5 f.) gefolgt, der zwischen kultur-, struktur-,

personen-

und

systembezogene

Koordinationsmechanismen

unterscheidet. Mit diesen grundsatzlichen Gestaltungsoptlonen kann der Koordinationsbedarfs, der durch die organisatorische Differenzierung bzw. durch die Subsystembildung entsteht, gedeckt werden (vgl. Abschnitt 2.1). Zum einen wird durch formal-organisatorische MaBnahmen wie z.B. dem Einsatz

funktionsubergreifender

Teams

die

Voraussetzung

fur

eine

angemessene Abstimmung der interdependenten EInheiten geschaffen. Zum anderen wird durch die Abstimmung von Zielsystemen eine starkere inhaltliche Berijcksichtigung

der

Schnittstellenbeziehung

zwischen

Marketing

und

Vertrieb ermoglicht. Daruber hinaus entfalten die in Tabelle 15 unter kultur-

98

Kapitel 3

und personenbezogenen

Koordinationsmechanismen

aufgefuhrten Gestal-

tungsoptionen verhaltensbeeinflussende Wirkungen, die auf die Verbesserung der Verstandigung, den Abbau von Konflikten und zur Schaffung eines kooperativen Klimas zwischen den Subsystemen Marketing und Vertrieb abstellen. Eine Ubersicht zu den in der vorliegenden Arbeit verwendeten Koordinationsmechanismen liefert Abbildung 16.

Kulturbezogen

Strukturbezogen

-

Unterstutzung durch die Geschaftsfuhrung

-

Funktionsubergreifende Teams

-

Entwicklung bereichsubergreifender Ziele und Wertvorstellungen

-

Bereichsubergreifende Projektteams/ Task Forces

-

Gemeinsame Events, Essen, Ausfluge

Multifunktionale Kundenteams, insbesondere fur Key Accounts

-

Informelle Netzwerke

Personenbezogen

System bezogen

-

Bereichsubergreifend abgestimmte Rekrutierungspolitik

-

Bereichsubergreifend abgestimmte Zielvereinbarungen

-

Gemeinsame Karrierefbrderungs- und Trainingsprogramme

-

Bereichsubergreifend abgestimmte Kennzahlensysteme

-

Job-Rotation

Abbildung 16: Ubersicht iiber ausgewahite Koordinationsmechanismen (Quelle: in Aniehnung an Haase/Krafft 2004, S. 99)

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

99

3.3.1 Kulturbezogene Koordinationsmechanismen Die Theorie der sozialen Identitat lieferte insbesondere einen Beitrag zur Erklarung von psychischen Barrieren bei der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb, die haufig durch eine Subkulturbildung innerhalb des Unternehmens hervorgerufen werden. Diese soziale Kategorisierung stellt nicht selten eine Barriere bei der effektiven Koordination der beiden Bereiche dar (Mummendey 1985). Urn diese soziokulturellen Differenzen zwischen Marketing und Vertrieb abzumildern, konnten auf formeller Basis eine gemeinsame strategische Ausrichtung und auf informeller Basis Netzwerke zwischen den Mitarbeitern beider Abteilungen sowie gemeinsame Veranstaltungen hilfreich sein (vgl. Griffin/Hauser 1996). Auch das Commitment der Geschaftsfuhrung spielt eine wesentliche Rolle, um negative Auswirkungen von potenziellen Gruppenunterschieden zwischen Marketing und Vertrieb bei den Koordinationsbemuhungen aufzuheben (GuptaA/Vilemon 1991). Eine ausgepragte Unternehmenskultur kann den Koordinationsbedarf innerhalb des Unternehmens reduzieren, indem sie strukturelle Koordinationsmechanismen wie personliche Weisungen, Plane und Programme durch einheitliche Werte und Normen unterstutzt bzw. teilweise ersetzt. Von potenziell grofier Bedeutung fur die Abstimmung von Marketing und Vertrieb ist das Commitment des oberen Managements sowie der Marketing- und Vertriebsleitung. Wenn das Verhalten der Geschaftsfuhrung eine ganzheitliche Sichtweise vermittelt und weniger auf partikulare Interessen, eine technokratische Einstellung Oder die Einhaltung formaler Kommunikationswege ausgerichtet ist, kommt hier nicht nur die Vorbildwirkung der Vorgesetzten zum Tragen, sondern auch eine ganz gezielte Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Marketing und Vertrieb auf alien Kompetenzebenen (vgl. Morgan/Piercy 1998). Innerhalb der Forschung zur Schnittstelle von Marketing und F&E wurde der positive Effekt, den die Unterstutzung der Geschaftsfuhrung auf die Abstimmung der Bereiche ausuben kann, mehrfach nachgewiesen (vgl. Song/Parry 1993a, Gupta/Wilemon 1991, Song/Montoya-Weiss/Schmidt 1997). Als besonders koordinationsfordernd erwies sich dabei die personliche

100

KapitelS

Beteiligung von Top Managern bei der Schnittstellengestaltung, beispielsweise als koordinierendes Mitglied bereichsubergreifender Teams, bei der Vorgabe einer gemeinsamen strategischen Stolirichtung oder bei der Bereitstellung von Ressourcen zur Finanzierung von Trainingsmafinahmen und gemeinsamer Essen (vgl. Gupta/Wilemon 1991, S. 38 f.) In einer anderen Studie wurde empirisch nachgewiesen, dass ein die Beziehung zwischen Marketing und F&E forderndes Unternehmensklima einen positiven Effekt sowohl auf den Informationsaustausch zwischen beiden Bereichen als auch auf den Erfolg bei Neuproduktentwicklungen hat (vgl. Moenaert et al. 1994). Ebenso konnen informelle sozlale Netzwerke zwischen Mitarbeitern beider Bereiche koordinationsfordernd sein (vgl. Ghoshal/Bartlett 1996, S. 23 f.). Der positive Einfluss informeller Netzwerke bezieht sich nicht nur auf die Abmilderung stereotyper Denkwelten (vgl. Dougherty 1992), sondern auch auf das Lernverhalten innerhalb der Organisation (vgl. Ballantyne 2003). Ein informeller Informationsaustausch fbrdert die Bildung sozialer Netzwerke, innerhalb derer der Wissensaustausch reibungsloser ablauft. Vor allem in „knowledge intensive firms" spielt dies eine bedeutende Rolle (vgl. Cross/Parker/Prusak 2001, S. 100). Ebenso konnte nachgewiesen werden, dass sich die informelle Kommunikation innerhalb einer Arbeitsbeziehung positiv auf die Koordination von Marketing und F&E auswirkt (vgl. Kahn/McDonough 1997, S. 170). Es wird postuliert, dass die fur die Schnittstelle von Marketing und F&E oben aufgezeigten Zusammenhange auch fur die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb gelten. Das bedeutet, dass mit Hilfe eines MaRnahmenbundels, das die Unterstutzung der Geschaftsfuhrung, informelle Netzwerke, eine gemeinsame strategische Ausrichtung oder auch gemeinsam durchgefuhrte Veranstaltungen zum Inhalt hat, die Abstimmung beider Bereiche verbessert werden konnte. Diese Uberlegungen resultieren in derfolgenden Hypothese: H5: Ein starkerer Einsatz kulturbezogener Koordinationsmechanismen geht mit einer umfassenderen erreichten Koordination von l\/larketing und Vertrieb einlier

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

3.3.2 Strukturbezogene

101

Koordlnationsmechanismen

Wie bereits in den Ausfiihrungen zur Interaktionstheorie deutlich wurde (vgl. Abschnitt

2.3.2.1),

konnen

innerhalb

einer

Funktionalorganisation

zwar

erhebliche Spezialisierungsvorteile erzielt werden, jedoch fuhrt die Trennung der Bereiche Marketing und Vertrieb nicht selten zu Dilemmastrukturen. Es ist daher notwendig strukturelle Koordinationsmechanismen zu entwickein, urn diese funktionalen Barrieren im Unternehmen zu uberwinden (vgl. Lysonski 1985). So wird zur schnellen Zusammenfuhrung von Entscheidungstragern und zur Losung akuter Probleme innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums haufig die Bildung von Marketing-Vertriebs-Komitees als ein Instrument der strukturbezogenen Koordination empfohlen (vgl. Galbraith 1973, S. 50 f.). Als ein weiteres Instrument werden multifunktionale Kundenteams genannt, die in der Regel zur umfassenden Betreuung von Key Accounts eingesetzt werden. AbteilungsiJbergreifende

Koordinationsstellen oder sogenannte „Boundary

Manager", die beispielsweise bei der gemeinsamen Ressourcenallokation mitwirken, waren weitere Instrumente der strukturbezogenen Koordination (vgl. Bromann 1990, S. 132). Weber et al. sprechen in diesem Zusammenhang auch von Moderatoren, die bei Konflikten zwischen zwei Parteien mit der notwendigen Neutralitat schlichtend wirken konnen (vgl. Weber et al. 2004b, S. 19). Multifunktionale Teams als Instrument zur Steuerung von AbstimmungsmaG»nahmen an unternehmensinternen Schnittstellen konnen - je nach Auspragung der Problemsituation - in temporarer oder permanenter Funktion eingesetzt werden. Das temporare Team kann als Ubergangsstufe zum Aufbau einer permanenten Institution wie beispielweise von Kompetenzzentren fur bestimmte Produkt- oder Kundengruppen dienen. Wahrend bei einem temporaren Team der Schwerpunkt der Projektarbeit bei operativen Aufgaben liegt, kann sich ein multifunktionales Kompetenzzentrum starker mit strategischen Aufgaben wie dem Eintritt in neue Markte oder die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen befassen (vgl. Bellmann 2000, S. 305). DariJber hinaus werden in Projektteams haufig Fachkompetenzen

und

Handlungsvermogen

auf

gebundelt,

die

ein

zielgenaues

Reagieren

Marktveranderungen ermoglichen. Und nicht zuletzt wird in der einschlagigen Literatur hervorgehoben, dass multifunktionale Teams oft schnellere und

102

Kapitel3

kreativere Losungen fur Kundenprobleme hervorbringen (vgl. Donnellon 1993, S. 377, 391). Laut einer Metaanalyse der Schnittstellenforschung wird die Bildung bereichsiJbergreifender Teams oft als erfolgversprechendster Weg im Schnittstellenmanagement angesehen. In der Unternehmenspraxis existieren solche Teams, bestehend beispielsweise aus Marketing- und F&E-Managern, groRtenteils schon auf Geschaftsfuhrungsebene und konnten auf der Mitarbeiterebene noch starker adaptiert werden (vgl. Carroad/Carroad 1982, S. 30). Auch empirische Studien zeigen, dass das Teamkonzept zwar in der Praxis anerkannt, in der praktischen Umsetzung aber eher mangelhaft ist. Dm multifunktionale Teams erfolgreich wirken zu lassen, kommt es auf die richtige Zusammensetzung des Teams, auf die Integration des Teams in die Unternehmensstruktur und die Festlegung der Teamautoritaten an (vgl. Henke/Krachenberg/Lyons 1993, S. 217-227). Ebenso wurde empirisch bewiesen, dass multifunktionale Teams an der Schnittstelle von Marketing und anderen Funktionsbereichen zur Reduzierung funktionsubergreifender Konflikte beitragen konnen. Das heiBt, je intensiver multifunktionale Teams eingesetzt werden, umso geringer ist der Grad manifester interfunktionaler Konflikte innerhalb der Organisation (vgl. Maltz/Kohli 2000, S. 486). Funktionsubergreifende Teams an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb tragen besonders zu einer besseren Kundenbetreuung bei. Speziell bei der Betreuung von Key Accounts ist eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen beiden Bereichen oft erfolgskritisch. So stellte Cespedes (1993, S. 47) fest, dass Vertriebsmitarbeiter zwar aufkommende Gefahren und Chancen des Marktes erkennen, aber darauf oft nur mit taktischen bzw. preisbezogenen Programmen reagieren. Dieses Verhalten ist uberwiegend auf das umsatzbezogene Entlohnungssystem, dem Vertriebsmitarbeiter haufig unterliegen, zuruckzuftihren. Dem konnte jedoch durch die Bildung multifunktionaler Key Account Teams entgegengesteuert werden. Innerhalb der Teams ist beispielweise das schnelle beidseitige Informleren uber Marktveranderungen sowie Kundenverhalten und entsprechende konzertierte Aktionen eher moglich als mit der alleinigen Betreuung durch

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

103

Vertriebsmitarbeiter. Diese Uberlegungen werden zur folgenden Hypothese zusammengefasst. H6: Bin starkerer Einsatz strukturbezogener Koordinationsmechanismen geht mil einer umfassenderen erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb einher. 3.3.3 Personenbezogene Koordinationsmechanismen Bei Untersuchungen zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb wurde festgestellt, dass mit einer starkeren Auspragung der jeweiligen Subkulturen von Marketing und Vertrieb ein erhohtes personelles Konfliktpotenzial zwischen den Mitarbeitern der beiden Bereiche einhergeht. Wie in den Ausfuhrungen zur Theorie der sozialen Identitat bereits dargelegt wurde, begrundet sich diese Subkulturbildung vor allem durch das Streben nach positiver Distinktheit gegenuber der jeweils anderen Abteilung (vgl. Wiswede 1992). Die dabei nicht selten entstehende psychologische Distanz zwischen den Gruppen kann wesentlich durch die Arbeitserfahrung der Mitarbeiter beeinflusst werden (vgl. Dawes/Massey 2001). Daher geht es bei der personenbezogenen Koordination des Marketing- und Vertriebsbereichs vor allem darum, divergierende sozlokulturelle Einstellungen der einzelnen Funktionstrager mit Hilfe von Maflnahmen wie Job Rotationen, gemeinsam entwickelten Trainingsprogrammen sowie einer abgestimmten Rekrutierungspolitik zu harmonisieren (vgl. Dewsnap/Jobber 2000). GemaB empirischen Beitragen zum Schnittstellenmanagement von Marketing und F&E konnen Job Rotationen die Entstehung isolierter bereichsspezifischer Denkwelten verhindern und durch verstarkte Interaktion und einen intensiveren Informationsaustausch die Koordination zweier Bereiche positiv beeinflussen (vgl. Edstrom/Galbraith 1977; Moenaert/Souder 1990; Shaw/Shaw/Enke 2003). Job Rotationen dienen aufierdem dem Wissenstransfer zwischen verschiedenen Bereichen. Insbesondere die Kenntnis und Verbreitung von implizitem Wissen bzw. „tacit knowledge and skills" tragt zur Entwicklung und Erhaltung einer Lernkultur und im Ergebnis zu Produktivitatssteigerungen bei (vgl. Madsen/Mosakowski/Zaheer 2003, S. 173, 188 f.). Das zeitweise Versetzen von Mitarbeitern in den jeweils anderen

