Komplexität in Organisationen : organisationstheoretische Betrachtungen und agentenbasierte Simulation
 9783835054035, 3835054031 [PDF]

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Zitiervorschau

Henning Bandte Komplexität in Organisationen

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Henning Bandte

Komplexität in Organisationen Organisationstheoretische Betrachtungen und agentenbasierte Simulation

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Joachim Hentze

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Techn. Universität Braunschweig, 2006 Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

1. Auflage August 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Stefanie Brich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0578-5

Geleitwort

V

Geleitwort Die Bedeutung von Komplexität in Unternehmen nimmt, u. a. durch abnehmende Aussagekraft idealisierter Produktlebenszyklen, sich dynamisch wandelnder Kundenbedürfnisse und neue Möglichkeiten und Anforderungen der Beschaffung, zu. Aus Mangel an wissenschaftlich fundierten und umsetzungsorientierten Alternativen reagieren Management von Großunternehmen und Unternehmensberater jedoch bis heute mit Instrumenten, die sich in der Vergangenheit (bis Mitte der 1990er Jahre) bewährt haben. Diese Instrumente sind vor allem durch die Reduktion von Komplexität in Organisationen gekennzeichnet und werden den heutigen unternehmerischen Herausforderungen nicht in angemessener Weise gerecht. Beispielsweise werden durch den Einsatz starrer und simplifizierender Informationsmanagementsysteme in Verbindung mit Methoden wie Re-Engeneering, Six Sigma und virtuellen Teams Interdependenzen zwischen einzelnen Teilaspekten vernachlässigt. Die Folge sind Spezialisierung, Kollaps von Systemen und ausbleibende Wirkungen von Unternehmensreorganisationen. Daher wird die Forderung nach einem Paradigmenwandel, der vorsieht, Komplexität in Organisationen nicht zu reduzieren, sondern angemessenen zu handhaben bzw. sogar zu produzieren, lauter. Bisher stehen jedoch nur Partialansätze zur Verfügung, um diesen Wandel einzuleiten.

Mit der vorliegenden, von der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig 2006 angenommenen Dissertation liefert Herr Dr. Bandte zentrale Ansätze, die methodischen und theoretischen Forschungsdefizite abzubauen. Er lässt auch den Praktiker nicht mit einem abstrakten Theoriegebäude allein, sondern leistet wertvolle anwendungsbezogene Hinweise, ohne simplifizierende „Kochrezepte“ anzubieten. Das Buch kann sowohl denjenigen, die sich aus wissenschaftlicher Perspektive mit der Handhabung von Komplexität in Organisationen beschäftigen, als auch interessierten Praktikern aus dem Management empfohlen werden.

Ich wünsche dem Buch die ihm gebührende Aufmerksamkeit und Resonanz sowie eine weite Verbreitung.

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Joachim Hentze

Vorwort

VII

Vorwort Die Verwendung bzw. Nutzung des Begriffs Komplexität in Organisationen (Unternehmen) erfolgt in Wissenschaft und Praxis in der Regel im Zusammenhang mit dem Verweis auf eine gestiegene Komplexität und fokussiert im Rahmen der Handhabung von Komplexität primär auf Komplexitätsreduktion – also Vereinfachung und Ausblendung von Interdependenzen. Die Zugrundelegung dieser Denkmodelle hat jedoch nicht zur Lösung der unternehmerischen Herausforderungen geführt, sondern deren Situation noch verschärft. Als viel versprechend gilt, weniger von einer Steigerung, sondern von einer wachsenden Bedeutung der Komplexität auszugehen und sich mit der angemessenen Handhabung dieser auseinander zu setzten.

Gleichzeitig müssen die erheblichen Defizite bezogen auf die Vielschichtigkeit und das Verständnis von Komplexität behoben werden, so dass die Arbeit aufbauend auf einer umfassenden theoretischen Fundierung zunächst eine Spezifikation durch Explikation von Komplexität vornimmt. Für die Handhabung von Komplexität in Organisationen wird sich disziplinübergreifender Denkmodelle der Komplexitätswissenschaft bedient sowie Lösungsansätze mithilfe agentenbasierter Simulation genutzt, um konzeptionelle wie auch umsetzungsorientierte Wege für die Managementpraxis aufzuzeigen.

Dass die Bearbeitung der hier verfolgten Fragestellung für sich eine komplexe Aufgabe darstellte, zeigte sich in der Vielschichtigkeit der Perspektiven auf die Problemstellung als auch in der Vielfalt der Details, die die Fokussierung auf die Schwerpunkte und Forschungsfragen erschwerten. Doch wo, wenn nicht an einer Technischen Universität mit ihren interdisziplinären Studienrichtungen, lassen sich übergreifende Themenkomplexe wie diese besser untersuchen.

Die vorliegende Dissertation entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmensführung, Institut für Wirtschaftswissenschaften, der Technischen Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, die im Sommersemester 2006 als Promotionsschrift mit dem gleichen Titel angenommen wurde.

An dem erfolgreichen Abschluss eines Projektes, wie einer Dissertation, sind stets mehrere Personen beteiligt. Daher geht zunächst mein Dank an meinen akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Joachim Hentze, für die vielfältige Unterstützung bei dem Projekt. Herrn Professor Dr. Herbert Oberbeck danke ich für die Übernahme des Koreferates und Herrn Professor Dr. Thomas Spengler für die Übernahme des Vorsitzes der Promotionskommission.

VIII

Vorwort

Ein weiterer Dank geht an Professor Dr. Andreas Kammel, der durch verschiedene Gespräche das Interesse bei mir weckte, wissenschaftlich zu arbeiten, womit ein zentrales Fundament für das Gelingen der Arbeit geschaffen wurde.

Bei der Erstellung dieser Arbeit haben mich Kollegen und Freunde unterstützt. Besonders möchte ich meinen ehemaligen Kollegen Sebastian Röthele hervorheben, der in allen Projektphasen stets als Diskussionspartner zur Verfügung stand. Weiterer Dank gebührt Hannes Günter, der mich besonders in der Schlussphase bei den Tätigkeiten am Lehrstuhl sehr unterstützt hat. Regine Reebmann danke ich für die intensive Durchsicht des Manuskripts und Oliver Tacke für die technische Unterstützung während der Arbeit.

Last, but not least geht mein herzlichster Dank an meine Familie. Meinen Eltern danke für die Unterstützung während der Ausbildung sowie meinem Bruder für seinen geschwisterlichen und fachlichen Rat. Besonders dankbar bin ich meiner Partnerin Nina Piechatzek, die stets ein offenes Ohr für mich hatte, mich in allen Phasen der Promotion motivierend förderte und mir über einen längeren Zeitraum in einer Art Ausnahmezustand den Rücken frei hielt. Die familiäre Unterstützung war eine wesentliche Voraussetzung für das Gelingen des letztlich sehr erfolgreichen und umfassenden Projekts.

Henning Bandte

Inhaltsverzeichnis

IX

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis...............................................................................................................XV Gleichungsverzeichnis ........................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis.................................................................................................................. XIX

Teil I 1

Einführung ............................................................................................................................. 1 1.1 Betrachtungsgegenstand .........................................................................................................1 1.2 Ausgangssituation und Problemstellung................................................................................2 1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage.........................................................................................11 1.4 Verortung und Eingrenzung des Untersuchungsbereichs....................................................15

2

Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise............................................................................ 17

Teil II 1

Wissenschaftstheoretische, methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen............................................ 19 1.1 Begründung der Forschungskonzeption und -prioritäten ....................................................19 1.2 Spezifikation der wissenschaftsdisziplinären Position und Theorie-Praxis-Verhältnis .....25 1.3 Explizierung und Begründung der Basisannahmen.............................................................31 1.4 Explizierung des Wissenschaftsziels....................................................................................37 1.5 Verortung von Modellen und Simulationen als Forschungsmethoden...............................41 1.6 Beobachter- versus Teilnehmerperspektive .........................................................................44

2

Wissenschaftsdisziplinäre Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität ............................... 47 2.1 Methodische Vorbemerkungen ............................................................................................47 2.2 Formalwissenschaftliche Ursprünge ....................................................................................51 2.3 Realwissenschaftliche Ursprünge ........................................................................................51 2.3.1 Naturwissenschaften .............................................................................................. 51 2.3.1.1 Biologie..................................................................................................... 52

Inhaltsverzeichnis

X

2.3.1.2 Physik, Chemie ......................................................................................... 53 2.3.2 Sozialwissenschaften ............................................................................................. 54 2.3.2.1 Philosophie................................................................................................ 54 2.3.2.2 Psychologie ............................................................................................... 55 2.3.2.3 Soziologie ................................................................................................. 56 2.3.2.4 Wirtschaftswissenschaften ........................................................................ 58 2.4 Interdisziplinäre Ursprünge ..................................................................................................60 2.5 Disziplinübergreifende Ursprünge .......................................................................................63 2.5.1 Kybernetik ............................................................................................................. 63 2.5.2 Systemtheorie......................................................................................................... 66 2.5.3 Spieltheorie ............................................................................................................ 68 2.5.4 Chaostheorie .......................................................................................................... 69 2.5.5 Künstliches Leben und Künstliche Intelligenz ...................................................... 70 3

Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität ............ 72

4

Arbeitsdefinition von Komplexität..................................................................................... 77

5

Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie....................................... 79

6

Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft ........................ 81

7

Zwischenfazit........................................................................................................................ 85

Teil III 1

Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme .............. 89 1.1 Methodische Vorbemerkungen zur Explikation und zum Systembegriff...........................89 1.2 Überlebenssicherung.............................................................................................................94 1.3 Dynamik................................................................................................................................95 1.4 Vielzahl und Varietät............................................................................................................99 1.5 Pfadabhängigkeit ................................................................................................................100 1.6 Rückkopplungen .................................................................................................................102 1.7 Nichtlinearität......................................................................................................................104

Inhaltsverzeichnis

XI

1.8 Offenheit .............................................................................................................................106 1.9 Begrenzte Rationalität ........................................................................................................110 1.10 Selbstorganisation...............................................................................................................112 1.11 Selbstreferenz......................................................................................................................115 1.12 Emergenz ............................................................................................................................115 1.13 Autopoiese ..........................................................................................................................117 1.14 Zwischenfazit......................................................................................................................119 2

Analyse organisationstheoretische Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme........................................................... 119 2.1 Konzeptionelle Vorbemerkungen und Einordnung...........................................................119 2.2 Komplexitätsverneinende-objektivistische Ansätze..........................................................125 2.2.1 Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision..... 125 2.2.2 Präskriptive entscheidungsorientierte Ansätze .................................................... 128 2.2.3 Neue Institutionenökonomische Theorien ........................................................... 131 2.2.4 Situations- und interaktionstheoretische Ansätze ................................................ 133 2.3 Komplexitätsverneinende-subjektivistische Ansätze ........................................................137 2.3.1 Resource-Dependence-Theorie............................................................................ 137 2.3.2 Institutionalistische Ansätze ................................................................................ 141 2.3.3 Informationsverarbeitungsansatz ......................................................................... 145 2.3.4 Ressourcenorientierte Ansätze............................................................................. 149 2.3.5 Verhaltensorientierte Ansätze.............................................................................. 152 2.4 Komplexitätsbejahende-objektivistische Ansätze .............................................................154 2.4.1 Strukturationstheoretische Ansätze...................................................................... 154 2.4.2 Gestaltansatz ........................................................................................................ 157 2.4.3 Systemtheoretische Ansätze ................................................................................ 161 2.4.4 Netzwerktheoretische Ansätze............................................................................. 165 2.5 Komplexitätsbejahende-subjektivistische Ansätze............................................................167 2.5.1 Postmoderne Organisationstheorien .................................................................... 167

Inhaltsverzeichnis

XII

2.5.2 Selbstorganisationsansatz .................................................................................... 170 2.5.3 Konstruktivistisch-interpretative Ansätze............................................................ 172 2.5.4 Evolutionstheoretische Ansätze........................................................................... 178 2.5.5 Deskriptive entscheidungsorientierte Ansätze..................................................... 181 2.6 Zwischenfazit und Vorschau: Würdigung bestehender organisationstheoretischer Ansätze und Ansatzpunkte einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie ...........184

Teil IV 1

Vorbemerkungen zur Modellierung und Simulation ..................................................... 197

2

Modellierung ...................................................................................................................... 198 2.1 Terminologische und konzeptionelle Grundlagen.............................................................198 2.2 Klassifizierung von Modellen ............................................................................................200 2.3 Methodische Aspekte und Rahmenbedingungen der Modellierung .................................206 2.4 Fazit: Modell und Modellierung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften .............213

3

Simulation........................................................................................................................... 214 3.1 Begriffliche Ausgangsbasis und Abgrenzung....................................................................214 3.2 Bewertung ausgewählter Simulationsmethoden und -ansätze ..........................................217 3.2.1 System Dynamics ................................................................................................ 221 3.2.2 Mikrosimulation................................................................................................... 225 3.2.3 Ereignisbasierte Simulation ................................................................................. 228 3.2.4 Mehrebenensimulation......................................................................................... 231 3.2.5 Zelluläre Automaten ............................................................................................ 233 3.3 Fazit: Simulation in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und zusammenfassende Beurteilung der betrachteten Methoden .....................................237

4

Agentenbasierte Simulation .............................................................................................. 240 4.1 Begrifflich-terminologische und methodische Grundlagen ..............................................240 4.1.1 Agent.................................................................................................................... 241 4.1.2 Regel .................................................................................................................... 247

Inhaltsverzeichnis

XIII

4.1.3 Umwelt................................................................................................................. 249 4.1.4 Interaktion............................................................................................................ 251 4.2 Grundlagen zur Konzeption agentenbasierter Simulation.................................................252 4.3 Software ..............................................................................................................................257 4.4 Überprüfung der Eigenschaften komplexer Systeme ........................................................260 4.5 Anwendungsbeispiele.........................................................................................................265 4.6 Kritische Würdigung der agentenbasierten Simulation.....................................................274 5

Zwischenfazit...................................................................................................................... 278

Teil V 1

Zusammenfassung und Ausblick...................................................................................... 281 1.1 Zentrale Ergebnisse und kritische Diskussion ...................................................................281 1.2 Implikationen für die weitere Forschung und Etablierung in der unternehmerischen Praxis .............................................................287

Literaturverzeichnis.................................................................................................................. 291

Abbildungsverzeichnis

XV

Abbildungsverzeichnis Abbildung II-1:

Beziehungen zwischen Wissenschaftstheorie, Organisationstheorie und Organisationspraxis ....................................................................................... 21

Abbildung II-2:

Gegenüberstellung der konventionellen und „methodisch-konstruktiven“ Betrachtung des Verhältnisses von Theorie und Praxis................................. 30

Abbildung II-3:

Ausschnitt der wissenschaftsdisziplinären Ursprünge einer Komplexitätswissenschaft ............................................................................. 48

Abbildung II-4:

Dreidimensionale Einteilung der Wissenschaften ......................................... 49

Abbildung II-5:

Wesentliche Vertreter der Grundlagen einer Komplexitätswissenschaft und Vorreiter zur terminologischen Präzisierung von Komplexität.............. 50

Abbildung II-6:

Organisierte und unorganisierte Komplexität................................................ 65

Abbildung II-7:

Paradoxie der Denkmodelle von LUHMANN und ASHBY......................... 76

Abbildung II-8:

Paradoxie im Rahmen der Handhabung von Komplexität............................. 77

Abbildung III-1:

Dreiteilung des Systembegriffs...................................................................... 91

Abbildung III-2:

Interdependenzen der Eigenschaften komplexer Systeme............................. 93

Abbildung III-3:

Idealisierte Unterscheidung der Systemtypen................................................ 93

Abbildung III-4:

Formen der Dynamik und Systemzustände ................................................... 97

Abbildung III-5:

Grade und Charakteristika der Veränderungsintensität sowie Gerüst des Dynamikbegriffs................................................................ 98

Abbildung III-6:

Rückkopplungsprozesse in sozialen organisationalen Netzwerken............. 103

Abbildung III-7:

Beispielhafte Stabilitätsverteilung von Grenzen in technischen und sozialen Systemen........................................................................................ 109

Abbildung III-8:

Emergenz und organisationale Dynamik ..................................................... 117

Abbildung III-9:

Gruppierung der untersuchten Organisationstheorien ................................. 125

Abbildung III-10: Strömungen organisationstheoretischer Ansätze und Theorien................... 186 Abbildung IV-1:

Zusammenhang von Urbild und Modell...................................................... 199

Abbildung IV-2:

Klassifikationsmerkmale für Modelle ......................................................... 200

Abbildung IV-3:

Idealisiertes Vorgehen in der Modellierung ................................................ 208

Abbildung IV-4:

Entwicklungen gegenwärtig eingesetzter Simulationsansätze .................... 218

Abbildung IV-5:

Abhängigkeit von Puzzle, Problem und Mess in Bezug auf Grad der Entsprechung mit Eigenschaften komplexer Systeme und analytische Lösbarkeit.......................................... 220

Abbildung IV-6:

Anwendungsbereich, Realisierungsmöglichkeiten und methodische Anforderungen von System Dynamics................................... 223

Abbildung IV-7:

Ablauf und Eigenschaften der Mikrosimulation.......................................... 226

XVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung IV-8:

Idealtypischer Ablauf der Warteschlangensimulation ................................. 229

Abbildung IV-9:

Idealisierte Darstellung eines kontinuierlichen, diskreten bzw. ereignisbasierten (Zeit-)Verlaufs in einer Simulation ................................. 229

Abbildung IV-10: Beispielhafter Aufbau eines Zellulären Automaten..................................... 234 Abbildung IV-11: Wirkung von Nichtlinearität in Zellulären Automaten................................ 235 Abbildung IV-12: Beziehung von Agent und Prozess .............................................................. 246 Abbildung IV-13: Zusammenhang zwischen Transmission, Kommunikation und Interaktion.................................................................................................... 252 Abbildung IV-14: Konzeptionelle Unterschiede zwischen agentenbasierter und gleichungsbasierter Simulation in der Repräsentation von Elementen des Urbilds ..... 254 Abbildung IV-15: Beispielhafte Anfangs- und Endzustände einer SCHELLING-Simulation . 266 Abbildung IV-16: Prozessidentifikation (vertikal) und Segmentierung der Arbeitsabläufe (horizontal)........................................... 268 Abbildung IV-17: Prozess- und Aktivitätszuweisung ............................................................... 268 Abbildung IV-18: Identifikation der Agenten und ihrer Aktivitäten am Beispiel der Finanzberichterstattung für institutionelle Anleger ............................... 269 Abbildung IV-19: Identifikation der Risikofaktoren und der Modellumwelt ........................... 269 Abbildung IV-20: Beispielhafte Konfiguration der Verbindungen zwischen Banken und Kunden..................................................................... 271 Abbildung IV-21: Ertragslage der Bank für eine „stay still“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten.................................................................. 272 Abbildung IV-22: Ertragslage der Bank für „follow the leader“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten.................................................................. 273 Abbildung IV-23: Ertragslage der Bank für „customer center“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten.................................................................. 273

Gleichungsverzeichnis

XVII

Gleichungsverzeichnis Gleichung IV-1:

Lineare a) vs. nichtlineare b) Gleichungen in der Modellierung ................. 203

Gleichung IV-2:

Wachstumsrate von a) Beute- und b) Räuberpopulation ............................. 215

Gleichung IV-3:

Exemplarische Zusammensetzung einer Bestandsgröße ............................. 222

Tabellenverzeichnis

XIX

Tabellenverzeichnis Tabelle III-1: Aggregierte Darstellung der Entsprechung der Eigenschaften komplexer Systeme mit den Prämissen bestehender Ansätze in den Organisationstheorien. 188 Tabelle IV-1: Übersicht über Modell- bzw. Klassifikationsmerkmale der Simulationsmethoden und deren Vermögen zur Abbildung von Eigenschaften komplexer Systeme .............................................................................................. 239

Teil I-1: Einführung

1

Teil I 1

Einführung

1.1

Betrachtungsgegenstand

Der Betrachtungsgegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung dieser Arbeit sind Organisationen und ihr Verhalten als komplexes System. Organisationen werden als Ordnungsmuster zur Handhabung von Komplexität bzw. als ein Geflecht von Regelungen zur Sicherstellung der organisationalen

Zweckerfüllung

aufgefasst.

Damit

liegt

der

Arbeit

ein

funktionales

1

Organisationsverständnis zu Grunde. Die Fülle verschiedener Monographien, Aufsätze und Sammelbände sowie der Einzug einer Organisationswissenschaft als eigenständiger Forschungsund Lehrbereich in den Wirtschaftswissenschaften belegen, dass es sich bei Organisationen2 um einen wesentlichen Betrachtungsgegenstand der Unternehmensführung handelt. Komplexe Systeme3 bestehen aus Elementen. Zwischen den einzelnen Elementen sowie den Elementen und der Umwelt herrschen Wechselwirkungen, die auch als Rückkopplungen bzw. Feed-

1

2

3

Vgl. Schreyögg, G./Werder, A. von (2004), Sp. 967ff. „Ausgehend von der Feststellung, daß Unternehmen intern wie in bezug auf ihre Umwelt in hohem Maße vernetzt sind und mit der herkömmlichen linearen Denkweise nicht im Detail erfasst und gestaltet werden können, wird nach Gesetzmäßigkeiten und Ordnungsmustern gesucht, die das Erkennen von Lenkungszusammenhängen und damit die organisatorische Gestaltung ermöglichen [funktionaler Organisationsbegriff; Anm. d. Verf.].“ Gomez, P./Zimmermann, T. (1999), S. 18f. Rekurriert die Argumentation auf einen institutionellen Organisationsbegriff, nach dem die „Organisation ein System ist“ (vgl. Luhmann, N. (2002), S. 16), so wird in der vorliegenden Arbeit von einem „sozialen System“ gesprochen. Da Organisationen (institutionell verstanden) sich durch unterschiedliche, vielfach temporär interagierende Individuen – „Organisation als Prozess“ – auszeichnen (vgl. Weick, K.E. (1995)), ist von einem „brüchigen“ institutionellen Organisationsbegriff auszugehen. Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 5. Ferner ist die vorliegende Verwendung des Organisationsbegriffs gegenüber dem instrumentalen Organisationsverständnis abzugrenzen, das sich auf rationalisierte Arbeitsabläufe und effiziente Unternehmensführung reduziert. Vgl. Hentze, J./Brose, P. (1985), S. 11ff; Hentze, J./Heinecke, A./Kammel, A. (2001), S. 147ff. Der Begriff Organisation bzw. soziales System kann nachfolgend mit dem Terminus „Unternehmung“ bzw. „Unternehmen“ synonym verwendet werden. Das traditionelle Schrifttum unterscheidet zwischen dem betriebswirtschaftlich institutionellen Begriff „Unternehmung“ und dem Rechtsterminus „Unternehmen“ (vgl. St. Galler Schule). Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass sich das Schrifttum nicht ausschließlich auf Wirtschaftsunternehmen bezieht, sondern Unternehmen jeder Form (z. B. auch Kirchen, Vereine) mit einschließt. Vgl. Ulrich, H. (2001f), S. 205ff; Hentze, J./Brose, P./Kammel, A. (1993), S. 138. Die gleichbedeutende Nutzung der Begriffe in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur sowie im allgemeinen Sprachgebrauch setzt sich zunehmend durch. Vgl. Bellinger, B./Vahl, G. (1992), S. 20. Diese Auffassung wird in der Arbeit geteilt und zu Gunsten des Forschungspragmatismus auf die Unterscheidung der Begriffe verzichtet. Der Begriff komplexes System hat seinen Ursprung in denWissenschaftsdisziplinen, wie z. B. der Chaos- und Systemtheorie. Vgl. Kauffman, S.A. (1995), S. 23ff; Bleicher, K. (2004), S. 34ff; Luhmann, N. (2002), S. 15f. Die Eigenschaften komplexer Systeme werden in III-1 anhand von Organisationen expliziert. Unter Komplexität bzw. komplex wird ein Zustand verstanden, der sich durch ein kohärentes regelgeleitetes Verhalten auszeichnet und typologisch gegenüber einfachen und komplizierten Zuständen abzugrenzen ist. Vgl. Gell-Mann, M. (1995), S. 16ff; Simon, H.A. (1996a), S. 183ff; Perrow, C. (1993); Senge, P.M. (1990), S. 71ff. Komplexität ist keine objektiv wahrnehmbarere Eigenschaft, sondern abhängig vom Beobachter (eines komplexen Systems), dem Detaillierungsgrad der Beobachtung sowie der zur Beschreibung genutzten Sprache. Vgl. Gell-Mann, M. (2000), S. 66ff; Luhmann, N. (2002), S. 45ff; Kirsch, W. (1991), S. 145ff; Gomez, P./Probst, G.J. (1999), S. 14ff. Gleichwohl ist aufgrund des in unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen vorliegenden Begriffsverständnisses eine homogene allgemeingültige Definition nicht aufstellbar (vgl. II-5). Elemente stellen die konstituierenden (in der Regel physischen) Bestandteile einer Organisation dar.

2

Teil I-1: Einführung 4

back bezeichnet werden. Diese und weitere Eigenschaften (vgl. III-1) sind kongruent zu den Charakteristika sozialer Systeme, die LUHMANN dem Organisationsbegriff zu Grunde legt; entsprechend bezeichnet er Organisationen als soziale Systeme.5 Ergänzend äußern sich PROBST und VON FOERSTER, die (selbstorganisierende) soziale Systeme wie Organisationen als komplex beschreiben, da „die resultierende Ordnung eine Konsequenz vieler interagierender Teile eines Netzwerkes ist.“6

Der Titel der Arbeit Organisationen und Komplexität symbolisiert die gegensätzlichen Positionen von Komplexitätsreduktion und Komplexitätsproduktion in Wissenschaft und Praxis.7 Grundsätzlich unterstützt die vorliegende Arbeit die Position der Befürworter einer Komplexitätsproduktion zur Erreichung organisationaler bzw. unternehmerischer Ziele.

1.2

Ausgangssituation und Problemstellung

In einer großen Anzahl wissenschaftlicher und praxisorientierter Beiträge können für Organisationen erhebliche Veränderungen der Umwelt- und damit der Wettbewerbssituation festgestellt werden.8 „Die wachsende Komplexität unserer Lebensverhältnisse, vor allem aber auch die gestiegene Dynamik der Veränderungen unseres Umfelds, lassen [...] die Frage nach der Beherrschbarkeit von Entwicklungsverläufen durch den Menschen stellen. Sie ist nicht nur für unser ökologisches und gesellschaftliches Umfeld bedeutsam, sondern sie betrifft vor allem institutionalisierte Systeme [wie Organisationen; Anmerkung des Verfassers], die letztlich diese Entwicklung tragen.“9 Vergleichbar formuliert DRUCKER: „This [die Unternehmensentwicklung; Anmerkung des Verfassers] will be demanding, especially considering the speed of change, the expectations of the new workforce, and an increasingly competitive world economy.”10 In einer sich schneller wandelnden und scheinbar kaum beeinflussbaren Unternehmensumwelt bei gleichzeitig kürzer werdenden Ent-

4

5

6 7

8

9

10

Vgl. Stacey, R.D. (2003a), S. 35f, 95ff; Shaw, P. (2002), S. 126; Lissack, M.R. (2002b), S. 55f; Malik, F. (2003a), S. 76, 117; Kappelhoff, P. (2002b), S. 59; Sterman, J.D. (2000), S. 12f; Elliott, E./Kiel, L.D. (1997), S. 66f; Lee, M.E. (1997), S. 23ff. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 15f. Diese Position wird von KIRSCH und KNYPHAUSEN für die Betriebswirtschaftslehre ausgestaltet. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 328ff; Knyphausen, D. zu (1988), S. 38ff, 182ff sowie Protagonisten der St. Galler Schule vgl. u. a. Probst, G.J./Scheuss, R.-W. (1984), S. 480ff; Ulrich, H. (2001a), S. 209ff; Malik, F./Probst, G.J. (1981), S. 121ff; Malik, F. (2003b). Probst, G.J. (1987b), S. 245. Vgl. sinngemäß Foerster, H. von (1984), S. 19ff. Der Komplexitätsreduktion und -produktion liegen völlig konträre Grundauffassungen zu Grunde. Vgl. II-3 sowie Malik, F. (2003a), S. 36ff. Vgl. Maier, F. (Hrsg.) (2004); Krüger, W. (2004); Bleicher, K. (2004); Stüttgen, M. (2003); Sterman, J.D. (2000); Hentze, J./Heinecke, A./Kammel, A. (2001); Kammel, A./Oelsnitz, D. von der (Hrsg.) (2001); Perich, R. (1993); Balck, H./Kreibich, R. (Hrsg.) (1991); Bandte, H./Beckmann, D. (2002). Bleicher, K. (2004), S. 19, 27f, 39. Vgl. analog Cilliers, P. (2002), S. 77ff. Vgl. ausführlich zu den Grundkonzepten der Unternehmensdynamik Perich, R. (1993), S. 30ff und 119ff. Drucker, P.F. (2003), S. 3. Vgl. analog Drucker, P.F. (1999b). In Bezug auf Personalführung und -wirtschaft vgl. Hentze, J. (1994); Oberbeck, H. (2003); Hentze, J./Graf, A. (2005); Hentze, J./Graf, A./Kammel, A. u. a. (2005).

Teil I-1: Einführung

3 11

scheidungszeiten führt Intransparenz zu Komplexität , deren Bedeutung für Organisationen wächst. Ausgelöst durch die Umweltdynamik nimmt in der Praxis12 die Skepsis an der Zweckmäßigkeit gegenwärtiger Konzepte und Instrumente zu13, die zukünftige (Umwelt-)Entwicklung prognostizieren zu können und damit das „chronische Prognoseproblem“ der Unternehmensführung zu mindern.14 Daher sind Konzepte zu entwickeln, die die gegenwärtig dominierenden Paradigmen und vorherrschenden Denkmodelle ersetzen und die dynamischen Eigenschaften von Organisationen, wie z. B. Nichtlinearität, Autopoiese, Emergenz, Selbstorganisation und Selbstreferenz akzentuieren.15

Kennzeichnend für das praxisorientierte Schrifttum zur Betrachtung der Gesamtorganisation sowie des Verhaltens der Organisationsmitglieder ist ein zum Teil inflationärer Gebrauch des Komplexitätsbegriffs. Der Terminus wird zur Exkulpation der eigenen „Unfähigkeit“ unreflektiert verwendet und als „eine Rechtfertigung für reduktionistische Forschungsstrategien [genutzt]“16, um einer expliziten Untersuchung der angemessenen17 Handhabung von Komplexität aus dem Weg zu

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Oft ist in der Literatur „von wachsender Komplexität“ die Rede. Hiervon wird sich bewusst distanziert, da Komplexität nicht wächst, sondern lediglich die Bedeutung für unternehmerische Entscheidungen zunimmt. Komplexität – ähnlich wie Chaos – liegt bereits vor, der Einfluss auf das Unternehmen wurde jedoch bisher als kaum relevant betrachtet. Vgl. Beinhocker, E.D. (1997), S. 25ff; Lissack, M.R. (1997b), S. 205ff; Liening, A. (1999); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1998); Kappelhoff, P. (2004a), Sp. 123ff; Tsoukas, H. (1998), S. 291ff; Stacey, R.D. (1997). Im Sinne von POPPER ist Praxis die Anwendung expliziter oder impliziter Theorien. Vgl. Popper, K.R. (2005), S. 377. Die Theorie geht methodisch gesehen der Praxis voraus und nimmt einen axiomatischen Anfang von oben. Vgl. demgegenüber Mittelstraß, J. (1974), S. 56ff. Vgl. Drucker, P.F. (1999a), S. 7ff. Vgl. Malik, F. (2005), S. 20ff; Brockhoff, K. (1993), S. 560ff; Schmidt, U. (1971), S. 6ff. Die lineare Aufwärtsentwicklung der wirtschaftlichen Makrogrößen in Europa zwischen 1950 und Mitte der 1970er Jahre hat zu einer Illusion der Prognostizierbarkeit und Machbarkeit geführt. Vgl. Malik, F. (2005), S. 20. Schwierigkeiten treten z. B. bei der Prognose der Lebenszyklus- und Transaktionskosten oder bei der Prognose der Cashflows zur Bewertung von Unternehmen auf. Dass ein Prognoseproblem vorliegt, wird u. a. an der Vielfalt der zur Verfügung stehenden Prognoseinstrumente deutlich, mit denen versucht wird, präzisere Vorhersagen zu treffen. Vgl. u. a. Hentze, J./Brose, P./Kammel, A. (1993), S. 262ff; Brockhoff, K. (1993), S. 575ff. Vgl. Oelsnitz, D. von der (1994b); Oelsnitz, D. von der (1994c); Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R.T. (2003), S. 2ff. Zusammenstellungen von Zitaten findet sich in Kühl, S. (1994), S. 14 und Pelzer, P. (1995), S. 1ff. Die Organisationswissenschaft ist jedoch nicht der einzige Bereich, für den ein Umdenken gefordert wird. Dieser Anspruch erstreckt sich auf weitere Bereiche der Unternehmensführung. Vgl. Hamel, G./Prahalad, C.K. (1994). Der Kritik, die die Übertragbarkeit naturwissenschaftlicher Denkmodelle auf die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften angzweifelt, wird bereits zu Beginn entgegengewirkt. Nach VON HAJEK reicht die Übertragung von naturwissenschaftlichen Denkmodellen auf die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften bis in das frühe 18. Jahrhundert zurück, als Wissenschaftler wie z. B. MANDEVILLE, HUME und FERGUSON die Existenz von sich spontan bildenden Ordnungen erkannten und als Ergebnis menschlichen Handelns, nicht aber menschlicher Absicht, beschrieben. Diese Erkenntnis „erschütterte den tief verwurzelten Glauben, daß, wo es Ordnung gibt, es auch einen persönlich Ordnenden geben muss.“ Hayek, F.A. von (1994), S. 34. Das „evolutionäre Denken entstand in den Sozialwissenschaften also lange bevor LAMARCK und DARWIN es in die Biologie einführten.“ Servatius, H.-G. (1991), S. 62. Malik, F. (2003a), S. 184f. Im Terminus angemessen wird der „sprachliche Spagat“ deutlich, der einen Zustand zwischen simplifizierender Komplexitätsreduktion und unkontrollierter -produktion beschreibt. Der Begriff lehnt sich methodisch an das HEGELsche „aufheben“ an, das er zur Benennung einer dialektischen Operation einsetzt, durch die etwas so verwandelt wird, dass es als Identität nicht mehr vorhanden, also aufgelöst und doch vorhanden ist. Vgl. Hegel, G.W. (1972), S. 114. Mit Blick auf Komplexität geht er von einer Dreiteilung der Bedeutung aus: Bewahren: Die Komplexität der sozialen Systeme muss bewahrt werden. Beseitigen: Eine konkrete Benutzungsschnittstelle stellt eine Negation von Komplexität dar. Emporheben: Bei der Nutzung von Benutzungsschnittstellen erfolgt eine Synthese. Vgl. Fehling, G. (2002), S. 21.

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gehen.

Die Praxiskonzepte sind in vielen Bereichen skizzenhaft, schlagwortartig und wider-

sprüchlich. Dem verbalen Enthusiasmus steht zumeist ein eklatanter Mangel an theoretischem Grundgehalt gegenüber. BONABEAU stellt fest, dass sich Manager in komplexen Situationen mangels unzureichender Methoden auf ihre Intuition, ihr „Bauchgefühl“, verlassen: „Top managers feel increasingly confident that, when faced with complicated choices, they can just trust their gut.”19 Die unternehmerische Praxis reagiert auf komplizierte Entscheidungssituationen mit iterativen Schleifen aus Versuch und Irrtum. Hierdurch wird deutlich, wie das komplexe soziale System Unternehmung gestaltet werden kann, um einer gegebenen Umweltkomplexität zu entsprechen. „Managers and companies are coping as best they can. A few are experimenting with radical, illunderstood new organizational forms […], largely without any guidance from organizational research.”20

Nachfolgend wird aufgezeigt, dass die in der Praxis vorherrschenden Auffassungen widersprüchlich und besonders mit Blick auf die Komplexitätsreduktion dysfunktional sind.

(1) Zum einen empfehlen Autoren, durch Komplexitätsanalysen die in der Unternehmung vorherrschende Überkomplexität zu reduzieren.21 Dies entspricht dem traditionellen mechanistischen Problemlösungsverhalten, bei dem durch analytische Atomisierung komplexer Fragestellungen die vollständige Beherrschung komplexer Systeme vorgetäuscht wird.22 Hierzu zählen Methoden und

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Handhabung in dem hier verwendeten Sinne ist von der Steuerung bzw. Kontrolle von Komplexität abzugrenzen und bezieht sich in ihrer Wortbedeutung auf Aufrechterhaltung, Gebrauch bzw. Umgang mit Komplexität. Vgl. Grimm, J./Grimm, W. (1936), S. 395, 397; sowie Dörner, D. (1996), S. 489ff; Aretz, H.-J./Hansen, K. (2003), S. 192ff; Kirchhoff, R. (2003), S. 8ff, 57ff. Bonabeau, E. (2003), S. 118. Sinngemäß formuliert KÜHL: „Managementberater entwickeln zwar atemberaubende Organisationsvorschläge, leiden bei der Analyse der auftretenden Phänomene selbst jedoch unter ausgeprägter Kurzatmigkeit. Sie vertrauen oftmals lieber auf eine gesunde Mischung aus ostasiatischer Religionsmystik [...], Anlehnung an pseudorationale Motivationstheorien [...] und ihre eigene ‚Intuition’.“ Kühl, S. (1994), S. 14f. Vgl. auch Lindblom, C.E. (1965); Oberbeck, H. (2003). Ilinitch, A.Y./D’Aveni, R.A./Lewin, A.Y. (1996), S. 211. Der Trend, einfach zu handhabende Lösungsvorschläge zu entwickeln und zu propagieren, setzt sich aktuell fort (vgl. Womack, J.P./Jones, D.T. (2005), S. 59ff; Fleming, J.H./Coffman, C./Harter, J.K. (2005), S. 107ff; Buckingham, M. (2005), S. 70ff.). Dies wird jedoch intensiv kritisiert. Vgl. Bonabeau, E. (2003), S. 116ff; Malik, F. (2003a), S. 36ff. Den Denkmodellen und ihren praktischen Orientierungsregeln mangelt es an einer Zuordnung zu theoretischem Fachwissen, und sie sind in etwa so unbestimmt, „[wie wenn man eine Verkehrsregel direkt aus dem kategorischen Imperativ Kants ableiten wollte.“ Walter-Busch, E. (1996), S. 37. Vgl. Hagel, J. (1988), S. 2ff; Child, P./Diederichs, R./Sanders, F.-H. u. a. (1991), S. 73ff; Adam, D. (Hrsg.) (1998), S. 1ff; Brandes, D. (2002), S. 32ff; Aretz, H.-J./Hansen, K. (2003), S. 192; Dellmann, K./Diehm, S. (2002), S. 247ff; Fisch, R./Boos, M. (Hrsg.) (1990). Zum Gestaltungsversagen des bestehenden Komplexitätsmanagements vgl. Bliss, C. (2000) S. 22ff und 61ff. Vgl. ebenso II-1.3 und III-2.2.1 zum mechanistisch geprägten Managementansatz. Vgl. beispielhaft für die „Vortäuschung“ Lott, C.-U. (2001), S. 20ff; Grossmann, C. (1992); Schiemenz, B. (1990); Rosemann, M. (1996); Rüegg, J. (1989); Sanders, T.I. (1998); Reither, F. (1997); Schneider, C./Klapper, M./Wenzel, T. (1999); Schnorbus, A./Glabus, W. (Hrsg.) (1993); Schreyögg, G. (1993); Servatius, H.-G./Hemmelrath, H. (2004), S. 37ff; Snee, R.D. (2004); Puhl, H. (1999).

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Instrumente, wie Computer Integrated Manufacturing , (Business) Reengineering , Lean Management25 und Six Sigma26, die u. a. durch Fortschritte in der Informationstechnologie versuchen, die (Produktions-)Komplexität zu reduzieren.27 Die damit verbundene Vernachlässigung von den Abhängigkeiten der einzelnen Teilaspekte führt langfristig zu einer Konterkarierung der angestrebten Problemlösung. Dieses Verhalten spiegelt sich im Kontext von Organisationen im zunehmenden Grad der Spezialisierung wider.28

BLISS identifiziert eine Phase, in der die Reduktion von Komplexität aus dem Verbund der Denkmodelle erfolgt, ohne sich zu einem integrativen Ansatz entwickelt zu haben.29 Stellvertretend für geringe Integrationsleistungen stehen Konzepte30, die sich nur partiell vom mechanistischen Paradigma31 lösen, wie z. B. Lernende Organisationen32, Fraktale Organisationen33 und Virtuelle Organisationen bzw. Teams34. Auf instrumenteller Ebene – besonders Simulationsmethoden – zählen dazu u. a. System Dynamics35 (vgl. IV-3.2.1). Die Denkmodelle und Instrumente zeigen, dass sich ein Paradigmenwandel36 bisher nicht vollzogen hat, sondern der Fokus weiterhin auf der Komplexitätsreduktion liegt.37 Dies entspricht der Denkhaltung „Management von Komplexität“.38

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Vgl. Rehg, J.A./Kraebber, H.W. (2005); Adam, D. (2001). Vgl. Osterloh, M./Frost, J. (2003); Schmalzl, B./Schröder, J. (1998); Hammer, M./Champy, J. (2003). Vgl. Drew, J./McCallum, B./Roggenhofer, S. (2005); Wildemann, H. (2001); Hentze, J./Brose, P./Kammel, A. (1993).; Womack, J.P./Jones, D.T./Roos, D. (1992), nach deren Auffassung Lean Management einer „zweiten Revolution” nach dem Taylorismus gleichkommt. Vgl. Töpfer, A. (2004); Tennant, G. (2002); Snee, R.D. (2004). Dies ist anhand zahlreicher Publikationen sowie einer wachsenden Anzahl von Methoden, Konzepten und Techniken nachzuvollziehen. Vgl. David, F.R. (1986); Fischer, J. (1989); Baumol, W.J./Benhabib, J. (1989), S. 77ff; Pant, N.P./Starbuck, W.H. (1990), S. 433ff; Reiß, M. (1993a), S. 54ff; Reiß, M. (1993b), S. 132ff; Jahns, C. (1998), S. 91ff. Hierzu zählen gleichungsbasierte (statistische) Modelle und Regressionsverfahren. Vgl. Merz, J. (1996), S. 34ff. Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 47 sowie III-2.2.1. Vgl. Bliss, C. (2000). Eingeschränkt gelten die Beiträge von Schmidt, D. (1992), Luczak, H./Fricker, A.R. (1997), Stüttgen, M. (2003) und Kirchhoff, R. (2003) als erste Versuche, einen integrativen Ansatz zu entwickeln. Vgl. z. B. Huber, G.P./McDaniel, R.R. (1986), S. 573ff. „Unter einem Paradigma wird in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung ein Denkmuster, eine Art „Supertheorie“, verstanden, die grundlegende Probleme und Methoden weiter Bereiche eines Fachs definiert und das Weltbild prägt.“ Bleicher, K. (2004), S. 26. „Unter einem Paradigma verstehe ich [...] ein System von Normen, welche ein bestimmtes Wissenschaftsbild prägen; die Normen beziehen sich sowohl auf die Ziele wie auch die Methodik des Vorgehens und die Charakteristik der anzustrebenden Erkenntnisse einer Wissenschaft.“ Ulrich, H. (1984), S. 155. Zur Paradigmendiskussion vgl. Schanz, G. (2004), S. 92, Kuhn, T.S. (1993), Kuhn, T.S. (1974) und Lakatos, I. (1982), S. 90f. Vgl. Güldenberg, S. (2003); Probst, G.J. /Büchel, B. (1998). Vgl. Warnecke, H.-J. (1999, 1996). „Fraktal“ bezeichnet Objekte (wie Organisationen), deren Strukturen sich in allen Teilen wieder finden lassen und geht damit auf die von MANDELBROT entworfene Fraktale Geometrie zurück, die sich durch Selbstähnlichkeit und Selbstorganisation ihrer Elemente auszeichnet. Vgl. Mandelbrot, B.B. (1975). Durch Anwendung dieser Prinzipien entstehen Unternehmen in Unternehmen, die Ähnlichkeit hinsichtlich Zielen und Strukturen aufweisen und ferner ihre einzelnen Aktivitäten ohne zentrale Steuerung zu einem konsistenten Ganzen fügen. Vgl. Reiss, O. (2002); eingeschränkt Keiser, O. (2002). Vgl. Sterman, J.D. (2000). Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 26ff. Vgl. Dörner, D. (1989), S. 62. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 37.

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(2) Zum anderen fordern u. a. BAECKER und MALIK, Komplexität im Unternehmen gezielt zu induzieren.39 Schon ASHBY formulierte zur Handhabung von Vielfalt und Komplexität: „Only variety destroys variety.“40 Dies entspricht der Denkhaltung „Management durch Komplexität“.41 Wie in der Praxis besteht in der ökonomischen Forschung ein Bewusstsein über die gestiegene Bedeutung von Komplexität in Organisationen.42 Die Wissenschaft wird jedoch diesem Bewusstsein nur unzureichend gerecht, da die dominierenden mechanistisch-technomorphen Annahmen u. a. auf Rationalität, Linearität und dem Streben nach einem Gleichgewichtszustand beruhen.43 Besonders deutlich erkennbar ist diese Diskrepanz in der Prognose der zukünftigen System- bzw. Unternehmensentwicklung. Eine mangelnde Berücksichtigung von Komplexität führt im wissenschaftlichen Schrifttum vielfach dazu, dass einer plakativen simplifizierenden Sachzwanghypothese gefolgt wird. Exemplarisch gelten an dieser Stelle u. a. die Denkmodelle des rational (economic) man, homo oeconomicus und Markttheorie.44 Es ist davon auszugehen, dass ohne Veränderung der Basisprämissen der Denkmodelle die Angemessenheit bestehender und eingesetzter Methoden und Instrumente zur Handhabung von Dynamik und Instabilität in der Unternehmensumwelt weiter abnehmen wird.45

Im wissenschaftlichen Schrifttum beschäftigen sich verschiedene Autoren mit Einzelfragen der Komplexität in Organisationen u. a. aus betriebswirtschaftlicher, sozialwissenschaftlicher oder psychologischer Perspektive und aus der Sicht der Informatik. Um Komplexität in Organisationen angemessen handhaben zu können, wird im Schrifttum zur Organisationswissenschaft ein Paradigmenwandel gefordert, interdisziplinäre Denkmodelle in die Organisationswissenschaften zu integrieren.46 Dazu besteht derzeit jedoch noch keine ausreichende theoretische Grundlage und die

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Vgl. Baecker, D. (1992), S. 55ff. Ashby, W.R. (1958a), S. 202ff. Vgl. zur Komplexitätsproduktion ausführlich II-3. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 39f. Dies entspricht der Grundauffassung der vorliegenden Arbeit. Vgl. Maier, F. (2004), S. 1ff; Gerberich, C.W. (2004), S. 235ff; Kappelhoff, P. (2004a), Sp. 123ff; Malik, F. (2003a), S. 184ff; Schreyögg, G. (2002), S. 103ff; Kappelhoff, P. (2002b), S. 49ff; Probst, G.J./Büchel, B. (1998), S. 50; Probst, G.J./Dyllick, T. (1982), S. 110; Gomez, P. (1981), S. 9. Vgl. Lissack, M.R. (1999), S. 110ff; Goldstein, J. (1999), S. 56f; Boisot, M./Cohen, J. (2000), S. 113ff. sowie die “classic defence”-Diskussion bei Blaug, M. (1980) und Winter, S.G. (1986), S. 429ff. Die zunehmende Bedeutung der Komplexität kann besonders bei der Beurteilung zukünftiger unternehmerischer Entwicklungen beobachtet werden. Im Rahmen der Organisationstheorien stehen zumeist der Bürokratieansatz von Weber, die von Taylor entwickelte Theorie der wissenschaftlichen Betriebsführung sowie der auf diesen beiden Theorien basierende Kontingenzansatz im Mittelpunkt der Kritik, die bis zum Beginn der achtziger Jahre die Grundlagen des dominierenden funktionalistisch-mechanistischen Paradigmas der Organisationstheorie bildete. Vgl. u. a. Kieser, A./Walgenbach, P. (2003), S. 44ff; Kieser, A. (2002d), S. 183ff; Welge, M.K. (1987), S. 76 ff. Vgl. Arthur, B.W. (1994, 1997, 1999c); Baecker, D. (1994); Kirsch, W. (1997c); Smith, A. (1999); Ludwig, B. (2000); Sterman, J.D. (2000). Vgl. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 12. Vgl. Welge, M.K. (1987); Kieser, A./Kubicek, H. (1992); Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000); Stacey, R.D. (2003a); Picot, A./Reichwald, R./Wigand, R.T. (2003); Wolf, J. (2005).

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Ausarbeitung eines in sich geschlossenen kohärenten Konzepts in der Organisationswissenschaft steht noch aus. Außerdem sind diese Denkansätze aufgrund ihrer mangelnden Operationalisierbarkeit sowie ihrer fehlenden terminologisch-konzeptionellen Präzision problematisch.47

Darüber hinaus wird in der Wissenschaft an den derzeit eingesetzten Instrumenten und Methoden (Simulationsansätze wie z. B. System Dynamics48) kritisiert, dass sich neben der Zugrundelegung von (linearen) Gleichungssystemen vornehmlich auf das Effizienzkriterium49 – im Sinne des Kontingenzansatzes50 – konzentriert wird. KIRSCH unterstellt, dass mit der ausschließlichen Diskussion des Effizienzkriteriums die Frage nach dem Sinn vereinzelt ausgeblendet werden soll.51 Dieser Umstand – die ausschließliche Fokussierung auf das Effizienzkriterium sowie das Ziel von unbegrenztem Fortschritt und Wachstum – ist bereits 1972 vom Club of Rome umfassend infrage gestellt worden.52 Die Entwicklung der Ökonomie wird als „Nachknappheitssystem“53 beschrieben, bei dem weniger das Wachstum bzw. die Effizienz, sondern vielmehr Überlebenssicherung (vgl. III-1.2) und Nachhaltigkeit die Erfolgsmaßstäbe sind.54 Vor diesem Hintergrund steht Effizienz für die Fähigkeit zur Integration heterogener Ressourcen und Werte.55 Hiermit ist die Frage nach der Legitimität von Organisationen, die (bislang) primär an den Maßstäben der ökonomischen Ratio47

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Vgl. Anderson, P./Arrow, K./Pines, D. (Hrsg.) (1993); Waldrop, M.M. (1993); Casti, J.L. (1994); Kauffman, S.A. (1993); Kauffman, S.A. (1995); Holland, J.H. (1996); Stacey, R.D. (2003a); Bettis, R.A./Prahalad, C.K. (1995), S. 10ff. Vgl. zu dem sich daraus ableitenden Forschungsbedarf Langer, C. (2002), S. 277f; Kappelhoff, P. (2002b); Schreyögg, G. (2002); zur computergestützten Simulation besonders Schmidt, D. (1992), S. 222; Kaufmann, S.A. (1995), S. 248f; Beinhocker, E. (1997), S. 28ff; McKergow, M. (1996), S. 726ff. Vgl. Sterman, J.D. (2000). Effizienz bildet ein Beurteilungskriterium, das mit der griffigen Formulierung „die Dinge richtig tun“ gegenüber Effektivität „die richtigen Dinge tun“ abgegrenzt werden kann. Vgl. Kluge, F. (2002), S. 227; Bünting, H.F. (1995), S. 78ff; Bohr, K. (1993), Sp. 855f; Scholz, C. (1992), Sp. 533ff. Der Kontingenzansatz wird im Schrifttum als kontextdeterministische Variante der Situationstheorie (situativer Ansatz) begriffen. An diesem Ansatz wird kritisiert, dass „Erfolg“ in der Regel als alleinige Zielgröße festlegt ist, obwohl das Phänomen „Erfolg“ in der betriebswirtschaftlichen Forschung unpräzise Verwendung findet. Ein zentrales Problem ist die Fokussierung auf Effizienz- bzw. Effektivitätskriterien. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 164f. Beispielsweise bildet die Steigerung von Effizienz (als Erfolgskriterium) das Zielkriterium im erweiterten Grundmodell des situativen Ansatzes (vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 57) bzw. im pragmatischen Modell des situativen Ansatzes. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 90f. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 16ff. Die Ordnung eines sozialen Systems entsteht nach PROBST nicht bloß auf materieller Ebene (Effizienzkriterium), sondern die Ordnung muss „auch geistig nachvollzogen, interpretiert, erklärt und begründet werden [...]. Den zu gestaltenden Ordnungen soll also ein Sinn abgewonnen werden können.“ Probst, G.J. (1985a), S. 62. Dieser Sinn-Aspekt ist im St. Galler Ansatz nicht zuletzt auf die Diskussion um das Evolutionäre Management von 1981/1982 zwischen MALIK/PROBST/DYLLICK auf der einen und SANDNER auf der anderen Seite zurückzuführen, in der SANDNER Sinn als konstitutiv für soziale Systeme anmahnte und den St. Gallern vorwarf, ihr evolutionärer Ansatz sei (nicht zuletzt) deshalb unzureichend, weil er den Sinn (vgl. Sander, K. (1982), S. 81) sozialer Systeme im Sinne LUHMANNS ausblende: „Eine bloße Übertragung biokybernetischer Modelle [...] erzwingt den Preis der Abstraktion von genau den Sinnzusammenhängen, die konstitutiv sind für den Aufbau von Handlungssystemen.“ Habermas, J./Luhmann, N. (1974), S. 146. Es geht darum, ob den Strukturen ein Sinn abgewonnen werden kann, wie Arbeitsprozesse erlebt und Ergebnisse bewertet werden. Vgl. Meadows, D./Meadows, D.H./Jahn, E. u. a. (1972); Meadows, D.H./Meadows, D./Randers, J. (1992). Giddens, A. (1997), S. 204. Vgl. Dörner, D. (1989). Darin ist die implizite Aussage enthalten, dass der Unternehmenserfolg (ausgedrückt im Formalziel wie z. B. Steigerung des Marktanteils oder Gewinnmaximierung) mit der Sicherung der Überlebensfähigkeit gleichgesetzt wird. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 242ff; Schneider, D. (2004), Sp. 1428ff.

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nalität ausgerichtet sind und sich mithilfe wissenschaftlicher Methoden analysieren und kontrollieren lassen, eng verknüpft.56 Zunehmend gelten auch andere (z. B. moralische) Rationalitäten als Maßstäbe. Mit Beginn des 21. Jahrhunderts wird unvollständiges Wissen nicht mehr nur als Ergebnis begrenzter Rationalität aufgefasst: „Die Suche nach Präzision stößt auf eine Grenze, die nicht von Kosten, sondern von der Natur der Materie abhängt. Es ist nicht wahr, daß die Ungewißheit, das heißt das Fehlen von Kontrolle, sich in dem Maße verringert, wie die Exaktheit wächst: Sie wächst auch.“57

Der geforderte Paradigmenwandel in den Denkmodellen und Instrumenten hat sich bisher weder in der Praxis noch in der Wissenschaft vollzogen.58 Die in der Praxis vorherrschenden Instrumente (z. B. Computer Integrated Manufacturing, System Dynamics) sowie die in III-2 untersuchten, organisationstheoretischen Ansätze, die für sich z. T. beanspruchen, für einen Paradigmenwandel zu stehen, wirken jedoch eher als Versuche einer Paradigmenbekräftigung bzw. einer partiellen -reform und haben in der Vergangenheit zu tradiertem und dysfunktionalem Erfahrungswissen geführt.59 „Unsere ungelösten Probleme von heute sind sozusagen die Restposten unseres Problemlösens von gestern – nur dass dieser Rest immer größer wird, je mehr wir versuchen, ihn mit einem Denken von gestern zu beseitigen.“60 Ein Paradigmenwandel erfordert den Entwurf eines Konzepts, das dem Wandel auf technologischer und sozialer Ebene entspricht.61 „Es reicht deshalb nicht aus, lediglich die Steigerung der Modernität mit effizienteren Mitteln zu propagieren. Erforderlich ist vielmehr ein organisationstheoretischer Ansatz, der sich gerade auch mit deren Basisannahmen und Fundamenten radikal und kritisch auseinandersetzt.“62

Seit Mitte der 1990er Jahre entwickeln sich viel versprechende Ansätze für einen Paradigmenwandel, die sowohl auf theoretischer (Komplexitätswissenschaft63) als auch auf methodisch-

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Vgl. Cilliers, P. (2002), S. 77ff. Lyotard, J.-F. (2005), S. 163. Vgl. Dörner, D. (1989), S. 275ff; Bleicher, K. (2004), S. 20ff. Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 36; Malik, F. (2003a), S. 48ff; Ulrich, H. (1984), S. 243ff. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 12. Vgl. Daft, R.L./Lewin, K. (1990); Daft, R.L./Lewin, K. (1993). Holtbrügge, D. (2001), S. 6. Der Begriff der Komplexitätswissenschaft wird nachfolgend genutzt, da bisher keine in sich geschlossene Komplexitätstheorie existiert. Vgl. dazu Kappelhoff, (2002b), S. 51. Komplexitätswissenschaft wird als Wissenschaft von dynamischen (komplexen) Systemen eingeführt. Für ausführliche Erläuterungen zum Begriff der Komplexitätswissenschaft vgl. II-2. Aufgrund der zu konstatierenden synonymen Verwendung der Termini Komplexitätstheorie, Komplexitätsmanagement, Complexity Theory und Complexity Science im deutschen und angloamerikanischen Schrifttum werden die Begriffe in der vorliegenden Arbeit gleichbedeutend verwendet (vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 53ff; Schreyögg, G. (2002), S. 103ff). Als Vorläufer gilt z. B. Netzwerktheorie. Vgl. Sydow, J. (1992); Reiss, M. (1998); Sydow, J./Windeler, A. (2000).

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instrumenteller Ebene

basieren. Diese weisen das Potential auf, Komplexität in Organisationen

verbessert beschreiben, erklären und das Verhalten dieser prognostizieren zu können.65 Die komplexitätswissenschaftliche Perspektive in der Organisationstheorie löst sich vom mechanistischen Paradigma und operiert mit der vorgefundenen Komplexität, ohne sie primär reduzieren zu wollen. Eine umfassende kohärente Konzeption dafür steht jedoch noch aus. GOLDSTEIN merkt dazu an, „Complexity Science is only in its infancy“.66 In einer Reihe von Sammelwerksbeiträgen und Zeitschriftenaufsätzen werden bisher primär allgemein gültige Aussagen abgeleitet und vage Empfehlungen ausgesprochen bzw. isolierte Detailfragen expliziert.67 Demzufolge handelt es sich bei der Komplexitätswissenschaft gegenwärtig um eine Sammlung von Forschungsideen und Denkanstößen.68 Das Schrifttum mit umsetzbaren Gestaltungsempfehlungen bildet die Ausnahme (vgl. IV-4). Aufgrund der wachsenden Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit der Computertechnologie69 eröffnen sich erweiterte Optionen durch den Einsatz rechnergestützter Modellierung bzw. Simulation (vgl. IV-3.2 und IV-4), die sowohl in der Wissenschaft als auch Praxis eingesetzt werden.70 Ein wesentlicher Nutzen und Vorteil von Modellierung bzw. Simulation liegt in deren Anwendbarkeit, wenn ein Experimentieren mit Objekten (z. B. ganze Volkswirtschaften) in der Realität nicht durchführbar ist. Mit dem Einsatz von Simulation kann gänzlich auf das Experimentieren in der Praxis verzichtet werden, welches z. B. im Falle von Unternehmen die Gefahr eines ökonomischen Schadens in sich birgt. Ferner ist mit dem Einsatz von Simulationen zur Vorhersage – d. h. Entwicklungen in einer abgebildeten bzw. modellierten Realität vorwegzunehmen – ein Zeitvorteil gegenüber dem natürlichen (zeitlichen) Fortschritt verbunden.71 „For the first time in history we are in a position to do bona fide laboratory experiments on these kind of complex sys64

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Auf methodisch-instrumenteller Ebene zählt dazu vor allem die mit objektorientierten Computersprachen entwickelte, agenten-basierte Simulation (vgl. IV-4). Vgl. Kauffman, S.A. (1995), Kappelhoff, P. (2002b); Kappelhoff, P. (2004a); die Bezugsrahmenforschung von Stüttgen, M. (2003) sowie das Forschungsvorhaben von Langer, C. (2002). Zum Begriff „erklären“ vgl. Riedl, R. (2000), S. 11f, 218ff, 343. Goldstein, J. (1999), S. 68. Für grundsätzlich ausgerichtete Aussagen vgl. Lewin, A.Y. (2002), S. 267f; Haddadj, S. (2003), S. 135ff; Styhre, A. (2002a), S. 343ff; Styhre, A. (2002b), S. 127; Griffin, D. (2002); Olson, E.E./Eoyang, G.H. (2001) sowie in einer Sonderausgabe von Organization Science: Vgl. Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. u. a. (1999); Anderson, P.W. (1999b); Dooley, K.J./Van de Ven, A.H. (1999); Lewin, AY. (1999). Detailfragen, besonders zur IT-gestützten Umsetzung, werden in den Lecture Notes in Computer Science betrachtet. Vgl. Megiddo, N./Xu, Y./Alonstioti, N. u. a. (Hrsg.) (2005); Sichman, J.S./Bousquet, F./Davidsson, P. (Hrsg.) (2003); Marik, V./Stepankova, O./Krautwurmova, H. (Hrsg.) (2002); Lomi, A./Larsen, E.R. (Hrsg.) (2001); Moss, S./Davidsson, P. (Hrsg.) (2001); Conte, R./Hegselmann, R./Terna, P. (1997); Sichman, J.S./Conte, R./Gilbert, N. (Hrsg.) (1998). Lissack, M.R. (1999), S. 112, führt dazu aus: “[Complexity theory] is less an organized rigorous theory than a collection of ideas that have in common the notion that within dynamic patterns there may be an underlying simplicity.” Vgl. das „Gesetz“ von Moore, nach dem sich die Dichte der Schaltungen in einem Prozessor alle zwei Jahre verdoppelt, was vereinzelt als Indikator für wachsende Computerleistungsfähigkeit verwendet wird. Vgl. Ceruzzi, P.E. (2005), S. 584ff; o. V. (2005). Als Protagonisten gelten u. a. BONABEAU und MEYER und in der Wissenschaft die Autoren GILBERT und TROITZSCH. Vgl. Bonabeau, E./Meyer, C. (2001), S. 106ff; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 14ff. Vgl. Baetge, J./Fischer, T. (1989), Sp. 1783; Schmidt, D. (1992), S. 92.

10

Teil I-1: Einführung

tems. [...] But now, thanks to the availability of affordable, high-quality computing abilities, we can actually construct silicon surrogates for these complex, real-world processes. We can use these surrogates as laboratories for carrying out the experiments needed to be able to construct viable theories of complex physical, social, biological, and behavioural processes.”72

Zurzeit werden die Modellierungs- und Simulationsansätze, die sich methodisch-instrumentell mit Komplexität in Systemen auseinandersetzen, im wissenschaftlichen Schrifttum als agentenbasierte Simulation73 bezeichnet (vgl. IV-4). Diese bilden jedoch bisher primär naturwissenschaftliche und technische Systeme und weniger soziale Systeme, wie z. B. Organisationen, ab.74

Ein sowohl in der Wissenschaft als auch in der Populärwissenschaft viel beachtetes Beispiel ist die (agentenbasierte) Simulation von EPSTEIN und AXTELL, die stellvertretend die Bedeutung von Modellierung bzw. Simulation unterstreicht.75 Auf einem zweidimensionalen Koordinatensystem (sog. Landschaft bzw. „sugarscape“76) wird ein virtueller Lebensraum geschaffen, in dem Individuen (Agenten genannt) „leben“. Der Rohstoff Zucker, der die Lebensgrundlage dieser Agenten darstellt und von diesen gespeichert werden kann, bildet sich während der Simulation an zufälligen Orten und wird durch unterschiedlich große Punkte – deren Durchmesser als Gradmesser für den Umfang der Zuckerquelle gilt – symbolisiert. Die Agenten und der Zucker sind zu Beginn der Simulation zufällig angeordnet. Das Verhalten der Agenten wird durch den Zustand der näheren Umgebung bestimmt und basiert auf vier einfachen Regeln (vgl. IV-4.1.2):

(1) Blicke soweit wie es deine Sehfähigkeit erlaubt, (2) wähle das am nächsten liegende Zuckerreservoir, wenn mehrere in deinem Blickfeld liegen, (3) bewege dich dorthin und (4) beute sämtlichen Zucker dieses Reservoirs aus. Trotz der lokalen einfachen Regeln auf der Ebene der Agenten (Mirkoebene) verhält sich das Gesamtsystem (Makroebene) aufgrund der unterschiedlichen Eigenschaften der Agenten (Sehfähigkeit und Metabolismus des Zuckers) und der Beeinflussung durch die unmittelbare Umgebung komplex.

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75

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Casti, J.L. (1997), S. 351. Vgl. Bankes, S.C. (2002a); David, N./Marietto, M.B./Sichman, J.S. u. a. (2004); Elliott, E./Kiel, L.D. (2004); Epstein, J.M. (1999). Vgl. Marík, V. (2005); Paolucci, M./Sacile, R. (2005); Deen, S.M. (Hrsg.) (2003); Doran, J. (2001); Megiddo, N./Xu, Y./Alonstioti, N. u. a. (Hrsg.) (2005). Vgl. u. a. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996); Stüttgen, M. (2003); Carley, K.M. (2002a); Carley, K.M. (2002b); Siegele, L. (1997) sowie in zahlreichen Beiträgen in Proceedings of the National Academy of Sciences und Lecture Notes in Computer Science. Ein weiteres, viel beachtetes Beispiel liefert CASTI. Vgl. Casti, J.L. (1997); Casti, J.L. (1999), S. 43ff. Dieser Name ist aufgrund des im Ursprungsmodell einzigen vorhandenen Rohstoffes „Zucker“ entstanden. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996).

Teil I-1: Einführung

11

Mit der Einführung eines weiteren „Rohstoffs“ (Gewürze) lassen sich ökonomische Situationen wie Handel simulieren. Unmittelbar zu Beginn der Simulation bildet sich ein für Ökonomen bekanntes Muster aus: Die „Agentenwirtschaft“ funktioniert. Agenten, die unter Kurzsichtigkeit leiden, können sich durch Handel über Zeiten retten, in denen einer der beiden benötigten Rohstoffe nicht in ihrem begrenzten Blickfeld auftaucht. Nach kurzer Zeit fängt die Zahl der kurzsichtigen Agenten an, stark zwischen Überbevölkerung und Bevölkerungsrückgang zu schwanken. Unter der Annahme, dass die Agenten eine begrenzte Lebensdauer haben, stellt sich – wider der Markttheorie – kein Gleichgewichtspreis für die Rohstoffe ein. So kann ein Agent gemessen an seinen gespeicherten Rohstoffen viel „reicher“ werden als ein anderer mit vergleichbarer Sehfähigkeit, der aber über geringere Lagerbestände verfügt. Das agentenbasierte Grundmodell von EPSTEIN/AXTELL erlaubt es, die Regeln sowie die Bedingungen der Agenten zu modifizieren oder hinzuzufügen, ohne komplizierte Gleichungssysteme neu aufstellen zu müssen.77

1.3

Zielsetzung und Forschungsfrage

Ausgehend von der Konkretisierung der Zielsetzung werden Einzelfragen abgeleitet, die zu einer Eingrenzung des Problembereichs führen. Aus diesen kann eine übergreifende umfassende Forschungsfrage formuliert werden, die die Grundlage der wissenschaftlichen Untersuchung dieser Arbeit bildet.

Das übergeordnete theoretische Ziel der Arbeit ist der Entwurf eines konzeptionellen Bezugsrahmens sowie die Formulierung vorläufiger Annahmen und Hypothesen. Diese dienen dem Zweck eines verbesserten Verständnisses und einer angemessenen Handhabung von Komplexität in Organisationen.

Das konkretisierte theoretische Ziel besteht darin, die Komplexitätswissenschaft – als theoretisches Referenzkonzept eines elementaren Paradigmenwandels – für die Organisationswissenschaft anwendbar zu machen. Die neuen erkenntnistheoretischen Paradigmen der komplexitätswissenschaftlichen Ansätze weichen in fundamentaler Weise von den gegenwärtig vorherrschenden Annahmen ab, wie z. B. Legitimation durch wissenschaftliche Rationalität, Vertrauen auf Fortschritt und Glauben an die Beherrschbarkeit der Welt.78

Das praxisorientierte Ziel dieser Arbeit umfasst den Entwurf konzeptioneller Hinweise und Denkanstöße, die einen Beitrag dazu leisten sollen, einen Paradigmenwandel bei Entscheidungs77 78

Vgl. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996), S. 153ff; Elliott, E./Kiel, L.D.(2004), S. 121ff. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 112f.

12

Teil I-1: Einführung

trägern in Unternehmen bei der Analyse und Vorhersage von Elementverhalten in Organisationen einzuleiten bzw. voranzutreiben. Es wird aufgezeigt, dass komplexitätswissenschaftliche Denkmodelle zusammen mit agentenbasierten Simulationen unter spezifischen Voraussetzungen das Potenzial aufweisen, Aussagen über die Leistungs- und Überlebensfähigkeit von Organisationen zu treffen. Handlungsempfehlungen sind dahingehend zu geben und zu überprüfen, dass sie in der Praxis operationalisierbar sind und der (Organisations-)Realität gerecht werden. Vor dem Hintergrund der Betriebswirtschaftslehre als anwendungsorientierte Wissenschaft79 verfolgt die Arbeit ein pragmatisches Wissenschaftsziel80, das den theoretischen Erkenntnisgewinn (deskriptives theoretisches Wissenschaftsziel) umfasst.81 Der wissenschaftliche Fortschritt in der Betriebswirtschaftslehre (als anwendungsorientierte Wissenschaft) erwächst aus der gegenseitigen Durchdringung von Theorie- und Anwendungszusammenhang.82 „Die überdisziplinäre Orientierung […] hat [...] in neuerer Zeit immer stärkere Bedeutung gewonnen, zumal sie erlaubt, sowohl das theoretische als auch das pragmatische (praxeologische) Wissenschaftsziel der Organisationswissenschaft in überzeugender Weise zu verfolgen.“83

Wie bei der Formulierung der theoretischen Ziele der Arbeit erwähnt, wird hinsichtlich der Forschungsprogrammatik eine bezugsrahmenorientierte Vorgehensweise gewählt.84 Bezugsrahmen bedienen sich heuristischer Erklärungsansätze und ermöglichen so, vorläufige Gedanken bzw. rudimentäres Wissen in einen neuen Kontext – d. h. unter Berücksichtigung unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen – zu überführen, wenn es bisweilen an theoriefundierten Erkenntnissen mangelt.85 Dies gilt besonders, wenn „Neuartigkeit“ der theoretischen Denkmodelle vorliegt, wie es bei

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Vgl. Ulrich, H. (2001b), S. 17ff; Ulrich, H. (2001c), S. 53ff. Im Unterschied zur anwendungsorientierten wird in der reinen Wissenschaft, die sich auf ihre Erklärungsaufgabe beschränkt, nach dem direkten Nutzen des bereitgestellten Wissens gefragt. Die Betriebswirtschaftslehre liefert nach KIRSCH und ULRICH Gestaltungsempfehlungen und unterstützt „somit die Praxis tatsächlich bei der Bewältigung ihrer Probleme.“ Knyphausen, D. zu (1988), S. 30. Vgl. auch Kirsch, W. (1997c), S. 153ff. Vgl. ausführlich die Diskussion zur Wissenschaftstheorie in II-1.2 und II-1.4. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3891; Ulrich, H. (2001b), S. 17ff; Schanz, G. (1988a), S. 1ff. Vgl. die in der Forschungsliteratur vorgenommene Vierteilung der Ziele wissenschaftlichen Arbeitens in: Chmielewicz, K. (1979), S. 17f; Schweitzer, M. (1978), S. 3ff; Wild, J. (1976), Sp. 3889ff; Grochla, E. (1978), S. 69ff; Schanz, G. (1988a), S. 1ff; Schanz, G. (2004), S. 85ff. Die Klassifizierung bezieht sich auf die vier Wissenschaftsziele deskriptiv, theoretisch, pragmatisch und normativ. Vgl. zur Diskussion der gewählten Forschungsprogrammatik II-1.1. Vgl. Forschrittsbegriff in der Wissenschaft Kubicek, H. (1977), S. 7, 9; Chmielewicz, K. (1994), S. 129ff, 142ff; Lakatos, I. (1982), S. 85ff; Schanz, G. (1978), S. 293ff. Danach handelt es sich um wissenschaftlichen Fortschritt, wenn die Aussagen sowohl nach Wahrheit als auch nach hohem Informationsgehalt streben, wenngleich hiermit ein Zielkonflikt eingegangen wird, der nach einer Gewichtung verlangt. Vgl. Popper, K.R. (2005), S. 314. Lehmann, H. (1992), Sp. 1848. Vgl. ferner dazu Grochla, E. (1978). Zum systemtheoretisch-kybernetischen Verständnis vgl. Ulrich, H. (2001f), S. 205ff. LAKATOS bezeichnet den Bezugsrahmen auch als Forschungsprogramm. Vgl. Lakatos, I. (1982), S. 47; Lakatos, I. (1974), S. 89ff. Vgl. Braun, W. (1993), Sp. 1224f; Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 446f. Lakatos, I. (1982), S. 70. OSTERLOH/ GRAND bezeichnen diese Funktion des Bezugsrahmens als Redeinstrument. Vgl. Osterloh, M./Grand, S. (1994), S. 278ff; Osterloh, M./Grand, S. (1998), S. 7ff. Zur Integrationsfunktion von Bezugsrahmen: Becker, F.G. (1993), S. 119.

Teil I-1: Einführung

13

komplexitätswissenschaftlichem Gedankengut im Kontext der Organisationswissenschaft sowie der Modellierung bzw. Simulation von Organisationsverhalten der Fall ist. Damit erfüllen Bezugsrahmen eine konnektionistische Funktion zwischen ausgestalteten, verifizierten und validierten Theorien in Form von Modellen und formalen Systemen einerseits und auf heuristisch entwickelten Hypothesen andererseits.86

Im Rahmen der bezugsrahmengestützten Wissenschaft besteht die Gefahr, dass es aus forschungspragmatischen Gründen zu einer Komplexitätsreduktion kommen kann.87 Dementsprechend sind Simplifizierungen und voreilige normative Aussagen für die Praxis stets kritisch zu betrachten. Mithilfe der bezugsrahmenorientierten Forschung sind keine „sicheren“ Vorhersagen im Sinne vollständig validierter Aussagen möglich, jedoch können Angaben über die Zukunft abgeleitet werden, die eine erhöhte Aussicht auf Validierung und Verifikation gegenüber bezugsrahmenunabhängigen Aussagen haben.88

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich aufgrund der Ausgangssituation und Zielsetzung eine bezugsrahmenorientierte Vorgehensweise anbietet, um die Integration transdisziplinärer Erkenntnisse über Organisationen als komplexe Systeme zu erreichen und so die Basis für die Vorformulierung einer ersten Theorie zu erhalten. Es wird davon ausgegangen, dass ein Bezugsrahmen vollständig oder teilweise zu einem Bestandteil ausformulierter Modelle und Theorien reifen kann. Mit der Integration transdisziplinärer Erkenntnisse sollen die in der Betriebswirtschaftslehre z. T. dominierenden, eindimensionalen Perspektiven und Vorgehensweisen überwunden werden.89

Im Gegensatz zu empirischen Untersuchungen, die Datenmaterial im Rahmen einer strukturierten Erhebung sammeln und dies analysieren, werden bei bezugsrahmenorientierter Vorgehensweise vorhandene theoretische und empirische Erkenntnisse in einem neuen Kontext kritisch diskutiert und daraus der Erkenntniszuwachs generiert.90 Entsprechend können die o. g. theoretischen Zielsetzungen und das praxisorientierte Ziel mittels der bezugsrahmenorientierten Forschung anhand der Funktionen wissenschaftlichen Arbeitens wie folgt konkretisiert werden:91

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Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 224ff; Kammel, A. (2000), S. 36, Fn. 18. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 226f. Vgl. Kirsch, W. (1978), S. 118f. Unter Berücksichtigung von sich einander ergänzenden Perspektiven und widersprechender Interpretationen ergeben sich neue Fragen, die zur Weiterentwicklung des Bezugsrahmens und somit zur Fortsetzung des Forschungsprozesses beitragen. Vgl. Becker, F.G. (1993), S. 119; Kirsch, W. (1997c), S. 228, S. 581ff. Vgl. Schweitzer, M. (2004a), S. 8 bzw. mit Bezug auf Komplexität in Organisationen besonders Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 127ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 129. Vgl. Raffée, H. (1995), S. 16f.

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Teil I-1: Einführung

x Begriffliche Bestimmung bzw. Explikation der Komplexität in sozialen Systemen und Anstoß zu weitergehender betriebswirtschaftlicher Diskussion (fundierende Funktion) x Infragestellung von Annahmen und Aussagen der Komplexitätswissenschaft besonders im Hinblick auf die Übertragung der Erkenntnisse auf die Organisationswissenschaft und Untersuchung der Anwendung agentenbasierter Simulationsmodelle auf organisationstheoretische Fragestellungen (kritische Funktion) x Lieferung von Hinweisen und Anregungen für die Weiterentwicklung und Variation der Gestaltungsoptionen von agentenbasierten Simulationsmodellen (utopische Funktion)

Aus den Funktionen eines bezugsrahmenorientierten Forschungsprogramms lassen sich für die vorliegende Arbeit folgende Teilaspekte und -fragen isolieren, die den Hintergrund komplexitätswissenschaftlicher Ansätze in der Organisationswissenschaft sowie die Anwendung von agentenbasierten Simulationen detailliert betrachten:

1. Welche Annahmen liegen den komplexitätswissenschaftlichen Denkmodellen zu Grunde und welche Eigenschaften charakterisieren Komplexität in sozialen Systemen (vgl. II-2 und III-1)? 2. Inwieweit liegen Erklärungsdefizite organisationstheoretischer Ansätze zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Organisationen sowie ihrem Verhalten vor, und können die komplexitätswissenschaftlichen Ansätze in der Organisationstheorie diese Lücken schließen (Anschlussfähigkeit92 der Komplexitätswissenschaft an die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, vgl. III-2)? 3. Welche wesentlichen Beiträge leisten agentenbasierte Simulationen (in Abgrenzung zu anderen Simulationsmethoden) zur Visualisierung von Komplexität sowie zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Organisationsverhalten (vgl. IV-4)? 4. Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Beantwortung der Fragen (1) bis (3) für die Praxis gewinnen und welche Grenzen sind ihnen inhärent (vgl. IV-4.7 und V-1.1)?

Während die ersten beiden Fragen die fundierende Funktion erfüllen, entsprechen die Fragen drei und vier der kritischen bzw. utopischen Funktion. Aus den genannten vier Teilaspekten leitet sich folgende übergreifende Forschungsfrage ab:

Durch welchen theoretischen Ansatz bzw. welche Vorgehensweise kann eine angemessene Handhabung von Komplexität im organisationalen Kontext erreicht und damit zur

92

Anschlussfähigkeit im Sinne v. KNYPHAUSEN-AUFSESS. Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 350.

Teil I-1: Einführung

15

besseren Beschreibung, Erklärung und Prognose des Gesamtorganisationsverhaltens sowie der individuellen Elemente beigetragen werden und kann im Besonderen unter Einbeziehung komplexitätswissenschaftlicher Ansätze und dem Einsatz agentenbasierter Simulation der Anspruch eingelöst werden, eine angemessene Handhabung von Komplexität in Organisationen zu erreichen und damit zur deren Überlebenssicherung beizutragen?

1.4

Verortung und Eingrenzung des Untersuchungsbereichs

Aufgrund des interdisziplinären Charakters komplexitätswissenschaftlicher Ansätze (vgl. II-2) wird in dieser Arbeit keine ausschließlich betriebswirtschaftliche Perspektive gewählt. Dennoch soll eine ökonomische Grundausrichtung der Arbeit stets beibehalten werden, da die Zielsetzung letztendlich auf die Überlebenssicherung und damit implizit auf die Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit der Organisation ausgerichtet ist. Mit der Applikation der Komplexitäts- in die Organisationswissenschaft wird die Arbeit in der Unternehmensführung verortet.

Das Erkenntnisinteresse und Ziel der Komplexitätswissenschaften liegt in der Erforschung der Evolutionsbedingungen bzw. der Emergenz einer Ordnung in komplexen adaptiven Systemen auf abstrakter Modellebene.93 Dabei ergründet sie Prozesse zur spontanen Bildung von Ordnung in komplex vernetzten dynamischen Systemen in einer potentiell chaotischen Welt. Die Komplexitätswissenschaften setzten dort an, wo das Erklärungspotenzial der Chaostheorie erschöpft ist und unterstellen, dass Systeme intentional Einfluss auf sich und ihre Umwelt nehmen können und somit nicht vollständig extern dominiert werden.94 Sie bedienen sich grundlegender Elemente etablierter Ansätze in den Organisationswissenschaften, wie z. B. lernfähige Organisation95, Wissensmanagement96 und modulare Organisationsmuster97. Zur Umsetzung komplexitätswissenschaftlicher Denkmodelle in der Praxis steht eine große Anzahl z. T. sehr unterschiedlicher Modellierungs- und Simulationsinstrumente zur Verfügung, derer sich gegenwärtig nahezu alle Wissenschaftsdisziplinen in für sie zweckmäßiger Art und Weise bedienen.98 In dieser Arbeit wird sich ausschließlich auf diejenigen Modellierungs- und Simulationsansätze konzentriert, für die ein hin-

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Vgl. u. a. Kauffmann, S.A. (1995). Vgl. Kappelhoff, P. (2004a), Sp. 125f. Eine begriffliche Präzisierung erfolgt in II-2.5. Der Begriff Komplexitätswissenschaft bzw. Komplexitätstheorie kann den angloamerikanischen Begriffen Complexity Science und Complexity Theory gleichgesetzt werden. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b). Vgl. u. a. Senge, P.M. (1990); Schreyögg, G./Noss, C. (1995); Easterby-Smith, M. (Hrsg.)(2004). Vgl. u. a. Güldenberg, S. (2003); Probst, G.J./Raub, S./Romhardt, K. (2003); Willke, H. (2001a). Vgl. u. a. Osterloh, M./Frost, J. (2003). Modellierung bzw. Simulation verfügen bereits über eine lange Tradition in den Sozialwissenschaften. Vgl. Witte, T. (1993), Sp. 3847; Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff. In der Betriebswirtschaftslehre werden sie in der Entscheidungsvorbereitung oder zur Analyse von Akteurverhalten (z. B. in Planspielen) eingesetzt. Vgl. Koller, H. (1976), Sp. 3544.

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Teil I-1: Einführung

reichender Bezug zu sozialwissenschaftlichen Anwendungsbereichen – sprich Organisationen – besteht (vgl. Teil IV).

Der Anwendungsbereich der Arbeit bezieht sich vorwiegend auf Unternehmen (Non-Profit- und erwerbswirtschaftlich orientierten Organisationen) mit hinreichenden personellen und technischen Ressourcen. D. h. der Aufwand, der mit der Erstellung von Modellen bzw. der Durchführung von Simulationen unvermeidlich verbunden ist, muss sich unter Berücksichtigung der Größe der betrachteten Organisation wirtschaftlich rechtfertigen lassen. Vor dem Hintergrund der General Management-Perspektive99 werden hinsichtlich des Anwendungsgebiets keine Einschränkungen bei Geschäfts- und Funktionsbereichen sowie der Branche(n) vorgenommen.

Bewusst wird in der vorliegenden Arbeit auf eine Modellierung bzw. Simulation verzichtet, da dies dem grundlegenden Charakter des Allgemeingültigkeitsanspruchs der bezugsrahmenorientierten Forschung (vgl. I-1.3) mit Blick auf eine spätere Theorie nicht entsprechen würde. Ferner käme der wissenschaftstheoretische Aussagegehalt der Entwicklung eines Simulationsmodells nicht über den einer Fallstudie hinaus, deren Allgemeingültigkeit in der ökonomischen Forschung als sehr begrenzt eingestuft wird.100 Darüber hinaus soll hierdurch vermieden werden, dass der Fokus der Arbeit zu stark von der ökonomischen bzw. sozialwissenschaftlichen Ausrichtung abweicht und sich zu Gunsten der Informatik verschiebt.

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Vgl. Macharzina, K. (2003), S. 41. Der hier verfolgte Managementbegriff – dessen begriffliche Entwicklung nicht Gegenstand dieser Untersuchung sein soll (vgl. u. a. Steinmann, H./Schreyögg, G. (2005); Staehle, W.H. (1999); Barney, J.B./Hesterly, W.S. (2006)) – orientiert sich im Kern an der Auffassung DRUCKERS (vgl. Drucker, P. (2003); Drucker, P. (1999a)). Danach befasst sich Management weniger mit der Optimierung als vielmehr mit dem Balancieren. Als Aufgabe des Managements steht zwar die Analyse, vor allem aber die Integration und Synthese verschiedenartiger Faktoren im Mittelpunkt. Management ist demnach als das ständige Bemühen zu verstehen, ein sehr komplexes System unter Kontrolle zu halten, das durch ein hohes Maß an Unvorhersehbarkeit gekennzeichnet ist, dessen Elemente sich ständig verändern, sowohl bezüglich ihrer Zustände als auch – fundamentaler – hinsichtlich ihrer Art und Zahl und dessen Eigendynamik bewirkt, dass es nur schwer und häufig mit unerwünschten Nebeneffekten beeinflusst werden kann. Vgl. Bortz, J./Döring, N. (2005), S. 113, 579; Matiaske, W. (2004), Sp. 858.

Teil I-2: Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise

2

17

Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise

Einleitend sind in der Arbeit bisher der Betrachtungsgegenstand festgelegt sowie die Zielsetzung und die Forschungsfrage formuliert und erläutert worden. In I-1.2 und I-1.4 wurden bereits ansatzweise die Vielfältigkeit der Wissenschaftsströmungen der Komplexitätswissenschaften und die damit verbundenen Basisannahmen deutlich. Nachfolgend schließt Teil II-1 daran an. Es werden zunächst die wissenschaftstheoretischen und begrifflich-terminologischen Grundlagen der Arbeit expliziert. Daraufhin erfolgt eine wissenschaftsdisziplinäre Verortung sowie die Beschreibung des Theorie-Praxis-Verständnisses, die besonders für Arbeiten in der Betriebswirtschaftslehre zum notwenigen Standardrepertoire des Arbeitsplans zählen. Teil II-2 beschäftigt sich mit der Untersuchung des Ursprungs einer Wissenschaft von Komplexität auf Basis angrenzender Wissenschaftsdisziplinen und beleuchtet die begrifflich-terminologische Herkunft sowie die Abgrenzung zu verwandten Begriffen.

In Teil III wird eine Explikation des Begriffs Komplexität anhand einer detaillierten Betrachtung der Eigenschaften von Organisationen als komplexe Systeme vorgenommen. Da Komplexität als ein Konglomerat an heterogenen Denkmodellen verstanden wird (vgl. III-1.1), kann der Begriff nicht ausschließlich über eine Definition erfasst werden. Die so identifizierten Eigenschaften ermöglichen in der Folge die Konzipierung eines Klassifikationsschemas, das in III-2 zur Gliederung und Beurteilung der organisationstheoretischen Ansätze herangezogen wird. Mit der Untersuchung dieser Ansätze soll nachgewiesen werden, dass gegenwärtig in der Organisationswissenschaft noch keine hinreichenden theoretischen Denkmodelle oder Instrumente und Methoden vorliegen, die eine angemessene Handhabung von Komplexität in Organisationen ermöglichen.

In Teil IV werden die Grundlagen der Modellierung bzw. Simulation erläutert und ausgewählte Simulationsmethoden vorgestellt. Nach der Analyse gegenwärtig genutzter Simulationsmethoden wird in IV-4 agentenbasierte Simulation (als modelltheoretischer Kern der Komplexitätswissenschaft) und ihr methodisches Potential zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Komplexität in Organisationen eingehend analysiert. Anhand von Praxisbeispielen wird deren Praxisbezug verdeutlicht (vgl. IV-4.7).

Teil V fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und nimmt eine abschließende Bewertung und kritische Würdigung vor. Dieser Teil schließt mit dem Ausblick sowie einer Einschätzung des zukünftigen Forschungsbedarfs.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

19

Teil II 1

Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

1.1

Begründung der Forschungskonzeption und -prioritäten

Ergänzend zu den grundlegenden Bemerkungen im ersten Teil der Arbeit erfolgt im vorliegenden Kapitel die Legitimierung der Forschungskonzeption. Dies ist erforderlich, da von ihr eine handlungsleitende Funktion ausgeht, und sie die Argumentation sowie das Denken steuert.101 Jede Theorie, jeder theoretische Ansatz, jedes Konzept und jedes Modell stellen ein mit Annahmen verbundenes Abbild der Realität dar.102 Mit der Explikation der Annahmen (Abstraktionen) wird die Deutung, Beurteilung und Interpretation des Vorgehens und der (Forschungs-)Ergebnisse ermöglicht, indem ein in sich konsistentes Forschungsdesign geschaffen wird. Somit ist auch für komplexitätswissenschaftliche Denk- und agentenbasierte Simulationsmodelle, die in der Regel simplifizierende Annahmen zu umgehen versuchen, die Forschungsperspektive festzulegen. Der in dieser Arbeit verwendete Theoriebegriff103 umfasst die systematische Erklärung, Beschreibung und Bewertung ermittelter Erkenntnisse sowie die Prognose zukünftiger Entwicklungen.104 Anhand der erforderlichen Eigenschaften kann dann von einer Theorie gesprochen werden, wenn diese erstens Widerspruchslosigkeit und Informationsgehalt aufweist, zweitens Prämissen über den Anwendungsbereich der Theorie vorliegen (strukturelle Randbedingungen), drittens Hilfshypothesen bestehen, die das allgemeine Hintergrundwissen einbeziehen, viertens eine nicht näher festegelegte Ceteres-paribus-Klausel vorliegt und fünftens raum-zeitlich unbeschränkte Hypothesen (Gesetze) über den Objektbereich der Theorie existieren (Allgemeinheit).105 Grundsätzlich gilt, dass keine Werturteile enthalten sind und sie intersubjektiv überprüfbar ist.106

Die Wissenschaftstheorie übernimmt – wie die Organisationstheorie für Organisationen – eine systematisierende Aufgabe für die wissenschaftliche Forschung sowie die Deskription und kriti-

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Vgl. Chmielewicz, K. (1974), Sp. 1549ff. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 18. Vgl. Kluge, F. (2002), S. 915. „Unter einer Theorie versteht man im Allgemeinen ein System nomologischer Aussagen, das mit Hilfe eines relativ einheitlichen Begriffsapparates – einer theoretischen Sprache – formuliert ist und bestimmte leitende Ideen – theoretische Ideen – zum Ausdruck bringt.“ Albert, H. (1976), Sp. 4679. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3891; Scherer, A.G. (2002), S. 3. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3893; Albert, H. (1976), Sp. 4680; Schanz, G. (1988a), S. 32f, 35f; Opp, K.-D. (1995), S. 212f. Vgl. Opp, K.-D. (1995), S. 212f. Zur Ursache für das Entstehen verschiedener Organisationstheorien vgl. Wolf, J. (2005), S. 42ff; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 26; Chmielewicz, K. (1994), S. 136ff.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

sche Distanzierung vom Wissenschaftsbetrieb und ist damit keine Subdisziplin der Organisationstheorie.107 „Die Wissenschaftstheorie [...] ist ein Teilgebiet der Erkenntnislehre. Ihr Gegenstand ist die Wissenschaft selbst bzw. sind die in den verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen erzielten Ergebnisse und die dabei zur Anwendung kommenden Methoden.“108 Die Wissenschaftstheorie fungiert als Reflexionsgegenstand gegenüber der Organisationstheorie, die wiederum den Reflexionsgegenstand zur Organisationspraxis darstellt. Die Organisationspraxis bezieht sich auf die Beschreibung der beobachtbaren Entwicklung von Organisationen und des IstZustands, während die Organisationstheorie der Frage nachgeht, wie die Organisationspraxis betrieben wird bzw. werden sollte. Die in dieser Arbeit betrachteten wissenschaftstheoretischen Ansätze beziehen sich auf Organisationen und sind auf die Frage ausgerichtet, wie Organisationstheorie (bzw. der Entwurf neuer organisationstheoretischer Ansätze) betrieben wird bzw. werden sollte. Die Beziehungen von Wissenschaftstheorie, Organisationstheorie und Organisationspraxis zueinander werden in Abbildung II-1 dargestellt.109

Ein grobes Vorverständnis mag hilfreich sein, um das Handeln von Organisationsmitgliedern nachvollziehen zu können.110 Es ist jedoch in der Regel wenig systematisch und erfüllt nicht sämtliche o. g. Eigenschaften von Theorien. Zur Verbesserung der Organisationspraxis trägt daher ein Vorverständnis nur eingeschränkt bei. Erst mit einer elaborierten Organisationstheorie kann ein Beitrag zur Verbesserung der Organisationspraxis geleistet werden.111

Der Weg zu einer Theorie sowie deren Anwendung in der Organisationspraxis erfordert eine Reihe forschungskonzeptioneller Vorüberlegungen.112 Die zentralen Aufgaben der Theorienbildung und -anwendung sind die Explanation und Interpretation der Motive für das Auftreten von sozialen Sachverhalten und kausalen Wirkungsbeziehungen und die Prognose der Konse-

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112

Vgl. Schanz, G. (2004), S. 85ff; Schülein, J.A./Reitze, S. (2002), S. passim; Steinmann, H./Scherer, A.G. (2000), S. 1056ff. Schanz, G. (2004), S. 85. Wenn hier von „der“ Organisationstheorie ausgegangen wird, dann ist zu beachten, dass eine allgemeingültige Organisationstheorie bisher nicht vorliegt. Vgl. u. a. Wolf, J. (2005), Kieser, A. (Hrsg.) (2002), Bea, F.X./Göbel, E. (2002) sowie Teil III. Für die Personalarbeit in Unternehmen hat ENDE eindrücklich die Theorienvielfalt aufgezeigt. Vgl. Ende, W. (1982). Gleiches gilt für die Wissenschaftstheorie, der es ebenfalls an einer allgemein anerkannten Konzeption fehlt. Vgl. Poser, H. (2001). Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 1; Bollnow, O.F. (1981), S. 104ff. Der Begriff Vorverständnis, wie er von HEIDEGGER eingeführt wurde, will zunächst ausdrücken, dass dem Menschen sein eigenes Dasein und seine Welt immer schon in irgendeiner Weise erschlossen ist. Durch die Sprache und die wahrgenommene Welt, in die der Mensch hineinwächst, ist er stets in eine Sphäre von Verständnis und Bekanntheit hineingetaucht, durch die ihm die Welt vertraut wird. Vgl. Kümmel, F. (1965), S. 20. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 5; Scherer, A.G. (2002), S. 1f; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 26f; Frese, E. (1992a), Sp. 1728; Chmielewicz, K. (1994), S. 194f. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 582f.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen 113

quenzen ökonomischer Entscheidungen.

21

Dies kann durch verschiedene Forschungsprogramme

geleistet werden.

Wissenschaftstheorie

Wie wird/sollte die Organisationstheorie betrieben werden?

Organisationstheorie

Wie wird/sollte die Organisationspraxis betrieben werden?

Organisationspraxis

Ist-Zustand der Organisationspraxis

Abbildung II-1: Beziehungen zwischen Wissenschaftstheorie, Organisationstheorie und Organisationspraxis114

Bis heute gilt in der Betriebswirtschaftslehre der kritische Rationalismus POPPERscher Schule als vermeintliches Forschungsideal,115 dessen Ziel im Streben nach Erkenntnis und substantieller Wahrheit liegt.116

Da die Wahrheit des Wissens auf Hypothesen beruht und daher nicht als sicher angenommen, sondern lediglich von einer Wahrheitsähnlichkeit bzw. -nähe ausgegangen werden kann117, darf am Anspruch auf absolute Gewissheit und Wahrheit nicht festgehalten werden.118 Dabei ist zu beachten, dass in einer wahrheitsähnlichen Beschreibung das Explanans und das Explanandum119 isoliert voneinander prüfbar sein müssen, um Ad-hoc- und Zirkelerklärungen zu vermeiden. Dementsprechend besteht der Anspruch an die (forschende) Wissenschaft darin, Annahmen Untersuchungen zu unterziehen, um zumindest die Wahrheitsähnlichkeit bzw. -nähe zu belegen. Unsicher bleibt dabei, ob die eingangs als „wahrheitsähnlich“ beurteilten Aussagen zukünftig einer Überprüfung standhalten.120 Daher sind neue Problemlösungsansätze stets einer kritischen

113 114 115

116 117 118 119

120

Vgl. Braun, W. (1993), Sp. 1227f. Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 4. Vgl. Abel, B. (1979), S. 138ff; Lakatos, I. (1982), S. 155; Schanz, G. (1988b), S. 14ff. und 52ff; Fritz, W. (1992), S. 20ff; Raffée, H. (1995), S. 62; Popper, K.R. (2005). Der Begriff kritisch weist auf die Notwendigkeit der empirischen Kritik durch Falsifikation hin. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 130f. Vgl. Popper, K.R. (1965), S. 228ff. Vgl. Albert, H. (1964), S. 17. Unter dem Begriff Explanans werden generelle Gesetzesaussagen und singuläre Antezedensbedingungen zusammengefasst. Das Phänomen, das erklärt werden soll, wird als Explanandum bezeichnet. Explanans und Explanandum bilden zusammen das deduktive Erklärungsmodell. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 151ff. Vgl. Schanz, G. (1988a), S. 59.

22

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

Betrachtung zu unterziehen, die sowohl eine logische Prüfung auf Widerspruchsfreiheit als auch eine empirische Untersuchung der Realität enthält.121 Die Ursachen für das Auftreten eines Tatbestands werden aus den Hypothesen einer Theorie logisch deduziert und mit der Theorie in Übereinstimmung gebracht.122 Daraus ergibt sich die Bestätigung bzw. die Falsifikation einer Theorie.

Der kritische Rationalismus ist vor allem für seine Forderung nach empirischer Überprüfung kritisiert worden.123 Die Mängel der empirischen Forschung bestehen zum einen aus dem Fehlen geeigneter Grundlagen, d. h. die theoretischen Ansätze des schwer abzugrenzenden Gegenstandsbereichs sind ungenügend entwickelt. Zum anderen besteht die Problematik, gleichzeitig eine Vielzahl von Variablen auf unterschiedlichen Analyseebenen und deren wechselseitige Beziehungen, die kausal im Wesentlichen indeterminiert sind, zu berücksichtigen. Seriöse empirische Forschung kann im Kleinen und Speziellen vorgenommen werden, führt jedoch nur zu Theorien geringer Reichweite.124 Ferner wird die Annahme von raum-zeitlich unbegrenzt gültigen sozialwissenschaftlichen Hypothesen infrage gestellt und eine ungenügende Theorieorientierung in der Forschungspraxis bemängelt.125 Es ist jedoch zu konstatieren, dass Theorien, die unter der Prämisse des kritischen Rationalismus entwickelt wurden, signifikante Bedeutung für die Organisations- und Managementforschung aufweisen126 und parallel zu alternativen Forschungskonzepten in Form eines „pluralistischen Erkenntnismodells“ fortgeführt werden.127

Die von WILD bzw. KIRSCH vertretene Auffassung, dass sich die „[…] Betriebswirtschaftslehre im Vorfeld der realwissenschaftlichen Theorienbildung […]“128 befindet bzw. von der „chronischen Unreife der Sozialwissenschaften“129 auszugehen ist, lässt für die Theorienbildung in der Betriebswirtschaftslehre – und damit auch in den Organisationswissenschaften – lediglich partielle Erklärungsansätze zu, die besonders in punkto raum-zeitlicher Stabilität nur einge-

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128 129

Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3894. Mögliches Prüfschema, das sich aus dem Hempel-Oppenheim-Schema (vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 400) ableitet, wird als deduktiv-nomologische Erklärungsmethode bezeichnet. Vgl. Poser, H. (2001), S. 50. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 161. Wenn ein Ereignis aus Gesetzen und Randbedingungen deduktiv abgeleitet wird, ist von kausal erklären die Rede. Vgl. Popper, K.R. (2005), S. 31ff. Zu den Kritikern gehören vor allem die Protagonisten der Frankfurter Schule wie ADORNO, HORKHEIMER und POLLOCK, die eine Hochschätzung der „Dialektik“ im Unterschied zum Positivismus vornehmen und sich damit gegenüber POPPER abgrenzen. Vgl. Wild, J. (1975), Sp. 2654ff; Poser, H. (2001), S. 245. Besonders deutlich wird diese Differenz anhand des Induktions- und Abgrenzungsprobleme, die als Grundprobleme der Erkenntnislogik bezeichnet werden. Vgl. Schanz, G. (1988b), S. 3. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 142ff; Opp, K.-D. (1995), S. 184ff. Vgl. Opp, K.-D. (1995), S. 57ff; Feyerabend, P.K. (2003). S. 33ff, 120ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 142, 149; Scherer, A.G. (2002), S. 1ff. Vielmehr wird der kritische Rationalismus parallel zu alternativen Forschungskonzepten in Form eines „pluralistischen Erkenntnismodells“ fortgeführt. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 214. Wild, J. (1975), Sp. 2892. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 218f.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

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schränkt gültig sind. Somit sind zunächst theoretische Positionen zu erarbeiten, bevor mit der empirischen Überprüfung von Hypothesen bzw. Theorien (durch die Wissenschaft) fortgefahren werden kann.

Entsprechend kann eine am kritischen Rationalismus ausgerichtete Prüfstrategie zur Theorienbildung – vor dem Hintergrund einer „unreifen Sozialwissenschaft“ – nicht mehr als alleingültiger bzw. idealtypischer Forschungsansatz begriffen werden.130 Das prätheoretische Stadium des Betrachtungsbereichs dieser Arbeit lässt eine Hypothesenbildung nicht zu, so dass eine empirisch gestützte Prüfstrategie ausscheidet. Demnach lautet das Ziel dieser Arbeit (vgl. I-1.2) nicht die Bildung einer abgeschlossenen Theorie, sondern es sollen lediglich Teilaspekte sowie Ansätze für ein Theorieprogramm zur Handhabung von Komplexität erarbeitet (vgl. II-5) und damit der Versuch einer theoretischen Fundierung unternommen werden. Eine Anhäufung von „atheoretischen Datensammlungen“131 sollte nicht das primäre Ziel der Forschung sein. Sie muss vielmehr Anregungen liefern und die Generierung von Ideen, kritische Reflexion sowie Modellversuche und Simulationen des Forschungsstandes leisten.

Die dargestellten Kritikpunkte verdeutlichen, dass sich der kritische Rationalismus keineswegs für alle Forschungsvorhaben gleichermaßen eignet. Diese Arbeit baut daher auf einer breiter angelegten, bezugsrahmenorientierten Vorgehensweise auf (vgl. I-1.3), da mit diesem Prozedere die Annahmen des kritischen Rationalismus nicht getroffen werden müssen.132 Entsprechend wird aufgrund des prätheoretischen Stadiums und der Ablehnung einer empirischen Untersuchungsstrategie eine sachlich-analytische Untersuchungs- und Forschungsstrategie verfolgt.133 Die mit der analytischen Vorgehensweise verbundene Einteilung des Betrachtungsgegenstands in isolierte Einheiten ist gewissenhaft abzuwägen, da Verhalten in einem sozialen System nicht das Ergebnis einzelner Ursachen bzw. Einheiten, sondern in der Regel das Produkt der nicht-

130

Vgl. Scherer, A.G. (1995), S. 108ff. SCHERER unterscheidet fünf Probleme des kritischen Rationalismus: (1) Ausblendung normativer Probleme, (2) Reduktion von „Handeln“ auf „Verhalten“, (3) sprachphilosophisch unaufgeklärter Wahrheitsbegriff, (4) Annahme einer stetig verbesserten Beschreibung der Realität und (5) kein objektives Kriterium zur paradigmenunabhängigen Bestimmung der „Richtigkeit“ von Theorien. SCHERER kritisiert vor allem den sich aus den Problemen ergebenen Orientierungsverlust hinsichtlich der Zwecke und Mittel betriebswirtschaftlicher Forschung. 131 Chmielewicz, K. (1994), S. 143. 132 Besonders bezieht sich dies auf die Annahme „rationalen“ Handelns. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 214, 224f. 133 In Abgrenzung zu einer empirischen oder formal-analytischen Strategie. Vgl. Grochla, E. (1976), S. 634. Analysen sollen Beschaffenheit, funktionale Zusammenhänge, kausale Mechanismen, Bedingungsgefüge und Dynamiken des Gegenstandsbereichs erhellen und kritisch reflektieren. „Die Forschungsinteressen des sachlich-analytischen Wissenschaftlers konzentrieren sich auf die Durchleuchtung komplexer Zusammenhänge und auf die Erarbeitung von Handlungsgrundlagen, die lediglich durch Plausibilitätsüberlegungen und eventuelle, empirisch festgestellte Teilzusammenhänge gestützt werden. Dabei wird keine systematische empirische Überprüfung entwickelter Aussagen angestrebt. […] Im Vordergrund steht eine Art gedankliche Simulation der Realität mit dem Erkenntnisziel, die Beziehungen transparent zu machen […].“ Grochla, E. (1978), S. 72.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

linearen Wechselwirkungen multipler Faktoren ist.134 Dieses spiegelt die zentrale Erkenntnis komplexitätstheoretischer Denkmodelle wider.

Das bezugsrahmenorientierte Vorgehen steht im Einklang mit dem prätheoretischen Stadium, das für die Verbindung von Organisationswissenschaften und komplexitätswissenschaftlichen Denkmodellen im Schrifttum auszumachen ist (vgl. III-1 und III-2).135 Vor dem Hintergrund „inexakter Wissenschaften“ entwickeln Bezugsrahmen heuristische Kraft für die Bewältigung von Fragestellungen aus der Praxis. Durch das heuristische Potential eines Bezugsrahmens können sich Fragen bilden und Erkenntnissen abgeleitet werden, die bei der Nutzung exakter Modelle mit ihrem begrenzten Anwendungsbereich nicht entstehen.136 Dazu werden in dieser Arbeit die bisherigen Erkenntnisse über komplexitätswissenschaftliche Ansätze in der Organisationstheorie systematisiert und mögliche Gestaltungsvariablen, Wechselwirkungen, Zielkriterien und Annahmen sowie Hypothesen zu einem Gesamtbild zusammengefasst.

Der Nutzen komplexitätswissenschaftlicher Ansätze für die organisationstheoretische Forschung (vgl. III-1) muss jedoch – nicht zuletzt aufgrund ihrer Neuheit – kritisch überprüft werden, um sich nicht in vergleichbarer Weise wie die Systemtheorie angreifbar zu machen.137 Denn die z. T. als reiner Eklektizismus bezeichneten, aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen rekurrierenden und von unterschiedlichen Kategorien und Basisannahmen getragenen Forschungsansätze in einer einheitlichen Terminologie und Methodologie summieren zu wollen, kann zu einer hohen Abstraktion von der Realität und im Falle der Systemtheorie zu einer zweifelhaften Übertragung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse auf die Sozialwissenschaften führen. Für die komplexitätswissenschaftlichen Ansätze ist der wirtschafts- und verhaltenswissenschaftliche Bezug sicherzustellen. Sonst besteht die Gefahr, durch die Umwelt induzierte Notwendigkeiten zur Veränderung zu betonen und Konzeptionen zu entwerfen, „in denen der Mensch explizit nicht vorkommt.“138 Diesem Aspekt wird in komplexitätswissenschaftlichen Denkmodellen u. a. durch die Berücksichtigung von Selbstreferenz sowie bei der Simulation durch Beachtung der Individualebene (z. B. Menschen) entgegenwirkt.139

134 135

136 137 138 139

Vgl. Willke, H. (2000); Willke, H. (2001); Stacey, R.D. (2003b). Vgl. Dooley, K.J./Van de Ven, A.H. (1999), S. ff; Goldstein, J./Allen, PM../Snowden, D. (2004), S. vff; Allen, P.M. (2004), S. vff; Price, I. (2004), S. 43ff. Ausnahmen bilden die Beiträge von McKELVEY, CILLIERS, STACEY, LISSACK und CARLEY. In idealtypischer Weise – so ihre Argumentation – würde eine verbindende Theorie die organisationale Gesamtebene und die individuellen Ebenen konkretisieren und kausale Mechanismen erläutern. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 225f. Vgl. Grochla, E. (1978), S. 204ff; Wolf, J. (2005), S. 145f. Wolf, J. (2005), S. 143. Vgl. Waldrop, M.M. (1992), S. 103f, 463f; Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 106ff; Kappelhoff, P. (2002b), S. 59.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

25

„Die Komplexitätstheorie bietet mit den von ihr bereitgestellten [nicht von vornherein reduktionistischen, Anmerkung des Verfassers] weltbildprägenden Metaphern einen Interpretationsrahmen für organisationale Prozesse. [...] Die Komplexitätstheorie stellt ein elaboriertes modelltheoretisches Instrumentarium bereit, das sich auf organisations- und managementtheoretische Fragestellungen anwenden lässt.“140 Sie leistet damit einen Beitrag zum Paradigmenwandel in der Organisationstheorie. Durch die gute Differenzierbarkeit und Integrierbarkeit der zu untersuchenden Phänomene (reale und ideelle Zusammenhänge141) unterstützt sie die Suche nach möglichen Anknüpfungspunkten für die Organisationstheorie.142 „Ultimately, when the natural science side is more fully developed, we can look to exploring the most interesting part of our science [Komplexitätswissenschaft; Anmerkung des Verfassers]: the transition phenomena lying between intentionally caused and naturally caused organisational phenomena. A quasi-natural organisation science could end the paradigm war.“143

1.2

Spezifikation der wissenschaftsdisziplinären Position und TheoriePraxis-Verhältnis

Nach der Darstellung und Begründung der Forschungskonzeption wird im Folgenden die Verortung der vorliegenden Arbeit in den Forschungstraditionen (Wissenschaftsdisziplinen) vorgenommen und das Theorie-Praxis-Verhältnis spezifiziert. Dieses Vorgehen ist erforderlich, da mit der vorliegenden Untersuchung eine Multi-Paradigma-(Forschungs-)Fragestellung144 verfolgt wird (vgl. I-1.3).145

Monodisziplinäres Denken hebt selektierte Aspekte überproportional zulasten einer holistischen Perspektive hervor, welches in der Regel durch die „synthetische“ (historisch begründete bzw. administrativ für zweckmäßig befundene) Trennung der Disziplinen unterstützt wird.146 „Bisher kann keines der [...] Wissenschaftsprogramme den Anspruch erheben, allein die wichtigsten Erkenntnisbeiträge zur Realwissenschaft ‚Betriebswirtschaftslehre’ erbracht zu haben. Diejenigen Aussagesysteme, welche sich bisher am besten bewährt haben, sind nicht nur einem einzigen

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146

Kappelhoff, P. (2002b), S. 90. Vgl. Ulrich, H. (2001i), S. 172. Vgl. Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. u. a. (1999), S. 233ff; Carley, K.M. (2002a), S. 208ff; Epstein, J. (1999), S. 41ff. Vgl. McKelvey. B. (1997), S. 347. Vgl. zum (Multi-)Paradigma Schanz, G. (1988b), S. 20ff; Behrens, G. (1993), Sp. 4766f; Kirsch, W. (1997c), S. 7. Vgl. auch Teil I. Dies ist vor dem Hintergrund der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft notwendig. Vgl. Ulrich, H. (2001b), S. 18ff. Vgl. Popper, K.R. (1965), S. 66f. Diese Position wird jedoch nicht von allen Autoren vertreten. Vgl. zur Problematik der Interdisziplinarität von Forschungsansätzen Staehle, W.H. (1995), S. 13ff.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

Wissenschaftsprogramm zuzuordnen.“147 Dementsprechend wird in der Betriebswirtschaftslehre – als anwendungsorientierte Wissenschaft148 – die Verfolgung ausschließlich ökonomischer Perspektiven partiell aufgegeben.149 In der Organisationswissenschaft (als Teil der Betriebswirtschaftslehre) werden z. B. soziologische mit ökonomischen,150 naturwissenschaftlichen oder verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen verknüpft.151

Pluralistische Forschungsansätze bzw. die Verfolgung multidimensionaler Wissenschaftsprogramme dürfen jedoch nicht derart eingesetzt werden, dass sie sich vollständig von der Ordnung in der Wissenschaftstheorie lösen. Sie würden sich damit der „Dilettantismus“-Kritik152 aussetzen, unübersehbar große Wissenschaftsgebiete parallel dominieren und analysieren zu wollen.153 CHMIELEWICZ behauptet, dass „[n]ur durch hauptberufliche Beschäftigung [...] man sich das Hintergrundwissen erwerben [kann], das zur sachverständigen Beurteilung der Probleme einer Disziplin nötig ist.“154 Dem kann entgegnet werden, dass es für die interdisziplinäre Forschung nicht zwingend erforderlich ist, die angrenzenden Forschungsgebiete vollständig zu beherrschen, um daraus Teilaspekte zu nutzen. „Wer allerdings pauschal behauptet, Bereichsüberschreitungen würden zwangsläufig zu Dilettantismus auf fachfremden Gebieten führen, schießt weit über das Ziel hinaus.“155 Die „Gefahr des Dilettantismus“ besteht nur dann, wenn versucht wird, Phänomene wie Komplexität in Organisationen durch mehrere z. T. sich widersprechende (Teil-)Theorien zu erklären, ohne auf ein einheitliches Begriffs- und Aussagesystem zu achten. CHMIELEWICZ wählt daher statt interdisziplinär den Begriff der übergreifenden Disziplinen, nach denen „nicht problemorientiert im Hinblick auf einen gemeinsamen Problemkomplex der Praxis, sondern kalkülorientiert im Hinblick auf eine gemeinsame Formalstruktur der Theorie“156 vorgegangen wird (vgl. II-2.5). Aufgrund der vorhergehenden Argumentation wird deutlich, dass nur

147 148 149

150

151

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156

Schweitzer, M. (2004a), S. 5f. Vgl. zur Einteilung der Disziplinen und Interdisziplinen Chmielewicz, K. (1994), S. 31. Vgl. Ulrich, H. (2001b), S. 19. Stellvertretend stehen für diese Position Schanz, G. (2004), die Münchner Schule um Kirsch, W. (1997c) und die St. Galler Schule um Ulrich, H. (2001i), Ulrich, H. (2001e) und Bleicher, K. (2004). Vgl. u. a. March, J.G./Simon, H.A.(1958); Simon, H.A. (1957a); Luhmann, N. (1991a); Luhmann, N. (1991b); Giddens, A. (1997); Kirsch, W. (1997b); Kappelhoff, P. (2000b); Katz, D./Kahn, R.L. (1978); Kirsch, W./Esser, W.-M./ Gabele, E. (1979). Vgl. Hayek, F.A. von (1972); Maturana, H.R./Varela, F.J. (1975); Probst, G.J. (1987a, 1987b); Göbel, E. (1998); Haken, H. (2000); Varela, F.J. (2000). Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 21ff, 26f, 32 zur „Dilettantismus“-Kritik bzw. -Gefahr. Vgl. Schanz, G. (1988b), S. 31ff. Chmielewicz, K. (1994), S. 26. Schanz, G. (1988b), S. 33. „Wer im Pluralismus eine für den Erkenntnisfortschritt förderliche Angelegenheit sieht – und dafür gibt es schließlich recht gut Argumente [...] – wird in der sozialwissenschaftlichen Öffnung der Betriebwirtschaftslehre sogar eine prinzipiell begrüßenswerte Entwicklung erblicken, denn damit kommen Alternativen ins Spiel, die sich als fruchtbar erweisen könnten.“ Schanz, G. (1988b), S. 32. Chmielewicz, K. (1994), S. 33.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

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mithilfe eines „Pluralismus an Theorieperspektiven“ eine Multi-Paradigma-Fragestellung angemessen bearbeitet werden kann.157

Die Betriebswirtschaftslehre stellt sich als eine angewandte, d. h. praktisch-normative Wissenschaft dar.158 Nach Auffassung von ULRICH ist der Praxisbezug für eine solche Wissenschaft konstituierend, d. h. die primäre Aufgabe besteht darin, die Anwendung von Hypothesen auf Praxisfragestellungen zu ermöglichen und damit das unternehmerische Handeln in der realen Welt zu unterstützen.159 „Anwendungsorientierte Wissenschaft umfasst jedoch nicht ausschließlich die theorielose Skizzierung von Gestaltungszielen und -parametern, sondern vor allem die Berücksichtigung von Gestaltungsbedingungen und -wirkungen auf Basis gründlicher theoretischer Reflexion.“160 Der Fortschritt resultiert aus der Reflexion von Theorie- und Anwendungszusammenhang. Vier Varianten praxisorientierter Aussagen können in der Betriebswirtschaftslehre differenziert werden:161

x

Ausarbeitung inhaltlicher Lösungen für konkrete Probleme

x

Entwicklung von Lösungsverfahren für konkrete Probleme

x

Entwurf von Gestaltungsmodellen für die Veränderung der sozialen „Wirklichkeit“

x

Konzeption von Regeln für die Entwicklung von Gestaltungsmodellen in der Praxis

In dieser Arbeit werden Aussagen erarbeitet, die dem Entwurf von Gestaltungsmodellen und der Konzeption von Regeln für die Entwicklung dieser Gestaltungsmodelle dienen, da sich so problemübergreifende Einsichten aus dem Anwendungszusammenhang wissenschaftlicher Erkenntnis unmittelbar ableiten lassen bzw. erst ermöglicht werden.

Die Anwendungsorientierung der Betriebswirtschaftslehre darf jedoch nicht dazu führen, dass die bestehenden Divergenzen zwischen Theorie und Praxis negiert werden. „All of this suggests that theory and practice are qualitatively different. Theory is often equated with thinking, abstractness, explanation, knowing that, and dissection into parts. Practice, by contrast, is equated with doing, concreteness, understanding, know how, and wholes. These contrasts are sufficiently strong that the persistent question is, how can they be reconciled, if at all?”162 Um eine Anwen-

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159 160 161 162

Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 7. Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 21; Ulrich H. (2001b) S. 17ff; Ulrich H. (2001c) S. 53ff; Kirsch, W. (1997c), S. 4ff; Heinen, E. (1976), S. 368. Vgl. Ulrich, H. (1984), S. 171; Wolf, B. (2003), S. 585ff; Weick, K.E. (2003a), S. 453f. Kammel, A. (2000), S. 46. Vgl. zur ausführlichen Beschreibung Ulrich, H. (1984), S. 180f. Weick, K.E. (2003a), S. 454.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

dung von Theorien zu ermöglichen, ist die Überwindung von z. B. unterschiedlichen Denkweisen in Wissenschaft und Praxis erforderlich. „As a result, the way in which knowledge makers draw their lines for purposes of theory construction are often at variance with the ways knowledge utilizers draw theirs for purpose of action.“163

Die Anwendungsorientierung der Betriebswirtschaftslehre erfordert neben der wissenschaftsdisziplinären Einordnung auch die Explikation des der jeweiligen Arbeit zu Grunde liegenden Theorie-Praxis-Verhältnisses.164 Dieses enthält ein begriffliches Spannungspotenzial (Wissenschaft gegenüber Anwendungsorientierung) und wird daher in der Literatur ebenso als Theorie-PraxisProblem beschrieben.165 In der vorliegenden Arbeit wird versucht, eine schlüssige Verknüpfung von Theorie und Theorieanwendung durch eine Überführung von theoretischen UrsacheWirkung- in praxisorientierte Ziel-Mittel-Aussagen zu gewährleisten. Die praktische Relevanz einer solchen „Theorie-Praxis-Annäherung“ ist jedoch marginal, da u. a. die benötigten universalen Hypothesen fehlen, so dass die Wissenschaftstheorie bisher keine allgemein akzeptierte Vorgehensweise anbietet.166

Zur Gestaltung des Theorie-Praxis-Verhältnisses können verschiedene Herangehensweisen unterschieden werden.167 Vereinfacht lautet das Postulat, die Praxis zu „verwissenschaftlichen“ oder alternativ eine Wissenschaft zu fordern, die sich als Auftragsforschung versteht. Während im ersten Fall eine übertriebene Erwartung der Wissenschaft zu kritisieren ist, muss im zweiten Fall die Genese unkritischen „Praxiswissens“ bemängelt werden.168 Die Angebote der Wissenschaftstheorie zur Reduzierung des Theorie-Praxis-Dilemmas können lediglich durch eine Hilfskonstruktion – die Dreiteilung in Entdeckungs- bzw. Entstehungs-, Begründungs- und Anwendungszusammenhang – erreicht werden.169 Der Entdeckungs- bzw. Entstehungszusammenhang

163 164

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Roethlisberger, F.J. (1977), S. 438. Vgl. Steinmann, H./Scherer, A.G. (2004), S. 261ff. Das Theorie-Praxis-Verhältnis ist in der Betriebswirtschaftslehre bis heute nicht abschließend bestimmbar. Die Kontroverse geht bereits auf unterschiedliche Positionen zwischen SCHMALENBACH (Betonung der theoretischen Orientierung) und RIEGER (Aufgabe der Betriebswirtschaftslehre: Bereitstellung praktisch verwertbaren Wissens) Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, die durch GUTENBERG und MELLEROWICZ in den 1950er Jahren wieder aufgenommen wurde. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4768f. Die Erörterung wird notwendig, da z. B. BEHRENS von einem Theorie-Praxis-Problem ausgeht. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4770. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4769f. Zu den Folgen des klassischen Ursache-Wirkungs-Denkens vgl. Riedl, R.J. (2003), S. 67ff. WEIK unterscheidet in seinem beachteten Beitrag acht Perspektiven. Vgl. Weick, K.E. (2003a), S. 459ff. Vgl. Nienhüser, W. (1989), S. 213. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4770. Im Entdeckungszusammenhang werden die Bedingungen untersucht, unter denen die Wissenschaft zu theoretischen Konzepten gelangt. Vorstellungen von Theorien können spontan oder alternativ durch systematisches Vorgehen entstehen. Der Begründungszusammenhang wird dagegen durch die Methode der empirischen Überprüfung des gedanklichen Bezugsrahmens determiniert. Der Zweck bzw. die Anwendung wissenschaftlicher Aussagen charakterisiert den Verwendungs- bzw. Anwendungszusammenhang. Vgl. dazu generell Raffée, H. (1995), S. 42; Chmielewicz, K. (1994), S. 36ff, 207f, 290ff; Ulrich, H. (1984), S. 172ff; Popper, K.R. (2005), S. 6ff.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

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(exploratives Vorgehen) bezieht sich auf die Genese von Theorieideen bzw. auf den Aufbau einer „erfahrungsgestützten Theorie“170 und grenzt sich gegenüber dem Begründungszusammenhang (Aufgabenbereich der Wissenschaftslogik) hinsichtlich der fehlenden Überprüfung der Widerspruchsfreiheit ab.171 Die explorative Forschungsstrategie deckt sich mit dem in I-3 explizierten Forschungsvorgehen des Entwurfs eines theoretischen Bezugsrahmens, welches die anschließende empirische Forschung anleitet.172 Der in dieser Arbeit betonte Entdeckungszusammenhang steht im Einklang mit dem Gestaltungsauftrag der Sozialwissenschaften, auf neue oder veränderte soziale „Wirklichkeiten“ zu reagieren, obwohl eine umfangreiche Überprüfung noch nicht möglich ist. Demnach ist zunächst die Exploration von allgemeinen Aussagen und systematisch gewonnenem, heuristischen Erfahrungswissen Voraussetzung für die Theorienbildung.173 Daher wird in der vorliegenden Arbeit auf das Testen von Hypothesen bzw. die konfirmatorische Theorieprüfung im Sinne des Begründungszusammenhangs verzichtet.

