Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen : der Einfluss der Markenbeziehungsqualität
 9783835007383, 3835007386 [PDF]

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Zitiervorschau

Anja Weißgerber Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Anja Weißgerber

Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen Der Einfluss der Markenbeziehungsqualität

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Cornelia Zanger

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität Chemnitz, 2006

1. Auflage April 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Anita Wilke Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0738-3

Geleitwort Im aktuellen Wirtschaftsumfeld, das durch permanente Medienpräsenz geprägt ist, geraten Unternehmen und ihre Marken leicht ins Rampenlicht öffentlicher Aufmerksamkeit, wenn sich in den Medien negative Schlagzeilen finden. Negative Medieninformationen bergen ein erhebliches Schadenspotential für das betroffene Unternehmen und seine Marke in sich, das bis zur Krise führen kann. Solche ereignisinduzierten Markenkrisen bedrohen zunächst das im Kopf des Konsumenten mit der Marke verankerte positive Image, können aber in der Folge auch zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten durch Konsumzurückhaltung bzw. -boykott führen und schließlich gar die Existenz des gesamten Unternehmens bedrohen. Es mag deshalb überraschen, dass sich weder das traditionelle Krisenmanagement, das sich auf Managementfehler und Liquiditätskrisen konzentriert, noch das Markenmanagement intensiv mit der ereignisinduzierten Markenkrise als schnell anwachsende und intensive Krisenform beschäftigen. Aus Sicht der verhaltenswissenschaftlichen Markenforschung legen verschiedene empirische Studien die Vermutung nahe, dass im Krisenfall eine stabile Beziehung zwischen Marke und Konsumenten einen positiven Einfluss auf das Konsumentenverhalten haben kann. Daraus ergibt sich die zentrale Fragestellung dieser Monographie: Kann eine hohe Markenbeziehungsqualität als Indikator für die Intensität und Stabilität der Beziehung zwischen Konsumenten und Marke den Konsumenten gegen ereignisinduzierte Markenkrisen in gewissem Maße immunisieren? Wissenschaftstheoretisch dem Anspruch des Kritischen Rationalismus folgend, entwickelt die Autorin einen originären Modellansatz zur Erklärung des Zusammenhangs von Kriseninformationen und deren Wahrnehmung und Verarbeitung durch den Konsumenten bis hin zu möglichen Einstellungsänderungen und Verhaltensabsichten. Die dem Modell zugrunde liegenden Hypothesen werden im Rahmen eines experimentellen Forschungsdesigns am Beispiel von Röstkaffee einer methodisch sehr überzeugenden Prüfung unterzogen, und die Autorin kann so den immunisierenden Einfluss einer hohen Markenbeziehungsqualität im Fall negativer Medienberichterstattung über die Marke nachweisen. Das gibt ihr die wissenschaftliche Sicherheit für praxisrelevante, unmittelbar umsetzbare Handlungsempfehlungen für das Markenmanagement im Fall ereignisinduzierter Markenkrisen. Ich wünsche dem Buch eine positive Resonanz sowohl von Seiten der Markenforscher als auch von den vielen mit Markenmanagement befassten Praktikern. Univ.-Prof. Dr. Cornelia Zanger

Vorwort Die vorliegende Dissertation wurde im Sommer 2006 von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz angenommen. Die Entstehung der vorliegenden Arbeit wurde durch die Unterstützung zahlreicher Personen möglich, bei denen ich mich von Herzen bedanke. An erster Stelle gebührt ein besonderer Dank Frau Professor Dr. Cornelia Zanger, die mich stets mit fachlichem und besonders mit menschlichem Engagement unterstützte. Die Zeit an der TU in Chemnitz hat mich persönlich sehr geprägt und wird mir stets in herzlicher Erinnerung bleiben. Großer Dank gilt auch meinen weiteren Gutachtern Professor Dr. Klaus G. Grunert und Professor Dr. Frank Sistenich. Besonders zur Seite standen mir Dr. Hansjörg Gaus, Peter Mistele und Manuela Sachse, unter anderem durch unzählige stundenlange Diskussionen, ohne die die vorliegende Arbeit in dieser Form nicht hätte erstellt werden können. Nicht zuletzt danke ich meinen liebsten Freunden, die während der Dissertationszeit häufig zurückstanden und stets Verständnis zeigten. Schließlich möchte ich meinem Partner Claus Grözinger danken, dessen emotionaler Rückhalt und dessen Zuwendung mir die Stärke gaben, diese Promotion erfolgreich zu beenden. Gewidmet sei diese Arbeit meinen Eltern Ilse und Folker Weißgerber in Dankbarkeit und Liebe. Anja Weißgerber

Inhaltsverzeichnis Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII Tabellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII A Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Ziele der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B Theoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Grundlagen und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Theorien der Markenloyalität und -bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Begriffsabgrenzung Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Markenbindung, -loyalität und -treue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Ausgewählte Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.1 Der Ansatz von DICK/BASU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3.2 Der Ansatz von OLIVER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Beziehung zwischen Konsument und Marke . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.1 Die Beziehungstheorie als Erweiterung der Loyalitätsansätze 1.3.2 Relationship Marketing in Konsumgütermärkten . . . . . . . . . . . 1.3.3 Markenpersönlichkeit als Voraussetzung für Markenbeziehungen 1.3.3.1 Persönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.3.2 Markenpersönlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4 Theoretische Ansätze zur Erklärung von Konsumenten-Markenbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4.1 Psychologie der Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.4.2 Grundlagen der Markenbeziehungstheorie . . . . . . . . . 1.3.4.3 Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen nach FOURNIER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Die Krise als Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Unternehmenskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Forschungsüberblick und Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Ereignisinduzierte Markenkrisen als Sonderform von Unternehmenskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Konsumentenverhalten in Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Überblick über die Krisenverhaltensforschung . . . . . . . . . . . . . 2.3.2 Ausgewählte Verhaltensmodelle der Konsumenten in Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 12 12 13 13 15 17 17 19 20 20 21 24 24 25 31 32 36 40 54 54 55 55 57 62 62 64

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Inhaltsverzeichnis

2.3.2.1 Grundlegende Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.2.2 Konkrete Partialmodelle des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens zur Erklärung des Einflusses der Markenbeziehungsqualität auf das Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 1 Grundüberlegungen und Vorgehensweise zur Modellierung der Zusammen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 hänge 2 Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe . . . . . . . . . . . . 75 2.1 Die Markenbeziehung als moderierende Variable . . . . . . . . . . . . . . . 76 2.2 Einflussgebende Variablen auf das Konsumentenverhalten in Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.2.1 Loyalität als kontextrelevante einflussgebende Variable . . . . . 79 2.2.2 Commitment als kontextrelevante einflussgebende Variable . . 81 3 Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung . . . . . . . . . . . 87 3.1 Zusammenfassung gewonnener Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.2 Theoriefundierung der Integration der zwei Themenkomplexe . . . . . 87 3.2.1 Konsistenztheorie und die Theorie kognitiver Dissonanz . . . . . 87 3.2.2 Coping Behavior . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.3 Entwicklung eines Modells zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3.1 Auswahl der zu integrierenden Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.3.1.1 Unabhängiges Konstrukt Markenbeziehungsqualität . 92 3.3.1.2 Abhängige Konstrukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.3.2 Hypothesengenerierung und Konkretisierung des theoretischen Bezugsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4 Zusammenfassung des Innovationsgrads des Modells aus theoretischer Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 D Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens . . . . . . . . . 1 Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Inhaltliche Vorbemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Auswahl und Charakteristika der fokussierten Zielgruppe . . . . 1.1.1.1 Altersabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1.2 Auswahl des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.1.3 Beschreibung der erhobenen Stichprobe . . . . . . . . . . . 1.1.2 Auswahl des Untersuchungsobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1.3 Definition der fiktiven ereignisinduzierten Markenkrise . . . . . 1.2 Vorbemerkungen zur Datengewinnung und -analyse . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Datenerhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Datengrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.3 Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Die Kausalanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Inhaltliche Grundlagen und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 112 112 112 112 115 117 118 120 122 122 124 125 126 126

Inhaltsverzeichnis

XI

2.2 Konzeptualisierung und Operationalisierung der Modellkonstrukte . 2.2.1 Grundlagen zur Konstruktmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Messmodell der exogenen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.1 Auswahl der Dimensionen der Markenbeziehungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2.2 Konzeptualisierung und Operationalisierung der einzelnen Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Messmodelle der endogenen Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Verleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Risikowahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.3 Einstellungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.4 Intention zur Verhaltensänderung . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zusammenstellung des Fragebogens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4 Kausalanalytische Überprüfung des Gesamtmodells . . . . . . . . . . . . . 2.4.1 Modellstruktur in AMOS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2 Überprüfung der Messmodelle der Konstrukte . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.1 Exogene Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.2.2 Endogene Variable . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3 Konfirmatorische Modellprüfung in AMOS . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3.1 Identifizierbarkeit des Modells . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3.2 Schätzung der Parameter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.3.3 Beurteilung der Schätzergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4 Interpretation der Ergebnisse der Kausalanalyse . . . . . . . . . . . 2.4.4.1 Ergebnisse der Strukturmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.4.4.2 Ergebnisse der Messmodelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Quellen der Informationssuche der Konsumenten im Krisenfall . . . . . . . .

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E Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Gewonnene Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Theoretische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Methodische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Praxisorientierte Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Zukünftiger Forschungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

171 172 172 174 175 180

132 134 143 143 144 146 148 149 150 150 151 151 154 155 155 156 160 166 166 168 169

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Anhang: Indikatoren im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201

Abbildungsverzeichnis Abbildung A1: Abbildung A2: Abbildung B1: Abbildung B2: Abbildung B3: Abbildung B4: Abbildung B5: Abbildung B6: Abbildung B7: Abbildung B8: Abbildung B9: Abbildung B10: Abbildung C1: Abbildung C2: Abbildung C3: Abbildung C4: Abbildung C5: Abbildung D1: Abbildung D2: Abbildung D3: Abbildung D4: Abbildung D5: Abbildung D6: Abbildung D7: Abbildung D8: Abbildung D9: Abbildung D10: Abbildung D11: Abbildung D12: Abbildung D13: Abbildung D14: Abbildung D15: Abbildung D16: Abbildung E1:

Herausforderungen an Unternehmen im Kontext plötzlicher Markenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Arbeit Kapitel B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsrahmen der Kundenloyalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Loyalitätsstadien nach OLIVER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mögliche Rollen der Marke in Kundenbeziehungen . . . . . . . Beziehungen als dynamischer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . Basismodell der Markenbeziehungsqualität . . . . . . . . . . . . . Einflussfaktoren auf Markenbeziehungen im Krisenzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Relevante Merkmale ereignisinduzierter Unternehmenskrisen Ereignisinduzierte Markenkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das erweiterte Drei-Komponenten-Modell nach Töpfer . . . . Aufbau der Arbeit Kapitel C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltlicher Ablauf der Modellkonzeption . . . . . . . . . . . . . . Konkretisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens . . . . . . . . . . . . . Konkretisierung der Verhaltenskonstrukte innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überführung des theoretischen Bezugsrahmens in ein Strukturgleichungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ablauf der Arbeit Kapitel D . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Altersverteilung der Befragungen des Haupttests . . . . . . . . . Fiktive ereignisinduzierte Markenkrise . . . . . . . . . . . . . . . . . Regionale Aufteilung der Befragungen des Haupttests . . . . . Vollständiges Strukturgleichungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehensweise im Rahmen der Kausalanalyse . . . . . . . . . . Konzeptualisierung Markenbeziehungsqualität . . . . . . . . . . Konzeptualisierung Commitment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptualisierung Vertrauen zur Marke . . . . . . . . . . . . . . . Hintergründe des Konstrukts Intimität . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptualisierung Intimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konzeptualisierung Self-Connection . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modell als Strukturgleichungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . Standardisierte Pfadkoeffizienten der ULS-Schätzung . . . . . Anpassungsmaße zur Beurteilung von Kausalmodellen im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bezugsquellen der Konsumenten im Krisenfall . . . . . . . . . . Ablauf der Arbeit Kapitel E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 9 11 18 19 24 35 49 52 60 61 67 73 75 97 104 107 111 118 122 124 127 127 133 135 137 139 139 142 150 157 161 170 171

Tabellenverzeichnis Tabelle B1: Tabelle B2: Tabelle B3: Tabelle B4: Tabelle B5: Tabelle B6: Tabelle C1: Tabelle D1: Tabelle D2: Tabelle D3: Tabelle D4: Tabelle D5: Tabelle D6: Tabelle D7: Tabelle D8: Tabelle D9: Tabelle D10: Tabelle D11: Tabelle D12: Tabelle D13: Tabelle D14: Tabelle D15:

Beziehungs- versus Persönlichkeitspsychologie . . . . . . . . . . . . . Formen der Konsumenten-Markenbeziehungen nach FOURNIER Konzeptualisierungen der Markenbeziehungsqualität . . . . . . . . Beispiele plötzlicher Unternehmenskrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . Vier-Phasen-Modell menschlichen Verhaltens in akuten Individualkrisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partialmodelle des Krisenverhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überblick Hypothesen der vorliegenden Arbeit . . . . . . . . . . . . . Grenzwerte der Gütekriterien der Messmodelle des Pretests . . . Operationalisierung Commitment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Vertrauen zur Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Intimität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Self-Connection . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Verleugnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Risikowahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . Operationalisierung Intention zur Verhaltensänderung . . . . . . . . Ergebnisse Konstrukt Markenbeziehungsqualität I . . . . . . . . . . . Ergebnisse Konstrukt Markenbeziehungsqualität II . . . . . . . . . . Ergebnisse Messmodelle der endogenen Variable . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Hypothesenprüfung durch direkte und totale Effekte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfohlenes Basisgerüst zur Beurteilung der Anpassungsgüte eines Kausalmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lokale Anpassungsmaße des Kausalmodells . . . . . . . . . . . . . . . Globale Anpassungsmaße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 44 48 58 65 70 108 132 135 138 140 142 144 145 148 151 153 154 159 161 164 166

Abkürzungsverzeichnis AGFI AMOS BTS CFI COM DEV Df DHB EÄ GFI Hx INT KMO ML NFI o. J. o. S. RMSEA RW SC SPSS ULS VÄ VER VL

Adjusted Goodness of Fit Index Analysis of Moment Structures Brand Trust Scale Comparative Fit Index Commitment Durchschnittlich erklärte Varianz Freiheitsgrade Bundesverband der Haushaltsführenden, e.V. Einstellungsänderung Goodness of Fit Index Hypothese Nummer X Intimität Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium Maximum Likelihood Normed Fit Index ohne Jahr ohne Seite Root Mean Squared Error of Approximation Risikowahrnehmung Self-Connection Superior Performance Software System Unweighted Least Squares Verhaltensänderung Vertrauen Verleugnung

A

Einleitung

1

Problemstellung

Die derzeitigen mikro- und makroökonomischen Umweltfaktoren stellen große Herausforderungen für das Management von Unternehmen dar. So sei einleitend für die vorliegende Forschungsarbeit insbesondere auf ausgewählte gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen hingewiesen. In Anbetracht der Einordnung dieser Arbeit in den betriebswirtschaftlichen Kontext sind explizit die Veränderungen des Marktes sowie der Konsumenten zu nennen. So wächst der Wettbewerbsdruck der Unternehmen, insbesondere in der Konsumgüterindustrie ständig. Die Anzahl der Produkte steigt unveränderlich und aufgrund der hohen Produkthomogenisierung wird es für die Hersteller stets schwieriger, sich von der Konkurrenz abzuheben. Hinzu kommt der enorme Druck durch Handelsmarken. Daraus resultierend kann die Nähe zu den Konsumenten und besonders deren Loyalität nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden. Unternehmen versuchen verstärkt, die Aufmerksamkeit der Konsumenten durch Ausweitungen der Marketingaktivitäten zu gewinnen, was leider meist zu einer Informationsüberlastung führt. Die Ineffektivität von Marketingmaßnahmen steigt stetig. Darüber hinaus haben sich auch die Konsumenten stark verändert und ihr Verhalten ist heute kaum noch prognostizierbar. Der so genannte hybride Konsument, der sich einerseits sehr preisbewusst, gleichzeitig jedoch auch sehr marken- und luxusorientiert verhält, kennzeichnet zunehmend die Märkte. Diese fehlende Einschätzbarkeit der Konsumenten erschwert deren optimale Ansprache. Auch die Werte der Konsumenten unterliegen einem starken Wandel. So lässt sich derzeit beispielsweise eine besondere Erlebnisorientierung erkennen. Es wird deutlich, dass die traditionellen Strategien der Unternehmen nicht mehr ausreichen, um deren erfolgreiches Bestehen auf den heutigen Märkten zu sichern. Insbesondere erfolgreiche Konsumgütermarken stehen demnach einem zunehmenden Erfolgsdruck gegenüber. Infolge dieser Veränderungen gewinnt die emotionale bzw. psychologische Ebene, auf der Konsumenten angezogen und an die Unternehmen bzw. deren Marken gebunden werden sollen, an Bedeutung. Resultierend kommt der Verankerung der Marken in der Psyche der Konsumenten eine besondere Relevanz zu, um den aufgeführten Herausforderungen durch hohe Markenattraktivität und entsprechende Markenbindung erfolgreich begegnen zu können. Diese besondere Bedeutung der psychologischen bzw. emotionalen Komponenten der Markenbindung ist auf den heutigen Märkten dennoch mit einem hohen Risiko verbunden. Aufgrund der allgemein verwundbaren Weltwirtschaft und den stark ausgeprägten globalen Interdependenzen steigt die Krisenanfälligkeit der Unternehmen, die durch die heutige hohe Medienpräsenz und die einhergehende zunehmende Wahrscheinlichkeit negativer Schlagzeilen verstärkt wird. So genannten ereignisinduzierten Markenkrisen, wie beispielsweise dem Versagen von Mercedes im Elchtest oder auch dem potenziellen Gesundheitsrisiko der Torten von Coppenrath & Wiese, wird hohe Aufmerksamkeit seitens der Medien geschenkt. Entsprechende

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A

Einleitung

Ereignisse werden mit hoher Geschwindigkeit und mit großer Intensität in das Bewusstsein der Konsumenten gerufen. So kann es durch minimale Vorkommnisse aufgrund der Anspannung der wirtschaftlichen Situation zu starken negativen Ausprägungen kommen. Besonders bedeutend für die Verankerung von Unternehmen bzw. Marken in der Psyche des Konsumenten ist deren Image, das sehr verwundbar ist. Entsprechend können negative Schlagzeilen im schlimmsten Fall sogar zur Existenzbedrohung der Marken bzw. Unternehmungen führen. Traditionelles Krisenmanagement, das sich überwiegend mit Liquiditätskrisen und Managementfehlern beschäftigt, ist der neuen Herausforderung durch diese schnell auftretenden und sehr intensiven Markenkrisen häufig nicht gewachsen. Auch die Ausrichtung des Markenmanagements scheint für diese neuen Bedingungen derzeit nicht optimal gerüstet zu sein. Um dieser Anfälligkeit entgegenwirken zu können, wird als Basisthese dieser Arbeit angenommen, dass stabile Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken einen wesentlichen Erfolgsfaktor für Unternehmen darstellen. So wird davon ausgegangen, dass durch tiefe emotionale Verankerungen von Marken bei den Konsumenten, deren Bindungsbereitschaft und Loyalität generiert wird und demnach eine gewisse Stabilität erzielt werden kann. Da erstaunlicherweise die Überprüfung dieser Grobannahme im Krisenkontext in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur trotz ihrer Relevanz bisher weitgehend vernachlässigt wurde, widmet sich die vorliegende Arbeit vertieft dieser Fragestellung. Konkretisierend betrachtet diese Arbeit demnach die Bedeutung von Konsumenten-Markenbeziehungen als Phänomen der intensiven Bindung zwischen Konsumenten und Marken im Kontext von negativen Ereignissen, diesen so genannten ereignisinduzierten Markenkrisen. Obwohl der Begriff Krise in der Literatur vorwiegend die Konsequenz negativer Ereignisse und demnach meist einen Prozess beschreibt, schließt sich diese Arbeit einer Auffassung an, nach der das zugrunde liegende Ereignis aus zweierlei Hinsicht verstanden wird: So stellt es einerseits den Beginn einer Krise dar, andererseits wird dieses Ereignis aufgrund der starken Signalwirkung und der hohen Wahrscheinlichkeit der Folgen direkt als Krise bezeichnet. Diesem Verständnis wird sich in dieser Arbeit angeschlossen, da die negative Information als Ereignis im Untersuchungskontext eine Krise verkörpert, auf deren Basis das Konsumentenverhalten untersucht wird. Die moderierende Wirkung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität, das als Indikator für die Güte der Beziehung zwischen Konsument und Marke verwendet wird, steht im zugrunde liegenden Kontext im Mittelpunkt der Betrachtungen, da angenommen wird, es könne eine entsprechende präventive Wirkung aufweisen und deshalb als Mittel zur Krisenbeständigkeit zu einer erfolgsnotwendigen Stabilität in der heutigen Situation führen. Die dargestellten Zusammenhänge und der abgeleitete Untersuchungskontext werden in folgender Graphik zusammenfassend dargestellt. Neben der Generierung theoretisch fundierter Hypothesen wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit zusätzlich eine empirische Untersuchung durchgeführt. Dafür bedarf es der Auswahl einer fokussierten Zielgruppe, für die zwei Kriterien herange-

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Ziele der Arbeit

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Abbildung A1: Herausforderungen an Unternehmen im Kontext plötzlicher Markenkrisen Quelle: Eigene Erstellung

zogen wurden: erstens die möglichst maximale Homogenität einer Zielgruppe und zweitens die Relevanz der Zielgruppe sowohl demographisch als auch materiell. Aufgrund von theoretischen Vorüberlegungen und Ergebnissen empirischer Vorstudien konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf Frauen ab einem Alter von ca. 50 Jahren, die sowohl ein hohes Ausmaß an Homogenität als auch eine besondere Relevanz auf den heutigen Märkten aufweisen.

2

Ziele der Arbeit

Im Rahmen dieser Arbeit wird zwischen drei Zielen unterschieden. Diese Dreiteilung orientiert sich an der wissenschaftstheoretischen Auffassung des Kritischen Rationalismus, dem diese Arbeit folgt. Demnach ist es ein Ziel jedes wissenschaftlichen Handelns, einen Erkenntnisfortschritt zu erlangen in all jenen Gebieten, die erklärungsbedürftig erscheinen.1 Im Gegensatz zu den Formalwissenschaften2, die sich die Erkundung formal-logischer 1 2

Vgl. Popper, K. R. (1972), S. 29. Formalwissenschaften sind die Mathematik oder auch die Logik.

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A

Einleitung

Zusammenhänge zum Ziel setzen, ist es ein Anliegen der Forscher des dieser Arbeit zugrunde liegenden Bereichs der Realwissenschaften, strukturelle Eigenschaften ausgewählter Bereiche der Realität zu erforschen mit dem Ziel, das Verständnis stets zu vertiefen, stets Erkenntnisfortschritte zu erlangen und durch Überprüfung zu unterstützen.3 So werden Hypothesen gebildet und überprüft. Es sei darauf hingewiesen, dass die resultierenden Theorien im Sinne des Kritischen Rationalismus nicht als endgültige Theorien anerkannt werden. Sie dienen als vorläufige Erkenntnis und es bedarf erneuter Konfrontation der Realität. Resultierend sind stets neue Forschungserkenntnisse durch erneute Bestätigungen der Theorien bzw. deren Falsifikation erforderlich. Im Sinne dieser wissenschaftstheoretischen Perspektive existiert keine absolute Wahrheit.4 Die vorliegende Arbeit setzt sich das Ziel, Erkenntnisfortschritte in dreierlei Hinsicht zu erbringen: theoretische Ziele, methodische Ziele und praxisorientierte Ziele, wobei die methodischen Ziele grundlegend der Umsetzung der theoretischen Ziele dienen. Das theoretische Ziel dieser Arbeit ist die Entwicklung eines Modells zur Erklärung der determinierenden Wirkung bestehender Konsumenten-Markenbeziehungen auf das Konsumentenverhalten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen. Abweichend von dem Verständnis des Ganzen durch Totalmodelle, deren Forschungsintention beispielsweise die Erfassung aller erdenklichen Einflüsse auf das Krisenverhalten der Konsumenten darstellt, fokussiert die vorliegende Arbeit auch die Erforschung der Kausalstrukturen ausgewählter Variablen des Konsumentenverhaltens im Kontext plötzlich eintretender Unternehmenskrisen. Der als theoretisches Ziel betrachtete Erkenntnisgewinn der vorliegenden Arbeit lässt sich aus zwei Perspektiven beleuchten. Einerseits wird die Verhaltenswirkung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität in den Mittelpunkt gestellt, andererseits dient das Konstrukt, ausgehend von einem Grundmodell des Krisenverhaltens in Zeiten ereignisinduzierter Markenkrisen, als Einflussfaktor, der die Erklärung des Gesamtmodells erhöht. Entsprechend ergeben sich verschiedene, sich ergänzende theoretische Unterziele, die sukzessiv beleuchtet werden. Aufgrund fehlender wissenschaftlicher Betrachtungen des Konsumentenverhaltens im Krisenzusammenhang ist es ein erstes theoretisches Ziel dieser Arbeit, ein Partialmodell des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen zu erarbeiten, das die wesentlichen kontextrelevanten Verhaltenskonstrukte beinhaltet und deren Wechselwirkungen berücksichtigt. Darauf aufbauend soll die im Fokus stehende Überprüfung der determinierenden Verhaltenswirkung des Konstrukts Markenbeziehungs3

Vgl. Popper, K. R. (1993), S. 15; vgl. Schanz, G. (1988), S. VIII; vgl. Albert, H. (1987), S. 45. Begründung für diese Annahme ist die Fehlbarkeit des Forschers sowie der empirischen Methoden. Vgl. Schanz, G. (1988), S. 51f; vgl. Albert, H. (1987), S. 45. 4 Vgl. Popper, K. R. (1993), S. 15; vgl. Schanz, G. (1988), S. VIII; vgl. Albert, H. (1978), S. 45. Begründung für diese Annahme ist die Fehlbarkeit des Forschers sowie der empirischen Methoden. Vgl. Schanz, G. (1988), S. 51f; vgl. Albert, H. (1987), S. 45.

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Ziele der Arbeit

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qualität, d. h. die Integration des Konstrukts in das Konsumentenverhaltensmodell, erfolgen. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Konzeptualisierung des facettenreichen Konstrukts. Im Rahmen der Konzeptualisierung wird beabsichtigt, die inhaltlich relevanten Dimensionen herauszufiltern, die die determinierende Wirkung ausmachen und demnach die Wirkungszusammenhänge im Modell erklären. Das Aufzeigen von Wirkungszusammenhängen zwischen dem Konstrukt Markenbeziehungsqualität und den ausgewählten kontextrelevanten Verhaltenskonstrukten der Konsumenten soll durch das unter Beachtung kausalanalytischer Aspekte entwickelte Verhaltensmodell der Konsumenten im Krisenzusammenhang ermöglicht und demnach als theoretisches Grundziel dieser Arbeit betrachtet werden. Darüber hinaus ist die Anpassung des Forschungsvorhabens an die Zielgruppe 50+ von besonderer Bedeutung. So zielt diese Arbeit darauf ab, die Erkenntnisse der zielgruppenspezifischen Verhaltensforschung zu erweitern. Letztlich sei anzumerken, dass ereignisinduzierte Markenkrisen in unterschiedlichsten Formen zu beobachten sind, woraus sich ein weiteres theoretisches Ziel der vorliegenden Arbeit ergibt: Durch die Aufarbeitung der Literatur und der Konkretisierung verschiedenster Krisenformen soll eine Verständnisgrundlage für die weitere Erforschung von ereignisinduzierten Markenkrisen und insbesondere deren verhaltenswissenschaftliche Betrachtung erlangt werden. Neben der Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit, der die zugrunde liegenden Hypothesen strukturiert zusammenfasst, werden durch den empirischen Teil dieser Arbeit methodische Ziele deutlich. Diese beziehen sich primär auf die Entwicklung der zugrunde liegenden Instrumente zur Messung der Modellbestandteile, die den in der Literatur postulierten Güteanforderungen entsprechen. Darüber hinaus ist es ein methodisches Ziel, einen entsprechenden Befragungsablauf zu entwickeln. Konkret wird im Bereich der Instrumentenentwicklung insbesondere das Konstrukt Markenbeziehungsqualität betrachtet. Da sich dieses Konstrukt aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, werden einerseits Messmodelle erarbeitet, andererseits wird aus inhaltlichen Gründen das Konstrukt Vertrauen in das Messinstrument einbezogen. Aufbauend auf einem in der verhaltenswissenschaftlichen Literatur bestehenden Ansatz, der das Markenvertrauen durch eine Skala, bezeichnet als „Brand Trust Scale“ misst, soll im Rahmen dieser Arbeit eine Integration des Konstrukts vorgenommen werden. Mit der resultierenden Entwicklung eines mehrdimensionalen Messmodells für das Konstrukt Markenbeziehungsqualität wird beabsichtigt, insbesondere für den deutschsprachigen Forschungsraum eine Grundlage für anschließende Forschungsvorhaben zu generieren. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die empirische Überprüfung einer möglichst homogenen Stichprobe bedarf. Zielgruppenspezifika müssen insbesondere bei der Entwicklung geeigneter Messmodelle berücksichtigt werden. So müssen einzelne Formulierungen von Indikatoren über deren ursprüngliche Formulierung hinaus zielgruppengerecht angepasst werden. Es bietet sich an, qualitative Voruntersuchungen zur Optimierung der Fragestellungen durchzuführen. Im Hinblick auf die praxisorientierten Ziele dieser Arbeit sei erneut auf die Problematik der Rahmenbedingungen hingewiesen.

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A

Einleitung

Vorrangiges Ziel ist es, durch die Kenntnis des Konsumentenverhaltens in plötzlich auftretenden Markenkrisen Handlungsempfehlungen abzuleiten, durch die Unternehmen sich sowohl präventiv schützen als auch während und nach dem Ereignis angemessen handeln können. Dabei widmet sich diese Arbeit insbesondere der Krisenprävention durch die Entwicklung starker Markenbeziehungen. Aufbauend auf den theoretischen Erkenntnissen beabsichtigt diese Arbeit die Identifizierung der einzelnen inhaltlichen Dimensionen des Konstrukts Markenbeziehungsqualität, die als krisenresistent gelten. Darüber hinaus soll diese Arbeit konkrete Handlungsempfehlungen liefern, die Aufschluss über den Einsatz von Marketinginstrumenten über verschiedene Bereiche des Marketingmix geben, die diese identifizierten Dimensionen in Anbetracht ihrer Relevanz aufbauen und stabilisieren bzw. ihre Ausprägung erhöhen können. Über die Handlungsempfehlungen im Bereich der Krisenprävention hinaus sollen – durch die Kenntnis verschiedenster kontextrelevanter Konstrukte und ihrer Wirkungszusammenhänge – Vorschläge für die Reaktion der Unternehmen während bzw. nach der Krisensituation geliefert werden. Zusätzlich werden diese Handlungsempfehlungen unter zielgruppenspezifischen Aspekten diskutiert.

3

Gang der Untersuchung

Auf die anfänglich dargestellte Problemstellung der vorliegenden Arbeit, die die Notwendigkeit der Forschung innerhalb des entsprechenden Themenbereichs ausdrückt, folgte die Festlegung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Ziele, die sich aus theoretischen, methodischen sowie praxisorientierten Zielen zusammensetzen. Anschließend wird die Vorgehensweise dargestellt, die das Erreichen dieser formulierten Ziele ermöglicht und dementsprechend Ansatzpunkte zur Lösung der eingangs aufgeführten Probleme der Unternehmen hervorbringt. Der Aufbau dieser Dissertation folgt dem Wissenschaftsverständnis des bereits angesprochenen Kritischen Rationalismus nach POPPER5. So erstreckt sich die vorliegende Arbeit über fünf Hauptkapitel, die alphabetisch gekennzeichnet sind. Nachdem Teil A die vorangegangene Problemstellung, die resultierenden konkreten Zieldefinitionen sowie einen Überblick zur Vorgehensweise des Forschungsvorhabens darstellt, erfolgt in Teil B eine ausführliche Erläuterung und Diskussion der theoretischen Literaturauswertung der zwei dieser Arbeit zugrunde liegenden Themenkomplexe, die im Rahmen dieses Kapitels separat dargestellt werden und anschließend im Teil C dieser Arbeit zusammengeführt werden. Die Fokussierung der Themenbereiche der Konsumenten-Markenbeziehungen und der ereignisinduzierten Markenkrisen ist als Resultat der diskutierten Herausforderungen für Unternehmen unter derzeitigen Rahmenbedingungen zu verstehen. Deren gezielte Auswahl wird im Rahmen dieses Kapitels ausführlich begründet. So erstreckt sich der erste Teil des rein theoretisch geprägten Kapitels B über die Darstellung bekannter wissenschaftlich relevanter Konzepte der Kunden- bzw. der 5

Vgl. Popper, K. R. (1972), S. 29.

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Gang der Untersuchung

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Markenbindung und der angrenzenden Phänomene mit dem Ziel der Konkretisierung einer facettenreichen Erfassung einer „talisman-ähnlichen“ Beziehung zwischen Konsumenten und Marken.6 Nachdem entsprechende Erkenntnisse der Psychologie aufbereitet werden, folgt deren Übertragung auf den zugrunde liegenden Markenkontext. So werden allgemeine Ansätze der Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen, deren Voraussetzungen sowie deren Konkretisierung nach FOURNIER7 detailliert dargestellt und deren Relevanz im dieser Arbeit zugrunde liegenden Kontext wird diskutiert. Dem sich herauskristallisierenden Konstrukt Markenbeziehungsqualität kommt im Rahmen dieser Arbeit eine besondere Bedeutung zu. Unternehmenskrisen und insbesondere die als Spezialform verstandenen „ereignis-induzierten Markenkrisen“ stellen den zweiten zu erforschenden Themenkomplex dieser Arbeit dar. So wird anfänglich die Literatur zu allgemeinen Krisen aufgearbeitet, anschließend werden die Erkenntnisse auf den wirtschaftlichen Kontext übertragen. Entsprechend stehen Unternehmenskrisen im Mittelpunkt der Betrachtungen, die detailliert diskutiert werden. Mit dem Ziel der anschließenden Fokussierung einer Sonderform von Unternehmenskrisen – der ereignisinduzierten Markenkrisen – erfolgen Begriffsabgrenzungen, Diskussionen der zugrunde liegenden Wissenschaftsdisziplinen und eine ausführliche Merkmalsdiskussion. Aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen erfolgt die Konkretisierung der ereignisinduzierten Markenkrisen. Da die wissenschaftliche Erforschung dieser Thematik derzeit noch nicht sehr fortgeschritten ist, wird zunächst die Relevanz der Erforschung des Themenkomplexes verdeutlicht, bevor sich eine Erarbeitung grundlegender Abgrenzungen und Merkmale aus der systemtheoretischen Sicht anschließt. Diese Konkretisierung des Phänomens dient der Erforschung der einhergehenden verhaltenswissenschaftlichen Aspekte, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. So wird sich im Folgenden dem Konsumentenverhalten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen gewidmet. Da die deutschsprachige Literatur lediglich vereinzelte angrenzende Untersuchungen sowie allgemeine theoretische Überlegungen zum interessierenden Forschungsbereich vorweisen kann, erfolgt eine ausführliche Diskussion angloamerikanischer Partialmodelle, die einen Erklärungsbeitrag des Konsumentenverhaltens in entsprechenden Situationen liefern. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Kapitel B den Stand der Forschung der zwei Themenkomplexe sowie seine Reflektionen umfangreich darstellt, jedoch keinerlei Hinweise auf die Integration der Themenkomplexe aufweist, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit zur Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens führt, der der Hypothesengenerierung dient. 6

Die Bezeichnung Talisman wird in diesem Zusammenhang in Anlehnung an die englischsprachige Verwendung in Zusammenhang von Konsumenten-Markenbeziehungen auch in Anbetracht der zugrunde liegenden Zielstellung dieser Arbeit als geeignet empfunden, da ein Talisman eine sehr emotionale Verbindung ausdrückt und im Gegensatz zur klassischen Kundenbindung eine innere Verwurzelung beinhaltet. So bezeichnet ein Talisman im deutschen Sprachraum einen „Glücksbringer, der im Unterschied zum Amulett nicht am Körper getragen wird”. Vgl. Deutsches Wörterbuch (2003), S. 556. 7 Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998); vgl. Fournier, S. (2001).

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A

Einleitung

Entsprechend widmet sich das anschließende Kapitel C der theoretischen Fundierung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothesen und der Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens durch die Zusammenführung der Themenkomplexe. In Einklang mit den eingangs aufgeführten Forschungszielen erfolgt die Integration aus zwei Blickwinkeln. Einerseits steht die Verhaltenswirkung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität im Fokus der Betrachtung, andererseits gilt diese als Determinante des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen. Kombiniert resultieren beide Gedankenansätze in der Entwicklung eines Modells. Dabei wird in mehreren Schritten vorgegangen. Nachdem empirische Forschungserkenntnisse dargestellt und ausgewertet werden, die auf die Relevanz der Themenintegration schließen lassen, erfolgt die Diskussion ausgewählter Kognitionstheorien, die dieser Arbeit als theoretische Fundierung dienen. Die Themenkomplexe werden zusammengeführt und entsprechend modelliert. Dabei wird zunächst die dieser Arbeit zugrunde liegende Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität erarbeitet. Die enthaltenen Dimensionen werden umfangreich dargestellt und ihre Relevanz wird begründet. Weiterhin werden Konstrukte des Konsumentenverhaltens ausgewählt, die in einer Prozessreihenfolge ein spezifisches Konsumentenverhaltensmodell für den Krisenzusammenhang darstellen. Die theoretisch fundierten Hypothesen dieser Arbeit werden generiert. Anschließend wird die Modellkonzeption mittels eines theoretischen Bezugsrahmens aufgezeigt, der dem Kausalitätsanspruch unterliegt. Die Markenbeziehungsqualität wird demnach als Determinante des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen verstanden. Das Modell wird in ein Strukturgleichungsmodell überführt. Abschließend wird der Innovationsgrad des entwickelten Modells mit den einhergehenden Hypothesen zusammenfassend dargestellt. Hypothesen bedürfen im Sinne des Kritischen Rationalismus einer Gegenüberstellung mit der Realität, die in Kapitel D erfolgt. Bevor auf Konzeptualisierungen sowie darauf folgende Operationalisierungen der exogenen sowie endogenen Variablen eingegangen wird, werden spezifische Aspekte der Empirie erläutert. So wird die Auswahl der spezifischen Zielgruppe, des exemplarisch zu überprüfenden Produkts und des entsprechenden fiktiven Krisenszenarios im Hinblick auf das Forschungsvorhaben dieser Arbeit diskutiert. Zugrunde liegende Erkenntnisse qualitativer Vorstudien werden vorgestellt. Darüber hinaus werden Vorbemerkungen zur Datenerhebung dargestellt. Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die mehrstufige kausalanalytische Überprüfung der Hypothesen dieser Arbeit. Das zu überprüfende Strukturgleichungsmodell beinhaltet sowohl Struktur- als auch Messmodelle, die einer simultanen Prüfung unterzogen werden. Geschätzte Parameter werden diskutiert und interpretiert. Anschließend erfolgt die Gütebeurteilung des Modells durch lokale und globale Gütekriterien erster und zweiter Generation. Die empirische Bestätigung des Kausalmodells führt zu dem eingangs diskutierten Erkenntnisgewinn innerhalb des aufgespannten Forschungsbereichs.8 Die zwar 8

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass im Sinne des kritischen Rationalismus keine absolute Wahrheit erlangt wurde und resultierend der Forschungsbedarf weit entfernt von einer Erfüllung verbleibt.

3

Gang der Untersuchung

9

vorläufigen, jedoch sehr überzeugenden und weit reichenden Erkenntnisse enthalten ein hohes Potenzial für die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Unternehmen. So befasst sich Kapitel E mit der Frage, welche Instrumente die Unternehmen einsetzen können, um den anfänglich in dieser Arbeit aufgezeigten Problemen entgegenzuwirken. Zusätzlich erfolgt eine Reflektion der gesamten Arbeit. Es werden Erkenntnisfortschritte im Bereich der Theorie, Methodik sowie Praxis aufgezeigt und den anfänglich erwähnten Zielen sowie Problemen gegenübergestellt. Abschließend erfolgen eine kritische Würdigung der Arbeit durch die Autorin sowie eine Darstellung der Notwendigkeit zukünftiger Forschungstätigkeiten. Der Aufbau der Arbeit wird in Abbildung A2 zusammenfassend visuell dargestellt.

Abbildung A2: Aufbau der Arbeit Quelle: Eigene Erstellung

B

Theoretische Grundlagen

Abbildung B1: Aufbau der Arbeit Kapitel B Quelle: Eigene Erstellung

12

B

Theoretische Grundlagen

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

1.1

Grundlagen und Vorgehensweise

Obwohl seit dem Paradigmenwechsel9 vom Transaktionsmarketing10 zum Relationship Marketing11 zahlreiche theoretische sowie praxisorientierte Forschungsarbeiten veröffentlicht wurden12, ist der Mangel an fundierten theoretischen Grundlagen, die die Beziehung als Phänomen der Sozialpsychologie verstehen, auffallend. So wird der Begriff „Relationship“ häufig ohne eine fundierte Basis verwendet.13 Angelehnt an die Literatur zu zwischenmenschlichen Beziehungen wurden allenfalls Konzepte auf Geschäftsbeziehungen übertragen, denen Beziehungen zwischen Herstellern und Lieferanten sowie Dienstleistungspartnerschaften zugrunde liegen. So entstand das Relationship Marketing bereichsspezifisch und wurde – in bewusster Abgrenzung zum klassischen Konsumgütermarketing – entsprechend als eigenständiges Forschungsgebiet weiterentwickelt.14 Eine Vernachlässigung der Beziehungen im Bereich der Konsumgüter ist erkennbar. Trotz einer Fülle an Literatur zu Marken werden die Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken insbesondere im Bereich der Konsumgüter nicht grundlegend beleuchtet.15 Erst neuere Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit einer fundamentalen Aufarbeitung des Forschungskomplexes.16 Als Vorläufer der Theorien des Relationship Marketings lassen sich Forschungserkenntnisse im Bereich der Markenloyalität und -bindung diskutieren. So postulieren SHETH/PARVATIYAR17 in einer grundlegenden Arbeit, die sich mit der theoretischen Fundierung des Relationship Marketings im Konsumgüterzusammenhang beschäftigt: „Brand loyalty and brand equity are, therefore, primarily measurements of the relationship that consumers develop with a company’s products and symbols”18. So ist eine Entwicklung von rein verhaltensorientierten Ansätzen der Markenloyalität bzw. -bindung bis hin zu einer Identifizierung und Erfassung von 9 10

11

12

13 14

15

16

17 18

Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 8f. und S. 12; vgl. Payne, A./Rapp, R. (2003), S. 5. Transaktionsorientiertes Marketing ist die Konzentration auf die Akquisition der Kunden. Vgl. Payne, A./Rapp, R. (2003), S. 5. „Der Relationship-Marketing-Ansatz fokussiert sich auf die Entwicklung und Verbesserung bestehender Kundenbeziehungen während ihrer gesamten Lebenszeit, anstatt den Schwerpunkt auf die Akquisition neuer Kunden zu legen.“ Payne, A./Rapp, R. (1999), S. 3; vgl. detailliert Bruhn, M. (2001). Vgl. Grönroos, C. (1990), S. 3–11; vgl. Levitt, T. (1983), S. 87–93; vgl. Jackson, B. (1985), S. 120–128; vgl. McKenna, R. (1991); vgl. Christopher, M./Payne, A./Ballantyne, D. (1991). Vgl. ähnlich Fournier, S. (2001), S. 137. Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 253. Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Bereiche im Hinblick auf das Relationship Marketing bietet Bruhn, M. (2001), S. 241–277. Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 253; vgl. Fournier, S. (2001), S. 137; vgl. Sheth, J. N./Parvatiyar, A. (1995), S. 255. Eine umfassende Darstellung der Forschungserkenntnisse der Beziehungen im Konsumgüterbereich erfolgt in Kapitel 1.3.1 der vorliegenden Arbeit. Vgl. die Arbeit von Fournier, S. (1998), S. 343–373 als Meilenstein dieses Forschungsbereichs. Vgl. detailliert Kapitel 1.3.3.3. Vgl. Sheth, J. N./Parvatiyar, A. (1995), S. 255–271. Sheth, J. N./Parvatiyar, A. (1995), S. 256.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

13

emotionaler Verbundenheit zu erkennen. Aus unzähligen Ansätzen wurden in Anbetracht der Forschungsintention dieser Arbeit diejenigen ausgewählt, die sich einer detaillierten Erfassung der Loyalität sowohl durch kognitive Bestandteile annähern als auch die emotionalen talisman-ähnliche Bedeutung zwischen Marken und Konsument in den Mittelpunkt der Überlegungen stellen. Diese theoretischen Grundlagen dienen als Basis für die Entwicklung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität, dem im Verlauf dieser Arbeit eine besondere Relevanz zuteil wird.

1.2

Theorien der Markenloyalität und -bindung

1.2.1

Begriffsabgrenzung Marke

Bevor im Folgenden Marken als Bezugsobjekte im Mittelpunkt der Überlegungen stehen, erfolgt eine umfassende Erläuterung und Abgrenzung dieses Begriffs. In der internationalen Literatur zu Marken existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen. Schon 1963 definiert MELLEROWICZ19 die Marke grundlegend als „ein physisches Kennzeichen für die Herkunft eines Markenartikels“20. Das Markengesetz definiert in § 3 Abs. 1 eine Marke wie folgt: „Als Marke können alle Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden.“21 Im amerikanischen Raum existiert eine ähnliche Definition der American Marketing Association.22 Der Schwerpunkt dieser Auffassung liegt in der Sicherung des juristischen Schutzrechtes von Marken.23 Es wird deutlich, dass die ursprünglichen Kriterien zur Markendefinition24, wie • Verkehrsgeltung (ein Produkt soll eine besondere Stellung, insbesondere ein Image und einen Bekanntheitsgrad erhalten), • zeitlich gleich bleibende Qualität (insbesondere die subjektive Wahrnehmung der Qualität ist ausschlaggebend) und • Ubiquität (die Erhältlichkeit der Marke für den Nachfrager)25 19 20 21 22

23

24 25

Vgl. Mellerowicz, K. (1963). Mellerowicz, K. (1963), S. 39. § 3 Abs. 1 MarkenG zitiert nach Esch, F.-R. (2004), S. 20. Diese lautet: „…a name, term, sign, symbol, or design, or a combination of them intended to identify the goods or services of one seller or a group of sellers and to differentiate them from those of competition.“ Kotler, P. (1991), S. 442; vgl. auch Keller, K. L. (1998), S. 2. Vgl. hierzu detailliert Sattler, H. (1997), S. 42–65; vgl. zu aktuellen Entwicklungen des Markenschutzes Schröder, H. (2001), S. 309–322. Vgl. Sattler, H. (1997), S. 39f. Ubiquität ist auf den heutigen Märkten als Kriterium nicht mehr als ausschlaggebend anzusehen. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 22.

14

B

Theoretische Grundlagen

entsprechend dem aktuellen Forschungsstand bei weitem nicht ausreichen, um eine Marke zu definieren.26 So erhält die Identifikations- und Differenzierungsfunktion einer Marke aus dem Blickwinkel der Marketingwissenschaft hohe Bedeutung27, die in zahlreichen Arbeiten konkretisiert wurde.28 Zusätzlich zur Funktionserweiterung ist an dieser Stelle der erweiterte Objektbezug des Begriffs Marke hervorzuheben. Nicht ausschließlich Produkte oder Dienstleistungen, die sich durch Qualität auszeichnen, sondern auch Ideen und Personen können als Marken gekennzeichnet werden.29 BROCKHOFF30 benutzt für Produkte den Begriff Eigenschaftsbündel31, der in den Markenzusammenhang übertragen werden kann.32 Die Generierung einer einheitlichen Definition erfolgt in mehreren inhaltlichen Entwicklungsschritten. Zunächst werden Marken weit gefasst als rechtlich geschützte Zeichen von Produkten im Sinne von Eigenschaftsbündeln angesehen. Darüber hinaus wird die merkmalsbezogene Sichtweise33 des folgenden Zitats als relevant erachtet: „Ein Markenartikel ist nach verbreiteter Auffassung ein Produkt, das sich durch gleich bleibende, jeweils am neuesten technischen Standard orientierte Qualität auszeichnet, durch Kommunikation bekannt gemacht und profiliert, breit distribuiert und auf einheitlichem Preisniveau angeboten wird.“34 Obwohl verschiedenste Ansätze35 in der Literatur zu Marken Anerkennung fanden, wird im Folgenden aufgrund der Zielstellung des Forschungsvorhabens ausschließlich ein verhaltenswissenschaftliches Verständnis36 der Marke in Anlehnung an MEFFERT/BURMANN/KOERS37 als Grundlage zur Entwicklung einer Arbeitsdefi-

26 27 28

29 30 31 32 33

34 35 36

37

Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 20. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 1. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 1; vgl. detailliert Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 9f.; vgl. detailliert Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 516ff. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 20. Vgl. Brockhoff, K. (1999), S. 15ff. und S. 22. Vgl. Brockhoff, K. (1999), S. 22. Vgl. Esch, F. R. (2004), S. 6. Zu den unterschiedlichen Sichtweisen vgl. detailliert Baumgarth, C. (2004), S. 2–6. Im Rahmen dieser Arbeit wird ausschließlich auf die zur Anwendung kommenden Ansätze im Hinblick auf die Forschungsfrage dieser Arbeit eingegangen. Haedrich, G./Tomczak, T./Kaetzke, P. (2004), S. 16. Vgl. hierzu detailliert Haedrich, G./Tomczak, T./Kaetzke, P. (2004), S. 16f. Vgl. detailliert zu unterschiedlichen Ansätzen des Markenverständnisses Baumgarth, C. (2004), S. 21–25. Die dieser Auffassung zugrunde liegende Sichtweise des Konsumenten wird teilweise in der Literatur als verhaltensorientierte Markentheorie im Gegensatz zur Funktionsorientierung sowie Entscheidungs-orientierung angesehen, da die letztgenannten die Sichtweisen mehrerer Marktteilnehmer beinhalten. Vgl. Linxweiler, R. (1999), S. 64. Die Sichtweise der identitätsorientierten Ansätze wird detailliert diskutiert in Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002b), S. 18–33. Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 1–15.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

15

nition angesehen. Es handelt sich um das subjektive, nachfragerbezogene Markenverständnis, das dem Bereich der Verhaltenswissenschaften entstammt.38 Eine Marke wird demnach als „ein in der Psyche des Konsumenten und sonstiger Bezugsgruppen der Marke fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung“39 verstanden. Zusätzlich soll folgende ebenfalls verhaltenswissenschaftliche Definition einbezogen werden, da sie den Aspekt der Funktionen von Marken integriert: „Marken sind Vorstellungsbilder in den Köpfen der Konsumenten, die eine Identifikations- und Differenzierungsfunktion übernehmen und das Wahlverhalten prägen.“40 An dieser Stelle soll in Anlehnung an die vorangestellte Literatur sowie in Bezug auf den Schwerpunkt dieser Arbeit betont werden, dass das Vorstellungsbild im Sinne der Definition sowohl affektive und kognitive als auch konative Einstellungskomponenten beinhaltet, deren Existenz laut MEFFERT/BURMANN/KOERS eine Voraussetzung für die beabsichtigte Markenbindung darstellt.41 Die Eignung dieser Sichtweise des Markenverständnisses im Sinne der Verhaltensorientierung sowie Fokussierung einer Beziehung zwischen Konsument und Marke wird somit hervorgehoben. Im Rahmen dieser Arbeit wird über diese Definition hinaus lediglich eine ergänzende Anmerkung hinsichtlich der Funktionen der Marke vorgenommen. Zusätzlich zur Identifikations- und Differenzierungsfunktion wird außerdem, insbesondere in Anbetracht der folgenden Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens, auf die von MEFFERT/BURMANN/KOERS identifizierte Vertrauensfunktion hingewiesen.42 Aufgrund der Bedeutung des Vertrauens für die Entwicklung einer Konsumenten-Markenbeziehung kommt dieser Funktion im Markenverständnis der vorliegenden Arbeit ein hoher Stellenwert zu. So wurde als Basis für die vorliegende Arbeit folgende Definition entwickelt: „Marken sind Vorstellungsbilder in der Psyche der Konsumenten, die eine Identifikations-, eine Differenzierungs- und eine Vertrauensfunktion übernehmen und entsprechend das Kaufverhalten prägen.“ 1.2.2

Markenbindung, -loyalität und -treue

Im Rahmen dieser Arbeit erscheint eine einheitliche Verständnisgrundlage über die Begriffe Markenbindung, -loyalität und -treue sowie deren Abgrenzungen als notwendige Voraussetzung für anschließende theoretische Überlegungen.

38 39

40 41 42

Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 6. Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 6; vgl. ähnlich nähere Ausführungen auch bei Meffert, H./Burmann, C. (1999), S. 246. Esch, F.-R. (2004), S. 23. Vgl. Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 6. Neben den genannten Funktionen lassen sich noch eine Entlastungsfunktion, eine Qualitätssicherungsfunktion sowie eine Prestigefunktion als Nachfragernutzen der Marke identifizieren. Vgl. detailliert Meffert, H./Burmann, C./Koers, M. (2002a), S. 9f.

16

B

Theoretische Grundlagen

Durch die Nutzung des Begriffs Markenloyalität wird verstärkt die Verhaltensdimension der Konstrukte ausgedrückt.43 Da in der historischen Entwicklung auch der Begriff Markentreue als Verhaltensmerkmal entstand44, sollen die Begriffe Markenloyalität und Markentreue in Anlehnung an die Literatur folglich synonym verwendet werden. Der Begriff Bindung hingegen bezeichnet aus der psychologischen Sichtweise das Erlebnis der körperlichen, seelischen und geistigen Beziehung zu anderen Menschen. Ferner kann das dauerhafte Teilen gewisser Werte und Normen als Bindung verstanden werden.45 Auf den Markenzusammenhang übertragen versteht ESCH in Anlehnung an die Einstellungsorientierung unter Markenbindung die „gefühlsmäßige Bindung zur Marke“46, die im Gegensatz zur Loyalitätsansätzen den emotionalen Aspekt der Verbindung zwischen Konsument und Marke betont.47 Diese Arbeit schließt sich dem Postulat ESCHs an, nach dem ein Konsument eine Markenbindung auch ohne den resultierenden Markenkauf bzw. die Markennutzung aufweisen kann.48 Grundlegend für die vorliegende Arbeit lässt sich festhalten, dass Markenbindung den Einbezug der Verhaltensdimension zwar nicht ausschließt, die Betonung jedoch auf der emotionalen Seite der Beziehung zwischen Konsument und Marke liegt. Zusammenfassend können die diskutierten Begriffe in eine Prozess- bzw. Wirkungskette eingeordnet werden. Die emotionale Markenbindung kann demnach zur Markenloyalität bzw. -treue führen.49 So wird insbesondere der Begriff Markenbindung aufgrund seiner emotionalen Natur als Vorläufer des in dieser Arbeit im Fokus stehenden Phänomens Konsumenten-Markenbeziehung angesehen.

43

44

45 46 47 48

49

Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 78. Neben diesem wissenschaftlichen Verständnis sind entsprechende Ansätze auch in den eher praxisorientierten Ansätzen zu finden. Vgl. Zütphen, T./Siek, M. (2002), S. 35–41. Vereinzelte aktuelle Ansätze umfassen ergänzend die Einstellungskomponente. Vgl. beispielsweise Chaudhuri, A./Holbrook, M. B. (2001), S. 81–93. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 78. Neben diesem wissenschaftlichen Verständnis sind entsprechende Ansätze auch in den eher praxisorientierten Ansätzen zu finden. Vgl. Zütphen, T./Siek, M. (2002), S. 35–41. Vgl. Plötner, O. (1995). Esch, F. R. (2004), S. 78. Vgl. Esch, F. R. (2004), S. 79. Vgl. Esch, F.-R. (2004), S. 78f. Teilweise abweichende Überlegungen betrachten Verhaltensintentionen als Indikatoren für den Bindungsbegriff. Vgl. beispielsweise Homburg, C./Faßnacht, M. (1998), S. 415; vgl. Homburg, C./Faßnacht, M./Werner, H. (1998), S. 389–410; eine über die genannten Ansätze hinausgehende Untersuchung zu Loyalitätsdifferenzierungen innerhalb der verhaltensorientierten Ansätze veröffentlichten Odin, Y./Odin, N./ValetteFlorence, P. (2001), S. 75–84. Die Autoren unterschieden Loyalität von Inertia (deutsche Übersetzung: Trägheit). Vgl. auch Weinberg, P./Diehl, S. (2001a), S. 26.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

1.2.3

17

Ausgewählte Ansätze

Im Rahmen dieses Kapitels werden ausgewählte Ansätze zur Markenbindung50 vorgestellt, die als Grundlage für konkretisierende Theorien anzusehen sind und im Folgenden den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit darstellen. Konkretisierend lassen sich diese Ansätze als Vorstufe für Überlegungen zur Erklärung von Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken ansehen. 1.2.3.1

Der Ansatz von DICK/BASU

Eine weltweit anerkannte konzeptionelle Arbeit hinsichtlich unterschiedlicher Loyalitäts- bzw. Bindungsarten stammt von DICK/BASU51. Ausführliche theoretische Überlegungen auf der Mikroebene führen zu einem Strukturmodell, das neben dem Erkenntnisgewinn im theoretischen Bereich auch als Grundlage für eine umfassende Operationalisierung des Konstrukts Loyalität dient. Zusätzlich gelten die gewonnenen Ergebnisse auf der Managementebene als nutzenstiftend.52 Die Auffassung von Loyalität nach DICK/BASU basiert auf einer Differenzierung zwischen einstellungsorientierten und verhaltensorientierten Loyalitätsbestandteilen. Darüber hinaus wird zwischen kognitiven, affektiven und konativen Komponenten von Loyalität unterschieden.53 So werden die Dimensionen „Accessibility“, als Verfügbarkeit der Einstellung aus dem Gedächtnis, Bedeutung und Klarheit als kognitive Komponenten verstanden.54 Als affektive Dimensionen werden Emotionen und Gefühle sowie Stimmungen55 aufgeführt.56

50

51 52 53 54 55

56

Auf eine Ausschließung inhaltlich geeigneter Ansätze aufgrund unterschiedlich genutzter Begriffe wie beispielsweise Kundenbindung wird verzichtet. So kann es dazu kommen, dass ähnliche Theorien auf unterschiedlicher Begriffsbasis diskutiert werden. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 99–113. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 99–113. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 100ff. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 102ff. Gefühle bezeichnen „vorübergehende, nicht regelmäßige Empfindungszustände, die sich nach Stärke, Vorzeichen, Klasse und Ausdruck beschreiben lassen“. Trommsdorff, V. (2003), S. 65. Es wird sich der Sichtweise von TROMMSDORFF angeschlossen, der den Begriff Gefühl und den aus der Psychologie bekannten Begriff Emotion als synonym versteht. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 66. Stimmungen hingegen stehen zwar mit Gefühlen und Emotionen in einem engen Zusammenhang, bezeichnen jedoch momentane, subjektiv erfahrene Befindlichkeiten einer Person ohne eine bestimmte Ausrichtung z. B. auf eine Person, ein Objekt oder einen Sachverhalt. So sind sie meist weniger intensiv, jedoch von längerer Dauer. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 70. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 104.

18

B

Theoretische Grundlagen

Die Autoren befassen sich darüber hinaus mit dem Zusammenhang der sich ergebenden relativen Einstellung zu einer Marke57, mit der Wiederkaufshäufigkeit58, ursprünglich bezeichnet als „repeat patronage“. In einer Gegenüberstellung identifizieren die Autoren folgende Arten von Loyalität:59 1. Spurtious loyalty, bei häufigem Wiederkauf trotz geringer Güte der relativen Einstellung, 2. no loyalty, bei geringer Ausprägung beider Aspekte und 3. latent loyalty, bei positiver Ausprägung der relativen Einstellung, jedoch geringen Wiederkaufshäufigkeit. Demnach kommt es ausschließlich zur gewünschten vollkommenen Loyalität bzw. Bindung und dem resultierenden Konsumentenverhalten, wenn beide Komponenten erfüllt sind. Abbildung B2 stellt die beschriebenen Zusammenhänge dar.

Abbildung B2: Bezugsrahmen der Kundenloyalität Quelle: In Anlehnung an Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 100

Die von den Autoren diskutierten Einflüsse und Auswirkungen werden an dieser Stelle nicht detailliert diskutiert, da vorerst lediglich das Verständnis unterschiedlichster Arten von Loyalität im Mittelpunkt steht.

57

58 59

Die relative Einstellung bezeichnet die Einstellung eines Konsumenten zu einer Marke in Relation zu den Einstellungen zu anderen Marken. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 100f. Vgl. Braunstein, C. (2001), S. 16f. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 101.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

1.2.3.2

19

Der Ansatz von OLIVER

Um vertiefend auf die Vielschichtigkeit des Loyalitätsgedankens einzugehen, wird an dieser Stelle ein Phasenmodell von OLIVER60 vorgestellt.61 Ausgehend von der Loyalität als psychischer Zustand der Konsumenten und bezugnehmend auf die Dreikomponententheorie der Loyalität nach DICK/BASU62 vertieft der Autor die Erforschung des Phänomens insbesondere unter Beachtung der zeitlichen Komponente. Es kristallisieren sich Loyalitätsstadien heraus.63 Abbildung B3 stellt die aufgezeigten Phasen dar, wobei OLIVER darauf hinweist, dass nicht jede Entwicklung der Loyalität diesem Prozess entspricht64 und diese Theorie demnach lediglich als Anhaltspunkt gilt.

Abbildung B3: Loyalitätsstadien nach OLIVER Quelle: In Anlehnung an Oliver, R. (1999), S. 35ff.; vgl. ähnlich Braunstein, C. (2001), S. 31

Kognitive Loyalität bezieht sich insbesondere auf die Informationen des Nachfragers über ein Produkt oder eine Dienstleistung. Diese Information kann beispielsweise ein Preis oder eine Produkteigenschaft darstellen. Der Konsument entwickelt seine Erwartungen und beurteilt entsprechend die wahrgenommene Leistung. Da diese Form der Loyalität lediglich auf einer gefühlsfreien Beurteilung beruht, kann davon ausgegangen werden, dass Konsumenten dieses Bindungszustandes aufgrund eines veränderten Informationsstandes die Marke wechseln, ohne Barrieren zu verspüren. Resultiert der Soll-Ist-Abgleich der Konsumenten jedoch in einer Zufriedenheit, kann sich diese Loyalität zu einer affektiven Loyalität entwickeln, was durch eine zunehmende Ausprägung affektiver Größen geschieht. Die Aussage „I buy it, because I like it“ ist bezeichnend für die beschriebene Loyalitätsphase, wird jedoch nicht als Garant für resultierendes Loyalitätsverhalten verstanden. Entscheidend innerhalb des

60 61

62 63 64

Vgl. Oliver, R. (1999), S. 33–44. Eine umfangreiche Zusammenfassung der Theorie leistet auch Braunstein, C. (2001), S. 30f.; vgl. ähnlich bei Yang, Z./Peterson, R. T. (2004), S. 802. Vgl. Dick, A. S./Basu, K. (1994), S. 99–113. Vgl. Oliver, R. (1999), S. 35ff. Vgl. Oliver, R. (1999), S. 35.

20

B

Theoretische Grundlagen

affektiven Loyalitätsstadiums ist der Beginn der Entwicklung eines tief verankerten Commitments, das in der anschließenden konativen Loyalitätsphase vorherrscht. In dieser Phase beabsichtigt der Konsument, sich gegenüber der Marke bzw. dem Unternehmen treu zu verhalten. Diese Absicht bleibt vorerst jedoch unrealisiert. Der tatsächliche Kauf wird von OLIVER als aktionale Loyalität bezeichnet. Es wird davon ausgegangen, dass die affektive, kognitive sowie die konative Loyalität in den überwiegenden Fällen als Voraussetzungen dienen. Die Worte „Resistance“ und „Resilience“65, die zusammengefasst als Widerstandskraft verstanden werden, zeichnen das Zustandekommen dieser Loyalitätsphase aus. Aufgrund der vorangestellten Überlegungen wird Loyalität von OLIVER definiert als „a deeply held commitment to rebuy or repatronize a preferred product/service consistently in the future, thereby causing repetitive same-brand or same brand-set purchasing, despite situational influences and marketing efforts having the potential to cause switching behaviour“.66 OLIVER erweitert das aufgezeigte Phasenmodell durch sozio-emotionale Aspekte, die dem Bezugsobjekt aus dem Blickwinkel der Konsumenten durch die Verbindung zur eigenen Identität zusätzliche Bedeutung geben und in einer gestärkten Stabilität der Loyalität resultieren: „The consumer will pursue this quest ,against all odds and at all costs‘.“67 Das Phasenmodell von OLIVER wird in der Literatur dahingehend kritisiert, dass es ohne eine Konzeptualisierung des Konstrukts lediglich Determinanten der konativen Loyalität identifiziert.68 Im Rahmen dieser Arbeit wird der Ansatz jedoch insbesondere angesichts des Stabilitätsbezugs und der starken emotionalen Grundhaltung als bedeutend erachtet. Dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Gedanken der Vergleichbarkeit eines Produkts bzw. einer Marke mit einem Talisman wird entsprochen. Relevant erscheinen die Überlegungen hinsichtlich der Stabilität der Loyalität insbesondere in Anbetracht des Forschungsvorhabens der vorliegenden Arbeit, die sich die Erklärung des Konsumentenverhaltens im Kontext einer ereignisinduzierten Markenkrise zum Ziel setzt.

1.3

Die Beziehung zwischen Konsument und Marke

1.3.1

Die Beziehungstheorie als Erweiterung der Loyalitätsansätze

Als Erweiterung der Forschungserkenntnisse des vorangestellten Themenkomplexes der Loyalität entstanden in jüngerer Literatur Ansätze einer Beziehungstheorie, die sich neben dem Bezugsobjekt der Geschäftsbeziehungen vermehrt den Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken widmen.