104

KapitelS

Bereich kann auch Kommunikations- und Verstandnisprobleme, hervorgerufen durch die raumliche Distanz zwischen zwei Bereichen, vermindern (vgl. Van den Bulte/Moenart 1998, S. 14). Ein weiterer Vorschlag zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb ist die Etablierung gemeinsamer Trainingsprogramme als ein Bestandteil der Personalpolitik (vgl. Tichy 1981, S. 241). Im Vertriebsbereich konnen damit Unsicherheiten bezuglich der Produktiinie und des Kundenstamms abgebaut werden (vgl. Krafft 1999, S. 132). Weitere Ziele von Trainingsprogrammen sind die Entwicklung von Teamgeist, insbesondere bei den als Einzelkampfer agierenden Vertriebsmitarbeitern, sowie die Fbrderung einer gemeinsamen Ausrichtung von Marketing- und Vertriebsabteilung (vgl. Cespedes/Doyle/Freedman 1989, S. 54). Auch eine abgestimmte Rekrutierungspolitik kann einen positiven Effekt auf die Abstimmung von Unternehmensbereichen ausuben. Shapiro (1977, S. 112) stent dazu fest: „Another people-oriented approach Involves mixed career paths. If more managers cross over functional lines during their development, they will better understand the activities, concerns, and values of their sister functions". So konnte empirisch nachgewiesen werden, dass mit Mitarbeitern des Bereichs F&E, die uber betriebswirtschaftliche Kenntnisse verfugen, die Koordinatlon zwischen den Bereichen Marketing und F&E vorangetrieben und der Erfolg bei Produktneuentwicklungen positiv beeinflusst werden konnte (vgl. Parry/Song 1993, S. 16). Ebenso hilfreich bei der Implementierung von Marktstrategien ist die Auswahl und Rekrutierung von Managern mit bereichsubergreifenden Kenntnissen. Cespedes/Piercy (1996, S. 153) merken hierzu an: „Managers with both product management and sales experience, for example, are more likely to develop strategies and implementation programs with an awareness of the reciprocal requirements". Die Hypothese zu den personenbezogenen Koordinationsmechanismen lautet somit: H7: Ein starkerer Einsatz personenbezogener Koordinationsmechanismen gelit mit einer umfassenderen erreicliten Koordination von Marketing und Vertrieb einlier

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

105

3.3.4 Systembezogene Koordinationsmechanismen Unter dem Ansatz des systembezogenen Schnittstellenmanagements werden abgestimmte und bereichsubergreifende Zielvereinbarungen sowie ein integriertes Anreiz- und Vergutungssystem, das fur beide Seiten signifikante Leistungsanreize fur umsatz- und renditebezogene Erfolge im Markt bieten kann, verstanden (vgl. MontgomeryAA/ebster 1997, S. 18). Wie aus den Ausfuhrungen zur Spieltheorie bereits zu entnehmen war (vgl. Abschnitt 2.3.2.2), kommt es an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb aufgrund unterschiedlicher Ziel- und Anreizsysteme haufig zu Konflikten. Die Bereiche setzen ihre Vorstellungen opportunistisch urn, urn vor dem Hintergrund der gegebenen Ziel- und Anreizstruktur ihren Nutzen zu maximieren (vgl. Jost 1999). Die Existenz unterschiedlicher Zielvorstellungen von Mitarbeitern in Marketing und Vertrieb kann deshalb zu den zentralen Konfliktpotenzialen gezahit werden. Die Zieldivergenzen bezlehen sich meist auf tradierte, gewachsene und inkompatible Zielvorstellungen, die schwer zu revidleren sind. Diese konnen beispielsweise die Auswahl von Markten und Marktsegmenten, die Gestaltung des Leistungsprogramms und die Malinahmen des Marketing-Mix betreffen. So ist das Erschllelien neuer Kundenkreise durch den Vertrieb im Vergleich zur Pflege bestehender Kundenbeziehungen relativ aufwandig. Damit verbunden ist zumeist eine langfristige Erfolgsplanung und moglicherweise die Nutzung neuer Vertriebswege. Wenn das Marketing den Vertrieb nicht vom Erfolgspotenzlal neuer Markte uberzeugen kann, tendiert der Vertrieb eher zu einer Intensivierung etablierter Kundenbeziehungen und zu einer kurzfristig reallsierbaren Erfolgsverbesserung (vgl. Kohler 1998; Cespedes/Piercy 1996, S. 144). Dabei reicht es nicht aus, nur die obersten Fuhrungskrafte in ein Ziel- bzw. wertorientlertes Steuerungssystem zu integrieren, da die Leistungen der operativ tatlgen Mitarbelter die eigentliche Quelle einer nachhaltigen Wertschaffung darstellen. Weber et al. schlagen in diesem Zusammenhang vor, alien Mitarbeitern konkrete wertorientierte Zielsetzungen zu vermitteln. „Eine solche Zielsetzung zeichnet sich dadurch aus, dass der Zielinhalt (z.B. ,Marktanteil in China erhohen'), das Zielausmafl (z.B. ,um 10%') und der

106

KapitelS

Zeitbezug des Ziels (z.B. ,in den nachsten zwei Jahren') eindeutig konkretisiert sind" (Weber et al. 2004a, S. 32, 179 f.). Empirisch konnte nachgewiesen werden, dass bei nicht abgestimmten Zielen zwischen Marketing und F&E bzw. Produktion, Marketing Manager zu antikooperativem Verhalten tendieren (vgl. Song/Xie/Dyer 2000, S. 52; Tjosvold/Dann/Wong 1992, S. 1045; Weinrauch/Anderson 1982, S. 293). Andere empirische Beitrage heben hervor, dass die Vereinbarung ubergeordneter Ziele einen signifikant positiven Effekt auf die Kooperation zwischen mehreren Bereichen hat (vgl. Pinto/Pinto 1990, S. 1284). Insbesondere in der Zusammenarbeit von Marketing und Produktion konnte nachgewiesen werden, dass durch gemeinsam definierte strategische Ziele die vom Ansatz sehr unterschiedlichen Bereichsziele harmonisiert werden konnen, und fundamentale DIfferenzen zwischen beiden Gruppen beispielsweise bezijglich Produktqualitat, Produktdesign und Kundenservicepolitik vermindert werden (vgl. St. John 1991, S. 213). Ein weiterer, in der Managementliteratur als bedeutend eingestufter Aspekt ist eine abgestimmte Entlohnungspolitik zwischen den Bereichen. So schlagen beispielsweise Coombs Jr./Gomez-Mejia (1991) vor, die Mitarbeiter der Bereiche Marketing, Produktion und F&E uber gemeinsame Profitabilitatskennziffern zu beurteilen. Ebenso sollte die Ressourcenverteilung innerhalb einer Geschaftseinheit an der Profitabilitat der einzelnen Bereiche als solches festgemacht werden (vgl. Coombs Jr./Gomez-Mejia 1991, S. 48). Obwohl Vertriebsmitarbeiter noch uberwiegend auf der Basis von Umsatzkennzahlen entlohnt werden, gewinnen Erfolgsmal^e wie der Deckungsbeitrag, CrossSelling-Kennzahlen und die erfolgreiche Einfijhrung neuer Produkte zunehmend an Bedeutung (vgl. Cespedes/Doyle/Freedman 1989, S. 48; Golden/Ma 2003, S. 486 f.). Wenn beispielsweise das Erreichen spezifischer Renditekennziffern nicht nur im Marketing sondern auch im Vertrieb zum Zielsystem gehort, konnte dies zur Harmonisierung der Kennzahlen- und Zielsysteme der beiden Abteilungen beitragen. Letztlich beeinflussen kompatible Beurteilungs- und Entlohnungssysteme auch die Koordination von Bereichen positiv. Empirische Signifikanz dafur erbrachten Song/Montoya-Weiss/Schmidt in ihrer Untersuchung der

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung Schnittstelle

von

Marketing,

Montoya-Weiss/Schmidt

F&E

107

sowie

Produktion

1997, S. 43). Weiterhin

konnte

(vgl.

Song/

nachgewiesen

werden, dass der Einsatz abgestimmter marktbezogener Erfolgskennzahlen zur

Festlegung

der

Gehaltsstruktur

innerhalb

einer

strategischen

Geschaftseinheit stark kooperationsfordernd wirkt (vgl. Menon/Jaworski/Kohli 1997, S. 194). Diese Wirkungsbeziehungen werden auch an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb unterstellt. Das heilit, durch ein abgestimmtes Zielsystem und die Etabllerung beidseitig geltender Kennzahlen fur Marketing- und Vertrlebsmitarbeiter kann die Ausrichtung der beiden Abteilungen harmonisiert und die Koordination positiv stimuliert werden. H8: Ein starkerer Einsatz systembezogener Koordinationsmechanismen geht mit einer umfassenderen erreichten Koordination von IVIarketing und Vertrieb einher. 3.3.5 Konzeptionelle Zwisclienergebnisse zu den Koordinationsmechanismen Als zweite

Forschungsfrage

dieser Arbeit wurde die

Erarbeitung

und

Kategorisierung koordinationsfordernder Elemente und Prozesse formuliert. Ebenso

sollten

Hypothesen

bezuglich

der

Wirkungszusammenhange

zwischen den gewahlten Koordinationsmechanismen und der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb aufgestellt werden. Auf Basis der relevanten Literatur konnten vier zentrale Koordinationskategorien identifiziert und mit konkreten Mechanismen unterlegt werden. Abbildung 17 stellt die postulierten

Wirkungsbeziehungen

der

entsprechenden

Koordinations-

mechanismen auf die erreichte Koordination graphisch dar. Im weiteren Verlauf dieser Untersuchung werden diese Mechanismen von deskriptiver Seite beleuchtet sowie die Hypothesen H5 bis H8 empirisch uberpruft.

Kapitel 3

108

Kulturbezogene Koordinationsmechanismen

Strukturbezogene Koordinationsmechanismen

\H5(+)

H6(+)

H7(+)

\ v Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb ^ ^ ^ ^ / ^

Personenbezogene Koordinationsmechanismen

Systembezogene Koordinationsmechanismen

/H8(+)

Abbildung 17: HypotheseniJbersicht zum Einfluss von Koordinationsmechanismen auf die erreichte Koordination von IVIarketing und Vertrieb

3.4

Konzeptualisierung ausgewahlter Erfolgsauswirkungen und Hypothesenformulierung

Die dritte Forschungsaufgabe hat die Entwicklung und Konzeptualisierung entsprechender funktionaler und psychosozialer Erfoigsvanablen sowie deren unmittelbaren Wirkungszusammenhange mit der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb zum Ziel. Die Konzeptualisierung der einzelnen Erfolgsvariablen wird an die Modelle von Griffin/Hauser (1996, S. 201) und Ruekert/Walker (1987, S. 3) angelehnt, die in der Schnittstellenforschung grofie Beachtung gefunden haben. In beiden Modellen wird zwischen funktionalen Variablen wie Umsatz, Wachstum, Kundenzufriedenheit und Profitabilitat und psychosozialen Faktoren wie Konflikte, Effektivitat und Qualitat der Beziehung zwischen zwei Bereichen unterschieden. In der vorliegenden Untersuchung finden die Erfolgsvariablen

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

109

relativer marktbezogener und okonomischer Erfolg sowie das AusmaB dysfunktionaler Konflikte Anwendung, und zwar als Erfolgsauswirkungen der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb. 3.4.1 Auswirkungen der Koordination aufden Unterneiimenserfoig Obwohl in der Marketing-Literatur objektive ErfolgsgroBen wie der Umsatz und die Profitabilitat relativ weit verbreitet sind (vgl. Jaworski/Kohli 1993, Narver/Slater 1990), finden in der vorliegenden Untersuchung ausschlielJIich subjektive Erfolgsgroden im Sinne einer Selbsteinschatzung Verwendung. Die Grunde hierfur sind: - Erfolgskritische Kennzahlen werden erfahrungsgemaB nur ungern im Rahmen einer freiwilligen Selbstauskunft bekannt gegeben. Dies gilt insbesondere fur diejenigen Unternehmen, die nicht der Publizitatspflicht unterliegen. Wie aus der empirischen Auswertung in Abschnitt 4.1.2 hervorgeht, wurden in die Befragung uberwiegend mittelstandische Unternehmen einbezogen, fur die grolltenteils keine Sekundardaten vorliegen. - Profitabilitatskennzahlen wie ROA (Return on Asset), ROI (Return on Investment) oder ROE (Return on Equity) sind nur selten auf der Ebene strategischer Geschaftseinheiten verfugbar. Dies gilt umso mehr fur mittelstandische Unternehmen (vgl. Lawrence/Lorsch 1967, S. 25). Bereits Lawrence/Lorsch arbeiteten aus den genannten Grunden mit Erfolgsmal^en, die den relativen Unternehmenserfolg darstellen. Laut ihrer Studie konnten Unternehmen mit koordinierten Funktionsbereichen die besten Unternehmensergebnisse vorweisen (vgl. Lawrence/Lorsch 1967, S. 27). Auch Khandwalla kommt in seiner empirischen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass grundlegende Konfigurationen der Unternehmensstruktur durch Differenzierungs- und IntegrationsmaBnahmen einen nachhaltigen Effekt auf den Erfolg eines Unternehmens ausuben (vgl. Khandwalla 1973). Inwieweit die Koordination von Funktionsbereichen eine wichtige Rolle bei der Erreichung von Unternehmenszielen spielt, ist Gegenstand vieler Beitrage in der Schnlttstellenforschung. Die meisten empirischen Beitrage untersuchen und bestatigen den positiven Effekt, den die Koordination der Bereiche