ULRICH/HILL befürworten es im Fall eines prätheoretischen Stadiums der wissenschaftlichen Grundlagen, sich im Dienste des wissenschaftlichen Fortschritts zunächst auf den Grundlagen bildenden Entdeckungszusammenhang zu konzentrieren und nicht zu Beginn auf einer Überprüfung und Rechtfertigung von Hypothesen im Sinne des Begründungszusammenhangs zu beharren.174 CHMIELEWICZ spricht daher vom context of discovery175, mit dem eine „theoriegeleitete Praxis“176 erreicht werden soll. „Der explorativen Studie kommt so eine praktische Funktion zu: zum Ersten bereits durch die systematische Auflistung möglicher Problemfelder, zum Zweiten durch die Erarbeitung theoretischer Grundlagen und Erklärungen sowie zum Dritten durch die Diskussion adäquater Handlungsweisen zur Lösung realer Probleme.“177

170 171

172 173 174

175 176 177

Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3894f; Schanz, G. (1977), S. 66ff; Becker, F.G. (1993), S. 117ff. Darüber hinaus wird der Verwendungszusammenhang abgegrenzt, der sich auf die Anwendung der Theorien auf praktische Probleme bezieht. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4770. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3891. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 146. Vgl. Ulrich, P./Hill, W. (1976), S. 306f. „Ohne die vorherige Realisierung solcher neuen Konzepte [wie z. B. komplexitätstheoretische Denkmodelle; Anmerkung des Verfassers] läuft die empirische Forschung leer, die spezifisch neuen Elemente dieser Konzepte haben [aufgrund ausstehender Realisierungen derartiger Konzepte; Anmerkung des Verfassers] keinen empirischen Testbereich.“ Chmielewicz, K. (1994), S. 146. KAPPELHOFF weist in diesem Zusammenhang auf das prätheoretische Stadium der komplexitätstheoretischen Perspektive hin. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 86. In der Betriebswirtschaftslehre entspricht nach ULRICH und SCHANZ das Rekurrieren auf den Entdeckungszusammenhang dem Gestaltungsauftrag der Sozialwissenschaften. Vgl. Ulrich, H. (1984), S. 204f; Schanz, G. (1988a), S. 6, 94. „Methodologisch versteht sich die entscheidungsorientierte Betriebswirtschaftslehre als angewandte Wissenschaft, beschränkt sich somit nicht nur auf die Analyse betriebswirtschaftlicher Sachverhalten, sondern betont ihre Gestaltungsaufgabe durch Abgabe von Handlungsempfehlungen.“ Stein, J.H. von (1993), Sp. 476. Chmielewicz, K. (1994), S. 37. Scherer, A.G. (2002), S. 26. Becker, F.G. (1993), S. 117.

30

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

Für die Betriebswirtschaftslehre stellt die Untersuchung des Anwendungszusammenhangs eine zentrale Aufgabe dar. Bisher liegen hierzu jedoch in der Wissenschaftstheorie lediglich unzureichende Ausführungen zur Ausgestaltung vor. Eine methodologische Herausforderung der Wissenschaftstheorien besteht in der Frage, wie bei der Erforschung von Anwendungszusammenhängen vorzugehen ist.178 Die Betrachtung von Komplexität als Fait accompli jedes Anwendungszusammenhangs zieht forschungsmethodische Limitationen nach sich, die erstens in den Grenzen der kognitiven Fähigkeiten und zweitens in den Grenzen quantitativer Forschungsmethoden zur Analyse realer sozialer Systeme bestehen. Zusammenfassend ist festzustellen, „daß die Erforschung des Anwendungszusammenhangs nicht durch Methoden allein erfolgen kann, die auf ein naturgesetzliches Erklären ausgerichtet sind, sondern hermeneutische Vorstellungen über das Verstehen menschlicher Phänomene mit einschließen muss.“179

Die Dreiteilung in Entdeckungs- bzw. Entstehungs-, Begründungs- und Anwendungszusammenhang hat zu einer Veränderung der Betrachtungsweise des Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis geführt (vgl. Abbildung II-2). Konventionelle Betrachtung

„Methodisch-konstruktive“ Betrachtung

Wissenschaftstheorie

Wie wird/sollte die Organisationstheorie betrieben werden?

Theoriegeleitete Praxis

Organisationstheorie

Wie wird/sollte die Organisationspraxis betrieben werden?

Theoretische Praxis

Praxis

Ist-Zustand der Organisationsoraxis

Primäre Praxis

Abbildung II-2: Gegenüberstellung der konventionellen und „methodisch-konstruktiven“ Betrachtung des Verhältnisses von Theorie und Praxis180

Dem konventionellen Theorie-Praxis-Verhältnis liegt die Auffassung zu Grunde, dass die Handlungspraxis der Organisationselemente durch implizite bzw. explizite Theorien – orientiert am Subjekt-Objekt-Modell – gelenkt wird und keine Wechselwirkungen bestehen (vgl. auch Abbil-

178 179 180

Vgl. Ulrich, P./Hill, W. (1976), S. 307; Ulrich, H. (1984), S. 175. Ulrich, H. (1984), S. 178. Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 23, 26.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen 181

dung II-1).

31

Aus methodisch-konstruktiver Sicht gehen Sprechen und Handeln der Theorie(-bil-

dung) voraus (primäre Praxis).182 Im Gegensatz dazu konzentriert sich die theoretische Praxis auf eine Erörterung von Geltungsansprüchen, die notwendig wird, wenn das Handeln und Sprechen nicht mehr dazu führt, Wissen zu bilden und Lösungsprobleme zu verringern. In der theoretischen Praxis trennen sich die Akteure von den bisher geltenden Maximen des Handelns, um eine „objektive theoriebildende Position“ gegenüber der Situation einnehmen zu können. Durch die Anwendung des zur Problemlösung entwickelten Wissens wird der Wechsel zur theoriegeleiteten Praxis erreicht. Dieses kann zur unmittelbaren Problemlösung oder zur Kontrolle und Absicherung des Wissens eingesetzt werden. Hat sich das generierte Wissen bewährt, so fließt dieses in die Routinehandlungen der primären Praxis wieder ein – solange bis neue Probleme auftreten.183

1.3

Explizierung und Begründung der Basisannahmen

Die wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung in der Betriebswirtschaftslehre bezieht sich auf die Eigenschaften und Zusammenhänge der Realität.184 Der Ursprung der Erkenntnisgewinnung ist jedoch nicht univok festgelegt, da verschiedene Realitätsebenen differenziert werden.185 „Sie [die Realitäten; Anmerkung des Verfassers] zielen in den Realwissenschaften auf Erkenntnisse über Eigenschaften und Zusammenhänge der objektiven Realität, die jedoch nur im Rahmen der subjektiven Realität erfasst und durch Formen der sprachlichen Realität ausgedrückt werden können [Hervorhebung durch Verfasser].“186 Daraus folgt, dass nicht objektiv festgelegt ist, was über Realitäten gewusst werden kann, auf welche kognitiven Erkenntnisprozesse die Inhalte dieser Aussagen im Einzelnen zurückzuführen sind und welche Bedeutung die verwendete Sprache hat. Ferner ist zu überprüfen und ggf. infrage zu stellen, ob überhaupt von Untersuchungsobjekten und Objektivität gesprochen werden kann.187 Den metawissenschaftlichen Rahmen als erkenntnis- und wissenschaftstheoretische Grundlage, die aufgestellten Fragen und

181

182

183 184

185 186 187

Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 23. Das Subjekt-Objekt-Modell steht für die Verknüpfung der beiden Grundpositionen (Induktion und Deduktion) zu einem Erkenntnismodell, das in mehreren Varianten (z. B. logischer Empirismus des Wiener Kreises und kritischer Rationalismus nach POPPER und ALBERT) in der Wissenschaftstheorie vorliegt. Ziel ist es, einen Anfang zu bestimmen, der als Ausgangspunkt jeder Theorie identifiziert werden kann. Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 24. Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 24ff. Aus strikter selbstreferentieller Perspektive ist Realität das, was die Erkenntnis als Realität bezeichnet. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 648. Realitäten in den Naturwissenschaften sind in der Regel unabhängig vom Menschen. Soziale und wirtschaftliche Realitäten werden jedoch erst durch den Menschen geschaffen. Die Forderung, Realitäten anzuerkennen, ist daher in Bezug auf Sozialsysteme nicht vergleichbar mit Realitäten in den Naturwissenschaften. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 106. Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4763. Behrens, G. (1993), Sp. 4763. Vgl. Ulrich, H. (1984), S. 118ff. In der von ULRICH geprägten Definition des Managementbegriffs stellt er Objektivität und die Annahme von Untersuchungsobjekten infrage.

32

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

die Zusammenhänge zur Objektivität und Realität zweckmäßig zu erörtern, bietet – gegenüber kontingenztheoretischen bzw. situativen Ansätzen – der Konstruktivismus.188 Konstruktivistisch motivierte Auffassungen und Konzepte zur Wirklichkeitskonstruktion, Selbstorganisation und Selbstreferenz haben in den letzten Jahrzehnten in den Wirtschaftswissenschaften ihr Innovations- und Problemlösungspotential sowie ihre Zweckmäßigkeit an verschiedenen Stellen unter Beweis gestellt.189 Einen Konstruktivismus mit typenfesten Paradigmen gibt es jedoch nicht.190 In der Wissenschaft wird formalisierend zwischen radikalem, sozialem und methodischem Konstruktivismus unterschieden.191 Der radikale Konstruktivismus begreift die Systemelemente als etwas völlig Abgeschlossenes gegenüber der Realität und damit ohne Bezug zur Außenwelt. Die Erkenntnis (d. h. das Bild von der Realität) wird durch individuell-subjektive Kognition konstruiert. Entsprechend wird im radikalen Konstruktivismus von der Subjektivität aller Erfahrungen ausgegangen. Der soziale Konstruktivismus hingegen untersucht, wie es zu gemeinsam geteilten Annahmen und Interpretationen über die soziale Welt kommt. Die „Wirklichkeit“ ist sozial konstruiert, d. h. sie entsteht als gemeinsam geteilte „objektive“ Wirklichkeit durch Kommunikation und Interaktion zwischen den Systemelementen. Der methodische Konstruktivismus wird in Zusammenhang mit Begründungsfragen bzw. der Begründung von Theorien genannt und durch die Erlanger Schule um die Philosophen LORENZEN und KAMALAH vertreten.

Ohne sich ausschließlich auf eine Variante des Konstruktivismus festlegen zu wollen, lehnt sich diese Arbeit primär an die sozial konstruktivistische Position an. Voraussetzung hierfür ist, dass unser Wissen über die Realität nicht objektiv gegeben, sondern (sozial) konstruiert ist.192 Bezieht sich diese Annahme auf Organisationen, so wird davon ausgegangen, dass Organisationsmitglieder durch Interaktion (Kommunikation) eine soziale Wirklichkeit erzeugen, die von anderen Elementen als „objektive Wirklichkeiten“ erkannt wird.193 Somit ist die Komplexität von Unternehmensprozessen von der (sozialen) Wahrnehmung und den Interaktionen des Betrachters ab-

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192

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Vgl. Behrens, G. (1993), Sp. 4771; Scherer, A.G. (2004), Sp. 644ff; Gebauer, H. (1991), S. 185ff; McKinley, W. (2003), S. 142ff. Der konstruktivistische Ansatz steht in engem Zusammenhang mit der Systemtheorie nach Vorstellung der Palo-Alto Gruppe um VON FOERSTER, VON GLASERSFELD, WATZLAWICK und LUHMANN. Vgl. Scherer, A.G. (2004), Sp. 649f, Stachowiak, H. (1983a), S. 10ff sowie Heidack, C. (2004), Sp. 645 für das Personalwesen. Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 287ff; Brunner, E.J. (1992), S. 227ff; Watzlawick, P. (2004); Watzlawick, P./Krieg, P. (Hrsg.) (1991). Vgl. Astley, W.G. (1985), S. 497ff; Schmidt, S.J. (2000), S. 11ff. Jensen, S. (1999) S. 322ff; Scherer, A.G. (2004), Sp. 646f; Glasersfeld, E. von (1997). Vgl. kritisch zum radikalen Konstruktivismus Zerfaß, A./Scherer, A.G. (1995). Vgl. Weick, K.E. (1979); Foerster, H. von (1996), S. 145; Tsoukas, H. (1996), S. 12ff; Berger, P.L./Luckmann, T. (1992), S. 139ff. Zur Beobachterproblematik vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), 11ff. Vgl. Tsoukas, H. (1996), S. 11ff.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

hängig.

194

33

Organisationsmitglieder orientieren sich an sozial geteilten Regeln (vgl. oben), die für

sie die „Wirklichkeit“ repräsentieren. Damit stellt die sozial entworfene Ordnung ein Ergebnis der Interaktion zwischen den Elementen dar, die auf der Produktion und Selbstreferenz von Regeln aufbaut.195

Ein zentraler Unterschied der konstruktivistischen Ansätze zu alternativen wissenschaftstheoretischen Perspektiven (wie z. B. dem Positivismus) besteht im Verhältnis zwischen Wissen und Wirklichkeit.196 Während traditionelle Auffassungen in der Erkenntnistheorie die Relationen stets als eine bildhafte Konformität betrachten, sieht der Konstruktivismus sie als Adaption im funktionalen Sinn.197 In der angloamerikanischen Alltagssprache wird dieser begriffliche Gegensatz durch die Abgrenzung der Worte match (bildhafte Konformität, stimmen) und fit (Adaption, passen) deutlich. Wird z. B. über eine Abbildung gesagt, dass sie „stimmt“, so bedeutet dies, dass das Abgebildete mit ihr in einer bestimmten Form gleichförmig ist. In welchen Eigenschaften Gleichförmigkeit verlangt wird, kann von Fall zu Fall wechseln.198 Wird im Gegensatz dazu davon gesprochen, dass etwas „passt“, so bedeutet dies, dass es den „Dienst leistet“, der erwartet wurde. „Ein Schlüssel „passt“, wenn er das Schloss aufsperrt. Das Passen beschreibt die Fähigkeit des Schlüssels, nicht aber das Schloss.“199 Der Logik folgend bedeutet dies jedoch nicht, dass „objektiv“ deutlich wird, wie die Wirklichkeit beschaffen ist. Es ist lediglich ein gangbarer Weg zu einem Ziel gefunden worden. Die Frage nach alternativen Wegen und wie eine Wirklichkeit jenseits der eigenen Erfahrungen aussieht, wird nicht beantwortet.200 Was von einer „absoluten“ Wirklichkeit beschrieben werden kann, sind in der Regel ihre Grenzen, nicht jedoch ihre konkrete Beschaffenheit. „Eine Hypothese als falsch erwiesen zu haben, ist der Höhepunkt des Wissens.“201 Grundsätzlich betrachtet ist Wissen brauchbar und relevant bzw. zweckmäßig, wenn es der Erfahrungswelt standhält und befähigt, Vorhersagen zu treffen, Erfahrungen zu beschreiben und diese zu erklären. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, ist das Wissen wenig zweckmäßig, unbrauchbar und letztendlich als Aberglaube zu bewerten.202 Der Konstruktivismus

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Vgl. Simon, H.A. (1986), S. 210f; Berger, P.L./Luckmann, T. (1992), S. 139ff; Scherer, A.G. (2004), Sp. 646. Vgl. Berger, P.L./Luckmann, T. (1992), S. 55. Vgl. Arthur, B.W. (2000, 1999a, 1999c), konstruktivistische Grundhaltung aus ökonomischer Perspektive. Vgl. Glasersfeld, E. von (2003b), S. 19; Jensen, S. (1999), S. 26ff. Vgl. Glasersfeld, E. von (2003b), S. 20. Oft spielt das Gewicht, die Größe, Farbe oder Lage in Raum und Zeit keine Rolle. In diesen Fällen wird auf die getreue Wiedergabe von Proportionen, Ordnung oder charakteristischer Struktur geachtet. Vgl. Wyssusek, B./Schwartz, M./Kremberg, B. u. a. (2002), S. 238ff. In der klassischen Erkenntnislehre findet sich stets die ausdrückliche oder stillgeschwiegene Voraussetzung, dass das Resultat der Erkenntnis, nämlich unser Wissen, ein Wissen von der wirklichen Welt ist und – soweit es „wahr“ ist – diese prinzipiell unabhängige selbständige Welt zumindest in einer Weise „homomorph“ wiedergibt. Vgl. Talaulicar, T. (2004), Sp. 1640f. Glasersfeld, E. von (2003b), S. 20. Vgl. Watzlawick, P. (1985), S. 365ff. McCulloch, W.S. (1965), S. 154, zitiert nach: Glasersfeld, E. von (2003b), S. 23. Vgl. Talaulicar, T. (2004), Sp. 1640; Wittmann, H. (1959), S. 14; Heinrich, Lutz J. (1993), Sp. 1749.

34

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

entwickelt demnach eine Epistemologie, nach der für die Erkenntnis keine „objektive“ ontologische Wirklichkeit ausgemacht werden kann, sondern die Ordnung und Organisation von Erfahrungen in der Welt des Erlebens beachtet wird.

Mit der Ablehnung einer ontischen Wirklichkeit richtet sich der Konstruktivismus gegen den kritischen Rationalismus popperscher Prägung (vgl. II-1.1) und seine ontologischen Grundannahmen.203 „Der Konstruktivismus lehrt, daß unsere Erkenntnis durch Konstruktion zustande kommt, er macht damit keine Aussage über das Seiende.“204 D. h. Konstruktivisten wenden gegenüber dem kritischen Rationalismus ein, dass die organisatorische Wirklichkeit nicht objektiv gegeben, sondern ein Ergebnis sozialer Konstruktion ist.205 Daher widerspricht die in dieser Arbeit eingenommene konstruktivistische Auffassung POPPERS Position in dem Sinne, dass das auf Erfahrungen beruhende Wissen zunehmend „wahrheitsgetreuer“ wird.206 Handlungsleitend ist demzufolge nicht das Stimmen, d. h. die Kongruenz von Wissen und Realität, sondern das Passen der Konstruktionen – solange diese nicht an der Realität scheitern.207

Die Sprache hat bei der Wirklichkeitsbildung nach Auffassung des Konstruktivismus erheblichen Einfluss, d. h. das Wissen ist abhängig von der sprachlich-kulturellen Prägung.208 „Die Tatsache, daß sich das wahrgenommene bzw. konstruierte Muster eines beobachteten Systems wandeln kann, wenn das System eine Beschreibung in einer anderen Sprache erfährt, sensibilisiert [...] das Bewusstsein für die hohe Bedeutung der jeweils – bewusst oder unbewusst – getroffenen, im Ermessen des Betrachters liegenden Sprachwahl.“209 Entsprechend ist die Wahl der Sprache sowie die Perspektive des Beobachters (vgl. II-1.6) bei der Betrachtung von komplexen Systemen zu berücksichtigen. Die Sprache entfaltet demnach erhebliche Bedeutung im Zusammenhang mit der Beschreibung und Analyse von komplexen Systemen. „How complex or simple a structure is depends critically on the way in which we describe it.”210 Aus diesem Zusammen-

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206 207 208

209 210

Vgl. Albert, H. (1964), S. 3ff. Floyd, C. (1997), S. 110. Vgl. Reed, M.I. (1992), S. 249. Zur Kritik am kritischen Rationalismus popperscher Prägung vgl. Luhmann, N. (1991a); Willke, H. (2000); Nienhüser, W. (1989). Vgl. Glasersfeld, E. von (2003a); Chmielewicz, K. (1994). Vgl. Dondl, P. (1992), S. 191ff. Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 34ff; Glasersfeld, E. von (1987), S. 14ff, 77ff. Vor allem durch das Gedankengut des Sozialpsychologen GERGEN, der Sprachphilosophie WITTGENSTEINS, den neurophysiologischen und -biologischen Untersuchungen von MATURANA/VARELA, der kognitiven Psychologie PIAGETS (vgl. Piaget, J. (1937)) sowie den poststrukturalistischen und dekonstruktivistischen Ansätzen FOUCAULTS/DERRIDAS kommt der Betrachtung der Sprache im relationalen Konstruktivismus besondere Aufmerksamkeit zu. Vgl. Gergen, K.J. (2002b). Vgl. Stüttgen, M. (2003), S. 36. Simon, H.A. (1996a), S. 288.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen 211

hang ziehen verschiedene Autoren die Konsequenz,

35

dass Phänomene in Organisationen hoher

Komplexität nur mithilfe einer Sprache mit hinreichender Varietät212 angemessen beschrieben werden können. Gleichzeitig ist die Operationalisier- und Messbarkeit mit der Wahl der Sprache zu gewährleisten, denn mit dem ausschließlichen Einsatz der Umgangssprache (hohe Varietät) sind keine präzisen Aussagen möglich. Objektorientierte Computersprachen erfüllen bei hoher Varietät ebenfalls die Forderung nach Messbarkeit und suffizienter Operationalisierbarkeit (vgl. IV-4). Daher wird in Teil IV im Rahmen der Diskussion von Simulationsmethoden der Einsatz von objektorientierten Computersprachen positiv bewertet.

Abschließend ist die Frage nach der Objektivität von Wissen bzw. Informationen sowie im Besonderen in der Modellierung bzw. Simulation zu beantworten. Da der Konstruktivismus den sozialen Aspekt der Konstruktion von Wirklichkeit für die Bestimmung von Wirklichkeit mit einbezieht, wird aus seiner Perspektive von Quasi-Objektivierung bzw. Quasi-Objektivität des Wissens von der Wirklichkeit gesprochen.213 Ergo liegt keine Objektivität vor.214 Dies bedeutet, dass der Beobachter bei der Modellierung bzw. Simulation stets Teil des betrachteten Systems ist und somit lediglich Quasi-Objektivität besteht. Die Annahme von Quasi-Objektivität entspricht der wissenschaftstheoretischen Ausrichtung des Konstruktivismus.

Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass auch die Wissenschaft nach der hier vertretenen Auffassung eine Wirklichkeit konstruiert, so dass der Forschungsprozess sich nicht notwendigerweise an die Realität angleicht. Der Konstruktivismus versteht sich somit ausdrücklich als eine Theorie des Wissens (Epistemologie) und beschäftigt sich in seinen zentralen Anliegen nicht mit einer Theorie des Seins, d.h. mit ontologischen Fragen.215 In Übereinstimmung mit der konstruktivistischen Position geht die vorliegende Untersuchung von der Prämisse einer grundsätzlichen Unzugänglichkeit und Unbeschreibbarkeit ontischer Wirklichkeit aus. Folglich wird von der

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Vgl. Daft, R.L./Wiginton, J.C. (1979), S. 181ff; Astley, W.G./Zammuto, R.F. (1992), S. 443ff. Ohne im Einzelnen auf die verschiedenen Sprachformen einzugehen, werden von DAFT/WIGINTON als Extremformen der Sprache hinsichtlich Varietät analytical mathematics (geringe Varietät, präzise) und painting bzw. music (hohe Varietät, mehrdeutig) unterschieden. Der Ansatz dieser Arbeit (vgl. IV-3.2 und IV-4) zielt darauf ab, komplexes Systemverhalten wie in Organisationen durch Computersimulationen (mithilfe ausgewählter Computersprachen) zu prognostizieren. Diese Herangehensweise steht im Widerspruch zu der Auffassung von DAFT/WIGINTON, nach der Computersprachen eine Spezialsprache mit geringer Varietät darstellen. Die Auffassung von DAFT/WIGINTON ist im Wesentlichen auf das Erscheinungsdatum ihrer Ausführungen (1979) zurückzuführen. Damals existierte noch keine Computersprache, die komplexes Verhalten hätte abbilden können. Moderne objektorientierte Programmiersprachen verfügen heute über die erforderliche Varietät, um komplexe Vorgänge simulieren zu können (vgl. IV-4). Unter Varietät wird in diesem Zusammenhang „Mehrdeutigkeit“ verstanden (Vgl. ausführlich die Ausführungen zur Varietät in III-1.4). Vgl. Foerster, H. von (1996), S. 145. Vgl. Habermas, J. (1962), S. 148. Vgl. Gomez, P./Malik, F./Oeller, K.-H. (1975), S. 187ff, 374 zum Vergleich von Epistemologie u. Ontologie.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

„Wirklichkeit“ immer nur das gewusst, was sie nicht ist.216 Die Qualität von Wissen drückt sich entsprechend darin aus, dass es zweckmäßig für die Problemstellung ist.

Wie bereits in der Einleitung geschildert, herrscht in Bezug auf organisationstheoretische Ansätze und den Paradigmenwandel in der Organisationstheorie ein „eklatanter Mangel an überzeugendem theoretischen Gehalt.“217 Diese Theorieansätze – wie z. B. der Kontingenzansatz – sind ausschließlich auf die Steigerung der Effizienz ausgerichtet. Um diesem Mangel zu begegnen, ist es – in Anlehnung an HABERMAS – notwendig zu realisieren, dass sich die Prämissen der Aufklärung und damit der Moderne überlebt haben.218 Dementsprechend reicht es nicht aus, die Steigerung der Moderne mit effizienteren Mitteln zu fordern. Da diese Arbeit beabsichtigt, einen Beitrag zum Paradigmawandel zu leisten, wird ein postmodernes Verständnis hinsichtlich der Organisationstheorien zu Grunde gelegt.219

Die Abgrenzung der Postmoderne gegenüber der Moderne stellt sich, besonders mit Blick auf die Organisationstheorie, u. a. deshalb als komplizierte Aufgabe dar, da sich im Schrifttum bisher kein einheitlicher Begriff der Postmoderne herauskristallisiert hat.220 Dennoch findet die Debatte zur Postmoderne – unabhängig ob affirmativ oder kritisch – zunehmenden Widerhall in der organisationstheoretischen Diskussion.221

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Vgl. Glasersfeld, E. von (2003b), S. 16. Zur Illustration wählt VON GLASERSFELD das Beispiel von der Meerenge und dem Kapitän. Der Kapitän eines Schiffs kann nach dem Passieren der Meerenge keine Aussage zur Gestalt der Meerenge treffen, sondern nur seinen Weg durch sie hindurch. Vgl. Glasersfeld, E. von (2003a), S. 23. Holtbrügge, D. (2001), S. 3. Vgl. gleich lautend Walter-Busch, E. (1996), S. 37f; Kühl, S. (1994), S. 14f. Vgl. Habermas, J. (1989), S. 11. Der Begriff der Postmoderne in der Organisationstheorie umfasst weder ein homogenes noch ein klar umrissenes Theoriefeld. Zu den Wurzeln des Begriffs der Postmoderne vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 11ff; Linstead, S. (2004a), S. 1ff; Brunner, K. (1999). Die Moderne steht im Wesentlichen für eine ungebrochene Überzeugung von der Fortschrittfähigkeit der Menschen und der Organisationen durch rationale Durchdringung der Welt. Demgegenüber steht die Postmoderne, in der die Rationalitätsvorstellungen der Moderne abgelehnt werden. Das bedeutet für Organisationen, dass z. B. von vollständiger Information und Rationalität im Handeln Abstand genommen wird. Vgl. Koch, J. (2004), Sp. 1164f. Zur Nach-Moderne vgl. Clegg, S.R. (1998), S. 181ff; Welsch, W. (2002), S. 46f, 217f. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 113, Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 225; Linstead, S. (2004b), S. 173ff. Zum Versuch zur Differenzierung von Postmoderne und Moderne vgl. Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 230ff. Sie trennen: Struktur vs. Prozess, Eindeutigkeit vs. Mehrdeutigkeit, Kontrolle vs. Autonomie, Maskulinität vs. Feminität, Kognition vs. Emotion, Homogenität vs. Heterogenität und Zentrismus vs. Polyzentrismus (erstgenannte Begriffe entsprechen der Moderne; zweitgenannte der Postmoderne). Der Prozessgedanke spiegelt sich in einer nicht-diskreten Entwicklung von Systemen wider und lässt Mehrdeutigkeiten zu. Heterogenität zeigt sich explizit bei der Analyse der Agenten in den Systemen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich CILLIERS in der Analyse von Komplexität auf eine postmoderne Grundposition bezieht. Vgl. Cilliers, P. (2000b). Alternativ gliedert HOLTBRÜGGE in die Dimensionen Identität (räumlich/zeitlich), Effizienz, Legitimität, Rationalität/Fiktion und Ethik/Ästhetik. Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 58ff. Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 48ff; Reihlen, M. (1999), S. 265ff; Schreyögg, G. (1999), S. 1ff; Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 223ff; Cilliers, P. (2000b), S. 127ff; Clegg, S.R. (1998), 8. Kapitel; Henrickson, L./McKelvey, B. (2002), S. 7288ff; Lyotard, J.-F. (2005), S. 5ff; Letiche, H./Essers, J. (2004), S. 64ff; Uden, J. van/Richardson, K.A./Cilliers, P. (2001), S. 53ff; Koch, J. (2003), S. 229ff.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

37

Ein „Abstandsbewusstsein“ zwischen Postmoderne und Moderne kann aus zwei Perspektiven vorgenommen werden.222 Zum einen macht der Wandel in der Gesellschaft auch einen Fortschritt in den Organisationswissenschaften notwendig, der sich in Ansätzen postmoderner Organisationstheorien widerspiegelt. Zum anderen lassen sich Veränderungen feststellen, die sich in der andauernden Diskussion um Paradigmendiversität, Theorienpluralismus und Inkommensurabilität reflektieren.223 In dieser Arbeit wird die Moderne um die postmoderne Perspektive erweitert und damit eine ambivalente Position bezogen bzw. die affirmative Variante zu Grunde gelegt, die Pluralität und Vielheit unterstützt. Die Beachtung von Pluralität wird in der vorliegenden Untersuchung von Organisationen (als komplexe Systeme, vgl. III-1) sowie der Untersuchung organisationstheoretischer Ansätze (vgl. III-2) deutlich.

1.4

Explizierung des Wissenschaftsziels

Die Sicherung, Genese und Weiterentwicklung von Kenntnissen, Auffassungen und Glaubensinhalten (zusammengefasst als „Wissen“224) ist eines der zentralen Ziele der (anwendungsorientierten) Wissenschaft.225 Dies gilt sowohl für die Formal- als auch für die Realwissenschaften.226 Mit der Gesamtheit des Wissens wird in den Realwissenschaften versucht, Erklärungen für die „täglichen“ Geschehnisse und Entwicklungen zu finden. Der Gesamtbestand des Wissens, der durch Forschung gewonnen und weiterentwickelt wird, nennt sich Wissenschaft.227 Neben dieser

222 223

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226

227

Vgl. Koch, J. (2003), S. 16. Beispielhaft stehen dafür Konstrukte wie Lose Kopplung (vgl. Weick, K.E. (1976), S. 1ff.), Ambiguität (vgl. March, J.G. (1978), S. 71ff; March, J.G./Olsen, J.P. (1994)) Komplexität und Kontingenz (vgl. Luhmann, N. (1991b), S. 204ff.) und Mythen (vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 340ff.). Der Begriff Postmoderne wird in seiner feuilletonistischen Ausprägung abgelehnt und ein veritabler Postmodernismus zu Grunde gelegt (vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 41), der die Widersprüche der Moderne deutlich macht, präzise Kritik übt und sich damit von oberflächlicher Buntheit des feuilletonistischen Postmodernismus abgrenzt (vgl. Welsch, W. (2002), S. 3). Das Aufdecken der Widersprüche und die geübte Kritik führen jedoch nicht dazu, dass die Postmoderne als Antimoderne (negative Variante) begriffen wird, die alle aufklärerischen Tendenzen überwinden will, um zu neuen Erkenntnissen zu kommen, so dass erhaltenswerte Errungenschaften der Moderne bewahrt bleiben (affirmative Variante). Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 42f. Darüber hinaus wird im wissenschaftlichen Schrifttum inhaltlich der epochale und epistemische Postmodernismus unterschieden (vgl. Koch, J. (2003), S. 43f). Der epochale Ansatz bezieht sich auf die Periodisierung und auf eine postmoderne Sozialstruktur und erfährt damit keine Revision, „sondern nur eine Fortsetzung und Steigerung der Moderne mit effizienteren technischen Mitteln“ (Koch, J. (2003), S. 43.) darstellt. Im Zentrum der Postmoderne als Epistemologie steht die Abgrenzung zu einer positivistischen empiristischen Moderne, die neue Denkmodelle radikaler Pluralität umfasst. Vgl. Lyotard, J.-F. (2005). Vgl. Talaulicar, T. (2004), S. 1640f. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 133; Raffée, H. 1995, S. 13f. RAFFÉE unternimmt eine Dreiteilung des Wissenschaftsbegriffs in Tätigkeit, Organisation und Ergebnis der Erkenntnisbemühungen. Zur Unterscheidung vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 30. Realwissenschaft mit ihren real zu beobachtenden Phänomenen (wie z. B. Physik, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie) in Abgrenzung zu den Formal- bzw. Idealwissenschaften (z. B. Mathematik bzw. normative Entscheidungstheorie) mit ihren idealen Gegenständen. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3904. Vgl. Schweitzer, M. (1978), S. 1. Chmielewicz grenzt Wissenschaft und Nicht-Wissenschaft gegeneinander ab und schafft damit eine Unterscheidung zur Praxis. Vgl. Chmielewicz, K. (1974), S. 1548ff; Chmielewicz, K. (1994), S. 16f; Poser, H. (2001), S. 135ff.

38

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

funktionalen Einordnung wird ferner von Wissenschaft gesprochen, wenn der Wissensbestand, Forschungs- und Erkenntnisprozess fachlich differenziert und institutionalisiert ist.228

„Schauen wir auf die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft, dann können wir durchaus sagen, daß ihr Wissenschaftsziel das ist, um dessentwillen sie betrieben wird, was wir mit ihr letztlich zu erreichen beabsichtigen.“229 Die Betriebswirtschaftslehre als Realwissenschaft kann eo ipso unterschiedliche Wissenschaftsziele verfolgen. Grundlage der verschiedenen Wissenschaftsziele bilden die zu unterscheidenden Forschungskonzeptionen. In Anlehnung an CHMIELEWICZ können vier Varianten differenziert werden:230 x

Begriffslehre (umfasst die Bildung und Präzisierung von Begriffen und Definitionen)

x

Wirtschaftstheorie (befasst sich mit der Verwendung der Begriffe als Elemente von theoretischen nomologischen Aussagen im Rahmen von Ursache-Wirkungszusammenhängen)

x

Wirtschaftstechnologie231 (basiert auf den theoretischen Aussagen und formt diese instrumental und teleologisch um, indem die Wirkungen in Ziele und die Ursachen in beeinflussbare Mittel gefasst werden)

x

Wirtschaftsphilosophie (legt Technologie zu Grunde, formuliert Normen und Werturteile)

Aus diesen vier Forschungskonzeptionen lassen sich folgende Wissenschaftsziele ableiten:232

x

Wissenschaftsziel der Deskription (essentialistisches Wissenschaftsziel)

Die präzise Beschreibung (Deskription) des Untersuchungsgegenstands bildet die Grundlage jeder wissenschaftlichen Arbeit.233 Im Rahmen der Betriebswirtschaftslehre umfasst dies alle Elemente, ihre Beziehungen untereinander sowie mögliche Zustandsausprägungen, die dem Wirtschaftsprozess zuzuordnen sind. Aufgrund der damit verbundenen Basisarbeit wird die Begriffslehre auch als essentialistisches Wissenschaftsziel bezeichnet.234 Die mit diesem Ziel verbundenen Aussagen charakterisieren sich durch ihren deskriptiven Gehalt. Damit entsteht ein deskriptives Aussagesystem, dessen Kern die betriebswirtschaftlichen Begriffe bilden. Angesichts mangelnder „Leistungsfähigkeit“ ist das essentialistische Wissenschaftsziel jedoch kritisiert wor-

228

229 230 231

232 233 234

Vgl. kritisch zur metatheoretischen und methodischen Leitdisziplin einer allgemeinen Wissenschaftstheorie Stadler, F. (2000), S. viiff. Schweitzer, M. (1978), S. 2. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 8ff. Der hier genutzte Technologiebegriff ist nicht auf die in der Umgangssprache zu findende Technologie des Ingenieurwesens beschränkt, sondern zielt auf die von POPPER vertretene Auffassung nach dem Lehren vom zielgerichteten Gestalten ab. Vgl. Popper, K.R. (1987), S. 36ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 8ff; Schanz, G. (2004), S. 84ff. Vgl. Schweitzer, M. (1978), S. 1ff; Chmielewicz, K. (1994), S. 43ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1978), S. 426.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

39

den, da begriffliche Beschreibungen keinen eigenständigen Informationsgehalt und damit keinen wissenschaftlichen Fortschritt darstellen.235 Die ausschließliche Verfolgung einer solchen wissenschaftlichen Zielsetzung greift daher zu kurz und wird für diese Arbeit als „nicht weitgehend genug“ eingestuft. Dennoch kommt diesem die Bedeutung zu, die Vorstufe des theoretischen Wissenschaftsziels zu bilden und eine Ausgestaltung von Theorien zu ermöglichen.

x

Wissenschaftsziel der Erklärung und Prognose (theoretisches Wissenschaftsziel)

Beim theoretischen Wissenschaftsziel wird durch erklärende Satzsysteme die Frage nach dem „Warum“ eines Sachverhalts erläutert. Von einer wissenschaftlichen Erklärung236 wird dann gesprochen, wenn ein Tatbestand mittels allgemeiner Gesetzmäßigkeiten und Antezedensbedingungen abgeleitet werden kann. Eine Erklärung kann sich ferner auf einen in der Zukunft liegenden Tatbestand beziehen, der dann eine wissenschaftliche Prognose ist.237 Der Unterschied zwischen Prognose und Erklärung ergibt sich dementsprechend bei der Betrachtung eines Tatbestands auf der Zeitachse.

Erklärung und Prognose stehen sich als inverse Wissenschaftsziele gegenüber. Sie haben gemein, dass beide auf Gesetzen bzw. Theorien basieren. Daher werden sie als theoretische Wissenschaftsziele bezeichnet.238 In dieser Arbeit ist die ausschließliche Verfolgung eines theoretischen Wissenschaftsziels abzulehnen, da mit Gesetzen bzw. Theorien nur wahrheitsfähige Aussagen angestrebt werden.239 Die Feststellung des Wahrheitswerts einer Theorie ist jedoch nur bei logisch determinierten Aussagen – z. B. denen der Logik und der Mathematik – möglich, welches wiederum der konstruktivistischen Grundhaltung der vorliegenden Arbeit widerspricht. Ferner sind die unter Verfolgung des theoretischen Wissenschaftsziels getroffenen Aussagen durch Ursache-Wirkungsbeziehungen formuliert, die bereits in II-1.2 aufgrund ihrer mangelnden Übertragbarkeit in die Praxis kritisch beurteilt wurden.

x

Wissenschaftsziel der Entscheidung (pragmatisches Wissenschaftsziel)

Für Entscheidungen im unternehmerischen Kontext kann die prognostische Funktion einer Theorie nutzbar gemacht werden.240 Die bei der Verfolgung des theoretischen Wissenschaftsziels genutzten Theorieansätze werden so umgestaltet, dass (theoretische) Ursache-Komponenten auf

235 236 237 238 239 240

Vgl. Popper, K.R. (1958), S. 14ff; Chmielewicz, K. (1974), Sp. 1554f; Chmielewicz, K. (1978), S. 427. Nachfolgend verkürzend als Erklärung bezeichnet. Vgl. Raffeé, H. (1995), S. 33. Vgl. Schanz, G. (2004), S. 84ff; Chmielewicz, K. (1994), S. 155; Wild, J. (1966), S. 23ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1978), S. 430. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3891; Chmielewicz, K. (1994), S. 17f.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

Mittel (Entscheidungsparameter) bezogen und (theoretische) Wirkungs-Komponenten als Ziele ausgedrückt werden (vgl. II-1.2). Eine derart umgewandelte Theorie wird als technologisches Satzsystem oder Technologie bezeichnet.241 Aus dem technologischen Satzsystem kann diejenige Alternative ausgewählt werden, welche zu einer optimalen bzw. intendierten Ausprägung des Entscheidungsziels führt. In der Betriebswirtschaftslehre kann die Entscheidung als Wahl einer Alternative in Ausrichtung auf ein Ziel aufgefasst werden.242 Diese Entscheidungen sind die Kernaufgabe der Unternehmungspolitik. Das technologische Satzsystem stellt mit der MittelZiel-Analyse die Grundlagen bereit, die für eine Entscheidung notwendig sind. Damit kann die theoretisch begründete Entscheidung als ein weiteres Wissenschaftsziel der Betriebswirtschaftslehre herausgestellt werden. Im Unterschied zum theoretischen wird dieses Wissenschaftsziel als „pragmatisch“ bezeichnet, da durch technologische Aussagesysteme die Entscheidungsproblematik der Wirtschaftspraxis in den Wissenschaftskontext aufgenommen wird. Entscheidungsmodelle, die zur praktischen Problemlösung unmittelbar bzw. unterstützend eingesetzt werden können, werden bereitgestellt, ohne eine wertende (normative) Empfehlung durch die Wissenschaft über Entscheidungs- bzw. Gestaltungsziele oder -mittel der Praxis auszusprechen. Ergo geht – vor dem Hintergrund der praxisorientierten und wissenschaftlichen Zielsetzung sowie der Kombination interdisziplinärer Grundlagen – die vorliegende Arbeit über das deskriptive und explanatorische Wissenschaftsziel hinaus, ohne dabei normative Empfehlungen aussprechen zu wollen. Mit der Verfolgung eines pragmatischen Wissenschaftsziels wird dem in der Praxis anzutreffenden Ziel-/Mittel-Denken entsprochen.

CHMIELEWICZ konstatiert, dass aus dem pragmatischen Wissenschaftsziel wertvolle Forschungsresultate entstehen können. „Eine interdisziplinäre Technologie [...] kann auf jeden Fall eine wertvolle Ergänzung der disziplinären Theorie darstellen.“243 Mithilfe des pragmatischen Wissenschaftsziels soll der Konflikt zwischen Einfachheit bzw. Praktikabilität und Kompliziertheit von wissenschaftlichen Erörterungen überwunden werden. Handhabbare Handlungsempfehlungen werden ausgesprochen, ohne jedoch in Theorielosigkeit zu verfallen.244

Zurückhaltend äußert sich POPPER zur Tendenz der Technologie (pragmatisches Wissenschaftsziel), Nebenwirkungen auszublenden.245 Diese Kritik muss sich jedoch ebenso an die deskriptiven und theoretischen Wissenschaftsziele richten, da die Erklärung von Phänomenen ebenfalls

241 242 243 244 245

Vgl. Schweitzer, M. (1978), S. 6. Vgl. Simon, H.A. (1957a); Kirsch, W. (1988); Domschke, W./Scholl, A. (2003). Chmielewicz, K. (1978), S. 441. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 37f. Vgl. Popper, K.R. (1957), S. 120.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

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kaum holistisch, sondern nur unter spezifischen Weglassungen von Nebenwirkungen und -bedingungen zu leisten ist. Ferner bemängelt er, dass mit der Einführung der Technologie nur ein Terminologiewechsel erfolgt. „Statt von Ursachen und Wirkungen wird von Mitteln und Zielen gesprochen.“246 Dem ist entgegenzuhalten, dass mit dieser Umwidmung die Möglichkeit der Beeinflussung bzw. Steuerung von Mitteln angedeutet wird, während die Ursachen und Wirkungen als unbeeinflussbar gelten.247

x

Wissenschaftsziel der Wertsetzung (normatives Wissenschaftsziel)

Die normative Zielsetzung schließt die zuvor dargestellte Theorie sowie die Technologie ein. Das Wissenschaftsziel der Wertsetzung beansprucht nicht nur die Kompetenz, theoretische Erkenntnisse auszuarbeiten und technologische Rationalität zu ergründen, sondern auch handlungsleitend auf Zielsetzungen und Mitteleinsatz einzuwirken und für die Unternehmen als Institutionen verbindliche Verhaltensnormen aufzustellen. Es ist damit als normativ zu kennzeichnen.248 Im Unterschied zu theoretischen und technologischen Aussagen haben Werteinschätzungen weder einen empirischen „Bewahrheitungsanspruch“ noch einen derartigen Gehalt.249 Sie verfügen lediglich über einen normativen Aufforderungsanspruch und können nur nach ihrer Akzeptanz beurteilt werden. Folgt eine Mehrheit von Personen einem Werturteil, ist die Akzeptanz dieser Aussage groß und umgekehrt. Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten geht CHMIELEWICZ ein.250 Dieses Wissenschaftsziel betont Wertungen als Mittel zur Veränderung der menschlichen Umwelt. Unter Berücksichtigung der konstruktivistischen Auffassung, die dieser Arbeit zu Grunde liegt (vgl. II-1.3), werden Werturteile jedoch nicht als objektiv wahr oder falsch beurteilt, sondern nur subjektiv bzw. quasi-objektiv, und zwar nach den Gesichtspunkten, ob sie von den Personen als für sich gültig akzeptiert werden oder nicht.251 Das Ziel dieser Arbeit lautet jedoch, im Grundsatz wahrheitsfähige Aussagen zu formulieren. Daher wird ein normatives Wissenschaftsziel für diese Arbeit abgelehnt.

1.5

Verortung von Modellen und Simulationen als Forschungsmethoden

Modelle und deren Simulation (vgl. zum Begriffsverständnis in IV-2.1 und IV-3.1) gewinnen in der Wissenschaft zunehmend an Beachtung. In der Vergangenheit haben sie durch den Einsatz

246 247 248 249 250

251

Chmielewicz, K. (1978), S. 440. Vgl. Schweitzer, M. (2004a), S. 6f; Wild, J. (1966), S. 25ff. Vgl. Schanz, G. (1988a), S. 112ff; Chmielewicz, K. (1994), S. 207ff. Vgl. Schanz, G. (1988b), S. 40f; Behrens, G. (1993), Sp. 4771. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 281ff; Schanz, G. (1988a), S. 82ff. Zu den Schwierigkeiten gehören z. B. der fehlende Wahrheitswert, die Pro- und Contra-Argumentation, der Anweisungsgehalt ohne Duldung von Kritik, die utopische Normenformulierung und der Machtkampf. Vgl. Popper, K.R. (1957), S. 315.

42

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

bei der Untersuchung unterschiedlicher Unternehmensfunktionen ihre Relevanz unter Beweis gestellt und Eingang in die sozialwissenschaftliche bzw. organisationstheoretische Forschung gefunden.252 Dennoch gilt, dass sich die Verwendung von Simulationen als Forschungsmethode (ähnlich der experimentellen Forschung in den Sozialwissenschaften) bisher nicht durchgesetzt hat, obwohl Vorteile bei der Illustration (vgl. IV-3.2 und IV-4) von kausalen Relationen offensichtlich sind.253

McKELVEY unterscheidet zwischen drei (unabhängigen) Elementen eines Simulationsmodells: abzubildende Realität (phenomena), zu Grunde liegende Theorie (theory) und originäres Modell (model).254 Damit wird deutlich, dass danach erst mit der Modellierung eine Verbindung zwischen Realität und Theorie hergestellt ist. Gleichwohl weisen GILBERT/TROITZSCH darauf hin, dass „every model will be a simplification – sometimes a drastic simplification – of the target to be modelled.”255

Bisher basieren Modelle (nach dem Begriffsverständnis in der vorliegenden Arbeit) vorwiegend auf klassischen Ansätzen wie z. B. Gleichungssystemen (vgl. IV-2.3 und IV-2.4). Diese Planungs- und Prognosemodelle erfordern a priori eine präzise Bestimmung der Annahmen zwischen Ursache und Wirkung und fragen nach dem „Wie“, „Was“ und „Warum“, wohingegen Simulationen es erlauben, die inhärente Komplexität abzubilden und damit die Beantwortung nach dem „Was-wäre-wenn“256 zu unterstützen. AXELROD isoliert drei wesentliche Zielsetzungen der Simulation, die analog zu der in dieser Arbeit verfolgten Forschungsfrage stehen:257

252

253

254 255 256 257

Vgl. u. a. Koller, H. (1976), S. 3537ff; Kieser, A. (1976), Sp. 4313ff; Dörner, D. (1996), S. 489ff; Troitzsch, K.G. (1990), S. 22ff; Witte, T. (1993), Sp. 3836ff; Casti, J.L. (1997), S. 15ff; Casti, J.L. (1999a), S. 42ff; Axelrod, R.M. (1997a), S. 21; Biethahn, J./Hummeltenberg, W./Schmidt, B. u. a. (Hrsg.) (1999); Kappelhoff, P. (2002b), S. 90f; Carley, K.M. (1995), S. 39ff; Tsvetovat, M./Carley, K.M. (2004), S. 23ff; Ramanath, A.M./Gilbert, N. (2004), Paragraph 3.1ff; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6ff; Gilbert, N./Bankes, S.C. (2002a), S. 7199f; Dooley, K.J. (2002), S. 829; Kappelhoff, P. (2002b), S. 90f; Müller-Benedict, V. (2003), S. 339ff; Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff; Tsvetovat, M./Carley, K.M. (2004), S. 23ff; David, N./Marietto, M.B./Sichman, J.S. u. a. (2004), Paragraph 1.1ff. AXELROD stellt heraus, dass bereits 1961 erste Versuche unternommen wurden, soziale Phänomene zu modellieren und zu simulieren (vgl. Sola Pool, I. de/Abelson, R.P. (1961); Cyert, R./March, J. (Hrsg.) (1963); Cohen, M./March, J./Olsen, J. (1972)). Die zunehmende Nutzung dieser Methode ist im Wesentlichen auf die Weiterentwicklungen in der Computertechnologie zurückzuführen. Vgl. Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 13; Jacobsen, C./Bronson, R. (1997), S. 97ff; Goldspink, C. (2002), Paragraph 1.1ff. „[M]ainstream organization science cannot be characterized as model centered science“. McKelvey, K. (1999a), S. 22. Vgl. McKelvey, B. (1999a), S. 16f. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 18. Dooley, K. (2002), S. 829. Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 24. Daneben identifiziert AXELROD vier weitere Absichten: performance, training, entertainment und education.

Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

x

43

Entdeckung/Beschreibung: Mithilfe von Simulation können Grundsätze und Abhängigkeiten zwischen den Elementen identifiziert und analysiert werden.

x

Bestätigung/Erklärung: Simulationen können genutzt werden, um komplexes Verhalten von Akteuren zu erklären und um Annahmen zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.

x

Vorhersage/Prognose: In Simulationen können komplizierte Eingangsgrößen um Einflussfaktoren berücksichtigt und die Ergebnisse der Simulation als Vorhersagen genutzt werden.

Modellbildung und Simulation unterscheiden sich signifikant von klassischen Forschungsmethoden wie Induktion und Deduktion.258 Die Induktion liefert z. B. durch direkten Schluss von einer Grundgesamtheit auf eine Stichprobe, durch Analogieschluss von einem Individuum auf ein anderes Individuum oder durch Voraussageschluss von einer Stichprobe auf eine andere Stichprobe Erkenntnisse bei der Erforschung von Verhaltensmustern aus empirischem Datenmaterial.259 Im Gegensatz dazu bezieht sich die Deduktion auf die Spezifikation von Axiomen und die Analyse von Wirkungen, die sich aus den der Forschungskonzeption zu Grunde liegenden Hypothesen ableiten.260 Die Ermittlung von Gleichgewichtszuständen – unter Nutzung von rational-choice Axiomen – in der Spieltheorie liefert dafür ein Beispiel.261 „Bei der Deduktion handelt es sich um die Herleitung von Aussagen (Konklusionen, Theoremen) aus Grundaussagen (Prämissen, Axiomen) unter Verwendung logisch-wahrer Ableitungen.“262

Ergänzend zu Induktion und Deduktion bezeichnet AXELROD Modellierung und Simulation als dritte wissenschaftliche Forschungsmethode.263 Sie basieren zwar – vergleichbar wie bei der Deduktion – auf einer Reihe von Annahmen, jedoch werden Theoreme nicht bewiesen. Stattdessen können Daten generiert und anschließend induktiv analysiert werden,264 wobei die verwendeten Informationen nicht wie bei der Induktion üblich aus der direkten Messung (des Verhaltens) des „Realitätsausschnitts“ ermittelt werden, sondern auf einem präzise festgelegten Regelgeflecht basieren. „While induction can be used to find patterns in data, and deduction can be used to find

258 259

260 261

262 263 264

Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 24, Hulin, C.L./Ilgen, D.R. (2000), S. 3ff. CHMIELEWICZ unterscheidet fünf Arten von Induktionsschlüssen. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 89. Induktion ist in diesem Zusammenhang von der Methode zum Beweis mathematischer Theoreme abzugrenzen (vollständige Induktion). Vgl. Wild, J. (1975), Sp. 2666ff. Vereinzelt wird der Fehler gemacht, die Induktion als analoges Verfahren zur Deduktion zu betrachten. POPPER weist jedoch nach, dass sich mithilfe der Induktion keine Gesetzesaussagen ableiten und begründen lassen. Vgl. Popper, K.R. (1964a), S. 73ff; Popper, K.R. (1964b), S.98f; Raffée, H. (1995), S. 43. Vgl. zur Axiomatisierung der Betriebswirtschaftslehre Weinberg, P. (1974), Sp. 363ff. Vgl. Axelrod, R.M. (1997b), S. 3. Rational-choice-Ansätze (Analyse strategischer Konflikte in der Spieltheorie) schreiben den handelnden Subjekten rationales und aufgrund von Präferenzen ein nutzenmaximierendes Verhalten zu. Anwendung finden diese z. B. bei der Erstellung experimenteller Spiele für die Erforschung von Kleingruppenkonflikten. Andere Einsatzmöglichkeiten zeigen sich z. B. bei der Untersuchung von Altruismus in einem Wettbewerbsklima. Schweitzer, M. (2004b), S. 73. Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 24ff. Vgl. Koller, H. (1976), S. 3536ff; Witte, T. (1993), Sp. 3840f.

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consequences of assumptions, simulation modelling can be used as an aid intuition.”265 Simulationen können daher als das Austragen von Gedankenexperimenten und als Vertiefung des Verständnisses zum abgebildeten Untersuchungsgegenstand verstanden werden, ohne dass eine präzise detailgenaue Abbildung angestrebt werden muss.266 Bei den Untersuchungsgegenständen handelt es sich in der Regel um diffizile Gebilde, die durch Methoden der Simulation mit wenigen sehr einfachen Regeln abgebildet werden können. Durch Simulationen besteht z. B. die Möglichkeit, sowohl adaptive (im Sinne von irrational) als auch rational handelnde Systemelemente gleichzeitig zu betrachten.267

Abschließend liegt der vorliegenden Arbeit die Auffassung zu Grunde, dass durch die Beobachtung der Simulation und deren Ergebnissen nicht unmittelbar und konkludent Aussagen über das abzubildende System und die Teilnehmer gewonnen werden können.268 LISSACK und RICHARDSON machen deutlich, dass „despite the promise of massive computer simulations and the development of ‚intelligent agents’, tests or studies of computer models, be they cellular automata or quantum computing, remain just that – and are not the direct study of the people or social system being modelled.“269

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass einer der zentralen Vorteile der Modellierung bzw. Simulation z. B. darin besteht, sowohl rational als auch adaptiv handelnde Systemelemente berücksichtigen zu können (vgl. weitere Vorteile in IV-3.1). Damit stehen sie als Alternative zur Induktion und Deduktion Verfügung.

1.6

Beobachter- versus Teilnehmerperspektive

Die Frage nach der Perspektive einer Person, die ein Modell zur Simulation entwickelt und nutzt, findet wiederholte Beachtung in der (sozial-)wissenschaftlichen Diskussion.270 Es wird darüber diskutiert, ob die Person lediglich unabhängig beobachtet oder ein Teil des Modells ist. Die Festlegung der Perspektive hat erheblichen Einfluss auf die in zahlreichen Forschungsvorhaben un-

265 266 267 268

269 270

Axelrod, R. (1997a), S. 24. Vgl. Troitzsch, K.G. (1997), S. 46. Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 25. Vgl. ebenso die Schloss-Schlüssel-Metapher aus II-1.3. Diese Position widerspricht der Annahme von WOLFRAM und CASTI, die von einer direkten Übertragung ausgehen. Vgl. Wolfram, S. (2002), S. 363ff, 715ff; Casti, J. (1999), S. 11ff. Die von den Autoren vertretene Position ist jedoch in der „scientific community“ eine isolierte Auffassung. Lissack, M./Richardson, K.A. (2001), S. 96. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 24; Scherer, A.G. (2002), S. 27ff; Stangl, W. (1989), S. 66ff. Vor allem wird die Beobachterproblematik bei der Abgrenzung von Objektivität gegenüber Subjektivität intensiv diskutiert. Vgl. Habermas, J. (1995), S. 26ff; Maturana, H. (1985), S. 16ff; Luhmann, N. (2002), S. 359f, 406ff. Als Beobachter werden sämtliche, innerhalb und außerhalb vorliegenden Systemelemente bezeichnet, die Wissen produzieren und damit Beobachtungen anstellen. Diese können sowohl außen- als auch binnenperspektivisch sein. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 21.

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terstellte Objektivität des Wissenschaftlers. Die Werturteilsfreiheit bzw. Objektivität (im Gegensatz zur Subjekthaftigkeit) gilt in der traditionellen Wissenschaftstheorie als Qualitätskriterium in der Forschung.

271

„In vielen, an der naturwissenschaftlichen Methode orientierten sozial-

wissenschaftlichen Forschungsansätzen wird diese Subjekthaftigkeit als ein störendes Element missverstanden, das man mit Hilfe eines geschickten experimentellen Versuchsaufbaus [entspricht empirischen Untersuchungsvorhaben = positivistische Forschungskonzeption; Anmerkung des Verfassers] auszuschalten versucht“272, um somit den Einfluss des Beobachters auf das Forschungsergebnis – ähnlich wie in den Formal- und Naturwissenschaften – auf eine Minimum zu reduzieren. Doch in den Natur- und besonders Formalwissenschaften wird in der Regel nichtsoziale (z. T. „leblose“) Materie untersucht und der Erfolg der Forschung durch einen vom Wissenschaftler festgelegten Gradmesser bestimmt. Somit ist die Annahme, Subjekthaftigkeit in sozialwissenschaftlichen Forschungsvorhaben mit naturwissenschaftlicher Vorgehensweise ausschalten zu können, aufgrund des abweichenden Untersuchungsgegenstands als unzutreffend abzulehnen und wird auch in organisationstheoretischen Ansätzen (z. B. Interpretationsansatz, vgl. III-2.5.3) kritisiert.

Das Objektivitätspostulat widerspricht der Auffassung, dass es sich bei einem sozialen System nicht um ein objektiv betracht- und isolierbaren Forschungsgegenstand handelt, sondern um ein Subjekt.273 VON FOERSTER begreift die Berufung auf Objektivität als Verweigerung von Verantwortung.274 Grundlage dieser Kritik bildet die Mehrschichtigkeit (direkte Objektebene vs. interpretative Beobachterebene) und Deutungsbedürftigkeit der Organisationsrealität.275 Daher wird in dieser Arbeit Subjektivität in der Modellierung akzeptiert. „Eher angemessen erscheint ein [...] Verfahren der Erkenntnisgewinnung, in welchem das erkennende System [...] an die eigenen Mittel des Beobachtens und Verstehens gebunden ist und deshalb den Gegenstand seiner

271

272 273

274 275

Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 292ff, 298f; Schanz, G. (1988a), S. 115ff. „[D]ie Vereinigung von philosophischer und empirisch-experimenteller Tradition [lässt] die moderne Wissenschaft zwar entstehen [...], diese verkörpert aber von Anfang an Objektivitäts- und Rationalitätsvorstellungen, die einerseits aus einer spezifischen gesellschaftlichen Situation und andererseits aus der Interaktion mit der dinglichen Umwelt stammen.“ Hejl, P.M. (1978), S. 247. Zur Entstehungsgeschichte des Objektivitätsbegriffes bzw. den Implikationen in den Wissenschaften vgl. Hejl, P.M. (1978). Scherer, A.G. (2002), S. 27. Der Begriff Subjekt wird hier als dasjenige aufgefasst, welches sich zur Welt von vornherein als der Möglichkeit nach oder aktuell fragend oder wissend verhält und damit eine aktive tätige Funktion einnimmt. Unter einem Objekt wird folglich ein „Etwas“ verstanden, welches hinreichend aufeinander bezüglich bestimmt und abgrenzbar ist und eine passive, zu beobachtende Rolle übernimmt. Vgl. Foerster, H. von (2005a), S. 9ff; Foerster, H. von (2005b); Foerster, H. von (2004), S. 15ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 377. Der Begriff „Beobachter“ steht für jedes lebende System, somit für jede Person, da Leben und Beobachten gleichbedeutend sind. Vgl. Maturana, H. (1985). Die Operation der Beobachtung liegt vor, wenn aus der Feststellung eines Unterschieds für das beobachtende System (Wissenschaftler bzw. Beobachter) Informationen zu gewinnen sind, die zukünftig relevant sind. Vgl. Willke, H. (2000), S. 158.

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Teil II-1: Wissenschaftstheoretische, -methodische und -programmatische Vorbemerkungen und Grundlagen

Erkenntnis nicht ‚objektiv’ oder ‚real’ oder wirklich ‚wirklich’ ergründen kann.“276 Das heißt jedoch nicht, dass „völlige Willkür“ zwischen der Erkenntnis des Wissenschaftlers und dem zu beschreibenden Subjekt besteht. Es muss mindestens die von VON GLASERSFELD genannte Schloss-Schlüssel-Beziehung erfüllt sein (vgl. II-1.3), ohne „dass eine passende Erklärung zugleich eine wirkliche Erklärung sei.“277 Die Objektivität im traditionellen Sinne ist nach der Auffassung von VON FOERSTER die kognitive Version des physiologischen blinden Flecks im Auge:278 „Wir sehen nicht, dass wir nicht sehen.“279 Objektivität ist die Selbsttäuschung eines vermeintlich objektiven Beobachters, dass es ein Beobachten ohne ein „real existierendes“ Subjekt geben könne. WILLKE schlussfolgert, dass die Referenz der Beobachtung nur scheinbar der beobachtete „Gegenstand“ ist. In der vom Wissenschaftler vorgenommenen Gegenstandsbeschreibung spiegelt sich der Wissenschaftler wider, so dass in der Beschreibung Selbstreferenz vorliegt.280 Ferner folgen die Denkmodelle der Beobachtung nicht denen des beobachteten Systems, sondern denen des beobachtenden Systems (hier: des Wissenschaftlers). Das Beobachtete ist sich selbst sowie der Umwelt gegenüber abzugrenzen. Dies gelingt jedoch nur, wenn das beobachtete (komplexe, psychische oder soziale) System über eigene Denkmodelle sowie eine eigene „Logik“ verfügt und auf sich selbst verweist.281 Diese Aussagen kollidieren jedoch mit der Annahme positivistischer Wissenschaftsauffassung, nach der eine direkte und isolierte Beobachtung des Subjekts möglich ist. Daher ist es nicht trivial, fremde Systeme angemessen beobachten oder gar verstehen zu können, wie es diese Wissenschaftsauffassung zu vermitteln versucht.

Die Perspektive, dass der Wissenschaftler ein Teil des zu beobachtenden Systems ist, deckt sich mit der Grundhaltung des Konstruktivismus (vgl. II-1.3).282 Zwar sind die Personen, die an der Simulation beteiligt sind (vgl. IV-2.3), nicht unmittelbar Teil des betrachteten Systems; durch die Vorstellungen und Perzeptionen der (beobachtenden) Wissenschaftler, die u. a. durch Selbst-

276 277

278 279

280 281 282

Willke, H. (2000), S. 157. Vgl. auch Knapp, H.G. (1977), S. 155. Willke, H. (2000), S. 158. Ein Phänomen wissenschaftlich zu erklären besteht in dem Versuch, einen Mechanismus zu entwickeln, der das zu erklärende Phänomen erzeugt. Vgl. Maturana, H. (1985), S. 16. Vgl. Foerster, H. von (2003b), S. 41f. Foerster, H. von (2004), S. 117. Die stärkste Bekräftigung der Verabschiedung des Objektivitätsdogmas kommt aus der Physik, in der das Problem des Beobachters bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrachtet worden ist. Besonders die Relativitätstheorie hat die Frage akut werden lassen, ob wir es tatsächlich mit einer objektiven Realität zu tun haben oder nicht vielmehr mit einer Welt, die durch die Beobachtung erst festgelegt wird. Eine Zeit lang blieb diese Frage ohne eine entscheidende Antwort. Zurzeit jedoch bestätigen die Theorien und Experimente der Physiker die Auffassung, dass Wissen nicht als das Bild einer objektiven Realität, sondern vielmehr als eine besondere Organisation unserer selbstreferentiellen Erfahrungen, betrachtet werden muss. Vgl. Willke, H. (2000), S. 158. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 31f, 654. Vgl. Jensen, S. (1999), S. 355. Für die Synkrise von Beobachter und System zu einem systemischen Ganzen stehen vor allem die Protagonisten der Palo-Alto-Gruppe (z. B. LUHMANN, von FOERSTER, GLASERSFELD), deren Gedankenmodell auch als systemischer Konstruktivismus bezeichnet wird. Vgl. u. a. Glasersfeld, E. von (2003a), S. 9ff; Foerster, H. von (2003a), S. 39ff.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

47

referenz in das Modell einfließen, werden sie jedoch zum mittelbaren Teilnehmer des Systems und können damit keine isolierte Beobachterperspektive einnehmen. Jeder Versuch zu erkennen, wie erkannt wird, ist ganz augenscheinlich selbstreferentiell.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die in den Sozialwissenschaften häufig vorgenommene Trennung von Beobachter und Teilnehmer nur schwer durchzuhalten – und wenn vorgenommen – artifizieller Natur ist. „Demnach ist Fremdbeobachtung nur im Kontakt des Systems mit sich selbst möglich und setzt damit Selbstbeobachtungen voraus.“283 Die Wahrnehmung des (beobachtenden) Wissenschaftlers ist zwar ganzheitlich, jedoch gegenüber Erfahrungen, Vermutungen etc. dependent und damit selektiv. Daher ist nicht davon auszugehen, dass aus dieser Perspektive das Ganze eines Systems in allen Facetten zu „sehen“ ist, so dass gegenüber der Realität wie auch Simulationsergebnissen (vgl. Teil IV) eine Position der Bescheidenheit, Zurückhaltung und eine Besinnung auf die Grenzen des Möglichen einzunehmen ist.284

2

Wissenschaftsdisziplinäre Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

2.1

Methodische Vorbemerkungen

Bereits seit Mitte der 1970er Jahre ist der Begriff Komplexität Teil der Umgangssprache geworden, wird in der Regel undifferenziert genutzt und vor allem dazu eingesetzt, unübersichtliche und schwer verständliche Situationen zu beschreiben.285 Auch in der Wissenschaft werden komplizierte Sachverhalte als „zu komplex“ eingestuft, um eine Anwendung simplifizierender Forschungsstrategien zu rechtfertigen und eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand zu umgehen (vgl. I-1.2).286 „A cynic might say that complexity is an euphemism for ignorance: what we don’t understand is complex.”287

Die sich in der Entstehung befindliche Komplexitätswissenschaft, für die bisher keine präzise Definition oder Etablierung vorliegt, und die Erörterung des Komplexitätsbegriffs gehen auf zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen zurück.288 Abbildung II-3 illustriert schematisch, welche Wissenschaftsdisziplinen Einfluss auf die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft ausüben. 283 284 285 286

287 288

Willke, H. (2000), S. 159. Vgl. analog Luhmann, N. (2002), S. 596f. Vgl. Malik, F./Probst, G.J. (1981), S. 121ff. Vgl. LaPorte, T.R. (1975a). S. 3; LaPorte, T.R. (1975b). S. 332f; Wilson, H. (1975), S. 281f; Taylor, S.J. (1975), S. 77. Vgl. Teil I sowie Malik, F. (2003a), S. 184f; Arthur, B.W. (1994); Baecker, D. (1995); Kirsch, W. (1997c); Smith, A. (1999); Ludwig, B. (2000); Sterman, J.D. (2000). Yates, F.E. (1978), S. 201. Vgl. Abbildung II-3; Heylighen, F. (1997), S. 31ff; Goldstein, J. (1999), S. 54ff.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

47

referenz in das Modell einfließen, werden sie jedoch zum mittelbaren Teilnehmer des Systems und können damit keine isolierte Beobachterperspektive einnehmen. Jeder Versuch zu erkennen, wie erkannt wird, ist ganz augenscheinlich selbstreferentiell.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die in den Sozialwissenschaften häufig vorgenommene Trennung von Beobachter und Teilnehmer nur schwer durchzuhalten – und wenn vorgenommen – artifizieller Natur ist. „Demnach ist Fremdbeobachtung nur im Kontakt des Systems mit sich selbst möglich und setzt damit Selbstbeobachtungen voraus.“283 Die Wahrnehmung des (beobachtenden) Wissenschaftlers ist zwar ganzheitlich, jedoch gegenüber Erfahrungen, Vermutungen etc. dependent und damit selektiv. Daher ist nicht davon auszugehen, dass aus dieser Perspektive das Ganze eines Systems in allen Facetten zu „sehen“ ist, so dass gegenüber der Realität wie auch Simulationsergebnissen (vgl. Teil IV) eine Position der Bescheidenheit, Zurückhaltung und eine Besinnung auf die Grenzen des Möglichen einzunehmen ist.284

2

Wissenschaftsdisziplinäre Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

2.1

Methodische Vorbemerkungen

Bereits seit Mitte der 1970er Jahre ist der Begriff Komplexität Teil der Umgangssprache geworden, wird in der Regel undifferenziert genutzt und vor allem dazu eingesetzt, unübersichtliche und schwer verständliche Situationen zu beschreiben.285 Auch in der Wissenschaft werden komplizierte Sachverhalte als „zu komplex“ eingestuft, um eine Anwendung simplifizierender Forschungsstrategien zu rechtfertigen und eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Untersuchungsgegenstand zu umgehen (vgl. I-1.2).286 „A cynic might say that complexity is an euphemism for ignorance: what we don’t understand is complex.”287

Die sich in der Entstehung befindliche Komplexitätswissenschaft, für die bisher keine präzise Definition oder Etablierung vorliegt, und die Erörterung des Komplexitätsbegriffs gehen auf zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen zurück.288 Abbildung II-3 illustriert schematisch, welche Wissenschaftsdisziplinen Einfluss auf die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft ausüben. 283 284 285 286

287 288

Willke, H. (2000), S. 159. Vgl. analog Luhmann, N. (2002), S. 596f. Vgl. Malik, F./Probst, G.J. (1981), S. 121ff. Vgl. LaPorte, T.R. (1975a). S. 3; LaPorte, T.R. (1975b). S. 332f; Wilson, H. (1975), S. 281f; Taylor, S.J. (1975), S. 77. Vgl. Teil I sowie Malik, F. (2003a), S. 184f; Arthur, B.W. (1994); Baecker, D. (1995); Kirsch, W. (1997c); Smith, A. (1999); Ludwig, B. (2000); Sterman, J.D. (2000). Yates, F.E. (1978), S. 201. Vgl. Abbildung II-3; Heylighen, F. (1997), S. 31ff; Goldstein, J. (1999), S. 54ff.

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Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität System Dynamics

Allgemeine Systemtheorie

Dynamische Systeme Fraktale Geometrie

Physik „Evolutionäre Bilologie“ Kybernetik Künstliche Intelligenz Informationstheorie

Nichtlineare dynamische Systeme Chaostheorie

Künstliches Leben Boolesche Netzwerke Genetische Algorithmen

Komplexitätswissenschaft

Informatik Neuronale Netze Spieltheorie

Synergetik

Abbildung II-3: Ausschnitt der wissenschaftsdisziplinären Ursprünge einer Komplexitätswissenschaft289

Um sich einer Wissenschaft von Komplexität zu bedienen bzw. sich auf sie zu berufen und ihren modelltheoretischen Kern wissenschaftlich Nutzen zu können, bedarf es jedoch einer sorgfältigen Basislegung und Begriffsabgrenzung.290 Diese wird nachfolgend anhand der Betrachtung der Entstehung einer Komplexitätswissenschaft unter wissenschaftsdisziplinären Aspekten vorgenommen, um der Heterogenität im Ursprung des Komplexitätsbegriffs gerecht zu werden.291 Dies ist besonders auch vor dem Hintergrund der z. T. unangemessenen und unreflektierten Verwendung von Komplexität in der Betriebswirtschaftslehre erforderlich (vgl. I-1.2).

Die Grundlagen einer Wissenschaft von Komplexität sowie die Strukturierung der wissenschaftsdisziplinären Ursprünge des Begriffs können anhand einer dreidimensionalen Einteilung geordnet werden.292 Nach dieser wird zwischen Disziplinen (Formal- und Realwissenschaften und ihren Untergruppen), Interdisziplinen (u. a. Managementlehre und Organisationswissenschaft) und übergreifende Disziplinen (bzw. disziplinübergreifende Wissenschaften, u. a. Systemtheorie und Kybernetik) unterschieden (vgl. Abbildung II-4). Diese Einteilung dient als

289 290 291 292

Vgl. Goldstein, J. (1999), S. 55. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 56, 80. Vgl. McKelvey, B. (1999a), S. 16; Bleicher, K. (2004), S. 23ff; Malik, F. (2003a), S. 70ff. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 30ff; Lehmann, H. (1992), Sp. 1842. Alternativ besteht die Möglichkeit, die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft anhand der historischen Entwicklung zu erläutern. Vgl. Anderson, P.W. (1999b), S. 219. Diese Klassifizierungsvariante ist aufgrund der schwer zu klassifizierenden bzw. abzugrenzenden Entwicklungsphasen für die vorliegende Untersuchung unzweckmäßig.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

49

Künstliches Leben und Künstliche Intelligenz Chaostheorie Spieltheorie

D

Formalwissenschaften

Naturwissenschaften

[...]

Soziologie

Wirtschaftswissenschaften (BWL)

Psychologie

Philosophie

[...]

Chemie

Physik

Biologie

[...]

Mathematik

Systemtheorie

is z

in ipl

Sozialwissenschaften

üb

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Interdisziplinäre Wissenschaften; 2. Ebene

Kybernetik

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3. E

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Realwissenschaften Einzelwissenschaften; 1. Ebene

Abbildung II-4: Dreidimensionale Einteilung der Wissenschaften293

strukturierende Grundlage für die nachfolgende Untersuchung und Bewertung der einzelnen Disziplinen (vgl. II-2.2 bis II-2.5). Übergreifende und Interdisziplinen haben die Integration von Wissen aus verschiedenen Forschungsbereichen gemein. Eine Differenzierung kann jedoch anhand der unterschiedlichen Zielsetzungen vorgenommen werden. Übergreifende Disziplinen fokussieren auf eine gemeinsame Formalstruktur der Theorie und stellen sich im Gegensatz zu den Interdisziplinen weniger anwendungsorientiert dar.294

Die in dieser Arbeit vorliegende höhere Gewichtung auf disziplinübergreifende Wissenschaften gegenüber interdisziplinären spiegelt die bis dato stärker formal-konzeptionelle als praxis- bzw. problemorientierte Ausrichtung komplexitätswissenschaftlicher Ansätze wider.295

Mit der Abbildung II-5 wird angestrebt, die zentralen Autoren herauszuheben und ihre Wirkungsfelder aufzuzeigen.296 Eine eindeutige Zuweisung dieser zu einer einzigen Wissenschaftsdisziplin ist nicht in allen Fällen möglich.297 Dies liegt vor allem darin begründet, dass sich die Autoren teilweise auf mehreren Wissenschaftsfeldern betätigt haben bzw. noch betätigen (u. a.

293 294 295 296

297

Vgl. Lehmann, H. (1992), Sp. 1842; Chmielewicz, K. (1994), S. 30. Vgl. Chmielewicz, K. (1994), S. 33. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b). In Klammern verzeichnete Autoren und zwischen Disziplinen angeordnete Autoren haben in mindestens zwei Disziplinen Beiträge geleistet. Zum Kreismittelpunkt steigt die Interdisziplinarität der Autoren. Alternativ stünde eine chronologische Aufarbeitung zur Verfügung. Dies hätte jedoch den ständigen Wechsel zwischen den Wissenschaftsdisziplinen erfordert und damit kaum Struktur in die Analyse gebracht.

50

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

AXELROD in Spieltheorie und Wirtschaftswissenschaften und SIMON in Mathematik, Künstlicher Intelligenz und Wirtschaftswissenschaften; vgl. Abbildung II-5). Daher ist die vorgenommene Zuweisung der Autoren zu den Disziplinen idealisiert und für diese Arbeit zweckmäßig, jedoch nicht notwendigerweise anwendungs- und problemübergreifend gültig. Künstliches Leben/ Künstliche Intelligenz

Mathematik Ray

Mainzer

Chaostheorie

Conway

Biologie

(Langton) (H.A. Simon)

Cramer

Schuster Lorenz

Spieltheorie

von Neumann/ Morgenstern

Dawkins

Casti

Ebeling

Riedl

(Kauffman) (Kauffman)

J.H. Argyris (Holland)

Wiener

Bonabeau Stengers

(Holland)

Selten Rapoport

V.L. Smith

(Capra)

Haken Jantsch

Physik/ Chemie

Hofstader

Polanyi

Weinberg

(Ashby, Beer)

Boulding

Whitehead

Forrester

(F.B. Simon) (Ashby, Beer) (Capra) von Bertalanffy Arthur (Gomez) Lissack (Axelrod) Heylighen McCulloch Stacey von Foerster von Hayek Wiener Weaver Kieser (Ashby, Beer)

Kybernetik

Waldrop Gell-Mann

Schelling (Axelrod)

Prigogine/ Nicolis

(Langton)

J. Maynard Smith

Systemtheorie

Maturana/ Varela

Mayurama

St. Galler Schule Ulrich, Malik, Probst, (Gomez)

Kelly Senge

Systemtheoretisch-kybernetische Managementlehre

Goldstein Liening

Philosophie Weick Dörner Bühl

(F.B. Simon)

Baecker

Carley

Psychologie

Perrow Luhmann

Münchener Schule (Kirsch et al.) (H.A. Simon)

(Watzlawick)

Kappelhoff

Barnard

Soziologie

Wirtschaftswissenschaften

Abbildung II-5: Wesentliche Vertreter der Grundlagen einer Komplexitätswissenschaft und Vorreiter zur terminologischen Präzisierung von Komplexität298

Die vorgenommene Analyse des wissenschaftlichen Schrifttums kann nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erfüllen, sondern dient primär der Illustration der unterschiedlichen terminologischen Ursprünge und Leitmotive von Komplexität und der Vielschichtigkeit und Heterogenität dieser Wissenschaft. Die Untersuchung ist daher auf diejenigen Ansätze beschränkt, die sich mit Komplexität in Systemen befassen und einen Beitrag zur Entstehung einer Komplexitätswissenschaft leisten.299

298 299

Vgl. Stüttgen, M. (2003), S. 60, 62. An dieser Stelle soll vorab unter einem System eine hinreichend große Anzahl von miteinander in dynamischer Verbindung stehenden, organisierten Elementen verstanden werden. Ein System besteht aus miteinander in Beziehungen stehenden Elementen mit festgelegten Eigenschaften. In enger gefassten Begriffdefinitionen wird u. a. die Art des Zusammenhangs der Elemente, die Struktur bzw. Verhaltensweisen von Systemen betont. Vgl. Bertalanffy, L. von (1956), S. 36ff; Fuchs, H. (1976), Sp. 3824. Zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Begriff System und seinen Dimensionen vgl. III-1.1.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

2.2

51

Formalwissenschaftliche Ursprünge

In der Mathematik300 wird – stellvertretend für formalwissenschaftliche Ursprünge – primär von einem anwendungsorientierten und quantitativen Komplexitätsbegriff ausgegangen, der von der Elementanzahl in einem System abhängig ist und unter Bezugnahme auf Minimalalgorithmen definiert wird.301 SIMON baut auf Erkenntnissen WIENERs auf und führt im Rahmen der terminologischen Spezifikation von Komplexität eine Mehrebenenperspektive ein, so dass sich Komplexität durch Rekursivität (zwischen Ebenen) auszeichnet. D. h., dass sich komplexe Systeme aus einfachen, in sich stabilen Subsystemen zu aggregierten komplexen Gebilden entwickeln. Wie die Vertreter der Systemtheorie (vgl. II-2.5.2) unterstreicht SIMON, dass die zwischen den Subsystemen bestehenden Rückkopplungen Komplexitätstreiber sind, also zur Entstehung und zu Zuwachs von Komplexität führen.

Insgesamt ist die Bedeutung der Formalwissenschaften für die Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität als gering zu bewerten, da sie in diesem Zusammenhang eher als Grundlagenbzw. Einstiegswissenschaft einzustufen ist, die erste primitive Werkzeuge zur Komplexitätshandhabung (z. B. beim Umgang mit großen Datenmengen) zur Verfügung stellt. Aktuelle Bemühungen in den Formalwissenschaften, die vielfach in der Informatik verankert sind, können als aussichtsreiche Entwicklungen eingestuft werden (z. B. Modellierung bzw. Simulation302, Hochleistungsrechnen), da sie einen Beitrag zur Untersuchung von Eigenschaften wie Symmetrie und Symmetriebrechung, Stabilität und Stabilitätsverlust, Evolutionssprünge und qualitatives Verhalten von Systemen leisten.

2.3

Realwissenschaftliche Ursprünge

2.3.1

Naturwissenschaften

Die Naturwissenschaften (besonders Physik und Chemie) sowie die o. g. Formalwissenschaften mit ihren Paradigmen bilden bis heute die grundlegenden Bedingungen für ökonomische Theorien in den Wirtschaftswissenschaften.303 Ein vollständiger transparenter Markt oder ein rein auf den individuellen rationalen Nutzen ausgerichtetes Verhalten sind Beispiele für mechanistische

300

301

302 303

CONWAY, WIENER, CASTI sowie SIMON als Polymath gelten als wesentliche Vertreter in den Formalwissenschaften, die sich mit Komplexität befasst haben. Vgl. Conway, J.H. (1983); Wiener, N. (1961); Casti, J.L. (1979), Simon, H.A. (1996a, 1996b). Vgl. Wiener, N. (1961). Partiell korrelieren ein qualitativer und quantitativer Komplexitätsbegriff. Komplexität steht danach nicht nur für eine große Anzahl, sondern auch in Bezug auf die innere Struktur oder Organisation der Interaktionen. Vgl. Teil I und Teil IV. Vgl. Lissack, M.R. (1999), S. 110ff; Goldstein, J. (1999), S. 56f; Boisot, M./Cohen, J. (2000), S. 113ff sowie mit organisationstheoretischem Bezug u. a. Kieser, A./Walgenbach, P. (2003), S. 44ff; Kieser, A. (2002d), S. 183ff; Welge, M.K. (1987), S. 76 ff.

52

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

Annahmen (vgl. I-1.2). Im Zuge weitergehender Erfahrungen ist jedoch die realwissenschaftliche Forschung in Bereiche vorgestoßen, in denen diese Paradigmen und Annahmen keine ausreichende Erklärungsunterstützung mehr leisten bzw. zu dysfunktionalen Ergebnissen führen.304 Stellvertretend für naturwissenschaftlich ausgerichtete Realwissenschaften werden nachfolgend die Ansätze der Biologie sowie Physik und Chemie zur Begriffsannäherung an Komplexität und ihr Beitrag zur Entstehung einer Komplexitätswissenschaft untersucht.305

2.3.1.1 Biologie In der Biologie ist Komplexität ein häufig genanntes Phänomen,306 das bei der Betrachtung des Lebendigen als relevant eingestuft und nicht ausgeblendet werden darf.307 Aus biologischer Perspektive werden unterschiedliche Ausprägungsgrade angenommen, von einfacher (subkritische Komplexität) über kritische Komplexität bis zur völligen Unbestimmtheit (fundamentale Komplexität).308 Die Systembestandteile fügen sich evolutionär zusammen, entstehen also nicht durch ein einziges Ereignis.309 Diese Auffassung ist auch für Systeme außerhalb der Naturwissenschaften gültig.310

Für die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft leistet ferner die in der Biologie eingeführte Zugrundelegung eines regelgeleiteten Verhaltens (im Gegensatz zum ausschließlich zufälligen Verhalten) zur Beschreibung und Erklärung von komplexen Systemen einen Beitrag.311

Die Lösung ökonomischer Problemstellungen mithilfe biologischer Theorieansätze strebt vor allem KAUFFMAN an,312 der abstrakte biologische Systeme simuliert und deren Elemente in

304 305

306 307 308

309 310

311 312

Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 29f, 353f. Vgl. Heylighen, F. (1997), S. 31ff, der einen ausführlichen Überblick über naturwissenschaftliche Perspektiven für Komplexität liefert. Vgl. Riedl, R. (2000), S. 1. Vgl. Cramer, F. (1993), S. 222. Vgl. Riedl, R. (2000), S. 4f. Biologische Erklärungsannäherungen reichen von evolutionsbiologischen Ansätzen (vgl. Dawkins, R. (1996) S. 18ff.) über biologisch-kognitionstheoretischen Ansätzen (vgl. Maturana, H.R./Varela, F.J. (1975); Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003)) und biologischen Ansätzen (vgl. Cramer, F. (1993)) bis hin zu aktuellen ökonomischen Fragestellungen (vgl. Kauffman, S.A. (1993); Kauffman, S.A. (2000)). Vgl. ausführlich zu den Charakteristika komplexer Systeme III-1.2ff. Vgl. Cramer, F. (1993), S. 275ff, 282ff. Vgl. Cramer, F. (1993), S. 282ff. In der Philosophie werden z. B. die Stufen einfache Logik, Systeme und Transzendentalphilosophie und für das System Theorie in Bezug auf Prognosen die Stufen simpel (also nicht erforderlich), möglich und nicht möglich jeweils mit ansteigender Komplexität unterschieden. Vgl. u. a. Kauffman, S.A. (1993); Kauffman, S.A. (2000). Vgl. Kauffman, S.A. (2000), S. 49ff. KAUFFMAN (Gründer der BIOS Group) macht deutlich, dass abseits der Selektion neue Strukturen entstehen, die auf Basis von Interaktionen zwischen einfachen Elementen auftreten. „Biology has come to seem the science of the accidental, the ad hoc, and we are just one of the fruits of this ad hocery. […] Since Darwin, we turn to a single, singular force, Natural Selection. […] Without it we reason, there would be nothing but incoherent disorder. […] I shall argue that this idea is wrong […]. The emerging sciences of complexity begin to suggest that the order is not all accidental, that vast veins of spontaneous order lie at hand.” Kauffman, S.A. (1995), S. 7f.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

53

Form von adaptiven autonomen „Agenten“ abbildet. HOLLAND entwickelte die Ansätze KAUFFMANs weiter, indem Computerprogramme (ausgestattet mit Verhaltensregeln der Akteure) eingesetzt werden, die den Ablauf des Systemverhaltens nachzeichnen.313 Hier zeigen sich Parallelen zu Zellulären Automaten sowie agentenbasierten Simulationsansätzen (vgl. IV-3.2.5 bzw. IV-4).314

2.3.1.2 Physik, Chemie Im Hinblick auf den Beitrag zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität weisen Physik und Chemie signifikante Analogien auf. Entsprechend lassen sich die einschlägigen Autoren nicht ausschließlich einem Wissenschaftsgebiet zuordnen, so dass im Folgenden beide Wissenschaftsdisziplinen für die hier verfolgte Zielsetzung zusammen betrachtet werden können.

GELL-MANN nähert sich Komplexität in abstrakter Form über die Einführung eines Maßes an. Demnach ist sie abhängig von „the length of the shortest message conveying certain information.“315 Damit orientiert sich GELL-MANN an einem Definitionsansatz, der an der computational complexity316 angelehnt ist, nach dem der Komplexitätsgrad des betrachteten Systems positiv mit der Länge der Beschreibung (z. B. Anzahl der notwendigen Algorithmen) eines Systems korreliert.317 Weiterhin differenziert GELL-MANN zwischen effektiver Komplexität und logischer Tiefe.318 Diese Unterscheidung ist mit der Unterteilung in einfache bzw. komplizierte und komplexe Systeme vergleichbar (vgl. III-1.1, Abbildung III-2).319 Darüber hinaus kennzeichnet sich Komplexität für NICOLIS/PRIGOGINE durch das Vorhandensein von Dynamik und einer sich autopoietisch selbstorganisierenden Koordination, die sich in Systemen in kohärentem Verhalten widerspiegelt.320 Durch dieses disziplinübergreifende Vorgehen werden Parallelen zu sozialen Systemen wie Organisationen deutlich.

313 314 315 316

317

318

319 320

Vgl. Holland, J.H. (1998), S. 10f. Vgl. Langton, C.G. (1996), S. 48ff. Gell-Mann, M. (1995), S. 16. Vgl. ferner Whitesides, G.M./Ismagilov, R.F. (1999), S. 89ff. Computational complexity befasst sich mit der Komplexität in Computersystemen, so dass die zur computational complexity gewonnenen Erkenntnisse nur eingeschränkt auf soziale Systeme, wie Organisationen, übertragbar sind. Vgl. Hartmanis, J. (Hrsg.) (1989). Vgl. Gell-Mann, M. (1994), S. 70ff; Jantsch, E. (1979, 1988); Capra, F. (1996); Waldrop, M.M. (1992, 1993); Bonabeau, E. (2002a); Hofstadter, D.R. (1985). Vgl. Gell-Mann, M. (1994), S. 93. Die effektive Komplexität von Systemen entspricht der Länge des Schemas, welches zur Beschreibung der Regelmäßigkeiten dieses Systems angewandt wird. In dieser Definition der Komplexität ist generell die Fähigkeit des beobachtenden Systems zur Unterscheidung von Regelmäßigkeiten und Zufälligkeiten berücksichtigt, die wiederum von Kasualien der Kommunikation abhängt. Die logische Tiefe zieht zur Bestimmung der Komplexität einer Datenreihe die Laufzeit des kürzestmöglichen Algorithmus heran. Es handelt sich um eine Kombination von algorithmischem Informationsgehalt und computational complexity. Vgl. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 61. Vgl. Nicolis, G./Prigogine, I. (1987), S. 18; Prigogine, I./Stengers, I. (1993); Prigogine, I. (2003), S. 409ff.

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Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

Die Synergetik als Subdisziplin der Physik stellt Prozesse der Selbstorganisation (vgl. III-1.10), die zu neuen Mustern im Systemverhalten führen, in den Mittelpunkt der Betrachtung.321 Darüber hinaus liefert sie durch die Einstufung von Systemen als „offene“ Systeme, die Austauschprozesse mit der Umwelt erlauben, eine Grundannahme, die eine zentrale Bedeutung in der Komplexitätswissenschaft hat (vgl. III-1.8).322

Besonderen Anteil haben die naturwissenschaftlichen Ansätze an der Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität, da durch sie eine partiell beginnende Loslösung von mechanistischen Denkmodellen der Formalwissenschaften verbunden ist, und erste Denkansätze zur Übertragung auf soziale Systeme erfolgen.

2.3.2

Sozialwissenschaften

Im Gegensatz zu den Formal- und Naturwissenschaften sind in den sozialwissenschaftlichen Disziplinen für die Auseinandersetzung mit Komplexität und die Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität neben der Identifikation von analogen Kriterien auch die begrifflich-terminologischen Ursprünge von Bedeutung. Stellvertretend werden in der vorliegenden Arbeit Philosophie, Psychologie, Soziologie und Wirtschaftswissenschaften betrachtet.

2.3.2.1 Philosophie Aufgrund der vielfältigen, der Philosophie zuordenbaren Schriften und Autoren, die zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität besonders aus begrifflich-terminologischer Sicht Beiträge leisten, werden exemplarisch HOFSTADTER und WHITEHEAD herangezogen.323

HOFSTADTER nähert sich dem Begriff Komplexität autologisch, indem er ihn selbst als komplex bezeichnet, jedoch zu keiner weiteren Spezifikation beiträgt.324 Den Begriff Komplexität verwendet HOFSTADTER primär phänomenologisch.325 WHITEHEAD dagegen nutzt ihn für die Umschreibung von raumzeitlichen Beziehungsschemata zwischen Systemelementen.326 Ste-

321 322 323 324 325 326

Vgl. Haken, H. (2000). Vgl. Haken, H. (1990), S. 19ff. Vgl. ferner Polanyi, M. (1985); Vgl. Hofstadter, D.R. (1985), S. 23. Analog zu HUSSERL. Vgl. Hofstadter, D.R. (1985), S. 606f. Vgl. Whitehead, A.N. (1984), S. 194. Komplexität in Verbindung mit der Sinneswahrnehmung. Vgl. Whitehead, A.N. (1979), S. 218f.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

55

hen „zeitlose Gegenstände“ (Systemelemente) aus einer begrenzten Menge in Beziehung zueinander, wird dieser Zustand als komplex bezeichnet.327

Angesichts ihrer abstrakten Perspektive lässt sich ableiten, dass der Beitrag der Philosophie zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität einen vorwiegend konzeptionellen Charakter aufweist, vorläufige Gedankenanstöße enthält und es sich um kein in sich geschlossenes Gedankenmodell handelt. Trotz des zeitlich frühen Stadiums (Erstveröffentlichung von WHITEHEAD bereits 1925) philosophischer Ansätze, in denen eine terminologische Erfassung unternommen wurde, ist bis heute nur eine schwach ausgeprägten Konkretisierung des Begriffs in der Philosophie festzustellen.

2.3.2.2 Psychologie Der Beitrag der Psychologie328 zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität wird wesentlich von den Positionen DÖRNERs, WATZLAWICKs und WEICKs bestimmt, die sich primär durch kriteriengeleitete Ansätze charakterisieren (vgl. auch III-1).

„Die Existenz von vielen, voneinander abhängigen Merkmalen in einem Ausschnitt der Realität wollen wir als Komplexität bezeichnen“.329 DÖRNER fasst mit dieser Definition die terminologische Grundposition der Psychologie zur Komplexität zusammen und unterstreicht, dass zu den Merkmalen von Komplexität Dynamik, Vernetztheit und Unvollständigkeit zählen. Er nimmt einen fließenden Übergang zwischen verschiedenen Komplexitätszuständen an. Die Vernetztheit wird besonders bei WATZLAWICK/BEAVIN/JACKSON deutlich, die die Interaktionen zwischen Mensch-Mensch und Mensch-Maschine untersuchten.330 Aus dieser Perspektive ist Komplexität daher primär durch einen dauernden Austausch von Materie, Energie und Information zwischen den Akteuren charakterisiert, mit dem Systemstabilität angestrebt wird.331

WEICK befasst sich mit Komplexität primär im Zusammenhang mit (menschlicher) Wahrnehmung und Abhängigkeiten in organisationalen Abläufen und stützt die Auffassungen von DÖR327

328

329

330

331

Unter „zeitlos“ versteht WHITEHEAD einen abstrakten Zustand, der ohne ein besonderes Erfahrungsereignis plausibel ist. Zum Verständnis eines „zeitlosen Gegenstands“ ist seine besondere Individualität, seine Beziehungen und das allgemeine Prinzip, also das Eintreten in wirkliche Ereignisse, zu kennen. Vgl. Whitehead, A.N. (1984), S. 186. Die Psychologie wird in der vorliegenden Arbeit als eine anwendungsorientierte Wissenschaft u. a. zur Untersuchung von Verhalten, Gedanken und Verstand betrachtet. Die in der Arbeit relevanten Teilbereiche der Psychologie umfassen die Organisations- sowie „soziale“ Psychologie und grenzen sich damit u. a. von der klinischen Psychologie ab. Dörner, D. (1989), S. 60. Hinsichtlich der Messung von Komplexität stellt DÖRNER fest, dass bisher lediglich nicht zufrieden stellende Lösungsansätze vorliegen. Vgl. Dörner, D. (1989), S. 61. Vgl. Watzlawick, P./Beavin, J.H./Jackson, D.D. (2003); Watzlawick, P. (Hrsg.) (2003); Simon, F.B. (2004), S. 250, 276ff. Vgl. Watzlawick, P./Beavin, J.H./Jackson, D.D. (2003), S. 240ff.

56

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

NER, interpretiert diese jedoch in Bezug auf Organisationen neu.332 Dynamik wird durch Unbeständigkeit, Prozess und Exploration sowie Nichtlinearität durch Abweichungen vergrößernde Rückkopplungen333 ersetzt.334

Die Psychologie hat zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität durch die Identifikation zentraler Merkmale komplexer Systeme und einer Begriffsannäherung beigetragen. Jedoch verbleiben die Ansätze bisher auf konzeptionellem Niveau ohne konkreten Anwendungsbezug, wenngleich vor allem WEICKs und DÖRNERs Bemühungen zur Bildung eines Begriffsapparates hervorzuheben sind.

2.3.2.3 Soziologie Auch in der Soziologie liegen zahlreiche Schriften vor, die zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität primär aus begrifflich-terminologischer Sicht beitragen. Exemplarisch werden die Beiträge von WILLKE, BÜHL, LUHMANN sowie BAECKER herangezogen.335

WILLKE liefert eine beispielhafte Einteilung von Komplexität, nach der in sachliche, soziale, zeitliche, operative und kognitive Komplexität unterschieden wird.336 Sachliche Komplexität symbolisiert die Vielfalt von Elementen, die aufeinander wirken. Diese umfassen z. B. Sachen, Zellen, Organismen, Menschen, Organisationen und Unternehmen. Die mit der Vielfalt verbundene Ungenauigkeit im Ausdruck entsteht daraus, dass Elemente in einer kaum spezifizierten Bedeutung und nicht im Sinne von Gegenständen begriffen werden.337 Sachliche Komplexität nimmt zu, wenn Zahl und Dichte der Elemente in einem fest abgegrenzten Raum-Zeit-Abschnitt ansteigen, und sie Rückkopplungen aufweisen.338

Finden Rückkopplungen zwischen sozialen Interaktionspartnern (z. B. Individuen) statt, wird von sozialer Komplexität gesprochen.339 Sie bildet sich auf der Basis zunehmender Vernetzung

332 333 334 335 336

337 338 339

Vgl. Weick, K.E. (2005a), S. 51ff; Weick, K.E./Sutcliffe, K.M. (2001); Weick, K.E./Sutcliffe, K.M. (2005), S. 409ff. SIMON verwendet alternativ den Begriff der Kommunikation. Vgl. Simon, F.B. (2004), S. 12. Weick, K.E. (2005a), S. 63. Vgl. ferner Kappelhoff, P. (2000a, 2004a); Vgl. Willke, H. (2000), S. 81f; Baecker, D. (1992), S. 56ff. SAHAL wählt eine etwas abweichende Einteilung. Vgl. Sahal, D. (1976), S. 8ff. Vgl. Willke, H. (2000), S. 81, der diese Ungenauigkeit bereits selbst erkennt. Vgl. Reuter, J. (1998), S. 114. Vgl. Willke, H. (2000), S. 84ff. Sachliche und soziale Komplexität werden bei LaPORTE als statische Komplexität zusammengefasst. Diese geht auf die Elementanzahl sowie die Verschiedenartigkeit der Interdependenzen zurück. Vgl. LaPorte, T.R. (1975a), S. 6ff. An dieser Einteilung orientieren sich auch LUHMANN und BÜHL.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

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von Handlungszusammenhängen, die das System überfordern kann. Die Lösung der sozialen Komplexität erfolgt mithilfe funktionaler Binnendifferenzierung, also Rollendefinition.340

Den unterschiedlichen Rollen sind verschiedene Zeithorizonte (z. B. Planungshorizonte) zugeordnet341, die in der zeitlichen Komplexität abgebildet werden.342 Die Erweiterung des Systems um die Zeitdimension in „kontingente, vergangene und zukünftige Gegenwarten erzeugt differenzierte Zeithorizonte und eine Fülle von Möglichkeiten der Verknüpfung von Vergangenheit und Zukunft.“343 Es entstehen Diskontinuitäten, die zu einem Zuwachs an zeitlicher Komplexität führen und besonders von schwach strukturierten Systemprozessen nicht mehr aufgenommen und gesteuert werden können.344

Die operative Komplexität wird dadurch charakterisiert, dass Handlungsziele und Zwecke durch das System selbst gesetzt werden können, und es Zustandsänderungen erlaubt. Damit erfolgt ein Wechsel im Denken von ausschließlich reaktivem Verhalten zum proaktiven Handeln.345 Über die Funktionen und Folgen kognitiver Komplexität liegen wenige Erkenntnisse vor.346 In der Soziologie besteht Einigkeit darüber, dass der Aufbau kognitiver Komplexität, z. B. in Organisationen, notwendig wird. Die wichtigste Ursache ist in der „Entscheidbarkeit praktischer Fragen – also der Kontrolle operativer Komplexität“347 zu suchen. Mit der Entstehung von kognitiver Komplexität wird zusammenfassend auch von Systemkomplexität gesprochen.348

Im Rahmen einer systemischen Soziologie beschreibt BÜHL Komplexität in Abhängigkeit von Unterschiedlichkeit, Veränderlichkeit der Elemente und Interdependenz und führt die Differen-

340

341 342

343 344

345 346 347 348

Vgl. Luhmann, N. (1991a), S. 123. Gelöst werden kann diese Problematik durch die Festlegung von Rollen in sozialen Systemen. Damit bildet sich eine spezifische Form der internen Arbeitsverteilung aus, und die anfallenden Aufgabenstellungen werden auf funktional angeordnete Rollen verteilt. Funktionale Binnendifferenzierung stellt damit eine erste Form der Reduktion von sozialer Komplexität dar (vgl. III-3). Vgl. Kirsch. W. (1988), S. 205. Vgl. Reuter, J. (1998), S. 119ff. Die zeitliche Komplexität wird bei LaPORTE als dynamische Komplexität bezeichnet, die die Veränderlichkeit des Systems über die Zeit betont. Vgl. LaPorte, T.R. (1975a), S. 6ff. Nach BÜHL besteht zwischen statischer und dynamischer Komplexität ein Substitutionsverhältnis. Die Reduktion statischer Komplexität kann z. B. durch Aufbau von Strukturen mit einer Zunahme der dynamischen Komplexität verbunden sein. Vgl. Bühl, W.L. (1989), S. 30. Eine Ausgestaltung der Differenzierung von struktureller und dynamischer Komplexität findet sich bei NIEDERSEN/POHLMANN. Vgl. Niedersen, U./Pohlmann, L. (1990), S. 28. Vgl. Willke, H. (2000), S. 88. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 377ff. Das Problem der zeitlichen Komplexität wird durch die Differenzierung von Struktur und Prozess zu lösen versucht. Das Selektionspotential aus der sozialen Komplexität (Rollen und interne Differenzierung) wird durch das Selektionspotential zeitlich verbindlicher Regeln erweitert (doppelte Selektivität). Vgl. Reuter, J. (1998), S. 123. Vgl. Reuter, J. (1998), S. 130ff. Willke, H. (2000), S. 115. Vgl. Kirsch, W. (1988), S. 205.

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zierung zwischen Design- und Kontrollkomplexität ein.349 Die Designkomplexität entspricht der potentiellen Komplexität, die sich entwickelt, wenn das System sämtliche Verhaltenspotentiale aufweisen würde. Im Unterschied dazu steht die Kontrollkomplexität für die Selektion von Systemzuständen, die zur Kontrolle eines Systems erforderlich ist (vgl. auch II-3).350 PERROW steht für einen organisationssoziologischen Ansatz und betont die Vielfalt der Elemente sowie die Beziehungen untereinander und weist darauf hin, dass Komplexität bei der Anwendung auf Systeme nicht kognitiv beherrschbar ist.351

Für LUHMANN (analog dazu BAECKER) ist eine begriffliche Wiedergabe von Komplexität „zu komplex“, da es sich um einen selbstreferentiellen Terminus handelt.352 Komplexität gilt als ein Maß für Unbestimmbarkeit bzw. Mangel an Information (in Abgrenzung zu ASHBYs „law of requisite variety“; vgl. II-3), denn selbst bei geringer Elementanzahl kann nicht mehr jedes Systemelement mit jedem anderen verknüpft werden. Komplexität liegt für LUHMANN vor, wenn in einem System eine ausreichend große Anzahl von Elementen, eine hinreichend große Menge, ausgeprägte Verschiedenartigkeit und Intensität von Beziehungen zwischen den Elementen sowie Dynamik vorliegt.353

Die ausgeprägte Differenzierung in der Betrachtung von Komplexität und die zugleich vorherrschende Homogenität des Begriffsapparates der Autorenbeiträge mit soziologischem Hintergrund sind Ausdruck einer intensiven Auseinandersetzung, die zu einer begrifflich-terminologischen Eingrenzung, Strukturierung und Präzisierung des Terminus Komplexität geführt hat. Damit kann deren Einfluss auf die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft als hoch eingestuft werden.

2.3.2.4 Wirtschaftswissenschaften Für wirtschaftswissenschaftliche und besonders sozioökonomische Beiträge zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität ist vor allem die Münchner Schule zu nennen.354 KIRSCH beispielsweise betrachtet Komplexität in Anlehnung an LUHMANN.355 Die Begriffsbestimmung ist

349 350

351 352

353 354

355

Vgl. Bühl, W.L. (1989), S. 30. Vgl. Schwub-Gwinner, G. (1992), S. 231f. Diese Klassifikation ist vergleichbar zu der durch MALIK vorgenommen Unterteilung von potentieller Varietät sowie aktueller Varietät. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 190f. Vgl. Perrow, C. (1993); Perrow, C. (1992). Luhmann, N. (2002), S. 45; Baecker, D. (1995), S. 55ff; Baecker, D. (1997), S. 17ff. Vgl. sinngemäß Hofstadter, D.R. (1985), S. 23. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 45ff; Luhmann, N. (1980), Sp. 1061ff; Baecker, D. (2006), S. passim. Vgl. Kirsch, W. (1988); Kirsch, W. (1991); Kirsch, W. (1997b); Kirsch, W. (1997c); Knyphausen, D. zu (1988); Dondl, P. (1992); Schwub-Gwinner, G. (1992); Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995); Kernstock, J. (1995). Vgl. Kirsch, W. (1988), S. 204ff.

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sehr offen gefasst und auf unterschiedliche Komplexitäten, wie z. B. Systemkomplexität, Problemkomplexität und Komplexität des Entscheidungsbereichs, gleichermaßen anwendbar.356 Die Systemkomplexität entspricht nach KIRSCH dem Komplexitätsverständnis von LUHMANN und wird um ein weiteres Merkmal – die Freiheitsgrade zwischen den Systemelementen – ergänzt.357 Darüber hinaus unterscheidet KIRSCH im Rahmen der Entscheidungsfindung die dichotomen Komponenten Komplexitätsbejahung und -verneinung (vgl. Teil I).358

Aus nationalökonomischer Perspektive verwendet ARTHUR den Komplexitätsbegriff, um den Zustand von Volkswirtschaften als indeterministische, unvorhersagbare und nicht-mechanistische Systeme zu beschreiben („The economy as a complex evolving system“359) und Vorgänge wie „increasing returns and path dependence in economy“360 darzustellen. Daraus leitet ARTHUR sechs Eigenschaften einer Volkswirtschaft ab: Verteilte Interaktion, Fehlen einer zentralen Steuereinheit, durchlässige Organisation, kontinuierliche Anpassung, permanente Neuheit und „Zustand außerhalb des Gleichgewichts“ (dynamic equilibrium).361 BARNARD verwendet Komplexität im Zusammenhang mit Organisationen.362 Komplexe Organisationen sind nach seiner Ansicht keine mechanischen Agglomerationen von Teilen und Mechanismen, die zwingend zu einem Ganzen verbunden sein müssen. Vielmehr können die Teile auch außerhalb der Organisation stehen und über zahlreiche Rückkopplungen mit deren Elementen und der Umwelt verfügen.363 Der Position BARNARDs wurde über einen langen Zeitraum kaum Aufmerksamkeit geschenkt, sie wird aber in aktuellen Ansätzen in den Wirtschaftswissenschaften wieder aufgegriffen.364

Nachdem in den Einzeldisziplinen der Sozialwissenschaften vorwiegend abstrakte Begriffsbestimmungen vorliegen, zeigt die Untersuchung des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums, dass Komplexität explizit auf soziale Systeme wie Organisationen bezogen werden kann und

356 357

358

359 360 361 362

363 364

Vgl. Schwub-Gwinner, G. (1992), S. 235. Vgl. Kirsch, W. (1988), S. 205ff; Kirsch, W. (1997a), S. 273. Vgl. ferner Kieser, A. (1994); Goldstein, J. (2002); Axelrod, R.M./Cohen, M.D. (2000); Hayek, F.A. von (1972). Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 380f. „Komplexitätsbejahung bedeutet, dass die Entscheidungsarena so gestaltet ist, dass deren Komplexität der Problemkomplexität entspricht – oder diese sogar übersteigt. Bei Komplexitätsverneinung ist dagegen die Entscheidungsarena unterdimensioniert: Es sind mehr Personen betroffen und mehr Kontexte relevant, als sie Eingang in die Entscheidungsarena finden.“ Kirsch, W. (1991), S. 146. Vgl. Arthur, B.W./Durlauf, S.N./Lane, D.A. (Hrsg.) (1997). Vgl. Arthur, B.W. (2000). Vgl. Arthur, B.W./Durlauf, S.N./Lane, D.A. (1997a), S. 3ff. Vgl. auch Liening, A. (1999). Vgl. Barnard, C.I. (1970), S. 91. Die Monographie Die Führung großer Organisationen wurde zuerst 1938 unter dem Titel The functions of the executive aufgelegt. Vgl. Barnard, C.I. (1970), S. 91. Vgl. Tsvetovat, M./Carley, K.M. (2004), S. 23ff.

60

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

Komplexität zunehmend in ökonomischen Fragestellungen betrachtet wird. Damit kommt zur Betrachtung eine weitere ökonomische Dimension hinzu. Dennoch ist für die Sozial- bzw. Wirtschaftswissenschaften als monolithisches Ganzes zusammenfassend festzustellen, dass sich bisher noch kein einheitlich anerkanntes Begriffsgefüge etabliert hat.

2.4

Interdisziplinäre Ursprünge

Stellvertretend für interdisziplinäre Ursprünge wird für die Entwicklung einer Wissenschaft von Komplexität die systemtheoretisch-kybernetische365 Managementlehre bzw. Organisationswissenschaft betrachtet,366 die sich auf die disziplinübergreifenden Wissenschaften Systemtheorie und Kybernetik stützt (vgl. Abbildung II-4 und II-5). Wesentliche Vertreter der systemtheoretisch-kybernetischen Managementlehre sind in der St. Galler Schule zu lokalisieren. 367 Das wesentliche Ziel der systemtheoretisch-kybernetischen Managementlehre St. Galler Prägung besteht in dem Entwurf eines evolutionären Managements, das sich von mechanistischen Denkweisen und einer rationalen Organisationsgestaltung abgrenzt.368 Im Kern steht dabei die Auffassung von einer nicht beherrschbaren Form von Komplexität, der nur mit neuen alternativen Formen des Managements von Organisationen begegnet werden kann.369 Diese basieren im Wesentlichen auf zwei Säulen:370 Eine der Säulen bildet das Konzept der spontanen Ordnung von VON HAYEK, in dem der systemtheoretische Ursprung dieses Ansatzes zum Ausdruck kommt.371 D. h. Regeln werden weder von einer Instanz bewusst definiert, noch müssen sie den handelnden Personen bekannt oder bewusst sein. Sie entstehen im Zuge der Evolution aus der Interaktion von Individuen miteinander sowie mit ihrer Umwelt durch einen der Mutation und Selektion analogen Prozess. Somit sind die Verhaltensregeln keine willkürlichen Normen, sondern stellen vielmehr die zentrale Anpassungsform des Menschen an eine Umwelt dar, über deren Einzelhei-

365

366

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368 369 370

371

Das Kompositum systemtheoretisch-kybernetisch drückt die Verbindung der beiden Wissenschaftsdisziplinen aus und ist auf Überwindung der primär entwicklungsgeschichtlichen Trennung ausgerichtet. Vgl. Lehmann, H. (1975), Sp. 2412. Die Diskussion einer systemtheoretisch-kybernetischen Organisationswissenschaft in Verbindung mit der Untersuchung organisationstheoretischer Ansätze wird in Teil III-2 detailliert geführt, so dass an dieser Stelle auf eine ausführliche Darstellung verzichtet werden kann. Vgl. Ulrich, H. (2001f), S. 205ff; Ulrich, H. (2001g), S. 233ff; Probst, G.J. (1985a), S. 53ff; Malik, F. (2003b); Gomez, P./Probst, G.J. (1999); Senge, P.M. (1990); Lissack, M.R. (2002a), S. 1ff; Stacey, R.D. (2003a); Kelly, K. (1995); Capra, F. (1996). ULRICH gilt als Mitbegründer der St. Galler Schule. In seiner Veröffentlichung Die Unternehmung als produktives soziales System (vgl. Ulrich, H. (2001a)) und in seinen weiteren Beiträgen Anfang der 1970er zum St. Galler systemorientierten Managementansatz begründet ULRICH die systemorientierte Managementlehre (vgl. Ulrich (2001b)). Bis dahin war die Betriebswirtschaftlehre auf die Rationalität und Linearität Gutenbergscher Prägung ausgerichtet. Zum (erweiterten) Kreis der St. Galler Protagonisten zählen u. a. PROBST, GOMEZ, VON HAYEK, SCHEUSS, MALIK und STÜTTGEN. Zur Kritik am St. Galler Ansatz vgl. Kieser, A. (1994), S. 210f; Kieser, A. (2002f), S. 287ff. Vgl. Bleicher, K. (2004), S. 44ff. Vgl. Ulrich, H. (1978), S. 212f; Malik, F. (2003a), S. 213; Hayek, F.A. von (1994), S. 162; Ringlstetter, M. (1988), S. 70ff; 131ff; 153ff. Vgl. Hayek, F.A. von (1980), S. 57ff; Birner, J. (1994), S. 1ff.

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ten er nie genug wissen kann, um sein Verhalten ausschließlich nach Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen richten und in diesem kausalen Sinne rational handeln zu können.372 Dementsprechend wird Komplexität als ein Zustand beschrieben, in dem die Institution Organisation niemals über ausreichend Information verfügen kann, um diese detailliert zu planen und zu steuern. Diese Unfähigkeit beruht vor allem auf der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität373, bei der es sich um eine physikalische Grenze handelt, die grundsätzlich für alle Systeme (z. B. Individuen, Organisationen, Computer) Gültigkeit hat: das BREMERMAN’sche Limit.374

ASHBYs law of requisite variety bildet die zweite Säule des St. Galler Ansatzes. Hier spiegeln sich die kybernetischen Wurzeln wider. Demnach ist die Überlebensfähigkeit eines Systems gefährdet, wenn dessen Umwelt komplexer ist als die zur Verfügung stehenden Lösungspotenziale der Organisation, d. h. die Varietät der Organisation nicht der der Umwelt entspricht.375

Ferner nehmen Vertreter der St. Galler Schule analog zu biologischen Perspektiven (vgl. II-2.3.1.1) eine typologische Abgrenzung von einfachen und komplizierten Systemen vor.376 Nach dieser liegen einfache Systeme vor, wenn deren Elementanzahl gering ist und die Entitäten durch wenige Einflussgrößen beeinflusst und überschaubar verknüpft sind. Komplizierte Systeme werden durch eine große Anzahl von Elementen charakterisiert, die untereinander stark verknüpft sind.377 Sie sind über die Zeit stabil und weisen eine schwache Dynamik auf. Eine vollständige Beschreibbarkeit und Lösung durch mathematische Optimierungsverfahren ist hierfür möglich (z. B. komplizierte Maschine). Ein komplexes System lässt sich im Gegensatz zu einem einfachen oder komplizierten System nicht präzise beschreiben. Unsicherheit besteht z. B. hinsichtlich der zu kontrollierenden Einflussgrößen.378

Als Vertreter der angloamerikanischen Managementlehre unterscheidet SENGE, dessen grundsätzliche Positionen im erweiterten Sinne zum systemtheoretisch-kybernetischen Managementverständnis zu zählen ist, zwei Komplexitätsformen:379 detail complexity und dynamic complexi-

372 373 374

375 376 377 378 379

Vgl. Malik, F./Probst, G.J. (1981) S. 129; Malik, F. (2003a), S. 210ff; Ulrich, H. (1984), S. 92ff. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 198. Das BREMERMAN’sche Limit kann mit der physikalischen Größe der Lichtgeschwindigkeit verglichen werden, die nach heutiger Annahme eine nicht zu überschreitende Geschwindigkeitsobergrenze darstellt. Vgl. Bremerman, H.J. (1962), S. 93ff. MALIK macht deutlich, dass bereits überschaubare Systeme eine potentielle Varietät aufweisen, die weit über dem BREMERMAN’schen Limit liegt. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 199. Vgl. Ashby, W.R. (1958a), S. 206ff. Vgl. Gomez, P./Probst, G.J. (1999), S. 14ff. Vgl. die Definitionsansätze aus soziologischer Perspektive. Vgl. Beer, S. (1963), S. 32ff. Vgl. Senge, P.M. (1990). Als Ausgangspunkt der Überlegungen nutzt SENGE die Frage nach der Ursache für den Rüstungswettlauf zwischen den USA und der damaligen UdSSR.

62

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität 380

ty.

„The answer lies in the same reason that sophisticated tools of forecasting and business

analysis, as well as elegant strategic plans, usually fail to produce dramatic breakthroughs in managing a business. They are all designed to handle the sort of complexity in which there are many variables: detail complexity.”381 Für SENGE besteht die Möglichkeit zur Einflussnahme in der dynamic complexity. Abgesehen von dieser Unterscheidung verbleibt seine Spezifikation jedoch auf konzeptionellem Niveau, ohne die dichotome Einteilung (in detail und dynamic complexity) weiter zu konkretisieren bzw. Handlungsempfehlungen auszusprechen. „Complexity deals with the nature of emergence, innovation, learning and adaptation.”382 Durch die Einführung von Emergenz und Lernen trägt LISSACK wesentlich zur Verknüpfung von Komplexität und Management bei, ohne jedoch dabei eine präzise abzugrenzende Begriffsannäherung vorzunehmen.383

Stellvertretend für interdisziplinäre Ursprünge wird mit der systemtheoretisch-kybernetischen Managementlehre als angewandte Wissenschaft das Phänomen Komplexität in die Aus- und Weiterbildung, also Lernen als fester Bestandteil, integriert. Vertreter dieser Lehre teilen die Auffassung, dass durch simplifizierende Komplexitätsreduktion „Überleben sicherndes“ Management von Organisationen nicht möglich ist.384 Damit hat die systemtheoretisch-kybernetische Managementlehre zu einem höheren Bewusstsein von der Existenz und dem Einfluss der Komplexität in Systemen geführt (z. B. durch Einführung von Emergenz) und einen wesentlichen anwendungsorientierten Beitrag zur Bildung einer Wissenschaft von Komplexität geleistet.385 Einschränkend ist anzumerken, dass besonders das angloamerikanische Schrifttum durch eine Vielzahl kaum spezifizierter Metaphern geprägt ist, die die aufgezeigte Aussagekraft der systemtheoretisch-kybernetischen Managementlehre schwächen.386

380

381 382 383

384 385

386

Dynamic complexity steht für Situationen, in denen Ursache und Wirkung subtil und die Effekte von Interventionen nicht offensichtlich sind. Reale Unternehmenssituationen sind geprägt durch: Unklare Ursache-Wirkungsbeziehungen besonders für das Zeitverhalten (nicht-terminierbarer Eintritt von intendierten Wirkungen), keine Vorhersehbarkeit von kurz- und langfristigen sowie lokalen und globalen Wirkungen von Interventionen. Entscheidungen in einem Teil des Systems können sich in einem anderen Teil bemerkbar machen. Eingriffe führen aufgrund von Verzögerungen und ständiger Interaktion zu nicht intendierten Konsequenzen. Senge, P.M. (1990), S. 71. Lissack, M.R. (1997a), S. 295. Vgl. Lissack, M.R. (Hrsg.) (2002); Lissack, M.R. (1997a, 1997b); Phelan, S.E. (2002), S. 43ff; Schultz, R. (2002), S. 15ff. Vgl. Lissack, M.R. (1997a), S. 205ff; Stacey, R.D. (2003a), S. 265ff, 408ff. Vgl. Stacey, R.D. (1995); Stacey, R.D. (1996); Stacey, R.D. (2003a); Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000); Kelly, K./Allison, M.A. (1999). Zur Kritik an den für Mythen und Moden z. T. „anfälligen“ Ansätze vgl. Kieser, A. (1996), S. 21ff.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

2.5

63

Disziplinübergreifende Ursprünge

Aufgrund der Heterogenität und damit verbundenen erschwerten Abgrenzbarkeit disziplinübergreifender Wissenschaften wird der Untersuchung der einzelnen Ursprünge zunächst eine Spezifikation der jeweiligen Forschungsrichtung vorangestellt.

2.5.1

Kybernetik

Die Kybernetik wird den disziplinübergreifenden Wissenschaften zugeordnet, da sie unterschiedliche Realwissenschaften integriert. Somit stellt sie für die Komplexitätswissenschaft eine grundlegende Disziplin dar.387 Die Kybernetik untersucht Gesetzmäßigkeiten in Steuerungs- und Regelungsvorgängen stabiler dynamischer Systeme, wie z. B. in Technik, Biologie und Ökonomie.388 Aufgrund des gemeinsamen Betrachtungsgegenstands und verschiedener Analogien in der historischen Entwicklung besteht zwischen Kybernetik und Systemtheorie eine enge Verbindung, die dazu geführt hat, dass die Begriffe vereinzelt synonym verwendet werden.389 „Cybernetics and general systems theory [äquivalent zu Systemtheorie, Anmerkung des Verfassers] are two domains that have undergone so much cross-fertilization that they are, in practice, difficult to separate.”390 Dennoch werden in der vorliegenden Arbeit Kybernetik und Systemtheorie getrennt behandelt, da sie verschiedene Ursprünge aufweisen und sich ihre Beiträge zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität signifikant unterscheiden.391

In den 1930er und 1940er Jahren beginnt WIENER, der ursprünglich den Formalwissenschaften zuzuordnen ist (vgl. II-2.2), mit Systemen zu arbeiten, die sich mithilfe von Rückkopplungen selbst regeln und steuern, um Stabilitäts- und Gleichgewichtszustände zu erreichen.392 Parallel konnten McCULLOCH und PITTS nachweisen, dass aufgrund einer Zustandsdichotomie die Operationen der menschlichen Nervenzellen (aktiv/passiv) mit logischen Aussagen (wahr/falsch) vergleichbar sind.393 Dies veranlasste WIENER, das gesamte Gebiet der Regelungs- und Nachrichtentheorie sowohl für Maschinen als auch für soziale Wesen mit dem Oberbegriff Kybernetik zu belegen und diese als disziplinübergreifende Wissenschaft zu etablieren.394 „We have decided

387 388 389 390 391

392 393 394

Vgl. Kosiol, E./Szyperski, N./Chmielewicz, K. (1965), S. 337ff; Jirasek, J./Mai, D. (1972). Vgl. Ashby, W.R. (1968c), S. 108f; Beer, S. (1966), S. 290; Lehmann, H. (1975), Sp. 2413. Vgl. Schiemenz, B. (1993), Sp. 4128; Lehmann, H. (1975), Sp. 2412. Heylighen, F. (1997), S. 33. Grundlage dieser Arbeit bildet die neuere Systemtheorie (vgl. II-2.5.2 und Händle, F./Jensen, S. (1974), S. 11), die mit dem in der angloamerikanischer Literatur verwendeten Begriff der General Systems Theory synonym verwendet wird. Vgl. Wiener, N. (1968), S. 31ff; Wiener, N. (1961), S. 95ff; Klaus, G./Liebscher, H. (Hrsg.) (1976), S. 314f. Vgl. McCulloch, W.S./Pitts, W. (1943), S. 115ff. Vgl. Wilms, F.E. (1995), S. 92. Wird Kybernetik wie hier als Oberbegriff genutzt, so umschließt dies die Informationstheorie (vgl. zur Informationstheorie Weaver, W. (1948)), so dass ihr keine eigenständige Kategorie eingeräumt wird. Vgl. Lehmann, H. (1975), Sp. 2412. Kybernetik umfasst neben der Regelungstechnik und Informationstheorie u. a. auch die Managementkybernetik. Vgl. Probst, G.J. (1981), S. 7f. Managementkybernetik bildet den Anknüpfungspunkt zur Systemtheorie.