65

66 67 68

„Resistance“ sollte an dieser Stelle mit „Beständigkeit“; „Resilience“ mit „Spannkraft“ bzw. „Unverwüstlichkeit“ übersetzt werden. Oliver, R. (1999), S. 34. Oliver, R. (1999), S. 35. Vgl. Braunstein, C. (2001), S. 32.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

21

Laut vorherrschender Meinung ermöglichen diese Ansätze eine differenziertere Erforschung des Bindungsphänomens zwischen Konsument und Marke. Erwähnenswert ist an dieser Stelle insbesondere eine Untersuchung von FOURNIER/ YAO69, die auf eine differenzierte Analyse von Loyalitäts- sowie Beziehungsformen abzielt. Ergebnisse umfassender Tiefeninterviews zeigen, dass Loyalitätszuordnungen auf Basis bekannter Ansätze stark von der Erfassung einer emotionalen Loyalität abweichen. Eine Gegenüberstellung der Auffassungen von Loyalität mit einer umfangreichen Beziehungstheorie deckt weit reichende Differenzen auf. So kann eine emotionale Beziehung bestehen, die durch das Raster üblicher Loyalitätsidentifikationen fällt sowie andersherum.70 Diese Arbeit schließt sich demnach folgendem Zitat an: „Even well-intentioned attempts to consider loyalty as more than repeat purchase … reduce the process to ‘narrowly cognitive utilitarian decision-making’, thus failing to capture ‘the talismanic relationships consumers form with that which is consumed’”71. Folglich wird das Phänomen der Konsumenten-Markenbeziehung, das an den Themenkomplex des Relationship Marketings angrenzt, detailliert diskutiert. In Anbetracht der Zielstellung dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass diesem Phänomen ein hoher Erklärungsbeitrag des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen zukommt. 1.3.2

Relationship Marketing in Konsumgütermärkten

Veränderte Rahmenbedingungen erfordern eine Neuausrichtung des Marketings. Wie eingangs in Kapitel B erläutert, kommt sowohl in der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion als auch in praxisorientierten Abhandlungen dem Relationship Marketing eine besondere Bedeutung zu, wobei der Bereich der Konsumgüter gesondert betrachtet werden muss und eine bisherige Vernachlässigung erkennbar ist. Bevor im Folgenden konkretisierend auf bestehende Ansätze von KonsumentenMarkenbeziehungen im Bereich der Konsumgüterindustrie eingegangen wird, soll auf die Spezifika dieses Bereichs an dieser Stelle gebührend eingegangen werden. Erste Anwendungen des Relationship Managements entstammen dem Bereich der Industriegüter sowie dem Dienstleistungsbereich. Beide Gebiete kennzeichnet ein hohes Maß an persönlicher Nähe zwischen Anbietern und Kunden.72 Der Konsumgüterbereich hingegen wird charakterisiert73

69 70 71

72 73

Vgl. Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472. Vgl. detailliert Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472. Fournier, S. (1998), S. 343 unter Berufung auf Belk, R. W./Wallendorf, M./Sherry, J. F. (1989), S. 31 und unter Berufung auf Jacoby, J./Chestnut, R. W. (1987). Vgl. Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 393. Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 242f.; für eine vergleichende Übersicht des Marketings zwischen den unterschiedlichen Sektoren vgl. Bruhn, M. (2001), S. 242.

22

B

Theoretische Grundlagen

• durch einen geringen Integrationsgrad der kontaktbezogenen Merkmale, da die Herstellung meist ohne Kundenintegration stattfindet, die Interaktion entsprechend gering verläuft und zusätzlich durch gute Produktkenntnis nur eine geringe Informationsasymmetrie entsteht, • durch eine geringe Bedeutung der leistungsbezogenen Merkmale aus Sicht der Kunden, da Konsumgüter von starker Homogenität und im Gegensatz zu Dienstleistungen als weniger komplex erscheinen und • hinsichtlich der kundenbezogenen Merkmale. Eine Zweiteilung der Kunden ist notwendig, da Konsumenten sowie Händler unterschiedliche Beziehungen zum Konsumgüterhersteller pflegen. Hinsichtlich des Kaufrisikos sowie des Involvements sind grundsätzlich geringere Werte zu verzeichnen, da Sucheigenschaften stark ausgeprägt sind und die Erfahrungs- sowie Glaubenseigenschaften keine entscheidende Rolle spielen. Eine Betrachtung aus Sicht der Kunden zeigt, dass diese aufgrund der Homogenität der Produkte, im Gegensatz zu der sonst üblichen Leistungsorientierung der Bedürfniserfüllungsfunktion, andere Größen zur Beziehungsentwicklung wählen. Beziehungen zu Marken bieten sich an.74 Aus dem Blickwinkel des Managements ist neben den Besonderheiten im gesamten Planungsprozess des Relationship Marketings, insbesondere im Rahmen der Strategieplanung, auf die Sonderstellung der Marke im Gegensatz zum Unternehmen bzw. zum Produkt zu achten.75 Erst in den letzten Jahren entstanden nennenswerte Forschungserkenntnisse im Bereich des Relationship Marketings in Konsumgütermärkten.76 Einen Grundstein für die Anwendung des Beziehungsmarketings über Dienstleistungs- bzw. Geschäftsbeziehungen hinaus leisten SHETH/PARVATIYAR77, die sich mit theoretischen Grundlagen des Konsumentenverhaltens auseinandersetzen und die Motivation der Konsumenten zum Eingehen solcher Beziehungen entsprechend fundieren.78 Sie differenzieren dabei zwischen den Bereichen persönlicher, sozialer sowie institutioneller Motivation.79

74

75 76 77

78 79

Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 244. Kundenbeziehungen im Bereich des Handels differenzieren sich weiterhin, sollen im Hinblick auf den Forschungsschwerpunkt jedoch nicht weiter beleuchtet werden. Eine diesbezügliche Diskussion bietet Bruhn, M. (2001), S. 252. Vgl. detailliert Bruhn, M. (2001), S. 245–252. Vgl. Bruhn, M. (2001), S. 253. Vgl. Sheth, J./Parvatiyar, A. (1995), S. 255–271. Zum aktuellen Forschungsstand des Customer Relationship Marketings und dessen Abgrenzung vgl. detailliert Sheth, J./Parvatiyar, A. (2001), S. 1–34. Vgl. Sheth, J./Parvatiyar, A. (1995), S. 255–271. So stellen die Theorien des Lernens, der Informationsverarbeitung, des Risikos sowie der kognitiven Konsistenz Motivationen für ein relationales Verhalten dar. Sozial beeinflussen sowohl die Familie als auch erweiterte Bezugsgruppen. Im Bereich der institutionellen Motivation wirken beispielsweise Politik, Religion, Arbeitgeber sowie das Marketing. Vgl. Sheth, J./Parvatiyar, A. (1995), S. 255–271.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

23

Darüber hinaus dient eine Arbeit von BELK80 grundlegend zur Erforschung des Relationship Marketings im Konsumgüterbereich, die sich die Erforschung der Identifikation der Konsumenten mit ihren Besitztümern (u. a. Produkte und Marken) zum Ziel setzt und die Bedeutung von Besitztümern über deren Funktionalität hinaus identifiziert.81 Zur Übertragung der Forschungserkenntnisse des Relationship Marketings auf den Konsumgüterzusammenhang stellt sich die Frage nach der Verknüpfung des Relationship Marketings mit der Markenpolitik. Aktuell greifen BRUHN/HENNIGTHURAU/HADWICH82 erneut theoretische Erklärungsansätze auf, die dem Relationship Marketing entstammen, und diskutieren deren Übertragungsmöglichkeit auf den Markenzusammenhang. Entsprechend eignen sich die Neue Institutionenökonomie, die sich durch Institutionen die Bewältigung von Unsicherheit zum Ziel setzt, sowie die Informationsökonomie, die gleichsam die Bewältigung von Informationsasymmetrien beinhaltet.83 Auch sozialpsychologische Theorien, wie die soziale Austauschtheorie, die die Existenz von Beziehungen durch Teilen von Werten – im Markenzusammenhang insbesondere das Teilen von Symbolen – versteht, können die Entstehung sowie das Fortbestehen von Konsumenten-Markenbeziehungen erklären. Darüber hinaus wird die soziale Durchdringungstheorie diskutiert. Demnach kann auch die Durchdringung der Persönlichkeit des Gegenübers einen Erklärungsansatz der Beziehung zwischen Konsumenten und Marken darstellen. Im Rahmen dieser Theorie muss jedoch die Existenz einer Markenpersönlichkeit84 vorausgesetzt werden.85 BRUHN/HENNIG-THURAU/HADWICH86 identifizieren zwei Varianten der Markenpositionierung im Bereich des Relationship Marketings. Abbildung B4 stellt die alternativen Markenpositionierungen graphisch dar.

80 81 82 83 84 85 86

Vgl. Belk, R. W. (1988), S. 139–168. Vgl. Belk, R. W. (1988), S. 139–168. Vgl. Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 394. Vgl. hierzu detailliert Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 395. Eine diesbezügliche detaillierte Diskussion erfolgt im anschließenden Kapitel 1.3.3. Vgl. detailliert Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 395. Vgl. detailliert Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 395.

24

B

Theoretische Grundlagen

Abbildung B4: Mögliche Rollen der Marke in Kundenbeziehungen Quelle: In Anlehnung an Bruhn, M./Hennig-Thurau, T./Hadwich, K. (2004), S. 394 87

So kann eine Marke entweder die Beziehungen zwischen den Konsumenten und den Personen, die das Unternehmen repräsentieren, beeinflussen oder direkt als Beziehungspartner fungieren. Im Rahmen dieser Arbeit soll die zweite Variante der Darstellung, die der Marke die Funktion eines Beziehungspartners zuspricht, im Mittelpunkt der Überlegungen stehen. Da dieses Markenverständnis eine Auffassung der Marke als Persönlichkeit voraussetzt, wird diese Annahme vertiefend im Rahmen des folgenden Kapitels separat diskutiert. 1.3.3

Markenpersönlichkeit als Voraussetzung für Markenbeziehungen

1.3.3.1

Persönlichkeit

Um eine Beziehung zu einer Marke aufzubauen, ist eine Vermenschlichung von Marken wünschenswert. So wird in der verhaltenswissenschaftlichen Marketingliteratur von Markenpersönlichkeiten gesprochen, die auf dem verhaltenswissenschaftlichen Verständnis von Persönlichkeiten basieren, das sich aus rein psychologischen Ansätzen entwickelte. 88

87

88

Der von BRUHN/HENNIG-THURAU/HADWICH verwendete Begriff Kunde wird durch den Begriff Konsument ersetzt, da er in Anlehnung an die Literatur in Anbetracht des diskutierten Bereichs der Konsumgüter als spezieller und demnach als geeigneter erscheint. Vgl. Poth, L. G./Poth, G. S. (1999), S. 198. Siehe nächste Seite.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

25

Entsprechend dem verhaltenswissenschaftlichen Verständnis89 dient die folgende Definition von Persönlichkeit der hier vorliegenden Arbeit als Grundlage. Der Begriff Persönlichkeit bezeichnet demnach die „Gesamtheit der für eine Person (von ihr selbst oder von anderen) als typisch angesehenen, fest eingeprägten und normalerweise nicht zu ändernden Verhaltensmuster (insbesondere Reaktions- und Kommunikationsmuster)“90.91 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit dient das Verständnis des Begriffs Persönlichkeit als Grundlage zur Übertragung des Phänomens auf Objekte bzw. Marken.92 1.3.3.2

Markenpersönlichkeit

Im Sinne des Zitats „Sie müssen selbst ein Herz haben, wenn Sie das Herz Ihrer Kunden gewinnen wollen.“93 entstanden vielfältige Ansätze der Übertragung des Persönlichkeitsphänomens auf den Objekt- bzw. Markenzusammenhang. Schon im letzten Jahrhundert konnte häufig beobachtet werden, dass Objekten menschliche Eigenschaften zugesprochen werden.94 Theorien des Animismus95 entwickelten sich, die besagen, dass Menschen dazu neigen, Objekten menschliche Eigenschaften zu verleihen mit der Intention der Simplifizierung der Interaktionen mit der nicht materiellen Welt.96

88

89

90 91 92

93 94 95

96

Ausgehend von dem lateinischen Wort „persona“, das dem deutschen Verständnis einer Maske bzw. Schauspielrolle entspricht, entstand das Wort „Persönlichkeit“. Da sich aufgrund der vielfältigen wissenschaftlichen Forschungsrichtungen dieses Themenkomplexes keine einheitliche Definition durchgesetzt hat, bleibt festzustellen, dass Einigkeit lediglich im Verständnis der Persönlichkeit als „extrem allgemeines Konstrukt“ besteht, welches nicht aufgrund eines konkreten Verhaltens in einer spezifischen Situation erfasst werden kann. Als Grundlage der vorliegenden Arbeit wird jedoch eine Definition von MISCHEL herangezogen, die als umfassend erscheint und zahlreich zitiert wurde. Demnach wird eine Persönlichkeit verstanden als „the distinctive patterns of behavior, including thoughts and emotions, that characterize each individual´s adaptation to the situation of his or her life“. Mischel, W. (1993), S. 5; vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 52; vgl. Weis, M./Huber, F. (2000), S. 63. Aufgrund der folgenden Fokussierung auf den Markenbezug wird auf die Vielzahl der Persönlichkeitstheorien aus einer rein psychologischen Perspektive nicht detailliert eingegangen. Vgl. hierzu detailliert Fisseni, H. J. (1998), S. 25f.; vgl. auch Hieronimus, F. (2003), S. 57. Trommsdorff, V. (2003), S. 203. Für eine detaillierte Erweiterung dieser Definition vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 207. Für eine detaillierte Diskussion der menschlichen Persönlichkeit aus dem Blickwinkel des Konsumentenverhaltens vgl. Schlagentweith, D. (forthcoming). Beers, C. (2001), zitiert nach Aaker, D. A./Joachimsthaler, E. (2001), S. 43. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 139. Am häufigsten wird die Theorie des Animism von GILMORE aus dem Jahr 1919 zitiert. Vgl. beispielsweise Fournier, S. (2001), S. 139; vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 139; vgl. Herrmann, A./Huber, F./Braunstein, C. (2001), S. 111.

26

B

Theoretische Grundlagen

Durch die Vermenschlichung von Marken entwickelte sich im Marketing das Konstrukt Markenpersönlichkeit. Eine Definition der Markenpersönlichkeit von AAKER97 ist in der Literatur weit anerkannt. So wird die Markenpersönlichkeit verstanden als „a set of human characteristics associated with a brand“98. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird sich dieser Auffassung grundlegend angeschlossen, da sie im Einklang mit der zuvor gewählten Definition von Marken steht und entsprechend das Phänomen der Markenpersönlichkeit aus der Konsumentenperspektive betrachtet.99 Wesentliche Bestandteile dieser Definition sind100 • die Wahrnehmung101, die durch Kommunikation, dem direkten oder indirekten Kontakt sowie dem beobachteten Verhalten der Marke entsteht, • die Assoziationen, die auf kognitiver und affektiver Wahrnehmung basieren und von der Marke ausgelöst werden oder auch Charaktereigenschaften widerspiegeln und • der Charakter, der eine emotionale Anziehungskraft besitzt, symbolische Werte verkörpert und teilweise mit Bedeutungsgehalt aufgeladen ist. Hinsichtlich der Einordnung der Markenpersönlichkeit in das Marketingumfeld werden Markenpersönlichkeiten als Grundlage für Markenidentitäten verstanden. Die Markenidentität als „unique set of brand associations“102 besteht aus zwölf Dimensionen, die sich aus den vier Perspektiven „Marke als Produkt“, „Marke als Organisation“, „Marke als Person“ sowie „Marke als Symbol“ ergeben.103 Die Markenpersönlichkeit ist dementsprechend ein Bestandteil der Markenidentität. Durch die Kommunikation des Unternehmens bzw. jeglichen Kontakt der Konsumenten mit der Marke gelangen die genannten Identitätsinhalte an den Konsumenten und werden in dessen Psyche im Rahmen des Markenimages zusammengefasst.104 Demnach wird Markenimage aus der gewählten Sichtweise der Konsumenten verstanden als „perceptions about a brand as reflected by the brand association held in a consumer memory“105. Vertiefende Forschungserkenntnisse differenzieren zwischen unterschiedlichen Bereichen des Markenimages. Resultierend erfolgt die spezifische Einordnung der Markenpersönlichkeit im Gegensatz zum funktionalen utilitaristi-

97 98

99 100 101 102 103 104 105

Vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347. Aaker, J. L. (1995) zitiert nach Aaker, D. A. (1996), S. 141; vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347 die deutsche Übersetzung liegt wie folgt vor: „Gesamtheit menschlicher Eigenschaften … , die mit einer Marke verbunden sind.“ Aaker, J. L. (2001), S. 94. Eine detaillierte Definitionsauflistung liefert Kilian, K. (2004), S. 33. Vgl. die Auflistung nach Kilian, K. (2004), S. 8. Die Wahrnehmung ist dem Zitat implizit zu entnehmen. Aaker, D. A. (1996), S. 68. Vgl. detailliert Aaker, D. A. (1996), S. 68. Vgl. Herrmann, A./Huber, H./Braunstein, C. (2001), S. 111. Keller, K. L. (1993), S. 3; die deutsche Übersetzung lautet: „Markenimage wird als Wahrnehmung und Bevorzugung einer Marke auf der Basis verschiedener gespeicherter Markenassoziationen definiert.“ Keller, K. L. (2001), S. 1061.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

27

schen Teil in den expressiven Teil des Markenimages106, der die symbolische Bedeutung der Marke erfasst.107 Hinsichtlich der Konkretisierung des Konstrukts setzt AAKER108 im Jahr 1997 einen Meilenstein innerhalb der Markenpersönlichkeitsforschung. Sie entwickelt eine Skala zur Erfassung von Markenpersönlichkeiten, die reliabel, valide und generalisierbar für Produktbereiche und Marken ist.109 Nach der Konzeptualisierung des Konstrukts setzt sich AAKER die Erfassung der Dimensionen der Markenpersönlichkeit zum Ziel. Dabei geht sie faktoranalytisch vor und identifiziert fünf Dimensionen der Markenpersönlichkeiten: „Aufrichtigkeit“, „Erregung/Spannung“, „Kompetenz“, „Kultiviertheit“ und „Robustheit“.110 Im Hinblick auf eine elementare Intention der Markenpersönlichkeitsforschung, der Konkretisierung der Kongruenz111 zwischen Konsument und Marke, liefert AAKER ausschlaggebende Erkenntnisse. Eine Gegenüberstellung der Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit und der Markenpersönlichkeit kann lediglich eine Übereinstimmung bezüglich der Dimensionen „Aufrichtigkeit“, „Erregung/Spannung“ und „Kompetenz“ feststellen.112 Die Forschungsergebnisse von AAKER werden demnach als Begründung für fehlende Erfolge früherer Studien der Kongruenzforschung verstanden.113 Im Hinblick auf die Allgemeingültigkeit der Markenpersönlichkeitstheorie sei an dieser Stelle auf Untersuchungen hingewiesen, die kulturelle Unterschiede des Phänomens aufzeigen.114 KILIAN115 stellt diesbezüglich empirische Forschungsergebnisse aus den Ländern USA, Japan und Spanien gegenüber.116 Im deutschsprachigen 106

107 108 109 110

111

112 113 114

115 116

Der Begriff Image wird in dieser Arbeit mit dem sozialpsychologischen Begriff der Einstellung gleichgesetzt, der die aus Assoziationen bestehende, relativ stabile Wissensstruktur darstellt. Vgl. Kressmann, F. et al. (2003) S. 402. Vgl. Kressmann, F. et al. (2003), S. 402. Vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347–356; vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 91–102. Vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 97. Die ursprünglichen englischsprachigen Begriffe lauten wie folgt: „Sincerity“, „Excitement“, „Competence“, „Sophistication“ und „Ruggedness“. Die Kongruenzforschung geht zurück auf Levy, S. J. (1959), S. 119ff. Es handelt sich um die Hypothese, dass Konsumenten eine Übereinstimmung zwischen ihrer Persönlichkeit und der Markenpersönlichkeit anstreben und sich folglich eine Valenz zum entsprechenden Produkt bzw. der Marke ergibt, die verhaltenswirksam sein kann. Vgl. Bauer, H. H./Mäder, R./Huber, F. (2002), S. 689. Erste empirische Ergebnisse gelangen Sirgy, M. J. (1982); zu einer detaillierten Darstellung verschiedener Selbst-Konzepte vgl. Sirgy, M. J. (1982); vgl. Kressmann et al. (2003), S. 412. Vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347–356; vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 91–102. Vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 98. Vgl. Biel, A. L. (2001), S. 73; vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 101f. zur Forschungslücke der kulturellen Übertragbarkeit der Markenpersönlichkeitsdimensionen. Vgl. Kilian, K. (2004), S. 1–39. Vgl. die Darstellung von Kilian, K. (2004), S. 9 unter Berufung auf Costa, P. T./McCrae, R. R. (1995), S. 23; vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 352; vgl. Aaker, J. L./Benet-Martinez, V./Garolera, J. (2001), S. 500 und 505.

28

B

Theoretische Grundlagen

Forschungsraum überprüft HIERONIMUS117 die kulturelle Übertragbarkeit.118 Seine Ergebnisse resultieren im Gegensatz zu AAKERs fünf Dimensionen lediglich in zwei Dimensionen, die er als „Vertrauen/Sicherheit“ und „Temperament/Leidenschaft“ bezeichnet.119 Auch im Hinblick auf die Funktions- und Wirkungsweise des Konstrukts sind vereinzelte Ansätze zu nennen. Schon 1993 setzt sich KELLER120 mit dem Konstrukt auseinander und erkennt die Markenpersönlichkeit aus Sicht der Konsumenten grundlegend als Zusatznutzen. So eröffnet eine Marke für den Konsumenten die Möglichkeit, sein Eigen- bzw. Fremdbild zu verändern bzw. zu erweitern, in dem das Image der Marke auf den Konsumenten übertragen wird. Ein häufig zitiertes Beispiel im Sinne der Eigenschaftsübertragung der Marke auf die Persönlichkeit des Konsumenten stellt die Marke „Harley Davidson“ dar, deren Stärke und Männlichkeit gern von Konsumenten übernommen und ausgedrückt wird.121 Als Weiterentwicklung dieses Ansatzes ist eine Systematisierung der wesentlichen Nutzenstiftungen bzw. Wirkungsweisen der Markenpersönlichkeit122 durch AAKER zu verstehen. Er identifiziert drei Wirkungsmodelle von Marken:123 • Das Self-Expression Model stellt die als Zusatznutzen erkannte Möglichkeit der Konsumenten dar, durch Markennutzungen ihr Selbst anzupassen und darzustellen.124 Sich ständig neu zu definieren und zu präsentieren ist heute in Zeiten einer hohen Dynamik und Vielfältigkeit der Gesellschaft von hoher Relevanz.125 Güter sowie Marken können demnach zur Neudefinierung der Persönlichkeit sowie zum Ausdruck der Persönlichkeit beitragen.126 • Das Relationship Basis Model basiert auf dem Verständnis der Beziehungen als Mittel zur Sinnstiftung127. Den Fokus der Betrachtungen stellen die geteilten Werte und Zielübereinstimmungen der Partner dar.128 Im Gegensatz zum Self-Expression Model wird die Marke im Relationship Basis Model als aktiver Beziehungspartner

117 118

119 120 121 122

123

124 125 126

127 128

Vgl. Hieronimus, F. (2003). Eine ausführliche Übersicht der interkulturellen Validierungsstudien der „Brand Personality Scale“ vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 81. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 150f. Vgl. Keller, K. L. (1993), S. 1–22; vgl. auch Aaker, J. L. (2001), S. 94. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 138–141. Die diskutierten Modelle zur Erklärung der Wirkungsweisen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können ergänzend angesehen werden. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 96. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 150–170; vgl. einen Überblick bei Hieronimus, F. (2003), S. 91ff.; vgl. auch Herrmann, A./Huber, F./Braunstein, C.(2001), S. 112–117. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 153–159. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 95. Vgl. McCracken, G. (1993), S. 127; vgl. hierzu McCracken, G. (1986), S. 71–84; vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 95. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 141 unter Berufung auf Berscheid, E./Peplau, L. (1983), S. 1ff. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 366.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

29

angesehen.129 Durch die Interaktionen der Marke mit den Konsumenten entstehen entsprechende Beziehungen. An dieser Stelle wird nicht detailliert auf das Modell eingegangen, da vorerst die Verdeutlichung der Relevanz der Existenz von Markenpersönlichkeiten als Voraussetzung für die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehende Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen im Vordergrund der Überlegungen steht, die anschließend detailliert diskutiert und in den theoretischen Bezugsrahmen übernommen wird. • Das Functional Benefit Representation Model bietet einen weiteren Erklärungsansatz zur Wirkungsweise von Markenpersönlichkeiten. Es stellt den funktionalen Nutzen eines Produkts bzw. einer Marke sowie dessen Attribute in den Vordergrund.130 Die Markenpersönlichkeit soll den Prozess des Wissensabrufs für den Konsumenten vereinfachen.131 So ist laut AAKER die indirekte Übertragung des funktionalen Nutzens eines Produkts bzw. einer Marke durch die Markenpersönlichkeit nahe liegender und weniger angreifbar.132 In der wissenschaftlichen Diskussion fand der Themenkomplex der Funktionsweise der Markenpersönlichkeit hohe Beachtung. Es fehlte jedoch lange an einem konkreten und vor allem umfassenden Forschungsrahmen sowie an einer allgemein gültigen Konzeptualisierung des Konstrukts.133 Die Arbeit von AAKER134 lieferte Ansätze zur Schließung dieser Forschungslücke und ermöglichte die weiterführende konkrete Erforschung des Konstrukts. So entstanden in jüngster Zeit Forschungsansätze, die sich mit den konkreten Wirkungen der Markenpersönlichkeit auf Einstellungen und Verhaltensweisen der Konsumenten befassen.135 Im Bereich der Einstellungen ist neben der Wirkung der Markenpersönlichkeit auf die globale Einstellung zur Marke insbesondere die Bedeutung des Konstrukts für den „Customer-Based Brand Equity“ nach KELLER136 zu nennen, der als Indikator für die einstellungsbasierte Markenstärke anzusehen ist, die sich aufgrund der Markenbekanntheit (im Sinne der Stärke der Wissensstrukturen der Marke im Gedächtnis der Konsumenten) und dem Markenimage ergibt.137 Zusätzlich interessieren in diesem Zusammenhang die Konsequenzen der Markenpersönlichkeit für das reale, direkt beobachtbare und ökonomisch relevante Kaufverhalten.138 Es werden markengetriebene Verhaltensweisen betrachtet, wobei zu betonen ist, dass sich diese nicht konkret der Markenpersönlichkeit, sondern viel129 130 131 132 133 134 135

136 137 138

Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 161; vgl. hierzu auch Blackston, M. (1993), S. 113–134. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 168–170. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S.102ff. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 170. Vgl. Aaker, J. L. (2001), S. 93. Vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347–356. Für eine ausführliche Darstellung der Konsequenzen der Markenpersönlichkeit vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 110–115. Vgl. Keller, K. L. (1993), S. 1–22; vgl. Keller, K. L. (2001), S. 1059–1079. Vgl. Keller, K. L. (1993), S. 7; vgl. Keller, K. L. (2001), S. 1061. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 113f.

30

B

Theoretische Grundlagen

mehr der gesamten Markenpolitik zurechnen lassen.139 Grundlegend werden in Anbetracht der Unternehmensziele mengenmäßige Absatzsteigerungen und ein erhöhter Preisspielraum angestrebt. Die Markenpersönlichkeit trägt indirekt zu diesen Größen bei, indem sie sich positiv auf die Weiterempfehlungsbereitschaft auswirkt. Auch die Aufpreisbereitschaft ist als Konsequenz der Existenz von Markenpersönlichkeiten zu nennen.140 BAUER/MÄDER/HUBER141 gelingt der Nachweis des Einflusses der Kongruenz zwischen Marken- und Konsumentenpersönlichkeit auf die Preisbereitschaft. Auch HIERONIMUS142 beschäftigt sich mit dem empirischen Nachweis der Wirkungen von Markenpersönlichkeiten und stellt Einflüsse der Persönlichkeitsstärke auf Vertrauen, Sympathie, Identifikation, Assoziationsstärke sowie auf die Markendifferenzierung fest.143 Nachdem dieses Kapitel einen Überblick über theoretische sowie empirische Erklärungsansätze lieferte, stellt sich anschließend die Frage der Instrumentalisierung, wobei der Vitalisierung von Marken eine hohe Relevanz zukommt. Sämtliche klassischen Instrumente des Marketings – vorwiegend im Bereich der Kommunikation – werden eingesetzt, um die Vermenschlichung der Marken zu bewirken bzw. eine Markenpersönlichkeit entstehen zu lassen. Exemplarisch werden der Markenname und das Markensymbol als wesentliche Kommunikationsinhalte bzw. Produktmerkmale genannt.144 Im Gegensatz zur direkten Vermenschlichung des Produkts bzw. der Marke werden zusätzlich reale Personen genutzt, um eine Vermenschlichung zu bewirken. Drei Vorgehensweisen haben sich herauskristallisiert.145 Nahe liegend ist die Verknüpfung einer bekannten Persönlichkeit (meist ein Prominenter oder eine Person aus dem persönlichen Umfeld des Konsumenten) mit einer Marke mit der Intention der Übertragung der Assoziationen in der Psyche der Konsumenten.146 Ebenso können Assoziationen zu bekannten Personen, wie beispielsweise das Parfum des Ehemannes sowie ein persönliches Geschenk147, zur Übernahme von menschlichen Assoziationen führen. Eine weitere Möglichkeit der Vitalisierung einer Marke ist die vollständige Vermenschlichung des Markenobjektes. Ein gern gewähltes Exempel ist „Meister Proper“, dem menschliche Eigenschaften wie Emotionen und Denken zugesprochen werden, die im Wesentlichen durch Verhaltensweisen zum Ausdruck kommen.148 139 140 141 142 143

144

145 146

147 148

Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 113f. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 114. Vgl. Bauer, H. H./Mäder, R./Huber, F. (2002), S. 687–709. Vgl. Hieronimus, F. (2003). Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 200; vgl. eine Übersicht der weiteren Befunde, Hieronimus, F. (2003), S. 200. Eine Auflistung ausgewählter direkter und indirekter Treiber der Markenpersönlichkeit erstellt Hieronimus, F. (2003), S. 83. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 345. Vgl. McCracken, G. (1989), S. 310–321; vgl. Bristol, T. (1996), S. 59–65; vgl. Brooks, C. M./ Harris, K. K. (1998), S. 34–44; vgl. detailliert Kahle, L. R./Riley, C. (2004). Vgl. detailliert McGrath, M. A./Sherry, J. (1993), S. 171–191. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 345.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

31

Diese Vitalisierung erfolgt durch die Steuerung von Marketinginstrumenten, die von den Konsumenten in entsprechender Wirkungsweise als Verhalten der Marken verstanden werden. Die resultierende Aktivität einer Marke stellt eine Voraussetzung für die Entstehung einer Konsumenten-Markenbeziehung dar, die im Folgenden umfassend diskutiert wird und als ein Hauptbestandteil in den theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit eingeht. Zwar wird eine vollkommene Vermenschlichung von Marken in der Literatur nicht ohne Kritik akzeptiert149, unabhängig von dieser Kritik verbleibt jedoch die Anerkennung der Marke als ein potenzieller Beziehungspartner. Dieses Postulat lässt sich durch die im Einklang stehende, vorangestellte Auffassung von Marken als Ansammlungen von Wahrnehmungen in der Psyche der Konsumenten begründen. So werden Marketingaktionen als Bündel von Verhaltensweisen verstanden, die keine vollständige Vermenschlichung voraussetzen. Ohne selbst fühlen, denken und handeln zu können, existiert die Lebendigkeit in der Wahrnehmung der Konsumenten ausschließlich durch Verhaltensweisen, die das hinter der Marke stehende Unternehmen initiiert.150 FOURNIERs Definition der Markenpersönlichkeit fasst entsprechende Überlegungen zusammen. So erachtet sie, in Erweiterung der Definition von AAKER und in Betonung der Interaktionen zwischen Konsumenten und Marken, die Markenpersönlichkeit als „… a set of trait inferences constructed by the consumer based on repeated observation of behaviors enacted by the brand at the hand of its manager that cohere into a role perception of the brand as partner in the relationship dyad“151. FOURNIER gelingt es, mittels qualitativer Studien diese Annahme zu unterstützen.152 Die Autorin schließt sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit dieser beziehungsorientierten Sichtweise der Markenpersönlichkeit an. Auf eine vertiefende Analyse des Grads der Vermenschlichung der Marke wird aufgrund des abweichenden Forschungsziels verzichtet, da ausschließlich die in der Literatur anerkannte Funktion der Marke als Beziehungspartner von Interesse ist. 1.3.4

Theoretische Ansätze zur Erklärung von Konsumenten-Markenbeziehungen

Die Diskussion des Phänomens der Markenbeziehung stellt einen Eckpfeiler der vorliegenden Arbeit dar. Im Fokus der Betrachtungen steht die Beziehung, die als Erweiterung von Loyalitätsansätzen eine umfassende Bindungsgrundlage darstellt, die die beabsichtigte Erfassung einer „talismanic relationship consumers form with that which is consumed“ 153 ermöglicht. 149 150 151 152

153

Vgl. Kardes, F. (1986), S. 1ff.; vgl. Fournier, S. (1998), S. 345. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 345. Fournier, S. (1998), S. 368. Vgl. insbesondere zur Diskussion der Marke als Beziehungspartner Aaker, J. L./Fournier, S. (1995), S. 391–395; vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373. Fournier, S. (1998), S. 343, basierend auf dem Ansatz von Belk, R. W./Wallendorf, M./ Sherry, J. F. (1989), S. 31.

32

B

Theoretische Grundlagen

Zunächst werden Beziehungen aus der rein sozialpsychologischen Perspektive beleuchtet. Eine umfangreiche Darstellung der Ansätze zur Übertragung des Phänomens auf den Markenzusammenhang schließt sich an. Basierend auf diesen Verständnisgrundlagen wird detailliert auf die im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit stehende Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen von FOURNIER eingegangen, die als Grundbestandteil in den theoretischen Bezugsrahmen eingeht. 1.3.4.1

Psychologie der Beziehung

Die detaillierte Darstellung der Markenbeziehungstheorie erfordert zunächst das Verständnis einer Beziehung aus der rein sozialpsychologischen Perspektive. Trotz der weit verbreiteten Einigkeit über die hohe Bedeutung des Relationship Marketings blieb die Übertragung tiefgründiger Erkenntnisse der interpersonellen Beziehungsforschung in den Marketingkontext lange aus.154 Folgendes Zitat stellt die Relevanz des Bindungsbedürfnisses der Menschen dar: „… the desire for interpersonal attachment … one of the most far-reaching and integrative constructs currently available to understand human nature“155. Die Bedeutung von Beziehungen im Alltag – sowohl funktionalen156 als auch persönlichen157 – ist offensichtlich und müsste entsprechend als zentrales Thema der Psychologie gelten. Trotz dieser Bedeutung ist die Beziehungspsychologie als eine einheitsstiftende Teildisziplin weder im deutschsprachigen noch im angloamerikanischen Forschungsraum vorzufinden.158 Lediglich der Forschungsstand einzelner Teilbereiche, die sich mit eigenständigen Formen von Beziehungen auseinandersetzen, ist weit fortgeschritten.159 Mit dem Ziel der inhaltlichen Klärung und Abgrenzung des Phänomens Beziehung werden vorerst die Merkmale einer Beziehung analysiert.

154

155 156

157

158

159

Laut FOURNIER werden Konstrukte in die Marketingwissenschaft übertragen, ohne die Entstehung dieser Modelle im interpersonellen Bezug zu prüfen. So kritisiert sie mit einem Verweis auf BLACKSTONs Theorie der Marken als Beziehungspartner die häufig fehlenden theoretischen Fundierungen. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 344. Kressmann, F. et al. (2003), S. 403, zitiert nach Baumeister, R. F./Leary, M. R. (1995), S. 522. Funktionale Beziehungen ergeben sich durch wechselseitige Rollenerwartungen. Als Beispiel wird das Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer genannt. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 1. Persönliche Beziehungen ergeben sich zwischen zwei Menschen ohne Beachtung der sozialen Rollenverhältnisse. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 1. Dieser Mangel wird durch zwei wesentliche Faktoren begründet. Erstens tendiert die Psychologie im Gegensatz zur Beschäftigung mit Dyaden eher zum Fokus auf das Individuum, was zu methodologischen sowie methodischen Schwierigkeiten führt. Weiterhin erschwert die Komplexität der Beziehungen strukturierte Forschungsvorhaben. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S.1f. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 2. Detailliert erforscht sind beispielsweise Partnerschaften [Fincham, F. D./Bradbury, T. N. (1990)], Eltern-Kind-Beziehungen [Bornstein, M. (1995)] sowie Freundschaften [Salisch, M. (1993); Hays, R. B. (1988)].

1

33

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

Den Mittelpunkt einer Beziehung stellt die Interaktion zwischen den Beziehungspartnern dar. Eine „soziale Interaktion“ bedeutet dabei das Verhalten einer Person als Reaktion auf das Verhalten einer anderen Person. Im Gegensatz zum Individuum stellt eine Dyade den Fokus der Betrachtungen dar. Eine Dyade beschreibt das Interaktionsmuster in einer Interaktionsepisode, das durch Basis- (relative Häufigkeiten der einzelnen Verhaltensweisen der beiden Partner pro Zeiteinheit) und Übergangsraten (relative Häufigkeit der Reaktionen des einen Partners auf das Verhalten des anderen Partners) geprägt ist.160 Als eine soziale Beziehung wird die Dyade angesehen, wenn sie mindestens ein stabiles Interaktionsmuster aufweist.161 Neben diesem rein verhaltensorientierten Verständnis stellen auch kognitive Verankerungen von Beziehungen in der Psyche des Menschen ein elementares Merkmal von Beziehungen dar. „Jede Beziehung ist bei beiden Bezugspersonen dreifach kognitiv repräsentiert als Selbstbild, Bild der Bezugsperson und Interaktionsskripten; diese Repräsentationen sind beziehungsspezifisch.“162 Situationsspezifisches Verhalten und situationsspezifische Kognitionen reichen demnach nicht zur Entstehung von persönlichen Beziehungen aus. Beziehungsspezifische Anpassungen, insbesondere des Selbstbilds sowie des Bilds der Bezugsperson werden beobachtet.163 Hinsichtlich der Affektivität164 gibt die Literatur keine Einschränkungen in Bezug auf die Abgrenzung von Beziehungen vor. Die affektive Intensität kann innerhalb des Beziehungsbegriffs demnach stark variieren.165 Eine Beziehung wird in dieser Arbeit wie folgt verstanden: „Two people are in a relationship with one another if they have an impact on each other, if they are interdependent in the sense that a change in one causes a change in the other.“166 Zusammenfassend veranschaulicht Tabelle B1 die hergeleiteten Beziehungsmerkmale durch die Gegenüberstellung der Beziehungs- mit der Persönlichkeitspsychologie. Tabelle B1: Beziehungs- versus Persönlichkeitspsychologie Analyseeinheit Beobachtbar Konstrukte

Beziehungspsychologie Dyade Interaktion

Persönlichkeitspsychologie Person Individuelles Verhalten

Interaktionsmuster Interaktionsskript Selbstbild Bild der Bezugsperson Beziehung

Verhaltensdisposition Verhaltensskript Selbstbild Fremdbild Persönlichkeit

Quelle: In Anlehnung an Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 15 160 161 162 163 164

165 166

Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 3ff. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000) unter Berufung auf Hinde, R. (1993), S. 7–36. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 4. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 17. Diese affektive Komponente ist meist in den Beziehungsschemata verankert. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 5f. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 6. Fournier, S. (1998) unter Berufung auf Berscheid, E./Peplau, L. A. (1983), S. 1–19.

34

B

Theoretische Grundlagen

Bezüglich der Funktionen von Beziehungen ist sich die Wissenschaft einig, dass Beziehungen den Sinn des Lebens einer Person bereichern und strukturieren.167 Konkretisierend wird zwischen sozio-emotionalen168 sowie instrumentellen Vorteilen unterschieden.169 Da die instrumentellen Vorteile rein funktional der Erreichung kurzfristiger, objektiver Ziele dienen170, sollen sie vorerst nicht vertiefend betrachtet werden. Im Bereich der sozio-emotionalen Funktionen von Beziehungen wird die Unterstützungsfunktion als besonders relevant erachtet.171 Diese beinhaltet u. a. folgende Funktionen: 172 • Bindung, • Verlässlichkeit, • Selbstwertstärkung, • soziale Integration, • Beratung und • Gelegenheit zu eigener Unterstützung. Im Hinblick auf die Übertragung der Beziehungsbedeutung auf den Markenzusammenhang werden die Erkenntnisse der Psychologie im Bereich der sozio-emotionalen Beziehungsforschung reflektierend herangezogen. So kommt drei grundlegenden Sinnquellen von Beziehungen eine besondere Bedeutung zu:173 • Die psychologische Sinnquelle, die als identitätsbildende Aktivität aufgefasst wird, • die soziokulturelle Sinnquelle, die Auswirkungen des soziokulturellen Umfelds (Alter, Lebenszyklus, Geschlecht etc.) auf verschiedene Beziehungscharakteristika betrachtet und entsprechend die Bedeutung bzw. die Vorlieben des Konsums determiniert und • die relationale Sinnquelle, die eine Beziehung im Zusammenhang mit anderen Beziehungen betrachtet und demnach beispielsweise Zugehörigkeiten vermitteln kann. Diese Funktionen von Beziehungen dienen dem Verständnis der Bedeutung von Beziehungen für den Menschen bzw. Konsumenten. Eine vollständige Verständnisgrundlage erfordert darüber hinaus auch die Beleuchtung der zeitlichen Veränderun-

167

168

169 170 171 172 173

Vgl. Fournier, S. (2001), S. 141 unter Berufung auf Hinde, R. S. (1995), S. 1–15 und Berscheid, E./Peplau, L. A. (1983), S. 1–19. Sozio-emotionale Faktoren beinhalten psychosoziale Identitätsfunktionen (z. B. Bestätigung des Selbstwerts, Imageversprechen und soziale Integration) wie auch Belohnung durch Stimulation, Sicherheit, Leistung, Ernährung, Hilfeleistung und gesellschaftliche Unterstützung. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 143 unter Berufung auf Weiss, R. S. (1974). Vgl. Fournier, S. (2001), S. 143. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 143. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 34. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 34 unter Berufung auf Weiss, R. S. (1974), S. 17–26. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 142ff.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

35

gen – der Dynamik von Beziehungen. Es wird davon ausgegangen, dass Beziehungen sich entwickeln. Entsprechend beginnen sie, sie verlaufen und sie enden. Durch Stufenmodelle werden Entwicklungen von Beziehungen im Verlauf ihrer Zielorientierung abgebildet.174 Diese werden zunehmend kritisiert, da sie der Komplexität der Beziehungsausgestaltung nicht gerecht werden. Phasenmodelle erscheinen entsprechend als geeigneter. Auch Phasen, die aus stabilen Interaktionsmustern und Beziehungsschemata bestehen, folgen zwar aufeinander, ihnen liegt jedoch kein vorgegebener Prozess zur Zielerreichung zugrunde. Die Phasenübergänge werden sowohl von inneren (beispielsweise ein Zufriedenheitsverlust, der zu Neuanpassungen führt) als auch von äußeren Umständen (Schulabschlüsse ergeben Veränderungen von Freundschaften) determiniert.175 Das Phasenmodell von LEVINGER176 hat sich in der Literatur durchgesetzt. Die Beziehung wird im Rahmen dieses Modells in fünf Phasen unterteilt, die sich jeweils durch veränderte Ausprägungen des Beziehungstyps und des Intensitätsgrads unterscheiden.177

Abbildung B5: Beziehungen als dynamischer Prozess Quelle: In Anlehnung an Levinger, G. (1983), S. 315–359

Die Komplexität der Beziehungen führte zu unterschiedlichsten Klassifizierungen, von denen sich bis heute in der Literatur keine nachhaltig durchgesetzt hat. Häufig genannt werden grundlegend Beziehungsklassifikationen nach dem Verwandtschaftsgrad oder der genetischen Ähnlichkeit der Bezugspersonen. Darüber hinaus gilt sowohl das Interaktionsmuster als auch das Beziehungsschema der Beziehungen als Kategorisierungskriterium. Insbesondere die Betrachtung des Merkmals der psychischen Nähe wird zur Unterscheidung von Beziehungsarten als geeignet erachtet. Entsprechend kommt psychischen Konstrukten wie Enge, Intimität, Liebe, Sexualität, Bindung und Unterstützung eine hohe Bedeutung zu.178 Aufbauend auf den Überlegungen zur Beziehungsklassifikation nach psychischen Merkmalen, wird dem Konstrukt Beziehungsqualität eine entscheidende Rolle zur Erfassung von Beziehungen zugesprochen. Aufgrund der Komplexität der Beziehungen ist jedoch keine einheitliche Erfassung des Konstrukts Beziehungsqualität

174

175 176 177 178

So können exemplarisch folgende Stufen aufeinander folgen: Orientierung, Konflikt, Anpassung, Performanz und Auflösung. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 36. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 36f. Vgl. Levinger, G. (1983). Vgl. Fournier, S. (1998), S. 346 unter Berufung auf Levinger, G. (1983), S. 315–319. Vgl. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 20–28.

36

B

Theoretische Grundlagen

entstanden. So ist Beziehungsqualität die am häufigsten untersuchte Variable in der Literatur zu menschlichen Beziehungen179, weist jedoch keine einheitliche Konzeptualisierung auf.180 Über die hohe Bedeutung der Beziehungsqualität als umfassendes Konstrukt, das beziehungsbezogene Konsequenzen bewirkt, ist sich die Wissenschaft jedoch einig. Beispielsweise sind Anpassungstendenzen, voreingenommene Wahrnehmung und Attribution sowie Beziehungsstabilität und -befriedigung anzuführen.181 Bevor die Übertragung der soziopsychologischen Erkenntnisse auf den Markenzusammenhang erfolgt, wird an dieser Stelle auf kulturelle Differenzen des Beziehungsphänomens und insbesondere der Beziehungsqualität hingewiesen. So postulieren ASENDORPF/BANSE: „Messverfahren zur Erfassung der Beziehungsqualität können für manche Kulturen ungeeignet sein, weil sie aufgrund kultureller Besonderheiten nicht ausreichend zwischen Beziehungen differenzieren.“182. Diese Differenzen werden gleichermaßen für die im Folgenden betrachtete Markenbeziehungsqualität erwartet. Die Problematik wird in dieser Arbeit berücksichtigt und so werden zusätzlich qualitative Forschungsmethoden herangezogen, um entsprechenden Verwässerungen vorzubeugen. An dieser Stelle wird gleichermaßen auf die Geschlechts- sowie Altersspezifik von Beziehungen hingewiesen. Vorherrschend in der Literatur ist beispielsweise die Auffassung über Intensitätsunterschiede in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern. Demnach erfahren Frauen eine stärkere Intensität und Emotionalität in Beziehungen.183 Beziehungen im Alter weisen zusätzlich Unterschiede auf.184 Auf diese Differenzen soll an dieser Stelle nicht detailliert eingegangen werden, da sie im Rahmen der Erläuterungen zur Auswahl einer Zielgruppe detailliert diskutiert werden und der Hinweis an dieser Stelle vielmehr der theoretischen Korrektheit dient. 1.3.4.2

Grundlagen der Markenbeziehungstheorie

Über die selektiv dargestellten Ansätze einer möglichst umfassenden Konzeptualisierung des Loyalitätskonstrukts hinaus ist in der verhaltenswissenschaftlichen Marketingliteratur ein zunehmendes Interesse an Erklärungsansätzen zu KonsumentenMarkenbeziehungen erkennbar. Obwohl in der Literatur nur vereinzelt Beiträge hinsichtlich der Beziehungsforschung im Markenzusammenhang zu verzeichnen sind, lässt sich dennoch insbesondere in jüngerer Zeit ein vermehrtes Interesse erkennen. Loyalitätsansätze werden aus dem Blickwinkel der Markenbeziehungsforschung

179 180 181 182 183 184

Vgl. Fournier, S. (2001), S. 155. Vgl. detailliert Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 29–33. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 363. Asendorpf, J./Banse, R. (2000), S. 273. Vgl. Sherrod, D. (1989), S. 164–186; vgl. Wood, J. T. (2000), S. 306. Vgl. beispielsweise Blieszner, R. (2000), S. 85–95.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

37

überwiegend als rein kognitive utilitaristische Prozesse angesehen. Obwohl Loyalität als eine Art der Beziehungen verstanden wird, bleibt die Identifikation verschiedenster darüber hinausgehender Beziehungsformen unbeachtet. Ansätze der Markenbeziehungen gelten demnach als Weiterentwicklungen.185 Grundsätzlich existieren zwei Ansatzpunkte für die Entwicklung der Theorie der Markenbeziehungen. Einen Ansatzpunkt stellen die Forschungserkenntnisse der Sozialpsychologie des Themenkomplexes menschlicher Beziehungen dar. Darauf aufbauende Überlegungen zum Phänomen der Markenbeziehungen können in einer Arbeit von BLACKSTON186 gefunden werden. Markenbeziehungen werden demnach verstanden als „analogue – between brand and consumer – of that complex of cognitive, affective, and behavioral processes which constitute a relationship between two people“187. Dieses Zitat betont die vorausgesetzte Parallelität des Phänomens Beziehungen zwischen den Forschungsbereichen. Einen weiteren Ansatzpunkt zur Betrachtung von Markenbeziehungen stellt die in der Literatur weit anerkannte Theorie der Markenpersönlichkeiten188 dar. So folgt FOURNIER189 dem Zitat von BLACKSTON „a brand is a logical extension of the idea of a brand personality“190 und setzt sich grundlegend mit dem Phänomen der Markenbeziehungen auseinander.191 Unterstützend weisen sowohl theoretische Plausibilitätsüberlegungen192 als auch empirische Forschungserkenntnisse193 auf den Zusammenhang zwischen Markenpersönlichkeiten und Markenbeziehungen hin. Die Konkretisierung dieses Zusammenhangs steht aktuell im Interesse der Forschung. Zu nennen ist eine derzeitige Forschungsarbeit von KILIAN, die sich die Erforschung der Wirkungszusammenhänge zwischen der Kongruenz der Konsumen-

185

186 187 188 189

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192

193

Vgl. Fournier, S. (1998), S. 343; zur Differenzierung zwischen Loyalitätskonzepten und deren Optimierung durch die Erfassung von Markenbeziehungen vgl. Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472. Vgl. Blackston, M. (1992), S. 79–83. Blackston, M. (1992a), S. 80; Blackston, M. (2000), S. 102. Vgl. Aaker, J. L. (1997), S. 347–357. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163. Blackston, M. (1992a), S. 80; Blackston, M. (2000), S. 102. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163. Vgl. insbesondere die Erfassung der Zusammenhänge nach AAKER, der das RelationshipBasis-Modell als einen Wirkungsansatz zur Markenpersönlichkeit ansieht. Vgl. Aaker, D. (1996), S. 159–167; vgl. hierzu Herrmann, A./Huber, F./Braunstein, C. (2001), S. 114. Grundlegend sei die Untersuchung von HAYES/CAPELLA/ALFORD zu nennen, denen es gelingt den Zusammenhang empirisch nachzuweisen. Vgl. Hayes, J. B./Capella, L. M./ Alford, B. L. (2000), S. 1–21; vgl. u. a. die Studie von AAKER/FOURNIER/BRASEL., die die Bedeutung der Markenpersönlichkeiten auf ausgewählte Dimensionen der Beziehungsqualität im Zusammenhang mit Markenkrisen nachweisen. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./ Brasel, S. A. (2004), S. 1–17; vgl. hierzu detailliert Teil C dieser Arbeit.

38

B

Theoretische Grundlagen

ten- und Markenpersönlichkeit und unterschiedlichen Beziehungstypen sowie der Beziehungsqualität zum Ziel setzt.194 Drei bedeutende Arbeiten sind im Bereich der Markenbeziehungstheorie vorzustellen, die sich sowohl hinsichtlich des Untersuchungsschwerpunktes als auch hinsichtlich der zugrunde liegenden Auffassung der Beziehungsdefinition grundlegend unterscheiden. So stellt BLACKSTON195 die Wechselseitigkeit von Beziehungen in den Vordergrund. Sein Verständnis der Markenbeziehungen geht demnach über die Begründung der Markenbeziehungen durch die Wahrnehmung von Markenpersönlichkeiten seitens der Konsumenten hinaus. BLACKSTON betont die Aktivität der Marke als Grundvoraussetzung für die Existenz von Markenbeziehungen. Eine wesentliche Erkenntnis ist die Feststellung, dass trotz identischer Wahrnehmung der Persönlichkeit einer Marke unterschiedliche Beziehungen zustande kommen. Diese Annahme begründet er durch existierende Unterschiede in den Einstellungen und Verhaltensweisen seitens der Marke. Demnach wird der Einstellung der Marke hinsichtlich der Konsumenten und der Verhaltensweise der Marke eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die Entwicklung von Konsumenten-Markenbeziehungen zugesprochen.196 AAKER197 identifiziert auf der Grundlage von Markenpersönlichkeiten freundschaftsähnliche Markenbeziehungen, die durch Verlässlichkeit und Beständigkeit einen Ausgleich zum Alltagsstress darstellen.198 In dieser Auffassung wird jedoch nicht zwischen der Beziehung zu einer Marke und der Marke in Verbindung mit dem funktionalen Produktnutzen differenziert.199 Die umfassendste Arbeit im Bereich der Konsumenten-Markenbeziehungen liefert FOURNIER200. Auf Basis umfangreicher Theoriearbeit sowie qualitativer empirischer Forschung in Form phänomenologischer Tiefeninterviews201 mit Frauen unterschiedlichen Alters und differierenden Lebensgeschichten entwickelt sie eine Theorie, die sie selbst wie folgt bezeichnet: „Ein umfassender, beziehungsorientierter Ansatz zu den Interaktionen zwischen Konsumenten und Marken, der mit den grundlegenden Beziehungsprinzipien beginnt und einen integrativen Rahmen aufbaut, um die Form und die Dynamik dieser Interaktionen im täglichen Leben zu erklären und 194

195 196 197 198 199 200 201

Eine entsprechende Veröffentlichung wird von KILIAN erwartet. Zu Vorergebnissen vgl. Kilian, K. (2004), S. 3. KILIAN untersucht darüber hinaus den Zusammenhang zwischen Markenpersönlichkeiten und der entsprechenden Beziehungstypen bzw. der entsprechenden Beziehungsqualität. Vgl. Kilian, K. (2004), S. 3. Vgl. Blackston, M. (1993), S. 113–124. Vgl. Blackston, M. (1993), S. 113–124. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 160f. Vgl. Aaker, D. A. (1996), S. 160f.; vgl. zusammenfassend Hieronimus, F. (2003), S. 98. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 368; vgl. ähnlich Hieronimus, F. (2003), S. 99. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373. Phänomenologische Interviews ermöglichen im Gegensatz zu stark strukturierten Untersuchungsansätzen ein Verständnis der subjektiven Bedeutung von Erfahrungen der Befragten mit der Marke. Für einen Überblick der Untersuchungsansätze vgl. Thompson, C./Locander, W./ Pollio, H. (1989), S. 133ff.; die Lehre der Phänomenologie vgl. Lamnek, S. (1995), S. 58ff.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

39

zu erforschen.“202 Entsprechend wird der hohen Bedeutung der Forschungsarbeiten von FOURNIER durch eine ausführliche Diskussion innerhalb des folgenden Kapitels Rechnung getragen. Zunächst werden die auf den vorgestellten Ansätzen basierenden Grundlagen zum Verständnis der Markenbeziehungen kurz zusammengefasst und aus dem Blickwinkel der vorliegenden Forschungsintention beleuchtet. Es sei erneut darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit, abweichend von Diskussionen zum Grad der Vitalität von Marken, zahlreichen theoretischen sowie empirischen Arbeiten angeschlossen wird, die Marketingaktionen als Handlungen von Marken ansehen und die Markenbeziehung als beziehungsähnliches Phänomen betrachten, das eine Sinnstiftung unter Identitätsaspekten beinhaltet. Mit dem Ziel einer einheitlichen Definition schließt sich die vorliegende Arbeit der Definition von BLACKSTON an, da sie eine ideale Basis für die folgende Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen von FOURNIER darstellt, indem sie den Schwerpunkt auf die Dyadik203 der Beziehung und daraus resultierende Bedeutungen legt. Insbesondere in Anbetracht des Kontextes der vorliegenden Arbeit, in dem Handlungen der Marke zu der im Fokus stehenden ereignisinduzierten Markenkrise führen und der Einstellung der Marke eine hohe Relevanz zukommt, erscheint diese Definition nach BLACKSTON als besonders geeignet. Eine Markenbeziehung wird demnach grundlegend verstanden als „… the interaction between consumer’s attitudes toward the brand and the brand’s attitudes toward the consumer“204. Nach der inhaltlichen Klärung des Phänomens soll an dieser Stelle die Einordnung des Phänomens in den verhaltenswissenschaftlichen Marketingkontext erfolgen. KRESSMANN et al.205 differenzieren im Kontext von Markeneinstellungen zwischen einem utilitaristischen, einem expressiven und einem relationalen Teil der Markeneinstellung. So ist eine Konsumenten-Markenbeziehung auch in dem dieser Arbeit zugrunde liegenden Verständnis dem relationalen Teil der Markeneinstellung zuzuordnen, der im Gegensatz zum utilitaristischen oder rein expressiven Teil der Markeneinstellung die vielfältigen zuvor diskutierten Vorteile durch die Beziehung zur Marke betont.206 Es sei darauf hingewiesen, dass diese Einteilung keine absolute Abgrenzung darstellt, da die Bereiche aufgrund ihrer Überschneidungen nicht separat betrachtet werden sollten. Die Beziehung zwischen Konsumenten und Marken ist demnach ein multikomplexes Konstrukt, dessen Erforschung über die bestehenden Ansätze hinaus einer detaillierten Konkretisierung bedarf, was entsprechend ein Teilziel dieser Arbeit darstellt.

202 203

204 205 206

Fournier, S. (2001), S. 138. Erste Überlegungen zur Dyadik von Beziehungen sind auch im Zusammenhang von Geschäftsbeziehungen aufzufinden, wie beispielsweise im Commitment-Modell von Söllner. Es wird dort ausschließlich das gegenseitige Commitment betrachtet. Vgl. Plinke, W./Söllner, A. (1998), S. 65–79. Blackston, M. (1993), S. 113. Vgl. Kressmann, F. et al. (2003), S. 403. Vgl. Kressmann, F. et al. (2003), S. 403.

40

B

1.3.4.3

Theoretische Grundlagen

Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen nach FOURNIER 207

Bevor eine ausführliche Darstellung der Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen von FOURNIER erfolgt, soll der Ausgangspunkt ihrer Forschungsarbeiten kurz wiederholend zusammengefasst werden:208 • Trotz der zunehmenden Bedeutung des Beziehungsmarketings sind wissenschaftliche Veröffentlichungen innerhalb des Themenkomplexes relativ rar. Die bis dahin vorliegenden Arbeiten können überwiegend als eher praxisorientiert bezeichnet werden. • Ideen wurden teilweise vorschnell und ohne Grundlage angewandt. • Es gibt kaum Veröffentlichungen zum Beziehungsmarketing im Konsumgüterbereich, entsprechend wurde die Betrachtung von Beziehungen zu Marken vernachlässigt. • Am ähnlichsten erscheint die Literatur zur Markenloyalität. Entsprechendes Forschungsinteresse nimmt jedoch ab. Loyalität enthält zwar einen Beziehungscharakter, der in den Loyalitätsforschungen jedoch überwiegend vernachlässigt wird. Loyalität wird demnach meist als „einengende kognitive utilitaristische Entscheidungsfindung“ abgebildet. • Konkretisierungen sowie Operationalisierungen beziehungsähnlicher Phänomene fehlen. • Obwohl Teilaspekte vertieft wurden, die zur Begründung von Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken dienen, entstand kein begründeter und umfassender beziehungsbezogener Rahmen der Konsumenten-Markenbeziehungen. Obwohl diese Auflistung dem Jahr 1998 entstammt und den damaligen Forschungsstand darstellt, dient sie als elementare Verständnisgrundlage, an der die Arbeiten von FOURNIER209 ansetzen. Aufgrund der aufgezeigten Forschungsdefizite im Bereich der Konsumenten-Markenbeziehungen beginnt FOURNIER ihre Forschungen mit drei primären Zielen.210 Im Gegensatz zur zahlreich vorhandenen Literatur zum Relationship Marketing im Bereich der Geschäftsbeziehungen beabsichtigt sie die Entwicklung einer validen Grundlage zur Begründung der Existenz von Konsumenten-Markenbeziehungen. Inbegriffen sind die zuvor dargestellte Diskussion zur Vermenschlichung von Marken sowie die empirische Überprüfung der Existenz der Konsumenten-Markenbeziehungen. Über diese grundlegende Aufarbeitung des Phänomens hinaus setzt sich FOURNIER zum Ziel, Formen und Arten von Konsumenten-Markenbeziehungen zu identifizieren und deren Verlaufsformen aufzudecken. Zusätzlich beabsichtigt FOURNIER die Konkretisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität, das aufbauenden Forschungsarbeiten als Grundlage dienen könnte.211 207

208 209 210 211

Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163. In Anlehnung an Fournier, S. (1998), S. 343f.; vgl. Fournier, S. (2001), S. 137. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 343. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

41

Insbesondere im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird diesem Konstrukt eine hohe Bedeutung beigemessen, da angenommen wird, dass die Markenbeziehungsqualität – aktualisiert sowie situations- und zielgruppenspezifisch angepasst – als verhaltenswirksame Variable das Konsumentenverhalten insbesondere in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen beeinflusst. Da die Forschungserkenntnisse von FOURNIER eine Grundlage, jedoch aufgrund der hermeneutischen Vorgehensweise lediglich Gedankenansätze und entsprechende Forschungsanregungen darstellen, wird in der folgenden Darstellung lediglich selektiv vorgegangen. Die ausgewählten Erkenntnisse von FOURNIER werden anschließend im Hinblick auf diese Zielstellung der vorliegenden Arbeit diskutiert. So sei erwähnt, dass FOURNIER sich vor der Erforschung von KonsumentenMarkenbeziehungen mit der Bedeutung von Besitztümern und dem Produktnutzen für den Konsumenten in der materialistischen Gesellschaft befasst.212 Sie entwickelt eine Typologie unterschiedlicher Produktkategorien basierend auf deren Bedeutungen für den Konsumenten.213 So lassen sich folgende Kategorien identifizieren:214 • Objects of Utility, deren reine Funktionalität von Bedeutung ist (z. B. Dosenöffner), • Objects of Action, bei denen die durch das Objekt gewonnene Erfahrung im Fokus steht (z.B. Roman), • Objects of Appreciation, die sich durch eine starke Schätzung auszeichnen (z. B. guter Wein), • Objects of Transition, die einen Lebenswechsel begleiten und positive Gefühle initiieren (z.B. alter Schulpullover), • Objects of Childhood, die positive Kindheitsgefühle wiedergeben (z. B. Kinderfernsehen), • Objects of Personal Identity, die in Zusammenhang mit der eigenen Persönlichkeit stehen (z.B. Bücher der Freizeitvorlieben, Fahrradausrüstung), • Objects of Position and Role, die einen Status ausdrücken (z. B. Reiseerfahrungen) sowie • Ritual Enhancers, die mit einer Gewohnheit verbundenen Objekte, die außerhalb dieses Rituals nur geringe Bedeutung innehalten (z. B. der Kaffee am Morgen). An dieser Stelle sei erneut betont, dass diese Überlegungen von FOURNIER lediglich Gedankenansätze darstellen, die ohne tief greifende Überprüfung verbleiben. Auch die Kategorisierung der Produktbeispiele bedarf einer kritischen Betrachtung sowie vertiefender Konkretisierung. Die Auflistung der unterschiedlichen Produkt212

213

214

Vgl. Fournier, S./Guiry, M. (1993), S. 352–358; vgl. Fournier, S./Richins, M. L. (1991), S. 403–414. Der interessierte Leser sei auf eine aktuelle Veröffentlichung verwiesen, die eine umfassende Literaturaufbereitung im Rahmen einer Untersuchung im Bereich des Materialismus aus der Werteperspektive bietet. Vgl. Burroughs, J. D./Rindfleisch, A. (2002), S. 348–370. Vgl. Fournier, S. (1991), S. 736–742. Auch Ahuvia, A. (1993) beschäftigt sich mit der Bedeutung von Objekten für den Konsumenten und leitet daraus Ansätze zur Markenbeziehung ab. Vgl. Fournier, S. (1995), S. 661. Vgl. Fournier, S. (1991), S. 739f.