110

KapitelS

Marketing und F&E auf den Erfolg von Produktneuentwicklungen ausubt (z. B. LeendersA/Vierenga 2001; Song/Montoya-Weiss/Schmidt 1997; Ayers/ Dahlstrom/Skinner 1997; Gupta/RajA/Vilemon 1985a). Daruber hinaus wurde der positive Einfluss auf Profitabilitatskennziffern wie ROI, ROS und ROA nachgewiesen (vgl. Song/Xie/Dyer 2000). GuptaA/Viiemon (1991) gehen in ihrer Studie der Frage nach, warum die Koordination von Unternehmensbereichen an Bedeutung gewinnt und sich nachhaltig auf den Unternehmenserfoig auswirkt. Als Grunde geben die befragten IVIanager an, dass ein Unternehmen mit koordinierten Funktionsbereichen schneller und effektiver auf kurzere Produktiebenszyklen, hohere Produktentwicklungskosten, kurzere Zeiten bis zur Produkteinfuhrung, harteren Wettbewerb auf alien Markten und anspruchsvollere Kunden reagieren kann (vgl. GuptaA/Vilemon 1991, S. 32 f.). Die Forschung zur Schnittstelle von Marketing und Vertrieb bietet nur relativ wenige empirische Aussagen zu den Erfolgsauswirkungen der Koordination (vgl. Abschnitt 2.4.2). Dewsnap/Jobber (2000) folgern in ihrem konzeptlonellen Beitrag aus den Forschungsergebnissen zur Schnittstelle von Marketing und F&E, dass erfolgreiches Schnittstellenmanagement zwischen Marketing und Vertrieb zu positiven Auswirkungen auf den Verkaufs- und Markenerfolg fuhren sollte. Die Koordination beider Bereiche kann auch als Antwort auf neue Herausforderungen fur das Marketing wie sich weiter fragmentierende Markte, kurzere Produktiebenszyklen, Management der Zulieferkette und neue Arten des Produktangebotes gesehen werden (vgl. Cespedes 1993, S. 38-43). Die bessere und schnellere Implementierung der strategischen Marketingvorgaben im Verkauf hat sich als eine weitere Erfolgswirkung der Koordination erwiesen (vgl. Strahle/Spiro/Acito 1996). Aulierdem konnte an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb mittels Mittelwertvergleichen ein Zusammenhang zwischen der Qualitat der Zusammenarbeit und dem Erfolg einer Unternehmenseinheit nachgewiesen werden, wobei der Erfolg als Index aus Umsatz, Gewinn, Marktanteil und Cash Flow gemessen wurde (vgl. Klumpp 2000, S. 53). Diese Uberlegungen werden zurfolgenden Hypothese zusammengefasst.

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

111

H9: Eine umfassendere erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb geht mit einem hoheren marktbezogenen und okonomischen Erfolg einher. 3.4.2 Auswirkungen der Koordination aufdysfunktionaie Konflikte Bei betrieblichen Schnittstellen erfordern die bestehenden Abhangigkeiten in der gemeinsamen Aufgabenerfullung zwingend eine Abstimmung zwischen den Funktionsbereichen. Diese erfolgt jedoch haufig nicht in der notwendigen Qualitat und Quantitat, da sie von unproduktiven Konflikten zwischen den Bereichen uberlagert wird. So liegen beispielsweise in vielen Unternehmen an der Schnittstelle von Marketing und F&E gravierende Abstimmungsprobleme vor (vgl. z. B. Souder 1981; Gupta/Raj/Wilemon 1986; Brockhoff 1989). Folglich gelten als Indikatoren fur die Dringlichkeit eines betrieblichen Schnittstellenmanagements in der Literatur haufig unproduktive Konflikte sowie ein hohes Konfliktpotenzial, das den offenen Ausbruch von Konflikten begunstigt (vgl. Grunwald/Redel 1988, S. 143 f.). Bei der Beschreibung von Konflikten werden in der Konfliktforschung in der Regel drei Attribute gebraucht: Erstens existiert ein Konflikt dann, wenn inkompatible Aktivitaten vorhanden sind. Zweitens beeinflusst ein Konflikt die Stabilitat einer Organisation. Und drittens konnen Konflikte sowohl funktional als auch dysfunktional sein (vgl. Vaaland/Hakansson 2003, S. 128). „ln the marketing literature, the term conflict traditionally has referred to dysfunctional conflict. Dysfunctional conflict refers to unhealthy behaviors within an organization such as distortion and withholding of information to hurt other decision makers, hostility and distrust during interaction and creating obstacles to impede the decision-making process" (Menon/Bharadwaj/Howell 1996, S. 303). Gerade an den Schnittstellen des Marketingbereichs mit anderen Abteilungen wird haufig eine erhohte Konfliktgefahr diagnostiziert und die besondere Bedeutung der integrierenden Stellung des Marketing bei der Umsetzung der Unternehmensstrategie hervorgehoben (vgl. Hutt 1995, S. 351 f.). Die Ursachen interfunktionaler Konflikte werden wie folgt beschrieben: „The mix of collective goals and self-interest that individuals bring to interfunctional interaction, together with their functional interdependence, creates a situation conducive to disagreement" (RuekertA/Valker 1987, S. 8). Deshalb postulieren Ruekert/Walker in dem gleichen Beitrag, dass je

112

KapitelS

harmonischer und effektiver die Beziehungen zwischen Marketing und anderen betrieblichen Funktionsbereichen sind, umso weniger ausgepragt sind mogliche Konflikte. Jedoch konnten Disharmonien und Konflikte zwischen Marketing und F&E durch den Einsatz verschiedener Schnittstellenmechanismen wie z. B. Koordinationskomitees und temporaren Task Forces gemildert werden (vgl. Souder 1981, S. 72). Auch andere Autoren konnten empirisch nachweisen, dass in Unternehmen mit koordinierten Funktionsbereichen Konflikte sehr schnell und bereits auf unterster Hierarchieebene gelost werden konnten (vgl. Gupta/RajAA/ilemon 1987, S. 41). Genauso fuhrt ein hoher Grad an ..interdepartmental connectedness" zur Reduzierung dysfunktionaler Konflikte (vgl. Menon/Bharadwaj/Howell 1996, S. 307). Zusammenfassend wird davon ausgegangen, dass auch an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb durch eine beidseitige Abstimmung innerhalb interdependenter Aufgabenbereiche nicht nur die Beziehung zwischen beiden Bereichen harmonisiert und effektiver gestaltet werden kann, sondern auch das Ausmal^ dysfunktionaler Konflikte reduziert werden kann. Deshalb lautet die folgende Hypothese: H10: Eine umfassendere erreichte Koordination von l\/larketing und Vertrieb geht mit einem geringeren Ausmafl dysfunktionaler Konflikte zwischen beiden Bereichen einher 3.4.3 Konzeptionelle Zwischenergebnisse zu den Erfolgsauswirkungen Die dritte Forschungsfrage dieser Arbeit umfasst die Erarbeitung entsprechender funktionaler und psychosozialer Erfolgsvarlablen, deren unmittelbare Wirkungszusammenhange mit der erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb von Interesse sind. Als Zwischenergebnis dazu wurden in den vorangegangenen Abschnitten der relative Unternehmenserfolg als funktionale und dysfunktionale Konflikte als psychosoziale Erfolgsvariable konzeptualisiert und zur erreichten Koordination von Marketing und Vertrieb in einen Wirkungszusammenhang gebracht. Die in Abbildung 18 dargestellten Hypothesen zu den Erfolgsauswirkungen werden in Abschnitt 5.3.3 empirisch uberpruft.

Bezugsrahmen und Hypothesen der Untersuchung

H9 ('^'i

113

Relativer marktbezogener, okonomischer Erfolg

^^^-^^^^^

Erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb ^^^^^^^--^^ Geringes Ausmafi dysfunktionaler Konflikte

H10(-)

Abbildung 18: Hypothesenijbersicht zu den Erfolgsauswirkungen der Koordination von Marketing und Vertrieb

3.5

Bezugsrahmen der Untersuchung

In diesem Abschnitt soil eine kurze Zusammenfassung der Konzeptualisierung und

Hypothesenbildung

geliefert

und

der

finale

Bezugsrahmen

der

Untersuchung vorgestellt werden. In den vorangegangenen Abschnitten wurde die Auswahl relevanter Unternehmensfaktoren und Koordinationsmechanismen sowie deren Auswirkungen auf die erreichte Koordination von Marketing

und Vertrieb

konzeptionell

aufgearbeitet.

Dabei flossen

die

Erkenntnisse aus Theorie und LIteraturauswertung (vgl. Kapitel 2) in einen vorlauflgen Entwurf des Bezugsrahmens ein. Dieser am Anfang des Kapitels vorgestellte Entwurf enthielt situative, strukturelle und kulturelle Dimensionen, die die erreichte Koordination als Prozessdimension sowie als Output funktionale und psychosoziale Erfolgsfaktoren beeinflussen. Innerhalb der Abschnitte 3.1 bis 3.4 wurde dieser Bezugsrahmen welter konkretisiert. Die situativen, strukturellen und kulturellen Dimensionen werden zum einen Liber die

Dimension

einzelnen

die

austausch,

Unternehmensfaktoren

Faktoren

gemelnsame

Marktorientierung

als

Formalisierung

erfasst.

bezuglich

Unternehmensvision

Bestandteil

der

Dazu gehoren

Rollen, sowie

Im

InformatlonsKunden-

Unternehmenskultur.

Die

und andere

114

Kapitel 3

Dimension umfasst die Koordlnationsmechanismen. Darunter fallen kultur-, struktur-, personen- und systembezogene Mechanismen. Unter der Prozessdimension wird die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb verstanden. Und als Erfolgsdimensionen wurden der relative Unternetimenserfolg und dysfunktionale Konflikte Identifiziert. Bei der Auswahl der innerhalb der Dimensionen speziflzierten Faktoren ging es nicht darum, alle in Theorie und Praxis erwahnten Unternehmenseinflusse, Koordinationsmoglichkeiten und Erfolgsauswirkungen aufzulisten. Der Fokus der vorllegenden Konzeptualisierung lag vielmehr auf der Selektion der theoretisch fundlertesten Variablen, mit denen die entscheidenden Aspekte der Schnittstellengestaltung und Koordination von Marketing und Vertrieb dargestellt werden kbnnen. Letztllch wurden Hypothesen zu den Wlrkungsbeziehungen hergeleitet, die zwischen den einzelnen Variablen bestehen. Abbildung 19 zeigt abschliel^end den konkretisierten und integrierten Bezugsrahmen der empirischen Untersuchung. n .2 t: o

Unternehmensfaktoren -

Formalisierung bzgl. Rollen AbteilungsCibergreifender Informationsaustausch Gemeinsame Unternehmensvision Kunden- und Marktorientierung

> H1(+) H2(+) H3(+) H4(+)

•a c 3 O)

c

Erfolg

O

c o

H9(+)

-

HIO(-)

-

> c

(0

Koordinationsmechanismen -

Kuiturbezogen Strukturbezogen Personenbezogen Systembezogen

H5(+) H6(+)

o

H7(+) H8(+)

u

0

'I LU

Abbildung 19: Endgijltiger Bezugsrahmen der Untersuchung

Marktbezogener und okonomischer Erfolg Geringes Ausmafi dysfunktionaler Konflikte

4

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

Die Schwachen bisheriger empirischer Arbeiten legen es nahe, eine eigene Erhebung durchzufuhren, um die in Kapitel 3 aufgestellten Wirkungshypothesen einem geeigneten empirischen Test unterziehen zu konnen. Aulierdem ist keine der vorausgegangenen Studien in Deutschland durchgefuhrt worden. Des weiteren zeigte die Diskussion in Abschnitt 2.4.2, dass die Studien sich nur mit einzelnen Facetten des Schnittstellenmanagements der Funktionsbereiche Marketing und Vertrieb auseinandergesetzt haben und zumeist explorativ-deskriptiven Charakter aufwiesen. Eine eigene Umfrage sollte daher die Uberprufung des integrativen Bezugsrahmens der vorliegenden Untersuchung moglich machen und durch die Anwendung fortgeschrittener statistischer Auswertungsverfahren weitere empirische Befunde liefern. Im Folgenden soli die Methodik der empirischen Untersuchung vorgesteilt werden. Zuerst wird dabei das Vorgehen bei der Erhebung der Daten eriautert und die Eckdaten der vorliegenden Datengrundlage prasentiert. Der zweite Abschnitt widmet sich der Vorstellung der Analysemethoden der empirischen Untersuchung. Da auf Basis des theoretisch fundierten Hypothesensystems und des vorliegenden Datensatzes kausale Abhangigkeiten zwischen den Variablen untersucht werden sollen, werden in Abschnitt 4.2 erforderliche methodische Grundlagen zur Messung und Beurteilung komplexer Konstrukte und von Ursache-Wirkungs-Modellen naher beschrieben.