64

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

to call the entire field of control and communication theory, whether in the machine or in the animal, by the name Cybernetics.”395

Komplexe Systeme sind indeterministisch, so dass für deren Beschreibung und Erklärung die Kybernetik zweiter Ordnung heranzuziehen ist.396 Nach VON FOERSTER muss ein System dieser Ordnung aus Subsystemen bestehen, die individuelle Subziele verfolgen, wobei jedes einzelne Element sowohl Betrachter als auch Lenker des Systems sein kann.397 „Ungleichgewichte als Voraussetzung für die Gestaltung von Prozessen des Wandels“398 stellen einen weiteren wesentlichen Aspekt der Kybernetik zweiter Ordnung dar und integrieren damit eine prozessuale Sicht (in Abgrenzung zur strukturalen Sicht der Kybernetik erster Ordnung).399 Das kybernetische System zweiter Ordnung reproduziert sich selbst (vgl. III-1.11) und ist anpassungsfähig; ergo sind alle komplexen adaptiven Systeme kybernetische Systeme zweiter Ordnung.400

Die grundlegende Annahme der Kybernetik zweiter Ordnung ist die Abhängigkeit der Systembeschreibung vom Beobachter, welches einer konstruktivistischen Auffassung entspricht (vgl. II1.3), nach der die Beschreibung, Erklärung und Prognose nicht ausschließlich generellen und spezifischen (strukturell-objektiven)401 Eigenschaften folgen, sondern vielmehr Beobachterkonstruktionen sind. Die Kybernetik zweiter Ordnung hat Eingang in verschiedene übergreifende Ansätze gefunden. Besonders der von VON FOERSTER (mit-)entwickelte Modellierungs- und Simulationsansatz System Dynamics402 hat weite Verbreitung gefunden.403

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398 399

400

401

402 403

Wiener, N. (1961), S. 11. Ähnlich formulierte dies SCHMIDT (vgl. in Vgl. Wilms, F.E. (1995), S. 93), der die Regelungstheorie zur Charakterisierung von Menschen und Pflanzen nutzt. WIENER schuf damit die bis dahin geltende definitorische Verengung der Kybernetik auf eine (technische) Regelung ab. Vgl. Klaus, G./Liebscher, H. (Hrsg.) (1976), S. 320ff; Brillouin, L. (1968), S. 147ff. Vgl. Foerster, H. von (1984); Foerster, H. von (1996). Die Kybernetik erster Ordnung untersucht hauptsächlich gleichgewichtserhaltende Systeme, wie z. B. technische, und ist dadurch gekennzeichnet, dass der Beobachter des Systems einen Zweck von außen vorgibt, Strukturen und Grenzen definiert und so steuernd Einfluss nimmt. Im Sinne der Kybernetik erster Ordnung stehen Systeme isoliert zu ihrer Umwelt und zeigen deterministisches Verhalten, so dass die Kybernetik erster Ordnung hier nicht von Belang ist. Vgl. Probst, G. (1981), S. 120. Vgl. Foerster, H. von (2000), S. 133ff; Foerster, H. von (1984), S. 2ff; Kirchhof, R. (2003), S. 32. „Kybernetik ist die formale, interdisziplinäre Metawissenschaft von den Strukturen und Nachrichtentransformationen aller denkmöglichen zielorientierten dynamischen Systeme.“ Krieg, W. (1971), S. 6. Vgl. auch Ulrich, H. (2001f), S. 230f. Servatius, H.-G. (1991), S. 6. Vgl. Gomez, P. (1981), S. 25. Vgl. hierzu auch PRIGOGINES Erforschung dissipativer Strukturen, auf die in II-2.5.5 näher eingegangen wird. Vgl. Maruyama, M. (1968), S. 304ff; Schuster, H.G. (2001). ASHBY wird mehrfach als erster Vertreter der Feststellung betrachtet, dass Systemen die Fähigkeit der Selbstorganisation zugesprochen wird (Kybernetik 2. Ordnung). Er identifizierte sich jedoch durchgehend mit der Idee des systemextern vorgegebenen Status quo und damit der Kybernetik erster Ordnung. Vgl. Ashby, W.R. (1974), S. 125ff. In Abgrenzung zu den funktional-subjektiven Eigenschaften. Vgl. Reiß, M. (1993a), S. 55ff; Kirchhof, R. (2003), S. 12ff; Bertalanffy, L. von (1972), S. 33. Vgl. Sterman, J.D. (2000), S. 41ff. Vgl. Schmidt, D. (1992), Wolfram, S. (2002); Spengler, T./Schröter, M. (2003), S. 7ff; Spengler, T./Schröter, M. (2003), S. 1ff; Schröter, M./Spengler, T. (2004).

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

65

Die Kybernetik leistet durch WEAVER mit der Unterscheidung zwischen organisierter und nicht-organisierter Komplexität einen Beitrag zur begrifflichen Annäherung.404 Nicht-organisierte Komplexität liegt demnach vor, wenn z. B. bei einer großen Anzahl von Elementen, die zufällig untereinander verknüpft sind (ausreichend hohe Zufallsbestimmtheit; vgl. Abbildung II6), das Verhalten der (diskreten) Elemente keinen Einfluss auf die wechselseitigen Rückkopplungen hat. Ein durch nicht-organisierte Komplexität induziertes Verhalten kann durch die Ermittlung eines Durchschnittsverhaltens mithilfe von statistischen Methoden analytisch gelöst werden.405 Zufallsbestimmtheit

Probleme unorganisierter Komplexität

Probleme organisierter Komplexität

Einfache Probleme Komplexitätsgrad Abbildung II-6: Organisierte und unorganisierte Komplexität406

In Fällen organisierter Komplexität können weder analytische noch statistische Methoden eingesetzt werden, da u. a. damit die Auslassung individueller Elementeigenschaften und Dynamik verbunden wäre.407 Die Systemelemente interagieren, nehmen Einfluss aufeinander sowie auf das System als Ganzes, sind der Selektion ausgesetzt und verhalten sich regelgeleitet. Ergo ist organisierte Komplexität nicht zufallsbestimmt.408 WEAVER weist zwar auf die Steuerungs-

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405 406 407

408

Vgl. Weaver, W. (1948), S. 537ff. Nicht-organisierte bzw. unorganisierte (disorganized) Komplexität werden im Rahmen der Arbeit synonym benutzt. Vgl. Hayek, F.A. von (1972), S. 18ff. Vgl. Gomez, P. (1981), S. 16. Entspricht der in der Arbeit zu Grunde gelegten Komplexität. Eine analytische Lösung erfolgt bei „einfachen“ Problemen, deren Problemsituation sich durch eine geringe Elementanzahl und Interaktionen beschreiben lässt. Vgl. Gomez, P. (1981), S. 15; Weaver, W. (1948), S. 536f. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 46.

66

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

problematik hin, liefert jedoch keine Hinweise zur Beherrschung von organisierter Komplexität, so dass keine Handlungsempfehlungen ausgesprochen werden.409

Zusammenfassend besteht die Bedeutung der Kybernetik für die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft in der Untersuchung der Struktur und des Verhaltens komplexer adaptiver Systeme. „Die Kybernetik beschäftigt sich nicht primär mit vorgegebenen Strukturen der realen Welt wie andere Disziplinen (Realwissenschaften [...]), sondern mit spezifischen Interaktionen zwischen diesen Strukturen. Ihr Betrachtungsgegenstand rekrutiert sich aus informationellen Systemen, aus informationsverarbeitenden, selbstregulierenden Systemen und eben jenen Mechanismen, welche der Informationsverarbeitung und Selbstregulation zu Grunde liegen.“410 Damit steuert Denken auf verschiedenen Abstraktionsebenen und informationsverarbeitenden Regelkreisen Grundlegendes zur Entstehung einer Komplexitätswissenschaft bei, wobei berücksichtigt werden muss, dass sich die kybernetische Anschauung primär an technischen und weniger an sozio-technischen Systemen orientiert.411 Darüber hinaus wird das Streben nach Gleichgewichtszuständen in der Kybernetik abgelehnt.

2.5.2

Systemtheorie

Im Unterschied zur Kybernetik, die anwendungs- und problemorientiert auf die Systemlenkung und Informationssteuerung ausgerichtet ist, liegt der Ausgangspunkt der Systemtheorie in der Teil-Ganzes-Problematik412 und leistet damit eher einen konzeptionellen Beitrag zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität.413 Dementsprechend wird die Systemtheorie auch als phänomenologische Theorie verstanden, die die Aufgabe hat, unabhängig von realen Inhalten auf einer abstrakten Modellebene Gebilde zu untersuchen, die als Systeme bezeichnet werden.414 Damit besteht das primäre Ziel der Systemtheorie in der Identifikation formaler Isomorphien in materiell unterschiedlichen Sachverhalten sowie in der Nutzbarmachung dieser für interdisziplinär

409

410 411 412

413

414

Vgl. Kallinikos, J. (1998), S. 371ff. „Science […] must learn to deal with these problems of organized complexity.” Weaver, W. (1948), S. 540. Wuketits, F.M. (1981), S. 76. Vgl. Lehmann, H. (1975), Sp. 2419. Nach der das Ganze gerade nicht eine Summierung gleichartiger Teile, sondern die Mannigfaltigkeit des Verschiedenen betont, aus denen die Einheit (das Ganze) gewonnen wird. Diese Problematik wirkt sich auch auf die Unterscheidung von offenem und geschlossenem System aus. Vgl. Hegel G.W. (1986), S. 267ff. Vgl. Schiemenz, K. (1993), Sp. 4128. Ferner wird in der neuen Systemtheorie (s. u.) kein homöostatischer Zustand (wie in der Kybernetik) angestrebt. Vgl. Bertalanffy, L. von (1956). Vgl. zum Einsatz von Computern in der Systemtheorie Weinberg, G.M. (1972), S. 98ff. Vgl. Fuchs, H. (1976), Sp. 3820.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität 415

verwendbare Theoriesysteme.

67

Das Ziel der Systemtheorie ist die Ergänzung bzw. Substitution

vorherrschender analytischer Methoden durch ein synthetisch-ganzheitliches Vorgehen.416

Historisch betrachtet kann zwischen einer alten und einer neuen Systemtheorie unterschieden werden:417 Die Grundlage der alten Systemtheorie bilden – vergleichbar mit der Kybernetik erster Ordnung – mathematische Optimierungsverfahren (vgl. Operations Research). HÄNDLE/JENSEN sprechen in diesem Fall von Systemtechnik bzw. Systemanalyse.418 Die alte Systemtheorie erweist sich für die Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität als wenig ergiebig, da mit ihr unzulässige Vereinfachungen der wahrgenommenen Realität verbunden sind und nicht berücksichtigt wird, dass sich verschiedene Systeme unter gleichartigen Bedingungen unterschiedlich verhalten können.

Die neue Systemtheorie ist eng mit der Gründung der Society for General Systems Research (1954) durch VON BERTALANFFY, BOULDING und RAPOPORT verbunden.419 Im Gegensatz zum klassischen systemtheoretischen Verständnis besteht das Ziel der neuen Systemtheorie in der Überwindung der bestehenden Grenzen zwischen den Wissenschaftsdisziplinen durch Einführung des System-Gedankens420 und der Einbeziehung von Umwelt und Beobachter in die Betrachtung.421 Aufgrund der genannten Besonderheiten (z. B. System/Umwelt-Fragestellung) und nicht zuletzt aufgrund der Nähe zur Kybernetik leistet besonders die neue Systemtheorie einen erheblichen Beitrag zur Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität.422 Nicht nur die Ablehnung des

415

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419 420

421

422

Vgl. Ashby, W.R. (1962); Beer, S. (1966); Forrester, J.W. (1980b); Boulding, K.E. (1956); Grochla, E. (1970), S. 1ff; Meffert, H. (1971), S. 174ff. Vgl. Rapoport, A. (1988), S. 21f. Damit ist die Ablehnung der „reductionist science“ verbunden. Zu den Vertretern zählen u. a. NEWTON bzw. Crick, F. (1997), eingeschränkt auch Weber, M. (1976). Vgl. Tacke, V. (2004), Sp. 1393. Erste Ansätze in der alten Systemtheorie unterscheiden sich von der Kybernetik prinzipiell in ihrem Ansatz: Grundwissenschaft im ersten und Technologie im zweiten Falle. Sie differenzieren sich zweitens im basalen Modell, in ein dynamisches System von Wechselwirkungen gegenüber Rückkoppelungsmechanismen Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 308ff, der in Abgrenzung zum Konzept der Systemtechnik von „neuerer“ Systemtheorie spricht. Vgl. Händle, F./Jensen, S. (1974), S. 9ff zur Systematisierung von Systemtheorie und Systemtechnik sowie Ropohl, G. (1974), S. 191ff. Vgl. Fuchs, H. (1976), Sp. 3822. Vgl. Bertalanffy, L. von (1956), S. 36ff; Bertalanffy, L. von (1962), S. 11ff; Boulding, K.E. (1956), S. 197ff; Luhmann, N. (2002), S. 15ff; Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 308ff; Midgley, G. (Hrsg.) (2003), S. XXII. „The physicist, the biologist, the psychologist and the social scientist are, so to speak, encapsulated in a private universe, and it is difficult to get word from one cocoon to the other.“ Bertalanffy, L. von (1956), S. 1. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 333, 413; Luhmann, N. (2002), S. 22ff, 35ff, 242ff; Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 309. Vgl. Weinberg, G.M./Weinberg, D. (1979), S. 313f. Der methodische Rahmen des Konstruktivismus findet vor dem Hintergrund der allgemeinen Systemtheorie und der Herangehensweise an Komplexität erneute Bestätigung. In Bezug auf Systeme heißt das, dass identische (!) Systeme unterschiedliche Komplexität aufweisen können. Dies sagt jedoch wenig über das System aus, sondern etwas über den Beobachter und seine gemachten Erfahrungen (vgl. I-1.6). Vgl. Buckley, W. (1972), S. 188ff.

68

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

„Black-Box-Gedankens“423 bzw. des mechanistisch verstandenen Input-Output-Modells, sondern auch die weitere Ausgestaltung und Integration des Autopoiesegedankens (vgl. III-1.13), der veränderten Rolle und Funktion des Beobachters (vgl. II-1.6) sowie der Untersuchung zusammenwirkender Elemente mit emergenten Eigenschaften können als grundlegend eingestuft werden. Die Aussagen verbleiben jedoch auf konzeptionellem Niveau ohne konkrete Anwendungs- bzw. Implementierungsvorschläge.424

2.5.3

Spieltheorie

Die Spieltheorie befasst sich u. a. mit Verhandlungs- und Konfliktsituationen in den Sozialwissenschaften und beschreibt diese mithilfe mathematischer Modelle.425 Ausgangsannahme früher spieltheoretischer Ansätze ist ein rationales Verhalten der Konfliktteilnehmer, so dass Aussagen über das zu erwartende Spielergebnis ausschließlich unter Gleichgewichtsvoraussetzungen bzw. -annahmen abgeleitet werden können.426 Neuere Ansätze zielen darauf ab, Empfehlungen für „optimales“ Spielverhalten (individuell-subjektiv) auszusprechen,427 da sich herausstellte, dass rationales Verhalten nicht dauerhaft unterstellt werden kann und daher Entscheidungssituationen nicht ausschließlich mit traditionellen mathematischen Methoden zu lösen sind.428

In einer Begriffsannäherung bezieht sich AXELROD primär auf die Vielzahl der Elemente und Beziehungen. „Complexity theory [Wissenschaft von Komplexität429; Anmerkung des Verfassers] involves the study of many actors and their interactions. The actors may be atoms, fish, people, organizations, or nations. Their interactions may consist of attractions, combat, mating, communication, trade, partnership, or rivalry.”430

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426 427

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429 430

Der „Black-Box-Gedanke“ kennzeichnet sich durch die Beobachtung eines Objekts in Bezug auf Input- und Outputgrößen, ohne interne Prozesse zu betrachten. Vgl. Fuchs, H. (1976), Sp. 3821. Zur Kritik an der konzeptionellen und wenig operationalisierbaren Ausrichtung vgl. Grochla, E. (1978); Lehmann, H. (1992), Sp. 1838ff; Kieser, A. (1994), S. 215ff, 225. Wesentliche Vertreter sind Selten, R. (1999a), S. 3ff; Neuman, J. von/Morgenstern, O. (2004), S. 85ff, 238ff; Rapoport, A. (1968a), S. 474ff; Rapoport, A. (1968b), S. XIIIff; Rapoport, A. (1974), S. 17ff; Schelling, T.C. (1984), S. 213ff; Schelling, T.C. (1971), S. 143ff; Schelling, T.C. (1959), S. 213ff; Maynard Smith, J. (2004), S. 20ff, 175f; Smith, V.L. (2003), S. 465ff. Vgl. Bester, H. (2004), Sp. 1342ff. Vgl. Crasselt, N./Gassen, J. (2005), S. 119ff; Sieg, G. (2005); Maynard Smith, J. (2004); Ockenfels, A./Selten, R. (1999), S. 1ff. Vgl. ausführlich zur Spieltheorie Schödiauer, G. (1976) Sp. 3617ff. sowie zur Verbindung von Spieltheorie und Betriebswirtschaftslehre Beuermann, G. (1993), Sp. 3929. Zahlreiche ökonomische Problemstellungen haben den Charakter von einander widersprechenden Optimierungsproblemen, die nicht als einfache Maximalwert-/ Extremwertaufgaben gelöst werden können. Vgl. Klaus, G./Liebscher, H. (Hrsg.) (1976), S. 742; Axelrod, R. (1997b), S. 3; Beuermann, G. (1993), Sp. 3936f. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b). Axelrod, R. (1997b), S. 3.

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

69

Im Laufe ihrer Entwicklung hat sich die Spieltheorie von der Annahme ausschließlich rationalen Verhaltens der Systemelemente und der einer analytisch herstellbaren Abbildung des Systems getrennt. Hierdurch und durch die Übertragung auf völlig unterschiedliche Arten von Elementen (vgl. auch die sachliche Komplexität aus soziologischer Perspektive) erhielt sie eine disziplinübergreifende Ausrichtung, die richtungsweisend für den Entwurf einer Wissenschaft von Komplexität ist.431 Jedoch ist eine begriffliche Präzisierung von Komplexität in der Spieltheorie nur unzureichend erfolgt, was u. a. auf ihren frühen Entstehungszeitpunkt zurückzuführen ist.432

2.5.4

Chaostheorie

Die Chaostheorie stellt eine allgemeine Theorie der Entstehung, Entwicklung und des Zerfalls komplexer Ordnungen dar, mit der sich diverse Wissenschaftler der Formal-, Natur- und Sozialwissenschaften beschäftigten.433 „Chaos theory provides an explanation of the behavior of a system that can be modeled by deterministic nonlinear equations in which the output of one calculation is taken as the input of the next. In other words, the equations are used recursively, or iteratively, in exactly the same way as they are used in the system dynamics strand of systems thinking.”434 Chaos steht in diesem Theoriegebilde für einen Zustand von Unordnung, Arrhythmie und Zufälligkeit.435

In der Chaostheorie wird zwischen deterministischem (niedrigdimensionalen) und starkem (hochdimensionalen) Chaos unterschieden.436 Während ersteres chaotische Bewegungen zulässt (jedoch ist das Systemverhalten geordnet und die Zeitabhängigkeit deterministisch), liegen im starken Chaos ausschließlich Zufallsprozesse vor, in denen eine Vorhersage des Systemverhaltens – vereinfacht gesprochen – unmöglich ist, da sie über keinerlei Anziehungspunkte (sog. Attraktoren bzw. graphische Darstellungen in einem Phasenraum, an die sich ein dynamisches System im Laufe der Zeit annähert) verfügen.437 Mit der Chaostheorie konnte nachgewiesen werden,

431

432

433

434 435 436 437

Vgl. Bester, H. (2004), Sp. 1343; Ockenfels, A./Selten, R. (1999), S. 1ff. Evolutionäre und experimentelle Ausprägungen der Spieltheorie entwickeln zunehmende Bedeutung für die Entstehung einer Wissenschaft von Komplexität, da neben der Betrachtung von ökonomischen Fragestellungen auch „beschränkt rationale“ Verhaltensweisen der Spielteilnehmer – wie in komplexen Systemen – berücksichtigt werden. Als Zeitpunkt der Entstehung der Spieltheorie gilt die Veröffentlichung von Neuman, J. von/Morgenstern, O. (2004), Erstauflage 1944. Vgl. u. a. Bleicher, K. (2004), S. 34; Levy, D. (1994), S. 167ff; Tomenendal, M. (2002), S. 83ff; Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 85ff; Stacey, R.D. (1997), S. 28ff; Priesmeyer, R.H. (1992); Marion, R. (1999); Turnheim, G. (1995); Eve, R./Horsfall, S./Lee, M.E. (Hrsg.) (1997); Lorenz, E.N. (2001), S. 167; Bricmont, J./Sokal, A. (1998), S. 167; Peak, D./Frame, M. (1995), S. 19. Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 86. Vgl. Schuster, H.G. (1984), S. 1; Lorenz, E.N. (2001); Argyris, J.H./Faust, G./Haase, M. (1995). Vgl. Schuster, H.G. (1984), S. 1ff. Vgl. Lorenz, E.N. (2001), S. 21f.

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Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

dass sich deterministisches Chaos bereits in einfachen dynamischen Systemen mit nur wenigen nichtlinear verbundenen Elementen ausbilden kann.438 Einschränkend ist festzustellen, dass die Chaostheorie und die Theorie dissipativer Strukturen439 ausschließlich Makro-Ebenen der Betrachtungsgegenstände untersuchen, also ganze monolithische Systeme bzw. Populationen. An dieser Stelle unterscheidet sich die Chaostheorie von komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen, in denen nicht ein monolithisches Gesamtsystem, sondern das einzelne Element und seine Interaktionen den Ansatzpunkt (Mehrebenenperspektive) bilden.440

Die zentrale Bedeutung der Chaostheorie für die Wissenschaft von Komplexität besteht in der Entdeckung von Ordnungsstrukturen in dynamischen chaotischen Prozessen, wie beispielsweise den so genannten „seltsamen Attraktoren“.441 Der in der Chaostheorie eingeführte Begriff des deterministischen Chaos dient der Beschreibung eines Ordnungszustands, der zwar chaotisch aber dennoch aus stabilen und periodisch wiederkehrenden Ordnungen besteht und erstmals in der Chaostheorie betrachtet worden ist. Damit unterstützt er eine Basisprämisse der Komplexitätswissenschaft.442

2.5.5

Künstliches Leben und Künstliche Intelligenz

Die Entstehung der Wissenschaftsfelder Künstliches Leben und Künstliche Intelligenz, die im angloamerikanischen Sprachraum als artificial life („alife“) bzw. artificial intelligence bezeichnet werden, ist eng mit der wachsenden Leistungsfähigkeit und Verfügbarkeit der Computertechnologie verbunden.443 Obwohl Künstliche Intelligenz und Künstliches Leben auch als Son438 439

440

441

442 443

Vgl. Ebeling, W./Freund, J./Schweitzer, F. (1998), S. 20f. Diese wird bei Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 85ff differenziert und beschrieben. Der Begriff dissipative Struktur wurde von PRIGOGINE geprägt. Solche Strukturen beschreiben ein offenes System, das sich nicht im Gleichgewicht befindet. Ein dissipatives System zeichnet sich durch spontanes Auftreten von komplexen, z. T. chaotischen Strukturen aus. Vgl. Prigogine, I. (1996), S. 89ff. KAPPELHOFF führt hierzu besonders die idealisierte Annahme von unendlich langen Zeitreihen und fehlerfreien Messungen an. Vgl. Kappelhof, P. (2003b), Paragraph 2.1. Attraktoren stellen einfache geometrische Objekte wie z. B. Fixpunkte (das System nach einem bestimmten Zustand und verharrt dort) oder Grenzzyklen (hier passiert das System eine wiederkehrende Abfolge von Zuständen) dar. Seltsame Attraktoren sind Attraktoren mit einer nicht ganzzahligen Dimension, die sich aufgrund seines fraktalen Charakters durch die Geometrie nicht beschreiben lässt (vgl. Mandelbrot, B.B. (1991)). LORENZ hat diesen Zustand an einem Attraktor illustriert, der eine Dimension von 2,05 hat; d. h. der Attraktor umfasst einen Raum, der mehr als zweidimensional, aber doch nicht dreidimensional ist. Vgl. Lorenz, E.N. (2001), S. 48ff. Seltsame Attraktoren können Systeme beschreiben, die chaotisches Verhalten zeigen. In chaotischen Systemen können geringe Unterschiede am Anfang zu nachhaltigen Änderungen von Endzuständen führen (divergentes Verhalten). Geordnete Systeme tendieren hingegen bei zwei vergleichbaren Anfangszuständen zu analogen Endzuständen (lineares Verhalten). Diese Eigenschaft gilt auch für die Attraktoren. Zu nennen sind u. a. emergente Ordnungsbildung und Nichtlinearität in III-1. Vgl. Steels, L. (2000), S. 76f; Levy, S. (1993); Mainzer, K. (1997, 2003, 2004); Ray, T.S. (1992); Kauffman, S.A. (1993) Holland, J.H. (1998).

Teil II-2: Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und ihr terminologisches Verhältnis zur Komplexität

71

der(-anwendungs-)gebiete der Formalwissenschaften begriffen werden könnten, werden sie den disziplinübergreifenden Wissenschaften zugeordnet und in der vorliegenden Arbeit stellvertretend für das Fachgebiet der Informatik betrachtet. Ferner bilden sie einen Aggregationspunkt für Wissenschaftler aus weiteren Disziplinen, wie u. a. Soziologie, Biologie und Philosophie.

Trotz signifikanter Unterschiede weisen Künstliches Leben und Künstliche Intelligenz partiell Überschneidungsbereiche auf und werden daher zusammengefasst betrachtet.444 Künstliches Leben befasst sich mit der rechnergestützten Simulation445 von Lebensprinzipien, die die Eigenschaften und Verhaltensweisen von Lebewesen nachbildet und künstlich analoge (Lebens-)Systeme erzeugt. Damit ist der Entwurf eines – auf natürlichen Prozessen basierenden – neuen computergestützten Paradigmas verbunden, das dem lebenden Organismus ähnlich ist.446

Das Denkmuster des Künstlichen Lebens basiert auf der Betrachtung einer höheren Komplexität (Makroebene), die sich aus prinzipiell einfach strukturierten, stabilen und interagierenden Elementen (auf Mikroebene) bildet,447 so dass die Beschreibung, Erklärung und Prognose von komplexen Systemen sowohl Zustands- als auch Prozessangaben erfordert.448 Damit unterscheidet sich Künstliches Leben signifikant von der Perspektive der Künstlichen Intelligenz, die ausschließlich die Makroebene betrachtet.449

Neben zunehmender Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz und Künstlichem Leben ist der systematische und disziplinübergreifende Einsatz der Computertechnologie als Beitrag für die Entstehung einer Komplexitätswissenschaft zu betonen, da ihr modelltheoretischer Kern auf eine erst durch Künstliche Intelligenz und Künstliches Leben ermöglichte, computergestützte Modell-

444 445

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447 448 449

Vgl. Stacey, R.D. (2003a), S. 244; Langton, C.G. (Hrsg.) (2000). Eine der bekanntesten Simulationen ist das Game of Life von CONWAY. Dieses betrachtet einfache „Zellen“, die in einer diskreten zwei-dimensionalen Umwelt (Felder) entstehen, überleben und absterben können. Das Zellleben ist in Zyklen aufgeteilt. Grundsätzlich haben folgende Gesetze Gültigkeit: 1. Entstehung: Die zweidimensionale Umwelt enthält im Ursprungszustand keine „Zellen“; erst im Anschluss wird durch das Programm die Umwelt (mit Zellen) „bevölkert“. 2. Absterben: Verfügt eine Zelle über weniger als zwei bzw. mehr als drei mit Zellen besetzte angrenzende Felder, so stirbt sie ab. 3. Deszendent: Grenzen an ein leeres Feld (in der Umwelt) genau drei Zellen, so entwickelt sich im folgenden Zyklus auf diesem Feld eine neue Zelle. Das Überleben einer Zelle ist sichergestellt, wenn sie von zwei oder drei Zellen eingefasst ist. Dann besteht sie im folgenden Zyklus fort. Vgl. Conway, J.H. (1983). Vgl. u. a. Langton, C.G. (1996), S. 50 ; Boden, M.A, (Hrsg.) (1996). Der Computer (vgl. IV-2.2) stellt sich – ähnlich wie für den Verhaltenswissenschaftler das Gehirn – als „Black Box“ dar. Im Sinne der Metapher des Computers wird das Gehirn als Computer und die (mentalen) Prozesse als Programme aufgefasst. Die Annahme, dass das Gehirn wie ein Computer zu behandeln ist, wirft die Frage auf, ob der Computer als intelligent bezeichnet werden kann. Dies wird durch den Turing Test unterstrichen, gleichzeitig von dem Philosophen John Searle (Chinese Room Parabel) aber kritisiert. Der Computer kann arithmetische und logische Operationen vornehmen und stellt sich damit als angemessenes Modell zur Informationsverarbeitung dar. Vgl. Turing, A.M. (2001). Vgl. Bonabeau, E.W./Theraulaz, G. (2000), S. 303. Vgl. Simon, H.A. (1996a), S. 195ff. Vgl. Stacey, R.D. (2003a) S. 245f.

72

Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

bildung und Simulation von sozialem Systemverhalten zurückgreifen kann.450 Darüber hinaus entsprechen der Wissenschaft von Komplexität einerseits die Annahmen eines Mehrebenenmodells (Künstliches Leben) und andererseits die Bottom-up-Perspektive (Künstliche Intelligenz).

Das Streben nach Gleichgewichtszuständen (analog zur Kybernetik) sowie der normative Anspruch, identische künstliche Modelle aufstellen zu wollen (vor allem Künstliche Intelligenz), stehen jedoch im Widerspruch zu den Basisprämissen einer Wissenschaft von Komplexität, so dass der Beitrag dieser Wissenschaftsfelder zur Entstehung einer Komplexitätswissenschaft zwar als signifikant aber dennoch als begrenzt eingestuft werden muss.451

3

Paradoxien bei Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

Die Betrachtung der unterschiedlichen disziplinären Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und des Terminus Komplexität deckt zwei wesentliche Paradoxien auf: Das Informationsund das Begriffsparadoxon. Darüber hinaus besteht eine Problematik in der Handhabung von Komplexität bzw. dem „richtigen Maß“ an Komplexität in Organisationen.

Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, spielen bei der Begriffsannäherung sowohl objektive als auch subjektive Perspektiven eine Rolle, woraus sich folgendes Informationsparadoxon ableitet:452

Der technomorph-mechanistischen Perspektive (vgl. I-1.2) entsprechend ist die Ursache für die Komplexität eines Systems in dem Mangel an „vollständiger“ Information zu sehen.453 Um „vollständige“ Information bereitstellen und Systeme „beherrschen“ zu können, wird eine kontinuierliche Informationssammlung und -verarbeitung durch die Systemelemente gefordert.

Im Gegensatz dazu vertreten u. a. DÖRNER und MALIK eine subjektive Perspektive und verweisen auf die begrenzte menschliche Informationsverarbeitungs- und -aufnahmefähigkeit.454 Danach wird der Forderung nach vollständiger Information als Voraussetzung zur System-

450

451 452

453 454

Die Akzeptanz lässt sich an einer zunehmenden Zahl von Beiträgen u. a. in Zeitschriften wie Science oder Nature ablesen. Vgl. u. a. Arthur, B.W. (1999b); Oreskes, N./Shrader-Frechette, K./Belitz, K. (1994); Gould, S.J./Eldredge, N. (1993); Bertalanffy, L. von (1950). Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 59ff. Vgl. Kirsch, W. (1988), S. 209, 216f; Schwub-Gwinner, G. (1993), S. 227ff. Die objektiven Kriterien sind von der objektiven Bestimmbarkeit von Komplexität zu trennen. Vgl. Malik, F. (2002a), S. 38; Kirchhof, R. (2003), S. 50. Vgl. Dörner, D. (1989); Malik, F. (2002a). Z. B. verdeutlicht am BREMERMAN’schen Limit.

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Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

bildung und Simulation von sozialem Systemverhalten zurückgreifen kann.450 Darüber hinaus entsprechen der Wissenschaft von Komplexität einerseits die Annahmen eines Mehrebenenmodells (Künstliches Leben) und andererseits die Bottom-up-Perspektive (Künstliche Intelligenz).

Das Streben nach Gleichgewichtszuständen (analog zur Kybernetik) sowie der normative Anspruch, identische künstliche Modelle aufstellen zu wollen (vor allem Künstliche Intelligenz), stehen jedoch im Widerspruch zu den Basisprämissen einer Wissenschaft von Komplexität, so dass der Beitrag dieser Wissenschaftsfelder zur Entstehung einer Komplexitätswissenschaft zwar als signifikant aber dennoch als begrenzt eingestuft werden muss.451

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Paradoxien bei Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

Die Betrachtung der unterschiedlichen disziplinären Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität und des Terminus Komplexität deckt zwei wesentliche Paradoxien auf: Das Informationsund das Begriffsparadoxon. Darüber hinaus besteht eine Problematik in der Handhabung von Komplexität bzw. dem „richtigen Maß“ an Komplexität in Organisationen.

Wie in den vorangegangenen Kapiteln deutlich wurde, spielen bei der Begriffsannäherung sowohl objektive als auch subjektive Perspektiven eine Rolle, woraus sich folgendes Informationsparadoxon ableitet:452

Der technomorph-mechanistischen Perspektive (vgl. I-1.2) entsprechend ist die Ursache für die Komplexität eines Systems in dem Mangel an „vollständiger“ Information zu sehen.453 Um „vollständige“ Information bereitstellen und Systeme „beherrschen“ zu können, wird eine kontinuierliche Informationssammlung und -verarbeitung durch die Systemelemente gefordert.

Im Gegensatz dazu vertreten u. a. DÖRNER und MALIK eine subjektive Perspektive und verweisen auf die begrenzte menschliche Informationsverarbeitungs- und -aufnahmefähigkeit.454 Danach wird der Forderung nach vollständiger Information als Voraussetzung zur System-

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Die Akzeptanz lässt sich an einer zunehmenden Zahl von Beiträgen u. a. in Zeitschriften wie Science oder Nature ablesen. Vgl. u. a. Arthur, B.W. (1999b); Oreskes, N./Shrader-Frechette, K./Belitz, K. (1994); Gould, S.J./Eldredge, N. (1993); Bertalanffy, L. von (1950). Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 59ff. Vgl. Kirsch, W. (1988), S. 209, 216f; Schwub-Gwinner, G. (1993), S. 227ff. Die objektiven Kriterien sind von der objektiven Bestimmbarkeit von Komplexität zu trennen. Vgl. Malik, F. (2002a), S. 38; Kirchhof, R. (2003), S. 50. Vgl. Dörner, D. (1989); Malik, F. (2002a). Z. B. verdeutlicht am BREMERMAN’schen Limit.

Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

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beherrschung widersprochen, da nicht sämtliche zur Verfügung stehenden Informationen verarbeitet werden können. Zur Erklärung, Beschreibung und Prognose von Systemverhalten ist der Einsatz weiterer Mechanismen (wie z. B. Selektion) erforderlich. Bisher liegt in der Wissenschaft kein schlüssiges Konzept vor, welches eine Koordination bzw. einen Ausgleich der Positionen ermöglicht und damit zur Aufhebung des Informationsparadoxons beiträgt.

Die Begriffsannäherungen an Komplexität und damit die Erfassung des Begriffs als Einheit in einem Kontext widerspricht den inhärenten Eigenschaft des Komplexitätsbegriffs, bei dem die Betonung auf einer Vielzahl von Kontexten liegt.455 Dies symbolisiert das Begriffsparadoxon, das als „klassisches Problem der Einheit des Mannigfaltigen“456 bezeichnet wird. Erst mit einem „schwachen“ Einheitsbegriff, der sich nicht auf die Synthese der Einzelelemente zu einem Ganzen, sondern auf die Anschlussfähigkeit der einzelnen Elemente an das System bezieht, kann dieses Paradoxon, z. B. mithilfe einer Begriffsexplikation (vgl. III-1), überwunden werden.457 Dies ist jedoch in umfassender Form bisher in der Wissenschaft noch nicht erfolgt.

Problematisch ist ferner die Frage nach dem „richtigen Maß“ an Komplexität, also einer „komplexitätsoptimalen“ Systemgestaltung. Hier muss zwischen der Forderung von LUHMANN nach der Etablierung eines „Komplexitätsgefälles“458 zur Differenzierung zwischen System (Organisation) und Umwelt und ASHBYs Gebot der requisite variety unterschieden werden.459

Mit dem Gefälle ist eine der Umweltkomplexität unterlegene Systemkomplexität verbunden. Zu deren Handhabung schlägt LUHMANN Selektionsmuster für das System vor. „Der Komplexitätsverlust muss dann durch besser organisierte Selektivität [...] aufgefangen werden.“460 Die Komplexität des Systems entsteht dabei nicht potentiell – wie bei ASHBY – sondern situativ (selektiv). Die Zielgröße der Systemgestaltung ist nach LUHMANN die maximale Unbestimmtheit bezogen auf situative Umweltentsprechungen. Je unbestimmter ein System ist, desto mehr Freiheitsgrade liegen für die Selektion vor und desto besser sind die Selektionsmuster. Ergo können

455 456 457

458

459 460

Vgl. u. a. Schwub-Gwinner, G. (1993), S. 237f. Vgl. Luhmann, N. (1991b), S. 204. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 97, Fußnote 9. Die Anschlussfähigkeit mit Einheit zu verbinden, setzt Rückkopplung voraus. Damit steht LUHMANN in der Tradition der Vertreter der Postmoderne und der Systemtheoretiker, die die reduktionistische Sichtweise, die eine Einheit aus der Synthese der Vielheit ableitet, überwinden. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 249ff. Für LUHMANN sorgt das „Komplexitätsgefälle“ für die notwendige unterschiedliche Behandlung und „Reduktion“ (nicht technomorpher, sondern systemische Sinn) von System- und Umweltkomplexität. Vgl. Ashby, W.R. (1958b), S. 83ff. Luhmann, N. (2002), S. 49. An dieser Stelle wird erneut der Grund für eine epistemologische Betrachtungsweise (vgl. II-2.1) deutlich. Die notwendig gewordene komplizierte Diskussion des Reduktionsproblems rührt ursächlich in der Aufgabe des ontologisch geprägten Begriffs Element als einfachste und nicht zerlegbare Seinseinheit.

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Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

nach LUHMANN unbestimmte Systeme den durch verminderte (strukturelle) Selektivität verursachten Informationsverlust innerhalb des Komplexitätsgefälles „intelligenter“ kompensieren als bestimmte Systeme.461

Im Unterschied zum Komplexitätsgefälle LUHMANNs fordert ASHBYs Prämisse der requisite variety462 die Vermeidung eines Komplexitätsgefälles und unterstellt, dass ein System mit einer gegebenen Komplexität nur mit einem ebenso komplexen System kontrolliert werden kann. Ergo fordert ASHBY eine Übereinstimmung zwischen Umwelt- und Systemkomplexität. Im Kontext von Organisationen ist eine Kontrolle der Umwelt nur durch die Fähigkeit des Systems erreichbar, allen potentiellen (strukturellen) Umweltzuständen entsprechen zu können.463 Die Leitung der Organisation (das Management) muss der Umweltkomplexität entsprechen, d. h., dass die Komplexität solange erhöht werden muss, bis die Organisationsleitung auf jede Veränderung mit einer adäquaten Lösung reagieren kann.464 BLISS sieht in der Anpassung an die Umweltkomplexität einen Fall, der in den Bereich der statischen Komplexität fällt. „Je mehr Komplexität ein System demnach statisch in seinen eigenen Elementen und Relationen abbildet, desto mehr potentielle Systemkonfigurationen seiner Systemumwelt hält es virtuell vor und desto erfolgreicher wird es in seiner Zielerreichung sein.“465 Damit bildet die (strukturelle) Systemkomplexität den potentiellen „fit“ (Variationsfähigkeit) eines Systems gegenüber der relevanten Umwelt ab.

Diese sich widersprechenden Positionen LUHMANNs und ASHBYs können zusammengeführt werden, indem sich an der von HEYLIGHEN genannten Integration von struktureller und funktionaler Komplexität orientiert wird. Nach dieser teilt sich die Systemkomplexität einerseits in strukturelle Komplexität, die das Resultat potentieller Variationsfähigkeit abbildet (vgl. ASHBY) und andererseits in funktionale Komplexität als Ergebnis situativer Variationsfähigkeit (vgl. LUHMANN).466 HEYLIGHEN verdeutlicht, dass eine umfassende Komplexitätsbeurteilung bzw. -beherrschung strukturelle und funktionale Komplexität bedingt und daher beide berücksichtigt werden müssen. „The two mechanisms of structural and functional complexification are

461

462

463 464 465 466

Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 50f. Vgl. a. a. O. die Unterscheidung von bestimmter und unbestimmter Komplexität. Unbestimmte Komplexität beschreibt den Zustand eines Systems, wenn noch nicht fest steht, welche Elemente und Rückkopplungen in der Alternativenarena selektiert werden. Durch die Selektion und Relationierung entsteht bestimmte Komplexität. Vgl. Bliss, C. (2000), S. 155. Das Gesetz der „requisite variety“ wurde von ASHBY erstmals 1956 im Rahmen der Prozessregulation in der Biologie erwähnt. Vgl. Ashby, W.R. (1954). Vgl. Bosetzky, H. (1976), Sp. 279ff. Vgl. Ansätze zum Computer Integrated Manufacturing und Komplexitätsmanagementansätzen. Vgl. Bliss, C. (2000), S. 143f. Vgl. Heylighen, F. (1999), S. 27f; Bliss, C. (2000), S. 157ff.

Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität 467

moreover likely to reinforce each other.”

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HEYLIGHEN liefert damit eine Lösungsmöglich-

keit, die den (scheinbaren) Widerspruch zwischen LUHMANN und ASHBY aufhebt.

Bei genauer Betrachtung der unterschiedlichen Positionen von ASHBY und LUHMANN wird die Problematik ausschließlich einer Perspektive und damit die Notwendigkeit der Verbindung beider Positionen deutlich: Die Schwierigkeit bei LUHMANN besteht darin, dass durch die (Über-)Betonung von funktionaler Komplexität, also situativer Variationsfähigkeit (Erhöhung der Unbestimmtheit) und damit verbundener intensivierter Selektionsprozesse, wiederum (ausgelöst durch die Selektion) die strukturelle Komplexität derart reduziert wird, dass schließlich – analog zum mechanistischen Paradigma – nur noch komplizierte und deterministische Gefüge betrachtet werden können. Langfristig ist damit die Überlebenssicherung des Unternehmens bedroht, da auf Umweltveränderungen nicht oder nur mit mechanistischen Paradigmen reagiert wird.468 LUHMANN entgeht, dass (im Extremfall) seine Perspektive zu komplexitätsreduzierendem Vorgehen führt, welches eine Folge der Erhöhung funktionaler Komplexität ist.

Andererseits besteht unter ausschließlicher Zugrundelegung von ASHBYs Vorstellung die Problematik darin, dass die Fokussierung auf strukturelle Komplexität – also (System-)Komplexitätsentsprechung – dazu führt, dass sie ein Ausmaß erreicht, das nicht mehr handhabbar ist. ASHBY übersieht, dass der (System-)Komplexitätssteigerung „Grenzen“ der Kontrollier- und Handhabbarkeit gesetzt sind. Dies mündet jedoch automatisch in eine nicht mehr beherrschbare Steuerungskomplexität, also in ein „stuck in complexity“.469 Mit „vollständiger“ Komplexitätsentsprechung des Systems steuert und regelt sich das System nicht mehr selbst, sondern wird durch die Umwelt kontrolliert. Um dieser sinkenden Kontrolle entgegen wirken zu können, „muss“ die funktionale Komplexität, also die situative Variationsfähigkeit (im Sinne LUHMANNs), gesteigert werden. Ergo sind funktionale und strukturale Komplexität nicht sich ausschließende Komplexitätsarten, sondern bedingen einander. Abbildung II-7 illustriert diese Problematik.

Nach ASHBY: Schritt 1: Steigt die Umweltkomplexität (z. B. Auftreten eines neuen Mitbewerbers), fordert er die Erhöhung der strukturellen Komplexität (als Reaktion z. B. Einstellung eines neuen Mitarbeiters, der den Mitbewerber beobachtet). Schritt 2: Die Erhöhung der strukturellen Komplexität führt zu einer Erhöhung der Systemkomplexität, der konzeptionell keine Grenzen gesetzt

467 468 469

Heylighen, F. (1999), S. 42. Vgl. Kirchhof, R. (2003), S. 61. Vgl. Bliss, C. (2000), S. 16ff, 35ff.

76

Teil II-3: Paradoxien bei der Begriffsannäherung sowie Handhabung von Komplexität

sind. Damit ist ein Verlust an Komplexitätskontrolle verbunden. Ergo besteht die Gefahr des Niedergangs der Organisation. Die Folge der Erhöhung der strukturellen Komplexität ist eine herabgesetzte Kontrolle (das Management muss nun einen zusätzlichen Mitarbeiter zu Aktivitäten der Mitbewerber befragen), die ASHBY ursprünglich konstant halten wollte.

2

Komplexitätskontrolle

Chaos “stuck in complexity“

Strukturelle Komplexität

1

2

Nach ASHBY

Systemkomplexität

Nach LUHMANN

Systemkomplexität

Umweltkomplexität

Widerspruch 2

1

Legende

steigt

Funktionale Komplexität 2

Selektionsdruck

fällt

Mechanistisches Paradigma

Abbildung II-7: Paradoxie der Denkmodelle von LUHMANN und ASHBY

Nach LUHMANN: Schritt 1: Steigt die Umweltkomplexität (z. B. Auftreten eines neuen Mitbewerbers) fordert er die Erhöhung der funktionalen Komplexität, d. h. der situativen Variationsfähigkeit (als Reaktion z. B. Ausstattung der einzelnen Mitarbeiter mit mehr Entscheidungs- und Prioritätenkompetenz in Bezug auf das Beobachten möglicher Mitbewerber). Schritt 2: Die stetige Erhöhung der funktionalen Komplexität führt zu einem kontinuierlichen Anstieg des Selektionsdrucks, in dessen Folge sich die Systemkomplexität reduziert. Der stetig steigende Selektionsdruck kann in der Konsequenz zu stark simplifizierenden Entscheidungsmustern bei den beteiligten Mitarbeitern führen, welches in einem mechanistischen Paradigma mündet, das LUHMANN jedoch stets ablehnt.

Dass sich nach HEYLIGHEN bei Anstieg der Umweltkomplexität, mit der neue Selektionsmuster generiert werden, funktionale und strukturelle Komplexität verändern müssen, die der Umweltsituation entsprechen, wird anhand von Abbildung II-8 deutlich.

Wächst die Umweltkomplexität, so erfordert dies zunächst gemäß ASHBY die Anhebung der strukturellen Komplexität, welches bei einer konstanten Fähigkeit zur Komplexitätskontrolle (bzw. Unbestimmtheit) zu erhöhtem Selektionsaufwand (gem. LUHMANN) führt. Bei gleich bleibender funktionaler Komplexität ist eine rückläufige Komplexitätskontrolle die Folge, die jedoch ursprünglich konstant gehalten werden sollte. Diese Problematik kann nur durch die Erhöhung von funktionaler Komplexität behoben werden, was jedoch zur einer nicht beherrschbaren Steuerungskomplexität führt, wenn nicht der gestiegene Selektionsdruck mithilfe verbesser-

Teil II-4: Arbeitsdefinition von Komplexität

77 470

ter Strukturierung der Selektion durch die Organisation kompensiert wird.

Ergo ist bei steigen-

der Umweltkomplexität sowohl die strukturelle als auch die funktionale Komplexität zu erhöhen. Fähigkeit zur Komplexitätskontrolle

erforderliche funktionale Komplexität

90

Fähigkeit zur Umweltentsprechung = Erforderliche strukturelle Komplexität

Abbildung II-8: Paradoxie im Rahmen der Handhabung von Komplexität471

4

Arbeitsdefinition von Komplexität

Die Analyse der disziplinären Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität bzw. des Begriffs macht deutlich, dass weder eine einheitliche, noch eine präzise und weithin akzeptierte Vorstellung in der Literatur vorliegt,472 was GELL-MANN wie folgt begründet und zusammenfasst: „A scientist would rather use someone else’s toothbrush than another scientist’s nomenclature.“473 Darüber hinaus ist dies nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Terminus Komplexität und die mit dem Begriff in enger Verbindung stehenden Konstrukte, wie z. B. System, Komplexitätswissenschaft oder Komplexitätsmanagement474, stets abhängig vom Betrachter sind (vgl. II-1.6) und unterschiedliche Bedeutungsinhalte haben. Gerade praxisorientierte Beiträge sind durch unzureichende definitorische Anstrengungen gekennzeichnet, die eine Begriffspräzisierung und damit das Erkennen von Begriffsunterschieden erschweren, welche letztendlich den wissenschaftlichen Fortschritt komplizieren.475

470 471 472

473 474

475

Vgl. Kirchhof, R. (2003), S. 62. Vgl. Bliss, C. (2000), S. 162. Der Physiker und Mitarbeiter des Santa Fe Instituts LLOYD hat bereits Anfang der 1990er Jahre eine Liste mit mindestens 31 unterschiedlichen Begriffsdefinitionen vorgelegt. Vgl. Horgan, J. (1995), S. 106. Gell-Mann, M. (1995), S. 18. Vgl. analog Bronner, R. (1992), Sp. 1121ff. Die praxisorientierte Literatur zur Komplexitätswissenschaft ist durch Beiträge gekennzeichnet, die grundsätzlich Komplexitätsreduktion beabsichtigen. Diese Auffassung wird unter dem Begriff Komplexitätsmanagement summiert. Da Komplexitätsreduktion in der vorliegenden Arbeit nicht angestrebt wird, findet der Begriff Komplexitätsmanagement keine weitere Verwendung. Vgl. Teil I-1.2. Vgl. Opp, K.-D. (1995), S. 130ff.; Raffeé, H. (1995), S. 26ff.

Teil II-4: Arbeitsdefinition von Komplexität

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ter Strukturierung der Selektion durch die Organisation kompensiert wird.

Ergo ist bei steigen-

der Umweltkomplexität sowohl die strukturelle als auch die funktionale Komplexität zu erhöhen. Fähigkeit zur Komplexitätskontrolle

erforderliche funktionale Komplexität

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Fähigkeit zur Umweltentsprechung = Erforderliche strukturelle Komplexität

Abbildung II-8: Paradoxie im Rahmen der Handhabung von Komplexität471

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Arbeitsdefinition von Komplexität

Die Analyse der disziplinären Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität bzw. des Begriffs macht deutlich, dass weder eine einheitliche, noch eine präzise und weithin akzeptierte Vorstellung in der Literatur vorliegt,472 was GELL-MANN wie folgt begründet und zusammenfasst: „A scientist would rather use someone else’s toothbrush than another scientist’s nomenclature.“473 Darüber hinaus ist dies nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass der Terminus Komplexität und die mit dem Begriff in enger Verbindung stehenden Konstrukte, wie z. B. System, Komplexitätswissenschaft oder Komplexitätsmanagement474, stets abhängig vom Betrachter sind (vgl. II-1.6) und unterschiedliche Bedeutungsinhalte haben. Gerade praxisorientierte Beiträge sind durch unzureichende definitorische Anstrengungen gekennzeichnet, die eine Begriffspräzisierung und damit das Erkennen von Begriffsunterschieden erschweren, welche letztendlich den wissenschaftlichen Fortschritt komplizieren.475

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Vgl. Kirchhof, R. (2003), S. 62. Vgl. Bliss, C. (2000), S. 162. Der Physiker und Mitarbeiter des Santa Fe Instituts LLOYD hat bereits Anfang der 1990er Jahre eine Liste mit mindestens 31 unterschiedlichen Begriffsdefinitionen vorgelegt. Vgl. Horgan, J. (1995), S. 106. Gell-Mann, M. (1995), S. 18. Vgl. analog Bronner, R. (1992), Sp. 1121ff. Die praxisorientierte Literatur zur Komplexitätswissenschaft ist durch Beiträge gekennzeichnet, die grundsätzlich Komplexitätsreduktion beabsichtigen. Diese Auffassung wird unter dem Begriff Komplexitätsmanagement summiert. Da Komplexitätsreduktion in der vorliegenden Arbeit nicht angestrebt wird, findet der Begriff Komplexitätsmanagement keine weitere Verwendung. Vgl. Teil I-1.2. Vgl. Opp, K.-D. (1995), S. 130ff.; Raffeé, H. (1995), S. 26ff.

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Teil II-4: Arbeitsdefinition von Komplexität

Aus der Analyse der Ursprünge der Komplexitätswissenschaft kristallisiert sich für die vorliegende Arbeit folgende Arbeitsdefinition von Komplexität heraus, die im Zusammenhang mit komplexen Systemen mitgeführt wird und sich besonders an den Auffassungen von HOLLAND, SIMON, KIRSCH und SENGE orientiert:476

Komplexität bzw. komplex – in Abgrenzung zu einfach und kompliziert – beschreibt ein nicht zerlegbares, am Rand des Chaos befindliches System, welches in bestimmten (System-)Bereichen kohärente, regelgeleitete und rekursive Verhaltensmuster aufzeigt, in einer Zeitspanne eine große Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen kann, und dessen Beschreibung abhängig vom Beobachter ist.477 Komplexe Systeme sind Evolution, Anpassung sowie Selektion permanent ausgesetzt und tragen aktiv zur evolutionsfähigen Gestaltung der Systemumwelt bei. Für diese Arbeit charakterisieren sich komplexe Systeme durch das Vorliegen folgender Systemeigenschaften (vgl. Teil III-1): Überlebenssicherung, Dynamik, Vielzahl und Varietät, Pfadabhängigkeit, Rückkopplungen, Nichtlinearität, Offenheit, begrenzte Rationalität, Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiesis.

Komplexe Systeme werden grundsätzlich als Mehrebenensysteme verstanden, die eine analytische Perspektive mit einer holistischen verknüpfen. Aus analytischer Perspektive bestehen komplexe Systeme aus Elementen, die über ihre Wechselwirkungen lokal in einen Beziehungszusammenhang eingebettet sind. Die sich daraus ergebenen (Verhaltens-)Muster sind global verbunden und in ihrer emergenten Dynamik nur holistisch verstehbar.478

Der eingangs der Arbeit (vgl. Teil I) aufgestellten Forderung der Wissenschaft nach einheitlichen Begriffsbestimmungen steht gegenüber, dass eine Definition von Komplexität aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und unterschiedlichen Erkenntnisinteressen zwingend zu einer Komplexitätsreduktion und implizit zur Überbetonung von Teilaspekten führt (vgl. auch Begriffsparadoxon in

476

477

478

Vgl. Holland, J.H. (1996), S. 10ff; Simon, H.A. (1962), S. 98f; Kirsch, W. (1991), S. 145ff; Senge, P.M. (1990), S. 71f. Systeme am Rande des Chaos konservieren ihre Dauerhaftigkeit auf Metaebene durch die Aufrechterhaltung des Selektionsdrucks im Wettbewerb (der Systeme). Damit herrscht stets die Gefahr unabsehbarer Marktdynamiken. Auch für das Unternehmen selbst kann die Einführung einer neuen Problemlösung im Sinne des „Unternehmens am Rande des Chaos“ letztlich unkalkulierbare Folgen haben. Selbstorganisierte Kritizität (s. u.) ist stets eine präsente Kehrseite der „optimalen“ Innovations- und Evolutionsfähigkeit von komplexen Systemen am Rande des Chaos. „Komplexe [...] Systeme sind nämlich nichts anderes als hierarchisch gestaffelte Netzwerke von Wechselwirkungen zwischen Agenten [Elementen], die sich selbst wieder als komplexe adaptive Systeme darstellen. Diese [Systemelemente; Anmerkung des Verfassers] verfügen über interne Modelle der Außenwelt, sind lernfähig und zu regelgeleitetem Handeln, d. h. zu einer begrenzt rationalen Verfolgung von Zielen fähig.“ Kappelhoff, P. (2000a), S. 350. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 61.

Teil II-5: Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie

II-3);

479

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eine Definition würde die Komplexität, die dem Begriff inhärent ist, aufheben.

„Wahrscheinlich reicht ein einziger Komplexitätsbegriff nicht aus, um unsere intuitiven Vorstellungen von der Bedeutung des Wortes angemessen wiederzugeben.“481 Entsprechend wird der aufgestellten Arbeitsdefinition eine Begriffsexplikation (vgl. III-1) vor dem Hintergrund des prätheoretischen Entwicklungsstadiums einer Komplexitätswissenschaft zur Seite gestellt und aus methodischen Überlegungen der Definition vorgezogen.482

5

Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie

Trotz zahlreicher Autoren, die bereits von einer Komplexitätstheorie sprechen,483 sollte besonders vor dem Hintergrund der uneinheitlichen begrifflichen Verwendung von Komplexitätstheorie und Komplexitätswissenschaft (complexity science bzw. complexity theory) überprüft werden, ob es nicht verfrüht ist, von einer ausgewachsenen etablierten Wissenschaftsdisziplin bzw. Theorie zu sprechen.484 Ob die Komplexitätswissenschaft bereits die Anforderungen an eine eigenständige Theorie erfüllt, kann anhand folgender Kriterien zur Beurteilung von Theorien abgeschätzt werden (vgl. auch II-1.1):485 Klarheit bzw. Widerspruchslosigkeit, Informationsgehalt, Erklärungskraft, Bewährung, intersubjektive Überprüfbarkeit und Allgemeinheit.

Mit Klarheit bzw. Widerspruchslosigkeit wird beurteilt, ob die Struktur der Theorie deutlich wird, also welche Merkmale bzw. Variablen bestehen, und auf welche Formen (z. B. Kollektive oder Individuen) sich die Theorie bezieht. Für die genannten Kriterien ist festzustellen, dass zentrale Merkmale und Variablen der Komplexitätswissenschaft, wie z. B. Pfadabhängigkeit und Selbstorganisation (vgl. III-1.5 und III-1.6), zunehmend fixiert werden, jedoch noch partiell Widersprüche aufzeigen.486 Ferner ist zu prüfen, ob die Theorie – bei Nicht-Trivialität – bisher geltende Denkmodelle übersteigt und weitgehend widerspruchsfrei ist.487 Dass die Komplexitäts-

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483

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Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 47. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 45. „Für das Vermeiden von Definitionen könnte es natürlich auch strengere Gründe geben; zum Beispiel den Grund der Selbstreferenz: Die Komplexität ist für eine begriffliche Wiedergabe zu komplex.“ Luhmann, N. (2002), S. 45, Fn. 26. Gell-Mann, M. (2000), S. 66. Vgl. die wissenschaftstheoretischen Vorbemerkungen aus I-1.4 und II-1 und die Anmerkungen zu Begriffsexplikationen von MALIK. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 184ff. Vgl. Heylighen, F. (1988); Lewin, R. (1992); Kappelhoff, P. (2002b); Schreyögg, G. (2002); Goldstein, J. (2002); Byrne, D.S. (1998, 2001); Anderson, P.W. (1999a, 1999b); Boje, D. (2001); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997); Lewin, A.Y. (1999); Lewin, R./Parker, T./Regine, B. (1998); McKelvey, B. (1999a), Battram, A. (2001); Phelan, S.E. (2001); Richardson, K.A./Cilliers, P. (2001); Richardson, K.A./Cilliers, P./Lissack, M.R. (2001). Vgl. Horgan, J. (1995), S. 104f; McKelvey, B. (2001a), S. 137ff; Schreyögg, G. (2002), S. 103ff. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 210f; Wild, J. (1975), Sp. 3893; Weick, K.E. (2003a), S. 463 und II-1.2. Z. B. ist nicht festgelegt, von welchem „Sozialen“ in den Systemen die Rede ist. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 383. Vereinzelt wird gefordert, dass die Theorie in einem Wenn-dann- bzw. Je-desto-Satz zu formulieren ist. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 210. Diese kann jedoch u. a. in Anbetracht von Organisationstheorien kaum aufrecht erhalten werden.

Teil II-5: Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie

II-3);

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eine Definition würde die Komplexität, die dem Begriff inhärent ist, aufheben.

„Wahrscheinlich reicht ein einziger Komplexitätsbegriff nicht aus, um unsere intuitiven Vorstellungen von der Bedeutung des Wortes angemessen wiederzugeben.“481 Entsprechend wird der aufgestellten Arbeitsdefinition eine Begriffsexplikation (vgl. III-1) vor dem Hintergrund des prätheoretischen Entwicklungsstadiums einer Komplexitätswissenschaft zur Seite gestellt und aus methodischen Überlegungen der Definition vorgezogen.482

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Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie

Trotz zahlreicher Autoren, die bereits von einer Komplexitätstheorie sprechen,483 sollte besonders vor dem Hintergrund der uneinheitlichen begrifflichen Verwendung von Komplexitätstheorie und Komplexitätswissenschaft (complexity science bzw. complexity theory) überprüft werden, ob es nicht verfrüht ist, von einer ausgewachsenen etablierten Wissenschaftsdisziplin bzw. Theorie zu sprechen.484 Ob die Komplexitätswissenschaft bereits die Anforderungen an eine eigenständige Theorie erfüllt, kann anhand folgender Kriterien zur Beurteilung von Theorien abgeschätzt werden (vgl. auch II-1.1):485 Klarheit bzw. Widerspruchslosigkeit, Informationsgehalt, Erklärungskraft, Bewährung, intersubjektive Überprüfbarkeit und Allgemeinheit.

Mit Klarheit bzw. Widerspruchslosigkeit wird beurteilt, ob die Struktur der Theorie deutlich wird, also welche Merkmale bzw. Variablen bestehen, und auf welche Formen (z. B. Kollektive oder Individuen) sich die Theorie bezieht. Für die genannten Kriterien ist festzustellen, dass zentrale Merkmale und Variablen der Komplexitätswissenschaft, wie z. B. Pfadabhängigkeit und Selbstorganisation (vgl. III-1.5 und III-1.6), zunehmend fixiert werden, jedoch noch partiell Widersprüche aufzeigen.486 Ferner ist zu prüfen, ob die Theorie – bei Nicht-Trivialität – bisher geltende Denkmodelle übersteigt und weitgehend widerspruchsfrei ist.487 Dass die Komplexitäts-

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Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 47. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 45. „Für das Vermeiden von Definitionen könnte es natürlich auch strengere Gründe geben; zum Beispiel den Grund der Selbstreferenz: Die Komplexität ist für eine begriffliche Wiedergabe zu komplex.“ Luhmann, N. (2002), S. 45, Fn. 26. Gell-Mann, M. (2000), S. 66. Vgl. die wissenschaftstheoretischen Vorbemerkungen aus I-1.4 und II-1 und die Anmerkungen zu Begriffsexplikationen von MALIK. Vgl. Malik, F. (2003a), S. 184ff. Vgl. Heylighen, F. (1988); Lewin, R. (1992); Kappelhoff, P. (2002b); Schreyögg, G. (2002); Goldstein, J. (2002); Byrne, D.S. (1998, 2001); Anderson, P.W. (1999a, 1999b); Boje, D. (2001); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997); Lewin, A.Y. (1999); Lewin, R./Parker, T./Regine, B. (1998); McKelvey, B. (1999a), Battram, A. (2001); Phelan, S.E. (2001); Richardson, K.A./Cilliers, P. (2001); Richardson, K.A./Cilliers, P./Lissack, M.R. (2001). Vgl. Horgan, J. (1995), S. 104f; McKelvey, B. (2001a), S. 137ff; Schreyögg, G. (2002), S. 103ff. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 210f; Wild, J. (1975), Sp. 3893; Weick, K.E. (2003a), S. 463 und II-1.2. Z. B. ist nicht festgelegt, von welchem „Sozialen“ in den Systemen die Rede ist. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 383. Vereinzelt wird gefordert, dass die Theorie in einem Wenn-dann- bzw. Je-desto-Satz zu formulieren ist. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 210. Diese kann jedoch u. a. in Anbetracht von Organisationstheorien kaum aufrecht erhalten werden.

80

Teil II-5: Von einer Komplexitätswissenschaft zur Komplexitätstheorie

wissenschaft die bisher geltenden Denkmodelle in ihrer Aussagekraft überragt, steht u. a. vor dem Hintergrund der Veröffentlichungen des Santa Fe Institutes sowie der Quellbelege in der vorliegenden Arbeit außer Zweifel.488

In Bezug auf den Informationsgehalt, also den Grad der Entsprechung von Theorie und Praxis, wird durch den modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft ein zentrales Kriterium erfüllt. Im Rahmen der Anwendung von Simulationsmethoden besteht das explizite Ziel darin, Praxisfragestellungen aufzugreifen. Aktuelle Simulationen unterstreichen diese Bestrebungen.489

Hinsichtlich der Erklärungskraft, also der Genauigkeit der Gesetzeshypothesen, die das Praxisproblem erklären und den Prämissen über den Anwendungsbereich der Theorie (d. h. strukturelle Randbedingungen) entsprechen, liegen bisher besonders bzgl. der Gesetzeshypothesen uneinheitliche Auffassungen vor. Die Genauigkeit der Hypothesen lässt sich daher nach derzeitigem Kenntnisstand noch nicht beurteilen.

Eine Aussage über die Bewährung der Theorie, d. h. die Relevanz der Theorie in der Praxis (vor allem des modelltheoretischen Kerns der Komplexitätswissenschaft), stützt sich bisher lediglich auf knappe Projekt- bzw. Simulationsbeschreibungen und kann damit noch nicht abschließend bewertet werden.490 Grundsätzlich muss für jede Theorie gelten, dass keine Werturteile enthalten sind, und die Theorie intersubjektiv überprüfbar ist.491 Nach derzeitigem Kenntnisstand kann festgestellt werden, dass mit der Komplexitätswissenschaft keine Werturteile verbunden sind. Einzig eine grundsätzlich positive Einstellung gegenüber evolutionstheoretischen Ansätzen ist zu konstatieren. Eine intersubjektive Überprüfbarkeit der Theorie ist jedoch aufgrund der noch z. T. ungenauen Spezifikation komplexitätswissenschaftlicher Metaphern nicht ableitbar. Der zunehmend ausgestaltete modelltheoretische Kern eröffnet jedoch die Möglichkeit zur intersubjektiven Überprüfbarkeit (vgl. IV-4).

Die positive Beurteilung bzw. Einschätzung der raum-zeitlichen Unbeschränktheit der Hypothesen (und Gesetze) über den Objektbereich der Theorie (Allgemeinheit)492 kann aufgrund der noch jungen Komplexitätswissenschaft noch nicht vorgenommen werden.

488

489 490 491

492

Vgl. u. a. Anderson, P.W./Arrow, K.J./Pines, D. (Hrsg.) (1993); Hertz, J./Krogh, A./Palmer, R.G. (1991); Langton, C.G. (Hrsg.) (2000); Cowan, G./Pines, D./Meltzer, D. (Hrsg.) (1999); Epstein, J.M. (1997). Vgl. Robertson, D.A. (2005), S. 419ff; Eder, A./Gutjahr, W./Neuwirth, E. (2006); Richardson, K.A. (2005b), S. 391ff. Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 2780ff. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 212f. Zur Ursache für das Entstehen verschiedener Organisationstheorien vgl. Wolf, J. (2005), S. 42ff; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 26; Chmielewicz, K. (1994), S. 136ff. Vgl. Wild, J. (1976), Sp. 3893; Albert, H. (1976), Sp. 4680; Schanz, G. (1988a), S. 32ff; Opp, K.-D. (2005), S. 212f.

Teil II-6: Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

81

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Komplexitätswissenschaft die zentralen Kriterien einer Theorie bisher nicht vollständig erfüllt und daher noch nicht als elaborierte Theorie eingestuft werden kann. Um den Charakter der Vorläufigkeit der Theorie deutlich zu machen und der partiell vorherrschenden Begriffskonfusion nicht weiter Vorschub zu leisten, wird in dieser Arbeit durchgängig von Komplexitätswissenschaft gesprochen, die als Synonym für die im angloamerikanischen Raum gebrauchten Termini complexity science und complexity theory sowie den im deutschsprachigen Raum verwendeten Begriff der Komplexitätstheorie steht.493

6

Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

Das Ziel der Komplexitätswissenschaft besteht in der Beschreibung, Erklärung und Prognose von Oberflächenkomplexität aus Tiefeneinfachheit und Emergenz von Ordnungszuständen in komplexen Systemen auf abstrakter Modellebene sowie der Übertragung (des Systemverhaltens) auf unterschiedliche substanzwissenschaftliche Anwendungsbereiche.494 Das abstrakte Erkenntnisinteresse der Komplexitätswissenschaft bezieht sich auf die Emergenz von Strukturen durch Selbstorganisation regelgeleiteter Wechselwirkungen zwischen Systemelementen und einer evolutionsfähigen Ordnung am Rande des Chaos.495 Mit der Integration der Theorie dissipativer Strukturen496, der Synergetik nach HAKEN497 und dem Autopoiesiskonzept498 sind Theorieelemente u. a. aus der Biologie und der Physik einbezogen worden, die die endogene Ordnungsbildung durch Selbstorganisation in den Vordergrund stellen (vgl. II-2.3.1.1 und II-2.3.1.2).

Über die in der Komplexitätswissenschaft verwendeten Metaphern hinaus wird die Frage aufgeworfen, worin der (r)evolutionäre Gedanke der Komplexitätswissenschaft besteht. Zum einen

493

494 495

496 497 498

Vgl. Cooksey, R.W. (2001), S. 77ff; Anderson, P.W. (1999b), S. 216ff; Boje, D. (2001), S. 5ff; Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997), S. 1ff; Choi, C.-H. (2001), S. 459ff; Lewin, A.Y. (1999), S. 215; Lewin, R./Parker, T./Regine, B. (1998), S. 36ff; McKelvey, B. (1999a), S. 5ff; Styhre, A. (2002a), S. 343ff. Vgl. Gell-Mann, M. (1994), S. 26; Allen P.M. (2001), S. 24ff; Goldenfeld, N./Kadanoff, L.P. (1999), S. 87ff. Vgl. Kauffman, S.A. (1993); Kauffman, S.A. (1995). Ordnung am Rande des Chaos und selbstorganisierte Kritizität sind unterschiedliche Konstrukte für den gleichen formalen Sachverhalt, nämlich die Verteilung von Innovationsschüben nach dem Potenzgesetz. Sie beschreiben einen dynamischen Spannungszustand. Selbstorganisierte Kritizität kann am Beispiel eines kegelförmigen Sandberges expliziert werden, auf dessen Spitze Sand rieselt. Die Kegelform des Berges kann nur aufrechterhalten werden, wenn der überschüssige Sand (plötzlich) in Form von Sandlawinen unterschiedlicher Größe an seinen Abhängen niedergeht. Ein zusätzliches Sandkorn kann erheblichen Einfluss auf das System Sandberg haben und eine Sandlawine auslösen. Das System oszilliert zwischen metastabilen Zuständen und erreicht niemals einen Gleichgewichtszustand. Der innere Spannungszustand des Systems, der durch den zufließenden Sand kontinuierlich wächst, entlädt sich in unregelmäßigen Abständen in Form von in der Größenordnung nicht vorhersagbaren Kettenreaktionen lokaler Wechselwirkungen. Kritizität ist eine Eigenschaft der Meta-Systemebene, der kritische Zustand selbst kann als Zustand bzw. „Ordnung am Rande des Chaos“ und damit als Attraktor im Sinne der Komplexitätswissenschaft begriffen werden. Vgl. Bak, P./Chen, K. (1991). Vgl. Prigogine, I./Stengers, I. (1993). Vgl. Haken, H. (1996), S. 587ff; Haken, H. (1990), S. 19ff. Vgl. Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003).

Teil II-6: Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

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Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Komplexitätswissenschaft die zentralen Kriterien einer Theorie bisher nicht vollständig erfüllt und daher noch nicht als elaborierte Theorie eingestuft werden kann. Um den Charakter der Vorläufigkeit der Theorie deutlich zu machen und der partiell vorherrschenden Begriffskonfusion nicht weiter Vorschub zu leisten, wird in dieser Arbeit durchgängig von Komplexitätswissenschaft gesprochen, die als Synonym für die im angloamerikanischen Raum gebrauchten Termini complexity science und complexity theory sowie den im deutschsprachigen Raum verwendeten Begriff der Komplexitätstheorie steht.493

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Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

Das Ziel der Komplexitätswissenschaft besteht in der Beschreibung, Erklärung und Prognose von Oberflächenkomplexität aus Tiefeneinfachheit und Emergenz von Ordnungszuständen in komplexen Systemen auf abstrakter Modellebene sowie der Übertragung (des Systemverhaltens) auf unterschiedliche substanzwissenschaftliche Anwendungsbereiche.494 Das abstrakte Erkenntnisinteresse der Komplexitätswissenschaft bezieht sich auf die Emergenz von Strukturen durch Selbstorganisation regelgeleiteter Wechselwirkungen zwischen Systemelementen und einer evolutionsfähigen Ordnung am Rande des Chaos.495 Mit der Integration der Theorie dissipativer Strukturen496, der Synergetik nach HAKEN497 und dem Autopoiesiskonzept498 sind Theorieelemente u. a. aus der Biologie und der Physik einbezogen worden, die die endogene Ordnungsbildung durch Selbstorganisation in den Vordergrund stellen (vgl. II-2.3.1.1 und II-2.3.1.2).

Über die in der Komplexitätswissenschaft verwendeten Metaphern hinaus wird die Frage aufgeworfen, worin der (r)evolutionäre Gedanke der Komplexitätswissenschaft besteht. Zum einen

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Vgl. Cooksey, R.W. (2001), S. 77ff; Anderson, P.W. (1999b), S. 216ff; Boje, D. (2001), S. 5ff; Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997), S. 1ff; Choi, C.-H. (2001), S. 459ff; Lewin, A.Y. (1999), S. 215; Lewin, R./Parker, T./Regine, B. (1998), S. 36ff; McKelvey, B. (1999a), S. 5ff; Styhre, A. (2002a), S. 343ff. Vgl. Gell-Mann, M. (1994), S. 26; Allen P.M. (2001), S. 24ff; Goldenfeld, N./Kadanoff, L.P. (1999), S. 87ff. Vgl. Kauffman, S.A. (1993); Kauffman, S.A. (1995). Ordnung am Rande des Chaos und selbstorganisierte Kritizität sind unterschiedliche Konstrukte für den gleichen formalen Sachverhalt, nämlich die Verteilung von Innovationsschüben nach dem Potenzgesetz. Sie beschreiben einen dynamischen Spannungszustand. Selbstorganisierte Kritizität kann am Beispiel eines kegelförmigen Sandberges expliziert werden, auf dessen Spitze Sand rieselt. Die Kegelform des Berges kann nur aufrechterhalten werden, wenn der überschüssige Sand (plötzlich) in Form von Sandlawinen unterschiedlicher Größe an seinen Abhängen niedergeht. Ein zusätzliches Sandkorn kann erheblichen Einfluss auf das System Sandberg haben und eine Sandlawine auslösen. Das System oszilliert zwischen metastabilen Zuständen und erreicht niemals einen Gleichgewichtszustand. Der innere Spannungszustand des Systems, der durch den zufließenden Sand kontinuierlich wächst, entlädt sich in unregelmäßigen Abständen in Form von in der Größenordnung nicht vorhersagbaren Kettenreaktionen lokaler Wechselwirkungen. Kritizität ist eine Eigenschaft der Meta-Systemebene, der kritische Zustand selbst kann als Zustand bzw. „Ordnung am Rande des Chaos“ und damit als Attraktor im Sinne der Komplexitätswissenschaft begriffen werden. Vgl. Bak, P./Chen, K. (1991). Vgl. Prigogine, I./Stengers, I. (1993). Vgl. Haken, H. (1996), S. 587ff; Haken, H. (1990), S. 19ff. Vgl. Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003).

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Teil II-6: Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

grenzt sich die Komplexitätswissenschaft von mechanistischen Paradigmen ab (vgl. Teil I). Zum anderen löst sie sich von chaostheoretischen Denkmodellen („kreatives Chaos“499), die bisher als revolutionär galten und den Einfluss des Zufalls besonders betonen (vgl. II-2.5.4), da die Komplexitätswissenschaft (über den Zufall hinaus) vor allem Musterbildung und Selbstorganisation Bedeutung beimisst.500 Ferner steht mit dem modelltheoretischen Kern (in Form von Modellbildung und Simulation) der Komplexitätswissenschaft eine umsetzungsorientierte Ausgestaltung der abstrakten Denkmodelle und Konstrukte zur Verfügung, in der sich Systeme in einem Zusammenspiel von endogenen Ordnungskräften501 und externer Anpassungsdynamik selbstorganisiert zu einer Ordnung am Rande des Chaos entwickeln. Aus der Verknüpfung dieser beiden Einflussfaktoren wird eine synthetische Rekonstruktion von Strukturen und Verhalten komplexer Systeme möglich, mit der auf grundsätzliche Handlungs- und Entwicklungsprinzipien geschlossen werden kann.502

Nach dem Verständnis von KAUFFMAN vermittelt die Komplexitätswissenschaft „eine neue theoretische Sicht der Entstehung, der Evolution und der tief verwurzelten Natürlichkeit des [sozialen] Lebens.“503 Die Ansätze einer Wissenschaft von Komplexität haben es jedoch bisher versäumt, jene wissenschaftlichen Disziplinen in die Untersuchung zu integrieren, welche unmittelbar für Fragen des sozialen „Lebens“ (z. B. von Organisationen wie komplexen Humansystemen) von Bedeutung sind.504

Der modelltheoretische Kern erfordert präzise formulierte Modellbedingungen, die die Voraussetzungen u. a. für Selbstorganisation, Emergenz und Autopoiese sowie die sozialtheoretische Aussagekraft der Modelle bzw. Simulationsergebnisse bilden.505 Mit der Modellierung bzw. Simulation werden die Grenzen der Anwendbarkeit festgelegt, deren Explizierung in der Forschungspraxis eine zentrale Herausforderung darstellt (vgl. Teil IV).

499 500

501 502 503 504 505

Vgl. Peters, T.J. (1988). Die bestehenden Denkmodelle werden mit Konstrukten Organisation am Rande des Chaos (vgl. Kauffman, S.A. (1995)) bzw. strategy at the edge of chaos (vgl. Beinhocker, E.D. (1997)) ersetzt. Diese spiegeln zum einen die systemisch-evolutionäre Herkunft der Komplexitätswissenschaft wider und zeigen zum anderen theoretisch-methodische Potenziale auf (Modellierung bzw. Simulation). Vgl. eine ausführliche Erklärung in den Eigenschaften komplexer Systeme in III-1. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 349f. Vgl. Kauffman, S.A. (1995), S. 16. Vgl. Stüttgen, M. (2003), S. 40; Gell-Mann, M. (2000), S. 24. Mit dem modelltheoretischen Kern ist z. B. die Verifikation der Theorie der „durchbrochenen Gleichgewichte“ von ELDREDGE und GOULD möglich. Vgl. Eldredge, N./Gould, S.J. (1993), S. 223ff. Vgl. ausführlich zum modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft IV-4.

Teil II-6: Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

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Die Auswertung bisher durchgeführter Simulationen (unter Zugrundelegung komplexitätswissenschaftlicher Gedankenmodelle) hat zu der Erkenntnis geführt, dass komplexe Systeme, die sich erfolgreich an in- und externe Veränderungen anpassen, dies nach wiederkehrenden Mustern und Regeln vornehmen.506 Diese können aus der Systemevolution abgeleitet werden und ermöglichen den Systemen die „Handhabbarkeit“ von Komplexität (Ausgleich zwischen Komplexitätsproduktion und -reduktion).507 Damit soll dennoch nicht der Eindruck einer harmonischen ausgeglichenen Entwicklung („Evolutionsoptimismus“) entstehen, denn die Evolution am Rande des Chaos umfasst auch den Niedergang von Systemen. Diese haben die Tendenz, ihre Beziehungsdichte im Verlauf der Zeit zu erhöhen, so dass das System stets bedroht ist, in chaotische Dynamiken zu verfallen. Um hieraus eine Beurteilung zur unmittelbaren Übertragbarkeit komplexitätswissenschaftlicher Denkmodelle auf reale soziale Prozesse vornehmen zu können, sind empirische Untersuchungen erforderlich.508

Der modelltheoretische Kern der Komplexitätswissenschaft kann für seine bisher zu einfache und mechanistische Ausrichtung kritisiert werden, da die den Simulationen zu Grunde liegenden Modelle z. T. nicht den diffusen und komplexen Sozialsystemen wie Organisationen entsprechen.509 Vordergründig ist dieser Auffassung zuzustimmen, da der Nutzen in der Regel nicht den Aufwand einer „vollständigen“ Abbildung eines Realitätsausschnitts rechtfertigt. Durchgeführte Simulationen zeigen jedoch, dass die komplexitätswissenschaftlichen Modelle die bis heute eingesetzten Marktmodelle u. a. in Realitätsnähe und Aussagekraft übersteigen510 und gleichzeitig die ausschließlich verbale Auseinandersetzung mit Fragestellungen aus der Organisationstheorie um eine konkrete und elaborierte methodische Variante, der Modellierung bzw. Simulation, erweitern.511

506 507

508 509 510 511

Vgl. Kauffman, S.A. (1995), S. 34ff; Holland, J.H. (1996), S. 4; Gell-Mann, M. (2000), S. 24. Der primär mit der Chaostheorie und partiell auch mit der Systemtheorie verbundene Steuerungspessimismus (vgl. Gleick, J. (1988); Luhmann, N. (1999b), S. 338) wird mit der Komplexitätswissenschaft überwunden, indem sowohl endogene Ordnungsbildung als auch externe Ordnung und Steuerung berücksichtigt werden. Vgl. Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 142ff; Kauffman, S.A. (1993), S. 234ff; Willke, H. (2001b), S. 1, 5; Mayntz, R./Scharpf, F.W. (1995), S. 33. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 63. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 368. Vgl. u. a. Arthur, B.W./Durlauf, S.N./Lane, D.A. (Hrsg.) (1997). Vgl. Giaglis, G.M./Paul, R.J./Hlupic, V. (1999), S. 219ff. Auf diese Weise erfährt die Denkweise eines regelgeleiteten Handelns – die bereits in der kognitiven Psychologie als etabliert gilt (vgl. Chomski, N. (2002)) – eine feste Anbindung, in der neben Routinetätigkeiten (die bisher auch in mechanistischen Ansätzen adäquat abgebildet werden können) auch anspruchsvollere, d. h. komplexe Handlungen wie Reflexionsvermögen und Kreativität, angemessen abzubilden sind, so wie es in der Forschung zum Künstlichen Leben bereits gefordert wurde. Vgl. Conway, J.H. (1983).

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Teil II-6: Gegenstand und kritische Würdigung einer Komplexitätswissenschaft

Um sich der Kritik zu stellen, dass es sich bei den Komplexitätswissenschaften um eine Modeerscheinung handle, und zu verdeutlichen, dass die für die Wissenschaft notwendige Distanz eingehalten wird, sind folgende Punkte zu betrachten:

In verschiedenen Beiträgen wird den Vertretern der Komplexitätswissenschaft ein Versäumnis bei der Abgrenzung ihres Feldes von einem „pop-science movement“, wie z. T. die Chaostheorie eingestuft wird, zugeschrieben.512 Diese Perspektive einer „mouth-to-brain ratio“ wird vereinzelt auch von Vertretern der Komplexitätswissenschaften bemängelt und der „hype“ um sie kritisiert.513 Dazu trägt u. a. die bisher kaum vorgenommene Abgrenzung von anderen Wissenschaften sowie ihre z. T. unklar formulierte Zielvorstellung bei. So herrscht weiterhin innerhalb der Wissenschaft keine Einigkeit darüber, ob sich die unterschiedlichen Ansätze der Komplexitätswissenschaften zu einer Theorie vereinigen lassen, und ob sie erfahrungs- und erkenntnisobjektübergreifend Gültigkeit entwickeln kann. „If a theory applies to everything, it may result that it applies to nothing.”514

In Fällen nicht habituell oder mechanisch getroffener Entscheidungen wirkt zwangsläufig eine Zufallskomponente, deren Einfluss in der Komplexitätswissenschaft jedoch nicht präzise definiert wird.515 Dem ist entgegenzuhalten, dass das Modell der Koevolution eines Systems von Handlungsregeln516 zumindest ansatzweise eine Zufallskomponente berücksichtigt – denn etablierte Simulationsmethoden weisen hier noch Schwächen auf.517 Diesen Zustand der „Vorläufigkeit“ hat das Modell der Koevolution eines Systems von Handlungsregeln mit der Mehrheit sozialwissenschaftlicher Theorien gemein. Die Betonung habituell getroffener Entscheidungen wird durch Vertreter mechanistischer Denkmodelle kritisiert, die wenig vernunftgesteuertes Handeln und fehlende Steuerbarkeit bemängeln. Da es in komplexen Systemen wie Organisationen weniger um Vernunft im Handeln, sondern um die Stabilisierung des Überlebens geht, greift diese Kritik ins Leere.518 Darüber hinaus wird angezweifelt, dass Kreativität und Rückbezüglichkeit sozialer Elemente mithilfe des modelltheoretischen Kerns der Komplexitätswissenschaft abbildbar sind.519 Dieser Aspekt ist noch nicht endgültig beantwortet, obwohl qualitative Aspekte, wie 512

513 514 515

516 517 518 519

Vgl. Horgan, J. (1995), S. 105; Horgan, J. (2000); Kieser, A. (1994), S. 199ff; Kieser, A. (1996), S. 21ff. Vgl. analog Merz-Benz, P.-U./Wagner, Gerhard (Hrsg.) (2000). Vgl. COWAN in: Horgan, J. (1995), S. 105. CRUTCHFIELD zitiert nach Horgan, J. (1995), S. 107. Gleiches gilt für den Einfluss von Selektionskräften, der bisher nicht präzise spezifiziert ist. Vgl. Kauffman, S.A. (1995), S. 281. Von diesen offenen Fragestellungen ist besonders der in der Organisationstheorie partiell vorhandene Funktionalismus (von Kontingenztheorie bis institutionalistischen Ansätzen) betroffen. Vgl. Kappelhoff, P. (2002c), S. 57ff. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 369. Vgl. Hayek, F.A. von (1983), S. 181; Hayek, F.A. von (1972). Vgl. Wolfe, A. (1991), S. 1073ff.

Teil II-7: Zwischenfazit

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Kreativität und Rückbezüglichkeit im modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft, bereits integriert worden sind.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den z. T. noch großen Abstand zwischen den Ergebnissen der Simulationen und der tatsächlichen Steuerung und Gestaltung von Organisationen sowie auf Empfehlungen der Komplexitätswissenschaft, z. B. eine Organisation am Rand des Chaos zu steuern, die isoliert betrachtet zu vage und unbestimmt ist. Diese Kritik kann jedoch als obsolet betrachtet werden, da die Diskrepanz bereits reduziert werden konnte und Empfehlungen für die Organisationspraxis durchaus nutzbar sind, wie in IV-4 aufgezeigt wird.

Aufgrund der fehlenden Homogenität im Theoriegebäude der Komplexitätswissenschaft bestehen Zweifel an ihrer Übertragbarkeit auf soziale Systeme, da unterschiedliche Auffassungen vom „Sozialen“ integriert werden müssen, die nicht in allen Fällen zur Deckung zu bringen sind.520 Zwar wird die Entwicklung einer Wissenschaft von Komplexität in den Sozialwissenschaften aufgegriffen, u. a. in der postmodernen Philosophie521, doch fehlen bisher grundlegende Analysen der naturalistischen Herausforderungen aus sozialtheoretischer Sicht.522 Ein endgültiger Entwurf einer allgemeinen Wissenschaft von Komplexität für soziale Systeme – wie von verschiedenen Autoren angestrebt – liegt noch nicht vor.523 Darüber hinaus wird vereinzelt in der Literatur die Auffassung vertreten, dass naturwissenschaftliche Modelle für die Sozialwissenschaften bisher kaum zu inhaltlich neuen Einsichten geführt haben.524 Der Erklärungsbeitrag zielt bislang primär auf die „Stimulation“ der Sozialwissenschaften durch Respezifikation bestehender Modelle, so dass diese im Anschluss an die Respezifikation operationalisierbar und empirisch überprüfbar sind. Einen Ansatz hierfür bilden agentenbasierte Simulationen (vgl. IV-4).

7

Zwischenfazit

Trotz der noch vorherrschenden Skepsis und der genannten Kritikpunkte – besonders hinsichtlich der Übertragbarkeit auf soziale Systeme – wird die Bedeutung bzw. der Nutzen einer Wissenschaft von Komplexität anhand folgender Aspekte deutlich:525

520 521 522 523 524 525

Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 380ff; Gambhir, M./Guerin, S./Kauffman, S.A. u. a. (2004). Vgl. Cilliers, P. (2000b). Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 52. Vgl. Horgan, J. (1995), S. 104ff. Vgl. Mayntz, R. (1992), S. 27ff. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 90f; Carlisle, Y./McMillan, E. (2006), S. passim.

Teil II-7: Zwischenfazit

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Kreativität und Rückbezüglichkeit im modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft, bereits integriert worden sind.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf den z. T. noch großen Abstand zwischen den Ergebnissen der Simulationen und der tatsächlichen Steuerung und Gestaltung von Organisationen sowie auf Empfehlungen der Komplexitätswissenschaft, z. B. eine Organisation am Rand des Chaos zu steuern, die isoliert betrachtet zu vage und unbestimmt ist. Diese Kritik kann jedoch als obsolet betrachtet werden, da die Diskrepanz bereits reduziert werden konnte und Empfehlungen für die Organisationspraxis durchaus nutzbar sind, wie in IV-4 aufgezeigt wird.

Aufgrund der fehlenden Homogenität im Theoriegebäude der Komplexitätswissenschaft bestehen Zweifel an ihrer Übertragbarkeit auf soziale Systeme, da unterschiedliche Auffassungen vom „Sozialen“ integriert werden müssen, die nicht in allen Fällen zur Deckung zu bringen sind.520 Zwar wird die Entwicklung einer Wissenschaft von Komplexität in den Sozialwissenschaften aufgegriffen, u. a. in der postmodernen Philosophie521, doch fehlen bisher grundlegende Analysen der naturalistischen Herausforderungen aus sozialtheoretischer Sicht.522 Ein endgültiger Entwurf einer allgemeinen Wissenschaft von Komplexität für soziale Systeme – wie von verschiedenen Autoren angestrebt – liegt noch nicht vor.523 Darüber hinaus wird vereinzelt in der Literatur die Auffassung vertreten, dass naturwissenschaftliche Modelle für die Sozialwissenschaften bisher kaum zu inhaltlich neuen Einsichten geführt haben.524 Der Erklärungsbeitrag zielt bislang primär auf die „Stimulation“ der Sozialwissenschaften durch Respezifikation bestehender Modelle, so dass diese im Anschluss an die Respezifikation operationalisierbar und empirisch überprüfbar sind. Einen Ansatz hierfür bilden agentenbasierte Simulationen (vgl. IV-4).

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Zwischenfazit

Trotz der noch vorherrschenden Skepsis und der genannten Kritikpunkte – besonders hinsichtlich der Übertragbarkeit auf soziale Systeme – wird die Bedeutung bzw. der Nutzen einer Wissenschaft von Komplexität anhand folgender Aspekte deutlich:525

520 521 522 523 524 525

Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 380ff; Gambhir, M./Guerin, S./Kauffman, S.A. u. a. (2004). Vgl. Cilliers, P. (2000b). Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 52. Vgl. Horgan, J. (1995), S. 104ff. Vgl. Mayntz, R. (1992), S. 27ff. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 90f; Carlisle, Y./McMillan, E. (2006), S. passim.

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Teil II-7: Zwischenfazit

Zum einen bietet die Komplexitätswissenschaft für organisationale Prozesse einen neuartigen Bezugsrahmen. Dies gilt vor allem für die Koevolution bzw. die Ordnung am Rande des Chaos, aus der sich für Organisationen Handlungsempfehlungen ableiten lassen (z. B. HEYLIGHENs Synthese der Positionen von LUHMANN und ASHBY in II-3), die partiell durch Fallbeispiele und empirische Untersuchungen untermauert sind.526 Diese Form des Transfers von Metaphern bedarf – aufgrund der Vorläufigkeit – noch intensiver Forschungsanstrengungen, um nicht nur als eine Modeerscheinung wahrgenommen zu werden.

Mit dem modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft wurde zum anderen ein Instrumentarium bereitgestellt, dass einen Zugang zu organisationstheoretischen Problemstellungen ermöglicht. In diesem Zusammenhang sind z. B. die Arbeiten von McKELVEY hervorzuheben, die Binnen- und Außenperspektive miteinander verbinden.527 Diese unterscheiden sich von etablierten Ansätzen darin, dass bei der internen Perspektive von einem Netzwerk von Kompetenzen und aus externer Sicht von rückgekoppelten Konkurrenzbeziehungen ausgegangen wird.

Metaphysikalische, -biologische und -soziologische Modelle können mit der Komplexitätswissenschaft in einem elaborierten abstrakten Modellrahmen betrachtet werden. In Bezug auf Organisationen haben lediglich die metasoziologischen Modelle Bedeutung, die die Modellierung sinnorientierten intentionalen Handelns ermöglichen und damit zumindest grundsätzlich eine Ebene steuernder Komplexität erreichen, so dass rationalistische, systemische und sozialwissenschaftliche Modellperspektiven verbunden werden können. Formale Modelle metasoziologischer Komplexität bestehen erst in Ansätzen, so dass diese bisher nur auf qualitatives Modelldenken beschränkt sind, aber eine Beziehung zu Sozialtheorien aufbauen können. Damit entsteht ein Potenzial, das langfristig bei der Beantwortung organisationstheoretischer Fragestellungen unterstützend wirken kann.

Der Theorietransfer zwischen Formal-, Natur- und Sozialwissenschaften sowie die Übertragungen und Umdeutung von Partialtheorien ist keine Entwicklung, die mit der Komplexitätswissenschaft entstanden ist, sondern bereits seit Langem Teil der Wissenschaftsgeschichte ist.528 „Dabei scheint es […] an der jüngeren Theoriegeschichte zweifelsfrei ablesbar zu sein, daß gerade einschlägige Entwicklungen in der neueren Systemtheorie auf der abstrakten Ebene weltbildprägen-

526

Vgl. Kelly, K./Allison, M.A. (1999); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1998). Vgl. McKelvey, B. (2001a), S. 137ff; McKelvey, B. (2002), S. 752ff; McKelvey, B. (2003b), S. 47ff. 528 Vgl. SMITH als Anhänger der Newtonschen Physik oder die Übertragung darwinistischer Theorien in evolutionstheoretischen Ansätzen der Organisationstheorie. 527

Teil II-7: Zwischenfazit

87

der Metaphern zu einer Öffnung sozialwissenschaftlicher Theorien beigetragen und Anstöße zu theoretischen Weiterentwicklungen gegeben haben.“529 Dennoch bedarf es für den Transfer komplexitätswissenschaftlicher Denkmodelle auf Organisationen weiterhin grundlegender und intensiver Forschungsarbeiten. Ein besonderes Augenmerk wird darauf zu richten sein, wie primär naturwissenschaftlich geprägte Denkmodelle auf soziale Systeme übertragbar sind. Denn eine abstrakte, rein assoziative Verwendung von Metaphern der Komplexitätswissenschaften bleibt solange isoliert und ist nicht nutzbar, bis diese in theoretischer Weise respezifiziert und in die allgemeine Theoriearchitektur integriert worden ist.530 Eine Wissenschaft muss kritisch betrachtet werden, wenn z. B. system- bzw. evolutionstheoretische Konzepte auf sozialwissenschaftliche Anwendungsfelder unreflektiert übertragen werden.531 Ein Paradigmenwandel (vgl. I-1.2) im KUHNschen Sinne532 wird mit der Komplexitätswissenschaft und den damit verbundenen Denkmodellen eingeleitet. „Die Entwicklung einer evolutorischen Sozialwissenschaft [...] und insbesondere der evolutorischen Ökonomik sind Ausdruck dieser tief greifenden Veränderungen auf der Ebene von Evolutionsphilosophie und Metatheorie.“533 Für einen vollständigen Paradigmenwandel muss die Vielfalt der bereits vorhandenen, jedoch kaum gebündelten Ansätze und Denkmodelle mit dem modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaften zusammengeführt und vor allem theoretisch vereinheitlicht werden.534

529 530 531 532 533 534

Kappelhoff, P. (2000a), S. 378. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 584; Chmielewicz, K. (1994), S. 9f; Albert, H. (1964), S. 20ff. Vgl. Kieser, A. (1992), S. 1758ff; Kieser, A. (1994), S. 199ff; Bühl, W.L. (1987), S. 225ff; Lipp, W. (1987), S. 452ff. Vgl. Kuhn, T.S. (1997), S. 308ff. Kappelhoff, P. (2000a), S. 379. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 380.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

89

Teil III 1

Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

1.1

Methodische Vorbemerkungen zur Explikation und zum Systembegriff

Das terminologische Verständnis des Komplexitätsbegriffs, der in der Literatur nur unzureichend strukturiert ist, widerspricht dem Postulat präziser Begriffsbildung in der Wissenschaft und der Zielsetzung eines homogenen Verständnisses zum semantischen Gehalt des Begriffs.535 Für die vorliegende Arbeit ist jedoch eine eindeutige Positionsbestimmung erforderlich, die eine handlungsleitende Rolle übernimmt und über die heuristische Funktion der Begriffsbildung hinaus zur Genese neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse beiträgt.

Zur detaillierten Spezifikation und wissenschaftlichen Bearbeitung eines Begriffs ist eine Annäherung durch Explikation besonders für den betrachteten Terminus legitim (vgl. II-4).536 Explikationen stehen für eine präzise Beschreibung und Abgrenzung eines bestehenden, aber „unterbestimmten“ Ausdrucks (im vorliegenden Fall Komplexität im Kontext von Organisationen), indem für seine Verwendung feste Regeln formuliert und dieser somit für die wissenschaftliche Verwendung zugänglich gemacht werden kann. Für Komplexität im Kontext von Organisationen leisten etymologische und semantische Analysen sowie auf „einen Satz“ beschränkte Definitionsversuche lediglich einen begrenzten Erklärungsbeitrag.537 Entsprechend wird eine essentialistisch geprägte Definitionslehre nachfolgend abgelehnt und sich der nominalistischen Definitionslehre zugewandt, die mit Begriffbestimmungen keine wahre und letzte Natur der Dinge zu formulieren, sondern den Sprachgebrauch zu regeln versucht.538 Daher ist es zweckmäßig, einen pragmatischen Weg zur Spezifikation und typologischen Differenzierung des Begriffs Komplexität auf Basis charakteristischer Eigenschaften komplexer Systeme einzuschlagen.

Aus der Vielzahl der in der Literatur aufgeführten Definitionen des Systembegriffs wird die von SENGE herausgegriffen, da sie die beiden wesentlichen, für diese Arbeit relevanten Cha-

535 536

537 538

Vgl. Einleitung der Arbeit sowie Raffée, H. (1995), S. 26ff; Bretzke, W.-R. (1972), S. 253ff; Kluge, F. (1995), S. 516. Vgl. Opp, K.-D. (2005), S. 133ff; Chmielewicz, K. (1994), S. 31f. Die Explikation ist eine Vorgehensweise, die z. B. bei der Beschreibung des bürokratischen Verwaltungssystems zum Einsatz gekommen ist. Vgl. Weber, M. (1976); Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994), S. 415; Chmielewicz, K. (1994), S. 55ff. Vgl. Kammel, A. (2000), S. 52f, Hall, A.D./Fagen, R.E. (2003), S. 63ff. Die philosophische Denkrichtung des Essentialismus greift die Ideenlehre des griechischen Philosophen PLATON auf. Der Essentialismus beantwortet die Frage nach der Ursache von Entwicklung mit der philosophischen Kategorie der Idee, und meint, das alle Dinge dem ihnen selbst innewohnenden Idealbild entgegenstreben. Vgl. Popper, K. (1958), S. 14ff. Dem widerspricht jedoch POPPER, für den Definitionen und Begriffe relativ unwichtig sind.

90

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

rakteristika eines Systems identifiziert:539 Elemente, die als Agenten (vgl. IV-4.1.1) oder Entitäten bezeichnet werden, und Verbindungen, über die sich Rückkopplungen bzw. Interaktionen einstellen können, die sich in Form von Regeln ausdrücken lassen. „Systems are a perceived whole whose elements ‚hand together’ because they continually affect each other over time and operate toward a common purpose.”540

Um die Vielfalt der begrifflichen Ansätze zu strukturieren, hat BUTEWEG eine Dreiteilung des Systembegriffs vorgenommen: Danach können das (1) funktionale, das (2) strukturale und das (3) hierarchische Systemkonzept unterschieden werden (vgl. Abbildung III-1).541 Kern des funktionalen Systemkonzepts bildet die Black-Box-Theorie,542 deren Grundlage die Interaktionen des Systems in Form von Inputs und Outputs sind. Aussagen über das Innere der Black Box lassen sich nicht ableiten. Vielmehr wird auf die Struktur bzw. Funktionsweise mittels Variation des Inputs bei gleichzeitiger Analyse des veränderten Outputs geschlossen, ohne mögliche Wechselwirkungen mit der Systemumwelt zu berücksichtigen.543 Ausschließlich die Funktion des Systems und seiner Subsysteme stehen im Zentrum der Untersuchung. Dies entspricht jedoch nicht dem Aufbau einer sozialen Organisation.544

Vertreter des strukturalen Systemkonzepts interpretieren ein System als ein aus miteinander verknüpften Elementen bestehendes Ganzes, die die Bestandteile des Systems bilden. Diese können Objekte, wie z. B Ressourcen, sowie Subjekte, z. B. Personen, sein. Der Akzent liegt auf der Erklärung des Zusammenwirkens interdependenter systembildender Teile.

539

540

541 542 543 544

Die etymologische Herkunft entstammt dem griechischen Wort systema und bedeutet: Ein aus mehreren Teilen zusammengesetztes, gegliedertes Ganzes. Dieses Ganze kann konkret real oder ideell sein. Seine Teile stehen strukturell oder funktional miteinander in Beziehung. Vgl. Forrester, J.W. (1980b); Backlund, A. (2000), S. 444ff; Baecker, D. (1996), S. 65ff; Kluge, F. (1995), S. 624. Beispielsweise ist für ASHBY ein System „not a thing, but a list of variables.“ Ashby, W.R. (1958a). Für BEER müssen diese Variablen die Eigenschaften Vernetzung (coherence), Verhaltens- und Strukturmuster (pattern) und Zweck (purpose) aufweisen. Vgl. Beer, S. (1966), S. 241ff; analog Forrester, J.W. (1980b). Für LUHMANN dagegen besteht das konstituierende Erkennungsmerkmal eines Systems in der Aufrechterhaltung der Innen/Außen-Differenz, und er stellt damit fest, „dass es Systeme gibt.“ Luhmann, N. (2002), S. 30. Dies ergänzen JENSEN und BAECKER, nach denen Systeme „zunächst immer nur gedankliche Modelle von Zusammenhängen [sind], die als System gedeutet werden.“ Jensen, S. (1999), S. 363, analog Baecker, D. (1999). Demzufolge handelt es sich bei diesem Systembegriff um eine Art Filter, der vor zu vielen Wahrnehmungen bewahrt. Senge, P.M. (1994), S. 90. Vgl. analog DÖRNER, der ein System als ein „Geflecht von miteinander verbundenen Variablen“ (Dörner, D. (1989), S. 109) begreift. Vgl. Buteweg, J. (1988), S. 19ff. Vgl. ausführlich zur Black-Box-Theorie Gomez, P./Malik, F./Oeller, K.-H. (1975), S. 400ff. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 275f. Vgl. Bleicher, K. (1991).

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

91

Inputs

System Zustände

Outputs Funktionales Systemkonzept

Elemente

System Relationen

Strukturales Systemkonzept

Supersystem System Subsystem

Hierarchisches Systemkonzept

Abbildung III-1: Dreiteilung des Systembegriffs545

Im hierarchischen Systemkonzept stehen die verschiedenen Ebenen im Zentrum der Überlegung. Im Rahmen einer Systemanalyse werden bei einer Gesamtbetrachtung des Systems alle Ebenen als Subsysteme definiert.546 Vice versa gilt: Jedes Systemelement wird auf der darüber liegenden Ebene als System betrachtet und von dort analysiert.

Wird diese Dreiteilung mit der von SENGE eingangs getroffenen Systemdefinition und der im Konstruktivismus vertretenen Auffassung nach subjektiver Wahrnehmung verbunden, so kann darauf aufbauend folgende Arbeitsdefinition gewonnen werden: Ein System ist eine kognitiv wahrnehmbare Entität, deren auf der jeweiligen Systemebene nicht weiter zerlegbare Elemente in Relation (Rückkopplungen, physisch/nichtphysisch) zueinander stehen und unterschiedliche Charakteristika bzw. Zustände aufweisen können, so dass auf einer übergeordneten Ebene ein gemeinsames Verhalten erzeugt wird und sich eine Innen/Außen-Differenz zum Umfeld herausbilden kann.

545 546

Vgl. Buteweg, J. (1988), S. 19. Vgl. ausführlich zur Systemanalyse Meyer, M. (1993), Sp. 4124ff.

92

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Auf Basis einer Literatursynopse und der in II-2 untersuchten, verschiedenen Perspektiven einer Wissenschaft von Komplexität sowie unter Zugrundelegung einer systemtheoretischen Grundauffassung werden Eigenschaften komplexer Systeme identifiziert.547 Diese Auswahl orientiert sich am derzeitigen Stand der Forschung und kann damit keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit, Vollständigkeit und Unveränderlichkeit erheben.548 Durch Analogiebildung werden die ausgewählten Eigenschaften auf Organisationen übertragen, welches dem weit gefassten Analogieverständnis von RAPOPORT entspricht und im Einklang zur bezugsrahmenorientierten Forschungsmethode der Arbeit (vgl. I-1.3) steht. Entsprechend erfolgt der Analogieschluss auf struktureller und nicht auf elementarer Ebene.549 Die damit verbundene aufwendige Auseinandersetzung mit den Eigenschaften komplexer Systeme ist erforderlich, da bisher die Mehrzahl der Anwendungen der Komplexitätswissenschaften auf organisationstheoretische Fragestellungen primär metaphorisch und bildhaft erfolgen und wenig Aussagekraft entwickeln.550

In einem ersten Schritt werden Eigenschaften identifiziert, die sowohl für komplexe als auch komplizierte Systeme gelten. Dazu gehören Überlebenssicherung und Dynamik sowie eingeschränkt Vielzahl und Varietät der Systemelemente. In einem zweiten Schritt werden ausschließlich Eigenschaften komplexer Systeme betrachtet. Zusammengefasst gehören zu den untersuchten Eigenschaften Überlebenssicherung, Dynamik, Vielzahl und Varietät, Pfadabhängigkeit, Rückkopplungen, Nichtlinearität, Offenheit, begrenzte Rationalität, Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese. Abbildung III-2 fasst die Eigenschaften grafisch in einem Dodekagon sehr anschaulich zusammen und verdeutlicht, dass Beziehungen und Interdependenzen zwischen den Eigenschaften bestehen. Die Zusammenstellung der zentralen Eigenschaften komplexer Systeme stützt sich auf eine intensive Untersuchung verschiedener definitorischer Spezifikationsversuche in der Literatur. Für die Explikation werden weitgehend überschneidungsfreie Eigenschaften herangezogen.

547

548 549 550

Bei dem genutzten Organisationsbegriff handelt es sich um eine Ansammlung von Menschen zur Erfüllung eines System- bzw. Organisationszwecks. Damit wird ein funktionaler Organisationsbegriff vertreten. Vgl. Einleitung sowie Schanz, G. (1992), Sp. 1460. Vgl. Elliott, E./Kiel, L.D. (2004), S. 124ff; Axtell, R. (2000). Vgl. Rapoport, A. (1988), S. 21. Vgl. Kappelhoff, P. (2000a), S. 354; Kappelhoff, P. (2002b), S. 49ff; Schreyögg, G. (2002), 101ff; Kappelhoff, P. (2003b).

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

93

Überlebenssicherung Autopoiese

Dynamik

Emergenz

Vielzahl und Varietät

Selbstreferenz

Pfadabhängigkeit

Rückkopplungen

Selbstorganisation

Begrenzte Rationalität

Nichtlinearität Offenheit

Abbildung III-2: Interdependenzen der Eigenschaften komplexer Systeme

Zur Abgrenzung und Spezifikation von unterschiedlichen Systemen werden in Abbildung III-3

z. B. Nichtlinarität, Dynamik

verschiedene Systemtypen bezogen auf ihre Eigenschaften differenziert. Dynamisch kompliziertes System

Komplexes System

Beziehungsreich kompliziertes System

Einfaches System

z. B. Vielzahl, Varietät, Emergenz

Abbildung III-3: Idealisierte Unterscheidung der Systemtypen551

551

Vgl. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 109.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

94

x

Einfache Systeme

Hauptmerkmale einfacher Systeme sind eine geringe Anzahl von Elementen (starr bzw. fest verknüpft) und Interaktionen. Methodisch sind diese mithilfe von analytischen Verfahren vollständig beschreibbar bzw. lösbar. x

Beziehungsreich komplizierte Systeme

Kennzeichnend für beziehungsreich komplizierte Systeme ist eine Vielzahl von Elementen und hohe Varietät (Kreise und Quadrate), die jedoch statisch untereinander verbunden sind (symbolisiert durch gleichförmige Verbindungen – durchgezogene Linien). Aufgrund der weitgehend zufälligen Verknüpfungen kann ihr Verhalten mithilfe statistischer Verfahren erklärt werden.552 x

Dynamisch komplizierte Systeme

Das zentrale Merkmal dynamisch komplizierter Systeme besteht in der Veränderlichkeit – also Dynamik (vgl. III-1.3), die sich sowohl auf die Anordnung der Elemente als auch auf deren Interaktionen untereinander bezieht (symbolisiert durch gestrichelte Verbindungen). Die Elemente und die Beziehungen sind jedoch homogen (lediglich Quadrate), also nicht verschieden, und die Intensität der Verknüpfungen ist im Vergleich zu beziehungsreich komplizierten Systemen veränderlich (dynamisch) bzw. eher schwach ausgeprägt. x

Komplexe Systeme

Die Kombination und das simultane Auftreten von einer großen Anzahl heterogener Elemente, Dynamik, Rückkopplungen (auch zwischen nicht benachbarten Entitäten) und Selbstorganisation kennzeichnen komplexe Systeme (symbolisiert durch Kreise und Quadrate sowie gestrichelte und durchgezogene Verbindungen). Der Hauptunterschied zu komplizierten Systemen liegt in der Entstehung von unerwartetem Neuem und der Entwicklung des kontraintuitiven Systems, da komplexe Systeme Zustände annehmen können, die nicht aus dem ursprünglichen Aufbau erkennbar sind.553

1.2

Überlebenssicherung

Komplexe Systeme (z. B. biologische Systeme wie das Nervensystem) wie auch soziale Organisationen streben neben untergeordneten Zielen554 vor allem die Sicherstellung des Überlebens als elementaren funktionalen System- bzw. Daseinszweck an.555 Dazu werden Aktivitäten ausge-

552 553

554

555

Vgl. Weaver, W. (1948), S. 536ff. Chaotische Systeme, in denen kein regelgeleitetes Handeln erkennbar ist, werden hier nicht betrachtet, da sie nur mit stochastischen Verfahren analysierbar sind. Vgl. u. a. Schanz, G. (1992), Sp. 1462. SCHANZ konzentriert sich vor allem auf ökonomische (wie Gewinn, Marktanteil, etc.) und soziale Ziele. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 14; Herold, C. (1991), S. 71ff; Luhmann, N. (2002), S. 86f.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

95

führt, die der Überlebenssicherung dienen, indem sie andere Organisationen und ihre Mitglieder dazu veranlassen, in Interaktion mit der Organisation zu treten.556

Verschiedene Autoren warnen davor, die Überlebenssicherung als elementaren funktionalen Daseinszweck von Organisationen zu bezeichnen und verweisen darauf, dass erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen primär Gewinnmaximierung (bzw. ein Bündel von unterschiedlichen Zielen gleichzeitig) anstreben.557 Dem ist entgegenzusetzen, dass vielmehr eine Reihe interdependenter Zielgrößen, wie z. B. Liquidität, Gewinn und Erfolgspotentiale, für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit sorgen und damit dem Metaziel der Überlebenssicherung dienen.558 Am Beispiel von Aktiengesellschaften lässt sich demonstrieren, dass die Gewinnmaximierung im Kern nur ein Baustein der Überlebenssicherung ist.559

1.3

Dynamik

Mit der Registrierung von Dynamik, also einer Berücksichtigung von Veränderlichkeit (in Abhängigkeit zur Zeit), wird in die Überlegungen zum Verhalten von Systemen die Zeitdimension integriert. Dies stellt für komplexe Systeme eine zentrale Eigenschaft dar.560 Denn erst durch sie kann aus einem komplizierten ein komplexes System werden.561 „Komplexität wird definiert als Fähigkeit eines Systems, in einer gegebenen Zeitspanne eine große Anzahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können [Dynamik, Anmerkung des Verfassers].“562 Dynamik von Austauschbeziehungen zwischen den Elementen bezieht sich neben dem physischen auch auf den Austausch von Informationen.

556 557

558

559

560

561

562

Vgl. Schanz, G. (1992), Sp. 1461; Malik, F. (2003a), S. 80ff. Vgl. Schanz, G. (1992), Sp. 1462; Kirsch, W. (1969), S. 665ff; Bidlingmaier, J./Schneider, D.J. (1976), Sp. 4734ff; Hamel, W. (1992), Sp. 2638ff. Vgl. ausführlich zum Zielsystem der Unternehmung Schmidt, R.-B. (1993), Sp. 4794ff. Vgl. Malik, F. (2003b), S. 87. DRUCKER zieht in Zweifel, dass Gewinnmaximierung als alleinige Orientierungshilfe zielführend ist; es gibt keine Gewinne, sondern nur Kosten des täglichen Geschäfts, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „The proper question for any management is not: ‘What is the maximum profit this business can yield?’ It is, what is the minimum profitability needed to cover the future risk of this business?” Drucker, P.F. (1982), S. 52. Eine langfristig angelegte Gewinnmaximierung bzw. Steigerung des Unternehmens- bzw. Börsenwerts ist Voraussetzung für ein auf Dauer angelegtes, eigenständiges Überleben. Einer Übernahme wird hiermit entgegengewirkt. Vereinzelt wird Dynamik in komplizierten Systemen beobachtet, so dass sie nicht konstituierend, aber zur Identifikation eines komplexen Systems notwendig ist. Entsprechend erfolgt keine Differenzierung von Dynamik und Komplexität. SENGE geht z. B. von dynamic complexity und MALIK von einer Komplexität des Wandels aus, also einer Dimension der zeitlichen Veränderung. Vgl. Senge, P.M. (1990), S. 71f, 364f; Malik, F. (2002a), S. 184f. REUTER hingegen spricht von Komplexität und Dynamik als zwei Seiten desselben Phänomens. Vgl. Reuter, J. (1998), S. 134. Vgl. Ulrich, H./Probst G.J. (1995), S. 198; Uden, J. van/Richardson, K.A./Cilliers, P. (2001), S. 64. CILLIERS stellt gleichlautend die Forderung nach Einbeziehung der Dynamik heraus. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 3. Autoren aus dem angloamerikanischen Sprachraum sprechen nicht explizit von Dynamik in komplexen Systemen. Dennoch weisen sie auf deren temporäre Zustände und Veränderlichkeit hin. Vgl. Richardson, K.A./Lissack, M. (2001), S. 36. Ulrich, H./Probst G.J. (1995), S. 58; Vgl. sinngemäß Bleicher, K. (2004), S. 19.

96

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Der im Systemkontext verwendete Dynamikbegriff wird durch vier abstrakt-analytische Merkmale spezifiziert:563 Beweglichkeit, Andersartigkeit, Regelmäßigkeit und Aktivitätsniveau. Vereinfacht ausgedrückt liegt Beweglichkeit vor, wenn zu mindestens zwei verschiedenen Zeitpunkten ein beobachtbares Systemmerkmal eine Differenz aufweist (relationales Konstrukt). Die Bewegung ist je nach Anwendungsfall zu konkretisieren, z. B. durch ein zeitliches Messintervall. In welchem Umfang ein betrachtetes Merkmal quantitativ (Größe) oder qualitativ (Art) vom ursprünglichen Zustand abweicht, wird durch Andersartigkeit ausgedrückt. Im Zentrum steht das ausschließliche Feststellen einer Veränderung anhand von Unterscheidungsmerkmalen und nicht das Konstatieren einer zeitlichen Differenz.564 Regelmäßigkeit beschreibt dynamische Ordnungsmuster und erklärt damit, wie sich Veränderungsprozesse im Zeitablauf vollziehen. Das Aktivitätsniveau stellt das Ausmaß dar, in dem ein System aus sich heraus Dynamik erzeugt bzw. erfahrene Dynamik verarbeiten kann. Die Fähigkeit zur Bildung, Auflösung sowie Identifikation Dynamik induzierender Kräfte wird durch das Aktivitätsniveau ausgedrückt.

Für die vorliegende Arbeit lassen sich zur Strukturierung des Begriffs Dynamik konzeptionell vier Zustandsformen differenzieren: stabil, periodisch, Rand des Chaos sowie chaotisch (vgl. Abbildung III-4).565 Die Zuweisung eines Systems zu einer der idealisiert differenzierbaren Formen kann jedoch nicht in allen Fällen eindeutig erfolgen.566

Während in stabilen und periodischen Zuständen keine bzw. primär kontinuierliche Veränderungen möglich sind, liegen chaotische Systemzustände vor, wenn keine Regeln, Unordnung und Strukturlosigkeit vorhanden sind.567 Komplexe Systeme charakterisieren sich weder durch einen rein homöostatischen Zustand (zeitlich stabiles Gleichgewicht) noch durch einen Zustand völliger Strukturlosigkeit. Sie halten sich in einem Übergang zwischen Chaos und Stabilität aufrecht

563

564

565

566

567

Vgl. Perich, R. (1993), S. 96. Da sich Dynamik auf unterschiedliche Syntheseebenen bezieht, wird das Aufstellen eines Kriterienkatalogs erschwert, da einzelne Aspekte unterschiedliche Bedeutungsgehalte erhalten können (z. B. Dynamik als Zustand vs. Prozess). Aufgrund unzureichender Differenzierung der Syntheseebene werden Stabilität und Statik in der Literatur häufig gleichgesetzt. Die Kriterien, die für eine Beurteilung der Veränderung gelten, sind subjektiv. Sie sind von dem Erkennen und der Wahrnehmung abhängig. Vgl. Rapoport, A. (1988). PERICH weist darauf hin, dass eine Differenzierung, ohne diese in Bezug zu setzten, keinen Aussagegehalt hat. Entsprechend kann eine aussagekräftige Andersartigkeit nur in Beziehung zu etwas beständigem Dritten festgestellt werden. Vgl. Perich, R. (1993), S. 97. Substituierend sprechen STACEY, GRIFFIN und SHAW statt von Rand des Chaos bzw. edge of chaos von einem System far-from-equilibrium, also fernab des Gleichgewichts. Vgl. Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 148. Die Verwendung von Gedankenkonstrukten hat in der Betriebswirtschaftslehre eine lange Tradition. ANSOFF und McDONNELL haben z. B. eine ähnliche Systematik vorgenommen, bei der auf den „fit“, also die Anpassung zwischen Umwelt(-veränderung) und Reaktion der Organisation, fokussiert wird. Umweltveränderungen sind im Einzelnen differenziert in: repetitive, expanding, changing, discontinous und surprising. Entsprechend werden die Formen der Organisationsreaktionen unterschieden in: stable, reactive, anticipatory, entrapreneurial und creative. Vgl. Ansoff, I.H./McDonnell, E.J. (1990), S. 33. Vgl. Perich, R. (1993), S. 99ff.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

97

Komplexität

maximale Komplexität

statisch

periodisch

„Rand des Chaos“

(persistent/kontinuierlich)

chaotisch (zufällig)

Grad der Veränderungsintensität bzw. Veränderlichkeit

Abbildung III-4: Formen der Dynamik und Systemzustände

(vgl. III-2.3). Dieser Zustand wird als Rand des Chaos bzw. edge of chaos beschrieben.568 In dieser Phase sind Anpassungsfähigkeit und Freiheitsgrade am größten, und für Entropie und Anpassungsfähigkeit liegen Maximalwerte vor.569 „Der Rand des Chaos ist die sich ständig verschiebende Reibungszone zwischen Stillstand und Anarchie, der ‚eine Ort’, an dem ein komplexes System spontan, anpassungsfähig und lebendig sein kann.“570 Gleiches gilt für soziale Systeme, wenn Organisationen in ihren etablierten Normen gestört werden. Organisationen, für die die „far-from-equilibrium“-Bedingung gilt, geraten in Unordnung, passen sich an, formieren sich unter Bildung einer neuen Ordnung um und sorgen so für neue Kohärenz. Ergo neigen komplexe Systeme dazu, besonders empfindlich auf externe Einflüsse zu reagieren. „Small inputs yield huge, startling effects. In far-from-equilibrium conditions we find that very small pertubations or fluctuations can become amplifies into gigantic, structure breaking waves.”571

Abbildung III-5 veranschaulicht den Zusammenhang zwischen dem Grad der Dynamik und dem der Veränderungsintensität in Bezug auf Systeme und spezifiziert die vier identifizierten Formen der Dynamik.

