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German Pages 238 Year 2007
Kompetenzen für Supply Chain Manager
Thomas Rudolph · Randy Drenth Jan Niklas Meise (Herausgeber)
Kompetenzen für Supply Chain Manager
Mit 52 Abbildungen und 8 Tabellen
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Professor Dr. Thomas Rudolph Randy Drenth Jan Niklas Meise Universität St. Gallen Dufourstrasse 40a CH-9000 St. Gallen Schweiz
ISBN-13 978-3-540-46492-1 Springer Berlin Heidelberg New York
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Gedruckt auf s¨ aurefreiem Papier
Vorwort Führungskräfte im Einkauf stehen vor der Herausforderung, Entscheidungen unter ständig wechselnden Umweltbedingungen treffen zu müssen. Die Globalisierung und Liberalisierung der Märkte, starke Wirtschaftsschwankungen, neue Informations- und Kommunikationssysteme, sinkende Handelshemmnisse sowie neue Anbieter und Partner weiten das Betätigungsfeld eines Unternehmens aus und erhöhen den Wettbewerbsdruck. Bedingt durch diese Entwicklung rückt der Einkauf in führenden Unternehmen immer stärker zu einem emanzipierten Partner der Fachabteilungen auf. Entsprechend haben sich die Funktion und die Rolle des Einkäufers erheblich verändert: Die Entwicklung geht weg vom ausführenden Einkäufer und hin zum proaktiv handelnden Supply Chain Manager. Umfassende Kompetenz ist heute der Schlüsselfaktor zum Erfolg. Entscheidend für erfolgreiches Supply Chain Management wird künftig vorallem die strategische Management-Kompetenz sein. In zahlreichen Seminaren und Vorträgen zu den Anforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager wurde von den Teilnehmern und Unternehmensvertretern unterschiedlicher Wirtschaftsbranchen wiederholt der Wunsch geäussert, eine praxisfreundliche Darstellung und Übersicht der wichtigsten Kompetenzen für das moderne Supply Chain Management zu erhalten. Diesem Wunsch entspricht das vorliegende Buch. Der Themenbereich Einkauf und Supply Chain Management blickt am Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen auf eine lange Tradition zurück. Bereits Anfang der 60er Jahre legte der Gründer des damaligen Forschungsinstituts für Absatz und Handel, Prof. Dr. Heinz Weinhold-Stünzi, die ersten Kontakte mit Einkaufsverantwortlichen in der deutschsprachigen Wirtschaftspraxis. Es erschien ihm wichtig, die Brücke zwischen Verkauf und Einkauf auch forschungstechnisch zu spannen. Seit 1979 wird an der Universität St. Gallen das Seminar für Einkaufsleiter durchgeführt. Es ist ein intensiver Weiterbildungslehrgang für Führungskräfte in Einkauf, Beschaffung, Logistik und Supply Chain Management. Ziel des Seminars für Einkaufsleiter ist es, neue konzeptionelle Impulse für ein integriertes, kundenorientiertes und strategisches Supply Chain Management zu geben. Neue Formen einer vernetzten Wertschöpfung mit Lieferanten, das Management der Beschaffungsorganisation und die Führung der eigenen Person sind Kernthemen des Kurses.
VI
Vorwort
Die Erkenntnisse aus der Tradition des Einkaufsleiterseminars bilden die Grundlage für die Inhalte dieses Buches. Es erklärt, auf welche Kompetenzen es in Zukunft im Einkauf und Supply Chain Management ankommt. Für zehn ausgewählte Hauptkompetenzen vermittelt das Buch Basiswissen in komprimierter Form. Im Sinne des dualen Forschungsansatzes wird dabei besonders Wert gelegt auf einen Ausgleich zwischen Theorie und Praxis. Jede Kompetenz wird zunächst aus akademischer Sicht erläutert und dann durch einen Praxisbeitrag ergänzt. Es geht in diesem Buch darum, die Herausforderungen an den modernen Einkaufsleiter verständlich und realitätsnah zu umschreiben, zentrale theoretische Konzepte zu erklären sowie Denkanstösse zur erfolgreichen Bewältigung wichtiger Managementherausforderungen zu liefern. Das vermittelte Wissen ermöglicht dem Leser, die moderne Rolle des Einkaufs in seiner Gesamtheit und Vielseitigkeit zu verstehen. Die vorgestellten Kompetenzen funktionieren jedoch nicht automatisch. Der Leser, respektive Anwender, ist daher aufgefordert, den Transfer auf die Situation des eigenen Unternehmens zu suchen und die benötigten Kompetenzen kreativ weiterzuentwickeln. Für diejenigen, die für Einkaufsentscheidungen im Unternehmen verantwortlich sind, ist ein fundiertes Beschaffungs-Knowhow, kombiniert mit bewährten Managementkompetenzen, die Basis ihres Beitrags zum Unternehmenserfolg und damit auch Treiber der persönlichen Karriere. Herzlicher Dank gebührt den Autoren dieses Bandes. Ohne die Unterstützung der geschätzten Kollegen aus der Wissenschaft und zahlreicher Praxisvertreter, die durch ihre interessanten Beiträge dieses Buch auszeichnen, wäre dieses Werk in seiner heutigen Form undenkbar. Es sei ebenfalls dem Verlag für die Geduld und professionelle Betreuung gedankt.
Thomas Rudolph Randy Drenth Jan Niklas Meise St. Gallen im November 2006
Inhaltsverzeichnis
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager...................................................................................................... 1 Thomas Rudolph, Randy Drenth, Jan Niklas Meise 1 Herausforderungen für das Supply Chain Management ................ 1 1.1 Erweiterte Aufgabenspektren im Supply Chain Management......................................................................... 1 1.2 Die zunehmende Bedeutung eines umfassenden Prozessverständnisses .......................................................... 3 2 Der Kompetenzansatz für das Supply Chain Management ........... 6 2.1 Identifikation und Ausbau von Basiskompetenzen im Supply Chain Management.................................................. 6 2.2 Zentrale Erkenntnisse und Tendenzen der Einkaufsleiterbefragung..................................................... 10 3 Die 10 Basiskompetenzen im Supply Chain Management.......... 13 3.1 Rang 1: Geschäftsprozesskompetenz................................. 14 3.2 Rang 2: Trendkompetenz................................................... 15 3.3 Rang 3: Transformationskompetenz .................................. 16 3.4 Rang 4: Kundenkompetenz................................................ 17 3.5 Rang 5: Kooperationskompetenz....................................... 18 3.6 Rang 6: Sozialkompetenz .................................................. 18 3.7 Rang 7: Motivations- und Führungskompetenz................. 19 3.8 Rang 8: Konfliktkompetenz............................................... 20 3.9 Rang 9: Controlling- und Risikomanagementkompetenz .. 21 3.10 Rang 10: Technologiekompetenz ...................................... 22 4 Fazit und Ausblick auf das Buch ................................................. 23 4.1 Auswirkungen des Kompetenzansatzes auf das Supply Chain Management ............................................................ 23 4.2 Supply Chain Management in Theorie und Praxis ............ 25 Literatur ............................................................................................ 26
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Inhaltsverzeichnis
I Geschäftsprozesskompetenz Supply Chain-orientierte Geschäftsprozesse zur Sicherung unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit ............................................ 33 Hans-Jörg Bullinger, Michael Kühner 1 Ausgangssituation........................................................................ 33 2 Typische Probleme heutiger Logistikorganisationen................... 34 3 Zielsetzung Supply Chain Management ...................................... 35 4 Erfolgsfaktoren einer Supply-Chain-orientierten Logistikorganisation .................................................................... 36 4.1 Supply-Chain-Planung....................................................... 36 4.2 Prozessorganisation ........................................................... 36 4.3 Supply-Chain-Integration .................................................. 37 4.4 Daten- und Dokumentenmanagement................................ 38 4.5 Supply Chain Performance-Management .......................... 39 5 Zusammenfassung ....................................................................... 40 Literatur ............................................................................................ 40
Der neue Warenhandelsprozess der Migros ......................................... 43 René Meyer 1 Sortimentsplanung (Category Management) ............................... 43 1.1 Richtige Stammdaten ......................................................... 44 1.2 Stets aktuelle Sortimentsmodule........................................ 44 2 Operative Warenwirtschaft (Supply Chain Management)........... 44 2.1 Filialnachschubsberechnung .............................................. 44 2.2 Distribution ........................................................................ 46 2.3 Einkauf/Beschaffung ......................................................... 47 3 Geschäftsprozesskompetenz ........................................................ 48
II Trendkompetenz Beschaffungstrends und Trendforschung ............................................. 51 Udo Koppelmann 1 Trendkompetenz – Was heisst das? ............................................. 51 2 Beschaffungstrends...................................................................... 52 2.1 Leistungstrends .................................................................. 52 2.2 Mengentrends..................................................................... 53 2.3 Preistrends.......................................................................... 53 2.4 Zeittrends ........................................................................... 54
Inhaltsverzeichnis
IX
3 Trendrelevante Handlungsfelder.................................................. 54 3.1 Situationsanalyse ............................................................... 56 3.2 Bedarfsanalyse ................................................................... 56 3.3 Marktanalyse...................................................................... 57 3.4 Lieferantenanalyse ............................................................. 57 3.5 Lieferantenverhandlung ..................................................... 58 4 Methoden der Trendforschung..................................................... 58 Literatur ............................................................................................ 60
Früherkennung und Bewertung von Trends als Grundlage eines effizienten SCMs ...................................................................................... 61 Stefan Furrer, Randy Drenth 1 Einleitung..................................................................................... 61 2 Die Ciba Spezialitätenchemie AG ............................................... 61 2.1 Organisation des Einkaufs bei Ciba................................... 62 2.2 Die Anreiz-Beitragsthese ................................................... 64 2.3 Beschaffung in Far East ..................................................... 65 2.4 Zusammenarbeit zwischen F&E und dem Einkauf............ 65 2.5 Trenderkennung bei Ciba................................................... 66 3 Fazit ............................................................................................. 68 Literatur ............................................................................................ 69
III Transformationskompetenz Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance....................................................................... 73 Marco Schmäh, Heinz Stark 1 Auslöser für Veränderungen der Leistungsstrukturen ................. 73 2 Unternehmensvorteile durch arbeitsteilige Transformation ........ 74 3 Transformationskompetenz für Beschaffungs-Change Management................................................................................. 76 3.1 Beschaffungs-Change Management .................................. 76 3.2 Wandel in der Transformationskompetenz ........................ 78 3.3 Transformationskompetenz als Objekt der Organisations- und Personalentwicklung........................... 79 4 Transformationskompetenz und Beschaffungsstrategien für „Innovative Beschaffung“............................................................ 83 5 Ausblick ....................................................................................... 84 Literatur ............................................................................................ 85
X
Inhaltsverzeichnis
Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation der Netstal-Maschinen AG ............................................................................ 87 Paul Nart, Marco Zweifel, Randy Drenth 1 Transformationskompetenz ......................................................... 87 2 Fallbeispiel e-jet bei Netstal-Maschinen AG............................... 88 3 Situationsanalyse ......................................................................... 89 4 Lösungsansätze ............................................................................ 89 5 Analyse ........................................................................................ 90 5.1 Variante Buy ...................................................................... 90 5.2 Variante Make.................................................................... 91 5.3 Variante Make and Buy ..................................................... 91 6 Entscheid und Umsetzung ........................................................... 92 7 Lieferantenintegration in die Supply Chain................................. 94 8 Fazit ............................................................................................. 95
IV Kundenkompetenz Markt- und kundenorientierte Supply Chain ManagementKompetenzen............................................................................................ 99 Roman Boutellier, Stephan M. Wagner 1 Marktorientierung und Performance der Unternehmung............. 99 2 Supply Chain Management und Marktorientierung .................. 100 3 Markt- und kundenorientierte SCM-Kompetenzen ................... 102 3.1 SCM-Strategien ............................................................... 102 3.2 SCM-Prozesse und -Strukturen........................................ 103 3.3 SCM-Mitarbeiter.............................................................. 104 4 Kundenwert durch SCM und Performance des Unternehmens . 105 5 Fazit ........................................................................................... 107 Literatur .......................................................................................... 107
Kundenkompetenz als Schlüsselfaktor des SCM bei Swisscom Mobile.................................................................................... 109 Adrian Jungo, Randy Drenth 1 Kundenorientierung: Vom Push- zum Pullprinzip .................... 109 2 Kundenorientiertes Supply Chain Management ........................ 110 3 Fallbeispiel Swisscom Mobile ................................................... 112 3.1 Lieferverfügbarkeit als Bindungsfaktor........................... 113 3.2 Problemfelder hinsichtlich der Warenverfügbarkeit........ 114 3.3 Lösungsansätze ................................................................ 114
Inhaltsverzeichnis
XI
3.4 Data Warehouse ............................................................... 116 3.5 Advanced Planning and Scheduling System (APS)......... 116 Literatur .......................................................................................... 117
V Kooperationskompetenz Kooperation und Partnerschaft im Wertschöpfungsnetzwerk.......... 121 Paul Schönsleben, Robert Alard 1 Trend zur unternehmensübergreifenden Kooperation ............... 121 2 Richtlinien für die Gestaltung effizienter Wertschöpfungspartnerschaften................................................. 123 Literatur .......................................................................................... 126
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft ............................................... 127 Jürg Rückert 1 Aufgabenorientiertes und kooperatives Marketing.................... 127 1.1 Konfliktmodell................................................................. 128 1.2 Partnerschaftsmodell........................................................ 129 2 Schlussbetrachtung .................................................................... 134 Literatur .......................................................................................... 135
VI Sozialkompetenz Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln.......................................... 139 Elisabeth Fröhlich 1 Sozialkompetentes Beschaffungshandeln – der Versuch einer inhaltlichen Charakterisierung .......................................... 139 2 Facetten sozialkompetenten Beschaffungshandelns .................. 140 3 Trends in der Beschaffung: Pointierung sozialkompetenten Beschaffungshandelns ............................................................... 145 Literatur .......................................................................................... 148
Sozialkompetenz in der Beschaffungspraxis ....................................... 149 Hans Kalberer, Randy Drenth 1 Was muss ein Supply Chain Manager können?......................... 149 2 Was ist Sozialkompetenz? ......................................................... 150
XII
Inhaltsverzeichnis
3 Wie kann man Sozialkompetenz aufbauen? .............................. 151 4 Fallbeispiel Büro-Fürrer AG...................................................... 153 Literatur .......................................................................................... 155 Anhang ........................................................................................... 156
VII Motivations- und Führungskompetenz Führungskompetenz für Supply Chain Manager............................... 161 Heike Bruch, Bernd Vogel 1 Indirekte und direkte Führung als Grundperspektiven der Führung...................................................................................... 161 1.1 Transaktionale Führung ................................................... 162 1.2 Transformationale Führung ............................................. 163 2 Leadership als Energiemanagement .......................................... 165 3 Zunehmend anspruchsvolleres Führungsverhalten.................... 168 Literatur .......................................................................................... 168
Persönlichkeitszentrierte Führungskomponente ................................ 171 Norbert A. Harlander 1 Zur Idee moderner Führung oder wie kann ich Mitarbeiterführung grundsätzlich verstehen? ............................ 172 2 Zum Verständnis eines dynamischen Unternehmens oder wie kann ich ein modernes Unternehmen umfassend begreifen?..... 173 3 Zur Einführung in meine Führungs-Persönlichkeit oder wie kann ich mein Wissen um meine Persönlichkeit ausbauen?...... 175 4 Zur Praxis kooperativer Mitarbeiterführung oder wie kann ich meine Führungs-Kompetenz ganz pragmatisch weiterentwickeln? ...................................................................... 177 5 Zum Abschluss: Ermutigungen zu echter Führung ................... 181
VIII Konfliktkompetenz Strategien der Konfliktdiagnose und -bewältigung ............................ 187 Heinz-Jürgen Trappmann 1 Konflikte gehören zum Leben ................................................... 187 2 Balance zur erfolgreichen Konfliktbewältigung ........................ 188 3 Verhaltenstipps .......................................................................... 189
Inhaltsverzeichnis
XIII
4 Konflikt-Merkmale .................................................................... 190 4.1 Merkmale für Gruppenkonflikte ...................................... 191 4.2 Merkmale für organisatorische Konflikte ........................ 192 5 Einstellungen zu anderen Menschen.......................................... 195 6 Konfliktdiagnose........................................................................ 196 7 Strategien der Konfliktbewältigung........................................... 198 7.1 Mein persönlicher Konfliktstil......................................... 199 7.2 Übung: Persönliche Konfliktstile..................................... 199 8 Das kooperative Konfliktgespräch – in sechs Schritten............. 202 9 Kontroverse Verhandlung.......................................................... 203 9.1 Spannungsfeld einer kontroversen Verhandlung ............. 204 9.2 Kontroverse Verhandlung................................................ 204 Literatur .......................................................................................... 206
Konfliktkompetenz ................................................................................ 207 Ulrich Witschi 1 Einleitung................................................................................... 207 2 Definitionen ............................................................................... 208 3 Wie entsteht ein Konflikt? ......................................................... 208 4 Konfliktebenen........................................................................... 209 4.1 Sachebene ........................................................................ 210 4.2 Zwischenmenschliche Ebene ........................................... 210 4.3 Persönliche Ebene................................................................ 211 5 Voraussetzung für Konfliktkompetenz ...................................... 212 6 Konfliktidentifizierung und Analyse ......................................... 213 7 Konfliktsituationen im Bereich des Supply Chain Management............................................................................... 214 8 Konfliktlösung durch Mediationsverfahren ............................... 218 9 Fazit ........................................................................................... 218
IX Controlling und Risikomanagementkompetenz Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling.............................................................................................. 223 Michael Essig 1 Controlling-Konzeptionen für Beschaffungs- und Supply Chain Management .................................................................... 223 2 Grundkonzept: Der Controllingkompetenz-Würfel ................... 224
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Inhaltsverzeichnis
2.1
Die Dimensionen des Würfels: Konzeptionsumfang, Erfolgsmassstab und Analyseobjekt des Beschaffungsund Supply Chain Controlling ......................................... 224 2.2 Die Felder des Würfels: Von der Einkaufs- und Logistikkostenrechnung zum Supply Chain Controlling .............. 226 3 Kompetenzfelder und Instrumente des Beschaffungs- und Supply Chain Controlling .......................................................... 227 3.1 Instrumente der Kosten- und Leistungsrechnung auf Unternehmensebene......................................................... 227 3.2 Controlling von Lieferbeziehungen: Total Value of Relationship ..................................................................... 228 3.3 Supply Chain Controlling zur Netzwerksteuerung .......... 230 Literatur .......................................................................................... 233
Controllingkompetenz am Beispiel dm-drogerie markt .................... 237 Petra Mostberger 1 Controlling im Kontext der Unternehmensphilosophie ............. 237 2 Kernkompetenzen-Mix als Erfolgsfaktor im Supply Chain Controlling................................................................................. 237 2.1 Kernkompetenzbereich Organisation und Mitarbeiter..... 239 2.2 Kernkompetenz Kooperationsfähigkeit ........................... 240 2.3 IT: Unterstützung und Verbindung.................................. 241 3 Ausblick über das Zusammenspiel des Kernkompetenz-Mix.... 242 Literatur .......................................................................................... 243
X Technologiekompetenz Technologiekompetenz: Innovation durch Lieferanten ..................... 247 Oliver Gassmann, Timo Wolff 1 Steigende Bedeutung der Innovation durch Lieferanten............ 247 2 Innovationskooperation mit Lieferanten eröffnet Chancen ....... 249 3 Hürden beim gemeinsamen Innovieren mit Lieferanten............ 251 4 Technologiekompetenz: Schlüssel für die Führung von Lieferanten ................................................................................. 253 Literatur .......................................................................................... 254
Inhaltsverzeichnis
XV
Technologiekompetenz – Innovative Wege des E-Sourcing............... 255 Stephan Hänni, Randy Drenth 1 Technologiekompetenz im Beschaffungskontext ...................... 255 2 Fallbeispiel BELIMO Automation AG...................................... 256 2.1 E-Procurement Strategie .................................................. 256 2.2 Restrukturierung des Prozessablaufs ............................... 258 2.3 Kostenoptimierung durch E-Procurement Ausschreibungen und Lieferantendatenbank ................... 260 Literatur .......................................................................................... 261 Autorenverzeichnis ................................................................................ 263
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager Thomas Rudolph, Randy Drenth, Jan Niklas Meise Gottlieb Duttweiler Lehrstuhl für Internationales Handelsmanagement, Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen, Schweiz
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Herausforderungen für das Supply Chain Management
Die Rolle des Einkaufs verändert sich. Der globale Wettbewerb bewirkt ein Umdenken weg von der klassischen operativen Beschaffung hin zu mehr strategischen Aufgabenbereichen und einer umfassenderen Koordinationsfunktion. Eine ähnliche Entwicklung erfolgt parallel in der Logistik und der Distribution. Einkäufer und Logistiker werden gemeinsam zum Supply Chain Manager. Dies erweitert zwangsläufig das jeweilige Aufgabenspektrum. Profunde Kenntnisse der Geschäftsprozesse des Unternehmens sowie dessen neu gestalteter und umfangreicherer Supply Chain sind dabei Voraussetzung für ein erfolgreiches Supply Chain Management. 1.1 Erweiterte Aufgabenspektren im Supply Chain Management Viele Unternehmen haben inzwischen erkannt, dass eine Neuausrichtung des Beschaffungsmanagements aufgrund der zunehmenden globalen Herausforderungen unerlässlich ist (Hug 2001). Verschärfter Wettbewerb, steigender Kostendruck und wachsende Kundenanforderungen erzeugen Handlungsbedarf zur Veränderung des traditionellen Beschaffungs-, Logistik- und Distributionsdenkens. Unternehmen sehen sich vielfach gezwungen, sich auf ihre Kernkompetenzen zu konzentrieren (Prahalad u. Hamel 1990). Die eigene Wertschöpfungstiefe bei der Leistungserstellung nimmt kontinuierlich ab. Dabei muss es im Zuge des vernetzten Outsourcings gelingen, nicht nur die Materialqualität zu verbessern, sondern auch die Beschaffungskosten zu senken.
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Aus diesen fortwährenden Markt- und Umfeldveränderungen resultieren neue, zwangsläufig erweitere Aufgaben für den Einkauf, die Logistik und die Distribution. Auslöser dieser Entwicklung sind Veränderungen im Wertschöpfungsprozess. Die Aufgliederung von Geschäftsprozessen im Sinne des Business Reengineering führt zur Reintermediation und/oder Desintermediation, wodurch die Supply Chain neue Formen annimmt (Voegele u. Schwientek 2002). Es entstehen Netzwerke von Partnern, in denen veränderte Bedürfnisse und neue Funktionsträger zu beachten sind. Organisationale Veränderungen im Unternehmen sind als Antwort und Reaktion unerlässlich. Vielerorts lassen sich die ersten Auswirkungen bereits offenkundig beobachten. Im Handel findet man den Einkäufer von gestern etwa heute vorwiegend als Category Manager (Rudolph 2005). Galt all seine Aufmerksamkeit früher häufig nur dem Einkaufspreis, so steht fortan der gesamte Wertschöpfungsprozess im Zentrum seiner Aufgaben. Die Einkaufsabteilung übernimmt neben der Beschaffung von Produkten einer bestimmten Warengruppe, gemeinsam mit anderen Abteilungen, auch die Verantwortung und Koordination für den Verkauf und die Logistik. Ergebnis ist ein effizient und effektiv gesteuerter Distributionsprozess, der mit Hilfe der technischen Entwicklung hauptsächlich auf erhöhter Transparenz beruht (Rich u. Hines 1997). Die Kernprozesse Beschaffung, Logistik und Verkauf lassen sich umfassend, funktionsübergreifend und aktuell nachvollziehen. Diese Entwicklung hat in vielen Unternehmen zur Annäherung der Funktionsbereiche und zu Veränderungen in den Ablaufprozessen geführt. Abbildung 1 stellt das Zusammenspiel der Bereiche Einkauf und Beschaffung, Logistik und Distribution im Sinne eines modernen Supply Chain Managements dar.
Logistikmanagement
Supply Chain Management
Einkauf und Beschaffung
Distributionsmanagement
Abb. 1. Bereiche des Supply Chain Managements, Quelle: Eigene Darstellung
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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Der Wandel im Verständnis des klassischen Einkaufs wird in der Literatur allgemein als Paradigmenwechsel zum Supply Chain Management bezeichnet. Supply Chain Management, verstanden als wertschöpfungsübergreifende Zusammenarbeit im Versorgungsnetzwerk zwischen Wertschöpfungspartnern, wie beispielsweise Industrie und Handel (Rudolph 2003), hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Der Begriff erfreut sich einer zunehmenden Verbreitung in Theorie und Praxis, welche sich in der ansteigenden Zahl an Veröffentlichungen, Tagungen und Vorträgen festmacht. Zudem formieren sich weltweit Institutionen aus dem universitären Bereich, aus Verbänden und aus Weiterbildungszentren, die sich der Thematik annehmen. Gerade diese institutionelle Festigung zeigt, dass es sich bei Supply Chain Management nicht um eine kurzfristige Modeerscheinung, sondern vielmehr um einen nachhaltigen Wandel im Managementdenken handelt (Larson u. Halldorsson 2002). Einkäufer, Logistiker und Distributionsmanager übernehmen in vielen Organisationen Teilaufgaben des Supply Chain Managements. Dazu müssen sie nicht nur mit internen Wertschöpfungsprozessen vertraut sein, sondern auch erfolgsentscheidende Stufen der vorgelagerten Wertschöpfungskette unterstützen können. Das Ziel ihrer Arbeit stellt jedoch nicht die Optimierung der gesamten Supply Chain dar. Jedes Unternehmen sollte vielmehr bemüht sein, sich optimal in die Supply Chains einzupassen, an denen es beteiligt sein möchte (Kaufmann u. Germer 2001). Neben der Prozessoptimierung zur Kostensenkung sind Schnelligkeit und Kundenzufriedenheit wichtige Faktoren geworden, um im Wettbewerb bestehen zu können (Christopher 1998). Frühzeitig in Prozessen und Projekten mitarbeiten, internationale Beschaffungsalternativen aufspüren, strategische Partnerschaften mit Lieferanten aufbauen oder die eigene Wertschöpfungskette optimieren, fällt bis anhin nur selten in den Aufgabenbereich eines Einkäufers oder Logistikers. Häufig fehlt es an ausreichendem Prozessverständnis, genügender strategischer Verantwortung, fördernden Anreizsystemen sowie an entsprechenden Managementkompetenzen (Fawcett u. Magnan 2001). 1.2 Die zunehmende Bedeutung eines umfassenden Prozessverständnisses Die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen den Funktionsbereichen Beschaffung, Logistik und Verkauf ist gegenwärtig zwar vielerorts anerkannt, jedoch hindert ein fehlendes durchgängiges Prozessverständnis häufig deren Umsetzung. Dieses Kapitel reflektiert die enorm ge-
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wachsene Bedeutung einer prozessorientierten Sichtweise von Unternehmen, einerseits als Folge des durch die Errungenschaften der Informationstechnologie massgeblich forcierten Zeitwettbewerbs und andererseits aufgrund der gewachsenen Bedeutung des Managements von sozialen Prozessen (Rüegg-Stürm 2003). Das Denken und Handeln in Prozessen gewinnt im Vergleich zum Management innerhalb fest etablierter Unternehmensstrukturen. Mitarbeiter müssen künftig das Zusammenspiel von Wertschöpfungsprozessen aktiv fördern, anstatt lediglich in einer gut strukturierten Organisation zu funktionieren. Supply Chain Manager ist, wer sich strategisch und frühzeitig in Wertschöpfungsprozesse einklinkt, um Kosten an der Prozessstufe senken zu können, an der sie verursacht werden (Jahns 2004). Kompetenz im Supply Chain Management basiert dabei in erster Linie auf guten Prozesskenntnissen. Prozesse beschreiben das zeitliche Zusammenspiel von Unternehmensfunktionen in strukturierter Form. Erfolg im Sinne gesteigerter Rentabilität entsteht dann, wenn kompetente Mitarbeiter mit Wissen und Engagement Strategien mit Wettbewerbsvorteilen realisieren. Die Entstehung der damit angesprochenen Kompetenzen erklärt Abbildung 2. Kompetenzen setzen sich einerseits zusammen aus einem eher kognitiven Aspekt, nämlich aus Wissen, und andererseits aus praktischen Fähigkeiten, d.h. aus intelligent gestalteten Abläufen und organisationalen Routinen. In diesen Strukturen spiegelt sich das organisationale Wissen wider und sie tragen zur optimalen Ressourcenallokation bei (Rüegg-Stürm 2003). Ressourcen stärken
Kompetenzen
Motivation + Prozesskenntnisse + Fähigkeiten
schärfen
Strategien
Wettbewerbsvorteile
Profitabilität
stärken
Abb. 2. Entstehung und Auswirkung von Kompetenzen. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hill u. Jones 2001, S. 138
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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Sowohl Erfahrungen mit dem Prozessablauf, als auch Aus- und Weiterbildung führen in der Regel zu guten Prozesskenntnissen bei den Mitarbeitern. Fallen darüber hinaus deren Motivation und Fähigkeiten im Sinne von Fachwissen hoch aus, sind die Voraussetzungen für ein überdurchschnittliches Kompetenzniveau gegeben. Zusätzlich müssen die dafür notwendigen Ressourcen bereitgestellt werden um wertschöpfende Aufgaben effektiv und effizient vollziehen zu können (Rudolph 2005). Kompetenzen helfen symbiotisch, Strategien zu entwickeln und fokussiert umzusetzen. Dadurch entstehen Wettbewerbsvorteile. Fallen diese aus Sicht der anvisierten Zielkunden nachhaltig aus, so entsteht eine überdurchschnittlich hohe Rentabilität, die zur Stärkung bestehender Ressourcen eingesetzt werden kann und Mitarbeiter zusätzlich motiviert. Im Sinne der Inside-Out Perspektive der Strategieentwicklung (resourcebased view) ist die systematische Kompetenzentwicklung Kernaufgabe des strategischen Managements (Rüegg-Stürm 2003). Sanchez et al. (1996, 2004) definieren Kompetenzen als eine Fähigkeit zur zielgerichteten Zusammensetzung und Koordination der eigenen Fähigkeiten, Ressourcen und Informationen hinsichtlich eines verfolgten Ziels. Kompetenz wird somit als eine Verknüpfungsleistung der Organisation verstanden. Im Supply Chain Management gilt es, sich mit Hilfe möglichst einzigartiger Fähigkeiten und Ressourcen eigenverantwortlich eine vorteilhafte Umwelt (Marktdynamik) zu schaffen (Hamel u. Prahalad 1990). Die Entwicklung seltener, schwer imitier- und substituierbarer Kompetenzen, die dazu beitragen, bei sich selbst, aber auch bei den Kunden, langfristige Wettbewerbsvorteile aufzubauen, entscheiden gemäss dieser Perspektive über Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens. Strategische Wettbewerbskompetenzen sind einzigartige Fähigkeiten, die es aus Sicht der Kunden erlauben, im Vergleich zu Wettbewerbern überlegene Produkte und Dienstleistungen anzubieten und damit nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu schaffen (Bogner u. Thomas 1994). Aufgrund der eingangs skizzierten dynamischen Wettbewerbs- und Umfeldverhältnisse bedürfen die traditionellen Kompetenzen des Einkaufs, der Logistik und der Distribution einer umfassenden Ergänzung. Zentrale Management- und Fachkompetenzen sowie notwendige und unentbehrliche Verhaltenskompetenzen sind zu identifizieren, gegebenenfalls aufzubauen und langfristig zu stärken. Wenn das Supply Chain Management im Unternehmen den Aufstieg zur strategischen Managementfunktion anstrebt, sind ein solides Fachverständnis sowie eine Weiterentwicklung der Verhaltenskompetenzen die unabdingbaren Voraussetzungen.