4.1

Datenerhebung und Datensatz

Den Ausgangspunkt fur die empirische Untersuchung bildet die Wahl einer geeigneten Datenerhebungsmethode. Aufgrund der spezifischen Fragestellung der Untersuchung sowie der Tatsache, dass es sich um ein relativ neues Forschungsgebiet handelt, war es erforderlich, eine Primarerhebung durchzufuhren (vgl. Weiber/Jacob 2000, S. 537-542). Bei der Auswahl geeigneter Untersuchungseinheiten wurde ein branchenubergreifender Ansatz gewahit, um eine gr6[3>ere Generalisierbarkeit der empirischen Erkenntnisse erzielen zu konnen. Zur Grundgesamtheit gehoren uberwiegend Unternehmen

116

KapiteU

der Investitionsguterbranche in Deutschland, wobei die Branchenzugehorigkeit ijber den Standard Industry Code (SIC) definiert wurde. Es handelt sich dabei urn folgende Branchen: - Unternehmen der Branche „Maschinenbau, allgemein", - Unternehmen der Branche „Maschinenbau, elektrisch/elektronisch", - Unternehmen der Branche „Spezielle Instrumente", - Unternehmen der Branche „Assekuranz", - Unternehmen der Branche „Pharmazeutische Praparate". Als Form der Datenerhebung wurde eine Online-Befragung gewahlt. Diese relativ moderne Befragungsform wurde gegenuber klassischen Methoden wie der standardisierten, schriftlichen oder der telefonischen Befragung bzw. der Befragung durch personliche Interviews aus folgenden Grunden bevorzugt: - Die angestrebte Anwendung leistungsfahiger statistischer Methoden wie der Kausalanalyse erfordert einen relativ grofien Stichprobenumfang, um sicherzustellen, dass ausreichend Beobachtungen fur die Parameterschatzung und bei der Anwendung von Modellgute-Tests verfiigbar sind (vgl. Homburg/Baumgartner 1995b, S. 1103). - Aufgrund begrenzter zeitlicher und finanzleller Ressourcen kam eine telefonische oder personliche Befragung nicht in Frage. Ebenso sollten Antwortverzerrungen, wie sie sich aus einem Interviewereinfluss potenziell ergeben, vermieden werden (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrider 2004, S. 106-108; Lockhart/Russo 1994, S. 127 f.) - Bei den im Vorfeld der Befragung durchgefuhrten Interviews und Pretests kristallisierte sich seitens der Manager eine klare Praferenz fur eine Online-Befragung im Gegensatz zur herkommlichen schriftlichen Befragung heraus. Dies spiegelt das heute dominante Mediennutzungsverhalten unter Fuhrungskraften wider. - Nicht zuletzt stellt die Online-Befragung eine der kostengunstigsten Erhebungsmethoden dar, was angesichts knapper Ressourcen in der Forschung von Bedeutung ist (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrider 2004; Kellner2004, S. 14; Jobber/O'Reilly 1998, S. 105). Obwohl die Online-Befragung gemaB Kellner (2004) als eine moderne Form der Erhebung in der Wissenschaft anerkannt ist, ergeben sich auch einige Probleme. Im Gegensatz zur mundllchen oder telefonischen Befragung, wo

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

117

die Moglichkeit fur Ruckfragen gegeben ist, konnen bei der Online-Befragung Verstandnisprobleme auftreten. Deshalb erfordert der Entwurf des Fragebogens besondere Sorgfalt und die strikte Einhaltung bestimmter fragebogentechnischer Regein (vgl. Berekoven/Eckert/Ellenrider 2004, S. 118122). So wurde versucht, auf bereits bewahrte Konstrukte und Fragebogenformulierungen zuruckzugreifen, soweit dies moglich war. Urn die Verstandlichkeit und Eindeutigkeit der Formulierungen zu prufen, wurde ein Pretest durchgefuhrt (vgl. Friedrichs 1990, S. 153-154). Auf der Basis von unnfassenden Anmerkungen bzw. Verbesserungsvorschlagen von sieben Marketing- und acht Vertriebsmanagern wurde der Fragebogen nochmals uberarbeitet und optimiert. Als Ansprechpartner wurden sogenannte „key informants" (Schlusselinformanten) kontaktiert, die qualifizierte Auskunfte uber die Schnittstelle von Marketing und Vertrieb geben konnen. Schlusselinformanten zeichnen sich dadurch aus, dass sie uber ein in Bezug auf die zu untersuchenden Forschungsfragen uberdurchschnittliches Wissen verfugen und somit als Experten des jeweils betrachteten Unternehmens fungieren (vgl. Sollner 1999, S. 226). Die alleinige Befragung von Schlusselinformanten ist jedoch nicht unumstritten, da ein Informanten-Bias die Ergebnisse verzerren kann (vgl. BagozziA'i/PhiHips 1991, S. 423 f.). Die Befragung von Schlusselinformanten ist dann angemessen, wenn kompetente Informanten in den Untersuchungseinheiten identifiziert und erreicht werden konnen (vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993, S. 1645). In der vorliegenden Untersuchung werden dies Personen sein, die sich auf einer hierarchisch relativ hohen Ebene mit Marketing- bzw. Vertriebsfragen auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang wurden als Schlusselinformanten Manager ausgewahit, die laut telefonischen Vorabkontakten zur Leitung des Marketing- oder Vertriebsbereichsgehoren. Als Anreiz zur Beteiligung an der Erhebung wurde den Befragungsteilnehmern ein individueller Benchmarking-Bericht angeboten, wo das Unternehmen des Befragten im Hinblick auf die Qualitat der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb mit dem Durchschnitt der jeweiligen Branche verglichen wurde.

118

Kapitel4

Urn dem Reprasentanzproblem zu begegnen, wurden zudem folgende MaBnahmen bei der Erhebung ergriffen (vgl. Jobber/O'Reilly 1998; Diamantopoulos/Schlegelmilch 1996): - Die Email mit dem Hinweis zum Online-Fragebogen sowie den Zugangsdaten wie Login und Passwort wurde an 836 identifizierte Schlusselinformanten versandt. In der Email wurde das Forschungsvorhaben kurz und pragnant beschrieben, eine vertrauliche Behandlung zugesichert und ein sofortiger Ruckruf bei auftauchenden Problemen angeboten. - Der Online-Fragebogen zeichnete sich durch eine sorgfaltlge und ubersichtliche Gestaltung sowie einfache Handhabung durch Ankreuzen aus. - Um die Rucklaufquote signlfikant zu verbessern wurde eine zweistufige, nachfolgend beschriebene Nachfassaktion durchgefijhrt: 1. Erneute Zusendung der Email mit den Zugangsdaten zum Online Fragebogen sowie eine Erinnerungs-Email ca. 3 Wochen nach Versand der ersten Email an alle Befragten, die bis dahin nicht geantwortet hatten. 2. Telefonisches Nachfassen ca. 2 Wochen nach dem Versand der Erinnerungs-Email und gegebenenfalls erneutes Zusenden der Zugangsdaten zum Online-Fragebogen. Nach dem Abschluss der Erhebung sind 195 korrekt ausgefullte Fragebogen in die Datenbasis eingeflossen. Dies entspricht einer Rucklaufquote von 23,3 Prozent. Vor dem Hintergrund der Lange des Fragebogens und vergleichbarer Rucklaufquoten von Topmanagement-Umfragen in Deutschland (vgl. Krafft/ Haase/Siegel 2003, S. 92 f.) ist der erreichte Rucklauf als zufriedenstellend anzusehen. Als Hauptgrund fur die Nicht-Teilnahme an der Erhebung wurde von den Befragten die Lange des Fragebogens und der damit verbundene Zeitaufwand genannt, den viele der angesprochenen Marketing- und Vertriebsmanager nicht aufbringen konnten. Andere Grunde waren das Fehlen der Marketingabteilung in kleinen und mittelstandischen Unternehmen sowie eine generelle Unternehmenspolitik, nicht an Umfragen teilzunehmen.

119

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

Im Folgenden soil ein Uberblick uber die Zusammensetzung der Stichprobe gegeben werden, auf deren Basis die Reprasentanzproblematik diskutiert werden kann. Tabelle 6 zeigt die Verteilung nach Branche und GroBe der teilnehmenden Unternehmen. Nahezu die Halfte der antwortenden Unternehmen kommt aus dem Maschinenbau. Unternehmen, die der Sparte „Sonstige" zugeordnet wurden, gehoren uberwiegend der Automobilzulieferindustrie, Verpackungstechnikbranche und der Chemiebranche an. Damit wird mit dem vorliegenden Datensatz ein breites Spektrum der Investitionsguterbranche abgedeckt. Die Unternehmensgr6R>e wurde im Fragebogen anhand von funf Mitarbeitergrolienklassen erfasst. Positiv hervorzuheben ist die gute Mischung aus grol^en, mittleren und kleinen Unternehmen, wobei der Anteil mittelstandischer Unternehmen leicht uberwiegt. stichprobe gesamt Branche

Unternehmensgrofte nach MitarbeitergroHenklassen

Maschinenbau, allgemein Maschinenbau, elektrisch/elektronisch Spezielle Instrumente Pharmabranche Assekuranz Sonstige Unter 100 Mitarbeiter 100bis499Mitarbeiter 500 bis 999 Mitarbeiter 1000 bis 5000 Mitarbeiter Mehr als 5000 Mitarbeiter

N = 195 35% 12% 21 % 13% 7% 12% 15% 34% 16% 21 % 14%

Tabelie 6: Teilnehmende Unternehmen nach Branche und GroUe

Ein grower Vorteil der vorliegenden Stichprobe bezuglich der sachlichen Beurteilung der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb ist die relativ ausgewogene Verteilung der Befragten hinsichtlich der beiden Unternehmensbereiche. 100 der befragten Schlusselinformanten sind dem Bereich Marketing zuzuordnen, wahrend 95 im Vertriebsbereich tatig sind. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Kompetenz der befragten Schlusselinformanten ist deren Berufserfahrung (vgl. Kumar/Stern/Anderson 1993). In der vorliegenden Stichprobe betragt die durchschnittliche Berufserfahrung der befragten Marketing- und Vertriebsmanager 11 Jahre. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass die Befragten auch umfassende Erfahrungen an der Schnittstelle von Marketing und Vertrieb gesammelt haben und somit uber eine entsprechende Expertise verfugen.

120

KapiteU

Ein weiterer Gesichtspunkt in der Beurteilung der Reprasentativitat ist die Identifikation von Verzerrungen durch die Nichtbeteiligung von kontaktierten Untemehmen, was in der Wissenschaft als Non-Response-Bias bezeichnet wird. Hinter dieser von Armstrong und Overton vorgeschlagenen Methode steht die Annahme, dass die spat antwortenden

Personen den nicht

antwortenden Personen ahnlicher sind als den Personen, die unverzuglich geantwortet haben (vgl. Armstrong/Overton 1977, S. 398-400). Zu diesem Zweck

wurde

die

Stichprobe

nach

dem

Eingabedatum

des

Online-

Fragebogens in zwei Gruppen unterteilt und anhand eines t-Tests uberpruft, ob Mitteiwertunterschiede zwischen den beiden Gruppen bestehen. Da keiner der Unterschiede auf dem 5%-Niveau signifikant ist, ergeben sich auch keine Anhaltspunkte fur einen Non-Response-Bias.

4.2

Methodische Grundlagen

In diesem Abschnitt werden die methodischen Grundlagen dargestellt, die zur empirischen Beantwortung der Forschungsfragen benotigt werden. Dabei wird in

einem

ersten

eingegangen.

Die

Schritt

auf

die

in dieser Arbeit

Grundlagen

der

Konstruktmessung

verfolgte Vorgehensweise

bei

der

Konzeptualisierung und Operationalisierung hypothetischer Konstrukte orientiert sich an den Empfehlungen von Churchill Jr. (1979), Anderson/Gerbing (1988), Bagozzi/Baumgartner (1994) sowie Homburg/Giering (1996). In einem zwelten Schritt wird fiir die Analyse der Wirkungsbeziehungen das Verfahren der

Kausalanalyse

verwendet

(vgl.

Baumgartner/Homburg

1996).

Die

Kausalanalyse ermoglicht - auf Basis empirisch erhobener Varianzen und Kovarianzen von Indikatoren - die Wirkungsbeziehungen zwischen nicht direkt messbaren

(latenten)

theoretischen

Konstrukten

zu

untersuchen

(vgl. Bagozzi/Phillips 1982, S. 465 f.). Da die in Kapitel 3 konzeptualisierten Unternehmensfaktoren,

Koordinationsmechanismen

und

Erfolgsfaktoren

ausschlieSlich latente Varlablen darstellen, erfullt das gewahlte Verfahren eine wichtlge Voraussetzung zur Uberprufung der Hypothesen. Und schliefilich besteht ein weiterer Vorteil der Kausalanalyse darin, dass bei diesem Verfahren das Auftreten von Messfehlern beriicksichtigt wird (vgl. Hildebrandt 1984).