568

569

570 571

Vgl. Goldstein, J. (1999), S. 56; Waldrop, M.M. (1993), S. 14; Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 148. Dieser Zustand zeichnet sich durch eine Stabilität aus, die die Lebensfähigkeit sicherstellt. Gleichzeitig herrscht eine Instabilität, die eine ständige Anpassung erfordert. Der Begriff Entropie wird als generelles Ordnungsmaß eingeführt und mit Ordnungszuständen von Systemen verbunden. Offene Systeme können sich im Fließgleichgewicht in einem Zustand relativer Ordnung halten und ihre Entropie verändern und so Stufen höherer Ordnung erreichen.569 Waldrop, M.M. (1993), S. 14. Prigogine, I./Stengers, I. (1985), S. XVI.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

98

Steigender Dynamikgrad (Zunahme der Veränderungsintensität) Statik

Stabilität (Gleichgewicht)

Instabilität (Ungleichgewicht) „Rand des Chaos“ (diskontinuierlich bis turbulent) Ungleichgewicht bis zu turbulenter Eigendynamik, Autonomie und hoher Unregelmäßigkeit

statisch

periodisch

Statisches System

Stationäres homöostatisches Gleichgewicht (punctuated equilibrium)

„Null-Dynamik“

Gleichförmigkeit der Veränderung (steady state) Veränderungen nur auf Metaebene

Ungleichförmige Veränderung, Anpassung der Tiefenstruktur

Hohe Unregelmäßigkeit der Veränderung

Bewegungslosigkeit

Eindeutiger Zusammenhang zwischen Ursache und Wirkung

Unterbrochene Handlungsund Ereignisfolge; Nicht-Linearität

Große Unruhe im System „messiness“

Keine Folge ereignishafter Elemente

Elemente und System verharren in gleicher Lage, bleibender Zweck

Emergenz neuer Qualitäten und Eigenschaften durch Kreation und Destruktion

Systemelemente sind weitgehend autonom

Komponenten unverändert bzw. verändern Lage und Form geringfügig

Verknüpfung bisher nicht verbundener Variablen

Systemelemente haben untereinander ambivalentes Verhalten

Wirkungen prädestiniert, Gesamtsystemveränderung in phänotypischer Struktur

Veränderung der genotypischen Struktur

Kreatives Eigenverhalten der Elemente

Rein repetitiv, gleichgerichtete Expansion oder Kontraktion

Transformation

Kein gleichgerichtetes (auf gemeinsames Ziel) Verhalten

Mechanistisches Modell (Scientific Management (Morphostase), Steuerung möglich

Erneuerungsfunktion (Morphogenese), keine Kontrolle und Steuerung

Keine direkte Kontrolle und Steuerung durch Lenkungsinstanz

Organisches Modell

Transformation führt zu neuer Identität des Systems auch dissipativer Verlauf

Spalten des Verlaufspfads; Systemverfall

ne

in v

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v

chaotisch

Fluktuation, kein Verhaltensmuster erkennbar, rein stochastisch

ak

ti v

Beweglichkeit u. Andersartigkeit

Regelmäßigkeit

Aktivitätsniveau

Prozessualität bzw. Wandel

Nicht-Linearität

Eigendynamik

Abbildung III-5: Grade und Charakteristika der Veränderungsintensität sowie Gerüst des Dynamikbegriffs572

Ähnlich wie für komplexe Systeme lässt sich ein Bezug zwischen Organisationen und Dynamik herstellen.573 Besonders psychisch-individuelle und soziale Systeme (wie Organisationen) verfü-

572 573

Vgl. Perich, R. (1993), S. 99; Ansoff, I./McDonnell, E. (1990), S. 33; Reuter, J. (1998), S. 152. Vgl. Krüger, W. (2004), Sp. 1605f; Becker, M. (Hrsg.) (1998); Ahlemeyer, H.W./Königswieser, R. (Hrsg.) (1997). Bach, S./Bilgeri, A./Brettel, M. u. a. (2002). Drei wesentliche Aspekte werden hier u. a. wiederholt für organisationale

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

gen über aktive und autonome Möglichkeiten des dynamischen Verhaltens.

99 574

Organisationen

sind selbst erheblicher Dynamik ausgesetzt, die sie verarbeiten und der sie entsprechen müssen. Ohne im Einzelnen auf die Ursachen für Veränderlichkeit im Unternehmenskontext einzugehen, ist deutlich geworden, dass die Berücksichtigung von Dynamik in Organisationen von besonderer Bedeutung ist.575

1.4

Vielzahl und Varietät

Ein wesentliches Charakteristikum komplexer Systeme bildet die große Anzahl von Elementen (z. B. Organisationsmitglieder oder Objekte).576 Diese quantifizierbare Größe (bezeichnet als Vielzahl) ist zwar für komplexe Systeme kein hinreichend konstituierendes Attribut, dennoch werden durch eine große Elementanzahl Eigenschaften komplexer Systeme erst begünstigt bzw. ermöglicht, wie z. B. Emergenz oder unvollständige Kombinierbarkeit der Elemente.577 Wenn aufgrund ihrer großen Anzahl und ihrer begrenzten Verknüpfbarkeit „nicht mehr jedes Element jederzeit mit jedem anderen verknüpft sein kann,“578 wächst die Komplexität eines Systems.

Ferner wird durch eine große Elementanzahl die potentielle Vielfalt, d. h. die Varietät des Systems, erhöht. „Varietät ist die Anzahl der unterscheidbaren Zustände eines Systems, bzw. die Anzahl der unterscheidbaren Elemente einer Menge.“579 Neben der Varietät der Elemente variieren auch die Rückkopplungsprozesse bzw. Interaktionen (vgl. Eigenschaft Rückkopplungen) in Art, Form und Intensität.580 „Die Bedeutsamkeit dieser Verschiedenheit wird jedoch erst durch relationale Selektion hergestellt, daher erzeugt eigentlich die Möglichkeit verschiedenartiger relationaler Verknüpfung die Verschiedenheit der Elemente [das gilt zumindest für einen funktionalistischen bzw. konstruktivistischen Ansatz, nicht aber für das Paradigma von Teil und Ganzen; Anmerkung des Verfassers].“581 Die Divergenz entsteht damit erst durch die Relationierung, also durch die Rückkopplungen zwischen den Elementen. Gestaltungspotential und Kombinierbarkeit korrelieren positiv, so dass die Inhomogenität des Systems wächst. Dies ist auch in Systemen mit kleiner Elementanzahl möglich, da sich auch wenige Elemente, die sich durch eine hohe Varietät auszeichnen, zu einem komplexen System zusammenfinden können. 574 575 576

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578 579

580 581

Vgl. Perich, R. (1993), S. 93. Vgl. Reuter, J. (1998), S. 136ff. Vgl. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 61; Stacey, R.D. (1997), S. 22; Vgl. die theoretischen Grundlagen der requisite variety ASHBYs. Ashby, W.R. (1974), S. 184, 293ff; Ashby, W.R. (1958a, 1958b). Vgl. Baecker, D. (o.J.), S. 2. Das heißt im Umkehrschluss, dass bei einer kleinen Anzahl von Elementen eine vollständige Kombinierbarkeit möglich ist und sich somit kein komplexes Gefüge bilden kann. Luhmann, N. (2002), S. 46. Malik, F. (2003a), S. 186. Vgl. auf den weiteren Seiten die sehr eindrucksvollen Beispiele hinsichtlich der rapide steigenden Komplexität bei nur leichter Veränderung der Eingangsgrößen. Vgl. Fehling, C. (2002), S. 25. Fehling, C. (2002), S. 24.

100

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Dass es sich bei Vielzahl und Varietät ebenso um Eigenschaften von Organisationen handelt, wird an unterschiedlichen Stellen unterstrichen582 und beispielsweise anhand zunehmender Ausdehnung und Größe z. B. von Unternehmen (gemessen u. a. an Mitarbeiterzahl, Produktvarianten, Produktionsstandorten, Absatzmärkten und Vertriebskanälen) deutlich.583 Mit ausreichender Varietät entwickelt das System gegenüber Umwelteinflüssen Robustheit bzw. Fehlertoleranz sowie Inkompressibilität, bei der die beiden Aspekte Verhalten584 und Anordnung585 unterschieden werden.586 Hierunter wird die Verteilung der Kompetenzen und Fähigkeiten eines Systems über das Gesamtsystem verstanden, so dass es nicht möglich ist, ein vollständiges Abbild eines komplexen Systems zu generieren.

1.5

Pfadabhängigkeit

Die Kenntnis der (System-)Historie ist notwendig, um komplexes Systemverhalten beschreiben, erklären und Anhaltspunkte für zukünftiges Verhalten, also Verfahren oder Reaktionsschemata (Patterns), ableiten zu können.587 „History as an analytical tool is important simply because complex systems are too opaque to the eyes of the observer; direct observation yields a very accurate picture of a complicated system, but such approaches yield little when considering complex systems and so indirect historical methods can be very useful indeed.“588 Dies unterstreicht die Bedeutung der (System-)Historie für das Verständnis komplexer Systeme.589 Ergo ist die Pfadabhängigkeit eine konstituierende Eigenschaft komplexer Systeme, die jedoch nicht ex post durch Extrapolation von Vergangenheitsparametern rekonstruiert werden kann.590 Darüber hinaus verfügt sie über die Fähigkeit, Erfahrungen zu speichern – also ein Erinnerungsvermögen aufzuweisen – und diese für zukünftiges Verhalten zu Grunde zu legen. Entsprechend ist die Pfadabhängigkeit von Organisationen die Basis für die Lernfähigkeit, da zurückliegende Erfah-

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Die Eigenschaften lassen sich in Anlehnung an die Klassifikation von WILLKE und BAECKER der Dimension sachlicher Komplexität zuordnen. Vgl. Willke, H. (2000), S. 81ff; Baecker, D. (1992), S. 56f. Vgl. Baecker, D. (1992), S. 55ff. Verhalten als Ausdruck der Nutzung der Verbindungen Anordnung als Struktur des Systems Vgl. Weick, Karl E. (2005), S. 51ff; Tsoukas, H. (1996), S. 11ff; McKelvey, B. (2001b), S. 181ff¸ Bamberger, S. (1999). Robustheit drückt die Fähigkeit eines Systems aus, Umwelteinflüsse wirken zu lassen, ohne dass die Systementwicklung davon wesentlich betroffen ist. Synonym wird in diesem Zusammenhang der Begriff Resilience verwendet. Vgl. Allen C.R. (2001), S. 15. Vgl. Kauffman, S.A. (1993), S. XV. Im angloamerikanischen Sprachraum wird auch von path dependence gesprochen. Vgl. Baum, J.A./Silverman, B.S. (2001), S. 169ff; Arthur, B.W. (2000); Sterman, J.D./Wittenberg, J. (1999), S. 322ff. Die Ablehnung des technomorphen Verständnisses nach Extrapolation von vergangenheitsbezogenen Daten zur Vorhersage der Zukunft wird betont. Der hier vertretene Ansatz beschränkt sich nicht auf die vereinfachte Fortschreibung historischer Daten, sondern sieht diese als Ergänzung z. B. zur „pattern recognition“. Vgl. Liebrand, Wim B. (1998), S. 12. „Patterns“ werden hier im Sinne von Regelerkennung gebraucht. Vgl. Nicolis, G./Prigogine, I. (1989), S. 72; Anderson, P.W. (1999b), S. 217. Richardson, K.A. (2003), S. 10. (System-)Historie als Quasi-Analyseinstrumente komplexer Systeme. Vgl. Richardson, K. (2003), S. 10. Vgl. Sterman, J.D. (2000), S. 22; Vergangenheitsbezug kann auch als Pfadabhängigkeit bezeichnet werden.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

101

rungen für zukünftige Entscheidungen eine wesentliche Grundlage bilden. Organisationen „lernen“ sowohl auf der Ebene des Gesamtsystems als auch auf der Ebene einzelner Elemente.591

Komplizierte Systeme hingegen lassen ein vollständiges Beschreiben und Erklären ohne Kenntnis der Historie zu. D. h. für das Verständnis und für Aussagen über das zukünftige Verhalten komplizierter Systeme ist die Kenntnis des genauen Ist-Zustandes sowie des (mechanistischen) Aufbaus hinreichend.592 Ist bei einer komplizierten Maschine – z. B. einem Computer – der IstZustand in Form des Programms und des Programmzustandes bekannt, lässt sich der darauf folgende Schritt unmittelbar ableiten.

Die Bedeutung der Historie für Organisationen wird besonders in institutionalistischen Ansätzen der Organisationswissenschaften herausgestellt (vgl. III-2.3.2). Diese gehen von einem gemeinsamen Organisationsverständnis mit kollektiven Regeln in und zwischen Organisationen während des Prozesses der Institutionalisierung aus.593 Die Institutionalisierung enthält eine gemeinsame Vergangenheit, die sich aus der ausschließlichen Betrachtung der Ist-Situation nicht ableiten lässt.

Beispielhaft kann die Bedeutung der Historie für komplexe Systeme anhand der Verbreitung von Videorecordern bei Privatkonsumenten illustriert werden.594 Zum Zeitpunkt der Markteinführung von Videorecordern konkurrierten zwei preislich vergleichbare Videosysteme miteinander: VHS und Beta. Ein kleiner Vorteil in den Produkteigenschaften des VHS-Systems zu Beginn der Einführung führte dazu, dass Videoverleiher und Einzelhändler mehr auf das VHS-System setzten und sich die vorhandene Marktmacht verstärkte.595 Das Beta-System, obwohl in anderen Punkten technisch überlegen, wurde letztendlich verdrängt. Daran wird deutlich, welchen Einfluss Historie hat. Ohne den historisch relevanten, aber tatsächlich nur sehr geringen „Vorsprung“ des VHS-Systems hätte für das technisch überlegene Beta-System die Möglichkeit bestanden, sich durchzusetzen.

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594

595

Vgl. Ackermann, R. (2003), S. 225ff; Amburgey, T.L./Singh, J.V. (2002), S. 327ff. Vgl. Richardson, K.A. (2003), S. 11. Vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 341, passim; Meyer, J.W./Scott, W.R. (1983); Schreyögg, G./Sydow, J./Koch, J. (2003), S. 257ff; Windeler, A. (203), S. 295ff. SYDOW betont die Hervorhebung von Tradition und Kultur als wesentliche Quelle von Institutionalisierungen. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 209. Vgl. Arthur, B.W. (2000). Das Beispiel wird auch im Zusammenhang mit der Erklärung und Wirkung von positiven Rückkopplungsprozessen eingesetzt. MAINZER führt ferner die Spurweite von Eisenbahnen oder die englische Sprache als Standard im Funkverkehr als Beispiele für die Relevanz der Historie an Vgl. Mainzer, K. (1996), S. 271. Mit VHS konnte ein Film in Spielfilmlänge (90 Minuten Laufzeit) auf einer Kassette aufgenommen werden. Die BetaKassetten fassten anfangs lediglich 60 Minuten.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

102

1.6

Rückkopplungen

Eine weitere wesentliche Charakteristik komplexer Systeme ist das Auftreten von Rückkopplungen bzw. Rückkopplungsprozessen.596 In komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen sind Rückkopplungen primär dafür verantwortlich, dass sich ein komplexes Verhalten eines Gesamtsystems (Makroebene) durch einfach strukturierte Interaktionen auf Einzelelementebene (Mikroebene) ausbildet.597 Daraus folgt, dass die Komplexität des Systems nicht im Einzelelement liegt, sondern im Gesamtsystem. Die Intensität der Verknüpfungen ist in komplexen Systemen hoch (vgl. Abbildung III-3). „For a system to be complex it must be connected in such a way that multiple causal loops are present that themselves interact with each other.”598

Rückkopplungen bzw. Rückkopplungsprozesse bilden auch für zahlreiche organisationstheoretische Ansätze den Ausgangspunkt und stellen in Organisationen und komplexen Systemen eine rekursive Verknüpfung (von actio und reactio) dar, die sowohl unmittelbar, als auch zeitverzögert wirken kann.599 Sie können in negative (d. h. hemmende und stabilisierende Wirkung) und positive (d. h. verstärkende Wirkung) Ausprägungen unterschieden werden. Zur Illustration negativer Rückkopplungsformen wird häufig der Heizungsthermostat angeführt. Fällt die Raumtemperatur unter einen zuvor festgelegten Wert, setzt die Heizung (der Mechanismus) ein, bis die vorgegebene Temperatur wieder erreicht ist. Im Gegensatz dazu erweitern positive Rückkopplungen die Lücke und steigern die Abweichung.600 Hierfür steht beispielhaft ein sinkender Aktienkurs eines Unternehmens, der aufgrund fallender Kurse weitere negative Berichterstattung erfährt und weiter fällt.

Organisationen entwickeln sich auf Basis von Rückkopplungsprozessen, in denen die Mitglieder entdecken, wählen und handeln (Aktion).601 Diese Aktivitäten ziehen Folgen nach sich und wir-

596

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599

600

601

Vgl. Kammel, A. (2000), S. 316ff; Levitt, B./March, J.G. (1995), S. 15ff; Hannan, M.T./Freeman, J. (1977); Pfeffer, J. (1981). Für Rückkopplung bzw. Interaktionen wird im angloamerikanischen Sprachraum der Begriff feedback loops verwendet. Vgl. Weick; K.E. (1977), S. 35. Es wird angenommen, dass Systeme und ihre Elemente auf unterschiedliche Art miteinander rückgekoppelt sind, welches mit dem Begriff reziproke Konnektivität beschrieben wird. Vgl. Morgan, G. (1986), S. 246ff. Vgl. Anderson, P. (1999b), S. 217; Holland, J. (1996), S. 141ff. Richardson, K.A. (2005), S. 7. Dennoch können Elemente mit wenigen Verknüpfungen dieselben Funktionen wie intensiv verknüpfte Bestandteile erfüllen. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 4; Anderson, P. (1999b), S. 217; Granovetter, M.S. (1973), S. 1360ff. Vgl. Stacey, R.D. (2003b) sowie die Interaktionstheorie in Wolf, J. (2005), S. 148ff, die Institutionenökonomischen Ansätze (besonders die Transaktionskostentheorie) in Ebers, M./Gotsch, W. (2002), S. 200 und 225ff sowie austauschtheoretische Ansätze in Sydow, J. (1992), S. 193ff. Das Beispiel zeigt, dass im Sprachgebrauch von „Mechanismen“ die Rede ist, die einen ingenieurwissenschaftlichen Ursprung andeuten. Da der Gegenstand dieser Untersuchung jedoch soziale Systeme sind, wird nachfolgend bewusst von Rückkopplungsprozessen gesprochen, um sich von der mechanistisch geprägten Wortwahl abzugrenzen. Dennoch wird nachfolgend zur sprachlichen Vereinfachung von Rückkopplungen gesprochen. Vgl. Senge, P.M. (1990); Stacey, R.D. (1997), S. 7.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

103

ken auf alle weiteren Organisationselemente (Veränderung der Entdeckung), die ihnen zu Grunde liegenden kollektiven und individuellen Regeln sowie die Umwelt. Jedes Element ist in der Lage, Veränderungen zu erkennen und auf die neue Situation zu reagieren und stützt sich im Rahmen der Wahl auf kollektive und individuelle Regeln (vgl. IV-4.1.2). Kollektive Regeln stellen eine für alle Teilnehmer zugängliche Entscheidungsgrundlage dar, die jeder anerkennt. Bürokratische Strukturen zeigen zahlreiche allgemein akzeptierte Regeln (formelles System) auf, die sich z. B. in einem einheitlichen Prozedere der Auftragsabwicklung widerspiegeln. Individuelle Regeln hingegen sind elementspezifische, mentale und vorprogrammierte Verhaltensmuster, denen ein Mensch in der Regel folgt und die sich auf Basis zurückliegender Erfahrungen entwickelt haben (informelles System). Die Regeln müssen dem Individuum nicht unmittelbar bewusst sein, dennoch trifft eine solche Bezeichnung auf sie zu, da sie von anderen Organisationsmitgliedern abgeleitet werden können.602 „[E]inzelne Systemteilnehmer, Gruppen und ganze Organisationen bewegen sich folglich in einem endlosen Feedback-Regelkreis; Entdeckung, Wahlmöglichkeit und Aktion erfolgen zyklisch“603, wie Abbildung III-6 verdeutlicht. Folgen

Aktion

Entdeckung

Wahl

Kollektive und individuelle Regeln

Abbildung III-6: Rückkopplungsprozesse in sozialen organisationalen Netzwerken604

Dass die aufgezeigten Rückkopplungsprozesse Auswirkungen auf den Grad der Verbundenheit auf allen Systemebenen sowie auf das Systemverhalten haben, ist offensichtlich.605 Da sich Sys-

602 603 604 605

Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 8ff. Diese Entscheidung baut auf vergangenen Erfahrungen auf (vgl. Pfadabhängigkeit). Stacey, R.D. (1997), S. 7. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 8. Vgl. Kauffman, S.A. (1993), S. 279.

104

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

teme durch exogene Einflüsse und endogene Selbstorganisation anpassen, wirken sie auf die Umwelt zurück, so dass sich sowohl das System als auch die spezifische Umwelt verändern und von Ko-Evolution gesprochen werden kann,606 die nicht nur zwischen Systemen, sondern auch zwischen Individuen stattfindet.607 Unklar bleibt jedoch, inwiefern der Intensitätsgrad der reziproken Rückkopplungen die Ko-Evolution beeinflusst.608

1.7

Nichtlinearität

Die Entwicklung einer Komplexitätswissenschaft wurde besonders durch die Beobachtung ausgelöst, dass nichtlineare Systeme609 komplexes Verhalten aufweisen.610 Nichtlinearität in komplexen Systemen bezieht sich auf die Art der Rückkopplungsprozesse. Der Kernpunkt aller Definitionsansätze von komplexen Systemen besteht in der Aussage, dass im Gegensatz zu einem System mit linearen Rückkopplungsprozessen – welches vereinfacht werden kann, ohne die bestehende Komplexität zu verringern – die Zusammenfassung bzw. das Weglassen von Interaktionen bei nichtlinear verknüpften Elementen eine unzulässige Simplifizierung und damit eine dauerhafte Veränderung des Systems zur Folge hat. Also ist ein System nichtlinear, wenn Aktivitäten mehr als ein Resultat haben und nichtproportionale Ergebnisse erzeugen können.611 In komplexen Systemen drückt sich Nichtlinearität dadurch aus, dass kleine Veränderungen auf Mikroebene wesentliche Modifikationen der (Gesamt-)Systementwicklung auslösen können.612 „It may become unclear what cause and effect mean. The links between them may become dis-

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609

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Vgl. Anderson, P.W. (1999b), S. 220f; Waldrop, M.M. (1993), S. 328f; Probst, G.J. (1981), S. 305ff; Morgan, G. (1986), S. 69f; Lewin, A.Y./Long, C.P./Carroll, T.N. (1999), S. 353ff; Lewin, A.Y./Volberta, H.W. (1999): S. 519ff. Vgl. Mitleton-Kelly, E. (2003b), S. 31. Vgl. Mitleton-Kelly, E. (2003b), S. 38. Der Grad der Verbundenheit bzw. Kopplungsgrad (degree of coupling) beschreibt die Anzahl gemeinsamer Verknüpfungen, also Berührungspunkte zwischen den Elementen. Vgl. Weick, K.E. (2005b). Vgl. Zhang, W.-B. (1991), S. 106. Entscheidenden Schub erfuhr die Erforschung nichtlinearer Systeme durch LORENZ im Modell atmosphärischer Turbulenz, nach dem ein einfaches System bestehend aus nichtlinearen Differenzialgleichungen unberechenbare Trajektorien aufweisen kann. Vgl. Lorenz, E.N. (2001), S. 130ff. Eine Trajektorie beschreibt die Entwicklung eines Systems anhand der Veränderung der relevanten Eigenschaften. So bilden diese einen adäquat dimensionierten Raum, in dem Koordinatentupel jeweils eine Zustandskonfiguration abbilden. Der durch diese Tupel im Zeitablauf gebildete Pfad (oder Flug-Bahn) zeigt die Systementwicklung auf und wird als Trajektorie bezeichnet. Vgl. Grothe, M. (1997); Argyris, J.H./Faust, G./Haase, M. (1985); Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 442; Forrester, J.W. (2003), S. 94; Nicolis, G./Prigogine, I. (1987). Eng mit Nichtlinearität ist das Phänomen der Asymmetrie verknüpft. Ähnlich wie in den Ansätzen der Neuen Institutionenökonomie (besonders bei der Agenturtheorie, bei der Informationsasymmetrien zwischen Agent und Prinzipal bestehen. Vgl. Ebers, M./Gotsch, W. (1998), S. 209f.) bauen komplexe Systeme auf diesem Grundgedanken auf. Ohne Asymmetrie könnten soziale Beziehungen nicht bestehen, wie z. B. die Lehrer-Schüler-Beziehung oder die zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter. Tatsächlich wird die Gesellschaft als soziales System durch die Asymmetrie zusammengehalten, ohne dass dadurch Teile des Systems gezielt ausgenutzt werden (Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 4). Wie später noch gezeigt werden wird, bildet Nichtlinearität die Voraussetzung dafür, dass Komplexität im Gesamtsystem steckt, also erst aus dem Zusammenwirken zwischen den Teilnehmern entsteht. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 222. Vgl. Nicolis, G.; Prigogine, I. (1987), S. 90. Eingehende Ausführungen zu Nichtlinearität in den Naturwissenschaften finden sich bei NICOLIS und PRIGOGINE.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

105 613

tant in time and space and those links may even disappear for all practical purposes.”

Der Zu-

sammenhang zwischen Ursache und Wirkung wird damit aufgehoben und kann nicht mehr eindeutig nachgewiesen werden. Die Folge ist indeterministisches Systemverhalten.

Zusammengefasst bedeutet Nichtlinearität im Kontext von Organisationen, dass Neben- und Fernwirkungen der Entscheidungen von Organisationsmitgliedern oder ganzer Organisationen nicht eindeutig zuordenbar und die Wirkungen mithilfe linearer Modelle nicht bestimmbar sind.614

Nichtlinearität in Bezug auf Organisationen kann anhand des Aufbaus menschlicher Netzwerke und ihrer Rückkopplungsprozesse illustriert werden.615 Hierbei wird zwischen einem formalen (bzw. legitimen) und einem informalen System unterschieden.616 Das formale System zeichnet sich durch Beziehungen aus, die bewusst von einer zentralen Steuereinheit vorgegeben werden und in Einklang mit explizierten sowie bekannten Organisationsregeln und -zielen stehen.617 Charakteristisch für das formale System ist vorhersehbares Verhalten. Da nur eine fest definierte, „lineare“ Reaktion auf einen Reiz zulässig ist, herrscht Proportionalität zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung und das System entspricht exakt der Summe seiner Systemeinzelteile.618 In formalen Systemen bestehen institutionalisierte Rückkopplungsprozesse bereits vor der ersten Interaktion.619

Dies steht jedoch im Widerspruch zu den Erfahrungen, die sich aus den Beobachtungen von Organisationen ergeben.620 Organisationen weisen nur unter den o. g. idealisierten Bedingungen deterministisches Verhalten auf. Sie unterstellen, dass deren Mitglieder ausnahmslos den zentral vorgegebenen Prinzipien folgen, und dass dieses „Schema“ stabil ist. „Too often it is assumed

613 614 615

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Stacey, R.D. (2003a), S. 10. Vgl. Dörner, D. (1989), S. 54, 129; Goldspink, C. (2000), S. 72ff. Vgl. Teil I u. a. Bleicher, K. (2004), S. 29; Dörner, D. (1989), S. 160; Wolf, J. (2005), S. 49ff, 99ff, 257ff. Beispielhaft stehen dafür u. a. Trendfortschreibungen, bei denen Planungsinstrumente Wertkettenanalyse, klassische Kennzahlensysteme, Portfoliomethoden etc. sowie eingeschränkt die präskriptive Entscheidungstheorie und Neue Institutionenökonomie. Vgl. Hentze, J./Brose, P./Kammel, A. (1993), S. 93ff. Vgl. eine nationalökonomische Perspektive in Parker, D./Stacey, R.D. (1994). Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 3ff. Vgl. die detaillierten Ausführungen zum Begriff Netzwerk bei SYDOW und FREYGANG. Sydow, J. (1992), S. 60ff; Freygang, L. (1999), S. 12ff. Sie verstehen unter einem Netzwerk ein innerbetriebliches Kommunikationssystem und eine Prozessstruktur eines Unternehmens. Vgl. Staehle, W.H. (1999), S. 549. Alternativ wird das formale System in der organisationstheoretischen Literatur auch als legitime Organisation bzw. legitimes System bezeichnet. Vgl. Kieser, A./Woywode, M. (2002), S. 284. Eine Trennung der Systeme ist aufgrund ihrer engen Verzahnung unmöglich, muss also als zwei Hälften des Gesamtsystems verstanden werden. Vgl. Roethlisberger, F.J./Dickson, W.J. (2003), S. 553f. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 4f. Vgl. im Einzelnen die Strukturdimensionen zur Beschreibung formaler Unternehmensstrukturen bei FREYGANG. Vgl. Freygang, L. (1999), S. 8f. Vgl. Etzioni, A. (1971), S. 69; Mayntz, R. (1958), S. 12; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 68f; Malik, F. (2002), S. 95. Vgl. u. a. Kasper, H. (2004), Sp. 620ff.

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106

that the organization of a company corresponds to a blue print plan or organization chart. Actually, it never does.”621 Beobachtungen zeigen ferner, dass sich in Organisationen informale Strukturen bzw. Schattensysteme parallel zum formalen System (spontan) bilden, die ebenfalls von sozialen Rückkopplungsprozessen geprägt sind.622 Diese Schattensysteme lassen gegenüber dem legitimen System stark abweichende Interaktionsmuster in Form von nichtlinearen Wechselbeziehungen zu.623 Hier können sich zwar auch stabilisierende gruppen- oder organisationsspezifische Normen, Rollen, Führung und Kommunikation herausbilden, jedoch geben sich die Teilnehmer in Schattensystemen selbst vor, welche Aktivitäten sie ausführen und wie sie interagieren,624 so dass nicht primär bzw. ausschließlich die Erfüllung des Hauptzwecks der Gesamtorganisation verfolgt wird.625

Die sich in Intensität und Ausprägung unterscheidenden Einflüsse, die im informalen System auf die Organisationsmitglieder einwirken, führen – bezogen auf den auslösenden Reiz – zu anti-proportionalen Reaktionen und damit zu nichtlinearem Verhalten. „Darüber hinaus deutet das Phänomen der [informalen; Anmerkung des Verfassers] Gruppenprozesse, das sich nicht allein anhand der Persönlichkeitsstruktur einzelner Mitglieder erklären läßt, darauf hin, daß ein informales soziales und politisches System mehr als die Summe seiner Teile ist.“626 Ohne im Einzelnen auf psychosoziale Aspekte einzugehen, können mit (nichtlinearen) Wechselbeziehungen in Schattensystemen Merkmale wie Emotionen, Freundschaft und Vertrauen überhaupt erst entstehen sowie beschrieben und erklärt werden.627 Da Koexistenz zwischen formalem und informellem System besteht, weist das Gesamtsystem Nichtlinearität auf.

1.8

Offenheit

Neben der Abkehr von ausschließlich linearen Denkmodellen wird in komplexen Systemen ein weiteres Gedankenkonstrukt infrage gestellt: Die Geschlossenheit von Systemen, die sich auf deren Grenzen bezieht. Komplexe Systeme können sowohl offen als auch geschlossen sein.628 Aus systemtheoretischer Perspektive dominieren Geschlossenheit und Selbststeuerung für soziale 621 622

623 624 625 626 627 628

Roethlisberger, F.J./Dickson, W.J. (2003), S. 559. Vgl. Mayntz, R. (1958), S. 13; Schein, E.H. (1980), S. 20; Freygang, L. (1999), S. 47ff, 58f zu den Elementen der informalen Organisation sowie deren Konfigurationsmuster. Vgl. McKergow, M. (1996), S. 722; Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 442; Stacey, R.D. (1997), S. 5. Vgl. Freygang, L. (1999), S. 47ff; Stacey, R.D. (1997), S. 5f. Vgl. Grün, O. (1966), S. 18; Mayntz, R. (1958), S. 13. Stacey, R.D. (1997), S. 6; vgl. Stacey, R.D. (2003b). Vgl. Schreyögg, G. (2003), S. 14f. Vgl. Foerster, H. von. (2000), S. 145ff; Beer, S. (1963), S. 24ff. Dies wird im angloamerikanischen Schrifttum auch als „open system“ bezeichnet. Vgl. Bertalanffy, L. von (1950), S. 23ff; Scott, W.R. (1992). Ausgangspunkt für diese Betrachtungsweise bildet die Systemtheorie und die „Theorie offener Systeme“ VON BERTALANFFYs. Vor allem in den Naturwissenschaften wurde Offenheit eingeführt und weiterentwickelt, um Erklärungen für Wachstumsprozesse, Anpassungsvorgänge und teleologische Verhaltenformen zu liefern.

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107 629

Systeme, d. h. die Umwelt legt nicht Ablauf und Ergebnis organisationaler Prozesse fest.

Im

Umkehrschluss hat das jedoch nicht die vollständige Autonomie der Systeme zur Folge, da Impulse aus der Umwelt zur Aufrechterhaltung der Existenz benötigt werden.630 Diese Auffassung entspricht dem klassischen Verständnis der Evolutionstheorie. „System und Umwelt bedingen sich gegenseitig, und die Wechselwirkungen zwischen ihnen bilden die Grundeinheit des natürlichen Evolutionsprozesses.“631 Komplexe Systeme gelten damit als „selektiv-offene“ bzw. „partiell-autonome“ Systeme, die dauerhaft Balance zwischen Offenheit und Geschlossenheit suchen, um sich den wechselnden Umweltbedingungen anpassen zu können.632

Offenheit nimmt in komplexen Systemen zwei Ausprägungsformen an: partizipativ und reflektiv.633 Diese Unterteilung, die ursprünglich für die Differenzierung von Individuen genutzt wurde, wird im vorliegenden Kontext auf Organisationen und ihre Umwelt übertragen. Partizipative Offenheit bezieht sich auf unidirektionales Mitteilen von Zuständen. Dies entspricht der Repräsentation der Organisation gegenüber der Systemumwelt. Im Gegensatz dazu bezieht reflektive Offenheit die Reaktion der Umwelt ein und unterstützt die Lernfähigkeit des Systems. Der Austausch erfolgt in zwei Richtungen, aus dem System heraus und wieder hinein.634 Im Folgenden wird ausschließlich die reflektive Offenheit betrachtet, jedoch zu Gunsten der sprachlichen Vereinfachung der Oberbegriff Offenheit verwendet.

Im Zusammenhang mit der Differenzierung geschlossener und offener Systeme stellt sich die Frage nach der Art und Ausprägung von Systemgrenzen. Im Gegensatz zu klassischen Denkmustern, in denen die physischen Grenzen einer Organisation mit den Systemgrenzen übereinstimmen, sind diese aus komplexitätswissenschaftlicher Perspektive in Abhängigkeit von der Erklärungs- und Beschreibungszielsetzung zu präzisieren, die wiederum von der Rolle des Betrachters bei der Beobachtung von komplexen Systemen abhängen.635 Dies heißt jedoch nicht, dass auf

629 630

631

632 633 634 635

Vgl. Neumann, R. (2000), S. 151. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 22ff. Dies wird in der Literatur auch als „operative Geschlossenheit“ bezeichnet. Vgl. Kasper, H./Mayrhofer, W./Meyer, M. (1998), S. 608. Vgl. Popper, K.R. (1957); Hayek, F.A. von (1980). Ähnlich fordern POPPER und HAYEK, sich an einer Vorstellung von einer offenen Gesellschaft bzw. System zu orientieren, um die Mängel klassischer Theorien überwinden zu können. Ulrich, H./Probst, G. (1995), S. 51. Zustandsänderungen offener Systeme sind von Austauschrelationen der Strömungsgrößen mit der Umwelt und systeminternen Rückkopplungsprozessen abhängig. Bleiben die Strömungsgrößen unverändert oder sind nicht gleich Null, etabliert sich in einem offenen System ein Fließgleichgewichtszustand. Vgl. Mingers, S. (1996), S. 42; Probst, G.J./Gomez, P. (Hrsg.) (1993), S. 5; Probst, G.J. (1992), Sp. 2255ff. Vgl. Senge, P.M. (1990), S. 333ff. Vgl. Senge, P.M. (1990), S. 277; Nicolis, G./Prigogine, I. (1987), S. 31. Vgl. konstruktivistische Grundlagen in Teil I. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 407ff. Dieser Prozess wird in der amerikanischen Literatur als framing bezeichnet. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 4. Die Aussagen zweier konstruktivistisch orientierter Vertreter „Systeme haben Grenzen“ (Luhmann, N. (2002), S. 52) und „no boundaries really exist in a complex system“ (Richardson, K.A. (2001), S. 231) widersprechen sich nur dem ersten Anschein nach, da RICHARDSON seine Aussage relativiert, indem er von Strukturstabilität ausgeht. Vgl. Richardson, K.A. (2001), S. 231f.

108

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Systemgrenzen verzichtet werden kann, da sonst Strukturen und nicht Systeme betrachtet werden.636 Als Systemgrenze können z. B. die gemeinsam geteilten Verhaltensmuster der Organisationsmitglieder aufgefasst werden, die einen durchlässigen aber dennoch separierenden Rahmen bilden. Die Systemgrenzen trennen zwar die Elemente aber nicht die Relationen, so dass diese sowohl für Differenzierung als auch für Verbindung zwischen Systemen sorgen. Die Grenzen gelten in sozialen Systemen nicht als fix, sondern veränderbar, da die Mitglieder und die Organisation selbst (konstituierend wird eine Unterscheidung zwischen Organisationsmitgliedern (z. B. Personen) und der Organisation als Gesamtsystem sowie der Umwelt eingeführt637) permanent ihre Grenzen gegenüber der Umwelt gestalten. Durch die Anpassung und Gestaltung der Systemgrenzen wirken Organisationen auf ihre Umwelt zurück.638

Im Zusammenhang mit Systemgrenzen in Organisationen (Offenheit von Systemgrenzen) wird in der Literatur zur Charakterisierung von komplexen Systemen auch Fraktalität als Strukturmerkmal genannt.639 Solche Systeme sind durch das Fehlen von eindeutig identifizierbaren Grenzen charakterisiert. Sie zeichnen sich durch Selbstähnlichkeit aus und verfügen damit über vergleichbare Eigenschaften wie Organisationen.640 Abbildung III-7 stellt eine mögliche Stabilitätsverteilung der Grenzen am Beispiel technischer und sozialer Systeme gegenüber. In technischen Systemen kann von persistenten und stabilen Grenzen ausgegangen werden, die als absolut gelten. Im Gegensatz dazu sind in Organisationen die Grenzen derart „flüchtig“, dass sie als nicht existent und nicht nachweisbar wahrgenommen werden.641 In Anlehnung an RICHARDSON und LISSACK wird in der Abbildung deutlich, dass mit steigender Instabilität und „Flüchtigkeit“ der Grenzen die Auftrittswahrscheinlichkeit sozialer Systeme wächst. Mit der „gedachten“ Diagonalen soll das Vorkommen technischer und sozialer Systeme in Abhängigkeit zur Stabilität skizziert werden. Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass für instabile soziale Systeme vereinzelt Verständnis- bzw. Erklärungslücken bestehen.

636

637

638

639 640

641

Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 52. Eindeutig definierte Systemgrenzen bilden sich in informellen Systemen – im Gegensatz zu formellen Systemen – nicht aus. Der Übergriff auf informelle Systeme anderer Organisationsteile oder fremder Organisationen wird ermöglicht. Sie werden von verschiedenen Autoren als wesentliche Interaktionsrouten bezeichnet, da nur hier ausreichende Durchlässigkeit zwischen den Grenzen gewährleistet ist. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 269 (Fn 48); Krackhardt, D./Hanson, J. (1993), S. 105; Stacey, R.D. (1997), S. 6. Vgl. Barnard, C.I. (1968). Diese Annahme erfolgt in Abgrenzung zum Scientific Management und zur HumanRelations-Bewegung, die keine explizite Trennung vornimmt. Vgl. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 163. Vgl. Luhmann, N. (2002), u. a. S. 22f, der die Differenz von System und Umwelt herausstellt und damit gleichzeitig auf die Wechselwirkungen aufmerksam macht. Vgl. auch Galal, H./Nolan, R.L. (1995). Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 220. Ein augenfälliges Beispiel für fraktale Phänomene bietet die Betrachtung der britischen Küstenlinie. Dabei zeigt sich, dass diese länger wird, je feiner der Maßstab gewählt wird. Obwohl die Fläche Großbritanniens nicht unendlich groß ist, geht die Länge der Küste bei immer weiterer Vergrößerung in Richtung unendlich. Vgl. Mandelbrot, B.B. (1991); Richter, K./Rost, J.-M. (2002). Vgl. Richardson, K.A. (2001), S. 235ff.

109

Soziale Systeme

Technische Systeme

Soziale Systeme Technische Systeme

Verständsnis-/ Erklärungslücke

instabil

stabil

Auftrittshäufigkeit/Vorkommen

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Stabilitätsverteilung

Abbildung III-7: Beispielhafte Stabilitätsverteilung von Grenzen in technischen und sozialen Systemen642

Eine Annahme der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie sowie der Kontingenzansätze in den Organisationswissenschaften lautet, dass Aktivitäten und Strukturen der Organisation ohne Bezug zur Umwelt nicht nachzuvollziehen sind, da diese Anpassungsdruck auf die Organisation ausübt.643 Deutlich wird dies ferner am Beispiel von umweltabhängigen Ressourcen, die die Handlungsmöglichkeiten der Organisation stark beeinflussen.644 „The survival of an organization depends upon the maintenance of an equilibrium of complex character in a continuously fluctuating environment of physical, biological, and social materials, elements, and forces, which calls for readjustment of processes internal to the organization.”645 Die wachsende Bedeutung ressourcenorientierter Ansätze in den 1990er Jahren unterstreicht dies.646 In dieser Arbeit wird daher die Auffassung zu Grunde gelegt, dass komplexe Systeme über Grenzen verfügen, um sich von der Umwelt zu differenzieren, ohne dabei geschlossen zu sein.647

642 643

644 645 646

647

Vgl. Richardson, K.A./Lissack, M.R. (2001), S. 41. Vgl. u. a. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 133ff. Vgl. grundsätzlich zu Organisationsgrenzen und Funktionen von Grenzstellen Tacke, V. (1997), S. 1ff. Vgl. zur Bedeutung des ressourcenorientierten Ansatzes III-2.2.3.1. Barnard, C.I. (1968), S. 6. Vgl. Barney, J.B. (1991), S. 99ff; Barney, J.B. (2001), S. 643ff; Hamel, G./Prahalad, C.K. (1994); Prahalad, C.K./Hamel, G. (2005), S. 148ff. Vgl. Luhmann, N. (2002); Maturana, H.R./Varela, H.J. (1988).

110

1.9

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Begrenzte Rationalität

Komplexe Systeme handeln für den Beobachter z. T. irrational, d. h. es zeigen sich unerwartete Verhaltensweisen. Eine Begründung hierfür besteht darin, dass nicht in jedem Element „vollständige“ Informationen zur Entscheidungsfindung vorliegen. Wäre dies der Fall – was der Annahme zahlreicher klassischer ökonomischer Theorien (z. B. bei der Annahme „vollständiger“ Markttransparenz648) entspricht – so wäre jedem einzelnen Element die Komplexität des Gesamtsystems inhärent. Folglich würde die Kapazität eines Einzelelements die physische Obergrenze (vgl. BREMERMANsches Kapazitätsmaximum) übersteigen.649 Der Annahme der Bündelung „vollständiger“ Information (hier: Rationalität) in einem einzelnen Element wird damit widersprochen.650

Auch organisationale Elemente agieren begrenzt rational, wobei die Begrenzungen in zwei Formen differenziert werden können: Verarbeitungs- bzw. Fähigkeits- (capabilities) und Kenntnisbegrenzungen (knowledge). Verarbeitungsgrenzen beziehen sich auf die kognitive und physische Architektur des Elements bzw. des Organisationsmitglieds, während Kenntnisgrenzen die (Un-)Fähigkeit des Lernens und des Vergessens betreffen. Die Position des Organisationselements bestimmt den Zugang zu den Informationen.

In der Organisationstheorie – besonders in klassischen und neoklassischen Ansätzen (vgl. III2.2) – werden Organisationen als intentionale und rationale (d. h. zielgerichtete) Systeme aufgefasst, die auf die Erfüllung eines bestimmten Zwecks ausgerichtet sind. Die Analyse von organisationalen Entscheidungen zeigt jedoch, dass die in neoklassischen Theorien zu Grunde gelegten rationalen Wahlentscheidungen nur einen kleinen Teil und damit einen stark verengten Ausschnitt widerspiegeln.651 Erstens handelt es sich bei der Mehrzahl der Handlungen nicht um Entscheidungen, sondern um die Ausführung von Regeln und Befehlen mit stark eingeschränkten Wahlmöglichkeiten. Zweitens ist die Zielsetzung, eine „optimale“ Entscheidung treffen zu können, besonders unter Berücksichtigung begrenzter Rationalität, nur in strukturierten Entscheidungssituationen möglich, also überwiegend auf unteren Hierarchieebenen. „Entscheidungen, die mehr Komplexität und Unsicherheit beinhalten, weichen vom Modell der ökonomisch rationalen

648 649

650 651

Vgl. Simon, H.A. (1957b), S. 170ff; Arthur, B.W. (1990), S. 92ff. BREMERMAN konnte mathematisch nachweisen, dass für jedes System eine ermittelbare Verarbeitungskapazitätsgrenze besteht. Vgl. Bremerman, H.J. (1962), S. 93ff. Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 116ff; Selten, R. (1999b). Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 29; Bäcker, A. (1996). Eine Entscheidung kann dabei objektiv rational genannt werden, wenn sie tatsächlich das richtige Verhalten zur Maximierung gegebener Variablen in einer Situation ist. Sie ist hingegen subjektiv rational, wenn sie die Zielerreichung relativ zum tatsächlichen Wissen des Individuums maximiert. Vgl. zum Mülleimer Modell Cohen, M.D./March, J.G./Olsen, J.P. (1972).

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme 652

Wahl mehr oder weniger dramatisch ab.“

111

Drittens mangelt es dem rationalen Paradigma der

Entscheidungslogik an der Einbeziehung persönlicher Aspekte, wie individuelle Präferenzen, besondere Abhängigkeiten und Machtfragen. Zwar ist mit der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie bereits die verengte Perspektive aufgeweicht worden, dennoch setzt sie an der neoklassischen Theorie der Unternehmung, d. h. rationalen Wahlakten, an.653

Eine Ursache für das Bestehen von Organisationen ist die Fähigkeit, die begrenzte Rationalität der einzelnen Entitäten zu überwinden. Diese beziehen sich auf vier Limitationen:654 x

Kognitive Limitationen

Entitäten als begrenzt rationale Elemente sind dazu gezwungen, ihre Kräfte zu bündeln, um in der Institution ‚Organisation’ ein höheres Leistungsniveau zu erreichen. x

Physische Limitationen

Entitäten sind aufgrund ihrer Physiologie und wegen der für sie verfügbaren Ressourcen physisch beschränkt. Daher ist eine Koordination der Aktivitäten erforderlich. x

Temporale Limitationen

Entitäten habe eine natürlich befristetet Lebensdauer, so dass Kooperation erforderlich ist, um Ziele zu erreichen, die die Lebensdauer einer einzelnen Entitäten übersteigen. x

Institutionale Limitationen

Entitäten sind gesetzlich beschränkt und müssen deshalb einen organisatorischen Status erhalten, um als Organisationselement und nicht als einzelne Entität wahrgenommen zu werden.

Vor dem Hintergrund der Überlebens- bzw. Bestandssicherung der Organisation (vgl. III-1.2) zeigt sich, dass die vier die Rationalität einschränkenden Aspekte positiven Einfluss auf die Überlebenssicherung erzeugen können, da nur in Verbindung mit der Institution „Organisation“ persönliche Ziele (besser) erreicht werden können. Eine derart funktional verstandene Rationalität enthält eine auf das globale Organisationsziel ausgerichtete organizational rationality oder das persönliche Ziel betreffende personal rationality,655 die LUHMANN als Systemrationalität bezeichnet und damit von der Rationalität neoklassischer Theorien abweicht.656

652 653 654 655 656

Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 166. Vgl. Majumdar, M. (Hrsg.) (1998); Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 134. Vgl. Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 300f. Vgl. Simon, H.A. (1979), S. 502f. Vgl. Selten, R. (1999b); Luhmann, N. (2000), S. 444f sowie Luhmann, N. (1999a) in Abgrenzung zur alteuropäischen (Rationalitäts-)Tradition, in der die Welt für perfekt gehalten und Rationalität als Weltkontinuum unterstellt wird. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 639.

112

1.10

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

Selbstorganisation

Ein stabiles Gleichgewicht beschreibt den Zustand eines Systems, bei dem dieses regelmäßig seine Verhaltensmuster wiederholt und für Verhaltens- bzw. Zustandsänderung signifikante Widerstände überwunden werden müssen.657 Dagegen nimmt in komplexen Systemen, in denen sich der Systemzustand durch Umweltanpassung verändert (vgl. Offenheit) und nicht automatisch in seine ursprüngliche Ausgangsposition zurückfindet, das Gleichgewicht instabile Formen an. Das entstehende „Un-Gleichgewicht“ bzw. instabile Gleichgewicht entwickelt sich weder zu einem chaotischen noch zu einem Zustand stabilen Gleichgewichts, sondern zu einem dynamischen Gleichgewicht mit selbstorganisierter Ordnungsbildung.658 Grundlage dieser Form der Ordnungsbildung in komplexen Systemen ist das Vorhandensein von Selbstorganisation, Emergenz, Selbstreferenz und Autopoiese.659 Trotz der bestehenden Rekursivität und Interdependenz zwischen den Merkmalen wird in dieser Arbeit eine Differenzierung vorgenommen, um die unterschiedlichen Wirkungsweisen zu verdeutlichen.660

Komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen liegt das Gedankenmodell einer „Ordnung zum Nulltarif“661 zu Grunde, nach dem in komplexen Systemen endogene Ordnungskräfte (Ordnung durch Selbstorganisation) gegenüber einer ordnungsbildenden Kraft des Zufalls sowie exogen induzierte Selektion wesentlichen Einfluss ausüben.662 Natürliche Selektion darwinscher Prägung bzw. Fremdbestimmung werden damit als alleinige Kräfte der Ordnungsbildung abgelehnt, die Selbstbeeinflussung des Systems angenommen und partielle Autonomie unterstellt (vgl. Offen-

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662

Beispielhaft stehen hierfür klassische Volkswirtschaftstheorien, in denen Märkte als sich im Gleichgewicht befindliche Systeme betrachtet werden. Vgl. Herreiner, D.K. (1996), S. 119; Gutenberg, E. (1984), S. 202ff. Nachfragesteigerungen führen zu Verknappung und damit zu Preissteigerungen, welches wiederum eine Erhöhung des Angebots auslöst. Stark vereinfacht gesprochen wird davon ausgegangen, dass sich bei konstanter Nachfrage Preis und Angebot nicht verändern. Jede Preismodifikation abseits des Gleichgewichts führt zu einer unmittelbaren Anpassung der Nachfrage und des Angebots. Erst ein erheblicher Eingriff kann dieses Gleichgewichtsstreben aufbrechen. Vgl. Perich, R. (1993), S. 208. Diese Sichtweise ist von klassischen ökonomischen Modellvorstellungen beeinflusst und weist auf den ursprünglichen engen Bezug der Betriebswirtschaftslehre zur Nationalökonomie hin. Das Bürokratiemodell WEBERs und das struktural-funktionalistische Paradigma von PARSON ist das Fundament der traditionellen Organisations- und Managementlehre. Vgl. Weber, M. (1976); Parsons, T. (2002), S. 24ff; Parsons, T. (2003); Kasper, H. (1991); Krohn, W./Küppers, G. (1990), S. 303ff; Krohn, W./Küppers, G. (1992), S. 31ff. CILLIERS kritisiert diese idealisierten Modellvorstellungen und beschreibt Gleichgewicht als „another word for death.“ Cilliers, P. (2000b), S. 4. Vgl. Perich, R. (1993), S. 208; Ashby, W.R. (1968c), S. 108ff. Zur Selbstorganisation als Phänomen in den Wissenschaften vgl. Krohn, W./Küppers, G. (1990), S. 303ff: Stichweh, R. (1990), S. 265ff. KAUFFMAN spricht von der „spontaneous emergence of order, the occurrence of self-organization”. Kauffman, S.A. (1993), S. XIII. Ähnlich beurteilen dies: Stacey, R.D. (1997), S. 224; Kappelhoff, P. (2000a), S. 359, 366ff; Waldrop, M.M. (1993), S. 103ff; Malik, F. (2003b), S. 213, 394; Knyphausen, D. zu (1988), S. 259ff. Ähnlich argumentieren weitere Autoren im theoriegeleiteten und praxisbezogenen Kontext, die signifikante Interdependenzen zwischen den Begriffen ausmachen und zum Teil die Begriffe nicht trennen. Vgl. Kirsch, W. (1997c); Dondl, P. (1992); Sydow, J. (1992); Goldstein, J. (1999), S. 55f; Cezanne, M. (1999). Vgl. Flämig, M. (1998); Hernes, T. (2003); Dondl, P. (1992); Benseler, F. (Hrsg.) (1980). Diese wird auch als „Ordnung umsonst“ bezeichnet und orientiert sich an der Metapher von SMITH, der bei der Ordnungsbildung von einer „invisible hand“ spricht. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 54. Vgl. Kauffman, S.A. (1995), S. 71ff; Anderson, P. (1999b), S. 218; Stacey, R.D. (1997), S. 5ff; Probst, G.J. (1992), Sp. 2255.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

113

heit), so dass Selbstorganisation nur in Systemen (Ganzheiten) entsteht, die eine Einheit bilden und eine Identität besitzen.663 Voraussetzung für Autonomie ist eine ausreichend lose Kopplung zwischen den Systemelementen („loosly coupled systems“), die Handlungsspielräume für die Entitäten zulassen.664 In organisationstheoretischen Zusammenhängen werden diese auch als Redundanz hinsichtlich Beziehungen und Ressourcen, also Redundanz der Funktionen („organisational slack“), bezeichnet.665

Nach klassischem Verständnis ist Ordnung das Ergebnis von Fremdorganisation, die somit idealtypisch als künstliche, zentral induzierte Ordnung verstanden wird.666 Der Gedanke der Selbstorganisation widerspricht dem klassischen Verständnis und stellt diesem die autonome und autogene Selbstorganisation ohne eine zentrale Steuereinheit gegenüber.667 Nach autonomer Selbstorganisation entsteht Ordnung selbstbestimmt. Bildet sich diese durch die Eigendynamik komplexer Systeme von selbst, liegt autogene Selbstorganisation vor.668 Musterbildung und Ordnung regulieren sich ohne bewusste Entscheidung der Elemente, so dass Selbstorganisation eine Eigenleistung des Systems darstellt.669

Der Einfluss von Selbstorganisation auf die Entwicklung der Organisationswissenschaften ist erheblich.670 In der vorliegenden Arbeit wird sich auf dissipative Selbstorganisation bezogen, die von der konservativen Selbstorganisation zu unterscheiden ist, da sich diese Variante primär auf naturwissenschaftliche Phänomene bezieht, deren Veränderungen reversibel sind.671 Dissipative Selbstorganisation rekurriert hingegen auf Strukturen, die irreversible Modifikationen aufweisen

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Kauffman, S.A. (1993), S. XIII. Neben der natürlichen Selektion sieht KAUFFMAN in der Selbstorganisation einen weiteren Treiber für Evolution. Vgl. ebenso Stacey, R.D. (1997), S. 224. Autonomie liegt vor, wenn sich die Elemente, Beziehungen und Interaktionen, die das System als Einheit und damit seine Identität definieren, lediglich auf das System selbst beziehen. Vgl. Probst, G.J. (1992), Sp. 2259. Vgl. Weick, K.E. (2005b), S. 1ff; Weick, K.E. (1977), S. 31ff¸ Staehle, W.H. (1991), S. 313ff. „Der Begriff der Redundanz bezeichnet überzählige Möglichkeiten, die aber gleichwohl eine Funktion erfüllen.“ Luhmann, N. (2002), S. 237. Vgl. Schreyögg, G./Werder, A. von (2004), S. 971; Schrödinger, E. (1945), 143ff in Abgrenzung zum Ordnungsbegriffsverständnis von KAUFFMAN. Vgl. Waldrop, M.M. (1992), S. 126f. LUHMANN vertritt die Auffassung, dass Systeme (dichotom) entweder autopoietisch (selbst hergestellt) oder allopoietisch (von außen gemacht) sind, während KIRSCH und ZU KNYPHAUSEN von einem gradualistischen Autopoiesekonzept sprechen, das einen fließenden Übergang zwischen beiden Extremfällen ermöglicht. Vgl. Kirsch, W./Knyphausen, D. zu (1991); Kirsch, W. (1997c); Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 178ff; Luhmann, N. (2002). Vgl. Haken, H. (2000); Haken, H. (1985); Hayek, F.A. von (1980), S. 35. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 5ff; Goldstein, J. (1999), S. 64f; Perich, R. (1993), S. 208; Sydow, J. (1992), Wolf, J. (2005). Vgl. u. a. Jutzi, K./Aderhold, J. (2003), S. 243 ff; Bierfelder, W.H. (1991); Göbel, E. (2004), Sp. 1313ff mit dem Population-Ecology-Ansatz sowie das Konzept der „Lernenden Organisation“. Eine ausführliche Übersicht zum Ursprung der Selbstorganisation in der Kybernetik, Biologie, Physik und Chemie findet sich bei Probst, G.J. (1987a, 1987b). Vgl. Mainzer, (1996), S. 4. Die Systeme befinden sich im (thermischen) Gleichgewicht (z. B. Wasserdampf, Wasser, Eiskristall).

114

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

(vgl. Merkmal der Pfadabhängigkeit).672 Auslösendes Moment für die Untersuchung von Selbstorganisation im organisationstheoretischen Kontext war die Beobachtung einer sich selbst ordnenden Kraft, die in der Nationalökonomie als „unsichtbare Hand“ bezeichnet wurde.673 Die Bedeutung von Selbstorganisation lässt sich auf drei Aspekte komprimieren.674 (1) Aus wissenschaftstheoretischer Perspektive wird mit ihr die Deutung spontaner Ordnungsbildung in Organisationen möglich.675 (2) Der anwendungsorientierte und ordnungsstiftende Standpunkt bedient sich der Selbstorganisation u. a. bei der Konfliktbewältigung.676 Organisation steht für die Ordnung eines komplexen sozialen Systems.677 (3) In der unternehmerischen Praxis zeigt sich Selbstorganisation als Selbstkoordination und -strukturierung, die z. B. in Form von self directed teams institutionalisiert werden – jedoch weiterhin eines externen Impulses bedürfen.678 Ein Sonderfall der Selbstorganisation ist die selbstorganisierte Kritizität.679 Sie steht für ein Konzept zur Erklärung des Verhaltens zusammengesetzter Systeme aus zahlreichen Elementen (wie Organisationen). Informationen werden Element für Element weitergegeben und damit im Verlauf unbewusst oder bewusst verstärkt, angereichert oder verändert.680 Die zusammengesetzten Systeme erreichen kein Gleichgewicht, sondern bewegen sich von einem metastabilen Zustand zum nächsten. Synonym für selbstorganisierte Kritizität werden die Konstrukte „agieren abseits des Gleichgewichts“, „at the edge of chaos“ oder „system far from equilibrium“ genutzt,681 die am Modell des Sandhaufens illustriert werden können. Das Modell zeigt, dass der kritische (Gesamt-)Systemzustand robust ist, während das System an vielen Stellen Instabilität aufweist. Trotz der Anschaulichkeit des Phänomens Selbstorganisation konnte bisher keine konsistente Theorie selbstorganisierter Sozialsysteme vorgelegt werden.682 672

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Eine Struktur (Organisation) wird als dissipativ bezeichnet, wenn sie nur durch Aufnahme von Energie erhalten bleibt. Das Antonym zu dissipativ ist konservativ. Vgl. Prigogine, G./Stengers, I. (1993), S. 179. Hinter dem Konstrukt der „unsichtbaren Hand“ verbirgt sich die zu dem Zeitpunkt der Begriffsprägung vorherrschende Unsicherheit über die Ursachen von sich selbst bildender Ordnung in Gesellschaften oder Volkswirtschaften. SMITH sprach zum damaligen Zeitpunkt von der „invisible hand“. Vgl. Smith, A. (1999). Vgl. Kieser, A. (1994), S. 199ff. Vgl. Hayek, F.A. von (1980). Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 275ff. Vgl. Knyphausen, D. zu (1988), Kapitel 4. Vgl. Mitleton-Kelly, E. (2003b), S. 41f; Kieser, A. (1994), S. 219. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 96ff; Kappelhof, P. (2003a), S. 7. „Die Theorie der selbstorganisierten Kritizität ist holistisch: Die globalen Merkmale – etwa das Verhältnis von großen zu kleinen Ereignissen – hängen nicht von mikroskopischen Mechanismen ab. Folglich lassen sie sich auch nicht durch die separate Analyse der einzelnen Komponenten verstehen. Unseres Wissens ist die selbstorganisierte Kritizität bisher das einzige Modell oder der einzige mathematische Formalismus, der eine holistische Theorie dynamischer Systeme geliefert hat.“ Bak, P./Chen, K. (1991), S. 63f. Vgl. Cilliers, P. (2000b), S. 4. Vgl. Carley, K.M. (2002a), S. 228; Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 443; Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000), S. 148ff; Kappelhoff, P. (2000b), S. 348ff; Stacey, R.D. (1997), S. 33ff, 134ff; Waldrop, M.M. (1993), S. 13ff. Vgl. Flämig, M. (1998), S. 17ff; Probst, G.J. (1987b), S. 242ff; Wolf, J. (2005), S. 318.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

1.11

115

Selbstreferenz

Ein wesentlicher Baustein für Selbstorganisation ist Selbstreferenz, die auch als zirkuläre Kausalität, Reflexivität bzw. Selbstbeobachtung bezeichnet wird und als charakteristische Eigenschaft komplexer Systeme gilt.683 „Der Begriff Selbstreferenz bezeichnet die Einheit, die ein Element, ein Prozess, ein System für sich selbst ist.“684 Die Einheit des Systems kommt durch Aktivitäten (des Systems) zu Stande, die eine Identifikation erlauben und schließlich zu einer „Systemidentität“ führen.685 „Wichtig ist, dass Selbstreferentialität nicht als Isoliertheit begriffen wird: Selbstreferentielle Systeme sind in aller Regel durchaus von außen beeinflussbar.“686 LUHMANN unterstreicht, dass sich Selbstreferenz und Offenheit in sozialen Systemen nicht widersprechen687, welches anhand des folgenden Beispiels illustriert werden kann: Verändert eine Organisation (ein Unternehmen) ihre Preisgestaltung, so wirkt dies über den Markt (Offenheit) auf die Ertragssituation des Unternehmens zurück und nimmt wiederum Einfluss (Selbstreferenz) auf die Preisgestaltung.688

1.12

Emergenz

Emergenz drückt das Entstehen neuer und kohärenter Strukturen, Verhaltensmuster und Eigenschaften zu höheren und besser angepassten Ordnungen in komplexen Systemen aus.689 „Emergence [...] refers to the arising of novel and coherent structures, patterns, and properties [im Sinne von „Ordnung”, Anmerkung des Verfassers] during the process of self-organization in complex systems.”690 Diese Ordnungen basieren auf einfachen Prozessen und Interaktionen auf Mikroebene, die sich auf der Makroebene (emergent) zeigen.691 Den Auslöser emergenten Verhaltens bilden Störungen des Systemgleichgewichts. Emergenz ist demnach keine vorgegebene Ei-

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690

691

Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 58, 183f. Luhmann, N. (2002), S. 58. Vgl. Probst, G.J. (1992), Sp. 2259. Roth, G. (2000), S. 241 ROTH wählt als Beispiel für ein geschlossenes System das menschliche Gehirn. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 63. Vgl. Probst, G.J. (1992), Sp. 2259. Vgl. Johnson, P.E. (1999), S. 1522; Standish, R.K. (2001), S. 1ff. Die naturwissenschaftlich-technische Bedeutung von Emergenz, wie sie heute von Komplexitätswissenschaftlern genutzt wird, geht auf den englischen Philosophen LEWES (vgl. Lewes, G.H.. (1875)) zurück. Vgl. Capra, F. (1996), S. 42. Goldstein, J. (1999), S. 49. Ähnlich lautende Beschreibungen wählen HOLLAND und NOWACK/LATANÉ. Vgl. Holland, J.H. (1998); Nowack, A./Latané, B. (1995). Vgl. Goldstein, J. (1999), S. 49; Bankes, S.C. (2002a), S. 7200; Luhmann, N. (2002), passim. Die Abgrenzung zur Autopoiese wird an der Entstehung eines kohärentem „Neuen“ deutlich. Hier wird ausschließlich konstruktive Emergenz in Abgrenzung zur destruktiven Variante betrachtet. Emergenz macht sich bei der Bildung und Betonung von organisationalen Grenzen destruktiv bemerkbar, wenn dies zu einer ausgeprägten Selbstreferenz des Systems führt. Sie findet breite Beachtung in der Wissenschaft. Vgl. die Zeitschrift Emergence: Complexity and Organizations sowie HOLLANDs Buch Emergence – From oder to chaos (1998).

116

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

genschaft, sondern entfaltet sich mit der zeitlichen Weiterentwicklung des Systems. Als dynamisches Konstrukt ist sie mit dem Entstehen neuer Attraktoren verbunden.692

Dass Emergenz nicht nur für komplexe Systeme, sondern auch für Organisationen eine zentrale Eigenschaft darstellt, kann anhand von informalen Organisationen verdeutlicht werden (vgl. Nichtlinearität).693 Wesentliche Charakteristika solcher Organisationen, wie Spontaneität, informale Strukturen, neue Prozesse und Gruppen, die außerhalb der formalen Organisation entstehen, werden durch Emergenz ermöglicht,694 denn „macro social outcome is also more than the sum of its parts. This concept, known as emergence, was anticipated by Durkheim: ‘The hardness of bronze lies neither in the copper, nor the tin, nor in the lead which have been used to form it, which are all soft or malleable bodies. The hardness arises from the mixing of them.’ The principle applies as well to sociology, he continued: ‘[Social] facts reside in the society itself that produces them and not in its parts namely its members’.”695 Jedoch darf Emergenz nicht als Erklärung für jede Form der spontanen Veränderung in Organisationen herangezogen werden. Ferner kann mithilfe des Konstrukts Emergenz eine neue Sichtweise auf das Herausbilden von Führung und Herrschaft in Organisationen gewonnen werden.696 “[O]rganizations are structured, patterned systems of activity, knowledge, culture, memory, history, and capabilities that are distinct from any single agent. […] organizations and many organizational phenomena and characteristics are “supraindividual” phenomena: they exist at a level independent of specific individual behaviors or attributes, such as an aggregate level or as a type.”697 Daraus ergibt sich eine eingeschränkte analytische Lösbarkeit, die eine begrenzte Vorhersagbarkeit von Systementwicklungen nach sich zieht.

Die in Abbildung III-8 dargestellte Matrix setzt die Quellen organisationaler Strukturbildung und -art miteinander in Beziehung. Im organisationalen Kontext bildet Emergenz demnach die Grundlage für die Entstehung so genannter emergenter Netzwerke, die durch partizipative Führungsprinzipien und Selbstorganisation als strukturbildende Quelle entstehen. Während Team692

693 694 695 696 697

Ein Attraktor ist eine Teilmenge der möglichen Extremzustände eines dynamischen Systems, die das System nach hinreichendem Zeitfortschritt aufsucht und die sich unter der Dynamik nicht ändern. Beispiele sind stabile Fixpunkte, Grenzzyklen und so genannte seltsame Attraktoren („strange attractors“) chaotischer Systeme (vgl. Sprott, J.C. (1993)). Komplexe Systeme streben nach diesen Extremzuständen, auch wenn sie dafür auf dem Weg zu einem Attraktor zwischenzeitlich eine nachteilige Position einnehmen müssen. Das unterscheidet komplexe von allen weiteren Systemen, die diesen befristeten „Abstieg“ nicht vornehmen können. Durch die Dynamik verändern sich diese Attraktoren, so dass die Systeme kontinuierlich auf der Suche nach neuen sind. Unmittelbar damit ist das Phänomen der Bifurkation (Zwei-Teilung) und das der Fitness Landscapes verknüpft. Vgl. Stacey, R.D. (2003a). Vgl. McKelvey, Bill (2003a), S. 99ff. Vgl. Stacey, R.D. (2000), S. 35ff hier in Bezug auf Wissensmanagement. Macy, M.W./Willer, R. (2002), S. 146f; vgl. auch Durkheim, É. (1995). Vgl. Goldstein, J. (1999), S. 65f. Vgl. Gasser, L. (2001), S. 5.

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

117

bildung (ursprünglich basierend auf dem Total-Quality-Management-Gedanken) hierarchiegeleitet ist,698 können emergente Netzwerke sowohl intra- als auch intergruppenspezifische

selbstorganisiert

Informelle Führung

Emergente Netzwerke

extern auferlegt

Quelle der Struktur

Dynamiken enthalten.

Weisung und Kontrolle

Festgelegte Teams

hierachisch

partizipativ

Art der Struktur Abbildung III-8: Emergenz und organisationale Dynamik699

Vereinzelt wird das Konstrukt Emergenz in Systemen aufgrund des noch wenig ausgereiften Entwicklungsstands kritisiert. „[I]t [Emergenz, Anmerkung des Verfassers] is simply an epistemic recognition of the inadequacy of any current theory for deriving macro-level properties from micro-level determinants”700 und hat jedoch bis zur Genese eines aussagekräftigeren Gedankenmodells Relevanz.

1.13

Autopoiese

Ein System, dessen Funktion darauf ausgerichtet ist, sich selbst unter Wahrung der eigenen Identität zu bilden und zu erneuern sowie seine Grenzen selbst festzulegen, wird als autopoietisches System bezeichnet.701 Entsprechend reproduzieren sich autopoietische Systeme, „indem sie in einer bestimmten räumlichen Einheit die Elemente, aus denen sie bestehen, in einem Produkti-

698 699 700 701

Vgl. Mohrman, S.A./Cohen, S.G./Mohrman, A.M. (1995), S. 39. Vgl. Goldstein, J. (1999), S. 66. Goldstein, J. (1999), S. 59. Vgl. Maturana, H. (1985), S. 77. Der Autopoiesegedanke hat zentrale Bedeutung bei der Zugrundelegung eines konstruktivistisch geprägten Ansatzes und steht damit im Einklang mit den wissenschaftstheoretischen Grundlagen, wie sie im einleitenden Kapitel dieser Arbeit vorgestellt werden. Autopoiese und Selbstorganisation sind begrifflich zu trennen. Vgl. Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003). Während Autopoiese die Selbstreferenz und Geschlossenheit (also „Selbstproduktion“) betont, akzentuiert Selbstorganisation primär die Offenheit der Systemgrenzen.

118

Teil III-1: Explikation von Komplexität anhand der Eigenschaften komplexer Systeme

onsnetzwerk wiederum mit Hilfe der Elemente herstellen, aus denen sie bestehen.“702 Auf diese Weise hält das System seine innere Ordnung und Identität gegenüber der Umwelt aufrecht, da völlige Offenheit nicht zur Konstitution von Systemen führt, und Systeme nur existieren, wenn Grenzen zur Umwelt bestehen (vgl. Eigenschaft Offenheit).

Der Extremfall organisationaler Autopoiese ist Veränderungsresistenz, also die Tendenz, im IstZustand zu verharren, mit der die Wandlungsunfähigkeit von komplexen Systemen erklärt werden kann.703 Die Ursache für diesen Konservativismus basiert auf der Überbetonung selbstreferentiellen Verhaltens autopoietischer Systeme. Anhand des Konservativismus wird die Analogie zur Organisation deutlich, da autopoietische Systeme über ein erhebliches Maß an Beharrungsvermögen bzw. Steuerungswiderstand verfügen, wie er z. B. in großen Organisationen auftreten kann.

Die Übertragbarkeit verschiedener autopoietischer Aktivitäten aus physikalischen, chemischen und biologischen Systemen auf formal strukturierte, soziale Systeme wird vereinzelt kritisch betrachtet.704 „Alle Übersetzungsversuche zwischen den verschiedenen Kontexten bleiben zwangsläufig partiell und unscharf. Damit hängt es von dem zu Grunde liegenden Bezugsrahmen des jeweiligen Forschers ab, welche Fruchtbarkeit der Anwendung des Autopoiesekonzepts auf Organisationen zugeordnet ist.“705 Jedoch haben vor allem MATURANA und LUHMANN dazu beigetragen, den abstrakten Autopoiesegedanken auf soziale Systeme – vor allem Organisationen – zu übertragen, da diese in der Lage sind, ihre Elemente durch ein Netzwerk selbst zu bilden und zu steuern.706 In der Literatur hat dies bisher jedoch noch nicht zur Herausbildung einer allgemein akzeptierten Zustimmung zur Übertragbarkeit des Autopoiesesgedankens auf Organisationen geführt. Dennoch wird in dieser Arbeit Autopoiese als zweckmäßiger (Teil-)Erklärungsansatz für das Verhalten von Organisationen betrachtet und eingesetzt sowie als Eigenschaft komplexer Systeme eingestuft.

702 703 704

705 706

Maturana, H.R. (1985), S. 58. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 189; Maturana, H.R. (1985), S. 287ff; Benseler, F. (Hrsg.) (1980). VARELA spricht selbst bei der Autopoiese von einem Spezialfall selbstreferentieller Geschlossenheit und beschränkt die Anwendbarkeit des Begriffs auf biologische Systeme. Vgl. Maturana, H.R. (2000), S. 119ff; Kirsch, W. (1997c), S. 185f. Besonders HEJL wehrt sich gegen eine Anwendung des Autopoiesegedankens auf Organisationen und knüpft seine Kritik an das Merkmal der Selbstreproduktion. Nach seiner Auffassung können soziale Systeme im Gegensatz zu selbsterhaltenden Systemen ihre Komponenten nicht selber erzeugen. Vgl. Hejl, P.M. (2003), S. 127ff. Nach HEJL sind soziale Systeme keine autopoietischen Systeme, sondern sie setzten sich aus diesen zusammen. Sein Standpunkt ist durch eine enge Auslegung von Organisationen als soziale Systeme und eine starke Orientierung an dem Autopoiesebegriff MATURANAs begründet. Die einschränkenden Beurteilungen HEJLs stellen eine Mindermeinung dar. Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 248. Vgl. Maturana, H.R. (1985); Maturana, H.R. (2000); Varela, F.J. (2000); Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003); Luhmann, N. (2002), S. 537, 555.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

1.14

119

Zwischenfazit

Aus der Vielzahl der definitorischen Spezifikationsversuche komplexer Systeme (vgl. II-2) wurden insgesamt zwölf Charakteristika identifiziert sowie voneinander abgegrenzt und mit den Eigenschaften von Organisationen verglichen. Anhand der Eigenschaften ist deutlich geworden, dass komplexe Systeme dem Profil von Organisationen entsprechen und somit die Betrachtung von Organisationen durch komplexitätswissenschaftliche Gedankenmodelle profitieren kann.

Mit der Identifikation der Eigenschaften wurde jedoch auch aufgezeigt, dass die Grenzen zwischen den Charakteristika nicht in jedem Fall trennscharf gezogen werden können und dass die verwendeten Termini variieren oder trotz inhaltlicher Unterschiede z. T. synonym verwendet werden. Darüber hinaus können durch fortschreitende Grundlagenforschung zu komplexen Systemen weitere Eigenschaften hinzukommen, und im Falle eines anderen Untersuchungskontextes kann eine abweichende Betrachtung der Eigenschaften komplexer Systeme zweckmäßiger sein. Die gewählte Einteilung darf daher nicht als absolut bzw. normativ aufgefasst werden.

Für den nachfolgenden Argumentationsgang werden die zwölf identifizierten Eigenschaften zu Grunde gelegt, um sowohl die Erklärungskraft organisationstheoretischer Ansätze als auch die Abbildungstreue von Simulationsmethoden für komplexe Systeme beurteilen zu können.

2

Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.1

Konzeptionelle Vorbemerkungen und Einordnung

Ein systematischer und vollständiger Überblick über organisationstheoretische Ansätze, die auf die Erklärung komplexer Systeme ausgerichtet sind bzw. das Verständnis unterstützen, fehlt bisher sowohl in der angelsächsischen wie auch in der deutschen Literatur, obwohl die Bedeutung eines solchen stets betont wird.707 Einzige nennenswerte Ausnahmen – jedoch bisher ohne strukturierende Wirkung – bilden im angloamerikanischen Sprachraum die Zeitschrift Emergence, die Sondereditionen von Organization Science, die Publikationen des Santa Fe Institutes und im deutschen Sprachraum besonders die Beiträge von KAPPELHOFF, KIRCHHOF und STÜTTGEN.708 Die kaum ausgeprägte Strukturierung sowie Operationalisierung der getroffenen Aussagen ist nicht zuletzt auf den noch jungen Gedanken, Organisationen als komplexe Systeme zu 707

708

Vgl. u. a. Frese, E. (1991); Dooley, K.J. (1997); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997); Tsoukas, H. (1998); Anderson, P.W. (1999b); Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. u. a. (1999); McKelvey, B. (1999a); Lissack, M.R. (1999); Cooksey, R.W. (2001); Kappelhoff, P. (2002b); Uden, J. van (2004); Richardson, K.A. (Hrsg.) (2005); Clegg, S.R./Kornberger, M./Pitsis, T. (2005). Vgl. Kappelhoff, P. (2000a, 2000b, 2002a, 2002b); Kirchhoff, R. (2003); Stüttgen, M. (2003).

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

1.14

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Zwischenfazit

Aus der Vielzahl der definitorischen Spezifikationsversuche komplexer Systeme (vgl. II-2) wurden insgesamt zwölf Charakteristika identifiziert sowie voneinander abgegrenzt und mit den Eigenschaften von Organisationen verglichen. Anhand der Eigenschaften ist deutlich geworden, dass komplexe Systeme dem Profil von Organisationen entsprechen und somit die Betrachtung von Organisationen durch komplexitätswissenschaftliche Gedankenmodelle profitieren kann.

Mit der Identifikation der Eigenschaften wurde jedoch auch aufgezeigt, dass die Grenzen zwischen den Charakteristika nicht in jedem Fall trennscharf gezogen werden können und dass die verwendeten Termini variieren oder trotz inhaltlicher Unterschiede z. T. synonym verwendet werden. Darüber hinaus können durch fortschreitende Grundlagenforschung zu komplexen Systemen weitere Eigenschaften hinzukommen, und im Falle eines anderen Untersuchungskontextes kann eine abweichende Betrachtung der Eigenschaften komplexer Systeme zweckmäßiger sein. Die gewählte Einteilung darf daher nicht als absolut bzw. normativ aufgefasst werden.

Für den nachfolgenden Argumentationsgang werden die zwölf identifizierten Eigenschaften zu Grunde gelegt, um sowohl die Erklärungskraft organisationstheoretischer Ansätze als auch die Abbildungstreue von Simulationsmethoden für komplexe Systeme beurteilen zu können.

2

Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.1

Konzeptionelle Vorbemerkungen und Einordnung

Ein systematischer und vollständiger Überblick über organisationstheoretische Ansätze, die auf die Erklärung komplexer Systeme ausgerichtet sind bzw. das Verständnis unterstützen, fehlt bisher sowohl in der angelsächsischen wie auch in der deutschen Literatur, obwohl die Bedeutung eines solchen stets betont wird.707 Einzige nennenswerte Ausnahmen – jedoch bisher ohne strukturierende Wirkung – bilden im angloamerikanischen Sprachraum die Zeitschrift Emergence, die Sondereditionen von Organization Science, die Publikationen des Santa Fe Institutes und im deutschen Sprachraum besonders die Beiträge von KAPPELHOFF, KIRCHHOF und STÜTTGEN.708 Die kaum ausgeprägte Strukturierung sowie Operationalisierung der getroffenen Aussagen ist nicht zuletzt auf den noch jungen Gedanken, Organisationen als komplexe Systeme zu 707

708

Vgl. u. a. Frese, E. (1991); Dooley, K.J. (1997); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997); Tsoukas, H. (1998); Anderson, P.W. (1999b); Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. u. a. (1999); McKelvey, B. (1999a); Lissack, M.R. (1999); Cooksey, R.W. (2001); Kappelhoff, P. (2002b); Uden, J. van (2004); Richardson, K.A. (Hrsg.) (2005); Clegg, S.R./Kornberger, M./Pitsis, T. (2005). Vgl. Kappelhoff, P. (2000a, 2000b, 2002a, 2002b); Kirchhoff, R. (2003); Stüttgen, M. (2003).

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Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

betrachten, zurückzuführen. Jedoch wird z. B. in den Beiträgen der Zeitschrift Emergence und Organization Science deutlich, dass die theoretischen Grundlagen der Komplexitätswissenschaften eine breite fundierte Basis für die Erweiterung organisationstheoretischer Ansätze liefern können.709

Der Beurteilung der Ansätze geht eine Untersuchung der Anforderungen an organisationstheoretische Ansätze aus der Perspektive komplexer Systeme voraus (vgl. III-1). Für die vorliegende Arbeit gelten die in Abbildung III-2 identifizierten Eigenschaften komplexer Systeme als maßgebend für die Beurteilung der Organisationstheorien bzw. der organisationstheoretischen Ansätze. Allerdings sollten Organisationstheorien nicht nur die aufgeführten Eigenschaften abbilden, sondern ferner erklären können, warum komplexe Systeme auf die für sie charakteristische Art und Weise entstehen. Darüber hinaus werden die verschiedenen organisationstheoretischen Ansätze auf ihren Beitrag zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von komplexem Organisationsverhalten untersucht.710 In Abhängigkeit zur Erklärungskraft der untersuchten Ansätze variiert der Umfang der Erläuterung.

Mit Blick auf den Gestaltungsaspekt hat eine komplexitätswissenschaftlich ausgerichtete Organisationstheorie aufzuzeigen, wie die Erkenntnisse operationalisiert werden können (Methodik). Bis heute wird dem Anspruch der Umsetzbarkeit in der Praxis kaum ein organisationstheoretischer Ansatz gerecht.711

Bisher hat sich kein kohärentes allgemein akzeptiertes Ordnungsmuster etabliert, nach dem Organisationstheorien klassifiziert werden können. Aufgrund der Vielfalt von Systematisierungsansätzen wird vereinzelt die Forderung geäußert, eine „Systematisierung der Systematiken“ aufzustellen,712 welche aber wenig zielführend wäre und keinen Praxisnutzen liefern würde. Das Ziel dieses Kapitels besteht demnach nicht darin, für die betrachteten Organisationstheorien eine neue Kategorisierung zu entwerfen. Dennoch wird für die Arbeit ein zweckmäßiges Klassifikationsschema entworfen, dessen Erklärungs-, Ordnungs- und Strukturierungskraft genutzt wird, um Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den unterschiedlichen Ansätzen herauszuarbeiten.

709

710 711

712

Vgl. u. a. Webb, C./Lettice, F./Lemon, M. (2006); McKelvey, Bill (1999a), S. 5ff; Richardson, K.A./Lissack, M.R. (2001), S. 32ff; Price, I. (2004), S. 40ff; o.V. (1999), S. 73ff; Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. u. a. (1999), S. 233ff; Anderson, P.W. (1999b), S. 216ff; Cohen, M.D. (1999), S. 373ff; Lewin, Arie Y. (1999), S. 215. Für eine detaillierte Darstellung und Kritik der Ansätze wird jeweils auf die angegebene Literatur verwiesen. Vgl. z. B. die Kritik am strukturationstheoretischen Ansatz bei Walgenbach, Peter (2002), S. 355ff. Ausnahmen bilden mit Einschränkungen technomorphe Ansätze klassischer Organisationstheorien. Vgl. Schreyögg, G. (2003), S. 30, bei dem eine Auflistung verschiedener Gruppierungsmöglichkeiten zu finden ist; Walter-Busch, E. (1996), S. 60ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

121

Eine rein auf historisierenden Kriterien aufbauende Klassifikation wird aufgrund der geringen Ordnungskraft abgelehnt.713 Ebenso liefert eine ausschließlich am wissenschaftlichen Ursprung orientierte Systematisierung nur begrenzte Aussagekraft, da das Potenzial aktueller organisationstheoretischer Entwicklungen aus der interdisziplinären Synthese verschiedener wissenschaftlicher Ursprünge entsteht (vgl. besonders III-2.5).714 Dementsprechend setzt das gewählte Klassifikationsschema ausschließlich an kriteriengeleiteten Systematisierungen an, die in der Literatur vielfach verwendet werden.715 BURELL/MORGAN liefern einen vielfach zitierten Systematisierungsansatz, der in dieser Arbeit in modifizierter Form als Systematisierungsgrundlage Anwendung findet.716 Dieser Ansatz eignet sich besonders für den vorliegenden Strukturierungszweck, da er sich durch sein kriteriengeleitetes zweidimensionales Ordnungsraster auszeichnet, in dem in dichotomen Skalen zum einen nach methodischem Zugang (Subjektivismus vs. Objektivismus; vgl. Konstruktivismus in II-1.3) und zum anderen nach zu Grunde liegendem Gesellschaftsverständnis (Wandel vs. Ordnung; vgl. Komplexitätsproduktion vs. -reduktion bzw. komplexitätsbejahend vs. -verneinend in I-1.2) und damit zwischen vier Paradigmen in der Theorienbildung unterschieden wird.717 BURRELL/MORGAN differenzieren in ihrer ursprünglichen Konzeption zwischen funktionalistischen, interpretativen, (radikal) strukturalistischen und (radikal) humanistischen Paradigmen. Diese Systematisierung leitet sich aus der von HABERMAS vorgenommenen und etablierten Unterscheidung nach technischem, praktischem und emanzipatorischem Erkenntnisinteresse ab.718 Technische Erkenntnisinteressen richten ihre Aufmerksamkeit auf eine Erklärung sozialer Sachverhalte zur Bewahrung von objektiver Ordnung und Stabilität und entsprechen somit funktionalistischen Ansätzen. Praktische Erkenntnisinteressen beziehen sich auf das Verstehen der (Subjekt-)Handlungen und weisen Parallelen zu komplexitätsverneinenden-subjektivistischen Ansätzen auf. Im Unterschied dazu werden radikal humanistische und strukturalistische Ansätze aus dem emanzipatorischen Erkenntnisinteresse (entspricht dem Wandel) abgeleitet.

Die von BURELL/MORGAN vorgenommene Unterteilung überzeugt durch ihre Erklärungskraft, benötigt für diese Untersuchung jedoch eine Anpassung, da sie zu grob und für die vorliegende Fragestellung nicht ausreichend spezifisch ist. Entsprechend wird die zweite Unterteilungsdimension (Gesellschaftsverständnis) angepasst und nachfolgend zwischen dem methodi713 714 715 716

717 718

Vgl. Mintzberg, H./Alstrand, B./Lampel, J. (1998); Schreyögg, G. (2003). Vgl. Walter-Busch, E. (1996), S. 60ff. Vgl. Weick, K.E. (1979); Pfeffer, J. (1982); Astley, W.G./Van de Ven, A.H. (1983); Burrell, G./Morgan, G. (1979). Vgl. Sydow, J. (1992), S. 224f; Scherer, A.G. (2002), S. 15ff; Wolf, J. (2005), S. 435ff; Deetz, S.A. (1996), S. 191ff. Diese Systematisierung ist u. a. von SCHERER und WOLF hinsichtlich ihrer Kraft untersucht und aufgenommen worden. Dies zeigt, dass der Ansatz mehrfach diskutiert und für relevant befunden wurde. Vgl. Burrell, G./Morgan, G. (1979), S. 22. Vgl. Habermas, J. (1994); Scherer, A.G. (2002) S. 14ff.

122

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

schen Zugang (Subjektivismus vs. Objektivismus) und der Handhabung von Komplexität (komplexitätsreduzierende/-verneinend vs. komplexitätsproduzierend/-bejahend) unterschieden. Abbildung III-9 dient ausschließlich der Systematisierung der Ansätze, ohne damit einen normativen Idealtypus für Organisationstheorien (Optimum) festzulegen und vorzugeben. Entsprechend wird mit der Einteilung keine Bewertung angestrebt, sondern sie dient primär der Strukturierung.

Auf der Abszisse wird die Form des methodischen Zugangs unterschieden, objektivistisch vs. subjektivistisch, zwischen dem hybride Formen möglich sind.719 Die objektivistische Perspektive legt eine reale Existenz von Organisationen bzw. Organisationsformen zu Grunde, nach der positivistische Forschungsstrategien sowie nomothetische Methodologien bevorzugt werden und die Realität als deterministisch entworfen ist. Im Gegensatz dazu steht die subjektivistische Variante für eine nominalistische, anti-positivistische und voluntaristisch idiographische Grundhaltung,720 die der konstruktivistischen Grundauffassung dieser Arbeit entspricht (vgl. I-1.3).

Auf der Ordinate wird im Unterschied zum ursprünglichen Ansatz nicht die zu Grunde liegende Gesellschaftstheorie (vgl. originäre Unterteilung nach BURELL/MORGAN), sondern die Handhabung von Komplexität (mithilfe der Theorien und Ansätze) als zweite Ausprägungsform bzw. als zweites (zentrales) Strukturierungsmerkmal eingeführt und „komplexitätsverneinende“ Ansätze (Komplexitätsreduktion) von „komplexitätsbejahenden“ Varianten (Komplexitätsproduktion) unterschieden. Im ersten Fall beziehen sich die Ansätze auf bewusst oder unbewusst vorgenommene Komplexitätsreduktionen, um zum einen die Gültigkeit ihrer Basisprämissen nicht zu unterminieren und zum anderen keine Erweiterung des Ansatzes erforderlich zu machen, also der vorgefundenen Komplexität nicht entsprechen zu müssen.721 Im zweiten Fall berücksichtigen die Ansätze die wahrgenommene Komplexität ihres Betrachtungsgegenstands (vgl. Eigenschaften komplexer Systeme in III-1). Wie im Fall des methodischen Zugangs werden Übergangsformen zwischen den idealisierten Extremwerten zugelassen.

Komplexitätsverneinende-objektivistische (funktionalistische) Ansätze zeichnen sich durch einen hohen Grad an Objektivismus aus. Ihre Befürworter gehen von folgender Annahme aus: Soziale Systeme wie Organisationen sind reale Entitäten. Diese werden von Kräften erhalten, die in-

719

720 721

Subjektivistisch steht in diesem Zusammenhang für individuenabhängige Sicht der beobachteten Phänomene. Diese entstehen erst aufgrund von Zuschreibungen. Objektivistisch unterstreicht, dass der Charakter bzw. die Eigenschaft von Phänomenen personenunabhängig spezifizierbar ist. Vgl. Burrell, G./Morgan, G. (1979), S. 2ff. Die dichotome Einteilung erfolgt auf vier Ebenen: ontologische und epistemologische Grundunterscheidungen, Basisannahmen zur menschlichen Natur und methodologische Grundannahmen. Vgl. Ochsenbauer, C.K. (1989), S. 152ff; Burrell, G./Morgan, G. (1979), S. 32ff. Vgl. Ashby, W.R. (1968a), S. 129ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

123

dependent von den Organisationselementen Wirkung zeigen und ebenso unabhängig (objektiv) analysiert werden können. Mithilfe eines primär naturwissenschaftlichen Methodenkanons wird versucht, mechanistische Ursache-Wirkungszusammenhänge zu identifizieren, die auf den Erhalt des Status quo bzw. auf die „Optimierung“ eines sozialen Systems ausgerichtet sind. Das Ziel besteht primär in der Suche nach Kontrolle und Voraussage. Die Ansätze streben die Entwicklung einer Sozialtechnologie an, die komplexe Systeme beherrschbar machen soll. Dazu bedienen sie sich erheblicher Simplifizierungen, um die angestrebten, allgemeingültigen und kontextunabhängigen Ursache-Wirkungsmuster abbilden zu können. Die Theorienbildung stützt sich auf Erfahrungswerte und deren Respezifikation sowie vereinzelt auf empirische Forschungsergebnisse mithilfe simplifizierender Kausalanalysen. Im Rahmen der Organisationstheorien werden z. B. allgemeingültige Prinzipien über die Bedeutung und den Einfluss von Organisationsstrukturen zur Steigerung der Effizienz ausgearbeitet, die sich besonders ausgeprägt in den Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision (z. B. TAYLOR) wiederfinden.722

Nach Auffassung der Vertreter komplexitätsverneinender-subjektivistischer Ansätze handelt es sich bei „sozialen Realitäten“ nicht um „harte“ Fakten, sondern um „Realitäten“, die von den sozialen Entitäten konstruiert wurden. Soziale Sachverhalte erhalten erst durch das Handeln der Akteure ihre Bedeutung. Der Beobachter nimmt damit keine objektive außenstehende Position ein, sondern ist Teilnehmer. „Dabei muss der Forscher eine Interpretation der Interpretation der Akteure vornehmen (doppelte Hermeneutik).“723 Das Interesse dieser Ansätze ist auf den Bestand und den Status quo von Organisationen ausgerichtet und deckt sich an dieser Stelle mit den komplexitätsverneinenden-objektivistischen Ansätzen. Eine Betrachtung von sozialen Konflikten und Veränderungen wird nicht vorgenommen. Die Theorienbildung erfolgt vorwiegend auf Basis von Fallstudien und beschreitet dabei ein induktives Vorgehen.

Die Zielsetzung der komplexitätsbejahenden-objektivistischen Ansätze entspringt der Kritik am unveränderlichen Status quo sozialer Systeme im Sinne des funktionalistischen Paradigmas,724 so dass das Ziel dieser Ansätze im Verstehen, Erklären und Einleiten von Wandel auf Basis einer objektiv gegebenen, sozialen Wirklichkeit besteht. Damit teilen komplexitätsbejahende-objektivistische und funktionalistische Ansätze die objektivistische Perspektive. Kennzeichnend für das komplexitätsbejahende-objektivistische Paradigma ist, dass soziale Systeme und ihr Verhalten durch (marktwirtschaftliche) Strukturen und nicht durch das komplexe Bewusstsein der Akteure

722 723 724

Vgl. Taylor, F.W. (1913), S. 7ff. Giddens, A. (1984), S. 112. Vgl. Hawthorne, J. (1994) zu methodischen Grundsätzen des Strukturalismus.

124

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

(z. B. begrenzte Rationalität) bestimmt werden.725 Zu den Konzeptionen zählen u. a. strukturationstheoretische Ansätze und der Gestaltansatz.

Die im vierten Feld der Matrix eingeordneten Organisationstheorien werden als komplexitätsbejahende-subjektivistische Ansätze (individuenzentriert) klassifiziert.726 Zu den Konzeptionen zählen Postmoderne Organisationstheorien, der Selbstorganisationsansatz, konstruktivistischinterpretative Ansätze, evolutionstheoretische Ansätze und deskriptive entscheidungsorientierte Ansätze. Die subjektivistische Basisprämisse (humanistischer Teilaspekt im Sinne BURRELL/MORGAN) betont die Betrachtung der Organisationselemente als individuelle Entitäten, die nach unterscheidbaren Begründungen für bestimmte soziale Realitäten und nach Ursachen für die Art und Weise der Konstruktion suchen.727 Besonders mit Postmodernen Organisationstheorien werden bewusst Ungewissheit, Anpassungsfähigkeit und Pluralität einbezogen, mit denen sich gegenüber „modernen“ Varianten abgegrenzt wird.728 Der Begriff der Postmoderne wurde besonders von ETZIONI geprägt, der die postmoderne Ära als Resultat radikaler technologischer Transformation betrachtet und sich gegen eine technokratische Fremdbestimmung („over-managed society“)729 mit beschränkter Anpassungsfähigkeit im Sinne der Moderne wendet. Postmoderne Ansätze nehmen Komplexität (vgl. Eigenschaften komplexer Systeme in III-1) im Handeln der Akteure auf und negieren diese nicht.730

Die gewählte Systematisierung ist nicht nur vor dem Hintergrund zahlreicher abweichender Gruppierungen kritisierbar. SCHERER stellt jedoch heraus, dass mit dem Ansatz von BURRELL/MORGAN eine Systematisierung nach Zwecken und Mitteln möglich ist, und dieser damit dem „Wissenschaftstreiben als ein Handeln nach Zwecken“731 entspricht. Abbildung III-9 illustriert die vorgenommene Einteilung der Organisationstheorien bzw. -ansätze, mit der der Aufbau des vorliegenden Teils der Arbeit vorgegeben wird, wobei die Positionierung im Portfolio der einzelnen Theorien und Ansätze qualitativ erfolgt. Im Einzelnen werden nachfolgend die organisationstheoretischen Ansätze anhand der Eigenschaften komplexer Systeme untersucht. Treffen die betrachteten Theorien und Ansätze keine Aussagen zu einzelnen Eigenschaften, so wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass diese Eigenschaften nicht abgebildet werden.

725 726

727 728 729 730

731

Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 17f. Zum Begriff der Postmoderne in Organisationstheorien vgl. Clegg, S.R. (1998); Clegg, S.R./Hardy, C./Nord, W.R. (Hrsg.) (2002); Schreyögg, G. (1999); Etzioni, A. (1968); Lyotard, J.-F. (2005). Vgl. Scherer, A.G. (2002), S. 17. Vgl. Reihlen, M. (1999), S. 273ff. Etzioni, A. (1968), S. 523. Die eingeschränkte Resonanz auf ETZIONI von Vertretern postmoderner Organisationstheorien wird mit seiner starken Verwurzelung in der postmodernen Philosophie begründet Vgl. Reihlen, M. (1999), S. 269. Scherer, A.G. (2002), S. 18.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

125

Selbstorganisationsansatz

komplexitätsbejahend

Evolutionstheoretische Ansätze

Strukturationstheoretische Ansätze Systemtheoretische Ansätze Gestaltansatz

Neue Institutionenökonomische Theorien

komplexitätsverneinend

Handhabung von Komplexität (steigende Komplexitätsproduktion)

Netzwerktheoretische Ansätze

Postmoderne Organisationstheorien Deskriptive entscheidungsorientierte Ansätze

ResourceDependenceTheorie

Situations- und interaktionstheoretische Ansätze Präskriptive entscheidungsorientierte Ansätze Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision

Konstruktivistischinterpretative Ansätze

Institutionalistische Ansätze Ressourcenorientierte Ansätze

Verhaltensorientierte Informationsver- Ansätze arbeitungsansatz

Objektivismus

Subjektivismus

Grundlage des methodischen Zugangs (zunehmende Subjektivität) Abbildung III-9: Gruppierung der untersuchten Organisationstheorien

2.2

Komplexitätsverneinende-objektivistische Ansätze

2.2.1

Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision

Unter den „Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision“732 werden nachfolgend die Organisationstheorien von TAYLOR, WEBER und FAYOL zusammengefasst. Für die Zielsetzung dieser Arbeit ist eine ausdifferenzierte Diskussion der auf Regelhaftigkeit und Präzision ausgelegten Organisationstheorien nicht erforderlich, da trotz der zwischen den Theorien bestehenden Unterschiede die Gemeinsamkeiten dominieren,733 so dass die drei Theorien aus Perspektive der vorliegenden Arbeit im Folgenden zusammen erörtert werden können.734 Es soll untersucht werden, welchen Erklärungsgehalt die Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision für das Verhalten von komplexen Systemen haben. Neben konzeptionellen Kritikpunkten, die in der Literatur detailliert analysiert und diskutiert

732 733

734

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 94ff. „Regelhaftigkeit“ im Sinne von (unveränderlicher) Gesetzmäßigkeit. Vgl. Kieser, A. (2002a), S. 39ff; Kieser, A. (2002b), S. 65ff; Wolf, J. (2005), S. 47ff; Walter-Busch, E. (1996), S. 93ff, 119ff; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 408ff; Rudolph, F. (1994); Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 46ff, 58ff. Diese Organisationsansätze werden in der Wissenschaft unter den Bezeichnungen physiologisch-technische, bürokratisch-administrative bzw. klassische Ansätze summiert. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 408ff, 413ff; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 46ff, 58ff; Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 8ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

126 735

werden,

bestehen aus Sicht komplexitätswissenschaftlicher Ansätze weitere spezifische kriti-

sche Aspekte, die anhand der Eigenschaften komplexer Systeme erläutert werden:

Überlebenssicherung: Die Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision richten das Organisationsziel primär auf die Steigerung der organisationalen Effizienz. TAYLOR macht dies mit der ausschließlichen Gestaltung der Arbeitsorganisation nach Effizienzkriterien besonders deutlich.736 Analog wird im Bürokratieansatz u. a. der „Innovationsfähigkeit“ die (organisationale) Effizienz untergeordnet.737 Diese verengte Perspektive hat mit zur Entstehung humanistischer und später komplexitätswissenschaftlicher Ansätze beigetragen. Mit der primär auf Effizienzkriterien ausgerichteten Sichtweise bleiben vor allem bei TAYLOR nicht erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen, wie z. B. Kirchen, ohne Berücksichtigung, die jedoch ebenso Einfluss auf den Bestand sozialer Gesellschaften haben. Darüber hinaus stellt diese Position auch für erwerbswirtschaftlich orientierte Organisationen eine verengte Perspektive dar, da zunehmend Fragen der Nachhaltigkeit oder soziale Aspekte als übergreifende Zielsetzungen von Unternehmen eine Rolle spielen.738 Dynamik: Mit der Annahme der klassischen Theorien, dass erfolgreiche effiziente Organisationen über gleichartige Strukturen verfügen,739 wird unterstellt, dass diese statische Konstruktionen sind, die lediglich in einer einzigen Konfiguration erfolgreich, d. h. effizient, operieren können.740 Dynamik findet damit keine Berücksichtigung.741 Dies spiegelt sich auch im zu Grunde gelegten Menschenbild wider, nach dem die handelnden Akteure aus rein statischen, egoistischen und ex ante festgelegten Beweggründen agieren, ohne dynamische Veränderungen im Verhalten zuzulassen.742

Pfadabhängigkeit und Rückkopplungen: Diese Eigenschaften werden in den Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision lediglich partiell berücksichtigt. Implizit wird von Pfadabhängigkeit für die Organisationsevolution ausgegangen. WEBER illustriert dies am stetig steigenden Bürokratisierungsbedarf von Organisation, der sich auf Grundlage positiver Rückkopplungen weiter verstärkt.743 Damit wird deutlich, dass im Bürokratieansatz Inter735

736 737 738 739 740 741 742

743

Vgl. Kieser, A. (2002a), S. 39ff; Kieser, A. (2002b), S. 65ff; Wolf, J. (2005), S. 47ff; Walter-Busch, E. (1996), S. 93ff, 119ff; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 408ff; Rudolph, F. (1994); Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 46ff, 58ff. Vgl. Taylor, F.W. (1913), S. 37ff. Vgl. Simon, H.A. (1981). Vgl. Hamel, W. (1992), Sp. 2638ff zu Unterschiedlichkeiten und Relationen zwischen Unternehmenszielen. Vgl. Weber, M. (1976); Porter, M.E. (1980); Porter, M.E. (1985). Vgl. Fayol, H. (1929). Vgl. Weber, M. (1976), S. 23ff; Kieser, A. (2002a), S. 51ff. Vgl. Taylor, F.W. (1913), S. 7ff. Das Handeln, das sich in einem stabilen und homogenen Interessenlage von Arbeitgebern und Arbeitnehmern manifestiert. Vgl. Weber, M. (1976), S. 23ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

127

aktionen (Rückkopplungen) zwischen den Organisationselementen betrachtet werden. Jedoch beschränkt sich diese Untersuchung ausschließlich auf positive Rückkopplungseffekte – negative werden nicht berücksichtigt.

Nichtlinearität: Vielfach wird an WEBERs Entwurf kritisiert, dass er ausschließlich formelle Systeme betrachtet und damit informelle Strukturen in seinem Entwurf unterrepräsentiert sind.744 Entsprechend wird ausschließlich lineares Systemverhalten unterstellt, da sich informelle Elemente nur unter Zuhilfenahme von Nichtlinearität in Interaktionen bilden können.745

Offenheit: Die Ansätze der Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision berücksichtigen keine Umweltbeziehungen. Zum Beispiel geht WEBER von einem geschlossenen System aus, in dem Kontextfaktoren nicht berücksichtigt werden.746 Ähnlich wie im Bürokratieansatz wird in der Administrationstheorie angenommen, dass Organisationen als geschlossene Gebilde zu betrachten sind. Sie stehen losgelöst von der Umwelt, treten nicht mit ihr in Interaktion und passen sich dieser nicht an.

Begrenzte Rationalität: Theorieübergreifend werden Organisationen als zweckrationale Gebilde betrachtet.747 Dies steht im Widerspruch zum Konzept komplexer Systeme, die rein rationale Erklärungsansätze ablehnen (vgl. I-1.2 und III-1). Ferner wird eine Regelhaftigkeit und Präzision in klassischen Ansätzen unterstellt, obwohl vor allem letztere in komplexen Systemen in Reinform nicht anzutreffen ist.748 Die Regelhaftigkeit der vorliegenden Organisationstheorien ist durch eine Konstruktion aus Werten, Grundsätzen und Normen charakterisiert, die extern vorgegeben werden, und von den handlungsleitenden Regeln im komplexitätswissenschaftlichen Sinne – als etwas endogen „Emergierendes“ (vgl. III-1.12) – zu unterscheiden.749

Grundsätzlich muss kritisiert werden, dass mit den Leitbildern der Theorien von WEBER, TAYLOR und FAYOL simplifizierende Annahmen (u. a. Statik, Informationssymmetrien) verbunden sind, die die Umweltkomplexität und die der internen Prozesse nicht angemessen berücksichtigen. Im Speziellen ist der Administrationsansatz aufgrund seiner widersprüchlichen Prinzi-

744 745 746 747 748

749

Vgl. u. a. Wolf, J. (2005), S. 58ff. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 3ff. Vgl. Weber, M. (1976), S. 23ff; Kieser, A. (2002a), S. 51ff. Vgl. u. a. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 408, 415; Grochla, E. (1978); Wolf, J. (2005), S. 93. Vgl. die Inkommensurabilitätsdiskussion, nach der Größen nicht mess- oder vergleichbar sind, also ihr Verhältnis mathematisch irrational ist oder sie prinzipiell nicht gleichzeitig messbar sind. Vgl. Cilliers, P. (2000a), S. 40ff. Vgl. auch Gutenberg, E. (1983), S. 237f., bei dem von einem Ermessens- und Entscheidungsspielraum die Rede ist.

128

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

pien (z. B. Zentralisation vs. Initiative) zu kritisieren.750 Ferner bemängelt SIMON, dass sich durch stark simplifizierende objektivistische Annahmen eine trügerische Einfachheit entwickelt, die in der Darstellung von bereits Bekanntem münden kann.751 Für die Erklärung und Prognose des Verhaltens komplexer Systeme leisten die Theorien jedoch kaum einen Beitrag, da sie im Widerspruch zu den Grundannahmen aus II-1.3 stehen sowie die Abbildung der Eigenschaften komplexer Systeme nur ungenügend ermöglichen (primär für Beschreibung einsetzbar).

Dennoch ist anerkennend festzustellen, dass es sich bei den Ansätzen um erste Bausteine einer ökonomisch orientierten Organisationstheorie (TAYLOR) und erste organisationale Strukturierungsansätze (WEBER, FAYOL) handelt, deren Bedeutung vor allem darin besteht, dass Teile bzw. Gedankenansätze bis heute den Ausgangspunkt z. B. für (post-)moderne Entwicklungen in der Organisationstheorie bilden.752

Zusammenfassend wird deutlich, dass die Basisprämissen und Eigenschaften der Ansätze von WEBER, TAYLOR und FAYOL diametral zu denen komplexer Systeme stehen; vor allem ist die fehlende Berücksichtigung u. a. von Dynamik, Pfadabhängigkeit, Rückkopplungen, Nichtlinearität, begrenzte Rationalität, Selbstorganisation und Emergenz zu nennen. Entsprechend sind die Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision als komplexitätsreduzierend und objektivistisch einzustufen (vgl. Abbildung III-9).

2.2.2

Präskriptive entscheidungsorientierte Ansätze

Die präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze beruhen auf den Grundsätzen des Scientific Managements und unterscheiden sich von diesem lediglich durch ein weiter entwickeltes Instrumentarium. Ferner zeigen sich instrumentell-methodische Parallelen zur Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung.753 Die präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze beanspruchen damit eine normative Aussagekraft und unterstellen größtmögliche Handlungsrationalität der Akteure, so dass sie in der Literatur alternativ auch als rational-normative entscheidungsorientierte Ansätze bezeichnet werden.754 Das Ziel ist es, formale Entscheidungsmethoden und -modelle zur Verfügung zu stellen, mit deren Hilfe optimale Verhaltensweisen für spezifische Problemmuster ermittelt werden können und mit denen eine Mechanisierung der Entscheidungs-

750 751 752

753 754

Vgl. zum Bruch mit dem Taylorismus D’Alessio, N./Oberbeck, H./Seitz, D. (2000). Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 76, 251ff. Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 56ff. Dennoch muss hervorgehoben werden, dass FAYOLs Theorien z. B. in Bezug auf prozessbegleitende Kontrollen als moderne Überlegungen einzustufen sind, mit denen sich erst Mitte der 1980er Jahre intensiver befasst wurde und die bis heute Gültigkeit besitzen. Vgl. Steinmann, H./Schreyögg, G. (1985), S. 391ff. Churchman, W.C./Ackoff, R.L./Arnoff, L.E. (1971); Beer, S. (1966) und Miller, D.W./Starr, M.K. (1969). Vgl. Schlaifer, R. (1964), S. 68.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

129

findung verbunden ist. In Anlehnung an die präskriptive Einstufung des Ansatzes wird dieser primär mit dem Ziel der Vorhersage von Entscheidungen bzw. Verhalten eingesetzt (sekundäre Bedeutung für Beschreibung und Erklärung).

Nach ersten Entwicklungsschritten in den 1940er Jahren erfuhren die präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze eine Renaissance mit der Verbreitung der sich entwickelnden Computertechnologie.755 Lineare Programmierung, Team- und Spieltheorie756 sind drei bedeutenden organisationstheoretischen Instrumentarien bzw. Ausgestaltungsansätze der präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze. Da diese jedoch starke Ähnlichkeiten in der methodischen Herangehensweise aufweisen, kann auf eine individuelle Betrachtung der Varianten verzichtet werden.

Grundsätzlich versuchen die präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze Methoden zu entwickeln, die die Mehrdeutigkeit der Sprache reduzieren sollen.757 Die damit verbundene Komplexitätsreduktion wird bewusst in Kauf genommen. Im Zentrum der Untersuchung steht das Treffen von Entscheidungen aus einem Spektrum von Alternativen t 2, die rationale Wahlhandlung und die Umsetzung der getroffenen Entscheidung. Kern der Theorienbildung ist somit der Entscheidungsakt, für den ein idealpraxeologisches Vorgehen bevorzugt wird.758 Die getroffenen Aussagen werden im Gegensatz zu deskriptiven bzw. verhaltenswissenschaftlichen entscheidungsorientierten Ansätzen nicht empirisch überprüft.

Die präskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze konzentrieren sich entsprechend des mechanistischen Paradigmas der Ansätze auf die Betrachtung formaler Organisationselemente. Dadurch werden nichtlineare Effekte ausgeblendet und somit ein entscheidender Einfluss auf Orga755

756

757 758

Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 432; Alexis, M./Wilson, C.Z. (1967), S. 226 Mit der Linearen Programmierung ist es möglich, unterbestimmte bzw. unterdeterminierte Gleichungssysteme zu lösen. Organisatorische Fragestellungen werden aus Basis von Randbedingungen und einer Zielfunktion analytisch gelöst. Beiträge zur Teamtheorie liefern Wild, J. (1967), S. 118ff; Marschak, J./Radner, R. (1978); Albach, H. (1969), Sp. 1629ff.; Frese, E. (1992b), S. 223f. Durch Modelle, die sich auf konforme multipersonale Gruppen (Teams) ohne Zielkonflikte konzentrieren, werden optimale Problemlösungsprozesse durch Entscheidungs-, Kommunikations- und Informationsbeschaffungsregeln entwickelt. Ziel der Teamtheorie ist die Optimierung der (Meta-)Organisationsprozesse durch Verbesserung der Gruppenprozesse. Zentrale Beiträge zur Spieltheorie finden sich bei den Begründern Neumann, J. von/Morgenstern, O. (2004) (Erstveröffentlichung 1937) sowie Selten, R. (1999a). Für Weiterentwicklungen und Anwendungen vgl. Jost, P.-J. (2001), S. 43ff, Sydow, J. (1992), S. 169ff. und Pfähler, W./Wiese, H. (1999). Für strategische Spielsituationen (in Abgrenzung zu reinen Glücksspielen) werden Modelle entwickelt, die wiederkehrende Entscheidungssituationen abbilden. Bei einem Spiel sind mindestens zwei Akteure beteiligt, zwischen denen Wechselbeziehungen bestehen. Diesem liegen Regeln zu Grunde, nach denen die Akteure individuelle (nutzenmaximierende) Zielsetzungen verfolgen und rational vorgehen. Vgl. die Literatursynopse zur Spieltheorie in Wolf, J. (2005), S. 114ff. Spiel- u. Teamtheorie unterscheiden sich bezüglich des Problemgegenstands: Die Spieltheorie untersucht individuelle Entscheidungen im sozialen Kontext, die Teamtheorie analysiert kollektive Entscheidungsprozesse. Die erste Theorie thematisiert die unterschiedlichen Ziele der Entscheidungsträger, während in der Teamtheorie von einem einheitlichen Zweck ausgegangen wird. Vgl. Schreyögg, G. (2003), S. 70ff; Schüler, W. (1992), Sp. 1807f. Vgl. Schanz, G. (1977); Schanz, G. (1988a).

130

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nisationen ignoriert. Analog werden hinsichtlich der Veränderlichkeit stark vereinfachende Annahmen der Realitätsbedingungen vorgenommen. Besonders deutlich wird dies anhand des Instrumentariums der Linearen Programmierung, bei dem eine zeitliche Unveränderlichkeit der Umweltparameter vorausgesetzt wird.

Rückkopplungen: In der präskriptiven Entscheidungstheorie – aber lediglich in der Spieltheorie – werden Rückkopplungen mit weiteren Akteuren angenommen und damit eine gegenseitige Beeinflussung der Akteure ermöglicht (vgl. III-1.6). Dies ist jedoch lediglich in der Konstellation eines Spiels unter Zulassung von Kommunikation, also nicht streng kompetitiven, nicht-kooperativen Spielens, möglich.759 Entsprechend ist die Eigenschaft Rückkopplungen nur partiell erfüllt.

Die Würdigung der präskriptiven Entscheidungstheorie hinsichtlich ihres Erklärungsgehalts von komplexen Systemen ist mit den Organisationstheorien im Spannungsfeld zwischen Regelhaftigkeit und Präzision vergleichbar. Die Analyse zeigt, dass neben zahlreichen Zweifeln an der Theorie selbst,760 aus komplexitätswissenschaftlicher Perspektive vor allem das Konzept des homo oeconomicus (keine begrenzte Rationalität), der Versuch, mit mathematischen Methoden organisationales Verhalten zu optimieren, und der hohe normative Anspruch kritisiert werden muss.761 Mit Ausnahme der partiellen Berücksichtigung von Rückkopplungen werden keine weiteren Eigenschaften komplexer Systeme explizit betrachtet. Daher kann aus diesem Ansatz kaum Erklärungskraft für das Verhalten dieser Systeme abgeleitet werden, so dass sie den komplexitätsreduzierenden-objektivistischen Ansätzen zuzuordnen sind.

Dennoch zeigen sich bei der Wahl des Instrumentariums partielle (besonders methodische) Analogien zu komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen. Vergleichbar zur Modellierung und Simulation (vgl. Teil IV) werden in der präskriptiven Entscheidungstheorie computergestützte Verfahren eingeführt. Die Kritik, die an diesem Verfahren und der mathematisch-computergestützten Orientierung der Theorie angesetzt ist, liegt vor allem in den schwach entwickelten Computerwissenschaften begründet, die sich zu diesem Zeitpunkt (1960er Jahre) noch im Anfangsstadium befanden.762 Mit den aktuell bestehenden und entstehenden Optionen, unscharfe Relationen und Bedingungen (u. a. für Sprache) computergestützt abbilden zu können, ergeben sich Möglich759 760

761

762

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 116. Zu nennen sind Zweifel an den aufgestellten Algorithmen, hoher Aufwand bei geringem Nutzen, mangelnde Integrationskraft der Theorie sowie die Fundamentalkritik, dass es sich nicht um eine Theorie handelt. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), 430f; Laux, H./Liermann, F.(2003); Wolf, J. (2005), S. 121f; Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 121f; Laux, H. (1992), Sp. 1743f. Dennoch liefern mathematische Methoden nützliche Hinweise, wenn der Einsatz logischer Problemanalysen zweckmäßig ist. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), 431. Vgl. Koontz, H. (Hrsg.) (1964), S. 9ff; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), 430ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

131

keiten, die neues Potenzial für die präskriptive Entscheidungstheorie bereitstellen. Dennoch lassen sich die der präskriptiven Entscheidungstheorie zu Grunde liegenden Basisprämissen – wie z. B. Gesetz des rationalen Handelns – nicht in Einklang mit komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen bringen.

2.2.3

Neue Institutionenökonomische Theorien

Die Neue Institutionenökonomik hat sich aus neoklassischen Theorien entwickelt und ist primär auf die Beschreibung und Erklärung der Entstehung von „Institutionen“ sowie der Gestaltung von Vertragsbeziehungen ausgerichtet, ohne damit Aussagen über zukünftiges Verhalten (Prognose) oder die Genese anzustreben.763 Unter der Institutionenökonomik werden die Verfügungsrechte-, die Transaktionskosten- und die Prinzipal-Agent-Theorie zusammengefasst. Das auslösende Moment für die Entwicklung des Transaktionskostenansatzes war die Ablehnung der in der Neoklassik vorherrschenden Annahme von vollständig rational handelnden Akteuren, die auf Basis unbegrenzter Informationsverarbeitungskapazität über absolute objektive (Markt-)Informationen und Märkte ohne Reibungsverluste verfügen.764 Methodologischer Individualismus und das Menschenbild des beschränkt rational handelnden „Nutzenmaximierers“ werden als Basisprämissen eingeführt.765 Der methodische Individualismus erklärt das Entstehen von Organisationen als Ergebnis des Zusammenwirkens individueller Akteure und grenzt sich damit von den soziologischen Ansätzen der emergenten Systembildung ab (vgl. LUHMANN). Letztendlich geht es um die Beurteilung der ökonomischen Effizienz von Organisationen bzw. den innerhalb der Organisationen stattfindenden Transaktionen. Im Hinblick auf diese Grundausrichtung werden die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik tendenziell als objektivistisch und kom763

764

765

Zur historischen Entstehung und organisationstheoretischen Bedeutung ist vor allem in den letzten 20 bis 30 Jahren umfangreiches Schrifttum entstanden. Vgl. zahlreiche Dissertationen auf Basis der Neuen Institutionenökonomik sowie Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005); Kieser, A./Walgenbach, P. (2003); Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995); Williamson, O.E. (Hrsg.) (1995). Vgl. Williamson, O.E. (1990), S. 52. Einschränkend ist anzumerken, dass dagegen in der Prinzipal-Agent-Theorie die Vorstellung unbegrenzter Rationalität vorherrscht. Vgl. Williamson, O.E. (1990), S. 31f; Hartmann-Wendels, T. (1992), S. 78. In den Wirtschaftswissenschaften wird unter Neoklassik eine Theorienfamilie verstanden, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Ausgang nahm und die die durch ADAM SMITH begründete Klassik (zentrale Autoren neben SMITH: DAVID RICARDO, JOHN STUART MILL, KARL MARX) ablöste. Das ökonomische Denken wird durch die Neoklassik bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts (Beginn des Keynesianismus) dominiert. Von der Klassik hebt sich die Neoklassik in folgenden Punkten ab (vgl. Schumpeter, J.A. (1954); Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005), S. 37f, 45; Kromphardt, J. (1982); Felderer, B./Homburg, S. (2003)): Sie unterscheidet streng zwischen reiner Ökonomie und politischer Ökonomie und grenzt Fragen der Politik bewusst aus. Der Untersuchungsbereich der Klassik ist die Produktion: Erforscht wird der Ursprung, das Wachstum und die Verteilung des wirtschaftlichen Reichtums unter den gesellschaftlichen Klassen. In der Neoklassik wird dagegen der Handel zwischen rationalen Individuen untersucht: Es wird nach der optimalen Verteilung (Allokation) knapper Ressourcen auf verschiedene Verwendungen und Individuen mit festen Interessen und vorgegebener Ausstattung an Gütern und Fähigkeiten gefragt; jede Einkommensverteilung ist gerecht, weil ihr die zu Grunde liegende Produktivität entspricht. Das Leitbild ist Logik und Mathematik und daher statisch bzw. vergleichend und nicht historisch. Der Markt ist stabil; Störungen und Krisen sind exogen; der Markt strebt einen Gleichgewichtszustand an. Vgl. Hackert, B. (1999), S. 16ff; Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005), S. 37f. Damit orientiert sich dieser Gedanke am „homo oeconomicus“. Hier zeigt die Theorie ihre klassischen und neoklassischen ökonomischen Wurzeln.

132

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

plexitätsreduzierend eingestuft (vgl. Abbildung III-9). Trotz dieser Einteilung lassen sich auf Basis der genannten Prämissen folgende Eigenschaften komplexer Systeme identifizieren bzw. abbilden:

Vielzahl und Varietät: Aus Sicht der Neuen Institutionenökonomik besteht für Organisationen die Herausforderung in der Optimierung des Gesamtwerts der Handlungsprozesse, die durch eine Vielzahl von Elementen erzeugt werden.766 Unterschiedliche Interessenlagen der Entitäten werden nicht mathematisch gemittelt, sondern ihre individuelle Varietät berücksichtigt (vgl. Prinzipal-Agent-Theorie).

Offenheit: Das Zulassen von Interdependenzen zwischen den handelnden Akteuren mit der Umwelt in der Neuen Institutionenökonomik macht auf die Abstimmungsprobleme zwischen den Akteuren und der Umwelt aufmerksam (jedoch finden keine Rückkopplungen zwischen Entitäten statt).767 Ferner sind die Interdependenzen ein Ausdruck für die Offenheit des Systems, da sich bei Geschlossenheit kein Austausch zwischen den Organisationsmitgliedern und der Umwelt einstellt.

Begrenzte Rationalität: Wie bereits bei der Gegenüberstellung mit neoklassischen Ansätzen expliziert, besteht eine wesentliche Prämisse des Transaktionskostenansatzes in der Annahme begrenzter Rationalität der Akteure,768 die sich mit der Auffassung komplexitätswissenschaftlicher Ansätze deckt (vgl. III-1.9). Nach dieser wird Systemelementen eine unvollständige Informationsbasis unterstellt, auf deren Grundlage nur begrenzt rationale Entscheidungen möglich sind.