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Der Kompetenzansatz für das Supply Chain Management
Das erweiterte Aufgabenspektrum des modernen Supply Chain Managers fordert eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen. Neben notwendigen Fachkenntnissen über Prozesse, Absatzmarkt und das eigene Unternehmen rücken vor allem Softskill-Anforderungen in den Vordergrund. Dieses Kapitel stellt den Kompetenzansatz für das Supply Chain Management vor, welcher die zehn wichtigsten Basiskompetenzen für ein erfolgreiches Supply Chain Management berücksichtigt. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung wurde die praktische Relevanz und Bedeutung dieser Fachund Verhaltenskompetenzen untersucht. 2.1 Identifikation und Ausbau von Basiskompetenzen im Supply Chain Management Erfolge im Supply Chain Management kommen nicht zufällig zustande. Mehrere Basiskompetenzen müssen gut aufeinander abgestimmt sein. Der Kompetenzansatz für das Supply Chain Management umfasst die wichtigsten Basiskompetenzen, die es zu beherrschen gilt, um langfristig Erfolg durch Wettbewerbsvorteile zu erreichen. Sie setzen bei den evidenten und offenkundig zu beobachtenden Problemen und Hindernissen im Supply Chain Management an. Fawcett und Magnan (2001) identifizieren Barrieren, die es zu überwinden gilt, um ein effektives Supply Chain Management zu etablieren und durchzuführen. Als grösste Widerstände gelten inadäquater Informationsaustausch im Unternehmen und mit den Lieferanten, mangelhafte und teilweise widersprüchliche Erfolgsmessung, unangemessener und unerfahrener Umgang mit Kooperationspartnern, mangelnde Vision, Angst vor Veränderung, fehlendes Engagement und Einsatz der Mitarbeiter und des Managements, limitierte Ressourcen sowie unzureichende Mitarbeiterbefähigung. Ähnliche Barrieren finden sich bei Storey, Emberson und Reade (2005), welche vor allem die Organisationsund Verhaltensebene in den Vordergrund stellen. Ausgehend von diesen fachlichen und verhaltenstechnischen Barrieren ist es die Aufgabe des Supply Chain Managers, mögliche Wege zur Überwindung dieser Hindernisse zu identifizieren. Das Supply Chain Management ist wegen bestehender Absatzmarktengpässe kundenorientiert auszurichten. Im Vordergrund steht das Ziel, bei einem angestrebten Preis-/ Leistungsniveau für den Kunden die totalen Kosten eines Produktes zu minimieren (Hahn 1999). Der Kompetenzansatz für das Supply Chain Ma-
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nagement berücksichtigt die wichtigsten Basiskompetenzen, die zur Überwindung, Vermeidung oder Auflösung der oben genannten Barrieren benötigt werden. Die Kompetenzzusammensetzung beruht auf Expertengesprächen mit Praktikern und Wissenschaftlern. Die zehn identifizierten Basiskompetenzen lassen sich in erforderliche Fachkompetenzen sowie notwendige Verhaltenskompetenzen unterteilen. Abbildung 3 stellt diese Struktur der zehn Basiskompetenzen graphisch dar. Verhaltenskompetenzen
Fachkompetenzen
Transformationskompetenz
Geschäftsprozesskompetenz
Kooperationskompetenz
Trendkompetenz
Sozialkompetenz
Kundenkompetenz
Motivations- und Führungskompetenz
Controlling- und Risikomanagementkompetenz
Konfliktkompetenz
Technologiekompetenz
Abb. 3. Struktur der zehn Basiskompetenzen, Quelle: Eigene Darstellung
Fachkompetenz im Supply Chain Management entsteht aus der Erfahrung und Vertrautheit mit den damit verbundenen Aufgaben. Dazu muss die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen im Unternehmen effizient erfolgen und Geschäftsprozesskompetenz aufgebaut werden. Profunde Kenntnisse über Wünsche und Bedürfnisse von Endkunden sowie frühzeitiges Erkennen von Trendveränderungen manifestieren sich in der Kunden- und Trendkompetenz. Um den Erfolg langfristig zu sichern und Risiken zu managen, bedarf es eines speziellen und unternehmensübergreifend einheitlichen Controlling und Riskmanagements. Zudem wird Technologiekompetenz benötigt, da moderne Beschaffungslösungen verstärkt technisches Wissen voraussetzen. Den erforderlichen Fachkompetenzen im Supply Chain Management steht die Ebene der Verhaltenskompetenzen als notwendiges Element gegenüber. Um den Wandel hin zum Supply Chain Management organisational umzusetzen bedarf es einer hohen Transformationskompetenz. Die Ein-
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bindung externer Partner setzt Kooperationskompetenz voraus und über den Aufbau sozialer Kompetenz entsteht Vertrauen zwischen Lieferant und Einkäufern. Zur Koordination und Motivation unternehmensübergreifender Teams wird Motivations- und Führungskompetenz vorausgesetzt. Konflikte entlang der gesamten Wertschöpfungskette sind unvermeidbar, müssen aber gezielt und konstruktiv durch den Aufbau von Konfliktkompetenz ausgetragen werden.
Unternehmensumwelt Trendkompetenz
Supply Chain Lieferanten Kooperationskompetenz
Transformationskompetenz
Unternehmen Geschäftsprozesskompetenz
Kunden Kundenkompetenz
Supply (Chain) Manager
Einkauf/ SCM
b
Sozialkompetenz, Konfliktkompetenz, Motivations- und Führungskompetenz
Technologiekompetenz Controllingkompetenz
Abb. 4. Anwendungsfelder der Basiskompetenzen, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hahn (1999, S. 852 ff.)
Abbildung 4 veranschaulicht die Anwendungsfelder der Basiskompetenzen des Supply Chain Managements anhand des Wertschöpfungsprozesses. Zentraler Ausgangspunkt ist das Unternehmen. Interne Synchronisation und abteilungsübergreifende Transparenz der Prozesse sind mit Hilfe der Geschäftsprozesskompetenz zu erreichen. Entlang der Supply Chain sind auf Stufe der Lieferanten gezielte Kooperationen einzugehen. Gleichwohl sollte auch der am anderen Ende der Supply Chain stehende Kundenfokus stets im Auge behalten werden und massgeblich die organisationale Gestaltung und Durchführung der Koordination der Supply Chain mit beeinflussen. Dieser Anpassungsprozess bedarf der Transformationskompetenz. Es sind ferner aus der Unternehmensumwelt kommende Trends und Technologien zu beachten. Softskill-Kompetenzanforderungen an Supply Chain Manager stellen soziale Kompetenz, Konfliktkompetenz sowie Motivations- und Führungskompetenz dar. Die unternehmensüber-
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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greifende Definition und Einhaltung von sinnvollen Leistungsmassstäben zeichnet die Controlling- und Risikomanagementkompetenz aus. Die zehn Basiskompetenzen für das Supply Chain Management hängen, wie in Abbildung 4 erkennbar, eng miteinander zusammen, weshalb ihre Bearbeitung nicht sequentiell geschehen kann, sondern parallel erfolgen muss. Der Ausbau dieser Kompetenzen bestimmt gewissermassen die Konfiguration der zukünftig angestrebten Position des Supply Chain Managements und des Unternehmens, die es ermöglichen soll, im Vergleich zu Wettbewerbern langfristige Wettbewerbsvorteile zu erlangen (Friedrich 2000). Der Begriff der Konfiguration macht deutlich, dass eine strategische Erfolgsposition aus dem kohärenten Zusammenwirken verschiedener Basiskompetenzen erwächst. Ziel des Supply Chain Managements muss es daher sein, nicht nur Prozesse zu beschreiben und zu optimieren, sondern systematisch prozessstärkende Kompetenzen aufzubauen. Die Beziehung zwischen Fach- und Verhaltenskompetenzen im Hinblick auf den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile kann in Anlehnung an die Zweifaktoren-Theorie von Herzberg (1959) illustriert werden. Die Basiskompetenzen, die zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen führen, sind von denen zu trennen, die dem Untenehmen zu langfristigen Wettbewerbsvorteilen verhelfen können. Faktoren der ersten Dimension nennt Herzberg Hygienefaktoren bzw. Kontextfaktoren. Auf die Struktur der Basiskompetenzen für das Supply Chain Management übertragen, stellen die Fachkompetenzen jene Kontextfaktoren dar. Sie sind eine notwendige Voraussetzung zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen, reichen aber nicht aus, um langfristige Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Die Faktoren der zweiten Dimension werden als Beweggrundfaktoren oder im Sinne der Motivationstheorie als Motivatoren bezeichnet. Die identifizierten Verhaltenskompetenzen des Supply Chain Managements entsprechen dieser Dimension. Sie sind in Kombination mit den erforderlichen Fachkompetenzen notwendige Voraussetzung für den Aufbau langfristiger Wettbewerbsvorteile. Verhaltenskompetenz ist schwer imitier- und übertragbar und weist daher einen hohen Grad an Einzigartigkeit auf, die dem Unternehmen zu einer strategisch vorteilhafteren Position im Wettbewerb verhelfen kann. Abbildung 5 zeigt das Schema der Zweifaktoren Theorie Herzbergs angewandt auf die Basiskompetenzen des Supply Chain Managements.
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Fachkompetenz
Verhaltenskompetenz
niedrig
hoch
niedrig
kein Erfolg
kein langfristiger Wettbewerbsvorteil
hoch
kein langfristiger Wettbewerbsvorteil
langfristiger Wettbewerbsvorteil
Abb. 5. Schema der Zweifaktoren-Theorie von Herzberg für Fach- und Verhaltenskompetenzen, Quelle: Eigene Darstellung
Ausgangspunkt ist die Feststellung, dass nicht nur die Verfügungsgewalt über strategische bzw. kritische Ressourcen das Erreichen eines Wettbewerbsvorteils bestimmt, sondern insbesondere die Fähigkeit bzw. die Kompetenz eines Unternehmens, das Potential dieser Ressource auch nutzen zu können. Umfassender Kompetenzaufbau im Supply Chain Management stellt somit einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor dar. Entscheidend für den nachhaltigen Kompetenzaufbau sind dabei die weichen Faktoren wie Vertrauen, Motivation und Kreativität (Bouncken 1999). Menschen und vor allem deren Verhaltenskompetenzen werden anstelle von technisch ausgefeilten Systemen in den Unternehmen des 21. Jahrhundert an Bedeutung gewinnen. Das hängt einerseits damit zusammen, dass Systeme durch Standardisierung immer ähnlicher werden und Wettbewerbsvorteile aus dieser Prozess- und Systemstandardisierung kaum resultieren können. Sie dienen lediglich der Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen. Zweitens lenkt auch in der Zukunft der Mensch mit seinen Kompetenzen komplexe Systeme und nicht umgekehrt. Daher lautet die Maxime, den Faktor Mensch und die damit gelebten Kompetenzen beim Supply Chain Management stärker zu beachten, statt einseitig den technischen Fortschritt zu fördern. Nur so kann es gelingen, begabte Mitarbeiter zu binden, um tief greifende und durchschlagende Kompetenzen aufzubauen. Ein hohes Kompetenzniveau ist somit Voraussetzung um Veränderungen im Wertschöpfungsprozess aktiv voranzutreiben (Rudolph 2005). 2.2 Zentrale Erkenntnisse und Tendenzen der Einkaufsleiterbefragung Die strategische Managementfunktion des Supply Chain Managements wird zukünftig über den Erfolg von Unternehmen entscheiden. Folglich herrscht grosser Bedarf an der intensiven Weiterentwicklung und Stärkung
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dieser Managementfunktion. Vertreter der Einkaufsabteilungen namhafter Unternehmen sind in der diesem Buch zugrunde gelegten Langzeitstudie zu der Auffassung gekommen, dass die Weiterentwicklung der Basiskompetenzen für das Supply Chain Management die wichtigste Aufgabe für die Zukunft sei. Im Rahmen der Befragung haben wir bei über 350 Einkaufsleitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Relevanz der zehn erwähnten Kompetenzen in der Beschaffungspraxis überprüft. Der Rücklauf betrug 25% aller verschickten Fragebögen. Die zu beantwortende Kernfrage der Studie war, wie man im dynamischen Beschaffungsumfeld ein erfolgreiches Supply Chain Management betreiben kann und welche Kompetenzen dazu von besonderer Bedeutung sind. Das Ergebnis der sich jeweils in zwei Jahren wiederholenden Befragung stellt die praktische Validierung und ordinale Ordnung der zehn Basiskompetenzen nach ihrer Praxisrelevanz dar. Tabelle 1 zeigt das aus der Befragung im Jahr 2005 resultierende Ranking der zehn Kompetenzen mit dem jeweiligen Durchschnittswert der beigemessenen Wichtigkeit der Kompetenz auf einer Skala von 1 (völlig unwichtig) bis 7 (sehr wichtig). Wie in Tabelle 1 aus den beiden rechten Spalten mit den Ergebniswerten der vergangenen Befragungen zu erkennen ist, haben sich im Forschungszeitraum leichte Veränderungen der relativen Positionen einzelner Kompetenzen ergeben. Die Wichtigkeit, die den Funktionen jedoch allgemein beigemessen wird, hat hingegen wenig abgenommen und verläuft stabil im oberen Bereich der Skala. Mehr als 95 Prozent der befragten Einkaufsleiter stufen die Geschäftsprozesskompetenz als derzeit wichtigste Herausforderung ein. Die Beherrschung der eigenen Prozesse sowie die enge Zusammenarbeit mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen und Lieferanten sind für sie höchst relevant. Das Supply Chain Managements muss sich vermehrt auf die gesamte Wertschöpfungskette ausrichten (Womack u. Jones 1997). Einen ebenfalls hohen Stellenwert nimmt die Herausforderung ein, frühzeitig und systematisch Veränderungen zu erkennen und damit Trendkompetenz aufzubauen. Der dynamischen Veränderung gilt es antizipativ und aktiv gegenüberzustehen (Voegele u. Schwientek 2002). Dabei muss insbesondere der Endkunde stärker ins Blickfeld der Beschaffung rücken, so dass die Aktivitäten der gesamten Wertschöpfungskette von den Ereignissen am Markt bzw. der Kundennachfrage getrieben werden und nicht von den Kapazitäten der Lieferanten (Vollmann u. Cordon 1999). Die Einkaufsleiter nennen die Kundenkompetenz dementsprechend an vierter Stelle. Beweis für die Festigung und Akzeptanz des vielfach proklamierten Paradigmenwechsels zum Supply Chain Management stellt die steigende Bedeutung
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der Transformationskompetenz dar. Beurteilten die Einkaufsleiter sie im Jahr 2001 noch als eine der weniger wichtigen Kompetenzen, steht sie mittlerweile ganz oben und zählt zu den Top 3 Herausforderungen des Supply Chain Managements. Tabelle 1. Das Kompetenzranking für das Supply Chain Management im Jahr 2005, Quelle: Eigene Darstellung, Daten: IMH, Universität St. Gallen 2005
Basiskompetenz
2003
2001
(Wert)
These
(Wert)
(Wert)
1 (6,56)
2 (6,31)
3 (6,22)
4 (6,19)
5 (6,08)
6 (6,07)
7 (6,02)
8 (5,96)
9 (5,74)
10 (5,27)
Geschäftsprozesskompetenz Der Einkauf muss effizient mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen zusammenarbeiten
Trendkompetenz Einkaufsmanager müssen frühzeitig und systematisch Trendveränderungen erkennen
Transformationskompetenz Die Einkaufsorganisation muss sich den Marktveränderungen anpassen
Kundenkompetenz Der Einkauf muss die aktuellen Bedürfnisse der Endkunden genauer kennen
Kooperationskompetenz Die Effektivität und Effizienz des SCM mit externen Partnern muss weiter gesteigert werden
Sozialkompetenz Es wird immer wichtiger, Vertrauen zwischen Lieferant und Einkäufer aufzubauen und zu erhalten Motivations- und Führungskompetenz Der Einkauf muss unternehmensübergreifende Teams und deren Kulturen koordinieren können
Konfliktkompetenz Konflikte (z.B. mit Lieferanten) müssen gezielt und konstruktiv ausgetragen werden
Controllingkompetenz Die unternehmensübergreifende Definition und Einhaltung von sinnvollen Leistungsmassstäben
Technologiekompetenz Moderne Beschaffungslösungen setzen verstärkt technisches Wissen voraus
1
1
(6.70)
(6.62)
2
3
(6.25)
(6.26)
5
8
(6.13)
(5.89)
3
2
(6.17)
(6.44)
6
9
(6.03)
(5.89)
4
5
(6.15)
(6.23)
8
6
(5.92)
(6.17)
9
7
(5.88)
(6.06)
7
10
(5.95)
(5.77)
10
4
(5.23)
(5.26)
Obwohl die Entwicklung neuer Software und Systeme für das Supply Chain Management einen neuen Höchststand erreicht hat, stufen die befragten Einkaufsleiter überraschenderweise die Sozialkompetenz des Supply Chain Managers als bedeutender ein als die Technologiekompetenz. Verglichen mit den Ergebnissen aus der ersten Befragung zeigt sich, dass das Managen von Schnittstellen (Kooperationskompetenz) und der dabei entstehenden Konflikte sowie das Führen und Motivieren von Mitar-
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beitern eine grössere Herausforderung darstellt, als die Einführung von EBusiness-Lösungen und das Erlangen von Technologiekompetenz. Viele Unternehmen müssen zuerst ihre Hausaufgaben in Bezug auf die persönlichen Kompetenzen und die menschliche Seite des Supply Chain Management machen bevor sie sich auf Technologielösungen einlassen. Die den vermeintlichen (Software)-Komplettlösungen zur Bewältigung aller Probleme und Herausforderungen im Supply Chain Management beigemessene Bedeutung hat innerhalb des Befragungszeitraumes rapide abgenommen. Viele Einkaufsleiter erkennen, dass erfolgreiche Supply Chains an erster Stelle von einer guten Vertrauensbasis zwischen den Partnern getragen werden. Ein gutes Informationssystem, das rasch und effizient funktioniert, sowie gemeinsame Standards bilden lediglich die Basis respektive eine Unterstützung dabei. Dies erklärt den Aufstieg der Kooperationskompetenz von einem der letzten Plätze im Jahr 2001 ins obere Mittelfeld des Jahres 2005. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Ruf nach einem verhaltens- und prozessorientierten Supply Chain Management grösser wird um langfristig Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Der Aufbau von Verhaltensund Fachkompetenzen gehört zu den unerlässlichen Aufgaben im zukünftigen Supply Chain Management. Im folgenden Kapitel wird näher auf die wissenschaftliche und praktische Seite der Basiskompetenzen eingegangen.
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Die 10 Basiskompetenzen im Supply Chain Management
Dieses Kapitel vermittelt einen Überblick über die zehn wichtigsten Basiskompetenzen im Supply Chain Management und fasst die nachfolgenden vertiefenden Ausführungen aus Wissenschaft und Praxis einführend zusammen. Dieser Abschnitt wendet sich insbesondere an Manager, denen häufig die Zeit fehlt, um ein Buch wie dieses durchgängig zu lesen. Der Leser sollte sich bei jeder dargestellten Kompetenz fragen, ob diese in seinem Unternehmen vorhanden ist, ob aktiv an ihrem Aufbau gearbeitet wird und welche Methoden hierzu verwendet werden. Bemerkt er, dass eine Kompetenz sein besonderes Interesse erfordert, empfiehlt sich eine tiefere Auseinandersetzung mit dem entsprechenden Kapitel in diesem Buch.
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3.1 Rang 1: Geschäftsprozesskompetenz These: Der Einkauf muss effizient mit anderen Funktionsbereichen im Unternehmen zusammenarbeiten. Geschäftsprozesse verkörpern den praktischen Vollzug der marktbezogenen Kernaktivitäten eines Unternehmens, die unmittelbar auf die Stiftung von Kundennutzen ausgerichtet sind (Rüegg-Stürm 2003). Neben einer Senkung der Prozesskosten und der Beschaffungszeiten müssen gleichzeitig die Qualität der Produkte und Leistungen verbessert sowie Kundenwünsche bestmöglich erfüllt werden (Boutellier u. Gabriel 1999). Die Tendenz, sich als Unternehmen auf Kernkompetenzen zu konzentrieren, hat in vielen Firmen im Zuge des Business Reengineerings dazu geführt, dass ganze Wertschöpfungsaktivitäten ausgelagert, respektive mit anderen Marktteilnehmern zusammengelegt wurden (Hahn 1999). Die Struktur und Vernetzung der Supply Chain haben sich folglich grundlegend verändert und jene im Umfang deutlich ausgedehnt. Geschäftsprozesskompetenz fordert, dass der Supply Chain Manager die internen Prozesse beherrscht und die erbrachte Wertschöpfung überwachen und steuern kann. Ablauf- und Prozessstrukturen tragen dazu bei, dass Abläufe nach ähnlichen Mustern unternehmensweit gleich ablaufen, d.h. einen gewissen Grad an Standardisierung erfahren. Die Gestaltung und Weiterentwicklung geeigneter Ablaufstrukturen sind die zentralen Aufgaben des Prozessmanagements. Mittels Wareneingangskontrollen, Verfahrensvorschriften, Arbeitsanweisungen, Prozesskontrollen, Ausbildung und Mut zur Eigenverantwortung konnte die Prozesssicherheit erhöht werden. Es sind Spezifikationen und Werte zur Überwachung von unternehmensübergreifenden Prozessen im Sinne von konstanter Qualität und Kundenzufriedenheit zu erarbeiten. Dies erfordert von allen Seiten innerhalb des Unternehmens Offenheit und den Willen, bestehende Grenzen überwinden zu wollen (Jacobi 1996). Die Geschäftsprozesskompetenz wird in Teil 1 des Buches mit dem Beitrag "Supply-Chain-orientierte Geschäftsprozesse zur Sicherung unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit" von Hans-Jörg Bullinger und Michael Kühner des Fraunhofer Instituts vertieft. Diesen akademischen Ausführungen steht der Praxisbeitrag "Der neue Warenhandelsprozess der Migros" von René Meyer gegenüber.
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3.2 Rang 2: Trendkompetenz These: Einkaufsmanager müssen frühzeitig und systematisch Trendveränderungen (bei Produkten und in der Nachfrage) erkennen. Das Unternehmensumfeld ändert sich heute schnell und es wird für den Supply Chain Manager immer schwieriger, die Übersicht über den Gesamtmarkt und die raschen Konsumtrends zu behalten. Supply Chain Manager müssen deshalb in der Nachfrage sowie bei Produkten frühzeitig und systematisch Trendveränderungen erkennen können. Es sind jedoch nicht nur veränderte Ansprüche seitens der Kunden gegenüber der bisherigen Leistungspalette des Unternehmens zu beachten, sondern ebenfalls Mengen-, Preis- und Zeittrends im Sinne von Trendzyklen und wiederkehrenden Moden. Schnelle Reaktionen auf den Markt sind unerlässlich, jedoch dürfen dabei die Stärken des Unternehmens nicht gefährdet werden (Lancaster u. Massingham 1993). Ein blindes Eintreten auf jeden Trend wäre verhängnisvoll. Es gilt dementsprechend, Trends nicht nur zu erkennen, sondern diese auch zu bewerten. Wenn zum Beispiel aufgrund zunehmend kleiner werdender Haushalte der Wunsch nach kleineren Mengeneinheiten wächst, wäre es ratsam, darauf einzugehen. Die befragten Einkaufsleiter schätzen die Trendkompetenz als überdurchschnittlich grosse Herausforderung ein, da einerseits ein frühzeitiges und systematisches Erkennen von Trends erfolgsentscheidend ist. Andererseits ist das Eingehen auf Trends oft mit hohen Risiken und Konflikten verbunden. Ein Marktforschungssystem oder eine Trenderkennung für den Einkauf kann zur Risikoreduktion beitragen (Koppelmann 1999). Die Beziehungsnetzwerke, unter anderem die zu Einkaufsleitern in befreundeten Firmen, zu Mitbewerbern sowie zu Fachverbänden und Marktforschungsunternehmen, können indes ebenso zur besseren Trenderkennung beitragen (Stölze 2000). Auch Lieferanten sollten sehr gezielt als Informationsquelle für die Trenderkennung im Einkauf genutzt werden (Jacobi 1996). Udo Koppelmann von der Universität zu Köln sowie Stefan Furrer von Ciba Spezialitätenchemie und Randy Drenth, IMH, widmen sich in ihren Beiträgen in Teil 2 des Buches der Trendkompetenz und untersuchen die verschiedenen Gebiete und Methoden der Trendforschung im Beschaffungsmanagement.
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3.3 Rang 3: Transformationskompetenz These: Die Einkaufsorganisation muss sich den Marktveränderungen anpassen. Insbesondere unter organisationalen Aspekten stellt der Transformationsprozess in Richtung Supply Chain Management eine grosse Herausforderung dar. Transformation bedeutet eine umfassende Veränderung der Organisation bei der es nicht mehr nur ausreicht, die Effizienz zu steigern, sondern auch effektive Veränderungen stattfinden müssen (Vollmann u. Cordon 1998). Das Anpassen der Einkaufsorganisation sowie die Realisierung neuer bereichs- und unternehmensübergreifender Prozessverknüpfungen bedeuten einen sehr grossen Initialaufwand und sind zeitintensiv. Keinesfalls sind solche Aktivitäten mit verbesserter Logistikgestaltung oder effizienterem Einkauf gleichzusetzen. Die einzelnen Teilnehmer einer Supply Chain befinden sich meistens in unterschiedlichen Ausgangslagen, haben produkt- und leistungsbezogen differenzierte Prozesse und Strukturen und verfügen über nicht kompatible Informationstechnologien sowie eigene Kulturen. Eine vollständige Synchronisation einzelner Lieferanten hin zu einer aufeinander optimal abgestimmten Wertschöpfungskette ist eine grosse Herausforderung (Hines u. Rich 1997). Ein reines Kopieren von Management-Modellen führt meist nicht zum Erfolg. Es muss vielmehr der eigene, unternehmensspezifische Weg zu schlanken und effektiven Lösungen gesucht werden. Hier ist mittels Kooperation und eines effizienten Controllings dafür Sorge zu tragen, dass die Ansätze auch umgesetzt werden. Die Gestaltung der Organisation und die Durchführung der Koordination der Supply Chain stellen zentrale und erfolgskritische Faktoren des Supply Chain Managements dar. Marco Schmäh der ESB Reutlingen und Heinz Stark, CCT, widmen sich im dritten Teil des Buches der Transformationskompetenz mit dem Beitrag "Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance". Paul Nart und Marco Zweifel der Netstal Maschinen AG liefern mit Randy Drenth, IMH, ihr Praxiswissen zu diesem Bereich in ihrem Artikel "Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation bei Netstal Maschinen AG".
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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3.4 Rang 4: Kundenkompetenz These: Der Einkauf muss die aktuellen Bedürfnisse der Endkunden besser kennen. Um der Kundenorientierung besonderen Ausdruck zu verleihen wird die Supply Chain gelegentlich auch als Demand Chain (Vollmann u. Cordon 1998) bezeichnet. Kundenkompetenz tritt in der gesamten Supply Chain in den Vordergrund, da ein immer grösserer Teil der Wertschöpfung eines Unternehmens für umkämpfte und oftmals stagnierende Märkte eingekauft wird. Die Beschaffung muss folglich die aktuellen Bedürfnisse ihrer Endkunden genauer als bisher kennen. Konsumtrends beeinflussen den Einkauf von der Kundenseite her. Dies impliziert eine kundengeleitete Prozessoptimierung, im gesamten Unternehmen. „Kundeninformationen sollten ohne Einschränkungen durch das Unternehmen fliessen“ postuliert Day (1999). So können Supply Chain Manager ein Verständnis für die Bedürfnisse der Endkunden aufbauen und Kundeninformation in die vorgelagerte Supply Chain weiterleiten. Für viele Einkaufsleiter stellt die Kundenorientierung vermehrt ein kritischer Erfolgsfaktor dar. Der Kundenkompetenz wurde in der Einkaufskompetenzstudie der vierte Platz zugeteilt. Interessanterweise nennen 74% der gleichen Einkaufsmanager, die der Kundenkompetenz einen hohen Wert zuweisen, auch die Konfliktkompetenz als ebenso wichtige Herausforderung im Einkauf. Der starke Zusammenhang zwischen der Kundenund Konfliktkompetenz könnte bedeuten, dass die Einkaufsleiter bei der Umsetzung der so wichtigen Kundenorientierung verstärkt Konflikte managen müssen wie beispielsweise eine im Produkt nicht erfüllte Erwartungshaltung. Nur wenige Einkaufsleiter haben direkten Kontakt mit Endkunden. Oft muss der Einkaufsmanager verschiedene organisatorische und sogar kulturelle Hürden überwinden, um mehr über Kundenbedürfnisse zu erfahren. Der Absatzmarkt fällt traditionsgemäss dem Tätigkeitsfeld des Marketings und Verkaufs zu und nicht dem Einkauf (Corsten u. Gabriel 2000). Kompetenzaufbau im Kundenverständnis steht Roman Boutellier, BWIETHZ, und Stephan Wagner, WHU, in ihrem Beitrag "Markt- und kundenorientierte Supply Chain Management-Kompetenzen" im Vordergrund. Der praxisorientierte Gegenpart von Adrian Jungo, Swisscom Mobile AG, und Randy Drenth, IMH, berichtet über "Kundenkompetenz als Schlüsselfaktor bei Swisscom Mobile".