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B

Theoretische Grundlagen

bedeutungen ist an dieser Stelle der Arbeit dennoch aufgeführt, um dem Leser einen Eindruck über die Vielfalt der Bedeutungsmöglichkeiten von Produkten zu vermitteln, auf die die anschließend im Mittelpunkt der Arbeit stehenden KonsumentenMarkenbeziehungen aufbauen. Die Erforschung der Konsumenten-Markenbeziehungen baut FOURNIER auf einigen Basisannahmen auf, die an dieser Stelle kurz vorgestellt werden, da sie auch für die vorliegende Untersuchung grundlegend dienen: • In Übereinstimmung mit BLACKSTON stellt FOURNIER die Interaktionen zwischen Konsument und Marke in den Mittelpunkt der Betrachtungen und betont deren Notwendigkeit für die Legitimation der Marke als Beziehungspartner. Die Markenaktivität muss für den Konsumenten wahrnehmbar sein, was durch gezielte Markenkommunikation sowie belebte Markencharaktere erreicht werden kann. Demnach werden „Marketingaktionen als ein Bündel von Verhaltensweisen“215 der Marke verstanden und entsprechend vom Konsumenten aufgefasst.216 Die resultierende partielle Vermenschlichung der Marke befürwortet die Akzeptanz der Marke als aktiven Beziehungspartner und stellt wie eingangs postuliert die Diskussion zum Grad der Vitalität der Marken in den Hintergrund. • Hinsichtlich der Beziehungsanreize übernimmt FOURNIER die Erkenntnisse der Beziehungsforschung und erklärt insbesondere die psychologische, die soziokulturelle sowie die relationale Sinnquelle von Beziehungen zur Übertragung in den Markenzusammenhang als geeignet.217 Die Erkenntnisse der Sozialpsychologie stellen auch hinsichtlich der Analyse der Formen bzw. Arten von Beziehungen einen Ausgangspunkt für die folgenden Untersuchungen dar.218 Zur Methodik der grundlegenden Studie von FOURNIER219 sei betont, dass die Autorin ausschließlich phänomenologische Interviews führt.220 Durch die vorangestellte Diskussion der Forschungsintentionen der Untersuchung von FOURNIER wurde die Notwendigkeit einer explorativen Herangehensweise der Erhebung deut215 216 217 218 219

220

Fournier, S. (2001), S. 140. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 345; vgl. Fournier, S. (2001), S. 140. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 345ff.; vgl. Fournier, S. (2001), S. 141ff. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 346; vgl. Fournier, S. (2001), S. 143. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163. Zugunsten der Tiefgründigkeit der geführten Interviews wurde lediglich eine geringe Anzahl an Testpersonen ausgewählt. So wurde eine Serie von 4–5 Interviews von jeweils 12–15 Stunden durchgeführt. Die Interviews enthielten zwei wesentliche Befragungsbestandteile. Einerseits spielte die direkte Befragung der Testpersonen zur Nutzungsgeschichte sämtlicher von ihnen genutzter Marken eine wesentliche Rolle. Andererseits wurden Details der „Lebenswelt“ der Testpersonen erhoben, die die Erfassung von Geschichten zur Entstehung, Entwicklung und Verwendung der Marken ermöglichten. Insgesamt wurden 112 Markengeschichten erfasst. Es handelte sich hierbei im Wesentlichen um Marken des Verbrauchs- und Gebrauchsgütermarktes. Vereinzelt wurden Erfahrungen zu Dienstleistungsmarken zusätzlich erfasst, so dass ein vollständiges Bild über die Bezie(Forts. nächste Seite) hungen zwischen Konsumenten und Marken generiert wurde.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

43

lich. So eignet sich ein entsprechendes Vorgehen zur Verständnisgenerierung von Phänomenen. Insbesondere zur Validierung des Phänomens der KonsumentenMarkenbeziehung liefert diese Form der Interviews sehr gute Erkenntnisse. Dieses Vorgehen unterscheidet sich sehr von stark strukturierten Untersuchungsansätzen. So eignen sich entsprechende Ergebnisse häufig als Basisverständnis und liefern Gedankenanregungen zu anschließender Konkretisierung.221 Im Sinne des beabsichtigten Erkenntnisgewinns bediente sich FOURNIER sowohl idiographischer als auch personenübergreifender Analysen. Ziel der idiographischen Analyse ist der Erkenntnisgewinn über Beziehungen eines Individuums insbesondere hinsichtlich der vorherrschenden Markennetzwerke. Die Gesamtheit der Markenbeziehungen eines Konsumenten und die zugrunde liegenden persönlichen Bedeutungen wurden in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt. Ergänzend liefert die personenübergreifende Analyse Erkenntnisse über Muster von Markenbeziehungen. Diese Muster dienten als Grundlage zur Erarbeitung der beabsichtigten Strukturierung und Konkretisierung von Konsumenten-Markenbeziehungen.222 Da die Erkenntnisse der idiographischen Analyse lediglich das Verständnis der Beziehung zwischen Konsumenten und Marken hervorrufen, empirisch jedoch recht unerforscht verbleiben und nicht direkt von Interesse für die vorliegende Forschungsarbeit sind, sollen an dieser Stelle lediglich die elementaren Erkenntnisse kurz aufgeführt werden:223 • Durch die Analyse sämtlicher Markenbeziehungen einer Person, einer Gegenüberstellung der jeweiligen Lebenswelten und einer Analyse der Bedeutungen der Marken für die entsprechende Konsumentin wurde deutlich, dass für jede der befragten Frauen „… an interconnected web of brands that contributed to the enactment, exploration, or resolution of centrally held identity issues“224 existiert. Dieses Netzwerk von Marken mit unterschiedlichsten Bedeutungen im Leben der Konsumenten wurde von FOURNIER auch als Markenportfolio bezeichnet.

221

222 223 224

Als Testpersonen wurden folgende Frauen ausgewählt: Jean, 59 Jahre alt, Bedienung, lebt mit ihrem Ehemann zusammen, Karen, 39 Jahre alt, berufstätig, geschieden, zwei Kinder, und Vicki, 23 Jahre alt, Studentin im letzten Studienjahr. Die Fokussierung auf das weibliche Geschlecht geschah bewusst, da diese entsprechend vorangegangener Untersuchungen weitaus emotionalere Beziehungen aufweisen. FOURNIER betont, dass die beabsichtigten Alters- und Lebenszyklusunterschiede der ausgewählten Testpersonen, die umfassende Beleuchtung variierender soziokultureller Faktoren und der Markenbeziehungen ermöglicht. Es wird erwartet, dass insbesondere die Testpersonen, die sich in Phasen des Lebenswechsels befinden, sowohl Aufschluss über Identitätsbildungen als auch über die Dynamik von Markenbeziehungen geben. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 347. Für einen Überblick der Untersuchungsansätze vgl. Thompson, C./ Locander, W./Pollio, H. (1989), S. 133ff.; zur Lehre der Phänomenologie vgl. Lamnek, S. (1995), S. 58 ff. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 347. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 147f. Fournier, S. (1998), S. 359.

44

B

Theoretische Grundlagen

• Auch die Bestätigung der zuvor postulierten Sinnstiftung von Beziehungen ist im Zusammenhang mit Marken eine wesentliche Erkenntnis, die durch die Auswertung der Markenportfolios erlangt werden konnte. Zusammenfassend betont FOURNIER, dass im Rahmen ihrer Ergebnisse die Persönlichkeit der Konsumenten und eine entsprechende Sinngebung als Grundlagen für die Existenz von Konsumenten-Markenbeziehungen angesehen werden.225 Jedoch ist sie der Meinung, dass die Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen vermehrt auf Zielkompatibilitäten beruht als auf der Kongruenz von Konsumenten und Markenpersönlichkeiten: „Consumer-brand relationships are more a matter of perceived goal compatibility than congruence between discreet product attributes and personality trait images“226. Neuere Forschungserkenntnisse widersprechen dieser Auffassung.227 Es wird im Rahmen dieser Arbeit davon ausgegangen, dass hohe Interdependenzen zwischen den zwei Ansatzpunkten bestehen. Im Mittelpunkt steht jedoch die Zielkompatibilität, wie sie von FOURNIER als Basisbestandteil der Konsumenten-Markenbeziehung verstanden wird. Mittels der personenübergreifenden Analyse erlangt FOURNIER die Erkenntnis, dass verschiedene Typen von Markenbeziehungen existieren. Sie identifiziert 15 verschiedene Markenbeziehungsformen, die im Folgenden tabellarisch aufgeführt werden. Es soll an dieser Stelle vorweggenommen werden, dass auch diese Forschungserkenntnisse sich von klassischen empirisch bestätigten Forschungserkenntnissen im Sinne des Kritischen Rationalismus bedeutend unterscheiden. Dennoch stellt die Beleuchtung des Phänomens Konsumenten-Markenbeziehung den Ursprung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität dar, das das Interesse der Autorin geweckt hat. So sollen die bisherigen Gedankenanregungen im Rahmen dieser Arbeit konkretisiert und empirisch überprüft werden. Die Formen von Konsumenten-Markenbeziehungen nach FOURNIER werden in Tabelle B2 zusammenfassend dargestellt. Tabelle B2: Formen der Konsumenten-Markenbeziehungen nach FOURNIER Quelle: In Anlehnung an Fournier, S. (1998), S. 362; vgl. ähnlich Fournier, S. (2001), S. 152; vgl. ähnlich Fournier, S. (1994), S. 106 [in Anlehnung an die Übersetzung von Kilian, K. (2003)]

Beziehungsform

Definition

Zwangsheirat (arrangierte Ehe)

Unfreiwillige Verbindung, auferlegt durch Präferenzen Dritter. Vorgesehen als langfristige, exklusive Bindung, jedoch auf geringem emotionalen Niveau.

Bekanntschaft/ Freundschaft mit geringer Zuneigung und Vertrautheit, geprägt von Kameradschaft unregelmäßigen oder sporadischen Verabredungen und geringen (beiläufige Freundschaft) Erwartungen bezüglich Gegenseitigkeit oder Belohnung. 225 226 227

Vgl. Fournier, S. (2001), S. 150. Fournier, S. (1998), S. 366. Vgl. Kressmann, F. et al. (2003), S. 414.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

45

Tabelle B2 (Fortsetzung) Beziehungsform

Definition

Zweckgemeinschaft (Heirat aus Bequemlichkeit)

Langfristige, gebundene Beziehungen, beschleunigt durch Einflüsse aus dem Umfeld statt bewusster Wahl und geleitet von eigenen Zufriedenheitsansprüchen (Regeln).

Liebesheirat (Ehe aus Verbundenheit)

Langfristige, freiwillig herbeigeführte, vom sozialen Umfeld unterstützte Verbindung, geprägt von großer Liebe, Vertrautheit, innigem Vertrauen und dem Versprechen, auch unter ungünstigen Verhältnissen zusammenzubleiben; Befolgung von Alleinigkeitsansprüchen (Treue) erwartet.

Intensive Freundschaft Freiwillig gewählte Verbindung, basierend auf Gegenseitigkeit, (dicke Freunde) sichergestellt durch regelmäßig angebotene positive Belohnungen. Charakterisiert durch Offenlegung des wahren Ichs, Ehrlichkeit und Vertrautheit. Übereinstimmung der Partnervorstellungen und gemeinsame persönliche Interessen. Interessengemeinschaft (Nischenfreundschaft)

Hochspezialisierte, situationsbezogen beschränkte, andauernde Freundschaften, geprägt durch geringere Vertrautheit als bei anderen Freundschaften, aber höhere sozio-emotionale Belohnungen und gegenseitige Abhängigkeiten; leicht zu beginnen und wieder zu beenden.

Verwandtschaftsbezie- Unfreiwillige Verbindung durch familiäre Bindung aufgrund von hung (Abstammung) Abstammung. Ersatz-/Vermeidungs- Verbindung aufgrund überstürzten Verlangens, von früherem oder beziehung (Fluchtverfügbarem Partner wegzukommen, anstelle einer vom Partner auspartner) gehenden Anziehungskraft. Jugendfreundschaft Unregelmäßig in Anspruch genommene, emotionsgeladene Bezie(Kindheitserinnerung) hung, die an frühere Zeiten erinnert; gewährt Trost und Behaglichkeit, ermöglicht die Bewahrung der eigenen Vergangenheit. Brautschau (um Partner werben)

Übergangsstadium einer Beziehung auf dem Weg zum Bund der Ehe.

Verfallenheit (blind vor Liebe)

Hochemotionale, eigennützige und von Besessenheit geprägte Anziehungskraft, zementiert im Gefühl, der andere sei unersetzlich, Trennung vom anderen führt zu Besorgnis; zu hochgradiger Toleranz gegenüber Überschreitungen durch den anderen führend.

Flüchtige Liebschaften Kurze, zeitlich begrenzte Verabredungen mit hoher emotionaler Belohnung, aber bar jedweder Bindung und gegenseitiger Ansprüche. Feindschaftliche Beziehung (Hass-Liebe)

Heftige, einnehmende Beziehung, geprägt durch negative Beeinflussung und den Wunsch, dem anderen Schmerzen vorzuenthalten oder zuzufügen.

Heimliche Affäre (fremdgehen)

Starke gefühlsbetonte, geheim gehaltene Beziehung, deren Bekanntwerden als gefährlich angesehen wird.

Knechtung (Abhängigkeit/ Hörigkeit)

Unfreiwillige Verbindung, vollständig beherrscht von den Wünschen des Beziehungspartners; beinhaltet negative Gefühle, wird jedoch aufgrund der Umstände aufrechterhalten.

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B

Theoretische Grundlagen

Diese unterschiedlichen Formen der Markenbeziehungen geben schon an dieser Stelle erste Hinweise über starke Abweichungen hinsichtlich der Intensität und Dauerhaftigkeit der entsprechenden Beziehungen. An dieser Stelle setzen erste Überlegungen zur Identifikation des Konstrukts Markenbeziehungsqualität228 an, das die Güte der Markenbeziehungen erfasst. Wie zuvor erläutert, stammt das Konstrukt Beziehungsqualität229 aus dem interpersonellen Bereich und findet im Bereich des Marketings überwiegend Beachtung im Zusammenhang mit Geschäftsbeziehungen.230 Da der Bereich der Konsumgüter wie zuvor diskutiert durch seinen hohen Objekt- bzw. Markenbezug jedoch stark abweicht, erfordert dies auch eine spezifische Konzeptualisierung dieses Konstrukts. So kann auf entsprechende Erkenntnisse zwar als Basis zurückgegriffen werden, die Annahme der problemlosen Übertragbarkeit entbehrt jedoch jeglicher Grundlage. FOURNIERs Forschungserkenntnisse zur Markenbeziehungsqualität erlangen demnach in deutlicher Abgrenzung zu allgemeinen Geschäftsbeziehungen ihre Gültigkeit speziell in Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken, die wiederum charakterisierend für Beziehungen des Konsumgüterbereiches sind. Die Markenbeziehungsqualität wird in Anlehnung an die Auffassung von FOURNIER im Rahmen dieser Arbeit als ein „Qualitätsindikator zur Erfassung der facettenreichen Beziehung zwischen Konsument und Marke“ verstanden. Es wird angenommen, dass durch diesen Indikator Aussagen über die Stabilität und Dauer dieser Beziehung ermöglicht werden.231 Die Klärung dieser Frage steht im Mittelpunkt des Forschungsvorhabens der vorliegenden Arbeit. Durch die Gegenüberstellung ihrer erhobenen Markenbeziehungen identifiziert FOURNIER Faktoren, die die Stärke und Dauerhaftigkeit einer Markenbeziehung beeinflussen.232 Über den affektiven, den kognitiven sowie den konativen Bereich kristallisierten sich sechs Facetten heraus. Diese ursprünglich auf theoretischen psychologisch orientierten Überlegungen basierenden und anschließend durch die Gegenüberstellung der qualitativen Ergebnisse identifizierten Dimensionen des Konstrukts werden wie folgt dargestellt:233 228 229 230

231 232 233

Ursprünglich als „Brand Relationship Quality“ bezeichnet. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 363. Vgl. Hadwich, K. (2003); eine umfassende Übersicht der Forschungserkenntnisse zum Konstrukt Beziehungsqualität in Geschäftsbeziehungen bietet Georgi, D. (2000), S. 43; vgl. Bruhn, M. (2001), S. 67; vgl. Hennig-Thurau, T./Klee, A./Langer, M. F. (1999), S. 111–132. Eine Analyse zu unterschiedlichen Marktforschungsmethoden zur Erfassung der Beziehungsqualität von Geschäftsbeziehungen bietet Baumgarth, C./Stuhlert, M. (1999), S. 181–196. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 155. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 363. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 363–365; vgl. Fournier, S. (2001), S. 157. Die deutschen Übersetzungen entstammen dem Artikel Fournier, S. (2001), S. 135–163. Da der geläufige englische Begriff teilweise geeigneter erscheint, wird er stets mit aufgeführt und im folgenden Kapitel auf dieser Grundlage genutzt. Zahlreiche ähnliche auch deutschsprachige Zusammenfassungen sind der Literatur zu entnehmen. Vgl. beispielsweise Kressmann, F. et al. (2003), S. 403; vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 100ff.; vgl. Kilian, K. (2004), S. 13.

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Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

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• Liebe und Leidenschaft: Diese Dimension ist eine affektive Komponente des Konstrukts und drückt die Intensität der Beziehung sowie die emotionale Verankerung der Beziehung beim Konsumenten aus. Im Vergleich zur Markenpräferenz kann durch Liebe und Leidenschaft in Markenbeziehungen ein stärkerer Affekt erfasst werden, der ähnlich wie die Liebe in zwischenmenschlichen Beziehungen die Ausdauer und Tiefe der Beziehungen determiniert. Unersetzbarkeit und Einzigartigkeit kennzeichnet diese Dimension. Sogar soziopsychologische Phänomene wie Trennungsängste und Liebesempfindungen, wie Wärme und Zuneigung oder auch Leidenschaft, Vernarrtheit und eigennützige, obsessive Abhängigkeit konnten innerhalb von Markenbeziehungen beobachtet werden. • Verknüpfung der Marke mit der eigenen Identität (Self-Connection): Diese affektive Komponente verkörpert das Ausmaß der Sinnstiftung der Beziehung zur Marke aus Identitätsaspekten. Die Annahme, dass Markenbeziehungen durch die persönliche Identifizierung des Konsumenten mit der Marke eine hohe Bedeutung zur Persönlichkeitsbildung zukommt, wird durch diese Dimension der Markenbeziehungsqualität unterstützt. • Interdependenz: Diese im Bereich der Konation angeordnete Komponente stellt das Ausmaß der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen Konsument und Marke dar. Häufige Interaktionen mit der Marke, zunehmender Umfang sowie Verschiedenartigkeit der markenbezogenen Aktivitäten determinieren die Ausprägung dieser Dimension. Auch die gesteigerte individuelle Interaktion, die als Intensität einer Aktivität verstanden wird, spielt eine wesentliche Rolle. • Bindung (Commitment): Commitment kann im Sinne von Markenbindung und -schwüren als affektive Komponente in allen starken Markenbeziehungen beobachtet werden. Diese Art der Bindung beinhaltet den Willen, auch gegen das eigene Interesse die Markenbeziehung aufrechtzuerhalten. Eine Ursache für Bindung ist beispielsweise deren Integration in die eigene Identität im Sinne eigener Treueverpflichtungen. • Intimität: Diese kognitive Dimension der Markenbeziehungsqualität spiegelt das Ausmaß an gegenseitigen Wissensstrukturen zwischen Konsumenten und Marken wider. Demnach wird die resultierende Nähe zwischen den Beziehungspartnern ausgedrückt. Persönliche Assoziationen sowie Erfahrungen tragen dazu bei, den vertrauten Umgang herzustellen. Meist geht mit der Intimität ein Glaube an die Überlegenheit der Marke einher. • Qualität der Marke als Partner: Auch diese Dimension der Markenbeziehungsqualität ist im kognitiven Bereich angesiedelt und beschreibt die Konsumentenwahrnehmung der Marke im Sinne der Rollenerfüllung als Beziehungspartner. In ihrer Dissertation entwickelt FOURNIER aufbauend auf dieser Konzeptualisierung eine Skala zur Konstrukterfassung234, die sich in der Literatur jedoch nicht durchsetzen konnte. HIERONIMUS begründet die Probleme der Operationalisie234

Vgl. Fournier, S. (1994), S. 122–153.

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B

Theoretische Grundlagen

rung durch den Facettenreichtum des Konstrukts, da Markenbeziehungsqualität sowohl aus affektiven, kognitiven als auch aus konativen Komponenten besteht.235 Neben der ursprünglichen Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität konnten der Literatur vereinzelt weitere Konzeptualisierungen des Konstrukts Markenbeziehungsqualität jeweils mit stark differierenden Forschungsinhalten entnommen werden. Da an dieser Stelle der Schwerpunkt auf der Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität liegt und der Kontext der im Folgenden aufgelisteten Arbeit in Anbetracht der Zielstellung der vorliegenden Arbeit als irrelevant erscheint, wird auf die inhaltliche Erläuterung der Forschungserkenntnisse der aufgelisteten Arbeiten verzichtet. Tabelle B3 ist eine Auflistung der Ansätze zur Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität mit den jeweils ausgewählten Konstruktdimensionen zu entnehmen. Tabelle B3: Konzeptualisierungen der Markenbeziehungsqualität Autor Fournier 1998 Dimensionen BRQ Attraktivität

Hayes, Capella, Alford 2000

Thorbjörnsen et al. 2002

Park, Kim, Kim 2002

Kressmann et al. 2003

Aaker, Fournier, Brasel 2004

X

X

X

X

Commitment

X

Interdependenz

X

Intimität

X

Liebe & Leidenschaft

X

X

X X

Nostalgische Verbindung

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Partner Qualität

X

X

X

X

X

X

Self-Connection

X

X

X

X

X

X

Vertrauen Zufriedenheit

X X

Quelle: Eigene Erstellung

Es ist an dieser Stelle festzuhalten, dass all diese Ansätze unterschiedliche Ergebnisse hinsichtlich der beinhalteten Dimensionen des Konstrukts erlangen. Es sei darauf hingewiesen, dass die aktuelle Untersuchung von AAKER/FOURNIER/BRASEL236 sogar von dem Begriff Markenbeziehungsqualität absieht und ein derartiges Konstrukt erstmals als „Brand Relationship Strength“ (Markenbeziehungsstärke) bezeichnet.237 235 236 237

Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 101. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 8. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 8.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

49

Resultierend bleibt zu betonen, dass nach aktuellem Stand der Forschung weder eine einheitlich anerkannte und bestätigte englischsprachige noch eine deutschsprachige Skala des Konstrukts Markenbeziehungsqualität existiert. So gibt FOURNIER an, dass sie sich selbst „in the midst of a large scale validation“238 befindet. Es ist demnach ein erstes Ziel dieser Arbeit, eine aktualisierte und optimierte Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität zu entwickeln und empirisch zu überprüfen und so den Forschungsbereich für zukünftige Forschungsarbeiten zugänglicher zu machen. FOURNIER integriert das Konstrukt in ein Basismodell der Markenbeziehungsqualität, das die erforschten Komponenten und deren Zusammenhänge aufzeigt.

Abbildung B6: Basismodell der Markenbeziehungsqualität Quelle: In Anlehnung an Fournier, S. (1998), S. 366; vgl. Fournier, S. (2001), S. 156; vgl. Esch, F. R. (2004), S. 106; vgl. ergänzend Kilian, K. (2004), S. 3

So wird postuliert, dass die Interaktion zwischen dem Konsumenten und der Marke bzw. seine Wahrnehmung des Markenverhaltens zu einer Markenbeziehung führt: „Brand relationship quality evolves through meaningful brand and consumer actions, as per the reciprocity principle on which all relationships are grounded“239. 238 239

Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 102 laut einer E-Mail von ihm an FOURNIER vom 31.05.2002. Fournier, S. (1998), S. 365; vgl. auch Park, J.-W./Kim, K.-H./Kim, J. (2002), S. 190.

50

B

Theoretische Grundlagen

Dementsprechend können Interaktionen zwischen Konsumenten und Marken die Qualität der Markenbeziehung entweder steigern oder reduzieren. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, dass diese Interaktionen keine Auswirkungen auf die Qualität der Konsumenten-Markenbeziehung haben.240 Diese Markenbeziehung lässt sich an dem facettenreichen Indikator Markenbeziehungsqualität messen. Nach Forschungserkenntnissen der Psychologie ist die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität verhaltenswirksam und kann entsprechend zur Stabilität und Dauerhaftigkeit von Beziehungen führen. Zur Überprüfung dieses Postulats im spezifischen Marketingkontext soll die folgende Arbeit einen Beitrag leisten. FOURNIER betont in ihren Schlussbemerkungen: „Put simply, consumers do not choose brands, they choose lives.“241 So betont sie die gewonnene Erkenntnis, dass Markenlandschaften dem Leben der Konsumenten eine besondere Sinnhaftigkeit zufügen. Jede Marke im Portfolio hat für den Konsumenten eine bestimmte Bedeutung, die subjektiv variiert.242 So stellt eine Marke für Süßigkeiten durch ihren Einsatz als Belohnung eine bestimmte Bedeutung für den entsprechenden Konsumenten dar. Die Zusammenstellung des Portfolios stellt die von FOURNIER zitierten Leben dar, für die sich die Konsumenten entscheiden. Markenportfolios als Gesamtheit der Beziehungen erscheinen demnach von besonderer Relevanz, obwohl sie bisher in der Literatur zugunsten detaillierter Analysen einzelner Aspekte (beispielsweise der Kongruenztheorie) vernachlässigt wurden.243 Auf FOURNIERs Erkenntnissen aufbauende Arbeiten werden nachfolgend kurz vorgestellt soweit sie in Anbetracht der Zielstellung dieser Arbeit von Bedeutung sind. So befasst sich eine Arbeit von BASU MONGA244 mit der Geschlechtsspezifik als Ansatzpunkt weiterer Forschungsvorhaben. Es werden Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich des Bereichs der Konsumenten-Markenbeziehungen untersucht und nach der exemplarischen Überprüfung dreier Beziehungsdimensionen das Ergebnis erzielt, dass Männer im Gegensatz zu Frauen eine weitaus geringere Wahrnehmung der Marke als aktiver Beziehungspartner aufweisen. Es wird 240 241 242

243 244

Vgl. Fournier, S. (1998), S. 159. Fournier, S. (1998), S. 367. Interessant erscheint in diesem Zusammenhang das Phänomen der Brand Communities als „a specialized, non-geographically bound community, based on a structured set of social relationships among admirers of a brand“. Vgl. Muniz, A. M./O’Guinn, T. C. (2001), S. 4. Brand Communities erweitern den Gedanken der dyadischen Beziehungen zwischen Konsument und Marke um weitere Beziehungen. Im Wesentlichen werden Beziehungen zwischen den einzelnen Konsumenten mit einbezogen. Die Verbindung der Nutzer der Marken steht im Mittelpunkt der Betrachtungen, was auf die zuvor aufgezeigten Bedeutungen von Marken für die eigenen Persönlichkeiten zurückzuführen ist. Vgl. Muniz, A. M./O’Guinn, T. C. (2001), S. 412–432; vgl. Schau, H. J./Muniz, A. M. (2002), S. 344–349; vgl. Schouten, J. W./McAlexander, J. (1995), S. 43–61. Eine umfassende qualitative sowie quantitative Studie veröffentlichten Schouten, J. W./McAlexander, J./Koenig, H. F. (2002), S. 38–54. Vgl. Fournier, S. (2001), S. 160. Vgl. Basu Monga, A. (2002), S. 36–42.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

51

abgeleitet, dass das männliche Geschlecht Markenbeziehungen eher als einseitig erfährt. An diesen Erkenntnissen setzt das Forschungsvorhaben von KILIAN245 an. In Anlehnung an Erkenntnisse der Psychologie geht er davon aus, die von FOURNIER identifizierten Beziehungen seien nicht direkt auf das männliche Geschlecht übertragbar. Aktuelle Vorabergebnisse stellen fest, dass die zuvor aufgelisteten Formen der Beziehungen für die Beschreibung der Markenbeziehungen der männlichen Konsumenten nicht ausreichen.246 Dem sich durch die allgemeine Anwendung der Ergebnisse von FOURNIER ergebenden Fehlerpotenzial wurde im Rahmen dieser Arbeit durch die Fokussierung einer Zielgruppe vorgebeugt. Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Forschungsbereich, der auf den vorgestellten Grundlagen von FOURNIER aufbaut, sind Überlegungen zum Verfall bzw. der Zerstörung von Konsumenten-Markenbeziehungen. So gewann die Autorin schon innerhalb der phänomenologischen Interviews Aufschluss über beziehungszerstörende Faktoren. Es kristallisierten sich zwei Arten des Beziehungsverfalls heraus: das „Entropy-Modell“ und das „Stress-Modell“. Das „Entropy-Modell“ geht von einem Beziehungsverfall durch zu geringe Bemühungen der Aufrechterhaltung seitens des Unternehmens bzw. der Marke aus. Das „Stress-Modell“ beinhaltet drei Faktoren, die zu einer Beziehungsauflösung führen können: äußere Umweltfaktoren (situationsbezogene bzw. aus Alternativen resultierende Faktoren)247, partnerbezogende Faktoren (persönliche bzw. unternehmensbezogene Faktoren)248 sowie beziehungsorientierte Faktoren249. Diese beziehungsorientierten Faktoren können exemplarisch als Vertrauensbruch, Vernachlässigung o. Ä. dargestellt werden.250 Hinsichtlich des dieser Arbeit zugrunde liegenden Kontexts der ereignisinduzierten Markenkrise sind gemäß dieser Auflistung die beziehungsorientierten Faktoren zu betrachten. Die Markenkrise entspricht demnach dem beziehungsorientierten Faktor, der zur Zerstörung bzw. Verschlechterung des dyadischen Konstrukts der KonsumentenMarkenbeziehung führt. Eine entsprechende Spezifizierung wurde in der Literatur jedoch noch nicht vorgenommen. Obwohl FOURNIER schon in ihrer unveröffentlichten Dissertation den Themenkomplex der „Transgressions“251 als „a violation of the implicit or explicit rules guiding relationship performance and evaluation”252 im Zusammenhang der Verhaltenswirkungen von Markenbeziehungen als relevant erachtet253, existiert diesbezüglich 245 246 247 248 249 250 251

252

253

Vgl. Kilian, K. (2004), S. 1–39. Vgl. Kilian, K. (2004), S. 1–39. Beispielsweise ändert sich die Lebenssituation und das Produkt wird nicht mehr gebraucht. Beispielsweise wird ein Produkt einer Marke vom Markt genommen. Beispielsweise kann hier eine Produktunzufriedenheit als Ursache genannt werden. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 363; vgl. Fournier, S. (1994), S. 118. „Transgression“ beschreibt ein Vorkommnis, das speziell aus dem Blickwinkel der Beziehungen als einschneidend und negativ bewertet wird. Dieses Wort findet meist im Zusammenhang mit Beziehungen Verwendung. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 2 in Anlehnung an die Begriffsauffassung aus der Sozialpsychologie vgl. Metts, S. (1994), S. 217–239. Vgl. Fournier, S. (1994), S. 154.

52

B

Theoretische Grundlagen

lediglich eine aktuelle Veröffentlichung AAKER/FOURNIER/BRASEL, die anhand von Regressionen die vermuteten Einflüsse sowohl von Markenpersönlichkeiten als auch von negativ beurteilten Handlungen seitens der Marke (Dienstleistungsunzufriedenheit) auf ausgewählte Markenbeziehungsdimensionen nachweist.254 Die zugrunde liegenden Zusammenhänge werden in Abbildung B7 dargestellt.

Abbildung B7: Einflussfaktoren auf Markenbeziehungen im Krisenzusammenhang Quelle: In Anlehnung an Aaker, J./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 3

Die Autoren der vorgestellten Arbeit beleuchten die Entwicklung von Konsumenten-Markenbeziehungen und setzen den Verlauf der Beziehungen in den Mittelpunkt der Betrachtungen. So wird festgestellt, dass ohne Einwirkung einer beziehungszerstörenden Aktion des Partners Beziehungen mit „sincere“ (ernsthafteren) Markenpersönlichkeiten sich im Gegensatz zu „exciting“ (aufregenden) Markenpersönlichkeiten grundsätzlich im Verlauf der Entwicklungsstärke unterscheiden. Beziehungen zu „aufregenden“ Marken weisen demnach eine höhere Stabilität auf. In Anlehnung an die Erkenntnisse der Psychologie über die Existenz von Beziehungsnormen stellen die Autoren fest, dass Beziehungen mit ernsthaften Markenpersönlichkeiten stärker unter einem negativen Ereignis leiden als Beziehungen mit aufregenden Markenpersönlichkeiten. Letztgenannte weisen teilweise trotz des negativen Ereignisses sogar Beziehungsverstärkungen auf. Die Ergebnisse lassen sich durch die Erwartungshaltungen hinsichtlich der Partnerqualität erklären, die als moderierende Variable identifiziert wird.255 Es könnte angenommen werden, dass die Beziehungsarten mit den unterschiedlichen Markenpersönlichkeiten sich grundsätzlich in der Ausprägung der Markenbeziehungsqualität unterscheiden und dieser Ansatz somit eine Grundlage für den der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Zusammenhang der Wertung von Markenkrisen aus verhaltenswissenschaftlicher Perspektive bietet. Eine genaue Betrach254 255

Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 1–16. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 1–16.

1

Zur Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen

53

tung tritt dieser Überlegung jedoch entgegen, da sich die Beziehungsarten zum Anfangszeitpunkt hinsichtlich der Ausprägung der Beziehungsdimensionen nicht unterscheiden.256 So liefert die Arbeit von AAKER/FOURNIER/BRASEL diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die vorgestellte Arbeit trotz der Betrachtung von negativen Handlungen von Marken im Zusammenhang mit Konsumenten-Markenbeziehungen durch die Fokussierung der Veränderungen von Beziehungen eine deutlich differierende Forschungsabsicht beinhaltet, die die in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Verhaltenswirkungen von Konsumenten-Markenbeziehungen, erfasst durch den Indikator Markenbeziehungsqualität, vollkommen außer Acht lässt. Im Sinne einer ganzheitlichen Darstellung des Beziehungsansatzes sind sie jedoch als Verständnisgrundlage unerlässlich.257 Insgesamt lässt sich resümierend feststellen, dass im Gegensatz zu den vorangestellten Theorieansätzen der Markenloyalität bzw. -bindung der Erklärungsansatz des Phänomens der Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken insbesondere im Konsumgütersektor ein erstes umfassendes, wenngleich noch teilweise eher spekulativ verbleibendes Konzept darstellt. So liefert speziell der Ansatz zur Identifizierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität eine Gedankenanregung, die das Interesse der Autorin der vorliegenden Arbeit weckte. Insbesondere in Anbetracht des Forschungsvorhabens, der Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen, eignet sich dieses Konstrukt als Prädisposition, da die Beziehungen als dyadische Phänomene verstanden werden, die auf den Interaktionen der Beziehungspartner beruhen. So kann eine negative Handlung des Beziehungspartners in einer ereignisinduzierten Markenkrise resultieren und weit reichende Konsequenzen nach sich ziehen. Entsprechend könnte sich eine Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable in den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit eignen, der darauf abzielt, ein Modell zur Erklärung eines spezifischen Konsumentenverhaltens zu generieren.

256 257

Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 10. Weiterführende Arbeiten in Bezug auf mögliche Beendigungen von Konsumenten-Markenbeziehungen sind rar. FAJER/SCHOUTEN leisten einen Beitrag durch einen theoretisch konzeptionellen Konferenzbeitrag, in dem sie Ansätze der interpersonellen Beziehungstheorie unter Einschränkungen auf Konsumenten-Markenbeziehungen übertragen. Die Autoren ordnen vorerst unterschiedlichen Loyalitätsintensitäten entsprechende Beziehungsformen zu (exemplarisch sei die Zuordnung von „Brand Addiction“ und „Crucial Friends“ zu nennen). Anschließend werden identifizierte Arten von Beziehungsbeendigungen aus der Sozialpsychologie nach DUCK (1982) aufgeführt und im Markenzusammenhang in Anlehnung an die Loyalitätsausprägungen diskutiert. Relevant in Bezug auf den hier unterliegenden Kontext erscheint folgendes Zitat: „In general we propose that at greater levels of loyalty the patterns of break-up become more complex and more disruptive or disturbing to the customer.“ Abschließend werden Konsumentenreaktionen nach HIRSCHMAN (1970) unterschiedlichen Phasen der Beziehungsbeendigung gegenübergestellt. Vgl. Fayer, M. T./Schouten, J. W. (1995), S. 663–667.

54

B

Theoretische Grundlagen

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

2.1

Die Krise als Untersuchungsgegenstand

Der Begriff „Krise“ ist weit verbreitet und umfasst vielfältige Bedeutungen.258 Insbesondere findet der Begriff konkrete Anwendung sowohl in der Medizin, in der Psychologie als auch in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften.259 Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Bedeutungen des Begriffs ist ein einheitliches Verständnis in der Literatur nicht zu finden. So postuliert LUNEBURG260 „... crisis has become one of the most overworked words in the language“261. Insbesondere in der heutigen Zeit wird häufig vom „Leben in Krisen“ gesprochen. Dieser Ausdruck weist auf die Grundstimmung unserer Zeit hin, die sich im Wesentlichen auf die politische und ökonomische Situation zurückführen lässt, in der sich sowohl gesellschaftliche Systeme als auch die Individuen befinden.262 So wird das Wort Krise häufig aufgrund des Trends sowie aufgrund der Vielzahl der Begriffsauffassungen abweichend vom ursprünglichen Inhalt verwendet.263 Im Folgenden wird durch die Betrachtung der historischen Entwicklung der inhaltlichen Bedeutung des allgemeinen Krisenbegriffs und dessen Anwendungsbereichen eine grundlegende Definition für die vorliegende Arbeit erarbeitet. Diese bietet eine Basis für die folgende Fokussierung auf Unternehmenskrisen. Ursprünge des Begriffs Krise gehen auf HIPPOKRATES und THUKYDIDES zurück, die Krisenphänomene im Rahmen medizinischer sowie militärischer Tatbestände betrachten.264 Der Ursprung des Begriffs befindet sich in der griechischen Etymologie. Das Wort „Krisis“ wird demnach mit „Entscheidung“ oder „Wendepunkt“265 übersetzt. Im ursprünglichen medizinischen Bereich galt der Begriff der Beschreibung einer entscheidenden Entwicklungsphase, einer Krankheit sowie der Zuspitzung einer Handlungssituation im antiken Drama.266 Allgemein wird demnach eine Krise verstanden als „jeglicher Bruch einer bis dahin kontinuierlichen Entwicklung und im engeren Sinne eine Entscheidungssituation, die den Wendepunkt bzw. Höhepunkt einer gefährlichen Entwicklung markiert“267. Ein entscheidendes Merk-

258 259 260 261

262 263 264 265 266

267

Vgl. Krystek, U. (1987), S. 3. Vgl. Gabele, E. (1981), S. 151. Vgl. Luneburg, W. V. (1970), S. 7. Luneburg, W. V. (1970), S. 7 zitiert nach Krystek, U. (1987), S. 3; vgl. ähnlich Holsti, O. R. (1978), S. 41. Zur Anwendung des Begriffs in den verschiedenen Wissenschaften vgl. detailliert Krummenacher, A. (1981), S. 3f. Vgl. Cezanne, M. (1999), S. 7. Vgl. Trauboth, J. H. (2002), S. 13. Vgl. Clasen, J. P. (1992), S. 67. Vgl. Krummenacher, A. (1981), S. 3. Vgl. Witte, E. (1981), S. 9; vgl. Krystek, U. (1981), S. 3; vgl. ähnlicher Überblick bei Clasen, J. (1992), S. 67. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 3.

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

55

mal von Krisen ist darüber hinaus der ambivalente Ausgang dieser Situation.268 Das chinesische Schriftzeichen für den Begriff Krise lehnt sich an diese Ambivalenz an. Es besteht aus zwei Zeichen, wobei das erste die Gefahr und das zweite die Chance darstellt.269 Aktuell wird die positive Komponente des Krisenbegriffs meist vernachlässigt und die Krise überwiegend als ein negatives Ereignis bzw. ein negativer Entwicklungsverlauf angesehen.270 Der Krisenbegriff wurde im 17. und 18. Jahrhundert aufgegriffen und im Rahmen gesellschaftlicher Prozesse betrachtet. Anschließend wurde er auf ökonomische Zusammenhänge übertragen. So wurden anfangs Viehseuchen bzw. Missernten als Krisen bezeichnet, später gerieten auch Aktienspekulationskrisen in das Interesse der Wissenschaft. Konkretisiert und somit für die Wissenschaft zugänglich wurde der Begriff im 19. Jahrhundert. In Anlehnung an die Konjunkturtheorie wurden volkswirtschaftliche Krisen betrachtet, die dem aktuellen ökonomischen Krisenverständnis als Grundlage dienen.271

2.2

Unternehmenskrisen

Die vorliegende Arbeit setzt sich mit einer Sonderform von Unternehmenskrisen auseinander. So widmet sich dieses Kapitel der grundlegenden Diskussion und Erklärung der Forschungserkenntnisse im Rahmen der Thematik der Unternehmenskrisen und leitet auf eine in dieser Arbeit relevante Spezialform von Unternehmenskrisen hin. 2.2.1

Forschungsüberblick und Begriffsklärung

Über lange Zeit dominierte im Bereich der Wirtschaftswissenschaften die Volkswirtschaftslehre die Krisenforschung, die sich in Anlehnung an rein konjunkturelle Phänomene entwickelte. Anschließend wurden verstärkt strukturelle sowie regionale Aspekte betrachtet.272 Die Krisenforschung weist auch im Bereich der Betriebswirtschaft eine lange Tradition auf, die auf erste Höhepunkte Anfang der 30er Jahre zurückgeht. Die zu diesem Zeitpunkt fokussierte Betrachtung von Krisen als Folge der Weltwirtschaftskrise orientierte sich stark an der Volkswirtschaftslehre. Die Forschung beschäftigte sich überwiegend mit den Zielen der Unternehmenssanierung und -liquidation.273

268

Vgl. Krystek, U. (1987), S. 3. Vgl. Trauboth, J. H. (2002), S. 13. 270 Vgl. Balderjahn, I./Mennicken, C. (1996), S. 27. 271 Vgl. Clasen, J. P. (1992), S. 68. 272 Vgl. Krystek, U. (1987), S. 4. 273 Vgl. zum Überblick der betriebswirtschaftlichen Forschung Krystek, U. (1987), S. 2; vgl. ähnlich Clasen, J. P. (1992), S. 68; vgl. ähnlich Von der Horst, M. (2000), S. 7f.; vgl. ähnlich Schwinn, K. (2004), http://www.krisennavigator.de/akfo4-d.htm, Zugriff am 23.12.2004. 269

56

B

Theoretische Grundlagen

Aufgrund des Wirtschaftswachstums nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Bereich der betriebswirtschaftlichen Krisenforschung vernachlässigt, bis erste Anzeichen von Rezessionsjahren 1966/67 neue Forschungsimpulse setzten. Entsprechend entwickelten sich Ansätze zur Krisenantizipation und Krisenvermeidung. Zahlreiche praxisorientierte Literatur entstand. Darüber hinaus erschienen theoretische Grundlagenwerke, die sich überwiegend auf Frühwarnsysteme konzentrierten.274 Eine Konkretisierung des Begriffs Unternehmenskrise erfolgte in dieser Zeit.275 Dieser wird im Folgenden detailliert diskutiert und von ähnlichen Phänomenen abgegrenzt. Unternehmenskrisen konkretisieren die vorangestellte Diskussion der allgemeinen Krisen auf eine mikroökonomische Einheit, die ein selbstständig wirtschaftendes Unternehmen darstellt.276 Eine einheitliche geschlossene und allgemein gültige Theorie der Unternehmenskrise wurde bis heute nicht entwickelt, obwohl sich zahlreiche Arbeiten dieses Ziel setzten.277 Als Ursachen werden die Breite des Themengebiets, die zahlreichen Forschungsdisziplinen sowie abweichende Zielsetzungen der Forschungen angesehen.278 Es ist keine allgemein gültige umfassende Theorie bekannt, die auch die in dieser Arbeit fokussierten plötzlichen Unternehmenskrisen einschließt. Vorhandene Forschungserkenntnisse beschäftigen sich überwiegend mit folgenden Bereichen:279 • Identifikation der Merkmale der Unternehmenskrisen, • Identifikation der Verlaufsformen sowie Phasen der Unternehmenskrisen und • Erforschung der Ursachen und Auswirkungen von Unternehmenskrisen. Hinsichtlich der inhaltlichen Abgrenzung der klassischen Unternehmenskrise haben sich in der Literatur zwei Definitionen durchgesetzt, die sich stark ähneln.280 Eine umfassende Begriffsdefinition erstellt KRYSTEK281, die er nach ausführlicher Literaturauswertung auf Basis erarbeiteter Merkmale einer Unternehmenskrise entwickelt. Die Definition von KRYSTEK bietet eine umfangreiche Verständnisgrundlage zum Phänomen der Unternehmenskrisen und soll dieser Arbeit entsprechend dienen. Unternehmenskrisen sind „… ungeplante und ungewollte Prozesse von begrenzter Dauer und Beeinflussbarkeit sowie mit ambivalentem Ausgang. Sie sind in der Lage, den Fortbestand der

274

275

276 277 278 279 280 281

Vgl. beispielsweise Witte, E. (1981); vgl. Bratschisch, R./Schellinger, W. (1981); vgl. Staehle, W. H./Stoll, E. (1984); vgl. Krummenacher, A. (1981); vgl. Krystek, U. (1981). Vgl. zum Überblick der betriebswirtschaftlichen Forschung Krystek, U. (1987), S. 2; vgl. ähnlich Clasen, J. P. (1992), S. 68; vgl. ähnlich Von der Horst, M. (2000); vgl. ähnlich Schwinn, K. (2004), http://www.krisennavigator.de/akfo4-d.htm, Zugriff am 23.12.2004. Vgl. Clasen, J. P. (1992), S. 68. Vgl. ähnlich Von der Horst, M. (2000), S. 7. Vgl. ähnlich Von der Horst, M. (2000), S. 8. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 2. Eine ähnliche Definition von Unternehmenskrisen liefert Müller, R. (1986). Vgl. Krystek, U. (1987), S. 6f.

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

57

gesamten Unternehmung substantiell und nachhaltig zu gefährden oder sogar unmöglich zu machen. Dies geschieht durch die Beeinträchtigung bestimmter Ziele, deren Gefährdung oder gar Nichterreichung gleichbedeutend ist mit einer nachhaltigen Existenzgefährdung oder Existenzvernichtung der Unternehmung als selbstständig und aktiv am Wirtschaftsprozess teilnehmender Einheit mit ihren bis dahin gültigen Zweck- und Zielsetzungen“282. Charakterisierend für eine Unternehmenskrise werden demnach folgende Merkmale angesehen:283 • Eine Existenzgefährdung liegt vor, die ungeplant und ungewollt die gesamte Unternehmung nachhaltig gefährden kann, • der Ausgang ist ambivalent, was sowohl die Gefährdung der Existenz als auch die erfolgreiche Bewältigung der Krisen als Konsequenzen ermöglicht, • dominante Ziele sind gefährdet, die die Krise erst mess- und fühlbar machen, • die Krise unterliegt einem Prozess, was auf einen temporären Zustand hinweist und • die Krise unterliegt einer Steuerungsproblematik. Über die genannten Merkmale hinaus wird häufig ein Zeit- und Entscheidungsdruck als charakterisierend angesehen.284 Insbesondere aufgrund der Allgemeingültigkeit dieser Definitionen für Wirtschaftskrisen stellt sich die Frage der Kategorisierung der Unternehmenskrisen, der sich zahlreiche Forschungsarbeiten widmen. So unterscheiden BERG/TREFFERT285 die unterschiedliche Geschwindigkeit und Beschleunigung von Unternehmenskrisen betonen. Die Autoren unterscheiden zwischen schlagartig eintretenden Krisen (z.B. Ausfall des Vorlieferanten nach einem Brandschaden) und Systemzielbedrohungen durch längerfristige Entwicklungen. Letztere stellen die Gefahr der Situationsunterschätzung dar, da die subjektive Wahrnehmung besonders ausgeprägt sein kann.286 Eine weitere grundlegende Unterscheidung der Unternehmenskrisen erfolgt mittels der Intensität.287 Die Intensität wird in diesem Zusammenhang als die Stärke der gegen das System gerichteten Wirkungen verstanden.288 2.2.2

Ereignisinduzierte Markenkrisen als Sonderform von Unternehmenskrisen

Aufbauend auf dem Verständnis von allgemeinen Unternehmenskrisen wird im Folgenden eine Sonderform von Unternehmenskrisen in den Mittelpunkt der Betrachtungen gesetzt, die sich inhaltlich doch stark von den klassischen Unternehmens282 283 284 285 286 287 288

Krystek, U. (1987), S. 6f. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 6. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 6. Vgl. Berg, C. C./Treffert, J. C. (1979), S. 460. Vgl. Berg, C. C./Treffert, J. C. (1979), S. 460f.; vgl. Krystek, U. (1987), S. 12. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 12. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 12.

58

B

Theoretische Grundlagen

krisen abgrenzen. Diese werden im Verlauf dieser Arbeit als ereignisinduzierte Markenkrisen bezeichnet. Exemplarisch seien an dieser Stelle einleitend einige aufgeführt, um dem Leser ein erstes Verständnis und ein Gefühl für die Relevanz dieser Spezialform zu geben, bevor anschließend eine Begriffsdiskussion und inhaltliche Einordnung vorgenommen wird. Tabelle B4: Beispiele plötzlicher Unternehmenskrisen Unternehmen/Marke

Zeitraum Ereignis

Jacobs-Kaffee

70er Jahre Produktfehler, neue Verpackungsgröße

Ford Pinto

1973

Fehlkonstruktion des Tanks, Unfälle

Procter & Gamble

1980

Toxische Schocks durch Relytampons

Procter & Gamble

1981–1985 Unterstellung des Satanismus

Tylenol, Johnson & Johnson

1982

7 Menschen sterben

Audi

1985

Unfälle durch Automatikgetriebe, unschuldig

Gerber

1986

Medien berichten über Glassplitter in Babynahrung

United Airlines

1989 1989

Loch im Rumpf, 9 Tote Abgerissene Flugzeugteile, Crash, 112 Tote

McDonald’s

1990

Medien berichten über „Dschungelburger“ und Verpackungsflut

Werner & Mertz, Marken Erdal und Grünfrosch

1990

6 leitende Manager werden verklagt, weil Kunden nach dem Gebrauch von Ledersprays (Erdal) über Atemnot klagten

Perrier

1990

Verunreinigtes Mineralwasser

Pepsi

1993

Es wird behauptet, Kanülen in Pepsi-Dosen gefunden zu haben

Brent Spar, Shell

1995

Ölplattform soll auf offener See versenkt werden, Greenpeace greift Shell in den Medien an

Daimler-Benz, A-Klasse

1997

Die A-Klasse kippt um (Elchtest)

Deutsche Bahn AG

1998

ICE-Unfall, 101 Menschen sterben

Quelle: In Anlehnung an Töpfer, A. (1999), S. 102–117

Aus der Literatur zu klassischen Unternehmenskrisen mit dem Höhepunkt in den 1980er Jahren289 lassen sich auf die spezielle Form der „plötzlichen Unternehmenskrisen“ lediglich grundlegende Erkenntnisse übertragen. Der Erforschung dieser Spezialform widmet sich die Wissenschaft erst seit ca. 1990. Initiiert wurde der

289

Vgl. Hausschildt, J. (1988); vgl. Krystek, U. (1987); vgl. Krummenacher, A. (1981); vgl. Bratschitsch, R./Schellinger, W. (1981).

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

59

Drang nach entsprechender Forschung durch ein erhöhtes Aufkommen plötzlicher Krisenfälle.290 Allein 1999 wurden über 80 typische Unternehmenskrisen erfasst.291 Fehlende Vorbereitung der Unternehmen resultierte in einem hohen Schadensausmaß.292 Wie einleitend in dieser Arbeit dargestellt, ist insbesondere die heutige Zeit durch die starke Krisenanfälligkeit der Unternehmen geprägt (u. a. durch starke Medienpräsenz, hohe Technologisierung, kurze Produktlebenszyklen und intensive wirtschaftliche Interdependenzen293). So erscheinen umfangreiche Kenntnisse über diese Art der plötzlich eintretenden Krisen besonders entscheidend für die erfolgreiche Unternehmensführung. Dem Bereich des Marketings kommt bei dieser Art der Krisen eine besondere Bedeutung zu, da entsprechende Krisen meist mit Auswirkungen durch Imageschäden von Unternehmen einhergehen und eine Krisenprävention und -management ausschließlich an der Kenntnis der Konsumenten und deren Verhalten ansetzen kann. Der oberflächlichen Zusammenstellung der Beispiele soll an dieser Stelle eine detaillierte Diskussion zu den Merkmalen dieser Sonderform von Unternehmenskrisen dienen. So lassen sich folgende Aspekte erkennen: • Die aufgeführten plötzlichen Unternehmenskrisen entstehen durch ein internes oder externes fatales Ereignis. Diese Unternehmenskrisen werden als „ereignisinduzierte Unternehmenskrisen“ bezeichnet.294 Das zugrunde liegende Ereignis wird in dieser Arbeit in zweierlei Hinsicht verstanden: Einerseits ist das Ereignis der Beginn und dementsprechend ein Bestandteil einer Krise, andererseits bezeichnet das Ereignis aufgrund seiner Signalwirkung die gesamte sich ergebende Krise.295 So kann eine negative Medieninformation entweder als Anfangspunkt einer Krise oder direkt als Krise verstanden werden.296 • Die aufgeführten Unternehmenskrisen waren zumeist • unvorhersehbar, • traten mit starker Intensität und • hoher Geschwindigkeit auf. In Anlehnung an die zuvor aufgeführten Klassifikationskriterien der Unternehmenskrisen werden die spezifischen Merkmale der im Fokus stehenden Sonderform der Unternehmenskrisen, die jeweils ein Kontinuum darstellen, in einem Kubus zusammengeführt. Abbildung B8 verdeutlicht die Einordnung durch eine entsprechende Markierung. 290 291 292 293 294

295 296

Vgl. Schwinn, K. (2004), http://www.krisennavigator.de/akfo4-d.htm, Zugriff am 23.12.2004. Vgl. Roselieb, F. (2004), http://www.krisennavigator.de/aruk–99.htm, Zugriff am 23.12.2004. Vgl. Schwinn, K. (2004), http://www.krisennavigator.de/akfo4-d.htm, Zugriff am 23.12.2004. Vgl. detailliert Kapitel A1. Aktuell beschäftigt sich eine Dissertation von TIEMANN an der Universität Oldenburg mit entsprechenden ereignisinduzierten Markenkrisen, an die sich in der Begriffsauswahl angelehnt wurde. Vgl. ähnlich Balderjahn, I./Mennicken, C. (1996), S. 40. Derzeit sind insbesondere Management- sowie Produktfehler auf dem Markt zu beobachten.

60

B

Theoretische Grundlagen

Abbildung B8: Relevante Merkmale ereignisinduzierter Unternehmenskrisen Quelle: Eigene Erstellung

Im Hinblick auf die Entwicklung einer Definition des spezifischen Phänomens im Rahmen dieser Arbeit, dient eine Definition von TÖPFER297, der sich mit „plötzlichen Unternehmenskrisen“ beschäftigt, als Basis. Eine ereignisinduzierte Krise ist demnach „ein Zustand …, der auf einem Ereignis bzw. einer Ereignisfolge basiert und der den Normalzustand eines Unternehmens über ein bestimmtes Maß hinaus übersteigt. Dabei wird eine Toleranzschwelle überschritten und ein für das Unternehmen außergewöhnlich negatives Niveau erreicht“298. Nähere Betrachtungen der aufgeführten Beispiele verdeutlichen, dass im Gegensatz zur direkten Unternehmensgefährdung eher die direkten Auswirkungen auf eine Marke bzw. deren Image von Bedeutung sind, die bislang wenig Beachtung in der Wissenschaft fanden. So lässt sich zusammenfassend feststellen, dass es sich weniger um die Existenzgefährdung des gesamten Systems Marke, sondern vielmehr um die Bedrohung des entsprechenden Images handelt. Eine vermeintliche Existenzbedrohung sowohl der Marke als auch mittelbar des gesamten Unternehmens könnte sich dennoch als Resultat ergeben.299 So werden die aufgeführten Beispiele im Folgenden einheitlich als ereignisinduzierte Markenkrisen bezeichnet.300 297 298 299 300

Vgl. Töpfer, A. (1999a). Töpfer, A. (1999a), S. 16. Vgl. Trauboth, J. H. (2002), S. 65; vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 15. Über die diskutierten mit dem Krisenphänomen im Zusammenhang stehenden Begriffe hinaus wird in der Literatur vereinzelt der Begriff „Skandal“ verwendet, der definiert wird als Missstände, die publizistisch angeprangert werden. Im Folgenden wird der Begriff erläutert und begründet, weshalb die Verwendung des Begriffs im Rahmen dieser Arbeit als ungeeignet erscheint. Der Begriff Skandal stammt aus dem Griechischen und bedeutet Ärgernis, (Fortsetzung nächste Seite) Aufsehenserregung, schockierende Vorkommnisse und Lärm

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

61

Die erarbeitete Abgrenzung ereignisinduzierter Markenkrisen als Spezialform der Unternehmenskrisen stellt Abbildung B9 dar und dient fazitär als Verständnisgrundlage zur anschließenden Betrachtung von Verhaltensmodellen im Krisenzusammenhang.

Abbildung B9: Ereignisinduzierte Markenkrisen Quelle: Eigene Erstellung, vgl. hierzu Töpfer, A. (1999a), S. 17

Im betriebswirtschaftlichen Kontext bezeichnet er grundlegend spezifische Unternehmenskrisen, die durch eine Medienberichterstattung initiiert werden. Diese Spezialform geht mit folgenden Merkmalen einher: a) ein hoher Öffentlichkeitsbezug muss gegeben sein, der zumeist aus dem Einbezug der Massenmedien resultiert, b) entsprechend gilt ein hoher Bekanntheitsgrad sowie c) eine hohe Betroffenheit als charakterisierend. Zusätzlich liegt meist eine Schuldzuweisung vor. Obwohl die folgend im Fokus dieser Arbeit stehende fiktive Krisensituation mit den Merkmalen einer Skandalmeldung ansatzweise übereinstimmt, soll von der folgenden Verwendung des Begriffs Skandal aus mehreren Aspekten abgesehen werden, da der Begriff Skandal eher auf allgemeine Vorfälle der Öffentlichkeit wie beispielsweise Lebensmittelskandale abzielt. Ein Skandal erscheint demnach von weiterer Verbreitung und ist nicht für alle der aufgeführten Beispiele zutreffend. So liegt teilweise keine derart ausgeprägte Intensität der Öffentlichkeitswirkung vor. Eine entsprechende Begriffsverwendung des Skandals könnte Verfälschungen insbesondere in Anbetracht des nachfolgend betrachteten Konsumentenverhaltens hervorrufen. Vgl. hierzu detailliert MeyerHullmann, K. (1999), S. 82; vgl. auch Holzmüller, H. H./Schuh, A. (1992), S. 343.

62

B

Theoretische Grundlagen

Die Abbildung hebt die Auswirkungen der diskutierten Krisen auf die Stakeholder301 und insbesondere auf die zu den Stakeholdern zählenden Konsumenten hervor. Deren Verhalten ist ausschlaggebend für die existenzielle Gefährdung der Marke sowie des gesamten Unternehmens. Dem Verhalten der Konsumenten wird eine besondere Relevanz beigemessen. Obwohl davon ausgegangen wird, dass allen Stakeholdern eine entscheidende Bedeutung zuteil wird, sollen diese im Folgenden aufgrund der Zielstellung dieser Arbeit – der Erklärung von spezifischen Aspekten des Konsumentenverhaltens – vernachlässigt werden. Anschließende Kapitel befassen sich zunächst mit theoretischen Ansätzen des allgemeinen Konsumentenverhaltens. Diese werden anschließend in den Kontext der ereignisinduzierten Markenkrisen übertragen und entsprechend modelliert. Im Hinblick auf die Hauptintention dieser Forschungsarbeit dient das so entwickelte Teilmodell als Bestandteil des theoretischen Bezugsrahmens, der in Teil C dieser Arbeit auf Basis kognitionstheoretischer Ansätze generiert wird.

2.3

Konsumentenverhalten in Krisensituationen

2.3.1

Überblick über die Krisenverhaltensforschung

Nachdem die Klärung des Untersuchungsgegenstands der ereignisorientierten Markenkrise auf der reinen Sachebene erfolgte, soll an dieser Stelle eine personenorientierte Sichtweise der Krisenforschung im Mittelpunkt stehen, da insbesondere diese Sichtweise sich zur Erklärung des Verhaltens von Konsumenten in Krisensituationen eignet.302 Die personenorientierte Sichtweise setzt sich im Rahmen der Unternehmenskrisen mit der Erforschung der Individuen aus der verhaltenswissenschaftlichen Perspektive auseinander. Grundlegend dienen dieser Forschungsrichtung theoretische Ansätze der Psychologie und der Soziologie. Erkenntnisse der betriebswirtschaftlichen, personenorientierten Erforschung der Unternehmenskrisen sind in der Literatur nur vereinzelt vorhanden. Insbesondere der deutschsprachige Forschungsraum vernachlässigt die betriebswirtschaftliche Krisenverhaltensforschung. Vereinzelte Arbeiten setzen sich konkret mit dem Verhalten des Unternehmers auseinander303, da ihm im Zuge des Krisenmanagements eine entscheidende Rolle im

301

302

303

Als Stakeholder werden Personen oder Gruppen bezeichnet, die „Ansprüche an oder Eingriffsmöglichkeiten in das Unternehmen haben und daher als relevante Beeinflusser (zusammengefasst: Anspruchsgruppen) einzustufen sind.“ Poth, L. G./Poth, G. S. (1999), S. 405. Die Einordnung der Forschungsinhalte in die Begriffe Personen- sowie Sachorientierung erfolgt auf der Grundlage von Clasen, J. P. (1992), S. 93. Eine Analyse von Balderjahn/Mennicken untersucht detailliert die Risikowahrnehmung und -bewertung von Managern sowie deren Wahrnehmung von Krisen und folglich deren Bewältigung. Vgl. Balderjahn, I./Mennicken, C. (1996), S. 23–49.

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

63

Hinblick auf die Krisenbewältigung zukommt.304 Krisen werden aus der Unternehmerperspektive als „multivalente Entscheidungssituationen unter Existenzgefährdung des Unternehmens bei begrenzter Entscheidungszeit“305 verstanden.306 Im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung konnten keine konkreten Forschungserkenntnisse ermittelt werden, die sich mit dem Krisenverhalten der Konsumenten im Rahmen der ereignisinduzierten Markenkrisen befassen.307 So existieren lediglich Ansätze aus dem Bereich der Agrarwissenschaften, die sich überwiegend mit Lebensmittelpestiziden etc. beschäftigen und keine konkreten Grundlagen für das in dieser Arbeit fokussierte Forschungsziel liefern. Da sich bislang kein konkretes Konsumentenverhaltensmodell für Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen in der Literatur durchgesetzt hat, ist es ein Ziel dieser Arbeit, ein solches durch die Identifikation situationsspezifischer verhaltensrelevanter Konstrukte zu entwickeln und entsprechend eine Grundlage für zukünftige Forschungsarbeiten zu generieren. Unter Zuhilfenahme von allgemeinen Grundlagen der Psychologie, Grundlagen zur Konsumentenverhaltensforschung sowie angloamerikanischen Partialmodellen, die sich auf das Verhalten in Krisensituationen beziehen, wird im Folgenden ein Modell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen erarbeitet. Die als Grundlage dienenden Ansätze werden detailliert vorgestellt. So liefert das Vier-Phasen-Modell von FINK308, das einen psychologischen Prozess als Krisenreaktion identifiziert und das zahlreichen anschließend entstandenen Arbeiten als Basiswerk dient, erste Ansätze. Eine Übertragung dieses Theorieansatzes auf betriebswirtschaftliche Zusammenhänge wird nachstehend diskutiert, da diese Erkenntnisse sich grundlegend zur Verständnisgenerierung von psychologischen Krisenreaktionen eignen. Anschließend wird eine theoretisch-konzeptionelle Überlegung von TÖPFER309 dargestellt, die aufbauend auf einer Erweiterung des 304

Vgl. Balderjahn, I./Mennicken, C. (1996), S. 40. Witte, E. (1981), S. 11. 306 Vgl. ähnlich Balderjahn, I./Mennicken, C. (1996), S. 27. 307 Es sei lediglich auf eine Arbeit von Meyer-Hullmann hingewiesen, deren Forschungsarbeit sich jedoch durch die Schwerpunktsetzung stark unterscheidet und keine für diese Arbeit relevanten Erkenntnisse liefert. Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Konsumentenverhalten im Zuge des BSE-Skandals. Innerhalb dieser Arbeit werden durch drei Befragungen die Reaktionen von Konsumenten sowie deren Dynamik auf verschiedenste Einflussfaktoren untersucht. Diese stellen u. a. Soziodemographika und Einstellungsprädispositionen dar. Insbesondere das allgemeine Ernährungswissen und -verhalten wird als einflussgebend identifiziert. Der Fokus der Analyse betrifft das Informationsverhalten der Konsumenten. Da der BSE-Skandal im Mittelpunkt der spezifischen Forschungsarbeit steht und sich die Untersuchung ausschließlich im Lebensmittel- und Ernährungsbereich ansiedelt und demnach kaum Übertragungen der Erkenntnisse auf den der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Markenbezug zulässt, soll von der ausführlichen Darstellung der Analysen von Meyer-Hullmann abgesehen werden. Vgl. Meyer-Hullmann, K. (1999). Vgl. beispielsweise auch Böcker, A. (2000), S. 628–654; vgl. beispielsweise Herrmann, R. (1997), S. 511–520. 308 Vgl. Fink, S. L. (1967), S. 592–597. 309 Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 50–53. 305

64

B

Theoretische Grundlagen

allgemein anerkannten Einstellungs-Verhaltensmodells von AJZEN/FISHBEIN310 (erweiterte Drei-Komponenten-Theorie311) ausgewählte Aspekte des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen diskutiert. Ausführlich werden anschließend angloamerikanische Partialmodelle des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen aufgeführt, die auf verschiedenen Kognitionstheorien fundieren. Dabei stellt das elementare Drei-Komponenten-Modell des Konsumentenverhaltens, erweitert auf Basis verschiedener Kognitionstheorien, eine fundamentale Komponente des theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit dar, der der Generierung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothesen dient. 2.3.2

Ausgewählte Verhaltensmodelle der Konsumenten in Krisensituationen

2.3.2.1

Grundlegende Modelle

Das Vier-Phasen-Modell von FINK312 stellt ein Modell der aufeinander folgenden Phasen des Verhaltens von Individuen in Krisensituationen aus rein psychologischer Sichtweise dar. Eine Krise ist demnach aus der individuellen Perspektive wie folgt zu verstehen: „the experiencing of an acute situation where one’s repertoire of coping responses is inadequate in effecting a resolution of the stress“313. Betrachtet wird ein zugrunde liegendes Ereignis, das einen Wendepunkt im Leben eines entsprechenden Individuums darstellt und die Notwendigkeit einer Neuordnung sämtlicher psychologischer Strukturen mit sich bringt. Die Stärke der Notwendigkeit drückt die Intensität der Krise aus. FINK identifiziert verschiedene, sich voneinander abgrenzende Phasen des Krisenverhaltens und analysiert diese hinsichtlich der Aspekte Eigenwahrnehmung, Realitätswahrnehmung, emotionale Erfahrungen sowie kognitive Strukturen. Aufbauend auf MASLOWs314 Differenzierung allgemeiner Bedürfnisse, untersucht FINK Motivationsansätze, die einen Beitrag zur Verhaltenserklärung der Individuen in Krisensituationen leisten. Dabei identifiziert er zwei entgegengesetzt wirkende Kräfte. Einerseits kommt ein Sicherheitsbedürfnis zum Tragen, das sich in einem Streben nach Erhaltung bzw. Rückgewinnung gewohnter Strukturen darstellt. Andererseits tendiert ein Individuum nach Wachstum, welches in einem Streben nach Fortentwicklung der gewohnten Strukturen resultiert. FINK identifiziert vier Phasen des menschlichen Verhaltens in akuten Individualkrisen, die er den zugrunde liegenden Motivationen zuordnet. Die verschiedenen Phasen und ihre psychologischen Strukturen werden in Tabelle B5 dargestellt.