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

121

4.2.1 Grundlagen der Konstruktmessung Die zur Untersuchung der Forschungsfragen zu entwickelnden theoretischen Konstrukte bzw. latenten Variablen und Wirkungsbeziehungen entziehen sich einer direkten empirischen Uberprufung. Es handelt sich hier urn hypothetische Konstrukte, die durch abstrakte Inhalte gekennzeichnet sind und bei denen sich nicht unmittelbar entscheiden lasst, ob der gemeinte Sachverhalt in der Realitat vorliegt oder nicht (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 335). So stellen z. B. Begriffe wie Unternehmensvision oder Marktorientierung latente Variablen bzw. hypothetische Konstrukte dar, die sich nicht direkt empirisch erheben lassen. Deshalb ist es notwendig, die hypothetischen Konstrukte zu definieren und dabei nach [messbaren] Indikatoren zu suchen. Indikatoren sind empirisch erfassbar und sollten mit dem Konstrukt in einem formalen Zusammenhang stehen (vgl. DeVellis 1991). Die Messbarmachung eines Konstrukts wird auch als Operationalisierung bezeichnet (vgl. Homburg/Giering 1996). Dabei wird in Einklang mit den theoretischen Erkenntnissen und bereits bewahrten Messinstrumenten eine Ausgangsmenge von Indikatoren fur jedes Konstrukt gebildet (vgl. BagozzI 1994, S. 323 f.). Latente Variablen mit multiplen Indikatoren konnen entweder reflektiv oder formativ operationalisiert werden. Das Unterscheidungskriterium ist dabei die kausale Prioritat zwischen Indikatoren und dem latenten Konstrukt (vgl. Muller 2004, S. 186). Fur reflektive Konstrukte gilt: - Sie verursachen ihre Indikatoren, - die Indikatoren sind austauschbar und - die Beziehungen ergeben sich uber die Faktorladungen. Reflektive Konstrukte werden vorwiegend zum Testen theoretischer Beziehungen eingesetzt (vgl. DiamantopoulosAA/inklhofer 2001, S. 271; DeVellis 1991,8.55). Formative Konstrukte welsen folgende Eigenschaften auf: - Sie werden durch ihre Indikatoren verursacht, - sie stellen eine vollstandige Linearkombination ihrer Indikatoren dar und

122

Kapitel4

- die Beziehungen ergeben sich uber Pfad- bzw. Regressionskoeffizienten. Formative Konstrukte werden vorwiegend zur Abschatzung der Auswirkungen von Umweltzustanden verwendet (vgl. Diamantopoulos/Winklhofer 2001, S. 270 f.;Bollen 1989,8.65). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden reflektive Indikatoren verwendet, da diese die zu messenden Konstrukte besser erfassen und zudem die Schatzmethoden zur Reliabilitats- und Validitatsbeurteilung von formativen Indikatoren bislang wenig Anwendung gefunden haben (vgl. Nunnally/ Bernstein 1994; Bollen/Lennox 1991). 4.2.2 Kriterien zur Beurteilung der Messgute Es gibt verschiedene Kriterien, nach denen die GiJte einer Messung von latenten Konstrukten beurteilt werden kann. Zu den Hauptgutekriterien gehoren die Reliabilitat und Validitat. Reliabilitat soil den Anteil der Varianz der von Zufallsfehlern bereinigten Auspragungen an der Variation der beobachteten Messwerte ausdrucken. Es kann demzufolge von hoher Reliabilitat ausgegangen werden, wenn ein hoher Anteil der Varianz der Indikatoren durch das zugrundeliegende Konstrukt erklart wird (vgl. Zaitman/Pinson/Angelmar 1973, S. 45). Mit anderen Worten kann man davon ausgehen, dass die einzelnen Indikatoren reliable Messungen des zugehorigen Faktors darstellen, wenn ein wesentlicher Anteil Ihrer Varianz durch Zusammenhange mit dem Faktor erklart wird bzw. der Einfluss von Messfehlervariablen bedeutungslos ist (vgl. Peter 1979, S. 7). In der emplrischen Forschung ist insbesondere die Interne Konsistenz von Bedeutung, die sich auf die Korrelationen zwischen den Indikatoren eines Messinstruments bezieht (vgl. Hildebrandt 1984, S. 42). In den folgenden Ausfuhrungen wird noch darauf eingegangen, in welcher Form die InterneKonsistenz-Reliabilitat in der vorliegenden Untersuchung gepruft wird. Validitat ist als das Ausmad der Ubereinstimmung des hypothetischen Konstrukts mit seiner Messung definiert (vgl. Peter 1981, S. 124). Vor dem Hintergrund der Messproblematik der vorliegenden Arbeit finden folgende Validitatskriterien Beachtung:

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

-

123

Inhaltsvaliditat ist der Grad, zu dem ein Messmodell den inhaltlichen (semantischen)

Bereich

eines

theoretischen

Modells

abbildet

(vgl. Bohrnstedt 1970, S. 92). In der vorliegenden Untersuchung soil die Inhaltsvaliditat

qualitativ

durch

eine

moglichst

exakte

inhaltliche

Abgrenzung der entwickelten Konstrukte von den anderen verwendeten Konstrukten erreicht werden. -

Konstruktvaliditat ist das AusmaR, zu dem eine Messung Grofie und Richtung einer Auswahl der Eigenschaften eines Konstrukts abbildet, und als Grad, zu dem diese Messungen nicht durch die falschliche Messung der

Merkmale

anderer

Konstrukte

und

das

Vorhandensein

systematischer Fehler uberlagert werden (vgl. Peter 1981, S. 134). Der Nachweis von Konstruktvaliditat erfordert deshalb sowohl die Prufung der Konvergenz von Messungen des gleichen Konstrukts (Konvergenzvaliditat)

und

der

Diskriminanzvaliditat

der

Messmodelle.

Beide

Validitatsmafie werden in der vorliegenden Untersuchung quantitativ beurteilt (siehe nachfolgende Abschnitte). Fur die quantitative Beurteilung der Reliabilitat und Validitat der reflektiven Indikatoren

kommen Methoden unterschiedlicher

Leistungsfahigkeit

zum

Einsatz. Die verwendeten Gutekriterien werden gemali Homburg/Giering (1996, S. 12) und Gerbing/Anderson (1988, S. 191) in Kriterien der ersten und der zweiten Generation unterteilt. 4.2.2.1 Gutekriterien der ersten Generation Im Rahmen der Gutekriterien der ersten Generation kommen folgende Methoden zur Anwendung: -

die explorative Faktorenanalyse,

-

das Cronbachs Alpha und

-

die (korrigierte) item-to-total-Korrelation.

Die Grundidee des Verfahrens der explorativen Faktorenanalyse ist, eine Menge an (manifesten) Indikatoren auf einen oder wenige dahinterstehende (latente) Faktoren zuruckzufuhren (vgl. Huttner 1995, S. 678). Dabei erfolgt die Verdichtung von Indikatoren auf einen oder wenige Faktoren durch die Elimination der Indikatoren, die nicht ausreichend hoch auf einen Faktor laden

124

Kapitel4

(vgl. Gerbing/Anderson 1988, S. 189). Den rechnerischen Kern der Faktorenanalyse bildet die Faktorenextraktion, womit das inhaltliche Problem, namlich wie viele Faktoren zu extrahieren sind, geklart werden soil. In der vorliegenden Untersuchung wird das weit verbreitete Kaiser-Kriterium verwendet: Es werden nur die Faktoren berijcksichtigt, deren Eigenwert groBer Eins ist. Das lasst sich wie folgt erklaren: Durch die Standardisierung ist die Varianz einer Variablen gleich Eins. Ein Faktor, der gerade so viel wie bzw. weniger als eine Variable zur Varianzerklarung beitragt, stellt keine Verbesserung gegenuber der direkten Betrachtung einzelner Indikatoren dar und sollte daher keine Beachtung finden (vgl. Huttner 1995, S. 684). Zur leichteren Interpretation wird anschliel^end eine orthogonale Rotation nach dem VARIMAX-Prinzip durchgefuhrt. Orthogonale Oder rechtwinklige Rotationen werden als konservativ angesehen und verhindern Manipulationen durch den Forscher (vgl. Krafft 2002b, S. 72). Im Hinblick auf die Konvergenzvaliditat sollte gemaB Homburg/Giering (1996, S. 12) mit der explorativen Faktorenanalyse nur ein Faktor extrahiert werden. Daruber hinaus sollte dieser Faktor mindestens 50% der Varianz der Indikatoren erkiaren, die dem Faktor a priori zugeordnet wurden. AuBerdem wird gefordert, dass die Faktorladungen der Indikatorvariablen mindestens den Wert 0,4 erreichen. Cronbachs Alptia gilt als eines der am haufigsten angewendeten Gutekriterien zur Beurteilung der Interne-Konsistenz-Reliabilitat (vgl. Peterson 1994). Der Wertebereich des Koeffizienten liegt zwischen Null und Eins, wobei hohe Werte auf eine hohe Reliabilitat hinweisen. In der Literatur wird zumeist ein Mindestniveau von 0,7 gefordert (vgl. Nunnally 1978, S. 245; Churchill Jr. 1979, S. 68). Zu beachten ist, dass der Cronbach-Alpha-Koeffizient mit grolierer Itemanzahl hoher ausfallt. Die (korrigierte) item-to-total-Korrelation einer Indikatorvariablen bestimmt sich ijber die Korrelation dieses Indikators mit der Summe aller Indikatoren eines Konstrukts (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 8 f.). Hohe item-to-totalKorrelationen fur alle Indikatoren eines Konstrukts weisen auf Konvergenzvaliditat eines Konstrukts hin. Nach der Empfehlung von Churchill Jr. (1979, S. 68) bietet sich die Item-to-total-Korrelation auch zur Steigerung der

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

125

Reliabilitat eines Konstrukts an, indem Indikatoren mit niedriger item-to-totalKorrelation gezielt eliminiert werden. 4.2.2.2 GiJtekriterien der zweiten Generation Gutekriterien der sogenannten zweiten Generation sind Reliabilitats- und Validitatskriterien, die mit Hilte der konfirmatorischen Faktorenanalyse ermittelt werden. Wahrend die Berechnung der Gutekriterien der ersten Generation mit Hilfe des statistischen Programmpaketes SPSS durchgefuhrt wird, kommt fur die Durchfijhrung der konfirmatorischen Faktorenanalyse in dieser Arbeit die Software AMOS 4.0 (Analysis of Moment Structures), also ein spezielles Programm fur Dependenzanalysen zum Einsatz (vgl. ArbuckleAA/othke 1999; Byrne 2001). Die konfirmatorische Faktorenanalyse dient dazu, theoretisch fundierte Modelle auf ihre ModellgiJte zu testen. Dabei werden reflektive Indikatoren als Funktion der latenten Variablen, der Faktorladung sowie eines Messfehlers modelliert. Im Gegensatz zur explorativen Faktorenanalyse wird bei der konfirmatorischen Faktorenanalyse primar keine Datenreduktion angestrebt, sondern gepruft, ob das a priori spezifizierte Modell den beobachteten Korrelationen und Kovarianzen in der Stichprobe entspricht. Zur Schatzung der Modellparameter stehen verschiedene iterative Verfahren zur Verfijgung. Zu den bekanntesten Verfahren sind ML (Maximum Likelihood), GLS (Generalized Least Squares), ULS (Unweighted Least Squares) und ADF (Asymptotically Distribution-Free) zu zahlen. Die Wahl der Schatzmethode hangt unter anderem von der Art der Verteilung und der StichprobengrdBe ab. Da die ADF-Methode nur bei extrem groflen Stichproben (N>500) und wenig komplexen Modellen zu genauen Ergebnissen fuhrt (vgl. Anderson/Gerbing 1988, S. 416), ist sie fur die vorliegende Untersuchung nicht geeignet. In der Literatur wird die Anwendung der MLMethode mittlerweile als Standard empfohlen (vgl. McDonald/Ho 2002; Olsson et al. 2000; West/Finch/Curran 1995). Im Vergleich zu den anderen Methoden ist sie nicht nur bezuglich der Guteeigenschaften der Schatzer uberlegen, sondern gilt auch als relativ robust gegenuber Verletzungen der Normalverteilungsannahme (vgl. Bagozzi/Baumgartner 1994, S. 395 f.).

126

Kapitel4

Zur Gutebeurteilung der Parameterschatzungen der konfirmatorischen Faktorenanalyse kommen die leistungsstarken Gutekriterien der zweiten Generation zum Einsatz. Diese lassen sich in globale und lokale Gutekriterien unterteilen. Wahrend die lokalen Kriterien die Beurteilung einzelner Elemente des Messmodells (Indikatoren und Faktoren) ermoglichen, kann mit Hilfe der globalen Kriterien die Konsistenz des Strukturmodells mit der empirischen Datenstruktur gepruft werden (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 165; Sharma 1996, S. 157 f.). Auf der lokalen Ebene werden folgende Gutekriterien betrachtet: - die Indikatorreliabiiitat, - die Faktorreliabilitat, - die durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) und - der t-Wert der Faktorladung. Die Indikatorreliabiiitat gibt an, welcher Anteil der Varianz eines Indikators durch den latenten Faktor erklart wird. Der restliche Varianzanteil entfallt auf die Messfehlervariable. Der Wertebereich liegt zwischen Null und Eins, wobei eine Indikatorreliabiiitat von mindestens 0,4 gefordert wird. Demgegenuber geben die Faktorreliabilitat und die durchschnittlich erfasste Varianz an, wie gut ein Faktor durch die Gesamtheit der Indikatorvariablen gemessen wird. Auch diese Kriterien liegen in einem Wertebereich zwischen Null und Eins, wobei hohe Werte eine gute Qualitat der Messung anzeigen (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 170). Als Mindestwert fur eine gute Modellgute wird fur die Faktorreliabilitat ein Wert von 0,6 angenommen und fur die durchschnittlich erfasste Varianz ein Wert von 0,5. Die Erfullung dieser Kriterien wird nicht nur als Nachweis der Reliabilitat, sondern auch als Nachweis der Konvergenzvaliditat gewertet (vgl. Hildebrandt 1984, S. 42). Hinwelse auf das Vorliegen von Konvergenzvaliditat werden auf der Indikatorebene auch durch den t-Wert der Faktorladung gewonnen. Konvergenzvaliditat liegt dann vor, wenn der t-Wert [bei einem einseitigen Test auf dem 5%-Signifikanzniveau] mindestens 1,645 betragt (vgl. Anderson/ Gerbing 1988, S. 416). Auf der globalen Ebene werden folgende Gutekriterien zur Beurteilung des Mess- und Gesamtmodells herangezogen: - x^-Teststatistik,

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

127

-

RMSEA (Root Mean Squared Error of Approximation),

-

GFI (Goodness of Fit-Index),

-

AGFI (Adjusted Goodness of Fit-Index),

-

Quotient aus x^/df und

-

CFI (Comparative Fit Index).