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3.5 Rang 5: Kooperationskompetenz These: Die Effektivität und Effizienz des Supply Chain Managements mit externen Partnern muss weiterhin gesteigert werden. Zukünftig werden nur Supply Chains überleben, welche sich durch gezielte Kooperation schneller Marktveränderungen als konkurrierende Supply Chains anpassen können. Bevor man eine dafür notwendige kooperative Beschaffung eingeht, sind neue, bereichs- und unternehmensübergreifende Prozessverknüpfungen zu prüfen. Dabei ist die Lieferantenauswahl für Wertschöpfungspartnerschaften erfolgsentscheidend. Für viele Unternehmen ist eine Kooperation mit Wertschöpfungspartnern unerlässlich geworden, um im Wettbewerb zu überleben (Vollmann u. Cordon 1999). Dabei wird es für den Einkauf immer bedeutsamer, die Wertschöpfungspartner sorgfältig auszuwählen. Mit ausgewählten Lieferanten muss es gelingen, die Effektivität und Effizienz der Wertschöpfungsprozesse weiter zu steigern. Einkaufsleiter, welche der Kooperationskompetenz eine grosse Bedeutung beimessen, stufen gleichzeitig die Sozialkompetenz als Kernherausforderung im Einkauf der Zukunft ein. Wie das Öl im Motor sind für einen erfolgreichen Aufbau der Supply Chain Management-Kooperation soziales Engagement und verkäuferische Fähigkeiten seitens des Einkaufsleiters gefragt (Koppelmann 1999). Das Thema Kooperationskompetenz wird in Teil 5 des Buches aus wissenschaftlicher Perspektive von Paul Schönsleben und Robert Alard, BWIETHZ, vertieft. Jürg Rückert von ECR Schweiz Handel erklärt in seinem Beitrag "Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft" was Kooperationskompetenz für ihn aus Praxissicht darstellt. 3.6 Rang 6: Sozialkompetenz These: Es wird immer wichtiger, Vertrauen zwischen Lieferant und Einkäufer aufzubauen und zu erhalten. Der Aufbau von Vertrauensbeziehungen in einem Netzwerk von Wertschöpfungspartnern erfordert hervorragende soziale Fähigkeiten seitens des Beschaffungsmanagers. Diese Sozialkompetenz hilft beim Umgang mit Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern (Dyer et al. 1998). Soziale Fähigkeiten sind die Basis strategischer Kooperationen zwischen Einkauf
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und Lieferanten. Die Beschaffung übernimmt beim Aufbau eines Netzwerks von starken Partnern eine zentrale Rolle. Von Supply Chain Managern werden vermehrt soziale und "verkäuferische" Fähigkeiten gefordert, damit vor allem mit strategischen Lieferanten Vertrauen und Offenheit aufgebaut werden kann (Storey et al. 2005). Die Sozialkompetenz ist das Ergebnis der Erfahrung mit vielen unterschiedlichen Kontakten und eventuell Schulung. Die Sozialkompetenz wurde von den Einkaufsleitern direkt hinter der Kooperationskompetenz eingestuft. Laut den Einkaufsleitern waren Sozialkompetenz und Beziehungsmanagement bisher im traditionellen Einkauf keine Schwerpunktthemen. Die Elemente Partnerschaft und Vertrauen sowie eine funktionierende Kommunikation, der für Lieferant und Beschaffung relevanten Daten und Informationen, bereiten den Supply Chain Partnern folglich die grössten Probleme (Schneckenburger 2000). „Das Grundproblem der Zusammenarbeit ist das mangelnde gegenseitige Vertrauen sowie die fehlende Bereitschaft zur Kooperation“ (Corsten u. Gabriel 2002). Soziale Kompetenz wird im Teil 6 dieses Buches von Elisabeth Fröhlich der Universität zu Köln akademisch in ihrem Beitrag "Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln" vertieft und von Hans Kalberer der Büro Fürrer AG sowie Randy Drenth, IMH-HSG, aus Praxissicht erläutert. 3.7 Rang 7: Motivations- und Führungskompetenz These: Der Einkauf muss abteilungsübergreifende Teams und deren unterschiedliche Kulturen koordinieren können. Aufgrund der Globalisierung der Märkte und der Fokussierung auf Kernkompetenzen sind viele Unternehmen über ihre Landesgrenzen hinausgewachsen (Kaufmann 2001). Moderne Methoden der Beschaffung wie EProcurement und Global Sourcing führen zu internationalen Kontakten (Arnold 1999). Immer mehr Beschaffungsabteilungen bestehen folglich aus internationalen Teams. Der Einkaufsleiter muss Menschen und Teams mit unterschiedlichsten Hintergründen in einer wirtschaftlich turbulenten Zeit motivieren und führen sowie den Zusammenhalt eines Teams gewährleisten. Die Arbeit in Teams ermöglicht einen abgeglichenen Informationsstand zwischen den Mitarbeitern sowie die Konvergenz der einzelnen Ziele. Im Handel haben zum Beispiel die für die Beschaffung zuständigen Category Teams dazu Key Account Manager von strategischen Lieferanten in
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solche Teams aufgenommen. In der Überzeugung, dass zufriedene und motivierte Mitarbeiter auch die Zufriedenheit ihrer Endkunden verbessern, versuchen Unternehmen wie Hilti und IKEA ihre Mitarbeiter als Kunden anzusehen (Homburg et al. 1999). Sprachunterschiede, andere kulturelle Wurzeln und unterschiedlich geführte Unternehmen erschweren die Führungsaufgaben des Beschaffungsmanagers. Wenn man diese Unterschiede als Lernmöglichkeit und nicht als Diskrepanz behandelt, könnten sie zur besseren Kooperation beitragen. Teil 7 des Buches widmet sich der Motivations- und Führungskompetenz, welche Heike Bruch und Bernd Vogel vom IFPM der Universität St. Gallen in ihrem Beitrag "Führungskompetenz für Supply Chain Manager" akademisch untersuchen. Zum bewussten Nachdenken und intuitiven Führen ruft Norbert Harlander vom Forum fHelix in seinem Artikel "Persönlichkeitszentrierte Führungskomponenten" auf. 3.8 Rang 8: Konfliktkompetenz These: Konflikte (z.B. mit Lieferanten) müssen gezielt und konstruktiv ausgetragen werden. Das Führen von Menschen sowie die Vereinheitlichung der unternehmensübergreifenden Prozesse kann zu vielen Konflikten führen, die gezielt und konstruktiv ausgetragen werden sollten (Rudolph 1998). Das Managen dieser Konflikte setzt beim Supply Chain Manager eine hohe Kompetenz und reichhaltige Erfahrung voraus. Die Konfliktkompetenz hängt stark mit der Kunden- und der Geschäftsprozesskompetenz zusammen. In unterschiedlichen Bereichen und Aspekten der Lieferantenbeziehung ist Härte aber auch Diplomatie gefragt (Vollmann u. Cordon 1995). Einkaufsleiter erwähnen in diesem Zusammenhang auch die Durchsetzungs- sowie Konsensfähigkeit. Aufgrund der unterschiedlichen Unternehmenskulturen und -strukturen zwischen Lieferant und Beschaffung sowie der Position in der Supply Chain können Spannungen und damit Konflikte auftreten. Ein Handelsunternehmen beispielsweise, das sich primär auf die Entwicklung unverwechselbarer Eigenmarken konzentriert, definiert seine Sortimente bzw. Warengruppen weitestgehend ohne Unterstützung der Hersteller. Die Hersteller produzieren Eigenmarken im Auftrag des Handels. Der Hersteller von Markenartikeln dagegen wird aber versuchen, auf dem Absatzmarkt seine eigenen Marken zu positionieren. Wenn dieser Hersteller auf die Absatzkanälen des erwähnten Handelsunternehmen angewiesen ist, könnte dies zu Konflikten führen.
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Gemäss zwei Drittel der befragten Einkaufsleiter hängt die Konfliktkompetenz stark mit der Motivations- und Führungskompetenz zusammen. Probleme auf der zwischenmenschlichen Verhaltensebene lassen sich nicht ausschliessen, sind aber notwendige Begleiterscheinungen komplexer Wandlungsprozesse. Ein gezieltes und konstruktives Austragen der Konflikte setzt eine lernfreudige Kultur voraus, die nur durch eine kompetente Führung und Mitarbeitermotivation aufgebaut werden kann (Harlander et al. 1994). Ausführliche Auseinandersetzungen mit der Konfliktkompetenz im Supply Chain Management bietet der Teil 8 des Buches mit Beiträgen von HeinzJürgen Trappmann von der Akademie für Einkauf und Logistik sowie Ulrich Witschi von der Galexis AG in Schönbühl bei Bern. 3.9 Rang 9: Controlling- und Risikomanagementkompetenz These: Die unternehmensübergreifende Definition und Einhaltung von sinnvollen Leistungs- und Risikomassstäben wird unerlässlich für den Erfolg. Beziehungen mit strategischen Lieferanten müssen durch sinnvolle Leistungsmassstäbe überprüft und weiterentwickelt werden. Der Aufbau eines Controlling und Risikomanagements für die Supply Chain erfordert die gemeinsame Definition von Standards zwischen Unternehmenseinheiten und Partnern. Softwarelösungen für das Supply Chain Management können diese Prozesse unterstützen und die Wege für Wertschöpfungspartnerschaften ebnen. Mit der Vereinbarung entsprechender Kennzahlen und Standards können die für das Supply Chain Management erforderlichen Beschaffungsprozesse zu Stande kommen (Kummer 2001). Anstatt sich nur stets intern auf eine Bedarfsbündelung zu konzentrieren, soll vor allem der Aufbau eines prozessorientierten Controlling mit Lieferanten vorangetrieben werden. Verschiedene Grossunternehmen haben den Aufbau einer Prozessorganisation und die Integration von neuen E-BusinessTechnologien mit der Definition gemeinsamer Key Performance Indicators sowie dem Einsatz der Balanced Scorecard verbunden (Weber u. Dehler 1999, Kaplan u. Norton 1997). Diese Schlüsselindikatoren ermöglichen eine unternehmensweite Kommunikation und ein konsistentes Controlling. Beide sind für eine erfolgreiche Transformation sowie Kooperation unabdingbar. Die Umsetzung der Prozessorientierung führt dazu, dass auch im Einkauf diese Indikatoren und ein dementsprechendes Controlling eingesetzt werden (Werner 2000). Vor allem im Lieferantenmanagement ist ein
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effizientes Controlling der Lieferantenbeziehung essentiell. Nur so können weitere Kooperationsschritte mit ausgewählten Lieferanten eingeleitet werden. Für die Lieferantenbeurteilung und -bewertung nutzen viele Einkaufsleiter noch Checklisten auf Papier. Dies schränkt die Controllingmöglichkeiten ein und ist zudem zeitaufwändig. Moderne Softwareapplikationen bieten da zudem Abhilfe. Eine weitere Herausforderung besteht darin, das Controlling als Teil des Einkaufsprozesses einzubinden und nicht den optimierten Einkauf vom Controlling über Budget- und Buchungsvorschriftenkotrollen unterlaufen zu lassen. Ausserdem braucht der Supply Chain Manager ein Controlling, das ihm hilft, seine Einkaufserfolge sichtbar und verständlich zu machen, damit er sie intern kommunizieren kann. Michael Essig von der Bundeswehr Universität München liefert einen Überblick zur Supply Chain Controlling-Kompetenz im Teil 9 des Buches. Am Beispiel dm-drogerie markt behandelt Petra Mostberger die Kompetenz aus Praktikersicht. 3.10
Rang 10: Technologiekompetenz
These: Moderne Beschaffungslösungen setzen verstärkt technisches Wissen voraus. Ohne Technologiekompetenz lassen sich erfolgreiche Wertschöpfungspartnerschaften kaum realisieren. Elektronische Marktplätze und andere moderne Beschaffungslösungen setzen beim Supply Chain Manager verstärkt technisches Wissen voraus. Lösungen wie das E-Procurement können zum Aufbau einer virtuellen Supply Chain für den gesamten Beschaffungsprozess zwischen Bedarfsträgern, Einkäufern und Lieferanten beitragen. E-Business-Lösungen haben im Einkauf wie in keinem anderen Unternehmensbereich ihren Einfluss geltend gemacht und die Geschäftsprozesse verändert (Schögel et al. 2002). Instrumente wie die Lieferantenbewertung und -beurteilung können automatisiert werden. Durch den Einsatz moderner Technologien wird der Einkauf teilweise von seinem operativen Aufgaben entlastet. Elektronische Einkaufskataloge und die elektronische Anbindung sind bei vielen Unternehmen noch in der Aufbauphase und setzen neue Kompetenzen voraus (Walther u. Bund 2000). Zunehmende bereichs- und unternehmensübergreifende Prozessverknüpfungen erfordern vernetzte Informations- und Steuerungssysteme (Gehr u. Hellingrath 1999, Hellingrath u. Klingebiel 2001). Obwohl Technologien eine wichtige Rolle beim Aufbau neuer Geschäftsprozesse spielen, nannten die Einkaufsleiter diese weder als Herausforde-
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rung im modernen Supply Chain Management noch im Zusammenhang mit der Geschäftsprozesskompetenz. Vertiefend behandeln Oliver Gassmann vom ITEM der Universität St. Gallen und Timo Wolf, BMW, das Thema Technologiekompetenz in ihrem Beitrag "Innovation durch Lieferanten" im Teil 10 dieses Buches. Praxiserfahrung auf dem Themengebiet vermitteln Stefan Hänni der Belimo Automation AG und Randy Drenth vom IMH-HSG.
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Fazit und Ausblick auf das Buch
Aufgrund veränderter Anforderungen an das Supply Chain Management rücken zunehmend neue Kompetenzen in den Vordergrund. Der strategische Einkauf, die Logistik und das Distributionswesen entwickeln sich in vielen Unternehmen verstärkt gemeinsam in Richtung eines prozessorientierten Supply Chain Managements. Es herrscht jedoch ein Defizit in der Wahrnehmung und in der Fähigkeit, die Potenziale der zehn wichtigsten Basiskompetenzen für das Supply Chain Management zu erkennen und umzusetzen. Dieses Buch verfolgt daher eine zweigleisige Herangehensweise, die Wissenschaft und Praxis einschliesst. 4.1 Auswirkungen des Kompetenzansatzes auf das Supply Chain Management Viele Unternehmen erkennen, dass die Entwicklung eines strategischen Supply Chain Managements sowie die Kooperation mit Wertschöpfungspartnern keine einfache Aufgabe ist. Die Möglichkeit, neue Konzepte und Lösungen zu entwickeln, ist durch das Tagesgeschäft häufig eingeschränkt. Ausserdem ist das Managen der Wertschöpfungskette eine situative sowie unternehmens- und branchenspezifische Aufgabe. Zuerst müssen die internen Geschäftsprozesse stimmen. Der Supply Chain Manager befasst sich immer mehr mit Prozessen ausserhalb der Unternehmensgrenzen und mit Kooperationen zu strategischen Partnern. Nichtsdestotrotz ist der Begriff des Supply Chain Managements in vielen Unternehmen oft nur ein Schlagwort und die Definitionen der Beteiligten liegen weit auseinander (Cooper et al. 1997). Einerseits stellt Supply Chain Management für viele nur eine moderne Form der integrierten Logistik dar. Andere sprechen von einer vernetzten Wertkette vom Rohstofflieferanten über den Hersteller bis zum Endkunden (Walther 2000, Fine 1998, Mendelsohn u. Pillai 1991).
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KooperationsKompetenz
SozialKompetenz MotivationsKompetenz
Transfor.mationsKomp.
KonfliktKompetenz Supply Chain Manager
Geschäftsprozess Komp.
TechnologieKompetenz
ControllingKompetenz
TrendKompetenz KundenKompetenz
Abb. 6. Das Kompetenzrad für das moderne Supply Chain Management, Quelle: Eigene Darstellung
Die Potentiale und Chancen, die sich für den Einkauf, die Logistik und das Distributionswesen durch die Adaption des Kompetenzansatzes ergeben dürfen unabhängig begrifflicher Differenzen jedoch nicht unterschätzt werden und erfordern erhöhte Aufmerksamkeit im Unternehmen. Künftig werden ganze Supply Chains miteinander konkurrieren (Christopher 1998). Diese Entwicklung fordert eine aktive Identifikation von Basiskompetenzen und die Festlegung von Kernkompetenzen, welche dem Unternehmen im Wettbewerb Vorteile bringen. Sind diese identifiziert, ergeben sich für Unternehmen verbesserte Benchmarkingmöglichkeiten, da sowohl eigene als auch fremde Leistungen bewusster wahrgenommen werden. Die in diesem Buch geschilderten Basiskompetenzen sind heute und zukünftig für den Einkauf von erhöhter Wichtigkeit. Abbildung 6 zeigt das Kompetenzrad mit den zehn Basiskompetenzen für das Supply Chain Management. Nur wenn alle Elemente vorhanden und stark im Unternehmen eingebunden sind, kann ein modernes Supply Chain Management funktionieren. Jedes Unternehmen muss individuell die schwachen Speichen suchen. Die Thesen und Kernfragen zu jeder Basiskompetenz in diesem Buch sollten Praktiker klar affirmativ beantworten können, andernfalls empfiehlt sich eine Vertiefung der schwachen Speichen.
Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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Die Anwendung des Kompetenzansatzes hilft zudem, die strategische Rolle des Supply Chain Managements zu stärken und vom reinen Kostendruck zu entlasten. Gezielter Kompetenzaufbau trägt nachhaltig zur Kostensenkung bei, da mit erhöhter Kompetenz erfahrungsgemäss eine Reduktion der Lieferanten und Komplexität durch transparentere Prozesse eintritt. Es verbessern sich ferner die Möglichkeiten einer unternehmensübergreifenden IT-Integration, welche massgeblich zu einer Steigerung des speed to market und somit zu höherer Kundenorientierung führt. Die Potenziale des Supply Chain Managements lassen sich jedoch nur dann voll ausschöpfen, wenn es im Unternehmen als strategische Querschnittsfunktion begriffen und kontinuierlich ausgebaut wird. Im Zusammenspiel mit Produktion, Vertrieb und Entwicklung eröffnen sich den Unternehmen bislang ungenutzte Chancen. 4.2 Supply Chain Management in Theorie und Praxis Die Arbeit des Instituts für Marketing und Handel der Universität St. Gallen ist darauf ausgerichtet, wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen miteinander zu verknüpfen. Diesem Grundsatz folgt auch das vorliegende Buch. "Kompetenzen für Supply Chain Manager" verfolgt das Ziel, Supply Chain Managern den erforderlichen Weitblick zu vermitteln, den sie für ein erfolgreiches Management brauchen. Das Buch beschreibt Managementherausforderungen verständlich und realitätsnah, ohne dabei jedoch auf zentrale theoretische Konzepte zu verzichten. Es soll dem Supply Chain Manager dabei helfen, den Paradigmenwechsel erfolgreich zu vollziehen. Das Buch unterscheidet sich somit nicht nur im Ansatz der Vermittlung von Basiswissen von anderen Nachschlagewerken. Es versucht, dem Leser auch adaptive Lösungsvorschläge und Denkanstösse zu liefern, die das umfassende Aufgabenspektrum des Einkäufers im 21. Jahrhundert anhand der identifizierten Kompetenzen widerspiegeln. "Kompetenzen für Supply Chain Manager" ist somit weder ein reines Theoriebuch, noch eine Enzyklopädie über das Supply Chain Management. Es hat hauptsächlich Züge eines Praxisbuches mit ausgewählten wissenschaftlichen Grundlagen. Dieses Einstiegskapitel liefert den Rahmen für die folgenden Ausführungen zu jeder der zehn identifizierten Basiskompetenzen. Um das Gleichgewicht und die beidseitige Herangehensweise zur Problemlösung bedacht, nehmen sich in den folgenden Kapiteln Experten aus Wissenschaft und Unternehmenspraxis jeweils einer Kompetenz an. Die Beträge liefern einen facettenreichen und vertiefenden Einblick, woraus ein differenzierter
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Überblick entsteht. Die Praktiker beschreiben ihre Anpassungen an das veränderte Marktumfeld und geben gleichwohl eine Bilanz über den Erfolg ihrer Massnahmen, die zur eigenen Innovation anregen soll. Der Aufbau des Buches folgt der Bedeutung, die den Basiskompetenzen durch die Einkaufsleiter beigemessen wurde. Dies bedeutet nicht, dass lediglich die ersten Kapitel von hoher Relevanz sind und besonderer Aufmerksamkeit bedürfen. Die Gewichtung der einzelnen Kompetenzen für den korrekten Einzelfall ist selbstverständlich Gegenstand individueller Evaluation. Es ist somit eine persönliche Entscheidung des Lesers, welche Kompetenzen für ihn und sein Unternehmen von Wichtigkeit sind und seines Interesses bedürfen. Die folgenden Kapitel können folglich aneinander gereiht, aber auch einzeln in individueller Reihenfolge gelesen werden. Das vermittelte Wissen ermöglicht dem Leser, die Herausforderungen an das moderne Supply Chain Management besser zu verstehen.
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Herausforderungen an die Kompetenzen moderner Supply Chain Manager
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Supply Chain-orientierte Geschäftsprozesse zur Sicherung unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit Hans-Jörg Bullinger, Michael Kühner Fraunhofer-Gesellschaft
Logistische Leistungsfähigkeit stellt heute für mehr und mehr Unternehmen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor und nicht selten eines der grössten Optimierungspotenziale dar. Das Supply Chain Management hat sich als einer der wichtigsten Ansätze zur Realisierung dieser Potenziale etabliert. Auf dem Weg von der funktionalen Aufgabenteilung betrieblicher Bereiche hin zur logistikorientierten Geschäftsprozessorganisation stellt sich die Frage: Was sind wesentliche Merkmale, die eine zeitgemässe Logistik auszeichnen und zur Optimierung aus inner- und überbetrieblicher Sicht beitragen können?
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Ausgangssituation
Der hohe Einfluss der Logistikleistung auf den ökonomischen Erfolg von Unternehmungen ist der Grund dafür, warum sich Unternehmen zunehmend mit der Gestaltung ihrer Logistik auseinandersetzen. Dabei hat sich das zugrunde liegende Logistik-Verständnis in den vergangenen vier Jahrzehnten stark verändert. Ausgehend von der Sichtweise des physischen Materialflusses wurde der Begriff in der wissenschaftlichen Diskussion und der praktischen Umsetzung sukzessive von der reinen Funktionslehre hin zum Management-Ansatz erweitert (Göpfert 2001). Heute herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine zeitgemässe Logistikkonzeption „die ganzheitliche Planung, Steuerung, Koordination, Durchführung und Kontrolle aller unternehmensinternen und unternehmensübergreifenden Güter- und Informationsflüsse“ (BVL 2004) umfassen sollte. Obwohl die Relevanz dieser unter dem Begriff des Supply Chain Managements (SCM) zusammengefassten Denkweise unbestritten ist (Stölzle 2002), scheitert die direkte Umsetzung in die Unternehmenspraxis an der immer noch vorherrschenden funktionalen Arbeitsteilung, dem mangelnden Bewusstsein für die Potenziale einer Integration oder der nicht auf diese Zielsetzung
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ausgerichteten Informations- und Kommunikationstechnologie vieler Unternehmen. Voraussetzung für die Gestaltung der Geschäftsprozesse sowie der unterstützenden Organisations- und IT-Infrastruktur ist eine klare Vorstellung, wie eine Supply-Chain-Orientierung der eigenen Organisation in der Wertschöpfungskette aussieht und welchen Nutzen sie bringen kann. Auf dem Weg zur Supply-Chain-orientierten Logistikorganisation spielen die von Einkauf und Materialwirtschaft zu verantwortenden Prozesse eine wichtige Rolle (Möhrstädt et al. 2001): Ein Unternehmen, das mit einer Umsatzrendite von 3 Prozent und einem Umsatzanteil der Beschaffungskosten von 60 Prozent geführt wird, müsste den Umsatz verdoppeln, um dieselbe Renditewirkung wie durch eine fünfprozentige Reduzierung der Beschaffungskosten zu erreichen. Die Kosten der Beschaffung – sowohl die Material- als auch die Abwicklungskosten – werden entscheidend durch die zielorientierte Gestaltung der organisationsinternen und übergreifenden Wertschöpfungskette beeinflusst. Zur Erschliessung der Potenziale des Supply Chain Managements muss die Logistik übergreifend im Sinne verschiedener Arten des Logistikdenkens verstanden werden: Das Systemdenken geht von der Vorstellung aus, dass alle Aktivitäten eines Elementes innerhalb eines Logistiksystems Auswirkungen auf andere Elemente haben und durch ihren Verbund Synergieeffekte erzielt werden können. Das Flussdenken beinhaltet die durchgängige Gestaltung der Güter- und Informationsflüsse vom Liefer- bis zum Empfangspunkt, einschliesslich der informatorischen Integration der einzelnen Flüsse und Flussabschnitte. Prozessdenken bedeutet, dass Logistikaktivitäten wertschöpfungsorientiert über verschiedene Unternehmensfunktionen hinweg zusammengefasst werden (Schulte 1999).
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Typische Probleme heutiger Logistikorganisationen
Verschärfter Wettbewerb, steigender Kostendruck und wachsende Kundenanforderungen erzeugen Handlungsbedarf zur Veränderung des traditionellen Logistikdenkens. Probleme, die dem Veränderungsprozess typischerweise vorangehen, sind: x Die fehlende Sicht auf Bestände und Ressourcen aller Unternehmensbereiche und -standorte sowie Lieferanten und externe Partner verhindert eine optimale Disposition, x Der hohe Work in Progress (beispielsweise durch überhöhte Sicherheitsbestände) bindet unnötig Kapital und verlängert die Auftragsdurchlaufzeiten,
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x Die dezentrale Planung von Mengen, Kapazitäten und Zeiten wird von den eingesetzten Produktionsplanungs- und -steuerungssystemen nur unzureichend unterstützt, x Der Steuerungsaufwand für eine wachsende Anzahl miteinander vernetzter Partner ist nicht mehr zu bewältigen, x Steigende Kundenanforderungen zwingen zu kurzfristigen Änderungen, lassen kaum Zeit zur Reaktion und führen zu suboptimalen Massnahmen, x Unterschiedliche IT-Niveaus bzw. -Systeme verhindern eine reibungslose Integration mit Kunden und Lieferanten (Steinaecker u. Kühner 2000).
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Zielsetzung Supply Chain Management
Diese Probleme sind der Auslöser für eine Restrukturierung der Logistikaktivitäten vieler Unternehmen hin zu einer Supply-Chain-orientierten Geschäftsprozessorganisation. Im Mittelpunkt dieser Restrukturierung, die sich in der Praxis zunehmend über die eigenen Organisation(seinheit)en hinaus auch auf wichtige Kunden und Lieferanten auswirkt, stehen im Allgemeinen eines oder mehrere der folgenden Ziele (Bullinger u. Kühner 2002): x Flussorientierung der Einzelorganisationen, d.h. Ausrichtung der Organisationseinheiten und Schnittstellen auf Material- und Informationsflüsse x Bildung von Wertschöpfungsnetzwerken, d.h. die Wahrnehmung, Definition und Optimierung der Wertschöpfungsbeziehungen zwischen den Organisationseinheiten zur Erschliessung von Synergieeffekten x Collaboration in Planungs- und Steuerungsprozessen, d.h. die ITunterstützte Zusammenarbeit der Supply-Chain-Partner in der Logistikplanung und -steuerung x Integration der Informationsbasis, d.h. die Erweiterung der Entscheidungsgrundlage der einzelnen Organisationseinheiten durch Anbindung externer IT-Systeme
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Erfolgsfaktoren einer Supply-Chain-orientierten Logistikorganisation
Ausgehend von den dargestellten Oberzielen des Supply Chain Managements stellt sich die Frage, wie diese Ziele operationalisiert und zur erfolgreichen Differenzierung im Wettbewerb eingesetzt werden können. Unsere Projekterfahrungen haben gezeigt, dass erfolgreiche Supply-Chainorientierte Logistikorganisationen Stärken insbesondere in folgenden Bereichen aufweisen: 4.1 Supply-Chain-Planung Jede unternehmerisch agierende Organisation braucht Prozesse zur permanenten Anpassung auf erwartete und unerwartete Entwicklungen in der Beschaffungs-, Wettbewerbs- und Absatzsituation. Eine gute SupplyChain-Planungsqualität zeichnet sich einerseits durch einen hohen Strukturierungsgrad der Planung und andererseits durch einen organisationsübergreifenden Planungshorizont aus. Der hohe Strukturierungsgrad resultiert aus der klaren Trennung der Planungsaktivitäten (wie Beschaffungs-, Produktions- und Absatzplanung, Lieferantenstruktur, Wettbewerb, Umfeldbedingungen etc.) und dem hohen Mass an Transparenz über die Planungsgrundlagen und -ergebnisse der Einzelprozesse aus. Nur durch nachvollziehbare Planungsaktivitäten, die für die Partner einer Wertschöpfungskette transparent sind, kann ein proaktiver Abstimmungseffekt – beispielsweise die Einstellung auf eine Werbeaktion – erzielt werden. Die Erweiterung des Planungshorizontes über die Grenzen einzelner Organisation(seinheit)en hinweg bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die Logistikorganisation insgesamt zu optimieren und den Endkunden-Nutzen zu steigern. Konzepte zur Verrechnung des entstehenden Mehrwertes an die Supply-Chain-Partner (Gain-Cost-Sharing-Modelle) werden künftig die Bildung von Wertschöpfungspartnerschaften unterstützen und ihre Zusammenarbeit weiter flexibilisieren. 4.2 Prozessorganisation Die Prozessorganisation stellt den Ordnungsrahmen dar, der das zeitgemässe Verständnis unternehmerischer Wertschöpfung in und zwischen Unternehmungen widerspiegelt. Zu den Aufgaben der Prozessorganisation in der Logistik gehört insbesondere die Identifikation und Gestaltung von Geschäftsprozessen, die die Material-, Informations- und i.w.S. auch Geld-
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flüsse in Organisationen definieren, realisieren und kontrollieren sowie ihre Einbettung in die Unternehmensorganisation sicher stellen. Erfolgreiche Logistikorganisationen sind durch funktionsübergreifende Teams (innerhalb von Unternehmen beispielsweise vom Einkauf über die Materialdisposition bis zur Produktionsplanung) und dem partnerschaftlichen Umgang mit internen und externen Supply-Chain-Partnern (über die Unternehmensgrenzen hinweg beispielsweise im Kontakt mit Lieferanten) gekennzeichnet. Durch die klare Regelung von Zielen, Aufgaben und Verantwortlichkeiten schafft die Prozessorganisation die Grundlage für die kooperative Zusammenarbeit und das hohe Mass an Vertrauen, das zur reibungsarmen Gestaltung der organisatorischen Schnittstellen zwischen den Partnern notwendig ist. In der Praxis zeigt sich, dass die Gestaltung von Supply-Chain-Management-Konzepten heute eher durch risiko-bedingtes Misstrauen und durch Nutzenmaximierung für die eigene Organisation geprägt ist. Zu Beginn des Umsetzungsprozesses eines Supply Chain Managements steht die Akzeptanz der Denkweise, dass je stärker die an einem Logistikprozess beteiligten Aufbauorganisation(seinheit)en und Personen zusammenarbeiten, desto mehr das Flussprinzips umgesetzt und an den resultierenden Vorteilen partizipiert werden kann. 4.3 Supply-Chain-Integration Aus der Flussorientierung einerseits und der Bildung von Wertschöpfungsgemeinschaften auf der anderen Seite folgt die Notwendigkeit zur Integration der Supply-Chain-Partner. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien (I&K-Technologien) zur Unterstützung kollaborativer Planungs- und Steuerungsprozesse eröffnen dabei eine neue Dimension organisationaler Integration. Über die traditionelle Form der Integration durch Informationsweitergabe (beispielsweise in der Form von Liefer-Avis) und der Geschäftsprozessintegration (beispielsweise der Abstimmung von Absatz- und Produktionsplänen im Rahmen von CPFR) hinaus, kann mit Hilfe von I&K-Technologie eine weitere Steigerung der Effizienz und Effektivität der Logistikprozesse durch die Integration betrieblicher IT-Systeme erreicht werden. Die I&K-Technologie trägt dabei vor allem zur Synchronisation, Beschleunigung und Qualitätssteigerung von Geschäftsprozessen bei. E-Business- und EDI-Konzepte sind bereits heute aus der Beschaffung, der dezentralen Produktionsplanung und steuerung, der Auftragsabwicklung und der Logistik-Steuerung kaum mehr wegzudenken. Mit der wachsenden Verbreitung von Portalen, elektronischen Beschaffungsplattformen, E-Procurement-Systemen und elektronischen Marktplätzen gewinnt insbesondere ein Aspekt der technischen In-
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tegration aktuell eine besonders hohe Bedeutung: der Einsatz von unternehmensübergreifenden E-Business-Standards. Während die Datenübertragung und der Datentransport durch die Standardisierung des Internet weitgehend gelöst sind, stellen die Bereiche der Geschäftsdokumente, der Geschäftsprozesse wie auch die Dateninhaltsebene noch einige Herausforderungen bzgl. der Standardisierung dar (Mucha u. Kelkar 2004).