310 311 312 313 314

Vgl. Ajzen, I./Fishbein, M. (1980). Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 155. Vgl. Fink, S. L. (1967), S. 592–597. Miller, K./Iscoe, I. (1963), S. 196 zitiert nach Fink, S. L. (1967), S. 592. Vgl. Maslow, A. H. (1962).

2

65

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

Tabelle B5: Vier-Phasen-Modell menschlichen Verhaltens in akuten Individualkrisen Phase

Selbsterfahrung

Wahrnehmung Emotionale der Wirklich- Erfahrung keit

Kognitive Struktur

Schock

Bedrohung der bestehenden dominanten Systemziele, der Systemstruktur oder gar der Überlebensfähigkeit des Systems Versuche, die bisherigen Systemziele beizubehalten

Die Wirklichkeit stellt sich als erdrückend und überwältigend dar

Hilflosigkeit; Angst; Versinken in einem Dunkel; Panik

Zusammenbruch; Unfähigkeit, die Situation zu begreifen, klar zu denken, zu planen und zu handeln

Verdrängung, Leugnung, Verharmlosung der Wirklichkeit

Ausgeglichenheit oder Euphorie (im Falle einer Störung: Wut, Zorn)

Defensive Reorganisation; Widerstand gegen jegliche Veränderungen

Aufgabe der bisherigen Systemziele

Erkennung der Wirklichkeit; die Tatsachen „sprechen für sich“

Depression; Minderwertigkeits- Bitterkeits-, Trauer-, Angstgefühle (Apathie, Psychose, Selbstmord)

Zusammenbruch; Neuorganisation auf der Grundlage der veränderten Wahrnehmung der Wirklichkeit

Anpassung Aufstellung neuer Aktive Auseinund Wandel Systemziele andersetzung mit der neuen Wirklichkeit

Erfahrung neuer Befriedigungen, Abbau von Depressionen

Neuorganisation auf der Grundlage der gegebenen individuellen Ressourcen und Fähigkeiten

Defensiver Rückzug

Eingeständnis

Quelle: In Anlehnung an Fink, S. L. (1967), S. 593; vgl. Fink, S. L./Beak, J./Taddeo, K. (1971), S. 18, für die deutsche Übersetzung vgl. Bauer, E. (1980), S. 271; vgl. Krystek, U. (1987), S. 19

Nach Realisierung der Ausnahmesituation (das Individuum erkennt „that something has happened“315) tritt ein Schockzustand ein. Der Betroffene realisiert eine Gefahr, kann jedoch aufgrund des Lähmungszustandes nicht adäquat handeln, da dieser Zustand mit unkontrollierbaren Kognitionen einhergeht. Die Realität übersteigt die Toleranzschwelle des Individuums und führt demnach emotional zu Hilflosigkeit und Angstzuständen. Nach dieser lähmenden Phase versucht der Betroffene, sich mit einem so genannten defensiven Rückzug an die Situation anzupassen. Er versucht, durch Widerstand gegen Veränderungen mit der neuen Situation umzugehen und beabsichtigt so die Beibehaltung bisheriger Strukturen und Ziele. Anschließend ist meist eine Phase des Eingeständnisses zu beobachten. Nach dem lähmenden Schock und dem Verdrängungsversuch realisiert der Betroffene in dieser Phase die Wirklichkeit. Emotional kennzeichnet sich diese Phase durch die psychologischen Phänomene Trauer, Wut oder Angst. Die Neuorganisation der kognitiven Strukturen 315

Fink, S. L. (1967), S. 593.

66

B

Theoretische Grundlagen

beginnt am Ende dieser Phase und stellt gleichzeitig den Beginn der Anpassung und des Wandels dar. In diesem Stadium setzt sich das Individuum mit der neuen Wirklichkeit auseinander, orientiert sich kognitiv um und den Emotionen widerfahren neue Befriedigungen. Depressionen werden abgebaut. Im Zuge der Selbsterfahrung werden letztlich neue Systemziele aufgestellt. Die ersten drei Phasen werden dabei von dem Erhaltungsstreben, die vierte Phase von der Wachstumsorientierung dominiert.316 Dieses rein psychologisch aufgestellte Modell wird – nachdem es von FINK/ BEAK/TADDEO317 schon 1971 zur Verhaltensanalyse von organisationalen Systemen bzw. Systemverbunden herangezogen wurde – auf den betriebswirtschaftlichen Zusammenhang übertragen. So greift BAUER318 das Modell auf und untersucht das Verhalten von Marketing-Management-Systemen in akuten Systemkrisen. Es kristallisiert sich heraus, dass die Komplexität des Prozessverlaufs solcher Systemkrisen durch das Modell gut erfasst wird.319 Auch KRYSTEK320 betont die Bedeutung des Modells im Hinblick auf Phasenmodelle von Unternehmenskrisen.321 Da sich diese Anwendung des Modells im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang im Gegensatz zu einer verhaltenswissenschaftlichen Perspektive auf eine sachorientierte Krisenverlaufsbeschreibung beschränkt, gilt es für den weiteren Verlauf dieser Arbeit als nicht zielführend. Trotz der differierenden von der Intention der vorliegenden Arbeit abweichenden Übertragung auf den betriebswirtschaftlichen Zusammenhang ist das Modell des Individualverhaltens von FINK eine Grundlage, da es Verhaltenskonstrukte im Krisenkontext diskutiert und demnach psychologische Vorgehensweisen im Krisenkontext beleuchtet. Die identifizierten Konstrukte werden teilweise in den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit übernommen. So scheint insbesondere das Konstrukt Verdrängung bzw. Leugnung eine bedeutende Stellung im psychologischen Umgang mit Krisen zu haben, die es folglich zu berücksichtigen bzw. zu untersuchen gilt. Das Modell des Krisenverhaltens nach TÖPFER basiert auf Ansätzen der klassischen Einstellungs-Verhaltensliteratur, denen im Bereich der Konsumentenverhaltensforschung seit langem hohe Bedeutung beigemessen wird. Eine theoretische Grundkonzeption des Einstellungs-Verhaltenszusammenhangs liefert das Modell von AJZEN/FISHBEIN322. Lange wurde von einer Dreiteilung der Einstellungskomponenten ausgegangen. So existieren eine kognitive, eine affektive sowie eine konative Komponente.323 Entsprechend dem aktuellen Forschungsstand 316

317 318 319 320 321 322 323

Vgl. Fink, S. L. (1967), S. 593; vgl. Fink, S. L./Beak, J./Taddeo, K. (1971), S. 18, für die deutsche Übersetzung vgl. Bauer, E. (1980), S. 271; vgl. Krystek, U. (1987), S. 19. Vgl. Fink, S. L./Beak, J./Taddeo, K. (1971), S. 18. Vgl. Bauer, E. (1980), S. 269–277. Vgl. Bauer, E. (1980), S. 274. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 17–19. Vgl. Krystek, U. (1987), S. 17–19. Vgl. Partialmodelle wie AJZEN/FISHBEIN (1980) und (1988). Vgl. Kroeber-Riel, P./Weinberg, P. (2003), S. 170.

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

67

wird die konative Komponente der Einstellung aus dem Konstrukt ausgegliedert. Es ergibt sich demnach das eigenständige Konstrukt Verhaltensintention. Dieser Auffassung wird sich in dieser Arbeit angeschlossen werden, denn schon nach AJZEN324 ist allein die Verhaltensintention ein guter Indikator, um das tatsächliche Verhalten zu prognostizieren und durch die Alleinstellung kommt dem Konstrukt zusätzliche Bedeutung zu. Zusätzlich ermöglicht die separate Untersuchung des Konstrukts detailliertere Ergebnisse insbesondere im Hinblick auf die Prognose des tatsächlichen Verhaltens und ist demnach als zielführend zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen anzusehen. Über die inhaltliche Übertragung dieses Modells auf den Krisenzusammenhang erweitert TÖPFER325 das vorgestellte Modell durch zwei krisenrelevante Konstrukte. Neben den Konstrukten Einstellung, Verhaltensabsicht und Verhalten werden demnach zusätzlich die Konstrukte Wahrnehmung und Involvement herangezogen, um ein Modell des Konsumentenverhaltens in Krisenzeiten zu erstellen. Abbildung B10 stellt das von TÖPFER postulierte, auf theoretischen Überlegungen basierende Modell dar.

Abbildung B10: Das erweiterte Drei-Komponenten-Modell nach Töpfer Quelle: In Anlehnung an Töpfer, A. (1999a), S. 51.

TÖPFER betrachtet das Verhaltensmodell als psychologische Ebene des gesamten Krisenprozesses.326 Das Verständnis dieser Ebene ist zur Krisenbewältigung ausschlaggebend, da insbesondere die Kommunikation des Unternehmens entsprechend ausgerichtet werden muss und so das Konsumentenverhalten beeinflussen kann. Zur Erklärung der Zusammenhänge werden die affektiven und die kognitiven Einstellungskomponenten separat betrachtet. Es wird davon ausgegangen, dass sowohl die verstandesmäßige als auch die gefühlsmäßige Beurteilung der Situation die Ver324 325 326

Vgl. Ajzen, I. (1988). Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 51. Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 34.

68

B

Theoretische Grundlagen

haltensabsicht determinieren. Ein Konsument, der verstandsmäßig keine negativen Konsequenzen für den folgenden Kauf abschätzt, dessen negative gefühlsmäßige Einstellungskomponente jedoch überwiegt, könnte demnach eine Änderung der Verhaltensabsicht aufweisen. Zusätzlich wird angenommen, dass Rückkopplungen wiederum verstärkend auf die Einstellung wirken. TÖPFER weist auf die Relevanz der affektiven Komponente im zugrunde liegenden Kontext hin. So ist davon auszugehen, dass der Grad der gefühlsmäßigen Betroffenheit ein Indikator für das Ausmaß der Veränderungen darstellt. Die Zusammenhänge zwischen den genannten Variablen sind nach TÖPFER nicht nur rekursiv, sondern zum Teil wechselseitig.327 Zusätzlich zur Einstellungs-Verhaltensrelation misst TÖPFER den Konstrukten Wahrnehmung, verstanden als „Sinnesaufnahme und Interpretation“, und Involvement, verstanden als „Ich-Beteiligung“, eine hohe Bedeutung bei.328 Involvement beeinflusst die Wahrnehmung der Krise. Als Wechselwirkung kann die Wahrnehmung einer Situation in hohem Involvement resultieren, wobei unterschiedliche Arten des Involvements existieren und beachtet werden müssen.329 Entsprechend wird die Theorie der selektiven Wahrnehmung330 zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen als relevant erachtet. So gelten die Konstrukte Wahrnehmung und Involvement insbesondere im Kontext der plötzlichen Unternehmenskrisen als Determinanten der Einstellung und der Verhaltensintention.331 Obwohl das betrachtete Modell von TÖPFER ausschließlich auf theoretischen Überlegungen beruht, keiner empirischen Überprüfung unterzogen wurde und aus dem Blickwinkel der Unternehmensperspektive im Rahmen des Krisenmanagementsystems aufgegriffen wurde, liefern die Überlegungen dennoch Ansatzpunkte für das dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsvorhaben. So werden ausgewählte Konstrukte aus dem vorgestellten Modell aufgegriffen, aufgearbeitet und nach kausaltheoretischen Überlegungen an den zugrunde liegenden Kontext angepasst. Im Folgenden werden ausgewählte konkrete Partialmodelle des angloamerikanischen Forschungsraums diskutiert, denen im Hinblick auf die anschließende spezifische Modellierung eines Konsumentenverhaltensmodells für ereignisinduzierte Markenkrisen hohe Bedeutung zukommt.

327 328 329

330

331

Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 52. Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 51. Das persönliche Involvement lässt sich vom situationsspezifischen Involvement abgrenzen. Das Letztgenannte bezieht sich ausschließlich auf die Situation, während das persönliche Involvement das allgemeine Engagement der Person ausdrückt. Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 52. „Selektive Wahrnehmung heißt, dass Menschen nur einem kleinen Teil der Reize, denen sie ausgesetzt sind, ihre Aufmerksamkeit schenken.“ Solomon, M./Bamossy, G./Askegaard, S. (2001), S. 73. Diese Theorie wird detailliert in Teil C dieser Arbeit dargestellt, da sie den Hypothesen der vorliegenden Arbeit als Theoriefundierung dient. Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 52f.

2

Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

2.3.2.2

69

Konkrete Partialmodelle des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen

Bedeutende Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen entstammen dem angloamerikanischen Sprachraum, sind jedoch auch dort lediglich vereinzelt vorzufinden.332 Bevor ausgewählte Ansätze im Rahmen dieses Kapitels dargestellt werden, sei auf den Mangel an einer einheitlichen Forschungsperspektive des im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden Themenkomplexes hingewiesen. So gelten Erkenntnisse verschiedenster Forschungsbereiche als Grundlage der folgenden Modellierung eines spezifischen Konsumentenverhaltensmodells. Die Thematik des zuvor abgegrenzten Begriffs der ereignisinduzierten Markenkrisen und deren verhaltenswissenschaftliche Betrachtung geht einher mit Untersuchungen zu „product failures“, „product harm crises“, „organizational crises“333 sowie dem Bereich der allgemeinen Informationsverarbeitung im Rahmen des Konsumentenverhaltens, die im Folgenden voneinander abgrenzend diskutiert werden. Als inhaltlich angrenzend wird zusätzlich die Literatur zur sozialen Verantwortung von Unternehmen verstanden. Ausgiebig wird sich mit „Failures“ im Bereich der Dienstleistungen befasst. Jede der einzelnen Forschungsrichtungen liefert Anregungen für die vorliegende Arbeit. Es sei an dieser Stelle jedoch anzumerken, dass eine unreflektierte Übertragung der Erkenntnisse auf den speziellen Kontext einer ereignisinduzierten Markenkrise (insbesondere aufgrund des speziellen Bezugsobjekts Marke) die Gefahr von Erkenntnisverwässerungen mit sich bringt. Sogar im Rahmen der ereignisinduzierten Markenkrisen muss bewusst auf den Kriseninhalt geachtet werden. Es wird davon ausgegangen, dass Forschungsresultate im Kontext von Qualitätsmängeln sich stark von sozial bedingten Krisen unterscheiden. Dieser Arbeit liegt eine fiktive ereignisinduzierte Markenkrise zugrunde, die sowohl Qualitätsaspekte als auch soziale Aspekte der Marke betrifft. So soll diese Arbeit im speziellen Bereich dieser Markenkrisen eine Grundlage für zukünftige Forschungsvorhaben liefern. Die vorangegangenen Ausführungen beabsichtigen eine Sensibilisierung des Lesers für die Vielfältigkeit des Forschungsbereichs und die daraus resultierende Notwendigkeit einer präzisen Abgrenzung zur Vermeidung von Erkenntnisverwässerungen. 332

333

Vgl. Härtel, C./McColl-Kennedy, J. R./McDonald, L. (1998), S. 428; vgl. Jorgensen, B. K. (1996), S. 346. „Product-harm crisis“ unterscheiden sich deutlich von „product failures“. „Product-harm crises are discrete, well-publicized occurrences wherein products are found to be defective or dangerous.” Dawar, N./Pillutla, M. (2000) unter Berufung auf Siomkos, G. J./Kurzbard, G. (1994), S. 30. Davon abgrenzend weisen „product failures“ nach Auffassung der Autorin eine entscheidend geringere Auswirkungsintensität auf. „Product failures“ werden demnach vielmehr als Diskonfirmation der Konsumentenerwartungen verstanden und beinhalten nicht zwangsläufig eine hohe Öffentlichkeitswirkung. Folgendes Zitat unterstreicht diese Annahme: „A product harm crisis is likely to be more serious than a product failure for a company due to the highly publicized nature of the crisis and the greater degree of harm incurred by consumers.“ Laufer, D./Gillespie, K. (2004), S. 142.

70

B

Theoretische Grundlagen

In Bezug auf die Entwicklung der Forschungsinhalte des Themenkomplexes wurde anfänglich insbesondere der Negativitätseffekt in den Mittelpunkt der Untersuchungen gestellt. Es ist grundlegend die Arbeit von MIZERSKI334 zu nennen, die die überproportionale Wirkung von negativen Informationen in Relation zu positiven herausfiltert.335 Die Forschungserkenntnisse werden in Anbetracht ihrer zugrunde liegenden Theorien dargestellt, bevor auf Basis der vorgestellten Literatur ein theoretischer Bezugsrahmen entwickelt wird, der der Hypothesengenerierung dient. Als auffällig erscheint dabei die Konzentration der Ansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen auf der Theoriefundierung der Attributionstheorie von WEINER336, die nachfolgend dargestellt werden. WEINERs Attributionstheorie337 erklärt Verhalten durch Kausalattributionen mit den drei Dimensionen „Locus“ (Ort des Geschehens), „Controllability“ (Kontrollierbarkeit des Ereignisses) und „Stability“ (Vorherrschen der Situation).338 Dieser Theorieansatz wird in der Literatur überwiegend im Zusammenhang mit Produktbzw. Serviceproblemen im Hinblick auf Auswirkungen auf die Konsumentenzufriedenheit angewandt.339 Vereinzelt existieren Arbeiten, die für den hier betrachteten Zusammenhang grundlegend sind. Tabelle B6 fasst die auf WEINERs Theorie aufbauenden Forschungsarbeiten sowie darüber hinausgehende Partialmodelle zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in den Markenkrisen ähnlichen Situationen zusammen. Tabelle B6: Partialmodelle des Krisenverhaltens Autor

Kontext/ Forschungsschwerpunkt

Fokussierte Variablen

Empirische Überprüfung

Folkes 1984

Produktversagen (u. a. Unzufriedenheit im Restaurant, Produktunzufriedenheiten) Leistungsprobleme bei Fluggesellschaften

• Attributionsvariablen • Konsumentenreaktion

3

• Attributionsvariablen • Ärgernis • Beschwerde- und Wiederkaufverhalten

3

Folkes/Koletsky/ Graham 1987

334 335

336

337 338

339

Vgl. Mizerski, R. (1982), S. 301–310. Neue Untersuchungen beschäftigen sich mit Faktoren, die dem Negativitätseffekt entgegenwirken. Vgl. Ahluwalia, R. (2002), S. 270–279. Vgl. Weiner, B. (1986); Einen Überblick der Einordnung der Kausalattribution im Hinblick auf Emotionen und Motivationen liefert Weiner, B. (1986), S. 16. Vgl. Weiner, B. (1986). Vgl. Weiner, B. (1986); vgl. Weiner, B. (1995). Für eine ausführliche Darstellung der Kausalattributionstheorie vgl. Vollmer, I. (2002), S. 31–61. Vgl. eine Übersicht der Ansätze in Tsiros, M./Mittal, V./Ross, W. T. Jr. (2004), S. 477.

2

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Zur Theorie ereignisinduzierter Markenkrisen

Tabelle B6 (Fortsetzung) Autor

Kontext/ Forschungsschwerpunkt

Folkes 1984

Produktversagen • Attributionsvariablen (u. a. Unzufriedenheit im • Konsumentenreaktion Restaurant, Produktunzufriedenheiten)

3

Folkes/Koletsky/ Graham 1987

Leistungsprobleme bei Fluggesellschaften

• Attributionsvariablen • Ärgernis • Beschwerde- und Wiederkaufverhalten

3

Siomkos/ Kurzbard 1994

Produktversagen

• Unternehmensreaktion (u. a. Verleugnung, Produktrückruf, hoher Einsatz) • Risikowahrnehmung • Beeinflussung der Zukunftskäufe

3

Jorgensen 1994

Flugzeugabsturz

• Attributionsvariablen (Locus, Controllability) • Emotionen (u. a. Wut, Sympathie) • Verantwortung • Einstellung • Wiederkaufsabsicht

3

Jorgensen 1996

Flugzeugabsturz Tod eines Konsumenten durch freiverkäufliches Arzneimittel

• Reaktion des Unternehmens (u. a. Entschuldigung, Rechtfertigung, Verleugnung) • Konsumentenverhalten

3

Härtel/ Unternehmenskrisen McColl-Kennedy/ McDonald 1998

• Reaktion des Unternehmens • Emotionen • Einstellung (zum Unternehmen und alternativen Anbietern) • Assoziationen (über das Unternehmen und/oder die Marke)



Dawar/Pillutla 2000

• • • • • • • • •

3

Produktversagen

Fokussierte Variablen

Erwartungen Unternehmensreaktion Einstellung zur Marke Vertrauen zur Marke Wahrgenommene Qualität Wahrgenommenes Risiko Wiederkaufverhalten Ursache des Vorkommnisses Brand Equity

Empirische Überprüfung

72

B

Theoretische Grundlagen

Tabelle B6 (Fortsetzung) Autor

Kontext/ Forschungsschwerpunkt

Fokussierte Variablen

Dawar/Pillutla 2000

Produktversagen

• • • • • • • • •

Erwartungen Unternehmensreaktion Einstellung zur Marke Vertrauen zur Marke Wahrgenommene Qualität Wahrgenommenes Risiko Wiederkaufverhalten Ursache des Vorkommnisses Brand Equity

Empirische Überprüfung 3

Quelle: Eigene Erstellung

Obwohl Zusammenhänge krisenrelevanter Verhaltenskonstrukte aufgezeigt werden, konnte weder der angloamerikanischen noch der deutschsprachigen Marketingliteratur ein Modell entnommen werden, das als anerkannte Grundlage krisenrelevante Konstrukte auf Basis kausalanalytischer Zusammenhänge überprüft und sich gleichzeitig als Basis zur Überprüfung eines in der vorliegenden Arbeit angenommenen Zusammenhangs mit Prädispositionen aus dem Bereich der KonsumentenMarkenbeziehungen eignet. So ist es ein Ziel des folgenden Kapitels, auf Basis der Kognitionstheorien ein entsprechendes Basismodell zu entwickeln. Die aufgeführten Ansätze identifizieren jedoch verhaltensrelevante Konstrukte im Krisenkontext. In Anbetracht der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit stellen diese Arbeiten eine Basis zur Identifikation kontextrelevanter Verhaltenskonstrukte dar. Die Erkenntnisse fließen in die folgenden Überlegungen zur Generierung eines Konsumentenverhaltensmodells für den Krisenkontext ein, das anschließend um den Aspekt der Konsumenten-Markenbeziehungen ergänzt wird.

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens zur Erklärung des Einflusses der Markenbeziehungsqualität auf das Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen

Abbildung C1: Aufbau der Arbeit Kapitel C Quelle: Eigene Erstellung

74

1

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Grundüberlegungen und Vorgehensweise zur Modellierung der Zusammenhänge

Eingangs wurden in der vorliegenden Arbeit zu den zu beobachtbaren Veränderungen der Mikro- und der Makroumwelt eher allgemein gehaltene Plausibilitätsüberlegungen über den Wirkungszusammenhang von vorherrschenden KonsumentenMarkenbeziehungen auf das Konsumentenverhalten im Kontext ereignisinduzierter Markenkrisen angestellt. Diese anfänglichen Plausibilitätsüberlegungen sollen im folgenden Kapitel theoretisch fundiert werden. So werden neben theoretischen Ansätzen, die als Grundlage zur Hypothesenbildung dienen, vertiefend empirische Arbeiten vorgestellt, die die Annahme der anschließend formulierten Zusammenhänge unterstützen. Ein theoretischer Bezugsrahmen wird entwickelt und die Hypothesen dieser Arbeit werden hergeleitet. Dies geschieht in folgender Vorgehensweise: 1. Zunächst wird ein Literaturüberblick im Hinblick auf die Zusammenführung der zwei zuvor diskutierten Themenkomplexe gegeben. Diese Darstellung der theoretischen sowie empirischen Fundierung erfolgt in inhaltlicher Reihenfolge. Wie im vorangestellten Kapitel wird zwischen den zwei Forschungsschwerpunkten Markenbeziehungen und Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen unterschieden. So wird anfänglich auf die Literatur im Bereich des Verfalls von Markenbeziehungen eingegangen, bevor Arbeiten diskutiert werden, die die Markenbeziehung als moderierende Variable ansehen. Separat werden anschließend Partialmodelle des Konsumentenverhaltens in Krisenzeiten diskutiert, in denen die Rolle der Einflussfaktoren analysiert wird. Es werden ausschließlich Ansätze dargestellt, die durch Annäherung an die hier gewählte Markenbeziehungstheorie auf deren Bedeutung im Zusammenhang schließen lassen. 2. Anschließend wird die Zielstellung dieser Arbeit erneut aufgegriffen, um deren Umsetzung durch den vorgestellten theoretischen Bezugsrahmen zu verdeutlichen. Die theoretische Fundierung dieser Arbeit leisten Kognitionstheorien, die ausführlich dargestellt und im dieser Arbeit zugrunde liegenden Kontext diskutiert werden. 3. Zur Konkretisierung der Zusammenhänge durch eine Modellierung bedarf es der detaillierten Analyse des Konstrukts Markenbeziehungsqualität und der inhaltlichen Auswahl der Dimensionen dieses Konstrukts. Weiterhin werden Konstrukte des Konsumentenverhaltens ausgewählt, die in einer Prozessreihenfolge ein spezifisches Konsumentenverhaltensmodell für den Krisenzusammenhang darstellen. 4. Entscheidend werden im folgenden Kapitel nach einer spezifischen Anpassung und Diskussion der theoretischen Fundierung die Hypothesen dieser Arbeit generiert. Anschließend wird die Modellkonzeption mittels eines theoretischen Bezugsrahmens aufgezeigt, der dem Kausalitätsanspruch unterliegt. Der Markenbeziehungsqualität kommt die Rolle einer einflussgebenden Variable zu, die einen Einflussfaktor auf die Verhaltenskonstrukte des spezifischen Konsumentenverhaltensmodells für ereignisinduzierte Markenkrisen darstellt. 5. Bevor die empirische Überprüfung des Modells erfolgt, wird der Innovationsgrad der bisherigen Erarbeitung zusammenfassend dargestellt.

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

75

Abbildung C2 verdeutlicht den inhaltlichen Aufbau des Kapitels, das zur Modellkonzeption führt.

Abbildung C2: Inhaltlicher Ablauf der Modellkonzeption Quelle: Eigene Erstellung

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

Im Folgenden werden Ansätze aufgezeigt, die ein Fundament für die Zusammenführung der zwei diskutierten Themenkomplexe verkörpern. So werden einerseits Forschungserkenntnisse dargestellt, die die Markenbeziehung als moderierende Variable ansehen, anschließend werden Erklärungsansätze zum Konsumentenverhalten in Krisensituationen diskutiert, die auf die einflussgebende Wirkung der Markenbeziehung als Prädisposition schließen lassen.

76

C

2.1

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Die Markenbeziehung als moderierende Variable

Schon innerhalb des dargestellten theoretischen Ansatzes zur Erklärung der Konsumenten-Markenbeziehungen von FOURNIER wurde auf mögliche Auswirkungen der Existenz von Markenbeziehungen hingewiesen. Beziehungsqualität, als das in der Literatur der menschlichen Beziehungen am häufigsten untersuchte Konstrukt, erfährt folgende in der Sozialpsychologie anerkannte Konsequenzen:340 • Beziehungsstabilität341, • Anpassungstendenzen342, • voreingenommene Attribution343, • Reaktionen auf Treuebruch344 sowie • Reaktionen auf attraktive Alternativen im Umfeld345. Insbesondere die Aussage des Einflusses der Beziehungsqualität auf Reaktionen nach Treuebrüchen sowie die voreingenommene Attribution lassen auf die Relevanz der existierenden Markenbeziehungsqualität im Kontext einer ereignisinduzierten Markenkrise schließen. Wie zuvor erwähnt, weist FOURNIER schon innerhalb des Forschungsausblicks ihrer Dissertation346 auf den potenziellen Zusammenhang zwischen der Markenbeziehungsqualität und dem Verhalten der Konsumenten in Krisenkontexten hin, ohne dass entsprechende empirische Ergebnisse vorliegen.347 Unter anderem angeregt durch die Forschungserkenntnisse von FOURNIER, die die Existenz von Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken greifbarer erscheinen lassen, setzt sich AGGARWAL348 zum Ziel, Verhaltenswirkungen von Markenbeziehungen zu untersuchen, wobei er seine Überlegungen abweichend von FOURNIERs Erkenntnissen auf Beziehungstheorien der Psychologie aufbaut. So fokussiert er zwei Arten von Beziehungen. Die von ihm betrachteten Beziehungsformen basieren jedoch nicht auf FOURNIERs Theorie der Konsumenten-Marken340 341 342 343 344 345 346 347

348

Vgl. Überblick Fournier, S. (1998), S. 155. Vgl. Lewis, R. A./Spanier, G. (1979), S. 268–294. Vgl. Rusbult, C. E. et al. (1991), S. 53–78. Vgl. Bradbury, T./Fincham, F. (1990), S. 3–33. Vgl. Berscheid , E. (1983), S. 110–168. Vgl. Johnson, D. J./Rusbult, C. (1989), S. 967–980. Diese Arbeit verbleibt als unveröffentlichte Dissertation bestehen. In Anhang E der unveröffentlichten Dissertation werden unterschiedliche Krisenszenarien als Forschungsansatz dargestellt, Anhang D enthält einen exemplarischen Fragebogen, der jedoch ohne modelltheoretische Grundlage erscheint und im Wesentlichen auf Meinungen über das entsprechende Krisenszenario sowie zukünftiges Verhalten eingeht. Vgl. Fournier, S. (1994), S. 328–359. Als Vorüberlegung überprüft FOURNIER ohne Einbezug des Krisenkontextes Wirkungen der Markenbeziehungen auf folgende Variable: Repeat Intention, Supportive Customer Responses, Resist New Competitive Offerings, Resist Competitive Price Deals, Frequency of Use, Share of Uses, Relationship Duration, Top-of-Mind Saliency, Consideration Set Size. Ihr gelingt es lediglich, Einflüsse einzelner Dimensionen nachzuweisen. Vgl. Fournier, S. (1994), S. 224. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 87–101.

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

77

beziehungen. Aus Simplizitätsgründen bezieht sich der Autor ausschließlich auf zwei aus der Psychologie übertragene Arten von Beziehungen nach CLARK/MILLS349, die sich insbesondere in ihrer gegenseitigen Bedeutung für den Partner unterscheiden. „Exchange Relationships“ stellen den Eigennutzen aus der Beziehung in den Mittelpunkt, wobei es bei „Communal Relationships“ vielmehr darum geht, auch die Wahrnehmung des Partners und dessen Bedürfnisse auszudrücken, wie es meist in Freundschaften, familiären Beziehungen oder auch Liebesbeziehungen der Fall ist.350 Ausgangspunkt der Forschungsarbeit ist die auch dieser Arbeit zugrunde liegende Annahme, dass mit differierenden Beziehungsformen unterschiedliche Verhaltensnormen einhergehen.351 Dementsprechend werden differierende Bewertungen des Markenverhaltens sowie der Marke erwartet. AGGARWAL betrachtet die Beziehungsform demnach als Prädispositionen. Er konkretisiert seine Überlegungen durch eine Analyse von Konsumentenreaktionen auf Marketingaktivitäten in Abhängigkeit der vorherrschenden Art der Beziehung. Es werden Marketingaktivitäten untersucht, die den Erwartungen der Konsumenten gemäß deren Beziehungsform zur Marke entweder entsprechen oder entgegenstehen.352 Die in drei Experimenten durchgeführte Untersuchung bestätigt die Vermutungen. Insbesondere anhand der „Norm Violations“ (Handlungen, die den Erwartungen entgegenstehen) werden die Hypothesen unterstützt. Es wird deutlich, dass die Erfüllung der Erwartungen innerhalb der Beziehungen einen wesentlichen Einfluss auf die Beurteilung der Marken sowie deren Verhalten ausübt. So stellt AGGARWAL zusammenfassend fest, dass Beziehungsnormen ausschlaggebend für die variierenden Markenbeurteilungen sind.353 Am Ende seiner Überlegungen betont AGGARWAL die Bedeutung und Aktualität des Themenkomplexes der „fascinating world of consumer-brand interactions“354 und weist auf weiteren Forschungsbedarf in dieser bisher unterbeleuchteten Thematik hin.355 Die vorliegende Forschungsarbeit trägt dieser Aufforderung erstens durch die Aufarbeitung sowie Aktualisierung und Optimierung der Erfassung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität Rechnung. Zweitens wird die Relevanz von Konsumenten-Markenbeziehungen aufgezeigt, indem Verhaltenswirkungen im kausalanalytischen Zusammenhang nachgewiesen werden. Eine aktuelle Veröffentlichung von AGGARWAL/LAW356 vertieft die gewonnenen Erkenntnisse durch die Überprü349 350 351 352

353 354 355 356

Vgl. Clark, M. S./Mills, J. (1993), S. 684–691. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 88f. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 88. Reaktionen auf folgende Marketingaktivitäten werden untersucht: Experiment 1: Es wird eine zusätzliche Gebühr erhoben für eine Zusatzdienstleistung. Experiment 2: Ein kleines Geschenk wird anstelle einer finanziellen Kompensation für das Ausfüllen eines Fragebogens angeboten. Experiment 3: Einer Anfrage des Konsumenten wird erst verzögert nachgegangen. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 10ff. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 87–101. Aggarwal, P. (2004), S. 100. Vgl. Aggarwal, P. (2004), S. 100. Vgl. Aggarwal, P./Law, S. (2005), S. 453–464.

78

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

fung von Prädispositionen auf die Informationsverarbeitung von Konsumenten. Auch in dieser Untersuchung lassen sich Unterschiede zwischen „Communal“ und „Exchange Relationships“ aufzeigen.357 Auch KALTCHEVA/WEITZ358 untersuchen Einflüsse von Beziehungsdimensionen auf Konsumentenreaktionen nach positiven sowie negativen Erfahrungen mit Händlern, die durch fiktive Szenarien dargestellt werden. Vergleichbar zu der Arbeit von AGGARWAL stehen auch in dieser Studie die Beziehungsnormen im Mittelpunkt der Überlegungen. Die Beziehungsdimensionen werden, wie schon bei AGGARWAL, aus der Sozialpsychologie übernommen und lassen die Erkenntnisse von FOURNIER weitestgehend außer Acht. Die Beziehungen werden nach den Merkmalen „Reciprocity“ sowie „Mediation“ kategorisiert. Über „Reciprocity“ wird gesprochen, wenn der Konsument die gegenseitige Ausgeglichenheit der Beziehung in den Mittelpunkt stellt. So resultieren reziproke Beziehungen in einer relativen Bewertung von Interaktionen. Ist eine Beziehung reziprok, werden negative Handlungen entsprechend negativ ausgelegt. Toleranz weist im Gegensatz auf eine unreziproke Beziehung hin. Die Betrachtung der „Mediation“ fokussiert die inhaltliche Nutzenvermittlung der Beziehung. Eine hohe Ausprägung von „Mediation“ beschreibt demnach, dass die Funktionalität im Vordergrund der Beziehung steht, wobei gegenteilig die Dominanz von Identifikationsaspekten durch die Beziehung zu verstehen ist.359 Die Ergebnisse der Untersuchung weisen Zusammenhänge zwischen den unterschiedlichen Beziehungsausprägungen und den mit negativen Erfahrungen verbundenen Attributionen auf. Zusätzlich wurde ein Einfluss der Beziehungsausprägung auf verschiedenste Aspekte des Beschwerdeverhaltens360 der Konsumenten festgestellt.361 Als weitere Konsequenz der Existenz von Markenbeziehungen wurde in einer Studie von PARK/KIM/KIM362 – abweichend vom Zusammenhang mit ereignisinduzierten Markenkrisen – die Akzeptanz von Markenerweiterungen überprüft. In dieser Untersuchung wird sich konkret auf das von FOURNIER identifizierte Konstrukt Markenbeziehungsqualität bezogen. Neben weiteren Einflussfaktoren konnte die Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable auf mehrere abhängige Variable (Qualitätswahrnehmung des neuen Produkts sowie die Kaufabsicht) identifiziert werden.363 Obwohl den Ergebnissen ausschließlich eine Zweiteilung von starken und 357 358 359

360

361 362 363

Vgl. Aggarwal, P./Law, S. (2005), S. 453–464. Vgl. Kaltcheva, V./Weitz, B. (1999), S. 455–462. In Anbetracht der diskutierten Dimensionen der Beziehungsqualität könnte die Dimension Self-Connection eine inhaltliche Parallele zum hier untersuchten Phänomen „Mediation“ darstellen. Eine Verbindung zur Erfassung der Beziehungsqualität kann aus den diskutierten Beziehungsausprägungen jedoch nicht erkannt werden. Das Beschwerdeverhalten äußert sich in „Exit“, „Neglect“, „Loyalty“, „Voicing“, „Collaboration“, „Compromising“ oder „Retaliation“. Vgl. Kaltcheva, V./Weitz, B. (1999), S. 456 und 458f. Vgl. Kaltcheva, V./Weitz, B. (1999), S. 455–462. Vgl. Park, J.-W./Kim, K.-H./Kim, J. (2002), S. 190–197. Vgl. Park, J.-W./Kim, K.-H./Kim, J. (2002), S. 190–197.

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

79

schwachen Markenbeziehungen zugrunde liegt und auch diese Untersuchung keine kausalanalytische Betrachtungsweise im Sinne eines Strukturgleichungsmodells364 darstellt, untermauern die Ergebnisse dieser Studie die Bedeutung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität im Hinblick auf dessen Verhaltenswirkungen. Der Einfluss der Beziehungsqualität auf das Konsumentenverhalten insbesondere im Kontext der ereignisinduzierten Markenkrisen erscheint aufgrund der vorgestellten Forschungserkenntnisse als nahe liegend. Über die bestehenden Ergebnisse hinaus soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersucht werden, ob und in welchem Ausmaß das aktualisierte, angepasste und somit neu konzeptualisierte Konstrukt Markenbeziehungsqualität Verhaltenswirkungen im speziellen Fall der ereignisinduzierten Markenkrisen aufweist. Im folgenden Gliederungspunkt werden Forschungserkenntnisse des zweiten Themenkomplexes, dem Konsumentenverhalten in Markenkrisen samt angrenzender Forschungsbereiche diskutiert, die auf die Relevanz der Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität schließen lassen.

2.2

Einflussgebende Variablen auf das Konsumentenverhalten in Krisensituationen

Wie im vorigen Kapitel aufgeführt, gibt es lediglich vereinzelte Modelle, die sich explizit mit dem Konsumentenverhalten in Krisensituationen befassen. Darüber hinaus konnte bislang kein konkreter Erklärungsansatz aufgeführt werden, der sich innerhalb dieses Themenkomplexes mit dem Konstrukt Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable beschäftigte und die Themenbereiche entsprechend und insbesondere unter kausalanalytischen Gesichtspunkten integrierte. In diesem Kapitel werden ausgewählte Ansätze samt ihrer theoretischer Fundierung vorgestellt, die Forschungskenntnisse liefern, die auf den postulierten Zusammenhang der Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable im Krisenkontext hinweisen und entsprechend als Basis für anschließende Modellierungen im Rahmen dieser Arbeit dienen. 2.2.1

Loyalität als kontextrelevante einflussgebende Variable

So kann eine Untersuchung von STOCKMYER365 genannt werden, die den Einfluss von Loyalität auf Konsumentenreaktionen im Fall eines extern zugeführten Produktskandals überprüft.366 Diese Arbeit wurde nicht im Kapitel B2 vorgestellt, da STOCKMYERs Erkenntnisse sich nicht zur Erstellung eines Konsumentenverhaltensmodells für den Krisenkontext eignen, sondern vielmehr die Integration von Loyalität im Vordergrund steht und für die vorliegende Arbeit als Gedankenanregung zur Zusammenführung der Themenkomplexe dient. 364 365 366

Vgl. detaillierte Erläuterungen zum Verständnis von Kausalanalysen. Vgl. Kapitel D 2.1. Vgl. Stockmyer, J. (1996), S. 429–435. Vgl. Stockmyer, J. (1996), S. 429–435.

80

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Die Arbeit von STOCKMYER liefert einen ersten Eindruck über die Relevanz von Prädispositionen für das Verhalten der Konsumenten in Krisensituationen. So betrachtet der Autor neben der Loyalität auch die Reaktion des Unternehmens als einflussgebende Variable.367 Der Autor konzentriert sich im Bereich der abhängigen Variablen auf Verhaltenskonstrukte, wobei er dabei einerseits die Einstellungen zum Krisenvorfall sowie zum Unternehmen („deservingness“, „sympathy“), andererseits die Risikowahrnehmung sowie die zukünftigen Verhaltensabsichten der Konsumenten fokussiert. STOCKMYERs Überlegungen basieren auf der „Helping Behavior Theory“. Diese Theorie, die der Sozialpsychologie entstammt, drückt das Bedürfnis nach Opferunterstützung aus. Sie begründet Handeln durch den Drang nach Gerechtigkeit.368 Grundsätzlich kann STOCKMYER seine Hypothesen bestätigen, doch bleiben folgende erhebliche Kritikpunkte offen. Neben den Restriktionen, die mit der Nutzung einer hypothetischen Marke auftreten, stellt er die Zusammenhänge der Variablen in der spezifischen Situation in Frage. Beispielsweise vermutet er, die bestätigte Korrelation von Loyalität und Sympathie existiere grundsätzlich und könne nicht differenziert auf die Situation betrachtet werden.369 Diese Überlegung wird in der vorliegenden Arbeit aufgenommen und im Folgenden insbesondere im Rahmen der Modellkonzeption und anschließenden empirischen Überprüfung berücksichtigt.370 In Bezug auf die einflussgebende Variable wird deutlich, dass die Untersuchung STOCKMYERs lediglich als entfernte Grundlage zur vorliegenden Arbeit angesehen werden kann. Das inhaltliche Verständnis der unabhängigen Variable Loyalität differiert sehr stark zum eingangs in der vorliegenden Arbeit dargestellten Verständnis einer emotionalen Loyalität zur Marke, da das Konstrukt ausschließlich durch „liking“, „substitution“ und „product seeking“ operationalisiert wird. An dieser Stelle soll betont werden, dass in der vorliegenden Arbeit die Erfassung und Wirkungsweise einer emotionalen Verbindung zwischen Konsument und Marke im Mittelpunkt steht und nach Ergebnissen von FOURNIER/YAO371 durch reine Loyalitätsmessungen auch Konsumenten identifiziert werden, die keine emotionale Bindung im Sinne des Markenbeziehungsansatzes vorweisen. Die Optimierung des Ansatzes von STOCKMYER durch die Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität eröffnet die Möglichkeit einer umfassenderen und detaillierteren Analyse. Auch die zuvor diskutierte Dyadik des Konstrukts lässt auf eine optimierte 367 368 369 370

371

Vgl. Stockmyer, J. (1996), S. 429–435. Vgl. Weiner, B. (1995), S. 143–185. Vgl. Stockmyer, J. (1996), S. 432f. Die Verhaltenskonstrukte, die als abhängige Variablen in den im Folgenden generierten theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit einfließen, werden dahingehend überprüft und inhaltsspezifisch angepasst. Anstatt positiver oder negativer Einstellung wird somit die Einstellungsdifferenz befragt. Dies geschieht gleichermaßen hinsichtlich der Verhaltensintention, da direkt nach Verhaltensänderung befragt wird. Das Konstrukt Risikowahrnehmung dient ausschließlich der Erfassung des Risikos durch die Markenkrise, weshalb es dort nicht zu Missverständnissen kommen kann. Vgl. Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472.

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

81

Erfassung der emotionalen Bindung zur Marke schließen und ermöglicht eine differenzierte Analyse. So wird im Folgenden auf die Integration des Konstrukts der klassischen Loyalität verzichtet. Trotz dieser Kritik bietet die Arbeit von STOCKMYER Anhaltspunkte zur Auswahl entscheidender Verhaltenskonstrukte, die innerhalb des nächsten Kapitels in den theoretischen Bezugsrahmen integriert werden. Die Konstrukte „deservingness“ sowie „sympathy“ werden vernachlässigt, da ein unterschiedlicher inhaltlicher Kontext zur Diskussion steht. Um den Informationsgehalt zu erhöhen, werden die abhängigen Konstrukte in der vorliegenden Arbeit im Gegensatz zum Ansatz von STOCKMYER im kausalanalytischen Sinn überprüft, was eine Berücksichtigung sämtlicher Einflüsse untereinander ermöglicht.372 Es soll an dieser Stelle noch einmal auf die dieser Studie zugrunde liegende externe Ursache der Produktkrise hingewiesen werden. Da in der Realität häufig eine Selbstverschuldung von Produktkrisen erkennbar ist, wird im Rahmen dieser Arbeit ein von STOCKMYERs Ansatz inhaltlich abweichender Kontext betrachtet. 2.2.2

Commitment als kontextrelevante einflussgebende Variable

Im Forschungsbereich der Informationsverarbeitung ist eine entscheidende Arbeit von AHLUWALIA/BURNKRANT/UNNAVA373 zu nennen. Diese Forschungsarbeit wird detailliert diskutiert, da ihr theoretische Fundierungen zugrunde liegen, die auch den hier postulierten Zusammenhängen zwischen den zuvor aufgeführten Themenkomplexen als Grundlage dienen. Theoretische Fundierungen werden aufgrund ihrer Relevanz detailliert in einem separaten Kapitel dargestellt, da sie dort erweitert und im Hinblick auf die Hypothesen und den theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit vorgestellt und diskutiert werden. An dieser Stelle wird dementsprechend zunächst ein Überblick der inhaltlichen Erkenntnisse gegeben, die auf die Eignung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität als moderierende Variable des Erklärungsmodells des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen hinweisen. Die Arbeit von AHLUWALIA/BURNKRANT/UNNAVA374 kommt der in dieser Arbeit fokussierten Auffassung von Bindung – im Sinne einer emotionalen talismanähnlichen Bindung zu einer Marke – als Einflussgeber auf das Konsumentenverhalten in Krisensituationen durch die Wahl des Konstrukts Commitment als kontextrelevante moderierende Variable näher.375 372 373

374 375

Zur Theorie der Kausalanalyse vgl. Kapitel D 2.1. Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 203–214; vgl. ähnliche Fragestellung der Untersuchung Ahluwalia, R. (2000), S. 217–232. Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 203–214. Zur Basis des Einflusses der Beziehungsvariable Commitment ist beispielsweise auf eine Untersuchung im Bereich der Psychologie hinzuweisen. Im Rahmen des zweiten Experiments dieser Studie gelingt es, den Einfluss des Commitments zum Partner auf die Assoziation des Todes, insbesondere im Hinblick auf „social transgressions“ (die hier mit „negativen Schlagzeilen“ im weiten Sinne übersetzt werden) aufzuzeigen. Vgl. Florian, V./Mikulincer, M./Hirschberger, G. (2002), S. 527–542.

82

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Es wird die Wirkung negativer Informationen über Produktattribute (hier keine Lebensmittel, sondern Turnschuhe) untersucht. Eine Zweiteilung der unabhängigen Variablen in „low-commitment consumers“ and „high-commitment consumers“ wird vorgenommen. Entsprechende Unterschiede hinsichtlich der Zusammenhänge von „valence“, „perceived diagnosticity“ und „counterarguments“ sowie deren Auswirkungen auf Einstellungsänderungen können nachgewiesen werden.376 „Valence“ drückt die Wertigkeit einer Information aus (positiv bzw. negativ). „Perceived Diagnosticity“ bezeichnet die Aussagekraft einer Information. Insbesondere im Forschungsbereich von Negativitätseffekten wird dieses Konstrukt angewandt, um die verstärkte Wirkung von negativen im Vergleich zu positiven Informationen zu identifizieren. „Counterarguments“ sind Verhaltensreaktionen der Konsumenten, die als Widerspruch verstanden werden. 377 Den Autoren gelingt es, den aus der Psychologie abgeleiteten Einfluss des Commitments als eigenständige Dimension auf die Konsumentenreaktionen nach negativen Produktinformationen zu bestätigen. Bei Low-Commitment-Konsumenten ist zu beobachten, dass der in der Literatur bekannte Negativitätseffekt die Informationsverarbeitung dominiert. Der negativen Information wird eine starke Aussagekraft beigemessen und resultierend ist eine hohe Einstellungsänderung zu beobachten. Gegensätzlich führt bei den Befragten der High-Commitment-Gruppe ein höherer Widerspruch zu geringeren Einstellungsänderungen. Der Negativitätseffekt wird dementsprechend reduziert. Zusätzlich untersuchen die Autoren den Grad der Ambivalenz der Einstellungen. Im Gegensatz zu den Low-Commitment-Konsumenten, die durch die negative Information der Produktattribute eine starke Ambivalenz aufweisen, sind bei den High-Commitment-Konsumenten kaum Unterschiede in der Ambivalenz festzustellen.378 AHLUWALIA/BURNKRANT/UNNAVA zeigen demnach die Relevanz der Konsumentendifferenzierung aufgrund der Ausprägung des Commitments auf. Es wurde lange von einer homogenen Reaktionsstrategie ausgegangen379, der diese neue Erkenntnis jedoch widerspricht. Reagiert ein Konsument aufgrund des hohen Commitments mit Widerspruch auf die negative Information, so ist dem Unternehmen anzuraten, entsprechend die Kommunikation auf die Aussagekraft der Informationen auszurichten.380 Im Hinblick auf die Verwendung der vorgestellten Arbeit als Ausgangspunkt zur Erstellung des theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit werden zunächst Kritikpunkte diskutiert. So schränkt die Zweiteilung der Befragten hinsichtlich des Commitments – wie schon zuvor bei STOCKMYER – die gewonnenen Ergebnisse hinsichtlich der moderierenden Funktion des Konstrukts erheblich ein und soll, durch das in dieser Arbeit zu entwickelnde Kausalmodell und durch die Erhebung von 376 377 378 379 380

Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 208. Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 203–214. Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 203–214. Vgl. Pearson, C. M./Mitroff, I. I. (1993), S. 48–59. Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 212.

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

83

quasimetrischen Daten verbessert werden. Auch die Auswahl eines allein stehenden Konstrukts erscheint nach vorangehenden Literaturauswertungen als unvollständig und soll im Folgenden durch die Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität optimiert werden. Insbesondere im Zusammenhang mit einer ereignisinduzierten Markenkrise stellen auch andere Dimensionen der Markenbeziehung wesentliche Bindungskriterien dar, die jeweils unterschiedliche Wirkungen erwarten lassen. Zur Verdeutlichung wird an dieser Stelle auf das Konstrukt Vertrauen hingewiesen. So erscheint es nahe liegend, dass beispielsweise Vertrauen durch eine ereignisinduzierte Markenkrise eher gebrochen werden kann als Commitment, da sich Vertrauen unter anderem auf Verlässlichkeit stützt, die im Fall von ereignisinduzierten Markenkrisen kritisch angesehen wird. Die Dimension „Verbindung zur eigenen Identität“ könnte die Wirkung des Commitments sogar übertreffen, da die Verinnerlichung der Marke bei diesem Konstrukt im Mittelpunkt steht. Zusammenfassend bietet die Arbeit von AHLUWALIA/BURNRANT/UNNAVA zwar einen Ansatzpunkt für die vorliegende Hypothesengenerierung, Erkenntnisse der Literaturaufarbeitung lassen jedoch darauf schließen, dass eine differenzierte Betrachtung der Beziehungsqualität unbedingt notwendig erscheint, da von einem hohen zusätzlichen Informationsgehalt auszugehen ist. In Bezug auf Relevanz dieses Ansatzes für die vorliegende Arbeit werden weiterhin folgende Anmerkungen gemacht. In den Verweisen nach weiterem Forschungsbedarf wird von AHLUWALIA/BURNKRANT/UNNAVA die inhaltliche Unterscheidung der negativen Information angesprochen, die entweder „value-related“ oder „attribute related“ ausfallen.381 Die Ergebnisse der vorgestellten Untersuchung sind demnach aufgrund der Spezifikation auf Produktattribute nur begrenzt gültig. Die in der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende ereignisinduzierte Markenkrise stellt eine Kombination von Produktattributen und einer Aussage über das soziale Verhalten der Unternehmen dar.382 Hinsichtlich der demographischen Merkmale vermuten die Autoren kaum differierende Ergebnisse. In Anlehnung an die Literatur zur Wirtschaftsethik383 geht diese Arbeit jedoch davon aus, dass Geschlechter-, Altersund kulturelle Diskrepanzen im Krisenverhalten existieren, speziell hinsichtlich der wertorientierten negativen Informationen. Diese Annahme limitiert zwar einerseits die Übertragbarkeit der Ergebnisse, spezifiziert diese jedoch und beugt Verwässerungen vor. Als Erweiterung der vorgestellten Ergebnisse ist eine Untersuchung von negativen sowie positiven Informationseinwirkungen auf „Spillover-Effekte“ anzusehen.384

381 382 383

384

Vgl. Ahluwalia, R./Burnkrant, R. E./Unnava, H. R. (2000), S. 212. Vgl. detailliert Kapitel D 1.1.3. Vgl. beispielsweise Rawwas, M. Y. A./Singhapakdi, A. (1998), S. 26–38; vgl. Marta, J. K. M. et al. (2000), S. 37–47; vgl. Singhapakdi, A./Rawwas, M. Y. A. (1999), S. 257–272; vgl. Vittel, S. J./Lumpkin, J. R./Rawwas, M. Y. A. (1991), S. 365–375. Vgl. Ahluwalia, R./Unnava, H. R./Burnkrant, R. R. (2001), S. 458–470.

84

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Der Begriff „Spillover-Effekte“ drückt, innerhalb des hier diskutierten Zusammenhangs mit negativen Informationen, die Übertragung von Wissen bzw. entsprechenden Beurteilungen auf in der Information nicht enthaltene Aspekte aus. Auch in dieser Untersuchung gehen AHLUWALIA/UNNAVA/BURNKRANT385 von der Relevanz des Konstrukts Commitment als einflussgebende Variable aus. Es steht jedoch die Übertragung der erhaltenen Informationen auf nicht genannte Attribute des Zielobjekts im Mittelpunkt der Untersuchung. Parallel zur vorherigen Untersuchung werden die Befragten in High-/Low-Commitment-Konsumenten unterteilt. Für High-Commitment-Konsumenten wird festgestellt, dass sich Einstellungen zu den nicht genannten Attributen ausschließlich im Fall positiver Information verändern. „Spillover-Effekte“ können durch den Erhalt negativer Informationen nicht nachgewiesen werden. Bei Konsumenten mit einem geringen Grad von Commitment konnten sowohl bei positiven als auch bei negativen Informationen „Spillover-Effekte“ beobachtet werden. Zur weiteren Spezifizierung untersuchen die Autoren zusätzlich die Wirkungsweise positiver und negativer Informationen im Hinblick auf sich ergebende „Spillover-Effekte“ ohne vorherige Kenntnis der Marke. Entsprechend dem zuvor beschriebenen Negativitätseffekt können ausschließlich negative „SpilloverEffekte“ identifiziert werden. Positive Übertragungen der Informationen auf nicht erwähnte Produktattribute bleiben aus.386 Eine weitere Untersuchung von AHLUWALIA387 beschäftigt sich detailliert mit der Erklärung des Widerstands gegen Beeinflussung durch Informationen („resistance to persuasion“) sowohl im politischen als auch im marktbezogenen Kontext. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen in Anlehnung an die psychologische Literatur388 drei Komponenten des Widerstands: „biased assimilation“, „relative weighting“, und „minimizing impact“. „Biased assimilation“ drückt den Grad der voreingenommenen Anpassung aus. So werden erhaltene Informationen gegebenenfalls aufgrund von einer Voreingenommenheit nicht akzeptiert und entsprechend verworfen. „Relative weighting“ erfasst die Gewichtung des Vorkommnisses und die Komponente „minimizing impact“ bezieht sich auf die Auswirkungen, die beispielsweise durch eine geringe Übertragung des negativen Informationsinhalts reduziert werden. Diese kognitiven Konstrukte werden von der „refutability“ im Sinne einer Abwend- bzw. Widerlegbarkeit der Botschaft beeinflusst, die sich durch das Ausmaß und die Stärke der Information, deren diagnostische Qualität, den Wiederholungsgrad der Informationswahrnehmung sowie die Fähigkeit des Konsumenten zur Gegenargumentation ausdrückt. Entsprechend den zuvor aufgeführten Arbeiten wird auch in dieser Untersuchung, die sich mit den tief greifenden psychologischen kognitiven Prozessen der Konsumenten im Rahmen der Informationsverarbeitung befasst, dem Konstrukt Commitment eine entscheidende Rolle zugesprochen. Die Autoren der Untersuchung stellen 385 386 387 388

Vgl. Ahluwalia, R./Unnava, H. R./Burnkrant, R. R. (2001), S. 458–470. Vgl. Ahluwalia, R./Unnava, H. R./Burnkrant, R. R. (2001), S. 458–470. Vgl. Ahluwalia, R. (2000), S. 217–232. Vgl. Fishbein, M./Ajzen, I. (1981).

2

Grundlagen zur Zusammenführung der Themenkomplexe

85

fest, dass dem Konstrukt Commitment ein Einfluss im Hinblick auf die Kognition „biased assimilation“ zukommt, wobei dieser Einfluss durch die Stärke der „refutability“ verändert werden kann. Im Falle von Informationen, die schwierig abzuwenden sind, tendiert der Konsument dazu, den betroffenen Attributen eine geringe Bedeutung beizumessen. Kombiniert betrachtet wirkt dieser Effekt, sobald die Verwerfung der negativen Information im Rahmen der „biased assimilation“ keinen Bestand mehr hat. Auch die voreingenommene Gewichtung der Information ist im Fall der High-Commitment-Konsumenten zu beobachten. Zusätzlich wird in dieser Untersuchung im Hinblick auf den Aspekt der Auswirkungsminimierung ein negativer Einfluss des Commitments auf die Entstehung von „Spillover-Effekten“389 identifiziert.390 Da diese Arbeit eine detaillierte Untersuchung der zugrunde liegenden Kognitionen beinhaltet, setzt die theoretische Fundierung der vorliegenden Arbeit an den verschiedenen Überlegungen der Arbeiten von AHLUWALIA an. Das anschließende Kapitel widmet sich der Aufarbeitung der Theorien als Fundierung der Hypothesen dieser Arbeit. Es bleibt hervorzuheben, dass die in der vorliegenden Arbeit vollzogene Auswahl des Konstrukts Markenbeziehungsqualität im Gegensatz zur Verwendung des Konstrukts Commitment eine Erweiterung und Optimierung der aufgezeigten Ansätze hinsichtlich des Erkenntnisgewinns darstellt. Es können demnach Facetten der emotionalen Verbundenheit berücksichtigt werden, die bei der alleinigen 389

390

Im Bereich der „Spillover-Effekte“ ist auch im deutschsprachigen Forschungsraum eine aktuelle Veröffentlichung von GIERL/KONCZ (2004) zu nennen, die die Thematik des Einflusses der Gebundenheit gegenüber einer Marke auf Informationswirkungen anreißt. Es werden zusätzlich die Auswirkungen entsprechend der zuvor diskutierten „SpilloverEffekte“ überprüft. Die Autoren untersuchen regressionsanalytisch Differenzen zwischen Merkmalsbeurteilungen von Produkten nach Informationen aus dem Internet. Informationen aus Kundenbeurteilungen im Internet werden Ergebnissen der Stiftung Warentest im Internet gegenübergestellt. Generell wird eine geringere Beeinflussung durch negative Informationen (gemessen anhand von Merkmalsbeurteilungen) bei gebundenen Kunden im Gegensatz zu ungebundenen Kunden nachgewiesen. Für gebundene Kunden in Relation zu ungebundenen Kunden kann im Fall negativer Informationen zusätzlich eine geringere Beeinflussung im Hinblick auf „Spillover-Effekte“ beobachtet werden. Über diese Ergebnisse hinaus wird auf die Glaubwürdigkeit des Informationsursprungs in der Studie eingegangen, worauf jedoch in Anbetracht des Schwerpunktes dieser Arbeit nicht eingegangen wird. Vergleichbar mit den zuvor aufgeführten Studien verbleibt auch in der diskutierten Arbeit von GIERL/KONCZ die Operationalisierung der Gebundenheit fern der dieser Arbeit zugrunde liegenden Auffassung der emotionalen Verbindung zu einer Marke im Sinne des ausgewählten Markenbeziehungsansatzes. Zusätzlich basieren auch in dieser Studie die Ergebnisse auf einer Zweiteilung der Kunden hinsichtlich deren Gebundenheit. Vgl. Gierl, H./Koncz, J. (2004), S. 59–68. In Bezug auf die folgenden Überlegungen der vorliegenden Arbeit ist im Hinblick auf den Informationsgehalt der Forschung neben der kritisch betrachteten Zweiteilung der Kunden auch die Vernachlässigung der Verhaltenskomponente zu nennen und wird als Ansatzpunkt für eine Erweiterung verstanden. Aufgrund des differierenden zugrunde liegenden Forschungskontexts dient die aufgezeigte Arbeit lediglich als entfernte Grundlage für die weiteren Überlegungen dieses Kapitels. Vgl. Ahluwalia, R. (2000), S. 217–232.

86

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Betrachtung des Konstrukts Commitment nicht beleuchtet werden. Es ist zu erwarten, dass ein kausalanalytisches Gesamtmodell den Informationsgehalt der Forschungsresultate durch die Berücksichtigung der Wechselwirkungen der im Modell enthaltenen Konstrukte erhöht. Da weitere Untersuchungen, die sich mit loyalitätsnahen Konstrukten befassen, sich von den hier vorgestellten Arbeiten hinsichtlich des Untersuchungsziels entfernen, sollen Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Involvement und dem Krisenverhalten391 bzw. zwischen Loyalität und der Zufriedenheit und folgenden Konstrukten392 an dieser Stelle nicht detailliert diskutiert werden. Zusammenfassend lässt sich im Rahmen dieses Kapitels feststellen, dass die aufgeführten Forschungserkenntnisse die Bedeutung von Prädispositionen für das Krisenverhalten aufzeigen. Neben dem Konstrukt der Loyalität wurde dabei insbesondere das Konstrukt Commitment als bedeutender Einflussgeber identifiziert. Eine detaillierte Betrachtung der Arbeiten liefert zahlreiche Ansatzpunkte für weitere Forschungsvorhaben. Die Erschließung des Themenbereichs scheint bei Weitem noch nicht ausgereift und die Notwendigkeit zukünftiger Forschung wird deutlich. So ist die vorliegende Arbeit als Erweiterung bzw. Optimierung der vorgestellten Ansätze zu verstehen. Da die Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen über die vorgestellten Anwendungen von Commitment, Loyalität und Gebundenheit überaus detailliertere und tiefer greifende Erkenntnisse schafft, wird dieses vielfältige, sich durch Zweiseitigkeit auszeichnende Konstrukt in den Zusammenhang der Konsumentenreaktionen in ereignisinduzierten Markenkrisen integriert. Inhaltlich konnte kein Ansatz der Erklärung des Konsumentenverhaltens in Zeiten ereignisinduzierter Markenkrisen unter Einbezug des Konstrukts Markenbeziehungsqualität recherchiert werden. Die Hypothesen der dargestellten Ansätze sowie auch der vorliegenden Arbeit basieren auf Kognitionstheorien, die im folgenden Kapitel detailliert diskutiert werden, da sie als theoretische Fundierung sowohl der folgenden Entwicklung der Hypothesen als auch des theoretischen Bezugsrahmens dienen.

391

392

Vgl. McDonald, L./Härtel, C. (2000), S. 799–803. Dieser Arbeit liegt keine empirische Untersuchung zugrunde. Vgl. zusätzlich eine Arbeit von AHLUWALIA, die sich die Erklärung der Grenzen des Negativitätseffekts zum Ziel setzt. Verschiedene Arten des Involvements werden zusätzlich zur Betrachtung der Kenntnis und des Mögens (Familiarity) einer Marke als einflussgebend auf Informationsverarbeitung hinsichtlich des Negativitätseffekts identifiziert. Vgl. Ahluwalia, R. (2002), S. 270–279. Vgl. Yi, Y./La, S. (2004), S. 351–373.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

3.1

Zusammenfassung gewonnener Erkenntnisse

87

Folgende Intentionen liegen dieser Arbeit zugrunde: 1. Die Relevanz des Konstrukts Markenbeziehungsqualität soll durch die spezifische Anwendung in der Situation ereignisinduzierter Markenkrisen unter kausalanalytischen Aspekten überprüft werden, indem Verhaltenswirkungen aufgezeigt werden, die in der Literatur bislang vernachlässigt wurden. 2. Es soll ein Erklärungsbeitrag für das Konsumentenverhalten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen geleistet werden, der sich aufbauend auf einer Modellierung ausgewählter Verhaltenskonstrukte spezifisch auf einen Einflussfaktor (Markenbeziehungsqualität) bezieht und in der Literatur bislang nicht entsprechend beachtet wurde. In Anbetracht dieser zugrunde liegenden theoretischen sowie auch praxisrelevanten Grundintentionen bietet sich die Zusammenführung der vorgestellten Themenkomplexe an. So wurde das Phänomen der Konsumenten-Markenbeziehungen als entscheidende Erweiterung und Optimierung bestehender Loyalitätsansätze zur Erfassung von emotionaler Bindung anerkannt und das Konstrukt Markenbeziehungsqualität wurde als Indikator zur Erfassung der Güte der Konsumenten-Markenbeziehungen als besonders geeignet zur Beschreibung emotionaler Bindungen zu Marken angesehen. Weiterhin wurden in Anlehnung an die klassische Verhaltensforschung Verhaltenskonstrukte diskutiert, die als krisenrelevant verstanden werden. Im Folgenden wird zunächst aufbauend auf den gewonnenen Erkenntnissen ein auf den spezifischen Zusammenhang angepasstes und teilweise durch abweichende und zusätzliche Konstruktauswahl optimiertes Verhaltensmodell für Krisen aus der Sicht der Konsumenten entwickelt. Darauf aufbauend kann anschließend durch die Integration der einflussgebenden Variablen Markenbeziehungsqualität der theoretische Bezugsrahmen dieser Arbeit erarbeitet werden, der der Hypothesengenerierung dient. Diese Modellierung, die die vorgestellten Themenkomplexe zusammenführt, erfolgt theoretisch fundiert und angepasst auf den spezifischen Zusammenhang unter Beachtung des Kausalanspruches.