Der x^-Anpassungstest gehort zu den sogenannten

inferenzstatistischen

Anpassungsmafien und uberpruft, ob die Datenmatrix durch ein spezifiziertes Modell gut nachgebildet werden kann. Gepruft wird die Nullhypothese, dass das Modell zur Datenstruktur passt und die empirische Kovarianzmatrix mit der vom Modell generierten Matrix ubereinstimmt (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 10). Der Umfang der Stichprobe wirkt sich entscheidend auf das Ergebnis aus. Je grofier die Stichprobe, desto sensitlver wird der Test. Das bedeutet: schon kleine Abweichungen von einem perfekten Modell-Fit konnen zur Ablehnung der Nullhypothese fuhren (vgl. Buhner 2004, S. 202). In der Literatur wird auch immer wieder betont, dass sich Modelle der Realitat lediglich annahern konnen. Insofern elgnet sich der x^-Anpassungstest nur bedingt zur Gutebeurteilung, da hier die absolute Richtigkeit des Modells uberpruft wird (vgl. Krafft/Litfin 2002, S. 75). Als besser angesehen wird der RMSEA (Root Mean Squared Error of Approximation) als ein weiteres inferenzstatistisches Anpassungsmafl, der den Grad der Approximation angibt bzw. anzeigt, wie gut das Modell die Realitat abbildet. Der RMSEA kann auch bei kleinen Stichproben verwendet werden. Allerdings ist bei der Interpretation zu beachten, dass dann eher konservative Ergebnisse zu erwarten sind. Der RMSEA sollte einen Wert von 0,08 nicht uberschreiten (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 167). Im

Gegensatz

Analysemal^e

zu nicht

inferenzstatistischen auf

statistischen

Groflen

basieren

Tests. Vielmehr

kann

deskriptive mit

Hilfe

deskriptiver Malie der Frage nachgegangen werden, ob ein Modell die gegebene Stichprobe hinreichend gut reproduzlert, und zwar im Wesentlichen basierend auf Meta-Analysen. Zu dieser Gruppe gehoren der GFI (Goodness of Fit-Index) und der AGFI (Adjusted Goodness of Fit-Index), die jeweils den durch das Modell erklarten Anteil der Varianzen und Kovarianzen angeben. Beim AGFI wird im Gegensatz zum GFI zusatzlich die Zahl der Freiheitsgrade

128

Kapitel4

berucksichtigt. Bei beiden Mafien liegt bei einem Wert von Eins eine perfekte Anpassung des Modells an die Stichprobe vor. Als Mindestwert wird bei beiden Gutemaf^en ein Wert von 0,9 gefordert (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 167 f.). Ein weiteres deskriptives Mad ist der Quotient aus z^/df, der einen Wert von 3,0 nicht uberschreiten soilte (vgl. Homburg/Giering 1996, S. 13). Der CFI (Comparative Fit-Index) stellt ein inkrementelles Anpassungsmafi dar, welches die Gute des relevanten Modells in Relation zum sogenannten Basismodell vergleicht. Als Basismodell wird zumeist ein inhaltlich plausibles Modell herangezogen, in dem die Unabhangigkeit aller Indikatorvariablen angenommen wird. Der CFI quantifiziert, inwieweit die Anpassungsgute sich beim Ubergang vom Basismodell zum relevanten Modell verbessert. Bei einem Wertebereich von Null bis Eins deutet ein Wert nahe Eins auf einen guten Modell-Fit hin. Als Mindestwert wird wiederum Homburg/Baumgartner (1995a) gefolgt, die einen Wert von 0,9 empfehlen. Mit den bisher dargestellten Gutemal^en konnen insbesondere die Reliabilitat und Konvergenzvallditat der Konstrukte beurteilt werden. Dariiber hinaus soil mit der konfirmatorlschen Faktorenanalyse auch die Diskriminanzvaliditat geprijft werden. Hierfur kommt das von Fornell und Larcker vorgeschlagene Kriterium zur Anwendung. Demzufolge kann von Diskriminanzvaliditat nur ausgegangen werden, wenn die quadrierte Korrelation zwischen zwei Faktoren nicht grofler ist als die durchschnittlich erfasste Varianz jedes der beiden Faktoren (vgl. Fornell/Larcker 1981, S. 46). Falls dieses sehr konservative Kriterium nicht erfullt wird, kommt in einem zweiten Schritt der z^Differenztest zum Einsatz. Hier erfolgt ein Vergleich zwischen dem eigentlichen und einem speziellen Modell, wobei bei letzterem die Korrelation zwischen den beiden betrachteten Faktoren auf Eins fixiert wird. Wenn dies zu einer signifikanten Verschlechterung der Anpassungsgute fCihrt, das heiBt die X^-Differenz grower als 3,841 ist (dies entspricht einem 5%-Signifikanzniveau), kann von ausreichender Diskriminanzvaliditat ausgegangen werden (vgl. Anderson/Gerbing 1988, S. 416). Tabelle 7 fasst die in diesem Abschnitt diskutierten Gutekriterien fur Konstruktmessungen mit den jeweiligen Anspruchsniveaus zusammen. Dabei

129

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

sei angemerkt, dass es sich bei den Kriterien um Empfehlungen, also nicht urn allgemein gultige Grenzwerte handelt, da die jeweiligen Anspruchsniveaus in der Literatur zum Teil kontrovers diskutiert werden, insbesondere inwiefern sich daraus tatsachlich zuverlassige Ruckschlusse auf die Gutebeurteilung Ziehen lassen (vgl. Browne/Cudeck 1993). Die geringfugige Verletzung einzelner Gutekriterien fuhrt deshalb nicht automatisch zur Ablehnung des Konstrukts. Vielmehr ist das Gesamtbild der Gutekriterien ausschlaggebend (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 172). Gutekriterien Erste Generation: - erklarte Varianz der explorativen Faktorenanalyse - Cronbachs Alpha (korrigierte) item-to-total-Korrelation Zweite Generation: 1) Lokale Gutekriterien - Indikatorreliabilitat - Faktorreliabilitat - Durchschnittlich erfasste Varianz (DEV) - t-Wert der Faktorladung 2) Globale Gutekriterien

-

x'/df

- RMSEA - GFI - AGFI - CFI Diskriminanzvaliditat: Fornell-Larcker-Kriterium X^-Differenztest

Anspruchsniveau >0,5 >0,7 ggf. Elimination des Indikators mit dem niedrigsten Wert

>0,4 >0,6 >0,5 > 1,645 0,9 >0,9 DEV ( y > quadrierte Korrelation (^j, ^j) fur alle i ^ j Differenz > 3,841

Tabelle 7: Gutekriterien der Konstruktmessung und deren Anspruchsniveaus (Quelle: in Aniehnung an Homburg/Baumgartner 1995a)

4.2.2 Grundlagen der Schatzung und Beurteilung von Kausalmodellen In den vorangegangenen Abschnitten wurden die Grundlagen und Beurteilungskriterien der Messmodelle der Konstrukte beschrieben. Diese Messmodelle und das im Rahmen der Hypothesenbildung entwickelte Strukturmodell (vgl. Abbildung 19, S. 114) konnen nun in ein vollstandiges Kausalmodell uberfuhrt werden. Dabei werden die Wirkungszusammenhange zwischen den latenten endogenen (abhangigen) Variablen und den latenten

130

KapiteU

exogenen (unabhangigen) Variablen uber standardisierte Pfadkoeffizienten erfasst. Zur Ermittlung der Pfadkoeffizienten werden die Mess- und Strukturmodelle als lineare Gleichungssysteme formuliert und anschliefiend alle im Modell enthaltenen unbekannten Parameter iterativ auf Basis der empirischen Daten geschatzt. Das Ziel der Parameterschatzung ist es, die empirische Kovarianzmatrix moglichst gut durch die sich aus dem Gesanntmodell ergebende Kovarianzmatrix zu reproduzieren. Da diese Methode ausschliedlich auf Kovarianzbetrachtungen beruht, wird in diesem Zusammenhang auch haufig von der Kovarianzstrukturanalyse gesprochen (vgi. Backhaus et al. 2003, S. 337). Bei der Gutebeurteilung von Kausalmodellen kommen die gleichen lokalen und globalen Gutekriterien zum Einsatz, wie sie bereits bei der Beurteilung der Messmodelle verwendet wurden (sieiie Abschnitt 4.2.2). Hinzu kommen zwei weitere lokale Gutekriterien, die sich speziell auf Strukturmodelle beziehen: - der quadrierte multiple Korrelationskoeffizient, - die standardisierten Pfadkoeffizienten. Der quadrierte multiple Korrelationskoeffizient gibt den Anteil der Varianz einer latenten endogenen Variablen an, der durch die anderen latenten Variablen im Modell erklart wird. Das GutemaB kann Werte zwischen Null und Bins annehmen. Die Festlegung eines Mindestwertes ist umstritten, da eine solche Forderung nur sinnvoll ist, wenn das Ziel der Untersuchung in einer moglichst vollstandigen Erklarung der latenten endogenen Variablen besteht. Geht es wie bei der vorliegenden Untersuchung um die Prufung bestimmter vermuteter Wirkungsbeziehungen, werden keine Mindestanforderungen erhoben (vgl. Homburg/Baumgartner 1995a, S. 172). Die standardisierten Pfadkoeffizienten geben die Starke des Zusammenhangs zwischen exogenen und endogenen Variablen an, wobei durch das Vorzeichen ersichtlich ist, ob es sich um einen positiven oder negativen Wirkungszusammenhang handelt. Die dazugehorigen t-Werte geben an, ob sich der Koeffizient signlfikant von Null unterscheidet. Die t-Werte mussen auf dem 5%-Signifkanzniveau (einseitiger Test) mindestens einen Wert von 1,645 annehmen (vgl. Backhaus et al. 2003).

Datensatz und Methodik der empirischen Untersuchung

131

Im Zusammenhang mit den oben diskutierten Gutekriterien bei Kausalmodellen sind zwei weitere wichtige Aspekte zu betrachten. Zum einen lasst sich die Modellanpassung haufig verbessern, wenn durch theoretische und konzeptionelle Voruberlegungen nicht berucksichtigte Wirkungszusammenhange, das heil^t bisher als fest deklarierte Parameter (Paranneter mit Nullpfaden) in das Modell zusatzlich aufgenommen werden. Das Statistikprogramm AMOS weist dafur sogenannte Modifikationsindizes aus, die fur jeden als fest spezifizierten Parameter abschatzen, inwieweit sich der X^-Wert verbessert, wenn der Parameter frei geschatzt wird. Dabei wird unterstellt, dass alle ubrlgen Parameter ihre bisher geschatzten Werte beibehalten. Der Modifikationsindex bezieht sich damit nur auf seiche Parameter, die bisher nicht in die Beziehungsstrukturen des Modells aufgenommen waren (vgl. Byrne 2001, S. 90). Ein solches Vorgehen ist aber nur vertretbar, wenn die dabei aufgedeckten Zusammenhange plausibel erscheinen und der konfirmatorische Charakter der Kausalanalyse gewahrt bleibt (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 380). Zum anderen spielt das Verhaltnis von Stichprobengrolie zu Variablen- bzw. Indikatorenanzahl bei der Modellanpassung eine bedeutende Rolle. Nach Kline (1998a, S. 112), Baumgartner/Homburg (1996, S. 146) und Bentler/Chou (1987, S. 81) sollte dieses Verhaltnis nicht kleiner als 5:1, besser 10:1 sein. Bagozzi (1981, S. 380) verweist in diesem Zusammenhang auf eine Faustregel, die besagt, dass die Differenz aus Stichprobe und zu schatzenden Parametern grower als 50 sein soil. Andere Beitrage der einschlagigen Literatur nennen keine konkrete GroBe, sondern verlangen lediglich eine „hinreichend grode Stichprobe" (Homburg/Baumgartner 1995b, S. 1093). Ein Missverhaltnis von StichprobengroBe und Komplexitat des Modells kann jedoch zu einer mangelnden Anpassungsgute und letztlich zum Verwerfen des Gesamtmodells fuhren. Moglichkeiten, die Komplexitat eines Modells zu reduzieren und somit die Modellgute zu verbessern, bestehen in einer Vereinfachung der gegebenen Modellstruktur. Dabei werden entweder auf der Grundlage von Teststatistiken wie dem Critical-Ratio-Wert bzw. dem Standardfehler der Schatzung bisher spezifizierte Parameter wieder aus dem Modell ausgeschlossen oder auch das postulierte Modell in Partialmodellen uberpruft (vgl. Backhaus et al. 2003, S. 378-380).

5

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Nachdem im vorangegangenen Kapitel die Datengrundlage der vorliegenden Untersuchung sowie die bei der empirischen Auswertung herangezogenen Methoden vorgestellt wurden, geht es in diesem Kapitel urn die Diskussion der Ergebnisse: -

Zuerst sollen die im Rahmen der vorliegenden Arbeit betrachteten Unternehmensfaktoren, Koordinationsmechanismen und Erfolgsgrofien deskriptiv analysiert werden.