Die Analyse der Neuen Institutionenökonomik und ihrer Prämissen zeigt, dass nur wenige Eigenschaften komplexer Systeme berücksichtigt werden. Ein besonderes Defizit weist sie aus Sicht komplexitätswissenschaftlicher Ansätze mit der Annahme zeitinvarianter Zielsetzungen auf,769 nach der keine Dynamik betrachtet wird. Daher sowie aufgrund der primär objektivistischen und volkswirtschaftlichen Orientierung (vgl. die neoklassische Herkunft der Theorie) ist ihre Erklärungskraft als begrenzt einzustufen (komplexitätsreduzierend-objektivistische Einstufung; vgl. Abbildung III-9). Dennoch besteht der Beitrag der Neuen Institutionenökonomik (hier besonders die Prinzipal-Agent-Theorie) für komplexitätswissenschaftliche Ansätze darin, dass

766

767 768 769

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 259; Hartmann-Wendels, T. (1992), Sp. 72. Daher wird auch nur von einer eingeschränkten Erfüllung der Eigenschaft Überlebenssicherung ausgegangen. Vgl. Schmidt, R.H. (1992), Sp. 1858f. Vgl. u. a. Picot, A./Dietl, H./Franck, E. (2005), S. 46f; Wolff, B. (1999), S. 138f. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 258.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

133

erstmals eine Ablehnung des Idealmodells „homo oeconomicus“ fundiert, verbreitet und anerkannt wurde und die damit verbundene Einführung des Konstrukts der begrenzten Rationalität in die wissenschaftlich-ökonomische Diskussion stattgefunden hat.

2.2.4

Situations- und interaktionstheoretische Ansätze

Die situationstheoretischen Ansätze770 – im angloamerikanischen Sprachraum auch als contingency theory771 bezeichnet – und die sich daraus ableitenden interaktionstheoretischen Ansätze haben sich zu Beginn der 1960er Jahre entwickelt.772 Unter letzteren werden hauptsächlich organisationskulturelle Konzepte verstanden, die jedoch primär menschenbildorientiert – also individuenbezogen – sind und kaum Erklärungskraft für komplexe Systeme entwickeln.773

Für die situationstheoretischen Ansätze sind in der Literatur keine einheitlichen Konzeptionen erkennbar.774 Dennoch gilt für alle Varianten die gleich lautende Kernaussage, dass Organisationsmerkmale situationsspezifisch variieren und keine generellen Gestaltungsprinzipien bereitgestellt werden können. Damit wird sich von einem absolutem Verständnis WEBERscher Prägung distanziert (vgl. III-2.2.1). Ohne universal gültige Aussagen zu treffen, verfolgen situationstheoretische Ansätze entweder deskriptiv-erklärende („was und warum liegt etwas vor“) oder gestaltungsbezogene („was sollte herrschen/vorliegen“) Untersuchungsanliegen.775 Jedoch sind die unter Zugrundelegung situationstheoretischer Ansätze durchgeführten empirischen Untersuchungen vergangenheitsorientiert und entfalten damit nur sehr eingeschränkte Aussagekraft für

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774

775

Situationstheoretische Ansätze bzw. der situative Ansatz beziehen sich nicht nur auf rein organisationstheoretische Forschung, sondern eher auf ein methodisches Vorgehen unabhängig vom Untersuchungsgegenstand, so dass von der Situationstheorie als „Metakonzept“ gesprochen wird. Im Kontext von Organisationstheorien wird aufgrund der breiten Auffächerung der Situationstheorie von situationstheoretischen Ansätzen gesprochen. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 89. Statt des Begriffs Situation wird die Bedingtheit (Kontingenz) hervorgehoben, so dass ebenso der Terminus der Kontingenztheorie, contingency theory oder contingency approach gebräuchlich ist. Vgl. Woodward, J. (1958); Stinchcombe, A. L. (1959); Schreyögg, G. (1995), S. 159ff; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994), S. 320, Fn. 6; Wolf, J. (2005), S. 155. Vereinzelt lassen sich bereits Ende der 1950er Jahre erste situationstheoretische Frühwerke ausmachen. Vgl. Stinchcombe, A.L. (1959); Burns, T./Stalker, G.M. (2001) Erstveröffentlichung 1961; Chandler, A.D. (2001) Erstveröffentlichung 1967; Lawrence, P.R./Lorsch, J.W. (1999) Erstveröffentlichung 1967; Kieser, A./Kubicek, H. (1978). Interaktionstheoretische Ansätze stehen für eine Weiterentwicklung und Modifikation der situationstheoretischen Ansätze. Vgl. Macharzina, K. (1977). Prinzipiennähe, Vergleichbarkeit der dominierenden Leitlinien und lediglich partielle Veränderungen erfordern jedoch keine gesonderte Betrachtung der interaktionstheoretischen Ansätze in der vorliegenden Arbeit. Vgl. Pondy, L.R./Frost, P.J./Morgan, G. u. a. (Hrsg.) (1983); Pascale, R.T./Athos, A.G., (1981). Dabei ist zu beachten, dass mit der Kontingenz bereits eine Einschränkung verbunden ist, und die Autoren sich lediglich auf kontextdeterministische Varianten beziehen (vgl. kontextdeterministisch und kontextoffenen Varianten bei dem Merkmal: Offenheit). Eine derart methodische Präzision ist den kontingenztheoretischen Arbeiten jedoch nicht zu entnehmen. Vgl. Schreyögg, G. (1995). Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 45f; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1994), S. 321; Wolf, J. (2005), S. 155; Schreyögg, G. (1995), S. 175ff. Alternativ wird auch von der analytischen bzw. pragmatischen Variante situationstheoretischer Ansätze gesprochen. Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 55ff.

134

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

zukünftige Entwicklungen (keine prognostische Funktion; lediglich Beschreibung und eingeschränkt Erklärung).776

Ausgangspunkte der Situationstheorie bilden das Erklärungsversagen der mit universalistischem Anspruch ausgestatteten klassischen Theorien (z. B. WEBER, TAYLOR und FAYOL in III-2.2.1), die die Vielfalt im Kontext- und Gestaltungsbereich nicht berücksichtigen sowie die Frage nach erfolgreichen kontextabhängigen Organisationskonfigurationen.777 Diese Kontextabhängigkeit wird in situationstheoretischen Ansätzen jedoch nicht konsequent durchgehalten, da vereinzelt unternehmensübergreifende (also universalistische) Aussagen getroffen werden. Diese Universalität bezieht sich jedoch auf die Beziehungen zwischen den Entitäten und nicht auf die Ausprägungen der Gestaltungsformen, wie es z. B. in der Systemtheorie der Fall ist.778

Die Situationstheorie zeichnet sich durch Ihren Variantenreichtum aus und vermag damit einerseits zahlreiche Konfigurationen zu erklären. Andererseits neigen die Aussagen jedoch dazu, eher vage und wenig konkret zu sein.779 Die Situationstheorie liefert daher nur begrenzte Erklärungskraft für das Verhalten komplexer Systeme, die u. a. in der geringen Übereinstimmung der Merkmale begründet ist. Lediglich eingeschränkt für das Merkmal Rückkopplungen sowie für Offenheit lassen sich partielle Analogien feststellen (vgl. III-1.6 und III-1.8):

Rückkopplungen: In der Literatur wird bemängelt, dass kaum Interdependenzen zwischen den Kontextvariablen (eingeschränkte Multikollinearität) berücksichtigt werden.780 Das offenbart, dass sich situationstheoretische Forschungsbemühungen wenig mit Rückkopplungen – seien es positive oder negative – beschäftigen.781 Diese sind jedoch zentraler Bestandteil des Konzepts komplexer Systeme, da aus ihnen nicht vorhersehbares Verhalten entsteht. Hinzuzufügen ist, dass Multikollinearitäten, wie sie in komplexen Systemen auftreten, „die Aussagekraft multivariater Erklärungsmodelle herabsetzen können.“782 Mit interaktionstheoretischen Ansätzen als Weiterentwicklung wird diesem Kritikpunkt begegnet, und es werden wechselseitige Wirkungen

776 777 778

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Vgl. Wolf, J. (2005), S. 173f. Wolf, J. (2005), S. 147ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 162. Mit der Situationstheorie ist unmittelbar das Streben nach empirischer Überprüfung der Hypothesen und damit eine wachsende Auseinandersetzung mit empirischer Sozialforschung verknüpft. Vgl. Schreyögg, G. (1995), S. 230ff. Vgl. Schreyögg, G. (1995), S. 212ff, 234ff. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 91. Wolf, J. (2005), S. 169.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme 783

zwischen Akteuren berücksichtigt.

135

Daher ist unter Hinzuziehung interaktionstheoretischer An-

sätze für Rückkopplungen eine partielle Entsprechung festzustellen.

Offenheit: Organisationen werden, abweichend zur Position klassischer organisationstheoretischer Ansätze, im institutionellen Sinn als (umwelt-)offene und anpassungsfähige Systeme beschrieben. „Organizations are open systems that need careful management to satisfy and balance internal needs and to adapt to environmental circumstances.”784 Diese Perspektive wird von Befürwortern der Kontextoffenheit unterstützt, nach der Unternehmen auf veränderte Situationen reagieren können und folglich eine proaktive Beeinflussung der Umwelt vornehmen.785 Situationstheoretischen Ansätzen liegt ein institutioneller Organisationsbegriff zu Grunde.786 Organisationen werden als „soziale Gebilde [aufgefasst], die dauerhaft ein Ziel verfolgen und eine formale Struktur aufweisen, mit deren Hilfe Aktivitäten der Mitglieder auf das verfolgte Ziel ausgerichtet werden sollen.“787 Grundsätzlich muss jedoch kritisiert werden, dass die Erklärungskraft der situationstheoretischen Ansätze für komplexe Systeme aufgrund des rationalistischen Denkansatzes sehr begrenzt ist.788 Die Annahme rationalen Verhaltens wird anhand der Auffassung zur „Tätigkeit des Organisierens“ deutlich, nach der ein ausschließlich vernunftgeleiteter Organisator die für die Unternehmung optimale Strukturalternative auswählt.789 Zwar kann die in den Ansätzen zu Grunde gelegte Rationalität handlungsempfehlenden Einfluss auf die Praxis nehmen, doch sind aufgrund der „begrenzten Rationalität“ der in komplexen Systemen handelnden Akteure situationstheoretische Ansätze wenig realistisch (vgl. III-1.9).790

Aus komplexitätstheoretischer Sicht ist vor allem für den überwiegenden Teil der Forschungsbemühungen zur Situationstheorie eine fehlende Berücksichtigung der Pfadabhängigkeit zu kritisieren. Zwar handelt es sich hierbei primär um einen Mangel der Methodik, also den durchgeführten empirischen Untersuchungen, und nicht unmittelbar um eine Kritik an der Theorie selbst. Dennoch ist festzustellen, dass die Theorie die Pfadabhängigkeit von Organisationen nicht betrachtet.

783

784 785 786

787 788 789 790

Vgl. Macharzina, K. (1977), S. 19ff. Vgl. die Forderung nach Rückkehr der Akteure in Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 445. Morgan, G. (1986), S. 48. Vgl. Segler, T. (1981), S. 227ff. Vgl. Schreyögg, G. (1995), S. 14. Dennoch dominiert in den empirischen Studien eindeutig ein instrumenteller Organisationsbegriff. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 90. Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 4. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 91. Vgl. Morgan, G. (1986), S. 29; Kieser, A./Kubicek, H. (1992), S. 59f. Vgl. March, J.G. (1978); Arthur, B.W. (1994); Kieser, A. (2002d), S. 169ff; Wolf, J. (2005), S. 171.

136

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Ferner baut die Mehrzahl der Zusammenhangsvermutungen der Situationstheoretiker auf einem linearen Gefüge auf (lineare Korrelationsfaktoren).791 Damit bleibt die Mehrzahl nichtlinearer Relationen (vgl. III-1.7) unentdeckt, da in diesen Fällen von einem „Nichtzusammenhang“ ausgegangen wird. Entsprechend kann die Situationstheorie zumeist den Vorwurf nicht entkräften, vorwiegend leicht zu analysierende Standardfälle zu betrachten und die Besonderheiten aus nichtlinearen Zusammenhängen in simplifizierender Weise unberücksichtigt zu lassen. Daher verfolgen situationstheoretische Untersuchungen oftmals „wenig spannende, intellektuell reizlose Forschungsfragen, die zum Teil zu trivialen Ergebnissen führen.“792 An der Nichtberücksichtigung ist unmittelbar zu kritisieren, dass Standardsituationen überbetont werden und potentielle nichtlineare Entwicklungstreiber unberücksichtigt bleiben.793

Des Weiteren wird die in der Situationstheorie dominierende zeitpunktbezogene Untersuchungskonzeption bemängelt.794 Zwar werden vereinzelt Längsschnittuntersuchungen durchgeführt, doch spielen diese nur eine untergeordnete Rolle. Das hat zur Folge, dass Analysen auf einer starren Momentaufnahme beruhen, ohne dynamische Aspekte abbilden zu können.795

Situationstheoretiker lösen sich von zahlreichen universalistischen Vorstellungen klassischer Organisationstheorien (vgl. III-2.2.1 und III-2.2.3), durch die z. B. umweltbezogene Aussagen möglich werden. Der Kontext von Organisationen wird im Rahmen der Situationstheorie ganzheitlich betrachtet und nicht wie in der Systemtheorie dekontextualisiert (vgl. III-2.4.3). Die zusammenfassende Beurteilung macht jedoch deutlich, dass zahlreiche Basisprämissen situationstheoretischer Ansätze in erheblichem Widerspruch zu den Eigenschaften komplexer Systeme stehen. Gepaart mit einer grundsätzlich komplexitätsreduzierenden Grundhaltung (vgl. die geringe Übereinstimmung mit den Eigenschaften komplexer Systeme) werden in der vorliegenden Arbeit die situations- und interaktionstheoretischen Ansätze aufgrund der objektivistischen Grundhaltung der funktionalistischen Gruppe zugeordnet (vgl. Abbildung III-9), so dass der Erklärungsbeitrag für komplexe Systeme als gering einzustufen ist.

791 792 793 794 795

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 174. Vgl. Schreyögg, G. (1995), S. 78. Erste Ansätze versuchen diesen gerechtfertigten Vorwurf abzuschwächen. Vgl. u. a. Jensen, U. (2001). Vgl. Schreyögg, G. (1995), 230ff, 235ff; Wolf, J. (2005), S. 173. Vgl. Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 91.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.3

Komplexitätsverneinende-subjektivistische Ansätze

2.3.1

Resource-Dependence-Theorie

137

Die Resource-Dependence-Theorie gilt als elaboriertes und repräsentatives Beispiel machttheoretischer Ansätze und wird daher an dieser Stelle den entwicklungsgeschichtlich vorgelagerten machttheoretischen Ansätzen vorgezogen und stellvertretend betrachtet.796 Dies erfolgt zum einen, da bis heute kein allgemein akzeptiertes Begriffsverständnis von Macht in der wissenschaftlichen Literatur vorliegt,797 und zum anderen, da mit der Machttheorie lediglich ein Baustein in bzw. von Organisationen herausgegriffen wird.798 Im Zusammenhang mit machttheoretischen Ansätzen sowie der Resource-Dependence-Theorie steht die Mikropolitik im Mittelpunkt. In dieser werden Prozesse des organisationalen Wandels als Ergebnis strategischer Interaktionen aufgefasst, in denen die Akteure die Ressourcen des sozialen Systems für ihre persönlichen Machtinteressen einsetzen (subjektivistische Grundauffassung der Resource-Dependence-Theorie).799

Für den Terminus Ressource hat sich in der Resource-Dependence-Theorie bisher keine einheitliche Definition herausgebildet, so dass nur tentative Begriffsannäherungen vorliegen, die Ressourcen als ein Konglomerat von Machtbasen auffassen.800 „By a resource is meant anything which could be thought of as a strength or a weakness of a given firm. More formally, a firm’s resources at a given time could be defined as those (tangible and intangible) assets which are tied semi-permanently to the firm.”801

Als Begründer der Resource-Dependence-Theorie gelten PFEFFER und SALANCIK, die mit ihrem Ansatz, ein ressourcenbasiertes machttheoretisches Aussagesystem zu entwerfen, Ende der 1970er Jahre signifikant zum Fortschritt der Organisation-Umwelt-Diskussion beigetragen haben.802 Im Gegensatz zu den klassischen Organisationstheorien (vgl. III-2.2.1) befasst sich die Resource-Dependence-Theorie nicht nur mit erwerbswirtschaftlich orientierten Organisationen, sondern auch mit Non-Profit-Organisationsformen, wie z. B. Kirchen. Mit der Theorie wird auf-

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797 798

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Vgl. Schreyögg, G. (2000), S. 482. Vereinzelt wird die Resource-Dependence-Theorie mit der Situationstheorie zusammengefasst betrachtet, da in beiden Fällen der Kontext entscheidenden Einfluss auf das Verhalten in und von Organisationen hat. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978), S. 1. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 228. Nur wenige machttheoretische Ansätze können als „fully blown theory“ bezeichnet werden. Das Verständnis von Macht pendelt zwischen Potenzial der Einwirkung und Beeinflussung des Betroffenen, die auch gegen sein Interesse erfolgen kann. Vgl. Weber, M. (1976), S. 28. „Power, is argued, is possessed by those who can influence the flow of critical resources from external sources and by those who have influence over the flow of discretionary resources.” Rumelt, R.P./Schendel, D.E./Teece, D.J. (1994), S. 33. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 453, wo sich die zentralen Begriffe Ressourcen und Macht ablesen lassen. Vgl. Probst, G.J./Raub, S./Romhardt, K. (2003), S. 22, 65. Vgl. Wernerfeldt, B. (1984), S. 172. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978). Deutschsprachige Übersichten zur Theorie finden sich bei Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), 452ff; Schreyögg, G. (2000), 481ff.

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Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

zuzeigen versucht, in welcher Form die organisationsinternen Machtpositionen von der Struktur der externen Ressourcen abhängig sind. Der orthodoxe Strukturdeterminismus der Kontingenztheorie (vgl. III-2.2.4) wird durch eine Interaktionsperspektive überwunden, die eine Verknüpfung von Akteur, System und institutioneller Umwelt bietet. „Der Handlungshorizont wird weit über die Strukturgestaltung hinaus gezogen und bezieht in neuer Verknüpfung eine Reihe von Umweltbearbeitungsstrategien mit ein [...]. Der Ansatz durchbricht [...] das dominierende kausalanalytische Denkmuster.“803 Damit leistet die Resource-Dependence-Theorie einen Beitrag zum Wechsel zu einer post-materiellen Wertorientierung, mit dem ein Werte- und Bewusstseinswandel verbunden ist (vgl. I-1.2).804

Anhand der zentralen Fragenkomplexe Woraus ergibt sich die Abhängigkeit von internen und externen Akteuren?, Welche Ressourcen stiften Abhängigkeit? und Wie gehen Organisationen mit diesen Abhängigkeiten um? lässt sich das Kerninteresse bzw. die Zielsetzung der ResourceDependence-Theorie nach Sicherung des Ressourcenflusses ableiten.805 Besondere Bedeutung erlangt die Theorie durch den Einbezug von internen und externen Ressourcen sowie die Abhängigkeit von diesen. Demnach lässt sich folgender Erklärungsbeitrag für komplexe Systeme aus den Kernaussagen der Theorie deduzieren:806

Überlebenssicherung: Nach Ansicht der Vertreter der Resource-Dependence-Theorie besteht das primäre Ziel von Organisationen in der Sicherstellung der Überlebensfähigkeit.807 „This book discusses how organizations manage to survive. Their existence is constantly in question, and their survival is viewed as problematic.”808 Damit löst sich die Theorie von der klassischen Perspektive der Organisationswissenschaften, nach der Organisationen primär nach Effizienzkriterien handeln.809

Pfadabhängigkeit: PFEFFER deutet mit dem Hinweis „[organizations] are embedded in the sense that they have a history”810 auf die Pfadabhängigkeit von Organisationen hin. Der ausschließliche Blick der orthodoxen Industrieökonomie (vgl. III-2.2.2) auf Strukturkomponenten 803 804 805 806 807

808 809

810

Schreyögg, G. (2000), S. 482. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 452. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 222; Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), 452ff; Schreyögg, G. (2000), 481ff. Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 452ff; Schreyögg, G. (2000), S. 481ff. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978); Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000). Zur Diskussion des Überlebens-Paradigmas vgl. Kirsch, W. (1991), 181ff; Kirsch, W. (1997c), 301ff. Eine ausführliche Diskussion zum Verhältnis von Zielbildung und Systembedürfnis liefert LUHMANN. Vgl. Luhmann, N. (1999a). Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978), S. 2. Vgl. Parsons, T. (1956), S. 65ff. Dennoch ist anzumerken, dass das Überleben des Systems durch das Kriterium Effektivität operationalisiert – also gemessen – werden kann. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978), S. 62ff. Pfeffer, J. (1987), S. 121.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

139

wird nunmehr auf Verhaltenskomponenten unter Berücksichtigung von Pfadabhängigkeiten gerichtet.811

Rückkopplungen: Da Organisationen als Gefüge von Ressourcenangebots- und -abnahmeprozessen aufgefasst werden, werden in der Resource-Dependence-Theorie Rückkopplungen (mit der Umwelt) zentrale Bedeutung beigemessen.812 SCHREYÖGG kommt zu dem Schluss, dass an die Stelle der Determinierung der Organisation durch die Umwelt (vgl. Kontingenztheorie) eine interaktive Perspektive tritt.813 Damit wird unterstellt, dass zwischen Organisation und Umwelt Rückkopplungsprozesse existieren (jedoch nicht zwischen den Entitäten), die z. B. die Entstehung hybrider Organisationsformen (wie verkoppelter Systeme) nachvollziehbar bzw. erklärbar machen. Rückkopplungen zwischen den Entitäten (der Organisation) treten ausschließlich in mikropolitischen Ansätzen auf (z. B. bei der Ausübung von Macht), so dass lediglich von partieller Entsprechung auszugehen ist.

Nichtlinearität: Eine wesentliche Erkenntnis des Ansatzes besteht in der Einsicht, „daß die Beziehungen zwischen formalen Organisationsstrukturen und tatsächlichem Handeln [auf Basis von informalen Strukturen; Anmerkung des Verfassers] der Menschen in Organisation in mikropolitischer Perspektive besser verstanden und erklärt werden können.“814 Mit dieser Aussage wird implizit deutlich, dass die Berücksichtigung sowohl formaler als auch informaler Gefüge und damit nichtlineare Zusammenhänge (vgl. III-1.7) Gegenstand der Mikropolitik und damit auch der Resource-Dependence-Theorie sind.815

Offenheit: Mit dem in der Resource-Dependence-Theorie angenommenen Austausch von materiellen und immateriellen Ressourcen wird eine Systemoffenheit vorausgesetzt, so dass die ausschließlich endogene Erzeugung von Ressourcen nicht angenommen wird.816 Dies ermöglicht der Austausch zwischen In- und Umsystem.817 Trotz der Betonung der externen Perspektive durch die Resource-Dependence-Theorie werden weitergehende Bemühungen hin zu einer „open system theory“ notwendig (daher lediglich implizite Berücksichtigung; vgl. Tabelle III-1), so wie sie von KATZ/KAHN bereits 1966 gefordert wurde.818

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Vgl. Knyphausen, D. zu (1993), S. 771ff. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978), besonders in Form von Kooptation. Vgl. Schreyögg, G. (2000), S. 482. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 454. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 5. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 222f. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 23, 63. Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978); Katz, D./Kahn, R.L. (1978), Erstveröffentlichung 1966.

140

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Begrenzte Rationalität: Aus der Ablehnung eines deterministischen Verständnisses in Verbindung mit einer inhärent interessenpluralistischen Grundperspektive sowie der neu gewonnenen Vorstellung von „Macht“ als etwas subjektiv Wahrgenommenes819 (vgl. subjektivistische Grundhaltung) kann abgeleitet werden, dass den Akteuren in der Resource-Dependence-Theorie ein begrenzt rationales Verhalten zugewiesen wird. Ressourcen als aggregierte Machtbasen sind ein allgegenwärtig zu beobachtendes Phänomen in Organisationen, welchem bis zum Zeitpunkt des Aufkommens der Resource-Dependence-Theorie wenig Aufmerksamkeit beigemessen wurde.820 Mit dieser sind nicht ausschließlich deskriptive Aussagen und Erklärungen verbunden, sondern auch präskriptive Empfehlungen ableitbar (prognostische Funktion), so dass eine Konkretisierung von abstrakten Umweltbezügen möglich wird (sowohl Beschreibung, Erklärung als auch Prognose).821 Mit der Resource-DependenceTheorie wird der orthodoxe Strukturdeterminismus und damit grundsätzlich die deterministische Sichtweise der Kontingenztheorie (vgl. III-2.2.4) überwunden.822

Die Resource-Dependence-Theorie weist durch die Betrachtung von unterschiedlichen Ebenen in Organisationen vordergründig Ähnlichkeit zu komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen auf, d. h. sie geht nicht von einer monolithischen Organisationsstruktur aus, sondern differenziert sich in Meta- und Subebenen, die jeweils kritische Ressourcen akquirieren und über sie verfügen können. Dadurch wird in Organisationen die Bildung von komplexem Verhalten unterstützt.823 Darüber hinaus ziehen Vertreter der Resource-Dependence-Theorie eine subjektivistisch-konstruktivistische Sichtweise einer objektivistischen vor, was mit den komplexitätswissenschaftlichen Paradigmen zur Deckung zu bringen ist (vgl. I-1.3 und II-6). Vor allem wird die Annahme von einer extern vorgegebenen und „objektiven“ Umwelt kritisiert. Es sollen die selektiven und interpretativen Leistungen der Organisation in Bezug auf ihre Umwelten mit in die theoretische Analyse aufgenommen werden.824

Aus Sicht der Erklärung, Beschreibung und Prognose des Verhaltens komplexer Systeme ist hervorzuheben, dass eine Reihe von Eigenschaften komplexer Systeme in der Theorie implizit oder explizit aufgenommen werden. Dazu gehören vor allem Pfadabhängigkeit, Rückkopplungen, Nichtlinearität und begrenzte Rationalität. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass besonders 819

820 821 822 823 824

Diese Aussagen erfolgen in Abgrenzung zu bereits veröffentlichten Arbeiten, in denen Machtaspekte unter der Prämisse der Rationalität laufen. Nicht umsonst versuchte WEBER mit der Einführung einer Bürokratie Rationalität in den Prozessen zu installieren, um Willkür und unkontrollierte Machtausübung zu verdrängen. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 227f; Neuberger, O. (1995), S. 953ff. Vgl. Schreyögg, G. (2000), S. 481f. Vgl. Schreyögg, G. (2000), S. 482; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 454. Vgl. Rumelt, R./Schendel, D./Teece, D. (1994), S. 33; Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978). Vgl. Pfeffer, J./Salancik, G.R. (1978), S. 1 und später Pfeffer, J. (1987), S. 126.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

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Dynamik, Vielzahl und Varietät sowie diejenigen Eigenschaften, die zur Ordnungsbildung in Organisationen (u. a. Emergenz) beitragen, nicht betrachtet werden. Vor allem die unberücksichtigten Charakteristika, die für Ordnungsbildung notwendig sind, schwächen die Aussagekraft der Resource-Dependence-Theorie für die Beschreibung, Erklärung und Prognose des Verhaltens komplexer Systeme und führen zu der Einstufung als komplexitätsreduzierende Theorie (vgl. Abbildung III-9).

2.3.2

Institutionalistische Ansätze

Der institutionalistische Ansatz ist in der US-amerikanischen Organisationssoziologie verwurzelt und wird vereinzelt als institutionensoziologischer Ansatz (in Abgrenzung zum institutionenökonomischen Ansatz) bezeichnet. Vor allem Soziologen treten wiederholt als Unterstützer und Impulsgeber dieses Ansatzes auf.825 Die Mehrzahl der Arbeiten zu diesem Thema bauen auf empirischen Untersuchungen kombiniert mit theoretischen Erklärungsansätzen auf, die jedoch durch ein noch schwach formalisiertes Forschungsprogramm charakterisiert sind. Zunehmend wird der institutionalistische Ansatz im Zusammenhang mit ökonomisch orientierten Organisationstheorien diskutiert. ORTMANN/SYDOW/TÜRCK stellen heraus, dass der institutionalistische Ansatz über erhebliches Beschreibungs- und Erklärungspotenzial verfügt und hilfreiche Beträge zur Weiterentwicklung bestehender Organisationstheorien leistet.826

Die Entstehung institutionalistisch geprägter Betrachtungsweisen geht auf zwei Ursachen zurück:827 Zum einen lagen nur wenige aussagekräftige Untersuchungen zum Zusammenhang von Unternehmenserfolg und effizienter Steuerung sowie Kontrolle von Unternehmen vor. Vor allem in etablierten funktionalistischen Organisationstheorien, in situativen Ansätzen und in der Neuen Institutionenökonomik (vgl. III-2.2.3) kommt bis heute dem Effizienzkriterium im Zusammenhang mit der formalen Aufbauorganisation besondere Aufmerksamkeit zu. Mit der Ablehnung der ausschließlichen Fokussierung auf Effizienzkriterien im institutionalistischen Ansatz wird ferner die formale Struktur als alleiniger Gestaltungsansatz abgelehnt. Zum anderen hat sich der institutionalistische Ansatz aus einer Abkehr vom technologie- und machbarkeitsorientierten Paradigma heraus entwickelt, da seine Vertreter in ihren Untersuchungen nur einen sehr schwachen

825 826 827

Vgl. u. a. Sydow, J. (1992), S. 205ff und die dort zitierten Autoren. Vgl. Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (2000); Selznick, P. (1985, 1996). Vgl. Walgenbach, P. (2002b), S. 319. Der im institutionalistischen Ansatz verwendete Institutionenbegriff ist von dem in der Betriebswirtschaft genutzten Terminus zu trennen. Während sich die betriebswirtschaftliche Interpretation auf Organisationen (als Institution) bezieht, zielt die institutionalistische Verwendung auf die Gesamtheit aller institutionssteuernden Phänomene unabhängig ihrer Konstitution. Der Begriff bezieht sich damit auf das Gebilde und das Verhalten. Vgl. Walgenbach, P. (2002b), S. 320f. MEYER/ROWAN kennzeichnen den zentralen Prozess der Institutionalisierung folgendermaßen: „Institutionalization involves the processes by which social processes, obligations, or actualities come to take on a rule-like status in social thought and action.“ Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 341.

142

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Zusammenhang zwischen der verwendeten Technologie und dem Einfluss auf den Aufbau der Organisation feststellen konnten.828 Vielmehr spiegelt sich die formale Struktur dieser in der Umwelt der Organisation wider. Daraus folgern die Institutionalisten, dass sich die Organisationsstrukturen an den (organisationalen) Umweltbedingungen orientieren. Entsprechend verstehen sie „formale Strukturen“ nicht als technisch rationale Werkzeuge, sondern als Offenlegung von umweltgesteuerten Regeln und Erwartungen.829 Daraus leitet sich der Kerngedanke des institutionalistischen Ansatzes ab, nach dem sich Organisationen ihrer sozialen Umwelt angleichen, um sich Legitimität zu verschaffen. Die Rechtmäßigkeit des organisationalen Verhaltens steht im Mittelpunkt des Handelns (Legitimität formaler Strukturen). Entsprechend gestaltet sich der Beitrag des institutionalistischen Ansatzes zur Beschreibung und Erklärung von komplexen Systemen. Da Überlebenssicherung in diesen Ansätzen besonders betrachtet wird, findet diese Eigenschaft auch an dieser Stelle gesonderte Beachtung:830

Überlebenssicherung: DIMAGGIO/POWELL heben hervor, dass besonders in Phasen organisationalen Wandels keine eindeutigen, auf funktionale (technische und ökonomische) Effizienzkriterien (vgl. III-2.2.1) ausgerichtete Verhaltensweisen beobachtet werden können,831 so dass eine funktional optimierte Ausrichtung der Organisation ausgeschlossen wird.832 In diesem Zusammenhang muss auf zwei Aspekte aufmerksam gemacht werden: Erstens sind Organisationen zum Wandel fähig, um zu „überleben“, und zweitens wird der Effizienzbegriff weiter gefasst als in etablierten Organisationstheorien (z. B. bei WEBER). Daran wird deutlich, dass Organisationen nach institutionalistischem Verständnis nicht strikt auf ökonomische Effizienzkriterien ausgerichtet sind, sondern Überlebenssicherung anstreben.833

Pfadabhängigkeit: Ein zentraler Aspekt des institutionalistischen Ansatzes besteht in der Berücksichtigung gesellschaftlich vorgegebener Basisüberzeugungen.834 Da diese sich nicht ständig neu konfigurieren, sondern in erheblichem Maße von den Vorentwicklungen beeinflusst werden, sind 828

829 830

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832 833 834

Technik: „Technik [...] bezeichnet den Prozeß der Technologiennutzung sowie dessen materielle und immaterielle Erzeugnisse.“ Koruna, S./Tschirky, H. (1998), S. 227. Technologie: „Technologien umfassen spezifisches individuelles und kollektives Wissen in expliziter und impliziter Form zur produkt- und prozeßorientierten Nutzung von natur-, sozial- und ingenieurwissenschaftlichen Erkenntnissen“. Koruna, S./Tschirky, H. (1998), S. 227. Verfahren bzw. Methode: Verfahren bzw. Methode umschreibt die (geistigen) Grundlagen für planmäßiges, strukturiertes und folgerichtiges Vorgehen. Zu den wesentlichen Vertretern gehören MEYER, ROWAN und SCOTT. Vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 343. Darüber hinaus kennzeichnen den institutionalistischen Ansatz weitere Eigenschaften, die jedoch für die Erklärung komplexer Systeme kaum relevant sind. Vgl. Hasse, R./Krücken, G. (1999); Walgenbach, P. (2002b), S. 319ff; Sydow, J. (1992), S. 205ff; Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (2000). Vgl. DiMaggio, P.J./Powell, W.W. (2000), S. 147ff; DiMaggio, P.J. (1988), S. 3ff. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass das Verhalten branchenspezifisch differiert. Vgl. Walgenbach, P. (2002b), S. 329. Vgl. Göhler, G./Kühn, R. (1999), S. 17ff. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 205f. Vgl. Granovetter, M. (2000), S. 175ff, der Basisüberzeugungen als embeded bezeichnet.

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die von den gesellschaftlichen Basisüberzeugungen (mit-)bestimmten Organisationen abhängig von der Historie (Pfadabhängigkeit).835 Anhand verschiedener Beispiele machen MARCH/OLSEN und JANSEN deutlich, dass organisationale Evolutionen stets am Entwicklungspfad anknüpfen.836

Offenheit: Nach institutionalistischem Verständnis sind in Organisationen die Elemente der formalen Struktur, wie Datenverarbeitungssysteme und Personalauswahlverfahren, institutionalisiert. Darüber hinaus adaptieren sie partiell an institutionalisierte Elemente der Umwelt, so dass die Vorstellung von starren organisationalen Grenzen aufgebrochen wird.837 Nach Auffassung von Vertretern institutionalistischer Ansätze verfügen Organisationen nicht nur über interne, sich verstärkende bzw. homogenisierende Rückkopplungsprozesse, sondern auch über die Fähigkeit, mit ihrer Umwelt zu interagieren und Austauschbeziehungen zu pflegen. Sie gelten damit implizit als offene Systeme.

Begrenzte Rationalität: Mit Bezug auf den im institutionalistischen Ansatz geprägten Begriff des Rationalitätsmythos838 wird die Tatsache umschrieben, dass vollständige Rationalität in Organisationen nicht vorliegen kann, sondern Organisationen auf der Meta-Ebene (system-)rational sind.839 Für die individuelle Ebene gilt dies nicht, so dass Konstrukte wie homo oeconomicus abgelehnt werden. Die Wirklichkeit ist für die Individuen von einem geteilten Glauben geprägt, d. h. sie kann keiner objektiven Überprüfung unterzogen werden, so dass in der Folge die Akteure nur begrenzt rational handeln und damit Parallelen zum Konstruktivismus aufweisen.840

Selbstreferenz: Selbstreferenz wird im vorliegenden Ansatz implizit anhand des „institutionellen Isomorphismus“ deutlich.841 Dabei werden Abweichungen von der homogenen legitimierten Ausprägung nivellierend korrigiert. Externe reglementierende Institutionen, wie z. B. Behörden, fördern den Isomorphismus. Außerdem führen organisationsinterne Prozesse bei der Umsetzung der externen Vorgaben zur Homogenisierung der Elementlandschaft.842

835 836 837 838 839

840 841

842

Vgl. Scott, W.R. (1983), S. 169. Vgl. March, J.G./Olsen, J.P. (1989); Jansen, D. (2000). Vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 346. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 391. Vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 343; Sydow, J. (1992), S. 206; Walgenbach, P. (2002b), S. 325; Wolf, J. (2005), S. 393. Vgl. Zucker, L.G. (1987), S. 451ff. DiMAGGIO und POWELL unterscheiden zwischen dem erzwungenen, mimetischen und normativen Isomorphismus. Vgl. dazu ausführlich DiMaggio, P.J./Powell, W.W. (2000), S. 147ff sowie Mintzberg, H./Ahlstrand, B./Lampel, J. (1998), S. 294ff; Scott, W.R. (2002), S. 164ff. Positive Feed-backprozesse, also verstärkende divergierende Prozesse, werden nach Auffassung der Institutionalisten der Eigenschaft Pfadabhängigkeit zugeordnet, die bereits betrachtet wurde.

144

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Aufgrund des noch frühen Entwicklungsstadiums des institutionalistischen Ansatzes ist bis dato keine abschließende einheitliche Bewertung des Ansatzes möglich, da die Beurteilungen z. T. widersprüchlich ausfallen.843 Von Kritikern wird der institutionalistische Ansatz auch als Sammelbecken von Theorien oder Theoriefragmenten aufgefasst, die einen rein eklektischen Charakter aufweisen. Diese Beurteilung bezieht sich vor allem auf den Ansatz selbst, da das Konzept der Institutionalisierung nicht durchgehalten wird und sich seit den ersten grundlegenden Publikationen kein konzeptioneller Fortschritt entwickelt hat.844 Darüber hinaus fällt die ausgeprägte Betonung von sozialen Zwängen und die einseitige Hervorhebung des Institutionalismus negativ ins Gewicht. Selbst Befürworter des Ansatzes können nicht ausschließen, dass bei Umsetzung des Konzepts individuelle Antriebe und Perspektiven, wie Macht und Interessen, aus dem Blick verloren werden und es zu einem übersozialisierten, statisch individuellen bzw. kollektiven Verhalten oder sogar zum so genannten „iron cage“ kommen kann.845 Ferner werden vorwiegend in politikwissenschaftlich orientierten institutionalistischen Ansätzen dynamische Aspekte aufgegriffen, da besonders in diesem Umfeld statische und rationalistische Modelle versagen, so dass auf Dynamik als Eigenschaft institutionalistischer Ansätze nicht geschlossen werden kann.846 Damit ist der Ansatz als komplexitätsreduzierend einzustufen (vgl. die daraus resultierende Einstufung in Abbildung III-9).

Trotz der vorgetragenen Kritik hat der institutionalistische Ansatz besondere konzeptionelle Qualitäten für die Erklärung komplexen Organisationsverhaltens, das durch die Übereinstimmungen in den dargestellten Eigenschaften unterstrichen wird. Ferner eignet sich der Ansatz aus komplexitätswissenschaftlicher Sicht (in Bezug auf die Methodik) aufgrund der regelgeleiteten Betrachtung von Organisationen. Der Fortbestand einer Organisation wird nach Auffassung der Vertreter institutionalistischer Ansätze durch einen Rückgriff auf Regeln auf der Mikroebene sichergestellt. Diese sind jedoch nicht als konkrete standardisierte formalisierte (Handlungs-)Muster aufzufassen, sondern können auch fundamentale informale Ideen über den Zweck des Zusammenlebens enthalten. Beispielhaft gelten hierfür Geschäftsbeziehungen oder die Zusammenarbeit der Mitarbeiter innerhalb von Abteilungen. Die Aufgabe der Regeln besteht zum einen in der Bewältigung der organisationalen Sachaufgaben, und zum anderen dienen sie als nach innen und außen gerichtete Legitimationshilfen des gezeigten Verhaltens.847 Damit gehören die institutio-

843 844 845 846 847

Vgl. Walgenbach, P. (2002b), S. 319ff; Sydow, J. (1992), S. 210; Wolf, J. (2005), S. 407. Vgl. DiMaggio, P.J. (1988), S. 7ff; Sydow, J. (1992), S. 209f. Vgl. Powell, W.W. (2002), S. 183; DiMaggio, P.J./Powell, W.W. (2002), S. 63ff. Vgl. Jansen, D. (2000). Vgl. Wolf, J. (2005), S. 398.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

145

nalistischen Ansätze zu den wenigen Denkmodellen, die ein regelgestütztes Verhalten der Organisationsakteure zu Grunde legen.

Organisationen und deren Umwelt werden (im Gegensatz zu komplexitätsverneinendenobjektivistischen Ansätzen) nicht als analytisch trennbare Objekte verstanden. „Gesellschaft und Organisation lassen sich nicht gemäß Außen-Innen-Metapher beschreiben, sondern nur mit ihren Begriffpaaren; Ganzes/Teil bzw. Allgemeines/Besonderes.“848 Die Intensität der Ko-Evolution zwischen Organisation und Umwelt ist von den Aktivitäten der Mitglieder, den verfolgten Zielen, der Kontrolle und Definition der eigenen Grenzen sowie der Beeinflussung der Umwelt durch die Organisation abhängig.849

Zusammenfassend wird deutlich, dass im institutionalistischen Ansatz ein Großteil der Eigenschaften komplexer Systeme berücksichtigt werden. Einschränkend ist jedoch aus komplexitätswissenschaftlicher Sicht anzumerken, dass Charakteristika wie Vielzahl und Varietät, Rückkopplungen, Selbstorganisation, Autopoiese und Emergenz nicht sowie Dynamik, Nichtlinearität und Offenheit lediglich implizit berücksichtigt werden und daher eine ausschließliche Betonung institutionalistischer Ansätze zur Beurteilung komplexer Systeme nicht zweckmäßig ist.850

2.3.3

Informationsverarbeitungsansatz

Der Informationsverarbeitungsansatz als Organisationstheorie greift sich einen sehr spezifischen Teilbereich in der Organisationswissenschaft heraus, so dass mit ihm kein holistischer Aussagegehalt verbunden ist.851 Ziel des Ansatzes ist die Beschreibung und Erklärung des Zusammenhangs von Information und Handeln sowie die Untersuchung der Abhängigkeit zwischen Bereitstellung bzw. Nutzung von Informationen und der daraus abgeleiteten Qualität des Handelns – jedoch ohne prognostische Aussagen ableiten zu können.852 Die Bedeutung des Informationsverarbeitungsansatzes für die Komplexitätswissenschaft besteht in der Überwindung von Erklärungsdefiziten, die in der Situationstheorie entstehen, da in dieser keine inhaltlichen Aussagen über die Wirkungszusammenhänge innerhalb der Organisation bereitgestellt werden.

848 849 850 851

852

Türk, K. (1989), S. 37. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 207. Vgl. u. a. Sydow, J. (1992); Donaldson, L. (2000); Walgenbach, P. (2002b). Die begrifflichen Grundlagen des Informationsverarbeitungsansatzes entstammen den Kommunikationswissenschaften. Wesentliche Vertreter des Ansatzes sind SIMON, SHANNON, WEAVER sowie LAWRENCE und LORSCH. Vgl. Shannon, C.E./Weaver, W. (1998), Erstveröffentlichung 1949; Simon, H.A. (1981); Lawrence, P.R./Lorsch, J.W. (1999). Vgl. Scholl, W. (1992), Sp. 901.

146

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Ein weiterer Ausgangspunkt für den Ansatz ist die mangelnde Auseinandersetzung etablierter Theorien (vgl. III-2.2.1 und III-2.2.2) mit Informationsverarbeitungsprozessen, die im Kontext zunehmender Verbreitung leistungsfähiger Verarbeitungssysteme, wachsender Dichte und Vielfalt durch Internationalisierung sowie zunehmendem Wettbewerbsdruck kritisiert wird.853 „The purpose is to conceive of organizations as information-processing networks and to explain why and through what mechanisms uncertainty and information relate to structure.“854

Der zentrale Informationsbegriff wird als zweckorientiertes Wissen gegenüber dem allgemeinen, umgangssprachlich gebrauchten Terminus der Mitteilung abgegrenzt.855 Damit erhält „Information“ einen Wert, der im Beitrag zur Zielerreichung zu suchen ist und von Relevanz, Präzision, Rechtzeitigkeit und Prägnanz als Teileigenschaften geprägt ist.856 Information reicht in ihrer Aussagekraft nicht so weit wie Wissen bzw. knowledge. Dies spiegelt einen Sachverhalt wider, der mehr umfasst als eine im Sinne der o. g. Begriffsbestimmung abgegrenzte Information.857 Durch seine hohe inhaltliche858 Heterogenität ist der Informationsverarbeitungsansatz als ein prozessorientierter859 Meta-Ansatz zu begreifen, der sich in eine individuenzentrierte und eine organisationszentrierte Variante unterscheiden lässt.860 Im Kern steuert er die Entsprechung („fit“) von Informationsverarbeitungsbedarf und Informationsverarbeitungskapazität des Untersuchungsobjekts an. Der Informationsbedarf lässt sich in Unsicherheit und Uneindeutigkeit bzw. equivocality differenzieren.861 Die Kapazität wird durch strukturelle, technokratische und personenorientierte Organisationsformen bestimmt, also den Merkmalen organisatorischer Gestaltung.862 Bei der Betrachtung des Informationsverarbeitungsbedarfs werden folgende Eigenschaften komplexer Systeme berücksichtigt:

853 854

855 856 857

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862

Vgl. Picot, A./Frank, E. (1992), Sp. 887f; Heinrich, L.J. (1993), Sp. 1751f; Kleber, B. (2002); Moser, K. (2002). Galbraith, J.R. (1977). S. 39. GALBRAITH stützt sich auf die entscheidungs- und organisationstheoretischen Arbeiten von CYERT, MARCH und SIMON der „Pittsburgher Schule“. Vgl. Cyert, R.M./March, J.G. (1995); March, J.G./Simon, H.A. (1958); Simon, H.A. (1981). Vgl. Wittmann, W. (1959), S. 12; Heinrich, L.J. (1993), Sp. 1749. Vgl. Tushman, M.L./Nadler, D.A. (1978), S. 613ff; Gemünden, H.G. (1993), Sp. 1726. Vgl. zahlreiche Publikationen zum Wissensmanagement, u. a. Holsapple, C.W. (Hrsg.) (2003a); Holsapple, C.W. (Hrsg.) (2003b); Willke, H. (2001a); Oelsnitz, D. v on der/Hahmann, M. (2003); Güldenberg, S. (2003); Fried, A. (2003). In Abgrenzung zur methodischen Heterogenität. Vgl. Larkey, P.D./Sproull, L.S. (1984), S. 4. Vertreter der individuenzentrierten Variante im angelsächsischen Sprachraum sind Weick, K.E. (1979), March, J.G./Simon, H.A. (1958), Simon, H.A. (1981), March, J.G./Olsen, J.P. (1989). Die organisationszentrierte Variante wird u. a. von Tushman, M.L./Nadler, D.A. (1978), Galbraith, J.R. (1977) und Egelhoff, W.G. (1988) vertreten. WEICK spricht von „equivocality“. Vgl. Weick, K.E. (1979). Die Unsicherheit wird durch die fehlende Vorhersehbarkeit von unternehmensinternen und -externen Entwicklungen bestimmt. Uneindeutigkeit bringt zum Ausdruck, dass Informationen subjektiv wahrgenommen und verarbeitet werden. Vgl. Wolf, J. (2001), S. 10f.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

147

Dynamik: Im Informationsverarbeitungsansatzes wird von der Veränderlichkeit der Umwelt ausgegangen. Unter diesen Umständen besteht die Notwendigkeit eines andauernden dynamischen Informationsaustauschs, um das System mit aktuellen Informationen zu versorgen.863 Der Informationsaustausch wird jedoch insofern erschwert, als dass Unternehmen in unterschiedlichen Umwelten agieren. „Die Informationsbedarfsanalyse hat demnach auf der Ebene der Teileinheiten anzusetzen, und sie sollte idealerweise nicht objektivistisch, sondern auf Basis der Perzeption der betroffenen Entscheidungsträger vollzogen werden.“864 Entsprechend erfolgt die Einstufung in subjektivistische Ansätze (vgl. Abbildung III-9).

Rückkopplungen: Ausmaß und Grad der Vernetztheit, d. h. Umfang und Intensität der bestehenden Rückkopplungen, haben wesentlichen Einfluss auf die Informationsdichte und den Informationsbedarf der Elemente.865 In dem Maße, in dem sich Art und Zahl der Rückkopplungen intensivieren bzw. zunehmen, steigt auch die Informationsdichte für das Element. Die Untersuchung der Rückkopplungen als Informationsbedarfstreiber wird jedoch als problematisch eingestuft, da zwischen den Interdependenzen und der Unternehmensorganisation wechselseitige Beziehungen bestehen.866 Ferner bestimmen Aufbau- und Ablauforganisation das Maß und die Form der im Unternehmen herrschenden Arbeitsteilung und damit den Grad der Verbundenheit.867

Nichtlinearität: Im Informationsverarbeitungsansatz wird im Rahmen der Abschätzung von Informationsverarbeitungskapazitäten in Organisationen von informalen Strukturen ausgegangen, die neben einem formalen Berichtsystem informale Elemente berücksichtigen.868 Mit dieser Annahme wird partiell ein nichtlineares Systemverhalten anerkannt und gefördert.869

Offenheit: Im Informationsverarbeitungsansatz werden Organisationen als offene Systeme betrachtet, die mit der unternehmensexternen Umwelt in Interaktion treten können.870 Die Umwelt beeinflusst z. B. die Strukturen, Interdependenzen sowie Aufgaben und Technologien der Unternehmung. Organisationen stehen jedoch nicht nur einer Umwelt, sondern unterschiedlichen, ungleichmäßig aufgebauten Teilumwelten gegenüber, so dass die Informationsverarbeitungsbedarfsanalyse auf den verschiedenen Teilebenen der Umwelten anzusetzen hat.871

863 864 865 866 867 868 869 870 871

Vgl. Kennedy, P.W. (1994), S. 39f. Wolf, J. (2005), S. 240. Vgl. Tushman, M.L./Nadler, D.A. (1978). Rückkopplungen stellen damit einen Teil von Organisationen dar. Vgl. Thompson, J.D. (1967), S. 54ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 240f. Vgl. Galbraith, J.R. (1977). Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 3ff. Vgl. Reichwald, R./Nippa, M. (1992), Sp. 855ff; Hartmann, S.J./White, M.C./Crino, M.D. (1986), S. 458ff. Vgl. Lawrence, P.R./Lorsch, J.W. (1999).

148

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Der Informationsverarbeitungsansatz liefert eine Erklärung, wie Organisationen Informationen speichern, wahrnehmen, interpretieren und abrufen. Damit leistet er einen wesentlichen Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkungsstrukturen in Organisationen und ermöglicht eine Überprüfung der inneren Logik von Verhaltensweisen sowie die Integration mit anderen organisationstheoretischen Ansätzen.872 Ferner ist hervorzuheben, dass der Ansatz über ein einheitliches Bewertungskriterium (Saldo aus Informationsverarbeitungsbedarf und -kapazität) verfügt, mit dem ein eindimensionales Theoriekonzept vermieden wird.

Im Informationsverarbeitungsansatz werden zentrale Eigenschaften komplexer Systeme wie Dynamik, Rückkopplungen, Nichtlinearität (partiell) sowie Offenheit berücksichtigt. Darüber hinaus wird ähnlich wie in komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen eine konstruktivistische Perspektive eingenommen.873 Diese Annahme kommt besonders bei der Betrachtung des zentralen Begriffs Information zum Ausdruck, da dieser als grundsätzlich unvollständig und damit interpretationsbedürftig erachtet wird und stets subjektiv eingefärbt ist. Wie bereits im Rahmen der einleitenden Relevanzbetrachtung geschildert, setzt sich der Informationsverarbeitungsansatz ferner als einer der ersten intensiv mit der Integration von leistungsfähiger Informationstechnologie auseinander, wenngleich unterstellt wird, dass mehrdeutige Entscheidungssituationen noch nicht vollständig computergestützt abgebildet werden können.874

Neben diesen Übereinstimmungen wird jedoch deutlich, dass zentrale Elemente wie Überlebenssicherung, Vielzahl und Varietät, Pfadabhängigkeit, begrenzte Rationalität, Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese keine Beachtung finden. Entsprechend wird der Ansatz als (eher) komplexitätsverneinend eingestuft (vgl. Abbildung III-9). Besonders kritisch ist die Handhabung von Rationalität zu bewerten. Während im garbage-can-model875 (ca. Mitte der 1960er; vgl. Abbildung III-10) bereits von begrenzter Rationalität im Handeln der Akteure ausgegangen wird, erfährt dieser Gedanke im Informationsverarbeitungsansatz keine Beachtung und steht damit im Widerspruch zu grundlegenden Erkenntnissen komplexitätswissenschaftlicher Ansätze. Da bisher vorwiegend eine Mikro-Perspektive auf Organisationen eingenommen wurde, also das Individuum im Vordergrund stand, ist der Ansatz den Beweis schuldig, seine Erklärungskraft auch für die Makro-Perspektive zu belegen. Da komplexitätswissenschaftliche Ansät-

872 873

874 875

Vgl. Cohen, W.M./Levinthal, D.A. (1990), S. 397ff. Wie anhand des von WEICK geprägten Begriffs der equivocality erkennbar ist, werden identische Situationen von unterschiedlichen Personen ungleich bewertet. Vgl. Weick, K.E. (1979). Vgl. Picot, A./Frank, E. (1992), Sp. 886ff. Vgl. Cohen, M.D./March, J.G./Olsen, J.P. (1972), S. 1ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

149

ze fordern, beide Perspektiven einnehmen zu können, bleibt abzuwarten, ob die MakroPerspektive zukünftig auch im Informationsverarbeitungsansatz Beachtung findet.

Grundsätzlich wird an diesem Ansatz kritisiert, dass sich bisher noch keine in sich geschlossene Theorie herauskristallisiert hat. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die im Ansatz als geeignet eingestufte Vorgehensweise der Computersimulation bis dato kaum genutzt wird. Kritisch wird ferner der implizite Charakter der Dimensionen des Beurteilungskriteriums bewertet. D. h. Informationsverarbeitungsbedarf und -kapazität sind keine unmittelbar erfahrbaren Dimensionen, sondern müssen durch andere Variablen ausgedrückt werden.876

Zusammenfassend lassen sich mit Blick auf die Forschungsmethodik und die Ursachen für das Entstehen der Ansätze Parallelitäten zur Genese einer Wissenschaft von Komplexität ausmachen. So plädieren beide Ansätze in der Methodik für eine weitere Verbreitung der Computertechnologie und dem damit verbundenen Einsatz von Modellierungs- und Simulationsverfahren.

2.3.4

Ressourcenorientierte Ansätze

Der ressourcenorientierte Ansatz ist kein ausschließlich organisationstheoretisches Modell, sondern wird auch dem strategischen Management zugeordnet. Letzteres verdeutlichen zahlreiche Abhandlungen in einschlägigen Publikationen zum strategischen Management.877 Gleichwohl wird der Ansatz als alternative organisationstheoretische Perspektive (gegenüber klassischen Theorien) aufgefasst, da sich der ressourcenorientierte Ansatz zur Beschreibung und Erklärung von Organisationsverhalten und -konfigurationen besonders eignet.878

Den Ausgangpunkt ressourcenorientierter Ansätze bilden mangelhafte empirische Befunde über das Organisationsverhalten, dass in der strikten Einhaltung des Structure-Conduct-PerformanceParadigmas (im Sinne der Industrieökonomie) begründet ist, welches ausschließlich die Bedeutung der Branche für den Organisationserfolg betont.879 Im ressourcenorientierten Ansatz wird die bestehende Perspektive durch Strukturen und Ressourcen ergänzt, die innerhalb der Organisation vorliegen und mitentscheidend für ihren Erfolg sind. Die Bedeutung interner Strukturen

876 877

878

879

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 238ff. Vgl. u. a. Macharzina, K. (2003); Steinmann, H./Schreyögg, G. (2002); Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995). Im angloamerikanischen Sprachraum wird analog von resource-based view bzw. von der resource-based theory gesprochen. Vgl. Barney, J.B. (2001), S. 643ff. Vgl. Gaitanides, M. (1995); Freiling, J. (2001); Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (2000); Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 452ff; Schreyögg, G. (2000), S. 481ff. „A firm is more than an administrative unit; it is also a collection of productive resources the disposal of which between different uses and over time is determined by administrative decision. Penrose, E.T. (1959), S. 25. Dies zeigt sich ferner in der Ablehnung des „Black-Box-Denkens“. Vgl. auch Eisenhardt, K.M./Martin, J.A. (2000), S. 1105ff.

150

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

und Ressourcen hat maßgeblich durch das Wachstum von Hochtechnologie und Dienstleistungen zugenommen, in denen die Branchenstruktur eine untergeordnete Rolle spielt. Dies macht deutlich, dass der ressourcenorientierte Ansatz kein isoliertes Konzept ist, sondern für eine Verknüpfung bestehender organisationstheoretischer Erkenntnisse sorgt. Ferner zeichnet er sich durch eine heterogene Mischung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen aus, ohne bisher ein einheitliches Theoriegebäude entwickelt zu haben.880

In Abgrenzung zur Resource-Dependence-Theorie, in der eine deterministische Position gegenüber Ressourcen vertreten wird (Trennung von Ressourceninhaber und Organisation), nimmt der ressourcenorientierte Ansatz eine voluntaristische individualistische Perspektive ein, nach der Ressourcen im Unternehmen selbst verortet sind (subjektivistische Grundperspektive; vgl. Abbildung III-9).881 Objektivistische Nivellierungstendenzen der Industrieökonomie werden damit abgelehnt.

Der Widerspruch zur Industrieökonomie wird auch in der Kernaussage des ressourcenorientierten Ansatzes deutlich: Der ökonomische Erfolg – als „Renten“ bezeichnet – beruht auf Wettbewerbsvorteilen, die internen Ursprungs (also interne Ressourcen) sein können. Ferner werden unvollkommene Faktormärkte angenommen, die durch Unsicherheit und unvollständige Informationen gekennzeichnet sind.882 Das Ziel des ressourcenorientierten Ansatzes besteht in der Erreichung eines „Ressourcen-Fits“, also einem Abgleich, und nicht in dem Anpassen an eine Branchenstruktur. Deutlich wird dies in der Aufrechterhaltung von Einzigartigkeit und Alleinstellungsmerkmalen, die im Gegensatz zur Anpassung nicht erreicht würden.883 Ähnlich der Resource-Dependence-Theorie (vgl. III-2.3.1) entspricht dieser Ansatz dem institutionell verwendeten Organisationsbegriff der Komplexitätswissenschaft (vgl. I-1.1). Anhand der betrachteten Kernaussagen lässt sich nachfolgender Erklärungsbeitrag für komplexe Systeme deduzieren:884

880

881 882 883

884

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 412. Als wesentliche Vertreter des Ansatzes gelten u. a. WERNERFELDT und BARNEY, die besonders zur Entstehung eines rudimentären Theoriegebäudes beigetragen haben, während PENROSE (1959) und SELZNIK (1957) als Urheber zu nennen sind. Eine Variation stellen die Publikationen von HAMEL/PRAHALAD dar, die sich vorwiegend der Umsetzung des ressourcenorientierten Ansatzes in Unternehmen widmen. Im deutschsprachigen Raum haben vor allem BAMBERGER/WRONA, KNYPHAUSEN-AUFSESS und RASCHE den ressourcenorientierten Ansatz voran getrieben. Vgl. Bamberger, I./Wrona, T. (1996), S. 130ff; Knyphausen, D. zu (1993), S. 771ff; Rasche, C./Wolfrum, B. (1994), S. 501ff; Wernerfeldt, B. (1984, 1995); Barney, J.B. (1991, 2001, 2002); Hamel, G./Prahalad, C.K. (1994). Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 452ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 431. Zum Ressourcenbegriff – der mit dem Begriff Kernkompetenz synonym verwendet wird – und dessen Charakteristiken wird auf die einschlägige Literatur verwiesen. Vgl. Wernerfeldt, B. (1984), S. 172; Wernerfeldt, B. (1995), passim; Barney, J.B. (1991, 2001, 2002); Hamel, G./Prahalad, C.K. (1994); Wolf, J. (2005), S. 418ff. Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 452ff; Schreyögg, G. (2000), S. 481ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

151

Vielzahl und Varietät: Im Gegensatz zu klassischen industrieökonomischen Ansätzen besteht hier ein individualisiertes Verständnis von Ressourcen.885 In Verbindung mit der angenommenen Heterogenität dieser wird Vielzahl und vor allem Varietät in Bezug auf Organisationselemente hervorgehoben (z. B. bei unterschiedlichem Knowhow der Mitarbeiter).

Pfadabhängigkeit: Mit dem Ansatz wird unterstellt, dass Ressourcen etwas historisch gewachsenes sind und Organisationen nicht ohne Weiteres von ihrem historischen Pfad, ihren Ursprüngen, abweichen können. „Unternehmen haben eine idiosynkratische Geschichte, die beispielsweise zu einer ganz spezifischen Unternehmenskultur geführt hat und als solche nicht wiederholbar ist.“886 So ist z. B. der Wandel von einem produzierenden zu einem Dienstleistungsunternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden.

Begrenzte Rationalität: Dem Ansatz liegt die Annahme bei der Betrachtung von Ressourcen zu Grunde, dass die relevanten Märkte „imperfekt“, also z. B. nicht transparent, sind. Das wird anhand unvollständiger Informationen, Asymmetrien und Intransparenzen deutlich.887 Damit ist eine Auffassung von Rationalität verbunden, die nicht der Auffassung der klassischen Ökonomik (homo oeconomicus) entspricht, sondern der der Komplexitätswissenschaft bzw. komplexer Systeme (vgl. III-1.9) ähnelt.

Selbstorganisation: Aufgrund des engen Bezugs zu evolutionstheoretischen Ansätzen (vgl. III2.5.4) kann Selbstorganisation implizit als eine Eigenschaft des ressourcenorientierten Ansatzes identifiziert und abgeleitet werden.888 Die Selbstorganisation bildet die Grundlage für das im vorliegenden Ansatz beobachtbare Lernen, das sich sowohl auf die Organisation als Ganzes als auch auf die in ihr organisierten Individuen bezieht.889

Emergenz: Vor dem Hintergrund der Idiosynkrasie-Annahme (vgl. Pfadabhängigkeit), bei der von einem lang anhaltenden, aus vielen Teilschritten bestehenden Prozess der Ressourcengenerierung ausgegangen wird, rekurriert der ressourcenorientierte Ansatz explizit auf evolutionstheoretische Organisationsansätze (vgl. III-2.5.4).890 Daraus kann implizit abgeleitet werden,

885 886 887 888 889

890

Vgl. Wolf, J. (2005), S. 430. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 468. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 431. Vgl. zur Selbstorganisation in evolutionstheoretischen Ansätzen III-2.5.4. Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 99ff. Eingeordnet wird Lernfähigkeit als eine intangible Ressource. Vgl. Macharzina, K. (2003), S. 57. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 430.

152

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

dass er Gebrauch von der „Entstehung und Bedeutung emergenter organisatorischer Prozesse und deren Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit von Systemen [macht].“891

Der ressourcenorientierte Ansatz ist vor dem Hintergrund der Betrachtung komplexer Systeme u. a. für die Berücksichtigung von Ambiguität und Unsicherheit positiv zu würdigen.892 Er löst sich explizit von der Vorstellung vollständiger Information und unbegrenzter Informationsverarbeitungskapazität. Darüber hinaus wird den Unternehmen und den in ihnen angesiedelten Entitäten (im Gegensatz zu klassischen Organisationstheorien; vgl. u. a. III-2.2.1) mehr Gestaltungsspielraum für deren Entscheidungen eingeräumt.

Zu bemängeln ist der eingeschränkte Erfolgsmaßstab, der im ressourcenorientierten Ansatz ausschließlich in Form von Gewinn bzw. Rente möglich ist. Überlebenssicherung als Organisationsziel wird nicht betrachtet.893 Ferner fehlt ihm eine dynamische Perspektive. Der zentrale Begriff der Ressource wird als unveränderbar und statisch betrachtet – eine sehr verengte Perspektive, wie die unternehmerische Praxis zeigt (vgl. I-1.1). Gleiches gilt für die Eigenschaft Nichtlinearität, die aus den Beiträgen nicht eindeutig abzuleiten ist.894 Rückkopplungen – als zentrale Bestandteile komplexer Systeme – spielen bei der Generierung der Ressourcen keine Rolle. Eine Integration der Innen- und Außenperspektive des Systems findet im ressourcenorientierten Ansatz nicht statt, so dass eine notwendige Bedingung für das Zusammenwirken von Umwelt, Meta- und Subsystem(en) komplexer Systeme nicht erfüllt wird, und der Ansatz als vorwiegend komplexitätsreduzierend einzustufen ist. Es wird die Ansicht vertreten, dass singuläre Ressourcen intern emergieren bzw. generiert werden können.

2.3.5

Verhaltensorientierte Ansätze

Als verhaltenorientierte Ansätze in der Organisationswissenschaft werden unterschiedliche Konzepte subsumiert, zu denen sowohl motivationstheoretische Ansätze, die Anreiz-Beitrags-Theorie von BARNARD als auch der Human-Relations-Ansatz (Theorien der Organisationspsychologie) zählen.895 Motivationstheoretischen Ansätzen, unter denen u. a. Inhalts- und Prozesstheorien der Motivation zusammengefasst werden, wird keine signifikante Erklärungskraft für die

891 892 893 894

895

Schreyögg, G. (2000), S. 485. Vgl. Barney, J.B. (1991, 2001, 2002). Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 458ff. Vgl. Knyphausen-Aufseß, D. zu (2000), S. 452ff; Barney, J.B. (1991), S. 99ff; Knyphausen-Aufseß, D. zu (1995), S. 82ff. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 419ff, Barnard, C.I. (1968). Ferner werden eine soziologische sowie entscheidungsorientierte Variante unterschieden. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 192ff. Der entscheidungsorientierte Ansatz wird im Rahmen entscheidungstheoretischer Ansätze diskutiert, während der soziologische Ansatz keine Erkenntnisse für die hier verfolgte Fragestellung bereitstellt.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

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Beschreibung und Aufklärung komplexer Systeme beigemessen, da primär die Einflussfaktoren der Leistungsbereitschaft und Motivation von Individuen betrachtet werden.896 Die simplifizierenden Annahmen motivationstheoretischer Ansätze, nach denen Verhaltensrationalität zu Grunde gelegt wird und das Zustandekommen von Rückkopplungen zwischen Individuen erst mit der Institutionalisierung einer Position verbunden ist, verstärken diese Beurteilung.897

Vergleichbar fällt die Bewertung für die Anreiz-Beitrags-Theorie und die Human-Relations-Ansätze aus, bei denen angezweifelt wird, dass es sich um eigenständige Organisationstheorien in engeren Sinne handelt.898 Obwohl eine Einordnung dieser in der Literatur nicht eindeutig vorgenommen wird, lässt sich ein deskriptiver Aussagecharakter (Beschreibung und eingeschränkt Erklärung, jedoch keine prognostische Funktion) feststellen. Aufgrund der genannten Analogien in den Basisprämissen erfolgt eine Zuordnung zu den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen.899

Die Human-Relations-Bewegung fand mit FOLLETT ihren Ausgangspunkt in den HawthorneExperimenten.900 Die Untersuchungen führten zu dem Ergebnis, dass die ursprünglich zu bestätigenden Hypothesen eines effizienten Fabrikmanagements nicht verifiziert werden konnten, sondern vielmehr soziale Beziehungen Einfluss auf die Arbeitsproduktivität hatten.901 Ferner erwiesen sich informale Beziehungen im Vergleich zu formalen Strukturen für das Leistungsergebnis als bedeutender.902 Demnach können nachfolgende Eigenschaften komplexer Systeme in verhaltensorientierten Ansätzen berücksichtigt werden:

Überlebenssicherung: BARNARD stuft die Überdauerung der Organisation stets als gefährdet ein.903 Daran anknüpfend wird explizit auf die Sicherung der Organisation rekurriert, deren Überleben nur durch die Aufrecherhaltung eines fragilen Gleichgewichtszustands möglich ist.

896 897 898 899

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902

903

Vgl. u. a. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1074f. Vgl. Wilpert, B. (1980), S. 237ff; Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 22. Vgl. Kieser, A. (2002c), S. 101. Vielmehr wird von einer Theorie der Organisationspsychologie ausgegangen. WOLF ordnet die Bewegung der verhaltenwissenschaftlichen Variante der Organisationstheorie unter. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 179ff. Vgl. Follett, M.P. (1920, 1946); Kieser, A. (2002c), S. 101. Mit den Experimenten sollte der Nachweis für den von TAYLOR postulierten Zusammenhang zwischen den Erfolgsgrößen – wie Beleuchtungsstärke, Arbeitszeitgestaltung, Lohnvariation – auf die Arbeitsleistung geliefert werden. Vgl. Carey, A. (1967), S. 403ff. Die Untersuchungen haben zu mehr Berücksichtigung von interpersonellen Beziehungen in Unternehmen und damit zur Überarbeitung der von WEBER und TAYLOR geprägter Denkmodelle angeregt. Vgl. Carey, A. (1967), S. 403ff; Kieser, A. (2002c), S. 113ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 182. Vgl. hierzu auch die Eigenschaft der Nichtlinearität in informellen Strukturen in der verhaltenswissenschaftlichen Organisationstheorie. Vgl. Barnard, C.I. (1968).

154

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Vielzahl und Varietät: Die Betonung der Einzelperson und die Berücksichtung von individuellen Bedürfnissen des Menschen impliziert, dass die Organisationselemente als einzelne, nicht zu vereinfachende Entitäten zu begreifen sind.904

Rückkopplungen: Eine der bedürfnisrelevanten Dimensionen in den verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen bezieht sich auf Rückkopplungen als das Ausmaß an Informationen, welches die Person über die Ergebnisse ihrer Arbeit erhält.905 Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass diese Eigenschaft lediglich für motivationstheoretische Ansätze identifiziert wurde, so dass Rückkopplungen nicht in allen verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen abgebildet werden.

Nichtlinearität: Sowohl die Hawthorne-Experimente als auch Human-Ressourcen-Ansätze berücksichtigen in ihren Modellen informale Strukturen in der Konfiguration und Interaktion, so dass analog zu III-1.7 nichtlineares Verhalten zugelassen wird bzw. implizit Nichtlinearität berücksichtigt wird.906

Zusammenfassend gilt für die verhaltensorientierten Ansätze, dass sie aufgrund der geringen Übereinstimmung mit den Eigenschaften komplexer Systeme komplexitätsreduzierend wirken jedoch wegen ihrer individuenzentrierten Position subjektivistisch geprägt sind.907 Daraus ergibt sich, dass sich mit verhaltensorientierten Ansätzen primär ex post Beschreibungen vornehmen lassen (nur eingeschränkt Erklärungen) und damit keine Prognosen verbunden sind.

2.4

Komplexitätsbejahende-objektivistische Ansätze

2.4.1

Strukturationstheoretische Ansätze

Der strukturationstheoretische Ansatz908 ist wesentlich von dem Soziologen GIDDENS geprägt worden und wird alternativ als sozialtheoretischer Ansatz bezeichnet, mit dem das Wesen und Handeln der menschlichen Akteure in Organisationen beschrieben und erklärt werden soll.909 Entsprechend fehlt ihm die mit komplexitätswissenschaftlichem Gedankengut verknüpfte prognostische Perspektive. Darüber hinaus sind wesentliche Elemente einer Theorie (vgl. II-1.2) 904 905 906 907

908

909

Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 241. Vgl. Steinmann, H./Schreyögg, G. (2002), S. 511ff. Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1073; Roethlisberger, F.J./Dickson, W.J. (1939); Roethlisberger, F.J. (1977). Vgl. Kieser, A. (2002c), S. 101. Die Einordnung der verhaltensorientierten Ansätze erfolgt daher im Abschnitt komplexitätsverneinender-subjektivistischer Ansätze. Vgl. Abbildung III-9. Alternativ werden in der Literatur auch die Begriffe der Strukturationstheorie, Strukturtheorie bzw. Theorie der Strukturierung verwendet. Vgl. Walgenbach, P. (2002a), S. 355ff; Ortmann, G. (2003), S. 34ff; Ortmann, G./Sydow, J./Windeler, A. (2000), S. 315ff; Osterloh, M./Grand, S. (2000), S. 355ff. Vgl. Gilbert, D.U. (2003); Giddens, A. (1991); Giddens, A. (1997); Giddens, A. (2001); Bryant, C.G. (2001); Dallmayr, F.R. (1982), S. 18ff; Ortmann, G. (2003); Walgenbach, P. (2002a); Vgl. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 21ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

155

nicht vorhanden, wie z. B. die (empirische) Verifikation, so dass GIDDENS selbst den strukturationstheoretischen Ansatz als vorläufiges Theoriegebäude beurteilt.910

Im strukturationstheoretischen Ansatz wird primär die Verknüpfung von zwei gegensätzlichen Klassen von Organisationstheorien (objektivistisch vs. subjektivistisch) angestrebt (vgl. Abszisse von Abbildung III-9).911 Entsprechend sind die strukturationstheoretischen Ansätze zwischen „objektivistisch“ und „subjektivistisch“ positioniert (zeigen jedoch eine Tendenz zum Objektivismus). Sie beschäftigen sich auf der einen Seite mit der Trennung des Handelns der Akteure vom institutionellen Organisationskontext, und auf der anderen Seite wird das Wirken der Mitglieder durch die Struktur der Organisation als determiniert betrachtet. Damit distanziert sich der Ansatz von rein objektivistischen Positionen, wie dem Strukturalismus und dem Funktionalismus, bei gleichzeitiger Ablehnung vornehmlich subjektivistischer Ansätze, wie z. B. interpretativen Ansätzen oder Hermeneutik (vgl. III-2.5.3). Mit Blick auf Organisationen ist das Ziel, die Differenz zwischen Handlung und Struktur in Organisationstheorien zu reduzieren, um zur Überwindung der Paradigmeninkommensurabilität und der Überwindung der „Dualität von Struktur“ beizutragen.912 Paradigmatisch unterstützt der Ansatz die Forderung ASHBYs nach Komplexitätsentsprechung, um der Umwelt gerecht zu werden, erfüllt jedoch die Ansprüche komplexitätswissenschaftlicher Denkmodelle nur partiell.913

Dynamik: Der Strukturbegriff im strukturationstheoretischen Ansatz wird als Prozess von Produktion und Selbstreproduktion verstanden. Daher wird er nicht als statisch, sondern als dynamisch betrachtet.914 Entsprechend wird die aus dem Namen des Ansatzes vordergründig zu entnehmende Statik aufgehoben, und dynamische Aspekte aus der Umwelt und des Systems selbst werden explizit mit einbezogen.

Vielzahl und Varietät: Mit dem zentralen Konstrukt der „Dualität von Struktur“ im Konzept von GIDDENS ist eine die Individualität der Akteure (Varietät) betonende Konzeption verbunden. Entsprechend wendet sich diese gegen die objektivistischen Standpunkte des Funktionalismus (vgl. III-2.2.1), in denen das Objekt „Organisation“ das Subjekt „Person“ dominiert. Dennoch können die strukturationstheoretischen Ansätze nicht den subjektivistischen zugeordnet werden,

910

911 912 913 914

Eine Anwendungsübersicht des strukturtheoretischen Ansatzes liefern Ortmann, G./Sydow, J./Türk, K. (2000). Vgl. auch strukturationstheoretische Untersuchungen bei Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995). Vgl. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 21ff. Vgl. Giddens, A. (1984); Giddens, A. (2003). Vgl. Gesetz der „Requisite Variety“. Vgl. Ashby, W.R. (1968a), S. 129ff; Ashby, W.R. (1958b), S. 83ff. Vgl. Giddens, A. (1997). Damit grenzt sich die Begriffsauffassung erheblich von dem Strukturbegriff anderer Organisationstheorien z. B. von WEBER ab.

156

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da sich GIDDENS selbst gegen diese Einstufung wendet.915 Aufgrund der fehlenden Aussage zur Vielzahl wird lediglich von einer partiellen Entsprechung mit dieser Eigenschaft ausgegangen.

Pfadabhängigkeit: Im Vorwort seiner 1984 erstmals erschienenen Monographie erläutert GIDDENS, dass die Entwicklung der Menschen nicht unabhängig und unter ausschließlich selbst gewählten Umständen erfolgt, sondern stets dependent von überlieferten Bedingungen ist.916 Entsprechend geht GIDDENS von Pfadabhängigkeit für die von ihm betrachteten sozialen Systeme aus.

Offenheit: Mit der reflexiven Handlungssteuerung in strukturationstheoretischen Ansätzen ist eine eindeutige Einbeziehung des Umfelds der Organisation verbunden. „Die reflexive Steuerung des Handelns richtet sich nicht nur auf das eigene Verhalten, sondern auch auf das Anderer. Akteure steuern nicht nur den Fluss ihrer Aktivitäten, sie erwarten dasselbe auch von anderen Akteuren.“917 Nach strukturationstheoretischem Verständnis öffnet sich das System gegenüber der Umwelt; Interaktionen zwischen System und Systemumwelt werden zugelassen.

Begrenzte Rationalität: Unerkannte Handlungsbedingungen und nicht beabsichtigte Handlungsfolgen stellen zentrale Prämissen des strukturationstheoretischen Ansatzes dar, da diese besonders für die nachfolgenden Bedingungen als relevant eingestuft werden. Mit den unbeabsichtigten Handlungsfolgen geht begrenzte Rationalität der Akteure einher.918

Selbstreferenz: GIDDENS unterstellt, dass die Organisationselemente durch ihr Handeln die Bedingungen (hier: Strukturen) reproduzieren, die das Handeln erst ermöglichen (Rekursivität des sozialen Handelns).919 Den Akteuren wird endogene Reflexionsmächtigkeit und damit selbstreferentielles Verhalten zugewiesen.920 Die Selbstreferenz kann anhand eines einfachen Beispiels illustriert werden: Durch GIDDENS Versuch, sprachlich vollkommene Texte zu formulieren, reproduziert er (selbstreferent) gleichzeitig – völlig unbeabsichtigt – die genutzte Sprache.921

915

Vgl. Giddens, A. (2003), S. 1f. Vgl. Giddens, A. (2003); Giddens, A. (1997). 917 Walgenbach, P. (2002a), S. 359. 918 Vgl. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 31; March, J.G. (1978), S. 71ff; Arthur, B.W. (1997b), S. 15ff; Luhmann, N. (1999a). 919 Vgl. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 21ff. 920 Die Reflexionsmächtigkeit – vor allem die Reichweite der Reflexionsmächtigkeit der Akteure – wurde von verschiedenen Autoren kritisiert. Vgl. Kießling, B. (1988); Craib, I. (1992). 921 Vgl. Walgenbach, P. (2002a), S. 361. 916

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

157

Die konzeptionelle Kritik am strukturationstheoretischen Ansatz ist vielfältig und stellt sich z. T. widersprüchlich dar. Einerseits wird ihm eine zu subjektivistische Ausrichtung unterstellt, andererseits wird eine objektivistische Verzerrung kritisiert.922 Zwei wesentliche Kritikpunkte treten wiederholt auf: Eklektizismus und schwerer Zugang. Während Ersteres leicht entkräftet werden kann,923 ist der Vorwurf des schweren Zugangs zum Ansatz persistenter.924 Dies liegt nicht zuletzt an der Widersprüchlichkeit der Aussagen und an den von GIDDENS gewählten Formulierungen. So wird auf der einen Seite von der Reflexionsmächtigkeit des Organisationsmitglieds gesprochen und gleichzeitig ein reflektierendes Verhalten agierender Organisationselemente aufgrund „handlungspraktischen Wissens“ (das Wissen um Struktur) abgesprochen.925

Positiv ist zu bewerten, dass mit dem strukturationstheoretischen Ansatz der Versuch unternommen wird, sich bisher widerstrebende organisationstheoretische Ansätze zu verbinden. Ferner werden Regeln im Sinne der Komplexitätswissenschaft nicht als formalisierte, strikt einzuhaltende normative Handlungsraster aufgefasst, sondern als Interpretationsschema genutzt, um aus dem Agieren der Systemelemente den Sinn zu erkennen und die Intentionen abzuleiten. Regeln stellen in diesem Zusammenhang eine lockere Zusammensetzung von interpretierbaren Handlungsleitlinien, so genannte „codified interpretations of rules“926, dar.

Aus Sicht der Komplexitätswissenschaft ist hervorzuheben, dass der strukturationstheoretische Ansatz wesentliche Prämissen, u. a. Dynamik, Vielzahl und Varietät, Pfadabhängigkeit, Offenheit, begrenzte Rationalität und Selbstreferenz, berücksichtigt. Trotz dieser Entsprechung werden jedoch zentrale Eigenschaften wie Rückkopplung, Nichtlinearität, Selbstorganisation, Emergenz und Autopoiese nicht erörtert bzw. betrachtet, so dass der Ansatz nur über eine eingeschränkte Erklärungskraft verfügt. Dennoch ist anzuerkennen, dass mit diesem Ansatz erstmals versucht wurde, die Trennung von Struktur und Handeln (bzw. Objektivismus und Subjektivismus) aufzubrechen.

2.4.2

Gestaltansatz

Der Gestaltansatz ist in den vergangenen 20 Jahren als Gegen- bzw. Weiterentwicklung von situativen Ansätzen (vgl. III-2.2.4) entstanden. Organisationen werden als zeitraumbezogene, mul-

922

923 924

925 926

Im Einzelnen wird auf die von WALGENBACH, KIESSLING und RULFF geübte Kritik verwiesen. Vgl. Walgenbach, P. (2002a), S. 369ff; Kießling, B. (1988); Rulff, D. (2004), S. 73f. Vgl. Walgenbach, P. (2003), S. 369. Walgenbach spricht in diesem Zusammenhang von einer „Sperrigkeit in den Formulierungen“. Walgenbach, P. (2002a), S. 370. Zur Kritik vgl. Ortmann, G./Sydow, J./Windeler, A. (2000), S. 315ff; Kießling, B. (1988). Vgl. Giddens, A. (1984). Giddens, A. (2003), S. 21; Giddens, A. (1991), S. 201ff.

158

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

tikausale und von einem indifferent-finalen Verständnis geprägte Systeme begriffen, bei denen zwischen Kontext und Gestaltung nicht unterschieden wird.927 Relevanz erfährt der Gestaltansatz zum einen aufgrund seiner grundlegend unkonventionellen Herangehensweise und zum anderen wegen seiner Integrationskraft, unterschiedliche organisationstheoretische Konfigurationen miteinander zu verbinden. Besondere Bedeutung für die Beschreibung und Erklärung komplexer Systeme liefern zwei Bausteine: Fit-Konzept und Äquifinalität.928 Nach dem Fit-Konzept ist organisationaler Erfolg das Ergebnis einer kontingenten Passung von mindestens zwei Variablen. Darüber hinaus ist die Abstimmung der organisationalen Ressourcen mit den Umweltbedingungen von zentralem Interesse. Zweitens wird für die Entwicklung der Organisation Äquifinalität unterstellt, nach der der Unternehmenserfolg auf unterschiedliche Weise erreicht werden kann (also auch auf Basis verschiedener Ausgangsbedingungen). Dieser Gedanke entstammt der general systems theory und steht im Widerspruch zu kontingenztheoretischen Organisationsansätzen (vgl. III-2.2.4). Die bisher etablierten Organisationsansätze blenden Äquifinalität aus oder nutzen sie lediglich für die Erklärung eines Restphänomens organisationalen Verhaltens, so dass mit ihm ausschließlich nur ein Weg aufgezeigt wird.929

Aus den bis in die 1980er Jahre etablierten Organisationstheorien sind aus Perspektive der Vertreter des Gestaltansatzes verschiedene Schwächen ableitbar.930 Grundsätzlich wird das auf linearen Bedingungskonstellationen beruhende Ursache-Wirkungs-Denken etablierter Theorieausrichtungen abgelehnt, da dieses das Verständnis von komplexen Systemen verzerrt. Ferner werden im Gestaltansatz Theorieausrichtungen (vgl. z. B. III-2.2.1) bemängelt, die ausschließlich kontextdeterminiert sind. Anhand dieser Kritik wird deutlich, dass sich Parallelen zu komplexen Systemen bzw. zu den Denkmodellen komplexitätswissenschaftlicher Ansätze ableiten lassen.

Überlebenssicherung: Mit dem Fit-Gedanken (im Gestaltansatz) wird sich vom Optimalitätsstreben ökonomischer Ansätze abgegrenzt. Das „Passen“ ist bereits bei der Sicherung des Bestands der Organisation erfüllt, so dass nicht auf ein Extremum, maximaler Erfolg, fokussiert wird.931

927

928 929 930

931

Zu den Grundgedanken des Gestaltansatzes vgl. ausführlich MILLER/FRIESEN/MINTZBERG und WOLF. Vgl. Miller, D./Friesen, P.H./Mintzberg, H. (1984); Wolf, J. (2000). Alternativ wird er in der Literatur auch als Konfigurationsansatz oder second-order contingency theory bezeichnet. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 348f. Vgl. Gresov, C./Drazin, R. (1997), S. 408ff. Vgl. Wolf, J. (2000), S. 4ff. Darüber hinaus können weitere Kritikpunkte der etablierten Theorien identifiziert werden, die sich vorwiegend auf das empirisch-methodische Vorgehen beziehen, welche jedoch nur eine untergeordnete Rolle für die vorliegende Arbeit spielen. Vgl. Schendel, D.E./Hofer, C.W. (1979).

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

159

Dynamik: Eine der zentralen forschungsleitenden Voraussetzungen des Gestaltansatzes liegt in der Veränderlichkeit von organisationalen Konfigurationen, d. h. Organisationen sind in der Lage, ihre Konfigurationen und Prozesse zu verändern. Zwar gehen die Gestalttheoretiker davon aus, dass Organisationen nicht einer ständigen Veränderung unterliegen und Phasen der Stabilität erfahren, dennoch wird Dynamik bzw. ein dynamisches Gleichgewicht als Kontextfaktor angenommen – analog zum dynamischen Gleichgewicht der Systemtheorie.932 Vielzahl und Varietät: Im Gestaltansatz wird die Übersummativität einer Organisation betont.933 Dies bedeutet, dass das System über Charakteristika verfügt, die sich nicht aus der Summe der Einzelelementeigenschaften ableiten lassen und dass das Gesamtsystem Merkmale aufweist, die die Teile isoliert betrachtet nicht zeigen – Organisationseigenschaften, die ohne ausreichende Vielzahl und Varietät nicht realisierbar sind.934

Pfadabhängigkeit: Im Rahmen der Betrachtung des Widerstands gegenüber organisatorischem Wandel wird im Gestaltansatz darauf hingewiesen, dass Organisationen dazu tendieren, den einmal gewählten Pfad nur mit erheblichem Aufwand verlassen zu können.935 In Verbindung mit dem Streben nach so genannten Kontext-Gestalt-Erfolgsmustern – also dem Akzeptieren von Kontextabhängigkeit – wird die Bedeutung der Historie für das zukünftige Organisationsverhalten unterstrichen.936

Nichtlinearität: Die Veränderung der Organisationsgestalt (im Sinne des Fit-Konstrukts) erfolgt nach Auffassung der Gestalttheoretiker auf nichtlineare Weise, d. h. ohne chaotische Züge aufzuweisen.937 Dass die Veränderungen keineswegs nach linearem gleichförmigen Muster auftreten, wird anhand der Quantum-Perspektive des Gestaltansatzes deutlich, nach der sich schubweise Entwicklungen (nichtlinear) einstellen können.938 Darüber hinaus ist im Gestaltansatz neben der formalen „Gestalt“ eine informale nicht ausgeschlossen. Dies wird anhand des Äquifinalitätsgedankens verdeutlich: Danach wird sich vom klassischen Kausalitätsdenken situativer Ansätze gelöst und Nichtlinearität betrachtet.939

932 933 934 935 936 937 938

939

Vgl. Ashmos, D.P./Huber, G.P. (1987), S. 607ff. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 338. Vgl. Auer-Rizzi, W. (1996), S. 127ff; Meyer, A.D./Tsui, A.S./Hinings, C.R. (1993), S. 1175ff. Vgl. Miller, D./Friesen, P.H./Mintzberg, H. (1984), S. 248ff. Diesen Sachverhalt bezeichnen sie als momentum. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 338. Vgl. Miller, D./Friesen, P.H. (1980), S. 591ff. Vgl. Wolf, J. (2000). Hier werden Piecemeal- und Quantum-Perspektiven (letztere als unstete Form) als alternative Weiterentwicklungsformen von Unternehmen unterschieden. Vgl. Gresov, C./Drazin, P.G. (1997), S. 403ff.

160

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Die Analyse der Basisprämissen des Gestaltansatzes zeigt, dass nicht alle genannten Eigenschaften komplexer Systeme betrachtet bzw. nicht zu allen explizite Aussagen getroffen werden. Zu Rückkopplungen, Offenheit, begrenzte Rationalität, Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese und lassen sich keine Angaben ableiten. Positiv ist jedoch hervorzuheben, dass durch den Gestaltansatz ein zentraler Gedanke in die Organisationstheorien eingeführt wird: Das Gesamtsystem verfügt über Merkmale, die sich nicht aus der Summe der Eigenschaften der Einzelelemente ableiten lassen.940

Der Gestaltansatz überzeugt zunächst durch seine intuitive Eingängigkeit, sein konfliktlösendes Potenzial aufgrund des methodisch und inhaltlich integrierenden Ansatzes (Verbindung der deterministisch-reaktiven und proaktiven Sichtweise) sowie durch das Bestreben, Gemeinsamkeiten zwischen Organisationen zu identifizieren. Besondere Beachtung und Würdigung ist ihm aufgrund der Äquifinalitätsannahme als eine Bereicherung der organisationstheoretischen Perspektiven beizumessen.941

Problemfelder der gestaltorientierten Forschung werden besonders auf konzeptioneller und typologischer Ebene deutlich.942 Konzeptionell wird kritisiert, dass die Empfehlungen zu vage und wenig ausgestaltet formuliert sind (vor allem in Bezug auf das zentrale Fit-Konzept). Dies lässt sich an der bisher nicht belegten Annahme einer selbstreferentiellen Ordnung in Organisationen ablesen. Außerdem hat der Ansatz bisher nur wenige Belege für die Existenz von Gestalten in Organisationen geliefert (typologische Kritik). Ferner wird die ausschließliche Konzentration auf diskontinuierliche Veränderungen der Organisation (Quantensprung) und damit verbundene Nichtbeachtung fließender Veränderungsprozesse kritisch beurteilt.

Zusammenfassend zeigt sich, dass der Gestaltansatz zwar eine Reihe von Eigenschaften komplexer Systeme berücksichtigt, diese jedoch noch nicht konsequent zu Ende geführt werden. Daraus folgt, dass er grundsätzlich als komplexitätsbejahend eingestuft werden kann, sich allerdings aufgrund der objektivistischen Grundhaltung (vgl. Fit-Konzept) nur partiell zur Erklärung, Beschreibung und Prognose komplexer Systeme, wie Organisationen, eignet.

940 941

942

Vgl. Auer-Rizzi, W. (1996), S. 127ff. Für eine ausführliche kritische Würdigung des Gestaltansatzes vgl. Wolf, J. (2000) sowie Miller, D./Friesen, P.H./Mintzberg, H. (1984). Vgl. Wolf, J. (2000), S. 90ff. Methodische sowie taxonomische Aspekte werden hier bewusst ausgelassen.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.4.3

161

Systemtheoretische Ansätze

Das übergeordnete Ziel der Systemtheorie (vgl. II-2.5.2) besteht in der Bereitstellung einer „allgemeinen Theorie sozialer Systeme“. In Abgrenzung zu komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen wird in ihr die Homologie bzw. die Gleichartigkeit („similarity“) betont.943 Diese Differenzierung gleicht den Unterschieden zwischen Modernisten und Postmodernisten. Sie stellt einen system-

übergreifenden Theorieentwurf dar, der über ein hohes Integrationspotenzial verfügt.944 Die Integrationsleistung des Ansatzes wird anhand der unter „systemtheoretischen Ansätzen“ zu summierenden Varianten deutlich: Sozio-technische, organisationssoziologische und systemtheoretisch-kybernetische Nebenformen werden genannt, die folgende Gemeinsamkeiten aufweisen:945 Die betrachteten Systeme werden als Ganzheiten aufgefasst, die über Qualitäten sowie Verhaltenseigenschaften und -muster verfügen, die nicht aus den Einzelelementen ableitbar sind. Form und Beziehung zwischen den Einzelelementen sowie der Systemkontext, also der Einbezug der Umwelt, spielen für die Ganzheiten eine wesentliche Rolle.

Trotz der genannten grundsätzlichen Gemeinsamkeiten ist es bisher nicht gelungen, ein in sich konsistentes Theoriegebäude zu etablieren, welches nicht zuletzt auf einen unscharfen Systembegriff zurückzuführen ist.946 Unabhängig von der Einteilung der systemtheoretischen Ansätze lässt

943

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Vgl. Willke, H. (2000), S. 5; Katz, D./Kahn, R.L. (1978); Fuchs, H. (1973). Die Systemtheorie geht auf die Lehre der griechischen Philosophen ARISTOTELES und PLATON zurück, die bereits von einer komplexen Ordnung und holistischen Gesamtschau sprachen, nach der das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Vgl. Bertalanffy, L. von (1972), S. 21ff. In dieser Denkfolge wird die traditionelle Trennung von Ganzem und Teil durch die Differenz von System und Umwelt ersetzt. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 22. Nach einer Phase weitgehender Nicht-Beachtung und Dominanz mechanistischer Denkmodelle lag das auslösende Moment für die Renaissance der Systemtheorie u. a. im Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt. Dieser Trend wurde durch weltweite Faktormärkte, zunehmende Dynamik und beschleunigten technischen Wandel verstärkt. Heute gelten besonders BERTALANFFY, BARNARD, PARSONS, PERROW, ETZIONI, ASHBY, BEER, PUGH, BURNS/STALKER, ACKHOFF, WIENER und ULRICH als wichtigste Vertreter der Systemtheorie. BERTALANFFY hat vor allem Anfang des 20. Jahrhunderts mithilfe formal-mathematischer Fundierungen des systemischen Denkens in Form von Differentialgleichungssystemen zu einer Renaissance der Systemtheorie beigetragen. Vgl. zur Verbreitung des Systemdenkens in der Organisationstheorie Emery, F.E. (1969). Eine konsequente Anwendung der Allgemeinen Systemtheorie auf organisationstheoretische Fragestellungen findet sich bei dem Biologen MILLER. Vgl. Miller, J.G. (1972), S. 1ff. Vgl. Teil II-2.5.2. Auf eine programmatische Zerlegung der Strömungen in der Systemtheorie wird in Anlehnung an VON DER OELSNITZ verzichtet, da sich daraus kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ableitet. Vgl. Oelsnitz, D. von der (1994a). Im vorliegenden Fall spielen die Grundaussagen des systemtheoretischen Denkens für die Organisationstheorie die entscheidende Rolle – unabhängig von der jeweiligen Strömung. Eine ausführliche Diskussion und Differenzierung der Systemtheorie befindet sich in Teil II sowie mit organisationstheoretischem Bezug Müller-Mehrbach, H. (1992), S. 853ff oder Kieser, A./Kubicek, H. (1978), S. 78ff. Im vorliegenden Fall wird keine materialistische Systemtheorie verfolgt, da hier die Gleichgewichtserhaltung das dominante Systemproblem ist, also eine extraspektive, synthetische und integrative Variante nach MÜLLER-MEHRBACH. Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 28ff; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 434ff. LEHMANN und WOLF gehen jedoch von einer kriteriengeleiteten Zweitteilung aus. Vgl. Lehmann, H. (1992), Sp. 1838ff; Wolf, J. (2005), S. 139ff. Während LEHMANN zwischen Systemtheorie im engeren Sinne und Kybernetik differenziert, bezieht sich WOLFs Aufteilung auf betriebswirtschaftlich-anwendungsrelevante Varianten. Bei MÜLLER-MEHRBACH findet sich eine Unterteilung in vier Arten von Systemansätzen. Vgl. Müller-Mehrbach, H. (1992), S. 853ff. Vgl. Bertalanffy, L. von (1972), S. 24. Für die vorliegende Arbeit gilt WILLKEs Auffassung, nach der „unter [einem] System ein Netz zusammengehöriger Operationen verstanden [werden kann], die sich von nicht-dazugehörigen Operationen abgrenzen lassen.“ Willke, H. (2000), S. 51.

162

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

sich folgende Erklärungskraft der Situationstheorie für das Verhalten komplexer Systeme ableiten:

Überlebenssicherung: Nicht durchgängig, aber doch mehrheitlich, wird implizit von den Systemtheoretikern die Überlebenssicherung als zentrales Organisationsziel identifiziert.947

Dynamik: Aus systemtheoretischer Sicht sind die Austauschbeziehungen zwischen System und Umwelt im Zeitablauf einem Wandel unterworfen.948 Jede Veränderung dieser macht im Regelfall eine Modifikation der systeminternen Prozesse erforderlich. Dynamik ist somit ein wesentlicher Bestandteil der Systemtheorie.

Vielzahl und Varietät: In der sozio-technischen Variante des systemtheoretischen Ansatzes wird der Systemansatz als integriertes Rahmenkonzept betrachtet, in dem Mikro- und Makrobetrachtungen möglich sind, die alle untergeordneten Ebenen (z. B. Individuen mit ihren spezifischen Besonderheiten) einbeziehen.949 Mit Berücksichtigung der Individuen und ihrer Unterschiedlichkeit gehen Varietät und Vielzahl einher. Dies ist jedoch ausschließlich für die sozio-technische Variante gültig. Dementsprechend ist die Eigenschaft lediglich partiell erfüllt, so dass eine individuenbezogene subjektivistische Grundperspektive nicht festgestellt werden kann (vgl. Zuweisung zu konzeptionell objektivistischen Ansätzen in Tabelle III-1).

Nichtlinearität: Die in zahlreichen Organisationstheorien dominierenden „idealtypischen“ Vorstellungen von Eindeutigkeit, Kausalität und Linearität werden in der Systemtheorie infrage gestellt.950 Systeme sind als „dichte Kausalfilze“ zu bezeichnen, deren Wirkungsbeziehungen sich nicht auf einfache Kategorien oder Gesetzmäßigkeiten und damit auf nichtlineares Verhalten reduzieren lassen. Es wird festgestellt, dass „die klassischen Gesetze nur auf einen mittleren Bereich zugeschnittene Vereinfachungen von hochkomplexen Zusammenhängen sind; [und] dass komplexe Prozesse durch Zufall, Nichtlinearität und Widersprüchlichkeit gekennzeichnet sind [Hervorhebung und Ergänzung durch Verfasser].“951

947

948 949 950 951

Vgl. Luhmann, N. (2002); Ashby, W.R. (1958a). Vereinzelt wird ein Zielbündel angenommen, das jedoch unter dem Metaziel der Überlebenssicherung summiert werden kann. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 136. Vgl. Trist, E.L. (1990), S. 10ff. Vgl. Schulte-Zurhausen, M. (2005), S. 30. Vgl. Willke, H. (2000), S. 15. Dies heißt jedoch nicht, dass eine analytische Betrachtung aufgegeben wird; sie wird vielmehr durch eine holistisch-summarische ergänzt.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

163

Offenheit: Nach der Neuen Systemtheorie (vgl. II-2.5.2) wird von einem umweltoffenen Zustand ausgegangen, in dem Organisationen zu einem Austausch von materiellen und immateriellen Ressourcen sowohl systemintern als auch -extern kommen.952 Dazu werden In- und Umsysteme unterschieden, zwischen denen Austauschbeziehungen stattfinden,953 so dass die geschlossene (monolithisch) Sichtweise klassischer Organisationstheorien durchbrochen wird.954

Begrenzte Rationalität: Wie eingangs ausgeführt lehnen Systemtheoretiker das hohe Rationalitätsniveau von Organisationstheorien zwischen Regelhaftigkeit und Präzision (vgl. III-2.2.1) und den präskriptiv entscheidungsorientierten Ansätzen (vgl. III-2.2.2) ab. Dies lässt sich u. a. auch an der Zielpluralität eines Systems ablesen.955 Jedoch kann die Berücksichtigung von begrenzter Rationalität nicht für sämtliche systemtheoretische Ansätze festgestellt werden. In der organisationssoziologischen Variante wird das Individuum mit seinen subjektiven Intentionen bewusst außer Betracht gelassen, so dass nur eine partielle Übereinstimmung für begrenzte Rationalität ausgemacht werden kann.956

Selbstorganisation: Mit der systemtheoretisch-kybernetischen Betrachtung von sozialen Systemen wird Selbstorganisation berücksichtigt, mit der die Fähigkeit zur Erhöhung des Organisationsniveaus und damit der Anpassungs- und Lernfähigkeit verbunden ist.957 Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zum (individuellen und organisationalen) Lernen, das in der Systemtheorie vor allem durch verbesserte Informationsrückkopplung und -auswertung sowie durch die maschinelle Lernfähigkeit kybernetischer Maschinen betrachtet wird.958 Selbstorganisation wird jedoch nicht in allen eingangs identifizierten systemtheoretischen Ansätzen (z. B. sozio-technische Variante) gleichermaßen berücksichtigt, so dass zusammenfassend nur eine partielle Entsprechung für diese Eigenschaft festgestellt werden kann.

952 953

954

955

956 957 958

Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1978), S. 79. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 23f, 63f; Bertalanffy, L. von (1956). Zur Kurzorientierung vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1978), S. 79ff. Vgl. Luhmann, N. (1999a); Luhmann, N. (1993). Forderungen nach Sub-Systembetrachtungen finden sich bereits bei ASHBY und bei SIMON. Vgl. Ashby, W.R. (1958a) der mit seinem law of requisite variety von der Organisation die gleiche Komplexität verlangt, wie die Umwelt, die sie umgibt. Gleiches hat später SIMON aufgegriffen, der mit seiner Forderung nach modularer Architektur der Organisation eine Subsystembetrachtung unterstützt. Vgl. Simon, H.A. (1962); Lawrence, P.R./Lorsch, J.W. (1967). Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 638, der für eine neue Betrachtung des Rationalitätsbegriffs eintritt. Rationalität im Sinn von Handlungsrationalität wird abgelehnt. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 439. Vgl. Luhmann, N. (2002), S. 24f; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 440f. Vgl. Probst, G.J./Büchel, B. (1998); Oelsnitz, D. von der/Hahmann, M. (2003); Schreyögg, G./Noss, C. (1995).

164

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

An der Systemtheorie wird vor allem die Abstraktheit, geringe Spezifität der Aussagen sowie der vieldeutig genutzte Systembegriff selbst kritisiert.959 Ferner bezieht sie keine klare Position hinsichtlich der Überwindung technomorpher Denkmuster, wie am Beispiel von MALIK deutlich wird, der im Wesentlichen der sozialtechnischen Rationalität verhaftet bleibt.960 Die Systemtheorie lässt Fragen zur sozialwissenschaftlichen und ökonomischen Fundierung der Theorie unbeantwortet und ist mit Mängeln in der Empirie behaftet, so dass ihre Aussagekraft vereinzelt in Zweifel gezogen wird.961 Aus komplexitätswissenschaftlicher Sicht wird vor allem die angestrebte Einhaltung eines Systemgleichgewichts kritisiert, nach der durch Steuerung und Regelung stets ein definiertes Gleichgewicht aufrechterhalten wird.962

Einschränkend muss ferner angemerkt werden, dass es umstritten bleibt, ob die von der Systemtheorie unterstellten Parallelen, also deren strukturelle Analogie in den untersuchten Systemen, auf die Erklärung sozialer Phänomene anwendbar sind.963 Methodisch fehlt es der Systemtheorie an einem ausgereiften Instrumentarium.964 Dieser Aspekt ist ein häufig geäußerter Vorwurf, der zu der Forderung geführt hat, einer komplexitätswissenschaftlich orientierten Organisationstheorie einen ausgeformten und ausdifferenzierten Methodenapparat zur Verfügung zu stellen (analog zu agentenbasierten Simulationen in IV-4).

Trotz der genannten Kritikpunkte besteht der Beitrag der Systemtheorie in der Fähigkeit, unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen zu integrieren.965 Ohne die Eigenschaften komplexer Systeme vollständig abbilden zu können, zeigen sich über die bestehenden Parallelen der Merkmale hinaus weitere methodische Übereinstimmungen: Hervorzuheben ist der holistische Denkansatz sowie die partielle Ablehnung von Rationalität.966 Einschränkend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Vielzahl der erfüllten Eigenschaften komplexer Systeme nicht zuletzt auf die Vielfalt der unter systemtheoretischen Ansätzen zusammengefassten Varianten zurückzuführen ist.

Besondere Bedeutung erhält die Systemtheorie durch die wiederkehrende Nutzung des Begriffs der Komplexität (vgl. II-2.5.2).967 Zwar weichen die Vorstellungen zwischen Systemtheorie und

959 960 961 962 963 964 965 966 967

Vgl. Schanz, G. (1974), S. 544ff; Kieser, A./Kubicek, H. (1978), S. 82f, 101f. Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 442. Vgl. Kieser, A./Kubicek, H. (1978), S. 102; Wolf, J. (2005), S. 145f; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 442. Vgl. Grochla, E. (1978), S. 211ff. Vgl. Schanz, G. (1974), S. 544ff. Obwohl das Instrument System Dynamics als etabliert eingestuft wird. Vgl. Forrester, J.W. (1971); Sterman, J.D. (2000). Vgl. Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), S. 444. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 133. (immer vor dem Hintergrund der zeitlichen Entstehung betrachtet). Vgl. Willke, H. (2000), S. 81ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

165

Komplexitätswissenschaft voneinander ab (z. B. in der Frage nach dem Systemgleichgewicht) – Vielschichtigkeit, Vernetzung und Folgelastigkeit bilden jedoch bereits bei VON BERTALANFFY, BEER und ASHBY einen wichtigen Gegenstand der Untersuchung (grundsätzlich komplexitätsbejahende Einstufung).968 Dies wird durch die Einführung einer objektbezogenen Perspektive ergänzt, die die zum Zeitpunkt der Entwicklung des Ansatzes (Anfang des 20. Jahrhunderts) herrschende verrichtungsbezogene Perspektive aufbricht.969

2.4.4

Netzwerktheoretische Ansätze

Die Wurzeln des netzwerktheoretischen Ansatzes liegen im strukturationstheoretischen Ansatz (vgl. III-2.4.1), so dass sich auf die Betrachtung der wesentlichen Erweiterungen beschränkt werden kann.970 Dazu gehört, dass der Versuch unternommen wird, zu beschreiben und zu erklären, wie Kooperationen zwischen Organisationen stattfinden. D. h. es werden nicht Individuen untersucht, sondern Kollektive und die Erklärung ihrer Entstehung, die Beziehungen innerhalb und zwischen diesen sowie Ergebnis- und Effizienzvergleiche mit anderen Organisationsformen vorgenommen (vgl. objektivistische Einstufung in Abbildung III-9).971 Eine prognostische Zielsetzung ist jedoch mit dem netzwerktheoretischen Ansatz nicht verbunden.

Bevor sich netzwerktheoretische Ansätze als Organisationskonfigurationen – so genannte „N-Forms“972 – etablierten, charakterisierten sie sich entweder durch eine funktionale oder durch eine divisionale Organisationsstruktur.973 Jedoch wurden vereinzelt dynamische Prozessorganisationsformen diskutiert, die sich analog zu netzwerktheoretischen Ansätzen von einer statischen Organisationskonfiguration lösten.974 Entsprechend wird die in strukturationstheoretischen Ansätzen bereits identifizierte dynamische Grundaussage bestätigt.975 Im Gegensatz zu funktional bzw. divisional konfigurierten Organisationen sind Netzwerke lose gekoppelt976 und bilden damit

968 969 970

971 972 973 974 975 976

Vgl. Bertalanffy, L. von (1956, 1962, 1972); Ashby, W.R. (1958a, 1968a); Beer, S. (1966, 1973). Vgl. Wolf, J. (2005), S. 126ff. Vgl. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 13ff. Alternativ wird der netzwerktheoretische Ansatz als Weiterentwicklung bzw. Sonderform der Systemtheorie aufgefasst. Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1082. Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1082. Vgl. Hedlund, G. (1994), S. 73ff. Vgl. Sydow, J. (2003), S. 295. Vgl. Weick, K.E. (1995); Ballering, T. (2000). Vgl. Sydow, J. (1992), S. 230. Vgl. Ortmann, G./Sydow, J./Windeler, A. (2000), S. 350. Der Terminus lose Kopplung bzw. loose coupling ist Bestandteil der komplexitätstheoretischen Literatur (vgl. Garud, R./Karnoe, P. (2002), S. 94) sowie der Literatur zu Modellierung (vgl. Hagel, J. (2005), S. 34ff), z. B. auf Basis von Extensible Markup Language (XML), und findet sich ferner bereits bei Weick, K.E. (2005b), S. 71ff. Lose gekoppelte Systeme unterstützen Identität, Einmaligkeit und Getrenntheit der konstituierenden Elemente und können eine potentiell größere Anzahl möglicher Kombinationen abbilden. Sie verfügen damit über eine verbesserte Anpassungsfähigkeit als fest gekoppelte Systeme. Vgl. Weick, K.E. (2005b); Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002).

166

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

eine dem Markt analoge dynamische Konfiguration.977 Über die bereits im strukturationstheoretischen Ansatz berücksichtigten Eigenschaften hinaus lassen sich im netzwerktheoretischen Ansatz keine weiteren Eigenschaften komplexer Systeme identifizieren. Bei der Entstehung von Netzwerken wird zwar zwischen Ausgliederung („Quasi-Externalisierung“) und endogen erzeugter Intensivierung („Quasi-Internalisierung“)978 unterschieden, aus letzterer lässt sich jedoch besonders vor dem Hintergrund fehlender Rückkopplungen (zwischen den Entitäten) keine Emergenz ableiten. Lediglich Selbstreferenz wird als Charakteristikum weiter ausgestaltet:

Selbstreferenz: Bei Organisationen handelt es sich nach netzwerktheoretischem Verständnis „um vergleichsweise selbst-reflektive Systeme, also um soziale Systeme, in denen die reflexive Regulation der Systemproduktion, das heißt die intentionale Koordination und Kontrolle von Handlungen, andere Modi der Systemproduktion dominiert.“979 Netzwerke sind folglich das Ergebnis von selbstreferentem Verhalten und das Resultat gleichberechtigter und vertrauensvoller Kooperation.980

Kritisch ist zu bewerten, dass mit dem netzwerktheoretischen Ansatz weiterhin wesentliche Eigenschaften wie z. B. Pfadabhängigkeit, Nichtlinearität, Selbstorganisation und Autopoiese nicht betrachtet werden. Lediglich in systemtheoretisch orientierten Netzwerkanalysen findet eine implizite Reflexion von Selbstorganisation statt. Ferner werden keine Aussagen über Vielzahl und Varietät getroffen, also zur Verschiedenartigkeit der Netzwerkteilnehmer. Zwar wird angedeutet, dass sich die Teilnehmer eines Netzwerkes aus unterschiedlichen Systemen bzw. Subsystemen rekrutieren können, eine Annäherung oder gar Analyse der Funktion von Verschiedenheit wird jedoch nicht unternommen. Abschließend ist anzumerken, dass trotz der Zielsetzung des netzwerktheoretischen Ansatzes, Empfehlungen über die Vorteilhaftigkeit von spezifischen Organisationskonfigurationen auszusprechen, keine Anhaltpunkte über die konkrete Organisation der Interorganisation geliefert werden.981 Entsprechend leistet der Ansatz trotz partieller Entsprechung mit den Eigenschaften komplexer Systeme (grundsätzlich komplexitätsbejahende Position) nur einen eingeschränkten Beitrag zur Beschreibung, Erklärung und Prognose komplexer Systeme.

977 978 979 980 981

Vgl. MacMillan, K./Farmer, D. (1979), S. 277ff. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 105ff. Die „Quasi-Internalisierung“ erfolgt auf Basis endogener Prozesse. Sydow, J./Windeler, A./Krebs, M. u. a. (1995), S. 31. Vgl. Ortmann, G./Sydow, J./Windeler, A. (2000), S. 351. Vgl. Sydow, J. (1992), S. 231.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.5

Komplexitätsbejahende-subjektivistische Ansätze

2.5.1

Postmoderne Organisationstheorien

167

Trotz des Versuchs, postmoderne Grundströmungen zu einer Organisationstheorie zu bündeln, und der Forderung nach einer zusammengefassten transversalen Betrachtung982 dominieren vor allem die auf Trennung ausgelegten Beiträge die organisationswissenschaftliche Diskussion.983 Die postmoderne Organisationstheorie stellt damit kein in sich schlüssiges, kohärentes und abgeschlossenes Konzept dar.984 Dennoch bestehen verschiedene Systematisierungsversuche, die Vielfältigkeit der postmodernen Ansätze zu strukturieren.985 Grundsätzlich können vereinfachend drei Strömungen unterschieden werden, die eine Basis für weitergehende Diskussionen zur postmodernen Organisationstheorie darstellen:986 Zum einen wird Rationalität – im Unterschied zu positivistischen Forschungsstrategien (vgl. III-2.2.1) – abgelehnt und jede hervortretende objektive Qualität in Zweifel gezogen. Zweitens wird aufbauend auf der Ablehnung jeglicher Rationalität der organisationale Wandel „symbolisch konstituiert“, aus dem sich ein symbolischer Interaktionismus und in der Folge eine Organisationskulturforschung entwickelt haben. Schließlich fokussiert eine dritte Diskussion auf konstruktivistische Überzeugungen, nach denen davon ausgegangen wird, dass u. a. bei der Verwendung von Sprache die Beschreibung der „Wirklichkeit“ einen subjektiven, sozial konstruierten Charakter erhält (vgl. Einteilung in Abbildung III-9).987

Die Konstitution von Organisationen wird als „generischer Prozess“ aufgefasst, so dass die postmoderne Organisationstheorie ausgeprägte Affinität zu interaktions- bzw. interpretationstheoretischen Ansätzen aufweist.988 In diesem Zusammenhang und besonders bei der Herausbildung einer Organisationsform wird in der postmodernen Organisationstheorie ein „weicher“ Formbegriff genutzt, der die strukturelle Verbindlichkeit aufhebt. Das angestrebte Ziel besteht daher in der Beschreibung von Formen, die einem permanenten Wandel ausgesetzt sind.989 Für die Beur-

982 983

984

985 986

987 988

989

Vgl. u. a. Lyotard, J.-F. (2005). LYOTARD bezieht diese Bündelung primär auf (organisationales) Wissen. Hauptsächlich werden epochaler und epistemologischer Ansatz wiederholt getrennt betrachtet (vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 48ff; Cooper, R./Burrell, G. (1988), S. 106; Clegg, S.R. (1998)), wobei gleichzeitig eine vereinte Sicht gefordert wird. Vgl. Gergen, K. (1992), passim; Hassard, J. (1993), S. 15ff; Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 223ff. Wesentlich zur Entstehung einer postmodernen Organisationstheorie haben Berger, P.L./Luckmann, T. (1966) Weick, K.E. (1979), Linstead, S. (2004a, 2004b), Pondy, L.R./Frost, P.J./Morgan, G. u. a. (Hrsg.) (1983) und eher praxisorientiert Peters, T.J./Waterman, R.H. (1981) beigetragen. Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1082ff; Koch, J. (2004), Sp. 1164ff; Wittgenstein, L. (2002). Wenn im Folgenden von postmoderner Organisationstheorie im Singular gesprochen wird, so ist damit ein ganzes Bündel von Aspekten, konzeptionellen Überlegungen und Theorien gemeint. Gänzlich unberührt ist davon jedoch, dass alle postmodernen Ansätze versuchen, eine Differenz bzw. „Abstandsbewusstsein“ – nicht als Gegensatz – zu modernen Organisationsvorstellungen aufzustellen. Vgl. Wittgenstein, L. (2002). Vgl. die Parallelen zum Konstruktivismus. Vgl. Morgan, G./Frost, P.J./Pondy, L.R. (1983), S. 5. Abweichend dazu wird Ähnlichkeit mit strukturationstheoretischen Ansätzen herausgestellt. Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1082. Vgl. Koch, J. (2004), Sp. 1169.

168

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

teilung der Bedeutung postmoderner Ansätze zur Beschreibung, Erklärung und Prognose komplexer Phänomene werden in Anlehnung an die in II-1 vorgenommenen Ausführungen zur Postmoderne folgende Übereinstimmungen mit den Eigenschaften identifiziert:

Dynamik: Im Rahmen der Identitätsdimension der postmodernen Organisationstheorie werden zeitliche und räumliche Aspekte unterschieden.990 Ihre zentrale Zielsetzung liegt in der Exploration von Akzeleration, Strukturbrüchen und Chaos. Statik wird in Organisationen als Ausnahme und erklärungsbedürftiger Zustand eingestuft und Versatilität und Variabilität als Normalfall angenommen. Ergo stellt Dynamik für die postmoderne Organisationstheorie eine zentrale Eigenschaft dar.

Vielzahl und Varietät: Die Theorie der Postmoderne ist nicht auf ein universelles einheitsstiftendes Konzept im Sinne moderner Organisationstheorien ausgerichtet, sondern betont Differenzierungsdimensionen und eine Individualisierung. WEIK bezeichnet dies als das Prinzip der Vielheit, das die Unterschiedlichkeit der Organisationselemente betont.991

Nichtlinearität: Die Betrachtung postmoderner Organisationsformen mündet in der zentralen These, nach der diese um einen so genannten „technologischen Kern“ herum eine informelle Organisation zulassen, die sich durch „lose Kopplung“, Flexibilität und letztendlich durch Nichtlinearität auszeichnet.992

Offenheit: Aus Perspektive der postmodernen Organisationstheorie stellt die Überwindung räumlicher Grenzen ein beobachtbares Phänomen dar. Die Grenzüberwindung ist ohne eine Systemoffenheit und Interaktionsfähigkeit der Organisation jedoch undenkbar, so dass Offenheit zentrale Bestandteile der Identitätsdimension sind.993 Rückkopplungen zwischen den Entitäten (vgl. III1.6) werden jedoch nicht betrachtet.

Begrenzte Rationalität: Im Rahmen der Legitimitätsdimension der postmodernen Organisationstheorie wird Rationalität und Fiktion thematisiert. Da ein identifizierbarer fixer Referenzpunkt einer objektiven Erkenntnis abgelehnt wird, werden Wahrheit und wissenschaftliche Rationalität

990 991 992 993

Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 52; Koch, J. (2004), Sp. 1168f. Vgl. Weik, E. (2003), S. 112. Vgl. Koch, J. (2004), Sp. 1168f. Vgl. Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 230.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

169

als „Sprachspiele“ eingestuft, aus denen sich begrenzte Rationalität als Eigenschaft der handelnden Organisationsmitglieder implizit ableiten lässt.994

Selbstorganisation und Selbstreferenz: In der postmodernen Diskussion werden beobachtbare Paradoxien im Rahmen der Systembildung (Kontrolle vs. Autonomie) mithilfe der Selbstorganisationstheorie erklärt.995 Die mit der Selbstorganisation verbundenen Fragen nach Steuerbarkeit von Organisationen finden bei COOPER/BURRELL ihre Fortführung im Rahmen der Stärkung des Selbstreferenzgedankens, mit dem die an die Fremdreferenz gekoppelte Kontrolle und die externe Steuerung zurückgewiesen werden.996 Gleichwohl kann aufgrund der schwach ausgeprägten Abbildbarkeit lediglich von partieller Erfüllung der Eigenschaften ausgegangen werden.

Aus komplexitätswissenschaftlicher Perspektive ist anzumerken, dass in der postmodernen Organisationstheorie keine verwertbaren Hinweise zu Pfadabhängigkeit und Rückkopplungen sowie lediglich rudimentäre Aussagen über die Ordnungsbildung (Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese) in Organisationen getroffen werden, so dass die Erklärungskraft für komplexe Systeme zwar signifikant (komplexitätsbejahend), jedoch noch eingeschränkt ist. Die konzeptionelle Kritik ergibt sich im Wesentlichen aus dem Terminus der Postmoderne.997 Dieser stellt sich bis heute als wenig konsistentes Begriffskonstrukt dar, das vereinzelt zu unsachgemäßen Fehlinterpretationen und Instrumentalisierungen genutzt wird. KIRSCH weist darauf hin, dass die Gefahr besteht, Irrwegen und Ideologien eine Existenzberechtigung einzuräumen, die die Idee von Wahrheit und Realität selbst zum Mythos erklären.998

Neben der aufgezeigten Kongruenz bezüglich der betrachteten Eigenschaften zeigen sich weitere Analogien zu komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen, wie z. B. die Ablehnung eines Optimalitätsstrebens. Ferner werden – analog zu komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen – konstruktivistische Grundpositionen vertreten (ergo: subjektivistische Einstufung in Abbildung III-9).999 Daraus lässt sich die Quintessenz ableiten, dass die postmoderne Organisationstheorie signifikante Explikationskraft für die Beschreibung, Erklärung und Prognose komplexer Systeme leistet, als komplexitätsbejahend und subjektivistisch einzustufen ist und damit als ein Teilfundament einer komplexitätswissenschaftlichen Organisationstheorie gelten kann.

994

Vgl. Holtbrügge, D. (2001), S. 52, 55. Vgl. Schreyögg, G./Koch, J. (2001), S. 232. 996 Vgl. Cooper, R./Burrell, G. (1988). 997 Vgl. Alvesson, M. (1993), S. 1047f; Reed, M. (1993), S. 163f; Parker, M. (1992), S. 1ff; Sokal, A.D./Bricmont, J. (1998). 998 Vgl. Kirsch, W. (1997c), S. 573, 619ff. 999 Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1082ff. 995

170

2.5.2

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Selbstorganisationsansatz

Das Konstrukt der Selbstorganisation ist bereits ausführlich im Rahmen der Eigenschaften komplexer Systeme erörtert worden (vgl. III-1.10). Daher ist es an dieser Stelle ausreichend, den Kerngedanken des Selbstorganisationsansatzes in den Organisationstheorien nur kurz zu rekapitulieren. Im Grundsatz geht es um die Frage, ob und in welchem Umfang Systeme bzw. Organisationen zentral gelenkt werden müssen bzw. können, oder ob durch die Betonung selbst wirkender Gestaltungskräfte die organisationale Zielsetzung (d. h. hier Überlebenssicherung) nicht effizienter erreicht werden kann.1000 Die Grundüberlegung der Selbstorganisation basiert auf der Prämisse von endogener Regulation, da Systeme selbstbezogen operieren und Systemänderungen selbst induziert und nicht extern vorgegeben sind.1001 Damit wird der prädeterminierte Zusammenhang von Ursache und Wirkung aus der klassischen Physik aufgehoben. Kausalanalytische Begründungsschemata werden als widerrufbar aufgefasst, da sie nichts anderes als personengebundene Beobachtungen sind. Mit dem Selbstorganisationsansatz ist neben der Beschreibung und Erklärung auch ein Vorhersagecharakter mit den Aussagen verbunden. Im Folgenden werden die Basisprämissen des Selbstorganisationsansatzes auf die Fähigkeit zur Abbildung der Eigenschaften komplexer Systemen überprüft.