Abb. 1. E-Business-Standards als Schichtmodell
4.4 Daten- und Dokumentenmanagement Grundlegende Voraussetzung für die Überwindung der beschriebenen Probleme traditioneller Logistikorganisationen ist die zeitnahe Verfügbarkeit geeigneter Planungs- und Steuerungsinformationen. Im Zentrum eines organisationsübergreifenden Daten- und Dokumentenmanagements steht die Visibilität kritischer Logistikprozessobjekte wie Waren, Aufträge oder Transportmittel. Mit ihrer Hilfe werden Prozesse transparent und beherrschbar gemacht. Visibilität bedeutet dabei nicht die Offenlegung der Ressourcen, sondern meint das Wissen über den Prozessfortschritt und der Eigenschaften der damit verbundenen Prozessobjekte aus unterschiedlichen Perspektiven. Technische Produktdaten, kaufmännische Stammdaten, Auftrags- und Statusinformationen sowie Qualitätsdaten werden in Informations- bzw. Tranksaktionssystemen bereitgehalten, um die Steuerung und Durchführung unterschiedlichster Prozesse von der Produktentwick-
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lung bis zum Kundenservice mittels einer konsistenten und transparenten Datenbasis zu optimieren. Analog zur Supply-Chain-Integration stehen im Zentrum des Daten- und Dokumentenmanagements I&K-Technologien, wie beispielsweise Produktdaten- und Katalogmanagementsysteme, Produktionsplanungs- und Steuerungssysteme oder Business-Intelligence. Ziele der zentralen Datenhaltung sind eine hohe Datenqualität und -sicherheit, die Beschleunigung von Änderungsvorgängen, Historienverwaltung, effizientere Informationsbeschaffung sowie höhere Verfügbarkeit. 4.5 Supply Chain Performance-Management Ein zeitgemässes Logistikmanagement stellt hohe Anforderungen an die Beschreibung, Bewertung und Optimierung logistischer Leistungsfähigkeit. Die Leistungsplanung und -steuerung ist Gegenstand des SupplyChain-Performance-Managements (SCPM), mit dessen Hilfe eine proaktive Lenkung und Strategieumsetzung in der Logistik angestrebt wird. Aufgaben des SCPMs sind unter anderem die Identifikation logistischer Prozess- und Controlling-Strukturen, die Umsetzung einer Logistikleistungsmessung mit geeigneten Messgrössen, die Analyse logistischer Prozessleistung und die Anpassung der Prozessziele und -regelkreise (zu Aufgaben und ausgewählten Methoden des SCPMs vgl. Abbildung 2). • Strategische Zielfindung • Cross Impact Analyse Strategische Positionierung
• Wertkettenanalyse • SCOR Identifikation Prozessstruktur
• Balanced Scorecard • Selektive Kennzahlen
Implementierung Perf. Measurement Zielbildung
Strategieumsetzung
Bestimmung Ist-Situation
Strategieplanung • Auditierung • Zertifizierung
Strategieoptimierung
• Potentialanalyse • ProzessBenchmarking • Prognose
Evaluation Massnahmen
• Data Warehousing • Prozesskostenrechnung
Abweichungs- • Statistische analyse Prozesskontrolle Anpassung Identifikation Anpassung • BenchMassnahmen Perf. Measurement Prozessstruktur marking • Six Sigma • Schwachstellenanalyse • KAIZEN • Quality Function Deployment • Business Process Reengineering
Abb. 2. Deming-Zyklus des Supply Chain Performance Managements
Die Erreichung dieser Ziele ist in der Praxis allerdings mit verschiedenen Schwierigkeiten verbunden. Zu bewältigende Herausforderungen des Performance Managements, vor allem in der überbetrieblichen Logistik, sind
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die Schaffung von Vertrauen zur Öffnung der Systeme, die Messung und Bewertung mehrdimensional verstandener Logistikleistung (Zeit, Kosten, Qualität) sowie die Integration und Aufbereitung der enormen Datenmengen rund um die betrieblichen Material- und Informationsflüsse verschiedener Partner, Produkte bzw. IT-Systeme.
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Zusammenfassung
In verschiedenen Branchen und Anwendungsbereichen wie etwa der HighTech-Industrie zeigt sich bereits heute, dass künftig nicht Unternehmen sondern ganze Wertschöpfungsketten vom Lieferant kritischer Teile bis hin zum Fertigprodukt-Distributor im Wettbewerb stehen werden. Für Unternehmen bedeutet dies eine Erweiterung ihres Betrachtungs- und Gestaltungshorizontes in erster Linie über die innerbetrieblichen Prozesse hinaus in Richtung ihrer Kunden und Lieferanten und in zweiter Linie auch auf die Vorlieferanten und Kunden-Kunden, also auf das Wertschöpfungsnetzwerk als Ganzes. Die innerbetrieblichen Gestaltungsaufgaben zur Durchlaufzeit-, Qualität- und Kostenoptimierung erweitern sich dabei um Aktivitäten wie der Transaktionskostenbetrachtung, Vertrauenspflege, organisationsübergreifende Leistungserfassung und -bewertung, etc. Wenngleich zur Unterstützung dieser Aufgaben der I&K-Technologie eine hohe und in Zukunft weiter steigende Bedeutung zukommt, so steht im Mittelpunkt der Supply-Chain-orientierten Logistikorganisation die logistische Geschäftsprozesskompetenz der Einzelorganisationen. Schlüsselelemente dieser Kompetenz sind die Gestaltung des Wertschöpfungsnetzwerkes, die Ausrichtung der Organisation auf die Logistikprozesse, die Integration der Partner und die Umsetzung durchgängiger Steuerungsmechanismen, die es systematisch zu analysieren und in die Unternehmensstrategie einzubinden gilt.
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Der neue Warenhandelsprozess der Migros René Meyer Migros-Genossenschafts-Bund
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Sortimentsplanung (Category Management)
Mit der Einführung des Category Managements wurde der Warenhandelsprozess in der Migros neu definiert. Der Prozess baut auf die Kundenbedürfnisse auf. Nach der Definition der Sortimentsstrategie wird in einem ersten Schritt für jede Filiale eine Standortanalyse erstellt, welche die Bedürfnisse der Kunden dieser spezifischen Filiale ermittelt. Basis sind die gespeicherten Abverkaufsdaten oder – bei einer neuen Filiale – die Kundendaten der Teilnehmer des Loyalitätsprogramms CUMULUS im Einzugsgebiet der Filiale. Mit diesen Informationen wird die Filialfläche den Sortimenten zugeteilt. Die Teilfläche eines Sortiments wird ihrerseits den einzelnen Categories zugeteilt. Innerhalb der Category werden die Sortimente aus standardisierten Sortimentsmodulen zusammengestellt, welche mit Hilfe des Regaloptimierungsprogramms Apollo bedarfsorientiert zusammengestellt wurden. Dank diesem systematischen Sortimentierungsprozess verfügt das Category Management für jeden Artikel über eine solide Planungsbasis, welche neue Möglichkeiten z.B. für die Jahresund die Aktionsplanung gibt. Operative Warenwirtschaft
Planung Strategische Planung
Konzeptionelle Planung Sortimentierung auf Fläche, Jahresplanung
Abb. 1. Warenhandelsprozess
Einkauf / Beschaffung Einkauf, Dispo. Lager
Distribution Warehousing, Transport
Verkauf
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René Meyer
1.1 Richtige Stammdaten Die Filial-Flächendatenbank, die Artikelabmessungen und das CU/TUVerhältnis müssen richtig erfasst sein, damit das beschriebene Vorgehen in der Praxis funktioniert. Früher hatten Fehler keine grossen Auswirkungen. Da kaum durchgängige Systeme existierten, wurden diese Daten in redundanten Stammdatensystemen geführt und wenn nötig mutiert. Die heutigen Migros-Systeme greifen auf eine gemeinsame Datenbasis zu. Darum muss jeder Benutzer und jeder Datenlieferant den Prozess verstehen, damit er die Bedeutung von richtigen Daten erkennt, bzw. die Folgen von Mängeln abschätzen kann. 1.2 Stets aktuelle Sortimentsmodule Die Detailhandelssortimente sind einem schnellen Wandel unterworfen. Wird das Layout der Sortimentsmodule nicht in kurzen Zeitabständen aktualisiert und auch in den existierenden Läden nachvollzogen, verlieren die ursprünglich nach BoSS (Bedarfsorientierte Sortiments-Struktur) eingerichteten Läden den kompetenten Sortimentsauftritt. Die Artikel stehen nicht am richtigen Ort und erreichen nicht den möglichen Umsatz. Der Category Manager kann also nicht mehr wie der frühere Product Manager/Beschaffer neue, erfolgsversprechende Artikel einkaufen und an die Front schieben. Er muss sich neu auch Gedanken darüber machen, wie
und wo er sie im Laden präsentieren kann und ob er überhaupt den nötigen Platz in seinen Standardmodulen hat. 2
Operative Warenwirtschaft (Supply Chain Management)
Im operativen Teil des Warenhandelsprozesses geht es darum, Tag für Tag die Verfügbarkeit der Produkte im Regal der Filialen sicherzustellen. 2.1 Filialnachschubsberechnung Der operative Teil des Warenhandelsprozesses basiert ebenfalls auf dem Kundenverhalten. Die Kundin löst den Nachschub mit dem Zahlungsvorgang an der Kasse aus. Ihr Einkauf wird gescannt und die Scanningdaten werden gespeichert. Die Scanlogs werden nach Ladenschluss verarbeitet und stehen etwa ab Mitternacht den zentralen Systemen in Form von Ab-
Der neue Warenhandelsprozess der Migros
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verkaufsdaten des Vortags zur Verfügung. Die automatische Nachschubsteuerung nutzt die Abverkaufsdaten folgendermassen: Für jeden einzelnen Artikel pro Filiale wird aus dem Bestand bei Verkaufsbeginn und dem gescannten Abverkauf der Filialbestand am Tagesende berechnet. Ergibt der Vergleich mit dem so genannten Meldebestand, dass dieser unterschritten wurde, wird am Folgetag eine automatische Nachlieferung ausgelöst, die sicherstellt, dass der Sollbestand wieder erreicht wird. Für jeden Artikel in jeder Filiale sind der Soll-, der Sicherheits- und der Meldebestand festzulegen. Der Soll- und der Meldebestand sind die eigentlichen Steuerparameter für das automatische Nachschubsystem. Sie haben Einfluss auf die Nachschublogik und insbesondere auf die Auftragsstruktur in der Verteilzentrale. Wird der Meldebestand beinahe auf das Niveau des Sollbestands gesetzt, so führt das zu häufigen Lieferungen von lediglich einer TU, was sich negativ auf die Leistung und die Kosten der Logistikkette auswirkt. Wird der Sollbestand zu hoch angesetzt, haben nicht alle Artikel einer Nachlieferung im Gestell Platz, und ein aufwändiger Nachfüllprozess aus dem Hinterraum wird nötig. Ist der Meldebestand zu tief angesetzt, steigt das Risiko des Stock-outs in der Filiale. Bei der Neueinführung dieses Prozesses wurden der Prozess und der Einfluss der Steuerparameter nicht von allen Beteiligten verstanden. In einer Grossaktion mussten bei der Hälfte aller Filialen die Zusammenhänge nochmals erläutert und die Soll-/Meldebestände überarbeitet werden. In der Verantwortung des Supply Chain Managements ist es dafür zu sorgen, dass die Steuerparameter regelmässig den veränderten Abverkaufsgrössen angepasst und neue Mitarbeiter geschult werden. Auch für diesen Teilprozess ist das CU/TU Verhältnis wichtig. Es muss richtig dimensioniert sein, damit einerseits die Artikel im Regal Platz finden, und andererseits das Nachschubsystem gut funktionieren kann. Die zweite Forderung ist neu und setzt voraus, dass die Beschaffer den Prozess verstehen und mit den zur Verfügung stehenden Daten arbeiten können. Früher legte man das CU/TU Verhältnis analog zu ähnlichen Artikeln fest; im Zweifelsfall eher grösser als kleiner, weil geliefert für den Beschaffer verkauft war und der Hersteller tiefere Verpackungskosten hatte. Dies führte dazu, dass langsam drehende Artikel tendenziell über zu hohe Regalbestände verfügen, welche Platz für breitere und tiefere Sortimente blockieren.
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2.2 Distribution Auf den ersten Blick ist die Rolle der Verteilzentrale und des Transports identisch geblieben. Bestellungen müssen innerhalb der vereinbarten Frist bereitgestellt, verladen und in die Filialen geliefert werden. Im Vergleich zum früheren Prozess muss die Distribution in einem viel engeren Korsett abgewickelt werden: Aufgrund der oben beschriebenen automatischen Nachschubberechnung bleibt eine sehr kurze Leadtime für die Planung der Auslieferung und Kommissionierung. Mit den Filialen wurden verbindliche Anlieferzeiten ausgehandelt, die +/- 30 Min. eingehalten werden müssen. Die Informationen über die auszuliefernden Mengen stehen um 3.00 Uhr der Transportdisposition zur Verfügung, welche jetzt Touren zusammenstellt. Aufgrund des Abfahrtzeitpunktes der Touren kann der Leitrechner dann die Paletten in der Kommissionierung starten. Man kann nicht erst zu diesem Zeitpunkt entscheiden, wie viele Lastwagen bereitgestellt werden müssen und wie viel Personal für die einzelnen Schichten aufgeboten werden muss. Die Ressourcenplanung basiert darum auf einem einfachen Prognosetool. Die stärksten Abverkaufstage sind Freitag und Samstag. Aufgrund des automatischen Nachschubs sind der Samstag und der Montag die stärksten Liefertage. Diese Lastschwankungen stellen für die Logistik eine grosse Herausforderung dar, gilt es doch die Ressourcen so zu planen und einzusetzen, dass die Effizienz in allen Lastfällen hoch bleibt. Der Einfluss der saisonalen Schwankungen und der Aktionstätigkeit kann diesen Effekt zusätzlich überhöhen. Workload Nachschub 300
TU in Tausend
250 200 150 100 50 0 Montag
Dienstag
Mittwoch
Donnerstag
Wochentag
Abb. 2. Lastschwankung Migros Verteilzentrale Suhr
Freitag
Samstag
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2.3 Einkauf/Beschaffung Die Verantwortung für den Nachschub liegt, je nach Vereinbarung, bei Einkauf/Beschaffung oder beim Lieferanten. Der Nachschub der Lieferanten trifft über Bahn oder Strasse ein. Er muss in der Verteilzentrale am Liefertag kontrolliert, eingelagert und im System eingebucht werden. Als Basisinformation für die Disposition werden die aktuellen Lagerbestände, sowie die Abverkäufe des Vortags zur Verfügung gestellt. Die Kommunikation mit den Lieferanten basiert auf EDI Messages. Lieferungen können nur angenommen werden, wenn ein elektronisches Lieferavis vorliegt, und die Lieferung diesem Avis entspricht. Abweichung zwischen Avis und realer Lieferung müssen bereinigt werden, bevor die Ware vereinnahmt und im Bestand gebucht werden kann. Ist bis zum Zeitpunkt des Kommissionierstarts der Bestand im System tiefer als die bestellte Menge, wird die Ausliefermenge pro Filiale gekürzt. So kann es geschehen, dass die Ware wohl physisch vor Ort, aber noch nicht im Bestand verbucht ist, und deswegen gekürzt werden muss. Ähnliche Effekte haben Lieferungen mit dem falschen Verkehrsträger, ausserhalb des vereinbarten Lieferfensters oder Lieferrhythmus, weil die Annahmemenge pro Zeiteinheit und Rampe begrenzt ist. Bei der Aktionsauslieferung ist dies noch kritischer, nimmt doch die Kommissionierung mehrere Tage in Anspruch. Dementsprechend braucht der Mengenaufbau einen grösseren Vorlauf. Grosse Lagerbestände auf allen Stufen war in der Vergangenheit das Mittel um hohe Verfügbarkeit sicherzustellen. Dies wurde durch die Tatsache gefördert, dass die Kosten pro Funktion budgetiert und getragen wurden. Der Einzelne musste die von ihm verursachten Lagerkosten nicht direkt tragen. Im neuen Trockensortimentsprozess sind alle Lager in der Verteilzentrale zusammengefasst, mit dem Ziel die Lagerreichweite auf einen Drittel zu reduzieren. Es brauchte einige kritische Situationen, die Schaffung eines Planungstools und eine straffe Führung, bis die alten Handlungsmuster abgelegt wurden. Die Einführung von Leistungstarifen hat einen zusätzlichen Anreiz über den Kostendruck gebracht. Der neue Warenhandelsprozess wurde erst möglich, weil er von einem neuen Warenwirtschaftssystem, aufgebaut aus Standardmodulen von SAP Retail R3, unterstützt wird. Es läuft sehr schlank mit durchgehendem Datenfluss und ohne Datenredundanzen ab, was auf der einen Seite Einspa-
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rungen erbringt, aber auf der anderen Seite hohe Datenqualität und auch die strikte Einhaltung der Spielregeln verlangt. Früher reihten sich verschiedene Teil-Prozesse hintereinander, welche auf verschiedenen Systemen liefen, die häufig neu mit Daten gespeist wurden. So konnte leicht improvisiert werden, Regeln mussten nicht eingehalten werden, und Fehler wirkten sich nicht automatisch auf den nächsten TeilProzess aus. Bei der Einführung der neuen Prozesse mussten darum alle Beteiligten einen Lernprozess durchlaufen. Primär mussten sie lernen, dass es nicht genügte, den eigenen Teil-Prozess zu verstehen und beherrschen, sondern, dass ihre Handlungen sich auch auf alle folgenden Teile des Prozesses auswirken können.
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Geschäftsprozesskompetenz
Die grosse Herausforderung beim Einführen von Category-/Supply Chain Management ist der Wechsel von der funktionalen Orientierung der einzelnen Mitarbeiterin und des einzelnen Mitarbeiters zu Geschäftsprozessorientierung. Für den Einzelnen bedeutet dies, dass er sich bewusst werden muss, wo seine Aktivitäten im Gesamtprozess welche Auswirkungen haben. Dies ist an und für sich bereichernd, kann aber auch überfordern. Ein Mitarbeiter muss auch erkennen, dass er vielleicht weniger machen muss, dies dafür aber richtig und fehlerfrei. Darum ist die Schulung der Beteiligten bei einem solchen Change Prozess ein wichtiger Erfolgsfaktor. Damit der Prozess als Ganzes optimiert wird, muss vermehrt in Teams gearbeitet werden. Dies kann eine neue Herausforderung sein, die gelernt und geübt werden muss. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nach kurzer Zeit ihre Funktionssicht abgelegt und Prozesskompetenz entwickelt haben, vom Einzelkämpfer zum Teamplayer werden. Darum braucht es einen Supply Chain Manager, der für die gesamte Supply Chain verantwortlich ist, den Change Prozess steuert und auch die nötigen Kurskorrekturen und Justierungsmassnahmen veranlasst. Verfügt er über das nötige Durchstehvermögen, Fach- und Sozial-Kompetenz und gute Controllinginstrumente, wird der Wechsel zu einer Erfolgsstory.
Beschaffungstrends und Trendforschung Udo Koppelmann Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Produktpolitik der Universität zu Köln
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Trendkompetenz – Was heisst das?
Immer wieder wird in Bilanzpressekonferenzen vorgetragen, dass der gegenüber der allgemeinen Marktentwicklung oder der gegenüber der ursprünglichen Planung nicht erreichte Umsatz, Gewinn usw. dadurch begründet sei, weil man die benötigten Beschaffungsobjekte nicht oder nur in zu geringer Menge, oder zu höheren Preisen erhalten konnte. Auf den Punkt gebracht, heisst das: Die Beschaffung hat die negativen Planabweichungen verschuldet. Manchmal ist das offenkundig, aber beileibe kein hinnehmbares Alibi. Nun ist das Vorhersagen zukünftiger Entwicklungen für das Management eigentlich nichts Neues. Die Entwicklung neuerer Angebote (z.B. Produkte) kann viel Zeit verschlingen. Je komplexer und innovativer neue Produkte (Techniken) sind, umso länger dauert ihre Entwicklung. Kommen sie auf den Markt, ist es höchst ungewiss, ob die Kunden das neue Angebot auch akzeptieren. Die Akzeptanzfähigkeit muss ebenso geprüft werden wie die Entwicklung der Konkurrenzangebote. Die Vorhersage des Trends (Prognose), der nach einer längeren Entwicklungszeit den Absatz eines neuen Produktes beflügelt, ist mit grosser Unsicherheit behaftet. Darin liegt eine wesentliche Begründung für die hohe Flopquote neu eingeführter Produkte. Dennoch liegt im Erkennen und Prognostizieren zukünftiger Entwicklungen eine Hauptaufgabe des Absatzmarketings. Das gilt auch für die Beschaffung. Wer immer nur auf veränderte Situationen reagiert, und das vielleicht auch noch später als die Beschaffungskonkurrenz, hat kaum Zeit, über Handlungsalternativen nachzudenken – proaktive Planung bleibt ein Fremdwort. Wer jedoch frühzeitig eine begünstigende oder auch negative Entwicklung erkennt, hat die Chance, früher als
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Udo Koppelmann
der Beschaffungskonkurrent Massnahmen mit für sein Unternehmen positiver Differenzwirkung zu ergreifen - den letzten beissen die Hunde. Die Veränderung, die es zu erkennen gilt, ist nicht plötzlich da, sie kündigt sich im Regelfall anhand verschiedener kleiner Signale an. Das Erkenntnisproblem liegt nun darin, zum einen die Veränderungssignale wahrzunehmen und zum anderen, sie zu ordnen. Ordnen heisst, Zusammenhänge zu erkennen. Im Zeitablauf kann ein Signal auftauchen und wieder verschwinden, es kann sich in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen – die Ähnlichkeit muss dann auch identifiziert, Zusammenhänge müssen erkannt werden. Dazu kann auf bereits vorhandenes Wissen zurückgegriffen werden, ein Signal kann Indikator für ein entscheidendes Phänomen sein. Early warning signals schärfen die Beobachtung. Der Blick von heute nach morgen wird mit dem Begriff Prognose erfasst. Das Morgige kann ein Einzelaspekt sein. Verbindet man nun mehrere Einzelaspekte im Zeitablauf miteinander, erhält man eine Trendaussage, eine Aussage über eine zukünftige Entwicklung.
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Beschaffungstrends
Zunächst muss der Blick auf Trendinhalte geschärft werden. Welche Trends spielen bei der Beschaffung eine entscheidende Rolle? Beschaffungsentscheidungen sind immer abgeleitet aus Überlegungen für den Absatzmarkt. Der Blick auf Beschaffungstrends ergibt sich prinzipiell immer aus den Notwendigkeiten des eigenen Absatzmarktes. Das kann zur Beobachtung der folgenden Beschaffungstrends führen: 2.1 Leistungstrends Zunächst muss der Beschaffungsmanager von seinem Absatzkollegen (Produktmanager) erfahren, mit welchen Ansprüchen an Leistungsveränderungen in der bisherigen Angebotspalette gerechnet wird. So nimmt bei den Fluglinien die Bedeutung des Anspruchs zu, den Kerosinverbrauch (z.B. gemessen in Liter / 100 km je Passagier) deutlich zu senken. Airbus muss für den neuen A380 nicht nur gemeinsam mit den Triebwerklieferanten nach sparsameren Antrieben suchen, sondern auch nach leichteren Werkstoffen mit höherer Festigkeit. Von der Beschaffungsseite können aber auch selbst neue Impulse ausgehen. Neue Entwicklungen in den Vormärkten und beim Lieferanten müssen in die eigenen Gestaltungsüberlegungen eingespeist werden. Das können neben technischen auch ästheti-
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sche Innovationen sein. Dabei interessiert nicht nur das eigene Gestalten sondern auch, welche Entscheidungen der Beschaffungskonkurrenten sich in diesem Feld anbahnen, um auf dem Absatzmarkt nicht von Konkurrenzvorteilen überrascht zu werden. So scheint die deutsche Automobilindustrie frühe Signale vom französischen Markt bei der Russfiltertechnologie für Dieselmotoren erst sehr spät Ernst genommen zu haben. Generell müssen auf den Beschaffungsmärkten Leistungsveränderungen (nach unten/oben, Konstanz) vor allem dann besonders beobachtet werden, wenn sie für die eigene Produktion und den eigenen Absatz erfolgsbestimmend sind. 2.2 Mengentrends Besonders peinlich ist es für die Beschaffung, wenn sie infolge einer Nachfragehausse nicht über die benötigten Mengen verfügen kann. Hinzu kommt die unangenehme Nebenwirkung der Preiserhöhung, die nur bei Langfristverträgen ausgeschlossen sein kann. Eine Hausse fällt jedoch nicht über Nacht auf den Markt, auch sie kündigt sich in der Planung der unmittelbaren Konkurrenten sowie des weiteren Umfeldes an. Wenn China weltweit als kommender Zulieferermarkt entdeckt wird und die dortige Roh- und Werkstoffbasis nicht deutlich ausgebaut wird, liegt es nahe, dass chinesische Zulieferer ihrerseits auf dem Weltmarkt einkaufen (z.B. Stahl) und damit das bisherige Angebot deutlich verknappen. Darüber zu klagen, zeigt wenig Einsicht in die Marktzusammenhänge. 2.3 Preistrends Bevor man Langfristverträge mit Abrufvereinbarungen usw. abschliesst, benötigt man Informationen darüber, wie sich denn voraussichtlich der Preis während der Vertragslaufzeit verändern wird. Befindet man sich in einer Nachfragebaisse, in der sich ein Abschluss geradezu aufdrängt? Problematischer ist die gegenteilige Situation: Wie lange kann man einen Abschluss hinaus zögern? Wann zeigen sich erste Signale der Nachfrageberuhigung oder der Angebotserweiterung? Überraschungen durch Preissteigerungen bereiten vor allem dann grosse Probleme, wenn die Preissteigerung durch eigene Preiserhöhungen nicht weitergegeben werden kann. Darunter leidet immer noch (Ende 2004) die deutsche Automobilzuliefererindustrie. Der Kunde spielt seine Macht
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ebenso wie der Lieferant aus und das eigene Unternehmen befindet sich in der Zwickmühle. Ziel muss es sein, als erster im Konkurrenzumfeld Signale für sich andeutende Preisverhandlungen aufzufangen, um schneller als die Konkurrenten und möglichst auch noch vor den Lieferanten entsprechend den eigenen Interessen zu reagieren. 2.4 Zeittrends Zwar wird meist unterstellt, dass es nur den Zeittrend der Verkürzung gäbe. Das ist sicherlich ein Haupttrend, der sich auch aus neueren Technologien ableiten lässt. Man muss in allem schneller als die Konkurrenz sein. Darunter leidet häufig die Qualität des Handlungsergebnisses. Die Qualitätsergebnisse bei DaimlerChrysler sprechen Bände. Der Zeitdruck verführt die Handelnden häufig dazu, so zu handeln, wie der Peer. Das kann, muss aber nicht richtig sein (vgl. Lemming-Verhalten). Der Alternative des „zu spät“ kann auch die des „zu früh“ gegenüberstehen. Ein Ausdruck der Trends ist der Zyklus. Um den richtigen Handlungszeitpunkt zu wählen, kann es sinnvoll sein, daran zu denken, dass sich manches wiederholt. Das, was sich wiederholt, kann, neben der auf den jeweiligen Zeitpunkt bezogen eher zufälligen Wiederholung, auch ein Wiederholungsmuster bilden (z.B. Zirkular- oder Pendeltyp). Historische Notizen über gewichtige Veränderungen schärfen die Wahrnehmung für zeitliche Veränderungssignale.