3.2

Theoriefundierung der Integration der zwei Themenkomplexe

3.2.1

Konsistenztheorie und die Theorie kognitiver Dissonanz

Im Bereich der Kognitionsforschung wird ein Mensch als ein „motivated info processor …“ 393 verstanden. Um ein einheitliches Verständnis zu erlangen, wird der Begriff Kognition wie folgt definiert: „By the term cognition … I mean any

393

Kunda, Z. (1990) zitiert nach Ahluwalia, R. (2000), S. 230.

88

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

knowledge, opinion or belief about the environment, about oneself or about one’s behavior“ 394. Kognitionen werden demnach zusammenfassend als Wissenseinheiten verstanden. Die Summe aller Kognitionen ergibt ein kognitives System. Dementsprechend stehen Kognitionen in Beziehungen zueinander. Neben der Irrelevanz der Kognitionen zueinander können sich Kognitionen in einem konsonanten oder dissonanten Verhältnis befinden. Die Konsonanz ergibt sich aus der „psychologischen“ (im Gegensatz zur objektiv logischen) Übereinstimmung von Annahmen einer Kognition mit den Annahmen der anderen Kognition.395 Eine Dissonanz wird durch folgendes Zitat erklärt: „two elements are in a dissonant relationship if, considering these two elements alone, the observe of one element would follow from the other.“396 Eine empfundene Diskrepanz zweier Kognitionen wirkt sich demnach in einem negativen, aktivierenden Gefühl bzw. einem Spannungszustand aus. Die Stärke der Dissonanz hängt im Wesentlichen von der Bedeutung der kognitiven Elemente für eine Person bzw. von der Menge aller relevanten Kognitionen ab.397 Auch die affektive Besetzung der dissonanten Kognition wird als Determinante für die Dissonanzstärke angesehen.398 Entsprechend der Theorie der kognitiven Konsistenz strebt jedes Individuum nach dem Zustand übereinstimmender Kognitionen, da es psychische Anspannung reduziert. Dem Bereich der Konsistenztheorien entstammt auch die Theorie der kognitiven Dissonanz, die entsprechend die Bestrebung von Individuen zur Dissonanzreduktion ausdrückt. Beide Theorien liefern theoretische Fundierungen zur Verhaltenserklärung von Individuen. Ist eine Dissonanz vorhanden, kann es somit zu Dissonanzreduktionsstrategien in den folgenden Erscheinungsformen kommen:399 • Addition von neuen Kognitionen, meist durch weitere Informationssuche zur Bestätigung vorhandener Kognitionen, • Subtraktion vorhandener Kognitionen, die in der Dissonanz resultieren. Eine Subtraktion kann durch eine Umbewertung im Sinne einer Reduzierung der Bedeutung der Kognition bzw. ihrer vollkommenen Ablehnung im Sinne einer Unwahrheitsbeurteilung erfolgen sowie • die Substitution von Kognitionen, die beide aufgezeigten Vorgehensweisen kombiniert.

394 395 396

397 398 399

Festinger, L. (1957), S. 3. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 56. Festinger, L. (1957), S. 13; vgl. das Zitat sowie eine Zusammenfassung des Phänomens bei Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 56f. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 185. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986) nach Rosenberg, M. J. (1956), S. 367–372. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 58f.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

89

Konkret lassen sich diese beispielsweise in folgenden Verhaltensweisen feststellen:400 1. Vermeidung der Informationen, dieses Verhalten umfasst die Verleugnung sowie die Blockierung der Wahrnehmung, 2. Reduzierung der Inkonsistenz durch Veränderungen der kognitiven Einheiten, 3. Umdefinition der Inkonsistenz erzeugenden Situation, 4. Verdrängung der Inkonsistenz. Obwohl zahlreiche weitere Forschungsarbeiten sich mit der Konkretisierung der Theorie von FESTINGER beschäftigt haben401, konnte bis heute die Problematik der Unvorhersehbarkeit der Art der Dissonanzreaktion nicht geklärt werden. Lediglich die Subjektivität der Informationsverarbeitung gilt in der Literatur als gesichert.402 Zusammenfassend liegen bis heute keine Forschungserkenntnisse vor, die das Verhalten der Konsumenten und insbesondere die Auswahl der Risikoreduktionsstrategie allgemein gültig prognostizieren können.403 Im Hinblick auf die Marketingrelevanz der Theorien lassen sich folgende Anwendungsbereiche anführen. Auf Konsistenztheorien wird in der Literatur insbesondere im Bereich der Einstellungsforschung und speziell im Bereich der Dynamik von Einstellungen Bezug genommen. Die Einstellung ist in der Literatur des Konsumentenverhaltens eines der am häufigsten diskutierten Konstrukte und wird als besonders relevant im Hinblick auf dessen Potenzial zur Erklärung des Konsumentenverhaltens angesehen.404 Hinsichtlich des zu entwickelnden theoretischen Bezugsrahmens dieser Arbeit im Kontext der Krisenthematik wird sich dieser Auffassung angeschlossen und im Folgenden entsprechend berücksichtigt. Die Theorie der kognitiven Dissonanz findet im Rahmen des Marketings insbesondere Anwendung zur Erklärung von Vor- sowie Nachkaufdissonanzen.405 Trotz dieser abweichenden Anwendung wird der Theorie als theoretische Fundierung auch im hier betrachteten Themenkomplex des Konsumentenverhaltens in Markenkrisen eine hohe Relevanz beigemessen. So wird angenommen, dass eine Markenkrise Dissonanzen auslöst, deren Stärke und vor allem die entsprechende Bestrebung zur Dissonanzreduktion das Konsumentenverhalten erheblich beeinflussen. So kann resultierend festgestellt werden, dass die Theorie der kognitiven Dissonanz einhergehend mit der Theorie der kognitiven Konsistenz die theoretische Fundierung für die folgende Modellierung der Zusammenhänge darstellt. Konkret liefern die Theorien Ansatzpunkte sowohl für die Auswahl der Verhaltenskonstrukte als

400 401

402 403 404 405

In Anlehnung an Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 184. Vgl. beispielsweise Irle, M. (1975), eine Auflistung der weiteren Forschungserkenntnisse erfolgt bei Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 59–66. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 186. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 134. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 168. Vor- und Nachkaufdissonanzen beschreiben einen häufig auftretenden Zustand inkonsistenter Kognitionen beim Konsumenten speziell in Situationen vor bzw. nach der Kaufentscheidung. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 185.

90

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

auch für die Ableitung der Konstruktzusammenhänge. Sie werden im Folgenden im Bereich der Auswahl der Variablen sowie der Hypothesengenerierung herangezogen und konkretisierend diskutiert. 3.2.2

Coping Behavior

Als Erweiterung der vorgestellten Theorien der Kognition entstand der Themenbereich des „Coping Behaviors“, der sich die Erklärung der Verhaltensstrategien als Resultat der zuvor beschriebenen Inkonsistenzen sowie Dissonanzen zum Ziel setzt, da die Auswahl dieser Verhaltensweisen in den zuvor dargestellten Theorien im Wesentlichen unbeantwortet bleibt. Forschung zum „Coping Behavior“ entstammt im Wesentlichen der klinischen Psychologie, der Sozialpsychologie sowie der Persönlichkeitspsychologie. Ein einheitliches Verständnis des Begriffs wurde erlangt, wonach Coping als „pervasive and complex psychological process, embedded in a network of cognitive, attitudinal and behavioral correlates“406 verstanden wird. Da der Begriff Stress als „a particular relationship between the person and the environment that is appraised by the person as taxing … and endangering his or her well-being“407 in der Theorie des „Coping Behavior“ in Erweiterung der Inkonsistenztheorien im Mittelpunkt der Betrachtungen steht, ergibt sich weiterhin folgende konkrete Definition von Coping als „set of cognitive and behavioural processes initiated by consumers in response to emotionally arousing, stress inducing interactions with the environment aimed at bringing forth more desirable emotional states and reduced levels of stress.“ 408 Einflussgebend werden sowohl primäre Einschätzungen der Konsumenten (Zielrelevanz oder Zielkongruenz) als auch sekundäre Einschätzungen (Schuldzuweisung, Anpassungsfähigkeit sowie Zukunftseinschätzungen über den Stimulus) angesehen. Diese können entweder simultan oder auch als Wechselwirkungen auftreten. Zusätzlich wird von einem Einfluss weiterer kognitiver sowie persönlichkeitsbezogener Faktoren auf die Emotionen und die gewählte Coping-Strategie ausgegangen.409 An dieser Stelle setzen die Annahmen der vorliegenden Arbeit an, indem die Variable Markenbeziehungsqualität, als emotionale sowie kognitive Prädisposition, als einflussgebend erachtet wird. In der Marketingliteratur haben sich lediglich vereinzelte Arbeiten mit dem „Coping Behavior“ befasst. So beschäftigt sich schon 1971 eine Arbeit mit Risikoreduzierung aus der Sicht der Forschung zum Coping-Verhalten.410 Weitere Arbeiten beziehen sich auf die Entscheidungsfindung unter Abwägung positiver und negativer Attribute411 oder auf den Umgang der Konsumenten mit innovativen technischen 406

407 408 409 410 411

Duhachek, A. (2005), S. 41; vgl hierzu detailliert eine erste Forschungsarbeit der Autoren Lazarus and Folkman. Vgl. Lazarus, R. S./Folkman, S. (1984). Lazarus, R. S./Folkman, S. (1984), S. 19. Duhachek, A. (2005), S. 42. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 41–53. Vgl. Roselius, T. (1971), S. 56–61, zusammengefasst nach Duhachek, A. (2005), S. 42. Vgl. Luce, M. F./Bettman, J. R./Payne, J. W. (2001), zusammengefasst nach Duhachek, A. (2005), S. 43.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

91

Produkten412. Es ist keine Arbeit bekannt, die sich in dieser Form mit dem Zusammenhang der Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen beschäftigt. Auch die Identifikation der Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable im Coping-Kontext ist aus der Literatur nicht bekannt, wird in der vorliegenden Arbeit jedoch als ausschlaggebend hinsichtlich des aktuellen Forschungsstandes erachtet. Eine Arbeit von DUHACHEK413 befasst sich mit der Identifikation von CopingStrategien und entwickelt eine Coping-Skala.414 Diese Arbeit liefert einen umfassenden Einblick in mögliche stressreduzierende Verhaltensweisen von Konsumenten und stellt eine Basis zur Identifikation krisenrelevanter Konstrukte dar, die in den zu entwickelnden theoretischen Bezugsrahmen der vorliegenden Arbeit einfließen sollen. Innerhalb der Arbeit werden ein Reaktionskonstrukt mit acht Dimensionen identifiziert und ein Modell mit Voraussetzungen sowie Konsequenzen dieser Reaktionen am Beispiel negativer Erfahrungen im Dienstleistungsbereich überprüft. Folgende Dimensionen des „Coping Behaviors“ kristallisieren sich heraus:415 • Action – Es wird aktiv versucht, eine Problemlösung zu finden. • Rational Thinking – Es wird sich rational an das Problem angenähert. • Emotional Support – Es wird nach emotionalem Beistand gesucht. • Instrumental Support – Es wird sich Hilfe eingeholt zur Planung des weiteren Vorgehens. • Emotional Venting – Emotionen werden freigelassen. • Avoidance – Es wird versucht, das Problem zu verdrängen. • Positive Thinking – Es wird versucht, in allem das Positive zu sehen. • Denial – Es wird verleugnet, dass Probleme aufkamen. Die Autoren merken an, dass Emotionen und Kognitionen in unterschiedlichen Coping-Verhaltensweisen der Konsumenten resultieren, die wiederum veränderte Emotionen, Verringerung von Stress sowie veränderte Kognitionen ergeben.416 Im Rahmen dieser Arbeit wird insbesondere das identifizierte Konstrukt „Denial“ (im Folgenden mit dem Begriff Verleugnung übersetzt) in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt, da es aufgrund inhaltlicher Überlegungen als optimal geeignet zur Ergänzung des zuvor diskutierten Modells des Konsumentenverhaltens in Markenkrisen erscheint. In Anlehnung an die diskutierte Literatur wird davon ausgegangen, dass besonders die Verhaltensweise „Denial“ von der Markenbeziehungs412

413 414

415 416

Vgl. Mick, D. G./Fournier, S. (1998), S. 123–143, zusammengefasst nach Duhachek, A. (2005), S. 43. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 41–53. Als Beispiel für derartige zu untersuchende Situationen und deren resultierendes Coping Behavior wird Ärger über einen unerwarteten hohen Preis nach einer Autoreparatur oder auch der Gedankenaustausch unter Fans einer Footballmannschaft nach einem verlorenen Spiel angeführt. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 45f. und S. 49. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 41–53.

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Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

qualität beeinflusst wird und die Veränderungen der weiteren abhängigen Variablen entsprechend ausfallen. Dementsprechend wird im folgenden Gliederungspunkt ein Verhaltensmodell entwickelt, das anschließend als Bestandteil in den theoretischen Bezugsrahmen einfließt. Die einzelnen einfließenden Konstrukte werden an entsprechender Stelle detailliert diskutiert und ihre Auswahl begründet.

3.3

Entwicklung eines Modells zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen

Innerhalb dieses Kapitels werden die Konstrukte, die letztlich in den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit eingehen, vorgestellt und ihre Auswahl wird detailliert begründet. Neben begrifflichen Grundlagen wird teilweise direkt an dieser Stelle auf die Konzeptualisierung der Konstrukte eingegangen, da dies zum Verständnis der Hypothesengenerierung sowie der Integration des Konstrukts in den theoretischen Bezugsrahmen ausschlaggebend ist. Die auf die Konzeptualisierung folgende Operationalisierung der Konstrukte wird in Teil D der vorliegenden Arbeit ausführlich behandelt. 3.3.1

Auswahl der zu integrierenden Konstrukte

Anfänglich wird das unabhängige Konstrukt Markenbeziehungsqualität und seine Konzeptualisierung dargestellt. Anschließend werden die ausgewählten abhängigen Konstrukte diskutiert und in einem vorläufigen Prozessmodell des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen zusammengeführt. Eine Zusammenführung der vorgestellten Konstrukte ergibt den auf der Grundlage der Kognitionstheorien erarbeiteten theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit, in dem sämtliche Hypothesen zusammengeführt werden. 3.3.1.1

Unabhängiges Konstrukt Markenbeziehungsqualität

Da im folgenden Kapitel D im Rahmen der empirischen Überprüfung der ausgewählten, in den Bezugsrahmen einfließenden Konstrukte eine vertiefte Darstellung und Diskussion der Konstruktkonzeptualisierung als Grundlage der darauf folgenden Operationalisierung stattfindet, werden an dieser Stelle insbesondere die inhaltlichen theoretischen Aspekte, die in einer eigenen Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität resultieren, in den Vordergrund gestellt. Das somit generierte Verständnis des Konstrukts erscheint elementar zur Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens. Wie in Kapitel B aufgezeigt, entspricht die ursprüngliche Konzeptualisierung der Markenbeziehungsqualität nach FOURNIER417 nicht dem aktuellen Forschungs417

Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

93

stand. Darüber hinaus hat sich in der Literatur bislang kein einheitliches Messinstrument durchgesetzt.418 Eine Erneuerung und Optimierung der Konzeptualisierung des Konstrukts erscheint aufgrund des aktuellen Forschungsstandes sowie unter Beachtung des Kontextes und der ausgewählten Zielgruppe als elementar zur näheren Erforschung des Themenkomplexes. An dieser Stelle erfolgt die Auswahl der Dimensionen des Konstrukts in Anlehnung an die von FOURNIER diskutierte facettenreiche Beziehung zwischen Konsument und Marke und den in Kapitel B vorgestellten weiteren Konzeptualisierungsansätzen. Anfangs werden die Kerndimensionen identifiziert, die auf die beabsichtigte Erfassung der „talisman-ähnlichen“ Bedeutung einer Marke für den Konsumenten abzielen. Diese werden wie folgt übernommen:419 • Commitment als „an enduring desire to continue the relationship combined with a willingness to make efforts toward that end“420, • Intimität als „a deep understanding about the relationship partners as created through information disclosure“421 sowie • Self-Connection als “the degree to which the relationship delivered on centrallyheld identity themes, or helped express real and collective selves“422. Die von FOURNIER in das Konstrukt integrierte Dimension „Interdependenz“ wird vernachlässigt, da sie keinen Beitrag zur beabsichtigten Erfassung der „talisman-ähnlichen“ Markenbindung liefert. So beschreibt sie lediglich die Häufigkeit der Interaktion, die jedoch nicht automatisch mit der Bindungsintensität im Sinne der emotionalen Bindung einhergeht. Die in einigen Ansätzen enthaltenen Dimensionen „Attractiveness“ sowie „Nostalgic Connection“ können zwar zu einer intensiven Bindung führen, jedoch werden sie nicht als Ausdruck einer solchen verstanden. Im Hinblick auf Relevanz des Konstrukts Zufriedenheit konnte durch eine qualitative Voruntersuchung423 die Vermutung bestätigt werden, dass die Dimension Zufriedenheit nicht als Bestandteil, sondern als Voraussetzung der Beziehungsqualität angese-

418

419

420

421 422 423

Dementsprechend existiert keine konkrete Skala zur Erfassung der Beziehungsqualität von Konsumenten-Markenbeziehungen. Laut eigenen Angaben befindet sich Fournier aktuell in der Entwicklung einer umfassenden Skala. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 102. Auf die Dimensionen „Vertrauen“ und „Partner Qualität“ wird im folgenden Kapitel eingegangen. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 7. Diese Definition umfasst die in der Literatur am weitesten verbreiteten Definitionen von Moorman, C./Zaltman, G./Desphandé, R. (1992), S. 316 sowie von Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23 und wurde im Zusammenhang mit negativen Ereignissen von Fournier artikuliert. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./ Brasel, S. A. (2004), S. 7. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 7. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 7. Diese Voruntersuchung hatte eine Stichprobengröße von n = 84. Vgl. hierzu Abschnitt D dieser Arbeit.

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C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

hen werden kann424 und somit hinsichtlich der Erfassung der emotionalen Intensität wenig ausschlaggebend erscheint. So kann auch das Konstrukt Zufriedenheit im Folgenden vernachlässigt werden. Darüber hinaus erwies sich im Rahmen von qualitativen Voruntersuchungen auch die Dimension Liebe/Leidenschaft als ungeeignet zur Erfassung der emotionalen Bindung zu einer Marke. Es wurde deutlich, dass dieser Aspekt Liebe und Leidenschaft im Markenzusammenhang teilweise als zu entfernt und zu abstrakt angesehen wird. So musste auf den Aspekt Liebe/Leidenschaft trotz inhaltlicher Relevanz verzichtet werden, da aufgrund eventueller Missverständnisse Verfälschungen der Ergebnisse abzusehen waren. Eine detaillierte Diskussion der Konstrukte als Basis für die Operationalisierung erfolgt in Abschnitt D der vorliegenden Arbeit, da hier die Auswahl und die inhaltliche Zusammenführung der Konstrukte im Mittelpunkt steht. In der Literatur zu allgemeinen Marketingbeziehungen kommt neben dem Konstrukt Commitment dem Konstrukt Vertrauen eine besondere Stellung zu. Da diesem Konstrukt insbesondere innerhalb des weit gefassten Customer Relationship Managements eine wesentliche Rolle zugerechnet wird und auch zahlreiche empirische Arbeiten diese Relevanz bestätigen425, wird sich folgender Auffassung angeschlossen: „The ultimate goal of marketing is to generate an intense bond between the consumer and the brand, and the main ingredient of this bond is trust.“426 Parallel zur Forschung der Beziehungsqualität wurde auch das Vertrauen als sozialpsychologisches Konstrukt427 auf den Marketingzusammenhang anfänglich insbesondere auf Geschäftsbeziehungen und später vermehrt auf Dienstleistungen, Marken sowie Produkte übertragen.428 Vertrauen ist schon Anfang des 19. Jahrhunderts als ein ausschlaggebendes Konstrukt in einer Vielzahl von Wissenschaftsdisziplinen angesehen worden: „Sociologists and anthropologists have long held trust as an essential ingredient in any kind of exchange.”429 Die folgende Darstellung vereinzelter entsprechender Forschungsarbeiten aus unterschiedlichen Bereichen soll die allgemeine Relevanz des Konstrukts unterstreichen. So bezeichnet BLACKSTON430 in seiner grundlegenden Arbeit zu Konsumenten-Markenbeziehungen Vertrauen als 424

425

426

427

428 429 430

Bei den Befragten (Frauen ca. 50+) konnte eine Zufriedenheit zur Lieblingskaffeemarke im Mittel von 5,2 auf einer 6-stufigen aufsteigenden Skala ermittelt werden (Standardabweichung = ,63). Vgl. Selnes, F. (1998), S. 305–322; vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L. (2001), S. 1238–1258; vgl. Diller, H. (1995), S. 22f.; vgl. Gurviez, P./Korchia, M. (2003a), S. 1–18; vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 20–38; vgl. Walter, A. (1999), S. 267–283; vgl. Garbarino, E./Johnson, M. (1999), S. 70–87; vgl. Doney, P. M./Cannon, J. P. (1997), S. 35–51. Hiscock, J. (2001), S. 1, zitiert nach Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./YagüeGuillén, M. J. (2003), S. 36. Vgl. Fox, A. (1974) und Scanzoni, J. (1979) zitiert nach Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 24 Vgl. Gurviez, P./Korchia, M. (2003a), S. 3. Gurviez, P./Korchia, M. (2003a), S. 3. Vgl. Blackston, M. (1993), S. 113–124.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

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eine wesentliche Komponente.431 Eine aktuelle Arbeit von HADWICH432, die sich kausalanalytisch mit dem Konstrukt Beziehungsqualität in Geschäftsbeziehungen befasst, legt bei der Konstruktkonzeptualisierung ausschließlich Wert auf die Dimensionen Vertrautheit sowie Vertrauen, was die Relevanz des Konstrukts als Beziehungsbestandteil unterstreicht.433 Auch BLIEMEL/EGGERT434 stellen fest, dass Kundenvertrauen als Basis für die Verbundenheit besser geeignet erscheint als die Zufriedenheit, da Vertrauen eine Zukunftsorientierung enthält und im Gegensatz zu anderen Loyalitätsdimensionen auch die emotionale Komponente ausdrückt.435 Insbesondere im Bereich der Geschäftsbeziehungen ist sich die Wissenschaft demnach über die Bedeutung des Konstrukts einig. Vertrauen wird teilweise sogar verstanden als „the single most powerful relationship marketing tool available to a company“436. Im Hinblick auf die vorliegende Arbeit, die eine Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität in ein Konsumentenverhaltensmodell für den Krisenfall beabsichtigt, erscheint das Konstrukt Vertrauen als entscheidend, da anzunehmen ist, dass eine Krise Vertrauen brechen kann. Vertrauen lässt sich in FOURNIERs Konzeptualisierung des Konstrukts im weitesten Sinne inhaltlich durch die Dimension „Partner Quality“ abbilden, das jedoch lediglich einen Ansatzpunkt für die hier postulierte Bedeutung des Konstrukts als Dimension der Markenbeziehungsqualität bietet. Hinsichtlich der Konkretisierung der Integration von Vertrauen als Dimension in die Markenbeziehungsqualität wird eine aktuelle Arbeit von DELGADO-BALLESTER/ MUNUERA-ALEMÁN/YAGÜE-GUILLÉN437 als Grundlage erachtet. Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Übertragung des Vertrauens auf den Markenzusammenhang und entwickelt und überprüft eine Skala zur Erfassung des Markenvertrauens (Brand Trust Scale).438 Diese Skala basiert auf einer mehrdimensionalen Konzeptualisierung des Vertrauens und wird im Rahmen der Konsumenten-Markenbeziehungen diskutiert. Obwohl zahlreiche Auffassungen über den Inhalt des Vertrauens variieren, stimmt die folgende Definition, die sich aus zwei Komponenten ergibt, mit der überwiegenden Literatur überein und gilt auch für die vorliegende Arbeit als Verständnisgrundlage. Vertrauen wird demnach definiert als „confident expectations of the brand’s reliability and intentions in situations entailing risk to the consumer“439. Die Eignung des Konstrukts Vertrauen als Ergänzung der unabhängigen Variablen Markenbezie431

432 433

434 435 436 437 438

439

Vgl. Blackston, M. (1993), S. 121; vgl. auch Blackston, M. (1992a), S. 82; vgl. auch Blackston, M. (2000), S. 104. Vgl. Hadwich, K. (2003). Vgl. Hadwich, K. (2003), S. 113f. Ursprünge solcher Ansätze lassen sich in der Sozialpsychologie finden. Vgl. beispielsweise Holmes, J. G./Rempel, J. K. (1989), S. 187–220. Vgl. Bliemel, F. W./Eggert, A. (1998), S. 37–45. Vgl. Bliemel, F. W./Eggert, A. (1998), S. 37–45. Berry, L. L. (1996), S. 42. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35–53. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35–53; vgl. ähnlich Gurviez, P./Korchia, M. (2002), S. 46–61. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 37.

96

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

hungsqualität im Zusammenhang von Markenkrisen wird zusätzlich durch die gewählte Definition unterstützt. Diese vorgestellte zweidimensionale Sichtweise des Konstrukts mit den Komponenten „Reliability“ sowie „Intentionality“ bietet den Rahmen der Entwicklung der BTS; „Reliability“ als Verlässlichkeit der Erwartungserfüllung im positiven Sinne440 und „Intentionality“ als Wohlwollen der Marke hinsichtlich der Interessen der Konsumenten441. Das Einlassen auf ein Vertrauensverhältnis seitens des Konsumenten, das in der Literatur als weitere Dimension genannt ist, wird vernachlässigt, da diese Vertrauensbereitschaft in der genannten Konzeptualisierung impliziert ist und als Voraussetzung für das Vertrauen erachtet wird.442 Es soll letztlich auf eine Untersuchung von GURVIEZ/KORCHIA443 hingewiesen werden, die die Notwendigkeit der Integration des Markenvertrauens allgemein und speziell im Zusammenhang der zu untersuchenden ereignisinduzierten Markenkrise unterstützt. Anhand eines Strukturgleichungsmodells wird die Wirkung von Markenvertrauen auf Commitment resultierend in einer Akzeptanz von temporären Qualitätsdefiziten aufgezeigt.444 Auch DELGADO-BALLESTER/MUNUERA-ALEMÁN/ YAGÜE-GUILLÉN445 betonen die Relevanz des Markenvertrauens insbesondere in Situationen, in denen unerwartete Probleme auftreten.446 Es erscheint nahe liegend, dass auch dieses Konstrukt in dem weiterführenden, hier untersuchten Zusammenhang einer ereignisinduzierten Markenkrise als Einflussfaktor geltend gemacht werden muss. Unterstützend gelten die Erkenntnisse von MORGAN/HUNT447, die feststellen, dass Vertrauen sich positiv auf eine konstruktive Verhaltensweise im Rahmen von Konflikten auswirkt.448 Grundlegend in dieser Arbeit wird jedoch das Markenvertrauen im Gegensatz zu DELGADO-BALLESTER/MUNUERA-ALEMÁN/YAGÜE-GUILLÉN449 nicht als eigenständige einflussgebende Variable angesehen, sondern das Konstrukt Markenbeziehungsqualität wird im Rahmen der Konzeptualisierung und Operationalisierung durch die Dimension Markenvertrauen in Anlehnung an die BTS erweitert. 440 441

442

443 444

445 446 447 448 449

Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38. Diese Dimension beinhaltet auch Aspekte wie Altruismus, Gutwilligkeit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Fairness. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38f.; vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23; vgl. Moorman, C./Zaltman, G./Desphandé, R. (1992), S. 315. Vgl. Gurviez, P./Korchia, M. (2003a), S. 1–21. Vgl. Gurviez, P./Korchia, M. (2003a), S. 13. Zur Auswirkung des Vertrauens auf Konflikte. Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 26. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35–53. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38. Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 20–38. Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 26. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35–53.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

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Die finale Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität wird in den eingangs postulierten theoretischen Bezugsrahmen als erste Konkretisierung integriert und in Abbildung C3 dargestellt.

Abbildung C3: Konkretisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens Quelle: Eigene Erstellung

3.3.1.2

Abhängige Konstrukte

Auf Basis der vorgestellten Kognitionstheorien werden im Folgenden ausgewählte Konstrukte des Konsumentenverhaltens diskutiert. Nach einer begrifflichen Klärung wird auf die Relevanz des Konstrukts im zugrunde liegenden Zusammenhang eingegangen. Da einige Konstrukte schon im Verlauf der Arbeit diskutiert wurden, werden die Erkenntnisse im Sinne einer einheitlichen Verständnisgrundlage an dieser Stelle kurz zusammengefasst, wobei die inhaltliche Klärung im Mittelpunkt steht. Ziel dieses Kapitels ist die Auswahl und inhaltliche Zusammenführung der Konstrukte, die gemeinsam einen Teil des nachfolgend diskutierten theoretischen Bezugsrahmens ergeben. In Kapitel D wird anschließend detailliert auf die Konzeptualisierung und Operationalisierung der ausgewählten Konstrukte eingegangen. In Anlehnung an den vorgestellten Themenbereich des „Coping Behaviors“ werden begriffliche Verständnisgrundlagen kurz zusammengefasst, um das Konstrukt anschließend inhaltlich begründet in das Partialmodell des Konsumentenverhaltens in Krisenzeiten übernehmen zu können.

98

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Der Begriff Verleugnung wurde in Anlehnung an den Begriff „Denial“ gewählt, der wie in Kapitel C dargestellt der angloamerikanischen Literatur des „Coping Behaviors“ entstammt. Zusammenfassend wird „Coping“ verstanden als „the set of cognitive and behavioural processes initiated by consumers in response to emotionally arousing, stress inducing interactions with the environment aimed at bringing forth more desirable emotional states and reduced levels of stress“450. Verleugnung wird definiert als „attempts to completely close off oneself mentally from a source of stress“451. Es werden die fehlende Bereitschaft des Glaubenschenkens sowie völlige Negation ausgedrückt. Entsprechend der vorangestellten Kognitionstheorien wurde die Relevanz des Konstrukts Verleugnung deutlich. Als mögliche Coping-Strategie zur Reduktion von Dissonanzen wird das Konstrukt speziell im dieser Arbeit zugrunde liegenden Kontext der ereignisinduzierten Markenkrisen als Konsumentenreaktion erwartet. Es wird als wegweisend für die Verhaltenskette im inhaltlichen Zusammenhang einer ereignisinduzierten Markenkrise erachtet. Insbesondere eignet es sich als Ansatzpunkt der Kombination der dargestellten Themenbereiche. Im Hinblick auf die Variable Markenbeziehungsqualität erscheint der positive Einfluss auf die Verleugnung aufgrund der vorgestellten Theorieansätze als höchst plausibel und wird im Folgenden durch die Diskussion der Hypothesengenerierung konkretisiert. Zusätzlich zum Konstrukt Verleugnung wird dem Konstrukt Risikowahrnehmung eine hohe Relevanz beigemessen. In Anlehnung an den Modellvorschlag von TÖPFER452 wird das Konstrukt Wahrnehmung – verstanden als Sinnesaufnahme und Interpretation der neuen Information – inhaltlich erweitert. Sowohl durch die Literatur der Kognitionstheorien als auch durch inhaltliche Plausibilitätsüberlegungen wird deutlich, dass die Spezifikation des Konstrukts im Sinne der Risikowahrnehmung aufgrund inhaltlicher Relevanz und im Hinblick auf die Kausalbeziehungen des gesamten Modells als geeigneter erscheint. Eine theoretische Fundierung des Konstrukts Risikowahrnehmung bietet die Risikotheorie.453 Ursprünge des Konstrukts entstammen der konzeptionellen Arbeit von BAUER454. Er geht von der Unsicherheit von Handlungskonsequenzen aus, bei denen keine Antizipation möglich ist und die sowohl in positiver als auch negativer Form eintreffen können.455 Es wird von einer hohen Subjektivität des Konstrukts ausgegangen456, so dass es sich nicht um das objektive oder faktische Risiko, sondern um

450 451 452 453 454 455 456

Duhachek, A. (2005), S. 42. Duhachek, A. (2005), S. 46; vgl. Kapitel C 3.2.2. Vgl. Töpfer, A. (1999a), S. 51. Vgl. Homburg, C./Krohmer, C. (2003), S. 74. Vgl. Bauer, R. A. (1960), S. 389–398. Vgl. Bauer, R. A. (1967), S. 24. In der Literatur ist auch der Begriff erlebtes Risiko mit dem Begriff wahrgenommenes Risiko als Synonym aufzufinden. Beide Ausdrücke unterstützen die Relevanz der Subjektivität des Konstrukts. Vgl. Bauer, H. H./Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 184.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

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die subjektive Wahrnehmung des Risikos in einer spezifischen Situation handelt.457 Zusammenfassend stellt demnach jede Kaufentscheidung für den Konsumenten eine Risikosituation dar, die er subjektiv wahrnimmt. Auf Bauers konzeptionelle Arbeit wurde verstärkt in den 1960er und 1970er Jahren im Bereich des Konsumentenverhaltens, insbesondere im Hinblick auf Vorentscheidungs- sowie Nachkaufdissonanzen, zurückgegriffen.458 Es sei an dieser Stelle zu bemerken, dass die Risiko- sowie die Dissonanztheorie innerhalb ähnlicher Themenkomplexe aufzufinden sind und aneinander anknüpfen. Inhaltlich differenzieren sie sich jedoch. Die Dissonanztheorie wird sowohl in der Vor- sowie Nachkaufphase als relevant erachtet, wobei sich die Anwendung der Risikotheorie demgegenüber meist auf die Entscheidungen vor dem Kauf beschränkt.459 Die Dissonanz wird in der vorliegenden Arbeit als Resultat der Risikowahrnehmung verstanden. In Bezug auf die vorangestellte Diskussion der Konsistenztheorien geht das Konstrukt Risikowahrnehmung demnach mit einer kognitiven Inkonsistenz oder einem kognitiven Konflikt einher.460 Definiert wird das Konstrukt Risikowahrnehmung in der vorliegenden Arbeit als „Resultat des unvollständigen Informationsstandes des Konsumenten und als Unsicherheit im Hinblick auf potenzielle Verluste“461. Weit verbreitet ist die ähnliche Auffassung von CUNNINGHAM462, in der Risikowahrnehmung definiert wird als „the amount that would be lost (i.e. that which is at stake) if the consequences of an act were not favourable, and the individual’s subjective feeling of certainty that the consequences will be unfavourable“463. Als Konsequenz des wahrgenommenen Risikos ist in der klassischen Literatur zur Erklärung von Kaufentscheidungen neben der Markentreue insbesondere die Informationssuche genannt, die – wie zuvor diskutiert – unter zahlreichen weiteren Aktivitäten durch die Motivation zur Risiko- bzw. Dissonanzreduktion mit dem Ziel der Schaffung eines inneren Gleichgewichts gegründet ist.464 Abweichend bzw. ergänzend zur Anwendung der Theorie des wahrgenommenen Risikos im allgemeinen Kaufentscheidungsprozess soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit das wahrgenommene Risiko, induziert durch die negativen Informationen über die Marke, analysiert werden. Es reicht demnach in der Konzeption des Modells zur Erklärung des Konsumentenverhaltens nicht aus, die allgemeinen Risiken, die mit dem Produktkauf einhergehen, zu betrachten, sondern die in der Literatur verbreiteten Bestandteile der Risikowahrnehmung müssen an das fiktive Krisenszenario 457

458 459 460 461 462 463 464

Vgl. Bauer, H. H./Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 184. Eine Diskussion zur Existenz des objektiven Risikos bietet Mitchel, V. W. (1999), S. 164f. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 185. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 185. Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 251. Nolte, H. (1976) zitiert nach Bauer, H. H./Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 184. Vgl. Cunningham, S. M. (1967). Cunningham, S. M. (1967), S. 37. Vgl. Kapitel C 3.2; vgl. auch Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 251.

100

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

angepasst werden. Das Konstrukt wird somit über seine ursprüngliche Anwendung hinaus verwendet. Hinsichtlich der zeitlichen Zuordnung kommt dem Konstrukt Risikowahrnehmung in dieser spezifischen Anwendungssituation sowohl in der Phase vor als auch nach der Kaufentscheidung Bedeutung zu. Trotz der abweichenden Anwendung des Konstrukts wird sich im Hinblick auf das inhaltliche Verständnis und der anschließenden Operationalisierung an die klassische Literatur zu Kaufentscheidungen ohne eine Kriseneinwirkung angelehnt. Dem Konstrukt liegen zahlreiche unterschiedliche, teilweise auch widersprüchliche Konzeptualisierungen zugrunde, die von Eindimensionalität465 bis hin zur Mehrdimensionalität466 reichen.467 Lange vorherrschend und zahlreich modifiziert galt das zweidimensionale Modell von CUNNINGHAM468 als Grundlage der Operationalisierungen. So identifiziert er die Dimensionen „empfundene Unsicherheit“ sowie „Ausmaß negativer Konsequenzen“ als Bestandteile der Risikowahrnehmung. Diese, wie er selbst anmerkt, „arbitrary method of constructing the perceived risk index“469 soll in dieser Arbeit durch eine mehrdimensionale Erfassung des Konstrukts erweitert und an die in der Krisenmeldung enthaltenen Informationen angepasst werden. So liefert die mehrdimensionale Auslegung der Risikowahrnehmung nach unterschiedlichen inhaltlichen Aspekten470 eine Basis für das Verständnis der Risikowahrnehmung innerhalb dieser Arbeit. Es wird unterschieden zwischen471 • dem ökonomischen bzw. finanziellen Risiko, das finanzielle Einbußen betrachtet, • dem funktionalen Risiko, das sich auf qualitative Mängel bezieht und somit eine Erwartungserfüllung verhindert, • dem gesundheitlichen Risiko, das gesundheitliche Beeinträchtigungen in den Mittelpunkt stellt, • dem sozialen Risiko, das soziale Benachteiligungen bzw. Prestigeverluste mit sich bringt und • dem psychischen Risiko, das durch einen Identifikationsverlust verursacht werden könnte. Die vorgestellten Verständnisgrundlagen dienen zunächst zur Erläuterung der Integration des Konstrukts in den theoretischen Bezugsrahmen dieser Arbeit. Die darauf aufbauende konkrete Konzeptualisierung und anschließende Operationalisierung des Konstrukts Risikowahrnehmung erfolgt in Kapitel E. 465 466

467

468 469 470

471

Vgl. Spence, H. E./Engel, J. F./Blackwell, R. D. (1970), S. 364–369. Vgl. Jacoby, J./Kaplan, L. B. (1972), S. 382–393; vgl. Stone, R. N./Grönhaug, K. (1993), S. 39–50. Eine Übersicht ausgewählter Operationalisierungskonzepte des wahrgenommenen Risikos bieten Bauer, H. H./Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 185 sowie Mitchell, V. W. (1999), S. 169–171. Vgl. Cunningham, S. M. (1967), S. 82–111. Cunningham, S. M. (1967), S. 84. Vgl. Jacoby, J./Kaplan, I. B. (1972), S. 382–393; vgl. Stone, R. N./Grönhaug, K. (1993), S. 39–50. Vgl. zusammenfassend Meffert, H. (1992), S. 70; vgl. ähnlich zusammenfassend Bauer, H. H./ Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 193.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

101

Im Hinblick auf die Zusammenführung der Themenkomplexe wird das aus der Psychologie stammende Phänomen der selektiven Wahrnehmung herangezogen. Wahrnehmung wird häufig mit Informationsselektion gleichgesetzt und bedeutet eine unbewusste Informationsverarbeitung, die Informationen herausfiltert.472 Die selektive Wahrnehmung kann u. a. auf die vorgestellten Kognitionstheorien zurückgeführt werden. Im Rahmen der Analyse der Determinanten der Informationsselektion kommt dem Involvement eine zentrale Bedeutung zu.473 An dieser Stelle setzt die Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität an. Dem Konstrukt Risikowahrnehmung wird insbesondere im Rahmen der spezifischen Betrachtung von ereignisinduzierten Markenkrisen eine hohe Relevanz beigemessen und das Konstrukt unter kausalanalytischen Gesichtspunkten in das Modell integriert. Wie in Kapitel B dargestellt, wird auch dem Einstellungskonstrukt eine hohe Kontextrelevanz zugeteilt. Da das Konstrukt im Bereich der Diskussion des Krisenverhaltensmodells zuvor ausführlich diskutiert wurde, erfolgt an dieser Stelle ausschließlich eine zusammenfassende Darstellung, die als Verständnisgrundlage zur sich anschließenden Zusammenführung der aufgezeigten Konstrukte in ein Krisenverhaltensmodell dient. Die Einstellung als „die innere erlernte, relative dauerhafte Bereitschaft eines Individuums auf Umweltstimuli bzw. Objekte konsistent positiv oder negativ zu reagieren“474 setzt sich nach dem aktuellen Stand der Literatur aus drei Komponenten zusammen: der affektiven, der kognitiven sowie der konativen Komponente. Im Hinblick auf das Verständnis des Konstrukts Einstellung und auf dessen Integration in ein Verhaltensmodell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen wird deutlich, dass der Fokus nicht auf der Einstellung, sondern auf der Einstellungsveränderung liegt. Grundlegende Erkenntnisse zu Einstellungsänderungen entstammen der psychologischen Literatur.475 Auch innerhalb dieses Bereiches kommt den dargestellten Konsistenztheorien eine entscheidende Bedeutung zu. So strebt der Mensch auch innerhalb der Einstellungen nach Konsistenz, was sich in der Konsequenz als Motiv darstellen kann.476 So entstehen Einstellungsbildungen bzw. -änderungen meist als Reaktion auf Argumente sowie Informationen über das Einstellungsobjekt. Dieser Informationseinfluss resultierend in einer Einstellungsänderung wird durch den Begriff „Persuasion“ bezeichnet.477 In der Literatur wird nach PETTY/CACIOPPO478 zwischen zwei verschiedenen Routen hinsichtlich der Inten472 473 474

475 476 477 478

Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 246. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 247. Drengner, J. (2003), S. 87 in Anlehnung an Nieschlag, R./Dichtl, E./Hoerschgen, H. (2002), S. 594; vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 149; vgl. Meffert, H. (2000), S. 118; vgl. ähnlich Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 168f. Diese Definition wurde gewählt, da sie den aktuellen Stand der Literatur zu Einstellungsdefinitionen zusammenfasst. Vgl. hierzu detailliert Petty, R. E./Krosnick, J. A. (1995). Vgl. Bohner, G. (2002), S. 276. Vgl. Bohner, G. (2002), S. 276. Vgl. Petty, R. E./Cacioppo, J. T. (1986); vgl. Petty, R. E./Cacioppo, J. T. (1983), S. 3–23.

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C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

sität der kognitiven Auseinandersetzung mit der Information unterschieden: der zentralen und der peripheren Route. Das Modell der Verarbeitungswahrscheinlichkeit479 besagt, dass das Ausmaß der Einstellungsänderung von der Intensität und Tiefe abhängt, mit der ein Konsument die erhaltenen Informationen verarbeitet. Das Modell findet meist in der Werbewirkungsforschung Anwendung.480 Im Bereich der Persuasionsprozesse, die demnach einen hohen kognitiven Aufwand erfordern, ist der Ansatz der kognitiven Reaktionen („cognitive response“481) insbesondere im Zusammenhang dieser Arbeit erwähnenswert. Der Ansatz besteht aus vier Grundgedanken:482 • Individuen, denen eine persuasive Botschaft übermittelt wird, setzen den Inhalt dieser Botschaft aktiv mit ihrem vorhandenen Wissen und ihrer Einstellung gegenüber dem Gegenstand der Botschaft in Beziehung. Dadurch generieren sie neue Gedanken und kognitive Reaktionen. Auch Involvement und Commitment wurde als ausschlaggebende Prädisposition herausgefiltert.483 • Die Einstellungsänderung kommt über diese kognitiven Reaktionen zustande. • Das Ausmaß und die Richtung der Einstellungsänderung sind eine Funktion der Valenz der kognitiven Reaktionen in Bezug auf die Position der Botschaft. In diesem Sinne können die kognitiven Reaktionen zustimmend, ablehnend oder neutral sein. • Je größer der Anteil zustimmender Reaktionen und je kleiner der Anteil ablehnender Reaktionen ist, die durch eine Botschaft ausgelöst werden, desto ausgeprägter ist die Einstellungsänderung in Richtung der dort befürworteten Position. Durch diesen Ansatz wird der Prozess der Einstellungsänderung beschrieben. Es existieren zahlreiche weitere Forschungsarbeiten im Bereich dieses Themenkomplexes, die sich jedoch im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang meist auf positive „Persuasion“ beziehen.484 Eine typische Anwendung und dementsprechende Analyse der Veränderung von Einstellungen ist im Bereich der Kommunikation von Unternehmen angesiedelt.485 Hinsichtlich des zugrunde liegenden Forschungsvorhabens wird an dieser Stelle betont, dass Einstellungsänderungen voraussichtlich auf der zentralen Route statt479

480 481 482 483

484

485

Ursprünglich ist das Modell als Elaboration-Likelihood-Modell (ELM) bekannt. Vgl. Petty, R. E./Cacioppo, J. T. (1986); vgl. Petty, R. E./Cacioppo, J. T. (1983), S. 3–23. Vgl. Drengner, J. (2003), S. 90. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 90ff. Vgl. Bohner, G. (2002), S. 281. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 90ff. In Bezug auf Gegenargumente kann festgestellt werden, dass High-Commitment zu höheren Gegenargumenten führt. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 92. Für eine exemplarische Auflistung vgl. Solomon, M./Bamossy, G./Askegaard, S. (2001), S. 180 u. S. 600. Eine aktuelle Untersuchung von Einstellungsänderungen im Hinblick auf den Einsatz von einem Event als Kommunikationsmittel von Unternehmen liegt vor. Vgl. Drengner, J. (2003).

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Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

103

finden werden. Aufgrund der Untersuchungssituation, in der die Befragten eine hohe Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit der Information aufweisen, ist demnach die zentrale Verarbeitungsroute nahe liegend, die eine Einstellungsänderung grundsätzlich ermöglicht. Die Einstellungsänderung wird als relevant in Bezug auf die Vervollständigung des Modells des Konsumentenverhaltens in Markenkrisen erachtet und demnach integriert. Da eine einheitliche Messung der Einstellung bzw. deren Veränderung im Gegensatz zu den zuvor aufgeführten Konstrukten aufgrund der Attributsspezifik nicht möglich ist, erfolgt eine umfassende Darstellung der Erfassung des Konstrukts in Kapitel D der vorliegenden Arbeit. An dieser Stelle sei zusätzlich auf den Themenkomplex des Widerstands gegen Beeinflussung – in der englischsprachigen Literatur unter dem Begriff „Resistance“ bekannt – hingewiesen. Als dominierenden Bestandteil des Widerstands wird „biased assimilation“ verstanden, der die Tendenz des Betroffenen „to perceive attitude-consistent information as more valid than attitude inconsistent information“486 beschreibt. Da der Themenkomplex des Widerstands gegen Beeinflussung als allgemeine Grundlage zur Zusammenführung der in der Arbeit relevanten Themenbereiche fungiert, wird seiner Bedeutung durch die folgende separate und umfassende Darstellung im Rahmen der Hypothesengenerierung Rechnung getragen. Auch die konative Komponente der Einstellung, die mit der Verhaltensabsicht gleichgesetzt wird, ist als Bestandteil von Verhaltensmodellen ausschlaggebend. Die Intention zum Kaufverhalten ist in der Literatur „als ein (aus positiver Einstellung folgendes) Konstrukt zu interpretieren, das näher an der Kaufhandlung liegt als die positive Einstellung, aber noch nicht die Kaufhandlung bedeutet, sondern lediglich mehr oder weniger Kaufwahrscheinlichkeit ausdrückt.“487 Das Konstrukt Kaufabsicht steht in enger Verbindung zum tatsächlichen Verhalten. Wie die vorangestellte Diskussion der Einstellungs-Verhaltens-Relation verdeutlicht488, ist lediglich die Einstellung zum Verhalten als zuverlässige Voraussage des tatsächlichen Verhaltens geeignet.489 Laut AJZEN/FISHBEIN490 kündigt die Kaufabsicht das Kaufverhalten an, wenn der Zweck, das Ziel, der Kontext sowie die Zeit übereinstimmen. Das tatsächliche Verhalten eines Konsumenten ist für das Unternehmen in Anbetracht der Unternehmensziele entscheidend. Aufgrund der Schwierigkeiten der Erhebung des reellen Kaufverhaltens wird das Konstrukt häufig als Vorbote herangezogen und in die klassischen Total- sowie auch Partialmodelle des Konsumentenverhaltens integriert.491 Auch in dieser Arbeit ist 486

487 488 489 490 491

Ahluwalia, R. (2000), S. 218; in Anlehnung an die Literatur der Psychologie vgl. Ditto, P. H. et al. (1998), S. 53–69. Bänsch, A. (2002), S. 42. Vgl. Kapitel 2.3.2.1.2. Vgl. Ajzen, I. (1988). Vgl. Ajzen, I./Fishbein, M. (1980). Vgl. Partialmodelle wie Ajzen, I./Fishbein, M. (1980) und (1988) sowie Totalmodelle wie Engel, J. F./Blackwell, R. D./Miniard, P. W. (1995), S. 153.

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C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

aufgrund des fiktiven Krisenszenarios die Erfassung des tatsächlichen Kaufverhaltens nicht möglich und das Konstrukt Verhaltensintention wird demzufolge als ein Zielkonstrukt in das Modell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen eingefügt. Zusätzlich wird das Konstrukt aufgrund inhaltlicher Plausibilitätsüberlegungen angepasst. Es wird folglich die Intention zur Verhaltensänderung durch die erhaltene Kriseninformation in das Modell übernommen. Zusammenfassend wird in Abbildung C4 das erarbeitete Grundmodell des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen vorgestellt, das als Bestandteil in das Hauptmodell der vorliegenden Arbeit eingehen wird.

Abbildung C4: Konkretisierung der Verhaltenskonstrukte innerhalb des theoretischen Bezugsrahmens Quelle: Eigene Erstellung

Aufgrund der vorangestellten Diskussion der einzelnen Aspekte des Konsumentenverhaltens, insbesondere im Hinblick auf das dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsvorhaben, wurden die aufgeführten Konstrukte unter Beachtung kausalanalytischer Aspekte in dieser Abbildung in einer plausiblen Prozessreihenfolge zusammengeführt. Dieses Kapitel lieferte Verständnisgrundlagen der Konstrukte und stellte Begründungen für die Auswahl der Konstrukte sowie deren Anpassungen dar. Sämtliche Überlegungen orientierten sich an den vorgestellten Kognitionstheorien, die im Zusammenhang mit Krisensituationen als höchst relevant erachtet werden. Im folgenden Gliederungspunkt erfolgt die Zusammenführung des vorgestellten Verhal-

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Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

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tensmodells für Krisensituationen mit dem Themenkomplex der KonsumentenMarkenbeziehungen, die als beeinflussende Variable angesehen wird. Da diese Zusammenführung der Hauptintention dieser Arbeit Rechnung trägt, wird ihre Fundierung detailliert diskutiert. 3.3.2

Hypothesengenerierung und Konkretisierung des theoretischen Bezugsrahmens

Auf der Grundlage der aufgezeigten Konsistenztheorien wurden Konstrukte des Konsumentenverhaltens ausgewählt, die im Zusammenhang mit der Reaktion von Konsumenten in ereignisinduzierten Markenkrisen als relevant erscheinen. Diese ergeben das im vorigen Kapitel aufgezeigte Verhaltensmodell. Angeregt durch FOURNIERs Hinweis auf die aus der Sozialpsychologie entnommenen Erkenntnisse der einflussgebenden Relevanz des Konstrukts Beziehungsqualität und in Konkretisierung der vorgestellten Überlegungen zu den Determinanten des Konsumentenverhaltens im Fall negativer Attributsinformationen durch die Arbeiten von AHLUWALIA et al., die den Einfluss des Konstrukts Commitment auf die Widerstandskraft (Resistance) herausfiltern, soll an dieser Stelle eine Kombination der erarbeiteten Erkenntnisse vollzogen werden. Diese basiert auf der vorangestellten theoretischen Fundierung. Im Rahmen der Zusammenführung der Themenkomplexe kommt dem Ausmaß der Konstrukte eine hohe Relevanz zu. Die Stärke der Dissonanz als Ausgangspunkt könnte die Intensität der Bemühungen zur Dissonanzreduktion der betroffenen Individuen wie folgt beeinflussen. In der Literatur wurden zahlreiche Einflussfaktoren auf die Stärke der Dissonanz identifiziert.492 Individuen streben, wie zuvor diskutiert, nach konsistenten Kognitionen. Im Hinblick auf die Auswahl bzw. Anwendung einer Dissonanzreduktionsstrategie muss beachtet werden, dass auch die Dissonanzreduktion nach Effizienzkriterien verläuft. So wird ein Individuum lediglich den geringstmöglichen kognitiven Aufwand in Kauf nehmen. Jede Änderung einer Kognition führt zu erneuten Dissonanzen. Dementsprechend ist eine Kognition umso resistenter gegen Änderungen, je mehr sie in der Beziehung zu anderen Kognitionen steht. Die Änderung einer stark vernetzten Kognition erfordert somit einen hohen Aufwand.493 Es ist anzunehmen, dass Gleiches für die affektive Besetzung der dissonanten Kognitionen494 gilt. Es wird geschlussfolgert, dass eine Kognition vom betroffenen Individuum geändert wird, wenn der Aufwand zu deren Änderung geringer ist als die bestehende Dissonanz. Beispielsweise wird der Einflussfaktor Commitment an dieser Stelle identifiziert.495 Fühlt sich eine Person mit einer Kognition stark verbunden, ist deren Änderung mit hohem Aufwand verbunden und eine hohe Resistenz ist die Folge. 492 493

494 495

Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 62. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 63 in Anlehnung an Irle, M. (1975); vgl. KroeberRiel, W./Weinberg, P. (2003), S. 185. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986) nach Rosenberg, M. J. (1956), S. 367–372. Vgl. Bussmann, W./Unger, F. (1986), S. 63.

106

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

An dieser Stelle setzt die Zusammenführung der grundlegenden Themenkomplexe dieser Arbeit an. Es liegt aufgrund der Forschungserkenntnisse der KonsumentenMarkenbeziehungen nahe, dass deren starke Ausprägung sowohl mit einer hohen kognitiven Verflechtung als auch mit einer starken affektiven Besetzung einhergeht. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass eine negative Information über die präferierte Marke in starker Dissonanz resultiert. Zusätzlich wird jedoch ein hoher Aufwand zur Reduktion der Dissonanz erwartet und dementsprechend in Abwägung des Aufwandes die Wahl der Reduktionsstrategie erfolgen. So wird bei ausgeprägten Markenbeziehungen von einer hohen Resistenz ausgegangen, da vom betroffenen Individuum die Strategie mit dem geringstmöglichen Aufwand gewählt wird. Im Folgenden werden Hypothesen formuliert, die die vorangestellten Überlegungen der gesamten Arbeit konkretisieren. So wird angenommen, dass die Güte der Beziehungen einen Einfluss auf den Grad der Verleugnung der negativen Information seitens der Konsumenten hat. Diese Annahme beruht, wie zuvor diskutiert, auf dem Ausmaß der Dissonanz und dem Aufwand der Dissonanzreduktion. Eine entsprechende Hypothese wird formuliert. H1:

Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto stärker werden negative Informationen verleugnet.

Zusätzlich wird im Hinblick auf die Dissonanzreduktionsstrategie angenommen, dass durch die Intensität der Beziehung zwischen Konsument und Marke eine Einschränkung der objektiven Wahrnehmung stattfindet. Aufgrund der Selektion der Informationen wird von einer geringeren Wahrnehmung des Risikos ausgegangen, um Dissonanzen vorzubeugen. Zusätzlich wird eine direkte positive Wirkung der Verleugnung auf die Risikowahrnehmung erwartet. Es werden folgende Hypothesen postuliert. H2:

Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Risikowahrnehmung.

H3:

Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer wird das Risiko von den Konsumenten wahrgenommen.

Zusätzlich wird die Einstellungsänderung durch die Markenbeziehungsqualität beeinflusst. Es wird davon ausgegangen, dass die Einstellungsänderung als Risikoreduktionsstrategie zwar mit einem steigenden Grad der Beziehungsqualität – die höhere Dissonanz verursacht – steigen müsste, der Aufwand zur Änderung dieser Einstellungen wird sowohl aufgrund der kognitiven Vernetzungen als auch der affektiven Besetzungen der Kognitionen jedoch mit einem hohen Aufwand verbunden sein. So wird geschlussfolgert, dass vorgelagerte Konstrukte als Dissonanzreduktion vorgezogen werden, was insgesamt in Resistenz resultiert. Folgende Hypothesen ergeben sich. H4:

Je stärker die Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Einstellungsänderung gegenüber der Marke nach der Information des Krisenszenarios.

3

Theoretischer Bezugsrahmen und Hypothesengenerierung

H5:

Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer ändert sich die Einstellung gegenüber der Marke.

H6:

Je stärker die Risikowahrnehmung, desto höher fällt die Einstellungsänderung aus.

107

Wie zuvor diskutiert, ist die Verhaltensintention als ausschlaggebendes Konstrukt zur Antizipation des tatsächlichen Verhaltens anzusehen. Im hier betrachteten Zusammenhang interessiert die Intention zur Verhaltensänderung. H7:

Je stärker die Markenbeziehungsqualität, desto geringer fällt die Intention zur Verhaltensänderung aus.

H8:

Je höher der Grad der Verleugnung der negativen Information, desto geringer ist die Intention zur Verhaltensänderung.

H9:

Je stärker die Risikowahrnehmung, desto stärker wird die Intention zur Verhaltensänderung ausfallen.

H10:

Je stärker die Einstellungsänderung, desto stärker wird die Intention zur Verhaltensänderung ausfallen.

Die zahlreichen Wechselwirkungen werden bei der Überführung des theoretischen Bezugsrahmens in ein Strukturgleichungsmodell deutlich, das die beinhalteten Kausalitäten hervorhebt und der folgenden empirischen Überprüfung als Grundlage dient. Abbildung C5 stellt ein entsprechendes Modell dar.

Abbildung C5: Überführung des theoretischen Bezugsrahmens in ein Strukturgleichungsmodell Quelle: Eigene Darstellung

108

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

Die zugrunde liegenden Hypothesen werden zusammenfassend in Tabelle C1 dargestellt. Tabelle C1: Überblick Hypothesen der vorliegenden Arbeit H1 H2 H3 H4 H5 H6 H7 H8 H9 H10

Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto stärker werden negative Informationen verleugnet. Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Risikowahrnehmung. Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer wird das Risiko von den Konsumenten wahrgenommen. Je stärker die Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Einstellungsänderung gegenüber der Marke nach der Information des Krisenszenarios. Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer ändert sich die Einstellung gegenüber der Marke. Je stärker die Risikowahrnehmung, desto höher fällt die Einstellungsänderung aus. Je stärker die Markenbeziehungsqualität, desto geringer fällt die Intention zur Verhaltensänderung aus. Je höher der Grad der Verleugnung der negativen Information, desto geringer ist die Intention zur Verhaltensänderung. Je stärker die Risikowahrnehmung, desto stärker wird die Intention zur Verhaltensänderung ausfallen. Je stärker die Einstellungsänderung, desto stärker wird die Intention zur Verhaltensänderung ausfallen.

Quelle: Eigene Erstellung

Kausaltheoretische Grundlagen bzw. Verständnisgrundlagen zu Strukturgleichungsmodellen werden im Kapitel D dieser Arbeit erläutert. Sowohl die Überprüfung der Strukturmodelle, die die Hypothesen widerspiegeln, als auch der Messmodelle, die die Operationalisierung der Konstrukte beinhalten, werden durchgeführt. Zuvor wird jedoch der Innovationsgrad der bisherigen Ausführungen dieser Arbeit zusammenfassend verdeutlicht.

4

Zusammenfassung des Innovationsgrads des Modells aus theoretischer Perspektive

Betrachtet der Leser das in der vorliegenden Arbeit im Mittelpunkt stehende Kausalmodell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen, fällt in Anlehnung an die Vorgehensweise der Theorieaufbereitung die thematische Unterteilung in zwei separate Themenbereiche auf: die Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen und die Modellansätze zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen. Diese wurden anschließend auf Basis

4

Zusammenfassung des Innovationsgrads des Modells aus theoretischer Perspektive

109

fundamentaler Theorien des Konsumentenverhaltens zusammengeführt. Entsprechend dieser Vorgehensweise wird auch der wissenschaftliche Innovationsgrad diskutiert. Die einzelnen Themengebiete wurden in Anlehnung an den aktuellen Stand der Literatur angepasst und inhaltsspezifisch erweitert. Im Bereich der KonsumentenMarkenbeziehungen bedurfte es vorerst der Aufarbeitung der theoretischen Grundlagen, um die Übertragung von Beziehungen auf den Konsumenten-Markenzusammenhang zu begründen. So galt die Arbeit von FOURNIER, die sich phänomenologisch mit den Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken auseinandersetzt, als Grundlage. Das Konstrukt Markenbeziehungsqualität hat im deutschsprachigen Forschungsraum bislang wenig Anerkennung gefunden. Die eigens erarbeitete Konzeptualisierung des Konstrukts wurde in Erweiterung der Überlegungen von FOURNIER durch Gegenüberstellungen ähnlicher Ansätze aktualisiert und inhaltlich ausgebaut. Beispielsweise erschien es als Manko, die in der Literatur des Relationship Marketing insbesondere von negativen Auswirkungen betroffene Dimension Vertrauen in der Konzeptualisierung zu vernachlässigen. Dementsprechend wurde die Brand Trust Scale in Anlehnung an aktuelle Erkenntnisse über die von FOURNIER identifizierte Dimension „Partner Qualität“ hinaus als Bestandteil des Konstrukts integriert. Diese aktualisierte Konzeptualisierung des Konstrukts ermöglicht eine anschließende Operationalisierung und eröffnet dementsprechend die Möglichkeit der Erforschung der bislang in der Literatur eher vernachlässigten Verhaltenswirkung des Konstrukts. Dieser fehlende Nachweis der Verhaltenswirkung des Konstrukts ist ein elementarer Bestandteil kritischer Meinungen über das Konstrukt. Die Integration der Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable auf ausgewählte Konstrukte des Konsumentenverhaltens in Krisenzeiten von Marken setzt an dieser Stelle an und zielt auf die Überprüfung des Verhaltensnachweises ab. So konnten im Bereich des Konsumentenverhaltens in den speziell abgegrenzten ereignisinduzierten Markenkrisen insbesondere im deutschsprachigen Forschungsraum keine und im angloamerikanischen Forschungsraum lediglich vereinzelte Modellansätze gefunden werden, die über Plausibilitätsüberlegungen hinausgehen. Ereignisinduzierte Markenkrisen finden, trotz der im Markt zu erkennenden steigenden Relevanz, in der Wissenschaft kaum Beachtung. So fand zunächst eine detaillierte Diskussion zur Abgrenzung des Phänomens der ereignisinduzierten Markenkrisen statt. Anschließend wurde aufgrund der geringen Anzahl spezifischer Modelle auf anerkannte Modelle des allgemeinen Konsumentenverhaltens zurückgegriffen. Anglo-amerikanische Partialmodelle galten als Grundlage zur kontextspezifischen Erweiterung des klassischen Verhaltensmodells. Ein prozessartiges Modell des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen wurde erstellt, das aufbauend auf verschiedenen Kognitionstheorien als plausibel erschien. Besondere Beachtung fanden Konstrukte, die im Krisenzusammenhang eine entscheidende Rolle spielen und zahlreichen sich ergänzenden Forschungsbereichen (u. a. Informationsverarbeitung, Anpassungsverhalten bzw. Dissonanzreduktionsstategien) entstammen. Erstmalig wurde ein dementsprechendes Prozessmodell zur Verhaltenserklärung im spezifischen Kontext erstellt. Dem Weg in die Erforschung des Konsumentenver-

110

C

Entwicklung eines theoretischen Bezugsrahmens

haltens in ereignisinduzierten Markenkrisen wurde durch dieses Modell eine Basis geschaffen, die theoretisch fundiert ist. Neben diesem Forschungsmehrwert in den zwei separat betrachteten Themenkomplexen steht in dieser Arbeit die Integration der Forschungsansätze im Mittelpunkt. So wurde das Konstrukt Markenbeziehungsqualität aufgrund theoretischer Überlegungen in den Kontext des Konsumentenverhaltens in Markenkrisen integriert und als einflussgebende Variable identifiziert. Ein konkreter Ansatz, der die Bedeutung und die Wirkungsweise dieser ausgewählten Variable auf das Konsumentenverhalten bzw. die zugrunde liegende Widerstandsstärke analysiert, ist in dieser Form bislang nicht bekannt. Es wird von einem hohen spezifischen Erklärungswert des Konstrukts Markenbeziehungsqualität ausgegangen. Das erarbeitete theoretische Modell schließt somit die Lücke der Forschungserkenntnisse zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen.