-

Im zweiten Abschnitt geht es um die Entwicklung rellabler und valider Messinstrumente.

Dabei werden auf Grundlage der in Kapitel 3

vorgenommenen Konzeptualisierung 11 Konstrukte operationalislert. -

Der dritte Abschnitt dokumentiert die Ergebnisse der Hypothesenprufung. Auf Basis des in Kapitel 3 entwickelten Bezugsrahmens sollen drei zentrale Forschungsfragen beantwortet werden: 1. Welchen Einfluss haben ausgewahlte Unternehmensfaktoren (wie Formalisierung hinsichtlich Rollen und Verantwortungsbereiche, Informationsaustausch, gemeinsame Unternehmensvision sowie Kunden- und Marktorientierung) auf die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb? 2. Welchen Einfluss hat der Einsatz kultur-, struktur-, personenund systembezogener

Koordinationsmechanismen

auf die

erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb? 3. Inwiefern beeinflusst die erreichte Koordination von Marketing und Vertrieb den relativen Unternehmenserfolg bzw. tragt zur Verminderung von dysfunktionalen Konflikten bei?

5.1

Deskriptive Ergebnisse der Untersuchung

Die hohe Bedeutung des Schnittstellenmanagements zwischen Marketing und Vertrieb zeigt sich in einer Reihe von Kurzbeitragen in praxisorientierten Publikationen. Dagegen liefert die empirische Forschung zu diesem Thema nur selten theoriegestutzte mehreren

Indikatoren

und komplexe

gemessenen

Erklarungsmodelle

Konstrukten.

Ebenso

mit uber sind

zur

134

KapitelS

Koordinationsproblematik nur wenige konzeptionelle Arbeiten zu finden (vgl. Abschnitt 2.4.2). Diese Untersuchung soil mit der gewonnenen breiten, branchenubergreifenden Datengrundlage einen wichtigen Beitrag zur Analyse des aktuellen Standes der Unternehmenspraxis beitragen. Dabei werden in diesem Abschnitt die in Arbeiten zum Schnittstellenmanagement als relevant eingestuften Variablen deskriptiv analysiert und in den nachfolgenden Abschnitten entsprechende theoretische Konstrukte und Modelle entwickelt und untersucht. Die Bestandsaufnahme im Rahmen einer deskriptiven Schnittstellenanalyse erfolgt unter folgenden Aspekten: Zum einen wird untersucht, ob Unterschiede zwischen den einzelnen Branchen bestehen. Zum anderen werden bei ausgewahlten Variablen die Sichtweisen von Marketing- und Vertriebsmanagern isoliert betrachtet. Mit anderen Worten ist dieser Abschnitt in drei Unterabschnitte gegliedert, in denen es urn die Beantwortung folgender Fragen geht: - In welcher Auspragung liegen ausgewahlte Unternehmensfaktoren vor? - Welche Koordinationsmechanismen werden in welchem Umfang berelts in der Praxis eingesetzt? - Bei welchen Aufgabenbereichen sind die grol^ten Abstimmungsprobleme bzw. Koordinationsdefizite zwischen Marketing und Vertrieb festzustellen? Gibt es dabei Unterschiede in den Sichtweisen von Marketingund Vertriebsmanagern? 5.1.1 Deskriptive Auswertung der Unternehmensfaktoren Folgende in der Schnittstellenliteratur haufig diskutierten Unternehmensfaktoren, die potenziell einen Einfluss auf die Koordination von zwei Bereichen haben (vgl. Dewsnap/Jobber 2000, S. 110; Griffin/Hauser 1996, S. 196), flossen in die deskriptive Analyse ein: - In Bezug auf die Organlsationsstruktur handelt es sich urn den Faktor Formalisierung bezuglich Rollen und Verantwortlichkeiten. - Hinsichtlich der Unternehmenskultur geht es um die Einflussfaktoren Informationsaustauscti, gemeinsame Unternetimensvision und Kundenund Marktorientierung.

135

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Eine als zentral angesehene Variable beim Schnittstellenmanagement ist die Formalisierung von Rollen und Verantwortlichkeiten (vgl. Abschnitt 2.4.1). In der vorliegenden Untersuchung interessiert hierbei, inwiefern die Verantwortungsbereiche zwischen Marketing und Vertrieb klar abgegrenzt sind, ob sich die Aufgaben von beiden Bereichen uberschneiden und ob die Rollen der Marketing- und Vertriebsmitarbeiter klar deflniert sind. Wie der Profilverlauf in Abbildung 20 zeigt, neigt der uberwiegende Teil der befragten Marketing- und Vertrlebsmanager dazu, in ihrem Geschaftsbereich von klar abgegrenzten Verantwortungsbereichen und eindeutig definierten Rollen zwischen Marketing und Vertrieb auszugehen. Bel der Aufgabenuberschneidung ergibt sich ein differenzierteres Bild. Wahrend sich in der Assekuranzbranche die Aufgaben von Marketing und Vertrieb tendenziell am starksten uberschneiden, fallt die Uberlappung von Aufgaben im Maschinenbau etwas geringer aus.

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elekronisch

#^«=^^==»

-Spezielie Instrumente -Pharmabranche -Assekuranz

Abgegrenzte Verantwortungsbereiche

Aufgabenuberschneidung

Definierte Rollen

Abbildung 20: Formalisierung von Aufgaben im Branchenvergleich^ ^Mittelwerte errechnet aus: „lnwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: - Marketing und Vertrieb hat klar abgegrenzte Verantwortungsbereiche - Aufgaben von Marketing und Vertrieb uberschneiden sich Rollen von Marketing- und Verthebsmitarbeitern sind eindeutig deflniert' (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

136

KapitelS

Der zweite zu untersuchende Faktor bezieht sich auf den abteilungsubergreifenden Informationsaustausch zwischen Marketing und Vertrieb. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Mercuri International wurde festgestellt, dass der Informationsfluss vom Vertrieb zum Marketing nur schwach ausgepragt ist. Beispielsweise erhalten nur 40 Prozent der befragten Marketingleiter regelmallig Informationen uber Kundenreaktionen und -verhalten vom Vertrieb. Auf der anderen Seite erreichen Informationen uber Produkt-, Preis- und Marketingziele nur in 37 Prozent der befragten Unternehmen den Vertrieb (vgl. Dannenberg 1997, S. 72). Wie aus Abbildung 21 hervorgeht, ergibt die vorliegende Untersuchung diesbezuglich ein anderes Ergebnis. Mit Ausnahme der Pharmabranche lasst sich beim uberwiegenden Tell der Befragungsteilnehmer dahingehend ein Trend erkennen, dass bereichsubergreifende Kommunikation zwischen Marketing und Vertrieb eher eine lange Tradition in den jeweiligen Unternehmen hat. In noch starkerem Maf^e wird in nahezu alien befragten Unternehmen der Informationsaustausch zwischen beiden Bereichen vom Management gefordert und zugleich von den verantwortlichen Marketing- und Vertriebsmanagern erwartet.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

137

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elektronisch -Spezielle Instrumente

^

- Phamabranche -Assekuranz

Kommunikation Tradition

Kommunikation gefordert

Kommunikation erwartet

Abbildung 21: Informationsaustausch im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus: Jnwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: Funktionsubergreifende Kommunikation hat eine lange Tradition - Der informationsaustausch zwischen Marketing und Vertrieb wird vom Management stark gefordert - Von Managern beider Abteilungen wird regelmaliiger informationsaustauscti erwartet {1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

Bei der deskriptiven Analyse zur gemeinsamen Unternehmensvision ergibt sich aus Abbildung 22 folgendes Bild: Uber alle Branchen hinweg besteht grblitenteils Einigkeit uber den Unternehmenszweck im Markt. Insbesondere die Mitarbeiter der „Spezielle Instrumente" Branche fuhlen sich zudem den Zielen des Geschaftsbereichs verpflichtet. EIne gerlngere Auspragung bezuglich der Einigkeit uber Unternehmenszweck und -vision sowie den Geschaftsbereichszielen ist In der Assekuranz-Branche zu verzeichnen. Dieses Ergebnis ist insofern plausibel, als der Vertrieb im Assekuranz-Sektor ganz uberwiegend uber selbstandige Versicherungsvertreter abgedeckt wird, die eigene Agentur-Zlele verfolgen und fur die eIne gemeinsame Vision eine gerlngere Bedeutung hat.

Kapitel 5

138

6 H

5J

5

^

— -Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elektronisch

^"^^^^

4 H

-Spezielle Instrumente

3J

- Pharmabranche 2 \ -Assekuranz

Einigkeit uber Unternehmenszweck

Einigkeit ijber Unternehmensvision

Ziele des Geschaftsbereiciis

Abbildung 22: Gemeinsame Unternehmensvision im Branchenvergleich^ ^Mittelwerte errechnet aus: Jnwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: - Es besteht aligemeine Einigkeit uber den Unternehmenszweck im Markt Es besteht aligemeine Einigkeit uber die Unternehmensvision - Die Mitarbeiter fuhlen sich den Helen des Geschaftsbereichs verpflichtet" (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

Eln weiterer Aspekt der Unternehmenskultur ist die Frage, inwiefern die Mitarbeiter aus Marketing und Vertrieb kunden- und marktorientiert denken und handeln. Wie aus Abbildung 23 ersichtlich wird, ist insbesondere in der Maschinenbau- und „Spezielle lnstrumente"-Branche eine marktorientierte Unternehmenskultur tendenziell von hoher Bedeutung. Weiterhin kann aus dem Profiiverlauf entnommen werden, dass das Ziel „Dienst am Kunden" - mit Ausnahme der Assekuranz-Branche - in alien ubrigen Branchen relativ hoch ausgepragt ist. Jedoch finden konkrete Aktivitaten zur Umsetzung dieses Ziels, wie z. B. die regelmaflige Messung der Kundenzufriedenheit und die entsprechende Verteilung dieser Daten uber alle Hierarchiestufen hinweg, in der Unternehmenspraxis weitaus weniger Beachtung.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

139

7n 6-

4-

-A-Maschinenbau, allgemein -o-Maschinenbau, elektrisch/elektronisch

^^^^^..LS^^

5-

r^

""~"~"~~~~^

A

-o-Spezielle Instrumente 3-A—Pharmabranche 2-»-Assekuranz 1 Messung Kundenzufriedenheit

Hauptziel Dienst am Kunden

Verteilung der Daten

Abbildung 23: Kunden- und Marktorientierung im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus: Jnwiefern stimmen Sie den folgenden Aussagen zu: - Wir messen Kundenzufriedenheit haufig und systematisch - Wir glauben, dass Dienst am Kunden unser Hauptziel ist - Daten zur Kundenzufriedenheit werden regelmafiig uber alle Hierarchiestufen unseres Geschaftsbereiches verteilt" (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

BasJerend auf den vorliegenden Untersuchungsergebnissen kann aus den Profilverlaufen der Abbildungen 20 bis 23 zusammenfassend festgestellt werden, dass trotz einiger Unterschiede in der Auspragung der Variablen beim uberwiegenden Teil der befragten Unternehmen eine Tendenz zu formalisierten Rollen und Verantwortlichkeiten, einem regelmafligen funktionsubergreifenden Informationsaustausch, einer gemeinsamen Unternehmensvision sowie einer kunden- und marktorientierten Unternehmenskultur vorhanden ist. 5.1.2 Deskriptive Auswertung der Koordinationsmechanismen Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Unternehmensfaktoren betrachtet wurden, soli nun eine deskriptive Analyse der Koordinationsmechanismen erfolgen. Diese Mechanismen werden in die Kategorien

140

KapitelS

Kulturbezogen, Strukturbezogen, Personenbezogen und Systembezogen untergliedert (vgl. Abschnitt 3.3). Bei den kulturbezogenen Koordinationsmechanismen ergibt sich aus Abbildung 24 folgendes Bild: Von Bedeutung fur die Koordination von Marketing und Vertrieb sind tendenziell uber alle Branchen hinweg eine gemeinsame strategische Ausrichtung und die Unterstutzung durch die Geschaftsleitung. Dies ware ein Hinweis dafiir, dass die leitenden Marketingund Vertriebsmanager bereits erkannt haben, welche Bedeutung eine funktionierende Schnittstelle zwischen beiden Bereichen hat. Weniger haufig finden insbesondere in den befragten Unternehmen der MaschinenbauBranche gemeinsam organisierte Veranstaltungen wie Essen, Ausfluge oder Sportevents statt. Auch die Bildung und Nutzung informeller Netzwerke sind insbesondere in der Pharma-, Maschinenbau- und „Spezielle Instrumente"Branche weniger zu beobachten. Eine Erklarung dafur ware, dass die Nutzung informeller Netzwerke in gewisser Weise zweischneidig ist. Zum einen konnen auf diesem Wege Entscheidungen in unkonventioneller Art und Weise koordiniert und aufkeimende Konflikte gelost werden. Auf der anderen Seite werden durch informelle Kontakte viele ggf. auch irrelevante Informationen ausgetauscht, was die Effizienz in der Kommunikation mindert. Ebenso verlleren die wirklich relevanten Informationen an Prazision und Vollstandigkeit (vgl. Picot/Reichwald 1987, S. 37 f.).