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Trendrelevante Handlungsfelder
Die geschilderten Trendaspekte finden ihren Niederschlag in spezifischen Handlungsfeldern der Beschaffung. Zur Strukturierung bietet sich die prozessuale Struktur beschaffungspolitischen Handelns an (vgl. Abb. 1). Sie orientiert sich am allgemeinen Planungsprozess. Der folgende Prozess hat sich sowohl für die theoretische Analyse als auch für die praktische Problembewältigung bewährt. Anhand dieser Handlungsfelder soll im Folgenden beispielhaft gezeigt werden, welche Trendaspekte jeweils virulent werden können (umfassender Koppelmann 2003).
Beschaffungstrends und Trendforschung
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Entwicklung und Vermarktung neuer Produkte
Marktanalyse
Gestaltungsanalyse
Vermarktungsanalyse
Anpassungsanalyse
Absatz + Gestaltung + Produktion + Beschaffung + Finanzen + usw.
Situationsanalyse
Bedarfsanalyse und -formulierung
Beschaffungsmarktanalyse und -auswahl
Lieferantenanalyse und -auswahl
Instrumente / Methoden
In fo r m ie r e n / K o n tr o llie r e n
Konstellationen Ziele & Strategien Potentiale
Lieferantenverhandlung
Beschaffungsabwicklung
Abb. 1. Eine allgemeine Struktur des Beschaffungsprozesses (Beschaffungsprozessmodell)
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3.1 Situationsanalyse Bevor man sich dem konkreten Beschaffungshandeln zuwendet, muss der Planungshintergrund geprüft werden, vor dem das Planen stattfindet. Der Hintergrund hat eine marktgerichtete und eine interne Seite. Hier soll lediglich die Marktseite beleuchtet werden, weil sie einen deutlichen Trendzusammenhang aufweist. Mit dem Terminus Konstellationen erfassen wir Marktgegebenheiten, die das eigene Planen erleichtern oder erschweren können. Neben den Beschaffungskonstellationen spielen Absatzmarktkonstellationen und Umfeldkonstellationen eine Rolle. Die Beschaffungsmarktkonstellationen werden vom Lieferanten, Konkurrenten und den allgemeinen Marktbedingungen geprägt. In allen Feldern interessiert neben der Ist- vor allem die Wird-Situation. Wer von monopolistischem Lieferantenverhalten überrascht wird, dem ist schwer zu helfen. Es ist wichtig zu erkennen, ob sich Märkte und aufgrund welcher Bedingungen in eine Machtstärkung der Lieferanten bewegen, um frühzeitig Gegenmassnahmen (Aufbau von Lieferkonkurrenten, von Gegenmacht, Netzwerken) zu ergreifen. Wer sich dann um Lieferantenprobleme kümmert (z.B. Liquidität, Qualitätsprobleme), wenn der Lieferant nicht mehr liefert, handelt zu spät. Ein Lieferantenkonkurs kündigt sich sehr früh an (z.B. bei einer Übernahme durch einen kapitalschwachen Investor, starke Erhöhung der Zukunftsinvestitionen finanziert mit Fremdkapital bei gleichzeitiger Umsatzstagnation). Befindet man sich in einem engen Produkt-Markt-Feld und ist man bisher einziger grosser Nachfrager und taucht plötzlich ein weiterer grosser Nachfrager auf, dann kann es brenzlig werden. Über eine enge Lieferantenbindung (-> supplier-relationship-management) kann man Störversuchen begegnen. Das setzt allerdings das frühzeitige Erkennen von Störpotential voraus. 3.2 Bedarfsanalyse Sie bildet den Zentralpunkt des Beschaffungshandelns. Falsch definierter und prognostizierter Bedarf lässt sich auch durch noch so grosses Optimierungsbemühen nicht in die richtige Bahnen bringen. Bei der Bedarfsanalyse treffen sich die Vorhersagen der verschiedenen an dem Projekt beteiligten Funktionsbereiche. Neben das Erkennen der Absatzmarkttrends muss das Identifizieren der Gestaltungstrends (z.B. Konstruktion, F & E, Design), der Produktionstrends, der Beschaffungsmarkttrends treten, um während der Marktlebenszyklen des Produktes mit mög-
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lichst wenig unliebsamen Überraschungen konfrontiert zu werden. Wenn diese Fragen nicht aus dem jeweiligen Funktionsbereich selbst beantwortet werden, ist es Aufgabe des Beschaffungsmanagers, auf der Beantwortung diesbezüglicher Fragen zu beharren. So kann sich im Laufe der Zeit eine crossfunktionale Trendkompetenz entwickeln. 3.3 Marktanalyse Auch bei der Entscheidung für oder gegen Märkte begegnet uns das bekannte „Lemming-Syndrom“. Das fokussierte Schielen auf die Arbeitskosten trübt den Blick für andere marktrelevante Entscheidungsaspekte. Das durch die Leistungskultur (z.B. Leistungsstreben, Ausbildungssystem) eines Landes mögliche Leistungsniveau, die im internationalen Austausch möglichen Interaktionsbeziehungen und deren Güte (z.B. Lieferzuverlässigkeit, Netzwerkfähigkeit), die Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit bei Änderungen der Marktgegebenheiten sind zwar wesentlich schwerer ermittelbar, dürften aber für die Wahl strategischer Märkte wesentlich bedeutsamer sein. Akzeptiert man dies, dann führt das zwangsläufig über die Frage nach dem „Ist“ zu der nach dem „Wird“. Welche Trends zeichnen sich im Land X ab? Welche dieser Trends sind mittel- und unmittelbar für die eigene Beschaffung relevant? Und wie sieht im Vergleich dazu die Entwicklung im Land Y aus? Neben den Chancen, die die Zukunft bietet, müssen auch die Risiken in die Planung einbezogen werden. So kann man zum Ergebnis gelangen, auf ein Land mit hohen Chancen zu verzichten, weil die dort erkennbaren Risiken im eigenen Kalkül nicht tragbar erscheinen. Eine Entwicklungspartnerschaft setzt Vertrauen und Commitment voraus, erkennbare Signale des möglichen Patentmissbrauchs zählen dann mehr als niedrige Lohnkosten. Die Trendkompetenz des Beschaffungsmanagers muss sich in diesem Fall nicht auf das Erfassen der Veränderungen im jeweiligen Land erstrecken. Er muss aber die Fragen stellen, die dann von Fachleuten beantwortet werden müssen, um zukunftsfähige Entscheidungen fällen zu können. 3.4 Lieferantenanalyse Einer der wichtigsten für den Unternehmenserfolg entscheidenden Potentialfaktoren liegt in der „richtigen“ Lieferantenwahl. Im Absatz wird über Kundentreue, Kundenwert viel geforscht und geschrieben, über den Lieferwert, die Lieferantentreue findet man dagegen wenig. Wenn man die Frage beantworten will, mit welchem Lieferanten sich Massnahmen der
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Udo Koppelmann
supplier-relationship-management lohnen, muss die Partnerschaftsfähigkeit prognostiziert werden. Man kann auf die eigenen Erfahrungen bei existenten Lieferantenbeziehungen zurückgreifen. Bei neuen Lieferanten wird man andere Wege gehen müssen, jedenfalls reichen die bekannten Massnahmen des Probekaufs (-> Experiment) oder der Referenz nicht aus. Eine „Lieferanten-Due-Diligence“ existiert noch nicht. Hilfreich könnte in diesem Zusammenhang eine zu entwickelnde Qualitätszertifizierung im Zusammenhang mit ISO 9000 sein. Dadurch, dass den Interaktionserfolg bestimmende Verhaltensweisen transparent gemacht wurden, wird die Voraussage erleichtert, stabile Trends ermöglichen sicherere statt zufällige Urteile. Darüber hinaus übt die Verbreitung interaktionsqualifizierender Faktoren erzieherische Wirkungen aus. Das kann die Arbeit wesentlich vereinfachen. 3.5 Lieferantenverhandlung Das Beschaffungshandeln kumuliert im Verhandlungsergebnis. Häufig wird darüber geklagt, dass die Verhandlungen so lange dauern. Insbesondere bei Langfristverträgen versucht man, sich nach allen Seiten gegen opportunistisches Verhalten abzusichern. Dieses Risiko lässt sich durch die geeignete Lieferantenauswahl reduzieren. Dann kann sich die Verhandlung auf die Optimierung der Interaktionsbedingungen konzentrieren. Dies bedeutet eine Win-Win-Situation der Verhandlungspartner. Dazu müssen beide Seiten zu den gleichen Bewertungen und Aussagen über die zukünftigen Entwicklungen gelangen. Bei langfristigen Beschaffer-Lieferantenbeziehungen kann es sich als zweckmässig erwiesen haben, die Trendarbeit nach Schwerpunkten aufzuteilen, um Arbeitsdopplungen zu vermeiden. Es ist auch möglich, einen „Trendpool“ zu bilden. Das kann zu einer insgesamt höheren Trendkompetenz führen.
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Methoden der Trendforschung
Mit den im Beschaffungsmarketing zur Verfügung stehenden Methoden hat sich Ernst (1996) ausführlich auseinandergesetzt. Neben den quantitativen (mathematisch-statistische, exakte) spielen die qualitativen (intuitive, heuristische, inexakte) Methoden eine besondere Rolle (Ernst, S. 133 ff.). Die erstgenannten Methoden errechnen einen Prognosewert als abhängige Grösse durch Verknüpfung aus den Werten einer oder mehrerer unabhän-
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giger Variablen (Zeitreihenmethoden: extrapolierende, dekomponierende Methoden, auto-regressive, Wachstumsmodelle, kausale Methoden: Regressionsökonometrische, Indikatormethoden). Die qualitativen Methoden lassen sich in vier grössere Bereiche gliedern: x Erhebungsmethoden: primär- und sekundärstatistische Methoden x Kreativitätsmethoden: intuitive und systematisch-analytische Methoden x Spezialmethoden: Indikator-, Analogie-, Scenario-, Delphi-Methode x Prospektivmethoden: Sciencefiction, Science creation, Utopia
ż bedingt geeignet
Lieferantenanalyse und -auswahl
Lieferantenverhandlung
Prognosemethoden Quantitative Zeitreihenmethoden ż ż Extrapolierende Methoden ż Dekomponierende Methoden ̛ ż ż Wachstumsmethoden ż Autoregressive Methoden ̛ Quantitative kausale Methoden ż ż Regressionsmethoden ż Ökonometrische Methoden ̛ ż ż Indikatormethoden Qualitative Methoden Ɣ Erhebungsmethoden Ɣ ż ż Kreativitätsmethoden "Spezialmethoden" Ɣ Ɣ ż Prospektivmethoden ̛ Ɣ gut geeignet
̛ ̛ ̛ ̛
̛ ̛ ̛ ̛
̛ ̛ ̛ ̛
̛ ̛ ̛
̛ ̛ ̛
̛ ̛ ̛
Ɣ ż Ɣ ̛
Ɣ ż Ɣ ̛
Ɣ ż Ɣ ̛
Marktanalyse und -auswahl
Methodengruppen
Bedarfsanalyse
Beschaffungsmarketingphasen
Konstellationsanalyse
Nach Beschreibung und Analyse der einzelnen Methoden prüft Ernst deren Eignung für die Gewinnung von Prognose- und Trendaussagen in den Stufen des Beschaffungsmarketingprozesses (S. 179 ff.)
̛ nicht geeignet
Abb. 2. Anwendungsschwerpunkte der Prognosemethoden
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Udo Koppelmann
Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis dieser Übersicht festhalten, dass die qualitativen Methoden der Erhebung und die „Spezialmethoden“ und hier insbesondere die Delphi-Technik gut geeignet sind, im Rahmen aller Handlungsfelder der Beschaffung Trendaussagen zu generieren. Und spannt man den Bogen über den gesamten Beitrag, ergibt sich der Schluss, dass Trendkompetenz in der Beschaffung nur möglich ist, wenn man zum einen weiss, wo sich etwas verändern kann, und zum anderen, mit welchen Methoden man dies feststellen kann, um Trendaussagen generieren zu können. Diese Trendaussagen bilden dann die Grundlage für den trendgerechten Einsatz der beschaffungspolitischen Instrumente (siehe hierzu Koppelmann 2003).
Literatur Ernst A (1995) Methoden im Beschaffungsmarketing. Köln Koppelmann U (2003) Beschaffungsmarketing 4. Auflage. Berlin/Heidelberg
Früherkennung und Bewertung von Trends als Grundlage eines effizienten SCMs Stefan Furrer1, Randy Drenth2 1 2
Ciba Spezialitätenchemie Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen
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Einleitung
Um in der heutigen, von zunehmender Dynamik geprägten Zeit Wettbewerbsvorteile langfristig zu sichern und auszubauen, müssen Unternehmen eine Trendkompetenz aufbauen, die ihnen erlaubt, die richtigen Trends und Entwicklungen auf den Endmärkten entlang der Wertschöpfungskette sowie auch auf den Rohstoffmärkten zu erkennen, auszuarbeiten und die entsprechend adäquaten Strategien daraus abzuleiten. An einen mit Trendforschung beauftragten Supply Chain Manager wird die Erwartung gestellt, dass er selbstständig in der Lage ist, die Richtung, in die eine Entwicklung geht, zu beobachten und zu messen. Die Trendabfolgen diverser Produkte wie etwa von Computern, Automobilen, Textilien oder Mobiltelefonen sind deutlich kürzer und man muss sich der Herausforderung stellen, die Trends frühzeitig zu erkennen. Denn nur wer Trends rechtzeitig erkennt und sich auf Veränderungen frühzeitig einstellt, wird von der anstehenden Konsolidierungswelle nicht überrannt.
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Die Ciba Spezialitätenchemie AG
Die Ciba Spezialitätenchemie (SC) AG mit Stammsitz in Basel ist ein global führendes Unternehmen, welches hochwertige und innovative Produkte, Dienstleistungen sowie umfassende Gesamtlösungen in den Bereichen Plastic Additives, Coating Effects, Water & Paper Treatment und Textile Effects anbietet. Die chemischen Spezialitäten verbessern die Leistungsfähigkeit, das Aussehen und die Beschaffenheit der Endprodukte der Kunden von Ciba SC. Bei einem Umsatzvolumen von 7'027 Mio. CHF im Jahr
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Stefan Furrer, Randy Drenth
2004 erwirtschafteten die weltweit rund 19'000 Mitarbeiter einen Konzerngewinn von 379 Mio. CHF. Der Geschäftserfolg basiert auf einer langfristigen Strategie mit starker Ausrichtung auf Innovation und Prozessoptimierung. Die Organisation ist schlank und fokussiert. Die Produktion genügt hinsichtlich Produktivität und Ökoeffizienz hohen Standards. 2.1 Organisation des Einkaufs bei Ciba Der chemische Einkauf bei der Ciba ist dezentral organisiert und jeweils dem Segment zugeordnet, dem auch der entsprechende Standort angehört. Eine der Kernkompetenzen des segmentalen Einkaufs ist die enge Zusammenarbeit mit Marketing und Verkauf, Forschung und Entwicklung, Produktion sowie dem Produktmanagement. Über alle Segmente koordiniert das Purchasing Council die gemeinsamen Interessen und sorgt für gegenseitigen Informationsaustausch. Seit wenigen Jahren befasst sich der Einkauf nicht mehr mit operativen Aufgaben, sondern konzentriert sich auf den strategischen Teil (Lieferantenpartnerschaften, Preisverhandlungen, Vertragsgestaltung, Beschaffungsmarktforschung). Die operative Beschaffung (Bestellschreibung, Terminverfolgung, Lieferantenplanung) wurde indes in die Produktionsplanung verlagert. Damit wird versucht, dem Einkäufer Freiräume zu geben, strategisch aktiv zu werden und sich vom meist sehr zeitintensiven Tagesgeschäft loszulösen. Was die Freiräume betrifft ist diese Trennung sicher von Vorteil, es darf aber die Schnittstelle zwischen operativ und strategisch nicht vernachlässigt werden. Denn vom operativen Team erhalten die strategischen Einkäufer sehr wichtige Informationen betreffend Logistik und Performance des Lieferanten. Die zentrale Frage im Einkauf lautet seither, was hat der Einkauf dazu beigetragen, die Wettbewerbsfähigkeit in den Endmärkten zu verbessern? Der Einkauf ist somit end market driven. Die weltweite Präsenz Cibas sowie deren globale Einkaufsorganisation erfordern auch globale Strategien. Diese Strategien werden gemäss des segmental organisierten Einkaufs zusammengetragen, diskutiert und dem Top Management vorgestellt. Je nach Bedarf werden sie periodisch überprüft und angepasst. Hierbei sollte geklärt werden, ob Ware von einer oder mehreren Quellen bezogen wird. In einigen Fällen kann es besser sein, sich für eine Single Sourcing Lösung zu entscheiden, die den besten Preis-/Mengen-Effekt bieten kann oder verhindert, dass im Markt zusätzliche Kapazitäten aufgebaut werden, die dann gegebenenfalls die Konkurrenz zu attraktiveren Konditionen erlangt. Auf der anderen Seite kann Multi- Sourcing der richtige Ansatz sein. In unterschiedlichen Kontinenten von unterschiedlichen Lieferanten zuzukaufen
Früherkennung und Bewertung von Trends
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senkt das Währungs- und Supply-Risiko. Da jedes Produkt, jeder Lieferant und jeder Standort einzigartig sind, müssen diese differenziert betrachtet werden. Dabei sind die folgenden Punkte zu betrachten: x Produktlebenszyklus x Anzahl der existierenden Lieferanten x Endmärkte x Lieferantensituation (Health Check) x Wettbewerbssituation x Strategische Gewichtung x Veränderung der Marktsituation (deutlich höhere Volumina oder Kostendruck) x Erfahrungen mit bestehenden oder bisherigen Lieferanten x Cross segmentale oder regionale Informationen Das Produktportfolio dient uns als weiterer Ansatz, die eingekauften Produkte zu bewerten und zu unterscheiden. Die Produkte werden anhand des jährlichen Einkaufsvolumens gelistet. Dann wird anhand folgender Bewertungskriterien ein Ranking erstellt: x Volumen x Menge x Durchschnittspreis x Single Source x Wiederbeschaffungszeit (Lead time) x Herkunft / Ursprung Dieses Ranking hilft, die kritischen von den unkritischen Rohstoffen zu unterscheiden, und die Strategien entsprechend zu formulieren. Strategien sind mittel oder langfristig zu betrachten. Gemäss den oben aufgeführten Punkten soll eine Ist-Situation dargestellt werden. Wo steht CIBA CS mit dem entsprechenden Rohstoff? Ausgangspunkt sind immer die Fertigprodukte. Wie und wo werden sie verkauft? Wie haben sich die Preise des Endproduktes über die vergangenen Jahre entwickelt und welches sind die Targets für die kommenden Perioden? Wie sieht es mit dem Kostendruck, ausgelöst durch Konkurrenz und Marktanteil, aus? Wie sieht die Kostenstruktur des Endproduktes aus? Welches ist der Kostenanteil des Rohstoffes? Welches sind die grössten „cost drivers“? Wie sieht der Herstellungsprozess bei den potentiellen Lieferanten aus? Welches sind die geforderten Qualitätsvorgaben? Gibt es bestehende Lieferverträge? Wie sieht das aktuelle Lieferantenportfolio aus? Soll nach neuen Beschaffungsquellen und neuen Beschaffungsmärkten geforscht werden? Sind alle diese Fragen beantworten wird auf potentielle Gefahren und Veränderungen eingegangen.
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Diese können wirtschaftlicher aber auch politischer Art sein. Wie kann potentiellen Veränderungen proaktiv entgegengewirkt werden? Die Strategien werden periodisch der lokalen Geschäftsleitung vorgestellt und in „cross functional teams“ diskutiert. 2.2 Die Anreiz-Beitragsthese Vor einiger Zeit hat Ciba SC auf die Veränderungen in der Beschaffung reagiert. War früher eine klare Preisfokussierung sichtbar, so sind heute ganz andere Herausforderungen zu meistern. Vor 10 bis 15 Jahren ging es darum, dem Lieferanten mit Bedarfszahlen entgegenzutreten. Der einzige Anreiz, der dem Lieferanten geboten wurde war eine zu vergebende Menge x zu liefern. Die Verhandlungsstrategie war klar auf den Preis fokussiert und man versuchte, die Lieferanten gegeneinander auszuspielen. Unbedingtes Ziel war es, billiger zuzukaufen als im Vorjahr. Betrachtet man zudem das damalige Lieferantenportfolio, so gab es aus der heutigen Sicht eine suboptimale Anzahl Lieferanten, die mit grosser Mehrheit im europäischen Raum anzutreffen waren. Was für einen Anreiz kann man dem Lieferanten geben? Mit den Schlüssellieferanten spricht Ciba über Partnerschaft. Den Key Suppliers wird offen und ehrlich entgegen getreten und langfristige Geschäftsbeziehungen angeboten. Wichtige Trends werden in diesem Fall über die Lieferantenbeziehung ausgetauscht und identifiziert. Wichtige Zielsetzung der Partnerschaft ist ein gemeinsames Wachstum. Ein gegenseitiges Ausspielen findet höchstens noch bei Spot-Lieferanten oder kleineren C-Produkten statt. Schlüssellieferanten liefern zum besten Preis- Leistungsverhältnis (optimale Qualität und Logistik) und müssen garantieren, dass kein Konkurrent optimaler zukaufen kann. Ciba spricht offen über Geschäftsverlauf sowie Kosten- und Preisentwicklungen. In einer Win-Win-Situation ist Ciba auch je nach Situation bereit, höhere Preise zu akzeptieren. Denn verliert der Partner die Lust am Geschäft oder wird er so weit ausgequetscht, dass er unter seinen Produktionskosten verkaufen muss, müsste Ciba sich kurz- oder langfristig nach einem neuen Lieferanten umsehen. Wird etwa mit einem neuen Lieferanten aus Indien oder Fernost verhandelt, so kann es ein Anreiz sein, dass wir diesem Lieferanten den Weg nach Europa ebnen. Meint man den richtigen Partner gefunden zu haben und geht mit ihm eine strategische Allianz ein, so reduziert man seine eigene Flexibilität und er-
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höht die Abhängigkeit. Das heisst, man bindet sich für die entsprechende Periode an den Partner. Trotz alledem sollte man den Marktüberblick nicht verlieren. Auch wenn die vertraglich zugesicherten Parameter den besten Deal versprechen, muss der Markt aktiv verfolgt werden, um die aktuellen Entwicklungen und Trends verstehen zu können. Ein zweiter Kostenpunkt könnte der Verlust der „Anonymität“ darstellen. Ein weiterer Kostenfaktor ist die Bereitschaft zum Risiko. Denn hat man sich an einen Lieferanten gebunden, und es besteht in der speziellen Situation keine Alternative, so ist ein potentielles Supply Risiko vorhanden. 2.3 Beschaffung in Far East Man muss den neuen Beschaffungsmarkt sehr gut beobachten. Man sollte entweder direkt oder mittels eines Agenten stets präsent sein, denn die Dynamik in Far East ist nur sehr schwer kontrollierbar. Von heute auf morgen tauchen neue Produzenten auf, sie verschwinden aber genau so schnell wieder und man steht ohne Lieferant da. Die Problematik der Beschaffung in Far East beginnt bereits mit der Sprach- und Kulturproblematik. Weiter ist es mit dem „Aufspüren“ einer neuen Quelle längst nicht getan. Ciba SC muss den neuen potentiellen Lieferanten erst zu einem akzeptablen Standard entwickeln. Meist sind europäische EHS-Standards nicht vorhanden. Ist das Werk auditiert und die Qualität verlässlich, muss die Logistik aufgebaut werden. Meistens ist es sinnvoll, mit einem Logistikpartner zusammen zu arbeiten. 2.4 Zusammenarbeit zwischen F&E und dem Einkauf Forschung und Entwicklung (F&E) ist das Herzstück des zukünftigen Erfolges. Aufgabe von F&E ist es, signifikante neue Quellen des Wachstums zu generieren, die aus heutiger Sicht noch unbekannt sind. Eine zweite Aufgabe besteht darin, die bestehenden Prozesse zu untersuchen und kostengünstiger zu gestalten. Wie und wann kann sich der Einkäufer in diesen Prozess einbringen? Ein Forscher sitzt in seinem Labor und forscht und brütet darüber, welche zukünftige Struktur das zu erforschende Produkt haben sollte. Ist er fündig geworden, dann stellt der die Überlegungen an, welche Rohstoffe er zur Synthese verwenden will. Hat er die richtigen Rohstoffe gefunden, taucht die Frage auf, wo können sie beschafft werden? Einem Forscher stehen mehrere grosse Produktdatenbanken zur Verfügung – also greift er zur Literatur und bemerkt, dass das Produkt X vom Produzenten Y hergestellt wird. Er vergibt den Auftrag, dieses Produkt im
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Stefan Furrer, Randy Drenth
Labormassstab zu beschaffen. Die Feasibility Study sowie die Kostenkalkulationen basieren ebenfalls auf diesen Annahmen. Und vielleicht bestellt der Forscher sogar einen Rohstoff, der nur im Labormassstab erhältlich ist. Wird dann später in grösseren Mengen geordert, dann wird festgestellt, dass dadurch ein Lieferantenwechsel notwendig wird. Ist der Laborversuch positiv gelaufen, dann ist die nächste Etappe der Pilotversuch. Man bestellt also eine etwas grössere Menge und nach erfolgtem Pilot wird dann ein Anlagenversuch mit dem Produkt der entsprechenden Provenienz gefahren. Involviert wird der Einkauf zwar zur Beschaffung des Labormusters, in den Entscheidungsprozess eingreifen, kann er aber zu diesem Zeitpunkt nicht. Eines der grössten Probleme besteht im Informationsfluss. Stockt die Information oder wird sie erst gar nicht weitergegeben, dann befindet sich das nachfolgend involvierte Team bereits an einem Punkt, wo es nur noch reagieren aber nicht gezielt agieren kann. 2.5 Trenderkennung bei Ciba Gemäss Philip Kotler (2005) gibt es drei Arten von Unternehmen: Die einen bewirken, dass etwas geschieht. Die Zweiten beobachten, dass etwas geschieht. Die Dritten wundern sich, was geschehen ist. Die Ciba Spezialitätenchemie AG möchte zur Kategorie derjenigen Unternehmen gehören, die bewirken, dass etwas geschieht. Aus diesem Grund werden Tools eingesetzt, die erlauben, Trends rechtzeitig zu erkennen. Ziel ist es, die Entwicklungen sowohl auf den Endmärkten, entlang der Wertkette sowie auch auf den Rohstoffmärkten zu erkennen, auszuarbeiten und die entsprechend adäquaten Strategien daraus abzuleiten. Bei der Ciba Spezialitätenchemie AG werden verschiedene Bereiche mit unterschiedlichen Trends konfrontiert. Dazu gehören Forschung und Entwicklung, Marketing sowie der Einkauf. Forschung und Entwicklung gilt als das Herzstück des zukünftigen Erfolges. Aufgabe dieses Bereiches ist es, signifikante neue Quellen des Wachstums zu generieren, die aus heutiger Sicht noch unbekannt sind. Der Vertrieb ist die Verlängerung des Marketing und des Produktmanagements. Die Vertriebsmitarbeiter erhalten Informationen der Kunden, sehen und interpretieren tägliche Marktänderungen. Der Einkauf ist im engen Kontakt zu seinem Lieferantenstamm und eruiert neue Quellen. Er sieht die Beschaffungsmärkte, analysiert diese und gestaltet so mittels zusätzlichen Informationen seine Beschaffungsstrategien. Der Einkauf ist global ausgerichtet, arbeitet unter anderem nach dem „cross segmental leid buyer principle“, geniesst „Top Management Attention“ und ist im Senior Management vertreten.
Früherkennung und Bewertung von Trends
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In allen angesprochenen Bereichen gelangen die Mitarbeiter zu Trendkompetenz indem sie beispielsweise Messen besuchen, Fachzeitschriften lesen oder Trend Scouts einzustellen. Die herkömmliche Beschaffungsmarktforschung reicht in der Regel jedoch nicht aus, die richtigen Trends rechtzeitig zu entdecken Es werden ebenfalls Trendforschungsinstitute beauftragt, die eine gute Alternative zum Trend Scouting darstellen und. Kosteneinsparungspotentiale bieten. Ciba hat zwei Möglichkeiten Beschaffungsmarktforschung zu betreiben. Eine Gruppen in unserem HQ in Basel – genannt Sourcing Intelligence – betreibt professionelle Marktforschung. Seht Ciba einen Bedarf, so kann man sich an diese Gruppe wenden und eine Anfrage hinterlegen. Der Einkauf kann auch selber eine Suche anstellen. Leider geht man oft nur bei akutem Bedarf auf der Suche. Wir müssen vermehrt pro aktiv bei der Suche nach günstigeren Lieferquellen agieren. Der Grund dieses Mankos liegt in meinen Augen im Headcount. Betrachtet man zunächst die Beschaffungsseite näher, dann gehen diese Aktivitäten weit über das aus der Literatur bekannte Beschaffungsmarketing hinaus. Beschaffungsmarketing ist dort definiert als die Zusammenfassung aller Aktivitäten, die darauf fokussiert sind, den Beschaffungsmarkt unter Kenntnis aller relevanter Informationen entsprechend den unternehmerischen Zielvorstellungen zu gestalten. Analysiert man eine vereinfachte Wertschöpfungskette (vgl. Abbildung 1), so wird schnell ersichtlich, dass innerhalb einer Supply Chain eine Vielzahl von Schnittstellen zu managen sind. Ein perfekter „End Market Trend Scout“, der nicht in der Lage ist, die immens wichtigen Informationen entlang der Supply Chain weiterzureichen nützt keinem. Wie oben beschrieben geht es darum, die Beschaffungsmärkte unter Kenntnis aller relevanter Informationen zu gestalten. Besitzt man falsche, ungenügende oder etwa gar keine Informationen, so erscheint es mir evident, dass die Märkte ungenügend oder falsch interpretiert und gestaltet werden.