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Abbildung D1: Ablauf der Arbeit Kapitel D Quelle: Eigene Erstellung

112

1

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

Die Beschreibung der in dieser Arbeit durchgeführten empirischen Untersuchung beginnt mit notwendigen Vorbemerkungen. Diese sind erstens inhaltlicher Natur und befassen sich mit der Frage des Untersuchungsobjekts, der Zielgruppe sowie des zu überprüfenden Krisenszenarios. Zweitens erfolgt eine ausführliche Darstellung der Datenerhebung sowie der resultierenden Datengrundlage. Zusätzlich wird ein Überblick der angewandten Analyseverfahren mit den zugrunde liegenden Softwareprogrammen gegeben, bevor auf die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehende Kausalanalyse eingegangen wird. Eine theoretische Grundlage über Kausalmodelle mit latenten Variablen wird am Anfang des zweiten Gliederungspunkts geschaffen, die ein Grundverständnis über die Inhalte und die Methodik von Kausalmodellen liefert und die Vorgehensweise einer Kausalanalyse erläutert. Dementsprechend erfolgt anschließend die Konzeptualisierung und Operationalisierung der Konstrukte, die nach ausführlicher Darstellung der Literatur in einer Entwicklung der Messmodelle für das kausalanalytische Modell resultieren. Das gesamte Modell wird anschließend einer kausalanalytischen Prüfung unterzogen. Die Parameter des Modells werden geschätzt und die Güte der Schätzung wird umfangreich überprüft. Zusätzlichen, über das Kausalmodell hinaus erhobenen Informationen, die als relevant für die thematische Abhandlung angesehen werden, gilt der finale Gliederungspunkt dieses Kapitels. Dieser befasst sich mit Informationsquellen der Zielgruppe speziell im Krisenfall, denen insbesondere für die Ableitung von Handlungsempfehlungen für die Unternehmungen eine entscheidende Rolle zukommt.

1.1

Inhaltliche Vorbemerkungen

Mit dem Ziel der Generierung einer umfangreichen Datengrundlage, die die Überprüfung des in ein Kausalmodell überführten theoretischen Bezugsrahmens ermöglicht, müssen zunächst inhaltliche Spezifizierungen vorgenommen werden, um die Datenerhebung zu ermöglichen. Zu diesen Aspekten gehört prioritär die Auswahl der fokussierten Zielgruppe. Zusätzlich ist die Branche bzw. das zu überprüfende Untersuchungsobjekt (Produkt bzw. Produktkategorie) festzulegen. Entsprechend müssen die zu betrachtenden Inhalte der ereignisinduzierten Markenkrise festgelegt und das fiktive Krisenszenario formuliert werden. 1.1.1

Auswahl und Charakteristika der fokussierten Zielgruppe

1.1.1.1

Altersabgrenzung

Vorrangiges Ziel bei der Auswahl der Zielgruppe ist die Sicherung der Homogenität innerhalb einer Zielgruppe, um das in Kapitel C hergeleitete Strukturgleichungsmodell empirisch überprüfen zu können und entsprechenden Verwässerungen vorzubeugen. Da die Literatur der betrachteten Themenkomplexe zahlreiche Hinweise auf existierende Differenzen zwischen verschiedensten Zielgruppen liefert, ist es notwendig, die Gesamtheit aller Konsumenten entscheidend einzuschränken.

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

113

Darüber hinaus ist jedoch gleichzeitig ein Anliegen, eine Zielgruppe zu fokussieren, der auf den derzeitigen Märkten eine hohe Bedeutung beigemessen wird. Gleichzeitig fließen Überlegungen zum Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu der Zielgruppe in die Auswahl mit ein. Die Entscheidung fiel auf die Zielgruppe von Frauen in einem Alter ab 50 Jahren. Im Folgenden wird sowohl auf die Homogenität der Zielgruppe als auch auf die Relevanz der Erforschung dieser Zielgruppe aus praktischen und auch aus wissenschaftlichen Gründen eingegangen. Die Notwendigkeit der Konzentration auf eine annähernd homogene Zielgruppe ist deutlich. Es bleibt zu klären, anhand welcher Kriterien die Abgrenzung der Zielpersonen erfolgt. Da das Alter als Segmentierungskriterium insbesondere zugunsten psychographischer Kriterien496 zunehmend an Bedeutung verliert, dient es dieser Untersuchung lediglich als Groborientierung. Im Hinblick auf die Abgrenzung der Zielgruppe Senioren hat sich in der Literatur kein Schwellenwert für eine eindeutige Segmentierung durchgesetzt.497 In Anbetracht der beabsichtigten Homogenität der Zielgruppe wurde die Auswahl der Befragungspersonen aus den Mitgliedern des in Kapitel D 1.2.2 vorgestellten Berufsverbands der Haushaltsführenden (DHB) getroffen. Übereinstimmend mit der Literatur wurde dementsprechend von einer absoluten Altersabgrenzung zugunsten einer Homogenität der Zielpersonen aufgrund der Verbandsmitgliedschaft abgesehen. Die Altersgrenze 50+ dient folglich lediglich als Orientierungswert. Über dieses vorrangige Entscheidungskriterium hinaus weist die nicht zu übersehende demographische sowie materielle Bedeutung der Zielgruppe 50+498 auf die Relevanz der Zielgruppe für heutige Untersuchungen des Käuferverhaltens hin. Insbesondere die Erkenntnis, dass die lange verbreitete Annahme der Markenloyalität mit zunehmendem Alter499 nicht als gegeben angesehen werden kann und demnach differenzierter betrachtet werden muss500, unterstreicht die Eignung der Zielgruppe zur Überprüfung des zuvor diskutierten theoretischen Bezugsrahmens. 496 497

498 499

500

Vgl. Freter, H. (1995), Sp. 1807. Eine Diskussion zu Altersgrenzen von Senioren befindet sich in der Arbeit von HUPP (2000a). Vgl. Hupp, O. (2000a), S. 252. Vgl. Meyer-Hentschel Management Consulting (2000). Vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 403; vgl. Weinberg, P. (1998), S. 49; vgl. empirische Befunde von Bauer (1983) nach Peter, S. I. (1997), S. 369. Vgl. Kaupp, P. (2000), S. 205f.; vgl. Hupp, O. (2000a), S. 124–130; S. 160ff. Es existiert zahlreiche Literatur, die sich mit Altersdifferenzen hinsichtlich der Markentreue auseinandersetzt. Einen Überblick liefert Hupp, O. (2000), S. 315–318. HUPP differenziert parallel zu den Überlegungen dieser Arbeit zwischen der rein verhaltenswissenschaftlichen und der einstellungsorientierten Auffassung der Markentreue bzw. -bindung. Aufgrund der Auswertung zahlreicher differierender Untersuchungserkenntnisse geht er vorerst von der Annahme aus, dass hinsichtlich des Alters keine Unterschiede der untersuchten Konstrukte des Konsumentenverhaltens existieren. Seine Untersuchungen bestätigen diese Annahme für das Konstrukt Markentreue. Hinsichtlich der Markenbindung, die auch für diese Untersuchung grundlegend dient, werden jedoch Differenzen aufgezeigt. Vgl. Hupp, O. (2000a), S. 161f. Er begründet diese Beobachtung durch den Einfluss des Involvement auf die Einstellung in bestimmten Produktkategorien, der die Markenbindung beeinflusst. Vgl. Hupp, O. (2000a), S. 245f. Den Untersuchungen liegt ein Kausalmodell zugrunde, das die Einflüsse der einzelnen Involvement-Dimensionen aufzeigt. Vgl. Hupp, O. (2000a), S. 234.

114

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Darüber hinaus lässt sich umfangreicher Forschungsbedarf rund um diese Zielgruppe erkennen. Untersuchungen des konkreten Kaufverhaltens dieser Zielgruppe sind bis heute in der Literatur nur vereinzelt aufzufinden.501 Die Ergebnisse der Literaturrecherche weisen jedoch aus dem Blickwinkel verschiedener Forschungsthematiken auf die Notwendigkeit der Konzentration auf eine Zielgruppe zur Überprüfung des wissenschaftlichen Modells dieser Arbeit hin. Im Bereich der Markenbeziehungen kann eine Veröffentlichung aufgeführt werden, die sich qualitativ mit Frauen mittleren Alters und deren Markenbeziehungen beschäftigt.502 Vereinzelte qualitative Untersuchungen analysieren zielgruppenspezifisch die Existenz von Konsumenten-Markenbeziehungen von Kindern503 sowie auch homosexuellen Zielgruppen504. In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der Vorsicht vor Verwässerungen davon ausgegangen, dass weitgehende Differenzen in den Beziehungsstrukturen zu Marken zwischen unterschiedlichen Zielgruppen möglich sein könnten, wobei an dieser Stelle betont werden muss, dass über die zuvor genannten Ansätze hinaus keine entsprechenden empirischen Untersuchungen angeführt werden können und dieser Fragestellung auch in dieser Arbeit nicht weiter nachgegangen werden kann. Dennoch wird die Annahme der sich unterscheidenden Markenbeziehungen unter anderem begründet durch die Erkenntnis der variierenden Bedeutung von Besitztümern aus dem Blickwinkel älterer Konsumenten, wie eine Untersuchung von PRICE/ARNOULD/CURASI505 aufzeigt. Unterschiedliche Bedeutungen könnten dementsprechend in differierenden Ausgestaltungen von Markenbeziehungen resultieren. So soll sich auf eine möglichst homogene Zielgruppe beschränkt werden, um Verwässerungen zu vermeiden. Hinsichtlich der in dieser Untersuchung relevanten ethischen Einstellungen konnte festgestellt werden, dass Konsumenten zwar keine homogene Zielgruppe verkörpern, sie jedoch generell stärker geprägte ethische Einstellungen aufweisen.506 Diese Erkenntnis ist im Hinblick auf die zu untersuchende Krisenmeldung als Stimulus von besonderer Bedeutung und unterstützt die Vorgehensweise der Fokussierung auf eine Zielgruppe, denn Ziel der Arbeit ist nicht die Analyse des Alters und dessen Verhaltensauswirkungen. Auch hinsichtlich des Krisenverhaltens konnten zwar keine konkret vergleichbaren Befunde der Literatur gefunden werden, jedoch beschäftigen sich einige Arbeiten mit soziodemographischen Einflüssen in ähnlichen Kontexten und weisen erhebliche Differenzen auf.507 501

502 503 504 505 506

507

Eine Ausnahme bietet eine umfassende Arbeit zum Informations- sowie Entscheidungsverhalten von Senioren. Vgl. Hupp, O. (2000a). Vgl. Olsen, B. (1999), S. 615–620. Vgl. Ji, M. F. (2002), S. 369–387. Vgl. Kates, S. M. (2000), S. 493–513. Vgl. Price, L. L./Arnould, E. J./Curasi, C. F. (2001), S. 179–201. Vgl. Vitell, S. J./Lumpkin, J. R./Rawwas, M. Y. A. (1991), S. 365–375; Rawwas, M. Y. A./ Singhapakdi, A. (1998), S. 26–38. Siehe nächste Seite

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

115

Zusammengefasst verdeutlichen die Überlegungen die Notwendigkeit der spezifischen Analyse dieser Zielgruppe. Die Betrachtung der Charakteristika der ausgewählten Zielgruppe im Hinblick auf die in dieser Arbeit relevanten Aspekte der Markenbindung, der ethischen Einstellungen sowie des Verhaltens in Krisenzeiten lassen folgenden zu untersuchenden Widerspruch entstehen. Einerseits lässt eine erhöhte Markenbindung älterer Konsumenten auf starke Markenbeziehungen schließen. Andererseits könnte die ausgeprägte Sensibilisierung insbesondere für ethische Aspekte in einer starken Krisenreaktion resultieren. Grundsätzlich herrscht über die Krisenreaktion jedoch keine Einigkeit. Die aufgeworfenen Forschungsfragen bedürfen nachhaltiger Erkundung. Zusammenfassend lässt sich die Auswahl dieser Zielgruppe speziell durch ihre steigende materielle Relevanz, die demographische Bevölkerungsentwicklung und die auffallende Vernachlässigung der Zielgruppenerforschung im Bereich des Konsumentenverhaltens begründen, insbesondere sowohl hinsichtlich der Erforschung der Markenbeziehungen als auch des Verhaltens in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen. 1.1.1.2

Auswahl des Geschlechts

Mit dem Ziel der Homogenität wird darüber hinaus hinsichtlich des Geschlechts differenziert, da der Literatur der betrachteten Themenbereiche zahlreiche Hinweise auf starke Differenzen zu entnehmen sind. Diese werden im Folgenden diskutiert. So beziehen sich einige zugrunde liegende Untersuchungen zu Konsumenten-Markenbeziehungen lediglich auf weibliche Probanden.508 Obwohl sich die wenigen weiterführenden Arbeiten teilweise nicht durch diese Tatsache einschränken lassen509, wird dem Gedanken FOURNIERs in dieser Arbeit Rechnung getragen, dass insbesondere hinsichtlich emotionaler Beziehungserscheinungen starke Differenzen zwischen den Geschlechtern bestehen „Women exhibit more and stronger interpersonal relationships and brand involvement“510. Untersuchungen aus der interpersonellen Beziehungsforschung, die eine verstärkte Intensität der Bindungen von Frauen aufweisen511, stellen eine Grundlage für diese Übertragungen auf Marken507

508

509 510 511

Zu Altersdifferenzen bei Lebensmittelskandalen vgl. Meyer-Hullmann, K. (1999), S. 155ff. Sie stellt fest, dass bis zum Alter von 60 Jahren die Bereitschaft zur Verhaltensänderung zunimmt, danach jedoch abnimmt. Mit unterschiedlichen soziodemographischen Subgruppen und der unterschiedlichen Reaktion auf Medieninformationen beschäftigen sich WEINBERGER/LEPKOWSKA-WHITE. Sie weisen für jüngere weibliche Konsumenten stärkere Reaktionen nach. Vgl. Weinberger, M. G./Lepkowska-White, E. (2000), S. 465–482; für einen ähnlichen Ansatz vgl. Jackson, G. B./Jackson, R. W./Newmiller, C. E. (1992), S. 45–57. Vgl. Fournier, S. (1994); vgl. Fournier, S. (1998), S. 343–373; vgl. Fournier, S. (2001), S. 135–163. Vgl. beispielsweise Kressmann, R. et al. (2003), S. 401–418. Fournier, S. (1998), S. 347. Vgl. Wood, J. T. (2000), S. 306; vgl. Sherrod, D. (1989), S. 164ff. zitiert nach Hieronimus, F. (2003), S. 100.

116

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

beziehungen dar. BARON-COHEN512 zeigen, dass sich Geschlechter hinsichtlich ihres Gehirntyps unterscheiden. Resultat ist beispielsweise ein erhöhtes Einfühlungsvermögen von weiblichen Personen im Gegensatz zum eher männlichen Systemdenken.513 Übertragen auf den Marketingzusammenhang untersucht BASU MONGA514 Geschlechtsunterschiede insbesondere innerhalb der Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen von FOURNIER und kommt nach der exemplarischen Überprüfung dreier Beziehungsdimensionen zu dem Ergebnis, dass Männer Marken weniger als aktiven Beziehungspartner ansehen als Frauen. Männer beurteilen diese Beziehungen im Gegensatz zu Frauen eher als einseitig.515 Auch diese Untersuchung unterstützt die hier gewählte Vorgehensweise der Fokussierung auf das weibliche Geschlecht im Rahmen der vorgestellten Theorie der Konsumenten-Markenbeziehungen. Nach der Betrachtung dieser Zielgruppenspezifika im Bereich der Markenbeziehungen weisen auch Erkenntnisse des Konsumentenverhaltens insbesondere im Krisenzusammenhang auf geschlechterspezifische Differenzen hin, die auch hier auf die Notwendigkeit der Konzentration auf weibliche Konsumenten schließen lassen. Die sozialpsychologische Forschung liefert Hinweise über Differenzen im Konfliktverhalten zwischen den Geschlechtern.516 Insbesondere innerhalb des dieser Arbeit zugrunde liegenden Zusammenhangs der Markenbeziehungen und den ereignisinduzierten Markenkrisen wird auf die Erkenntnisse von RUSBULT zurückgegriffen, die aufzeigen, dass Frauen eher dazu neigen, trotz Problemen und Unzufriedenheit in einer Beziehung zu verharren.517 Obwohl diesbezüglich im Bereich des Konsumentenverhaltens keine konkreten, dem Kontext dieser Arbeit entsprechenden Erkenntnisse bekannt sind, soll auf eine aktuelle Veröffentlichung von LAUFER/ GILLESPIE518 hingewiesen werden, die sich die Analyse der Geschlechterdifferen512 513

514 515

516

517

518

Vgl. Baron-Cohen, S. (2002), S. 248–254. Vgl. Baron-Cohen, S. (2002), S. 248–254. Er entwickelte die Empathising-SystemisingTheorie, die das verstärkte Einfühlungsvermögen (im Gegensatz zum Systemdenken) von einem Teil der Individuen (meist Frauen) aufzeigt. Vgl. Kilian, K. (2004), S. 13f. Vgl. Basu Monga, A. (2002), S. 36–42. Vgl. Basu Monga, A. (2002), S. 36–42. An dieser Stelle ist exemplarisch auf eine Untersuchung der Bedeutung des Konsums von Produkten bzw. Marken für spezielle Zielgruppen („professional working mothers“) hinzuweisen, die auf Unterschiede im hier untersuchten Rahmen der Konsumenten-Markenbeziehungen und dementsprechend der separaten Betrachtung von Zielgruppenspezifika schließen lassen. Vgl. Thompson, C. J. (1996), S. 388–407. Vgl. auch Kapitel B 1.3.4. Vgl. Wood, J. T. (2000), S. 310; vgl. Rusbult, C. (1987), S. 225f.; vgl. Wood, J. T. (1986), S. 273–301. Vgl. Rusbult, C. (1987), S. 225f.; Rusbult betrachtet das Exit-Voice-Loyalty-NeglectModell hinsichtlich Geschlechtsspezifika. Er resümiert, dass starke Feminität mit stärkerer Loyalität sowie auch konstruktivem „Voice“ verbunden wird. Maskuline Züge lassen jedoch eher auf „Exit“ und „Neglect“ schließen (Aussagen basieren u. a. auf der Studie von Rusbult, C./Iwaniszek, J. (1986)). Vgl. Rusbult, C. (1987), S. 225f. Vgl. Laufer, D./Gillespie, K. (2004), S. 141–157.

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

117

zen insbesondere im Hinblick auf Schuldzuweisungen zum Ziel setzt und dieses auch im Bereich der Unternehmensbeschuldigungen nach einer Produktkrise bestätigen kann.519 Zusätzlich werden die Begründungen für dieses Verhalten untersucht. Frauen erweisen sich als verletzlicher sowie mitfühlender hinsichtlich des Betroffenen, was folglich zu einer stärkeren Schuldzuweisung führt.520 Auch die Relevanz der weiblichen Konsumenten als Entscheidungsträger zum (Marken-) Konsum wird sowohl durch theoretische Überlegungen als auch durch zahlreiche Studien verdeutlicht. Den Frauen wird eine Schlüsselrolle im Bereich des Markenkonsums bei Convenience-Gütern insbesondere durch den sozialen Wandel und deren Persönlichkeitsstärkung durch Beziehungen zugesprochen.521 Darüber hinaus ist die Fähigkeit von Frauen zu nennen, die Marke über ihre Funktion hinaus in „symbolische Träger kultureller Kategorien zu verwandeln“522.523 Neben den theoretischen Überlegungen unterstreichen praxisnahe Studien die Relevanz der Zielgruppe durch die Aufdeckung des starken Einflusses von Frauen auf Kaufentscheidungen. Beispielsweise konnten pro Konsumentin ca. 45 soziale Kontakte festgestellt werden, die ein starkes Einflusspotenzial auf weitere Konsumenten ergeben.524 Dies gilt u.a. für den Bereich der Lebensmittel525, dem im Verlauf dieser Arbeit durch die Wahl der Produktkategorie Kaffee eine besondere Bedeutung zukommt. Trotz des Resultats eingeschränkter Reichweite der Ergebnisse sollen somit ausschließlich Frauen untersucht werden, um potenzielle Fehlerquellen zu eliminieren. 1.1.1.3

Beschreibung der erhobenen Stichprobe

Resultierend aus vorangegangenen Überlegungen zeigt folgende Abbildung die konkrete Stichprobenstruktur (n = 415) anhand des erhobenen soziodemographischen Merkmals Alter der Befragten.

519 520 521 522

523

524 525

Vgl. Laufer, D./Gillespie, K. (2004), S. 145. Vgl. Laufer, D./Gillespie, K. (2004), S. 141–157. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 367. Applbaum, K./Jordt, I. (1996), S. 204–218; vgl. Olsen, B. (1995) zitiert nach Fournier, S. (2001), S. 161. Zum Forschungsbedarf hinsichtlich der Geschlechtsspezifik von FOURNIERs KonsumentenMarkenbeziehung im deutschen Raum sind aktuelle Forschungen von KILIAN anzuführen, die beabsichtigen, mittels phänomenologischer Interviews die Erforschung von Unterschieden zwischen den Geschlechtern aufzudecken. Vorabergebnisse zeigen, dass FOURNIERs Erkenntnisse zur Beschreibung von männlichen Beziehungsstrukturen nicht ausreichen und erweitert werden müssen. KILIAN untersucht zusätzlich den Zusammenhang zwischen der Marken- und Konsumentenpersönlichkeitskongruenz sowie der Beziehungstypen und der Beziehungsqualität. Vgl. Kilian, K. (2004), S. 2. Vgl. Bauer Media KG (2002), S. 6. Vgl. Bauer Media KG (2002), S. 17.

118

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Abbildung D2: Altersverteilung der Befragungen des Haupttests Quelle: Eigene Erstellung

Diese Stichprobe besteht wie zuvor diskutiert aus 100 Prozent weiblichen Probanden. Der Mittelwert liegt bei 66,7 Jahren. Laut Aussage der Präsidentin des Deutschen Hausfrauenverbands werden die 40.000 Mitglieder des Hausfrauenverbands sehr gut durch diese Stichprobe repräsentiert. 1.1.2

Auswahl des Untersuchungsobjekts

Der theoretische Bezugsrahmen dieser Arbeit wurde aufgrund von Theorien entwickelt, die sich insbesondere auf den Bereich der Konsumgüter beziehen. Trotz der beabsichtigten Allgemeingültigkeit des Modells musste zur folgenden empirischen Erhebung eine Spezifizierung der Erhebung durch die Auswahl eines zu betrachtenden Produkts als Untersuchungsobjekt erfolgen. Durch mehrstufige Vorarbeit wurde ein Produkt bzw. eine Produktkategorie identifiziert, das bzw. die sich zur Überprüfung des in Kapitel C beschriebenen theoretischen Bezugsrahmens und dem daraus resultierenden Kausalmodell eignet. Das Produkt sollte ein Konsumgut darstellen, das starke Marken vorweisen kann und somit die Bildung von Markenbeziehungen ermöglicht. In Anbetracht der Praktikabilität der Integration des fiktiven Krisenszenarios in den Fragebogen sollten nicht allzu

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

119

viele Marken innerhalb dieser Produktkategorie existieren. Zusätzlich wird eine starke Streuung der Markenbeziehungsqualität beabsichtigt. Diese Voraussetzung wurde sowohl durch qualitative Voruntersuchungen526 als auch durch quantitative Erhebungen geprüft, bevor die Hauptuntersuchung stattfand. Dabei wurde wie folgt vorgegangen. Nach ausführlicher Literaturrecherche, sechs Experteninterviews (in diesem Fall Marketingfachkräfte) und einer Gruppendiskussion mit drei Mitgliedern der ausgewählten Zielgruppe schienen Marken folgender Produkte am geeignetsten: • Joghurt, • Kaffee und • Mineralwasser. Die Wahl fiel letztlich auf den Kaffeemarkt, da dieser über die Voraussetzung eines guten Beispiels von Lebensmitteln des täglichen Bedarfs hinaus folgende Vorteile aufweist: • Kaffee wird von einer hohen Anzahl der Bevölkerung konsumiert.527 • Der Kaffeemarkt ist wirtschaftlich ein sehr attraktiver Markt mit einem Umsatz von 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2003.528 • Obwohl der Kaffeekonsum in den letzten Jahren zurückgegangen ist (2004: Jahresverbrauch pro Haushalt 10,4 Kilogramm Kaffee) liegen verstärkt neuere Formen des Kaffees (Kaffeepads/Mixgetränke (Pulver, Cappuccino, Aromen)) mit Wachstumsprognosen im Trend.529 • Die klassische Medienwerbung der Produktkategorie weist auf Inhalte des Beziehungskonstrukts hin: • Kaffeemarken werben mit Image (Self-Connection). • Kaffeemarken existieren teilweise schon sehr lange (Intimität, Commitment). • Es existieren sehr bekannte und starke Marken (es werden 18 starke Marken innerhalb der Produktkategorie auf dem deutschen Kaffeemarkt identifiziert). Die Bedeutung dieses Produkts zeigt sich auch in weiteren Arbeiten. FOURNIER/ YAO verwenden Kaffee als exemplarische Produktkategorie in einer detaillierten qualitativen Untersuchung, die sich mit dem Vergleich zwischen dem Konstrukt

526

527

528

529

Als qualitative Voruntersuchungen gelten Tiefeninterviews als auch Gruppenexplorationen. Vgl. Meffert, H. (1992), S. 230. 81 Prozent der Frauen konsumieren Kaffee täglich; in Deutschland liegt der Pro-Kopf-Jahresverbrauch der Bevölkerung bei 158 Litern. Vgl. http://www.kaffeeverband.de/186.htm, Stand: 06.07.2004. Das Gesamtmarktvolumen 2003 liegt für Rohkaffee bei 532.030 Tonnen. Vgl. http://www.kaffeeverband.de/186.htm, Zugriff am 06.07.2004; vgl. http://www.marketing-marktplatz.de/ VerVkf/Kaffeemarkt.htm, Stand: 06.07.2004. Vgl. Thiede, M. (2005), S. 30.

120

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Markenloyalität sowie dem Phänomen der Markenbeziehungen beschäftigt. Kaffee wird dort ausgewählt, da eine breite Streuung der Loyalität zu vermuten ist, was auch in der dieser Dissertation zugrunde liegenden Untersuchung ein bedeutender Aspekt ist.530 Zusätzlich wurde eine „Research Session“ im Rahmen der Konferenz der „Association for Consumer Research“ zum Thema Markenloyalität aus dem Blickwinkel verschiedener Wissenschaftsmethoden am Beispiel von Kaffeemarken durchgeführt.531 Die Eignung des Kaffees als Untersuchungsprodukt der vorliegenden Arbeit wird demnach durch diese Arbeiten unterstützt. Darüber hinaus wird die Wahl dieses Produkts durch eine Studie der GfK unterstützt. Diese Studie zeigt, dass Röstkaffee eine besonders hohe Markenbindung aufweist.532 In Anlehnung an die Literatur533 wurden auch in dieser Arbeit Überlegungen zur Wahl einer fiktiven Kaffeemarke angestellt. Da die Einbeziehung einer fiktiven Marke entsprechend der in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Messung der Markenbeziehungsqualität problematisch ist, wird in der folgenden Erhebung auf real existierende Kaffeemarken zurückgegriffen. Zur Bestätigung der Ergebnisse dieser Überlegungen wurde ein Vortest erstellt, der die Eignung des Kaffees in Anbetracht der Zielstellung und insbesondere aus dem Blickwinkel der Zielgruppe überprüft. Folgende Ergebnisse konnten erzielt werden: • In einer Voruntersuchung mit einer Stichprobe von n = 36 wurde die Existenz einer Lieblingskaffeemarke bei nahezu 90 Prozent festgestellt. Auch die Verteilung der unterschiedlichen Kaffeemarken wurde abgefragt. Die Häufigkeiten entsprachen in der Mehrzahl der Marken in etwa deren Marktanteil, die Vorliebe für Tchibo überschritt diesen Wert jedoch mit einem Anteil von 38 Prozent. Es ist anzunehmen, dass diese Häufigkeit auf regionale Bekanntheitsunterschiede zurückzuführen ist. Die nachgewiesene häufige Existenz einer Lieblingsmarke ließ auf eine ausgesprochen gute Eignung von Kaffeemarken als Untersuchungsobjekt schließen und bestätigte die zuvor in Betracht gezogenen Ergebnisse der Literaturrecherchen, die Expertenmeinungen und die Ergebnisse der Gruppendiskussion. 1.1.3

Definition der fiktiven ereignisinduzierten Markenkrise

Aufbauend auf der Auswahl des Untersuchungsobjekts wurde das fiktive Krisenszenario erstellt. In Anlehnung an die Literatur zu tatsächlichen Krisenfällen von Marken wurde ein Krisenszenario entworfen und dessen Verständnis als Krise durch

530

531 532 533

Vgl. Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472. Wesentliche Erkenntnisse dieser Arbeit sind die schon beschriebene Notwendigkeit der Erweiterung von Markenloyalitätstheorien zu differenzierenden Beziehungsformen. Vgl. Fournier, S./Yao, J. L. (1997), S. 451–472. Vgl. Lehmann, D. R./Russo, J. E. (1996), S. 309f. Vgl. Becker, J. (2002), S. 186. Vgl. beispielsweise Laufer, D./Gillespie, K. (2004), S. 141–157; vgl. Su, W./Tippins, M. J. (1998), S. 139–145.

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

121

Gruppendiskussionen innerhalb der fokussierten Zielgruppe sowie einer quantitativen Voruntersuchung überprüft. Voraussetzung zur inhaltlichen Entwicklung der ereignisinduzierten Markenkrise waren die in Kapitel B herausgefilterten Merkmale ereignisinduzierter Markenkrisen. Darüber hinaus wurde die Krise in Bezug auf die von CUNNINGHAM identifizierten verschiedenen Risikobereiche formuliert: das funktionale Risiko, das soziale Risiko, das finanzielle Risiko, das gesundheitliche Risiko sowie das psychologische Risiko.534 Die Markenkrise wurde sowohl mit dem Schwerpunkt einer Gesundheitsgefährdung als auch des sozialverantwortlichen Aspekts formuliert, da durch die Kombination dieser inhaltlichen Bestandteile mehrere Risikobereiche abgedeckt werden. Die Integration des sozialverantwortlichen Aspekts eröffnet gleichzeitig die Möglichkeit, über die Diskussion der Produktattributsbeurteilung auch die Bedeutung des ethischen Verhaltens des Unternehmens zu beleuchten.535 Da wie beschrieben von Zielgruppenunterschieden der Krisenauffassung ausgegangen wurde536, wurde auch hier eine Vorerhebung durchgeführt, um sicherzustellen, dass die erhaltene Information aus dem Blickwinkel der Zielgruppe auch als ereignisinduzierte Markenkrise angesehen wird. Bei einer Stichprobe von n = 34 empfanden nahezu 90 Prozent der befragten Frauen die Meldung als schwerwiegend. So wurde durch diese Voruntersuchung bestätigt, dass das fiktive Szenario von der Zielgruppe als Krise wahrgenommen wird. Nach dem Ausschluss rechtlicher Hindernisse durch Absprache mit einem Medienrechtler wurde ein realitätsnaher Zeitungsausschnitt, der sich auf die individuell favorisierte Kaffeemarke bezieht, in den Fragebogen integriert. Aufgrund der hohen Affinität der Zielgruppe zu Printmedien537 wurde das Szenario als Zeitungsartikel wie folgt dargestellt (siehe S. 122).

534 535

536

537

Vgl. Cunningham, S. M. (1967), S. 82–111. Der Thematik des Abgleichs beider inhaltlicher Aspekte widmet sich die Arbeit von Folkes, V. S./Kamins, M. A. (1999), S. 243–259. Sie stellen die Bedeutung der Firmenethik in Verbindung mit den Produktattributsbeurteilungen im Hinblick auf deren Auswirkungen auf die Marken- bzw. Firmenbeurteilung der Konsumenten dar. Vgl. Folkes, V. S./Kamins, M. A. (1999), S. 243–259. Vgl. die Ausführungen zu Differenzen der Krisenreaktionen unterschiedlicher Alterskategorien in Kapitel C 4; vgl. Meyer-Hullmann, K. (1998), S. 155; vgl. Weinberger, M. G./Lepkowska-White, E. (2000), S. 465–482. Vgl. Hupp, O. (2000a), S. 147, S. 167 und S. 344f.; Ältere Konsumenten (insbesondere ab einem Alter von 75) nutzen unpersönliche sowie persönliche Informationsquellen zunehmend weniger als jüngere Konsumenten. Lediglich für Printmedien ist eine Nutzungszunahme sowie Stetigkeit zu beobachten. Vgl. Moschis, G. P. (1994) zitiert nach Hupp, O. (2000a), S. 147. Zum Einfluss der Glaubwürdigkeit einer Informationsquelle auf die Glaubwürdigkeit der Information vgl. Gierl, H./Stich, A./Strohmayr, M. (1997), S. 27–31.

122

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Abbildung D3: Fiktive ereignisinduzierte Markenkrise 538 Quelle: Eigene Erstellung

1.2

Vorbemerkungen zur Datengewinnung und -analyse

1.2.1

Datenerhebung

Aufbauend auf der Auswahl der Zielgruppe wurden unterschiedliche Überlegungen zur optimalen Umsetzung des Befragungsvorhabens angestellt. Die Mitglieder des DHBs erschienen für die Befragung als besonders geeignet. Der Verband wird zunächst kurz vorgestellt, bevor auf die Eignung seiner Mitglieder als Befragungsteilnehmer der hier zugrunde liegenden Untersuchung eingegangen wird. Der DHB ist der Berufsverband der Haushaltsführenden, der sich in den Themenbereichen Politik, Recht, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt für die Interessen der Haushaltsführenden einsetzt. Neben der Vermittlung von hauswirtschaftlichen Kenntnissen und Fertigkeiten liegt die Interessenvertretung der Haushaltsführenden im Fokus des Verbandes. So liefert er Gesetzesvorlagen für die zuvor aufgeführten Bereiche. Die Präsidentin und das gesamte geschäftsführende Präsidium sind in Verbänden mit vergleichbarem Arbeitsgebiet sowie in zahlreichen Wirtschaftsgremien vertreten. Beispielsweise werden Tarifverträge zwischen dem Verband als Vertretung der Arbeitgeber mit den Gewerkschaften Nahrung – Genuss – Gaststätten für die Arbeitnehmer/innen in der privaten Hauswirtschaft und in Dienstleistungszentren geschlossen. Der Verband ist überparteilich und überkonfessionell.539 Er hat ca. 40.000 Mitglieder540 und ist in Landes- sowie Ortsverbände unterteilt.541 538

539 540 541

Der Name der individuellen Lieblingskaffeemarke wurde jeweils entsprechend der Angabe im ersten Fragebogenteil angepasst. Vgl. http://www.hausfrauenbund.de; Zugriff am 21.02.2005. Vgl. Deutscher Hausfrauen Bund (2003). Vgl. umfassende Beschreibungen in Deutscher Hausfrauen Bund, e. V. (1997).

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

123

Die Mitglieder des DHBs erscheinen für die beabsichtigte Befragung aus folgenden Gründen als überaus geeignet. • Im Hinblick auf die Zielsetzung des Verbandes ist davon auszugehen, dass die Befragung – aufgefasst als Meinungsabbild von Verbrauchern – unterstützt wird. • Da die Befragten sich in einem solchen Verband engagieren, ist davon auszugehen, dass sie im Rahmen dieses Engagements auch eine hohe Bereitschaft zu einer durch den DHB unterstützten Befragung aufweisen und dementsprechend qualitativ hochwertige Aussagen liefern. • Da die Mitglieder einen Haushalt führen, kann von einem Interesse und eventuellem Involvement für das zu testende Produkt Kaffee ausgegangen werden, welches die Beantwortung der Fragen ermöglicht. Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass sie im Hinblick auf das Verhalten von Unternehmungen keine Gleichgültigkeit aufweisen. • Die demographischen Eigenschaften der ausgewählten Zielgruppe werden durch die Mitglieder des DHBs abgedeckt. Laut ersten Beobachtungen stellen bis auf wenige Ausnahmen ausschließlich Frauen die Mitglieder des Verbandes dar. Die Befragten verkörpern gemäß der Angaben der Präsidentin des DHBs im Hinblick auf das Alter die diskutierte Zielgruppe. • Die Struktur des Verbandes ermöglicht die vereinfachte Kontaktierung der Ortsverbandsvorsitzenden über die Landesverbandsvorsitzenden, von denen angenommen wird, dass sie die Befragung unterstützen. Versammlungen, die innerhalb der Ortsverbände in regelmäßigen Abständen stattfinden, erscheinen als idealer Befragungsort, da dort Gruppen von Teilnehmern gleichzeitig befragt werden können. Erste Kontakte wurden im Herbst 2003 mit dem geschäftsführenden Präsidium aufgenommen. Nach Erläuterungen der Zielsetzung dieser Arbeit und der beabsichtigten Befragungen wurden gemeinsam mit einer Vertreterin des geschäftsführenden Präsidiums Landesverbände ausgewählt, die sich regional auf das gesamte Bundesgebiet verteilen. Entsprechend der Kooperationsbereitschaft der Landesvertretungen wurden Befragungstermine für die drei beabsichtigten Testphasen vereinbart. So konnten bereits im Januar 2004 nach mehreren Einzel- und kleinen Gruppengesprächen (2 bis 5 Personen) durch zwei Versammlungstermine 34 schriftliche Interviews erlangt werden. Im Februar/März 2004 wurden in der zweiten Befragungsphase 93 schriftliche Interviews erhoben, die den Pretest für die Haupterhebung ergaben. Die Befragungen des Haupttests wurden zwischen April und Juni 2004 in 16 über mehrere Bundesländer verteilten Ortsverbänden durchgeführt, wobei die Auswahl der Verbände laut Angaben der Präsidentin ein gutes Abbild der gesamten (ca. 40.000) Mitglieder darstellte. Um Verwässerungen vorzubeugen, wurden die wenigen Herren des Verbands nicht befragt. Die regionale Verteilung ist Abbildung D4 zu entnehmen.

124

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Abbildung D4: Regionale Aufteilung der Befragungen des Haupttests Quelle: Eigene Erstellung

Alle Befragungen wurden von der Autorin dieser Arbeit persönlich durchgeführt. Die folgenden Datenanalysen basieren auf den so gewonnenen 568 Datensätzen. 1.2.2

Datengrundlage

Innerhalb des Haupttests wurden insgesamt 568 schriftliche Interviews durchgeführt, von denen ausschließlich 415 Datensätze verwendet werden konnten. Diese hohe Anzahl an Ausfallquote entstand durch die zweistufige Erhebung der Daten. Da die Interviews zeitlich versetzt stattfanden, nahmen 122 Befragungsteilnehmer an der zweiten Teilbefragung nicht teil. Zusätzlich wurden weitere 31 Fragebögen entfernt, da diese kaum ausgefüllt wurden und zu erkennen war, dass die Antworten eher reiner Willkür entstammten als von inhaltlichen Abschätzungen. Da die Autorin dieser Arbeit die Befragungen persönlich durchführte, konnte durch Gespräche nach der Befragung erkannt werden, dass diese Notwendigkeit der Eliminationen meist auf das hohe Alter der Befragten (Vorkommen meist in der Altersgruppe 90 bis 100 Jahre) zurückzuführen ist, das sich in Überforderung und daraus resultierender fehlender Antwortbereitschaft zeigte. Resultierend stehen der folgenden Auswertung 415 verwendbare Datensätze zur Verfügung. Die zuvor beabsichtigte Altersabgrenzung an der Grenze 50 erscheint nach der Befragung und in Übereinstimmung mit der Literatur zu Alterssegmentie-

1

Vorbemerkungen zum empirischen Teil der Arbeit

125

rungen im Sinne des Homogenitätsanspruches ungeeignet. Auch der Altersdurchschnitt liegt wie zuvor beschrieben bei 66,7 Jahren. Es werden demnach keine weiteren Datensätze eliminiert. Unabhängig von der Überprüfung des Kausalmodells kann die Datengrundlage aufgrund der Wahl der favorisierten Kaffeemarke der Konsumenten unterteilt werden. Da sich die Befragten jeweils an ihrer bevorzugten Kaffeemarke orientierten, wird ein Abbild der Markenbeliebtheit generiert. Auf diese Verteilung wird jedoch nicht explizit eingegangen, da die Ergebnisse keinen Beitrag zur unterliegenden Forschungsfrage liefern. Neben einer ungefähren Wiedergabe des Marktanteils können regionale Unterschiede erkannt werden. Die Wahl der Kaffeemarke ist jedoch in Anbetracht der Zielsetzung dieser empirischen Untersuchung nicht entscheidend und wird dementsprechend im Folgenden vernachlässigt. 1.2.3

Datenauswertung

Die Datenauswertung beginnt mit dem Ordnen der Daten und deren Aufbereitung, der Dateneingabe und deren Transformation.542 Nur so kann auf Basis einer geeigneten Datengrundlage die Überprüfung des in Kapitel C dargestellten Strukturgleichungsmodells erfolgen. Nachdem ein Vorgehensplan erstellt worden war, der entsprechend der zu überprüfenden Modellinhalte geeignete Auswertungsverfahren festlegt, begann die Datenüberführung in die angewendeten statistischen Programme, die nachfolgend vorgestellt werden. Die Analysen wurden in zwei verschiedenen statistischen Analyseprogrammen durchgeführt. Die anfänglich angewendeten uni-, bi- sowie multivariaten Analyseverfahren (insbesondere die exploratorischen Faktorenanalysen) wurden unter Zuhilfenahme des statistischen Anwendungsprogramms SPSS 11.0 durchgeführt. SPSS ist heute weltweit das am weitesten verbreitete statistische Programm zur Datenanalyse.543 Ergebnisse dieser Analysen dienen neben inhaltlichen Aspekten der Aufbereitung des anschließend zu überprüfenden Strukturgleichungsmodells. Die kausalanalytische Überprüfung fand in AMOS 5.0544 statt. Dieses Programm beinhaltet neben der Kausalüberprüfung der Modellzusammenhänge die Möglichkeit zur Durchführung konfirmatorischer Faktorenanalysen, die in den Gesamtprozess integriert stattfindet. Da AMOS als Studentenlernprogramm entwickelt wurde, ist es durch hohe Benutzerfreundlichkeit gekennzeichnet. Zusätzlich ist die Integration von Daten anderer statistischer Systeme möglich, wie es auch in der folgenden Darstellung durch die Übertragung der Daten von SPSS in AMOS geschieht.545 Trotz der 542 543

544 545

Vgl. Meffert, H. (1992), S. 243. SPSS bedeutete ursprünglich „Statistical Package for the Social Sciences“ und wurde Ende der 60er Jahre entwickelt. Da das Programm heute eine weit gefasste Anwendung genießt, wurde der Name in „Superior Performance Software System“ umgeändert. Vgl. Bühl, A./Zöfel, P. (2002), S. 15f. AMOS bedeutet „Analysis of Moment Structures“. Vgl. Arbuckle, J. L. (1989), S. 66f. Vgl. Arbuckle, J. L./Wothke, W. (1999), S. 45ff.

126

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

vereinfachten Anwendungsmöglichkeiten entsprechen die gewonnenen Ergebnisse den Resultaten der weiteren genannten kausalanalytischen Programme.546 Das Programm AMOS hat sich aufgrund der genannten Vorteile auch in der wissenschaftlichen Literatur durchgesetzt.547

2

Die Kausalanalyse

2.1

Inhaltliche Grundlagen und Vorgehensweise

Ziel der empirischen Untersuchung ist die Überprüfung des in Kapitel C erarbeiteten Strukturgleichungsmodells, das einen Erklärungsbeitrag des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen leistet. Eine Kausal- bzw. Kovarianzstrukturanalyse548 wird in der Wissenschaft verstanden als „ein multivariates Verfahren, welches auf der Grundlage von empirisch gemessenen Varianzen und Kovarianzen von Indikatorvariablen durch Parameterschätzung Rückschlüsse auf Abhängigkeitsbeziehungen zwischen zugrunde liegenden latenten Variablen zieht.“549 In der wissenschaftlichen Literatur wird überwiegend der Begriff Kausalanalyse verwendet.550 Einzelne Hypothesen könnten mittels einer Regressionsanalyse sukzessive überprüft werden, doch schließt sich diese Arbeit der aktuellen Auffassung der Marktforschung an, die Zusammenhänge als Ganzes zu betrachten und demnach simultan durch die Kausalanalyse zu überprüfen.551 So kann die Kausalanalyse im Gegensatz zum Verfahren der Regression auch komplexe Kausalstrukturen überprüfen.552 Es werden direkte und indirekte Effekte erfasst, die bei der Regression nicht in Betracht gezogen werden.553 Die theoretische Struktur wird in ein lineares Gleichungssystem übertragen und überprüft. Konkretisiert besteht ein Strukturgleichungsmodell, entsprechend den Grundregeln der Kausalanalyse, aus Mess- sowie Strukturmodellen. Folgende Abbildung stellt den Grundaufbau eines Strukturgleichungsmodells dar.

546

Vgl. Arbuckle, J. L./Wothke, W. (1999), S. 303. Vgl. Kline, R. B. (1998), S. 343ff. 548 Homburg/Pflesser merken an, dass die Bezeichnung Kausalanalyse den inhaltlichen Vorgängen nicht entspricht. Grundlagen der Analysen sind Kovarianzen zwischen den Variablen und nicht Kausalitäten. Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b) S. 635. 549 Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 635 unter Berufung auf Homburg, C. (1989), S. 2. 550 Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 635 unter Berufung auf Homburg, C. (1989), S. 2. 551 Vgl. ähnlich Hupp, O. (2000a), S. 230. 552 Zu den Vorteilen der Kausalanalyse im Gegensatz zur Regressionsanalyse vgl. detailliert Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 280. 553 Vgl. Homburg, C./Hildebrandt, L. (1998), S. 26f. 547

2

Die Kausalanalyse

127

Abbildung D5: Vollständiges Strukturgleichungsmodell Quelle: In Anlehnung an Backhaus, K. et al. (2003), S. 337, vgl. ähnlich Homburg, C./Hildebrandt, L. (1998), S. 20; vgl. detailliert Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 28

Es hat sich eine Nomenklatur griechischer Buchstaben durchgesetzt, die wie folgt die Bestandteile des Strukturgleichungsmodells ausdrücken. Dabei bezeichnet b (Delta) den Messfehler (Residualvariable) für eine exogene Indikatorvariable (X). Diese ist die Messvariable für das exogene Konstrukt c (Ksi). Dementsprechend wird das endogene Konstrukt d (Eta) durch die endogenen Messvariablen Y gemessen und der Messfehler wird mit ¡ (Epsilon) bezeichnet. Die Zusammenhänge zwischen den Konstrukten werden durch den Pfad a (Gamma) ausgedrückt. Die Verbindung zwischen den Messvariablen sowie den Konstrukten kennzeichnen (über diese Abbildung hinaus) die Variablen h (Lambda) für die exogenen Variablen und q (Phi) für die endogenen Variablen.554 Die Vorgehensweise einer Kausalanalyse stellt folgende Graphik dar.

Abbildung D6: Vorgehensweise im Rahmen der Kausalanalyse Quelle: In Anlehnung an Homburg, D./Pflesser, C. (2000b), S. 646; vgl. ähnlich Backhaus, K. et al. (2003), S. 352; vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 282

554

Vgl. Jöreskog, K. G./Sörbom, D.(1989); vgl. ähnlich Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 286.

128

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Nach der Spezifikation des Modells werden die entsprechenden Zusammenhänge im Rahmen der Parameterschätzung ermittelt, bevor das Modell beurteilt und das Ergebnis interpretiert wird. Anschließend ist es gegebenenfalls notwendig, das Modell entsprechend der gewonnenen Erkenntnisse anzupassen.555 Im Rahmen der Modellspezifikation muss beachtet werden, dass die zugrunde liegenden Bestandteile des zuvor diskutierten Modells in der Umwelt nicht beobachtbar sind. Sie werden als theoretische bzw. latente Konstrukte556 bezeichnet.557 Da diese dementsprechend nicht direkt messbar sind, bedarf es eines bestimmten Konzeptualisierungs- sowie Operationalisierungsverfahrens für die exogene sowie die endogenen Variablen des Modells, woraus sich die Messmodelle ergeben. Die Zusammenhänge der Konstrukte werden durch die Strukturmodelle abgebildet. Eine simultane Schätzung sämtlicher Parameter erfolgt. Diese beinhaltet sowohl die Messmodelle (konfirmatorische Faktorenanalyse) als auch die Schätzung der Strukturmodelle, die Aussagen über direkte sowie indirekte Effekte zwischen den latenten Konstrukten zulassen. Die Gütebeurteilung des Gesamtmodells erfolgt unter Zuhilfenahme zahlreicher statistischer Kriterien, die sowohl die Beurteilung der einzelnen Strukturen des Modells als auch die Gesamtbeurteilung ermöglichen. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Kausalanalyse nicht nur in der Marketingforschung, sondern auch in der Marketingpraxis eine bedeutende Rolle zukommt.558 Neben der idealen Anwendbarkeit zur Überprüfung komplexer kausaler Zusammenhänge wird von einem hohen Entwicklungsgrad des Ansatzes gesprochen.559 Der vorgestellten Vorgehensweise wird in dieser Arbeit gefolgt. Demnach beginnt folgendes Kapitel mit der Konzeptualisierung und Operationalisierung der einzelnen Modellkonstrukte des Hypothesensystems.

2.2

Konzeptualisierung und Operationalisierung der Modellkonstrukte

2.2.1

Grundlagen zur Konstruktmessung

Das in Kapitel C hergeleitete Modell zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen besteht aus einer exogenen sowie vier endogenen Variablen, die jeweils ein komplexes theoretisches Konstrukt darstellen. Ein solches Konstrukt wird verstanden als „abstract entity which represents the ‚true‘ nonobserv-

555 556

557 558 559

Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 646f. Es existiert weiterhin der Begriff „Hypothetisches Konstrukt“. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 335. Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 635f.; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 5–24. Vgl. Baumgartner, C./Homburg, C. (1996), S. 139–161. Als Gründe für diese Annahme werden sowohl die implizite Berechnung von Messfehlern als auch von Fehlern in den Schätzungen der Strukturen aufgeführt. Vgl. Homburg, C./ Baumgartner, C. (1995), S. 1092.

2

Die Kausalanalyse

129

able state of nature of a phenomenon“ 560. Es wird zwischen ein- und mehrfaktoriellen sowie ein- und mehrdimensionalen Konstrukten unterschieden.561 Diese Aufteilung wird jeweils an entsprechender Stelle der dieser Untersuchung unterliegenden Konstruktkonzeptualisierungen und -operationalisierungen diskutiert. Soll ein solches hypothetisches Konstrukt gemessen werden, bedarf es der Herleitung entsprechender Indikatoren562, die häufig mit dem Begriff „Items“ bezeichnet werden563. Das Verfahren der Indikatorenauswahl erfolgt in zwei Schritten. Die Konzeptualisierung der Konstrukte wird als erster Schritt zur Herleitung der Indikatoren und somit als erster Schritt der Messung des Konstrukts verstanden. Die Konzeptualisierung gibt Aufschluss über den Inhalt des Konstrukts und identifiziert die Dimensionen, aus denen ein Konstrukt besteht. Die anschließende Ausformulierung dieser Dimensionen stellt die Operationalisierung der Konstrukte im Rahmen der Messbarmachung dar.564 Die Messung ist schließlich die quantitative Erhebung dieser Messinstrumente.565 In dieser Arbeit wird wie folgt vorgegangen: Die in den vorangegangenen Kapiteln erarbeitete Definition des entsprechenden Konstrukts bietet einen Ansatzpunkt der Konzeptualisierung des Konstrukts, da sie Aufschluss über die inhaltlichen Bestandteile bietet. Zusätzlich werden vergleichbare Ansätze zur Konzeptualisierung und Operationalisierung des entsprechenden Konstrukts dargestellt, die teilweise durch vorhandene empirische Untersuchungen auf eine hohe Eignung des entsprechenden Indikators hinweisen. Da entsprechende Forschungsarbeiten lediglich für einzelne Konstrukte vorhanden sind, wird anderenfalls an Definitionen sowie ersten Konzeptualisierungen der Konstrukte angesetzt und in Anbetracht der Zielgruppe und unter Beachtung des Zusammenhangs mit ereignisinduzierten Markenkrisen werden entsprechende Indikatoren entwickelt. Zusätzlich finden für die Formulierung einzelner Konstrukte mehrstufige qualitative sowie quantitative Voruntersuchungen statt, die an entsprechender Stelle diskutiert werden. Neben mehreren kleineren Vorstudien wurde ein Pretest mit einer Stichprobengröße von N = 93 über die Gesamtheit der Konstrukte durchgeführt, um die Eignung der Indikatoren zu überprüfen. Sämtliche Indikatoren wurden dabei durch Zuhilfenahme einer sechsstufigen Rating-Skala566 („trifft voll zu“ bis „trifft gar nicht zu“) und der zusätzlichen Antwortoption „ich weiß nicht“ erhoben. Obwohl diese Rating-Skalen von der Grundstruktur lediglich über ein Ordinalskalenniveau verfügen, werden diese jedoch in der Literatur als quasi metrisch anerkannt.567 Als Begründung wird meist auf die Wahrnehmung der gleichen Abstände der Antwortoptionen hingewiesen, die durch eine graphische Darstellung unterstützt wird.568 560 561 562 563 564 565 566 567 568

Bagozzi, R. P./Fornell, C. (1982), S. 24. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 6. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 336. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 128. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 5. Vgl. Hieronimus, F. (2003), S. 128. Vgl. Meffert, H. (1992), S. 184; Trommsdorff, V. (2003), S. 174. Vgl. Meffert, H. (1992), S. 184; Trommsdorff, V. (2003), S. 174. Vgl. Meffert, H. (1992), S. 184.

130

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Die Datenanalyse des Pretests erfolgte mit dem statistischen Datenverarbeitungsprogramm SPSS. Entsprechend der Marktforschungsliteratur wird die Güte eines Messmodells anhand deren Objektivität, Reliabilität sowie der Validität beurteilt.569 Objektivität bedeutet die Unabhängigkeit der Messung von der befragenden Person.570 Reliabilität beschreibt die Zuverlässigkeit der Messung im Sinne der formalen Genauigkeit der Messung571 und wird beschrieben als „the degree to which measures are free from random error and thus reliability coefficients estimate the amount of systematic variance in a measure“572. Ein geringer Zufallsfehler und somit eine hohe Erklärung der Varianz der Indikatoren durch die Assoziation mit dem entsprechenden Konstrukt deutet auf eine hohe Reliabilität hin.573 Hundertprozentig reliable Messungen würden dementsprechend bei Wiederholung der Messung zu exakt gleichen Ergebnissen führen.574 Validität steht für die Gültigkeit der Messung, wobei Reliabilität eine notwendige, jedoch keine hinreichende Voraussetzung für die Validität darstellt.575 Dieses Gütemaß überprüft die konzeptionelle Genauigkeit eines Messinstruments. Es wird überprüft, ob diese Methodik inhaltlich korrekt misst, d. h. ob gemessen wird, was zu messen vorgegeben wird.576 Zusätzlich zu Messfehlern werden auch die systematischen Fehler aufgedeckt577 und es wird zwischen verschiedenen Validitätsarten differenziert. So wird zwischen der Inhalts- und der Konstruktvalidität unterschieden. Letztgenannte beinhaltet die Konvergenz-, die Diskriminanz- und die nomologische Validität.578 Es wurden Kriterien entwickelt, die die vorgestellten Gütebeurteilungen ermöglichen. Diese werden in Gütekriterien der ersten und der zweiten Generation unterteilt.579 Beide werden im Verlauf dieser Arbeit kombiniert eingesetzt. Die Überprüfung der Messmodelle des Pretests erfolgt im Wesentlichen durch die Gütekriterien der ersten Generation. Dies sind vor allem die Item-to-Total-Korrelation, das Cronbach’sche Alpha sowie die exploratorische Faktorenanalyse. Erst in der Analyse des Haupttests wird detailliert auf die Gütekriterien der zweiten Generation eingegangen. Die im Mittelpunkt der Betrachtungen stehende Kausalanalyse beinhaltet eine konfirmatorische Faktorenanalyse580, die durch die Überprüfung durch Gütekriterien der zweiten Generation Aufschluss über die Güte der Messmodelle gibt, bevor die Strukturmodelle überprüft werden. 569 570 571 572

573 574 575 576 577 578 579 580

Vgl. Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. (2001), S. 84. Vgl. Berekoven, L./Eckert, W./Ellenrieder, P. (2001), S. 84. Vgl. Herrmann, A./Homburg, C. (2000), S. 23. Peter, J./Churchill, G. A. (1986), S. 4; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 6; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 116. Vgl. Peter, J. (1979), S. 7. Vgl. Churchill, G. A. (1995), S. 539f. Vgl. Hildebrandt, L. (1998), S. 42. Vgl. Herrmann, A./Homburg, C. (2000), S. 24. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 7; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 117. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 7; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 117f. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 7; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 118. Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000a), S. 415.

2

Die Kausalanalyse

131

Mit Hilfe der exploratorischen Faktorenanalyse wird ausgehend vom Geflecht der Beziehungen zwischen den Indikatoren versucht, eine geringe Anzahl der zugrunde liegenden Größen offen zu legen. Ziel ist die Komplexitätsreduktion der Beziehungen zu Indikatoren durch Identifikation einer übergeordneten Ebene.581 Die auf Korrelationen basierende Zuordnung der Indikatoren in die Faktoren wird durch Faktorladungen ausgedrückt.582 Die Faktorenanalyse wird mittels der Hauptkomponentenanalyse583 und der Varimax-Rotation584 durchgeführt.585 Anschließend wird das Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium586 (meist abgekürzt als KMO-Kriterium bezeichnet) betrachtet, das die Güte der Messung in Anbetracht der entstandenen Faktoraufteilungen überprüft. Bei einer geringen Güte587 werden nach Maßgabe der Anti-Image-Korrelations-Matrix ungeeignete Items entfernt.588 Es wird darüber hinaus das Cronbachs’che Alpha zur Gütebeurteilung der Messmodelle angewandt. Das Cronbach’sche Alpha ist ein Kriterium, das auf durchschnittlichen Korrelationen der Items eines Konstrukts basiert und die interne Konsistenz der Indikatoren ausdrückt.589 Die Literatur geht einheitlich davon aus, dass Werte über den Bereich von 0,7 auf eine hohe Reliabilität der Konstruktmessung hinweisen.590 Zusätzlich wird das Kriterium Item-to-Total-Korrelation, welches eine Aussage über die Konvergenzvalidität trifft, zur Beurteilung der Messmodelle der Konstrukte herangezogen. Es betrachtet die Korrelation eines einzelnen Indikators mit der Summe der weiteren Indikatoren dieses Faktors.591 Die korrigierte Item-to-TotalKorrelation hingegen betrachtet alle Indikatoren des Faktors und schließt dementsprechend den betrachteten Indikator nicht aus.592 Die Item-to-Total-Korrelation überprüft die Steigerung des Wertes Cronbach’s Alpha im Falle der Elimination des entsprechenden Indikators. Geringe Werte sollen dementsprechend entfernt werden.593 581 582 583

584

585 586 587

588 589 590 591 592 593

Vgl. Hüttner, M./Schwarting, U. (2000), S. 382; vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 260. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 266. Die Hauptkomponentenmethode wird heute überwiegend angewandt. Vgl. hierzu detailliert Hüttner, M./Schwarting, U. (2000), S. 394; vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 291. Zur Verwendung der Varimax Rotation vgl. detailliert Backhaus, K. et al. (2003), S. 300ff. Varimax bezeichnet die Maximierung der Varianz der quadrierten Ladungen pro Faktor. Vgl. Hüttner, M./Schwarting, U. (2000), S. 397. Vgl. detailliert Backhaus, K. et al. (2003), S. 259–332. Vgl. detailliert Backhaus, K. et al. (2003), S. 276. Zu den Gütemaßen vgl. detailliert Kaiser, H. F./Rice, J. (1994), S. 111–117; vgl. eine zusammenfassende Übersicht in Backhaus, K. et al. (2003), S. 276. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 275f. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 8; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 119f. Vgl. Nunally, J. (1978), S. 245. Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 8f.; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1998), S. 120. Vgl. Norusis, M. J. (1993), S. 146. Vgl. Churchill, G. A. (1979), S. 68.

132

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Die Grenzwerte der genannten Kriterien werden zusammengefasst dargestellt. Tabelle D1: Grenzwerte der Gütekriterien der Messmodelle des Pretests

Kriterien der ersten Generation

Anspruchsniveau

Faktorladung

wij * 0,4

Cronbach’sches Alpha

_ * 0,7

Korrigierte Item-to-Total Korrelation

ri * 0,5

Quelle: In Anlehnung an Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 8f.

Obwohl die vorgestellten Gütekriterien der ersten Generation nach HOMBURG/ GIERING zahlreiche Kritikpunkte aufweisen und folglich durch den Einsatz der Gütekriterien zweiter Generation ergänzt werden, dienen diese Kriterien jedoch zunächst der Überprüfung der Messmodelle im Rahmen der Pretestauswertung. Anschließend erfolgt die Überführung des Gesamtmodells in das Programm AMOS, wo eine konfirmatorische Faktorenanalyse sowie eine Kausalanalyse durchgeführt werden und sämtliche Gütekriterien überprüft werden. Dabei werden die Haupttestergebnisse im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen. Innerhalb dieses Kapitels werden entsprechende Ergebnisse im Rahmen der einzelnen Konstruktdiskussionen aufgezeigt und Resultate dargestellt. Am Ende des Kapitels werden alle Indikatoren, die in den Haupttest eingehen, mit deren Herkunft sowie Entwicklung durch verschiedene Testphasen dargestellt. Übergreifend und insofern unabhängig von den einzelnen Konstrukten soll an dieser Stelle kurz auf im Pretest aufgetretene Probleme eingegangen werden. Ursprünglich war eine Befragungsphase von zweimal 20 Minuten angedacht. Trotz vorheriger Abschätzungsversuche mittels Testpersonen war diese Zeit jedoch nicht ausreichend. Zusätzlich zum Zeitdruck konnte insbesondere für die älteren Befragten auch eine Überforderung durch die Abstraktion von Fragen (insbesondere beim Konstrukt SelfConnection) erkannt werden. Durch die Zweiteilung der Befragung nahmen nicht alle Testpersonen am zweiten Teil der Befragung teil, so dass in diesen Fällen keine vollständigen Datensätze erlangt wurden. Diesen Problemen wurde im Haupttest durch angepasste Zeitorganisation sowie vereinfachte Fragestellungen vorgebeugt, die durch Einzel- sowie Gruppendiskussionen mit Testpersonen aus der Zielgruppe generiert wurden. 2.2.2

Messmodell der exogenen Variablen

2.2.2.1

Auswahl der Dimensionen der Markenbeziehungsqualität

In Kapitel C wurde die dieser Arbeit zugrunde liegende Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität vorgestellt. An dieser Stelle soll eine kurze Zusammenfassung dieser Konzeptualisierung als Grundlage für die anschließende Operationalisierung des Konstrukts erfolgen. Entsprechend wird bei den Ausführungen zur Operationalisierung der weiteren Dimensionen sowie Konstrukte verfahren.

2

Die Kausalanalyse

133

FOURNIER identifiziert das Konstrukt Markenbeziehungsqualität, womit sie die Erfassung von Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken ermöglichte. Markenbeziehungsqualität wird verstanden als Erfassung von „emotional and affectladen ties that exist between consumers and their brands“594. Dieses Konstrukt beschreibt – über Ansätze der Loyalität hinaus – die Stärke, Qualität und Tiefe einer Beziehung zwischen der Marke und dem Konsumenten, die sich im Wesentlichen aus Interaktionen der Beziehungspartner ergibt.595 Über die Bandbreite affektiver, kognitiver und konativer Facetten identifiziert FOURNIER im Rahmen ihrer Hauptstudie sechs Konstrukte, die als Dimensionen dem mehrdimensionalen Konstrukt Markenbeziehungsqualität zuzuordnen sind. Sie gelten demnach als Bestandteile des Konstrukts und ergeben dessen Konzeptualisierung. Obwohl FOURNIER entsprechend der vorgestellten Dimensionen eine Skala entwickelt596, hat sich diese in der Literatur nicht durchgesetzt. Die wenigen auf diesem Ansatz aufbauenden Konzeptualisierungen und Operationalisierungen des Konstrukts Markenbeziehungsqualität beziehen sich dementsprechend auf unterschiedliche Zusammensetzungen des hier diskutierten Konstrukts. Wie schon in Kapitel B dieser Arbeit aufgezeigt, greift selbst FOURNIER in einer aktuellen Veröffentlichung zur Entwicklung von Konsumenten-Markenbeziehungen auf eine angepasste Operationalisierung dieses Konstrukts zurück, das als „Brand Relationship Strength“ bezeichnet wird.597 Aufbauend auf der in Kapitel C dargestellten Gegenüberstellung der unterschiedlichen Beziehungsdimensionen galt es als Ziel dieser Arbeit, dieses Konstrukt aufzuarbeiten. Aufarbeitung bedeutet in diesem Fall die Aktualisierung, die Optimierung und darüber hinaus die Anpassung des Konstrukts im dieser Arbeit zugrunde liegenden Zusammenhang der ereignisinduzierten Markenkrisen. Zusätzlich wurde die ausgewählte Zielgruppe in Betracht gezogen und durch qualitative Voruntersuchungen die Existenz der Beziehungsdimensionen für diese Zielgruppe überprüft. Resultierend kam es aufgrund umfangreicher Vorüberlegungen, wie in Kapitel C dieser Arbeit dargestellt, zu folgender Konzeptualisierung des Konstrukts.

Abbildung D7: Konzeptualisierung Markenbeziehungsqualität Quelle: Eigene Erstellung

594 595 596 597

Thorbjörnsen, H. et al. (2002), S. 20. Vgl. Kapitel „Qualität der Markenbeziehungen“. Vgl. Fournier, S. (1994), S. 122–153. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 8.