Rückkopplungen: Der Selbstorganisationsansatz trennt sich von der Vorstellung, dass sich Organisationen ausschließlich durch ihre Entitäten konstituiert. Vielmehr steht bei ihm der Austausch von Ressourcen (z. B. Informationen und Güter) und deren Verknüpfungen im Mittelpunkt.1002

Nichtlinearität: Eine eindeutige Einschätzung, ob im Selbstorganisationsansatz Nichtlinearität betrachtet wird, kann nicht vorgenommen werden, obwohl Pluralität hinsichtlich Eingangs- und Ausgangsbedingungen für unterschiedliche Zielzustände besteht, durch die implizit auf Nichtlinearität geschlossen werden kann.1003 Die implizite Entsprechung kann insofern unterstützt werden, als dass mit der eingangs erwähnten endogenen Regulation informale Strukturen ermöglicht werden, die ein Mindestmaß an Nichtlinearität erfordern.

Offenheit: Offenheit des Systems wird im Selbstorganisationsansatz angenommen, jedoch unterschiedlich stark hervorgehoben.1004 Soziale Systeme bestehen im Sinne des Selbstorganisationsansatzes aus interagierenden Personen, die untereinander (vgl. Rückkopplungen) sowie mit einer

1000

Vgl. Kieser, A. (1994), S. 199ff. Vgl. Göbel, E. (1998), S. 64; Probst, G.J. (1992), Sp. 2262; Jutzi, K./Aderhold, J. (2003), S. 245. 1002 Vgl. Jutzi, K./Aderhold, J. (2003), S. 273. 1003 Vgl. Jutzi, K./Aderhold, J. (2003), S. 249. 1004 Vgl. Foerster, H. von (1984); Probst, G.J. (1987a); Jantsch, E. (1979). 1001

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme 1005

Systemumwelt im Austausch von Informationen stehen.

171

Voraussetzung für den Ablauf von

Interaktionsprozessen zwischen System und Umwelt ist das Vorhandensein von Offenheit, da bei vollständiger Geschlossenheit keine Wechselbeziehungen bzw. Kommunikationsprozesse mit der Umwelt möglich werden.

Selbstorganisation: Selbstorganisation wird in diesem Ansatz u. a. anhand von Äquifinalität in der Entwicklung von Organisationen deutlich, nach der unterschiedliche Eingangsbedingungen zu gleichartigen Ergebnissen führen.1006 Für soziale Systeme werden selbstorganisationale Prozesse (vgl. Bezeichnung des Ansatzes) ermöglicht, die sich von so genannten „first order systems“ abgrenzen.1007

Selbstreferenz: Im Kontext von operativer Geschlossenheit (vgl. III-1.8) zeigt sich Kongruenz mit einer weiteren Eigenschaften komplexer Systeme, der Selbstreferenz.1008 Aus Perspektive des Selbstorganisationsansatzes dient Selbstreferenz der Reduktion von Komplexität (bzw. einen Zustand der Überkomplexität zu vermeiden versucht).1009

Emergenz: Im Selbstorganisationsansatz bildet sich neben der Selbstreferenz und -organisation sowie durch das Vorliegen von Emergenz1010 eine Ordnung, die sich in einem stabilen Ungleichgewicht befindet.1011 Dabei wird eine Fehlertoleranz angenommen, die das System Organisation gegenüber Störeinflüssen „robust“ gestaltet. Somit sind Instabilitäten und Fluktuationen bzw. Turbulenzen im eigentlichen Sinne keine Fehler, die es zu beseitigen gilt, sondern sie sind vielmehr integraler Bestandteil natürlicher und sozialer Ordnungsbildung.1012

Autopoiese: Die Ordnungsbildung im Selbstorganisationsansatz stützt sich darüber hinaus auf das Konstrukt der Autopoiese.1013 Nach dieser besitzen Organisationen im Gegensatz zu Maschinen (allopoietische Systeme) die Fähigkeit zur Eigenproduktion, d. h. sie sind in der Lage, die Komponenten, aus denen sie bestehen, selbst herzustellen.1014

1005

Vgl. Ulrich, H./Probst, G.J. (1995), S. 62ff. Vgl. Gresov, C./Drazin, R. (1997), S. 403ff; Katz, D./Kahn, R.L. (1978). 1007 Vgl. Wolf, J. (2000), S. 53ff. 1008 Vgl. Richter, F.-J. (1995), S. 14; Wolf, J. (2005), S. 321. 1009 HEJL weicht vom Begriff der Selbstreferenz ab, da für ihn soziale Systeme keine lebenden Systeme produzieren. Vgl. Hejl, P.M. (2000), S. 323; Hinterhuber, H.H. (1996a); Hinterhuber, H.H. (1996b). HEJL nutzt den Begriff der Synreferenz, um zum Ausdruck zu bringen, dass soziale Systeme durch Interaktionen entstehen, die weitere nach sich ziehen. 1010 Vgl. Foerster, H. von (1996), S. 252ff. 1011 Vgl. Boulding, K.E. (1956), S. 197ff. 1012 Vgl. Jutzi, K./Aderhold, J. (2003), S. 273. 1013 Vgl. Baecker, D. (1994b). 1014 Vgl. Richter, F.-J. (1995). 1006

172

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Die Analyse des Selbstorganisationsansatzes zeigt, dass nicht alle genannten Eigenschaften komplexer Systeme betrachtet bzw. abgeleitet werden können (keine Aussagen zu Überlebenssicherung, Dynamik, Vielzahl und Varietät, Pfadabhängigkeit und begrenzter Rationalität). Dennoch existieren nachvollziehbare Analogien zwischen den Basisprämissen des Selbstorganisationsansatzes und den Eigenschaften komplexer Systeme. Es bestehen z. B. ko-evolutionäre Wechselwirkungen der Prozesse auf Mikro- und Makroebene (Gesamtevolution),1015 bei dem Mikroevolution die makroskopischen Bedingungen für die Mikrowelt schafft und Makroevolution die mikroskopischen Elemente erzeugt, um sich selbst aufrecht zu erhalten.1016 Damit findet zwischen System und Umwelt keine simple unidirektionale Anpassung statt. Ergo wird der Ansatz als komplexitätsbejahend eingestuft (vgl. Abbildung III-9). Trotz der uneindeutigen Position hinsichtlich des methodischen Zugangs (einerseits objektivistisch wegen fehlender Entsprechung von Varietät und andererseits eindeutig subjektivistisch aufgrund der Berücksichtigung individueller Beziehungen, hier Rückkopplungen) wird der Ansatz dennoch als subjektivistisch eingestuft (partielle Tendenz zum Objektivismus, vgl. Abbildung III-9).

Wesentliche Bedeutung erlangt der Selbstorganisationsansatz aufgrund seiner Integrationsfunktion, durch die Konzepte verschiedener Wissenschaftsdisziplinen miteinander kombiniert werden. Mit dieser Fähigkeit ist eine subjektiv wahrgenommene intuitive Gefälligkeit verbunden, die dem Ansatz zu einer beachtlichen Verbreitung verholfen hat.1017 Dem gegenüber stehen verschiedene Einwände, die sich hauptsächlich auf die mangelnde Operationalisierbarkeit des Ansatzes beziehen.1018 Wesentlich für die Übertragbarkeit von vorwiegend in den Naturwissenschaften generierten Erkenntnissen auf betriebswirtschaftliche Fragestellungen ist die Tatsache, dass in naturwissenschaftlichen Systemen keine a priori vorgegebenen Strukturen bestehen, „in deren Korsett zielführende Handlungen einzubetten sind“1019 bzw. eingebettet werden können.

2.5.3

Konstruktivistisch-interpretative Ansätze

Der zentrale organisationstheoretische Gedanke der Interpretationsansätze bezieht sich auf die den Entscheidungsträger umgebenden, nicht objektiv vorgegebenen, internen und externen Kontexte. Die Wahrnehmung muss im Rahmen von Deutungsprozessen sozial konstruiert, also interpretiert, werden.1020 Neben der Heterogenität der Ansätze besteht Uneinigkeit in der Namensgebung. Vereinzelt weisen interpretative Vertreter eine konstruktivistische Bezeichnung zurück, 1015

Vgl. Jantsch, E. (1979). Vgl. Jantsch, E. (1988), S. 117. 1017 Vgl. Göbel, E. (1998), S. 295ff; Kieser, A. (1994), S. 199ff. 1018 Vgl. Wolf, J. (1997). 1019 Wolf, J. (2005), S. 334. 1020 Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 287ff; Wollnik, M. (1993), S. 277ff. 1016

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

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denn die Konstruktion einer „objektiven“ Wirklichkeit explizit abgelehnt wird. Da jedoch „konstruktivistisch“ in dem in dieser Arbeit vertretenen Sinne nicht mit der Konstruktion einer objektiven Wirklichkeit gleichzusetzen ist (vgl. III-1.3), sondern einer durch Selbstreferentialität ausgelösten Interpretation von Wahrnehmung, können fortan interpretativ und konstruktivistisch synonym verwendet werden.

Der Interpretationsansatz zeichnet sich besonders durch einen ausgeprägt interdisziplinären Charakter aus.1021 Neben den hier im Fokus stehenden organisationstheoretischen Ausgestaltungen findet sich interpretationsorientiertes Denken in unterschiedlichen Bereichen der Wirtschaftsund Sozialwissenschaften, den Naturwissenschaften sowie der Theologie wieder (vgl. II2.3.2).1022 Nach interpretativer Vorstellung „funktionieren“ Organisationen nicht aufgrund ihrer zweckmäßigen Struktur, sondern wegen der gemeinsam geteilten (subjektiven) Auffassung der Organisationsmitglieder, wie Organisationen aufgebaut sein und ablaufen sollten.1023 Damit unterscheidet sich der Interpretationsansatz von objektivistischen positivistischen Organisationsansätzen (z. B. III-2.2.1 und III-2.2.2), in denen die objektive Umwelt als ausschließlicher Ursprung von Erkenntnis betrachtet wird.1024

Die Bedeutung der interpretativen Ansätze liegt in der faktischen Relevanz, da ambiguose Interpretations- und Konstruktionsprozesse ein typisches Merkmal alltäglicher zwischenmenschlicher Interaktions- und Wahrnehmungsprozesse sind,1025 die allerdings in positivistisch-objektivistischen Ansätzen keine Berücksichtigung finden (vgl. z. B. III-2.2.1). Ferner lassen sich mithilfe

1021

Analog zur Heterogenität des interpretativen Gedankenguts lassen sich unterschiedliche organisationstheoretische Ansätze differenzieren, die ihren gemeinsamen Nenner in der Ablehnung positivistischer Anschauungen haben. Nach GERGEN und KNORR-CETINA lassen sich sozial-konstruktivistische, kognitiv-konstruktivistische und systemtheoretischkonstruktivistische Organisationsansätze unterscheiden. Letzterer wird auch als Radikaler Konstruktivismus (vgl. wissenschaftstheoretische Verortung der Arbeit) oder kognitionsbiologischer Konstruktivismus bezeichnet. Vgl. Gergen, K.J. (2002b); Gergen, K.J. (2002a), S. 188ff; Knorr-Cetina, K. (1989); Wolf, J. (2005), S. 369ff. 1022 Eine fundierte Einführung in weitere Details interpretativer bzw. konstruktivistischer Grundlagen findet sich bei KIESER. Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 287ff. In der Betriebswirtschaft ist das interpretative Gedankengut noch unterrepräsentiert. ADORNOs Konzept der empirischen Sozialforschung dokumentiert das Vorhandensein in den Sozialwissenschaften, während HEISENBERGs Unschärferelation Ausdruck für die in der Physik herrschenden interpretativen Ansätze ist. Die konzeptionell ohnehin stark auslegungsbedürftige Interpretation von Bibeltexten ist ein Beispiel für die Anwendung in der Theologie. 1023 Vgl. dazu die Auffassungen von HEGEL, KANT und MEAD, nach denen die Erkenntnis Produkt des menschlichen Geistes ist. Im deutschsprachigen Raum der Betriebswirtschaftslehre hat dieses Gedankengut bisher keine dominierende Position erlangt. Dennoch nehmen Zahl und Verbreitung der Veröffentlichungen der Vertreter dieser Ansätze zu. Vgl. Scherer, A.G. (2004), S. 644ff; Scherer, A.G./Steinmann, H. (1999), S. 513ff; Steinmann, H./Scherer, A.G. (2004), S. 261ff; Klimecki, R./Probst, G.J./Eberl, P. (1991), S. 103ff. 1024 Im organisationstheoretischen Kontext wird diese Auffassung von den vorher genannten Ansätzen (vgl. TAYLOR, eingeschränkt WEBER, Human-Relations-Ansätzen, situativen Ansätzen und den Theorien der Neuen Institutionenökonomie) vertreten. Theoretische Grundlage erhalten diese durch Überlegungen von HUME, POPPER und LOCKE. 1025 Vgl. Luhmann, N. (1993); Luhmann, N. (2002).

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der interpretativen Ansätze – vor allem der radikalen Variante1026 – Paradoxien erklären, die auf Konsistenz abzielende positivistische Organisationstheorien nicht bzw. nur partiell erklären können. Aus der Analyse des Interpretationsansatzes lassen sich folgende Parallelen zu den Eigenschaften komplexer Systeme herstellen:1027

Dynamik: Obwohl die zeitliche Veränderlichkeit (Dynamik) der Organisation kaum explizit thematisiert wird, besteht implizit jedoch die Annahme, dass zwischen dem Kontext von Organisationen und deren Handlungen veränderliche Verbindungen, also keine zeitstabilen Handlungsund Kausalzusammenhänge, bestehen.1028 Handlungsrelevante Situationen sind in einen Kontext integriert, der zugleich Stabilität und Instabilität enthält.1029 Die Interaktionen sind stets situativ und damit implizit dynamisch.

Vielzahl und Varietät: Durch die Berücksichtigung von Fehlertoleranz und Robustheit gehen interpretative Ansätze von einer natürlichen Heterogenität der Organisationselemente aus.1030 Interpretative organisationstheoretische Ansätze betrachten besonders die sich unterscheidenden Organisationsteile, die von positivistischen Organisationstheorien als potentielle Fehlerquelle bzw. als Störfaktor für den idealisierten strukturierten Organisationsaufbau gelten (vgl. III-2.2.1). Bedeutungsdifferenzen, Konflikte und Fehler werden in ihnen bewusst in die Überlegungen einbezogen.1031 Damit wird der Beobachtung Rechnung getragen, dass sich Organisationen aus einer Vielzahl sich unterscheidender Organisationselemente (Varietät) zusammensetzen, deren Differenz z. B. in der Motivation, also dem Verhalten, zum Ausdruck kommt.

Pfadabhängigkeit: Aus Perspektive der Interpretationstheoretiker ist die Wahrnehmung von der objektspezifischen Vorgeschichte des Organisationsmitglieds abhängig,1032 so dass Organisationen als historisch gewachsene Gebilde interpretiert werden. Das führt dazu, dass z. B. durch selbst wahrgenommene symbolische Einstellungen und Sinngebungen die zukünftige Entwicklung der Organisation mitbestimmt wird.1033

1026

Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 299ff. Vgl. Franzpötter, R. (1997). 1028 Vgl. Osterloh, M. (1993). 1029 Vgl. Fink-Heuberger, U. (1997). 1030 Vgl. Wolf, J. (2005), S. 373ff. 1031 Der Fehlerbegriff steht in diesem Kontext für eine Abweichung vom idealtypischen Muster und darf nicht als Systemmangel interpretiert werden. 1032 Vgl. Wollnick, M. (1992), Sp. 1778ff. 1033 Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 303ff. 1027

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Rückkopplungen: In interpretativen Ansätzen wird der Austausch zwischen Organisationsmitgliedern durch Kommunikation betrachtet, die in Form von ständigen „Verhandlungsprozessen“ deutlich werden.1034 Eine Veränderung der Organisationsstruktur bzw. deren Ablauf ist daher nur durch Interaktion zwischen den Mitgliedern möglich, so dass Rückkopplungen zentraler Bestandteil konstruktivistisch-interpretativer Ansätze sind.

Nichtlinearität: Die Wirklichkeit wird nach Auffassung der Interpretationstheoretiker in eine objektive (erste formale) und eine subjektive (zweite informale) Ordnung differenziert (vgl. Einteilung in Abbildung III-9). Die klassische Organisationswissenschaft (vgl. III-2.2.1, besonders FAYOL) thematisiert vor allem die formale Ordnung, ohne nachvollziehbare Begründungen für die Nichtbeachtung einer informalen anzugeben. Die Dualität der Ordnungen wird zuvor von den Interpretationstheoretikern aufgegriffen und vor allem informal induzierte Phänomen betrachtet; dennoch wird in interpretativen Ansätzen Nichtlinearität in Organisationen nicht expliziert sondern nur implizit berücksichtigt.1035

Begrenzte Rationalität: Eine weitere Parallelität zwischen den Basisprämissen des Interpretationsansatzes und den Eigenschaften komplexer Systeme ist mit der Ablehnung ausschließlich rationaler Wahlentscheidungen der Elemente gegeben. Der Ansatz geht auf Basis der konstruktivistischen Herkunft davon aus, dass der Mensch nicht in der Lage ist, vollständige Informationen zu sammeln und zu verarbeiten.1036 Rationales Agieren wird durch das „Primat des Handelns“ ersetzt und damit einem experimentartigen Vorgehen, das ex post beurteilt wird, der Vorzug eingeräumt. Dies drückt ein retrospektives „Sinnmachen“ aus, dass von WEICK mit der Frage: „Wie kann ich etwas wissen, was ich denke, bevor ich es höre, was ich sage?“ auf den Punkt gebracht wird.1037 Damit erkennt der Interpretationsansatz eine begrenzte Rationalität der Akteure an.1038

Selbstorganisation: Nach interpretativem Verständnis „überleben“ Organisationen nicht aufgrund ihrer vorgegebenen Strukturen und Prozesse, sondern trotz dieser.1039 Vertreter des radikalen Konstruktivismus unterstellen, dass weniger objektive Organisationsregeln das Verhalten

1034

Vgl. Wagner, R.H./Beenken, D.H./Gräser, W. (2001). Vgl. Wolf, J. (2005), S. 371f. 1036 Vgl. Wolf, J. (2005), S. 366. 1037 Vgl. Weick, K.E. (1995), S. 195. 1038 Zum Zusammenhang von Systemrationalität und begrenzter Rationalität vgl. III-1.9. 1039 Vgl. Wagner, R.H./Beenken, D.H./Gräser, W. (2001), S. 36. 1035

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der Organisation bestimmen, sondern vielmehr der Organisationsablauf durch individuelle Projektion (Interpretation bzw. Konstruktion) selbstorganisiert ist.1040

Selbstreferenz: Interpretationstheoretiker unterstellen, dass Organisationsmitglieder durch individuelle Interpretationsprozesse und ihren Hang zur Deutungskonsistenz (Selbstbestätigung, Selbsterzeugung) implizit selbstreferentiell agieren.1041 Dies ist vergleichbar mit der Eigenschaft der Selbstreferenz in komplexen Systemen (vgl. III-1.11), nach der sich Systeme durch Interpretation und Konstruktion selbst erzeugen.1042 Der Zwang nach Deutungskonsistenz kann derart ausgeprägt sein, dass alles Andersartige vernachlässigt wird. Zu bezweifeln ist jedoch, ob das Streben nach Deutungskonsistenz dazu führen kann, die Komplexität der Realität zu beherrschen.1043

Die geringe Beachtung interpretativer bzw. konstruktivistischer Ansätze in der organisationswissenschaftlichen Literatur hat dazu geführt, dass sich nur begrenzt explizite Kritik an diesen Ansätzen finden lässt. Ohne im Einzelnen auf die Mängel einzugehen, kann zwischen konzeptionellen Schwächen, Implementierungs- und Umsetzungsschwächen differenziert werden.1044 Konzeptionell wird den interpretativen Ansätzen unterstellt, dass das methodische Vorgehen stark vom als „solide“ eingestuften wissenschaftlichen Forschungprozedere abweicht. Stabile Zusammenhangsmuster bzw. Gesetzmäßigkeiten, die das Ziel positivistischer konfirmatorischer Forschung darstellen, können aus interpretativen Ansätzen nicht abgeleitet werden. Darüber hinaus betrifft die Kritik die fehlende Kohärenz im Ansatz. Ihm fehlt es nach Auffassung seiner Kritiker an Einigkeit hinsichtlich der Funktion seiner Forschungsbemühungen. Konzeptionell wird den interpretativen Ansätzen weiterhin ein zu breiter und heterogener Bezugsrahmen und damit Eklektizismus unterstellt. Vor allem die fehlende Kohärenz hat dazu geführt, dass bisher keine Umsetzungsvorschläge unterbreitet wurden.

Darüber hinaus werden besonders radikal konstruktivistische Varianten des interpretativen Ansatzes für ihre komplexitätsbejahende Position durch Vertreter positivistischer Forschungsstrategien kritisiert.1045 Diese Aussage führt jedoch ins Leere, wenn der requisity variety im Sinne

1040

Vgl. Weick, K.E. (1979); Wolf, J. (2005), S. 376. Vgl. Kieser, A. (2002f), S. 300. 1042 Vgl. Maturana, H.R./Varela, F.J. (1975). Vgl. die Begriffsbestimmung von Autopoiese in III-1.13. 1043 Vgl. Wolf, J. (2005), S. 365. 1044 Vgl. Donaldson, L. (1992), S. 461ff; Wolf, J. (2005), S. 383; Kieser, A. (2002f), S. 315. 1045 Dies hat in der vorliegenden Arbeit dazu geführt, den interpretativ-konstruktivistischen Ansatz innerhalb des Quadranten komplexitätsbejahender-subjektivistischer Ansätze zu positionieren. Vgl. Abbildung III-9. 1041

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ASHBYs gefolgt und angenommen wird, dass nur mit ausreichender Komplexitätsbejahung der tatsächlichen bzw. wahrgenommenen Komplexität entsprochen werden kann (vgl. II-3).

Der Vergleich mit den Charakteristika komplexer Systeme macht deutlich, dass eine Reihe von Eigenschaften einbezogen werden, jedoch Überlebenssicherung, Offenheit, Emergenz und Autopoiese sowie zentrale Eigenschaften wie Dynamik und Nichtlinearität nur implizit (also mittelbar) Berücksichtigung finden. Interpretationstheoretische Ansätze eignen sich partiell zur Erklärung komplexer Systeme, können sie jedoch aufgrund vereinzelter konzeptioneller Mängel nicht vollständig beschreiben und erklären. Prognostische Zielsetzungen werden mit interpretativen Ansätzen nicht verfolgt.

2.5.4

Evolutionstheoretische Ansätze

Evolutionstheoretische Ansätze bauen auf den Erkenntnissen der synthetischen Evolutionstheorie auf,1046 die die Grundlage für erste evolutionstheoretische Interpretationen von Organisationen durch TYLOR (1871) und die Ausgestaltung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse über die Instabilität offener Systeme bildete.1047 Im 20. Jahrhundert wurden die bis dato primär biologisch ausgerichteten Ansätze zu einer allgemeinen, synthetischen und organisationswissenschaftlichen Evolutionstheorie weiterentwickelt. Heute gelten VON HAYEK, BATESON, BOULDING, HANNAN, FREEMAN, McKELVEY sowie im deutschsprachigen Raum Vertreter des Münchener (z. B. KIRSCH) und St. Galler Ansatzes (z. B. PROBST, MALIK) als bedeutende Vertreter evolutionstheoretisch geprägter Ansätze.1048 Trotz der Homogenität in den Basisprämissen1049 hat sich – nicht zuletzt aufgrund der heterogenen Herkunft der maßgebenden Autoren – noch kein auf organisationstheoretische Überlegungen gerichtetes homogenes und kohärentes Theoriegebäude einer Evolutionstheorie herausgebildet.1050 Der Population-Ecology-Ansatz1051 eignet sich aus mehreren Gründen zur exemplarischen Untersuchung evolutionstheoretischer Ansätze. Er zeichnet sich durch seine hohe Resonanz vor allem in der US-amerikanischen Literatur aus. Darüber hinaus besteht eine hohe Übereinstimmung in Bezug auf Methoden und Basisprämissen zu anderen evolutionstheoretischen Ansätzen.1052 Alle konzeptionellen Weiterentwicklungen des Population-Ecology-Ansatzes gehen auf die Aus1046

Diese werden wesentlich durch Erkenntnisse DARWINs bestimmt Vgl. Darwin, C. (1982), Erstveröffentlichung 1859. Vgl. Kieser, A. (1992), Sp. 1758f; Wolf, J. (2005), S. 285. 1048 Vgl. Hayek, F.A. von (1972, 1980); Bateson, G. (2000); Boulding, K.E. (1978); Malik, F. (2003a). 1049 Vgl. Pfeffer, J. (1993), S. 599ff. 1050 Vgl. Weibler, J./Deeg, J. (1999), S. 297ff. 1051 Vgl. Kieser, A. (1986). Im deutschen Sprachgebrauch auch als populationsökologischer Ansatz bezeichnet. 1052 Vgl. Kieser, A./Woywode, M. (2002), S. 255. Zum Überblick evolutionstheoretischer Ansätze vgl. Wolf, J. (2005), S. 285ff. 1047

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führungen von HANNAN/FREEMAN sowie CARROLL zurück. Ferner wird dieser u. a. von PFEFFER als belastbarer und konzeptionell ausgereifter organisationstheoretischer Ansatz eingestuft.1053

In den Wirtschaftswissenschaften werden daneben die Evolutorische Ökonomik und der auf intraorganisationale Aspekte fokussierende Ansatz auf Entscheidungsprozessebene (Prozesstheorie) zu den evolutionstheoretischen Ansätzen gezählt.1054 Während sich ersterer vorwiegend volkswirtschaftlichen Fragestellungen widmet und daher für die hier verfolgte Fragestellung kaum einen Beitrag leistet, ist an der von WEICK aufgestellten Prozesstheorie positiv hervorzuheben, dass die Umwelt nicht als eindeutig vorgegeben betrachtet wird, sondern der individuellen Interpretation unterliegt. Damit wird von der originären Vorstellung der Evolutionstheorie abgewichen, bei der eine direkte Beeinflussung der Organisation und ihrer Handlungen möglich ist.1055

Organisationen werden als „zu komplex“ beurteilt, um durch kognitiv gesteuerte Interventionen gewünschte Veränderungen herbeizuführen. Unsicherheit wird explizit in die Überlegungen mit einbezogen. Die evolutionstheoretischen Ansätze tragen damit stets Elemente des Experimentierens in sich und lassen per definitionem Möglichkeiten des Scheiterns und Fehlverhaltens zu.1056 Ziel ist nicht nur die Darstellung der Komplexität eines Systems, sondern das Systemverhalten verstehbar und erklärbar zu machen (jedoch ist damit keine prognostische Zielsetzung verbunden). Nachfolgend werden die wesentlichen Basisprämissen der Evolutionstheorie auf ihre Erklärungskraft von komplexen Systemen hin überprüft:

Überlebenssicherung: Evolutionstheoretiker vertreten die Auffassung, dass Systeme versuchen, höhere Entwicklungsstufen zu erreichen. Ziel dieser Entwicklung ist eine verbesserte Umweltanpassung sowie die Teilnahme an Wachstumsprozessen und damit die Sicherstellung des Fortbestands der Organisation.1057 Zum einen bilden Rückkopplungen für die Entwicklung eine grundlegende Voraussetzung, zum anderen wird damit die Pfadabhängigkeit unterstrichen. Die Ten-

1053

Vgl. Pfeffer, J. (1993), S. 599ff. Vgl. Weick, K.E. (1979); Weick, K.E. (1995); Nelson, R.R./Winter, S.G. (1980), S. 179ff. 1055 Für die soziale Konstruktion der Umwelt verwendet WEICK den Ausdruck des Enectments. Vgl. Weick, K.E. (1995), passim. Für eine ausführliche Beschreibung des Prozessmodells wird auf die Ausführungen in der Monographie Der Prozess des Organisierens verwiesen. 1056 Vgl. Hayek, F.A. von (1972, 1980). 1057 Vgl. McKelvey, B./Aldrich, H.E. (1983), S. 115f. 1054

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denz zur Entwicklung bezieht sich neben der Gestaltung der Organisation auch auf ihre Anpassungsfähigkeit.1058

Dynamik: Evolutionstheorien befassen sich mit der Veränderung von Organisationen aus zeitlicher Perspektive, so dass es sich um dynamische Theorieentwürfe handelt.1059

Pfadabhängigkeit: Vertreter der Evolutionstheorie gehen auf Basis von „Konservierungsmechanismen“ davon aus, dass die Evolutionstheorie durch historisierende-pfadabhängige Erkenntniselemente gekennzeichnet ist.1060 Damit zeigt sie Parallelen zum Gestalt- und zum institutionalistischen Ansatz (vgl. III-2.4.2 bzw. III-2.3.2) und unterstellt, dass aufgrund von Interdependenzen der Elemente und des Systems mit der Umwelt die Evolution einer Organisation ein irreversibler Prozess ist.1061

Rückkopplungen: Veränderungsverläufe von Organisationen werden in der Evolutionstheorie als Sequenz von Variations-, Selektions- und Retentionsprozessen betrachtet.1062 Diese Systemevolution, die in Versuchs- und Irrtumsprozessen institutionalisiert ist, wird durch Rückkopplungen ermöglicht, die die Grundlage für den Austausch und die Anpassung der Organisation bilden. Zusammengefasst gilt, dass die organisationale Entwicklung, die als Versuchs- und Irrtumsprozess aufgefasst wird, den Systemelementen untereinander Rückkopplungen unterstellt.

Offenheit: Mit Berücksichtigung von Rückkopplungen in der Evolutionstheorie wird darüber hinaus ein Austausch mit der Umwelt ermöglicht, so dass ein vollständig geschlossenes System für die Evolutionstheorie ausgeschlossen werden kann. Dies deckt sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen der Evolutionstheorie, die sich elementar auf den Umweltaustausch stützen.1063

Begrenzte Rationalität: Die organisationale Entwicklung wird von Evolutionstheoretikern als Versuchs- und Irrtumsprozesse aufgefasst (vgl. Rückkopplungen).1064 Das Ziel der Organisationselemente ist es, durch Lernen angeeignetes Wissen in den Evolutionsprozess einzubringen.

1058

Vgl. Dyllick, T. (1983). Vgl. Dieterle, W.K. (1986). 1060 Vgl. Aldrich, H.E. (1979), S. 30f; Aldrich, H.E. (1986), S. passim; McKelvey, B./Aldrich, H.E. (1983), S. 125ff.; Kieser, A./Woywode, M. (2002), S. 256. „Konservierungsmechanismus“ bezeichnet ein Verhalten, das durch wiederkehrendes regelgeleitetes Handeln entsteht. 1061 Vgl. Walter-Busch, E. (1996), S. 234ff. 1062 Kieser, A. (1992), Sp. 1758ff. 1063 Vgl. Hayek, F.A. von (1994); Bateson, G. (2000). 1064 Vgl. Hayek, F.A. von (1972, 1980). 1059

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Aufgrund der mit Versuchs- und Irrtumsprozessen verbundenen, begrenzten Rationalität der Organisationselemente lassen sich die Prozesse des organisationalen Wandels nur sehr begrenzt über rationale Modelle erklären.

Selbstorganisation: Mit Zugrundelegung evolutionstheoretischer Ansätze wird angenommen, dass keine übergeordnete Entität die Organisation steuert. „Die Konstitution bzw. Entwicklung von Organisationen präsentiert sich als das Ergebnis einer Fülle von individuellen, teilweise inkonsistenten Ansichten handelnder Akteure und nicht als Folge eines übergeordneten Bauplans.“1065 Damit werden der Selbstorganisation implizit Mechanismen unterstellt, die Ordnungsbildung in Organisationen ermöglichen.

Emergenz: Wie bereits im ressourcenorientierten Ansatz verdeutlicht (vgl. III-2.3.4), wird auf Basis der Idiosynkrasieannahme eine Emergenz neuer (höherer) Ordnungszustände angenommen.1066

Die Bewertung der evolutionstheoretischen Ansätze fällt sowohl aus organisations- als auch komplexitätswissenschaftlicher Perspektive ambivalent aus. Aus Sicht der Organisationswissenschaft wird positiv hervorgehoben, dass die evolutionstheoretischen Konzepte interdisziplinär ausgestaltet und überwiegend konzeptionell geschlossen sind1067 sowie fundierte Argumente für die (bisher unbegründete) Sichtweise vor allem situationstheoretischer Ansätze (vgl. III-2.2.4) bereitstellen, die Organisationen ausschließlich von der Situation determiniert betrachten. Einschränkend ist jedoch anzumerken, dass die Handlungsempfehlungen, die mit dem Ansatz verbunden sind, kaum praktische Umsetzungshinweise liefern, da dieser als deskriptiv (Beschreibung und Erklärung) einzustufen ist und prognostische Elemente nicht betrachtet werden. Darüber hinaus wird das mit den evolutionstheoretischen Ansätzen verbundene deskriptive Analysepotenzial vereinzelt sogar als begrenzt bewertet.1068

Aus komplexitätswissenschaftlicher Perspektive ist positiv hervorzuheben, dass Evolutionstheoretiker eine dynamische Analyse anstreben und angenommen wird, dass Organisationen über eine ausgeprägte historische Abhängigkeit (Pfadabhängigkeit) verfügen. Ferner trägt die hohe Bedeutung von Zufälligkeit, die zweifelsfrei ebenso Gegenstand des „realen Lebens“ ist, zur Beachtung der evolutionstheoretischen Ansätze aus komplexitätswissenschaftlicher Perspektive bei. 1065

Wolf, J. (2005), S. 296. Vgl. Wolf, J. (2005), S. 430. 1067 Vgl. u. a. McKelvey, B./Aldrich, H.E. (1983); Hannan, M.T./Freeman, J. (1977). 1068 Vgl. Wolf, J. (2005), S. 289ff. 1066

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Diese positive Grundhaltung wird durch die Beachtung von Ko-Evolution zwischen der Organisation und ihrer Umwelt unterstützt.1069 Die Einschränkungen liegen besonders in der unzureichenden Berücksichtigung von Vielzahl und Varietät vor, da evolutionstheoretische Ansätze keine Varietät innerhalb der identifizierten Organisationspopulationen zulassen. Darüber hinaus werden Nichtlinearität, Autopoiese, Emergenz und Selbstreferenz als Tatbestände der Ordnungsbildung nicht betrachtet.

Zusammenfassend ist dennoch festzustellen, dass die evolutionstheoretischen Ansätze signifikante Beiträge zu einem komplexitätswissenschaftlichen Verständnis von Organisationen beisteuern. Dies spiegelt sich auch in der Positionierung als subjektivistisch-komplexitätsproduzierender Ansatz wider (vgl. Abbildung III-9).

2.5.5

Deskriptive entscheidungsorientierte Ansätze

Deskriptive entscheidungsorientierte (verhaltenswissenschaftlich-realanalytische) Ansätze in der Organisationstheorie stellen sich als wenig kohärenten, z. T. diffusen Gedankenpool mit einem sehr heterogenen wissenschaftlichen Ursprung dar.1070 Als Vorläufer und Begründer dieser Ansätze wird BARNARD eingestuft, der gleichzeitig zur Entstehung der Human-Relations-Bewegung beigetragen hat (vgl. verhaltensorientierte Ansätze).1071 In seinen Schriften hebt er die Bedeutung des Entscheidungsprozesses (die Theorie des organisationalen Gleichgewichts) heraus und fokussiert den Blick auf das Individuum in Organisationen (subjektivistische Perspektive; vgl. Abbildung III-9). Diese ersten Entwicklungsschritte wurden in der Folge von SIMON und PARSONS und später am Carnegie Institute of Technology von CYERT/MARCH weiterentwickelt.1072 Im deutschsprachigen Raum zählen HEINEN und sein „Schüler“ KIRSCH zu den bedeutendsten Vertretern.1073 Darüber hinaus haben die Erkenntnisse aus den Hawthorne-Studien erheblichen Einfluss auf die Entstehung der deskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze ausgeübt.1074

1069

Vgl. Bateson, G. (2000). Dies liegt nicht zuletzt an den zahlreichen Varianten und Stoßrichtungen der verhaltenswissenschaftlichen Organisationstheorie. Vgl. Frese, E. (1992b); Bea, F.X./Göbel, E. (2002), S. 106; Wolf, J. (2005), S. 186ff; Berger, U./BernhardMehlich, I. (2002), S. 133ff. 1071 Vgl. Koontz, H. (Hrsg.) (1964), S. 7; Barnard, C.I. (1968). Vgl. verhaltensorientierte Ansätze in III-2.3.5. 1072 Vgl. Barnard, C.I. (1968, 1970); Simon, H.A. (1981, 1957a); Parsons, T. (1965); March, J.G./Simon, H.A. (1958); Cyert, R.M./March, J.G. (1995); March, J.G. (1978). Besonders PARSONS ist es zu verdanken, dass verhaltenwissenschaftliche Aspekte nicht nur auf Ebene der Individuen, sondern auf Abteilungsebene (Meso-Ebene) in Organisationen betrachtet werden. Vgl. Parsons, T. (1965), S. 56f, 58. 1073 Vgl. Heinen, E. (1976); Kirsch, W. (1978, 1988). 1074 Vgl. Roethlisberger, F.J./Dickson, W.J. (1939), S. 15ff; Frese, E. (1992b), S. 260ff, 345; Walter-Busch, E. (1996), S. 170ff, 191ff, 201ff. Vgl. Zu den Ergebnissen der Hawthorne-Experimente die Ausführungen zur Human-RelationsBewegung in den verhaltensorientierten Ansätzen in II-2.4. 1070

182

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Die deskriptive Variante dieser Ansätze kann insofern als entscheidungsorientiert bezeichnet werden, als dass Entscheidungsprozesse den Ansatzpunkt für die Organisationsanalyse bilden, für die menschliches – und nicht rational-logisches – Entscheidungsverhalten zu Grunde gelegt wird.1075 Das Ziel ist es aufzuzeigen, wie Organisationen mithilfe der in ihnen stattfindenden Entscheidungsabläufe verstanden werden können (ausschließlich Beschreibung und Erklärung ohne prognostische Zielsetzung) und dass mit diesen Prozessen ein Zugang zu organisationalen Phänomenen möglich ist.1076

Das Verhalten komplexer Systeme ist gegenüber zielgerichtetem rational-intentionalem Handeln abzugrenzen (vgl. III-2.2.2), so dass im Zentrum der Aufmerksamkeit sowohl die Entscheidungsprozesse der Akteure in Organisationen,1077 als auch das tatsächliche Verhalten stehen.1078 Es werden in und am Rande bzw. außerhalb der Organisation stattfindende Entscheidungen berücksichtigt.1079 Damit grenzt sich die deskriptive von der präskriptiven entscheidungsorientierten Variante (vgl. III-2.2.2) ab, in der vornehmlich Beschlüsse in Organisationen den Schwerpunkt der Betrachtung bilden.1080

Trotz der Heterogenität im Gedankenpool der deskriptiven entscheidungsorientierten Ansätze lassen sich folgende Merkmale identifizieren, die mit den Eigenschaften und dem Verhalten komplexer Systeme zur Deckung zu bringen sind:

Dynamik: „Für die Dynamik in Organisationen sorgen einerseits formale, andererseits und vor allem informale Kommunikationsprozesse.“1081 Ähnlich urteilen BERGER/BERNHARD-MEHLICH vor dem Hintergrund des individuellen Entscheidungsverhaltens, bei dem von der dynamischen Veränderlichkeit des Anspruchsniveaus ausgegangen wird.1082

1075

Vgl. Barnard, C.I. (1970), S. 158, 172ff. Diese Variante ist deskriptiv-realanalytisch, da – wie oben bereits gezeigt – eine Beschreibung der durch motivationale, emotionale und kognitive Strukturen geprägten Ist-Entscheidungsprozesse vorgenommen wird. Gleichwohl versucht die Theorie nicht nur zu beschreiben, sondern auch zu erklären und zu prognostizieren. Das Ziel der Theorie besteht in einer verbesserten Beschreibung realen Verhaltens, mit der eine präzisere Form der (präskriptiven) Modellierung erreicht werden soll. 1076 Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 14f. 1077 Die Entscheidungsprozesse stellen den Organisationsbestand und die ständige Anpassung der Organisationsziele an geänderte Umweltverhältnisse bei begrenzter Aufnahmefähigkeit und Rationalität sicher. 1078 Vgl. Wiswede, G. (1991); Cyert, R.M./March, J.G. (1995), S. 2; Hill, W./Fehlbaum, R./Ulrich, P. (1998), 432. 1079 Vgl. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 133f. 1080 Vgl. Marschak, J./Radner, R. (1978); Laux, H./Liermann, F. (2003); Laux, H. (1992). 1081 Walter-Busch, E. (1996), S. 198. 1082 Vgl. Berger, U./Bernhard-Mehlich, I. (2002), S. 141. Vgl. sinngemäß Simon, H.A./Smithburg, V.A./Thompson, V.A. (1991); Waldrop, M.M. (1993), S. 397, 413; Simon, H.A. (1979), S. 503, die von einem dynamic equilibrium ausgehen.

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Rückkopplungen: Die Ansätze unterstellen, dass deskriptiv-realanalytische Beschreibungen lediglich unter Berücksichtigung motivationaler und emotionaler Strukturen der Akteure zu verstehen und zu erklären sind. Dies gelingt jedoch ausschließlich unter der Bedingung, dass Kommunikation zwischen den Entitäten, also Interaktion in Form von Rückkopplung, zugelassen wird.1083

Nichtlinearität: Organisationen operieren nach deskriptivem Verständnis neben formalen Strukturen auch auf Grundlage informaler (unbestimmter und unstrukturierter) Kontakte und Gewohnheiten.1084 Mit der Berücksichtigung informaler Strukturen in der deskriptiven Variante des entscheidungsorientierten Ansatzes wird vor dem Hintergrund empirischer Befunde1085 für eine Abkehr von linearen Entscheidungsmodellen plädiert und damit nichtlineares Verhalten berücksichtigt.1086

Begrenzte Rationalität: Individuen handeln nach deskriptiven entscheidungsorientierten Ansätzen subjektiv bzw. begrenzt rational. Gegenüber dem Rationalitätsverständnis in objektivistischen Ansätzen muss einschränkend angemerkt werden, dass den Individuen bei der Bewertung zukünftiger Ereignisse eine begrenzte Auswahl an Entscheidungsalternativen und unvollständiges Wissen über Konsequenzen und Wirkungen des Verhaltens vorliegt.1087 Damit divergiert die deskriptive Variante der entscheidungsorientierten Ansätze von den idealtypischen rationalen Vorstellungen dominierender Ansätze aus der Zeit der Entstehung des Ansatzes (ca. Anfang 1970er). CYERT/MARCH grenzen sich damit von der klassischen Sichtweise eines „allwissend rationalen Systems“ ab.1088

Selbstorganisation: Im Rahmen der Festlegung von Managementaufgaben in Organisationen hat BARNARD Selbstorganisation als eine wesentliche Eigenschaft identifiziert.1089 Diese Erkenntnis hat dazu geführt, voreiliges Eingreifen durch das Management (aus deskriptiv entscheidungsorientierter Perspektive) infrage zu stellen und Selbstorganisationsprozessen mehr Freiraum einzuräumen.1090

1083

Vgl. Walter-Busch, E. (1996), S. 198. Vgl. Barnard, C.I. (1970), S. 104. 1085 Vgl. Witte, E. (1968), S. 625ff. 1086 Vgl. Grün, O. (1966); Stacey, R.D. (1997). 1087 Vgl. Simon, H.A. (1976), S. 81f. 1088 Vgl. Cyert, R.M./March, J.G. (1995), S. 114. Eine vergleichbare Auffassung dazu teilt SIMON. Vgl. Simon, H.A. (1957a), (1981). 1089 Vgl. Barnard, C.I. (1968), S. 199, 206. 1090 Vgl. Barnard, C.I. (1970). 1084

184

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Anhand der Analyse wird ein signifikanter Übereinstimmungsgrad mit Eigenschaften komplexer Systeme deutlich. Der Einsatz vergleichbarer Verfahren und Instrumente (Methodik) unterstützt diesen Eindruck.1091 „Es gibt inzwischen gute Gründe anzunehmen, dass nichtprogrammierte [dazu zählen komplexe – in dem in dieser Arbeit definierten Sinn – Entscheidungen, Anmerkung des Verfassers] Entscheidungsprozesse bald von einer ähnlichen revolutionären Umwälzung erfasst werden wie es gegenwärtig mit programmierten Entscheidungen in Organisationen der Wirtschaft geschieht. [...] Wir erwarten, dass diese [...] Revolution mit einer Verzögerung von zehn bis zwanzig Jahren folgen wird.“1092 Knapp 40 Jahre nach dieser Vorhersage, dass computergestützte Modellbildung und Simulation komplexe Entscheidungen des höheren und mittleren Managements unterstützen und automatisieren, haben sich Disziplinen wie Künstliche Intelligenz (vgl. II-2.5.5) und Anwendungen, z. B. in Form von Managementunterstützungs- oder Expertensystemen, in Unternehmen etabliert. Eine Revolution hat sich indes im Gegensatz zur Vorhersage (noch) nicht eingestellt. Trotz der optimistischen Einschätzung umriss SIMON bereits 1965 das Potenzial, das mit computergestützten Verfahren möglich ist. Diesen Gedanken haben CYERT/MARCH im Rahmen der deskriptiven Variante des entscheidungsorientierten Ansatzes fortgeführt.1093 Die rudimentären Aussagen SIMONs werden aktuell mit dem Fortschritt der Computerwissenschaften weiter konkretisiert.1094

Zusammenfassend wird damit deutlich, dass die deskriptive verhaltenswissenschaftliche (realanalytische) Variante der entscheidungsorientierten Ansätze in den Organisationswissenschaften sowohl inhaltlich in Bezug auf Merkmale als auch methodisch Übereinstimmung mit komplexitätswissenschaftlichen Ansätzen aufzeigt. Entsprechend erfolgt eine komplexitätsbejahende subjektivistische Positionierung dieses Ansatzes in Abbildung III-9.

1091

Vgl. Simon, H.A. (1981, 1996b), passim; Cyert, R.M./March, J.G. (1995), S. 2. Simon, H.A. (1965), S. 76. 1093 Vgl. Cohen, K.J./Cyert, R.M. (1965), S. 305ff; Cyert, R.M./March, J.G. (1995), S. 2. 1094 Vgl. Blaschke, S./Schöneborn, D. (2006); March, J.G. (2001), S. xiff. 1092

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

2.6

185

Zwischenfazit und Vorschau: Würdigung bestehender organisationstheoretischer Ansätze und Ansatzpunkte einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie

Durch die bisherige Untersuchung wurde dargelegt, dass bestehende Ansätze und Theorien nur partiell Erklärungskraft für die Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von komplexen Systemen entwickeln. Tabelle III-1 stellt in aggregierter Form die Ergebnisse der Analyse der Ansätze und Theorien dar und verdeutlicht, dass bisher lediglich vereinzelt Versuche unternommen worden sind, komplexitätswissenschaftliche Basisprämissen in die Organisationstheorien zu integrieren bzw. Leitlinien für eine komplexitätsorientierte Organisationstheorie zu entwerfen.1095

Im Detail zeigt die Analyse, dass Analogien zu komplexitätswissenschaftlichen Gedankenmodellen primär in Ansätzen bzw. Theorien ausgemacht werden können, in denen Binnen- und Außenperspektive von sozialen Systemen bzw. die Interaktion zwischen Umwelt und System berücksichtigt werden.1096 Jedoch wird auch deutlich, dass diese für den Entwurf einer komplexitätswissenschaftlichen Organisationstheorie zentrale Ansatzpunkte liefern und daher eingebunden werden sollten. Diese Auffassung wird u. a. durch die ersten Beiträge der Zeitschrift Organization Science (1990) mit dem Hinweis unterstützt, dass Organisationen „zu komplex“ sind, als dass sie ausschließlich aus einer einzigen Wissenschaftsperspektive heraus betrachtet werden könnten.1097 Aufgrund der festgestellten Analogien und Kongruenzen heißt das, dass komplexitätsorientierte organisationstheoretische Ansätze nicht fundament- und theorielos entwickelt werden dürfen.1098 Analog zur Komplexitätswissenschaft (vgl. II-2) handelt es sich bei organisationstheoretischen Ansätzen und Theorien um ein breites heterogenes „Sammelsurium“ von Konzepten und Gedankenmodellen, die sich immer wieder aus bestehenden Ansätzen evolutionär sowie revolutionär herausgebildet haben und gemeinsame Ursprünge aufweisen.1099 Dies veranschaulicht Abbildung III-10.

1095

Vgl. u. a. Carley, K.M. (2002a); McKelvey, B. (1999a); Stacey, R.D. (2003a). Der wissenschaftstheoretische Ursprung wird besonders ausführlich in Teil II behandelt. 1096 Vgl. u. a. Ashby, W.R. (1968a); Parsons, T. (1965); Burns, T./Stalker, G.M. (1961); Duncan, R.B. (1972), S. 313ff; Schreyögg, G. (1995); Luhmann, N. (2002), S. 105; Strunk, G./Schiffinger, M./Mayrhofer, W. (2004), S. 481ff. 1097 Vgl. Uden, J. van (2004). 1098 Vgl. zu den konzeptionellen Problemen der Entwicklung organisationstheoretisch begründeter Gestaltungsvorschläge Nienhüser, W. (1993), S. 235ff. 1099 Vgl. Schreyögg, G. (2004), Sp. 1085; Frese, E. (2000); Clegg, S.R./Kornberger, M./Pitsis, T. (2005); Westwood, R./Clegg, S.R. (2003), S. 1ff; Krink, J.F. (2002); Selznick, P. (2002), S. 51ff.

186

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Neu e Institu tion enö

Ök iv P räsk ript en tierte Administrativer ri d un g so entsch ei nsätze Ansatz* A

o no

m

e isch

An

sätz

1900

1910

1920

n

Deskriptiv-en tscheidungsorientierte Ansätze

e

nsth eoretisch e Ansä tze Situation s- und interaktio erte nti Resso urceno rie An sätze Resource-Dependence-Theorie

Informationsverarbeitungsansatz

BürokratieAnsatz*

Scientific Management*

kon om isch e Theorie

Institutionalistischer Gestaltansatz Ansatz Strukturationstheoretischer Ansatz Evolution stheo retische Ansä

tze

Komplexitätswissenschaftlicher Ansatz Po stm od er ne O rg an isa tio ns th eo rie Sy ste mthe ore N etzw er tische An sät ktheoret ze A n sätz e isch e Kons tru ktivis tis ch-interp ret Selbstorgan isa ative An sätze tio nsansatz

Verhaltensorientierter Ansatz

1930

1940

1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

* Organisationstheorien im Spannungsfeld zwischen Regelhaftigkeit und Präzision

Abbildung III-10: Strömungen organisationstheoretischer Ansätze und Theorien1100

Die skizzierten Herausforderungen der letzen Jahrzehnte im Rahmen der Beschreibung, Erklärung und Vorhersage von Organisationsverhalten und -konfiguration haben dazu geführt, Untersuchungsergebnissen, die mit immer leistungsfähigeren (mathematisch gestützten) Instrumenten ermittelt wurden, die Relevanz abzusprechen, da Organisationen mit diesen nicht angemessen abgebildet werden können.1101 Damit verbunden ist eine sich verstärkende Ablehnung positivistischer Theorien, welches u. a. zum Entwurf netzwerktheoretischer Ansätze in der Organisationstheorie geführt hat. Trotz dieser Entwicklungsschritte sind bisher kaum praxisorientierte Implementierungsvorschläge und -empfehlungen (konkrete Methodik, Instrumentarium) unterbreitet worden (vgl. GIDDENS).1102 Für den Entwurf einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie ist daher neben der Berücksichtigung der Eigenschaften komplexer Systeme auch die Forderung nach einer Methodik verbunden, die in Form des modelltheoretischen Kerns in den Komplexitätswissenschaften bereits ansatzweise vorliegt.1103

1100

Vgl. Schreyögg, G. (0204), Sp. 1083. Vgl. Malik, F. (2003a); Bleicher, K. (2004). 1102 Vgl. Schwaninger, M. (2000), S. 208. 1103 Vgl. MacIntosh, R. (Hrsg.) (2006). 1101

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

187

Komplexitätswissenschaftliche Ansätze müssen sich mit der zentralen Frage befassen, aus welchem Grund und in welcher Form sich Organisationen in schnell wandelnden Umwelten verändern, und sie müssen versuchen, einen Anstoß zum Verstehen eines ko-evolutionären Wechselspiels zwischen Adaption, Selektion und abrupten Änderungen innerhalb von Organisationen zur Verfügung zu stellen.1104 Der Wert der Komplexitätswissenschaft für Organisationstheorien wurde besonders im Rahmen der Organization Science Winter Conference (1996) betont und löste nachfolgend eine Intensivierung der Diskussion in den Organisationswissenschaften aus.1105 „Ultimately, the most significant value of complexity theory within organizational thinking is in providing an explanation of how organizations adapt and grow, especially in high-velocity environments where pace, ambiguity, and uncertainty reign. Thus, complexity theory fills a fundamental gap within the organization theory tool kit as a complementary change perspective to slower-paced evolutionary theory.”1106

Folgende wesentliche Ansätze und Beiträge zur Verknüpfung von Organisations- und Komplexitätswissenschaften haben sich seither herauskristallisiert, die grob in drei Entwicklungsströmungen eingeteilt werden können: Zum einen besteht eine primär anwendungsorientierte Perspektive, die eine computergestützte Implementierung komplexitätswissenschaftlichen Gedankenguts anstrebt und hauptsächlich zur Weiterentwicklung des modelltheoretischen Kerns der Komplexitätswissenschaft beiträgt (vgl. IV-4).1107 Der zweite Blickwinkel wird durch wissenschaftstheoretisch sehr heterogene Beiträge geprägt, die in erster Linie konzeptionellen wissenschaftsmethodischen Charakter aufweisen. Zu den betrachteten Fragen zählt u. a. die „Zulässigkeit“ der Übertragung von originär naturwissenschaftlichen Erkenntnissen der Komplexitätswissenschaft auf soziale- und ökonomische Fragestellungen.1108 Hier tragen besonders soziologisch geprägte Beiträge zur Weiterentwicklung bei, wenngleich sich die Integration dieser aufgrund erheblich differierender wissenschaftstheoretischer Ursprünge kompliziert gestaltet.1109 Die Betrachtung dieser Perspektive wird zudem nicht zuletzt durch eine signifikante Trennung der Forschung von Europa (u. a. LUHMANN und BAECKER) und den USA (vor allem ARTHUR, WALDROP,

1104

Vgl. Eisenhardt, K.M./Bhatia, M.M. (2002), S. 442; Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1998). Dafür fehlt es jedoch noch an einem kohärenten Ansatz. Vgl. Teil II-2 sowie Maguire, S. (2002), S. 211; Maguire, S./McKelvey, B. (1999), S. 5ff. 1105 Vgl. Anderson, P.W. (1999a, 1999b); Cohen, M. (1999); Dooley, K.J./Van de Ven, A.H. (1999); Lewin, A.Y. (1999); McKelvey, B. (1999c); Richardson, K.A./Lissack, M.R. (Hrsg.) (2005); Richardson, K.A. (2005a, 2005b); Uden, J. van (2004); Kron, T./Schimank, U./Winter, L. (Hrsg.) (2006); MacIntosh, R. (Hrsg.), (2006); North, M.J./Macal, C.M. (2006); McDaniel, R.R./Driebe, D.J. (Hrsg.) (2005); Weick, K.E. (2005a). 1106 Eisenhardt, K.M./Bhatia, M.M. (2002), S. 462. 1107 Vgl. u. a. Carley, K.M. (2002b), S. 253ff; Carley, K.M. (2002a), S. 208ff. Der Terminus Agent kann zunächst – in Teil IV erfolgt eine intensive Betrachtung – vereinfachend als Begriff für ein Mitglied z. B. einer Organisation aufgefasst werden. 1108 Vgl. u. a. Kappelhoff, P. (2002b); Stacey, R.D. (2001); Stacey, R.D. (2003a); Lissack, M.R. (1999), S. 110ff. 1109 Vgl. u. a. Luhmann, N. (1980); Luhmann, N. (2002); Baecker, D. (1992); Baecker, D. (1997); Kappelhoff, P. (2000a); Kappelhoff, P. (2002a); Niedersen, U./Pohlmann, L. (Hrsg.) (1990).

188

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Tabelle III-1:

Aggregierte Darstellung der Entsprechung der Eigenschaften komplexer Systeme mit den Prämissen bestehender Ansätze in den Organisationstheorien

Autopoiese

Emergenz

Selbstreferenz

Selbstorganisation

Begrenzte Rationalität

Offenheit

Nichtlinearität

Rückkopplungen

Pfadabhängigkeit

Vielzahl und Varietät

Dynamik

Resource-Dependence-Theorie Institutionalistische Ansätze Informationsverarbeitungsansatz Ressourcenorientierte Ansätze Verhaltensorientierte Ansätze

Komplexitätsbejahende objektivistische Ansätze

komplexitätsverneinende subjektivistische Ansätze

Organisationstheorien im Spannungsfeld von Regelhaftigkeit und Präzision Präskriptive entscheidungsorientierte Ansätze Neue Institutionenökonomische Theorien Situations- und interaktionstheoretische Ansätze

Strukturationstheoretische Ansätze

komplexitätsbejahende subjektivistische Ansätze

Organisationstheoretische Ansätze

komplexitätsverneinende objektivistische Ansätze

Überlebenssicherung

Eigenschaften komplexer Systeme

Postmoderne Organisationstheorien

Gestaltansatz Systemtheoretische Ansätze Netzwerktheoretische Ansätze

Selbstorganisationsansatz Konstruktivistisch-interpretative Ansätze Evolutionstheoretische Ansätze Deskriptive entscheidungsorientierte Ansätze nicht erfüllt

partiell erfüllt

erfüllt

EPSTEIN, AXTELL sowie SIMON und CARLEY) geprägt.1110 Der dritten Position liegt eine pragmatische Betrachtung der Komplexitätswissenschaft aus organisationstheoretischer Sicht zu Grunde. Diese wurde bisher kaum ausgestaltet; erst seit kurzem wird die Weiterentwicklung 1110

Eine vergleichbar getrennte Vorgehensweise in der Forschung macht GILBERT ebenso im Rahmen von Modellierung bzw. Simulation aus. Vgl. Gilbert, N. (2000a), S. 355ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

189

komplexitätswissenschaftlichen Gedankenguts aus Sicht der Organisationstheorien vorangetrieben.1111 Nachfolgend wird anhand von vier Aspekten aufgezeigt, welches Entwicklungspotenzial für den Entwurf bzw. für die Notwendigkeit eines Entwurfes einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie besteht.1112 Die Skizzierung möglicher Entwicklungslinien erfolgt anhand der Untersuchungen von Ordnungsbildung in komplexen Systemen und den Wirkweisen in der Binnenstruktur sowie den Beziehungen zur Systemumwelt.1113 (1) Ko-Evolution am Rande des Chaos (edge of chaos)1114 Mit der Komplexitätswissenschaft wird unterstellt, dass die Adaption und Ko-Evolution der (Gesamt-)Organisation an die Umwelt aus den Aktivitäten der einzelnen Elemente (zur Verbesserung des individuellen „payoffs“1115) entsteht1116 und zu einer steten Veränderung der Umwelt führt.1117 Ein Gleichgewicht im Sinne mechanistisch-technomorpher Theorien stellt sich nicht ein, sondern die Organisationen bewegen sich abseits davon, d. h. am Rande des Chaos, welches auch als dynamisches Gleichgewicht bezeichnet wird.1118 Dieses abstrakte Denkmodell entspricht und erklärt Beobachtungen in den Organisationswissenschaften, nach denen sich effiziente Organisationen erst am Rande des Chaos bilden und entwickeln.1119 Grundsätzlich gilt die akzeptierte Begriffsbestimmung, nach der das Stadium am Rand des Chaos als Zustand mit optima-

1111

Vgl. North, M.J./Macal, C.M. (2006); MacIntosh, R. (Hrsg.) (2006); Richardson, K. (Hrsg.) (2005).Vgl. ferner Schreyögg, G. (2006), bei dem die Komplexitätstheorie bereits Teil seiner Veranstaltung Management Prozess: Management zwischen Ordnung und Chaos geworden ist, für die einschlägige komplexitätstheoretische Literatur aus den USA (u. a. Santa Fe Institute und Carnegie Mellon University) empfohlen wird. Vgl. u. a. Anderson, P.W./Meyer, A./Eisenhardt, K.M. (1999), S. 233ff; Ansoff, I.H. (1995), S. 31ff; Axelrod, R.M./Cohen, M.D. (2000); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997), S. 1ff; Dooley, K.J./Van de Ven, A.H. (1999), S. 359ff; Fonseca, J. (2002); Lewin, A.Y. (2002), S. 267ff; Lewin, R./Parker, T./Regine, B. (1998), S. 36ff; Mitleton-Kelly, E. (2003a), S. 3ff; Tsoukas, H. (1998), S. 291ff; Uden, J. van/Richardson, K.A./Cilliers, P. (2001), S. 53ff. 1112 Ferner versuchen Stacey, R.D./Griffin, D./Shaw, P. (2000) die auf Grundlage eines naturalistisch-emergentistischen Wissenschaftsverständnisses gewonnenen Einsichten der Komplexitätswissenschaft zu dekontextualisieren und dann in eine interpretativ-konstruktivistisch argumentierende Organisationstheorie zu integrieren. Diese Ausführungen verweisen jedoch primär auf Parallelitäten zwischen Komplexitätswissenschaft und Organisationstheorie, die bereits in der vorliegenden Arbeit anhand der Eigenschaften komplexer Systeme ausführlich betrachtet wurden. 1113 Vgl. Anderson, P. (1999b); McKelvey, B. (1999b), S. 279ff. Alternativ sieht KAPPELHOFF Anknüpfungspunkte bei der Neuinterpretation einer evolutionären Sozialtheorie, mit der drei analytische Komponenten ko-evolutionär verknüpft werden: Das Akteursmodell, einen sozialstrukturellen Rahmen und einen kulturellen Gestaltungsraum. Da die Ausführungen sehr soziologisch geprägt sind, werden die Gedanken KAPPELHOFFs nur implizit eingebunden. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 83ff. 1114 Das Konstrukt (edge of chaos) wurde besonders in den Naturwissenschaften geprägt. Vgl. Grothe, M. (1997). 1115 In Übereinstimmung mit der Annahme von begrenzter Rationalität der agierenden Elemente können diese die Konsequenzen ihres Handelns für die Gesamtsystemebene jedoch nicht abschätzen, so dass nicht zwangsläufig die Situation der Gesamtorganisation verbessert wird. Vgl. March, J.G./Simon, H.A. (1958). 1116 Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 83, der sich hier auf die evolutionäre Sozialtheorie bezieht. 1117 Vgl. Levinthal, D.A. (1997), S. 934ff. 1118 Vgl. Bak, P./Chen, K. (1991), S. 62ff. Für eine weitere ausführliche Betrachtung (u. a. der selbstorganisierten Kritizität) vgl. Anderson, P. (1999b), S. 223f. In diesem Zustand können kleine Einflüsse zu erheblichen Veränderungen führen. 1119 Vgl. Weick, K.E. (1979), S. 215; Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1998), S. 1ff. Dies entspricht dem organisationalen Kontext am Rand des Chaos, der sich durch ein paradoxes Organisationsverhalten charakterisiert, nach dem Innovation sowie Exploration und Exploitation (Ausbeutung) ko-existieren.

190

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

ler Adaptions- und Ko-Evolutionsfähigkeit beschrieben wird.1120 „[T]he strategic equilibrium over time for an organization is a combination of frequent small changes made in an improvisational way that occasionally cumulate into radical strategic innovations, changing the terms of competition fundamentally.”1121 Diese Beobachtungen machten BROWN/EISENHARDT anhand der Untersuchung von verschiedenen Computerherstellern. Hier wurde eine Balance zwischen Effizienz- und Innovationsorientierung durch Modularisierung (in Form organisatorischer Subeinheiten) erreicht.1122 Jedoch bleibt die Frage offen, ob Organisationen zwangsläufig einen Zustand am Rande des Chaos erreichen oder ob es sich dabei um einen paradoxen Zustand handelt, den Organisationen nur mit Aufwand aufrecht erhalten können und ansonsten in statische Ordnung übergehen oder in totales Chaos abgleiten würden.1123

Zusammenfassend ist das Konstrukt Rand des Chaos in den Organisationswissenschaften zu verorten.1124 Dementsprechend leistet die Komplexitätswissenschaft mit ihrer Vorstellung von „Veränderung als Routine“ einen Beitrag zu einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie,1125 denn bisher werden primär Gleichgewichts- bzw. Beharrungszustände zu Grunde gelegt.1126 In den Komplexitätswissenschaften werden stabile Gleichgewichtszustände nicht vollständig abgelehnt. Es wird vielmehr eine Möglichkeit geschaffen, die Zustände zu erklären, in denen sich kein Beharrungszustand einstellt, so dass eine angemessene Beschreibung und Erklärung von Organisationen außerhalb eines stabilen Gleichgewichts möglich ist.

(2) Systemevolution und Rekombination Komplexe Systeme wie Organisationen sind evolutionärem Druck ausgesetzt und lassen die Evolution ihrer Teile (z. B. Elemente, Regeln, Rückkopplungen) explizit zu.1127 Daraus bilden sich z. B. neue Elemente aus, andere verschwinden und Rückkopplungen verändern sich.1128 Im Gegensatz dazu werden in mechanistisch-technomorphen Organisationsmodellen die Relationen zwischen den Variablen als stabil aufgefasst, welches jedoch der „realen“ Beobachtung von Organisationen widerspricht.1129 Darüber hinaus stellt Rekombination sowohl in komplexen Systemen als auch in den Organisationswissenschaften einen zentralen Aspekt dar, z. B. bei der Be1120

Vgl. Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 459; Kauffman, S.A. (1995). Organisationen können demnach ihr Überleben nur sicherstellen, wenn diese in der Lage sind, eine Balance zwischen Flexibilität und Stabilität zu erreichen. 1121 Anderson, P. (1999b), S. 224. 1122 Vgl. Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997), S. 1ff. 1123 Vgl. Kauffman, S.A. (1995); Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1997), S. 1ff. 1124 Vgl. Gersick, C.J. (1991), S. 10ff. 1125 Zu Forschungsmethoden vgl. Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 458ff. 1126 Vgl. Beobachtungen von Cyert, R.M./March, J.G. (1995) und Tushman, M.L./Newman, W./Romanelli, E. (1986). 1127 Vgl. Simon, H.A. (1996a). 1128 Anderson, P. (1999b), S. 225. 1129 Vgl. Kast, F.E./Rosenzweig, J.E. (1970).

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme 1130

trachtung von technologischen Innovationen.

191

Bisher konnten Rekombination und Evolution

lediglich ex post beschrieben werden. In Verbindung mit dem modelltheoretischen Kern der Komplexitätswissenschaft lässt sich mit Rekombination und Evolution experimentieren und Prognosen anstreben (vgl. IV-4).

(3) Regelgeleitetes Handeln Der Unterschied zwischen einem komplexen und einem nicht komplexen (besonders chaotischen) System besteht darin, dass Regelmäßigkeiten zu identifizieren und diese zu Regeln (sog. Schemata) zusammenzufassen sind.1131 Komplexe Systeme können multiple, sich widersprechende Regeln (wie z. B. kulturelle) gleichzeitig aufstellen und berücksichtigen.1132 Anhand kultureller Normen besteht die Möglichkeit des Entwurfes einer evolutionären Sozialtheorie.1133 Die Einheiten dieser sind symbolisch kodierte Handlungs- und Orientierungsregeln, die kognitive Strukturen und Rationalitätskriterien repräsentieren, welche von Organisationsmitgliedern sinnhaft interpretiert werden können.

Regeln spezifizieren also die Konditionen von Grenzbeziehungen, Prioritäten von Verhalten und unmittelbare Handlungsanweisungen. Effiziente Regeln sind einfach und überlassen den Elementen die Autonomie, auf vielfältige Weise (z. B. geordnet, adaptiv, statisch oder überraschend) zu agieren. Entsprechend der Komplexitätswissenschaft kann für Elemente, die mit wenigen einfachen Regeln ausgestattet sind, komplexes Verhalten am Rande des Chaos beobachtet werden.1134 Ein eindruckvolles Beispiel liefert REYNOLDS in seiner Simulation von „vogelartigen Wesen“, so genannten boids, die sich in einer Umwelt mit veränderlichen Hindernissen bewegen.1135 Die Verhaltensregeln für jedes boid lauten mit absteigender Priorität:1136

1130

Vgl. Anderson, P. (1999b), S. 225. Neuerungen stellen stets eine Neukonfiguration von Bestehendem dar. Vgl. Cilliers, P. (2000a); Haslett, T./Osborne, C. (2003); March, J.G./Zhou, X./Schulz, M. (2000). Damit ist eine Komplexitätsreduktion im LUHMANNschen Sinne verbunden, die sich von positivistisch dominierten Simplifizierungen abgrenzt. Vgl. Luhmann, N. (2002). BURGELMAN illustriert dies im Zusammenhang mit Organisationen am Beispiel der Intel Corporation im Rahmen des Wechsels von Speicherchips zu Mikroprozessoren. Vgl. Burgelman, R.A. (1994), S. 24ff. 1132 Vgl. Campell, D.T. (1974), S. 179ff. In Modellen, die Simulationen zu Grunde liegen, werden die Interaktionen in Form von Regeln institutionalisiert (vgl. Teil IV). Regeln bzw. Schemata sind kognitive Strukturen, die das Verhalten der Organisationsmitglieder auf Basis der Perzeption der unmittelbaren Umgebung determinieren. Vgl. Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 450. 1133 Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 83. 1134 Vgl. Axelrod, R.M./Cohen, M.D. (2000). 1135 Ferner untersuchten MINTZBERG und McHUGH im Rahmen einer Längsschnittanalyse das National Film Board of Canada. Dieses gestaltet sich als lose gekoppeltes System einer „Adhokratie“, das durch einfache Regeln die Balance zwischen internen und externen Interessen erhält. Vgl. Mintzberg, H./McHugh, A. (1985), S. 160ff, 191. 1136 Vgl. Reynolds, C.W. (1987), S. 25ff; Waldrop, M.M. (1993), S. 356ff. 1131

192

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

1. Halte einen minimalen Abstand zu allen anderen boids ein, aber vermeide Kollisionen. 2. Halte die Fluggeschwindigkeit deiner Nachbarn ein. 3. Bewege dich zur Mehrheit der boids, d. h. zur größten Dichte in der Umgebung.

Unabhängig von der Startposition formen die boids in der Simulation eine Schar, wie sie auch für einen natürlichen Vogelschwarm beobachtet werden kann. Bei auftretenden Barrieren trennt sich die Gruppe, um sich unmittelbar danach wieder zu vereinigen. Fliegt ein boid in ein Hindernis, schließt es anschließend wieder auf.1137 REYNOLDS modellierte bei dieser Simulation weder die Schar, noch den einzelnen boid, sondern vielmehr die Interaktionen auf der relationalen Ebene. Agentenbasierte Simulationen (vgl. IV-4) von menschlichen sozialen Interaktionen basieren auf dem gleichen Gedankenmodell.

Die Mehrzahl der Modellierungen bzw. Simulationen in den Organisationswissenschaften stützen sich im Gegensatz zu dem zuvor beschriebenen regelgeleiteten Vorgehen auf eine Kombination von unabhängigen Variablen, mit denen Veränderungen in anderen abhängigen Variablen abgebildet werden. Damit wird jedoch ausschließlich das Systemverhalten der gleichen Ebene erklärt und die Interebenenbeziehungen nicht betrachtet.1138 In Modellen komplexer Systeme sind hingegen die den Elementen zugewiesenen Regeln ebenenübergreifend,1139 was einer wiederholt geforderten integrativen Organisationswissenschaft entspricht,1140 ohne klassische Betrachtungsweisen gänzlich auszuschließen.1141

Dennoch wird auch Kritik an diesem regelgestützten Denkmodell deutlich. Zum einen wird in den Sozialwissenschaften die Korrelation von individuellen Zielen (hier gleichgesetzt mit Regeln) mit ihrem Verhalten als „lose“ eingestuft.1142 Zum anderen wird kritisiert, dass sich Regeln zu „dysfunktionalen rationalen Mythen“ entwickeln können.1143 Diese Kritikpunkte sind durchaus begründet, doch zu unspezifisch, als dass sie nachhaltig das regelgestützte Denkmodell infrage stellen. 1137

Vgl. Eisenhardt, K.M./Bathia, M.M. (2002), S. 452. EISENHARDT/BATHIA haben eine Übersicht von Studien aufgestellt, die die Interaktion von Schemata und ihre Wirkung auf das Systemverhalten darstellen. 1138 Einzige Ausnahme bildet das Beispiel mit organisationalem Bezug von BURGELMAN, in dem illustriert wird, wie einfache Regeln bei der Intel Corporation zur Allokation begrenzter Fertigungskapazitäten und zu einer hohen Adaptivität auf Organisationsebene geführt haben. Als die Margen für Speicher sanken und die für Mikroprozessoren stiegen, führten die unabhängigen Aktivitäten der Fertigungsstätten zu einer Veränderung der ganzen Unternehmung ohne explizite Intention und Eingreifen der Unternehmensleitung. Vgl. Burgelman, R.A. (1994), S. 43. 1139 Vgl. Gell-Mann, M. (1994). 1140 Vgl. Rousseau, D.M./House, R.J. (1994), S. 13ff. 1141 Vgl. Anderson, P. (1999b), S. 220; Paul, D.L./Butler, J.C./Pearlson, K.E. u.a. (1996), S. 301ff; Carley, K.M. (1995), S. 39ff; Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 299ff. 1142 Vgl. March, J.G./Olsen, J.P. (1979). 1143 Vgl. Meyer, J.W./Rowan, B. (1977), S. 340ff.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

193

Zusammenfassend wird damit deutlich, dass das komplexitätswissenschaftliche Begreifen von Organisationen durch einfache Regeln ermöglicht, Simulationen zu entwerfen, mit denen ein wesentlicher Beitrag zu Erklärung, Beschreibung und Prognose von organisationalem Verhalten geleistet werden kann.1144

(4) Verbindung zwischen interner und externer Sicht von Organisationen (Ressourcenfluss) Weiteres Potenzial für den Entwurf einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie liegt in der Notwendigkeit, gleichzeitig eine interne und externe Sicht auf Organisationen zu berücksichtigen, um z. B. eine Verbindung von exogen orientierter Industrieökonomie (Structure-ConductPerformance-Paradigma) und primär endogen ausgerichtetem Selbstorganisationsansatz zu ermöglichen.1145 Nach komplexitätswissenschaftlichem Verständnis wird dies durch das Konstrukt am Rand des Chaos sowie Selbstorganisation, die ausschließlich in offenen Systemen entsteht, ermöglicht.1146 Der Rand des Chaos wird als dissipativ bezeichnet, d. h. es handelt sich um einen Zustand, der nur durch Energieverbrauch aufrecht erhalten werden kann.1147 Für Organisationen bedeutet dies, dass ständig ein (Zu-)Fluss von Ressourcen (z. B. Rohstoffe, Know-how, Personal) erforderlich ist,1148 um die Organisation zwischen Ordnung und Unordnung auszubalancieren.1149

Einen ersten Versuch einer Übertragung komplexitätswissenschaftlicher Gedankenmodelle auf organisationstheoretische Fragestellungen bildet das Modell der NKSC-Fitness-Landschaften von McKELVEY (Fitness im Sinne von passen bzw. entsprechen).1150 Verkürzt gesprochen sind diese Landschaften (Organisations-)Modelle, in denen sich Kompetenzen der Außen- (externer Selektionsdruck durch die Umwelt) und Innenperspektive (endogener Selektionsdruck) gegenseitig ergänzen, was eine wesentliche Erweiterung bestehender Modelle darstellt. Das NKSCModell beschreibt die Ko-Evolution von S-Organisationen, die jeweils C-fach vernetzt sind, wobei jede Organisation wiederum durch die evolutionäre Dynamik ihrer internen, K-fach gekop-

1144

Vgl. Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 299ff; Carley, K.M. (2002b), S. 255. „simulation approaches seem to fit quite naturally with recent ideas about […] complex systems.“ Johnson, P.E. (1999), S. 1511. 1145 Vgl. Drazin, R./Sandelands, L.E. (1992), S. 230ff; Weick, K.E. (1979). 1146 Dies macht das zweite thermodynamische Gesetz deutlich, nach dem geschlossene Systeme zu einem Gleichgewichtszustand maximaler Unordnung streben, während lose gekoppelte (dissipative) Systeme sich vom thermodynamischen Gleichgewicht fernhalten und eine innere Ordnung unter Energiezufluss zeigen. Vgl. Prigogine, I./Stengers, I. (1985). 1147 Vgl. Prigogine, I./Stengers, I. (1985), S. 179. 1148 Vgl. Barney, J.B. (1991), S. 99ff; Barney, J.B. (2001), S. 643ff. 1149 Vgl. Brown, S.L./Eisenhardt, K.M. (1998), S. 1ff. 1150 Vgl. McKelvey, B. (1997); McKelvey, B. (1999a); McKelvey, B. (1999b). Vgl. auch Griffin, D./Shaw, P./Stacey, R.D. (1998), S. 315ff. Das Mehrebenenmodell stützt sich auf den Ansatz und die Simulationsergebnisse von KAUFFMAN und wird als metabiologisches Modell bezeichnet, da es von einer primär biologischen Terminologie geprägt ist. Vgl. Kauffman, S.A. (1993), S. 255 ff.

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Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

pelten N-Kompetenzen (Buchstaben sind Platzhalter für die Anzahl) dargestellt ist.1151 Die derart abgebildeten Organisationen konkurrieren in einem kompetitiven Marktumfeld, das erneut selbst als System gekoppelter NKSC-Fitness-Landschaften modelliert ist.1152 Das Ziel des NKSCModells ist eine optimale Gestaltung der so genannten Fitnesslandschaften.1153 Die zentrale (Quint-)Essenz der Simulationsexperimente von McKELVEY zeigt auf, dass Organisationen sich dann am besten entwickeln, wenn sie sich auf Märkten mit moderatem Wettbewerbsdruck intern so organisieren, dass ihre innere Komplexität, ausgedrückt als Grad der Vernetzung K, in etwa derjenigen der Marktkomplexität entspricht.1154 Ferner muss bei einer relativ großen Anzahl N der Kompetenzen in einer Organisation die Zahl der inneren ko-evolutionären Interdependenzen K begrenzt bleiben.1155

Das Modell ist jedoch zufallsabhängig konzipiert. Dies ist insofern zu kritisieren, da die Ausprägung der Fitnesslandschaft sowohl von der Stärke der inneren Vernetzung K und äußeren Vernetzung C als auch von der Relation zwischen K und C abhängt und damit nicht zufällig ist. Neben dem stochastischen Charakter des Modells liefert vor allem die umstandlose Übertragung naturalistischer Perspektiven auf Organisationen Anlass zur Kritik. Die stochastischen Interdependenzen K werden analog zu menschlichen Interaktionen eingestuft. Auf die damit verbundene Problematik verweist KAPPELHOFF, so dass die unmittelbare Übertragung der Erkenntnisse auf Organisationen angezweifelt wird.1156 Ferner wird besonders aus sozialwissenschaftlicher Sicht bemängelt, dass individuelle Besonderheiten der Akteure durch Durchschnittsbildung nivelliert werden, eine Vorgehensweise, wie sie u. a. auch im positivistischen Denken auftritt. Hierbei handelt es sich um ein theoretisches Defizit, das die ursprüngliche Zielsetzung McKELVEYs unterminiert, die naturalistische und intentionalistische Seite zu verbinden und zur Überwindung der Paradigmenkrise in der Organisationstheorie beizutragen.1157

Trotz der Kritikpunkte zeichnen sich positive Entwicklungen ab, wenn neben metabiologischen auch -soziologische Modelle im Rahmen der Analyse sozialer Prozesse zu Grunde gelegt wer-

1151

Vgl. McKelvey, K./Aldrich (1983), S. 101ff. Verknüpfungen des NKSC-Modells der Komplexitätswissenschaft auf organisationstheoretische Fragestellungen finden sich u. a. bei Levinthal, D.A. (1997); Baum, J.A./McKelvey, B. (Hrsg.) (1999); Boisot, M./Child, J. (1999). NKSC-Fitnesslandschaften können anhand der Wertschöpfungskette (Modellelemente als Kompetenzen einer Organisation) von PORTER illustriert werden. Vgl. Porter, M.E. (1980, 1985). 1152 Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 64. 1153 Vgl. McKelvey, B. (1999c), S. 297. Hier schließen sich Fragen der Organisationsgestaltung an. 1154 Vgl. Ashby, W.R. (1968a), S. 129ff. 1155 Vgl. McKelvey, B. (1999c), S. 300ff. 1156 Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 74ff. 1157 Vgl. u. a. Kelemen, M./Hassard, J. (2003), S. 73ff. „I suggest that the continuation of the paradigm war construes the problem as in „either-or“ choice between objective/natural and subjective/intentional phenomena, when in fact the most interesting aspect of organizations is the continual transition between the two phenomena.“ McKelvey, B. (1997), S. 374.

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

195

den. „Die bereits heute verfügbaren Modelle der Komplexitätswissenschaft haben ein Niveau steuernder Komplexität erreicht, das weit über rein naturalistische Interpretationen im Sinne metabiologischer Modelle hinausgeht. Zum anderen zeichnet sich [...] zur Entwicklung metasoziologischer Modelle der Modellkern einer evolutionären Sozialtheorie ab, der über ein ernst zu nehmendes Potenzial zur Integration verfügt und damit für die Organisationstheorie von unmittelbarem Interesse ist.“1158

Zusammenfassend lassen sich damit folgende Strömungen für den Entwurf einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie differenzieren:1159 x

Die Komplexitätswissenschaft liefert auf Basis ihrer Metaphern einen breit gefächerten Rahmen zur Interpretation organisationaler Prozesse. Exemplarisch stehen hierfür Begriffe bzw. Begriffszusammensetzungen wie z. B. Ko-evolution am Rande des Chaos, Emergenz und Selbstorganisation. Die sich daraus ableitenden Vorschläge sind für die Organisationstheorie partiell durch Fallbeispiele bzw. empirische Untersuchungen unterstützt worden. Trotz des Versuchs der Verifizierung der Metaphern und der Übertragung auf organisationstheoretische Fragestellungen besteht jedoch die Gefahr, dass diese Entwicklungslinien zu einer Modeerscheinung degenerieren.

x

Die zweite Perspektive begreift die Komplexitätswissenschaft als abstrakten Modellrahmen. Unterschieden werden metaphysikalische, metabiologische und metasoziologische Varianten.1160 In metabiologischen Modellen (vgl. oben) wird versucht, die Kritik an der naturalistischen Perspektive der Komplexitätswissenschaft zu überwinden. Diese Varianten beziehen sich jedoch bisher lediglich auf qualitatives Denken, da Modelle metasoziologischer Komplexität noch nicht vollständig ausformuliert sind. Erste Ansätze zeigen, dass die abstrakten Einsichten der Komplexitätswissenschaft sozial- und organisationstheoretisch verknüpft werden und sich gegenseitig bereichern.

x

Die dritte Perspektive bezieht sich auf das von der Komplexitätswissenschaft zur Verfügung gestellte, modelltheoretische Instrumentarium, das sich für organisationstheoretische Fragestellungen einsetzen lässt, für die in der vorliegenden Arbeit das weitreichendste Entwicklungspotenzial ausgemacht wird. Dabei stellt das NKSC-Modell einen möglichen Ausgangspunkt für weitere Untersuchungen dar. In der Bewertung von KAPPELHOFF wird dieser Ansatz zwar mittelfristig als entwicklungsfähig bewertet, findet jedoch seine

1158

Kappelhoff, P. (2002b), S. 82. Kappelhoff, P. (2001). 1160 Metasoziologische Modelle begegnen der Kritik am naturalistischen Verständnis der Komplexitätswissenschaft. Diese umfassen ein Akteursmodell, eine Sozialstruktur und einen kulturellen Gestaltungsraum, der die Modellierung intentionalen Handelns ermöglicht. Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 91. 1159

196

Teil III-2: Analyse organisationstheoretischer Ansätze und Theorien zur Erklärung komplexer Systeme

Grenzen in der zu Grunde liegenden naturalistischen Methodologie.1161 KAPPELHOFF erwähnt jedoch nicht die aktuellen Entwicklungen und Möglichkeiten, die sich aus agentenbasierten Simulationen ergeben (vgl. IV-4).1162

Der Entwurf einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie ist nicht als revolutionär einzustufen, da z. B. dynamische und nichtlineare Systeme (als Teilaspekt) bereits in der Vergangenheit betrachtet wurden (vgl. open system theory von KATZ/KAHN sowie SIMONs architecture),1163 ohne den Komplexitätsbegriff voll erfasst und die dahinter stehenden Prämissen umrissen zu haben.1164 Neue Forschungsfragen können bearbeitet werden, da durch gestiegene Möglichkeiten in der Computertechnologie z. B. Historie und Kontext der Organisation sowie evolutionäre und sprunghafte Veränderungen gleichermaßen berücksichtigt werden können. Dadurch überwindet eine komplexitätsorientierte Organisationstheorie mit computertechnologischer Unterstützung z. B. den „langsamen“ Charakter der Evolutionstheorie. „We are not on the verge of a revolution that will render a century of organization theory obsolete, but remarkable new vistas are opening up, thanks to the melding of the science of complexity and organization theory and the increasing availability of new techniques for modeling nonlinear behavior.”1165

Die Organisationswissenschaft hat sich bisher die skizzierten neuen Perspektiven und Möglichkeiten noch nicht vollständig zu Nutze gemacht. Fest steht aber, dass eine komplexitätsorientierte Organisationstheorie sich nur etablieren kann, wenn drei Aspekten besondere Aufmerksamkeit gezollt wird: Erstens muss sie der Kritik von Komplexitätswissenschaftlern standhalten, indem sie die Eigenschaften komplexer Systeme (vgl. III-1) einbezieht. Zweitens muss der modelltheoretische Kern (vgl. IV-4) der Komplexitätswissenschaft weiter ausgestaltet und drittens die eingangs dieses Kapitels dargestellten vier Aspekte Ko-Evolution am Rande des Chaos, Systemevolution und Rekombination, regelgeleitetes Handeln und Verbindung zwischen interner und externer Sicht von Organisationen berücksichtigt werden.

1161

Vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 91. Vgl. North, M.J./Macal, C.M. (2006); Hernes, T. (2003); Webb, C./Lettice, F./Lemon, M. (2006): Kron, T. (Hrsg.) (2002); Eder, A./Gutjahr, W./Neuwirth, E. (2006). 1163 Vgl. Katz, D./Kahn, R.L. (1977); Simon, H.A. (1962). 1164 Vgl. Vgl. Mitleton-Kelly, E. (2003a), S. 3ff; Tsoukas, H. (1998), S. 306; Choi, C.-H. (2001), S. 459ff. Eine Verbindung von Komplexitäts- und Organisationswissenschaft wird mithilfe der Erklärung der Veränderlichkeit von Organisationen vorgenommen. Vgl. Dooley, K.J. (1997), S. 77ff. Vgl. analog Tushman, M.L./Newman, W./Romanelli, E. (1986); Maturana, H.R./Varela, F.J. (2003). 1165 Anderson, P. (1999b), S. 229. 1162

Teil IV-1: Vorbemerkungen zur Modellierung und Simulation

197

Teil IV 1

Vorbemerkungen zur Modellierung und Simulation

Bereits Mitte der 1950er Jahre fanden Modellierung bzw. Simulation als Methoden Eingang in die Natur- sowie Ingenieurwissenschaften und nahmen z. T. erheblichen Einfluss auf Forschung und Entwicklung. Implizit gewinnen sie so auch aus betriebswirtschaftlicher Perspektive an Bedeutung, wie ein aktuelles Beispiel aus der Flugzeugbranche zeigt. So gelang es dem französischen Flugzeughersteller Dassault, mithilfe der Simulation eines digital vorliegenden Modells die Entwicklungszeit für den neuesten Flugzeugtyp des Unternehmens (Falcon 7X) um über 50 Prozent zu senken.1167 Ein Beispiel, das für das Prognosepotential von Modellierungen spricht, ist ein in Nordrhein-Westfalen bestehendes Vehrkehrsinformationssystem, welches neben der Abbildung der aktuellen Verkehrslage auch eine zuverlässige Vorhersage von Staus und den Auswirkungen von Baustellen oder neuen Streckenabschnitten auf den Verkehrsfluss ermöglicht.1168

Im Gegensatz zu zahlreichen technischen und naturwissenschaftlichen (vgl. REYNOLDS boids) Anwendungsbeispielen sind für komplexe Systeme wie Organisationen bisher wenige Anwendungsbeispiele vorhanden,1169 obwohl in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der Wunsch nach einer präzisen Beschreibung, Erklärung und Prognose (durch Simulation) wiederholt geäußert wird.1170 Gleichzeitig bestehen methodische und konzeptionelle Einwände gegenüber den zur Verfügung stehenden Verfahren zur Modellierung bzw. Simulation von sozialen Systemen (vgl. IV-4 und V).

In diesem Teil der Arbeit werden u. a. ausgewählte Ansätze bzw. Methoden zur Modellbildung und Simulation untersucht und deren Beitrag zur Beschreibung, Erklärung und Prognose komplexer Systeme wie Organisationen ermittelt. Daraus ergeben sich folgende untersuchungsleitende Fragestellungen: Welche grundsätzliche Bedeutung haben Modellierung bzw. Simulation in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften?, Welche Charakteristika von sozio-technischen bzw.

1167

Vgl. Dworschak, M. (2005), S. 156f. Vgl. Hafstein, S.F./Chrobok, R./Pottmeier, A. u. a. (2004), S. 338ff. Vgl. analoge Anwendungen in Cohen, K.J./Cyert, R.M. (1963), S. 312ff; Ahrweiler, P./Wörmann, S. (1998), S. 33ff, Seibel, F./Thomas, C. (2003), S. 22ff; Hasselmann, D. (1993). 1169 Vgl. Prietula, M.J./Carley, K.M./Gasser, L. (Hrsg.) (1998); Sorenson, O. (2002), S. 664ff; Edmonds, B./Möhring, M. (2005), S. 173; Murch, R./Johnson, T. (2000); Barron, D. (2001), S. 209ff. 1170 Vgl. Li, B.H. (2005), S. 18; Byrne, D.S. (1997), Paragraph 1.1ff; Conte, R./Hegselmann, R./Terna, P. (1997b), S. 1ff; Bruderer E./Maiers, M. (1997), S. 89ff; Buerschaper, C. (2000), S. 145ff; Davidsson, P./Logan, B./Takadama, K. (Hrsg.) (2005). 1168

198

Teil IV-2: Modellierung

besonders sozialen Systemen sind ursächlich für den begrenzten Einsatz verantwortlich? und Gibt es bereits geeignete Ansätze, die sich für spezielle Anforderungen sozialer Systeme eignen?

Zunächst wird aufgrund des z. T. diffusen, unpräzisen und synonymen Gebrauchs der Begriffe Modellbildung, Modellierung bzw. Simulation eine Präzisierung der terminologischen Grundlage herausgearbeitet. Anschließend werden Modelltypen präzisiert, Methoden zur Simulation betrachtet, die u. a. in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bereits Verwendung finden, und diese anhand ihrer Fähigkeit zur Abbildung der Eigenschaften komplexer Systeme bewertet (vgl. III-1). Im Rahmen dieser Beurteilung wird auf Potentiale und Limitationen hingewiesen und in IV-4 eine viel versprechende Methode für diesen Anwendungszweck hervorgehoben. Den Abschluss dieses Abschnitts bildet die Präsentation von drei Praxisbeispielen.

2

Modellierung

Im folgenden Abschnitt wird die terminologische Ausgangsbasis des zentralen Begriffs Modell untersucht und zunächst von einer allgemeinen (Kurz-)Definition ausgegangen, die schrittweise konkretisiert und schließlich zur verwendeten Arbeitsdefinition ausgebaut wird. In diesem Rahmen wird auf unterschiedliche Modelltypen sowie auf den Prozess der Modellierung eingegangen. IV-2.4 ist der eingehenden Beschreibung des Gebrauchs von Modellen in den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften gewidmet.

2.1

Terminologische und konzeptionelle Grundlagen

Im einfachsten (und kürzesten) Sinn ist ein Modell ein Abbild von etwas.1171 Im Kontext der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird mit dem Modellbegriff die Repräsentation der Realität verbunden,1172 d. h. Kenntnisse über ein spezifiziertes Erfahrungsobjekt, wie z. B. das menschliche Verhalten, zu gewinnen, welches entweder ein Ausschnitt der wahrgenommenen Realität ist oder ein gedankliches Konstrukt darstellt, das sich auf die Realität bezieht.1173 Das Modell ist damit das Abbild eines konstruktivistisch wahrgenommenen Urbilds (Realität) und Modellierung der Versuch einer Konstruktion bzw. „Replikation eines Realitätsausschnitts, sein[es] Abbild[s].“1174

1171

Vgl. Stachowiak, H. (1992), S. 219; Müller, R. (1983), S. 17ff; Kluge, F. (2002); o.V. (1999), S. 74. Vgl. Ackoff, R.L./Sasieni, M.W. (1968), S. 60; Stachowiak, H. (1983b), S. 87ff. 1173 Zum Realitätsverständnis vgl. Teil I. 1174 Dörner, D. (1999), S. 337. 1172

198

Teil IV-2: Modellierung

besonders sozialen Systemen sind ursächlich für den begrenzten Einsatz verantwortlich? und Gibt es bereits geeignete Ansätze, die sich für spezielle Anforderungen sozialer Systeme eignen?

Zunächst wird aufgrund des z. T. diffusen, unpräzisen und synonymen Gebrauchs der Begriffe Modellbildung, Modellierung bzw. Simulation eine Präzisierung der terminologischen Grundlage herausgearbeitet. Anschließend werden Modelltypen präzisiert, Methoden zur Simulation betrachtet, die u. a. in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bereits Verwendung finden, und diese anhand ihrer Fähigkeit zur Abbildung der Eigenschaften komplexer Systeme bewertet (vgl. III-1). Im Rahmen dieser Beurteilung wird auf Potentiale und Limitationen hingewiesen und in IV-4 eine viel versprechende Methode für diesen Anwendungszweck hervorgehoben. Den Abschluss dieses Abschnitts bildet die Präsentation von drei Praxisbeispielen.

2

Modellierung

Im folgenden Abschnitt wird die terminologische Ausgangsbasis des zentralen Begriffs Modell untersucht und zunächst von einer allgemeinen (Kurz-)Definition ausgegangen, die schrittweise konkretisiert und schließlich zur verwendeten Arbeitsdefinition ausgebaut wird. In diesem Rahmen wird auf unterschiedliche Modelltypen sowie auf den Prozess der Modellierung eingegangen. IV-2.4 ist der eingehenden Beschreibung des Gebrauchs von Modellen in den Wirtschaftsund Sozialwissenschaften gewidmet.

2.1

Terminologische und konzeptionelle Grundlagen

Im einfachsten (und kürzesten) Sinn ist ein Modell ein Abbild von etwas.1171 Im Kontext der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wird mit dem Modellbegriff die Repräsentation der Realität verbunden,1172 d. h. Kenntnisse über ein spezifiziertes Erfahrungsobjekt, wie z. B. das menschliche Verhalten, zu gewinnen, welches entweder ein Ausschnitt der wahrgenommenen Realität ist oder ein gedankliches Konstrukt darstellt, das sich auf die Realität bezieht.1173 Das Modell ist damit das Abbild eines konstruktivistisch wahrgenommenen Urbilds (Realität) und Modellierung der Versuch einer Konstruktion bzw. „Replikation eines Realitätsausschnitts, sein[es] Abbild[s].“1174

1171

Vgl. Stachowiak, H. (1992), S. 219; Müller, R. (1983), S. 17ff; Kluge, F. (2002); o.V. (1999), S. 74. Vgl. Ackoff, R.L./Sasieni, M.W. (1968), S. 60; Stachowiak, H. (1983b), S. 87ff. 1173 Zum Realitätsverständnis vgl. Teil I. 1174 Dörner, D. (1999), S. 337. 1172

Teil IV-2: Modellierung

199

Vor allem bei Realmodellen (vgl. Klassifizierung von Modellen in IV-2.2) ist zu erwarten, dass nicht alle Aspekte des Urbilds ihr Abbild im Abbildungsvorbereich haben. Die Elemente des Urbildbereichs, denen das Gegenstück im Modell fehlt, werden als präterierte Attribute bezeichnet (Präteritionsklasse), während die Elemente des Modells ohne das Gegenstück im Urbild abundante Attribute sind (vgl. Abbildung IV-1).1175 Ziel jeder Modellierung ist es, die Anzahl von präterierten und abundanten Attributen auf ein Minimum zu begrenzen. Im Gegensatz zu Formalmodellen weisen Real- und ikonische Modelle keine abundanten Attribute auf.1176 Präterierte Attribute

Abundante Attribute

Abbildungsnachbereich

Abbildungsvorbereich

Urbild

Abbildung IV-1: Zusammenhang von Urbild und Modell

Modell 1177

Mit einem Modell und unter Berücksichtigung des Modellzwecks ist stets eine Vereinfachung der Realität u. a. hinsichtlich Größe und Detailgenauigkeit verbunden.1178 Mit dieser Vereinfachung ergibt sich bei ausreichender Ähnlichkeit zwischen Original und Modell in punkto Funktion, Struktur bzw. Verhalten die Möglichkeit, (mit geringerem Aufwand als durch das direkte Studium des Originals) aus dem Modell Erkenntnisse ableiten zu können.1179 Daraus lässt sich folgende Arbeitsdefinition ableiten: Ein Modell ist ein vereinfachtes zielgerichtetes Abbild eines Ausschnitts des von einem Modellierer wahrgenommenen, realen oder geplanten Systems, das für eine definierte Zielsetzung bzw. einen Beobachtungsbereich die wesentlichen Systemeigenschaften enthält bzw. ein analoges Systemverhalten aufweist. Der Modellbegriff umfasst – im Gegensatz zum Begriffsverständnis von Theorie1180 in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften – neben verbalen auch nonverbale Konstruktionen. Darüber hinaus unterscheiden sich auch die verbalen Modelle und Theorien. „Wenn eine [verbale] Theo1175

Vgl. Stachowiak, H. (1973), S. 155ff. Formal-, Real- sowie ikonische Modelle werden im Rahmen der Modelltypen (Darstellungsform) differenziert. 1177 Vgl. Stachowiak, H. (1973), S. 157. 1178 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 2. 1179 Vgl. Gilbert, N. (2000b), S. 3. 1180 Analog zu II-1.2 wird verkürzt von einer Theorie als Gebilde genereller Aussagen gesprochen, aus denen spezielle einzelfallbezogene Aussagen abgeleitet werden können. Vgl. Kieser, A. (1978), S. 15. 1176

200

Teil IV-2: Modellierung

rie in strikter Allgemeinheit formuliert ist, so bezieht sie sich auf weit mehr als aus einem gegenwärtig existierenden Gegenstandsbereich überhaupt ‚abgebildet’ werden kann. Sie schließt Behauptungen über noch unendlich viele künftige Vorgänge ein und ist deshalb nie endgültig verifiziert.“1181 Daher werden Modelle gegenüber Theorien als weniger umfassend eingestuft.

Grundsätzlich lässt sich feststellen, dass für Modelle weit weniger strenge Anforderungskriterien hinsichtlich ihrer Überprüfbarkeit erfüllt werden müssen als für Theorien.1182 Dies darf jedoch nicht dazu führen, nicht belegbare prätheoretische Aussagen als Modell umzuwidmen, um sie gegen empirische Untersuchungen zu immunisieren. „Eine unbrauchbare Theorie ist nicht dadurch zu retten, dass man sie zum Modell umbenennt.“1183 Unabhängig davon können Modelle zur Überprüfung bestehender Theorien eingesetzt werden, indem die Hypothesen in einem spezifizierten Kontext einer Überprüfung unterzogen werden.

2.2

Klassifizierung von Modellen

Modelle können auf Basis des Klassifizierungsschemas von TROITZSCH unterteilt werden.1184 Die so festgelegten Klassifizierungsmerkmale (vgl. Abbildung IV-2) werden im weiteren Verlauf der Arbeit sowohl zur Einordnung und Abgrenzung der betrachteten Simulationsmethoden als auch im Rahmen der Anforderungen an die Modellierung von sozialen Systemen aufgegriffen und eingesetzt. a) Darstellungsform

j) Form der Erkenntnis

b) Zeitliche Stabilität und Zeitfortschritt

i) Modellzweck

Modell

h) Abbildungsebene

c) Zeitabhängigkeit

d) Lösungsverfahren

g) Funktionen

f) Operationalisierung

e) Folgerungsmethode

Abbildung IV-2: Klassifikationsmerkmale für Modelle

1181

Köhler, R. (1975), Sp. 2708. Vgl. Schanz, G. (2004), S. 73, 89f. 1183 Köhler, R. (1975), Sp. 2709. 1184 Vgl. Troitzsch, K.G. (1990), S. 12ff. Vgl. analog Marietto, M.B./David, N./Sichman, J.S. u. a. (2003b), S. 195ff; David, N./Marietto, M.B./Sichman, J.S. u. a. (2004), Paragraph 3.4ff. Inhaltlich und bezüglich der Bezeichnungen der Teilelemente des Klassifizierungsschemas wurden Modifikationen vorgenommen. 1182

Teil IV-2: Modellierung

201

Mit der vorgenommenen Reihenfolge sowie dem unterschiedlichen Umfang der Erläuterungen ist jedoch keine Priorisierung verbunden. Anhand der folgenden Merkmale wird in diesem Abschnitt eine Vorauswahl getroffen, welche Modelle bzw. Simulationsmethoden der Untersuchung dieser Arbeit zu Grunde liegen.

a) Darstellungsform Anhand der Darstellungsform wird ausgedrückt, welcher Ausschnitt, welcher Zusammenhang und welche Objektarten aus dem Urbild abgebildet werden. Die Modelle lassen sich in ikonische, Real-, Verbal- (zur Beschreibung und Erklärung) und Formalmodelle (besonders zur Vorhersage) differenzieren.1185 Die Grenzen zwischen den „Modellklassen“ sind jedoch nicht (in allen Fällen) trennscharf zu ziehen. Ikonische Modelle stellen ein reales Objekt in einer im Maßstab veränderten und vereinfachten Form dar, z. B. als Skulpturen oder Zeichnungen. In Realmodellen werden zahlreiche Eigenschaften durch wenige Eigenschaften repräsentiert.1186 Im Gegensatz zu Verbalmodellen, die sich der natürlichen Sprache zur Abbildung der Realität bedienen, nutzen Formalmodelle zu diesem Zweck formale Sprachen, die einer strengen Syntax unterliegen.1187 Prinzipiell sind alle Darstellungsformen für ihr bestimmtes Anwendungsgebiet zweckmäßig einsetzbar. Die steigende, leicht zugängliche Rechenleistung von Computern eröffnet die Möglichkeit, vermehrt Formalmodelle und deren Simulation einzusetzen und somit Abbilder umfangreicher Realitäten mit hohem Detaillierungsgrad zu erreichen.1188

b) Zeitliche Stabilität und Zeitfortschritt Modelle lassen sich nach der zeitlichen Stabilität ihrer Struktur differenzieren. Merkmale und Relationen des abgebildeten Objekts werden in statischen Modellen auch bei fortschreitender Zeit beibehalten. Ihnen stehen dynamische Modelle gegenüber, deren Charakteristika und Interaktionen Veränderungen in Abhängigkeit von der Zeit unterlegen sein können, wie am Beispiel von Organisationen deutlich wird. Dabei können diese Modelle (dynamische Modelle) hinsicht-

1185

Vgl. Saam, N.J. (2005b), S. 190. Formalmodelle lassen sich in mathematisch-analytische und Computermodelle unterscheiden. Für den hier vorliegenden Fall wird eine funktionale Definition des Begriffs Computer vorgenommen. Ein Computer ist eine Maschine, in der unter Nutzung von Algorithmen Aufträge bzw. Prozesse ausgeführt werden; also eine Algorithmusmaschine. Der Vorteil dieser Definition liegt darin, den Computer nicht als elektronisches Gerät zur Zahlenverarbeitung zu beschreiben – eine Funktion, die zu Beginn der Nutzung von Computern eine zentrale Rolle gespielt hat. Des Weiteren ist die implizite Aussage enthalten, dass der Computer über die reine Zahlenverarbeitung hinausgeht und sich „verhalten“ kann, welches „Intelligenz“ voraussetzt. Dennoch bleibt zu berücksichtigen, dass zunächst ein Algorithmus formuliert und eingegeben werden muss, um „Verhalten“ beobachten zu können, so dass der Computer als Instrument bzw. Plattform dient. Vgl. Liebrand, W.B. (1998), S. 2ff. 1186 Vgl. Ackoff, R.L./Sasieni, M.W. (1968), S. 60. Der Bildbereich ist ohne das Zutun dessen, der Modellbildung betreibt, bereits vorhanden. Die Höhenlinien einer Karte geben z. B. die Höhe bzw. den Anstieg des abgebildeten Gebirges wieder. 1187 Vgl. Simon, H.A. (1957a), S. 90. 1188 Vgl. Edmonds, B./Möhring, M. (2005), S. 173.

202

Teil IV-2: Modellierung

lich des Zeitfortschritts in zeitdiskret oder zeitkontinuierlich unterschieden werden. Während in zeitdiskreten Modellen Veränderungen nur zu klar voneinander trennbaren Zeitpunkten stattfinden, ist der Übergang von einem Zustand zum nächsten in zeitkontinuierlichen Modellen (wie in Organisationen) fließend.1189

c) Zeitabhängigkeit Dynamische Modelle können in zwei Gruppen differenziert werden, bei denen der Zustand der Elemente ausschließlich vom gegebenen Zeitpunkt abhängt (obliterat) oder solche, die als Prozessmodelle bezeichnet werden und bei denen vergangene Zustände für die Bestimmung des aktuellen Zustands eine Rolle spielen (reminiszent). Aus III-1.6 lässt sich ableiten, dass für den in der vorliegenden Arbeit verfolgten Zweck ausschließlich reminiszente Modelle betrachtet werden.

d) Lösungsverfahren Grundsätzlich können Lösungsverfahren in Simulations- und analytische Verfahren unterschieden werden. Für die Lösung einfacher mathematischer Funktionen sind analytische Verfahren zweckmäßig, da für sie eine mit geringem Aufwand ermittelbare Lösung besteht. Zu den Anwendungsgebieten gehören technische Systeme, die weitgehend ohne Einfluss von sozialen Elementen zutreffend modelliert werden können. Bei sehr komplizierten Funktionssystemen kann theoretisch zwar eine Lösung auf analytischem Weg vorgenommen werden, ein belastbares Ergebnis ist jedoch nicht garantiert1190 und steht damit oft in einem ungünstigen Verhältnis zum notwendigen Aufwand. Hierbei kann es sich z. B. um einen Versuch handeln, Interaktionen in Organisationen mithilfe analytischer Verfahren (Aufstellung eines Gleichungssystems) abzubilden. Dieser Weg ist jedoch mit erheblichen Simplifikationen verbunden, die z. T. zu dysfunktionalen Erkenntnissen führen können und damit den mit dem Verfahren verbundenen Aufwand kontakarieren. In komplizierten Ausgangssituationen (Urbilder) besteht daher entweder die Möglichkeit, mit analytischen Verfahren verbundene Vereinfachungen zu treffen, oder es bieten sich Simulationen an (vgl. IV-3), die als Lösungsverfahren eingesetzt werden können.

e) Folgerungsmethode Vor dem Hintergrund der Folgerungsmethode lassen sich stochastische Modelle gegenüber deterministischen Modellen abgrenzen. Bei ersteren stellen statistische Annahmen über die abge1189 1190

Vgl. Pidd, M. (2004), S. 25f. Beispielhaft kann dies anhand von Navier-Stokes-Gleichungen verdeutlicht werden, die in der Strömungsmechanik die Bewegung von Flüssigkeiten beschreiben. Die Gleichungen können direkt numerisch berechnet werden; eine Lösung ist aber nicht garantiert. Vgl. Chorin, A.J./Marsden, J.E. (1998).

Teil IV-2: Modellierung

203

bildete Realität die Basis dar. Letztere sind durch prädeterminierte Vorgänge charakterisiert, die mit beliebiger Genauigkeit prognostiziert werden können. Sowohl zufällige Effekte als auch Messfehler werden vernachlässigt.1191 Die Wahl zwischen stochastischen und deterministischen Elementen in einem Modell ist u. a. eine Frage der Modellabstraktion, also der „Übersetzung“ der beobachteten Realität in ein formales Modell. Die Grundlage für die Simulation von Organisationen bilden die stochastischen Modelle.

f) Operationalisierung Modelle und Simulationsmethoden können nach der Operationalisierung der Modellvariablen in quantitative und qualitative Modelle differenziert werden. Hybride Formen mit diskreten und kontinuierlichen Variablen sind ebenfalls möglich.1192 In einem quantitativen Modell sind die Zustände der Variablen operationalisiert und die Parameterwerte empirisch ermittelt, so dass sich die aus der Simulation des Modells gewonnenen Ergebnisse nicht lediglich qualitativ, sondern auch quantitativ auswerten lassen. Ist die Qualität der Datenbasis nachhaltig eingeschränkt, so lassen sich lediglich qualitative Aussagen (Tendenzen z. B. verdeutlicht anhand von Ordinalskalen) ableiten. Mit der Einstufung ist jedoch keine Aussage über die Qualität des Modells verbunden, da die Operationalisierung der Variablen primär von dem mit dem Modell verbundenen Erkenntnisinteresse abhängen sollte. So bietet sich z. B. ein vollständig quantifiziertes Modell zu didaktischen Zwecken (Lernen des Umgangs mit sozialer Komplexität) nur eingeschränkt an.

g) Funktionen Ohne an dieser Stelle einen Überblick über verschiedene Arten von Gleichungsansätzen geben zu können, lassen sich hinsichtlich der Modellfunktion lineare und nichtlineare Varianten unterscheiden (vgl. Gleichungen IV-1 a/b). Bei ersteren sind alle verwendeten Funktionen linear. Im zweiten Fall ist mindestens eine nichtlinear, d. h. sie weist z. B. einen exponentiellen oder logarithmischen Verlauf auf.1193 Darüber hinaus existieren auch Modelle, die regelgestützt operieren.1194

a)

linear steigend: y = bx + c mit b ! 0; oder linear fallend: y = bx + c mit b  0

b)

nichtlinear: z. B. exponentiell steigend: y = aebx, b ! 0; exponentiell fallend y = aebx, b ! 0; logarithmisch: y = a log(bx)

Gleichung IV-1: Lineare a) vs. nichtlineare b) Gleichungen in der Modellierung 1191

Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a (1997), S. 58. Vgl. Saam, N.J. (2005a), S. 172. 1193 Vgl. Saam, N.J. (2005b), S. 197. 1194 Zu diesen gehören z. B. Zelluläre Automaten, die sowohl regelgestützt sind und sich auf nichtlineare Funktionen stützen. Vgl. zum Regelbegriff IV-4.1.2. 1192

204

Teil IV-2: Modellierung

h) Abbildungsebene Nach Art der abgebildeten Objekte werden Makro-, Mikro- bzw. Mehrebenenmodelle unterschieden.1195 Im ersten Fall besteht das Modell nur aus einem Objekt, das alle zu untersuchenden Eigenschaften aufweist und sich auf große soziale Gruppen bzw. kollektive Prozesse bezieht.1196 Ein Beispiel hierfür ist eine Organisation, die u. a. aus verschiedenen Abteilungen und Mitarbeitern besteht, welche jedoch nur in aggregierter monolithischer Form zu betrachten sind, so dass Beziehungen zwischen den Elementen nicht beachtet werden können. Die Organisation wird als monolithische Entität begriffen, auf die nicht durch das individuelle Verhalten der Akteure geschlossen wird. Das Individuum spielt eine untergeordnete Rolle für die Ausbildung des Gesamtverhaltens (z. B. die Bildung sozialen Lebens). Hierfür steht beispielhaft das normative Paradigma der General Action Theory.1197 Mikromodelle bzw. Modelle von Urbildern auf der Mikroebene untersuchen das (Organisations-)Verhalten durch die Beobachtung der einzelnen Entitäten (Individuen) und deren Interaktionen, wobei sich Eigenschaften höherer Ebenen als Resultat der Eigenschaften unterer Ebenen ergeben können (vgl. IV-4). Ferner bezieht sich die Mikroperspektive darauf, wie sich individuelles Verhalten ohne explizite und geplante Koordination darstellt. Die Abhängigkeit von den umgebenen Strukturen wird nicht verneint, jedoch hat sie eine deutlich geringere Bedeutung als in Makroansätzen.1198

Diese strikte Trennung der Ebenen wird zunehmend kritisiert, denn das Ziel besteht vielmehr darin, Ansätze zu entwickeln, die ebenenübergreifend agieren,1199 welches durch wachsende Rechenleistung und Verbesserung der Programmierungssprachen unterstützt wird.1200 Es gibt bereits Mehrebenenmodelle, die es erlauben, als Erweiterung der Mikromodelle ebenenübergreifende Beziehungen zu untersuchen, z. B. die Betrachtung der Beeinflussung von Elementen der unteren Ebenen durch die übergeordneten. D. h. das Gesamtverhalten eines Systems (z. B. einer Organisation) kann beispielsweise das der einzelnen Entität (des einzelnen Mitarbeiters) verändern und umgekehrt (vgl. IV-4.1.4).

1195

Vgl. Saam, N.J. (2005a), S. 174. Vgl. Bankes, S.C. (2002a), S. 7199. Die Bedeutung dieser Annahme wird an einem Beispiel von EPSTEIN/AXTELL deutlich. In einem (klassischen) gleichungs-basierten Modell – hier einer Epidemienausbreitung – wird die Gesamtpopulation in Subpopulationen (Infizierte und Nicht-Infizierte) unterteilt. Die Subgruppen sind in ihrer Eigenschaft homogen. Analog wird im betriebswirtschaftlichen Zusammenhang der Markt und seine Teilnehmer in Subpopulationen differenziert, für die ebenso Homogenität vorausgesetzt wird. Durch repräsentative Elemente werden Durchschnittswerte ermittelt, die die Heterogenität des Urbilds abbilden. Im Gegensatz dazu werden keine Homogenitäten unterstellt und keine Aggregation vorgenommen. Die Agentenpopulation wird mit ihren individuellen Merkmalen als heterogen hingenommen. Die Merkmale können sich während der Simulation als ein Ergebnis der Interaktion mit anderen Agenten verändern. Vgl. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996), S. 14f. 1197 Vgl. Parsons, T. (2003). 1198 Vgl. Parsons, T. (1956); Parsons, T. (1965). 1199 Vgl. Hanneman, R.A./Patrick, S. (1997), Paragraph 4.3. 1200 Vgl. Halpin, B. (1999), S. 1488ff.; Gilbert, N. (1999), S. 1486. 1196

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205

i) Modellzweck Vor dem Hintergrund des Modellzwecks können Beschreibungs-, Erklärungs- und Vorhersagemodelle unterschieden werden. In der Regel sind Modelle lediglich einem Modellzweck zuzuordnen, da u. a. unterschiedliche zeitliche Perspektiven eingenommen werden (Beschreibung ex post vs. Prognose ex ante). Mithilfe von Beschreibungs- bzw. Deskriptionsmodellen werden Aussagen über Beobachtungen wiedergegeben, bei denen es sich in der Regel um statische Modelle handelt, wie z. B. Organigramme. Erklärungsmodelle erweitern Beschreibungsmodelle um die Fähigkeit, Ursachen für die Beobachtungen darzulegen (ex post).1201 Vorhersagemodelle (vgl. beispielhaft in IV-4.5) ergänzen die Erklärungsmodelle, indem sie Aussagen über künftige Beobachtungen treffen können. Der mit der Bildung eines Modells verbundene (Modell-)Zweck ist abhängig von der Wissenschaftsdisziplin, in der er eingesetzt wird.1202

j) Form der Erkenntnis Hinsichtlich der Form der Erkenntnis des Modells wird in konzept- oder datenbasiert unterschieden. Konzeptbasiert bedeutet, dass der Ausgangspunkt eine bestehende Theorie ist, die in einigen oder allen Aspekten in einem Modell dargestellt werden soll (empirisch ermittelte Daten spielen hierfür keine Rolle). Der datenbasierte Ansatz stützt sich auf empirisch ermittelte Werte bzw. geht vom Eingangs-Ausgangs-Verhalten in der Realität aus, ohne eine explizite Theorie zu Grunde zu legen.1203 Als Beispiel dient Data Mining, das computergestützt große Datenmengen systematisch durchsucht und auswertet, um daraus Modelle zu erzeugen.

Für den Betrachtungsgegenstand dieser Arbeit (die Beschreibung, Erklärung und Prognose komplexen Systemverhaltens) sind zusammengefasst besonders die folgenden Modelltypen von Interesse: Formalmodelle, die sich einer formalen Sprache bedienen, reminiszent sind, hybride Formen mit diskreten und kontinuierlichen Variablen aufweisen, regelgestützt operieren und sich konzeptionell auf die Modellierung auf der Mikroebene (in Mehrebenenmodellen) konzentrieren sowie eine Mischform aus konzept- oder datenbasierten Formen der Erkenntnis darstellen.

2.3

Methodische Aspekte und Rahmenbedingungen der Modellierung

Modellierung basiert auf einer konzeptionellen Dichotomie. Sie entspricht der Zweiteilung von „vor-gegebenem und nach-gemachtem, von Urbild und Abbild, von Original und Modell.“1204 Auch in der betriebswirtschaftlichen Forschung findet die Bildung und Simulation von Modellen 1201

Vgl. Ackoff, R.L./Sasieni, M.W. (1968), S. 62. In den Wirtschaftswissenschaften zählen dazu z. B. Entscheidungsunterstützungsmodelle. Vgl. Pidd, M. (2003), S. 26. 1203 Vgl. Manhart, K. (1996), S. 420ff. 1204 Stachowiak, H. (1983b), S. 87. 1202

206

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Anwendung, z. B. in Form des Produktionsfaktorenmodells von GUTENBERG bzw. das Gedankenmodell homo oeconomicus. Der Begriff Modellierung umfasst den gesamten Prozess der Erstellung eines Modells, dessen Simulation, die Dateninterpretation und den abschließenden Urbildabgleich.1205 Ein allgemein akzeptiertes Regelwerk zur Durchführung von Modellierungen existiert bisher jedoch nicht – die bestehenden Handlungsempfehlungen sind teilweise sogar widersprüchlich.1206 Eine von mehreren Wissenschaftlern anerkannte, in sich widerspruchsfreie und von der jeweiligen verwendeten Methode unabhängige Vorgehensweise wurde von PIDD entwickelt und beruht auf folgenden Prinzipien:1207

Model simple, think complicated. Es könnte der Eindruck entstehen, dass komplizierte Urbilder ausschließlich durch komplizierte Modelle abgebildet werden müssen.1208 Dass dies nicht zutrifft, zeigt das Beispiel einer Geländekarte. Gerade aus der Einfachheit der Karte ergibt sich die Dienlichkeit für den Benutzer. Generell lässt sich die Funktionsweise simpler Modelle leichter nachvollziehen, und sie sind einfacher zu implementieren, zu manipulieren, zu analysieren und zu testen, was durch die Verwendung einer einfachen Modellierungssprache unterstützt werden kann.1209 Einschränkend führen EDMONDS/MOSS an, dass es bei der Abbildung sozialer Systeme ex ante nicht immer möglich ist zu bestimmen, welche Variablen und Parameter für die Abbildung eine Relevanz haben, so dass einfache Modelle daher nicht zwangsläufig geeigneter sind als komplizierte:1210 „The fact that complex outcomes can emerge from apparently simple systems [...] does not mean that the complex phenomena we now observe is reducible to simple models. Even if [...] a certain phenomena was generated using simple mechanisms, this does not mean the results we observe now are simple or could be usefully represented with a simple model.“1211 Einfache Modelle sind vor allem dann zu bevorzugen, wenn deren Zweck auf das Verstehen bzw. Erklären ausgerichtet ist.1212

Be parsimonious, start small and add. Es ist zweckmäßig, von einem auf einfachen Annahmen basierenden Modell auszugehen und es schrittweise zu erweitern. Eine Steigerung der Kompli1205

Vgl. u. a. Sterman, J.D. (2000), S. 83ff. Vgl. Troitzsch, K.G. (1990); Gilbert, N./ Troitzsch, K.G. (2005); Banks, J. (2000); Bossel, H. (1992b); Bossel, H. (2004); Byrne, D.S. (1997); Dörner, D. (1999). 1207 Vgl. Pidd, M. (2003), S. 82ff; Pidd, M. (2003), S. 118ff. PIDD weist jedoch darauf hin, dass die Prinzipien grundsätzlich der Veränderung unterliegen. Aufgegriffen wurde das Regelwerk u. a. von Saam, N.J. (2005a), S. 170; Edmonds, B./Moss, S. (2005), S. 130. Diese stützen sich vor allem auf die ersten Strukturierungshinweise von Axelrod, R.M. (1997a), S. 25f. 1208 In Abhängigkeit von Art und Anzahl der Variablen und Parameter werden einfache oder komplizierte Modelle unterschieden. Vgl. Saam, N.J. (2005a), S. 171f. 1209 Vgl. Chattoe, E. (1996), S. 84. 1210 Vgl. Edmonds, B./Moss, S. (2005), S. 130ff. 1211 Edmonds, B./Moss, S. (2005), S. 132. 1212 Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 26. 1206

Teil IV-2: Modellierung

207

ziertheit sollte nur vorgenommen werden, wenn damit ein größerer Nutzen im Sinne des Modellzwecks verbunden ist.

Divide and conquer, avoid mega-models. Das Abbild (der Realität) sollte in Einzelmodelle zerlegbar sein, da diese einfacher zu handhaben sind und zu einem großen Modell zusammengesetzt werden können.

Use metaphors, analogies and similarities. Durch den Gebrauch von Metaphern, Analogien sowie Gemeinsamkeiten soll das Urbild aus verschiedenen Sichtweisen betrachtet werden, um z. B. durch Analogieschlüsse losgelöste, erweiterte Erkenntnisse über die Wirkweise im Urbild zu gewinnen. Beispielhaft steht hierfür die Synektik.1213

Do not fall in love with data. Im Vordergrund steht das Erstellen des Modells – unabhängig von den vorliegenden Daten (Datenbeschaffung nach der Modellierung). Es soll damit vermieden werden, dass unnötige Details in dem Modell abgebildet werden, nur weil die dazugehörigen Daten vorliegen.