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Stefan Furrer, Randy Drenth
Wertschöpfungskette WARENFLUSS
Zulieferer
Lieferant
Sales&Marketing
Einkauf
Produktion
Supply Chain Services
Kunde
Handel
Forschung&Entwicklung Endverbraucher
INFORMATIONSFLUSS
Abb. 1. Vereinfachte Wertschöpfungskette
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Fazit
Um dauerhafte Wettbewerbsvorteile zu erlangen stellt sich die Ciba Spezialitätenchemie AG täglich folgende Fragen: 1. Wird mit den richtigen Partnern verhandelt? 2. Werden die richtigen Produkte hergestellt? 3. Wird an den richtigen Standorten produziert? 4. Werden die richtigen Investitionen getätigt? 5. Werden die richtigen Produkte in den richtigen Märkten verkauft? 6. Sind sämtliche Lieferanten und Kunden auf den entsprechenden Märkten bekannt? Die Ciba Spezialitätenchemie AG nimmt sich diesen Fragen an und ist aufgefordert, die Prozesse neu zu überdenken. Es geht darum, die frühzeitige Einbindung des Einkaufs sicherzustellen. Weiter erscheint es lohnend, über den Tellerrand der herkömmlichen Marktforschung hinaus zu schauen und bessere Marktforschungstechniken zu entwickeln und zu etablieren. Das Marketing & Sales Board erlaubt der Ciba Spezialitätenchemie AG ihre Trendkompetenz weiter auszubauen und damit dauernde Wettbewerbs-
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fähigkeit zu erhalten. Die im Jahr 2004 gegründete Initiative verfolgt die Ziele die Marketing & Sales Expertise entlang der weltweiten Organisation ausbauen, die g der Methodologie, der Prozesse und Systeme fortlaufend voranzutreiben und zu verbessern sowie die Entwicklung, die Implementierung und den Ausbau einer Marketing & Sales Excellence zu erreichen.
Literatur Davidson H (1987), Offensive Marketing, Penguin, London Hayes R and Wheelwright S (1992), Revolutionizing Products Development, Free Press, New York Koppelmann U (2004), Beschaffungsmarketing 4. Auflage, Springer, Berlin Kotler P und Bliemel F (2005), Marketing Management, Pearson Studium, München Lancaster G and Massingham L (1993), Marketing Management, McGraw-Hill, London
Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance Marco Schmäh1, Heinz Stark2 1 2
Marketing & eCommerce Unternehmungsberater ESB Reutlingen C C T: Consulting-Coaching-Training, Stuttgart
Die heutigen und verstärkt die künftigen Leistungsstrukturen eines Unternehmens sind geprägt durch funktions-, unternehmens- und länderübergreifende strategische Kooperationen oder Wertschöpfungsnetzwerke. Die Transformationskompetenz der Fach- und Führungskräfte in der Beschaffung bestimmt wesentlich in welchem Umfang und mit welcher Effizienz Eigenleistungen auf externe Ressourcen verlagert werden und als strategische Fremdleistungen zur Stärkung der eigenen Kernaktivitäten in das Unternehmen beitragen können. Daher sind Ziele und Aufgaben der Transformationskompetenz für eine „Innovative Beschaffung“ von besonderem Interesse.
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Auslöser für Veränderungen der Leistungsstrukturen
Art und Umfang von Eigenfertigung („Insourcing“) und Fremdfertigung („Outsourcing“) bei der Wertschöpfung sowie Art und Umfang der ergänzenden Unterstützungs- und Verwaltungsaufgaben bestimmen die Gesamtleistungs- und Kostenstruktur sowie Flexibilität und Regiabilität des Unternehmens. Je grösser der eigene Leistungsumfang, desto schwerfälliger wird das Unternehmen bezüglich zeitlicher, qualitativer und quantitativer Reaktionsfähigkeit bei Marktveränderungen (kurzfristig) und Marktverschiebungen (langfristig) in den Beschaffungsmärkten der externen Ressourcen als auch in den Absatzmärkten und bei den Kunden der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Daher wird der Trend zur Verringerung der Eigenleistung bei der Wertschöpfung anhalten. Ein solch unternehmensübergreifendes, externe Leistungsträger langfristig an das eigene Unternehmen bindendes Beschaffungsverhalten („Strategische Beschaffung“) wird von folgenden fünf Trends getrieben (Boutellier 2003): 1. Zunehmende Bedeutung der Informatik: Internet erleichtert Koordination und Steuerung komplexer Abläufe und Wertschöpfungssysteme.
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2. Zunehmende Globalisierung bei Absatz und Beschaffung: Fortschreitende Spezialisierung und unterschiedliche Kosten- und Kaufkraftniveaus in ausländischen Märkten. 3. Technologie-Breite: Künftige Produkte als Kombination und Integration verschiedenster Technologien zwingen zur Konzentration auf Kernkompetenzen. 4. Technologie-Geschwindigkeit: Die Kombination von Technologien mit schnellen Entwicklungszyklen und weniger dynamische Technologien erfordern die Einbindung hoch spezialisierter Lieferanten. 5. Erleichterter Marktzugang: Durch zunehmenden Abbau von tarifären und nicht tarifären Handelshemmnissen (z.B. Einfuhrzölle, Ausfuhrbeschränkungen) Erschliessung neuer Absatz- und Beschaffungsmärkte. Da diese Trends alle eine Eigendynamik aufweisen, führt dies zu sehr komplexen Strukturen und Entwicklungen, denen die Unternehmung nur durch weitgehende Spezialisierung und Diversifizierung in der Nutzung der Absatz- und Beschaffungsmärkte gerecht werden kann.
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Unternehmensvorteile durch arbeitsteilige Transformation
Jedes Unternehmen ist bestrebt, seine Ziele durch möglichst kostenoptimale Kombination der Leistungen von internen und externen Ressourcen zu erreichen. Diese Kombination von internen und externen Leistungen unterschiedlicher Art, Güte und Umfang zu Absatzleistungen wird wirtschaftlich als Wertschöpfung; die Ausgliederung von Unternehmungsaufgaben – komplett oder partiell – sowie die Einbeziehung von externen Leistungen und Leistungsträgern zum Vorteil für das eigene Unternehmen wird als Transformation bezeichnet (Cox 2003). Transformation ist die zeitliche, räumliche, qualitative und quantitative Veränderung (Beeinflussung und Gestaltung) der Leistungsstrukturen und -prozesse innerhalb und ausserhalb eines Unternehmens zur bestmöglichen Erreichung seiner Unternehmensziele. Der Transformationsprozess ist stets funktions- und unternehmensübergreifend, da immer interne und externe Aufgaben und Aufgabenträger tangiert und eingebunden sind. Art und Umfang der zwischenbetrieblichen Arbeitsteilung in der Transformation werden dabei wesentlich bestimmt von der unternehmensindividuellen Begrenzung der Eigenleistungen und der Leistungsfähigkeit und -bereitschaft externer Ressourcen/Lieferanten.
Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance
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Die komplementären Gestaltungselemente der Transformation sind Eigenleistung (Insourcing als Make) und Fremdbezug von Leistungen (Outsourcing als Buy). Ausprägungen und Kräfteverhältnis dieser Elemente zueinander bestimmen die Transformationsstruktur. Als Gegenstand unternehmerischer Entscheidungen hat die Transformation eine strategische und eine operative Dimension in Abhängigkeit von den angestrebten Vorteilen für das Unternehmen. 1. Strategische Aspekte der Transformation Hier geht es um Strukturentscheidungen über Art und Anteil von Eigenleistungen und Fremdleistungen bei der Erbringung kundengerechter Produkte und Dienstleistungen. Diese Transformationsstruktur („Was ändert sich?“) definiert den Aufbau und die Prozesse des unternehmensübergreifenden Wertschöpfungssystems des Unternehmens. Die Begrenzung der Eigenleistung auf undelegierbare Leistungsbereiche, sog. Kernkompetenzen des Unternehmens, erfolgt unter Berücksichtigung von verfügbaren und potentiellen externen Anbietern und Lieferanten. Der langfristig und strategisch ausgerichtete Zukauf von Fremdleistungen (ausgelagerte NichtKernaktivitäten, Unterstützungs- und Verwaltungsaufgaben) soll grössere wettbewerbswirksame Leistungs- und Kostenvorteile bringen als Leistungserstellung durch reines Insourcing. Durch Aufbau und Weiterentwicklung gezielt strukturierter, arbeitsteiliger Transformationssysteme (z.B. mehrstufiger, endkundenorientierter Supply Chains) kann das Unternehmen sich auf die Weiterentwicklung seiner Kernkompetenzen - wozu auch die Beschaffungsfunktion gehört - konzentrieren und im Verbund mit den Lieferanten seine Wettbewerbsposition, seinen USP (unique selling proposition), nachhaltig verbessern. 2. Operative Aspekte der Transformation Hier geht es um die Gestaltung der Transformationsprozesse („Wer macht was?“) im Rahmen der gewollten Transformationsstruktur. Es gilt die Aufgaben und Aktivitäten des eigenen Unternehmens und der externen Leistungsträger ablauforientiert zu ordnen und zu gestalten; eine Prozessstruktur für die unternehmensübergreifende Wertschöpfung zu entwickeln. Ziel ist Prozessoptimierung und Prozesskostensenkung. Dabei spielt der Einsatz moderner Medien der Informations- und Kommunikationstechnik (I&K-Technik) eine wesentliche Rolle (vgl. die Unterstützung durch Methoden des E-Procurement, der e-Logistiksteuerung u.a.m.). Für optimale Transformationsprozesse müssen aber die I&K-Strukturen der Unternehmung und der Wertschöpfungspartner aufeinander abgestimmt sein; teilweise heute noch eine gravierende Schwachstelle bei der Prozesskostenoptimierung.
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Zu operativen, d.h. kurzfristig realisierbaren Kostenvorteilen führt auch die partielle oder vollkommene Ausgliederung von indirekt an der Wertschöpfung beteiligten Unterstützungs- oder Verwaltungsfunktionen (z.B. Ausgliederung der EDV-Abteilung, der Material- oder Distributionslogistik oder der Beschaffung von Hilfs- und Betriebsstoffen). Diesen auch als BPO (Business Process Outsourcing) bezeichneten Transformationen (Camphausen u. Rudolf 2001) fehlt die strategische Dimension, denn sie führen zu keiner Veränderung der wettbewerbsrelevanten Kernkompetenz des eigenen Unternehmens. Ziel ist vielmehr die Umwandlung fixer in variable Kosten bei gleichzeitiger Kostensenkung. Diese kurzen Betrachtungen zeigen, dass die Beschaffung als „Nahtstellenfunktion“ (Arnold 2003) zwischen internen und externen Strukturen und Prozessen das strategische und operative Vorteilspotenzial des Unternehmens wesentlich erhöhen kann, wenn die Einbindung externer Ressourcen (Transformation) in die eigene Wertschöpfung weiter entwickelt wird.
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Transformationskompetenz für Beschaffungs-Change Management
3.1 Beschaffungs-Change Management Es ist eine, wenn nicht gar die wichtigste Hauptaufgabe der Beschaffungsführung wettbewerbswirksame Vorteilspotenziale durch Veränderungen bei den bisherigen Transformationsstrukturen und -prozessen herbeizuführen. Dies kann nach Voegele u. Schwientek (S.312 ff.) in drei Schritten erfolgen: Optimierung der Einkaufshebel, Stärkung interner Prozesse und Organisation und Strategische Ausrichtung des Lieferantennetzwerkes. In Schritt 1 geht es vor allem um eine intensive Nutzung der Leistungsfähigkeit von Anbietern und Lieferanten zur schnellen Senkung der Material- und Logistikkosten. Dies kann z.B. durch interne und externe Volumenbündelung, Reduktion der Lieferantenanzahl, Wertanalyse mit/ohne Beteiligung der Lieferanten und/oder marktorientierte Standardisierung der Bedarfe o.ä. erfolgen. In den Schritten 2 und 3 sind im eigenen Unternehmen, bei den Wertschöpfungspartnern und in der Zusammenarbeit die Voraussetzungen zur Generierung essentieller Vorteilspotenziale zu schaffen. Dazu müssen die derzeitigen Gegebenheiten überprüft und zielbezogen angepasst werden. Dies ist Aufgabe des funktions- und unternehmensübergreifenden Changemanagement der Beschaffung.
Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance Prozesse
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Organisation
• Best-practices/Prozess-Benchmarking
• Flexible Strukturen/Netzwerke
• Unternehmensinterne und –übergreifende Kooperation
• Globale Einkaufsorganisationen • Durchgängige, transparentere Einkaufsverantwortung
• Purchasing early entry Einkaufsorganisation und Prozessoptimierung Information • Einkaufs-Informationssysteme • Neue IT-Technologie (e-Procurement, Portale)
Mitarbeiterentwicklung • Schulung / Training • Entwicklungspläne
• Einkaufscontrolling
• Motivation
• Systeme für Beschaffung/Bestellabwicklung
Ergebnisse Schritt 2
• Auflösen traditioneller Strukturen
• Fit der Einkaufsorganisation für künftige Aufgaben • Nachhaltigkeit von Materialkostensenkungen • Prozesskostensenkung
• Flexibilisierung von Prozessen
Abb. 1. Changemanagement der Beschaffung, Quelle: Voegele u. Schwientek 2002
Abbildung 1 zeigt Ziele und Gestaltungsbereiche des beschaffungsseitigen Changemanagements. Dieser Aspekt der Transformation wird um so bedeutender, je stärker die Dynamik im internen und externen Beschaffungsumfeld, je mehr sich die Relationen von Insourcing zu Gunsten von Outsourcing verschieben und je aufwendiger die Koordinations- und Steuerungsaufgaben in den Wertschöpfungssystemen werden. Strategisch ausgerichtetes Beschaffungs-Change Management fordert und fördert Veränderungen, z. B. bei der Bedarfsstruktur (marktorientierte Standardisierung statt Eigenentwicklung), bei der Lieferantenstruktur (Reduktion der Lieferantenzahl durch Übergang zum Modul- oder Systemeinkauf) oder bei der Transformationsstruktur (Ausbau bisher einfacher Wertschöpfungspartnerschaften zu mehrstufigen Wertschöpfungsketten (Supply Chains) oder „Beschaffungsnetzwerken“ (Himpel 1999) oder noch weitergehenden „Unternehmensnetzwerken“ (Möller 2004). Damit ändert sich auch die Grundanforderung an die Beschaffungsfunktion. Eine “aktive Beschaffung“ (Einfluss auf marktorientierte Bedarfsgestaltung durch Beschaffungsmarketing nach innen und aussen) muss in eine „Innovative Beschaffung“ (Auf- und Ausbau strategisch relevanter Versorgungs- und Wertschöpfungssysteme) überführt werden. „Innovative Beschaffung“ ist die Transformationsplattform für die Generierung strategischer und operativer Vorteile durch permanent marktorien-
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Marco Schmäh, Heinz Stark
tiertes und kreatives Mitwirken bei der Entscheidung über Art und Umfang von Insourcing (Eigenleistungen) und Outsourcing (Bezug von Fremdleistungen). „Innovative Beschaffung“ erfordert daher eine klare Trennung von „Core Investments“ für die Weiterentwicklung von Strukturen und Prozessen der Beschaffung als unternehmerische Kernfunktion und „Transformative Investments“ (Wehrli 2003). Transformative Investments betreffen die Ressourcen zur Weiterentwicklung der unternehmensübergreifenden Leistungs- und Know-how- Transformationen zwischen den beteiligten Wertschöpfungspartnern. Beide Investments wirken auf die Transformationskompetenz der Beschaffung, einem kritischen Erfolgsfaktor für „Innovative Beschaffung“. 3.2 Wandel in der Transformationskompetenz Kompetenz bedeutet generell „die Fähigkeit bzw. Eignung eines Mitarbeiters entsprechend den Anforderungen“ (Schneck 2003). Sie kann umschrieben werden als „the proven/demonstrated – and individual – capacity to use know how, skills, qualifications or knowledge in order to meet usual – and changing – occupational situations and requirements“ (Björnavold 2000). Transformationskompetenz der Beschaffung betrifft dann Kenntnisse und Fähigkeiten der Fach- und Führungskräfte der Beschaffung zeitliche, räumliche, qualitative und quantitative Veränderungen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens als strategische und operative Vorteilspotenziale zu erkennen, zu initiieren, zu beeinflussen, zu gestalten und zu nutzen. Daher ist zwischen strategischer und operativer Transformationskompetenz zu unterscheiden. Strategische Transformationskompetenz betrifft die Fähigkeiten des Beschaffungsmanagements zum Aufbau langfristig wettbewerbswirksamer Vorteilspotenziale im Rahmen arbeitsteiliger Wertschöpfungssysteme – und das zunehmend weltweit. Umfang und Komplexität der Transformationen sind dabei unter anderem abhängig von den Rahmenbedingungen der Beschaffungsmärkte sowie der Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Anbieter und Lieferanten. Neben globalen Markt- und TechnikKenntnissen sind hoher technischer und wirtschaftlicher Sachverstand zur Auswahl und Integration der Lieferanten in das Wertschöpfungssystem erforderlich. Zusätzlich müssen hohe Sozial- und Selbstkompetenz vorhanden sein oder geschaffen werden, um bei den internen und externen Partnern Akzeptanz und Unterstützung für die strategisch relevanten Beschaffungsaktivitäten zu erhalten.
Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance
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Operative Transformationskompetenz für zeitliche, räumliche, qualitative und quantitative Änderungen ist gefragt bei der Umsetzung der Transformations- und Beschaffungsstrategien einerseits und der Ausgliederung von nicht oder indirekt Wertschöpfenden Aufgaben oder Prozesse über Business Process Outsourcing andererseits. Hier sind es vor allem Marktkenntnisse sowie fundiertes objekt- und projektbezogenes Sach- und Methodenwissen, welche diesen Teil der Transformationskompetenz der Beschaffung prägen. „Innovative Beschaffung“ benötigt bei beiden Komponenten der Transformationskompetenz ein grosses Wissenspotenzial sowie eine hohe Kreativität und (geistige) Flexibilität zur Weiterentwicklung der arbeitsteiligen Wertschöpfungssysteme. Die Anpassung und Entwicklung der Transformationskompetenz der Beschaffung ist Aufgabe der Organisations- und Personalentwicklung, einem tragenden Element des Beschaffungs-Change Managements. 3.3 Transformationskompetenz als Objekt der Organisationsund Personalentwicklung 3.3.1 Beschaffungsentwicklung Das Vorteilspotenzial eines Wertschöpfungssystems wird bestimmt von der Transformationskompetenz der Fach- und Führungskräfte in der Beschaffung und bei den Anbietern und Lieferanten einerseits und den organisatorischen Gegebenheiten andererseits. Die Anpassung aller Beteiligten an die Erfordernisse komplexer Wertschöpfungssysteme ist Aufgabe der Organisations- und Personalentwicklung mit den Teilbereichen Beschaffungs- und Lieferantenentwicklung und Informationstechnologie. Beschaffungsbezogene Organisationsentwicklung betrifft die Anpassung der finanziellen und personellen Ressourcenausstattung sowie die Anpassung der Aufbau- und Prozessorganisation der Beschaffung an heutige und künftige Erfordernisse. Dies ist insoweit relevant als die traditionelle hierarchische Linienstruktur der Beschaffung den geänderten Kompetenzanforderungen künftiger Transformationsstrukturen nicht mehr gerecht wird. Entsprechend der These „structure follows strategy“ (Baily u. Farmer 1990) sind für „Innovative Beschaffung“ situative, der strategischen Vorteilsorientierung gerecht werdende Aufgabenstrukturen in der Beschaffungsorganisation zu schaffen. Reine zentrale oder dezentrale Aufgabenzuordnung genügt nicht. Es sind Kombinationen aus beiden Organisations-
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Marco Schmäh, Heinz Stark
formen erforderlich. Diese auch als hybride Beschaffungsorganisation (Johnson et al. 1998) bezeichneten Formen basieren auf funktions- und unternehmensübergreifender Zusammenarbeit von Aufgabenträgern (Stellen oder Personen). Als Beispiele seien die Kombinationen von Strategischer Einkauf oder Zentraleinkauf und dezentralen Facheinkaufsabteilungen, zentrales Lead Buyer Konzept mit dezentraler Abwicklung (auch in Zusammenarbeit mit Lieferanten) sowie externe Einkaufs- oder Servicekooperationen genannt. Kreative Transformations- und Beschaffungsstrategien sind auf eine strategiegerechte Aufbauorganisation angewiesen, die bei grosser Komplexität zu hohen Transaktionskosten (Ausdruck umfangreicher Informations- und Koordinationsaufgaben) führen können. Sind Beschaffungsprozesse Gegenstand der Organisationsentwicklung geht es um die Anpassung der im eigenen Unternehmen und bei den beteiligten Lieferanten funktions- und unternehmensübergreifend kooperativ ablaufenden Transformations- und Beschaffungsprozesse. Es betrifft die Organisation der Entscheidungsprozesse zur Entwicklung der Beschaffungsstrategien und deren Implementierung im eigenen Unternehmen und bei dem/den Lieferanten sowie die Strukturierung der Transformationsprozesse bei allen Beteiligten des Wertschöpfungssystems. Ergänzend kommt die Gestaltung der Koordinations-, Steuerungs-, Informations- und Kommunikationsprozesse hinzu, um transaktionskostenoptimale Beschaffungsprozesse zu erhalten. Für eine „Innovative Beschaffung“ sind Effektivität und Effizienz des gesamten Wertschöpfungssystems die zentralen Entscheidungskriterien. Effizienzverluste können minimiert oder vermieden werden, wenn die Beschaffungsprozesse nicht an den (hybriden) Strukturen der Beschaffungsorganisation ausgerichtet, sondern die Prozesse selbst zur Strukturierung der Beschaffungsorganisation herangezogen werden. Diese prozessorientierte Organisationsentwicklung führt über „Business Process Reengineering“ (Hammer u. Champy 1994) meist zu anderen und meist weniger komplexen und weniger aufwendigen Strukturen der Beschaffungsorganisation. Es werden „Wettbewerbsvorteile durch Prozessmanagement“ (Gaitanides u. Sjurt 1995) angestrebt, wobei “innovative Beschaffung“ aufgrund ihrer Prozessorientierung zwischen strategisch relevanten Beschaffungskernprozessen (z.B. Bedarfsermittlung, wertschöpfungsrelevanter Einkauf sowie Beschaffungsplanung und -controlling) einerseits und Nicht-Kernprozessen in der Beschaffung (z.B. Marktforschung in fernen Ländern, Materiallogistik oder Einkauf von Klein- und Hilfsmaterial) andererseits unterscheidet. Nicht-Kernprozesse werden zunehmend Gegenstand von BPO-Entscheidungen, um die internen Ressourcen zu schonen
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und Effektivität und Effizienz der Beschaffung zu steigern. Finanzielle und personelle Engpässe und organisatorische Mängel in der Beschaffung führen zu Wissensdefiziten, Überforderung und Demotivation beim Beschaffungsmanagement und intern und extern zu suboptimalen Vorteilspotenzialen des Unternehmens. Personalentwicklung bei den Fach- und Führungskräften der Beschaffung ist ein geeignetes Instrument zur Anpassung an den komplexen Wandel der Aufgaben. Für die „Innovative Beschaffung“ bedeutet dies fachliche, führungsbezogene, persönliche und nicht zuletzt formale Qualifizierung (z.B. akademischer Titel als „Kompetenzsignal“) zur Verbesserung von Transformationskompetenz und Akzeptanz nach innen als auch nach aussen. Bei der Entwicklung der Transformationskompetenz für komplexe Wertschöpfungssysteme/Supply Chains sind neben technisch-wirtschaftlichem Grundwissen und beschaffungsspezifischem Methodenwissen speziell die fachlichen Anforderungen relevant, die sich aus den zunehmend vernetzten Leistungs-, Koordinations-, Informations- und Kommunikationsprozessen ergeben. Dies heisst: „Investitionen in Aus- und Weiterbildung sowie ein Umdenken hinsichtlich Gestaltung der zentralen Einkaufsprozesse müssen mit hoher Priorität erfolgen, um langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten“ (Brenner u. Zarnekow 2003). Dies gilt auch für die Wertschöpfungspartner. 3.3.2 Lieferantenentwicklung Hier steht die Anpassung der organisatorischen, prozessualen und personellen Leistungsfähigkeit von Lieferanten an die geänderten Anforderungen seitens des Kunden im Fokus des Beschaffungsmanagements. Da bei einem Lieferantenwechsel zum Teil in langjähriger Kooperation aufgebautes Know-how und Know-why verloren gehen kann, ist es sinnvoll zumindest bei Schlüssellieferanten funktionsübergreifende Organisations- und Personalentwicklung einzusetzen. Dabei ist zwischen direkter und indirekter Lieferantenentwicklung zu unterscheiden (Moncka et al. 1993), die in Art und Umfang von der beschaffungsseitigen Transformationskompetenz geprägt werden. Direkte Unterstützungsmassnahmen umfassen dabei meist eine Zusammenarbeit bei fundamentalen Reengineering-Aktivitäten zur Optimierung laufender Produktions- und Transformationsprozesse, oder die Einführung von Programmen zur Kostensenkung oder kundenorientierte Produktoptimierung. Die Einführung/Verbesserung von integrierten, internetbasierten Steuerungssystemen (Supply Chain Management) bei unternehmensübergreifenden Wertschöpfungssystemen ist ebenfalls hier zu nennen (Schuff 2002). Aber auch Anbieter mit innovativen Problemlösungstechnologien
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Marco Schmäh, Heinz Stark
(z.B. alternative Materialien, Fertigungsverfahren oder Produktkonzepte), die neue oder zusätzliche strategische oder operative Vorteilspotenziale bieten können, sind Gegenstand direkter Lieferantenentwicklung (Wagner u. ten Hoevel 2002). Dies stellt besondere Anforderungen an die fachlichtechnische Transformationskompetenz im Beschaffungsmanagement. Bei der indirekten Lieferantenentwicklung geht es vor allem um Anregung und Mitwirkung bei genereller und fachspezifischer Schulung, Training und Unterstützung der Fach- und Führungskräfte des Lieferanten. Das Ziel ist eine Verbesserung der technischen und fachlichen Qualifikation und damit eine höhere Problemlösungs-, Prozessoptimierungs- und Steuerungskompetenz, was wiederum das Vorteilspotenzial des Lieferanten erhöht. Werden der Beschaffung für solche Aufgaben keine Ressourcen zu Verfügung gestellt, kann sich keine „Innovative Beschaffung“ zum Aufund Ausbau höherwertiger Vorteilspotenziale entwickeln. 3.3.3 Informationstechnologie Die Effizienz bei arbeitsteiligen Wertschöpfungsprozessen wird wesentlich mitbestimmt von der Komplexität und Intensität der Koordinations- und Kommunikationsaufgaben. Dies bedingt den Einsatz leistungsfähiger Instrumente der Informations- und Kommunikationstechnik (I&K-Technik). Hier ist insbesondere der prozessunterstützende und -begleitende Datentransfer per elektronischen Medien und der Einsatz internetbasierter I&KInstrumente zu nennen. Solche elektronischen Lösungen für die Beschaffung sind z.B. EDI, WebEDI, Desktop Purchasing Systeme, Reverse Auctions, internetbasierte Marktplätze und nicht zuletzt Informationsportale (Arnold 2003). Ihr Einsatz wird auch als e-procurement bezeichnet. „Innovative Beschaffung“ ist bei zunehmend komplexen Wertschöpfungssystemen ohne den intensiven Einsatz solcher IT-Lösungen und deren Weiterentwicklung wegen der komplexen Informationsverknüpfungen nicht möglich. Durch kreatives, koordiniertes Einbinden externer Spezialisten, sog. e-procurement Service Provider (Brenner u. Zarnekow 2003), im eigenen Unternehmen und bei den beteiligten Lieferanten einerseits und die Verbesserung des IT-Know hows in der Beschaffung und bei den Lieferanten andererseits erhöht das strategische und operative Vorteilspotenzial des Unternehmens. Daher muss das IT-Know-how als weiteres Element beschaffungsseitiger Transformationskompetenz stetig ausgebaut und aktualisiert werden.
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Transformationskompetenz und Beschaffungsstrategien für „Innovative Beschaffung“
Wertbeitrag
hoch
Beschaffungsstrategien bestehen aus langfristig ausgerichteten Handlungsabsichten und umschreiben die „Art und Weise, wie strategische Beschaffungsaufgaben zielorientiert erfüllt werden können“ (Carr u. Smeltzer 1997). Beschaffungsstrategien sind Ausdruck der Transformationsstrategien, denn sie haben zeitliche, räumliche, quantitative und qualitative Veränderungen innerhalb und ausserhalb des Unternehmens zum Ziel. Nach innen richtet sich die Wirkung auf Veränderungen bei den eigenen Kernkompetenzen, was durch Konzentration der Kräfte eine Steigerung des strategischen Vorteilpotenzials des Unternehmens bewirken kann. Die nach aussen gerichtete Wirkung der Beschaffungsstrategien zielt auf eine Einbindung qualifizierter Anbieter und Lieferanten. Eine „innovative Beschaffung“ hat dabei vier grundsätzliche Alternativen zur Gestaltung der Transformation und der Zusammenarbeit mit Anbietern und Lieferanten. Diese sind in Abbildung 2 dargestellt (Schuff 2002). Entwickeln
Ausbauen
Fokus: Innovationswettbewerb
Entwicklungspartnerschaften
Integration komplementärer Kompetenzen
Gestaltungsanspruch: Sicherung von Wettbewerbsvorteilen durch Kontrolle über
Schrittmachertechnologie
• Innovationsgeschwindigkeit
Schlüsseltechnologie
• Innovationsrichtung
• Systemintegration
gering
Fokus: Kostenwettbewerb Freisetzen
Abschöpfen
Fremdbezug von Standards
Entwicklung von Auslaufstrategien
Reifetechnologie
Basistechnologie
gering
Gestaltungsanspruch: Sicherung von Wettbewerbsvorteilen durch • Nutzen von Standards am Markt • Marktwettbewerb
hoch
Wettbewerbsfähigkeit
Abb. 2. Transformationsstrategien zur Generierung von Vorteilspotenzialen
Art und Umfang des Outsourcing und der Lieferanteneinbindung in die gemeinsame Wertschöpfung sind abhängig von der Bedeutung der Lieferanten (strategisch relevante oder nicht relevante Technik, Materialien oder Leistungen) und deren Leistungs- und Kostensenkungspotenzial im Rahmen der arbeitsteiligen Wertschöpfungssysteme. Unter Beachtung der Zusammenhänge in Abbildung 2 lassen sich bestimmte Normstrategien für die Ausgestaltung der Transformation bzw. für das Beschaffungsverhalten
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Marco Schmäh, Heinz Stark
entwickeln. Dabei sind Schlüsseltechnologien, Schlüssellieferanten und Schlüsselmaterialien für eine „Innovative Beschaffung“ die wichtigste Zielgruppe strategischer Transformations- und Beschaffungsaktivitäten. Hier werden (z.B. durch gemeinsame Entwicklungen, Konzeptwettbewerbe, Übergang zum Modul- und Systemeinkauf, Ausbau zweiseitiger Kooperationen zu Beschaffungs- oder Wertschöpfungsnetzwerken etc.) die strategisch entscheidenden unternehmensoptimalen Vorteilspotenziale geschaffen und erschlossen. Dies erfordert nicht nur eine hohe Kreativität bei der Entwicklung von Beschaffungsstrategien zur Realisierung der gewünschten/geplanten Transformations- und Wertschöpfungsstrukturen, sondern auch eine kreative Kombination dieser Strategien. Welche Kriterien zur Gestaltung kreativer Beschaffungsstrategien herangezogen werden können, zeigt Abbildung 3 (Arnold 1996). Lieferant Beschaffungsobjekt Beschaffungszeit Beschaffungssubjekt Technologie Beschaffungsareal
Sole Single Dual Multiple Unit Modular System Stock Demand tailored Just-in-time Individual Cooperative Manual Electronic Local Global
Abb. 3. Toolbox für Beschaffungsstrategien
Je komplexer die Struktur der unternehmensübergreifenden Wertschöpfung angelegt ist, desto vielschichtiger sind die Beschaffungsstrategien zu gestalten und zu einem (komplexen) Strategie-Mix zu kombinieren. Die Erfolgswirksamkeit der damit verbunden Transformationsprozesse wird wesentlich beeinflusst von den Strukturen der Organisation und der Prozesse in der Beschaffung, bei den beteiligten Lieferanten und der Komplexität der Informations-, Koordinations- und Steuerungsmassnahmen bei der gewählten Wertschöpfungsstruktur.