134

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Die inhaltliche Nähe zum Konstrukt Zufriedenheit liegt nahe. Im Gegensatz zur Einordnung des Konstrukts als Bestandteil der Markenbeziehungsqualität wird es in dieser Arbeit eher als Voraussetzung für die Entstehung einer Konsumenten-Markenbeziehung angesehen. Zur Bestätigung dieser Annahme wurde das Konstrukt Zufriedenheit zusätzlich in den Pretest integriert. Ein erreichter Mittelwert von 5,23 auf einer sechsstufigen Skala bestätigt die Vermutung, dass Zufriedenheit als Voraussetzung für die Existenz von Konsumenten-Markenbeziehungen angesehen werden kann. Das Konstrukt wird demnach in Anlehnung an die Intention dieser Arbeit der Erfassung einer talisman-ähnlichen Beziehung zwischen Konsumenten und Marke, nicht als Bestandteil des Konstrukts Markenbeziehungsqualität erachtet. Auf eine Einbeziehung des Konstrukts in den Haupttest wurde dementsprechend verzichtet. Aufgrund der mehrdimensionalen Ebene des Konstrukts Markenbeziehungsqualität stellen die ausgewählten Dimensionen jeweils eigene Konstrukte dar, deren Konzeptualisierung sich aus mehreren inhaltlichen Bereichen ergibt und im Folgenden umfassend diskutiert wird. Im Sinne des zuvor dargestellten Kausalmodells ergeben die resultierenden Konzeptualisierungen und Operationalisierungen dieser Konstrukte kombiniert das Messmodell für das Konstrukt Markenbeziehungsqualität. 2.2.2.2

Konzeptualisierung und Operationalisierung der einzelnen Dimensionen

Das Konstrukt Commitment entstammt der Sozialpsychologie598 und hat eine lange Historie. Grundlegend im Marketing gelten die Arbeiten von MOORMAN/ZALTMAN/DESHPANDÉ599 sowie von MORGAN/HUNT600. Erstgenannte Autoren definieren das Konstrukt Commitment wie folgt: „Commitment to the relationship is defined as an enduring desire to maintain a valued relationship“601. Darauf aufbauend verstehen auch letztgenannte Autoren Commitment als „exchange partner believing that an ongoing relationship with another is so important as to warrant maximum efforts at maintaining it“602. Erkennbar herrscht Einigkeit in der Bedeutung des Konstrukts im Beziehungszusammenhang, die sogar eine Opferbereitschaft beinhaltet.603 Im hier unterliegenden Kontext ist die zusammenfassende Definition von AAKER/FOURNIER/BRASEL604 hervorzuheben, die als Grundlage der dieser Arbeit unterliegenden Operationalisierung des Konstrukts im Zusammenhang mit Markenbeziehungen dient. Commitment ist demnach „… the enduring desire to continue the relationship combined with a willingness to make efforts toward that end.“605 598 599 600 601 602 603

604 605

Vgl. Cook, K. S./Emerson, R. M. (1978), S. 721–739. Vgl. Moorman, C./Zaltman, G./Deshpandé, R. (1992), S. 314–328. Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 20–38. Moorman, C./Zaltman, G./Deshpandé, R. (1992), S. 316. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23. Vgl. ähnlich Anderson, E./Weitz, B. (1992), S. 19. Eine deutsche Übersetzung liefert Diller, H. (1995a), S. 20. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 1–17. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 7.

2

135

Die Kausalanalyse

Aus diesen Definitionen lassen sich die grundlegend von GUNDLACH/ ACHROL/MENTZER definierten drei Komponenten des Konstrukts ableiten: der Input, der Zeithorizont und die Einstellungskomponente von Commitment.606 Im Rahmen dieser Arbeit wird der in den Definitionen implizierte inhaltliche Aspekt der Opferbereitschaft zusätzlich als relevant erachtet und in der Konzeptualisierung bedacht. So ergeben sich folgende Dimensionen des Konstrukts.

Abbildung D8: Konzeptualisierung Commitment Quelle: Eigene Erstellung

Für diese Dimensionen wurden Indikatoren entwickelt. Dazu erfolgte zunächst eine Auflistung der in der Literatur aufgeführten Indikatoren. Diese wurden im Hinblick auf den zugrunde liegenden Kontext dieser Arbeit überprüft. Zur Absicherung des Verständnisses der Indikatorenformulierung führte die Autorin Vorgespräche mit Probanden der Zielgruppe. Die Itemformulierung wurde entsprechend angepasst. Folgende Tabelle erläutert die resultierenden Indikatoren, deren Quelle sowie deren ursprüngliche Dimension. Tabelle D2: Operationalisierung Commitment Dimension Einstellungsähnliche Komponente/ Loyalität

Indikator Quelle Ich bezeichne mich der Marke • Hayes/Capella/Alford, B. L. (2000), gegenüber als loyal. S. 20 • Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8 • Park/Kim/Kim (2002), S. 195 Ich muss mich nicht nach anderen • Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8 Kaffeemarken umschauen, da ich glücklich mit meiner Marke bin. Ich fühle mich dieser Kaffeemarke • Eigene Erstellung in Abwandlung aufgrund der langen Treue schon von Kressmann et al. (2003), S. 410 • Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8 irgendwie verbunden.

Bereitschaft, Opfer zu bringen

606

Auch wenn ich ein- oder zweimal von der Marke enttäuscht wäre, würde ich sie weiterhin kaufen.

• Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8

Vgl. Gundlach, G. T./Achrol, R. S./Mentzer, J. T. (1995), S. 83.

136

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D2 (Fortsetzung) Dimension

Zeithorizont

* Input/ Instrumental Investment

Indikator Ich würde bei der Marke bleiben, wenn eine Preissteigerung stattfände. Wenn das Produkt nicht vorrätig ist, wäre ich auch bereit, meinen Kauf zu verschieben oder anderswo zu kaufen. Ich kann mir vorstellen, diese Kaffeemarke auch noch nächstes Jahr zu kaufen. Ich schätze diese Marke schon über einen längeren Zeitraum und werde das auch zukünftig tun. * Seit wann kaufen Sie diese Marke schon? * Wie häufig kaufen Sie Kaffee?

Quelle • Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8

• Eigene Formulierung

• Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8

• Aaker/Fournier/Brasel (2004), S. 8 • Park/Kim/Kim (2002), S. 195 * Eigene Erstellung * Eigene Erstellung

Quelle: Eigene Erstellung

Commitment wurde durch acht direkt in das Konstrukt eingehende Indikatoren, die sich über drei Dimensionen verteilen, erhoben. Diese Indikatoren wurden wie zuvor erläutert mittels einer sechsstufigen Rating-Skala befragt, wobei folgende Antwortmöglichkeiten „trifft voll zu“, „trifft zu“, „trifft eher zu“, „trifft kaum zu“, „trifft nicht zu“, „trifft gar nicht zu“ gegeben wurden. Zusätzlich wurde die Antwortoption „ich weiß nicht“ integriert. Trotz des Risikos einer geringen Aussagekraft durch häufiges Ankreuzen der „ich weiß nicht“-Option schien die Gefahr der Verwässerung durch Missverständnisse ohne diese Option insbesondere in Anbetracht der Zielgruppe kritischer. Daher wurde die Option für den Haupttest übernommen. Die mit * versehenen Fragen wurden als Einleitungsfragen aus dem Messmodell des Konstrukts entnommen. Die erste mit * versehene Frage konnte bedenkenlos entnommen werden, da die weiteren Indikatoren die zeitliche Dimension des Konstrukts inhaltlich abdecken. Die aus der Literatur hergeleitete Dimension Investition/Input wurde im Rahmen des Konstrukts vernachlässigt, da die Höhe der finanziellen Investition zur Erfassung des Commitments bei der Betrachtung des Produkts Kaffee als nicht geeignet erscheint. Nach einer Überprüfung des Wertes Cronbach’sches Alpha, der Indikatorreliabilitäten, der Faktorladungen sowie des Kaiser-Meyer-Olkin-Kriteriums konnten alle entwickelten Items in den Fragebogen für den Haupttest übernommen werden. Wie zuvor in Kapitel C dargestellt, wird das Konstrukt Vertrauen im Beziehungszusammenhang als elementar erachtet. In ihrer konzeptionellen Arbeit bezieht FOURNIER die Dimension „Partner Quality“ in die Konzeptualisierung des Kon-

2

Die Kausalanalyse

137

strukts Markenbeziehungsqualität ein, bei der Parallelen zum Vertrauenskonstrukt zu finden sind. Diese Arbeit schließt sich neueren Auffassungen an, welche die Notwendigkeit der detaillierten Betrachtung des Vertrauenskonstrukts über das Verständnis von FOURNIER hinaus betonen.607 Aktuell ist in der Literatur ein Ansatz der Entwicklung einer „Brand Trust Scale“ vorzufinden, der im Rahmen der Zielsetzung dieser Arbeit insbesondere sowohl durch seinen Markenbezug als auch wegen seiner Aktualität zur Integration in das Konstrukt Markenbeziehungsqualität als besonders geeignet erscheint. Da in Kapitel C auf die Begründung der Integration des Konstrukts bereits eingegangen wurde, soll an dieser Stelle der Schwerpunkt auf der Konzeptualisierung und Operationalisierung des Konstrukts liegen. Vertrauen als „confident expectations of the brand’s reliability and intentions in situations entailing risk to the consumer“608 beinhaltet die Komponenten Reliability (Verlässlichkeit der Erwartungserfüllung im positiven Sinn)609 sowie Intentionality (Wohlwollen der Marke hinsichtlich der Interessen der Konsumenten)610. So beinhaltet diese Dimension Aspekte des Altruismus, der Gutwilligkeit, der Ehrlichkeit und Fairness sowie der Verlässlichkeit.611 Insbesondere im Rahmen der Überprüfung des Einflusses der Markenbeziehungsqualität unter Einwirkung einer ereignisinduzierten Markenkrise werden diese Dimensionen als wesentliche Bestandteile des Konstrukts erachtet. In der Literatur ist zusätzlich eine Dimension vorzufinden, die sich inhaltlich auf die Bereitschaft des Individuums zum Vertrauen bezieht. Diese Dimension wird als irrelevant angesehen, da sie in Anlehnung an Auffassungen der Literatur auch in dieser Arbeit eher als grundlegende Voraussetzung für die hier aufgezeigte Konzeptualisierung verstanden wird.612 Es ergibt sich folgende Konzeptualisierung.

Abbildung D9: Konzeptualisierung Vertrauen zur Marke Quelle: Eigene Erstellung

607 608 609 610 611 612

Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 37. Vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 38. Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 37; vgl. Morgan, R. M./Hunt, S. D. (1994), S. 23. Gegensätzlich vgl. Moorman, C./Zaltman, G./ Deshpandé, R. (1993), S. 82; vgl. Moorman, C./Zaltman, G./Deshpandé, R. (1992), S. 315; vgl. auch Diller, H. (1995a), S. 22f.

138

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Die aufgeführten Bestandteile finden sich in den nachfolgend formulierten Items wieder. Entgegen der Itemformulierung zur Beschreibung des Konstrukts Commitment konnte sich die Formulierung der Items insgesamt an der von DELGADOBALLESTER/MUNUERA-ALEMAN/YAGÜE-GUILLEN entwickelte „Brand Trust Scale“ orientieren.613 Wie zuvor beschrieben ist auch die Formulierung dieser Indikatoren ein Resultat vorangegangener Diskussionen mit Testpersonen der fokussierten Zielgruppe. Die finalen Items können der folgenden Tabelle entnommen werden. Tabelle D3: Operationalisierung Vertrauen zur Marke Dimension Indikator Brand’s Reliability Dieser Kaffee erfüllt immer meine Erwartungen. Ich vertraue dieser Kaffeemarke. Diese Marke hat mich noch nie enttäuscht. Diese Marke garantiert Zufriedenheit. Brand’s Intention Diese Marke ist ehrlich und nimmt meine Bedürfnisse ernst. Ich kann mich auf diese Kaffeemarke verlassen und bin der Meinung, sie versucht, Probleme in meinem Interesse zu lösen. Diese Kaffeemarke versucht, auch wenn es für sie aufwendig wäre, mich zufrieden zu stellen. Quelle: In Anlehnung an Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 41

Inhaltlich kommt diese Art der Konzeptualisierung und Operationalisierung des Konstrukts Vertrauen der aktuellen Auffassung der Dimension „Partner Quality“ von AAKER/FOURNIER/BRASEL sehr nah614, was die Eignung des Konstrukts im hier unterliegenden Zusammenhang bestärkt. Zusätzlich zu den Indikatoren des Konstrukts Commitment werden die aufgezeigten Items für das Konstrukt Vertrauen zur Marke in den Fragebogen zur Erfassung der Dimensionen des Konstrukts Markenbeziehungsqualität übernommen. Pretestergebnisse zeigen, dass die Indikatoren „Die Marke garantiert Zufriedenheit“ und „Die Marke ist ehrlich und nimmt meine Bedürfnisse ernst“, trotz guter Reliabilitäten keine optimalen Faktorladungen ergeben. Sie werden jedoch weiterhin in den Haupttest übernommen, da sie inhaltlich relevant erscheinen. Das Konstrukt Intimität bezeichnet die psychologische Nähe, die zwischen Beziehungspartnern existiert. Eine intime Beziehung wird demnach verstanden als eine Beziehung, die ein hohes gegenseitiges Verständnis der Beziehungspartner aufweist.615 Der Psychologie entstammen Ansätze, die sich über die genannte Nähe mit dem Aspekt der wechselseitigen Selbstenthüllung beschäftigen. Selbstenthüllung

613 614 615

Vgl. Delgado-Ballester, E./Munuera-Alemán, J. L./Yagüe-Guillén, M. J. (2003), S. 35–53. Vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 7f. Vgl. Davis, K. E./Latty-Mann, H. (1987) zitiert nach Fournier, S. (1994), S. 130.

2

Die Kausalanalyse

139

bezeichnet die Bereitschaft der Mitteilung privater Gedanken und Gefühle, die Fremde nie erfahren würden.616 Auf diesen Gedanken aufbauend entwickelt PRAGER folgende Abbildung.

Abbildung D10: Hintergründe des Konstrukts Intimität Quelle: In Anlehnung an Prager, K. (2000), S. 231

Intimität entsteht demnach durch Interaktionen, die als Erfahrungen vom Beziehungspartner aufgenommen werden. Es kommt zur Nähe als ausschlaggebender Bestandteil der Intimität. Im Zusammenhang mit Markenbeziehungen wird Intimität definiert als „a deep understanding about the relationship partners as created through information disclosure“617. Es wird sich dieser Definition angeschlossen. Die resultierende Konzeptualisierung des Konstrukts Intimität wird in Abbildung D10 dargestellt und dient der anschließenden Operationalisierung als Basis.

Abbildung D11: Konzeptualisierung Intimität Quelle: In Anlehnung an Prager, K. (2000), S. 231

Sowohl das intime Verhalten als auch die intime Erfahrung besteht aus einer Innen- und einer Außenperspektive. Die Selbstenthüllung erscheint ebenso wie die Öffnung der Marke als elementar für die Existenz von Intimität. Auch die Erfahrungen hinsichtlich des Verständnisses beruhen auf Gegenseitigkeit. Zusätzlich hinzuge616 617

Vgl. Asendorpf, J./Banse, A. (2000), S. 24. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 7.

140

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

zogene Literatur verwies auf die Relevanz des Begriffs Freundschaft zur Erfassung des Konstrukts Intimität618 und wurde integriert. Die resultierenden Items samt ihrer Herkunft stellt Tabelle D4 dar. Tabelle D4: Operationalisierung Intimität Dimension Bestandteil Intimes Selbstenthüllung Verhalten

Wissen (Marke öffnet sich)

Intime Erfahrung

Wahrgenommenes Verstandenwerden

Verständnis

Freundschaft

Indikator Quelle Ich hätte keine Bedenken, der Marke • Aaker/Fournier/ meines Kaffees persönliche Daten Brasel (2004), S. 8 von mir anzuvertrauen, damit wir uns gegenseitig noch besser kennen lernen können. Ich kann von mir sagen, dass ich • Aaker/Fournier/ sehr viel über diese Marke weiß. Brasel (2004), S. 8 • Hayes/Capella/ Alford (2000), S. 20 • Park/Kim/Kim (2002), S. 195 Ich habe das Gefühl, diese Marke versteht, was der Konsument sich wünscht.

• Aaker/Fournier/ Brasel (2004), S. 8 • Thorbjörnsen et al. (2002), S. 28

Ich bin der Meinung, diese Marke kümmert sich um die Interessen der Konsumenten Ich kann sagen, dass ich die Marke verstehe

• Thorbjörnsen et al. (2002), S. 28 • Thorbjörnsen et al. (2002), S. 28 • Park/Kim/Kim (2002), S. 195

Wenn diese Marke eine Person wäre, • Kressmann et al. könnten wir bestimmt enge Freunde (2003), S. 410 werden • Hayes/Capella/ Alford (2000), S. 20

Quelle: Eigene Erstellung

Es wurden alle aufgezeigten inhaltlichen Dimensionen des Konstrukts Intimität durch die Formulierung der Indikatoren abgedeckt und dementsprechend in den Fragebogen übernommen. Nach einer Überprüfung des Kriteriums Cronbach’sches Alpha, der Indikatorreliabilitäten, der Faktorladungen und dem Kaiser-Meyer-OlkinKriterium im Rahmen des Pretests wurden alle entwickelten Items aufgrund ihrer guten Werte in den Fragebogen für den Haupttest übernommen. 618

Vgl. Kressmann, F. et al. (2003), S. 410; vgl. Hayes, J. B./Capella, L. M./Alford, B. L. (2000), S. 20.

2

Die Kausalanalyse

141

Grundlegend dient auch für die Erforschung des Konstrukts Self-Connection die Psychologie. So entstammt der Forschung zum Selbstkonzept619 folgendes Zitat, das sich mit der Klärung des Selbstverständnisses beschäftigt. „The individual experiences himself as such, not directly, but only indirectly, from the particular standpoints of other individual members of the same social group, or from the generalized standpoint of the social group as a whole to which he belongs“620. BEBIÉ gibt einen Überblick der unterschiedlichen Konzepte des Selbst-Images, das im Hinblick auf die Konzeptualisierung des Konstrukts Self-Connection als zu entfernt für eine detaillierte Erläuterung erscheint.621 In Anlehnung an psychologische Ansätze des Selbstkonzepts beschäftigt sich BELK622 mit der Bedeutung von Besitztümern für den Konsumenten. So zitiert JAMES ursprünglich wie folgt. „A man’s Self is the sum total of all that he can call his, not only his body and his psychic powers, but his clothes and his house, his wife and children, his ancestors and friends, his reputation and works, his lands, and yacht and bank-account. All these things give him the same emotions. If they wax and prosper, he feels triumphant; if they dwindle and die away, he feels cast down – not necessarily in the same degree for each thing, but in much the same way for all.“ 623 Trotz der teils veralteten Inhalte liefert diese Definition jedoch eine umfassende Verständnisgrundlage für aktuelle Theorien. FOURNIER setzt an die Bedeutung von Besitztümern für die Konsumenten an und betont die Relevanz des Konstrukts im Zusammenhang mit Markenbeziehungen.624 „Self-Connection“, in deutschen Veröffentlichungen als „Verbindung zur eigenen Identität“ bezeichnet625, „spiegelt das Ausmaß wider, in welchem die Marke zu wichtigen Problemen, Aufgaben oder Themen der eigenen Identität beiträgt und damit einen wichtigen Aspekt der Persönlichkeit ausdrückt“626. Diese Definition impliziert folgende Bestandteile des Konstrukts. Sowohl die Innenwirkung, d. h. die Identifikationsbildung durch die Marke, als auch die Außenwirkung der Identifizierung durch eine Marke spielen eine entscheidende Rolle für die Konzeptualisierung des Konstrukts.

619 620 621

622 623 624

625 626

Vgl. Bebié, A. (1978), S. 159ff. Robertson, T. S. (1970) zitiert nach Bebié, A. (1978), S. 159. Der interessierte Leser sei insbesondere auf die Abbildung der unterschiedlichen Selbstkonzepte nach Bebié, A. (1978), S. 162 hingewiesen. Vgl. Belk, R. W. (1988), S. 139–168. James, W. (1890), S. 291f. zitiert nach Belk, R. W. (1988), S. 139. Vgl. Fournier, S. (1998), S. 364; vgl. Fournier, S. (2001), S. 157; vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./ Brasel, A. (2004), S. 7. Vgl. Kressmann et al. (2003), S. 410. Fournier, S. (2001), S. 157; vgl. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, S. A. (2004), S. 7; vgl. Fournier, S. (1998), S. 364. Der Originaltext lautet wie folgt: „the degree to which the relationship delivered on centrally-held identity themes or helped express real and collective selves“. Aaker, J. L./Fournier, S./Brasel, A. (2004), S. 7. Es werden in dieser Definition die Ansätze von Fournier, S. (1998) sowie Belk, R. W. (1988) zusammengefasst.

142

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Im Gegensatz zum vereinfachten Verständnis des Konstrukts627 schließt sich diese Arbeit an die umfassende Konzeptualisierung der Arbeit von AAKER/FOURNIER/ BRASEL mit folgenden Bestandteilen an.

Abbildung D12: Konzeptualisierung Self-Connection Quelle: Eigene Erstellung

Aus den Dimensionen der Konzeptualisierung ergeben sich die Indikatoren wie folgt. Auch diese sind als Resultat der Literaturarbeit, Übersetzung, Kontextanpassung sowie qualitativer Vorstudien zur Zielgruppeneignung der Formulierung anzusehen. Tabelle D5: Operationalisierung Self-Connection Dimension Identitätseinfluss

Indikator Die Marke steht für Ideale, über die auch ich mich definieren kann. Die Marke meines Kaffees passt aktuell zu meinem Lebensstil. Ich lasse mich gern von Eigenschaften meiner Kaffeemarke anstecken. Identitätsausdruck Ich fühle eine Art Zugehörigkeit zu anderen Käufern dieser Marke, da wir alle sicherlich Ähnliches anstreben.628 Dass ein anderer Mensch die gleiche Kaffeemarke kauft, verrät dass er mir doch recht ähnlich ist. Ich zeige gern, dass ich mich für diese Kaffeemarke entschieden habe. Durch meine Wahl der Marke kann ein Außenstehender erkennen, was mir im Leben wichtig ist.629 Quelle: In entfernter Anlehnung an Aaker, J. / Fournier, S. / Brasel, A. (2004), S. 8

627

628

629

Vgl. Kressmann et al. (2003), S. 410; vgl. Hayes, J. B./Capella, L. M./Alford, B. L. (2000), S. 20. Ein ähnliches Item ist auch in der Erfassung der Dimension bei Thorbjörnen, H. et al. (2002), S. 28 zu finden. Ein ähnliches Item ist auch in der Erfassung der Dimension bei Thorbjörnen, H. et al. (2002), S. 28 zu finden.

2

Die Kausalanalyse

143

Die erarbeiteten Indikatoren wurden zur Vervollständigung der Befragung als Bestandteil des umfangreichen Konstrukts Markenbeziehungsqualität in den Fragebogen integriert. Bei der Formulierung dieser Indikatoren war es aufgrund des hohen Abstraktionsgrads besonders wichtig, diese im Rahmen von Diskussionen mit Testpersonen aus der gewählten Zielgruppe zu diskutieren und entsprechend umzuformulieren. Ergebnisse des vorangegangenen Pretests wiesen lediglich befriedigende Werte für die Indikatoren auf. Durch Umformulierungen und zusätzliche Itementwicklung entstand die an die Zielgruppe und das Produkt angepasste Zusammenstellung der Indikatoren des Konstrukts Self-Connection wie zuvor dargestellt, die in den Haupttest überführt wurden. 2.2.3

Messmodelle der endogenen Variablen

2.2.3.1

Verleugnung

Dieses Konstrukt entstammt, wie in Kapitel C dieser Arbeit erläutert, der Forschung zum „Coping Behavior“, das sich mit dem menschlichen Umgang mit Stress befasst. „Denial“ als „attempts to completely close off oneself mentally from a source of stress“ 630 ist eine Form des Abwehrverhaltens. Im Gegensatz zu dem artverwandten Konstrukt „Avoidance“, das die Vermeidung von Situationen (insbesondere Entscheidungssituationen) ausdrückt, wird „Denial“ eher als eine Art Verleugnung angesehen. Der Konsument nimmt die Situation nicht an bzw. verleugnet den Stimulus.631 „Denial consists of complete abnegation of stressors so that their negative effects on the consumer are reduced.“ 632 Im Folgenden wird der Begriff Denial demnach synonym zu dem Begriff Verleugnung verwendet. Die Dimension „Denial“ wird in der in Kapitel C dieser Arbeit vorgestellten Skalenentwicklung von DUHACHEK633 durch drei Indikatoren gemessen. Diese Operationalisierung dient auch dieser Arbeit als Grundlage für die folgende Operationalisierung. Da die Ergebnisse des Pretests für die anfänglich formulierten Items nur geringe Reliabilitäten aufwiesen, wurden die Indikatoren in Absprache mit Testpersonen der Zielgruppe umformuliert. Es wurden zusätzliche Indikatoren entwickelt und integriert. Darüber hinaus wurden gegenteilig formulierte Aussagen integriert, um das Verständnis der Indikatoren überprüfbar zu machen. Die finalen Indikatoren, die in den Haupttest einfließen, können folgender Tabelle entnommen werden.

630

631 632 633

Duhachek, A. (2005), S. 46. Zur psychologischen Grundlage vgl. detailliert McCrae, R. (1984), S. 919–928; vgl. detailliert Carver, C. S./Scheier, M. F./ Weintraub, J. K. (1989), S. 267–283. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 46. Duhachek, A. (2005), S. 46. Vgl. Duhachek, A. (2005), S. 41–53.

144

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D6: Operationalisierung Verleugnung Indikator Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Meldung wirklich wahr ist, denn ich vertraue meiner Kaffeemarke. Als abwegig würde ich die Meldung nicht ansehen – vielleicht ist die Marke wirklich verantwortlich. Ich würde dieser Meldung vorsichtshalber erstmal glauben – man weiß ja nie! Geschrieben wird viel – aber über meine Kaffeemarke glaube ich das nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass diese Meldung wahr ist. Quelle: In entfernter Anlehnung an Duhachek, A. (2005), S. 45.

Diese Indikatoren wurden in den zweiten Teil des Fragebogens für den Haupttest integriert, der nach Erhalt der Krisennachricht befragt wurde. Auf den Ablauf der Befragung sowie die Strukturierung der Konstrukte innerhalb des Fragebogens wird im Anschluss an die Darstellung der einzelnen Konstrukte eingegangen. 2.2.3.2

Risikowahrnehmung

In der Literatur herrscht keine einheitliche Konzeptualisierung des Konstrukts Risikowahrnehmung vor.634 Der Ansatz von CUNNINGHAM635, wonach Risikowahrnehmung verstanden wird als „the amount that would be lost (i.e. that which is at stake) if the consequences of an act were not favourable“ 636 und „the individual’s subjective feeling of certainty that the consequences will be unfavourable“ 637, dient der folgenden Konzeptualisierung des Konstrukts als Grundlage. So werden die Dimensionen „empfundene Unsicherheit“ sowie „Ausmaß negativer Konsequenzen“ als Bestandteile der Risikowahrnehmung identifiziert. Diese, wie CUNNINGHAM selbst zugibt, „arbitrary method of constructing the perceived risk index“638 soll auch hier durch eine mehrdimensionale Messung erweitert werden, die an den Krisenzusammenhang angepasst wird. So stellt die mehrdimensionale Messung der Risikowahrnehmung nach unterschiedlichen inhaltlichen Aspekten639 eine Basis für die dieser Arbeit zugrunde liegende Operationalisierung der Risikowahrnehmung dar.

634

635 636 637 638 639

Einen Überblick der Konzeptualisierungen des wahrgenommenen Risikos bietet Bauer, H. H./Sauer, N. E./Becker, S. (2003), S. 185. Vgl. Cunningham, S. M. (1967), S. 82–111. Cunningham, S. M. (1967), S. 37. Cunningham, S. M. (1967), S. 37. Cunningham, S. M. (1967), S. 84. Vgl. Jacoby, J./Kaplan, I. B. (1972), S. 382–393; vgl. Stone, R. N./Grönhaug, K. (1993), S. 39–50.

2

Die Kausalanalyse

145

Es wird unterschieden zwischen640 • dem ökonomischen bzw. finanziellen Risiko, das finanzielle Einbußen beinhaltet, • dem funktionalen Risiko, das sich auf qualitative Mängel bezieht und somit eine Erwartungserfüllung verhindert, • dem gesundheitlichen Risiko, das gesundheitliche Benachteiligungen mit sich bringt, • dem sozialen Risiko, das soziale Benachteiligungen bzw. Prestigeverluste verkörpert und • dem psychischen Risiko, das durch einen Identifikationsverlust verursacht werden könnte. Nur vereinzelt bietet die Literatur vergleichbare Anwendungen des Konstrukts und dementsprechend auch nur vereinzelte Operationalisierungen. So kann die Studie von STOCKMYER641 aufgeführt werden, die, wie zuvor in Kapitel C beschrieben, den Einfluss von Loyalität auf Krisenverhaltenskonstrukte im Falle von Produkterpressungen untersucht und die Risikowahrnehmung in diesem Rahmen erfasst. PENNINGS/WANSINK/MEULENBERG642 untersuchen Konsumentenreaktionen im Rahmen der BSE-Krise und unterteilen Risikowahrnehmung in „risk attitude“ und „risk perception“. In Anbetracht des spezifischen Untersuchungsgegenstands der BSE-Krise bieten die identifizierten Items keine Grundlage zur Befragung der Risikowahrnehmung für diese Arbeit. In Anlehnung an BAUER/SAUER/BECKER643 werden folgende Items formuliert. Tabelle D7: Operationalisierung Risikowahrnehmung Dimension Gesamtrisiko Funktionelles Risiko Gesundheitliches Risiko Soziales Risiko

Psychisches Risiko

Indikator Gesamt gesehen, wie hoch schätzen Sie nach dieser Meldung das mit dem Kauf dieses Kaffees verbundene Risiko ein? Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass der nächste Kauf dieser Kaffeemarke nicht Ihren Erwartungen entspricht? Wie hoch ist Ihrer Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit, dass Sie beim Kauf des Kaffees auch Ihre Gesundheit gefährden könnten? Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis durch weitere Käufe negativ auffallen könnten? Ich bin der Meinung, dass ich mich jetzt weniger mit der Marke identifizieren kann.

Quelle: In entfernter Anlehnung an Bauer, H. H./Sauer, N. E./Becker, S. (2003), S. 197

640

641 642 643

Vgl. Zusammenfassend Meffert, H. (1992), S. 70; vgl. ähnlich zusammenfassend Bauer, H. H./ Sauer, N./Becker, S. (2003), S. 193. Erkenntnisse zur inhaltlichen Risikowahrnehmung in Bezug auf das Produkt Kaffee vgl. Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 399. Vgl. Stockmyer, J. (1996), S. 433f. Vgl. Pennings, J. M. E./Wansink, B./Meulenberg, M. T. G. (2002), S. 91–100. Vgl. Bauer, H. H./Sauer, N. E./Becker, S. (2003), S. 197. Die Autoren untersuchen das Konstrukt im Hinblick auf die Risikowahrnehmung der Konsumenten beim Kauf durch das Internet.

146

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Zusätzlich zum Gesamtrisiko wurden die inhaltlichen Aspekte differenziert abgefragt, da sie hinsichtlich des Krisenszenarios auf einen höheren Informationsgehalt schließen lassen. Das finanzielle Risiko erscheint in Bezug auf den Kauf von Kaffee als ungeeignet und wird demnach außen vor gelassen. Es sei an dieser Stelle anzumerken, dass eine Unabhängigkeit der einzelnen Dimensionen kritisch diskutiert werden muss, um Verzerrungen in der Ergebnisinterpretation vorzubeugen. In der Überprüfung der entwickelten Items durch einen Pretest wiesen sowohl das Kriterium Cronbachs Alpha als auch die Faktorladungen mit dem KMO-Kriterium sehr gute Werte auf. Es wurden alle Indikatoren in den Haupttest übernommen. 2.2.3.3

Einstellungsänderung

Im Gegensatz zu der Herleitung der Indikatoren der bislang vorgestellten Konstrukte bedurfte es – über die dargestellte Vorgehensweise hinaus – zur Konzeptualisierung und Operationalisierung der Einstellungsänderung eines mehrstufigen Vortestprozesses. Bevor auf die Änderung der Einstellung durch die Einwirkung der Krise eingegangen werden konnte, wurde das Konstrukt Einstellung konzeptualisiert und operationalisiert. Die Erfassung der Veränderung der einzelnen Attributsausprägungen wurde durch ein zweistufiges Befragungsverfahren ermöglicht. Eine Gegenüberstellung der Einstellungswerte vor sowie nach dem Erhalt der Kriseninformation ergab den angestrebten Wert der Einstellungsänderung. Die Einstellung, verstanden als „die innere erlernte, relative dauerhafte Bereitschaft eines Individuums, auf Umweltstimuli bzw. Objekte konsistent positiv oder negativ zu reagieren“644, besteht sowohl aus kognitiven als auch aus affektiven Bestandteilen. Es werden sowohl Konnotationen als auch Denotationen in Betracht gezogen, da im Hinblick auf die beabsichtigte Erfassung der Einstellungsänderung des Konsumenten durch eine ereignisinduzierte Markenkrise beide als relevant erscheinen. Im Gegensatz zum Imagekonstrukt, das häufig synonym in der Literatur zu finden ist, schließt sich diese Arbeit der verbreiteten Auffassung an, das Konstrukt Image als ein mehrdimensionales komplexes psychisches Konstrukt anzusehen. Die Einstellung fasst die einzelnen Dimensionen zusammen und ergibt dementsprechend eine eindimensionale Größe.645 Dieser Eindimensionalität wird durch eine Indexbildung Rechnung getragen. In der Literatur lassen sich neben qualitativen Verfahren meist quantitative Verfahren zur Einstellungsmessung beobachten. Das am häufigsten angewandte Verfahren zur Erfassung einer eindimensionalen Einstellung des Konsumenten ist das LikertVerfahren.646 Resultat dieses Verfahrens ist ein eindimensionaler Einstellungswert, der sich durch die Addition zahlreicher einzeln erfasster Ausprägungen bzw. der resultierenden Differenzen der Einstellungsattribute als Indexwert ergibt. 644

645

646

Nieschlag, R./Dichtl, E./Hoerschen, H. (2002), S. 594; Trommsdorff, V. (2003), S. 149; Meffert, H. (2000), S. 118; vgl. Kapitel C dieser Arbeit. Vgl. Trommsdorff, V. (1976), S. 29; vgl. Drengner, J. (2003), S. 90; vgl. einen umfassenden Überblick zum Image in Abgrenzung zur Einstellung bei Drengner, J. (2003), S. 86–91. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 173f.

2

Die Kausalanalyse

147

Zur Anwendung dieses Verfahrens müssen zahlreiche Kriterien erfüllt werden. In Anlehnung an die in der Literatur vorgegebene Vorgehensweise der Anwendung des Verfahrens647 wurden folgende Schritte, angepasst an den unterliegenden Kontext, durchlaufen. 1. Auswahl der Attribute (ca. 50 Attribute) a) Sammlung von Attributen aus Werbebotschaften in verschiedenen Medien b) Sammlung von Attributen im Kaffeezusammenhang aus der Literatur c) Brainstorming mit Experten sowie Testpersonen der Zielgruppe zur Sammlung und Beurteilung der Attribute 2. Vorstudie zur Filterung der Attribute (N = 34; Befragte der ausgewählten Zielgruppe) a) Verständnisprüfung (häufige Nennungen der Antwortoption „ich weiß nicht“ wurden eliminiert) b) Überprüfung der monotonen Antwortcharakteristik648 (Addierbarkeit der Attribute wurde mit sieben Experten geprüft) c) Gültigkeitsprüfung durch Betrachtung der Korrelation der einzelnen Items mit dem Einstellungsindex649 (niedrig korrelierende Attribute wurden eliminiert) d) Eine umfassende Diskriminierungsfähigkeitsprüfung wurde durchgeführt, um die Aussagekraft der Items in Relation zueinander sicherzustellen650 Aus einer Auswahl von 48 Attributen wurden resultierend zwölf Indikatoren in den Pretest übernommen. Wie zuvor erläutert, wurden auch die Indikatoren der Einstellung mithilfe einer sechsstufige Rating-Skala befragt, die dem Anspruch des quasi metrischen Ordinalniveaus entspricht.651 Vier Indikatoren (interessant, faszinierend, delikat sowie exklusiv) erwiesen sich entsprechend der Pretestauswertung als ungeeignet zur Übernahme in den Fragebogen des Haupttests, da deren Werte den Richtlinien der Gütekriterien erster Generation nicht entsprachen. Obwohl auch für die Items „geschmackvoll“ sowie „sympathisch“ die Ergebnisse des Pretests keine guten Werte aufweisen konnten, wurden sie dennoch in den Haupttest übernommen, da sie inhaltlich als relevant erschienen. 647

648

649 650

651

Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 173f.; vgl. Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. (2002), S. 406. Es musste festgestellt werden, ob eine hohe Ausprägung des Attributs im unterliegenden Zusammenhang positiv angesehen wird. Beispielsweise muss ein Attribut wie „mild“ im Geschmack nicht unbedingt auf eine positive Einstellung hinweisen. Diese nicht eindeutigen Items wurden durch Einzelbefragungen mit Marketingfachkräften im Kontext diskutiert. Nur eindeutige Items wurden anschließend übernommen. Vgl. Trommsdorff, V. (2003), S. 174. Nach Nieschlag, R./Dichtl, E./Hörschgen, H. (2002), S. 406ff. und Berekoven, L./ Eckert, W./ Ellenrieder, P. (2001), S. 79 wurden mehrere Schritte dieses Tests durchgeführt; es wurden aus der Gesamtzahl aller Befragten die 25 Prozent mit den höchsten und niedrigsten Gesamtwerten ausgewählt. Es wurde anschließend ein Vergleich der Mittelwerte der einzelnen Items zwischen den Gruppen durchgeführt. Die Items, die durch einen t-Test signifikante Unterschiede aufzeigten, wurden in den Fragebogen übernommen. Vgl. Meffert, H. (1992), S. 184; Trommsdorff, V. (2003), S. 174.

148

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Sechs der Attribute konnten einem Faktor zugeordnet werden und wurden in den Haupttest übernommen. Folgende Frage wurde gestellt: Die von mir bevorzugte Kaffeemarke empfinde ich als … • beeindruckend, • geschmackvoll, • vertrauenswürdig, • perfekt, • gesund, • aufrichtig, • qualitativ hochwertig sowie • sympathisch. 2.2.3.4

Intention zur Verhaltensänderung

Die Kaufabsicht wird laut AJZEN/FISHBEIN652 als das Konstrukt mit der höchsten Aussagekraft zur Prognose des tatsächlichen Kaufverhaltens angesehen.653 Da die Messung des tatsächlichen Verhaltens in diesem Zusammenhang nicht möglich ist und wie zuvor dargestellt die Einstellung als Indikator zur Verhaltensprognose nicht ausreicht, wurde – in Anpassung an die Spezifik des Befragungsinhaltes – die Intention zur Verhaltensänderung wie folgt erhoben. Es wurden inhaltlich ähnliche, positiv sowie negativ formulierte Fragen festgelegt. Tabelle D8: Operationalisierung Intention zur Verhaltensänderung Indikator Ich ändere mein Verhalten gar nicht. Ich kaufe diese Marke genauso häufig wie bisher. Ich warte vor meinem nächsten Kauf dieser Marke erstmal ab, bis ich genauere Informationen erhalte. Ich kaufe diese Marke nicht mehr. Sicherlich schaue ich jetzt erst einmal nach einer anderen Kaffeemarke. Quelle: Eigene Erstellung

Der Pretest ergab, dass das Item „Ich warte vor meinem nächsten Kauf dieser Marke erstmal ab, bis ich genauere Informationen erhalte.“ die geforderten Werte nicht erzielte. Es wurde dennoch aufgrund der inhaltlichen Relevanz beibehalten. Das Item „Sicherlich schaue ich jetzt erst einmal nach einer anderen Kaffeemarke.“ wurde zusätzlich formuliert und in den Haupttest neu integriert. 652 653

Vgl. Ajzen, I./Fishbein, M. (1980), S. 159. Vgl. Ajzen, I./Fishbein, M. (1980), S. 159; vgl. Kapitel C dieser Arbeit; vgl. auch Bänsch, A. (2002), S. 42.

2

Die Kausalanalyse

149

Über das Konstrukt Intention zur Verhaltensänderung hinaus wurden zwei zusätzliche Fragen erhoben, die, unabhängig vom Kausalmodell dieser Untersuchung, einen hohen Informationswert aufweisen, insbesondere im Hinblick auf die Ableitung von Handlungsempfehlungen für Unternehmungen. Es wurde gefragt, ob und durch welche Informationsquellen die Testpersonen sich im unterstellten Krisenfall selbstständig informieren würden.654 Als mögliche Quellen wurden folgende Optionen gegeben: • im Freundeskreis umhören, • Internetrecherche, • Befragen des Supermarktpersonals, • Anschreiben an die Marke, • in Zeitungen suchen sowie • in Zeitschriften suchen. Ein Feld für eigene sonstige Nennungen wurde zusätzlich eingefügt. Diese Optionen erhielten allein eine Antwortoption, die mit einem Kreuzchen ein „Ja“ ausdrückte, da ausschließlich diese Nennung inhaltlich entscheidend ist. Mehrfachnennungen waren somit möglich.

2.3

Zusammenstellung des Fragebogens

Die Erhebung der Konstrukte erfolgte mittels eines standardisierten Fragebogens. Dieses Verfahren gewährt Objektivität und ermöglicht die beabsichtigte hohe Anzahl an Befragungen. Die Befragungen fanden im Rahmen von Mitgliederversammlungen innerhalb der Orts- bzw. Landesverbände des Berufsverbands der Haushaltsführenden (DHB) statt. Die Durchführung der Befragungen erfolgte in einem zweistufigen Prozess. Die Inhalte der einzelnen Teile der Fragebögen werden im Folgenden aufgeführt.655 Die Befragung begann mit leicht verständlichen Einleitungsfragen, durch welche die Teilnehmer simple Kaufgewohnheiten angaben und unter anderem ihre bevorzugte Kaffeemarke nannten. Anschließend wurden die in Kapitel D 2.2 ausgewählten Indikatoren des Konstrukts Markenbeziehungsqualität erhoben. Um eine Einstellungsdifferenz berechnen zu können, wurden im ersten Teil der Befragung zusätzlich die gefilterten Einstellungsitems erfasst. Zu Beginn des zweiten Teils der Befragung wurde den Testpersonen der fiktive Zeitungsartikel ausgehändigt. Um eine eventuelle Voreingenommenheit zu vermeiden und eine neutrale Ausgangsposition zur Beurteilung der erhaltenen Information sicherzustellen, wurde den Befragten entgegen den tatsächlichen Inhalten mitgeteilt, jeder Befragte erhielte einen unterschiedlichen, entweder positiven oder negativen Zeitungsartikel über Lebensmittel. Anschließend wurden die Indikatoren der endo-

654

655

Einen Überblick zur Thematik der aktiven Informationssuche und -quellen zur Risikoreduktion liefert Kroeber-Riel, W./Weinberg, P. (2003), S. 251–255. Der erhobenen Indikatoren sind dem Anhang zu entnehmen.

150

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

genen Variablen Verleugnung und Risikowahrnehmung erhoben. Es wurden weiterhin erneut die Einstellungsitems befragt und abschließend die Absicht zur Verhaltensänderung sowie die Frage nach der aktiven Informationssuche. Das Vorgehen erforderte die Zweiteilung der Befragung sowie die Anwesenheit der Autorin zur Zuordnung der zweiten Fragebögen. Die individuelle Bestätigung der Aufklärung über den Fiktionsgehalt der Nachricht seitens der Befragten erfolgte am Ende des Fragebogens. Auf den Aufbau des gesamten Fragebogens wird in den nachfolgenden Kapiteln eingegangen.

2.4

Kausalanalytische Überprüfung des Gesamtmodells

2.4.1

Modellstruktur in AMOS

Nachdem die Grundlagen der Kausalanalyse dargestellt wurden, soll das in dieser Arbeit entwickelte wissenschaftliche Modell in ein Kausalmodell überführt und analysiert werden. Folgende Darstellung fasst die fundamentalen Hypothesen dieser Arbeit zusammen.

Abbildung D13: Modell als Strukturgleichungsmodell Quelle: Eigene Erstellung

In Anlehnung an die Zweiteilung der Strukturgleichungsmodelle in Struktursowie Messmodelle wird sukzessiv vorgegangen. Die Messmodelle werden vor der Prüfung im Rahmen der konfirmatorischen Faktorenanalyse innerhalb des Kausalmodells zuerst einer vorbereitenden Prüfung im Datenanalyseprogramm SPSS unterzogen. Die Reliabilitäten werden überprüft und eine exploratorische Faktorenanalyse findet statt. Anschließend werden in Anlehnung an die vorgestellte Vorgehensweise der Kausalanalyse – nach einer Prüfung der Identifikation des Modells – sämtliche Parameter geschätzt. Die Güte der Schätzungen wird ausführlich beurteilt, bevor eine Ergebnisinterpretation vorgenommen wird.

2

151

Die Kausalanalyse

2.4.2

Überprüfung der Messmodelle der Konstrukte

2.4.2.1

Exogene Variable

Die exogene Variable des Modells wird durch das mehrdimensionale Konstrukt Markenbeziehungsqualität verkörpert. Eine exploratorische Faktorenanalyse wurde über alle dargestellten Items durchgeführt. Deren Ergebnis entsprach der erwarteten Aufteilung der Indikatoren in die aus der Literatur abgeleiteten vier Faktoren. Hinsichtlich der Anzahl der Faktoren ist erkennbar, dass schon eine Zuordnung der Indikatoren zu drei Faktoren eine hohe Varianzerklärung erreicht. Die Literatur zu Faktorenanalysen geht von einem Grenzwert des Eigenwerts von größer eins aus, da ein Faktor, dessen Varianzerklärungsanteil über alle Variablen kleiner als eins ist, demnach weniger Varianz erklärt als ein einzelner Indikator.656 Häufig ist jedoch das eigene Ermessen ausschlaggebend.657 Aufgrund der inhaltlichen Relevanz der vier Faktoren wird im Folgenden die Vier-FaktorenLösung ausgewählt. Die zusätzliche Varianzerklärung durch den vierten Faktor, die der vorangegangenen Konzeptualisierung des Konstrukts entspricht, liegt mit einem Wert von 0,972 direkt an der vorgegebenen Grenze. Tabelle D9 stellt die Ergebnisse der Faktorenanalyse mit den entsprechenden Faktorladungen und dem Wert des Kaiser-Meyer-Olkin-Kriteriums dar. Es werden darüber hinaus die Eigenwerte der Faktoren und die erklärten Varianzanteile aufgeführt. Zusätzlich ist der Wert für das Cronbach’sche Alpha der Faktoren sowie aller Items der Tabelle zu entnehmen. Tabelle D9: Ergebnisse Konstrukt Markenbeziehungsqualität I Item

SC: Außenstehender SC: Rückschlüsse SC: Ähnliches anstreben SC: Lebensstil SC: Ähnlichkeit erkennbar SC: Ideale SC: Eigenschaften anstecken SC: Entscheidung gern zeigen COM: loyal COM: auch nächstes Jahr COM: glücklich COM: längere Schätzung COM: verbunden COM: trotz Preissteigerung kaufen 656 657

Faktor 1: Faktor 2: Self-Con- Commitnection ment ,859 ,850 ,842 ,840 ,835 ,760 ,748 ,685

Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 295. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 296f. und S. 315.

,759 ,754 ,753 ,753 ,706 ,536

Faktor 3: Faktor 4: Vertrauen Intimität

152

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D9 (Fortsetzung) Item

COM: Einkauf verschieben VER: keine Enttäuschung VER: Erwartungen erfüllt VER: Vertrauen VER: Zufriedenheitsgarantie VER: ehrlich, ernst nehmen INT: verstehen INT: persönliche Daten INT: viel Wissen INT: kümmert sich INT: enge Freunde Eigenwert Erklärter Varianzanteil Kumulierter Varianzanteil Cronbach’sches Alpha des Faktors Cronbach’sches Alpha für alle Items Kaiser-Meyer-Olkin-Kriterium

Faktor 1: Faktor 2: Self-Con- Commitnection ment

Faktor 3: Faktor 4: Vertrauen Intimität

,504 ,762 ,752 ,722 ,683 ,543 ,703 ,695 ,672 ,555 ,518

,516 13,300 53,2% 53,2% ,9621

2,534 10,1% 63,3% ,8641 ,9314 ,941

1,209 4,8% 68,1% ,9074

,972 3,9% 72% ,8300

Quelle: Eigene Erstellung

Die vorgegebenen Grenzwerte der Faktorladungen von wij > 0,4658 wurden von allen Indikatoren überschritten. Aus Darstellungsgründen wurden in dieser Graphik die Werte wij < 0,45 unterdrückt. Allein der Indikator „enge Freunde“, der der Dimension Intimität entstammt, weist neben der Zuordnung zum Faktor 4 (Intimität) zusätzlich für den Faktor 1 (Self-Connection) eine hohe Faktorladung von wij > 0,5 auf. Eine Elimination dieses Indikators wurde getestet und die Faktorenanalyse ergibt kaum abweichende Ergebnisse. Der Wert des Kaiser-Meyer-Olkin-Kriteriums sank jedoch. Neben der Faktorenanalyse wurden die zuvor dargestellten Kennzahlen Cronbach’sches Alpha für die einzelnen Indikatoren sowie die Werte der Item-to-Total-Korrelation berechnet. Alle überprüften Items konnten die gewünschten Werte aufweisen. Für das Cronbach’sche Alpha gilt ein Mindestwert von _ > 0,7.659 Für die Werte der korrigierten Item-to-Total-Korrelation werden Werte von ri > 0,5 erwartet660. Folgende Tabelle fasst, über die zuvor dargestellte Tabelle hinaus, die Kennzahlen im Detail und in Zuordnung ihrer Faktoren, die den Ursprungsdimensionen entsprechen, zusammen. Es können ausgezeichnete Werte erreicht werden. 658 659 660

Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 8. Vgl. Nunally, J. C./Bernstein, I. H. (1994), S. 264f.; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 13. Vgl. Bauer, F. (1986), S. 235.

2

153

Die Kausalanalyse

Tabelle D10: Ergebnisse Konstrukt Markenbeziehungsqualität II

Faktor Commitment COM: glücklich COM: loyal COM: verbunden COM: auch nächstes Jahr COM: Einkauf verschieben COM: längere Schätzung COM: trotz Preissteigerung kaufen

Faktor Intimität INT: viel Wissen INT: verstehen INT: persönliche Daten INT: kümmert sich INT: enge Freunde

Faktor Vertrauen VER: keine Enttäuschung VER: Zufriedenheitsgarantie VER: ehrlich, ernst nehmen VER: Erwartungen erfüllt VER: Vertrauen

Faktor Self-Connection SC: Außenstehender SC: Rückschlüsse SC: Ähnliches anstreben SC: Lebensstil SC: Ähnlichkeit SC: Ideale SC: Eigenschaften SC: Entscheidung

Quelle: Eigene Erstellung

Korrigierte Item-toTotal-Korrelation

Faktorladungen (exploratorische Faktorenanalyse)

,7066 ,7235 ,7365 ,7004 ,5149 ,7081 ,5771 Cronbach’sches Alpha ,8641

,753 ,759 ,708 ,754 ,504 ,753 ,536 KMO-Kriterium ,941

,5845 ,7141 ,5831 ,6544 ,6367 Cronbach’sches Alpha ,8300

,672 ,703 ,695 ,555 ,518 KMO-Kriterium ,941

,7539 ,8185 ,7262 ,7508 ,8363 Cronbach’sches Alpha ,9074

,762 ,683 ,543 ,752 ,722 KMO-Kriterium ,941

,8716 ,8570 ,9039 ,8511 ,8671 ,8321 ,8425 ,8021 Cronbach’sches Alpha ,9621

,859 ,850 ,842 ,840 ,835 ,760 ,748 ,685 KMO-Kriterium ,941

154

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Da das Konstrukt Markenbeziehungsqualität demnach eine mehrdimensionale Struktur aufweist, werden die ermittelten Faktoren, die den ursprünglichen Dimensionen des Konstrukts entsprechen, für die folgende konfirmatorische Modellprüfung in Messmodelle überführt. Diese basieren auf den arithmetischen Mittelwerten der jeweiligen Indikatoren. 2.4.2.2

Endogene Variable

Entsprechend der zuvor angewandten Vorgehensweise werden die Messmodelle der endogenen Variablen hergeleitet. Nach Eliminierung der ungeeigneten Indikatoren ergeben sich folgende Resultate, die zusammenfassend in einer Tabelle dargestellt werden. Tabelle D11: Ergebnisse Messmodelle der endogenen Variable

Konstrukt Verleugnung VL: abwegig VL: nicht glauben VL: nicht vorstellen

Korrigierte Item-toTotal-Korrelation

Faktorladungen (exploratorische Faktorenanalyse)

,6666 ,6364 ,6735 Cronbach’sches Alpha ,8086

,856 ,837 ,862 KMO-Kriterium ,713

Konstrukt Risikowahrnehmung RW: Gesamtrisiko ,6913 RW: Gesundheitsrisiko ,7534 RW: Risiko, Erwartungen nicht erfüllt ,7430 Cronbach’sches Alpha ,8561 Konstrukt Einstellungsänderung EÄ: hochwertig ,5880 EÄ: sympathisch ,6011 EÄ: perfekt ,5172 Cronbach’sches Alpha ,7425 Konstrukt Intention zur Verhaltensänderung VÄ: Änderung ,5696 VÄ: umschauen ,6936 VÄ: weniger häufig ,7673 VÄ: kein Wiederkauf ,6210 Cronbach’sches Alpha ,8310 Quelle: Eigene Erstellung

,859 ,896 ,890 KMO-Kriterium ,727 ,828 ,836 ,774 KMO-Kriterium ,679

,754 ,843 ,883 ,784 KMO-Kriterium ,695

2

Die Kausalanalyse

155

Die reduzierten Messmodelle der Konstrukte weisen hinsichtlich der Gütekriterien erster Generation mittelmäßige bis gute Werte auf. Sowohl die Messmodelle der exogenen Variable Markenbeziehungsqualität, die aus untergeordneten Messmodellen besteht, als auch die vorgestellten Messmodelle der endogenen Konstrukte werden entsprechend dieser Auflistung in das Programm AMOS übertragen, in dem nachfolgend, aufbauend auf einer konfirmatorischen Faktorenanalyse, eine Kausalanalyse durchgeführt wird. 2.4.3

Konfirmatorische Modellprüfung in AMOS

Nachdem die dieser Arbeit zugrunde liegenden Hypothesen hergeleitet und anschließend in ein Strukturgleichungsmodell überführt wurden, erfolgt in diesem Kapitel die Schätzung der Parameter, die zuvor als Pfadkoeffizienten bezeichnet wurden. Mit Hilfe der empirisch erhobenen Daten werden die aufgrund theoretischer Überlegungen aufgestellten Hypothesensysteme überprüft. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Überprüfung der vermuteten Zusammenhänge der Variablen. Die Identifizierbarkeit des Modells gilt als Voraussetzung zur Kausalanalyse und muss sichergestellt werden, bevor die Parameter geschätzt werden können. Anschließend wird die Güte der Ergebnisse beurteilt. 2.4.3.1

Identifizierbarkeit des Modells

Die Identifikation des Kausalmodells hängt im Wesentlichen von der Datengrundlage ab. Diese muss einen ausreichenden Informationsgehalt für die Schätzung enthalten.661 Konkret bedeutet das, dass die Messwerte der erhobenen Indikatoren in Korrelationen und Kovarianzen übertragen werden, und diese Informationen für sämtliche Parameterschätzungen ausreichen müssen.662 Als notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung wird folgende Faustregel angesehen: entspricht die Anzahl der Gleichungen des Modells mindestens der Anzahl der zu schätzenden Parameter, ist vorerst von einer Identifizierbarkeit des Modells auszugehen. Die Differenz dieser Anzahlen entspricht den Freiheitsgraden des Modells. Es können laut der Formel [ (p+q)(p+q+1) ]/2, mit p = Anzahl der Indikatoren bzw. Messinstrumente der y-Variable und q = Anzahl der Indikatoren bzw. Messinstrumente der x-Variable663, insgesamt 153 Korrelationskoeffizienten bzw. Kovarianzen berechnet werden. Es sind in diesem Modell 43 Parameter zu schätzen. Die hier betrachtete Untersuchung weist demnach 110 Freiheitsgrade auf. Die Grundanforderung der Identifizierbarkeit durch positive Freiheitsgrade ist demnach im zugrunde liegenden Modell erfüllt. Para-

661

662 663

Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 360f. Eine einheitliche Lösung der Frage nach der Identifikation von Strukturgleichungsmodellen ist demnach noch nicht in der Literatur verbreitet. Es werden Hilfskriterien herangezogen. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 360f.; vgl. Hair, J. F. et al. (1998). Vgl. Baier, G. (1999), S. 157. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 361; vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 645.

156

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

meterschätzungen können nur erfolgen, wenn die zu schätzenden Gleichungen linear unabhängig sind.664 Im Strukturgleichungsmodell dieser Arbeit kann aufgrund der Berechnungen klar von einer Identifizierbarkeit des Modells ausgegangen werden. 2.4.3.2

Schätzung der Parameter

Es werden folgende Parameter geschätzt:665 • die Parameter des Strukturmodells, die die Abhängigkeitsbeziehungen zwischen den latenten Variablen beschreiben, • die Parameter des Messmodells, • die Varianzen/Kovarianzen der exogenen latenten Variablen sowie • die Varianzen/Kovarianzen aller Fehlervariablen. Zur Parameterschätzung stehen mehrere iterative Schätzalgorithmen zur Verfügung.666 Da die Annahme der Multinormalverteilung der Messindikatoren nicht erfüllt ist, musste auf die Anwendung der am weitesten verbreiteten Schätzmethode „Maximum Likelihood“ (ML) verzichtet werden. Unter Berücksichtigung ihrer Voraussetzungen wurde die Methode „Unweighted Least Squares“ (ULS) zur Schätzung der Parameter angewandt.667 Die Schätzungsergebnisse werden in Abbildung D14 dargestellt. Anfänglich werden die Parameterschätzungen der Strukturmodelle und anschließend der Messmodelle diskutiert. Die Pfade zwischen den Variablen verkörpern die Strukturmodelle des Strukturgleichungsmodells. Diese Strukturmodelle spiegeln die Hypothesen wider, die im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Aufgrund deren Relevanz sollen sie zuerst dargestellt werden. Durch die Komplexität dieses Modells ergeben sich direkte sowie indirekte Einflüsse. Die obige Graphik stellt die resultierenden direkten Einflüsse des in dieser Arbeit im Mittelpunkt stehenden Konstrukts Markenbeziehungsqualität sowie die Einflüsse der endogenen Variablen untereinander dar. Die Vorzeichen der Pfadkoeffizienten zeigen die Richtung der Einflüsse auf und bestätigen die Hypothesen dieser Arbeit. Es zeigt sich, dass die Markenbeziehungsqualität wie erwartet direkte Einflüsse auf die abhängigen Konstrukte Verleugnung, Risikowahrnehmung, Einstellungsänderung sowie Intention zur Verhaltensänderung aufweist. Entsprechend der theoretisch hergeleiteten Hypothesen kommt dem Konstrukt Markenbeziehungsqualität ein direkter positiver Einfluss auf die Verleugnung zu, ein direkter negativer Einfluss auf die Risikowahrnehmung, die Einstellungsänderung sowie die Intention zur Verhal664 665 666

667

Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 361. Vgl. Homburg, C./Krohmer, H. (2003), S. 286. Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 362–365; vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1995), S. 165. Vgl. zu den Voraussetzungen detailliert Backhaus, K. et al. (2003), S. 363f.; Homburg, C./Baumgartner, H. (1995), S. 165; vgl. Jöreskog, K. G./Sörbom, D. (1989), S. 18ff.

Quelle: Eigene Erstellung

Die Kausalanalyse

Abbildung D14: Standardisierte Pfadkoeffizienten der ULS-Schätzung

2

157

158

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

tensänderung. Dementsprechend kann die Hypothese bestätigt werden, dass eine höhere Markenbindung, gemessen an der Beziehungsqualität zwischen Konsument und Marke, eine stärkere Verleugnung der erhaltenen Information der ereignisinduzierten Markenkrise seitens des Konsumenten verursacht. Die Stärke dieses Einflusses wurde mit einem standardisierten Pfadkoeffizienten von +0,33 gemessen. Dieser Pfadkoeffizient drückt den Anteil der Standardabweichung der abhängigen Variablen (in diesem Fall der Verleugnung) aus, der durch die unabhängige Variable (Markenbeziehungsqualität) erklärt wird. Die Kausalanalyse berücksichtigt im Gegensatz zur Regressionsanalyse die implizite Bereinigung dieses Einflusses um den Einfluss der weiteren abhängigen Variablen. Da bei diesem dargestellten Pfad kein weiterer Einfluss gegeben ist, kann die Markenbeziehungsqualität innerhalb des vorliegenden Modells als alleinige erklärende Variable betrachtet werden. Anders ist das bei den Wirkungszusammenhängen zwischen der Markenbeziehungsqualität und den abhängigen Konstrukten Risikowahrnehmung, Einstellungsänderung sowie Intention zur Verhaltensänderung. Die Ergebnisse beinhalten entsprechend weitere Zusammenhänge innerhalb des vorliegenden Modells. Neben den direkten Zusammenhängen sind auch indirekte Einflüsse aus der Schätzung ableitbar. Beispielsweise lässt sich neben dem direkten negativen Einfluss der Markenbeziehungsqualität auf die Intention zur Verhaltensänderung (je stärker ein Konsument gebunden ist, desto geringer fällt seine Intention zur Verhaltensänderung aus) zusätzlich ein indirekter Einfluss berechnen. Insgesamt ergibt sich dementsprechend laut der Formel „totaler Effekt = direkt kausaler Effekt + indirekt kausaler Effekt“668 ein Gesamteffekt der Markenbeziehungsqualität auf die Intention zur Verhaltensänderung von –0,51.669 Die indirekten Effekte ergeben sich durch Multiplikation der einzelnen Effekte. Es konnte festgestellt werden, dass die die Hypothesen bestätigenden direkten Effekte im unterliegenden Modell durch die indirekten Effekte sogar entscheidend verstärkt werden. Entsprechend wird ein Totaleffekt der Markenbeziehungsqualität auf die Risikowahrnehmung von –0,29 ermittelt. Der Totaleffekt der Markenbeziehungsqualität auf die Einstellungsänderung beläuft sich auf –0,40. Weiterhin können zusätzlich zu den direkten Effekten zwischen den einzelnen abhängigen Konstrukten indirekte Einflüsse ermittelt werden. Auch diese verstärken die Wirkung der einflussgebenden Variablen und bestätigen wiederum die vorangestellten Hypothesen bis auf eine Ausnahme. Es ist auffällig, dass im Gegensatz zu vorhandenen Einflüssen zwischen den endogenen Variablen kein direkter Einfluss der Verleugnung auf die Verhaltensintention nachgewiesen werden konnte. Dieses Phänomen ist durch die indirekten Effekte erklärbar. In Richtung der Endvariablen der Intention zur Verhaltensänderung werden die direkten Einflüsse zunehmend durch indirekte Effekte über die moderierenden Variablen ergänzt. Obwohl der

668 669

Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 399. Berechnet wurde dieser wie folgt: (–0,31)+0,34*(–0,31)+0,33*(–0,04)*0,34+(–0,11)*0,31 + (0,11)*0,27*0,34+0,33*(–0,53)*0,27*0,34+0,33*(–0,53)*0,31 = –0,514. Der Wert wird auch in der AMOS-Outputliste ausgewiesen.

2

159

Die Kausalanalyse

Arbeit die Hauptintention der Aufdeckung des Einflusses des Konstrukts Markenbeziehungsqualität unterliegt und eine Varianzerklärung der Konstrukte nicht im Mittelpunkt der Untersuchung steht, soll an dieser Stelle dennoch darauf hingewiesen werden, dass insgesamt 52 Prozent der Varianz des Konstrukts Absicht zur Verhaltensänderung erklärt werden können. 48 Prozent bleiben unerklärt. Zusammenfassend bestätigen die Ergebnisse der Parameterschätzung die Hypothesen dieser Arbeit wie folgt: Tabelle D12: Ergebnisse der Hypothesenprüfung durch direkte und totale Effekte im Überblick H. Nr.

Hypothese

Direkter Effekt

Totaler Effekt

H1

Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto stärker werden negative Informationen verleugnet. Je stärker die Ausprägung der Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Risikowahrnehmung. Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer wird das Risiko von den Konsumenten wahrgenommen. Je stärker die Markenbeziehungsqualität, desto geringer ist die Einstellungsänderung gegenüber der Marke nach der Information des Krisenszenarios. Je stärker die Verleugnung der negativen Information, desto geringer ändert sich die Einstellung gegenüber der Marke.

+0,33

+0,33

Hypothesenbestätigung 3

–0,11

–0,29

3

–0,53

–0,53

3

–0,31

–0,40

3

–0,04

–0,18

H6

Je stärker die Risikowahrnehmung, desto höher fällt die Einstellungsänderung aus.

+0,27

+0,27

nur indirekter Effekt nachweisbar 3

H7

Je stärker die Markenbeziehungsqualität, –0,31 desto geringer fällt die Intention zur Verhaltensänderung aus. Je höher der Grad der Verleugnung der negati- – ven Information, desto geringer ist die Intention zur Verhaltensänderung.

–0,53

3

–0,23

Je stärker die Risikowahrnehmung, desto stär- +0,31 ker wird die Intention zur Verhaltensänderung der Konsumenten ausfallen. Je stärker die Einstellungsänderung, desto +0,34 stärker wird die Intention zur Verhaltensänderung ausfallen.