Mit den Handlungsempfehlungen von PIDD ist keine Priorisierung verbunden, dennoch lässt sich der Prozess der Modellierung in mehrere idealisierte diskrete Phasen gliedern, die jedoch im Rahmen der Implementierung als nichtlinearer, iterativer sowie rückgekoppelter Prozess zu verstehen sind (vgl. Abbildung IV-3). Verifikation bzw. Validierung des Modells erstreckt sich über alle Phasen der Modellierung und ist daher als parallel verlaufender Prozess aufzufassen.1214

1213

Mit Synektik wird eine Kreativitätsmethode bezeichnet, die durch schrittweise Verfremdung eines Problems unbewusste Denkprozesse anregt. Vgl. Preiser, S. (1976), S. 5ff. 1214 Vgl. Sterman, J.D. (2000), S. 87; Robinson, S. (2004), S. 54f; Carley, K.M. (1994), S. 611ff; Bérard, B./Bidoit, M./Finkel, A. (2001). Verifikation bezeichnet den Prozess der Prüfung auf Korrektheit des Modells gemäß der zu Grunde liegenden Annahmen. Mittels Validation wird das Ausmaß gemessen, in dem Modellergebnisse den in der Realität gemachten Beobachtungen entsprechen.

208

Teil IV-2: Modellierung

Formales Modell

(2) Formalisierung

(3) Datenauswertung

Verbales Modell 2

Verbales Modell 1

(4) Modell-UrbildAbgleich

(1) Modellbildung

Urbild 1

Simulation

Fortentwicklung des Urbilds

Urbild 2

Abbildung IV-3: Idealisiertes Vorgehen in der Modellierung

1) Modellbildung Während der Terminus der Modellierung den gesamten Prozess der Erstellung des verbalen und formalen Modells sowie deren Validierung und Verifikation umfasst, beschränkt sich in der vorliegenden Arbeit das Begriffsverständnis von Modellbildung ausschließlich auf die Phase der Erstellung des verbalen Modells vom Urbild. Dies umfasst alle Zielvorgaben, veränderlichen Einflussfaktoren (Inputs), Ergebnisgrößen (Outputs), Elemente und deren Beziehungen sowie die hiermit verbundenen Annahmen.1215 Dadurch wird angestrebt, dass das Modell die Realität hinreichend genau abbilden kann und deren analoge Beobachtung am Modell möglich wird (verbales Modell 1). Für die Formulierung eines verbalen Modells wird eine problemadäquate (Verhaltens-)Theorie zu Grunde gelegt, auf deren Basis der Kausalzusammenhang über den abzubildenden Ausschnitt der Realität formuliert sowie die mit der Modellgenerierung verbundene Hypothesenbildung bestätigt wird.1216

2) Formalisierung Um das generierte Verbalmodell computergestützt simulieren zu können (Simulationsmodell), bedarf es unter Verwendung einer Programmiersprache der Formalisierung bzw. der Übertragung in ein Formalmodell.1217 Der mit der Formalisierung verbundene Aufwand kann sich reduzieren, wenn so genannte „toolkits“ eingesetzt werden, die den Modellierer graphisch unterstüt-

1215

Vgl. Robinson, S. (2004), S. 63ff; Fung, K.K./Vemuri, S. (2003), S. 1.1ff. Vgl. Bossel, H. (1992b); Saam, N.J. (2005a), S. 169. 1217 Vgl. Saam, N.J. (2005a), S. 176. Unter einer Simulation soll vorab das „running“ eines Modells verstanden werden. Simulation wird in dieser Arbeit durchgängig unter Zuhilfenahme eines Computerprogramms verstanden (Computersimulation = Simulation). Eine ausführliche Begriffbeschreibung erfolgt in IV-3.1. 1216

Teil IV-2: Modellierung

209 1218

zen und z. T. den Quelltext generieren können.

Ein Zwischenschritt über ein universelles

formales Modell ist zweckmäßig, da dadurch die Weiterverwendbarkeit verbessert wird. Unabhängig von der gewählten Programmiersprache eignet sich für den Zwischenschritt die Entwicklung eines Formalmodells auf Basis der Unified Modeling Language (UML), einer allgemeinen, standardisierten und visualisierenden Modellierungssprache.1219 Durch diese Standardisierung lassen sich außerdem einfache Modellvergleiche, Wartungsfreundlichkeit und Wiederverwendbarkeit realisieren. Sie kann unabhängig vom Anwendungsfall eingesetzt werden und erlaubt einen (für den Anwender) intuitiven, grafisch gestützten Zugang zum Formalmodell. Das mit der Unified Modeling Language verbundene intuitive Vorgehen birgt die Gefahr, dass die Übersetzung des Verbalmodells in ein Computermodell als triviale Aufgabe aufgefasst wird. DORAN weist darauf hin, dass „[any] implementation of a model [...] will again likely raise major problems because of the many ways in which particular specified abilities may be refined into computational detail.“1220

3) Datenauswertung In den hier betrachteten Formalmodellen (computergestützte Simulation1221) wird in mehreren Durchläufen mit verschiedenen Eingangsparametern systematisch experimentiert. Aus dem Modellverhalten während der Simulation (als Teil der Modellierung) werden Folgerungen gezogen und systematisch ausgewertet, die u. a. in der Validierung und Verifikation der einzelnen Schritte der Modellierung verwendet werden. In diesem Zusammenhang können u. a. Robustheit und Sensibilität gegenüber Veränderungen der Eingangsgrößen untersucht werden. Aus den aus der Simulation gewonnenen Daten lassen sich Rückschlüsse ziehen, auf deren Basis das Verbalmodell verändert wird bzw. angepasst werden muss (verbales Modell 2).1222

4) Modell-Urbild-Abgleich Im Rahmen des Modell-Urbild-Abgleichs erfolgt der Vergleich der auf Basis der Ergebnisse der Simulation sowie aus den Schlussfolgerungen der aus Verbalmodell 2 gewonnenen Aussagen mit dem Urbild 2 (vgl. Abbildung IV-3). Mit dem Modell-Urbild-Abgleich ist eine Validierung und Verifikation des Modells erforderlich bzw. erst möglich, die über die Anwendbarkeit des (Simulations-)Modells entscheidet.

1218

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 257. Sie verweisen auf bereits bestehende Modellbibliotheken, auf die im Rahmen der Formalisierung (mit Anpassungen) zurückgegriffen werden kann. 1219 Vgl. Rumbaugh, J./Jacobsen, I./Booch, G. (2005). 1220 Doran, J. (1997), S. 69. 1221 In mathematischen Modellen (ausschließlich lineare Gleichungssysteme) wird eine Anpassung an Veränderungen am Urbild erheblich erschwert. 1222 Vgl. Edmonds, B. (2001), S. 18.

210

Teil IV-2: Modellierung

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Vorgehensweisen zur Validierung in der Modellierung konzeptionell in drei Varianten unterschieden werden können:1223

x Validierung durch Strukturgleichheit Validierung auf Basis von Strukturgleichheit (Replikation) ist in der Regel ein wesentlicher Baustein von Validierungsprozessen. „In most modelling practices, there is some explicit or implicit element of realism in the sense of striving for structural similarity between the model and the system as we know it, making it ‘plausible’ or ‘credible’.”1224 Die Validierung von Modellierungen komplexer Systeme (z. B. Organisationen) ausschließlich durch Überprüfung der Strukturgleichheit ist jedoch ungeeignet, da zentrale Charakteristika, wie z. B. Emergenz, Selbstorganisation und Autopoiese, keine struktur- sondern interaktionsbedingte „Ergebnisse“ sind.1225

x Validierung durch Vorhersage Hat ein Modell, das einer Modellierung zu Grunde liegt, wiederholt zutreffende Vorhersagen entworfen, ist es nahe liegend bzw. zweckmäßig, für nachfolgende Modellierungen wieder auf das bekannte Modell zurückzugreifen und auf Prognosen, die durch dieses Modell generiert wurden, zu vertrauen. Jedoch eignet sich diese Form der Validierung nur, wenn der Vorhersagezeitraum so eng gefasst ist, dass die dem Modell zu Grunde liegenden Basisprämissen noch Gültigkeit besitzen.

x Validierung durch Replikation bzw. Bestätigung von Datenmaterial (Retrodiction) Wird eine vergangene Situation hinreichend von einem Modell abgebildet, kann dieses Modell auch für zukünftige Aussagen zu einer vergleichbaren Situation verwendet werden.1226 Diese Form wird auch als externe Validierung bezeichnet.1227 „External validation has to do with determining whether or not the results from the virtual experiments [hier Modellierungen; Anmerkung des Verfassers] match the results from the real world [Urbild; Anmerkung des Verfassers].”1228 Es muss festgestellt werden, dass mit der Validierung auf Basis von Replikation signifikante Einschränkungen verbunden sind und damit nur geringe Aussichten auf eine „verlässliche“ Validierung von Modellierungen komplexer Systeme besteht. Einige Autoren führen an, dass der Einsatz eines bestehenden Modells für einen anderen Zweck in der Regel nicht unmit1223

Vgl. Gross, D./Strand, R. (2000), S. 29; Moss, S. (1998), S. 46. Gross, D./Strand, R. (2000), S. 29ff. 1225 Das gilt nicht für die Eigenschaften Dynamik, Vielzahl und Varietät. 1226 Vgl. Gross, D./Strand, R. (2000), S. 29ff. 1227 Vgl. Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 299ff. 1228 Carley, K.M./Gasser, L. (2000); S. 321. 1224

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211

telbar bzw. nur sehr eingeschränkt möglich ist, da jedes Modell (lediglich) für einen spezifischen Modellzweck (z. B. zur Beschreibung oder Vorhersage; vgl. IV-2.2) entwickelt worden ist.1229

Belastbare Validierungen für Modellierungen (vor allem komplexer Systeme bzw. Organisationen) lassen sich nur aus der Kombination der drei aufgeführten Varianten ableiten, die durch einen (inter-)modellübergreifenden Vergleich ergänzt werden können.1230 Abhängig vom eingesetzten Simulationsverfahren (vgl. IV-3.2 und IV-4) kann die Validierung sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene erfolgen.1231

Verifikation (in der Informatik und Softwaretechnik) enthält die Eignungsprüfung der für die Modellierung gewählten Simulationsmethode für die Anwendung des gewählten, zu unersuchenden Realitätsausschnitts, also die Beurteilung, dass das Verfahren das „Richtige“ ist.1232 Das in der Regel eingesetzte Verfahren ist die Verifikation mittels eines Vergleichs von Simulationsergebnissen mit quantitativen Daten einer empirischen Erhebung. Gleichwohl gibt es zunehmend Beispiele, die eine qualitative Expertise in soziale und ökonomische Modelle integrieren.1233

In der Informatik sind in der Vergangenheit zahlreiche Versuche unternommen worden, Methoden der Validierung und Verifikation einzuführen.1234 Diese sind jedoch durch ihre eingeschränkte Gültigkeit für bzw. Anwendbarkeit auf komplexe Systeme charakterisiert, da sie primär auf statische Systeme fokussieren.1235 In den Sozialwissenschaften wird dieser Herausforderung bisher vor allem mit der Replikation („Nachbildung“) von Ergebnissen begegnet, um zu untersuchen, ob unterschiedliche Modelle die erwarteten Ergebnisse erzielen.1236

Generell gilt: Für die Simulation deterministischer Modelle ist es ausreichend, sich auf die Analyse eines Simulationsdurchlaufes bzw. -ergebnisses zu beschränken. Hiervon darf bei indeterministischen Modellen nicht ausgegangen werden, da ein einziges Simulationsergebnis nicht repräsentativ für das Verhalten des indeterministischen Gesamtsystems ist.1237 „In such cases a painstaking examination of single runs is often necessary in order to distinguish what is happen1229

Vgl. Takadama, K./Suematsu, Y.L./Sugimoto, N. u. a. (2003), S. 27. Vgl. Campbell, D.T./Fiske, D. (1959), S. 81ff. 1231 Vgl. Parunak, V.D./Savit, R./Riolo, R.L. (1998), S. 22. 1232 Vgl. Moss, S. (1998), S. 47. 1233 Vgl. Oreskes, N./Shrader-Frechette, K./Belitz, K. (1994), S. 641ff; Takadama, K./Suematsu, Y.L./Sugimoto, N. u. a. (2003), S. 26ff. 1234 Vgl. Takadama, K./Suematsu, Y.L./Sugimoto, N. u. a. (2003), S. 27. 1235 Vgl. Bérard, B./Bidoit, M./Finkel, A. u. a. (2001); Zlatareva, N./Preece, A.D. (1994); O'Leary, D.E. (1987). 1236 Vgl. Troitzsch, K.G. (1990); Troitzsch, K.G. (2003). 1237 „In these cases a Monte Carlo approach can be used and the range and central tendency of simulation behaviour safely deduced.” Edmonds, B. (2001), S. 21. 1230

212

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ing in each so that one can begin to determine how to classify the simulation trajectories. The increased descriptive realism has meant that the simulation has imported more of the object system’s behaviour, including its unpredictability and complexity.”1238

Im Rahmen des Vorgehens in der Modellierungspraxis sind verschiedene Personengruppen zu unterscheiden, deren Kooperation erheblichen Einfluss u. a. auf die Detailgenauigkeit und Leistungsfähigkeit der Simulationen hat.1239 Zum einen gibt es den Thematician (Systemexperte), der sich mit dem abzubildenden System (Urbild) befasst, ggf. sogar Mitglied dieses ist und die Intentionen des Modellierungsprozesses und der Messgrößen festlegt; also die Beziehungen zwischen dem Urbild und dem Verbalmodell (domain model). Da sich aus dem Verbalmodell aufgrund noch unzureichender Software nicht unmittelbar das Formalmodell bzw. Simulationsmodell (design model) ableitet, ist ein Modellierer („zweite“ Gruppe) erforderlich. Seine Aufgabe besteht darin, die Informationen aus dem Verbalmodell bei der Überführung in ein design model mit möglichen Restriktionen der Anwendungssoftware in Einklang zu bringen, die Durchführung der Simulation zu überwachen und die erhaltenen Ergebnisse zu analysieren und zu interpretieren.1240 Neben der Beantwortung technischer Fragestellungen zur Programmierung (z. B. Wahl der Software) muss der Informatiker (bzw. computer scientist; dritte Personengruppe) ein so genanntes (operational) Model entwickeln, anhand dessen die Abstimmung unter den an der Modellierung beteiligten Personengruppen erfolgt.1241

Aus methodischer Sicht wird die Modellierung als elaborierte wissenschaftliche Forschungsmethode infrage gestellt, sofern sie mit der Tradition der physischen Modellkonstruktion (z. B. dem Modellbau im Flugzeugbau) gleichgesetzt wird. Dieses Vorgehen bezeichnet ALBERT als Modellplatonismus1242 und kritisiert daran, dass Verhaltensmaxime unmittelbar auf die betrachteten Subjekte übertragen werden und so rein logische Folgerungen als empirisch gültige Hypothesen benutzt werden könnten.1243 Damit wird die Anwendung von Modellergebnissen auf das Urbild (z. B. im Rahmen von Vorhersagen) bemängelt, ohne die Testbarkeit durch Hypothesen-

1238

Edmonds, B. (2001), S. 22. Vgl. Drogoul, A./Vanbergue, D./Meurisse, T. (2003), S. 5. 1240 Die Überführung ist daher ein iterativer Prozess, der sich durch stete Abstimmung mit dem Thematician und dem Informatiker kennzeichnet. Das Formalmodell stellt die agentenbasierte Umsetzung des Urbilds dar (vergleichbar mit einem Unified-Modeling-Language-Diagramm für ein objektorientiertes Programm). 1241 Vgl. Drogoul, A./Vanbergue, D./Meurisse, T. (2003), S. 2; Edmonds, B. (2001), S. 20ff. Dies beschreibt einen idealtypischen Aufbau und Ablauf; die Trennung ist jedoch nicht immer durchzuhalten. Es besteht die Möglichkeit, dass Aufgaben von anderen Funktionsträgern übernommen werden. Je komplexer die zu modellierenden Systeme jedoch sind, desto mehr ist auf eine Teilung nach dem o. g. Muster zu achten, da die genannten Träger wichtige Hinweise zu den einzelnen Modellstrukturen liefern können. 1242 Vgl. Albert, H. (1964), S. 27ff. 1243 Vgl. Albert, H. (1967), S. 352f. 1239

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generierung abzusichern und deren Anwendungsbereich zu prüfen. Dieser Kritik kann durch die im Modell-Urbild-Abgleich deutlich gemachte Forderung nach Validierung und Verifikation begegnet werden. Durch die künstlich geschaffene Modellwelt (Isolation), die sich von der Realität abschirmt, und damit „Modelle nur im Rahmen ihrer Prämissen und damit nicht im konkreten Einzelfall gelten“,1244 schotten sie sich gegen eine Falsifizierung ab. Dieser Einwand entkräftet ALBERTs Kritik jedoch nicht. Gleichwohl ist dies keine Kritik an der axiomatisch-deduktiven Methode, wie sie RAFFÉE missversteht.1245 Nach ALBERT kennzeichnet sich eine empirisch gehaltvolle Theorie dadurch, „daß alle Ableitungen in dieser Theorie tautologische Transformationen sind.“1246 Seine Kritik wird unzulässig verallgemeinert und als grundsätzliches Argument gegen Modellierung eingesetzt, um Modellierung als Methode prinzipiell abzulehnen. Bei genauer Analyse zeigt sich jedoch, dass diese Kritik nur zutreffend ist, wenn Modellergebnisse auf das Urbild (z. B. im Rahmen von Vorhersagen) übertragen werden, ohne die Testbarkeit durch Hypothesengenerierung abzusichern und deren Anwendungsbereich zu prüfen.

2.4

Fazit: Modell und Modellierung in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Der Modellbegriff wird in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften unterschiedlich aufgefasst und mit verschiedenen Erwartungen bzw. Zielsetzungen besetzt.1247 Z. B. liegt in den Wirtschaftswissenschaften der Fokus der Zielsetzung von Modellen und Modellierung auf der Vorhersage, wobei das Ziel darin besteht, Unsicherheit hinsichtlich künftiger Ereignisse zu reduzieren, um verbesserte Entscheidungen zu ermöglichen.1248 Durch Modellierung werden verschiedene Szenarien von möglichen Zuständen prognostiziert, um sie anhand von Zielvorgaben zu vergleichen und zu evaluieren.1249 In den Sozialwissenschaften stehen Beschreibung und Erklärung von Phänomenen im Vordergrund, da gegenüber Prognosen – besonders vor dem Hintergrund der Betonung der Einwände von ALBERT – Skepsis besteht (vgl. IV-2.3).1250 Darüber hinaus wird angeführt, dass die Vorhersage selbst die Zukunft beeinflusst und die Modellierung ausschließlich der Selbstbestätigung dient (Selbstprophezeiung).1251 Beiden Wissenschaftsdisziplinen ist gemein, dass das Erfahrungsobjekt primär auf Makroebene modelliert wird, d. h. das Gesamtverhalten von Organisationen oder Gruppen steht im Mittelpunkt. Individuelles Han1244

Chmielewicz, K. (1994), S. 122. SCHNEIDER bemerkt zutreffend, dass RAFFEÉ diese Methode als Modellplatonismus missversteht. Vgl. Schneider, D. (1987), S. 161. 1246 Albert, H. (1967), S. 387. 1247 Vgl. die Unterschiede zwischen der in dieser Arbeit entwickelten Arbeitsdefinition und der Begriffsauffassung von Schmidt, R.H./Schor, G. (1987), S. 14f. Vgl. auch Esser, H./Troitzsch, K.G. (1991). 1248 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6. 1249 Vgl. Pidd, M. (2003), S. 3. 1250 Vgl. Herz, D./Blätte, A. (2000), S. 1ff; Sterman, J.D. (2002), S. 501ff. 1251 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6. 1245

214

Teil IV-3: Simulation

deln und kognitive Vorgänge (Mikroebene) werden lediglich im Rahmen der Sozialpsychologie einbezogen. Eine Verbindung von Mikro- und Makroebenen in Form eines ebenenübergreifenden Modells liegt bisher nicht vor.1252

In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kommen verschiedene Modelltypen (vgl. IV-2.2) bereits zur Anwendung. Realmodelle finden sich z. B. in Form von Organigrammen, bei denen die Struktur einer Organisation oder einer Gruppe abgebildet wird. Die Stellen innerhalb der Hierarchie werden beispielsweise durch die Position im Modell ausgedrückt. Ikonische Modelle sind indirekt (z. B. aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen) einsetzbar. Dies lässt sich am Beispiel des Brückenbaus verdeutlichen, da das Überprüfen der Stabilität am Modell mit deutlich geringeren Kosten und Gefahren verbunden ist als am Realobjekt. Formale Modelle werden in den Wirtschaftswissenschaften vor allem in der Planung mittels Geschäftsprozessmodellen zur Ermittlung von Nachfrageelastizitäten sowie Preisfindungsmodellen eingesetzt.1253 In den Sozialwissenschaften hat sich die Anwendung bzw. der Einsatz von Formalmodellen noch nicht etabliert. Jedoch besteht wie in III-2.5 (deskriptiv entscheidungsorientierte Ansätze in der Organisationstheorie) beschrieben ein großes Anwendungspotential.

3

Simulation

Im folgenden Abschnitt wird die terminologische Ausgangsbasis von Simulation dargestellt, und es werden ausgewählte Simulationsansätze untersucht. Zum einen weisen diese das Potenzial auf, für die Simulation von Organisationsverhalten geeignet zu sein, oder sie wurden zum anderen bereits für andere Simulationszwecke erfolgreich eingesetzt. Ziel des Abschnittes ist es aufzuzeigen, ob sich die untersuchten Simulationsmethoden eignen, komplexes Organisationsverhalten abzubilden bzw. deutlich zu machen, welche Erklärungsschwächen bestehen.

3.1

Begriffliche Ausgangsbasis und Abgrenzung

Simulation im weitesten Sinne schließt die unmittelbar vor- und nachgelagerten Phasen ein und umfasst somit den gesamten Prozess vom Erstellen des formalen Modells bis hin zur Dateninterpretation bzw. -auswertungen (vgl. Abbildung IV-3).1254 Diese weite Auffassung wird in der vorliegenden Arbeit weiter eingegrenzt und sich an GILBERT angelehnt: „Simulation means ‘running’ the model forward through (simulated) time and watching what happens.“1255 Simulieren

1252

Vgl. Levitt, R.E. (2004), S. 131. Vgl. z. B. Cezanne, W. (2005); Rosenkranz, F. (2006). 1254 Vgl. Fishwick, P.A. (1996), S. 24ff; Bossel, H. (2004), S. 15, 27; Gilbert, N. (1998), S. 1ff. 1255 Vgl. Gilbert, N. (2000b), S. 4. 1253

214

Teil IV-3: Simulation

deln und kognitive Vorgänge (Mikroebene) werden lediglich im Rahmen der Sozialpsychologie einbezogen. Eine Verbindung von Mikro- und Makroebenen in Form eines ebenenübergreifenden Modells liegt bisher nicht vor.1252

In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften kommen verschiedene Modelltypen (vgl. IV-2.2) bereits zur Anwendung. Realmodelle finden sich z. B. in Form von Organigrammen, bei denen die Struktur einer Organisation oder einer Gruppe abgebildet wird. Die Stellen innerhalb der Hierarchie werden beispielsweise durch die Position im Modell ausgedrückt. Ikonische Modelle sind indirekt (z. B. aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen) einsetzbar. Dies lässt sich am Beispiel des Brückenbaus verdeutlichen, da das Überprüfen der Stabilität am Modell mit deutlich geringeren Kosten und Gefahren verbunden ist als am Realobjekt. Formale Modelle werden in den Wirtschaftswissenschaften vor allem in der Planung mittels Geschäftsprozessmodellen zur Ermittlung von Nachfrageelastizitäten sowie Preisfindungsmodellen eingesetzt.1253 In den Sozialwissenschaften hat sich die Anwendung bzw. der Einsatz von Formalmodellen noch nicht etabliert. Jedoch besteht wie in III-2.5 (deskriptiv entscheidungsorientierte Ansätze in der Organisationstheorie) beschrieben ein großes Anwendungspotential.

3

Simulation

Im folgenden Abschnitt wird die terminologische Ausgangsbasis von Simulation dargestellt, und es werden ausgewählte Simulationsansätze untersucht. Zum einen weisen diese das Potenzial auf, für die Simulation von Organisationsverhalten geeignet zu sein, oder sie wurden zum anderen bereits für andere Simulationszwecke erfolgreich eingesetzt. Ziel des Abschnittes ist es aufzuzeigen, ob sich die untersuchten Simulationsmethoden eignen, komplexes Organisationsverhalten abzubilden bzw. deutlich zu machen, welche Erklärungsschwächen bestehen.

3.1

Begriffliche Ausgangsbasis und Abgrenzung

Simulation im weitesten Sinne schließt die unmittelbar vor- und nachgelagerten Phasen ein und umfasst somit den gesamten Prozess vom Erstellen des formalen Modells bis hin zur Dateninterpretation bzw. -auswertungen (vgl. Abbildung IV-3).1254 Diese weite Auffassung wird in der vorliegenden Arbeit weiter eingegrenzt und sich an GILBERT angelehnt: „Simulation means ‘running’ the model forward through (simulated) time and watching what happens.“1255 Simulieren

1252

Vgl. Levitt, R.E. (2004), S. 131. Vgl. z. B. Cezanne, W. (2005); Rosenkranz, F. (2006). 1254 Vgl. Fishwick, P.A. (1996), S. 24ff; Bossel, H. (2004), S. 15, 27; Gilbert, N. (1998), S. 1ff. 1255 Vgl. Gilbert, N. (2000b), S. 4. 1253

Teil IV-3: Simulation

215

ist eine Aktivität (running), bei der mit dem Modell experimentiert sowie sein Verhalten beobachtet wird. Simulation wird als eine Methode des Ableitens von Folgerungen aus einem formalen Modell und dem systematischen Experimentieren mit diesem verstanden.1256 Parallelen zu bestehenden Forschungsmethoden zeigen sich vor allem in der Nutzung einer abstrakten Form der Repräsentation eines Urbilds (Modell) und der „Manipulation“ von Eingangsgrößen. Das wesentliche Alleinstellungsmerkmal von Simulation besteht im Ausmachen und Verstehen von Regelmäßigkeiten im sozialen Verhalten.1257

Entsprechend kann die Abgrenzung von Simulation gegenüber mathematischen Modellen wie folgt vorgenommen werden: Die Mehrzahl der mathematisch bzw. stochastisch1258 basierten Modelle sind in Form von Differentialgleichungen dargestellt. Auf Basis von linear verknüpften Input- und Output-Variablen werden einfache Ursache-Wirkungsbeziehungen untersucht. Beispielhaft für diese Form der Ansätze steht das von LOTKA und VOLTERRA entwickelte Differentialgleichungssystem, in dem die Populationsentwicklung in einem Räuber-Beute-Modell simuliert wird.1259 Gleichungen IV-2 a/b stellen den Zusammenhang der Wachstumsrate von Beute- und Räuberpopulation dar. a)

dN 1 dt

r1 N 1  PN 1 N 2 b)

dN 2 dt

aPN 1 N 2  d 2 N 2

Gleichung IV-2: Wachstumsrate von a) Beute- und b) Räuberpopulation

P beschreibt den Faktor für Raub und N1 und N2 stellen die Populationen der Beute und der Räuber dar. Die Effizienz, mit der die Räuber ihre Nahrung in Nachkommen „verwandeln“ wird durch a repräsentiert; r1 symbolisiert die Geburtenrate der Beute und d2 die Mortalität der Räuber.1260

Trotz der Aussagekraft mathematischer Modelle gelten im Vergleich zur Simulation folgende Einschränkungen:1261 Input- und Output-Parameter werden auf gleicher Ebene betrachtet, so dass sich z. B. Parameter des Gesamtsystems nicht in Beziehung zu lokalen Parametern auf der Mikroebene setzen lassen, d. h. Entscheidungen der Mikrobene können in diesen Modellen nicht verarbeitet werden. Die Komplexität des Urbilds muss in einem Gleichungssystem abgebildet sein, so dass es methodisch bedingt zu unzulässigen Vereinfachungen kommen kann (z. B. kein 1256

Vgl. Klügl, F. (2001), S. 45. Vgl. Hanneman, R.A./Patrick, S. (1997), Paragraph 2.4. 1258 Teilgebiet der Statistik, das sich mit der Analyse zufallsabhängiger Ereignisse und deren Wert für die statistische Untersuchung befasst. 1259 Vgl. Lotka, A.J. (1925); Volterra, V. (1959). 1260 Vgl. Drogoul, A./Ferber, J. (1995), S. 129. 1261 Vgl. Drogoul, A./Ferber, J. (1995), S. 129f. 1257

216

Teil IV-3: Simulation 1262

zeitlich paralleler Ablauf von Aktivitäten).

Beispielsweise drückt der Parameter a das Urbild

in keiner adäquaten Weise aus, da der Geburtsprozess von mehr als der Effizienz, Nahrung zu verarbeiten, abhängig ist (z. B. Gruppenstruktur, Paarungsverhalten). Ferner können in numerisch gestützten Modellen Aktivitäten nicht auf Basis bewertender Entscheidungen (z. B. wie im Fall von Regeln) getroffen werden, die abhängig von der wahrgenommenen Situation und Stimuli sind. Beispielsweise wird im Gleichungssystem von LOTKA und VOLTERRA (vgl. Gleichungen IV-1 a/b) in einem mathematischen Modell der Jagd- und Ernährungsprozess als eine Gleichung aufgefasst, die sich aus der Anzahl der potenziellen Beuteelemente, der Anzahl der Räuber und der Wahrscheinlichkeit, dass ein Räuber auf ein Beutetier stößt, zusammensetzt. Diese Form der Darstellung berücksichtigt jedoch keine unterschiedlichen Formen der Jagd und beschreibt nicht das individuelle Verhalten der Räuber. Darüber hinaus unterstützt der Aufbau mit Gleichungssystemen nicht die modulare Erweiterung. Qualitative Informationen (z. B. Stimuli und deren Wirkung auf das individuelle Verhalten von Systemelementen, wie Personen) können darüber hinaus nicht verarbeitet werden, obwohl diese zentraler Bestandteil verhaltenswissenschaftlicher Modelle und Theorien sind. Unterschiede bestehen auch in den verwendeten Verfahren zur Urbildbeschreibung. Während analytische Lösungsverfahren (vgl. IV-2.2 d) ein Gleichungssystem bedingen, mit dem für diesen Fall keine „Lösung“ garantiert ist, können Simulationen auch ohne Gleichungssysteme „Lösungen“ liefern (vgl. IV-2). Diese Aspekte bilden nur einen Ausschnitt der Kritikpunkte ab, die verdeutlichen, dass einfache mathematische Modelle ungeeignet sind, Organisationsverhalten zu beschreiben, zu erklären und zu prognostizieren.

Ein wesentlicher Vorzug der Simulation ist die Möglichkeit, Dynamik abbilden zu können. „Während die mathematische Analyse Endzustände (Gleichgewichtszustände) sozialer Dynamiken ermittelt, sind Computersimulationen insbesondere dazu geeignet, den Weg zu diesen Endzuständen zu analysieren bzw. die Dynamik sozialer Systeme zu explorieren, wenn überhaupt keine Gleichgewichtszustände erreicht werden.“1263 Darüber hinaus besteht die Möglichkeit der Abbildung von Parallelität, so dass nicht nur zeitgleich ablaufende Prozesse simuliert werden können, sondern auch Handlungen mehrerer heterogener Elemente.1264 Simulation bietet die Alternative, auch adaptives Verhalten auf individueller Ebene (z. B. Lernen) oder auf Makroebene (z. B. das Überleben des Stärkeren) beschreiben zu können.1265

1262

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6, 28f. Saam, N.J. (2005a), S. 168. 1264 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 5f. 1265 Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 25. 1263

Teil IV-3: Simulation

217

Gegenüber Experimenten am realen Objekt bieten Simulationen mehrere Vorteile. Zum einen können Prozesse schneller als in der Realität ablaufen, so dass Simulationen z. B. zur Prognose von Organisationsverhalten einsetzbar sind.1266 Zum anderen lassen sie sich im Gegensatz zu Experimenten in sozialen Systemen mit identischen Ausgangsbedingungen wiederholen, da Simulationen reversibel gestaltet werden können. Darüber hinaus verursachen sie in der Regel geringere Kosten. Schließlich bieten sie eine Alternative, wenn Experimente am Realobjekt z. B. ethisch nicht vertretbar sind, gegen Gesetze verstoßen oder die Sicherheit gefährden und damit ausgeschlossen sind.1267 Im Gegensatz zu ausschließlich mathematischen Modellen bieten Simulationen den Vorteil, weniger abstrakt und damit besser verständlich zu sein (vgl. IV-2.1 und IV2.4). „[M]athematical models often reveal tensions or inconsistencies at the theoretical level which are far harder to resolve.“1268

3.2

Bewertung ausgewählter Simulationsmethoden und -ansätze

AXELROD hat die mit Simulationen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften verbundenen Kompetenzfelder wie folgt systematisiert.1269 Neben Training, Unterhaltung und Ausbildung1270, die für die vorliegende Arbeit keine Bedeutung haben, werden drei Felder betrachtet, die bereits in der eingangs formulierten Forschungsfrage (vgl. I-1.3) Erwähnung fanden:

Beschreibung und Erklärung: Nach AXELROD ist es mit Simulationen möglich, Zusammenhänge der Realität zu beschreiben und zu erklären sowie organisationale Prozesse und Mechanismen in flexibler und dennoch präziser Art darzustellen. Durch die Simulation des Modells können soziale Prozesse in der Organisation experimentell (z. B. durch Veränderungen der Eingangsgrößen) untersucht werden. GILBERT/CONTE umschreiben dies als deskriptive Ziele.1271

Vorhersage: Aus einer Vielzahl von Eingaben werden anhand zuvor festgelegter Regeln Veränderungen prognostiziert. Durch den Vergleich verschiedener Outputs, die durch variierte Inputs und Regeln hervorgerufen werden, können Auswirkungen veränderter Handlungen in der Reali-

tät abgeschätzt werden.1272 Dies umfasst eine präskriptive Dimension, die wesentlicher Bestandteil der Zielsetzung dieser Arbeit ist.

1266

Vgl. Robinson, S. (2004), S. 8. Vgl. Pidd, M. (2004), S. 9f. 1268 Chattoe, E. (1996), S. 80. 1269 Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 23f. 1270 Z. B. SimCity, SimEarth oder SimLife. 1271 Vgl. Gilbert, N./Conte, R. (Hrsg.) (1995). 1272 Vgl. Cyert, R.M./March, J.G. (Hrsg.) (1963), S. 2f. Weitere prominente Vertreter dieser Entwicklung sind SIMON (1981), MARCH (1963), COHEN/MARCH/OLSEN (1972) und NELSON und WINTER (1982). 1267

218

Teil IV-3: Simulation

Sämtliche der im Folgenden betrachteten Simulationsmethoden werden hinsichtlich ihrer Kompetenzfelder bzw. Zielsetzungen beurteilt. Sie basieren alle auf Formalmodellen, von denen ein Großteil ursprünglich auf mathematischen Gleichungssystemen beruhte.1273 Im Laufe der Zeit wurden diese von verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen beeinflusst und daraufhin weiterentwickelt.1274 Abbildung IV-4 illustriert die Entwicklungslinien der betrachteten Ansätze. 1700

Differentialgleichungen

Grau hinterlegter Bereich: Gleichungsbasierte Modelle.

Stochastische Prozesse 1900

1940

Spieltheorie

1950

WarteschlangenModelle

1960 1970

System Dynamics

Mikrosimulationsmodelle

Zelluläre Automaten

Künstliche Intelligenz

1980

Synergetik

World Dynamics 1990 2000

World Dynamics II

WorkflowManagement, Geschäftsprozess Modellierung

Mehrebenenmodelle

Zelluläre Agentenbasierte Automaten in Simulation den Sozialwissenschaften

Abbildung IV-4: Entwicklungen gegenwärtig eingesetzter Simulationsansätze1275

Anhand der Übereinstimmung bzw. Abbildbarkeit der Eigenschaften komplexer Systeme in der Simulation wird in diesem Abschnitt überprüft, ob sich die betrachteten Simulationsansätze für die Beschreibung, Erklärung und Prognose von komplexem Organisationsverhalten eigenen bzw. wo sie methodische Schwächen aufweisen. Es wird gleichzeitig herausgestellt, dass sie z. T. fundamentale Erkenntnisse für die Entwicklung angemessener Simulationen liefern, wie die agentenbasierte Simulation (vgl. IV-4). Mit der vorliegenden Untersuchung wird kein Vollständigkeitsanspruch erhoben, so dass daher nur die ausgewählten Ansätze betrachtet werden. Die Auswahl der Verfahren erfolgte analog zu der verschiedener Autoren, die den gewählten Methoden

1273

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6ff. Die Nutzung von Simulationen in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften gegenüber Naturwissenschaften oder dem Ingenieurwesen begann zu einem späteren Zeitpunkt (Mitte 1960er Jahre) und entwickelte sich zum anderen ungleich langsamer. Vgl. Troitzsch, K.G. (1997), S. 41ff; Troitzsch, K.G. (2003), S. 353; Arthur, B.W. (2000), S. 1ff; Arthur, B.W. (1991), S. 353. 1275 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 7. 1274

Teil IV-3: Simulation

219 1276

das Potential zuweisen, soziale Systeme abbilden und simulieren zu können.

Das in der Lite-

ratur identifizierte steigende Potential zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von komplexem Organisationsverhalten legt die Reihenfolge der in den folgenden Abschnitten untersuchten Methoden und Ansätze fest.1277 Die Qualität des Simulationsmodells steigt mit der Fähigkeit, die aufgeführten Merkmale abbilden zu können.1278

Die ausgewählten Methoden sind in der Lage, die Eigenschaft Dynamik einer Organisation wiederzugeben. Ferner weisen sie hinsichtlich der zeitlichen Abhängigkeit Reminiszenz auf, so dass sie potenziell dazu geeignet sind, Pfadabhängigkeit abzubilden. Da sie auf nichtlinearen Funktionen basieren, können sie nichtlineare Phänomene darstellen.

In Bezug auf den Einsatz in der unternehmerischen Praxis soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass es vor allem einfach anzuwendende Simulationsmethoden sind, die gefordert werden (vgl. analog die von PIDD identifizierten Prinzipien zur Modellierung in IV-2.3), da diese in der Regel leichter zu implementieren, zu validieren und zu analysieren sind. Trotzdem kann ein gewisser Grad an Komplexität bedeutend für die angemessene Abbildung des Urbildes und damit die Gültigkeit bzw. Reproduzierbarkeit der Ergebnisse sein.1279 Hierfür leisten Simulationen einen wesentlichen Beitrag, zumal sie in einem ersten Schritt grob gestaltet und im weiteren Verlauf durch modulare Bauweise nach Bedarf verfeinert und erweitert werden können.

Ein grobes Strukturierungsprinzip der Anwendungsfälle für Simulationen gibt PIDD an, der auf Basis steigender Entsprechung mit den Eigenschaften komplexer Systeme in Puzzle, Problem und Mess unterscheidet (vgl. Abbildung IV-5):1280

Puzzle: Ein Puzzle stellt eine klar umrissene Ausgangssituation ohne Mehrdeutigkeiten dar, zu der die optimale Lösung genau definiert ist (vgl. Traveling-Salesman-Problem).1281 Deshalb sind mathematische Gleichungssysteme für diesen Anwendungsfall ausreichend bzw. angemessen, da 1276

Vgl. u. a. Pidd, M. (2004); Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005); Carley, K.M. (2002a); Davidsson, P. (2002); Hanneman, R.A./Patrick, S. (1997); Troitzsch, K.G. (2000); North, M.J./Macal, C.M. (2006); Macy, M.W./Willer, R. (2002). 1277 In der Untersuchung werden die zum Einsatz kommenden unterschiedlichen Softwarepakete nicht betrachtet. U. a. werden sie in System Dynamics (z. B. DYNAMO, STELLA), in Mikrosimulation (z. B. STINMOD), in ereignisbasierter Simulation (z. B. SimLab, AnyLogic), in Mehrebenensimulationen (z. B. MIMOSE) und in agentenbasierten Simulationen (z. B. NetLogo) verwendet. 1278 Vgl. Doran, J. (1997), S. 73; vgl. auch III-1. 1279 Vgl. Chwif, L./Paul, R.J. (2000), S. 452. 1280 Vgl. Pidd, M. (2003), S. 58ff. Siehe auch Ackoff, R.L. (1974), S. 21f.; Ackoff, R.L. (1979), S. 99f. 1281 Beim Traveling Salesman Problem liegen bei n Städten n-1 Touren vor. Ein systematisches Prüfen aller möglichen Routen ist denkbar, stößt jedoch schnell an die Grenzen der Rechenkapazität. Es kommen daher häufig Heuristiken zum Einsatz.

220

Teil IV-3: Simulation

der mit der Nutzung von Simulationsmethoden verbundene Aufwand (Zeit, notwendige Vorkenntnisse, technische Voraussetzungen) für diese Fälle in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn steht.1282

Problem: Ein Problem lässt sich eindeutig formulieren, jedoch sind mehrere Lösungen möglich. Simulationen (vgl. IV-3.2.1ff) sind durch die Fähigkeit, verschiedene Eigenschaften wie z. B. Dynamik oder Nichtlinearität abbilden zu können, für den Einsatz im Anwendungsfall Problem besonders geeignet. Andernfalls müssen Vereinfachungen getroffen werden, die das Problem zu einem Puzzle reduzieren, die mit Gleichungssystemen analytisch gelöst werden können, womit jedoch ein Verlust in der Abbildungsgenauigkeit gegenüber dem Urbild verbunden ist. Alternativ besteht die Möglichkeit der Dekomposition zu mehreren Puzzles, die nach analytischer Lösung

hoch

zusammengeführt werden (vgl. divide and conquer in IV-2.3).

Analytische Lösbarkeit

Puzzle

Problem

niedrig

Mess

niedrig

hoch Grad der Entsprechung mit Eigenschaften komplexer Systeme

Abbildung IV-5: Abhängigkeit von Puzzle, Problem und Mess in Bezug auf Grad der Entsprechung mit Eigenschaften komplexer Systeme und analytische Lösbarkeit

Mess: Messes sind Umstände, die sich durch Mehrdeutigkeit und Widersprüche charakterisieren und eine große Anzahl sich mitunter stark unterscheidender Lösungsmöglichkeiten enthalten. Es kann auch Unklarheit darüber bestehen, ob und wie für Messes Lösungen ermittelbar sind.1283 In der Regel versagen diejenigen Simulationsmethoden, welche z. B. nicht mit Mehrdeutigkeit umgehen können, so dass die Forderung nach angemessenen Methoden besteht, die in Form agentenbasierter Simulationen bereits zur Verfügung stehen (vgl. IV-4).

1282 1283

Vgl. Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005), S. 4. Vgl. Moss, S. (2001), S. 3.

Teil IV-3: Simulation

3.2.1

221

System Dynamics

In den 1950er Jahren entwickelte sich aus der Analyse sozio-technischer Systeme, der Kybernetik sowie vor dem Hintergrund der Forderung nach Integration der Systemtheorie in die Sozialund Wirtschaftswissenschaften die Simulationsmethode System Dynamics,1284 die sich mit den Auswirkungen der Struktur einer Organisation auf deren Verhalten beschäftigt.1285 Die Basis für diese Simulationsmethode bildet die Analogiebildung zwischen physischem und organisationalem Kontrollgefüge, die sich durch strukturell bedingte Beziehungen1286 und Verzögerungen auszeichnet und als besonderes Merkmal dynamischer Systeme gelten.1287 In den 1960er und 1970er Jahren wurde der Ansatz weiterentwickelt und auf globale Modelle angewendet, wobei besonders World Dynamics, eine Simulation zur Vorhersage der Entwicklung der Weltbevölkerung und der globalen Ressourcen, Beachtung fand.1288 Begründer und Befürworter von System Dynamics vertreten die Auffassung, dass es sich hierbei nicht nur um eine Simulationsmethode handelt,1289 sondern um eine forschungsgebietübergreifende Theorie zur Struktur und zu dem Verhalten komplexer sozialer Systeme wie Organisationen.1290

Erster Schritt bei der Erstellung einer Simulation mithilfe von System Dynamics ist die Darstellung der aus dem Modellbildungsprozess gewonnenen kausalen Zusammenhänge zwischen relevanten Einflussgrößen des Urbilds in einem Feedbackdiagramm, das geringe methodische Anforderungen (Vorkenntnisse) an den Nutzer stellt und positive sowie negative Wirkungszusammenhänge der Variablen und Parameter durch Feedbackschleifen auf einer Ebene (Makroebene) veranschaulicht.1291 Das Diagramm ist der erste Schritt zur Problemstrukturierung und wird in

1284

Vgl. Forrester, J.W. (1961), aber auch Meadows, D./Meadows, D.H./Jahn, E. u. a. (1972). Die Methode wurde zuerst als Industrial Dynamics bezeichnet, jedoch wenig später umbenannt und seither nur noch unter dem Terminus System Dynamics genutzt. Beide Begriffe sind synonym zu gebrauchen. Vgl. Ulrich, H. (2001f), S. 205ff; Ulrich, H./Probst, G.J. (1995); Dooley, K. (2002), S. 836. 1285 Vgl. Pidd, M. (2004), S. 249; Forrester, J.W. (1961), S. 13. Vgl. auch Chandler, A.D. (1967) mit seinem structure follows strategy conduct. 1286 Beziehungen sind von den in III-1 identifizierten Rückkopplungen in der Form zu unterscheiden, als sich hier Rückkopplungen ausschließlich auf Interaktionen zwischen Elementen und Ebenen beziehen. 1287 Es ist darauf hinzuweisen, dass FORRESTER und andere Vertreter unter System Dynamics nicht nur eine spezielle Simulationsmethode verstehen, sondern ein disziplinenübergreifendes Verfahren zur Verbesserung von organisationalen Strukturen und Entscheidungen. Dieses schließt den gesamten Modellierungsprozess unter Berücksichtigung der Methodiken des Systems Thinking und des Soft Operations Research ein. Vgl. Forrester, J.W. (1994). 1288 Vgl. Forrester, J.W. (1971); Forrester, J.W. (1995), S. 13. Vgl. zur Verbreitung in Wissenschaft und Praxis u. a. Milling, P.M./Zahn, E.O. (Hrsg.) (1989); Schmidt, D. (1992); Sterman, J.D. (2000); Larsen, E./Lomi, A. (2002), S. 271ff. 1289 Berücksichtigt werden Rückkopplungen, Zeitverzögerungen und Nichtlinearität. Untersuchungen zeigen, dass diese Phänomene contra-intuitiv sind und gleichzeitig wenig verstanden werden. STERMAN verbindet damit eine Forderung nach Auseinandersetzung mit Komplexität in sozialen, technischen und naturwissenschaftlichen Systemen. Vgl. Sterman, J.D. (2002), S. 504f. 1290 Vgl. Forrester, J.W. (1971); Milling, P. (1984), S. 507ff; Bunz, A. (1988), S. 102f; Sastry, A. (2001), S. 377ff; Sterman, J.D. (2000). „System Dynamics is a profession that can unify the diverse aspects of society and nature by combining the interactions between science, psychology, politics, biology, environment, economics, and management.“ Forrester, J.W. (1980a), S. 7. 1291 Vgl. Hentze, J./Brose, P./Kammel, A. (1993), S. 273f.

222

Teil IV-3: Simulation

einem nächsten Schritt mithilfe einer festgelegten Symbolsprache in einem Flussdiagramm konkretisiert, in dem in so genannte zeitdynamische Fluss- (so genannte rates bzw. flows) und zeitstabile Bestandsgrößen (so genannte levels bzw. stocks) unterschieden wird. Die Zu- und Abflüsse werden typischerweise durch Variablen mit diskretem bis kontinuierlichem Zeitfortschritt (vgl. IV-2.2 b) repräsentiert, die einen Durchschnittswert der Änderungen darstellen.1292 Gleichung IV-3 verdeutlicht den Zusammenhang: Niveau (t) = Niveau (t-1) + dt ˜ (Zufluss – Abfluss) Gleichung IV-3: Exemplarische Zusammensetzung einer Bestandsgröße

Durch die Erstellung von Feedback- und Flussdiagrammen werden die Kausalbeziehungen sowie der Aufbau und Ablauf des Urbilds auf einem deutlich detaillierteren Niveau bestimmt. Im Einzelnen besteht System Dynamics also aus drei methodischen Kernelementen: Feedbackdiagramm, Flussdiagramm und der „eigentlichen“ computergestützten Simulation, deren Zusammenwirken in Abbildung IV-6 illustriert wird.

System-Dynamics-Simulationen legen für sozioökonomische Systeme die Annahme zu Grunde, dass sämtliche Entscheidungen auf Basis von Schleifen (sog. Feedback- oder Double-FeedbackLoops) getroffen werden und dass diese Strukturen durch mathematische (lineare und nichtlineare) Gleichungssysteme ausgedrückt werden können. Die Hypothese besagt, dass durch den Regelkreischarakter ein dynamisches Verhalten von Systemen simuliert werden kann.1293 Stark vereinfacht gesprochen lautet die Grundidee also: Die zu untersuchende Entwicklung bzw. das Verhalten in kybernetischen Regelkreisen abzubilden, diese in Differentialgleichungen zu formulieren, die Differentialgleichungen in Differenzengleichungen umzuwandeln und in ein Programm zu übersetzen. Anwendungsgebiete für System Dynamics-Simulationen finden sich in verschiedensten Bereichen zur Vorhersage, wobei sich der heutige Einsatz in der Regel primär auf den technischen Bereich beschränkt.1294

1292

Vgl. Pidd, M. (2003), S. 177ff. Vgl. Schmidt, D. (1992), S. 107f. 1294 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 59; Spengler, T./Schröter, M. (2003), S. 7ff; Spengler, T./Schröter, M. (2005), S. 1ff; Schröter, M./Spengler, T. (2004); Sterman, J.D. (2000), S. 41. Dies dokumentieren ferner Beiträge in den Zeitschriften wie System Dynamics Review und Journal of Engineering & Technology Management. Vgl. auch Wolstenholme, E.F. (2003), S. 193ff. 1293

Teil IV-3: Simulation

223

gut

An

w en

dun

er g sb

m- g b le n P r o l ie r u mu for

ldel M o ung b il d

mittel

schlecht

eich g er

in g

Feedbackdiagramm

m it

tel

Flussdiagramm

gs- g su n L ö rie r u n e ge n

h oc

Methodische Anforderungen

Realisierungsmöglichkeit

h

ComputerSimulation

Abbildung IV-6: Anwendungsbereich, Realisierungsmöglichkeiten und methodische Anforderungen von System Dynamics1295

Die Verwendung von System Dynamics eignet sich besonders dann, wenn eine große Anzahl quantifizierbarer (vgl. Operationalisierung in IV-2.2 f) miteinander in Beziehung stehender Va-

riablen simuliert werden soll,1296 da die Methode vor allem die Phase der Modellbildung unterstützt und eine transparente Darstellung von Beziehungen (jedoch lediglich auf Makroebene) sowie die Eliminierung redundanter Einflussfaktoren erlaubt.1297 System Dynamics (zum Zeitpunkt der Entwicklung einer der ersten Ansätze) basiert nicht auf einer simplifizierenden Trendfortschreibung, sondern trifft – in der Regel – Annahmen über das dynamische Zusammenwirken der Objekte.1298 Ferner weisen die Programmcodes (z. B. DYNAMO) einen übersichtlichen Charakter auf, so dass diese mit überschaubarem Aufwand nachvollzogen und angepasst werden können.1299 Dies hat dazu geführt, dass System Dynamics bis heute breite (wissenschafts-)disziplinübergreifende Anwendung findet.1300

Nachteilig in Bezug auf die Simulation komplexer Systeme erweist sich hingegen, dass lediglich der Zustand eines einzigen sich ändernden Objekts beschrieben wird (Durchschnittsbildung –

1295

Vgl. Gomez, P. (1981), S. 291. Vgl. Dooley, K. (2002), S. 834ff. 1297 Vgl. Schmidt, D. (1992), S. 113f. Besonders Rückkopplungsbeziehungen sind, z. B. in der St. Galler Managementschule, analog zu System Dynamics zentraler Betrachtungsgegenstand. Vgl. z. B. Gomez, P. (1981), S. 253ff; Beer, S. (1985), S. 383, 387; Ulrich, H./Probst, G.J. (1995); Müller-Stewens, G./Lechner, C. (2003). 1298 Dynamik wird im Simulationsmodell betrachtetet, die Elementverknüpfungen sind jedoch statisch. Vgl. Troitzsch, K.G. (2003), S. 354. Beispielhaft gibt FORRESTER an, dass die Geburtenrate, die u. a. von der Kopfzahl der Weltbevölkerung, vom Ausmaß der Umweltverschmutzung und vom Lebensstandard abhängig ist, während der Simulation konstant bleibt. 1299 Vgl. Schmidt, D. (1992); Sterman, J.D. (2000) S. 42ff. und 597ff. 1300 Vgl. Spengler, T./Schröter, M. (2003), S. 7ff; Spengler, T./Schröter, M. (2005), S. 1ff. 1296

224

Teil IV-3: Simulation 1301

ergo keine Vielzahl und Varietät).

Obwohl jedes einzelne zahlreiche unterschiedliche Attribu-

te umfassen kann, lassen sich jedoch nicht mehrere heterogene Entitäten parallel darstellen. Weiterhin wird für die Simulation ausschließlich die Makroperspektive (Makrosimulation) eingenommen, womit eine Nichtbeachtung bzw. eine aggregierte Darstellung der individuellen Handlungen und Interaktionen verbunden ist. Daraus folgt, dass weder Kommunikation zwischen den Entitäten (Rückkopplungen auf Mikroebene und zwischen den Ebenen) noch emergentes oder

selbstreferentes Verhalten bzw. Selbstorganisation oder Autopoiese abgebildet werden können.1302 Ferner stellt System Dynamics lediglich geschlossene Systeme dar.1303 Umwelteinflüsse können zwar über Zustandsgrößen einbezogen werden, werden dann aber selbst zu einem Attribut des einen Simulationsobjekts.

Obwohl auf System Dynamics basierende Simulationen reminiszent sind und Folgezustände deterministisch (vgl. Folgerungsmethode in IV-2.2 e) abgeleitet werden, liegt kein Vergangenheitsbezug (Pfadabhängigkeit) vor, da sich das System ausgehend von identischen Zuständen stets gleich entwickelt und es somit irrelevant ist, welcher Pfad dorthin führte. Da innerhalb von System-Dynamics-Simulationen Änderungen lediglich auf Basis fest definierter und unveränderlicher mathematischer Abhängigkeiten erfolgen, lässt sich begrenzte Rationalität nicht abbilden (vgl. Tabelle IV-1).1304 Ergo sind aufgrund der aufgeführten Einschränkungen in Bezug auf die Abbildbarkeit der Eigenschaften komplexer Systeme solche Simulationen für die in dieser Arbeit verfolgten Anwendungsfälle als eher ungeeignet einzustufen.

Ergänzend ist anzumerken, dass sich System Dynamics trotz der einfach nachvollziehbaren Methodik und einer eingängigen Symbolsprache auf eine komplizierte Systemtechnik stützt, die ein ausgeprägtes theoretisches mathematisches Grundverständnis vom Anwender verlangt.

3.2.2

Mikrosimulation

Die Mikrosimulation entwickelte sich zeitlich parallel zu System Dynamics.1305 Als Pionier gilt u. a. ORCUTT, der die Methode erstmals zur Darstellung von ökonomischen Systemen nutz-

1301

Vgl. Troitzsch, K.G. (2003), S. 354. „System dynamics modeling techniques do not allow for emergent properties and structures to be part of the simulation. They can show the effect of individual local rules and can isolate the effect of a single rule, but cannot demonstrate the effect of the propagation and emergence of new local rules.” Haslett, T./Osborne, C. (2003), S. 96. 1303 Vgl. Schmidt, D. (1992), S. 110. 1304 Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 111. 1305 In der Literatur wird häufig der Begriff der mikroanalytischen Simulationen verwendet. Vgl. Klösgen, W. (1986); Vetterle, H. (1986), S. 17ff; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 57ff. Nachfolgend wird sprachlichen Gründen vereinfachend von Mikrosimulationen gesprochen. 1302

Teil IV-3: Simulation 1306

te.

225

Das Ziel ist die Prognose von dynamischen (vgl. IV-2.2 b) Gruppeneffekten als Reaktion

auf Modifikationen der Rahmenbedingungen, wie z. B. Änderung der Organisationsstrategie. Zur Anwendung kommen Mikrosimulationen primär in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, z. B. bei der Abschätzung von Auswirkungen einer Steuerreform.1307 Solche oder vergleichbare Rahmenbedingungen lösen im Urbild unterschiedliche (individuelle) Verhaltensweisen aus, welche nicht in aggregierter Form wiedergegeben werden dürfen, und bei denen eine Unterscheidung in individuelle reaktive Elemente vorgenommen werden muss. System Dynamics z. B. kann dies nicht leisten.1308

Mikrosimulationen weisen mindestens zwei betrachtete Ebenen auf. Auf einer unteren Ebene werden einzelne Gesellschaftsteile abgebildet, deren Gesamtheit auf einem höheren Level aggregiert dargestellt werden kann.1309 Denkbar sind aber auch mehrere Ebenen, die z. B. die Hierarchiestufen einer Organisation repräsentieren. Wenn die Population des Urbilds sehr heterogen ist, erzielen Mikrosimulationen aufgrund der Berücksichtigung individueller Elementmerkmale qualitativ höhere (bezogen auf die Vorhersagegenauigkeit) Ergebnisse als System DynamicsSimulationen.1310 Die einzelnen Elemente interagieren in dieser Methode jedoch nicht und benötigen einen Anstoß durch den Modellierer, um zu handeln.1311

Trotz der genannten Unterschiede weisen Mikrosimulationen und auf Makroebene agierende Ansätze (z. B. System Dynamics) Parallelen auf. Obwohl in Mikrosimulationen die Modellbildung und Simulation anhand jedes einzelnen Elements vorgenommen wird (im Gegensatz zur Durchschnittsbildung in Makrosimulationsmethoden), lässt keine der beiden Simulationsvarianten eine Anpassung der Elemente (Reaktion auf das Verhalten anderer Entitäten) zu, d. h. sie definieren ihre Ziele nicht selbst und teilen sich gegenüber anderen Elementen nicht mit (Anpassung nur durch Intervention des Modellierers; z. B. Fortschreibung des Alters oder Veränderung des Steuersatzes).1312

1306

Vgl. Orcutt, G.H. (1960). Vgl. Merz, J. (1996), S. 35; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 57f. 1308 Vgl. Tongeren, F.W.(1995), S. 1f; Macy, M.W./Willer, R. (2002), S. 145f. Bei der Mikrosimulation handelt es sich um ein stochastisches Mikromodell. 1309 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 59; Vetterle, H. (1984), S. 46ff. 1310 Vgl. Johnson, P.E. (1999), S. 1515. Bei einfachen und überschaubaren Problemstellungen erreichen beide Ansätze vergleichbare Ergebnisse. 1311 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 60. 1312 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 59. Darüber hinaus können Mikrosimulationen, wie System-Dynamics-Simulationen, in Bezug auf die Zeitabhängigkeit als reminiszent eingestuft werden (vgl. IV-2.2 c). 1307

226

Teil IV-3: Simulation

Bei Mikrosimulationen wird in einem ersten Schritt ein repräsentativer Ausschnitt aus dem abzubildenden Urbild gewählt (Selektion). Die einzelnen Elemente werden anschließend mit verschiedenen individuellen Attributen, wie z. B. Alter, Geschlecht, Familienstand, Ausbildungsstand oder Einkommen, belegt und mit jeweils zuvor empirisch ermittelten Veränderungswahrscheinlichkeiten für den Übergang in andere Zustände bestimmt. Auf Basis des bereitstehenden Datenmaterials wird z. B. berechnet, wie groß die Sterbewahrscheinlichkeit für Personen eines bestimmten Alters ist. Das formale Modell wird in einem zweiten Schritt in äquidistanten Zeitabschnitten (diskreter Zeitfortschritt IV-2.2 b) fortgeschrieben (Simulation). Die abgebildeten Prozesse wie Heirat, Altern oder Sterben laufen im Sinne stochastischer Vorgaben nichtlinear ab und können in jedem Durchlauf durch Änderung äußerer Parameter (durch den Modellierer) beeinflusst werden. Die Ergebnisse lassen sich sowohl qualitativ als auch quantitativ (vgl. IV-2.2 f) auswerten und zu einer Vorhersage über das Verhalten des Systemausschnitts im verbalen Modell zusammenfassen (Projektion).1313 Dementsprechend bleibt die Anwendung von Mikrosimulationen auf Zwecke der Prognose beschränkt. Abbildung IV-7 illustriert den Zusammenhang. Repräsentativer Ausschnitt vom Urbild mit ausgewählten Eigenschaften

Simulation

Selektion

Urbild mit sämtlichen Systemeigenschaften

Vorhergesagter hypothetischer Systemausschnitt mit ausgewählten Eigenschaften

Projektion

Angestrebtes Systemabbild

Realer Prozess

Urbild nach Beeinflussung

Abbildung IV-7: Ablauf und Eigenschaften der Mikrosimulation1314

Der dargestellte Vorgang entspricht der dynamischen Mikrosimulation (veränderlicher Systemausschnitt), bei der sich z. B. die Populationsgröße durch Geburts- und Sterbeprozesse ändern kann, und kommt bei langfristigen Prognosen zur Anwendung. Für kurzfristige Vorhersagen kann alternativ die weniger rechenintensive statische Variante genutzt werden, bei der im Zeitverlauf der Umfang des Systemausschnitts konstant gehalten und nur die Zusammensetzung anhand von Statistiken angepasst wird.1315

1313

Vgl. Heike, H.-D./Beckmann, K./Kaufmann, A. u. a. (1996), S. 4; Johnson, P.E. (1999), S. 1515f. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 58. 1315 Vgl. Merz, J. (1996), S. 36f. 1314

Teil IV-3: Simulation

227

Bei der Erstellung von Mikrosimulationen werden ex ante zur Sicherstellung ausreichender Verlässlichkeit der Ausgangszustände große Datenmengen (mit hoher Datenqualität) benötigt, um Gültigkeit für die gewonnenen Ergebnisse zu gewährleisten. Die Ermittlung dieser Daten kann sich z. B. aus Datenschutzgründen oder Zeitmangel sehr aufwendig gestalten und mit hohen Kosten bei der Sammlung und Verarbeitung verbunden sein. Dies führte dazu, dass lange Zeit keine unterstützenden Softwarepakete zur Verfügung standen.1316

Mit Mikrosimulation können mehr Eigenschaften komplexer Systeme abgebildet werden als mit System Dynamics. Durch sie lässt sich eine Vielzahl von Entitäten mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad (Varietät) simulieren, wobei auch qualitative Aspekte, wie z. B. der Ausbildungsgrad, berücksichtigt und auf Makroebene aggregiert werden. Ferner wird eine Abhängigkeit von der Vergangenheit integriert (Pfadabhängigkeit) sowie Dynamik und Nichtlinearität abgebildet bzw. simuliert.1317

Dagegen kann keine Übereinstimmung mit der Eigenschaft begrenzter Rationalität festgestellt werden, da Merkmalsänderungen der simulierten Objekte nur stochastisch erfolgen, ohne Verhalten und Präferenzen zu berücksichtigen,1318 und es an einem Wertesystem zur Auswahl bevorzugter Handlungsalternativen fehlt.1319 Darüber hinaus werden lediglich geschlossene Syste-

me modelliert, da die Entitäten beziehungslos zueinander stehen und somit auch auf von außen hinzukommende Systemelemente nicht reagieren. Trotz des Mehrebenenmodellcharakters ist es nicht möglich, in der Simulation Emergenz und Autopoiese darzustellen, da Rückkopplungen zwischen den Elementen nicht vorgesehen sind.1320 Die Entitäten reagieren in der Mikrosimulation nur auf Interventionen des Modellierers, so dass Selbstorganisation und Selbstreferenz ausgeschlossen sind.1321

Obwohl Mikrosimulation mehr Eigenschaften sozialer Systeme abbilden kann als System Dynamics, kann der Nutzen dieses Verfahrens zur Simulation von Organisationen im Untersu-

1316

Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 60. Vgl. Sauerbier, T. (2002), S. 353ff zu weiteren Problemen der Mikrosimulation. 1317 Beispiele: Vergangenheitsbezug: Wer vor 20 Jahren das Abitur machte, hat heute eher die Chance auf eine gute berufliche Position als jemand mit einem niedrigeren Bildungsniveau (die Veränderungswahrscheinlichkeit einer Variable (z. B. Einkommen) steigt in Abhängigkeit zum Bildungsniveau eines Elements). Dynamik: Die Zusammensetzung der Altersstruktur einer Gesellschaft (Alterspyramide) wird durch das Zusammenwirken von z. B. Umweltverschmutzung, Einkommen und Geburtenrate dynamisch verändert. Nichtlinearität: Nichtlinearität kann z. B. im Rahmen der Berechnung des Einkommens notwendig werden. 1318 Vgl. Davidsson, P. (2001), S. 100. 1319 Vgl. Simon, H.A. (1981), S. 111. 1320 Vgl. III-1 zur hier vorgenommenen Definition von Rückkopplungen. 1321 Vgl. Johnson, P.E. (1999), S. 1522.

228

Teil IV-3: Simulation

chungsbereich dieser Arbeit nur als sehr eingeschränkt bewertet werden, da wie oben beschrieben zentrale Eigenschaften komplexer Systeme nicht darstellbar bzw. simulierbar sind (vgl. Tabelle IV-1).

3.2.3

Ereignisbasierte Simulation

In den 1950er Jahren wurde die Methode der ereignisbasierten Simulation entwickelt, die auch als Warteschlangenmodell Bekanntheit erlangte und in den Wirtschaftswissenschaften bis heute eine der am häufigsten genutzten Simulationsmethoden ist.1322 Als Beispiel können an dieser Stelle MARCHs Untersuchungen zum Organisationalen Lernen angeführt werden.1323 So genannte Ereignisse1324 in der Simulation verändern die mit ihnen verbundenen Variablen nach einem regelbasierten aber diskreten Verfahren, so dass ereignisbasierte Simulationen ungeeignet sind, wenn sich die Variablenzustände im Urbild auf kontinuierlicher Basis verändern.1325

Abstrakt betrachtet handelt es sich bei Objekten ereignisbasierter Simulation um bewegliche Elemente (z. B. Kunden) und unbewegliche knappe Ressourcen. Um die limitierten Ressourcen konkurrieren die Elemente (Kunden), die aus einer externen Quelle emittiert werden, so dass sich Warteschlangen bilden.1326 Nachdem die intendierte Aktivität an der Ressource ausgeführt wurde, verschwinden die Elemente wieder in einer nicht näher spezifizierten Senke (vgl. Abbildung IV-8).1327 Die Warteschlangen und Bedienstationen fungieren als statische Objekte, während Kunden die Gruppe der dynamischen Objekte bilden. Die Umwelt des Systems bildet sowohl die Elementquelle als auch die -senke. Künstliche Hilfsmittel, also ein Disponent (z. B. Modellierer) und eine zuvor spezifizierte abzuarbeitende Ereignisliste (Ereignissen wird hier eine Eintrittswahrscheinlichkeit zugewiesen), sind erforderlich, um die zukünftigen Ereignisse anzustoßen, für die kein Gegenstück im Urbild existiert (vgl. abundante Attribute in IV-2.1).

1322

Vgl. Pidd, M. (2003), S. 236; Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005), S. 14f; Troitzsch, K.G. (2003), S. 355. Aus diesen haben sich im weiteren Verlauf Multiebenensimulationen entwickelt. Im englischsprachigen Raum werden die Begriffe discrete event simulation bzw. queuing model analog gebraucht. Vgl. Davidsson, P. (2001), S. 99; Dooley, K. (2002), S. 833ff. 1323 Vgl. March, J.G. (1991), S. 71ff. 1324 „Consider an event [Ereignis, Anmerkung des Verfassers] as an occurence that changes the state of the system.” Banks, J. (2000), S. 10. 1325 Vgl. Dooley, K. (2002), S. 833f. 1326 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 60. 1327 Vgl. Schriber, T.J./Brunner, D.T. (2000), S. 90f.; Die Begriffe Quelle und Senke bezeichnen im Operations Research besondere Knoten eines Netzwerks.

Teil IV-3: Simulation

229

(Kunde) Quelle

Ankunft

(Kunde) Warteschlange

Bedienstation

Warten

Bedienung

Senke

Abbildung IV-8: Idealtypischer Ablauf der Warteschlangensimulation1328

Im Unterschied zu den bisher betrachteten Simulationsmethoden (System Dynamics- und MikroSimulationen) erfolgt die Abbildung des Zeitfortschritts (vgl. IV-2.2 b) nicht in diskreten oder kontinuierlichen Schritten, sondern von Ereignis zu Ereignis.1329 Abbildung IV-9 stellt diskreten, kontinuierlichen und ereignisbasierten Zeitverlauf in Abhängigkeit von einer Variablen (z. B. Ausbringungsmenge) gegenüber. Die Ereignisse verändern in der Regel nur einen Teil des Systemzustands – nicht betroffene Bereiche des Systems bleiben konstant. Ereignisbasierte Simulationen sind stochastisch und dynamisch.1330 Der Einsatz ereignisbasierter Simulation eignet sich

z.B. Ausbringungsmenge

besonders, um Vorhersagen über Abläufe zu treffen.

kontinuierlich diskret Ereignis 1

Ereignis 2

Ereignis 3

ereignisbasiert

t

Abbildung IV-9: Idealisierte Darstellung eines kontinuierlichen, diskreten bzw. ereignisbasierten (Zeit-)Verlaufs in einer Simulation

Bereits abgeschlossene Ereignisse können Vorgänge bzw. Verhalten nach sich ziehen, womit die Historie für den Verlauf der Simulation von Bedeutung ist. Eine zentrale Rolle übernimmt die Ereignisliste, in der die Ereignisse in zeitlich geordneter Reihenfolge mit den Start- und Endzeitpunkten von Aktivitäten dokumentiert sind. Aktivitäten repräsentieren am Beispiel von Warteschlangenmodellen eine bestimmte Bedienzeit, ergo den zeitlichen Abstand zwischen der Ankunft zweier nachfolgender Elemente (Kunden). Diese Dauer kann dabei deterministisch (z. B. stets genau fünf Minuten), stochastisch (mit einer festgelegten, möglichst empirisch gesicherten 1328

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 83. Vgl. Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005), S. 68. 1330 Vgl. Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005), S. 14f. 1329

230

Teil IV-3: Simulation

Wahrscheinlichkeit) oder als Funktion abhängig von den Variablen der abgebildeten Umgebung und Eigenschaften der Elemente spezifiziert werden.1331 Bei der ereignisbasierten Simulation werden die Elemente einzeln behandelt. Es findet also ausschließlich eine Betrachtung auf der Mikroebene statt, ohne aggregierte Größen auf einer übergeordneten Ebene zu berücksichtigen.

Typisches Anwendungsgebiet für ereignisbasierte Simulation ist das vorausblickende Erkennen und Beseitigen von Engpässen im untersuchten Realitätsausschnitt (Prognose) zur Optimierung von Geschäftsprozessen und Arbeitsabläufen.1332 Besonders eignet sich diese Methode für Urbilder, die sich in die drei Elemente Kunde, Warteschlange und Bedienelemente übersetzen lassen (z. B. Geschäftsprozessmodelle oder Workflow-Management-Systeme). Diese Elemente können in ihrer Anzahl und Varietät unbegrenzt (vielfältig) dargestellt werden. Positiv ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass die Entwicklung des simulierten Modells grafisch abgebildet wird und somit die Interpretation unterstützt. Weiterhin ist ein Vergangenheitsbezug zu konstatieren (Pfadabhängigkeit), da der Verlauf der Simulation beispielsweise davon abhängen kann, welche Kunden sich in welche Warteschlange einreihen, wohingegen Dynamik anhand der Veränderlichkeit der im System befindlichen Kundenanzahl deutlich wird und Nichtlinearität durch die stochastische Verteilung der (Kunden-)Verweildauer an den Bedienstationen gegeben ist.

Dennoch werden verschiedene Eigenschaften komplexer Systeme nicht berücksichtigt. Zwar wird eine Vielzahl von heterogenen Entitäten dargestellt, doch können diese untereinander nicht kommunizieren (keine Rückkopplungen). Es lassen sich sowohl quantitative als auch qualitati-

ve1333 Variablen (vgl. Operationalisierung in IV-2.2 f) berücksichtigen. Die Aktionen der Elemente werden von außen durch die Ereignisliste gesteuert, was impliziert, dass Selbstorganisati-

on und Selbstreferenz nicht auftritt. Begrenzte Rationalität wird nicht abgebildet, da alle Ereignisse bis auf stochastische Einflüsse vorherbestimmt werden müssen und die Entitäten keine Entscheidungen treffen können. Folglich wird auf Einflüsse von außen nicht reagiert, so dass das simulierte System als geschlossen aufzufassen ist. Ferner sorgt die ausschließliche Betrachtung der Mikroperspektive dafür, dass keine aggregierten Auswirkungen auf der Makroebene berücksichtigt werden und keine Emergenz und Autopoiese dargestellt werden.1334

1331

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 80. Vgl. Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005), S. 7f; Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 98. Ereignisbasierte Simulationen können in Bezug auf die Zeitabhängigkeit als reminiszent eingestuft werden (vgl. IV-2.2 c). 1333 Anhand einer Ordinalskala, z. B. Bildung von Klassen. 1334 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 59. 1332

Teil IV-3: Simulation

231

Abschließend ist festzustellen, dass der Kernbereich ereignisbasierter Simulation nicht primär auf die Betrachtung von organisations- bzw. sozialwissenschaftlichen Fragestellungen ausgerichtet ist, da die Annahme, die Entitäten des Urbilds seien lediglich in drei verschiedenen Varianten (Kunde, Warteschlange und Bedienelemente) zu simulieren, wenig Spielraum für gegendstandsadäquate Simulation zulässt.1335 Dementsprechend ist die ereignisbasierte Simulationen für die Analyse komplexen Organisationsverhaltens als eher ungeeignet einzustufen.

3.2.4

Mehrebenensimulation

Unter Mehrebenensimulation werden alle Formen zusammengefasst, bei denen mehrere Simulationsebenen sowie Rückkopplungsprozesse zwischen diesen und den Objekten gleicher Ebene betrachtet werden. Ihr Schwerpunkt liegt nicht auf der Vorhersage, sondern auf der Erklärung.1336 Sie kann als Weiterentwicklung der Mikrosimulation unter Einbeziehung der Synergetik nach HAKEN angesehen werden (vgl. Abbildung IV-4), der zusätzlich zur Mikro- auch den Einfluss der Makroebene berücksichtigt.1337 Mehrebenensimulationen betrachten besonders folgende Aspekte: nichtlineare, deterministische sowie stochastische Einflüsse (vgl. Folgerungsmethode in IV-2.2 e), quantitative und qualitative Interaktionen (vgl. Operationalisierung in IV-2.2 f), Entstehungs- und Auflösungsprozesse sowie das Verhalten der Entitäten auf Mikro- und Makroebene.

Der Ablauf einer Mehrebenensimulation gliedert sich in zwei wesentliche Schritte. Zunächst werden die Auswirkungen der Attribute der Makroebene auf die Haltung der Individuen auf der Mikroebene bestimmt, wobei empirisch ermittelte Übergangswahrscheinlichkeiten (z. B. Wechselwahrscheinlichkeit des Familienstands von ledig zu verheiratet im Alter von 25 Jahren) zur Anwendung kommen.1338 Im zweiten Schritt erfolgt durch Aggregation auf unteren Ebenen eine Aktualisierung der Eigenschaften auf der Makroebene.1339

1335

Vgl. Troitzsch, K.G. (2003), S. 355. Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 60. Zu den dominierenden Protagonisten zählen vor allem Bunge, M.A. (1977) und Haken, H. (1985). 1337 Synergetik untersucht Selbstorganisationsprozesse in Systemen mit Wechselwirkungen zum Gegenstand. Vgl. Haken, H. (1981). Beispielhaft kann eine Abgrenzung von Mehrebenen- gegenüber Mikrosimulationen anhand der Auswirkungen (im Simulationsmodell) veränderter Steuersätze vorgenommen werden. Während sich in Mikrosimulationen die Staatseinnahmen bei Variation der Steuersätze ausschließlich aus der demografischen Zusammensetzung ergeben, bleiben Rückwirkungen auf die Individuen unberücksichtigt, da implizit ein neutrales Verhalten hinsichtlich der erhöhten Steuerbelastung unterstellt wird. Diese Annahme weicht jedoch von der in der Realität beobachteten Reaktionen (ex post) u. a. in Form einer Konsumänderung ab, die wiederum Auswirkungen auf die Attribute der Makroebene haben kann, so wie es in der Mehrebenensimulation angenommen wird. Vgl. Troitzsch, K.G. (2003), S. 358. 1338 Die Wahrscheinlichkeiten werden durch systematische Befragungen von Bevölkerungsteilen ermittelt. 1339 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 100. 1336

232

Teil IV-3: Simulation

Zentrales Merkmal der Mehrebenensimulation ist, dass Elemente der Mikroebene über die Makroebene (link) nichtlinear, jedoch lediglich indirekt miteinander interagieren (partielle Erfüllung der Eigenschaft Rückkopplung).1340 Kennzeichnend für Mehrebenensimulationen ist eine unbegrenzte Anzahl (Vielzahl) von gleichen oder gleichartigen reaktiven Elementen.1341 Modelle dieser Art können leicht durch Hinzufügen weiterer Elemente erweitert werden. Lokale Effekte, wie sie in kleineren Gruppen auftreten können, lassen sich jedoch nicht darstellen.

Da die Mehrebenensimulation eine Erweiterung der Mikrosimulation darstellt, kann die Bewertung letzterer prinzipiell übernommen werden (vgl. IV-3.2.2), ergänzend wird auf die folgenden Punkte hingewiesen:1342

Es werden ausschließlich homogene Entitäten simuliert, so dass Varietät nicht abgebildet werden kann.1343 Es besteht eine bilaterale Verbindung zwischen der Mikro- und der Makroebene, über die die Entitäten indirekt miteinander interagieren können, indem sie auf Einflüsse ihrer Umwelt, die das Resultat der Aktivitäten der anderen abgebildeten Elemente sind, reagieren. Das Vorliegen von Rückkopplungen (nach dem Begriffsverständnis dieser Arbeit) konnte in der Literatur bisher noch nicht explizit nachgewiesen werden, da jedes Element die für seine Reaktion relevante Umwelt als monolithisches Ganzes begreift, ohne auf das Einzelelementverhalten zu reagieren. Daher werden Rückkopplungen in dieser Arbeit in Bezug auf Mehrebenensimulation als partiell erfüllt angenommen, so dass in der Folge auch Emergenz und Selbstorganisation nur partiell beobachtbar ist.1344

Da in der Mehrebenensimulation zumindest indirekt (über den „Umweg“ der Makroebene) zu neu entstehenden bzw. hinzukommenden Elementen eine Beziehung aufgenommen werden kann, lassen sich offene Systeme darstellen (partiell).

Die Tauglichkeit von Mehrebenensimulation zur Abbildung der Merkmale komplexer Systeme ist u. a. aufgrund der mangelnden Eindeutigkeit bzw. des nur partiell feststellbaren Vorliegens von Rückkopplungen, Offenheit, Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese als eingeschränkt zu bewerten (vgl. Tabelle IV-1). Auch trifft die Aussage zu, dass wegen der

1340

Vgl. Troitzsch, K.G. (1996), S. 111. Vgl. Bunge, M. (1979), S. 13. 1342 Analog gilt die Einstufung der Mehrebenensimulation (in Bezug auf Zeitabhängigkeit) als reminiszent (vgl. IV-2.2 c) sowie hinsichtlich der Entsprechung von Eigenschaften komplexer Systeme als pfadabhängig. Begrenzte Rationalität kann hingegen nicht abgebildet werden. 1343 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 60. 1344 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005). 1341

Teil IV-3: Simulation

233

Begrenzung auf weitgehend homogene Entitäten eine Anwendung auf soziale Systeme nicht unmittelbar möglich ist, da die Elemente sozialer Systeme sich grundsätzlich unterscheiden.

3.2.5

Zelluläre Automaten

Zelluläre Automaten1345 stützen sich auf die Arbeiten von VON NEUMANN aus den 1960er Jahren1346 und weisen ausgeprägte Parallelen zu den in IV-4 betrachteten agentenbasierten Simulationen auf. Dennoch werden Zelluläre Automaten in der vorliegenden Arbeit von agentenbasierten Simulationen getrennt erörtert, da sie zum einen feste Ortsbeschreibungen voraussetzen (in der Regel ein zweidimensionales Raster; vgl. Abbildung IV-10) und zum anderen lokale Interaktionen (ausschließlich zwischen Elementen auf der selben Ebene) annehmen. Kerngedanke der Zellulären Automaten ist die Simulation emergenten Verhaltens aufgrund lokaler Interaktion. Demnach sind diese durch Zellen charakterisiert, die auf einem regelmäßigen gleichförmigen Gitter angeordnet sind, das idealtypisch zweidimensional und rechtwinklig aufgebaut ist, jedoch auch eine kubische oder dreieckige Struktur aufweisen kann. Es ist frei wählbar, ob für das Gitter feste Seitengrenzen bestehen oder ob es unbegrenzt sein soll.1347 Jede einzelne Zelle stellt ein reaktives Element dar, kann eine begrenzte Anzahl von diskreten Zuständen annehmen, die sich aus mehreren zuvor festgelegten Regeln1348 ergeben und auf die benachbarten Zellen reagieren. Darüber hinaus ist die Festlegung der Nachbarschaft variabel. In einem zweidimensionalen Raster liegt häufig die VON NEUMANN-Nachbarschaft vor, bei der jeweils die vier direkt angrenzenden Zellen (oberhalb, unterhalb, rechts, links) von der betrachteten als Nachbarschaft bezeichnet werden. Alternativ gelten bei der MOORE-Nachbarschaft alle acht umgebenden Zellen als Nachbarn (vgl. Abbildung IV-10).1349 Alle Zellen werden in diskreten Zeitabschnitten (vgl. Abbildung IV-9) zu Folgegenerationen simultan aktualisiert, wobei für alle die gleichen Regeln gelten.1350 Die abgebildeten Elemente (durch das Gitter begrenzte Anzahl von Objekttypen) sind homogen.1351

1345

Synonym wird im angloamerikanischen Sprachraum von Cellular Automata (CA) besprochen. Vgl. von Neumann, J. (1966); Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 61; Dooley, K. (2002), S. 838. 1347 Vgl. Hegselmann, R. (1996a), S. 284. 1348 Üblicherweise werden deterministische Regeln zu Grunde gelegt. Zufällige Übergänge sind ebenfalls möglich. 1349 Vgl. Hegselmann, R. (1996a), S. 284f. Es werden in Ausnahmefällen auch überlappende Nachbarschaften zugelassen, so dass eine Simulation überlappender Organisationen möglich ist. 1350 Vgl. Hegselmann, R./Flache, A./Möller, V. (2000), S. 151. 1351 Vgl. Anderson, P. (1999b), S. 226. 1346

234

Teil IV-3: Simulation

(a) von Neumann Nachbarschaft

(b) Moore Nachbarschaft (9 Zellen)

Abbildung IV-10: Beispielhafter Aufbau eines Zellulären Automaten1352

Zwei bekannte Beispiele für Zelluläre Automaten sind das bereits erwähnte und 1970 in der Zeitschrift Scientific American vorgestellte Game of Life von CONWAY und die Simulation menschlichen Migrationsverhaltens (qualitative Aspekte) von SCHELLING.1353 In einem zweidimensionalen, rechtwinklig aufgebauten Gitter sind Zellen angeordnet (Game of Life), die jeweils den Zustand tot oder lebendig annehmen können. Dieser ergibt sich anhand von zwei simplen Regeln auf Basis einer MOORE-Nachbarschaft:1354 Eine tote Zelle mit genau drei lebenden Nachbarn wird in der Folgegeneration lebendig. Lebende Zellen mit weniger als zwei oder mehr als drei lebenden Nachbarn sterben in der Folgegeneration.

Mit diesem simplen „Regelwerk“ können bereits aus einfachen Anfangskonfigurationen komplizierte Strukturen erwachsen (vgl. Abbildung IV-11), die über eine ausgeprägte Sensitivität gegenüber kleinen Veränderungen verfügen und mit fortschreitender Zeit signifikante Änderungen aufweisen.1355 Der Zellenzustand zum Zeitpunkt t+1 wird durch den Zustand der Zelle zum Zeitpunkt t und die unmittelbaren Zellnachbarn bestimmt1356 – Zellen verändern folglich ihre Beschaffenheit nach lokalen Regeln. Die Beeinflussung der Zelle erfolgt mehrheitlich deterministisch (partiell auch stochastisch) durch zuvor festgelegte Regeln, die zur Aktualisierung aller weiteren Zellen eingesetzt werden. Ergo bezieht sich Lokalität auf Zeit und Raum.1357

1352

Vgl. Hegselmann, R (1996) S. 211. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 131; Gardner, M. (1970), S. 120ff; Schelling, T.C. (1971), S. 143ff. 1354 Vgl. Hegselmann, R. (1996a), S. 283f; Hegselmann, R. (1996b), S. 210. 1355 Figur 1 ist ein so genanntes r-Pentomino. 1356 Daher finden die Modelle vorwiegend Anwendung, wenn lokale Interaktionen eine maßgebliche Rolle spielen; z. B. bei Ausbreitung von Epidemien. Vgl. Hufnagel, L./Brockmann, D./Geisel, T. (2006), S. 462ff. 1357 Dies stellt eine erhebliche Vereinfachung dar, die z. B. die Abbildung von lernenden Elementen unmöglich macht. Daher kann nicht von (vollständiger) Berücksichtigung der Historie ausgegangen werden. Vgl. Tabelle IV-1. 1353

235

Figur 3

Figur 2

Figur 1

Teil IV-3: Simulation

t=0

t = 10

t = 20

t = 30

Zeitverlauf

Abbildung IV-11: Wirkung von Nichtlinearität in Zellulären Automaten

Zelluläre Automaten bilden ihre Umwelt anhand eines gleichmäßigen Gitters ab. Die Zeit entwickelt sich in diskreten Schritten fort, das Verhalten ist durch einheitliche Regeln bestimmt und der Zustand der Zellen wird von ihrer unmittelbar vorhergehenden Situation und den in direkter Umgebung befindlichen Zellnachbarn beeinflusst. Daher eignen sich Zelluläre Automaten besonders für die Beobachtung von Makroverhalten, das sich durch zahlreiche Ereignisse und Interaktionen auf der Mikroebene ausbildet.1358

Zelluläre Automaten verbinden im Gegensatz zu den bisher betrachteten Simulationsmethoden Erklärung (z. B. Mehrebenensimulation) und Vorhersage (z. B. Mikrosimulation; hier Stauprognosen in Verkehrssimulationen1359) und können sowohl quantitative als auch qualitative Sachverhalte (vgl. IV-2.2 f) abbilden. Ferner besteht die Möglichkeit, mit ihnen Kommunikation (Rück-

kopplungen) zwischen den simulierten Entitäten darzustellen. Diese können in großer Zahl (Vielzahl) vorliegen, jedoch nicht detailliert ausgestaltet werden (keine Varietät), so dass sie vorwie-

1358

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 131. Auf Zellulären Automaten basierende Simulationen können in Bezug auf die Zeitabhängigkeit als reminiszent eingestuft werden (vgl. IV-2.2 c). 1359 Vgl. Hafstein, S.F./Chrobok, R./Pottmeier, A. u. a. (2004).

236

Teil IV-3: Simulation 1360

gend in der Gesamtheit eine homogene Menge bilden (vgl. Tabelle IV-1).

Das bedeutet, dass

im Extremfall die Zellen nur dichotome Zustände repräsentieren können (vgl. Game of Life).

Simulationen auf Basis zellulärer Automaten machen deutlich, wie sich aufgrund von Entscheidungen auf der Mikroebene komplexes emergentes Verhalten auf der Makroebene ausprägen kann.1361 Ordnung, Struktur und Gruppierung ergeben sich durch lokale Regeln. Diese bilden die Grundlage für Selbstorganisation, welche sich im Falle der Zellulären Automaten experimentell nachweisen lässt.1362 Zur Bestimmung des zukünftigen Zellzustands werden lediglich die Merkmale der lokalen Nachbarschaft herangezogen, so dass Informationen fehlen, um rationale Entscheidungen (aus Perspektive der Gesamtebene) zu ermöglichen. Die Beschränkung auf lokale Nachbarschaften sowie die limitierte Informationsverarbeitungskapazität stellen die Voraussetzung für begrenzt rationales Verhalten dar. Ergo ist begrenzte Rationalität mittels Zellulärer Automaten darstellbar.

Darüber hinaus werden Beziehungen zu Elementen, die neu in das System eintreten, aufgebaut (Offenheit), welches beispielhaft anhand des Verkehrsinformationssystems deutlich wird. An modellierten Auffahrten, die sich an den Grenzen des Feldes befinden, werden neu simulierte Fahrzeuge in das System aufgenommen, mit denen die bereits vorhandenen interagieren, indem sie z. B. ihre Geschwindigkeit anpassen. Zelluläre Automaten sind jedoch nicht in der Lage, einen Vergangenheitsbezug abzubilden, da es für den nächsten zu ermittelnden Zustand nicht von Bedeutung ist, wie der gegenwärtige erreicht wurde.

Die vorangegangene Beurteilung zeigt, dass Simulationen basierend auf Zellulären Automaten eine Vielzahl der Eigenschaften komplexer (sozialer) Systeme abbilden können. Ferner zeichnet sich der Ansatz durch seine Einfachheit aus, so dass er sich konzeptionell für die Simulation von komplexen Systemen besonders durch weniger methodisch geschulte Anwender eignet. „In CA [Zelluläre Automaten; Anmerkung des Verfassers] based models one finds an (almost) inherent ‚spirit of simplicity’ in approaching complexity.“1363

1360

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 13, Tabelle 1.1. Vgl. Schelling, T.C. (1971), S. 143ff. 1362 “In such experiments as there are a large number of elements, one might expect there to be a very large state space. However, when initiated with random conditions they tend to converge to small areas of this space (attractor basins), they self-organise.” Richardson, K.A. (2003), S. 8. 1363 Vgl. Hegselmann, R. (1996a), S. 304. 1361

Teil IV-3: Simulation

237

Kritisch muss jedoch angemerkt werden, dass die Annahme von weitgehend homogenen und einfachen Entitäten eine unzulässige Einschränkung zur Beschreibung sozialer Systeme ist.1364 Des Weiteren weisen Zelluläre Automaten Limitierungen hinsichtlich der Rückkopplungen zwischen den Zellen auf. „[E]ach cell is constrained to interact with the same number of neighbors as every other cell; clearly, in organizations some individuals have many more ties than others do.“1365 Ferner besteht eine besondere Gefahr durch die potentielle Produktion von Artefakten, die auf mangelhaft entwickelten Aktualisierungsprozeduren beruhen und zu dysfunktionalen Schlussfolgerungen führen können. Ebenfalls werden die Zeitfortschreibung in festgelegten und diskreten Schritten sowie die (primär) deterministischen Regeln bemängelt, da diese Annahmen entsprechen, die sozialen Organisationen nicht zugeordnet werden können (vgl. III-1 und III2).1366 Entsprechend sind Zelluläre Automaten aufgrund der genannten Kritikpunkte nur begrenzt zur Simulation sozialer Systeme geeignet.

3.3

Fazit: Simulation in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und zusammenfassende Beurteilung der betrachteten Methoden

Simulation ist nach WEIN/WILLEMS/QUANJEL das Nachbilden und Erkunden der Realität durch risikofreies Experimentieren.1367 Diese Auffassung findet durch den primären Einsatz der Simulation in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Bestätigung, bei dem auf Basis von Analysen verschiedener Szenarien versucht wird, Aussagen zur Erklärung und Vorhersage von Systemverhalten zu treffen.1368

In Bezug auf den bereits in II-1.5 angesprochenen, grundlegenden Konflikt, ob Deduktion oder Induktion das (einzig) „wahre“ wissenschaftliche Vorgehen sei, bietet die Simulation einen möglichen dritten (Aus-)Weg. „If one cannot make a deduction from a model as specified, one can either simplify the model to analyze it or one can simulate its components and investigate its behavior. The tendency, until quite recently, has been to simplify a model rather than simulate it. There is a growing recognition that such simplification can make a model unnecessarily unrealistic and uninteresting. Simulation may offer a way to circumvent the limitations imposed by in-

1364

Darüber hinaus können Pfadabhängigkeit, Selbstreferenz und Autopoiese mithilfe Zellulärer Automaten nicht abgebildet werden (vgl. Tabelle IV-1). 1365 Anderson, P.W. (1999b), S. 226. 1366 Dies kann dadurch umgangen werden, dass die diskreten Zeitschritte in infinitesimal kleine Schritte partitioniert werden (Annäherung an kontinuierlichen Zeitverlauf). 1367 Vgl. Wein, B./Willems, R./Quanjel, M. (2000), S. 279. „Experimentation with a simplified imitation (on a computer) of an operating system as it progresses through time, for the purpose of better understanding and or improving that system.“ Robinson, S. (2004), S. 4. 1368 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 6. Einschränkend ist anzumerken, dass damit lediglich die Entscheidungsfindung unterstützt – jedoch nicht abgenommen – werden kann. Vgl. O'Kane, J.F. (2003), S. 13.

238

tractable models.“

Teil IV-3: Simulation 1369

Simulation basiert auf den im Modellbildungsprozess getroffenen Annah-

men über die wahrgenommene Realität, welches dem deduktiven Vorgehen entspricht. Anstatt Theoreme abzuleiten, werden Daten generiert, die anschließend induktiv zu analysieren sind.1370

Zusammenfassend liefert Tabelle IV-1 anhand der Klassifikationskriterien für Modelle (vgl. IV2.2) einen Überblick über die betrachteten Simulationsmethoden und stellt in aggregierter Form deren Potenzial zur Abbildung der Eigenschaften komplexer Systeme (vgl. III-1) dar.1371 Die agentenbasierte Simulation wird in IV-4 behandelt; zur besseren Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit ist diese Methode bereits vorab an dieser Stelle angeführt.

Die vorhergehenden Betrachtungen können in der zentralen Aussage zusammengefasst werden, dass bisher keiner der untersuchten Simulationsansätze sämtliche Anforderungen an eine Simulation von komplexen Systemen wie Organisationen erfüllt. Dies bezieht sich vor allem auf die in sozialen Systemen vorhandene, begrenzte Rationalität sowie Ordnungsbildung (repräsentiert durch die Eigenschaften Selbstorganisation, Selbstreferenz, Emergenz und Autopoiese). Diese Erkenntnis bildet die Basis für die Forderung nach einem „neuen“ Simulationsparadigma, auf das im folgenden Kapitel (vgl. IV-4) eingegangen wird. Dennoch soll der Nutzen der bisher betrachteten Ansätze für andere (nicht in der vorliegenden Arbeit verfolgte) Modell- bzw. Simulationszwecke nicht aberkannt werden.

1369

Johnson, P.E. (1999), S. 1511. Vgl. Axelrod, R.M. (1997a), S. 24. 1371 Für die Klassifikationsmerkmale Darstellungsform und Form der Erkenntnis (vgl. IV-2.2 a bzw. j) lassen sich aus der Literatur keine eindeutigen Einstufungen der Simulationsmethoden ableiten. 1370

Teil IV-3: Simulation Tabelle IV-1:

239

Übersicht über Modell- bzw. Klassifikationsmerkmale der Simulationsmethoden und deren Vermögen zur Abbildung von Eigenschaften komplexer Systeme System Dynamics

Mikrosimulation

Ereignisbasierte Simulation

Mehrebenensimulation

Zelluläre Automaten

Agentenbasierte Simulation

Zeitliche Stabilität und Zeitfortschritt

dynamisch; diskret bis kontinuierlich

dynamisch; diskret

dynamisch; diskret

dynamisch; diskret bis kontinuierlich

dynamisch; diskret

dynamisch; diskret

Zeitabhängigkeit

reminiszent

reminiszent

reminiszent

reminiszent

reminiszent

reminiszent

Lösungsverfahren

Simulation

Simulation

Simulation

Simulation

Simulation

Simulation

Folgerungsmethode

deterministisch

stochastisch

deterministisch, stochastisch

deterministisch, stochastisch

deterministisch, (stochastisch)

deterministisch, stochastisch

Operationalisierung

quantitativ

qualitativ, quantitativ

qualitativ, quantitativ

qualitativ, quantitativ

qualitativ, quantitativ

qualitativ, quantitativ

Funktionen

nichtlinear

nichtlinear

nichtlinear

nichtlinear

regelbasiert

regelbasiert

Abbildungsebene

Makroebene

Mikro- und Makroebene*

Mikroebene

Mikro- und Makroebene

Mikro- und Makroebene

Mikro- und Makroebene

Modellzweck

Vorhersage

Vorhersage

Vorhersage

Erklärung

Erklärung, Vorhersage

Erklärung, Vorhersage

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Vielzahl und Varietät

nein

ja

ja

partiell

partiell

ja

Pfadabhängigkeit

nein

ja

ja

ja

nein

ja

Rückkopplungen

nein

nein

nein

partiell

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

ja

Offenheit

nein

nein

nein

partiell

ja

ja

Begrenzte Rationalität

nein

nein

nein

nein

ja

ja

Selbstorganisation

nein

nein

nein

partiell

ja

ja

Selbstreferenz

nein

nein

nein

partiell

nein

ja

Emergenz

nein

nein

nein

partiell

ja

ja

Autopoiese

nein

nein

nein

partiell

nein

ja

Dynamik

Nichtlinearität

* jedoch ohne Verbindung von Makroebene in Richtung Mikroebene (nur unidirektional, bottom-up)

240

4

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Agentenbasierte Simulation

Wie in IV-3.2 beschrieben können Urbilder vorliegen, die sich durch Mehrdeutig- und Widersprüchlichkeit (vgl. Mess bzw. komplexe Systeme) charakterisieren und die mit den in IV-3.2.1 bis IV-3.2.5 untersuchten Simulationsmethoden nicht angemessen abbildbar sind. Im Folgenden wird die agentenbasierte Simulation1372, ein im wissenschaftlichen Schrifttum1373 (u. a. Soziologie, Computer Science) als viel versprechend eingestuftes Simulationsverfahren, auf ihre Fähigkeit zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Organisationenverhalten untersucht. Dies erfolgt, indem die agentenbasierte Simulation auf ihre Fähigkeit zur Abbildung der in III-1 identifizierten Eigenschaften komplexer Systeme überprüft wird. Mit drei Anwendungsbeispielen soll der aktuelle Kenntnisstand dokumentiert, die Potentiale identifiziert und auf mögliche Limitationen bei der Implementierung hingewiesen werden.

Die besondere Herausforderung der Untersuchung agentenbasierter Simulation besteht in der Literaturanalyse. Die relevanten Autoren bedienen sich zumeist entweder einer sehr technischen1374, d. h. primär an Informatiker bzw. Programmierer mit wissenschaftlichem Hintergrund gewandte Terminologie bzw. Syntax, oder einer sehr metaphernreichen z. T. unpräzisen Darstellung der Sachverhalte.1375 Diese Voraussetzungen erschweren die Vergleichbarkeit der Begriffe und Erkenntnisse sowie deren Übertragbarkeit auf organisationswissenschaftliche Fragestellungen.

4.1

Begrifflich-terminologische und methodische Grundlagen

Zunächst erfolgt eine Abgrenzung und Spezifikation der Begriffe sowie der unterschiedlich gearteten Entitäten, die der agentenbasierten Simulation zu Grunde liegen, wie Agent, Regel, Umwelt und Interaktion bzw. Rückkopplungen. Z. T. ist ein diffuses Verständnis und ein uneinheitlicher Gebrauch der Termini in Wissenschaft und Praxis festzustellen.1376

1372

In agentenbasierten Simulationen interagieren immer mindestens zwei Agenten in einem betrachteten Modell. Folglich werden ausschließlich Simulationen mit mindestens zwei Agenten betrachtet. Auf den Zusatz „Multi“ wird in der Folge verzichtet und der Einfachheit halber von agentenbasierten Simulationen gesprochen. Die in der Literatur verwendeten Begriffe agentenbasierte Simulation, agentenbasierte Simulationsmodelle, Multiagentensimulation, multiagentenbasierte Simulation etc. werden nachfolgende synonym verwendet. 1373 Vgl. u. a. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005); Kappelhoff, P. (2002b); Richardson, K.A. (2005b); Conte, R./Gilbert, N./Sichman, J.S. (1998), S. 1ff. Conte, R. (2002), S. 7189f. 1374 Vgl. u. a. Nawarecki, E./KoĨlak, J./Dobrowolski, G. u.a. (2005), S. 132ff; Dobrowolski, G. (2005), S. 173ff; Kefalas, P./Stamatopoulou, I./Gheorghe, M. (2005), S. 122ff; Downing, T.E./Moss, S./Pahl-Wostl, C. (2001), S. 198ff; Henoch, J. (2003); Huhns, M.N./Stephens, L.M. (2000), S. 79ff; Berger, T. (2004), S. 77ff; Wright, H.T. (2000), S. 373f. 1375 Vgl. Klenk, J./Binnig, G./Schmidt, G. (2000), S. 151ff; Tsoukas, H./Hatch, M.J. (2001), S. 979ff; Luhman, J.T./Boje, D.M. (2001), S. 158ff; Morcöl, G. (2001), S. 104ff; Knowles, R.N. (2001), S. 122ff; Stacey, R.D. (2003a). Die Rückschau zeigt, dass dies zu Lasten der analytischen Rigorosität erfolgt ist. Vgl. Elliott, E./Kiel, L.D. (2004), S. 121. 1376 Vgl. Pidd, M. (2004); North, M.J./Macal, C.M. (2006)¸ Robertson, D.A. (2005). Vgl. analog die diffuse Verwendung von Modellierung bzw. Simulation in IV-1.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

4.1.1

241

Agent

Der Agentenbegriff wird in den verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen sowie in der Umgangssprache oft mit divergierenden Bedeutungsinhalten verwendet.1377 Beispielsweise setzt die betriebswirtschaftliche Literatur – vor allem die Organisationswissenschaft – den Agentenbegriff zur Beschreibung und Untersuchung von Transaktionen zwischen Akteuren ein.1378 Darüber hinaus ist er in den letzten Jahren häufig bei Internetanwendungen als Softwareagent aufgetreten. Diese Agenten (so genannte softbots) durchsuchen das Internet beispielsweise nach Produkten und deren Preise und unterstützen damit den Anwender bei der Recherche. Im Besonderen werden sie in der Marketingforschung im Zusammenhang von Auktionen und Kaufprozessen diskutiert.1379 Mit diesen Agenten werden jedoch lediglich Routinetätigkeiten abgebildet. Sie sind primitiv gestaltet und deshalb für die vorliegende Arbeit von vernachlässigbarer Relevanz.

Der Agentenbegriff in Verbindung mit der Simulation von Organisationsverhalten weist zwar in Teilbereichen Parallelen mit den „Softbots“ auf, ist aber deutlich umfassender und mit einem „neuen“ (Agenten-)Paradigma verbunden. Eine allgemeingültige Begriffdefinition ist bisher jedoch noch nicht vorhanden.1380 Ursache hierfür ist u. a. die divergierende Bedeutung der verschiedenen Agentenattribute in sich wandelnden Domänen (Umgebungen, Realitätsausschnitten) und die differente Akzentuierung der involvierten heterogenen Forschungsdisziplinen.1381 Beispielsweise ist die Lernfähigkeit der Agenten in einigen Anwendungen für den Fortbestand des Systems eine notwendige Voraussetzung; in anderen hingegen nicht erwünscht. Für die zahlreichen Versuche, den Agentenbegriff möglichst umfassend zu beschreiben,1382 steht stellvertretend der Beitrag von FRANKLIN/GRAESSER: „An agent is a system situated within and a part of an environment that senses the environment and acts on it, over time […] and so as to effect what it senses in the future.”1383 Jedoch ist dieser Versuch einer Definition durch geringe Spezifität und Erklärungskraft gekennzeichnet. WOOLDRIDGE fordert in diesem Zusam1377

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005); S. 172ff; Lee, J./Berley, M. (Hrsg.) (2003); Etzioni, O./Weld, D.S. (1995), S. 44ff; Davidsson, P. (2002); Drogoul, A./Vanbergue, D./Meurisse, T. (2003), S. 1ff; Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995), S. 115ff. Allen Begriffen ist gemein, dass Agenten sich durch Autonomie auszeichnen. 1378 Vgl. Principal-Agent-Theorie als Teilbereich der Neuen Institutionenökonomik. Vgl. Eisenhardt, K.M. (1989), S. 57ff. Als Wurzel der Theorieevolution von Prinzipal und Agent gilt die Grundlagenarbeit von Berle, A.A./Means, G.C. (1932), in der erstmalig eine strukturierte Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Eigentum an und Verfügungsgewalt über Unternehmen erfolgt ist. 1379 Vgl. Möllenberg, A. (2003); Zarnekow, R. (1999), S. 9ff; Zelewski, S. (1998), S. 305ff. 1380 Vgl. Wooldridge, M.J. (2002), S. 5; Wooldridge, M.J. (2000), S. 28; Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 56. 1381 Vgl. Arthur, B.W. (1991); Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995); Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997); Brazier, F.M./van Eck, P.A./Treur, J. (1997); Brenner, W./Zarnekow, R./Wittig, H. (1998); Axtell, R. (2000); Bossel, H. (1992a); Bossel, H. (1992b); Klügel, F. (2001); Tambe, M./Pynadath, D.V. (2001); Glaser, N. (2002). 1382 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 172, die keinen einheitlich verwendeten Agentenbegriff ausmachen. 1383 Franklin, S./Graesser, A. (1997), S. 25. Vgl. analog Russel, S.J./Norvig, P. (2004), S. 55.

242

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

menhang, dass statt einer umfassenden Begriffsbestimmung eine -annäherung über eine Explikation (der Eigenschaften) zu erfolgen hat – analog zu komplexen Systemen in III-1.1384

Für die Explikation des hier verwendeten Agentenbegriffs werden Eigenschaften zu Grunde gelegt, die u. a. auf den Methoden und Erkenntnissen der Künstlichen Intelligenz (vgl. II-2.5.5) beruhen.1385 Die Künstlichkeit besteht hierbei in der Nachbildung von Entitäten (Subjekte und Objekte), während die Intelligenz des Agenten im Gegensatz zu „nicht-intelligenten“ Agenten dadurch gekennzeichnet ist,1386 dass sie nicht Prozeduren und Funktionen ausführt, sondern sich auf Inferenzmethoden (hier Regeln; vgl. IV-4.1.2) zur Umsetzung ihrer Aufgaben stützt.1387 Trotz unterschiedlicher Betrachtungsperspektiven können folgende grundlegende (weitgehend überschneidungsfreie) Agenteneigenschaften identifiziert werden:1388

x

Autonomie

Die mit dem Agenten verbundene Aufgabe wird autonom, d. h. selbst bestimmt ausgeführt.1389 In der Literatur besteht jedoch Uneinigkeit darüber, wie diese Autonomie aufzufassen ist. RUSSELL/NORVIG bezeichnen einen Agenten erst dann als autonom, wenn sein Verhalten durch eigene Erfahrung gelenkt wird. CASTELFRANCHI dagegen geht bereits bei schwach ausgeprägtem selbst gesteuerten Verhalten von der Autonomie eines Agenten aus.1390 Ergo ist anzunehmen, dass der Agent weder völlig autonom noch völlig abhängig agiert (vgl. die Diskussion zur Offenheit und Selbstreferenz komplexer Systeme in II-1).

x

Kommunikation und Anordnung

Um seine Aufgabe erfüllen zu können, interagiert ein Agent mit seiner Umwelt über eine zuvor spezifizierte formale Sprache.1391 „Ein Agent nimmt seine Umwelt über Sensoren war und verän-

1384

Vgl. Wooldridge, M.J. (2000), S. 32f; Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995), S. 115ff. Vgl. Kowalski, T.J./Levy, L.S. (1996). 1386 Zu Gunsten der Lesbarkeit wird nachfolgend auf das Adjektiv „intelligent“ verzichtet und fortan vereinfachend von Agent(en) gesprochen. 1387 Inferenzmethoden nehmen mithilfe logischer Schlüsse eine automatische Verarbeitung von Wissen vor und stellen sich daher als eine der Schlüsseltechniken der Künstlichen Intelligenz dar. Sie sind besonders für Expertensysteme, intelligente Agenten, logische Programmiersprachen und die Verifikation und Synthese von Programmen von Bedeutung. Vgl. Wallen, L. (1990). 1388 Vgl. Krogh, C. (1996), S. 3; Klügl, F. (2001), S. 17; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 174ff; Franklin, S./Graesser, A. (1997), S. 24ff; Jennings, N.R./Wooldridge, M.J. (1998), S. 3ff; Etzioni, O./Weld, D.S. (1995), S. 44ff. Vorwiegend kennzeichnen diese Eigenschaften so genannte Daemons in Computerbetriebssystemen. Damit sind Prozesse gemeint, die selbsttätig im Hintergrund ohne Eingreifen des Benutzers laufen und eigenständig Aktionen durchführen können (z. B. das automatische Aktualisieren eines Virensuchprogramms über das Internet). Dabei können sie auf ihre Umwelt reagieren, z. B. indem sie das Installieren der aktualisierten Dateien verzögern, bis genügend Rechenleistung frei ist und mit anderen Daemons „aushandeln“, wer als nächstes auf benötigte Ressourcen zugreifen darf. 1389 Vgl. Jennings, N.R./Wooldridge, M.J. (1998), S. 4. 1390 Vgl. Castelfranchi, C. (1998), S. 157ff. 1391 Vgl. Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995), S. 116. 1385

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

243

dert sie über seine Effektoren. Der Agent lebt in dieser Umgebung, und muss mit den Änderungen, die er selbst und andere in dieser Umwelt vorgenommen haben, zurechtkommen.“1392

x

Reaktivität und Proaktivität

Agenten sind in der Lage, ihre Umgebung wahrzunehmen (z. B. die physische Welt, den Benutzer sowie andere Agenten) und mit ihren Handlungen auf sich dort ereignende Änderungen zu antworten. Ihre Aktionen sind nicht ex ante determiniert, sondern werden durch die Situation beeinflusst.1393 Gleichsam sind zielgerichtete selbstinduzierte Verhaltensweisen der einzelnen Agenten für diese charakteristisch. Ergo können sie auch als (proaktive) Initiatoren fungieren.1394

x

Wissen, Meinung und Schlussfolgerung

Agenten stützen ihre Handlungen auf Schlussfolgerungen, die sie aus ihrem Wissen bzw. ihrer Meinung über die Umgebung oder andere Agenten ziehen. Zur Unterscheidung von Wissen und Meinung ist zu berücksichtigen, dass von ersterem nur ausgegangen werden kann, wenn Informationen vollständig und fehlerfrei vorliegen. Andernfalls bildet der Agent eine Meinung, die fehlerbehaftet sein kann.1395

x

Ziele und Planung

Agenten verfolgen selbst definierte Ziele. Zur Erreichung dieser bedienen sie sich der Planung, d. h. sie legen Teilziele fest und entscheiden selbstständig, welche Handlungen sie ihren Absichten näher bringen. Die Intentionen sind nicht als starr aufzufassen, sondern können auf Basis sich ändernder Gegebenheiten in der Umwelt fortwährend neu definiert werden.1396 Agenten in Organisationen werden nicht als optimizer, sondern als satisficer ihrer subjektiven Bedürfnisse aufgefasst. D. h. sie streben nicht zwingend nach der optimalen (aus Sicht des Gesamtsystems) Position (z. B. in den so genannten fitness landscapes, vgl. III-1.12), vielmehr geben sie sich auch mit Lösungen unterhalb dieses Optimums zufrieden, sofern die subjektiven Bedürfnisse befriedigt werden (vgl. Überlebenssicherung in III-1.2).1397 „Agents adapt by moving, imitating, replicating, or learning, but not by calculating the most efficient action.”1398

1392

Klügl, F. (2001), S. 14; Vgl. sinngemäß Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995), S. 116ff. Vgl. Klügl, F. (2001), S. 15. 1394 Vgl. Franklin, S./Graesser, A. (1997), S. 29. 1395 Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 174ff. 1396 Vgl. Dooley, K. (2002), S. 838ff. Adaption bzw. Lernen können durch lernende und evolutionäre Algorithmen oder durch zuvor festgelegte Regeln implementiert werden. Einen Überblick über lernende Algorithmen (neuronale Netze) und Anwendungsfelder findet sich bei Zell (2003). Für evolutionäre Algorithmen siehe Michalewicz, Z. (1996). 1397 Vgl. Carley, K.M. (2002b), S. 259. 1398 Holland, J.H. (1996), S. 43. 1393

244

x

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Emotionen

Unklar ist bisher, ob und in welchem Ausmaß Emotionen durch Computer darstellbar sind.1399 Agenten werden mit Indikatoren ausgestattet, die Gefühlszustände wie Freude, Angst oder Wut beschreiben sollen. Dies kann z. B. durch Rückkopplung mit geringerem Informationsgehalt umgesetzt werden. Die Variablen werden nach psychologisch fundierten Regeln angepasst und nehmen Einfluss auf das Agentenverhalten (vgl. Rückkopplungen in III-1.6).1400

x

Heterogenität

Grundsätzlich werden Agenten als heterogene Entitäten angesehen, d. h. verallgemeinernde Annahmen über das Verhalten der Agenten (z. B. durch die Bildung von „Durchschnittsagenten“) müssen nicht getroffen werden (vgl. Varietät in III-1.4).

x

Anthropomorphismus (Übertragung menschlicher Eigenschaften)

Agenten können menschliche Verhaltenszüge aufweisen.1401 Sie versuchen, individuelle mentale Denkweisen wie Ziele, Wünsche, Vorstellungen oder Attribute wie Redlichkeit oder Loyalität abzubilden.1402 „Denn nur durch die Demonstration menschlicher Eigenschaften kann ein [...] Agent in diesen Fällen seine internen Zustände glaubwürdig übermitteln und seine eigentliche Identität [...] gegenüber dem Nutzer [bzw. Beobachter der Simulation, Anmerkung des Verfassers] verbergen.“1403 Der angestrebte Anthropomorphismus von Agenten bedeutet besonders für die Simulation sozialer Systeme großes Potential und wird daher in den Sozialwissenschaften intensiv diskutiert.1404

x

Intelligenz

Nach FRANKLIN/GRAESSER bestimmen drei Einflussgrößen die Intelligenz eines Agenten: Qualität und Ausmaß des Wissens, die Fähigkeit, Schlussfolgerungen auf Basis von Wissen zu ziehen, und die Befähigung zum Lernen.1405 Die Lernfähigkeit eines Agenten drückt sich in dessen Bestreben aus, sich auf Basis seiner Erfahrungen weiterzuentwickeln (vgl. Pfadabhängigkeit in III-1.5) und seine Verhaltensweisen stets an die Umwelt anzupassen (vgl. Offenheit in III-1.8).

1399

Eine philosophische Betrachtung der Frage, ob Maschinen intelligent handeln oder denken können, also ob es möglich ist, menschengleiche Maschinen zu entwickeln, wird bei RUSSEL/NORVIG diskutiert. Vgl. Russel, J.S./Norvig, V. (2004), S. 1149ff. 1400 Vgl. Doran, J. (1997), S. 75. 1401 Vgl. Krogh, C. (1996), S. 3ff; Zarnekow, R. (1999), S. 23. 1402 Vgl. Franklin, S./Graesser, A. (1997), S. 29; Axtell, R. (2000), S. 2. 1403 Zarnekow, R. (1999), S. 23. 1404 Vgl. Séror, A.C. (1995), S. 20ff; Gilbert, N. (1999), S. 1485ff; Doran, J. (2001), S. 383; Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 195. 1405 Vgl. Franklin, S./Graesser, A. (1997), S. 29.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

245

Aus der vorangegangenen Begriffsexplikation anhand der Agenteneigenschaften lässt sich für die Verwendung des Begriffs in der vorliegenden Untersuchung folgende Arbeitsdefinition ableiten, die an WOOLDRIDGE/JENNINGS angelehnt ist, der hohe Akzeptanz beigemessen wird und die mit den in der vorangegangenen Explikation aufgeführten Eigenschaften übereinstimmt.1406

Unter einem Agent wird ein artifizielles („soziales“) Element verstanden, das in autonom gesteuerte Interaktionen mit der umgebenden Umwelt1407 tritt und dabei individuelle veränderliche Interessen verfolgen kann.

Dementsprechend sind Agenten die „Personen” in einer künstlichen (modellierten) Gesellschaft.1408 Jeder Agent verfügt über einen individuellen internen Zustand („Quasi-Persönlichkeit“) sowie über variable Verhaltensregeln.1409

Für die Modellierung von Agentenverhalten können drei grundlegende Agentenklassen unterschieden werden:1410 Reaktive Agenten reagieren auf Meldungen aus ihrem Umfeld durch Senden von Nachrichten an andere und mit Aktualisierungen ihrer inneren Zustände.1411 Dies erfolgt nach festgelegten Regeln, die der Agent nicht verändern kann. Intentionale Agenten verfügen über die Reaktionsfähigkeiten reaktiver Agenten, können darüber hinaus aber durch die Befolgung von Metaregeln sowie motivationalen Aspekten Ziele selbst setzen und modifizieren,1412 d. h. ihnen ist es möglich, Konflikte zu erkennen, Prioritäten zu setzten und das Erreichen eines Ziels zu planen.1413 Soziale Agenten weisen mit „realen“ Organisationsmitgliedern wesentliche Gemeinsamkeiten auf und bilden daher als dritte Klasse den Betrachtungsgegenstand der Arbeit. Über die Fähigkeiten der zuvor genannten Agenten hinaus sind diese in der Lage, (Denk-)Modelle von anderen (z. B. konkurrierenden) Agenten zu erkennen, deren Verhalten zu prognostizieren und in die eigene Planung zukünftiger Aktivitäten einzubeziehen. Intentionale und reakti1406

Vgl. Wooldridge, M.J./Jennings, N.R. (1995), S. 115. Dort wird ein Agent mit einem softwarebasierten Computersystem gleichgesetzt. Ein Computersystem, das in diesem Zusammenhang gleichbedeutend mit einem Computerprogramm bzw. einem dazu gehörigen Teil wie einem Prozess oder einem Thread ist. Zur Akzeptanz vgl. Zarnekow, R. (1999), S. 15; Ferber, J. (2001); Klügl, F. (2001). 1407 Vgl. IV-4.1.3. 1408 Vgl. Huhns, M./Singh, M.P. (Hrsg.) (1998). 1409 Vgl. Axtell, R. (2000), S. 2. In dem Beispiel von EPSTEIN/AXTELL verändern sich z. B. das Geschlecht, der Energieverbrauch und die Sehfähigkeit der Akteure nicht. Individuelle ökonomische Präferenzen, Reichtum und Gesundheit variieren aufgrund von Interaktionen. Vgl. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996), S. 4. 1410 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 56. 1411 Vgl. Doran, J. (2001), S. 383; Klügl, F. (2001), S. 13. 1412 Vgl. Bamberger, S. (1999). 1413 Vgl. Doran, J. (2001), S. 383. DORAN differenziert diese Gruppe weiter in deliberative und adaptive Agenten. Danach beziehen erstere Alternativen in die Entscheidungsfindung mit ein. Adaptive Agenten korrigieren ihr Verhalten bei veränderten Umweltbedingungen.

246

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

ve Agenten werden in der Simulationspraxis primär eingesetzt, während soziale bisher lediglich konzeptionell – in Form einer Idealvorstellung – in der Literatur diskutiert wurden.1414

Vor dem Hintergrund der Modellierung von Organisationsverhalten können aufbauend auf der Begriffsexplikation und Arbeitsdefinition des Agentenbegriffs diejenigen Entitäten in Softwaresystemen bzw. -programmen als Agenten bezeichnet werden, die mit Eigenständigkeit (Autonomie) ausgestattet sind, ihr Handeln einem subjektiven Rationalitätskalkül unterwerfen und sich planvoll auf das Erreichen von als erstrebenswert angesehenen Zuständen (Zielen) ausrichten.1415 Für Agenten liegt Autonomie vor, wenn diese selbstständig über ihr Handeln entscheiden können. Folgen die auszuführenden Aktionen dagegen einem festgelegten Schema, liegt keine Autonomie vor.

Abbildung IV-12 verdeutlicht die Realitätsnähe und Zugänglichkeit von Agentensystemen auf Basis der Unterscheidung von Geschäftsprozessen und Aktivitäten eines Organisationsmitgliedes. Analog zu Organisationsmitgliedern ist ein Agent in mehrere Prozesse gleichzeitig einbezogen bzw. an einem Prozess sind mehrere Agenten beteiligt. Aus Sicht der einzelnen Entitäten (nimmt lediglich seine vor und nachgelagerten Nachbarn wahr) ist nicht notwendigerweise erkennbar, welche weiteren Agenten an diesem Prozess beteiligt sind. Geschäftsprozesse

Aktivitäten der Agenten

Agent 1

Agent n

Abbildung IV-12: Beziehung von Agent und Prozess

1414

Vgl. Cioffi-Revilla, C. (2002), S. 7314ff; Edmonds, B./Möhring, M. (2005), S. 173f; Richiardi, M./Leombruni, R./Saam, N.J. u. a. (2006). 1415 Vgl. Rosenschein, J. (1986), der die Verwendung des Agentenbegriffs zur Bezeichnung eines bestimmten Typs von Softwaresystemen zuerst vorgenommen hat.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

247

Abschließend ist zu erwähnen, dass Agentensysteme gegenüber verteilten Problemlösungssystemen abzugrenzen sind, in denen alle Elemente ein kollektives Ziel verfolgen. In Agentensystemen können die Agenten „egoistisch“ handeln, dass in der Folge konfligierende Ziele auftreten. Zur Darstellung dieser Entitäten wird ein Bottom-up-Ansatz genutzt, der der Betrachtung von Individuen in Organisationen hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, Anforderungen und Schemen zur Koordination entspricht.1416 KIRN hebt heraus, dass mit dem Bottom-up-Ansatz eine neue Simulationsperspektive eingeführt wird.1417 Grundsätzlich gilt: Der Schwerpunkt der Betrachtung liegt auf den einzelnen Agenten und deren Zusammenwirken. Somit ist die Verteilung von Zielen und deren Verfolgung im System für die Trennung der beiden genannten Systemtypen als konstituierend anzusehen (vgl. zum Systembegriff III-1.1).

4.1.2

Regel

Wie sich individuelles Verhalten und Regeln auf die Zusammensetzung von Agenten auswirken, ist eine Frage, die in der wissenschaftlichen Diskussion wiederkehrende Beachtung findet (vgl. IV-2.2, Funktionen).1418 In agentenbasierten Simulationen bilden regelbasierte Schemata das deklarative Mittel zur Beschreibung der prozeduralen Verhaltensaspekte.1419 Sie weisen zwei wesentliche Dimensionen auf: Kondition und Aktion. Die Kondition entspricht den Bedingungen, die eingehalten werden müssen, damit eine Regel befolgt wird. Die Aktion umfasst die mit der Ausführung verbundenen Aktivitäten. Für jeden einzelnen Agenten gilt: ‚Ist die Kondition erfüllt, dann führe die Aktion aus.’