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Ausblick
Steigende Anforderungen der Kunden an die Unternehmensleistungen (Trend zum Customizing), Globalisierung von Angebot und Nachfrage, zunehmend arbeitsteilige Wertschöpfungsstrukturen und -prozesse prägen das Umfeld der Unternehmen. Diesen sich hieraus ergebenden Herausforderungen muss sich die Beschaffung stellen und kreativ Strategien entwickeln, um speziell die externen Ressourcen als Vorteilspotenziale für das Unternehmen zu erschliessen. Diese Transformationsaufgabe fordert von den Fach- und Führungskräften der Beschaffung eine zunehmend höhere
Transformationskompetenz als Determinante der Beschaffungsperformance
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Kompetenz. Unter den oben genannten Bedingungen ist der strategische und operative Erfolg eines Unternehmens künftig weniger das Ergebnis eigener interner Kompetenz, sondern basiert auf der koordinierten, kombinierten und integrierten Kompetenz der beteiligten Wertschöpfungspartner. Dabei liegt es an der Qualität der strategischen Transformationskompetenz der Beschaffungsführung in wie weit die Dynamik in den Märkten und in der Technik zur Schaffung strategischer Wettbewerbsvorteile und operativer Kostensenkung genutzt werden. Die Beschaffung wird bei fortschreitend global-arbeitsteiliger Wertschöpfung, d.h. bei komplexer Vernetzung von Insourcing und Outsourcing , zunehmend eine zentrale Kernkompetenz des Unternehmens. Dies zeigt sich bereits bei jenen Unternehmen, die ihre Produktion teilweise (Ausgliederung einzelner Modellreihen in der Automobilindustrie) oder nahezu komplett ausgegliedert haben (PC-Industrie) und als „Assembler“ ihre Kernkompetenzen auf Markenbildung und Markenpflege, Produktentwicklung, Absatz und Beschaffung begrenzen. Die Beschaffung als unternehmerische Aufgabe muss sich in eine „Innovative Beschaffung“ wandeln, die aus der Leistungsfähigkeit der internen und externen Ressourcen durch kreative Kombination leistungsstarker Beschaffungsstrategien, -strukturen und -prozesse essentielle Vorteile für das Unternehmen generiert. Organisations- und Personalentwicklung zur Steigerung der fachlichen, technischen und sozialen Transformationskompetenz der Fach- und Führungskräfte in der Beschaffung und bei den Lieferanten ist ein zentraler Schlüssel für heutiges und künftig erfolgreiches Beschaffungs- und Supply Chain Management.
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Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation der Netstal-Maschinen AG Paul Nart1, Marco Zweifel1, Randy Drenth2 1 2
Netstal-Maschinen AG Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen
1
Transformationskompetenz
Die Gestaltung der Organisation und die Durchführung der Koordination der Supply Chain stellen zentrale und erfolgskritische Faktoren des Supply Chain Managements dar. Auf dieser Ebene kommt es zu tief greifenden Änderungen für die Organisationsstruktur, da Aufgaben und Abteilungen neu definiert und Ressourcen und Infrastrukturen freigesetzt werden müssen. Auch das Verhalten der Mitarbeiter muss sich anpassen. Eine derartige Transformation muss im Vorfeld analysiert und vorbereitet werden. Aufgrund der neuen Organisationsstruktur verbessert sich die Koordination zwischen den einzelnen Stellen. Für Abteilungsmitglieder wird die Komplexität der internen Organisationsumwelt reduziert und eine Identifikation mit einer überschaubaren Aufgabe zu ermöglichen ermöglicht, was zu einer Erhöhung der Motivation beitragen kann. Eine neue Organisationsstruktur zieht jedoch auch gewisse Dysfunktionen nach sich, denn die Identifikation mit Abteilungsaufgaben und -zielen kann zu Abteilungsegoismen und zu Konflikten zwischen Abteilungen führen, was wiederum den Koordinationsaufwand der Organisation erhöht. In Kombination mit betrieblichen Hierachieebenen (horizontale Aufteilung) kann es zu Inselbildung (personell, informativ etc.) kommen. Für ein effizientes Supply Chain Management und eine Integration auf verschiedenen Wertschöpfungsstufen braucht es jedoch mehr als eine strategische Ausrichtung auf Unternehmensniveau. Diese Veränderung lässt sich nicht durch das Kopieren von Geschäftsmodellen gestalten, sondern muss unternehmensspezifisch analysiert, entwickelt und vollzogen werden. Das Praxisbeispiel von Netstal-Maschinen AG zeigt, welcher Analysemethoden es bedarf, bevor die organisatorische Anpassung und Neuausrich-
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Paul Nart, Marco Zweifel, Randy Drenth
tung im Sinne des Supply Chain Managements durchgeführt werden kann. Durch Kooperation und ein effizientes Controlling kann sichergestellt werden, dass die geplanten Veränderungen auch umgesetzt werden.
2
Fallbeispiel e-jet bei Netstal-Maschinen AG
Das wirtschaftliche Umfeld für eine einen Original Equipment Manufacturer (OEM) wie die Netstal-Maschinen AG, Hersteller von hochwertigen Spritzgiessmaschinen im „high-end“ Bereich, hat sich in den letzten fünf bis zehn Jahren enorm verändert. Der Preisdruck im Wettbewerb, die Notwendigkeit der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit und die Erfordernisse einer schnelleren Reaktionsfähigkeit auf Marktveränderungen zwingen Netstal dazu, nach neuen Möglichkeiten des Kompetenzaufbaus zu suchen. Netstal muss sich auf die wettbewerbsentscheidenden Kernkompetenzen konzentrieren und in diese investieren, um im dynamischen Wettbewerb in Zukunft erfolgreich bestehen zu können. Um all diesen Wettbewerbs- und Marktanforderungen gerecht zu werden, genügen die Lieferantenbeziehungen nach herkömmlichem Muster nicht mehr. Ebenfalls muss sich die Beschaffungsorganisation den neuen Marktgegebenheiten anpassen. Gefragt sind System Sourcing Konzepte, welche eine massive Reduktion der Anzahl Lieferanten bei gleichzeitiger Verringerung der Fertigungstiefe zur Folge haben. Wer mit den besten Lieferanten zusammenarbeitet und mit diesen Wertschöpfungspartnern gute, intensive und partnerschaftliche Beziehungen pflegt, kann sich erhebliche Wettbewerbsvorteile verschaffen. Es gilt, die Stärken der Systemlieferanten zu nutzen und sich damit strategische Erfolgspositionen (SEP) zu erarbeiten. Nachfolgend sind die wichtigsten Erfolgschancen und Kostensenkungspotentiale für Netstal und ihre Spritzgussmaschine "e-jet" aufgeführt, die sich aus der Zusammenarbeit mit den richtigen Systemlieferanten ergeben: x Konzentration auf Kernkompetenzen x Lieferanten als Innovationsquelle in F&E x Aufbau externer Produktionskompetenz x Modulares Design/System x Verkürzung der Durchlaufzeiten / Time to Market x Reduktion von Working Capital (Ware in Arbeit) / Lagerkosten x Risikoverteilung / Risikoverlagerung x Massive Lieferantenreduktion
Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation der Netstal-Maschinen AG
3
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Situationsanalyse
Netstal liefert weltweit Optical Disc Maschinen. Die Hauptabsatzmärkte sind Europa und Asien und repräsentieren 90% des Weltmarktes. Im Produktportfolio der Netstal-Maschinen AG beträgt der Anteil OD Maschinen etwa ein fünftel des Gesamtumsatzes. Der Marktanteil von Netstal am OD Maschinenmarkt ist von 40% im Jahre 2000 auf aktuell unter 20% gesunken. Diese dramatische Entwicklung kommt einerseits durch eine verstärkte Konkurrenz und andererseits durch eine Verlagerung der Bedarfe von hydraulischen auf elektrische Maschinen zustande. Den Markttrend hin zu vollelektrischen Maschinen haben vor allem die japanischen Hersteller Toyo und Sumitomo früh erkannt und mit ihrem Sortiment die Kundenwünsche abgedeckt. Eine umfassende Datenanalyse hat gezeigt, dass die Herstellung der e-jet Maschinen bei Netstal ineffizient und zu teuer ist: x zu lange Beschaffungszeiten x hohe Anzahl Lieferanten x geringe Bestellwerte pro Lieferant x viele Bestellungen, damit hoher operativer Aufwand x Anteil Beistellmaterial an Baugruppenlieferanten x zu viele Fertigungsstufen
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Lösungsansätze
Um das von der Geschäftsleitung gesetzte Kostenziel von 25% geringeren Herstellkosten zu realisieren, wurde ein Projektteam gebildet. Dieses Team hatte Lösungsvorschläge zu erarbeiten., die neben den Aspekten der Beschaffung (Einkauf und Logistik) auch der Forderung nach einer optimalen Produktionsauslastung Rechnung zu tragen hatten. Das Projektteam bestand aus zwei Einkäufern, einem Logistiker, einem Auftragsplaner, mehreren Vertretern aus F&E sowie einem Produktionsspezialisten. Im Zentrum der Diskussion stand die Frage, mit welchen Massnahmen die Differenz zwischen dem im Markt bezahlten Preis und den Herstellkosten optimiert werden kann und wo Handlungsbedarf besteht. Aus dieser Kernfrage wurden die drei Handlungsoptionen Make, Buy oder deren Kombination Make and Buy entwickelt (vgl. Abb. 1). Bei der Entscheidungsfindung war es kaum zu vermeiden, dass zwischen Einkauf und Produktion eine emotionale Diskussion entsteht, die ohne Interessenskonflikte ablaufen wird. Entscheidend war jedoch, dass alle Beteiligten dem Gesamtnutzen dieses Projektes offen gegenüberstanden und
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Paul Nart, Marco Zweifel, Randy Drenth
dass dieses von der Geschäftsleitung getragen wurde. Partikularinteressen dürfen in keiner Art und Weise den Entscheid zugunsten der optimalen Lösung behindern. Mit diversen Analysen wurden die Vor- und Nachteile der drei Varianten aufgezeigt. Variante Buy
Variante Make
Variante Make and Buy
Schliesseinheit Maschinenbett Spritzaggregat
Plastifizierung Spritzaggregat
Formschluss Maschinenbett Spritzaggregat
Montage Luft Wasser
Montage Plastifizierung
Entnahmegerät Werkzeug
Schutzverdeck
Make Netstal
Montage Schliesseinheit Steuerung
Maschinenbett Entnahmegerät Werkzeug
Steuerung
Temp.gerät Montage Luft Wasser
Endmontage Endabnahme
Endmontage Endabnahme
Endmontage Endabnahme
Steuerung
Montage Luft Wasser
Montage Schliesseinheit
Schutzverdeck
Montage Plastifizierung
Entnahmegerät Werkzeug
Schutzverdeck
Buy
Abb. 1. Grafische Gegenüberstellung der drei Varianten
5
Analyse
Die Analyse und Auswertung der Lösungsvorschläge hat ergeben, dass alle drei Varianten umsetzbar sind. Die Entscheidung der Geschäftsleitung wird sehr stark von der strategischen Ausrichtung auf dem Gebiet der ODMaschinen sowie der Gesamtbetrachtung der firmeninternen Fertigungsphilosophie abhängen. 5.1 Variante Buy Die Buy Variante ist die extremste Form der Veränderung für die Herstellung der e-jet. Falls diese Variante bevorzugt wird, reduziert sich die Kompetenz von Netstal auf die Bereiche F&E, Beschaffung, Logistik,
Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation der Netstal-Maschinen AG
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Verkauf und After Sales Service. Diese Variante ist im Bezug auf Gewinnmaximierung die Ideallösung. Werden die Aspekte der Arbeitsplatzerhaltung sowie der Fertigungskompetenz jedoch höher gewertet, ist die Variante nicht zu favorisieren. 5.2 Variante Make Falls der Schwerpunkt der Geschäftsleitung auf hohe Fertigungskompetenz gelegt wird, ist die Variante Make zu favorisieren, diese Variante sichert den höchsten Anteil an Eigenfertigung und damit an Fertigungs- Know how. Die Nachteile dieser Variante liegen vorwiegend in der sehr aufwendigen Logistik (der grösste Teil der Disposition müsste intern erledigt werden) in den Durchlaufzeiten, sowie in den nicht zu vernachlässigenden Investitionen in Infrastruktur und Personal. 5.3 Variante Make and Buy Die Make and Buy Variante hat den Vorteil, sowohl die Fertigungskompetenz im Hause Netstal als auch die Herstellerkompetenz der möglichen Zulieferer in einer idealen Weise zu kombinieren. Der Nachteil dieser Variante besteht jedoch in der hohen Anzahl an Schnittstellen, über die mit grossem administrativem Aufwand Logistikprozesse abgewickelt werden müssen. Aufgrund der erarbeiteten Erkenntnisse wurde eine Entscheidungsmatrix erstellt. (vgl. Abb. 2). Diese Kriterien wurden einzeln und jedes gegen jedes paarweise verglichen und gewertet. Falls die beiden direkt verglichenen Kriterien gleichwertig sind, ergab dies einen Punkt, war ein Kriterium wichtiger als das zu vergleichende zwei Punkte, war es weniger wichtig null Punkte. Die Kriterien Kundennutzen und Kostenreduktion wurden von allen drei Varianten erfüllt. In einem zweiten Schritt wurden die Wertigkeiten (Summen) der einzelnen Entscheidungskriterien in eine Auswahlmatrix übertragen. Die Nutzwertanalyse-Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Varianten Buy sowie Make and Buy mit vernachlässigbar unterschiedlichem Gesamttotal vorne liegen. Die Variante Make schneidet bei dieser Analyse mit Abstand am schlechtesten ab.
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Paul Nart, Marco Zweifel, Randy Drenth Auswahlverfahren für Herstellvarianten "e-jet" 5 = max. Punktzahl, 1 = min. Punktzahl
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Senkung der Herstellkosten Erhöhung der Produktionsflexibilität Erwartete Fertigungsqualität Vereinfachung der Supply Chain Reduktion der Montagezeiten intern Reduktion der Produktionszeit Reduktion der Durchlaufzeiten Nutzung der Lieferanten Entwicklungspotentiale Erhaltung der Fertigungs- und Montagekompetenz NET Sicherung der Arbeitsplätze Standort Näfels Reduktion der Kapitalbindung Investitionen
Vorauswahl Wertigkeit 18 17 16 15 14 14 11 10 8 6 2 1
Make 2 3 4 3 3 3 3 2 5 5 1 1
Buy 4 5 4 5 5 4 5 5 1 1 5 5
Make and Buy 4 4 4 5 4 5 4 5 5 5 3 3
Maximalpunktzahl 90 85 80 75 70 70 55 50 40 30 10 5
Summe
406
559
578
660
Rang
3
2
1
Abb. 2. Auswahlmatrix für Herstellvariante e-jet
6
Entscheid und Umsetzung
Aufgrund der oben aufgeführten Interpretation der Resultate wurde der Geschäftsleitung die Variante „Make and Buy“ vorgeschlagen. Diese Variante Make and Buy bedeutet für die Produktion, dass die Montage von Schliesseinheit, die Plastifizierung und Formschluss, sowie die Endmontage, Endkontrolle, Inbetriebnahme, Abnahme und der Versand im Hause Netstal erfolgen, während die restlichen Baugruppen und Systeme extern beschafft werden. Im Hinblick auf die Zukunftssicherung des Produktionsstandortes Näfels bei einer mittel- bis langfristigen Planung erscheint es vorteilhaft, die Fertigungs- und Montagekompetenz nicht ganz aus den Händen zu geben. Ausserdem kann bei der Variante Make and Buy jederzeit die Ausprägung d.h. die Intensität der Auslagerung erhöht oder reduziert werden. Diese Tatsache kommt dem sehr volatilen Bestelleingang im Bereiche der ODMaschinen entgegen. Diese Vorteile würde Netstal bei einer kompletten Auslagerung der Herstellung nach kurzer Zeit verlieren, da man nicht mehr in der Lage wäre, die Fertigungs- und Montageprozesse zu beherrschen. Die hundertprozentige Abhängigkeit gegenüber den Systemlieferanten könnte sich auf Dauer negativ auf die Entwicklung von Netstal auswirken. Ausserdem vertritt man den Standpunkt, dass Netstal eine sehr lange Tradition als Maschinenbauer hat und ihre Kunden erwarten, dass eine
Neuausrichtung der Beschaffungsorganisation der Netstal-Maschinen AG
93
„Netstal-Maschine“ auch tatsächlich „swiss made“ in Näfels produziert wurde. Die Entscheidung zugunsten der Variante „Make and Buy“ verlangt jedoch zwingend nach Veränderungen in den Bereichen Lieferantenmanagement, Beschaffungslogistik und Organisation. Um mit den Lieferanten eine professionelle Beziehung eingehen zu können, müssen diese periodisch beurteilt werden. Über die Ergebnisse der Beurteilungen sowie die notwendigen Massnahmen werden Aufzeichnungen geführt. Dabei ist bei Lieferanten mit strategisch wichtigen Produkten eine genauere Überwachung angezeigt. Eine Beurteilung des Lieferanten kann durch die Bewertung der bisherigen Lieferungen (Ergebnisse der Wareneingangsprüfung, Anzahl der Reklamationen, Liefertermin, Qualität) und ergänzend durch Lieferantenaudits erfolgen. Auch Fragebogenaktionen zur Selbstauskunft der Lieferanten bezüglich eines vorhandenen Qualitätsmanagement-Systems können angewandt werden. Tabelle 1. Handlungsbedarf Variante Make and Buy
x x x x x x x
Handlungsbedarf Vermeidung nicht auftragsbezogener Fertigung Vermeidung nicht wertschöpfender Tätigkeiten Konzentration auf Kernkompetenzen Sicherung der Lieferketten Qualität sichern und weitere Senkung der Systemkosten von 5% pro Jahr Senken des Working Capital Senken der Gemeinkosten
x
x x x x x x x x
Massnahmen Verkürzte Lieferketten durch Konzentration auf Systemlieferanten. Der interne Lieferant wird wie ein externer betrachtet. JIS Anlieferung Auswahl und Einbindung der Key Supplier Vernetzte Vertragsgestaltung (auch mit den internen Lieferanten) Rationalisierungsvereinbarungen (auch mit internen Lieferanten) Anwendung des Lieferantenmanagementsystems mit Entwicklungszielen JIS Anlieferung der Key-Supplier Streckung der Zahlungsziele Reduktion der internen Durchlaufzeiten Abbau oder Verlagerung von Personal
Die Umstellung auf Systemlieferanten ermöglicht es, in der Variante Make and Buy die Einkaufsartikel von heute mehr als 1'500 Einzelartikeln auf weniger als 350 Einzelartikel zu reduzieren. Das bedeutet, dass 1'150 Artikel nicht mehr disponiert werden müssen, es fallen keine Lager-, Ein-
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Paul Nart, Marco Zweifel, Randy Drenth
gangsprüf- oder Ausfasskosten mehr an. Ausserdem werden in der Montage nur noch die fertig montierten Baugruppen und keine Pufferlager (jeweils am Arbeitsplatz des Monteurs) gehalten. Dieser Reduktion des Working Capital einen fixen Wert zuzuordnen, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht möglich. Durch die „Make and Buy“ Variante entfallen etwa 60% der jährlich 3'500 Bestellungen. Mit der Reduktion der Einzelkomponenten kann eine starke Entlastung des Lagers wie auch der Montage und Fertigung erreicht werden. Dieser Entlastungseffekt ist sicherlich nicht entscheidend, darf jedoch in der Gesamtbetrachtung des Projektes nicht vernachlässigt werden.
7
Lieferantenintegration in die Supply Chain
Zur Sicherstellung der hohen Flexibilitätsanforderungen an die Systemlieferanten ist es erforderlich, dass besonders kritisches Material, wie etwa Plastifizierung, Maschinenbett, Schliesseinheit oder Spritzaggregat und deren diversen Schlüsselteile ständig zur Verfügung stehen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, die Lieferanten in die Prozesse von Netstal zu integrieren. Diese Zusammenarbeit erfordert zunächst, dass gemeinsam mit den Lieferanten ein durchgängiger Planungs- und Steuerungsprozess entwickelt wird. Nachdem die Lieferanten in die Informationskette einbezogen wurden, liegt ein Schwerpunkt darin, einen Grossteil der Lagerung und Bestandeskontrolle auf den künftigen Lieferanten zu übertragen (Supplier Managed Inventory „SMI“ oder auch Vendor Managed Inventory „VMI“). Als Ziel ist vorgesehen, mit den Systemlieferanten ein definiertes Materiallager zu vereinbaren, welches nach Entnahme (Abruf) innerhalb einer bestimmten Frist aufzufüllen ist und im geplanten Endzustand vom Lieferanten selbst überwacht und gesteuert wird. Die Anlieferung an den Verbrauchsstandort muss innerhalb von zwei Arbeitstagen möglich sein. Die Lagermenge bei Netstal entspricht maximal einer Wochenproduktion. Die Lieferanten werden mit frühzeitigen Prognosen über die benötigte Kapazität und den aktuellen Verbrauch (Ableitung aus der Budget/Grobplanung) versorgt sowie über die auftretenden Verkaufsschwankungen informiert. Dadurch können sie ihre Fertigungskapazitäten besser auf den Bedarf abstimmen. Um den Informationsfluss zu optimieren, wird ein rollierendes Planverfahren (Quartalsprognose) eingesetzt, welches mit Annäherung an den Verbrauchszeitpunkt ständig verfeinert wird. Zur Sicher-
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stellung der von Netstal erwarteten Leistungen werden Grundsatzvereinbarungen mit den jeweiligen Baugruppen- und Systemlieferanten vereinbart.
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Fazit
Das Lieferantenmanagement muss unter Einhaltung aller definierten Prozesse und Abläufe zum grösstmöglichen Kundennutzen umgesetzt werden. Die Beziehung/Kommunikation zwischen den Systemlieferanten und Netstal muss auf gegenseitigem Vertrauen basieren. Die Fach- und Sozialkompetenz im Einkauf bildet in Zukunft die Basis zur Umsetzung eines modernen Lieferantenmanagements. Es sind fachkundige, crossfunktionale Teams unter der Leitung des Einkaufs einzusetzen Ein proaktives Management der Lieferantenbeziehungen über alle Unternehmensbereiche hinweg muss zum Ziel führen, Produkte zusammen mit den Lieferanten besser, schneller und zu niedrigeren Gesamtkosten zu entwickeln, einzukaufen und zu produzieren Der Aufbau und die enge Zusammenarbeit mit wenigen Systemlieferanten ergibt eine signifikante Kostenreduktion. Mit dem Entscheid Make and Buy wird im Wesentlichen das vorhandene Lieferanten Know how genutzt, das Working Capital und die Teilevielfalt bei Netstal nachhaltig reduziert und trotzdem bleiben die Arbeitsplätze am Standort Näfels gesichert. Die Auswirkungen auf die Beschaffungslogistik sind erheblich. Die operativen Tätigkeiten werden abnehmen, die Anforderungen an den strategischen Einkauf jedoch stark zunehmen. Diese neue Beschaffungsstrategie muss von allen beteiligten Mitarbeitern und von der Geschäftsleitung mitgetragen und gelebt werden. Mit diesem Vorgehen wird ein entscheidender Beitrag zum Erfolg der e-jet geleistet und damit gleichzeitig die Zukunft des gesamten Unternehmens Netstal-Maschinen AG nachhaltig gesichert.
Markt- und kundenorientierte Supply Chain Management-Kompetenzen Roman Boutellier1, Stephan M. Wagner2 1 2
Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ) WHU Koblenz
“Medicine is for the patient, not for profits. The profits follow.” George Merck, 1930
1
Marktorientierung und Performance der Unternehmung
In seinem Kern geht die Marketing-Konzeption davon aus, dass Unternehmen durch (1) Kundenorientierung und (2) koordiniertes Marketing eine (3) hohe Rentabilität erzielen können (McNamara, 1972). Die Ausrichtung einer Unternehmung am Kunden beginnt mit einer Idee über die aktuellen und zukünftigen Bedürfnisse und Präferenzen von Kundengruppen. Im Gegensatz zur Kundenorientierung steht die Ausrichtung von Unternehmen an Produkten (Produktorientierung) oder das Streben, den Kunden die aktuellen Produkte zu verkaufen (Verkaufsorientierung). Die Marketing-Konzeption verlangt aber auch, dass sich im Unternehmen nicht nur die Marketing-Funktion, sondern sämtliche betrieblichen Funktionen am Kunden ausrichten müssen. McNamara (1972, S. 51) bezeichnet deshalb die Marketing-Konzeption als „based upon a company-wide acceptance of the need for customer orientation“. Während die Marketing-Konzeption mehr eine Philosophie darstellt, versteht man unter Marktorientierung die Umsetzung der MarketingKonzeption in der betrieblichen Praxis (Kohli und Jaworski, 1990). Marktorientierte Unternehmen richten ihre Organisation auf die Generierung von Kundenwert („value for the customer“) aus. Dies umfasst unter anderem: x Die systematische Erhebung und Analyse von Informationen über Märkte (einschliesslich der Wettbewerbersituation und Kunden), z.B. durch den Aufbau von Market Intelligence und Kundenzufriedenheitsanalysen.
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Roman Boutellier, Stephan M. Wagner
x Die Verbreitung dieser Markt- und Kundeninformationen im gesamten Unternehmen. x Die Koordination der Aktivitäten unterschiedlicher Funktionen im Unternehmen (z.B. Marketing, Forschung & Entwicklung, Beschaffung, Logistik, Vertrieb) mit dem Ziel, Wert für den Kunden zu generieren und die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. Die Erfolgswirksamkeit der Marktorientierung wurde seit den 90er Jahren vielfach untersucht. Beispielsweise konnten positive Zusammenhänge zwischen der Marktorientierung von Unternehmen und deren Umsatzvolumen, Marktanteil, ROI oder ROA festgestellt werden (Slater u. Narver 1993; Deshpandé u. Farley 1998). Zusammengefasst, Marktorientierung und die Ausrichtung der Unternehmung am Kunden wirkt sich positiv auf die Performance des Unternehmens aus. Peter F. Drucker geht sogar so weit, dass er die Generierung eines Kundennutzens als den wichtigsten Unternehmenszweck bezeichnet.
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Supply Chain Management und Marktorientierung
Betrachtet man die Zielsetzungen des Supply Chain Managements (SCM), so wird deutlich, dass es eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Marktorientierung einnehmen kann. Zum ersten möchte das SCM die von den Bedürfnissen der Kunden ausgehenden Waren-, Informations- und Geldflüsse entlang der gesamten Wertschöpfungskette prozessorientiert gestalten, lenken und entwickeln. Damit will man die Leistungserbringung auf den Kunden ausrichten. Dies umfasst beispielsweise eine hohe Warenverfügbarkeit, kurze Lieferzeiten, eine hohe Lieferzuverlässigkeit, oder kurze Anlaufzeiten bei Neuprodukten. Zum zweiten integriert das SCM sämtliche logistischen und einkäuferischen Funktionen im Unternehmen und stellt sicher, dass Kundenaufträge effizient abgewickelt werden. Diese cross-funktionale bzw. prozessorientierte Ausrichtung des SCM hat einen positiven Einfluss auf die Koordination und Ausrichtung aller Unternehmensfunktionen auf den Kunden. Drittens, da richtig verstandenes SCM nicht auf die eigene Unternehmung beschränkt ist, sondern auch die Schnittstellen zwischen den einzelnen „Gliedern“ in der Wertschöpfungskette integriert, kann das SCM die Ausrichtung auf den Endkunden dort sicherstellen, wo auch der Grossteil der Innovation und Wertschöpfung erbracht wird, nämlich im Zuliefernetzwerk. Da in einigen Branchen bis zu 70 oder gar 80 Prozent der Wertschöpfung für das Endprodukt bei den Lieferanten erbracht wird und Unternehmen zunehmend auf das Innovations-
Markt- und kundenorientierte Supply Chain Management-Kompetenzen
101
potenzial der Lieferanten zurückgreifen, ist verständlich, wie wichtig die Ausrichtung des Zuliefernetzwerkes auf die Bedürfnisse des Endkunden ist. Die Ausrichtung marktorientierter Unternehmen auf den Kunden kommt auch in einigen Definitionen des SCM zum Ausdruck (vgl. Tabelle 1). Es wird darauf hingewiesen, dass alle in einer Supply Chain zusammenarbeitenden Unternehmen auf die Schaffung von Wert bzw. Nutzen für den Endkunden bedacht sein sollten. Dies umfasst nicht nur eine kundenorientierte Produktpalette, sondern weitergehende Aktivitäten und Prozesse, welche hervorragende und von den Kunden geschätzte Serviceleistungen ermöglichen. Tabelle 1. Kundennutzen durch SCM (Hervorhebungen der Verfasser) Christopher (1992)
Bhattacharya et al. (1996)
Min und Mentzer (1998) Lambert, Cooper und Pagh (1998)
„Network of organisations that are involved, through upstream and downstream linkages, in the different processes and activities that produce value in the form of products and services in the hands of the ultimate customer.“ „Supply chain management, ... , is seen as a key to delivering higher customer satisfaction with reduced lead times and costs.“ „A customer focus to create unique and individualized sources of customer value.“ „Supply chain management is the integration of key business processes from end user through original suppliers that provides products, services, and information that add value for the customers and other stakeholders.“
Wenngleich die Zielsetzungen und Definitionen des SCM die grosse Bedeutung des Supply Chain Managements und des Managements des Zuliefernetzwerks für die Umsetzung der Markt- und Kundenorientierung untermauern, mangelt es an Gestaltungsempfehlungen für die Unternehmenspraxis. Deshalb gehen wir der Frage nach, welche Kompetenzen für ein markt- und kundenorientiertes SCM vorhanden sein bzw. aufgebaut werden sollten. Dabei wird auf markt- und kundenorientierte SCMKompetenzen bei den Strategien, Prozessen und Strukturen und Mitarbeitern eingegangen (vgl. Abbildung 1).