+0,40

nur indirekter Effekt nachweisbar 3

+0,34

3

H2

H3

H4

H5

H8

H9

H10

Quelle: Eigene Erstellung

160

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Die Ergebnisse der Parameterschätzungen für die Messmodelle werden an folgenden Beispielen verdeutlicht. Die Koeffizienten zwischen dem Indikator 1 (Messmodell Commitment) und dem Konstrukt Markenbeziehungsqualität werden mit 0,75 geschätzt. Dieser Wert bezeichnet die Korrelation der Variablen und drückt quadriert die prozentuale Varianzerklärung des Indikators durch das Konstrukt Markenbeziehungsqualität aus.670 Entsprechend können sämtliche Werte interpretiert werden. Die Güte dieser Parameterschätzungen wird im Rahmen der Modellbeurteilung ausführlich diskutiert. 2.4.3.3

Beurteilung der Schätzergebnisse

Es werden zur weiteren Überprüfung des Modells Gütekriterien herangezogen, die teilweise durch das Programm AMOS ausgewiesen werden, teilweise werden die Werte separat berechnet. Die Gütekriterien sind in globale sowie lokale Anpassungsmaße zu unterteilen. Anpassungsmaße sind Größen, die Aussagen über die Güte der Anpassung des Modells an den vorliegenden Datensatz beinhalten. Diese Kriterien basieren auf den Parameterschätzungen.671 Globale Anpassungsmaße beurteilen die Gesamtanpassung des Modells durch den Vergleich der empirischen Kovarianzmatrix mit der vom Modell reproduzierten Kovarianzmatrix.672 Im Gegensatz zu eigenständigen Anpassungsmaßen erfolgt die Beurteilung bei inkrementellen Anpassungsmaßen in Relation zu einem Basismodell, das ein Nullmodell darstellt. Zusätzlich wird in der Literatur zwischen Anpassungsmaßen unterschieden, die die zuvor diskutierten Freiheitsgrade berücksichtigen bzw. diese vernachlässigen. Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass die Berücksichtigung der Freiheitsgrade zu einer höheren Aussagekraft des Kriteriums führt. Inferenzstatistische Anpassungsmaße ergeben sich durch einen statistischen Signifikanztest. Deskriptive Anpassungsmaße beurteilen die Gesamtanpassung des Modells durch die Vorgabe eines Mindeststandards (Erfahrungswerte).673 Durch lokale Anpassungsmaße werden sowohl die Messmodelle als auch die Strukturmodelle einzeln beurteilt. Im Rahmen der Messmodelle werden Indikatoren bzw. Faktoren beurteilt.674 Die aufgeführten Anpassungsmaße und ihre Einordnung werden im Folgenden strukturiert dargestellt.

670

Vgl. Backhaus, K. et al. (2003), S. 368. Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 646. 672 Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 9. 673 Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1998), S. 351–362; vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 646–653. 674 Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 10. 671

2

161

Die Kausalanalyse

Abbildung D15: Anpassungsmaße zur Beurteilung von Kausalmodellen im Überblick Quelle: In Anlehnung an Homburg, C./Baumgartner, H. (1995a), S. 165; vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 648

Aus einer Vielzahl von Anpassungsmaßen haben sich die anschließend diskutierten Kriterien in der Literatur durchgesetzt. Die folgende Tabelle fasst diese relevanten Anpassungsmaße samt ihrer inhaltlichen Bedeutung und den geforderten Richtwerten zusammen und gilt als Grundlage zur Güteprüfung des Kausalmodells dieser Arbeit. Tabelle D13: Empfohlenes Basisgerüst zur Beurteilung der Anpassungsgüte eines Kausalmodells

Messmodell

Anpassungsmaße (Interne Konsistenz)

Bedeutung

Anforderung

Anteil erklärter Varianz des Indikators durch den entsprechenden Faktor

* 0,4

(Konvergenzvalidität)

Anteil erklärter Varianz des Faktors durch die Gesamtheit zugrunde liegender Indikatoren

* 0,6

Durchschnittlich Anteil der erklärten Varianz des Konstrukts * 0,5 erfasste Varianz (Konvergenzvalidität)

162

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D13 (Fortsetzung) Anpassungsmaße

Bedeutung

Fornell/Larcker- Varianzerklärung eines Faktors bezogen auf Kriterium seine Indikatoren höher als die höchste qua(Diskriminanz- drierte Korrelation validität) Gesamt RMSEA (Root modell Mean Squared Error of Approximation)

Anforderung Durchschnittlich erfasste Varianz > höchste quadrierte Korrelation

Güte der Approximation des Modells an die ) 0,05 (bzw. ) 0,08) erhobenen Daten Richtwert wird in der Literatur diskutiert Grad der Erklärung der Varianz durch das Modell

* 0,9

AGFI (Adjusted Grad der Erklärung der Varianz durch das Goodness of Fit Modell unter Berücksichtigung der FreiIndex) heitsgrade

* 0,9

GFI (Goodness of Fit Index)

Chi2 / df

Überprüfung der Konsistenz zwischen der empirischen und der generierten Kovarianzmatrix

) 2,5 (bzw. ) 3,0)

NFI (Normed Fit Gütebeurteilung aufgrund des Vergleichs * 0,9 Index) mit einem Basismodell, das ein Nullmodell ist, d.h. keine Informationen beinhaltet. Gütebeurteilung aufgrund des Vergleichs * 0,9 mit einem Basismodell, das ein Nullmodell ist, d.h. keine Informationen beinhaltet (unter Berücksichtigung der Freiheitsgrade) Struk- Quadrierte mul- Anteil der Varianzerklärung der endogenen (* 0,4) Richtwert turglei- tiple Korrelation Variablen wird in der Literatur chungs- pro endogene diskutiert modell Variable CFI (Comparative Fit Index)

Quelle:In Anlehnung an Homburg, C./Baumgartner, H. (1995a), S. 172; vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 651; vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 13; vgl. Giering, A. (2000), S. 89

Die Richtwerte werden als nicht unproblematisch angesehen, da sie von zahlreichen unterschiedlichen Aspekten abhängen. Zu nennen ist hier beispielsweise der Stichprobenumfang oder auch die Modellkomplexität. So ist das Verhältnis der Größen ausschlaggebend für die Anforderungen zur Gütebeurteilung. Es herrscht Einigkeit darüber, dass die Schwellenwerte nicht ausnahmslos erfüllt werden müssen. So werden geringe Verletzungen als akzeptabel eingestuft.675

675

Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000b), S. 650.

2

Die Kausalanalyse

163

Zur Prüfung der aufgeführten Kriterien empfiehlt sich folgende Vorgehensweise.676 1. Überprüfung formaler Aspekte 2. Beurteilung der Anpassungsgüte des Messmodells 3. Beurteilung der Anpassungsgüte des gesamten Modells 4. Beurteilung der Anpassungsgüte des Strukturgleichungsmodells 5. Kreuzvalidierung/Vergleich mit alternativen Modellstrukturen Nach einer Plausibilitätsüberprüfung677 der Schätzwerte ist das vorliegende Modell nicht zu verwerfen, da sämtliche Schätzungen den theoretisch konzeptionellen Überlegungen entsprechen. Abweichungen lassen sich durch die aufgezeigten indirekten Effekte erklären. Vor der Diskussion der Gütekriterien wird auf formale Aspekte des Strukturgleichungsmodells eingegangen.678 Als erstes wird die Anzahl der Indikatoren zur Anzahl der Faktoren (Konstrukte) ins Verhältnis gesetzt. Laut Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 1995 weist die internationale Marketingliteratur diesbezüglich ein Verhältnis von 2,79 und die deutsche Marketingliteratur ein Verhältnis von 1,77 auf.679 Obwohl diese Zahlen keinen aktuellen Überblick bieten, dienen sie dennoch als Richtwert. Ein Wert von 3,4 in der eigenen Untersuchung wird als überdurchschnittlich angesehen. Zusätzlich wird in der Literatur auf die Anzahl der Indikatoren eines Faktors als formales Kriterium hingewiesen. In der eigenen Untersuchung wird kein Faktor lediglich durch einen Indikator gemessen, was auf eine hohe formale Güte des Modells hinweist. Vergleichswerte der internationalen Literatur liegen bei 34,6 Prozent, in der deutschen Literatur bei 46,5 Prozent.680 Die Ergebnisse der lokalen Gütebeurteilung stellt Tabelle D14 zusammengefasst dar.

676 677 678 679 680

Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1998), S. 362. Vgl. Backhaus, K. (2003), S. 370. Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1995b), S. 1103f. Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1995b), S. 1103f. Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1995b), S. 1103f.

164

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D14: Lokale Anpassungsmaße des Kausalmodells Interne Konver- Konver- DiskrimiKonsis- genzgenznanztenz validität validität validität Faktor- Squared Indiladung multiple katorcorrelat- reliabiliion tät (r)

Markenbeziehungsqualität (j1) • Messmodell Commitment 0,75 (X1)

0,56

• Messmodell Intimität (X2)

0,75

0,56

• Messmodell Vertrauen (X3)

0,81

0,65

• Messmodell Self-Connection (X4) Verleugnung (d1) • Meldung abwegig (Y1)

0,70

0,49

0,77

0,60

• Nicht glauben (Y2)

0,63

(0,39)

• Nicht vorstellen (Y3)

0,75

0,11

Construct Reliability 682 (CR)

0,57

0,84

VE > höchste quadrierte Korrelation der Konstrukte (R2) 3

0,52

0,76

3

0,62

0,83

3

(0,422)

0,68

3

0,516

0,81

3

0,57 0,33

Risikowahrnehmung (d2) • Gesamtrisiko (Y4)

0,72

0,51

• Gesundheitsrisiko (Y5)

0,82

0,68

• Erwartungen nicht erfüllt (Y6) 0,82

0,66 0,24

Einstellungsänderung (d3) • Differenz hochwertig (Y7)

0,55

(0,30)

• Differenz sympathisch (Y8)

0,67

0,45

• Differenz perfekt (Y9)

0,72

Intention zur Verhaltensänderung (d4)

Variance Extracted 681 (VE)

0,51 0,52

• Verhaltensänderung (Y10)

0,61

(0,37)

• Umschauen (Y11)

0,87

0,75

• Nicht so häufig (Y12)

0,64

0,41

• Kein Wiederkauf (Y13)

0,73

0,53

Quelle: Eigene Erstellung

681 682

Zur Formel der Berechnung vgl. Hair, J. F. et al. (1998), S. 612. Zur Formel der Berechnung der DEV vgl. Hair, J. F. et al. (1998), S. 612.

2

Die Kausalanalyse

165

Der Tabelle ist zu entnehmen, dass die Anpassungen der Messmodelle sehr gute Werte aufweisen. Obwohl die Grenzwerte nicht unbedingt erfüllt werden müssen, wurden diese im vorliegenden Modell dennoch bis auf vereinzelte Ausnahmen erreicht, teilweise sogar weit übertroffen. Die nicht erreichten Werte wurden in der Tabelle durch Klammern gekennzeichnet. Der Mindesterfüllungsgrad von 50 Prozent683 wird bei allen Kriterien weit überschritten. Über die Messmodelle hinaus geben die Werte der Tabelle Aufschluss über die Güte der Strukturgleichungen. Diese wird anhand des Kriteriums „Squared Multiple Correlation“ beurteilt, das die prozentuale Varianzerklärung des entsprechenden Konstrukts beschreibt. Hinsichtlich der Interpretation dieses Wertes ist zwischen den Grundintentionen von Kausalmodellen zu unterscheiden. Steht die Gesamterklärung eines finalen Konstrukts im Mittelpunkt, erscheint eine Orientierung am zuvor aufgezeigten Mindestwert von > 0,4 als sinnvoll. In Anlehnung an die genannte Literatur kommt jedoch folgende Überlegung zum Tragen. Das Hauptanliegen dieser Arbeit ist jedoch das Aufzeigen von Zusammenhängen insbesondere im Hinblick auf die Einflüsse des Konstrukts Markenbeziehungsqualität. Ein entsprechender Grenzwert wird demnach nicht als Kriterium zur Gütebeurteilung des Modells herangezogen. Auch das Fornell/Larcker-Kriterium wurde erfüllt. Hinsichtlich der Überprüfung der Validität des Modells wird zwischen der Diskriminanzvalidität, der Inhaltsvalidität sowie der nomologischen Validität unterschieden.684 Die Diskriminanzvalidität wurde durch die Berechnung des Fornell/LarckerKriteriums überprüft. Weiterhin wurde eine Faktorenanalyse mit der Oblimin-Rotation durchgeführt, um die gewonnenen Faktoren zu bestätigen.685 Die Ergebnisse entsprechen der vorangestellten Diskussion der anfänglichen Faktorenanalyse. Es kann demnach von einer hohen Diskriminanzvalidität ausgegangen werden. Die Beurteilung der Inhaltsvalidität fällt aufgrund der vorangestellten theoretisch-konzeptionellen Ausführungen der vorliegenden Arbeit positiv aus. Die nomologische Validität wird durch die Integration der Konstrukte in den theoretischen Bezugsrahmen überprüft.686 Im Folgenden werden die Globalkriterien zur Beurteilung der Gesamtmodellanpassung diskutiert. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass aufgrund der nicht vorhandenen Normalverteilung und der dementsprechenden Anwendung des Analyseverfahrens ULS nicht alle zuvor diskutierten Kennzahlen ausgewiesen werden können. Im Hinblick auf die Vollständigkeit der Gütebeurteilung wurden die fehlenden Werte unter Zuhilfenahme des ML-Verfahrens berechnet, obwohl die Interpretation dieser Werte unter nicht vorhandener Normalverteilung mit Vorsicht zu beurteilen ist.687 683 684 685 686

687

Vgl. Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 10. Vgl. detailliert Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 7. Vgl. ähnliches Vorgehen bei Sauer, N. (2005), S. 64. Zu den unterschiedlichen Formen der Validitäten vgl. detailliert Homburg, C./Giering, A. (1996), S. 7; vgl. ähnliche Vorgehensweise der Prüfung bei Sauer, N. (2005), S. 64. Vgl. Jöreskog, K. G./Sörbom, D. (1993), S. 51.

166

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Tabelle D15: Globale Anpassungsmaße Gütekriterium

Quelle

Wert

RMSEA

ML

0,058

GFI

ULS

0,985

AGFI

ULS

0,980

Chi2 / df

ML

2,414

NFI

ULS

0,975

CFI

ML

0,942

Quelle: In Anlehnung an Homburg, C./Baumgartner, H. (1998), S. 363

Neben den lokalen Anpassungsmaßen überzeugen auch die Werte der globalen Gütekriterien. Die Berechnungen ergeben folgende Werte: GFI = 0,985; AGFI = 0,980; NFI = 0,975 und CFI = 0,942. Diese Kriterien weisen mit Werten über 0,90 eine sehr gute Modellanpassung aus. Auch der RMSEA von 0,058 liegt im Bereich des Richtwertes688. Obwohl die Signifikanzangabe durch das Verhältnis Chi-Quadrat/Freiheitsgrade innerhalb der ULS-Schätzung mit besonderer Vorsicht zu betrachten ist, lässt der unter Zuhilfenahme des ML-Verfahrens ermittelte Wert von 265,58/110 = 2,414 auf hohe Konsistenz zwischen der empirischen und der generierten Kovarianzmatrix schließen.689 2.4.4

Interpretation der Ergebnisse der Kausalanalyse

Parallel zur Grundstruktur von Kausalmodellen bietet sich auch im Hinblick auf die Interpretation der Ergebnisse eine Unterteilung des Modells in Struktur- sowie Messmodelle an. Da die Strukturmodelle der Aufdeckung inhaltlicher Zusammenhänge dienen und somit die Hypothesenüberprüfung als Grundintention des empirischen Teils der vorliegenden Arbeit ermöglichen, sollen sie zuerst betrachtet werden. Sämtliche Ergebnisse wurden den Hypothesen zusammengefasst gegenübergestellt (vgl. Tabelle D12). An dieser Stelle erfolgt die inhaltliche Interpretation. 2.4.4.1

Ergebnisse der Strukturmodelle

Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen, die im Teil B dieser Arbeit vorgestellt wurden, erfolgte in Abschnitt C die Entwicklung des theoretischen Bezugsrahmens, der die einzelnen Konstruktzusammenhänge aufzeigt. Theoretisch konzeptionelle Überlegungen ließen auf Zusammenhänge zweier Themenkomplexe schließen. Die erste Forschungsthematik bezieht sich auf die emotionale Bindung zwischen Konsumenten und Marken. Der zweite in der vorliegenden 688 689

Die geforderten Werte liegen entweder unter 0,05 oder 0,08. Vgl. Hair, J. F. (1998), S. 656. Vgl. Homburg, C./Baumgartner, H. (1995), S. 172.

2

Die Kausalanalyse

167

Arbeit fokussierte Themenbereich widmet sich der Erforschung ereignisinduzierter Markenkrisen insbesondere aus dem verhaltenswissenschaftlichen Blickwinkel. Die aus der psychologischen Forschung stammenden Kognitionstheorien stellen eine Grundlage zur Zusammenführung beider Themenkomplexe dar. Die Modellentwicklung erfolgte in zwei Schritten. Anfänglich wurde postuliert, dass folgende Konstrukte des Konsumentenverhaltens im Rahmen eines Verhaltensmodells zusammenwirken: Verleugnung, Risikowahrnehmung, Einstellungsänderung sowie Intention zur Verhaltensänderung. Es wurde davon ausgegangen, dass die Verleugnung der erhaltenen Information einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung der verschiedenen Risikobestandteile der ereignisinduzierten Markenkrise, auf die Einstellungsänderung sowie auf die Intention zur Verhaltensänderung ausübt. Je stärker eine Information verleugnet wird, desto geringer wird dementsprechend das Risiko wahrgenommen, die Einstellung verändert sich in einem geringeren Ausmaß und auch die Intention zur Verhaltensänderung fällt geringer aus. Darüber hinaus wurden positive Zusammenhänge jeweils zwischen den Konstrukten Risikowahrnehmung, der Einstellungsänderung und der Intention zur Verhaltensänderung angenommen. Aufgrund der gewonnenen Datengrundlage konnten diese Zusammenhänge im Rahmen einer Kausalanalyse deutlich bestätigt werden. Die Analyseergebnisse werden als Zwischenziel dieser Arbeit angesehen. Hauptanliegen der vorliegenden Arbeit ist darüber hinaus die Integration des Konstrukts Markenbeziehungsqualität als einflussgebende Variable in das diskutierte Verhaltensmodell insbesondere im Spezialfall der betrachteten Einwirkung von Markenkrisen. Anknüpfend an die Entwicklung des Teilmodells wurde demnach davon ausgegangen, die Steigerung der Markenbeziehungsqualität erhöhe den Grad der Verleugnung der im Zeitungsartikel enthaltenen Information und resultiere sowohl in einer geringeren Veränderung der Einstellung als auch in einem geringeren Ausmaß der Intention zur Verhaltensänderung. Es konnten folgende Ergebnisse durch die Analyse der Kausalzusammenhänge erzielt werden: Für die Markenbeziehungsqualität wurde ein positiver Einfluss auf die Verleugnung nachgewiesen. Konsumenten, die eine höhere Markenbeziehungsqualität aufweisen, tendieren demnach dazu, negativen Informationen keinen Glauben zu schenken. Sie wehren die Information ab, indem sie sie als abwegig einstufen. Diese Informationsabwehr führt zu einer geringeren Wahrnehmung des in der Information der ereignisinduzierten Markenkrise implizierten Risikos. Im Gegensatz zum angenommenen direkten Einfluss der Verleugnung auf die Veränderung der Einstellung konnte dieser lediglich gering und somit nicht bestätigend erkannt werden. Durch die kausalanalytische Vorgehensweise und die resultierende Vernetzung der Konstrukte kann an dieser Stelle jedoch ein indirekter Effekt zwischen den betrachteten Konstrukten nachgewiesen werden, der über die moderierende Variable Risikowahrnehmung verläuft. Gleiches gilt für den Einfluss der Verleugnung auf die Intention zur Verhaltensänderung, der auf zwei Pfaden indirekt ausgeübt wird. Die Markenbeziehungsqualität wirkt sich neben der positiven Beeinflussung der Verleugnung direkt negativ auf die Risikowahrnehmung aus, wobei dieser Einfluss sehr gering ist. So lässt sich schlussfolgern, dass die Existenz und vor allem die Stärke der Markenbeziehung zwischen Konsument und Marke einen deutlich negati-

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D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

ven Totaleffekt auf die Wahrnehmung des durch die Krise implizierten Risikos ausüben. Zusätzlich wurde bestätigt, dass die Qualität der Markenbeziehung zu einer Stabilität der Einstellung beiträgt. Die Einstellungen ändern sich in einem geringeren Ausmaß bei steigendem Grad der Qualität der Markenbeziehungen. Die aufgezeigten direkten Effekte werden durch die indirekten Effekte sogar zusätzlich verstärkt. Schließlich ist darüber hinaus ein deutlich negativer Einfluss des Bindungsgrads zur Marke auf die Intention zur Verhaltensänderung erkennbar. Weist ein Konsument eine stärkere Markenbeziehung auf, so ist seine Intention zur Verhaltensänderung geringer. Er lässt sich dementsprechend weniger durch die Krise beeinflussen. Auch in diesem Fall unterstreichen die berechneten Totaleffekte die gewonnenen Erkenntnisse. Als zentrales wissenschaftliches Ergebnis ist ein starker Einfluss des Konstrukts Markenbeziehungsqualität auf ausgewählte Aspekte des Konsumentenverhaltens in Krisensituationen von Marken erkennbar. Konsumenten, die eine aktive Beziehung zu einer Marke erfahren, lassen sich dementsprechend weniger durch die Information einer Krise beeinflussen. Die Beziehung erscheint als resistenter gegenüber negativen Einflüssen. Die Verhaltenswirkung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität wurde demnach nachgewiesen. Diese Erkenntnis ist insbesondere im Hinblick auf die anfänglich in dieser Arbeit aufgezeigten Unternehmensziele entscheidend. Durch die Erstellung eines Verhaltensmodells wurden, über die Einflüsse der Markenbeziehungsqualität hinaus, Zusammenhänge zwischen den ausgewählten Verhaltenskonstrukten aufgezeigt. Die Verbindung zwischen der Einstellungsänderung sowie der Intention zur Verhaltensänderung wird in der Literatur häufig diskutiert. Die Daten der vorliegenden Arbeit unterstützen die Annahme des bestehenden Einflusses. Auch die Risikowahrnehmung wird insbesondere im Zusammenhang mit Lebensmittelrisiken als entscheidend zur Erklärung des Verhaltens erachtet. Insgesamt wird parallel zu den theoretisch konzeptionellen Ergebnissen dem Konstrukt Verleugnung und dessen Beeinflussung durch die Markenbeziehungsqualität auch empirisch eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Zusammenführung der Themenbereiche in das resultierende Verhaltensmodell der Konsumenten in Krisenzeiten von Marken zugesprochen. Im Ganzen gesehen wurde durch die Bestätigung des Modells einerseits aufgezeigt, dass starke Beziehungen zwischen Konsumenten und Marken demnach zu Resistenz sowie Stabilität in Krisenzeiten von Marken führen. Andererseits wurde in Bezug auf das gesamte Modell festgestellt, dass die Ausprägung zur Markenbeziehungsqualität neben der Verleugnung, der Risikowahrnehmung, der Einstellungsänderung sowie der Intention zur Verhaltensänderung einen deutlichen Beitrag zur Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen liefert. 2.4.4.2

Ergebnisse der Messmodelle

Hinsichtlich der Messmodelle, die eine bedeutende Rolle sowohl für die weitere Forschung als auch für die Ableitung von Marketingimplikationen einnehmen, werden

3

Quellen der Informationssuche der Konsumenten im Krisenfall

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folgende Ergebnisse erzielt. Empirisch wurde die Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität bestätigt. Demnach besteht eine Markenbeziehung inhaltlich aus den Aspekten Commitment, Intimität, Vertrauen sowie Self-Connection. Zufriedenheit ist entsprechend der vorangegangenen theoretischen Überlegungen auch empirisch als notwendige, jedoch nicht hinreichende Bedingung für eine intensive Markenbeziehung anzusehen. Die Ausprägungen der vier Komponenten gelten dementsprechend gemeinsam als relevant zur Bestimmung der Güte des Konstrukts Markenbeziehungsqualität. In ihrer Faktorladung unterscheiden sie sich nicht stark, wobei erkennbar ist, dass dem Vertrauen eine hohe Bedeutung und der Self-Connection eine eher geringere Rolle zur Erfassung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität zukommt. Das Schlüsselkonstrukt Verleugnung beinhaltet Indikatoren, die inhaltlich eine Informationsabwehr darstellen. So beschreibt die Aussage der Abwegigkeit der Information das Konstrukt sehr stark und auch der Indikator der Nichtvorstellbarkeit erfasst das Konstrukt stärker als der einfache Nichtglaube. Die Risikowahrnehmung im zugrunde liegenden Fall der fiktiven Markenkrise wird stark durch das Gesundheitsrisiko sowie durch das Risiko der Nichterfüllung der Erwartungen erfasst. Als weniger bezeichnend, jedoch ausschlaggebend für die Erfassung des Konstrukts steht das Gesamtrisiko. Die Attribute „perfekt“, „sympathisch“ sowie „hochwertig“ werden in Anbetracht der Krisenmeldung als relevant zur Erfassung der Markeneinstellung identifiziert. Das finale Konstrukt Intention zur Verhaltensänderung, dessen Varianz zu 52,4 Prozent durch das Modell erklärt werden kann, ergibt sich inhaltlich aus der Bereitschaft, sich nach dem Vorfall nach anderen Kaffeemarken umzuschauen, aus der Absicht, diese Marke nicht wieder zu kaufen, sowie nicht mehr so häufig zu kaufen. Zusätzlich wurde die allgemeine Bereitschaft zur Verhaltensänderung abgefragt, die die theoretischen Überlegungen zu deren Relevanz bestätigt.

3

Quellen der Informationssuche der Konsumenten im Krisenfall

Neben den im Kausalmodell zusammengeführten Beziehungen wurde die Informationsquelle erhoben, über die der Konsument im dargestellten Krisenfall nach weiteren Informationen sucht. Hinsichtlich der generellen Bereitschaft, aktiv nach Informationen zu suchen, ist ein negativer Zusammenhang mit der Ausprägung der Markenbeziehungsqualität zu beobachten. Folglich, und im Sinne der zuvor diskutierten Befunde, lassen sich stark gebundene Kunden weniger durch die negative Information beunruhigen und sehen demnach keinen Grund zur eigenständigen Informationssuche. Diese Erklärung wird ferner unterstützt durch eine leicht negative Tendenz des Zusammenhangs zwischen der Verleugnung und der Bereitschaft zur aktiven Informationssuche. Diese Befunde wurden aufgrund von explorativen Analysen (Boxplot) gewonnen. Die Erhebung der Art der Quellennutzung zur Informationssuche ergibt die in Abbildung D16 dargestellten Prozentualitäten.

170

D

Empirische Überprüfung des theoretischen Bezugsrahmens

Abbildung D16: Bezugsquellen der Konsumenten im Krisenfall Quelle: Eigene Erstellung

Für die in dieser Arbeit betrachtete Zielgruppe stellen Zeitungen die am häufigsten betrachtete Informationsquelle im Spezialfall einer Krisensituation von Marken dar. Informationen, die im Freundeskreis diskutiert werden, sowie Zeitschriften werden von mehr als 20 Prozent der Befragten als Informationsquelle genutzt. Eine geringere Bedeutung kommt sowohl dem Geschäftspersonal als auch der Marke als Informationsquellen zu. Auch die Internetrecherche ist innerhalb dieser Zielgruppe wenig bedacht.690 An dieser Stelle ist jedoch insbesondere im Hinblick auf den Trendwandel der Zielgruppe von einer hohen Dynamik speziell im Bereich des Internets auszugehen. Der Bedeutung der theoretisch hergeleiteten sowie empirisch bestätigten Erkenntnisse dieser Arbeit wird im folgenden Teil E durch deren Aufarbeitung im Hinblick auf resultierende Handlungsempfehlungen für das Marketing von Unternehmungen Rechnung getragen. Zusätzlich wird der hohe zukünftige Forschungsbedarf sowohl im Bereich der Markenbeziehungen als auch im Bereich des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen einzeln sowie auch kombiniert diskutiert.

690

Für eine detaillierte zielgruppenbezogene Analyse von Informationsquellen vgl. Hupp, O. (1999), S. 165ff.

E

Resümee und Ausblick

Abbildung E1: Ablauf der Arbeit Kapitel E Quelle: Eigene Erstellung

172

E

Resümee und Ausblick

In Anbetracht der aufgezeigten Herausforderungen an die Unternehmen, die sich aufgrund der in Kapitel A beschriebenen veränderten Rahmenbedingungen ergeben, wurden zu Beginn der vorliegenden Arbeit Ziele definiert, deren Erreichen einen Beitrag zur Lösung der sich ergebenden Probleme leistet. Grundlegend erfolgte eine Dreiteilung in theoretische, methodische und praxisorientierte Ziele. Dieses Kapitel liefert eine Gegenüberstellung der eingangs definierten Ziele mit den entsprechenden im Rahmen dieser Arbeit generierten Erkenntnissen. Zusätzlich wird der sich ergebende zukünftige Forschungsbedarf aufgezeigt.

1

Gewonnene Erkenntnisse

1.1

Theoretische Erkenntnisse

Das vorrangige theoretische Ziel dieser Arbeit war die erstmalige Entwicklung eines umfassenden Modells zur Erklärung der determinierenden Wirkung vorherrschender Konsumenten-Markenbeziehungen auf das Konsumentenverhalten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen auf Basis des aktuellen Forschungsstands. Zwei elementare Unterziele lagen zugrunde, die sich in Anlehnung an die inhaltliche Zweiteilung der Theoriefundierung ergeben. So war es einerseits ein theoretisches Anliegen der vorliegenden Arbeit, die Relevanz des dem identitätsorientierten Verständnisses der Markenführung entstammenden Konstrukts Markenbeziehungsqualität durch die Überprüfung dessen Verhaltenswirkung im Spezialfall der Krisenvorkommnisse überzeugend aufzuzeigen. Andererseits wurde beabsichtigt, auf Basis aktuellster Literatur ein Modell zur Erklärung des Verhaltens von Konsumenten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen zu entwickeln, das durch eine Auswahl der kontextrelevanten Konstrukte sowie deren Wirkungszusammenhänge entstehen sollte. Abweichend von der Zielsetzung eines Totalmodells – der Identifikation aller existierenden Einflussfaktoren – lag dieser Arbeit vor allem die Absicht zugrunde, neuheitliche Erkenntnisse hinsichtlich der einflussgebenden Funktion bestehender Konsumenten-Markenbeziehungen, erfasst durch das Konstrukt Markenbeziehungsqualität, im Krisenkontext zu erlangen. Aufgrund des Mangels an einer einheitlich anerkannten Konzeptualisierung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität, musste im Rahmen der vorliegenden Arbeit eingangs eine grundlegende und sehr umfangreiche theoretische Aufarbeitung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität erfolgen. Unter Beachtung des aktuellen Stands der Literatur und Überlegungen zum Kontextbezug wurden die Konstrukte Commitment, Intimität, Vertrauen und Self-Connection als inhaltliche Bestandteile des mehrdimensionalen Konstrukts Markenbeziehungsqualität identifiziert. Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen, dass sich die gewählte Zusammenstellung der Konstruktdimensionen als Konzeptualisierung auch für zukünftige Erforschungen des Themenbereichs durchaus eignet. Weiterhin wurde sowohl auf Basis von Erkenntnissen der Psychologie als auch des Konsumentenverhaltens ein Grundmodell zum Konsumentenverhalten in ereignis-

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Gewonnene Erkenntnisse

173

induzierten Markenkrisen erarbeitet. Die Auswahl der Konstrukte erfolgte auf Basis ausgewählter Kognitionstheorien, zusätzlich wurde sich an bestehenden Erklärungsansätzen der Fachliteratur orientiert. Als Resultat boten sich aufgrund der Kontextrelevanz die Konstrukte Verleugnung, Risikowahrnehmung, Einstellungsänderung und Änderung der Verhaltensintention an. Unter Beachtung der Wirkungszusammenhänge zwischen den Konstrukten wurde ein Verhaltensmodell entwickelt. Durch die Integration der Teilergebnisse wurde ein neuartiges kausalanalytisches Modell entwickelt, das sowohl die moderierende Funktion des Konstrukts Markenbeziehungsqualität aufzeigt als auch einen Erklärungsbeitrag zum situationsspezifischen Konsumentenverhalten liefert. Sämtliche Wirkungszusammenhänge wurden berücksichtigt und resultierend wurden direkte sowie indirekte Effekte deutlich. Die empirische Überprüfung des Modells bestätigte eindeutig die postulierten Kausalitäten. So kommt der facettenreichen Verbindung zwischen Konsumenten und Marken, erfasst durch das Konstrukt Markenbeziehungsqualität, im Krisenkontext eine hohe Verhaltenswirkung zu. Es wurde erstmalig im zugrunde liegenden Kontext detailliert festgestellt, dass die Ausprägungen der Dimensionen Commitment, Intimität, Vertrauen und Self-Connection entscheidend für das Krisenverhalten der Konsumenten sind. Eine hohe Ausprägung reduziert demnach negative Auswirkungen der Krise auf die verhaltenswissenschaftlichen Zielgrößen. Als resultierender Faktor ist die Intention zur Verhaltensänderung zu nennen, dem die Verhaltensaspekte Verleugnung der Krise und Risikowahrnehmung sowie Einstellung bzw. deren Änderung vorgeschaltet sind und auch an dieser Stelle die angenommenen Kausalitäten vorweisen. Aufgrund der Erkenntnisgewinne der vorliegenden Arbeit wird empfohlen, das Modell als Basis zur vertieften Erforschung des Themenbereichs heranzuziehen. An dieser Stelle sei zusätzlich auf die erstmalige Integration der Zielgruppenspezifik hingewiesen. So wurde die Existenz von Konsumenten-Markenbeziehungen bei der ausgewählten Zielgruppe bestätigt. Allgemein konnte ein Verhaltensmodell entwickelt werden, das die Besonderheiten der stark homogenen und bedeutenden Zielgruppe Frauen ca. 50+ berücksichtigt und demnach entsprechende Erkenntnisgewinne liefert. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass die Auswahl der Konstrukte limitiert bleibt. Weitere kontextnahe Konstrukte könnten sowohl auf der unabhängigen als auch auf der abhängigen Modellseite zugefügt werden, die die Ergebnisse dieser Arbeit insbesondere im kausalanalytischen Sinne verändern könnten. Darüber hinaus bleibt zu anzumerken, dass das Modell lediglich einmalige Veränderungen erfasst, die in der Realität in der Regel als Prozess ablaufen. Beispielsweise ist es wahrscheinlich, dass die Aufnahme weiterer Informationen stets zu weiteren Veränderungen der Einstellung bzw. der Verhaltensintention führt. Demnach bildet die Realität eher eine Abfolge von mehreren Einstellungs- und Verhaltensänderungen ab, die durch die Modellierung innerhalb dieser Arbeit nicht erfasst werden. Das vorliegende Modell könnte demnach einer Erweiterung durch die zeitliche Komponente als Basis dienen.

174

1.2

E

Resümee und Ausblick

Methodische Erkenntnisse

Das methodische Hauptziel der vorliegenden Arbeit war die Überprüfung der aufgezeigten Kausalzusammenhänge, die in einem theoretischen Bezugsrahmen zusammengeführt wurden und in dem im Mittelpunkt dieser Arbeit stehenden Strukturgleichungsmodell resultieren. Ein methodisches Unterziel war die Entwicklung von deutschsprachigen Messmodellen für sämtliche Modellbestandteile, die den in der Literatur postulierten Güteanforderungen entsprechen. Die auf der Konzeptualisierung basierende Operationalisierung der Konstrukte ergab einzelne Indikatoren. Ein zweistufiges Prüfverfahren wurde durchgeführt, um die Güte der Messmodelle beurteilen zu können. In Anbetracht der Zielgruppenspezifik dienten qualitative Voruntersuchungen der Optimierung der Indikatorenformulierung, da Konsumenten bis ins hohe Alter befragt wurden, bei denen die inhaltliche Klarheit von besonderer Bedeutung war. Es zeigte sich, dass die Messmodelle überaus zufrieden stellende Werte der Gütekriterien aufwiesen und auch an dieser Stelle zukünftigen Forschungsarbeiten als Grundlage dienen können. Insbesondere sei dabei die Messung des mehrdimensionalen Konstrukts Markenbeziehungsqualität zu betonen. Die zugrunde liegenden inhaltlichen Bestandteile gingen als Teilmessmodelle in die Messung ein, die sich aus den arithmetischen Mittelwerten der Indikatoren ergaben. Es entstand erstmalig in dieser Form ein deutschsprachiges Messinstrumentarium, das den aktuellen Stand der Forschung abbildet und das zukünftigen Forschungsvorhaben als Basis dienen kann. Die Messung der Einstellungsänderung erwies sich jedoch als problematisch. Zurückzuführen sind die unerwünschten Werte auf die indirekte Messung des Veränderungskonstrukts durch die Differenzbildungen. In zukünftigen Forschungsarbeiten sollte die Messung dieses Konstrukts optimiert werden. Über die Entwicklung der Messmodelle hinaus war es ein methodisches Ziel der vorliegenden Arbeit, ein Befragungsdesign zu entwickeln, das die Erhebung der beinhalteten Konstrukte auf Basis des fiktiven Krisenszenarios ermöglichte. Die Aufteilung der Erhebung in zwei Befragungszeitpunkte gestattete die Integration der Kenntnisnahme der ereignisinduzierten Markenkrise. Auf diese Weise konnte auch die Veränderung der Einstellung als Differenz der Attributsbeurteilungen erhoben werden. Zusätzlich wurde die individuelle Anpassung an die reale bevorzugte Kaffeemarke ermöglicht. Die angewandte Befragungsweise hat sich insgesamt als erfolgreich herauskristallisiert und kann demnach zukünftigen Forschungsarbeiten als Anregung dienen. Es sei darauf hingewiesen, dass durch die Wahl der fiktiven Krise die Frage der externen Validität kritisch angesehen werden kann. Obwohl diese Vorgehensweise in diesem Fall ohne Alternative verbleibt, sollten zukünftige Forschungsarbeiten diesen Aspekt berücksichtigen. Es sei zusätzlich auf zwei Probleme des Erhebungsvorgehens hingewiesen. So mussten zahlreiche Fragebögen aussortiert werden, da teilweise zwar der erste Fragebogen beantwortet wurde, die Befragten jedoch nicht bereit waren, erneut einen Fragebogen auszufüllen. So konnten die erhobenen Daten des ersten Fragebogens nicht berücksichtigt werden. Eine optimierte Organisation der Befragungszeitpunkte bietet sich demnach an.

1

Gewonnene Erkenntnisse

1.3

175

Praxisorientierte Erkenntnisse

Vorrangiges praxisorientiertes Ziel war es, durch die detaillierte Kenntnis des Konsumentenverhaltens in plötzlich auftretenden ereignisinduzierten Markenkrisen, Handlungsempfehlungen abzuleiten, durch die Unternehmen sich sowohl präventiv schützen als auch während und nach dem Ereignis angemessen handeln können und die weit über die Ansätze der klassischen Krisenkommunikation hinausgehen. So widmete sich diese Arbeit insbesondere der Krisenprävention durch den Aufbau starker Markenbeziehungen. Auf Basis der theoretischen und methodischen Erkenntnisse erwies sich das Konstrukt Markenbeziehungsqualität als besonders wirksam in der Verringerung der negativen Auswirkungen einer ereignisinduzierten Markenkrise. Die im Konstrukt beinhalteten Dimensionen Commitment, Intimität, Self-Connection und Vertrauen lassen sich demnach als wirkungsrelevant erachten. An dieser Stelle werden konkrete Handlungsempfehlungen für die Unternehmen gegeben. Die identifizierten Marketinginstrumente entstammen verschiedenen Bereichen des Marketingmix. Aufgrund der Vielfältigkeit der Marketingmixinstrumente können lediglich exemplarische Empfehlungen gegeben werden. Zunächst sei der Aufbau starker Markenbeziehung als Krisenprävention in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt. In Anbetracht der Intention des Aufbaus sowie der Verstärkung dieser Beziehung muss vorerst auf die Aktivität der Marke hingewiesen werden, die als Grundvoraussetzung zum Verständnis der Marke als Beziehungspartner gegeben sein muss. Es sollte demnach grundsätzlich eine Strategie verfolgt werden, die auf die Interaktion zwischen Konsument und Marke abzielt. Im Hinblick auf Fortbestand bestehender Beziehungen sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass einmalige Aktionen nicht ausreichen, um die Anerkennung der Marke als Beziehungspartner sicherzustellen und demnach ein nachhaltiges Markenmanagement erforderlich ist. Im Rahmen dieser Arbeit kristallisierten sich vier inhaltliche Dimensionen als verhaltensrelevant heraus. Die Konzeptualisierung sowie die Operationalisierung dieser Dimensionen liefern eine Grundlage zur Ableitung der Handlungsempfehlungen, die unabhängig von der Einwirkung einer ereignisinduzierten Markenkrise als präventive Maßnahmen ergriffen werden sollen. Die Konstrukte werden sukzessiv diskutiert. • So stellt Commitment die langjährige Verbindung zwischen dem Konsumenten und der Marke in den Vordergrund. Zum Aufbau bzw. zur Sicherung des Commitments empfiehlt sich demnach der Einsatz von Marketinginstrumenten, die Appelle an die Loyalität bzw. die langjährige Verbindung zwischen Konsument und Marke ermöglichen. So könnten beispielsweise Direct Mailings für Stammkunden versandt werden, die sich für die langjährige Treue bedanken. Gegebenenfalls könnten spezielle Produktangebote oder besondere Auszeichnungen angeboten werden, um das Gefühl des Commitments zu stärken. Auch eine exklusive Zeitschrift für langjährige Kunden mit entsprechender Kommunikation könnte das Gefühl der Loyalität und Zugehörigkeit vertiefen. Darüber hinaus eignen sich auch Kundenclubs, um das Gefühl der langjährigen Bindung zu generieren.

176

E

Resümee und Ausblick

• Auch dem Vertrauen kommt eine hohe Bedeutung zu. Vertrauen ergibt sich aus der Verlässlichkeit des Beziehungspartners sowie der Erfüllung bestehender Erwartungen. Entsprechend sollte sich das Unternehmen in der Ausrichtung der Marketingaktivitäten des gesamten Marketingmix an diesen Erwartungen der Konsumenten orientieren. Ständige Qualitätsüberwachungen und Marktforschung im Sinne der Zufriedenheitsmessung der Konsumenten ist demnach eine Voraussetzung, um Vertrauen im Sinne der Leistungserfüllung zu erreichen. Über diese hinaus ist die „Intentionality“ insbesondere in Anbetracht der Kommunikation des Unternehmens von besonderer Bedeutung. Die „gute Absicht“ sollte kommuniziert werden. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass eine umgehende Beantwortung einer Konsumentenanfrage den Eindruck der besonderen Beachtung und Schätzung der Konsumenten hinterlässt, die für den Aufbau und Erhalt des Vertrauens als ausschlaggebend erachtet werden. Auch die Meinungserhebung der Konsumenten sowie die Kommunikation der Umsetzung gibt dem Konsumenten das Gefühl, dass sich das Unternehmen für ihre Belange interessiere. • Self-Connection als Identifikation mit der Marke ergibt sich im Wesentlichen durch die Teilung gemeinsamer Ideale. Ein Appell an diese Ideale, insbesondere in den Bereichen Kommunikation sowie Produkt, kann die Identifikation der Konsumenten mit der Marke entstehen lassen bzw. ausbauen. So ist es einerseits erforderlich, den Konsumenten Werte und Lebensstile über die Marke zu kommunizieren, mit denen sie sich identifizieren können und entsprechend zum Aufbau der eigenen Persönlichkeit beitragen. Dies kann in sämtlichen Formen geschehen. So kann schon die Verpackung mit einem Hinweis auf Hochwertigkeit und Eleganz oder Sportlichkeit und Modernität in Kombination mit entsprechenden Farben, Werte der Konsumenten treffen, mit denen sie eine Übereinstimmung empfinden. Die klassische Kommunikation und evtl. auch der Einsatz von Prominenten oder Personen starker Persönlichkeiten, die Werte und Lebensstile ausdrücken, eignen sich an dieser Stelle besonders. Auch der Einsatz von Events bietet sich an. Ein klassisches Konzert einerseits und ein Sportereignis andererseits drücken sehr deutlich Lebensstile aus, mit denen Konsumenten sich leicht identifizieren können. Darüber hinaus entsteht „Self-Connection“ durch den Ausdruck dieser Identifikation. So können beispielsweise entsprechend gekennzeichnete Werbeartikel wie Stifte, Schlüsselanhänger etc. die Zugehörigkeit zu einer Marke ausdrücken. Auch Marken-Communities o. Ä. ermöglichen dem Konsumenten eine Identifikationsgewinnung durch die Marke und den Kontakt zu „gleichgesinnten“ anderen Käufern, was wiederum in erhöhter Self-Connection resultiert. • Intimität bezeichnet die Nähe zwischen dem Konsumenten und der Marke und entsteht insbesondere durch die gegenseitige Informationsoffenbarung. So sollten Marketingmaßnahmen auf einen Informationsaustausch abzielen. Entsprechend ist eine Kommunikation zu empfehlen, die einen hohen Informationsgehalt aufweist und zu einem „Kennenlernen“ der Marke führt. Zusätzlich kann versucht werden, die Konsumenten zur Informationsabgabe durch gezielte Maßnahmen wie beispielsweise Preisausschreiben, Internet oder Promotions am Point-of-Sale zu ermutigen. Dabei sollte jedoch sehr vorsichtig vorgegangen werden. Sämtliche

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Gewonnene Erkenntnisse

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Maßnahmen, die auf gemeinsames Kennenlernen abzielen, wie beispielsweise persönliche Promotions mit Informationsgehalt (z. B. Vertreter in Supermärkten mit Produkterklärungen oder Prospekten etc.) und eventuellen Proben in Supermärkten, steigert die Nähe zu den Konsumenten. Auch Events ermöglichen das gegenseitige Kennenlernen und können demnach als ein Instrument zur Intimitätssteigerung angesehen werden. Generell ist der Appell an die Freundschaft zwischen Konsumenten und der Marke sehr wichtig. Ob es durch Direct Mailings, durch Slogans in der klassischen Werbung oder auch durch Produktaufschriften geschieht, der Appell an gegenseitige Freundschaft resultiert in einem Empfinden von Intimität. Ist eine Ausprägung dieser Dimensionen gegeben, die zusammengefasst die Stärke der Konsumenten-Markenbeziehung – gemessen durch den Indikator Markenbeziehungsqualität – ergeben, ist aufgrund der Erkenntnisse dieser Arbeit davon auszugehen, dass Konsumenten in Situationen ereignisinduzierter Markenkrisen ihr Verhalten nicht unvoreingenommen verändern. So ist die Tendenz zur Verleugnung der negativen Informationen und der verringerten Risikowahrnehmung zu erkennen. Geringere Veränderungen der Einstellung und eine geringere Intention zur Verhaltensänderung wurden beobachtet. Bezugnehmend auf die eingangs dargestellten Ziele der Unternehmungen in den heutigen Rahmenbedingungen, wird demnach einem plötzlichen Verfehlen der verhaltenswissenschaftlichen Ziele vorgebeugt. Neben den beabsichtigten Handlungsempfehlungen im Bereich der Krisenprävention liefert diese Arbeit zusätzlich Erkenntnisse, aus denen Handlungsempfehlungen auch für die Reaktion der Unternehmen in der ereignisinduzierten Markenkrise abgeleitet werden können, die über die klassische Krisen-PR weit hinausgehen. Durch die besondere Kenntnis der Konsumenten über ihre bestehenden Markenbeziehungen und deren Komponentenausprägungen kann von der klassischen Massenkommunikation abgesehen werden. Den Konsumenten kann demnach viel gezielter begegnet werden und entsprechend werden Streuverluste reduziert. Die nachfolgend abgeleiteten Maßnahmen basieren neben der Erkenntnis der determinierenden Wirkung der Markenbeziehungsqualität insbesondere auf dem Verständnis der kontextbezogenen Verhaltenskonstrukte sowie deren Wirkungszusammenhängen. Anschließend werden Ansätze aufgezeigt, die der Kommunikation im Krisenfall als Anregungen dienen. Diese Anregungen konzentrieren sich dabei in Abgrenzung zur allgemeinen Literatur des Krisenmanagements auf die gewonnenen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit. 1. Wie aufgezeigt, wirken die inhaltlichen Dimensionen der Markenbeziehung verhaltensregulierend. So kann das Unternehmen versuchen, im Fall der Krise direkt an diese inhaltlichen Dimensionen zu appellieren. Es werden Handlungsalternativen zusammengefasst aufgezeigt, die bei der Kommunikation im Krisenfall beachtet werden sollten. So gelten folgende inhaltliche Richtlinien, deren Beachtung bei der Ausrichtung der Kommunikationsmaßnahmen als relevant erscheinen.

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E

Resümee und Ausblick

1. a) Zur Beibehaltung des Commitments sollten die Loyalität der Marke und die langjährige positive Erfahrung miteinander in den Vordergrund der Kommunikation gestellt werden. Es wird angenommen, dass sich Direct Mailings besonders eignen, um langjährige Kunden betont an die langjährige gute Beziehung und die gegenseitige Loyalität zu erinnern und sich für den Fehler zu entschuldigen. Besonders für traditionelle Unternehmen eignet sich ein Appell an die langjährige Verbundenheit zum Konsumenten. Auch an dieser Stelle ist es wichtig, den Fehler anzuerkennen mit dem Unterton, dass Fehler passieren, doch die Loyalität nicht aufgegeben werden sollte. Gegebenenfalls könnte sich eine kleine Aufmerksamkeit (z. B. Gutschein oder Coupon für nächsten Einkauf) mit der Danksagung für die Treue trotz des Ereignisses und einer Entschuldigung besonders positiv auf das zukünftige Commitment auswirken. Nur durch das Verständnis und das Vergeben der Konsumenten kann das Commitment der Kunden aufrechterhalten bzw. zurückgewonnen werden. 1. b) Besonders relevant ist im Krisenfall der Wiederaufbau der Dimension Vertrauen. Vertrauen basiert auf der Verlässlichkeit der Marke und ist demnach im Fall der zugrunde liegenden ereignisinduzierten Markenkrise besonders sensibel. Eine Aufrechterhaltung dieser Konstruktausprägung gelingt lediglich, wenn der Konsument nicht empfindet, dass sein Vertrauen gebrochen ist. So sollte das Unternehmen den Fehler erklären und offen und ehrlich darüber kommunizieren. Direkte Kommunikation sollte gesucht werden mit der Absicht, die Sympathie der Konsumenten wiederzugewinnen. Denkbar sind Informationsveranstaltungen in Supermärkten oder Mailings. Telefonhotlines und Internetforen sind relevant für ständige Fragenbeantwortungen bzw. Kommunikation mit speziellen Ansprechpartnern für die Erklärung der Vorkommnisse. Es wird davon ausgegangen, dass der Konsument durch offene Aufklärung schneller Vertrauen zurückgewinnt und darüber hinaus sogar durch die ehrliche Handhabung gegebenenfalls sogar eine Verstärkung des Vertrauens entstehen kann. In Bezug auf die Erwartungserfüllung sind in dieser Situation erneute Qualitätskontrollen und Zufriedenheitsprüfungen ratsam und ihr Einsatz sollte wenn möglich auch entsprechend kommuniziert werden. Besonders wichtig ist an dieser Stelle, dem Konsumenten das Gefühl zu geben, die Klärung der Vorkommnisse sei für das Unternehmen sehr wichtig. Eine schnelle Beantwortung von Beschwerden oder Anfragen ist demnach unerlässlich, um den Vertrauensverlust so gering wie möglich zu halten. 1. c) Self-Connection als Identifikation mit der Marke basiert auf dem Teilen von Werten und sollte im Krisenfall entsprechend berücksichtigt werden. Dabei ist empfehlenswert, an geteilte Ideale zu erinnern. Da besonders diese inhaltliche Dimension den Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ermöglicht, liegt es dem Konsumenten nahe, sich bei negativen Schlagzeilen umgehend öffentlich abzugrenzen und demnach den Schaden überzudimensionieren. Entsprechend erscheint auch in diesem Bereich eine gezielte aktive Kommunikation der Marke zu den Konsumenten als sehr wichtig. Positiv beeinflussend könnten demnach beispielsweise Sonderaktionen mit Schwerpunkt auf Werte- und Lebensstilkommunikation sein, die an die alten geteilten Werte erinnern und

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Gewonnene Erkenntnisse

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diese in den Vordergrund stellen. Neben der Anerkennung und sachlichen Erklärung des Fehlers sollten diese geteilten Werte erneut an Bedeutung gewinnen, um den Fehler zügig in Vergessenheit geraten zu lassen. Eine Marketingkampagne mit Schwerpunkt auf Werte und Lebensstile erscheint demnach ratsam. 1. d) Für die Intimität sollte das gegenseitige Kennen in den Vordergrund der Kommunikation gestellt werden. Die Preisgabe der Informationen ist eine Voraussetzung, um offen und aufrichtig zu wirken, insbesondere in Anbetracht der Vorkommnisse. Um das Zugehörigkeitsgefühl der Konsumentengruppen wiederzugewinnen, ist wiederum persönliche Informationsmöglichkeit unerlässlich. Wie schon im Bereich des Vertrauens sind für langjährige Kunden Mailings mit hohem Aufklärungsgrad elementar. Darüber hinaus sind Markenvertreter mit Informationsständen exemplarisch denkbar, um Nähe und Kontaktmöglichkeiten zu bieten. Auch Internetforen oder Clubtreffen o. Ä. könnten angeboten werden, die erneut Interaktionen zwischen Marke und Konsumenten sowie auch unter den verschiedenen Konsumenten ermöglichen. Es ist unbedingt notwendig, den Konsumenten das Gefühl zu geben, sie wüssten, was passiert ist. Nur durch deren hohe Kenntnis der Marke und des Unternehmens kann demnach gegebenenfalls das Verständnis für die Vorkommnisse verstärkt werden. Neben der Klärung der Sachlage kann so eventuell sogar das durch das Ereignis induzierte Interesse der Konsumenten als eine positive Einflussmöglichkeit genutzt werden. 2. Neben den aufgeführten Dimensionen der Markenbeziehungsqualität, deren Ausprägungen als Prädispositionen im Hinblick auf die Reaktion der Unternehmen berücksichtigt werden sollten, gibt die Identifikation der kontextrelevanten Verhaltenskonstrukte zusätzliche Anhaltspunkte zur Verringerung der negativen Auswirkungen des Krisenereignisses. So hat sich beispielsweise das Konstrukt Risikowahrnehmung direkt sowie indirekt als entscheidend zur Beeinflussung der Intention zur Verhaltensänderung herauskristallisiert. An dieser Erkenntnis könnte das Unternehmen in der Entwicklung von Kommunikationsstrategien ansetzen und eine geringe Risikowahrscheinlichkeit bei Konsumenten mit geringem Beziehungsqualitätsgrad in den Vordergrund stellen, da diese nicht allein durch die betrachtete Prädisposition durch die aufgezeigte Verleugnung der negativen Information auf diese geringe Risikobeurteilung kommen. 3. Hinsichtlich der Informationsquelle für die eigenständige Informationssuche der Konsumenten hat sich herausgestellt, dass die im Fokus der vorliegenden Arbeit stehende Zielgruppe sich im zugrunde liegenden Krisenkontext insbesondere durch Zeitungen informiert. So kommt einer guten Öffentlichkeitsarbeit der Unternehmen eine besondere Bedeutung zu. Auch die Umstellung von Werbungsaktivitäten erscheint relevant, könnte sich jedoch gegebenenfalls nicht umgehend umsetzen lassen. Darüber hinaus hat sich der Freundeskreis des Konsumenten als relevante Informationsquelle herauskristallisiert. Eine aktive Ansprache beispielsweise durch Direct Mailings an gebundene Kunden wird demnach empfohlen, da davon ausgegangen wird, dass diese Investition entsprechend eine verstärkte Wir-

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Resümee und Ausblick

kung durch Weitererzählungen erzielen kann. Laufende Werbungen sollten dahingehend betrachtet werden, ob die ihnen zugrunde liegenden Inhalte an die neue, durch das Krisenereignis entstandene Situation angepasst werden müssen. Über die abgefragten klassischen Informationsquellen hinaus hat sich die Verbraucherzentrale als häufig kontaktiertes Medium herausgestellt. Unternehmen sei demnach empfohlen, diesen Zentralen umgehend Informationen zur Aufklärung der Sachlage bereitzustellen und eine offene Kommunikation zu betreiben, um die Multiplikatorwirkung zu vermeiden. Über diese allgemeinen Hinweise hinaus implizieren die Erkenntnisse dieser Arbeit, dass Konsumenten aufgrund ihrer Prädispositionen unterschiedliche Verhaltensweisen im zugrunde liegenden Kontext ereignisinduzierter Markenkrisen aufweisen. So sollte von einer einheitlichen Krisenkommunikation abgesehen werden. Gebundene Konsumenten tendieren dazu, die negativen Informationen eigenständig zu verleugnen. Die entsprechende Kommunikation könnte diese Konsumenten in ihrer Haltung bestärken. Ungebundene Konsumenten hingegen sollten vielmehr über eine objektive Aufklärung von einem geringen Risiko bzw. einer ehrlichen Aufklärung der Sachlage überzeugt werden. Eine eher sachliche Kommunikation mit ungebundenen Konsumenten eignet sich im Gegensatz zu einer eher emotionalen Ansprache der gebundenen Kunden. Diese aufgezeigten allgemeinen und spezifischen Ansätze können in der Umsetzung der Kommunikation kombiniert erfolgen. Zusammenfassend zeigt sich, dass die vorliegende Arbeit durch die Identifizierung der determinierenden Wirkung des Konstrukts Markenbeziehungsqualität auf ausgewählte Konstrukte des Konsumentenverhaltens einen Erklärungsbeitrag zum Konsumentenverhalten in ereignisinduzierten Markenkrisen liefert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden theoretische Erkenntnisse in den aufgezeigten Themenbereichen gewonnen, die durch das Erreichen der methodischen Ziele empirisch bestätigt wurden. Darauf aufbauend gelang es, Handlungsempfehlungen abzuleiten, die den Unternehmen insbesondere im Rahmen der eingangs dargestellten veränderten Rahmenbedingungen sowohl durch konstante Krisenprävention als auch durch optimiertes Krisenmanagement dazu verhelfen, die Beziehungen zwischen Marken und Konsumenten fortzuführen bzw. zu intensivieren und entsprechend eine Kundenabwanderung zu vermeiden. Nur so kann ein erfolgreiches Fortbestehen von Marken und Unternehmen unter den derzeitigen Rahmenbedingungen gewährleistet werden.

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Zukünftiger Forschungsbedarf

Da die Forschung hinsichtlich der Erklärung des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen derzeit bei weitem nicht ausgereift ist, kristallisierte sich ein hoher zukünftiger Forschungsbedarf heraus, dessen Schwerpunkte nachfolgend diskutiert werden. Die Konzentration dieser Arbeit auf den Einflussfaktor Markenbeziehungsqualität, zugunsten einer detaillierten Aufarbeitung und Wirkungsbetrachtung des Konstrukts,

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Zukünftiger Forschungsbedarf

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resultiert in einer Vernachlässigung weiterer Einflussfaktoren. Entsprechend liegt die Ergänzung durch kontextnahe Konstrukte, wie beispielsweise der Kongruenz zwischen Marken- und Konsumentenpersönlichkeit nahe. Darüber hinaus erscheint die Ergänzung weiterer abhängiger Konstrukte aus dem Bereich des Konsumentenverhaltens als geeignet, um den Erklärungsgrad des Konsumentenverhaltens in ereignisinduzierten Markenkrisen zu erhöhen. Es könnte einerseits eine Vertiefung der kognitiven Vorgänge erfolgen, andererseits bzw. simultan eignet sich die Integration von emotionalen Aspekten, bei denen von einer Beeinflussung durch die Markenbeziehungsqualität auszugehen ist. Weiterhin ergibt sich zukünftiger Forschungsbedarf aufgrund der dieser Arbeit zugrunde liegenden Zielgruppenspezifik. So wurde das Modell zwar allgemeingültig entwickelt, die im Hinblick auf die empirische Überprüfung erfolgte Spezifizierung limitierte die Übertragbarkeit der Ergebnisse jedoch. Entsprechend erscheint eine vertiefte Erforschung von Differenzen beispielsweise hinsichtlich der Kulturen, der Geschlechter sowie des Alters erforderlich. Diese Aussage gilt sowohl für den Bereich der Erforschung der Konsumenten-Markenbeziehungen als auch für den Bereich des Krisenverhaltens. Auch im Hinblick auf die Zusammenführung der Themenkomplexe wird davon ausgegangen, dass es entsprechend zu differierenden Kausalzusammenhängen kommt. Eine auf einen Vergleich abzielende Untersuchung könnte Aufschluss über entsprechende Differenzen geben. Betont sei weiterhin die Spezifik der dieser Arbeit zugrunde liegenden fiktiven Markenkrise, aus der sich zukünftiger Forschungsbedarf ergibt. Mit dem Ziel einer umfassenden Analyse der Risikowahrnehmung wurde im Rahmen dieser Arbeit, auf der Basis von quantitativen Vorstudien innerhalb der Zielgruppe, eine Krise entwickelt, die sowohl produktattributsspezifische als auch ethische Aspekte beinhaltete. Eine Erforschung der einzelnen Wirkungen ist jedoch wünschenswert. So ist es möglich, dass die determinierende Wirkung der Markenbeziehungsqualität zwar im Fall einer produktspezifischen negativen Information nachweisbar ist, ethische Aspekte jedoch eine hohe Wirkungsintensität aufweisen und demnach die Verhaltenswirkung der Markenbeziehungsqualität entsprechend verringern. Darüber hinaus ist eine Betrachtung verschiedener Krisenintensitäten zu erforschen. Beispielsweise könnte ein Skandal durch dessen öffentliche Bekanntheit die determinierende Wirkung der Beziehungsqualität verringern. Entsprechend wird die Notwendigkeit zur vertiefenden Erforschung der Wirkungsweise einzelner Dimensionen des Einflussfaktors bzw. weiterer Determinanten verdeutlicht. Zu untersuchen bleibt außerdem die Quelle der Krisenmeldung, die mit unterschiedlicher Glaubwürdigkeit einhergeht. So erscheinen die Quellen TV-Nachrichten bzw. „Word-of-Mouth“ zwei Endpunkte eines Kontinuums darzustellen. Letztlich sei darauf hingewiesen, dass diese aufgeführten Forschungshinweise lediglich exemplarisch gelten. Darüber hinaus ist die Vielfältigkeit notwendiger Forschungsvertiefungen innerhalb dieses noch sehr unerforschten und doch sehr viel versprechenden Themenbereichs zu betonen.

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Anhang:

Indikatoren im Überblick

Konstrukt, Itemnummer Operationalisierung Markenbeziehungsqualität Messmodell Commitment Ich schätze diese Marke schon über einen längeren Zeitraum und werde das auch zukünftig tun. Ich kann mir vorstellen, diese Kaffeemarke auch noch nächstes Jahr zu kaufen. Ich bezeichne mich der Marke gegenüber loyal. Ich muss mich nicht nach anderen Kaffeemarken umschauen, da ich glücklich mit meiner Marke bin. Ich fühle mich dieser Kaffeemarke aufgrund der langen Treue schon irgendwie verbunden. Ich würde auch bei der Marke bleiben, wenn eine Preissteigerung stattfände. Wenn das Produkt nicht vorrätig ist, wäre ich auch bereit, meinen Kauf zu verschieben oder anderswo zu suchen. Messmodell Intimität

Ich hätte keine Bedenken, dem Unternehmen meiner Kaffeemarke persönliche Daten von mir anzuvertrauen, damit wir uns gegenseitig noch besser kennen lernen können. Ich kann von mir sagen, dass ich sehr viel über diese Marke weiß. Ich bin der Meinung, diese Marke kümmert sich um die Interessen der Konsumenten. Ich kann sagen, dass ich die Marke verstehe. Wenn diese Marke eine Person wäre, könnten wir bestimmt enge Freunde werden.

Messmodell Vertrauen

Dieser Kaffee erfüllt meine Erwartungen. Ich vertraue dieser Kaffeemarke. Diese Marke hat mich noch nie enttäuscht. Die Marke garantiert Zufriedenheit. Die Marke ist ehrlich und nimmt meine Bedürfnisse ernst. Messmodell Self-Connection Die Marke steht für Ideale, über die auch ich mich definieren kann. Ich lasse mich gern von Eigenschaften meiner Kaffeemarke anstecken. Ich fühle eine Art Zugehörigkeit zu anderen Käufern dieser Marke, da wir alle sicherlich Ähnliches anstreben. Dass ein anderer Mensch die gleiche Kaffeemarke kauft, verrät, dass er mir doch recht ähnlich ist.

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Verleugnung

Risikowahrnehmung

Einstellungsveränderung Messmodell Perfekt Messmodell Qualitativ hochwertig Messmodell Sympathie Intention zur Verhaltensänderung

Quelle: Eigene Erstellung

Anhang

Ich zeige gern, dass ich mich für diese Kaffeemarke entschieden habe. Durch meine Wahl der Marke kann ein Außenstehender erkennen, was mir im Leben wichtig ist. Die Marke meines Kaffees passt aktuell zu meinem Lebensstil. Durch die Wahl meiner Kaffeemarke kann man schon einige Rückschlüsse auf meine Person ziehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Meldung wirklich wahr ist, denn ich vertraue meiner Kaffeemarke. Als abwegig würde ich die Meldung nicht ansehen – vielleicht ist die Marke wirklich verantwortlich. (umkodiert) Geschrieben wird viel – aber über meine Kaffeemarke glaube ich das nicht. Gesamt gesehen, wie hoch schätzen Sie nach dieser Meldung das mit dem Kauf dieses Kaffees verbundene Risiko ein? Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass der nächste Kauf dieser Kaffeemarke nicht Ihren Erwartungen entspricht? Wie hoch ist Ihrer Ansicht nach die Wahrscheinlichkeit, dass Sie beim Kauf des Kaffees auch Ihre Gesundheit gefährden könnten? Perfekt, Zeitpunkt 1 Perfekt, Zeitpunkt 2 Qualitativ hochwertig, Zeitpunkt 1 Qualitativ hochwertig, Zeitpunkt 2 Sympathie, Zeitpunkt 1 Sympathie, Zeitpunkt 2 Ich ändere mein Verhalten gar nicht. (umkodiert) Ich kaufe diese Marke genauso häufig wie bisher. (umkodiert) Ich kaufe diese Marke nicht mehr. Sicherlich schaue ich jetzt erst einmal nach einer anderen Kaffeemarke.