In der Literatur werden Regeln auf der Mikroebene – in Abgrenzung zu globalen Regeln, die auf der Makroebene wirken – als einfach bzw. lokal beschrieben. Nachfolgend wird ausschließlich von lokalen Regeln ausgegangen, da der Begriff der einfachen Regel den lokalen Charakter der Interaktionen nicht ausreichend widerspiegelt.1420 Das fundamentale Potential dieser Regeln besteht darin, sich damit anpassen zu können, zu überleben und lokale Optima zu erreichen.1421 Lokale Regeln können grundsätzlich einfacher nachvollzogen werden, während Makroregeln für elementare „wenn-dann“-Fragen nur sehr aufwendig zu implementieren sind.

1416

Vgl. Carley, K.M./Kjaer-Hansen, J./Newell, A. u. a. (1992), S. 88. Vgl. Kirn, S. (2002), S. 56. 1418 Vgl. u. a. Axtell, R. (2000), S. 2; Schillo, M./Fischer, K./Klein, C.T. (2001), S. 133, Kappelhoff, P. (2002c), S. 57ff. 1419 Vgl. Klügl, F. (2001), S. 61. 1420 Vgl. Haslett, T./Osborne, C. (2003), S. 88. 1421 Mikro- bzw. lokale Regeln können deutlich einfacher ausgestaltet sein als Makroregeln, die sich auf das Gesamtsystem und alle Elemente beziehen müssen, so dass sie grundsätzlich komplizierter formuliert sind. 1417

248

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Grundsätzlich lassen sich drei lokale Eigenschaften unterscheiden. Im Rahmen der Kontextfreiheit ist die jeweilige Regel völlig unabhängig von anderen. Interdependenzen entstehen lediglich dadurch, dass eine Regel die Situation beeinflusst und damit andere Regeln ausgeführt werden. Dies ist jedoch eine mittelbare Manipulation und die Kontextfreiheit für Regelmengen liegt nur vor, wenn keine Indizierung (z. B. Gruppenbildung) dieser erfolgt. Die Eindeutigkeit bezieht sich auf die Konditionen der Regeln. Eine Konfliktauflösung wird obsolet, wenn die für die Ausführung der Aktion notwendige Situationsbeschreibung so eng gefasst ist, dass nur eine Regel anwendbar ist. In sozialen Systemen wie Organisationen stellt dies jedoch die Ausnahme dar. Vertauschbarkeit liegt vor, wenn die Realisierung der Aktionen unabhängig von ihrer Reihenfolge ist. Dies ist jedoch eine Eigenschaft, die sich in regelbasierten Systemen kaum wieder findet.1422 Gleiches gilt für die Reversibilität der Regelanwendung. Im Fall von komplexen Organisationsstrukturen ist eine Verfolgung der Effekte und damit eine mögliche Umkehrbarkeit der Aktionen nicht möglich (vgl. Pfadabhängigkeit in III-1.5).

Aus den genannten drei Regeleigenschaften leiten sich für eine Simulation folgende Konsequenzen ab:1423 Die Regeln sind gleichzeitig aktiv (im Gegensatz zu einer konsekutiv abzuarbeitenden Ereignisliste in IV-3.2.3), d. h. liegt eine die Aktion auslösende Situation vor, wird die Regel ausgeführt, unabhängig (und isoliert) von anderen Regeln. Aus dieser Isolation resultieren jedoch folgende Nachteile: Die Formulierung algorithmischen Wissens wird erschwert, da eine Reihenfolge bei der Ausführung nur indirekt über die Wirkung der Aktionen dargestellt werden kann. Die Nachvollziehbarkeit von Handlungssequenzen bleibt damit undurchsichtig. Darüber hinaus kann regelbasierte Simulation von zeitlicher Ineffizienz geprägt sein, da besonders bei großen Regelmengen in jedem Simulationsschritt sämtliche Vorbedingungen simultan überprüft werden müssen.1424

Dem stehen zentrale Vorteile einer regelbasierten Simulation gegenüber, die vor allem in der Realitätsnähe der Darstellungsform (das Verhalten und die soziale Struktur emergieren auf Basis der Regeln; vgl. auch Abbildung IV-12), in der Unabhängigkeit gegenüber der gewählten Computersprache bzw. Software für die Simulation sowie in der Modularität der Regeln (jede Regel kann unabhängig von anderen Regeln als Wissensfragment formuliert werden) liegen.1425 Ergo

1422

Vgl. Klügl, F. (2001), S. 65. Vgl. Haslett, T./Osborne, C. (2003), S. 87ff. 1424 Mit der rapide steigenden Leistungsfähigkeit der Computer ist dies ein in seiner Bedeutung abnehmender Nachteil. Ein möglicher Ansatz zur Verringerung von Trägheit liegt in der Indizierung, also der Gruppierung von Regeln. Hiermit müssen nicht bei jedem Simulationsdurchlauf sämtliche Regeln überprüft werden, sondern nur eine bereits vorselektierte Anzahl. 1425 Vgl. Haslett, T./Osborne, C. (2003), S. 88. 1423

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

249

erfolgt die Bildung von Regeln auf der Basis intuitiv erfasster Beobachtungen. Dies wird bei der Abbildung der Eigenschaften Selbstorganisation und Emergenz besonders deutlich (vgl. IV-4.4) und in der Würdigung der agentenbasierten Simulation nochmals hervorgehoben (vgl. IV-4.6).

Organisationen werden als regelgeleitete Systeme aufgefasst, denen Konventionen wie Normen, Moral und andere soziale Muster zu Grunde liegen.1426 In diesem Zusammenhang werden Regeln als Strukturen für Aktionen (als prozedurale Spezifikation), als Beschränkungen von Aktionen und als kompilierte Erfahrung begriffen.1427 Im Laufe der Zeit (z. B. im Simulationsablauf) entwickeln sich stabile lokale Regeln, so genannte „patterns“, die sich zu Determinanten der Umwelt ausbilden. Lokale Regeln werden von der Umwelt angenommen und so Unsicherheit und Unruhe verringert.1428 Damit beeinflussen diese das Verhalten des Gesamtsystems nachhaltig.1429 Ergo bildet die Identifikation lokaler Regeln den Ausgangspunkt für agentenbasierte Simulation organisationaler Prozesse. Als Beispiel für lokale Regeln können die aus der Sugarscape-Simulation angeführt werden (vgl. I-1.2): „There are rules of behavior for the agents and for sites of the environment. A simple movement rule for agents might be: Look around as far as you can, find the site richest in food, go there and eat the food. Such a rule couples the agents to their environment. One could think of this as an agent-environment rule. In turn, every site of the landscape could be coupled to its neighbors by cellular automata rules. For example, the rate of resource growth at a site could be a function of the resource levels at neighboring sites. This would be an environment-environment rule. Finally, there are rules governing agent-agent interactions-mating rules, combat rules, or trade rules, for example.”1430

4.1.3

Umwelt

Die Umwelt bestimmt die Eigenschaften, Prinzipien und Prozesse in der Umgebung der Agenten. Sie bildet für diese die Infrastruktur für Interaktionen und schafft damit die Grundlage für deren Existenz.1431 Die Ausprägungen der Umweltcharakteristika können in agentenbasierten Simulationen unterschiedlich gestaltet sein und variieren (pendeln) zwischen folgenden Extremen:1432

1426

Vgl. March, J./Zhou, X./Schulz, M. (2000). Vgl. Gasser, L. (2001), S. 5. 1428 Vgl. Eisenhardt, K.M./Sull, D.N. (2001), S. 114; Maturana, H.R./Varela, F.J. (1998), S. 97. 1429 Vgl. Carley, K.M. (1996b), S. 175ff; Carley, K.M./Kjaer-Hansen, J./Newel, A. u. a. (1992), S. 87ff. 1430 Vgl. Epstein, J.M./Axtell, R. (1996), S. 3ff. 1431 Vgl. Odell, J.J./Parunak, van Dyke H./Fleischer, M. u. a. (2003), S. 16; Epstein, J.M./Axtell, R. (1996), S. 4; Weick, K.E. (2003b), S. 184ff. 1432 Vgl. Russel, S.J./Norvig, P. (1995), S. 46. 1427

250

x

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Zugänglich vs. unzugänglich

Eine zugängliche Umwelt ist durch vollständige, aktuelle und zutreffende Informationen gekennzeichnet, die dem Agenten zur Verfügung stehen. D. h. ihm sind z. B. die Ziele und Beziehungen der ihn umgebenden Entitäten bekannt. Andererseits können z. B. die Informationen zwar vorhanden, für die Agenten jedoch nur schwer zugänglich sein, da sie bewusst nicht mitgeteilt oder absichtlich fehlerhaft weitergegeben werden.

x

Deterministisch vs. indeterministisch

Eine deterministische Umwelt ist durch eine zuvor festgelegte (Ab-)Folge von Aktionen charakterisiert, wie sie z. B in Warteschlangenmodellen angenommen werden (vgl. IV-3.2.3). Wie jedoch bereits am Regelbegriff (vgl. IV-4.1.2) und bei der Klassifizierung von Modellen (vgl. IV2.2 e) deutlich geworden ist, wird die Umwelt als indeterministisch betrachtet, da ihre Entitäten keiner expliziten Sequenz von Aktivitäten folgen müssen.

x

Diskret vs. kontinuierlich

Eine Umwelt wird als diskret bezeichnet, wenn eine definierte Anzahl von Aktivitäten und Objekten vorliegt (vgl. Warteschlangensimulation in IV-3.2.3). In komplexen Systemen treten jedoch auch Zustände auf, in denen weder die Aktivitäten noch Objekte determinierbar sind (vgl. Modellklassifikation in IV-2.2 b), so dass die Umwelten auch kontinuierlichen Charakter aufweisen können.

x Statisch vs. dynamisch Eine statische Umwelt verändert sich während der Simulation nicht, d. h. sie nimmt nur einen gleich bleibenden Zustand dauerhaft an (z. B. bezogen auf Anzahl der Entitäten oder die Art der Interaktionen). Eine dynamische Umwelt ist durch fortwährende Veränderung charakterisiert, sowohl in qualitativer als auch quantitativer Form (vgl. Modellklassifikation zeitliche Stabilität in IV-2.2 b). So kann z. B. durch Sterbe- und Geburtsprozesse auf Basis einer stochastischen Verteilung die Anzahl der Entitäten quantitativ variieren oder ihre Eigenschaften qualitativ veränderbar sein.

x

Homogen vs. inhomogen

Homogene Umwelten kennzeichnen sich in der Regel durch gleichartige Agenten, d. h. sie weisen identische Eigenschaften auf und verfolgen das gleiche Ziel (in Abhängigkeit von der gewählten Simulationsmethode; vgl. IV-3.2). In inhomogenen Umwelten wie Organisationen sind die Entitäten mit unterschiedlichen Eigenschaften ausgestattet und können divergierende Ziele

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

251

verfolgen. Im Beispiel der Sugarscape-Simulation liegen zwei verschiedene Umweltzellen vor: die einen produzieren Zucker, die anderen Gewürze (vgl. I-1.2).

Zusammenfassend gilt für die Umwelt komplexer Systeme, dass sie in der Regel für die Agenten unzugänglich, indeterministisch, dynamisch sowie kontinuierlich ist und durch Inhomogenität charakterisiert wird.1433 Darüber hinaus kann anhand so genannter Swarm-Modelle1434 beispielhaft illustriert werden, dass die Umwelt der Agenten eine kommunikative („durch“) und eine physikalische („in“) Dimension hat. Die physikalische Umwelt stellt die notwendigen Voraussetzungen bereit, die den Aufbau und den Erhalt der Population von Agenten steuern und unterstützen. Neben dieser ist die Umwelt als Kommunikationsebene aufzufassen. In individualistischen Agentenumwelten werden Agenten als unabhängige Entitäten aufgefasst, während in kollektivistischen diese als interdependent gelten. Organisationen als Ansammlung von zahlreichen Agenten erfordern eine kollektivistische Umwelt, in der Kommunikation die Grundlage bildet, die aus zwei Elementen bestehen: Zum einen enthält sie die Prinzipien und Prozesse, die den Austausch von Ideen und Informationen ermöglichen. Zum anderen werden Funktionen und Strukturen bereitgestellt, die die Kommunikation unterstützen.

4.1.4

Interaktion

Die Begriffsbestimmung von Interaktion wird in der Literatur durch die Abgrenzung gegenüber den Termini Transmission und Kommunikation vorgenommen.1435 Hiernach sendet im Fall der Transmission ein Agent Informationen aus, die ein zweiter jedoch nicht empfängt. Im Gegensatz dazu empfängt der gegenüberliegende Agent bei der Kommunikation die Information, jedoch ohne darauf zu reagieren, d. h. es liegt kein Informationsaustausch vor. Von Interaktion wird erst ausgegangen, wenn ein Agent Informationen übermittelt, die ein anderer empfängt und eine Rückmeldung zurücksendet. In diesem Fall wird von Rückkopplung (zwischen den Agenten) gesprochen, die eine zentrale Eigenschaft komplexer Systeme darstellt (vgl. III-1.6). Diesen Zusammenhang zwischen Transmission, Kommunikation und Interaktion illustriert Abbildung IV-13.

Interaktion bzw. Rückkopplung erfordert demnach eine bidirektionale reziproke Kommunikation. Jedoch bedeutet die Rückmeldung nicht, dass die ursprüngliche Information bei dem inter-

1433

Vgl. Wooldridge, M.J. (2002), S. 7; Luna, F./Perrone, A. (Hrsg.) (2002). Vgl. Bonabeau, E./Meyer, C. (2001), S. 106ff. Ameisen (hier die Agenten) interagieren und orientieren sich durch die Verteilung von Pheromonen in der Umwelt. Die individuellen Interaktionen führen dazu, dass sich Pfade durch und in der Umwelt entwickeln. 1435 Vgl. Wooldridge, M.J. (2000). 1434

252

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

agierenden Agenten angekommen ist, also ob die Nachricht auch verstanden wurde.1436 Entsprechend gilt eine Nachfrage durch den Agenten, der die Information empfangen hat, ebenso als Interaktion. Diese kann durch direkte (z. B. direkter Informationsaustausch) und indirekte (z. B. über die Makroebene; vgl. die Interaktionsmöglichkeiten in Mehrebenensimulationen in IV-3.2.4) Form erfolgen.

a) Zwei Agenten ohne jeglichen Austausch

c) Kommunikation

b) Transmission

d) Interaktion (Rückkopplung)

Abbildung IV-13: Zusammenhang zwischen Transmission, Kommunikation und Interaktion

4.2

Grundlagen zur Konzeption agentenbasierter Simulation

Bereits Mitte der 1960er Jahre (Ausgangssituation) gab es erste Bemühungen zu einer regelbasierten Simulation, die die heutige Grundlage für agentenbasierte Simulationen bilden.1437 Diese Ansätze hatten sich damals jedoch weder in der Praxis noch in der Forschung durchsetzten können, da ihre Umsetzung durch die zu geringe Leistungsfähigkeit der Computer eingeschränkt war. Dies verdeutlicht, dass bereits seit Langem nach einem Ansatz gesucht wird, der einen Einblick in das Zusammenwirken in und von Organisationen ermöglicht, um deren Verhalten zu verstehen und vor allem um Aussagen über die zukünftige Entwicklung ableiten zu können. Aufgrund der verbesserten Möglichkeiten der Computertechnologie hat sich in den 1990er Jahren eine Gruppe interdisziplinär ausgerichteter Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler der Aufgabe zugewandt, die Methode der Zellulären Automaten (vgl. IV-3.2.5) und Erkenntnisse der Künstlichen Intelligenz1438 (vgl. Teil II-2.5.5) in die Analyse komplexer Systeme zu integrieren und sich der künstlichen Nachbildung von Planungs- und Lernprozessen, Wissensdarstellung 1436

Vgl. Wooldridge, M.J. (2000), S. 83. Vgl. Abelson, R.P./Bernstein, A. (1963), S. 274ff; Abelson, R.P./Carroll, D.J. (1965), S. 24ff. Der erste Ansatz einer agentenbasierten Simulation in den Sozialwissenschaften wurde von SCHELLING vorgenommen, der in seinem Segregationsmodell auf diejenigen Phänomene und Sachverhalte stieß, die bis heute den Gegenstand der aktuellen Forschung zu agentenbasierten Simulationen darstellen. Vgl. Schelling, T.C. (1971), S. 143ff. 1438 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u. a. (1997), S. 55, z. B. bei der Simulation von Lernverhalten durch Neuronale Netze. Im amerikanischen Sprachraum wird gleichbedeutend der Begriff Artificial Intelligence genutzt. 1437

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

253 1439

und -nutzung sowie Kommunikation zu bedienen.

„[A]lthough diverse in their applications

and approaches, [they] generally attempt to create ‘microworlds’ or ‘would-be worlds’ in a computer with the goal of determining how the interactions and varied behaviors of individual agents produce structure and pattern.“1440 Agentenbasierte Simulationen können damit als vermittelndes Element zwischen den vereinzelt metapherngeleiteten Beschreibungen der Komplexitätswissenschaft und den abstrakten und kaum zugänglichen frühen mathematischen Modellen aufgefasst werden. Ergo handelt es sich bei der agentenbasierten Simulationen nicht nur um eine innovative Methode, sondern sie ist auch mit einer neuen „Denkweise“ bzw. einem Paradigmenwandel verbunden, der sich durch seine Regelgeleitetheit und einen qualitativen Erkenntnisgewinn eng an den Sozialwissenschaften orientiert.1441

In Abgrenzung zu den in IV-3.2 betrachteten Simulationsmethoden fokussiert die agentenbasierte Simulation auf die einzelnen Mitglieder einer Organisation1442 und bietet die Möglichkeit, wahrgenommene Objekte (Agenten) unmittelbar in ein Verbalmodell und schließlich in ein formales Modell (Simulationsmodell) zu übertragen.1443 Die Agenten können dabei sehr heterogen und detailliert ausgestaltet werden. „Organizations [in agentenbasierten Modellen; Anmerkung des Verfassers] can use different configurations of agents, designs, tasks, and technology to accomplish the same goal”1444 Damit kann ein enger Zusammenhang zwischen den Objekten der wahrgenommenen Realität, deren Repräsentanten im Verbalmodell und den Entitäten im Formalmodell hergestellt werden, mit dem sich auch der Prozess der Modellbildung (vgl. IV-2.3) vereinfacht.1445 Anpassungen oder Erweiterungen, die durch neue Erkenntnisse aus dem Urbild notwendig werden, können in der agentenbasierten Simulation durch den Einsatz einer objektorientierten Programmiersprache zwar unterstützt werden,1446 bedürfen jedoch ausgeprägter Programmierkenntnisse, so dass es für Laien nicht möglich ist, am Modellentwicklungs- und Simulationsprozess teilzunehmen.1447

1439

Dooley, K. (2002), S. 837; Arthur, B.W. (1991), S. 353ff; Arthur, B.W. (1993), S. 1ff; Axelrod, R.M. (1997b); Carley, K.M. (1996), S. 175ff; Gilbert, N./Doran, J. (Hrsg.) (1995); Gilbert, N./Conte, R. (Hrsg.) (1995); Tesfatsion, L. (2002). Für die Künstliche Intelligenz ist jedoch einschränkend zu bemerken, dass sie sich auf die „Intelligenz“ einer einzelnen Entität bezieht und weniger auf die von ganzen Elementgruppen, wie in agentenbasierten Simulationen. 1440 Elliott, E./Kiel, L.D. (2004), S. 121. Vgl. sinngemäß Casti, J.L. (1997). 1441 Vgl. Doran, J./Gilbert, N.G. (1995), S. 10. 1442 „Whereas discrete event simulation and system dynamics focus on variables and events, agent-based simulation models focus on organizational participants (companies, teams, employees) etc..” Dooley, K. (2002), S. 837. 1443 Vgl. Edmonds, B. (2001), S. 21. 1444 Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 324. 1445 Vgl. Davidsson, P. (2001), S. 99. 1446 Vgl. Krüger, G. (2006), S. 151ff. In diesem Zusammenhang entsprechen Objekte einzelnen getrennten Strukturen eines Computerprogramms, die gekapselt sowohl Daten als auch Prozeduren zu ihrer Verarbeitung enthalten, untereinander in Beziehung stehen und interagieren. Vgl. Witte, T. (1990). 1447 Vgl. Levitt, R.E. (2004), S. 132; Davidsson, P. (2001), S. 99f.

254

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation 1448

Agentenbasierte Simulation (regelgestützt) setzt an der direkten der Individuen oder indirekt

1449

Verknüpfung des Verhaltens

über die Umwelt an (vgl. Abbildung IV-14). Im Gegensatz dazu

werden in gleichungsbasierten Simulationen die Individuen in (repräsentative) „beobachtbare“ Variablen bzw. Messgrößen (so genannte „observables“) übersetzt, die durch Gleichungssysteme zueinander in Beziehung stehen und sich auf dieser Basis verändern können (keine direkte Beobachtung der Individuen möglich).1450 Der Modellierer konzentriert sich im Gegensatz zur agentenbasierten Simulation primär auf die Messgrößen und weniger auf die Relationen, die zwischen ihnen bestehen, die jedoch den Ausgangspunkt für Simulationen bilden sollten. „[I]f the model is expressed and modified directly in terms of behaviours [vgl. agentenbasierte Simulation], implementation of its recommendations is simply a matter of transcribing the modified behaviors of the agents into task descriptions for the underlying physical entities in the real world.”1451

Gleichungen

Regeln

Individuen und Verhalten

(repräsentative) Variablen

gleichungsbasiert agentenbasiert Abbildung IV-14: Konzeptionelle Unterschiede zwischen agentenbasierter und gleichungsbasierter Simulation in der Repräsentation von Elementen des Urbilds1452

Agentenbasierte Simulationen berücksichtigen die gegenseitige Beeinflussung von Mikro- und Makroebene,1453 die durch die Handlungen der einzelnen Agenten entsteht.1454 Hinsichtlich des Modells, das der Simulation zu Grunde liegt, ist zwischen Detailreichtum und Validierbarkeit einerseits und der Dauer eines Simulationsdurchlaufes andererseits abzuwägen.1455 Die Simulation

1448

Eine Agentengruppe kann sich z. B. von der anderen ernähren. Vgl. Wilensky, U./Reisman, K. (1999), S. 1ff. Ameisenstämme konkurrieren z. B. um die knappe Ressource Zucker. Vgl. Sugarscape-Simulationin in I-1.2. 1450 Gleichungsbasierte Ansätze neigen dazu, das abstrakte System von Variablen als real existent zu betrachten und die Aktivitäten der Akteure als Realisation oder Beispiel der abstrakten Theorie zu verstehen. 1451 Parunak, V.D./Savit, R./Riolo, R.L. (1998), S. 22. Da jede einzelne Person des Urbilds durch einen separaten Agenten repräsentiert wird, lassen sich unterschiedliche Verhaltensweisen abbilden. 1452 Vgl. Parunak, V.D./Savit, R./Riolo, R.L. (1998), S. 20. 1453 Diese Trennung wird mit der Anmerkung vorgenommen, dass nicht nur in der Soziologie zusätzlich Meso- und MetaEbenen unterschieden werden. Schillo, M./Fischer, K./Klein, C.T. (2001), S. 136ff. 1454 Vgl. Doran, J. (2000), S. 17; Prietula, M.J./Carley, K.M. (1994), S. 46. 1455 Vgl. Dooley, K. (2002), S. 841. 1449

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

255

benötigt umfangreiche Rechenkapazitäten, da die regelgestützten Handlungen eines jeden Agenten individuell ermittelt werden müssen, so dass agentenbasierte Simulationen oftmals langsamer ablaufen (gleiches Urbild und Rechenleistung vorausgesetzt) als andere Simulationsmethoden (vgl. IV-3.2).1456

Mit Blick auf die Zielsetzung (vgl. Modellzweck in IV-2.2 i) können agentenbasierte Simulationen in zwei Kategorien unterteilt werden:1457 Grundlegende Ansätze versuchen die Basisprämissen durch Modellierung der Sozialtheorien aufzudecken und zu verifizieren.1458 Diese Variante wird in dieser Arbeit jedoch nicht angewendet, da sie primär für den Wissenstransfer von Künstlicher Intelligenz auf die Sozialwissenschaften steht. Gleichwohl behalten die grundlegenden Ansätze eine hohe Bedeutung für die konzeptionelle Durchdringung der agentenbasierten Simulation. Demgegenüber umfassen begrifflich-gegenständliche Ansätze die Entwicklung von Modellierungs-, Simulationstechniken und Agentenspezifikationen, um soziales Verhalten nachbilden und visualisieren zu können. Sie dienen z. B. dem verbesserten Verständnis des Zusammenwirkens in Organisationen. Diese Arbeit konzentriert sich auf die mit begrifflichgegenständlichen Ansätzen verfolgte Zielsetzung, da sie für die Beantwortung der Forschungsfrage den größten Nutzen erzeugt.1459 Trotzdem ist die agentenbasierte Simulation nicht als ein Substitut für die empirische Forschung und die abstrakte Theorienbildung und -prüfung (grundlegende Ansätze) zu verstehen, sondern dient der Erweiterung vorhandener Erkenntnisse bzw. der Auflösung bestehender kognitiver Grenzen.1460

Die drei wesentlichen Anwendungsfelder für agentenbasierte Simulationen (begrifflichgegenständliche Perspektive) können wie folgt differenziert werden:1461 1456

Vgl. Davidsson, P. (2001), S. 100f. Dies gilt unter der Voraussetzung, dass keine verteilten Rechenleistungen zu Grunde gelegt werden. Denn agentenbasierte Simulation unterstützt verteilte Berechnung (distributed computation) auf natürliche Weise. Da jeder Agent als ein separates (Software-)Element modelliert wird, ist es nahe liegend, verschiedene Agenten auf unterschiedlichen Maschinen laufen zu lassen. Dies führt zu verkürzten Simulationsdurchläufen und verbesserter Skalierbarkeit. 1457 Vgl. Schillo, M./Fischer, K./Klein, C.T. (2001), S. 140. 1458 Vgl. Gilbert, N./Doran, J. (Hrsg.) (1995); Conte, R./Gilbert, N. (1995), S. 1ff; Davidsson, P. (2002), Paragraph 2.4. Formale Modelle wurden unter Nutzung von Mathematik, Simulation, Expertensystemen und formaler Logik entworfen. Vgl. Carley, K.M. (1996b), S. 175. Um Simulationsmodelle für eine verbal formulierte Sozialtheorie entwickeln zu können, müssen die mit der Theorie verbundenen Annahmen explizit und formal spezifiziert werden. Dies gilt für sämtliche in der Simulation verwendeten Parameter, so dass jede Form der Unklarheit ausgeräumt werden muss. Das macht die Simulation von sozialen Prozessen, die sich nicht unbedingt parametrisieren lassen, so kompliziert. 1459 Vgl. die Überprüfung der Eigenschaften komplexer Systeme. Der Beitrag, den die Komplexitätswissenschaft zur Weiterentwicklung der Informatik leistet, ist die Einführung eines neuen Paradigmas für die Simulation komplexer Systeme. Vgl. Anderson, P.W. (1999b), S. 218f. Im Gegenzug profitiert sie von der Informatik durch die Bereitstellung eines Ansatzes zur formalisierten Darstellung komplexer Systeme (Simulation des Verhaltens der Systemelemente mittels Softwareagenten). Vgl. Davidsson, P. (2001), S. 98ff; Davidsson, P. (2002), Paragraph 2.9. 1460 Vgl. Schillo, M./Fischer, K./Klein, C.T. (2001), S. 133ff; Axelrod, R.M. (1997b); Hanneman, R.A./Patrick, S. (1997), Paragraph 6.2. 1461 Vgl. Axtell, R.M. (2000), S. 1ff.

256

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Bestätigung und Illustration: Die einfachste Form entspricht konzeptionell den traditionellen Simulationsmethoden, z. B. aus Operations Research wie System Dynamics, in denen das Elementverhalten vollständig durch mathematische Gleichungen beschrieben wird und diese Gleichungen analytisch gelöst werden. Hier dienen agentenbasierte Simulationen zur Bestätigung und Illustration der analytisch ermittelten Ergebnisse.1462 Dieses Vorgehen erfordert somit eine doppelte Simulation und wird daher eher selten vorgenommenen. Dennoch ist ihr Wert nicht zu unterschätzen, da so kontra-intuitive Zusammenhänge in Organisationen visuell demonstriert werden können.

Ergänzung: Der überwiegend vorhandene Anwendungsbereich der agentenbasierten Simulation liegt dann vor, wenn zwar ein mathematisches Modell formuliert, jedoch für dieses keine analytische Lösung ermittelt werden kann. (Es bestehen eine Reihe von Varianten, in denen formale Modelle sich einer eindeutigen Analyse entziehen1463). In dieser Verwendung dienen die agentenbasierten Simulationen der Ergänzung des mathematischen Modells und als „Vorstellungsprothese“, so dass sie komplementär zu den analytisch mathematischen Modellen zu betrachten sind.1464

Substitution: Im Gegensatz dazu steht der dritte Anwendungsbereich. Agentenbasierte Simulationen werden als substituierend zu mathematischen Modellen betrachtet und finden Verwendung, wenn diese nicht formulierbar und nicht analytisch lösbar sind.1465 In diesen Fällen (primärer Anwendungsfall der vorliegenden Arbeit) stellen Simulationen den aktuell einzigen Weg der systematischen Betrachtung und Analyse dar, da für sie a priori kein Datenmaterial vorliegen muss.

Agentenbasierte Simulationen sind ein wirksames Instrument zur Theorienbildung und -prüfung sowie zur Betrachtung von organisationaler Dynamik, da es den Beobachter in die Lage versetzt, ein präzises, konsistentes und vollständiges Aussagesystem (set of propositions) abzuleiten. Durch die Überprüfung der Gültigkeit von Annahmen kann mit dieser Simulationsmethode die potentielle Legitimität unterschiedlicher (theoretischer) Hypothesen beurteilt werden.1466 Agentenbasierte Simulationen „provide theoretical leverage where the global patterns of interest are

1462

Vgl. Elliott, E./Kiel, L.D. (2004), S. 124f. Für stochastisch ermittelte Ergebnisse (z. B. die Monte-Carlo-Simulation) stellen agentenbasierte Simulation eine bestätigende Form bzw. „Kontrollfunktion“ dar. 1463 Ein Gleichgewichtszustand liegt nicht vor, die Stabilität eines Gleichgewichts wird unterminiert oder die Abhängigkeiten zwischen den Agenten sind nicht eindeutig. 1464 Vgl. Axtell, R.L. (2000), S. 7f. 1465 Vgl. Feigenbaum, M. (1988), S. 567. 1466 Vgl. Rosenschein, J. (1986).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

257

more than the aggregation of individual attributes, but at the same time, the emergent pattern cannot be understood without a bottom-up dynamical model of the micro foundations at the relational level.”1467 Da sich Simulationen aus mehreren Teilen zusammensetzten können (Modularität), verwischt die in der Wissenschaftstheorie vorgenommene Aussagenklassifikation zwischen normativ und deskriptiv.1468 Z. B. können die aus Simulationen abzuleitenden Aussagen in Bezug auf eine begrenzt-rationale Individualebene (mikro) deskriptiven und auf der Gesamtsystemebene (makro) normativen Aussagecharakter haben.

4.3

Software

Der folgende Abschnitt bietet einen knappe Darstellung der zur Verfügung stehenden Softwareumgebungen, die sich für agentenbasierte Simulationen sowie für die zu berücksichtigenden Aspekte im Softwareauswahlprozess eignen.1469 Dementsprechend wird keine vollständige und umfassende Darstellung und Handlungsempfehlungen im Sinne eines normativen Vorgehens vorgenommen bzw. ausgesprochen. Grundsätzlich lassen sich die Anforderungen, die an eine Software für agentenbasierte Simulationen gestellt werden, wie folgt zusammenfassen:1470 x Unabhängigkeit von einer spezifischen Sozialtheorie x Transparente Regel- und Prozessdarstellung x Unterstützung bei der Identifikation, Manipulation und Dokumentation der getroffenen Abstraktionen x Möglichkeit zur Validierung und Verifikation des der Simulation zu Grunde liegenden Modells sowie Unterstützung bei der Interpretation der Simulationsergebnisse

Eine systematische Klassifizierung der zur Verfügung stehenden Software wird dadurch erschwert, dass in der Vergangenheit nahezu jede agentenbasierte Simulation mit einem neuen „toolkit“ (d. h. einem eigenen Softwarepaket bzw. einer -bibliothek) ausgestattet wurde.1471 Dennoch lassen sich drei Formen zur Implementation der Simulation von komplexem sozialen Verhalten differenzieren:1472

1467

Macy, M.W./Willer, R. (2002), S. 143. Vgl. Schanz, G. (2004), S. 100ff. 1469 Vgl. Law, A./McComas, M. (1989), S. 28ff; Robinson, S./Pidd, M. (1998), S. 200ff. 1470 Vgl. Edmonds, B. (2003), S. 105ff; Marietto, M.B./David, N./Sichman, J.S. u. a. (2003a), S. 127; Hlupic, V./Paul, R.J. (1996), S. 49ff; Paul, R.J./Giaglis, G.M./Hlupic, V. (1999), S. 1551ff. 1471 Vgl. Klügl, F. (2001), S. 100. 1472 Vgl. Gilbert, N./Bankes, S.C. (2002), S. 7197. 1468

258

x

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

General-purpose-Sprachen

Zu den General-purpose-Sprachen gehören z. B. JAVA, C/C++ oder Pascal. Obwohl diese Sprachen sich bereits seit einigen Jahren etabliert haben, besteht bis heute keine einheitliche Auffassung darüber, welche der zahlreichen General-purpose-Sprachen für die Simulation bevorzugt verwendet werden sollte. Ihre Vorteile liegen in der breiten Akzeptanz bei Programmierern, ihrer objektorientierten1473 Darstellungsform sowie der Möglichkeit, dynamische Modellierungen vornehmen zu können. Nachteilig ist, dass für jede Anwendung die Basisalgorithmen neu festgelegt werden müssen und diese Sprachen sich mehrheitlich nur für Informatiker bzw. Spezialisten eignen (vgl. Beteiligte am Modellbildungs- bzw. Simulationsprozess in IV-2.3).

x

Sammlungen von Programmroutinen (Klassenbibliotheken)

Aufbauend auf General-purpose-Sprachen wurden Sammlungen von Programmroutinen entwickelt, die in andere Simulationen integriert werden können. Damit wird einer der Nachteile der General-purpose-Sprachen, die aufwändige Neuprogrammierung (u. a. bei der Validierung von Regressionsroutinen), behoben. Beispiele für solche Programmroutinen sind Ascape oder SWARM. Ascape kann z. B. auf einer Sammlung von JAVA-Anwendungen basieren, die es Programmierern erlaubt, auf bereits bestehende Programmteile zurückzugreifen, wie z. B. die Bildung von Agenten in sozialen Netzwerken.1474 Trotz der einfachen Anwendbarkeit existieren für die Sammlungen von Programmroutinen wesentliche Nachteile: Die effiziente Handhabung erfordert analog zu General-purpose-Sprachen tief greifendes Spezialwissen. Gerade in den Anwendungsfällen, in denen zwischen dem vorhandenen Modell und dem Urbild nur schwache Analogien bestehen (z. B. bei Ascape), wird die Nutzung von bereits existierenden Programmteilen durch eingebaute (implizite) Annahmen erschwert.

x

Softwareplattformen bzw. -pakete (generische Testbeds)

Softwareplattformen bzw. -pakete gewinnen für agentenbasierte Simulation zunehmend an Bedeutung. Das Ziel besteht darin, den Anwender von technisch-operativen Fragen zu entlasten, eine standardisierte Entwicklungsumgebungen für Simulationen bereitzustellen und den Modellierer durch eine grafische Benutzerschnittstelle, vorgefertigte Elemente, Parametereditoren, etc. bei der Entwicklung zu unterstützen.1475 Hiermit wird die Konzentration auf die Abbildung des

1473

Der konzeptionelle Grundgedanke der Objektorientierung baut auf der Vorstellung auf, dass das Computerprogramm eine Konfiguration aus einzelnen (individuellen) Teilen (Objekten) ist, die miteinander interagieren. Jedes Objekt kann Nachrichten empfangen, Daten verarbeiten und Botschaften an andere Objekte übermitteln. Dies steht im Gegensatz zum traditionellen Verständnis, nach dem ein Computerprogramm eine Ansammlung von Prozeduren und Funktionen bzw. eine abzuarbeitende Liste von Befehlen ist. Vgl. Uhrmacher, A. (1996), S. 432ff. 1474 Vgl. Tesfatsion, L. (2003), S. 17; Inchiosa, M.E./Parker, M.T. (2002), S. 7304ff. 1475 Vgl. Gilbert, N. (2000b), S. 11ff.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

259

Urbilds gelenkt und ein einheitliches Vorgehen für die Simulation bereitgestellt. Ferner zeichnen sie sich durch ihre vermittelnde Funktion zwischen den am Modellierungsprozess beteiligten Personengruppen aus (vgl. IV-2.3).1476

Bei den Paketen handelt es sich um Sammlungen bestimmter bereits konfigurierter Programmroutinen mit standardisierten Benutzerschnittstellen. Bekannte Pakete für statistische Analysen sind z. B. SPSS (Superior Performance Software System) und SAS (Statistical Analysis System) für die statistische Analyse. Die für agentenbasierte Simulationen verfügbaren Pakete (z. B. NetLogo, StarLogo und AnyLogic1477) sind sehr einfach gestaltet und lassen eine unmittelbare Manipulation der Agenten zu. Die eigentliche Programmierung spezieller, auf die Problemstellung zugeschnittener Routinen wird dem Modellierer damit zwar nicht abgenommen, jedoch lässt sich diese Aufgabe bei Verwendung der Unified Modeling Language (vgl. IV-2.3) für das verbale Modell einfacher an einen Programmierer delegieren.

Nachteilig ist, dass mit Softwareplattformen verschiedene Simplifizierungen in der Konzeption der der Simulation zu Grunde liegenden Modelle verbunden sind, z. B. können aufgrund ihrer Einfachheit nur „gering-komplexe“ soziale Agenten simuliert werden. Die abzubildende Komplexität von Organisationen ist jedoch in der Regel deutlich größer, so dass aus diesem Grund die Pakete lediglich zur Illustration zweckmäßig eingesetzt werden können und für die Simulation umfangreicher Urbilder eher ungeeignet sind.

Zusammenfassend wird deutlich, dass für die Simulation von Organisationen bzw. einzelner Organisationsteile keine der drei betrachteten Varianten isoliert Anwendung finden kann. Bei Softwareplattformen bzw. -paketen sind in der Regel zu starke, das Urbild verzerrende Vereinfachungen notwendig, während für den ausschließlichen Einsatz von General-Purpose-Sprachen ein zu hoher ökonomischer Aufwand (Anlernzeit und Spezialkenntnisse) verbunden ist, wenn nicht über derartige Erfahrungen bereits verfügt wird. Entsprechend finden sich in der Modellierungspraxis, die zum einen eine ökonomische Modellierung und zum anderen eine hinreichende Detailgenauigkeit erlaubt, eine Kombination aus Programmroutinen und neu gestalteten Prozeduren auf Basis von General-pupose-Sprachen. Dies wird auch anhand der in IV-4.5 vorgestellten Anwendungsbeispiele (vgl. Beispiel Simulation von Bankenrisiken und Vorhersage von Bankerträgen) deutlich.

1476

Wie bereits mehrfach herausgestellt wurde, kennzeichnet sich die „Umgebung“ der Modellierung durch sehr heterogene Beteiligte. 1477 Vgl. Manhart, K. (2003), S. 232ff.

260

4.4

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Überprüfung der Eigenschaften komplexer Systeme

Analog zur Vorgehensweise in IV-3.2 zur Untersuchung bestehender Simulationsansätze und der Begriffsexplikation komplexer Systeme (vgl. III-1.2ff) wird nachfolgend die agentenbasierte Simulation auf Basis der Übereinstimmung bzw. Abbildbarkeit der Eigenschaften komplexer Systeme bewertet und ihr Beitrag zur Simulation von Organisationen (als komplexe Systeme) beurteilt (vgl. auch Tabelle IV-1).1478

x

Überlebenssicherung

Analog zu den Agenten (vgl. satisficer beim Agentenbegriff, in IV-4.1.1) können agentenbasierte Systeme auf Überlebenssicherung ausgerichtet werden. Damit grenzen sie sich von auf ausschließlich nach Optimalitätsgesichtspunkten ausgerichteten Simulationen (vgl. IV-3.1 und IV3.2ff) ab. Die Agentenregeln können derart ausgestaltet sein, dass das Gesamtsystem nicht zwingend nach der optimalen Lösung strebt, sondern sich auch mit suboptimalen – aber das Überleben sichernden – Zuständen zufrieden geben kann.1479

x

Dynamik

Die agentenbasierten Systeme und ihre Elemente (Agenten) können sich im Verlauf der Simulation, u. a. hervorgerufen durch Interaktionen der Agenten untereinander, verändern (Dynamik). Dieses dynamische Verhalten der Entitäten hat wiederum Auswirkungen auf das gesamte Agentensystem.1480 Solange die Agenten nicht vollständig ausgelöscht werden, erreichen sie keinen statischen Endzustand. Darüber hinaus gewährleistet die Modularität der agentenbasierten Simulation (jeder Agent ist als separates Element dargestellt), beispielsweise durch das Ergänzen und Entfernen von Agenten sowie die Veränderbarkeit von Regeln, eine stetige Anpassung des der Simulation zu Grunde liegenden Modells an die dynamischen Veränderungen des Urbilds (Organisation).

x

Vielzahl und Varietät

In agentenbasierten Simulationen liegt der Fokus der Betrachtung auf den einzelnen Entitäten (vgl. IV-4.1.1). D. h. die Agenten werden in der Simulation als heterogene individuelle Einheiten (in Bezug auf Regeln, Ziele etc.) aufgefasst, die sich in verhaltensrelevanten Eigenschaften (Varietät) – genetisch, kulturell, sozial oder hinsichtlich ihrer Präferenzen – unterscheiden.1481 Somit werden keine Durchschnittsagenten (Homogenisierung) betrachtet, die ein repräsentatives Ver1478

Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 2787. Vgl. Carley, K.M. (2002b), S. 259. 1480 Vgl. Kefalas, P./Stamatopoulou, I./Gheorghe, M. (2005), S. 122ff. 1481 Vgl. Camarinha-Matos, L.M./Afsarmanesh, H. (2001), S. 343f. 1479

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

halten einer ganzen Population widerspiegeln sollen.

261 1482

Mit der agentenbasierten Simulation

kann der Eigenschaft Vielzahl entsprochen werden, indem zahlreiche Agenten gleichzeitig und miteinander agierend in einer Simulation berücksichtigt werden. Dies ist jedoch von der Kompliziertheit der abgebildeten Entitäten (also deren individueller Regeln, Ziele etc.) abhängig und der Leistungsfähigkeit der eingesetzten bzw. derzeit verfügbaren Computer; eine Beschränkung, die in der Simulationspraxis jedoch zunehmend an Bedeutung verliert.1483

x

Pfadabhängigkeit

Agentenbasierte Systeme weisen Pfadabhängigkeit auf, die sich dadurch ergibt, dass die einzelnen Agenten mit einem Gedächtnis ausgestattet werden können, mit dem sie vergangene Handlungen speichern und zur späteren Beurteilung von Situationen heranziehen können.1484 D. h. auch agentenbasierte Systeme können nicht ausschließlich durch die Beschreibung des Ist-Zustands charakterisiert werden (vgl. III-1.5). Für eine „vollständige“ Beschreibung und im Besonderen für eine Prognose von Verhalten ist die Kenntnis der Erfahrungen der Agenten erforderlich, also das Vorhandensein eines „Gedächtnisses“ sowie eines Entwicklungspfades der Gesamtorganisation (kollektives Gedächtnis).1485 Ergo ist keine retrograde Analyse der agentenbasierten Simulation möglich.

x

Rückkopplungen

In agentenbasierten Simulationen sind Rückkopplungen bzw. Interaktionen, wie Nachahmung, Sanktionierung und Überzeugung zwischen den Agenten abbildbar und werden in diesem Zusammenhang als Prozesse verstanden, mit denen sich die Agenten in ihrem Verhalten gegenseitig beeinflussen.1486 Diese Interdependenz erfolgt über Schnittstellen und kann sich auf direktem (Agent-Agent), indirektem (z. B. Agent-Umwelt-Agent), expliziten oder impliziten Wege vollziehen.1487 Für eine direkte explizite Interaktion könnte eine Regel z. B. folgendermaßen lauten: Agent X teilt Agent B, F und G mit, dass er nicht mehr mit ihnen kommunizieren wird. Direkt und implizit stellt Agent X ohne Mitteilung an die anderen Agenten seine Kommunikation ein. Diese schließen daraus, dass X nicht mehr mit ihnen kommunizieren will.

1482

Vgl. Edmonds, B. (2001), S. 20. Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005), S. 13. 1484 Vgl. Macy, M.W./Willer, R. (2002), S. 144ff; Tivnan, B.F. (2005), S. 1014; Pyka A./Grebel, T. (2003), S. 10. 1485 Populationen lernen durch Prozesse wie Selektion, Imitation und soziale Einflussnahme. 1486 „When interdependent agents are also adaptive, their interaction can generate a ‘complex adaptive system’.” Holland, J.H. (1996), S. 10. 1487 Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 2780ff. 1483

262

x

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Nichtlinearität

Eine der zentralen Eigenschaften agentenbasierter Simulation ist Nichtlinearität, die aus der Interaktion zwischen veränderlichen Agenten entsteht.1488 Dies liegt besonders daran, dass aufgrund des regelgeleiteten Verhaltens auch nichtlineare (Verhaltens-)Funktionen verwendet werden können (z. B. keine Verdopplung des Outputs, wenn das Gehalt verdoppelt wird). „It is useful at this point to summarize when it is best to use ABM [agentenbasierte Simulation; Anmerkung des Verfassers]: When the interactions between the agents are complex, nonlinear, discontinuous, or discrete (for example, when the behavior of an agent can be altered dramatically, even discontinuously, by other agents).”1489 Besonders anhand SCHELLINGs konzeptionellen Beispiel einer agentenbasierten Simulation von menschlichem Segregationsverhalten lässt sich Nichtlinearität illustrieren (vgl. auch IV-4.5).1490 Darin leben völlig farbenblinde Entitäten nebeneinander, ohne sich zu separieren. Die Farbenblindheit wird zunehmend aufgehoben, d.h. die Entitäten können partiell erkennen, welche Farbe ihre Nachbarn haben, leben aber dennoch weiterhin in ihrer Umgebung. Erst an einem spezifischen (kritischen) Punkt (aufgehobener bzw. Abnahme von Farbenblindheit) startet die vollständige Trennung bis hin zur vollständigen Segregation (vgl. IV-4.5). Daran wird deutlich, dass das Separationsverhalten kein kontinuierlicher Vorgang sein muss, sondern plötzlich (nichtlinear) verläuft.

x

Offenheit

Offenheit in agentenbasierten Systemen ist durch mehrerer Aspekte abbildbar. Zum einen können neue Elemente bzw. Agenten durch den Modellierer direkt der Simulation hinzugefügt werden. Zum anderen kann dieser aber auch Regeln festlegen, nach denen neue Agenten entstehen können (vgl. Zelluläre Automaten in IV-3.2.5). Entsprechend liegen in agentenbasierten Simulationen keine Beschränkungen darüber vor, zu welchen Agenten Kontakt aufgebaut, aufrechterhalten bzw. aufgelöst wird. Darüber hinaus können für diejenigen Agenten, mit denen bereits Beziehungen bestehen, andere Eigenschaften für die Beurteilung des Verhaltens relevant werden. (Globale) Systemkomplexität reflektiert nicht die kognitive Komplexität der Individuen. SIMON stellt fest: „Human beings, viewed as behaving systems, are quite simple. The apparent complexity of our behavior is largely a reflection of the complexity of the environment […].”1491

1488

Vgl. Elliott, E./Kiel, L.D. (2004), S. 124. Bonabeau, E. (2002b), S. 2787. 1490 Vgl. Abelson, R.P./Bernstein, A. (1963), S. 274ff; Abelson, R.P./Carroll, D.J. (1965), S. 24ff. 1491 Simon, H.A. (1996a), S. 53. 1489

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

x

263

Begrenzte Rationalität

In agentenbasierten Simulationen können die Entitäten mit einer begrenzten Informationstransparenz und Verarbeitungskapazität ausgestattet werden, die der menschlicher Akteure in Organisationen (vgl. III-1.9) nachempfunden ist.1492 Die begrenzte Rationalität der Entitäten ist in agentenbasierten Simulationen über das Zuordnen von Regeln realisierbar (z. B. „Merke dir nur die letzten drei Interaktionen“, „Reagiere nur auf Interaktionen in einem definierten Umkreis“, u. dergl.) „[A]gent-based modeling is clearly a powerful tool in the analysis of spatially distributed systems of heterogeneous autonomous actors with bounded information and computing capacity.”1493 Begrenzt rationales Verhalten wird durch wahrscheinlichkeitsverteiltes Handeln simuliert. Dabei wird zwischen nachvollziehbarem und nicht-nachvollziehbarem Verhalten differenziert, für das jeweils unterschiedliche Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt und festgelegt werden.1494 Diese Unterteilung entspricht der in III-1.9 vorgenommenen Trennung in subjektiv (im Gesamtkontext nicht-nachvollziehbares Verhalten) und objektiv (im Gesamtkontext nachvollziehbares rationales Verhalten). So kann beispielsweise ein Agent objektiv als sehr kommunikativ simuliert werden (Vielzahl und hohe Intensität der Rückkopplungen), aufgrund von Abwesenheit jedoch kommuniziert er (subjektiv) mit reduzierter Häufigkeit und Intensität. Solche „Brückenhypothesen“, die mit erheblicher kognitiver und operativer Komplexität ausgestattet sind, können auch zur Modellierung sozialer Konstrukte wie Emotionen oder Macht eingesetzt werden.1495

x

Selbstorganisation

Eine zentrale Top-down-Kontrolle ist für die agentenbasierte Simulation aufgrund der selbständigen Agenten (ausgestattet mit Regeln) nicht erforderlich, so dass ab initio keine übergeordnete Kontrollinstanz zu installieren ist.1496 Da das Verhalten der nachkommenden Generation von Agenten durch Interaktionen und die Erfahrungen der vorausgegangenen beeinflusst wird (vgl. Pfadabhängigkeit) und neue Organisationsmitglieder oder Marktteilnehmer auf Basis von sozialen Normen etc. vergangener Agenteninteraktionen angepasst werden können, ist eine wesentliche Anforderung an die Simulationsmethode zur Abbildung komplexen Systemverhaltens, die Abbildbarkeit von Selbstorganisation, für die agentenbasierte Simulation gegeben.

1492

Vgl. Simon, H.A. (1996a), S. 53; Augier, M./March, J.G. (2002), S. 1ff. Epstein, J.M. (1999), S. 56. 1494 Vgl. Kelly, K./Allison, M.A. (1999), S. 68ff. 1495 Zur Kritik an diesen „Brückenhypothesen“ und der „Übersetzung“ in wahrscheinlichkeitsgestütztes regelgeleitetes Verhalten vgl. Kappelhoff, P. (2002b), S. 62, sowie IV-4.6. Ein wesentlicher Unterschied zwischen menschlichen Systemen und Agenten komplexer Systeme besteht darin, dass die Kommunikationspartner in menschlichen Systemen eine innere Struktur (menschliches Verhalten) haben, die den computersimulierten, komplexen und anpassungsfähigen Systemen (noch) fehlt. Vgl. Stacey, R.D. (1997), S. 21. 1496 Vgl. Epstein, J.M. (1999), S. 42; Kauffman, S.A. (1995), S. 71ff. 1493

264

x

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Selbstreferenz

Wie bereits anhand der Pfadabhängigkeit verdeutlicht wurde, können die Agenten mit der Fähigkeit ausgestattet werden, ihr Verhalten zu reflektieren und sich selbst zu beurteilen. Dies erfolgt regelgestützt: So kann z. B. die Regel für ein harmonisches Zusammenarbeiten lauten (vor allem bei konfligierenden Zielen): Setze nur dann deine Entscheidung durch, wenn die anderen Agenten in deiner Umwelt in vergangenen Entscheidungssituationen sich auch schon mal durchsetzen konnten (Kooperation). Die Selbstreferenz in agentenbasierten Systemen kann darüber hinaus derart gestaltet sein (in Abhängigkeit der Regeln), dass zur Reflexion nur der Agent selbst zur Verfügung steht, also er nur sich selbst betrachtet.

x

Emergenz

Die lokal stattfindenden Interaktionen bzw. Rückkopplungen zwischen den Agenten auf der Mikroebene führen in agentenbasierten Systemen zur emergenten Ausbildung von Strukturen auf der Makroebene.1497 So können scheinbar unbedeutende lokale Regeln das Gesamtsystemverhalten beeinflussen und massiv verändern. Hierfür stehen beispielhaft die Erkenntnisse aus the game:1498 Die Ausgangssituation dieser Simulation sieht zehn Personen in einem Raum vor. Zunächst lautet die Regel für jede der Personen (Agenten): „Wähle zufällig zwei Personen A und B und bewege dich derart, dass sich zwischen dir und B stets Person A befindet.“ Das (emergierende) Verhalten auf Makroebene stellt sich für den Beobachter so dar, als ob sich die Personen lose, scheinbar wahllos durch den Raum bewegen. Wird diese Regel auf der Mikroebene umgekehrt, d. h. die eigene Person soll sich stets zwischen A und B aufhalten, entsteht auf der Makroebene ein dichtes „Agentenknäuel“, das sich scheinbar ohne große Bewegung der einzelnen Entitäten ziellos durch den Raum bewegt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass schon die Umkehr einer einzigen Regel zu einer völligen Veränderung des Gesamtsystemverhaltens führt.

x

Autopoiesis

Die Regeln in agentenbasierten Systemen können derart ausgestaltet sein, dass das Agentensystem als autopoietisch zu bezeichnen ist. D. h. das System bildet und erneuert sich unter Wahrung der eigenen Identität. Dieses Verhalten wird auch als „selbstbezüglich“ bezeichnet. Die für das System zu Grunde gelegte Umwelt kann durch die Gestaltung der Regeln demnach so begrenzt sein, dass zur Selbst(re)produktion lediglich die Systemmitglieder zur Verfügung stehen.

1497 1498

Vgl. Sawyer, K.R. (2001), S. 49ff. Vgl. o.V. (2006).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

265

In den vorhergehenden Ausführungen und vorangegangenen Kapiteln (IV-4.2 und IV-4.3) wurde verdeutlicht, dass mit agentenbasierter Simulation im Gegensatz zu zahlreichen anderen Simulationsansätzen sämtliche als relevant eingestuften Eigenschaften komplexer Systeme abgebildet und sie damit zum Test von Hypothesen eingesetzt werden können (vgl. Tabelle IV-1). Analog wird davon ausgegangen, dass auch soziale Systeme wie Organisationen auf diese Art (zumindest partiell) darstellbar sind.1499 „Because of the natural complexity of the object of study [Organisationen; Anmerkung des Verfassers], existing models and theories of organization are often vague, intuitive, and under-specified. Scientific progress will be more readily achievable if the theories are more explicit and well defined. Computational theorizing [agentenbasierte Simulation; Anmerkung des Verfassers] helps to achieve this.”1500 Dementsprechend eröffnet sich mit dieser Simulationsmethode die Möglichkeit, emergentes kollektives Verhalten von Organisationen zu simulieren und damit qualitative und quantitative Erkenntnisse zu generieren.1501

4.5

Anwendungsbeispiele

Wie bereits in Teil I und IV-4 erwähnt liegen in der Literatur bisher erst vereinzelt Praxisbeispiele für die Anwendung agentenbasierter Simulationen vor. Diese beziehen sich jedoch vorwiegend auf technische oder biologische Systeme (vgl. das Beispiel Sugarscape in Teil I sowie IV-4.1.3 sowie die „boids“-Simulation in III-2.6).1502 Aus den wenigen Anwendungsfällen der Integration von agentenbasierter Simulation in die organisationswissenschaftliche Forschung und Praxis1503 werden im Folgenden drei Beispiele näher betrachtet.

Grundsätzlich stehen am Anfang jeder Integration von agentenbasierter Simulation in die Sozialund Wirtschaftswissenschaften (vor allem die Organisationswissenschaften) zwei komplementäre Fragen im Vordergrund: Zum einen, wie sich Selbstorganisation in sozialen Strukturen bildet und zum anderen, wie soziale Ordnungen emergieren. Eine leicht nachvollziehbare Annäherung an diese Phänomene ermöglicht die Bottom-up-Simulation des Segregationsmodells von SCHELLING,1504 welches darüber hinaus ein hohes Potenzial zur Vorhersage sozialen Verhaltens bietet. Damit zeigt dieses sehr einfache (noch ohne aufwendige Computertechnologie aus-

1499

Vgl. u. a. Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff; Beinhocker, E.D. (1997), S. 25ff; Carley, K.M. (2002b), S. 253ff; Macy, M.W./Willer, R. (2002), S. 143ff. 1500 Vgl. Carley, K.M./Gasser, L. (2000), S. 324. 1501 Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 7284. Simulation kann hier sowohl qualitative, auf natürlicher Sprache basierende Konstrukte repräsentieren, als auch quantitative. Vgl. Ostrom, T.M. (1988), S. 384; Pidd, M. (2003), S. 233; Robinson, S. (2004), S. 7. 1502 Vgl. Lloyd-Smith, J.O./Schreiber, S.J./Kopp, P.E. (2005), S. 355ff. 1503 Vgl. Conte, R. (2001); Boero, R./Squazzoni F. (2005); Tsvetovat, M./Carley, K.M. (2004); David, N./Sichman, J.S./Coelho, H. (2005); Richiardi, M./Leombruni, R./Saam, N. u. a. (2005); Epstein, J.M. (1999). 1504 Vgl. Schelling, T.C. (1971), S. 143ff.

266

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

kommende) Beispiel aus den 1970er Jahren die konzeptionellen Vorteile der agentenbasierten Simulationsmethode auf.

SCHELLING platzierte auf einem Gitter (vgl. Zelluläre Automaten als Vorläufer der agentenbasierten Simulation) Agenten mit verschiedenen Eigenschaften. Mit Pennies belegte Felder symbolisierten Grundstücke, die von Entitäten mit schwarzer Farbe besetzt waren, während Dimes für Weiße verwendet wurden. Freie Felder standen für nicht belegte Anwesen. Die Agenten wurden mit Regeln „ausgestattet“, die sich auf die Zufriedenheit1505 dieser mit ihrer Umwelt bezogen (z. B. „bewege dich zu der nächsten freien Zelle (Anwesen), auf dem höhere Zufriedenheit entsteht oder verlasse das Gitter ganz“). Mit dieser Simulation konnte vorhergesagt werden, dass sich bei niedriger Toleranzschwelle gegenüber andersfarbigen Nachbarn die sich anfangs zufällig auf dem Gitter verteilten Agenten nach Dimes und Pennies (also nach ihrer Farbe) separieren würden.

Abbildung IV-15 illustriert jeweils den Ausgangs- und Endzustand von erweiterten SCHELLING-Simulationen mit drei verschiedenen Agenten (unterschiedliche Farben): In dem ersten Beispiel (obere Reihe) haben Agenten die Möglichkeit, das Gitter zu verlassen. Nach mehreren Simulationsschritten setzen sich die in der Überzahl vorhandenen Agenten gegenüber den andersfarbigen „Minderheiten“ durch und verdrängen diese vom Gitter. Das zweite Beispiel erlaubte den Entitäten nicht, dass Gitter zu verlassen. Dies hatte zur Folge, dass sie sich auf Basis ihrer Toleranzschwellen auf dem Feld neu anordnen und nach Farben gruppieren.

Abbildung IV-15: Beispielhafte Anfangs- und Endzustände einer SCHELLING-Simulation

1505

Die Zufriedenheit wird hier abhängig von der Homogenität der Nachbarschaft verstanden (hohe Homogenität = hohe Zufriedenheit).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

267

Das nachfolgende (zweite) Beispiel entstammt einer Praxisanwendung für einen international tätigen Finanzkonzern. Die mit individuellen Entscheidungen bzw. Aktivitäten verbundenen (besonders durch absichtliches oder unabsichtliches Fehlverhalten von Organisationsmitgliedern (Agenten) ausgelöst) operativen Risiken (Betriebsrisiken1506 bzw. bottom-up risks) wurden simuliert.1507 Derartige Betriebsrisiken lassen sich bisher mithilfe klassischer Verfahren (z. B. Extrapolation) nur schwer quantifizieren, da sie eine adäquate Anzahl an vergangenen quantifizierbaren Ereignissen benötigen, um auf Basis dieser prognostische Aussagen treffen zu können.1508

In Abwesenheit von belastbaren und relevanten Informationen ist die Erzeugung „synthetischen“ Datenmaterials, d. h. Modelle zu simulieren, die vergleichbare Verhaltensweisen aufweisen wie die beobachtbare „reale“ Welt (Urbild), die einzige Möglichkeit zur Abschätzung von Betriebsrisiken. Für diesen speziellen Fall ist das bottom-up-Verfahren der agentenbasierten Simulation besonders geeignet. Beispielsweise können folgende Fragen mit bearbeitet werden:

x

Welche Risikofaktoren korrelieren miteinander?

x

Ergeben sich „Risikosynergien“, die in der Kombination größere Auswirkungen haben als die Summe der Schäden, die aus den Einzelrisiken entstehen?

x

Wie sehen die Worst-Case-Szenarien und deren Kombinationen aus?

Ausgehend vom Unternehmensprozess und der Segmentierung anhand der Arbeitsabläufe (workflow) wird in dem hier betrachteten Beispiel das Verhalten von Geschäftseinheiten abgebildet und simuliert (vgl. Abbildung IV-16).

1506

Betriebsrisiken: Risiko, das aus dem operativen Geschäft der Unternehmung erwächst, z. B. durch unzureichende Informationssysteme, Lücken in internen Kontrollen oder Betrug ausgelöst. 1507 „Cutting expenses by mitigating operational losses can raise pre-tax earnings by 1 to 2%. The savings come from lower losses […] as well as lower capital charges. Banks can either reengineer processes to reduce human error or develop contingency plans for problems like systems breakdowns. This approach also has less quantifiable benefits, such as better customer retention and management information.” Buehler, K.S./D’Silva, V./Pritsch, G. (2004). Die zunehmende Bedeutung von operativen Risiken für die Ertragssituation einer Bank heben BÜHLER/PITSCH heraus. 1508 Im Gegensatz zu Markt- und Kreditrisiken liegen die Ursachen für Betriebsrisiken in den internen Strukturen des Unternehmens, die sich durch diskretes nicht-frequentes Verhalten und große Einflüsse (im Gegensatz zu kontinuierlich fließenden Veränderungen z. B. der Wechselkurse) charakterisieren. Darüber hinaus kann eine mathematische bzw. statistische Korrelation zwischen individuellen Risikofaktoren und dem Umfang und der Frequenz von operational loss in der Regel nicht hergestellt werden.

268

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Prozess

Aktivität n

Aktivität 2

Aktivität 1

Subprozess n

Aktivität n

Aktivität 1

Aktivität n

Aktivität 2

Aktivität 1

Aktivität 2

Subprozess 2

Subprozess 1

Abbildung IV-16: Prozessidentifikation (vertikal) und Segmentierung der Arbeitsabläufe (horizontal)1509

Den identifizierten Prozessen werden einzelne Aktivitäten zugewiesen (vgl. Abbildung IV-17). Prozesse Kapitalakquise

Vermögensverwaltung

Anlage Service

Berichtswesen

Schadensregulierung

Ausgleichszahlungen

Preisgestaltung

Kreditgewährung

Fond Evaluation und Verwaltung

Privatkunden

Management

Geschäftskunden

Investment Entscheidungen

Ersparnisse

Kundenakquise

Lebensversicherung

Produkt-Gestaltung & -Entwicklung

Weitere Netzwerke

Marketing & Kommunikation

Ablauforganisation

Verkaufsnetzwerk

Fonds

Abbildung IV-17: Prozess- und Aktivitätszuweisung1510

Aus der Simulation der Agentenaktivitäten und Interaktionen mit anderen Agenten können die Risikofaktoren ermittelt werden, die unter Berücksichtigung der Entscheidungswege in der Organisation und durch den Einfluss ihrer Umwelt auf die Aktivitäten der Agenten einwirken können (vgl. Abbildung IV-18).

1509 1510

Bonabeau, E. (2005), S. 49. Bonabeau, E. (2005), S. 50.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

269

Zusammenbruch auf „emergent“ Märkten

Veränderung der Rechtsvorschriften

Vorstand

A n la

Strategische Entscheidungen

Kapitalmärkte

g ew

R eg

e rte

Asset Management business line r

ns a

A k ti

M il te an kt ar

Handelsvolumen Kauf/Verkauf)

Mitbewerber

Neue Produkte

T ra

te il kta n

Reporting (performance)

Ma

u lar

Aufsichts- und Kontrollbehörden

ie n

k tio

nen

en

Broker

Konflikte

Insolvenz

Investoren

Abbildung IV-18: Identifikation der Agenten und ihrer Aktivitäten am Beispiel der Finanzberichterstattung für institutionelle Anleger1511

Dies ist zweckmäßig, da Risikofaktoren über die Aktivitäten der Agenten Einfluss auf die Ertragssituation der Gesamtorganisation (in diesem Fall die Bank) haben (vgl. Abbildung IV-19),

Mitarbeiter

Leitung Vermögensverwaltung

Institutioneller Anleger

Manuelle Eingabe Informationsgewinnung

Informationsvalidierung

Validierung des Fondwertes und Berechnung der „Performance“

Validierung des Fondwertes und Berechnung der „Performance“

Informationsvalidierung

Anpassung und Versand des Reports

Abbildung IV-19: Identifikation der Risikofaktoren und der Modellumwelt1512

1511 1512

Bonabeau, E. (2005), S. 51. Bonabeau, E. (2005), S. 52.

Finanzberichterstattung (reporting)

270

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

wie z. B. Markt, Kunden, Aufsichts- und Regulierungsbehörden etc.. Abschließend kann mit der Simulation eine künstliche Gewinnverteilung und potenzielle Verlustermittlung vorgenommen werden.

Mithilfe der agentenbasierten Simulation konnte – im Gegensatz zu prozessorientierten Ansätzen, in denen eine Risikozuordnung zu den einzelnen Agenten nicht möglich ist – das Verhalten des betrachteten Finanzinstituts mit den tatsächlichen Aktionen und Interaktionen seiner Agenten (hier die Mitarbeiter) simuliert werden. Die agentenbasierte Simulation ist durch eine höhere Akzeptanz der betroffenen bzw. befragten Personen charakterisiert (hervorgerufen durch die direkte Beteiligung dieser, welches bei prozessorientierten Darstellungen in der Regel nur zu einem sehr geringen Teil erfolgt) und besonders vorteilhaft in Bezug auf die Kalibrierung der Simulation.1513 Sie erleichtert die Identifikation potentieller Risikotreiber und die Einführung von effektiveren Kontrollen.

Die agentenbasierte Simulation ermöglichte der Bank in diesem Beispiel u. a. ihr earnings-atrisk1514 zu ermitteln und unterstützte bei der Allokation des investierten Kapitals. Daraufhin konnte sie den zu hinterlegenden Sicherheitsbetrag verringern und demzufolge ihre Kapitalkosten senken. Der entscheidende Ausschlag hierfür lag in der Tatsache, dass nicht wie in klassischen Vorhersageverfahren auf vergangenheitsbezogene Marktdaten zurückgegriffen und diese einfach extrapoliert wurden, sondern durch die Simulation das tatsächlich zu erwartende Risiko des Ertragsausfalls auf Basis von Entscheidungen auf Mitarbeiterebene prognostiziert werden konnte. In einem weiteren (dritten) Beispiel – basierend auf einer Simulation von ROBERTSON1515 – wurde die Einsetzbarkeit von agentenbasierter Simulation für das strategische Management von Finanzunternehmen betrachtet. Ausgehend von der Annahme, dass Banken in einer turbulenten und „hyperkompetitiven“1516 Umwelt agieren und sich kontra-intuitive Entwicklungen ergeben können (z. B. endogen erzeugte Turbulenz), wurden unterschiedliche Strategien für eine „Test“Bank untersucht. Die Parametrisierung des Modells erfolgte auf Basis der Unterscheidung von drei verschiedenen Einflussgrößen: Kunden, Banken und Turbulenz.

1513

Die beteiligten Individuen werden in der Praxis befragt, welche Risiken aus ihrer Perspektive mit ihren Aktivitäten verbunden sind (gegliedert nach Eintrittswahrscheinlichkeit und potentiellem Schaden). 1514 Dies ist der Ertrag, den eine Bank in einem Jahr mit einer Wahrscheinlichkeit von 95 % mindestens erzielt. 1515 Vgl. Robertson, D.A. (2003a); Robertson, D.A. (2003b). 1516 Vgl. D’Aveni, R.A. (1994).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

271

Kunden (C) wurden auf Basis von Zufriedenheitsgraden simuliert (vgl. Abbildung IV-20). B2

C7

C1 Position der Strategiedimension Y

1517

C3

C5 B1

C6

C4

B3

C2

C8

C9

Position der Strategiedimension X

Abbildung IV-20: Beispielhafte Konfiguration der Verbindungen zwischen Banken und Kunden1518

Durch die Einführung eines minimalen Zufriedenheitsgrades, bei dessen Unterschreitung nach einer neuen Bank (B) gesucht wurde, konnte begrenzt rationales Verhalten der Kunden berücksichtigt werden.1519 Zu Beginn der Simulation wurde den Banken – analog zu den Kunden – eine spezifische Position in einem abstrakten „Strategieraum“ (z. B. Dimension x, y) zugeordnet, aus der sich deren Wettbewerbsfähigkeit (Aufrechterhaltung von Kundenbeziehungen) ableitete (vgl. Abbildung IV-20). Bezogen auf Organisationen beschrieb dies einen n-dimensionalen Raum (entsprechend veranschaulicht als (n-1)-dimensionale Fläche). Jede Dimension entsprach ein die betreffende Organisation charakterisierendes Attribut (z. B. Ziel, wie Marktanteil von 50 %). Da in der Regel die Attribute Interdependenzen (z. B. Kongruenz oder Divergenz) aufwiesen, ergab sich eine charakteristische und eine u. U. sehr komplizierte Topologie für die „Performance“ einer Organisation: KAUFFMAN bezeichnet diesen Raum als fitness landscape (vgl. III-1.12).1520

Analog zu PORTER konnten die Banken für die Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit zwischen drei Strategien wählen: „follow the leader“, „stay still“ und „customer center“ (als Voraussetzung für deren Zufriedenheit).

1517

Die Entfernung zur Bank charakterisierte die Zufriedenheitsgrade. Je geringer diese waren, desto zufriedener waren die Kunden. 1518 Vgl. Robertson, D.A. (2003b), S. 64. 1519 Kunden konnten ebenso Banken wählen, die weiter entfernt als andere waren. Jedoch mussten diese ihren minimale Zufriedenheitsgrad erfüllen. 1520 Vgl. Kauffman, S.A. (1993).

272

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Die dritte Einflussgröße Turbulenz (T) wurde in der Simulation durch die Bewegung(-smöglichkeit) der Kunden simuliert. Die Kunden konnten sich entweder (zufällig) bewegen (maximale Turbulenz) oder still stehen (stabile Umwelt).

Das Simulationsergebnis der „stay still“-Strategie für Banken verdeutlichte die Unabhängigkeit von den minimalen Zufriedenheitsgraden der Kunden („0“ entspricht keiner bzw. sehr geringer Wechselbereitschaft und „700“ sehr hoher Wechselbereitschaft): Nach dieser veränderte sich der Ertrag der Bank nur unwesentlich durch die Modifikation des minimalen Zufriedenheitsgrades und war für beide Umwelten (turbulent bzw. nicht-turbulent) annähernd gleich (vgl. Abbildung IV-21). Durchschnittliche Ertragssituation der „Test“-Bank

10

0 0

20

50

100

200

300

700

Minimaler Zufriedenheitsgrad Umwelt:

nicht turbulent

turbulent

Abbildung IV-21: Ertragslage der Bank für eine „stay still“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten1521

Die Ertragslage der Bank veränderte sich jedoch, wenn „follow the leader“- oder „customer center“-Strategien verfolgt wurden (vgl. Abbildung IV-22 bzw. IV-23). Hier zeigte die Simulation eine deutliche Abhängigkeit vom minimalen Zufriedenheitsgrad der Kunden und eine Dependenz von der Umwelt. Lag der minimale Zufriedenheitsgrad bei „0“, also alle Kunden handelten rational und interagierten nur mit der ihnen am nächsten liegenden Bank, wurden durch diese Strategien höhere Erträge prognostiziert (simuliert) als mit der „stay still“-Strategie, während bei einer hohen Wechselbereitschaft (minimaler Zufriedenheitsgrad „700“) dagegen keine wesentlichen Unterschiede zur Ertragssituation bestanden.

1521

Vgl. Robertson, D.A. (2003b), S. 67.

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

273

Durchschnittliche Ertragssituation der „Test“-Bank

10

0 0

20

50

100

200

300

700

Minimaler Zufriedenheitsgrad nicht turbulent

Umwelt:

turbulent

Abbildung IV-22: Ertragslage der Bank für „follow the leader“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten1522

Die zentrale Erkenntnis des geschilderten Beispiels (einer Anwendung von agentenbasierter Simulation) für das strategische Management von Banken liegt darin, dass bei gleich bleibenden Einflussgrößen (keine Wechselbereitschaft der Kunden, „stay still“-Strategie der Bank) die intuitive Erwartung hinsichtlich der Entwicklung der Kunden-Bank-Beziehung und des Ertrages durch die Simulation bestätigt wurde. Anders ist dies im Fall einer „unübersichtlicheren“ Ausgangssituation (die Wechselbereitschaft der Kunden und die Umwelt der Bank sind turbulent). Durchschnittliche Ertragssituation der „Test“-Bank

10

0 0

20

50

100

200

300

700

Minimaler Zufriedenheitsgrad Umwelt:

nicht turbulent

turbulent

Abbildung IV-23: Ertragslage der Bank für „customer center“-Strategie bei unterschiedlichen Umwelten1523

Intuitiv bot sich eine „follow-the-leader-Strategie“ für die Bank als angemessenen an, um einen höheren Profit im Vergleich zur „stay still“-Strategie zu erreichen. Die Simulation prognostizierte jedoch (vgl. markierter Bereich in Abbildung IV-22), dass gerade in dieser Situation diese

1522 1523

Vgl. Robertson, D.A. (2003b), S. 67f. Vgl. Robertson, D.A. (2003b), S. 67f.

274

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Strategie kontraindiziert war und wider Erwarten mit der „stay still -Strategie“ ein höherer Profit prognostiziert wurde.

Die aufgezeigten Beispiele liefern nur einen kleinen Ausschnitt der Vielfalt von agentenbasierten Simulationen. Sie sind durch die Parametrisierbarkeit der Variablen charakterisiert und mit drei wesentlichen Erkenntnissen verbunden: 1. Die Funktionsweise von Regeln wurde verdeutlicht (vgl. Beispiel SCHELLING). 2. Die Anwendbarkeit auf ökonomische Fragestellungen (Erlangen von Wettbewerbsvorteilen, Verbesserung der Ertragssituation) wurde aufgezeigt (vgl. Beispiel Bankenrisiken). 3. Die agentenbasierte Simulation als ein Werkzeug zur Loslösung vom vielfach intuitiven Vorgehen beim Treffen strategischer Managemententscheidungen (vgl. Beispiel Bankenstrategien) wurde eingeführt.

4.6

Kritische Würdigung der agentenbasierten Simulation

Zu Beginn der Arbeit wurde die Frage nach dem Beitrag der agentenbasierten Simulation zur Beschreibung, Erklärung und Prognose von Organisationsverhalten aufgeworfen. Anhand der Ausführungen konnte gezeigt werden, dass diese (agentenbasierte Simulation) in den genannten Bereichen zur Einschätzung von Organisationsverhalten wesentliche Beiträge leistet, was u. a. durch die vorgestellte Simulation the game in IV-4.4 (Emergenz) und die Beispiele aus IV-4.5 exemplarisch verdeutlicht wurde. Das Potenzial zur präzisen Beschreibung von kontraintuitiven Phänomenen ist anhand der Simulation von Bankenrisiken (vgl. Beispiel 2 in IV-4.5) exponiert worden, da mit dieser die Risiken nachgebildet werden konnten. Die einfache Simulation the game illustrierte, wie das chaotisch erscheinende Gesamtsystem durch einfache Regeln erklär- und leicht nachvollziehbar wurde (Erklärung). Die Prognose von z. B. sozialem Verhalten verdeutlichte das Beispiel von SCHELLING, durch das sich das zukünftige Systemverhalten des Urbilds vorhersagen ließ.

Mit Etablierung des agentenbasierten Paradigmas in der Informatik hat die Bedeutung von agentenbasierter Simulation auch in anderen Wissenschaftsdisziplinen zugenommen.1524 Besonders die Analogien der Eigenschaften von agentenbasierten und sozialen Systemen haben auf der einen Seite intensive interdisziplinäre Bemühungen hervorgerufen, die jedoch bisher noch zu keinem kohärenten Forschungsprogramm geführt haben, obwohl dieses Feld bereits einen hohen 1524

Vgl. Gilbert, N./Troitzsch, K.G. (2005); Kappelhoff, P. (2002b); Banks, J./Carson, J.S./Nelson, B.L. u. a. (2005); Cioffi-Revilla, C. (2002); David, N./Marietto, M.B./Sichman, J.S. u. a. (2004); Davidsson, P. (2001); Edmonds, B. (2003); Hales, D./Edmonds, B./Norling, E. u. a. (Hrsg.) (2003); Richardson, K.A. (2003); Sichman, J.S./Bousquet, F./Davidsson, P. (Hrsg.) (2003).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

275 1525

Grad an wissenschaftlicher Selbständigkeit aufweist.

Ein Ergebnis dieser fehlenden Kohärenz

ist jedoch, dass vage forschungsprogrammatische Vorstellungen von Simulationen, wenig spezifizierte Zielsetzungen, verzögerte Konsolidierung von Methoden zur Formulierung von Regeln und zur Gestaltung des Agentendesigns sowie Schwächen in der theoretischen Fundierung die Etablierung der agentenbasierten Simulation als elaborierte wissenschaftliche Methode bisher verhindert haben.1526 Ferner liegen weder allgemeingültige Empfehlungen zur Wahl adäquater Softwareinstrumente für individuelle Simulationsziele (Modellzweck) noch belastbare Validierungs- und Verifikationsmethoden vor.1527 „Certainly, hitting the ‚Go’ button and watching the screen does not qualify as solving anything.”1528 Dementsprechend muss häufig auf die jeweiligen (individuellen) Erfahrungen des Modellierers zurückgegriffen werden.

Demgegenüber steht, dass agentenbasierte Simulationen sich generell für die Abbildung von räumlich verteilten Systemen heterogener autonomer Akteure mit begrenzter Informations- und Verarbeitungskapazität eignen (vgl. IV-4.4 begrenzte Rationalität), wie z. B. Aktienmärkte, Verkehrssituationen, und für Organisationen bestehende (kognitive) Grenzen erweitern. „The claim is that the new techniques [agentenbasierte Simulation; Anmerkung des Verfassers] allow us to transcend certain artificial boundaries that may limit our insight.”1529

Um agentenbasierte Simulation für die Abbildung von Organisationen einzusetzen, muss die Simulation von Personen mit ihrem potentiell irrationalen Verhalten und subjektiven Entscheidungen enger mit einbezogen werden, damit sich verbesserte Einsichten in Organisationen gegenüber analytischen Methoden der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften gewinnen lassen.1530 Für die Sozialwissenschaften bedeutet dies, dass begrenzte Rationalität im Handeln, Lernen sowie soziale und organisationale Strukturen simuliert werden können (vgl. III-1, IV-4.4).1531 BONABEAU weist darauf hin, dass agentenbasierte Simulation zwar das derzeit einzige Instrument ist, das sich dieser Herausforderung stellt, jedoch die Simulationsergebnisse noch zurückhaltend zu beurteilen sind.1532 D. h. die genannten Potenziale dürfen nicht dazu verleiten, die Simulationsergebnisse zu idealisieren und zu generalisieren sowie auf deren Basis quantitative Entscheidungen, z. B. Optimierungsfragen mit normativem Allgemeingültigkeitsanspruch, zu treffen.

1525

Vgl. die Vielzahl sowie Intensität der Beiträge zur agentenbasierten Simulation in den Lecture Notes in Computer Science (LNCS) und in Proceedings of the National Academy of Science (PNAS). 1526 Vgl. Johnson, J. (2001), S. 34ff; Leick, R.K./Meeker, B.F. (1995), S. 463ff; Epstein, J.M. (1999), S. 52. 1527 Vgl. Banks, J. (2002), S. 7199f; Gilbert, N./Bankes, S.C. (2002), S. 7198. 1528 Epstein, J.M. (1999), S. 52. 1529 Epstein, J.M. (1999), S. 47. 1530 Vgl. Gasser, L. (2001), S. 1ff. 1531 Vgl. Edmonds, B. (2001), S. 21. 1532 Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 7280ff.

276

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

Neben der Abbildbarkeit der Eigenschaften komplexer Systeme (vgl. IV-4.4) weist agentenbasierte Simulation die Möglichkeit einer tendenziell „intuitiven“ Modellierbarkeit auf, bei der Elemente aus dem betrachteten Wirklichkeitsausschnitt (Urbild) mittels objektorientierter Softwareprogramme bzw. -sprachen in das Formalmodell übernommen werden können und damit in eine Simulation überführbar sind. Die Programmierung (im Sinne des logischen Formalismus) erfordert die Explizierung aller Annahmen und ihrer Vereinfachungen in Form von Axiomen oder Regeln1533 und fördert mit der Formalisierung, dass Sozialtheorien weiter entwickelt werden.1534 Ferner kann die Detailgenauigkeit der beobachteten Systeme aufgrund der potentiellen Erweiterbarkeit schrittweise während der Modellierung angepasst werden.1535 Durch die Darstellung des Verlaufs (also der Zwischenstände) während der Simulation wird nicht nur das Endergebnis abgebildet, sondern der Simulationsweg (die Trajektorien1536 der Simulation; vgl. III-1.7) visualisiert, mit dem sich über die Simulationsergebnisse hinaus weitere Erkenntnisse (z. B. Aussagen über zukünftiges Verhalten) ableiten lassen.

Agentenbasierte Simulationen zeichnen sich darüber hinaus dadurch aus, dass sie sich der strengen, historisch gewachsenen Zuweisung zur Makro- oder Mikroebenenperspektive widersetzen (vgl. IV-2.4). Folglich bilden sie eine theoretische Brücke zwischen diesen und leisten einen entscheidenden Betrag zur Überwindung der Mikro-/Makroebenen-Problematik.1537 Durch ihr Design können soziale Rollen und das Wissen der einzelnen Entitäten isoliert, eingebettet in Suboder Partialsysteme bzw. eingebunden in das Gesamtsystem abgebildet werden.1538 Dies entspricht den aktuellen Ansätzen in der Organisationswissenschaft, die ein zunehmendes Interesse an der Bottom-up-Beobachtung parallel zur Top-down-Betrachtung von Organisationen entwickeln (vgl. III-2.2.4).1539 In agentenbasierten Simulationen können einzelne Elemente des Urbilds isoliert betrachtet werden, während der Rest des Systems unverändert bleibt. Die empiri-

1533

Dies wird am Beispiel der Strictly Declarative Modelling Language (SDML) deutlich, die stark auf der autoepistemischen Logik fußt. Vgl. Konolige , K. (1988), S. 343ff. 1534 Vgl. Conte, R./Gilbert, N. (1995), S. 1ff. Eine Synergiequelle aus der Kombination von Organisationstheorien und Informatik liegt z. B. in der Entwicklung und Nutzung von Formalismen zur Spezifikation der Organisationselemente. 1535 Vgl. Brassel, K.-H./Möhring, M./Schumacher, E. u.a. (1997), S. 61. 1536 Vgl. zum Begriff der Trajektorie III-1.6. 1537 Vgl. Saam, N.J. (1999), S. 43ff. Dies entspricht der Auffassung von SCHUMPETER und DURKHEIM. Vgl. Durkheim, É. (1995); Schumpeter, J.A. (1909), S. 213ff. Diese Unterscheidung steht analog zu dem Verständnis vom Akteur- und Variablen-Modell sowie für die in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften vorzufindende Teilung zwischen Struktur versus Handeln. Stellvertretend für Makroperspektiven im organisationalen Kontext sind vor allem die strukturtechnischen Ansätze von KOSIOL und NORDSIECK sowie die klassischen Ansätze von TAYLOR und WEBER, während Mikroperspektiven von humanistischen Organisationsansätzen, wie der Human Relations Bewegung, eingenommen werden. Bisher stehen sich die Perspektiven stets konträr gegenüber. Einzig GIDDENS versucht mit dem metatheoretischen Ansatz, der ‚Theorie der Strukturierung’, erstmals diese Dualität zu überwinden, auch wenn diese Theorie unterschiedlich bewertet wurde. Vgl. Kosiol, E. (1959); Taylor, F.W. (1913); Weber, M. (1976); Giddens, A. (1997); Giddens, A. (2003). Zur Bewertung von GIDDENS vgl. u. a. Walgenbach, P. (2002a), S. 355ff. 1538 Vgl. Hanneman, R.A./Patrick, S. (1997), Paragraph 4.5. 1539 Vgl. u. a. Sydow, J. (Hrsg.) (2003); Koch, J. (2003); Sydow, J./Windeler, A. (Hrsg.) (2000).

Teil IV-4: Agentenbasierte Simulation

277

sche Sozialforschung stößt in diesem Punkt an ihre methodischen Grenzen und hat Schwierigkeiten, die Wirkung einzelner Effekte zu differenzieren.1540

Ergänzend ist anzumerken, dass mit steigender Kompliziertheit der Agenten bedeutend mehr Berechnungen als bei den in IV-3.2 betrachteten Simulationsmethoden anzustellen sind. Dies ist jedoch in Anbetracht der bereits bestehenden und weiter wachsenden Rechenkapazitäten ein Kritikpunkt mit abnehmender Relevanz. Entscheidender ist die Notwendigkeit nach Expertenwissen in Form von Programmier- und Modellierungskenntnissen (besonders in Bezug auf Agententechnologie, Künstliche Intelligenz und Zelluläre Automaten; vgl. IV-3.1 und IV-3.3). Jedoch kann diesem Kritikpunkt entgegnet werden, dass für die Anwendung (bzw. zumindest die Implementierung in der Praxis) und Auswertung nahezu jeder wissenschaftlichen Methode Expertenwissen erforderlich ist.1541

Trotz der genannten Möglichkeiten, die mit dem Einsatz agentenbasierter Simulation verbunden sind, ist festzustellen, dass es grundsätzlich nicht realisierbar ist, ein Simulationsmodell zu konstruieren, das sämtliche Details des Realitätsausschnitts (Urbilds) enthält. „[T]here are inevitably some processes in the target systems (e.g. internal to the target entities) that are not explicitly included in the [simulation; Anmerkung des Verfassers] (either they are unknown, deemed irrelevant or impractical to implement).”1542 Ergo sind Abstraktionen vorzunehmen, ohne dabei wesentliche Funktionen der Realität auszublenden. Dies gilt sowohl für die Ausgestaltung der Modellelemente (Agenten, Objekte), als auch für die Wahl des Agententyps (reaktiv, aktiv etc.).1543 Dabei sind vor allem die kognitiven Strukturen der (nicht-trivialen) Entitäten von Bedeutung, die mit einer großen Zahl von anzupassenden Parametern verbunden sind. Für die Wahl des Abstraktionsgrades und der Agentenparameter bestehen bisher kaum einheitliche Handlungsempfehlungen.1544 Dies gilt besonders auch für die Frage, ob die „richtigen“ Abstraktionen getroffen wurden (vgl. IV-4.2). Da diese Fragen (noch) nicht endgültig zu beantworten sind, könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass agentenbasierte Simulationen für die Simulation sozialer Systeme ungeeignet sind. Diese Schlussfolgerung ist jedoch nicht gerechtfertigt, da die vollständige Beantwortung der genannten Fragen für sämtliche (prätheoretischen) Wissenschaften zu verneinen ist. „If we start with limited knowledge of some future development we can 1540

Vgl. Johnson, P.E. (1999), S. 1511. Vgl. Banks, S.C. (2000), S. 14; Robinson, S. (2004), S. 11. Der Aufwand für ein bereits angesprochenes Realexperiment liegt jedoch höher als der einer Simulation. Vgl. IV-2.2. 1542 Edmonds, B. (2001), S. 21. 1543 Vgl. Edmonds, B. (2003), S. 107f. 1544 Erste Unterstützungen liefern LEE und FISHWICK, die ein Schema zur Abstraktion bei Modellen entworfen haben. Bisher sind dazu keine weiteren Untersuchungen vorgenommen worden. Vgl. Lee, K./Fishwick, P.A. (1997), S. 217ff. 1541

278

Teil IV-5: Zwischenfazit

never be sure that a model obtained by working backwards will be accurate; we must have complete knowledge to build a complete model - a theoretical as well as a practical absurdity.”1545

5

Zwischenfazit

Die vorgetragene Argumentation in diesem Teil verdeutlicht die sich abzeichnende Anerkennung und gegenseitige Beeinflussung von Informatik und Organisationswissenschaften (als Teil der Sozialwissenschaften), und es besteht die berechtigte Ansicht, dass zukünftig agentenbasierte Simulationen in den Organisationswissenschaften (u. a. Dokumentation von Verhalten, Testen von Hypothesen, Experimentierumgebung und Vorhersagen) eingesetzt werden können.1546

Trotz des identifizierten Potenzials einer übergreifenden Anwendbarkeit ist für alle Simulationsmethoden einschränkend zu berücksichtigen, dass das zu Grunde liegende Modell stets an einen bestimmten Zweck gebunden ist1547 und jedwede Form des „general-purpose“-Modells nicht funktionieren kann.1548 Damit unterscheidet sich die Modellierung von der Theorie(-bildung), die grundsätzlich mit einem Allgemeingültigkeitsanspruch verbunden ist.1549

Der entscheidende Vorteil der agentenbasierten Simulation liegt in der vollständigen Abbildbarkeit der in III-1 identifizierten Eigenschaften komplexer Systeme, vor allem Dynamik, Nichtlinearität, Rückkopplungen, Selbstorganisation und Emergenz. Zusammen mit der Formulierung einfacher Regeln für jeden Agenten (Mikroebene) kann somit in der agentenbasierten Simulation komplexes Organisationsverhalten auf der Makroebene simuliert bzw. abgebildet werden. Übertragen auf das Verhalten von Personen (z. B. als Entitäten in Organisationen) bedeutet dies, dass durch die Betrachtung von „Lernen durch Erfahrung“ oder nicht-optimales Entscheidungsverhalten neue Einsichten gewonnen werden können.1550 Ergo kann davon ausgegangen werden, dass es sich (nicht zuletzt aufgrund des sich abzeichnenden stabilen wissenschaftlichen Unterbaus) bei agentenbasierten Simulationen nicht um eine weitere Modeerscheinung handelt,1551 wie sie bereits mehrfach (z. B. in der Managementliteratur) entstanden sind.

1545

Richardson, K.A. (2005a), S. 628f. Vgl. u. a. North, M.J./Macal, C.M. (2006); MacIntosh, Robert (Hrsg.) (2006); Gilbert, N./Troitzsch, K. (2005); Robertson, D.A. (2005), S. 419ff; Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff; Kappelhoff, P. (2002b); Carley, K.M. (2002a), S. 208ff; Carley, K.M. (2002b), S. 253ff; Anderson, P. (1999b), S. 225. 1547 Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 7287 1548 Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an der Modellierung IV-2.1.3. 1549 Vgl. II-1.2 zum Theoriebegriff. 1550 Vgl. Beinhocker, E.D. (1997), S. 113. 1551 Vgl. Miller, D./Hartwick, J./Le Breton-Miller, I. (2004), S. 7ff. 1546

278

Teil IV-5: Zwischenfazit

never be sure that a model obtained by working backwards will be accurate; we must have complete knowledge to build a complete model - a theoretical as well as a practical absurdity.”1545

5

Zwischenfazit

Die vorgetragene Argumentation in diesem Teil verdeutlicht die sich abzeichnende Anerkennung und gegenseitige Beeinflussung von Informatik und Organisationswissenschaften (als Teil der Sozialwissenschaften), und es besteht die berechtigte Ansicht, dass zukünftig agentenbasierte Simulationen in den Organisationswissenschaften (u. a. Dokumentation von Verhalten, Testen von Hypothesen, Experimentierumgebung und Vorhersagen) eingesetzt werden können.1546

Trotz des identifizierten Potenzials einer übergreifenden Anwendbarkeit ist für alle Simulationsmethoden einschränkend zu berücksichtigen, dass das zu Grunde liegende Modell stets an einen bestimmten Zweck gebunden ist1547 und jedwede Form des „general-purpose“-Modells nicht funktionieren kann.1548 Damit unterscheidet sich die Modellierung von der Theorie(-bildung), die grundsätzlich mit einem Allgemeingültigkeitsanspruch verbunden ist.1549

Der entscheidende Vorteil der agentenbasierten Simulation liegt in der vollständigen Abbildbarkeit der in III-1 identifizierten Eigenschaften komplexer Systeme, vor allem Dynamik, Nichtlinearität, Rückkopplungen, Selbstorganisation und Emergenz. Zusammen mit der Formulierung einfacher Regeln für jeden Agenten (Mikroebene) kann somit in der agentenbasierten Simulation komplexes Organisationsverhalten auf der Makroebene simuliert bzw. abgebildet werden. Übertragen auf das Verhalten von Personen (z. B. als Entitäten in Organisationen) bedeutet dies, dass durch die Betrachtung von „Lernen durch Erfahrung“ oder nicht-optimales Entscheidungsverhalten neue Einsichten gewonnen werden können.1550 Ergo kann davon ausgegangen werden, dass es sich (nicht zuletzt aufgrund des sich abzeichnenden stabilen wissenschaftlichen Unterbaus) bei agentenbasierten Simulationen nicht um eine weitere Modeerscheinung handelt,1551 wie sie bereits mehrfach (z. B. in der Managementliteratur) entstanden sind.

1545

Richardson, K.A. (2005a), S. 628f. Vgl. u. a. North, M.J./Macal, C.M. (2006); MacIntosh, Robert (Hrsg.) (2006); Gilbert, N./Troitzsch, K. (2005); Robertson, D.A. (2005), S. 419ff; Troitzsch, K.G. (2003), S. 353ff; Kappelhoff, P. (2002b); Carley, K.M. (2002a), S. 208ff; Carley, K.M. (2002b), S. 253ff; Anderson, P. (1999b), S. 225. 1547 Vgl. Bonabeau, E. (2002b), S. 7287 1548 Vgl. zur grundsätzlichen Kritik an der Modellierung IV-2.1.3. 1549 Vgl. II-1.2 zum Theoriebegriff. 1550 Vgl. Beinhocker, E.D. (1997), S. 113. 1551 Vgl. Miller, D./Hartwick, J./Le Breton-Miller, I. (2004), S. 7ff. 1546

Teil IV-5: Zwischenfazit

279

Aufgrund der aufgezeigten Vorteile finden agentenbasierte Simulationen bereits vereinzelt Anwendung. Jedoch ist diese zumeist auf naturwissenschaftliche (biologische) und technische Systeme beschränkt. Als Ursache für eine noch fehlende Etablierung in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften kann z. B. angeführt werden, dass in den Wissenschaften zunächst denjenigen Methoden Vorrang eingeräumt wird, die als bereits etabliertet gelten (z. B. statistische Methoden wie Regressionsanalyse) – selbst wenn diese Schwächen aufweisen. Ferner ist die Grenze zwischen System und Umwelt (vgl. Beobachter-Teilnehmer-Perspektive in II-1.6) nicht wie in technischen oder biologischen Anwendungen eindeutig zu ziehen und die Tatsache, dass spezielle Software („Computeraffinität“) und spezifische Methodenkenntnisse im Rahmen der Modellbildung (Expertenwissen) notwendig sind, schränken einen breiten Einsatz derzeit noch ein. Darüber hinaus können Computer menschliche Sprache bisher weder verstehen noch interpretieren, ebenso ist die Bedeutungsanalyse menschlicher Handlungen noch nicht möglich, so dass für die Erstellung eines Modells, dessen Simulation und Auswertung stets ein Modellierer (vgl. Beteiligte der Modellierung bzw. Simulation in IV-2.3) erforderlich ist.1552 Das Modell ist somit konstruiert und zwangsläufig von der Perzeption und den Auffassungen des Modellierers abhängig (vgl. I-1.3).

In diesem Zusammenhang ist besonders darauf hinzuweisen, dass die Implementierung auf einen begrenzten Personenkreis beschränkt bleibt, denen nur limitierte Möglichkeiten zur Reflexion ihres Vorgehens zur Verfügung stehen. Dementsprechend besteht die Gefahr, dass sich verengte Sichtweisen manifestieren (ständige Replikation) und Artefakte entstehen, ohne hinterfragt werden zu können (z. B. lediglich eine Form der Repräsentation von Emotionen).

Es ist jedoch auch deutlich geworden, dass mit agentenbasierter Simulation eine Möglichkeit bereit steht, kontra-intuitives Verhalten von Organisationen zu beschreiben und vorherzusagen. Damit stellt diese einen Mittelweg zwischen den einerseits rein intuitiven Vorgehensweisen („muddling through“1553, „top managers [...] just trust their gut”1554) und andererseits mechanistisch-rationalen Denkmodellen dar, auf deren Grundlage Managemententscheidungen getroffen werden können. Hierin liegt das besondere Potential der agentenbasierten Simulation auch für die Managementpraxis der Zukunft.1555

1552

Vgl. Saam, N.J. (2005a), S. 187. Vgl. Lindblom, C.E. (1959), S. 79ff. 1554 Bonabeau, E. (2003), S. 118. 1555 Vgl. Bonabeau, E. (2002a), S. 109ff. 1553

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

281

Teil V 1

Zusammenfassung und Ausblick

In der vorliegenden Arbeit werden Organisationen als komplexe Systeme aufgefasst, die in „unüberschaubare“ Umwelten eingebettet sind. Die zentrale Erkenntnis ist, dass der Handhabung dieser komplexen Umwelten und der Komplexität innerhalb der Organisationen nicht (ausschließlich) durch Simplifizierungen oder Komplexitätsreduktion begegnet werden kann, da damit verbundene vereinfachende Annahmen zu dysfunktionalen Erkenntnissen führen können und z. T. bereits geführt haben.1556 Vielmehr ist unter Verwendung komplexitätswissenschaftlicher Grundlagen im organisationalen Kontext das Zulassen von Komplexität (Komplexitätsproduktion) mit in die Überlegungen und Beurteilungen einzubeziehen und mithilfe rechnergestützter (agentenbasierter) Simulationen eine Etablierung in der unternehmerischen Praxis anzustreben. Damit wird in der vorliegenden Arbeit von den dominierenden analytisch-mechanistischen Auffassungen (mit komplexitätsreduzierendem Verständnis) abgewichen. Gleichwohl macht die Untersuchung deutlich, dass das Verständnis einer Wissenschaft von Komplexität noch wenig ausgereift und im Besonderen durch eine uneinheitliche Verwendung der zentralen Termini wie u. a. Komplexität, dissipative Strukturen und Koevolution am Rande des Chaos charakterisiert ist.

In diesem Teil werden das Vorgehen und die zentralen Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung (prozessual) zusammengefasst und resümierend bewertet. Im Anschluss erfolgt die Identifikation und Betonung des originären eigenen Beitrags der Arbeit (zur wissenschaftlichen Diskussion) und schließlich die Vorstellung der zentralen Implikationen für die Theorie und Praxis sowie noch offener Fragen und Gestaltungsaspekte.

1.1

Zentrale Ergebnisse und kritische Diskussion

Den Ausgangspunkt dieser Arbeit bildet die vielfach in der Literatur thematisierte Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden Umgang bzw. der Handhabung von Komplexität in Organisationen.1557 Theoretische Grundlagen, die einen Beitrag zur angemessenen Abbildung bzw. Handhabung von Komplexität in Organisationen leisten, spielen bisher eine untergeordnete Rolle, wobei erste komplexitätswissenschaftliche Ansätze vorliegen, die versuchen, der o. g. Problematik zu begegnen. Hieraus generiert sich die Zielsetzung dieser Arbeit. Sie enthält ein übergeordnetes theoretisches Ziel, mit dem der Entwurf eines konzeptionellen Bezugsrahmens und die Formulierung vorläufiger Annahmen und Hypothesen angestrebt wird; ferner ein konkretisiertes theoreti-

1556 1557

Vgl. Buckley, W. (1968), S. 490ff. Vgl. u. a. Bankes, S.C. (2002b), S. 7263ff; Goldspink, C. (2002), S. passim; Goldstein, J. (2002), S. 253ff.

282

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

sches Ziel, mit dem Gedankenmodelle der Komplexitätswissenschaft identifiziert und als theoretisches Referenzkonzept eines elementaren Paradigmenwandels für die Organisationswissenschaft anwendbar gemacht werden sollen, und schließlich als praxisorientiertes Ziel der Arbeit einen Entwurf konzeptioneller Hinweise und Denkanstöße, die einen Beitrag dazu leisten sollen, einen Paradigmenwandel in der Praxis einzuleiten. Damit wird dem Anspruch gerecht, der in der Literatur identifizierten Unzufriedenheit durch ein grundlegendes, theoretisch fundiertes, anwendungsorientiertes und weitgehend geschlossenes Gesamtkonzept zur Handhabung von Komplexität in Organisationen zu begegnen. Das mit den Zielsetzungen verbundene, disziplinübergreifende Vorgehen kann als eklektisch eingestuft und damit kritisiert werden, ist aber aufgrund der interdisziplinären Fragestellung angemessen und wegen der noch jungen Wissenschaft von Komplexität gerechtfertigt. Die besondere Herausforderung der Zielsetzung dieser Arbeit bestand darin, sich von den in der Managementliteratur bzw. in wissenschaftlichen Publikationen dominierenden, analytisch-reduktionistisch ausgerichteten Autoren abzugrenzen, die für sich selbst in Anspruch nehmen, einen komplexitätswissenschaftlichen Beitrag aus systemisch-evolutionärer Perspektive vorzunehmen.

In Teil II-1, der die wissenschaftstheoretische und forschungsmethodische Herangehensweise dieser Arbeit aufzeigt, sind die Forschungsprioritäten begründet und das TheoriePraxisverständnis expliziert worden, womit die Erläuterung des verfolgten Wissenschaftsziels sowie die Verortung von Modellierung bzw. Simulation als (wissenschaftliche) Forschungsmethoden verbunden waren. Die konstruktivistische Grundhaltung der Arbeit (vgl. II-1.3 in Verbindung mit I-1.6) und die daraus folgende Nichterfüllung eines Allgemeingültigkeitsanspruchs von Modellen wurde herausgestellt. Das hat zur Folge, dass jede Form der Modellbildung oder Simulation von der Perzeption der an der Simulation beteiligten Personen abhängig ist und daher nicht verallgemeinert werden kann (Abgrenzung zum Positivismus).

Nach Fixierung der wissenschaftstheoretischen und -methodischen Grundlagen sind in II-2 eingehend die Ursprünge einer Wissenschaft von Komplexität diskutiert worden. Dabei wurde die Interdisziplinarität der Ursprünge einer solchen Wissenschaft herausgearbeitet und verdeutlicht, dass sich diese besonders auf naturwissenschaftliche, systemtheoretische und kybernetische Erkenntnisse sowie auf solche aus der Forschung zur Künstlichen Intelligenz und nur z. T. auf die der Sozialwissenschaften stützt. Ferner wurde das prätheoretische Stadium der Wissenschaft von Komplexität herausgearbeitet, dass die Anforderungen an eine in sich geschlossene Theorie (vgl. II-1.2) noch nicht vollständig erfüllt sind.

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

283

Mit der Untersuchung dieser Ursprünge ist ein erster Schritt zur Annäherung an den Komplexitätsbegriff vorgenommen sowie Paradoxien und die wesentliche Problematik im Rahmen der Handhabung von Komplexität in der Wissenschaft herausgestellt worden, nach der weder die alleinige Erhöhung der strukturalen (vgl. ASHBY) noch die der funktionalen (vgl. LUHMANN) Komplexität als angemessen gelten können. Vielmehr ist nur die Berücksichtigung beider Komplexitäten für die angemessene Handhabung dieser zweckmäßig.

Ein weiteres Ergebnis dieses Abschnitts ist die Erkenntnis, dass das Ziel der Komplexitätswissenschaft in der Beschreibung und Erklärung von Oberflächenkomplexität aus Tiefeneinfachheit und Emergenz von Ordnungszuständen besteht. Das „Neuartige“ für die Wissenschaften (besonders die Organisationswissenschaft) ergibt sich aus der Abgrenzung von mechanistischen und chaostheoretischen Denkweisen, indem über den Zufall hinaus Musterbildung und Selbstorganisation Bedeutung beigemessen wird. Mit dem modelltheoretischen Kern (in Form von Modellierung bzw. Simulation) wurde eine umsetzungsorientierte Ausgestaltung der Denkmodelle erarbeitet, mit der sich Systeme in einem Zusammenspiel von endogenen Ordnungskräften und externer Anpassungsdynamik selbstorganisiert zu einer Ordnung am Rande des Chaos entwickeln können. Vereinzelt wird den komplexitätswissenschaftlichen Grundlagen Praxisferne vorgeworfen.1558 In diesem Zusammenhang haben jedoch im Besonderen rechnergestützte Simulationen das Potenzial, diese Kritik zu entkräften.

In III-1 wurden auf Basis der Explikation des Systembegriffes und einer komplexitätswissenschaftlichen Literatursynopse zwölf konstituierende Eigenschaften komplexer Systeme identifiziert und anhand dieser die Analogien zwischen komplexen Systemen und Organisationen herausgearbeitet. Ferner bilden diese Eigenschaften die Grundlage für die Beurteilung organisationstheoretischer Ansätze, hinsichtlich deren Eignung das Verhalten komplexer Systeme, wie Organisationen, beschrieben, erklärt und prognostiziert werden kann. In diesem Zusammenhang wurde festgestellt, dass die Organisationswissenschaften für die Beschreibung, Erklärung und Prognose von Organisationen und ihrem Verhalten von komplexitätswissenschaftlichen Gedankenmodellen profitieren können. Erheblichen Erklärungsbeitrag (für komplexe Systeme) leisten dennoch besonders postmoderne, konstruktivistisch-interpretative, evolutionstheoretische und entscheidungsorientierte (deskriptive) Ansätze sowie der Selbstorganisationsansatz. Das Ergebnis der Untersuchungen macht jedoch auch deutlich, dass bisher kein organisationstheoretischer Ansatz vorliegt, der die Gesamtheit der identifizierten Eigenschaften komplexer Systeme (Orga-

1558

Vgl. Kieser, A./Woywode, M. (2002), S. 253ff; Kieser, A. (1995), S. 347ff.

284

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

nisationen) berücksichtigt – genauso wenig wie eine komplexitätswissenschaftlich orientierte Organisationstheorie existiert. Derzeit beobachtbare Entwicklungen für den Entwurf einer komplexitätsorientierten Organisationstheorie können in drei wesentlichen Aspekten zusammengefasst werden. Die Komplexitätswissenschaft liefert auf Basis ihrer Metaphern einen breit gefächerten Rahmen zur Interpretation organisationaler Prozesse (vgl. Ko-evolution am Rande des Chaos), bildet einen abstrakten Modellrahmen (metabiologische, metaphysikalische und metasoziologische Varianten) zur Überwindung ausschließlich naturalistischer Perspektiven und ein modelltheoretisches Instrumentarium zur Modellbildung und Simulation organisationaler Fragestellungen. Die vollständige Ausgestaltung dieser Entwicklungen ist bisher noch nicht erfolgt, wird aber für die zukünftige Etablierung als wesentlich eingestuft.

Die wesentlichen Grundlagen der agentenbasierten Simulation wurden in IV-2 und IV-3 erörtert. Diese umfassen zum einen die Spezifikation der mit der Modellierung und Simulation verbundenen Termini und zum anderen die Untersuchung und Beurteilung ausgewählter Simulationsmethoden hinsichtlich ihrer Fähigkeit zur Abbildung der in III-1 identifizierten konstituierenden Eigenschaften komplexer Systeme. Die wesentliche Erkenntnis liegt darin, dass etablierte Simulationsmethoden die Charakteristika komplexer Systeme nicht zufrieden stellend abbilden können. Darüber hinaus wurde Modellierung bzw. Simulation als weiterer („dritter“) Weg einer wissenschaftlichen Forschungsmethodik neben Induktion und Deduktion herausgehoben und als legitimes Instrumentarium in den Sozial- und Wirtschaftwissenschaften identifiziert. Gegenüber Modellbildung und Simulation als Forschungsmethoden bestand und besteht noch heute eine gewisse Zurückhaltung, die vor allem auf mangelnde Erfahrung der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler sowie auf fehlende vergleichbare, validierte und verifizierte Ergebnisse zurückzuführen ist (vgl. II-1.5; III-2.4; III-3.3). Die Vorbehalte sind partiell entkräftet und die Vorteile, besonders der (agentenbasierten) Simulation gegenüber anderen (z. B. rein verbalen) Darstellungsformen, anerkannt worden.

In IV-4 wurde der modelltheoretische Kern der Komplexitätswissenschaft anhand der agentenbasierten Simulation erarbeitet und konkretisiert. Dabei erforderte die Spezifikation der begrifflichterminologischen Grundlagen besondere Aufmerksamkeit. Im weiteren Verlauf wurde die Umsetzung der Simulationsmethode beschrieben und diese in Bezug auf die Abbildbarkeit der konstituierenden Eigenschaften komplexer Systeme (vgl. III-1) beurteilt. Das wesentliche Ergebnis der Betrachtungen ist, dass agentenbasierte Simulation als viel versprechende computergestützte Methode eingestuft und durch die Fähigkeit, die Eigenschaften komplexer Systeme vollständig abbilden zu können, für die Simulation von Organisationen und für die angemessene Beschrei-

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

285

bung, Erklärung und Prognose von Organisationsverhalten als geeignet angesehen werden kann. Des Weiteren ist mit der agentenbasierten Simulation ein Vorgehen verbunden, das im Verhältnis zu den in IV-3.2 betrachteten Simulationsmethoden mit überschaubaren Vorkenntnissen in Relation zur Erklärungskraft ausgeführt werden kann.

Die dargestellten Anwendungsbeispiele unterstreichen, dass agentenbasierte Simulationen in zunehmendem Maße in die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften einbezogen werden können.1559 Dieses Simulationsverfahren bietet die Möglichkeit, in einem anwendungsorientierten Rahmen die „künstliche“ Trennung zwischen den Wissenschaftsgebieten (Sozial-, Natur- und Formalwissenschaften) aufzuheben. Die Erkenntnis dieser Arbeit spiegelt wider, dass mit dem agentenbasierten Paradigma kein universaler, finaler bzw. alleiniger Lösungsansatz bereitgestellt wird, mit dem sämtliche Einflüsse gleichzeitig betrachtet werden können. D.h., dass soziale Prozesse nicht eindeutig in separate Subprozesse dividiert und wissenschaftsdisziplinär insular behandelt werden können. Die Praxisbeispiele verdeutlichen darüber hinaus, dass bisher lediglich Partialmodelle simuliert werden bzw. sehr abstrakte Beispiele vorliegen, mit denen aus wissenschaftlicher Perspektive (Forschung) der „Beweis“ uneingeschränkter Einsetzbarkeit noch schuldig bleibt. Die identifizierten Möglichkeiten werden vereinzelt als „Managementmode“ kritisiert, was jedoch aufgrund des ausdifferenzierten theoretischen Unterbaus zu verneinen ist, da die computergestützten Ansätze sich um ein vertieftes Verständnis fundamentaler Organisationsprinzipien multipler informationsverarbeitender Akteure bemühen. Dennoch sollten die mit agentenbasierter Simulation verbundenen Erkenntnisse nicht überbewertet werden. Abschließend ist einschränkend anzumerken, dass eine vollständige soziologische Erklärung allein durch formale Modelle (Computermodelle) nicht möglich ist, da die Logik der Situation nicht formal abgeleitet werden kann. Das wird anhand der zahlreichen „Brückenhypothesen“ deutlich, die mit agentenbasierten Simulationen verbunden sind. Hier werden die Grenzen der Formalmodelle sichtbar. Daraus wird vereinzelt abgeleitet, dass für menschliches Verhalten keine Gesetze – vergleichbar zu den genau verstandenen und angewendeten Gesetzen für natürliche (Klima) oder technische Systeme (Produktionsanlagen) – vorliegen. Diese Sichtweise überschätzt jedoch zum einen das Verständnis der Wissenschaft von Vorgängen in der Natur und würdigt zum anderen die Regelmäßigkeiten im Verhalten von sozialen Elementen, also deren 1559

Dies machen verschiedene etablierte Journale – wie z. B. die Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) oder Organization Science – durch Schwerpunkthefte deutlich. Vgl. Bankes, S.C. (2002a), S. 7199; Berry, B.J./Kiel, L.D./Elliott, E. (2002), S. 7187; Bonabeau, E. (2002b), S. 7280; Gilbert, N./Bankes, S.C. (2002), S. 7197; Henrickson, L./McKelvey, B. (2002), S. 7288. Darüber hinaus finden sich starke Befürworter an der Carnegie Mellon University, wie z. B. CARLEY, sowie DORAN von der University of Essex. Vgl. Tsvetovat, M./Carley, K.M. (2004), S. 23ff; Carley, K.M. (2002), S.253ff; Prietula, M.J./Carley, K.M. (1994) S. 40ff; Doran, J. (2001), S. 383ff.

286

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

Verhaltensmuster (vgl. eine aktuelle Simulation zum weltweiten Reiseverhalten und damit verbundenen Verbreitung von Krankheitserregern), in unzureichendem Maße.1560

Zusammenfassend ist festzustellen, dass sich bisher nur konzeptionelle Aussagen ableiten lassen und Modellierung bzw. Simulation mehr zur (ex post) Illustration eingesetzt werden. Gepaart mit der fehlenden Erarbeitung eines kommerziellen Nutzens und einer anwenderunfreundlichen Bedienung (u. a. keine Grafikunterstützung, fehlende flexible Nutzerschnittstellen, hoher Aufwand bei Schulungen, wenig Grundlagen gemeinsamer Daten- und Programmnutzung) hat sich agentenbasierte Simulation erst wenig in der unternehmerischen Praxis etablieren können.

Ergo lautet die Konsequenz, dass auf die eingangs formulierte Forschungsfrage derzeit keine uneingeschränkt überzeugende und eindeutige Antwort bereitgestellt werden kann. Entsprechend ist noch nicht abschließend und normativ feststellbar, ob durch agentenbasierte Simulation einerseits und unter Zugrundelegung komplexitätswissenschaftlicher Ansätze andererseits die Überlebenssicherung von Organisationen dauerhaft erreicht werden kann. Gleichwohl wird durch die Komplexitätswissenschaft, die den Paradigmenwandel unterstützt, ein vertieftes Verständnis von Organisationen sowie die in und zwischen ihnen stattfindenden Wirkungsweisen mithilfe agentenbasierter Simulation gefördert.

Mit der vorwiegend theoriegeleiteten Untersuchung beschränkt sich die Arbeit zwangsläufig darauf, ausschließlich Hilfestellungen für die Praxis sowie kritische und vertiefende Einblicke in den Gegenstandsbereich der Organisationen zu ermöglichen, ohne detaillierte, präzise und normative Gestaltungsanweisungen zu formulieren, da diese nicht der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht würden.

Der spezifische Beitrag der vorliegenden Arbeit besteht in der Entwicklung eines heterogenen integrativen Bezugsrahmens, mit dem sich von der dominierenden mechanistisch-analytischen Betrachtungsweise von Organisationen gelöst werden kann und der gleichzeitig erste Ansätze zur Operationalisierung komplexitätswissenschaftlichen Gedankenguts auf Organisationen liefert. Entsprechend wird die herkömmliche theoretisch-konzeptionelle Basis verlassen, indem sich einer Wissenschaft von Komplexität bedient wird, mit der eine vollkommen neue Perspektive auf Organisationen und ihr Verhalten möglich ist. Dies erlaubt und beschleunigt den geforderten Paradigmenwandel, der sich auf einen heterogenen wissenschaftsdisziplinären Unterbau

1560

Vgl. Brockmann, D./Hufnagel, L./Geisel, T. (2006), S. 462ff; Sterman, J.D. (2000), S. 38.

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

287

stützt. Mit dieser Perspektive können Einsichten gewonnen werden, die mit klassischen Denkmodellen (die häufig nur einen Ausschnitt betrachten; z. B. Kontingenzansatz, ressourcenorientierter Ansatz) nicht durchführbar sind. Die Begründung für die Wahl einer interdisziplinären Perspektive besteht in der Basisannahme, dass fragmentarische disziplinäre Ansätze nicht geeignet sind, den Untersuchungsgegenstand ausreichend und umfassend zu beschreiben.

Zahlreiche Publikationen können kritisiert werden, ausschließlich auf einem konzeptionellen bzw. rein metapherngeleiteten Niveau zu verbleiben und unreflektierte anwendungsorientierte Patentrezepte zu entwerfen. Diesem wird durch eine ganzheitlich-integrierte Betrachtungsweise des Gesamtzusammenhangs begegnet, indem neben der Erörterung der wissenschaftstheoretischen Grundlagen angestrebt wird, einen hinreichenden Praxisbezug (also neben der Perspektive des Wissenschaftlers auch die Herausforderungen, die in der Praxis bestehen) zu beachten. Letzteres wird vor allem durch die anwendungsorientierten Möglichkeiten, die sich mit der agentenbasierten Simulation ergeben, erreicht.

1.2

Implikationen für die weitere Forschung und Etablierung in der unternehmerischen Praxis

Seit einigen Jahren ist das Bestreben, die agentenbasierte Simulation zum beherrschenden Paradigma der Sozialwissenschaften auszubauen, zu beobachten. Abgesehen von den seit 1998 bzw. 1999 erscheinenden E-Journals of Artificial Societies and Social Simulation (JASSS) und Emergence: Complexity & Organization (E:CO)1561 sind die Beiträge, die die Informatik (Modellierung bzw. Simulation) und die Organisationswissenschaften verbinden, zwar in den Publikationen angrenzender Wissenschaftsdisziplinen zu finden, bisher jedoch nur wenig kohärent. Zukünftig muss daher das Forschungsfeld weiter konzentriert und strukturiert werden.

Des Weiteren bestehen derzeit für Modellierungen bzw. Simulationen noch keine einheitlichen Bedienungs- und Auswertungsverfahren. Somit sind Softwareentwickler und Anwender zukünftig gefragt, erweiterte Möglichkeiten für den zweckmäßigen und bedienungsfreundlichen Einsatz zu schaffen. Der Idealzustand ist ein Instrumentarium, dass lediglich eine begrenzte Anlernzeit erfordert, ausreichende Flexibilität gegenüber den abgebildeten Urbildern aufweist und effizient (in Bezug auf die notwendige Rechenleistung) lauffähig ist. Ferner sollten die Verfahren validierbar und verifizierbar, Ergebnisse verschiedener Simulationen miteinander vergleichbar und Simulationsverfahren kalibrierbar sein. Ebenso müssen Datensammlungen aus vergangenen Si1561

Ursprünglicher Zeitschriftentitel (bis 2003): Emergence: A Journal of Complexity Issues in Organizations and Management.

288

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

mulationen (systematisches Archiv) und Klassifikationsstandards für Modelle verfügbar gemacht werden. Dafür können Systematisierungsparameter wie z. B. Modellzweck, Urbild (Realitätsausschnitt), Abstraktionen bzw. Annahmen, Modellierungstechniken und Analysemethoden (vgl. IV-2.2) hilfreich sein. Jedoch ist diese Forderung zu relativieren und darauf hinzuweisen, dass die hohe Erwartungshaltung hinsichtlich der Standardisierbarkeit von Verfahren, die häufig auf Basis eindeutiger mathematisch-analytischer Methoden besteht, mit dieser Klarheit für agentenbasierte Simulation in Organisationswissenschaften nicht erreichbar sein wird.

Für die sozialwissenschaftliche und besonders die organisationswissenschaftliche Forschung leitet sich aufgrund der Skepsis gegenüber der Übertragbarkeit der Komplexitätswissenschaft und der Anwendung von agentenbasierter Simulation (in den Sozialwissenschaften) folgender Forschungsbedarf ab: Es ist kritisch zu hinterfragen, ob die derzeit identifizierten Grenzen von Formalmodellen aus sozialwissenschaftlicher Sicht Bestand haben werden. Hier bietet besonders die Untersuchung und Explizierung der mit agentenbasierter Simulation verbundenen „Brückenhypothesen“ einen Ansatzpunkt. Es ist ferner zu prüfen und näher auszugestalten, ob Simulationsverfahren (wie die agentenbasierte Simulation) vergleichbare methodische Rigorosität wie experimentelle Wissenschaften aufweisen und somit zur Akzeptanzsteigerung (für den Einsatz von Simulationen) beitragen. Bisher bleiben jedoch zahlreiche Fragen, z. B. die des Transfers von sozialwissenschaftlichen Theorien in die Informatik, noch unbeantwortet.

Die in der Arbeit aufgezeigte noch zurückhaltende Bewertung der Komplexitätswissenschaften und agentenbasierten Simulation in den Sozialwissenschaften (vor allem in der Soziologie) ist in Zukunft zu hinterfragen, da die genannten Gedankenmodelle u. a. zur Verbindung des methodologischen Individualismus (SCHUMPETER) und den Regeln einer nicht-reduktionistischen Methode (DURKHEIM) beitragen. „Zielpunkt dieser Entwicklung könnte sein, virtuelle Agenten„Gesellschaften“ herzustellen, die in der Lage sind, vergleichbar komplexe Probleme zu lösen wie tatsächliche Gesellschaften [wie soziale Systeme; Anmerkung des Verfassers] und dabei vor allem ein ähnliches Maß an Stabilität und Kooperation aufweisen.“1562 Analog wird daher als Erfolg versprechendes Anwendungsfeld die Untersuchung „künstlicher” Gesellschaften betrachtet, „where the emphasis is not on the validity of the model against some specific target system, but rather on the discovery of processual regularities within computer based societies. These regularities state what happens under specified conditions – or, in what ways certain phenomena may originate. Of course, once such insights have been obtained, they then become available for use

1562

Müller-Benedict, V. (2003), S. 345.

Teil V: Zusammenfassung und Ausblick

in a variety of application contexts.“

289 1563

Ergo weist agentenbasierte Simulation auf Basis zuneh-

mender Akzeptanz und Integration komplexitätswissenschaftlicher Denkmodelle zur Beschreibung sozialer Systeme das Potenzial auf, sich zu einer anerkannten Methode zur Modellierung und Simulation für Organisationswissenschaftler zu werden.

1563

Doran, J. (2000), S. 17.

Literaturverzeichnis

291

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zur

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