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

^r

141

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elektronisch -Spezielle Instrumente - Pharmabranche -Assekuranz

Informelle Netzwerke

Gemeinsame Gemeinsame Unterstutzung strategische Events durch Ausrichtung Management

Abbildung 24: Kulturbezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus den Antworten zur aktuellen Nutzung der aufgezeigten Koordinationsmechanismen (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = vol! und ganz zutreffend)

Es gibt verschiedene organisatorische Koordinationsmechanismen, die strukturelle Verbindungen zwischen Marketing und Vertrieb herstellen und dem Koordinationsziel dienen. Eine haufige Form der organisatorischen Verknupfung spezialisierter Bereiche ist die Zusammenarbeit der Mitarbeiter in Teams (vgl. Kruger 1994, S. 55). Wie Abbildung 25 zeigt, setzen auch die befragten Unternehmen in der Praxis tendenziell auf den Einsatz funktionsbergreifender Teams. Ein Vorteil dieses Koordinationselements ist, dass sich die Eigeninteressen der Bereiche innerhalb des Teams reduzieren und diverse Sichtweisen abgestimmt werden. Erfolgskritisch fur die Teamlosung ist jedoch die Verankerung in der Primarorganisation und eine klare Definition der Entscheidungsbefugnisse (vgl. Krafft/Frenzen/Jeck 2002, S. 40-44). In noch starkerem Malie greifen insbesondere die Unternehmen der Assekuranz- und Pharmabranche beim Projektmanagement auf Teams zuruck. In diesen Projektteams arbeiten Marketing- und Vertriebsmitarbeiter zusammen, um eine zeitlich und sachlich begrenzte Aufgabe zu bewaltigen.

Kapitel 5

142

Die temporare Zusammenarbeit bietet offensichtlich verschiedene Vorteile: Die Mitarbeiter aus beiden Bereichen bringen ihre Erfahrungen und speziellen Kenntnisse in das Projekt ein. Zeitlich befristete Projektteams haben einen klaren Problembezug. Die konkrete Aufgabenstellung lasst sich innerhalb eines Teams besser aufspalten und verteilen als eine langfristige Aufgabe (vgl. Lippit/Langseth/Mossop 1985, S. 58 f.). Hingegen ist die gemeinsame Betreuung von Key Accounts in alien befragten Branchen

eher

schwacher

ausgepragt,

obwohl

eine

dahingehende

Koordination von Marketing und Vertrieb beispielsweise sicherstellen wurde, dass generelle Vereinbarungen und die Zusammenarbeit mit dem Kunden uber

Vertriebsniederlassungen

und

die

Unternehmenszentrale

hinweg

konsistent sind (vgl. Backhaus/BuschkenA/oeth 2003, S. 320).

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elekronisch -Spezielle Instrumente -Pharmabranche -Assekuranz

Key Account Management

Einsatz von M&V Teams

Funktionsubergreifende Projektteams

Abbildung 25: Strukturbezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus den Antworten zur aktuellen Nutzung der aufgezeigten Koordinationsmechanismen (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = vol! und ganz zutreffend)

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

143

Bei der personenbezogenen Koordination des Marketing- und Vertriebsbereichs geht es primar darum, divergierende soziokulturelle Einstellungen der einzelnen Funktionstrager zu harmonisieren (vgl. Krafft/Haase 2004, S. 16). Mit einem temporaren Transfer von Mitarbeitern aus Marketing und Vertrieb konnen genau diese Ziele erreicht werden, das he\Q>{ eine positive Einstellung gegenuber der anderen Abteilung sowie die Bindung an das Unternehmen als solches (vgl. Edstrom/Galbraith 1977, S. 255). Die entsprechenden Mal^nahmen beinhalten Job Rotationen sowie von beiden Bereichen gemeinsam entwickelte und durchgefuhrte Trainingsprogramme. Abbildung 26 zeigt jedoch, dass derartige Schnittstellenmechanismen in der Unternehmenspraxis noch wenig Anwendung finden. Besonders schwach ausgepragt ist branchenubergreifend der Einsatz von Job Rotationen. Hier ist zu vermuten, dass es durch eine anwachsende Spezialisierung zu einer Verringerung der Wechselmoglichkeiten kommt, weil die jeweiligen Aniernkosten zu hoch werden (vgl. Brockhoff 1989, S. 80). Eine abgestimmte Rekrutierungspolitik kann beispielweise die Anwerbung von ganzheitlich denkenden Fijhrungskraften zum Ziel haben. Der Einsatz solcher Mitarbeiter, die die Aufgaben von Marketing und Vertrieb kennen und fur die entsprechenden Herausforderungen beider Bereiche sensibilisiert sind, gilt als ein bedeutender Ansatzpunkt im personenbezogenen Schnittstellenmanagement (vgl. GuptaA/Vilemon 1991, S. 40). Dieses Instrument scheint auch aus Sicht der befragten Unternehmen erfolgversprechend zu sein. Wie aus Abbildung 26 zu erkennen ist, wird branchenubergreifend ein abgestimmtes Vorgehen beim Rekrutieren neuer Mitarbeiter in den Unternehmen tendenziell bereits praktiziert.

144

Kapitel 5

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/eiekronisch I

-Spezielle Instrumente

A^^^^"^^



^

- Pharmabranche -Assekuranz

Job Rotation

Gemeinsame Trainingsprogramme

Abgestimmte Rekrutierungspolitik

Abbildung 26: Personenbezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus den Antworten zur aktuellen Nutzung der aufgezeigten Koordinationsmechanismen (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = vol! und ganz zutreffend)

Ein Ansatz zur systembezogenen Koordination ist ein von Marketing und Vertrieb getragenes, zeitlich und inhaltlich abgestimmtes Zielsystem. Wie in Abschnitt 3.3.4 erarbeitet, kann ein solches Zielsystem positiv zur Koordination verschiedener Unternehmenseinheiten beitragen. Hilfreich kann zudem ein integriertes Anreiz- und Vergutungssystem sein, das fur beide Seiten signifikante Leistungsanreize fur unnsatz- und renditebezogene Erfolge im Markt bieten sollte (vgl. MontgomeryA/Vebster 1997, S. 18). Dabei geht es in dieser Untersuchung konkret um Deckungsbeitragsziele, die zum Zielsystem von Marketing und Vertrieb gehoren, sowie um Umsatzziele, die in das Zielsystem von Marketingmitarbeitern integriert werden. Aus Abbildung 27 ist ersichtlich, dass inhaltlich und zeitlich abgestimmte Zielsysteme insbesondere in den Unternehmen der Pharma- und Assekuranzbranche von Bedeutung sind. Hier erfahrt speziell die Integration von Umsatzzielen in das Zielsystem von Marketingmitarbeitern eine besondere Beachtung. Zielsysteme im Verkauf enthalten in der Regel variable

145

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Bestandteile, wahrend viele Unternehmen die Mitarbeiter des Marketingbereichs mit einem Fixgehalt entlohnen (vgl. Krafft 1995). Ein solches Anreizsystem wird von den Mitarbeitern haufig als ungerecht empfunden und kann sowohl die Motivation als auch die Zusammenarbeit beider Bereiche negativ beeinflussen. Die Verwendung von Umsatzzielen im Marketing ist somit eine Moglichkeit, die Zielsysteme inhaitiicii anzupassen. Damit konnen emotionale Unstimmigkeiten abgebaut, die Zusammenarbeit verbessert und die gemeinsame Ausrichtung auf messbare Unternehmensziele unterstutzt werden. Wie Abbildung 27 ebenfalls zeigt, werden auch Erfolgsmade wie der Deckungsbeitrag tendenziell in die Entlohnungssysteme von Marketing und Vertrieb integriert, was ein weiterer Schritt zur Harmonisierung der Kennzahlen- und Zielsysteme von Marketing und Vertrieb ware.

-Maschinenbau, allgemein -Maschinenbau, elektrisch/elekronisch -Spezielle Instrumente - Pharmabranche -Assekuranz

Inhaltlich und zeitlich abgestimmte Ziele

Umsatzziele im Marketing

Deckungsbeitragsziele in M und V

Abbildung 27: Systembezogene Koordinationsmechanismen im Branchenvergleich^ ^ Mittelwerte errechnet aus den Antworten zur aktuellen Nutzung der aufgezeigten Koordinationsmechanismen (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

Hier kann als Zwischenfazit festgestellt werden, dass insbesondere die Mechanismen der kultur- und systembezogenen Koordination von Marketing und Vertrieb in der Unternehmenspraxis am starksten ausgepragt scheinen.

146

Kapitel 5

Wenig Beachtung in den befragten Unternehmen finden hingegen Job Rotationen und genneinsame Trainingsprogramme als personenbezogene Koordinationselemente sowie ein zwischen beiden Bereichen abgestimmtes Key Account Management als strukturbezogenes Koordinationsinstrument. 5.1.3 Analyse der Koordinationsbereiche und -defizite In diesem Abschnitt soil herausgefunden werden, wo die Schlusselschnittstellen in der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb liegen, das heifit bei welchen Aufgabenbereichen sich die groliten Abstimmungsprobleme bzw. Koordinationsdeflzite zwischen beiden Bereichen ergeben. Wie Abbildung 28 zeigt, existiert bei alien Aufgabenbereichen eine Kluft zwischen der als ideal empfundenen und der tatsachlichen Koordination. Bei den in dieser Abbildung bezuglich der Kluft zwischen idealen und erreichten Koordinationsgrad absteigend sortierten Aufgabenbereichen, erweisen sich Produktentwicklung/ -einfuhrung, Positlonierung von Produkten und Dienstleistungen, Marktforschung sowie Erarbeltung der strategischen Stoflrlchtung eindeutig als die kritischen Schnittstellen in der Koordination zwischen beiden Bereichen. Zum einen kann hier der groRte absolute Bedarf an idealer Koordination identifiziert werden und zum anderen sind hier die hochsten Koordinationsdeflzite (im Sinne der DIfferenz zwischen idealer und erreichter Abstlmmung) zu verzeichnen. Das bedeutet, dass es sich bei diesen Aufgaben um die Schlusselschnittstellen in der Zusammenarbeit von Marketing und Vertrieb handelt. Die erreichte Koordination bei eben diesen Aufgabenbereichen konnte somit ein Erfolgskriterium fur das Zusammenspiel beider Bereiche darstellen und flielit als Konstrukt In die empirische Untersuchung ein.

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

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147

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Ideale Koordination Erreichte Koordination

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OQ

Abbildung 28: Vergleich der idealen und erreichten Koordination^ ^ Mittelwerte berechnet aus den Antworten zur idealen bzw. erreichten Koordination in den aufgezeigten Aufgabenbereichen (1 = uberhaupt nicht zutreffend bis 7 = voll und ganz zutreffend)

GemaB Abbildung 29 ergeben sich jedoch Unterschiede in der Wahrnehmung der befragten Marketing- und Vertriebsmanager in Bezug auf Koordinationsdefizite fur fast alle Aufgabenbereiche. Aus der nach Koordinationsdefiziten bei den jeweiligen Aufgabenbereichen absteigend sortierten Abbildung ist zu sehen, dass Marketingmanager die Kluft zwischen idealer und erreichter Koordination in den abgefragten Bereichen kritischer beurteilen als ihr Pendant auf der Vertriebsseite. Insbesondere bei der Marktforschung, beim Beschwerdemanagement sowie bei der Produktentwicklung und -einfuhrung scheinen die Auffassungen weit auseinander zu gehen.

Kapitel 5

148

-Marketingmanager -Vertriebsmanager

Abbildung 29: Einschatzung von Koordinationsdefiziten aus Sicht von Marketing und Vertrieb^ ^ Wiedergegeben ist die Differenz der Mittelwerte von der idealen zur erreichten Koordination

Gupta/RajA/Vilemon (1985b) berichten in ihrer Studie zur Zusammenarbeit von Marketing und F&E von ahnlichen Befunden. Allerdings basierten die dortigen Meinungsunterschiede zwischen Marketing- und F&E-Managern auf deren unterschiedlichen

Einschatzungen

beztiglich

der

als

ideal

erachteten

Koordination. Das heiBt, Marketingmanager wunschten sich weitaus mehr Koordination in den abgefragten Aufgabenbereichen als F&E Manager. In der vorliegenden Untersuchung ergibt sich die Kluft zwischen idealer und erreichter Koordination hauptsachlich aus der unterschiedlichen Einschatzung der

momentan

Marketingmanager

erreichten

Koordination

(vgl.

beurteilen die erreichte

Abbildung

Koordination

30).

Die

bei fast alien

Aufgabenbereichen (mit Ausnahme der Verkaufsforderung) kritischer als die Vertriebsmanager.

Das

Engagement

Vertrieb

vom

bedeutet,

dass

bezuglich

sich

eines

Marketingmanager abgestimmten

mehr

Vorgehens

insbesondere beim Beschwerdemanagement, in der Marktforschung sowie bei der Distribution wunschen, als der Vertrieb bereit ist zu erbringen. Ein Grund dafur konnte die im Vertrieb verbreitete Einzelkampfer-Mentalitat sein, die dazu fuhrt, dass Vertriebsmitarbeiter ihre Zeit und Ressourcen eher der

149

Ergebnisse der empirischen Untersuchung

Gewinnung von Auftragen widmen, als beispielsweise an Marktforschungsthemen mitzuarbeiten. Eine weitere Ursache konnte die Machtverteilung in den befragten Unternehmen sein. Gerade innerhalb der Investitionsguterindustrie spielen die Vertriebsbereiche aufgrund der Historie des Unternehmens oft eine tragende Rolle und sperren sich aus Eigeninteresse einer umfangreicheren Koordination. Bezogen auf die kritischere Einschatzung der erreichten Koordination bei dem Aufgabenbereich „Verkaufsforderung" durch die Vertriebsmanager konnte argumentiert werden, dass hier der Vertrieb mehr Mitbestimmungsrechte bei der Budgetverteilung fur VerkaufsforderungsmaUnahmen einfordert, die in der Unternehmenspraxis haufig vom Funktionsbereich Marketing wahrgenommen wird.

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4 32

4,5 -

4,46 4,24

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—A— Marketingmanager -a-Vertriebsmanager |

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