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Roman Boutellier, Stephan M. Wagner
Marktorientierung Markt- und KundenKnow-how Kompetenzen SCM-Strategien SCM-Prozesse und -Strukturen
Markt- und kundenorientiertes SCM
Koordination und Ausrichtung aller Funktionen auf den Kunden
Performance des Unternehmens
SCMMitarbeiter
Abb. 1. Markt- und kundenorientiertes Supply Chain Management
3
Markt- und kundenorientierte SCM-Kompetenzen
SCM-Kompetenzen kann man nicht kurzfristig erwerben, sie brauchen eine kulturelle Verankerung und deshalb eine Strategie. Aus der Strategie folgen dann grossenteils auch die Prozesse und Strukturen. Umsetzen kann man beides nur mit motivierten Mitarbeitern, d.h. Mitarbeitern, die wissen, um was es geht. 3.1 SCM-Strategien Die Marktsegmente des Unternehmens stimmen höchst selten mit den Segmenten der Vertriebslogistik überein und die Vertriebslogistik hat oft andere Segmente als die Beschaffung. Zwei logistische Segmente trifft man fast in allen Firmen: Den Markt der Pünktlichkeit und den Markt der Geschwindigkeit (vgl. Abbildung 2). Hewlett Packard (HP) hat diese Zweiteilung vor einigen Jahren im europäischen Logistikzentrum in Böblingen recht konsequent vollzogen: Eine Bank bestellt 200 PCs auf den ersten Oktober nächsten Jahres, da sie dann in ein neues Gebäude umzieht und gleichzeitig alle PCs austauschen will. HP muss nicht sofort liefern, sondern hat Zeit. Der Kunde erwartet aber, dass die Ware zum festgelegten Zeitpunkt auch vor Ort ist. Zwei Tage vor dem Zügeltermin stellt dann die Bank fest, dass sie nicht 200 Arbeitsplätze mit PCs ausrüsten will, sondern 205 und möchte die 5 zusätzlichen PCs sofort haben. Ähnliche Situationen treten im Maschinenbau auf, wo das Maschinengeschäft häufig mit einem Umbau der Fabrik beim Kunden verbunden ist, die Ersatzteile aber dann sofort geliefert werden müssen. Packt man die beiden verschiedenen Liefergeschwindigkeiten in die gleiche Organisationseinheit, so entsteht ein
Markt- und kundenorientierte Supply Chain Management-Kompetenzen
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Wirrwarr, es gibt Sieger und Verlierer: Im Maschinenbau siegt das Primärgeschäft, weil hinter jedem Fehlteil ein Grossauftrag steht. Das Servicegeschäft mit seinen vielen kleinen Lieferungen hat das Nachsehen. Im PC-Geschäft gewinnt das Feuerwehrgeschäft, da es unmittelbar mit einem reklamierenden Kunden zusammenhängt. ABB Turbolader, aber auch viele andere Firmen, haben deshalb die beiden Wertschöpfungsketten komplett gebaut und in verschiedene Business Units eingebracht. Mit grossem Erfolg. Kunden sind sogar bereit, für schnelle Lieferungen etwas mehr zu bezahlen. Markt der Pünktlichkeit
Marktsegment
Markt der Geschwindigkeit
Abb. 2. Viele Marktsegmente haben 2 logistische Segmente
Lieferfähigkeit hat in der Tat in vielen Bereichen strategische Bedeutung erreicht. Wenn Güter fast beliebig austauschbar sind, kauft der Kunde, was gerade erhältlich ist. Auf der anderen Seite sind hohe Bestände aber immer gefährdete Aktiven in der Bilanz. Kurze Durchlaufzeiten sind gefragt. Sie lassen sich aber in der heutigen Zeit der Spezialisierung und Fragmentierung der Wertschöpfungsketten nur mehr schwer realisieren. Eine CocaCola Dose braucht über 300 Tage vom Bauxitabbau in Australien bis sie dem Kunden im Supermarkt in Europa zur Verfügung steht. Deshalb sollte man SCM-Spezialisten in die Strategieerarbeitung einbeziehen (Boutellier und Wagner, 2003). Zu viele Strategien sind in den letzten Jahren an der Umsetzung gescheitert, nicht zuletzt, weil man SCM zu wenig berücksichtigt hat. 3.2 SCM-Prozesse und -Strukturen Jedes Unternehmen hat drei Hauptprozesse, sie lassen sich durch ihre Wirkung auf den Cashflow des Unternehmens unterscheiden. x Strategieprozess: Die Wahl, wo, in welchen Branchen und Märkten man zukünftig seinen Cashflow verdienen will.
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Roman Boutellier, Stephan M. Wagner
x Innovationsprozess: Die Wahl, mit welchen Produkten der zukünftige Cash erarbeitet werden soll. x Order-Make-Delivery-Prozess: Die Gestaltung der Supply Chain, wie der aktuelle Cashflow verdient wird. Alle drei Prozesse müssen zusammenpassen, damit das Unternehmen Erfolg haben kann. Dabei spielen Segmentierung und Strukturierung eine herausragende Rolle. In der Strategie versucht das Unternehmen, eine brauchbare Marktsegmentierung vorzunehmen: Das Leistungsportfolio wird festgelegt und damit werden auch die strategischen Geschäftseinheiten definiert. Bereits hier muss das Unternehmen entscheiden, ob es den Markt mit einer oder mehreren Wertschöpfungsketten bedienen will, welche Funktionen zentral und welche Funktionen dezentral in den Geschäftseinheiten wahrgenommen werden. Ein Einzelhändler wird wahrscheinlich versuchen, alle Geschäfte über die 3 Logistikketten Frischware, Gefrierprodukte und Standardprodukte abzuwickeln. In der Produktentwicklung steht das Problemlösen im Vordergrund. Was beeinflusst was? Wo muss ich worauf Rücksicht nehmen? Das Unternehmen wird versuchen, Arbeitspakete so zu schnüren, dass sie unabhängig voneinander, wenn möglich sogar parallel bearbeitet werden können. Die SCM-Kompetenz wird hier vor allem gebraucht, um Lieferantenfähigkeiten zum Tragen zu bringen und um die spätere Lieferung inklusive Service sicherzustellen. Der wichtigste Entscheid ist hier die Zuordnung des Produktes zu einer bestehenden Supply Chain oder die Schaffung einer neuen Supply Chain. Im Order-Make-Delivery-Prozess schliesslich, im Tagesgeschäft, kann man kaum grössere Business Process Reengineerings vornehmen, diese gehören in den Entwicklungsprozess. Aber man kann den Prozess laufend in kleinen Schritten verbessern: Kontinuierliche Verbesserungs-Prozesse (KVP) haben in vielen Unternehmen gerade in der Logistik mehr gebracht als grosse schlagartige Umstellungen. Der einzelne Mitarbeiter ist voll einbezogen, er lernt die Auswirkungen seiner Arbeit auf die ganze Kette kennen und er lernt auch, was der Kunde will. 3.3 SCM-Mitarbeiter Viele SCM-Mitarbeiter sind Knowledge-Workers. Diese lassen sich kaum effizient überwachen (Drucker, 1995). Sie arbeiten aber weit weg vom Kunden und pflegen am liebsten ihre Spezialität. Deshalb müssen Vision
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und vielleicht noch extremer das Mission-Statement sehr klar und einfach kommunizierbar sein. Die Organisation muss eine klare Ausrichtung haben, sonst werden SCM-Mitarbeiter verunsichert? Und jeder definiert seine zu erreichenden Resultate nach seiner Spezialität, nach seiner eigenen, limitierten Optik. Es lohnt sich deshalb immer wieder, Workshops mit der ganzen Wertschöpfungskette durchzuführen, inklusive ausgewählter Kunden, damit die Spezialisten von Zeit zu Zeit wieder den Blick für das Ganze bekommen und auch verstehen, was der Kunde eigentlich will. Dies entspricht ganz dem Total Quality Management Denken, das ja nichts anderes versucht, als den Kundenwunsch durch die ganze Organisation zu tragen. Gelingt es, einige Mitarbeiter aus dem Vertrieb für das SCM zu begeistern, so richten die SCM-Mitarbeiter selber ihre Arbeit stärker auf den Kunden aus. Direkte Kundenkontakte haben immer noch die grösste Überzeugungskraft! Ein Beispiel dafür ist die Brauerei Calanda. Das Unternehmen beschäftigt einige Dutzend Chauffeure. Diese helfen mit ihren Lastwagen sowohl in der Beschaffung, im innerbetrieblichen Transport und auch in der Distribution. Vor einigen Jahren stellte Calanda fest, dass die Chauffeure die intensivsten Beziehungen zu den Kunden haben. Auf ihren Runden sehen sie ihre Abnehmer – die Hoteliers und Restaurantbesitzer – fast wöchentlich und kommen mit ihnen dadurch regelmässig ins Gespräch. Calanda hat mit grossem Erfolg die Chauffeure mit einem internen Training für diese Aufgabe geschult und erhält seither wichtige Nachrichten über Kunden früher und präziser.
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Kundenwert durch SCM und Performance des Unternehmens
Wie kann man beurteilen, ob durch die Umsetzung markt- und kundenorientierter SCM-Kompetenzen Kundenwert bzw. Kundennutzen entstanden ist? Zieht man eine einfache Definition von „Kundenwert“ heran (vgl. Abbildung 3), so wird deutlich, dass sich zum ersten ein besserer Kundenservice und zum zweiten geringere Total-Cost-of-Ownership positiv auf den Kundenwert auswirken. Anhand der Kundeninformation über den Auftragsstatus lässt sich verdeutlichen, wie erfolgreiche Unternehmen SCM-Kompetenzen aufbauen. Viele Unternehmen verstärken ihre SCM-Kompetenzen dahingehend, dass sie ihren Kunden stets aktuelle Informationen über den Status von Bestellun-
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gen und Lieferungen geben können. Kunden schätzen bei Amazon und anderen Online-Buchhändlern, wenn sie per Email informiert werden, dass ihre Bestellung verarbeitet oder ihr Buch im Zentrallager versandt wurde. So können Sie ziemlich genau einschätzen, wann die Lieferung eintrifft. Zur besseren Auftragsverfolgung setzt der Druckerhersteller Océ zunehmend auf die Technologie der Radio-Frequenz-Identifikation (RFID). Mit Unterstützung von Partnern in der Supply Chain (Logistikdienstleister Kühne + Nagel und IT-Dienstleister Siemens Business Services) werden von München aus mit Funketiketten versehene Drucker über mehrere Kontrollpunkte in Deutschland und den USA in das Océ-Distributionszentrum nach New Jersey transportiert. Die Daten werden in ein Track-and-TraceSystem übertragen, welches eine lückenlose online Verpackungsverfolgung ermöglicht. Selbstverständlich muss die RFID-Technologie mit den Strategien und Prozessen im SCM abgestimmt sein. Die Umsetzung erfolgt letztendlich wieder durch kompetente Mitarbeiter bei Océ, Kühne + Nagel und Siemens Business Services.
Wahrgenommener Kundenservice Kundenwert
• Lieferpünktlichkeit • Lieferzeit-/geschwindigkeit • Information über Auftragsstatus • ...
= Total-Cost-of-Ownership • Bestände • Bestellkosten • Entsorgungskosten • ...
Abb. 3. Kundenwert (in Anlehnung an Christopher und Peck, 2003, S. 43 ff.)
Zusätzlich zu diesen konzeptionellen Überlegungen haben Wissenschaftler in jüngster Zeit damit begonnen, die Zusammenhänge zwischen Marktorientierung und ausgewählten Aspekten des SCM auch empirisch zu untersuchen. Siguaw, Simpson und Baker (1998) fanden beispielsweise, dass sich eine intensivere Marktorientierung des Lieferanten positiv auf die Marktorientierung und die Performance des Abnehmers auswirkt. Martin und Grbac (2003) stellten einen Zusammenhang zwischen den Lieferantenbeziehungen von Unternehmen und deren Marktorientierung her. Unternehmen mit intensiven Lieferantenbeziehungen sind marktorientierter und reagieren schneller und flexibler auf Kundenwünsche und auf Veränderungen bei Wettbewerbern. Damit bestätigt sich einmal mehr die Tatsache, dass ein Unternehmen nicht erfolgreich zwei verschiedene Kulturen haben kann: Intensive Ausrichtung auf den Partner auf der Kundenseite funktioniert offenbar nur, wenn auch auf der Lieferantenseite die gleiche
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Kultur gelebt wird. Lieferantenmanagement wird zum systematischen Gegenstück des Kundenmanagements. Das Streben nach verbesserter Kundenzufriedenheit („improve customer satisfaction“) wurde von den Unternehmen als wichtigster Grund bei der Frage angegeben, warum sie Supply Chain-Strategien umsetzen. Erst an zweiter und dritter Stelle stand das Streben nach verbesserter Produktivität und der verstärkte Konkurrenz- und Wettbewerbsdruck (Fawcett u. Magnan 2001). In einer Studie mit europäischen und amerikanischen Unternehmen untersucht Wisner (2003) den Zusammenhang zwischen Supplier Relationship Management (SRM), Customer Relationship Management (CRM), SCM und der Performance des Unternehmens. Er fand einen Zusammenhang zwischen SRM und CRM, zwischen SRM und SCM, zwischen CRM und SCM, sowie zwischen SCM und der Performance des Unternehmens. Daraus lassen sich einige Empfehlungen für die Unternehmenspraxis ableiten: Erstens sollten Unternehmen ihre SRM und CRM-Aktivitäten nicht unabhängig voneinander durchführen, sondern sorgfältig aufeinander abstimmen. Zweitens empfiehlt sich vor dem Aufbau von SCM-Kompetenzen eine Verbesserung der SRM und CRMProzesse. Drittens, SRM- und CRM-Aktiväten wirken sich indirekt und SCM-Aktivitäten wirken sich direkt auf die Performance des Unternehmens aus.
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Fazit
Zieht man die enormen Kosten in Betracht, welche für die Gewinnung neuer Kunden anfallen, sollten Unternehmen alles daran setzen, eine hohe Kundenbindung zu erzeugen. Und markt- und kundenorientiertes SCM erweist sich immer mehr als Erfolgsfaktor für eine langfristige Kundenbindung (Christopher und Peck, 2003, S. 22 ff.). Deshalb zahlen sich Investitionen in entsprechende SCM-Kompetenzen – d.h. Strategien, Prozesse und Strukturen und Mitarbeiter – für die meisten Unternehmen auch aus.
Literatur Bhattacharya A K, Coleman J L, Brace G, Kelly P J (1996) The structure conundrum in supply chain management. International Journal of Logistics Management Jg. 7 Nr. 1: 39–48
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Roman Boutellier, Stephan M. Wagner
Boutellier R, Wagner S M (2003) Involving buyers in purchasing balanced scorecard activities – Issues, contributions and concerns. In: International Federation of Purchasing and Materials Management (IFPMM) (Hrsg) Business Briefing: Global Purchasing & Supply Chain Strategies, London, S 24–28 Christopher M, Peck H (2003) Marketing logistics 2. Aufl. Elsevier ButterworthHeinemann, Amsterdam Deshpandé R, Farley J U (1998) Measuring market orientation: Generalization and synthesis. Journal of Market Fokused Management 2. Jg. Nr. 3: 213–232 Drucker P F (1995) Managing in a time of great change. Butterworth, Oxford Fawcett S E, Magnan G M (2001) Achieving world-class supply chain alignment: Benefits, barriers, and bridges. Tempe Center for Advanced Purchasing Studies (CAPS) Kohli A K, Jaworski B J (1990) Market orientation: The construct, research propositions, and managerial implications. Journal of Marketing 54. Jg Nr 2:1–18 Lambert D M, Cooper M C, Pagh J D (1998) Supply chain management: Implementation issues and research opportunities. International Journal of Logistics Management 9. Jg Nr 2: 1–19 Martin J H, Grbac B (2003) Using supply chain management to leverage a firm’s market orientation. Industrial Marketing Management 32. Jg Nr 1: 25–38 McNamara C P (1972) The present status of the marketing concept. Journal of Marketing 36. Jg Nr 1: 50–57 Min S, Mentzer J T (1998) Defining supply chain management within marketing strategy. Working Paper, Knoxville TN: University of Tennessee, Department of Marketing, Logistics and Transportation Siguaw J A, Simpson P M, Baker T L (1998) Effects of supplier market orientation on distributor market orientation and the channel relationship: The distributor perspective. Journal of Marketing 62. Jg Nr 3: 99–111 Slater S F, Narver J C (1993) Product-market strategy and performance: An analysis of the Miles and Snow strategy types. European Journal of Marketing 27. Jg Nr 10: 33–51 Wisner J D (2003): A structural equation model of supply chain management strategies and firm performance. Journal of Business Logistics 24. Jg Nr. 1: 1–25
Kundenkompetenz als Schlüsselfaktor des SCM bei Swisscom Mobile Adrian Jungo1, Randy Drenth2 1 2
Swisscom Mobile Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen
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Kundenorientierung: Vom Push- zum Pullprinzip
Der Kundennutzen steht im Handel immer im Vordergrund, da alle Aktivitäten von den Ereignissen am Markt bzw. der Kundennachfrage getrieben werden und nicht von den Kapazitäten der Lieferanten (Vollmann u. Cordon 1999). Im Hinblick auf veränderte Konsumpräferenzen der Konsumenten stellt sich die Frage, ob die Supply Chain Aktivitäten des Handels den Kundenbedürfnissen immer noch adäquat entsprechen. Langfristig werden die Möglichkeiten, sich als Handelsunternehmen über Verfügbarkeit und Schnelligkeit zu profilieren, erschöpft sein. Neue kundenorientierte Ansätze werden für eine hohe Kundenzufriedenheit und bei der Kundenbindung im Handel notwendig. Die unternehmensübergreifenden Prozesse im Supply Chain Management sollen auf die Endziele der gesamten Wertschöpfungskette ausgerichtet sein und nicht nur auf die Endziele der einzelnen Unternehmen, die in der Kette beteiligt sind. Vor der SCM-Zeit versuchten viele Firmen, ihre Kosten zu senken durch hohe Stückzahlen. Ein hoher Absatz war Voraussetzung, um Skalenvorteile zu erzielen und die erzeugten Gewinne wurden wieder benutzt, um die Kapazitäten zu erweitern. Mehr oder weniger "nebenbei" versuchten die Unternehmen einzeln an die Konsumenten zu gelangen, wobei die Bemühungen oft beim ersten nachgelagerten Wertschöpfungspartner endeten. Fertige Produkte wurden so durch die Kette „gepusht“ und es entstanden grosse Lager. Da diese Lager kapitalintensiv sind, wurde versucht, das Kapitalrisiko zu verteilen und den nachgelagerten Partner damit zu belasten. Diese Strategien erwiesen sich nicht nur als kontraproduktiv für den Handel, sondern waren auch nicht auf die reellen Bedürfnisse der Konsumenten ausgerichtet. Verstärkt durch die zuneh-
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mende Informationstransparenz bei Konsumenten – in den letzten Jahren vorangetrieben durch das Internet und moderne IKT – entwickelte sich der traditionelle Angebotsmarkt zu einem aggressiven Nachfragemarkt. Der Handel muss sich folglich noch mehr bemühen, die starke Heterogenität der Kundenwünsche zu berücksichtigen. Im Handel wurde in den letzten Jahren klar, dass die Markenloyalität sinkt und Kunden schneller zu Konkurrenten oder Substituten wechseln als vorher. Es zeigt sich allmählich, dass Verfügbarkeit und Schnelligkeit nicht die einzigen entscheidenden Grössen für Hersteller und Handel darstellen. Weil man folglich öfters produzieren muss und keinen grossen Vorrat aufbauen kann, steigt das Risiko und der Aufwand für den Hersteller. Der Handel muss die Produkte und Leistungen anbieten, womit er sich profilieren und gezielt Kunden ansprechen kann. Eine auf Kundenzufriedenheit ausgelegte Strategie ist unerlässlich, um die starke Heterogenität der Kundenwünsche berücksichtigen zu können. Nur so können Kundenbedürfnisse befriedigt und kann nachhaltiger Wachstum sichergestellt werden. Ausser Abverkaufsdaten und Wettbewerberumsätze in gleichen Kategorien, könnten Reklamationen, Fehlerquoten, Out-of-Stock-Raten und eine Top-of-Mind-Analyse1 wertvolle Einsichten über Kunden vermitteln. Die Beschaffung muss dabei bemüht sein, auf Veränderungen im Absatzmarkt zu reagieren und Leistungen der Lieferanten ständig zu überwachen. Hierzu ist ein Controlling erforderlich, das durch kundenorientierte Kennzahlen gekennzeichnet ist.
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Kundenorientiertes Supply Chain Management
Durch die steigende Bedeutung des Denkens in unternehmensübergreifenden Prozessen, wird der Produkt- oder Category Manager im Handel immer mehr ein Prozessmanager. Er ist zudem verantwortlich für das Angebot der Endprodukte, mit welchem der Handel sich gegenüber Wettbewerbern profiliert. Er muss die Bedürfnisse der Konsumenten sowie die Trends im Absatzmarkt kennen. Dabei muss er beim Managen der Lieferantenbeziehung auch verkäuferische Fähigkeiten aneignen und imstande sein, die ganze vorgelagerte Wertschöpfungskette zu bewerten und zu überwachen sowie wichtige Wertschöpfungspartner unter anderem in bestehende und neue Informationssysteme zu integrieren.
1 Eine Methode in der Konsumentenforschung, wobei man Passanten nach den für sie 3 bis 5 bekanntesten Marken fragt. Die Marke mit den meisten Nennungen ist „Top-of-Mind“.
Kundenkompetenz als Schlüsselfaktor des SCM bei Swisscom Mobile
Marktorientierte Supply Chain Strategien
Rahmenbedingungen
Zentralisierung Handelsmarken Standardisierung Qualität Eigenmarken Produktinnovationen Dienstleistung Markenartikel Prozessinnovationen
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Geschäftsmodelle des Handels am POS Global Discounter (Kostenführer) Content Retailer (Produktführer)
Marktinformationen Lieferant/ Hersteller
EK
Handel
POS
Kunde
Wertschöpfung
Channel Retailer (Kundenpartner) Internet/ E-Commerce Markttransaktionen
E-Procurement E-Marktplätze
Kundenorientiertes Supply Chain Management
Abb. 1. Kundenorientierung in der Retail Value Chain. Quelle: in Anlehnung an Rudolph 2000, S. 28
Obwohl Kostensenkung und Effizienz in der Beschaffung immer mehr ein Thema bleiben, erfordern vor allem die Strategien „Content Retailer“ und „Channel Retailer“ andere kundenorientierte Schwerpunkte [im SCM], vor allem in Bezug auf Produkt- und Prozessinnovation. (Treacy u. Wiersema 1995, S. 40f.; Rudolph 2000, S. 28). Auch in diesem Rahmen wird ECR ein leitendes Konzept bleiben, in dem es Handelsunternehmen veranlasst, auch auf komplexere Bedürfnisse der Konsumenten effizient zu reagieren. Das SCM soll auf das Demand Chain Management also auf die Geschäftsmodelle des Handels gerichtet sein in seine Ausrichtung auf den Kunden. Die Gestaltung eines kundenorientierten SCM im Handel, abgestimmt auf die Handelspositionierung, stellt eine grosse Herausforderung dar (Rudolph 1997). Es sollen Strategien entwickelt werden, um das SCM den Gegebenheiten auf Absatzseite und im Markt anzupassen. Obwohl Kostenoptimierung und die Senkung der Durchlaufzeiten immer ein Thema in der Handelslogistik bleiben werden, wird ein Produktführer oder ein Dienstleister in seiner Nutzenstrategie andere Schwerpunkte setzen. Diese kundenorientierten Zielsetzungen sollten in die Unternehmensstrategie mit einfliessen. Nach der Identifikation der Kernkompetenzen, sollte eine Strategie und Leitbild für die gesamte Wertschöpfungskette definiert werden. Daraufhin sollten gezielte Massnahmen unternommen werden, die Wertschöpfungskette an die kundenorientierten Massstäben auszurichten.
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Fallbeispiel Swisscom Mobile
Der Handsetmarkt der Schweiz wird auf Absatzseite von den zwei grossen Retail-Ketten Mobilezone sowie Swisscom beherrscht. Der Markt wird heute bereits anteilig und in Zukunft mehrheitlich durch Treueangebote für bestehende Kunden sowie durch Wiederbeschaffungskäufe bestimmt. Die Endgerätevielfalt wird in den nächsten Jahren stark zunehmen. Auf dem Beschaffungsmarkt tritt die Swisscom mit 50% als grösster HandsetEinkäufer auf. Von den eingekauften Mengen gelangt der grösste Teil in den Eigenvertrieb (Shops, Direktverkäufe, Geschäftskunden, E-Shops). Die steigenden Bedürfnisse der Kunden wie auch die ständige technische Entwicklung der Endgeräte, welche die ursprüngliche Funktion eines mobilen Telefons längstens überschritten haben, stellen immer wieder neue Anforderungen und Probleme an die Logistik. Als Telecomunternehmung hat die Swisscom Mobile wenig Erfahrung in der Logistik von Handelsgütern. Die ganze Branche ist noch relativ jung, grossen Änderungen unterworfen, bewegt sich in einem gesättigten, aggressiv umworbenen Markt und hat mit sehr kurzen Lebenszyklen der Produkte zu kämpfen. Dazu kommen noch die Komplexität und die Problematik der Multikanalstrategie. Swisscom Mobile-Produkte werden nicht nur über die eigenen Kanäle vertrieben (Swisscom-Shops, Globus-Shops, E-Shop, Directsales), sondern auch über Drittkanäle (z.B. Mobilezone, Post, Migros). Das Gerät ist das Lockmittel, um den Kunden zu gewinnen und das wichtigste Instrument zur Kundenbindung. Das Endgerät ist ein sehr emotionales Produkt, das immer mehr von der reinen Funktionalität in Life Style übergeht. Dieser Übergang wird durch geeignete Werbung stimuliert und durch Verkaufspromotionen gefördert. Die damit verbundene Verfügbarkeit des Endgerätes am point of sale entscheidet über einen positiven Vertragsabschluss. Das Supply Chain-Management wird zum strategischen Erfolgsfaktor. Zentrale Aufgabe ist, durch das Optimieren der Verfügbarkeit von mobilen Endgeräten an den Verkaufspunkten von Swisscom Mobile eine hohe Kundenorientierung anzustreben. Folgende Ziele stehen damit eng in Zusammenhang: x optimale Verfügbarkeit der Produkte und damit besserer Kundenservice x Erhöhung der Reaktionsfähigkeit auf ungeplante Nachfrageschwankungen x Reduktion der Bestände und geringere Kapitalbindung x Vereinfachung der Bestellabläufe x überlappungsfreie Warenvereinnahmungs- und Vertriebsprozesse in den Verkaufspunkten
Kundenkompetenz als Schlüsselfaktor des SCM bei Swisscom Mobile
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3.1 Lieferverfügbarkeit als Bindungsfaktor Jeden Tag bewirbt die Swisscom Mobile AG ihre Produkte in der Öffentlichkeit. Die Verfügbarkeit am POS ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor, um sich gegen die starke Konkurrenz durchzusetzen. Sollte das gewünschte Gerät am POS nicht verfügbar sein, ist das Risiko gross, dass der Kunde zur Konkurrenz geht und dort ein Abonnement abschliesst. Im Handel ist die Verfügbarkeitsproblematik über viele Jahre hinweg bereits Gegenstand diverser Analysen und Studien gewesen. Die ersten Studien betreffend Out of Stock-Situationen im Einzelhandel wurden schon Ende der sechziger Jahre erhoben. Erstaunlich ist hingegen die Tatsache, dass es in all den Jahren trotz Einführung von neuen Initiativen und Technologien nicht gelungen ist, die Out of Stock Rate von +1- 8% signifikant zu verbessern. Dieses Ergebnis ist umso überraschender, wenn man bedenkt, wie viele Ansätze in den letzten Jahren unternommen wurden, um die Supply Chain zu verbessern: ECR-Projekte, Category ManagementAnsätze, Warenwirtschaftssysteme, Inventarführungskonzepte, Identifikationstechnologien (Angerer 2004). Die Gründe für OOS können im Wesentlichen den drei Hauptprozessen Bestellung, Replenishment und Planung zugeordnet werden: 1. Bestellung: Es wird zu früh bzw. zu spät durch den Shop bestellt oder der Bedarf wird falsch eingeschätzt. 2. Replenishment: Das Produkt ist im Shop, aber nicht im Regal, wenn der Kunde das Produkt sucht. Gründe hierfür können Platzmangel im Regal, schlechte Infrastruktur im Lager des Ladens aber auch mangelnde Information des Personals sein. Ein weiterer Aspekt kann die Lieferun-fähigkeit des Verteilzentrums wegen zu geringem Lagerbestand sein. 3. Planung: Der Lieferant ist nicht in der Lage, den geforderten Bedarf zu produzieren oder komplett zu liefern. Ebenfalls in diese Kategorie gehören Sortimentsänderungen, die nicht an den Shop kommuniziert wurden. In Summe sind 70-75% der Gründe für OOS im Shop bzw. im Bereich Replenishment zu suchen. Neben diesen Einflussfaktoren fiel bei der Analyse interner Aufzeichnungen auf, dass die OOS-Raten bei Artikeln in Promotion höher ausfällt als bei nicht beworbenen Artikeln. Durchschnittlich ergab sich ein Verhältnis von 2:1. Schnelldreher haben zudem eine höhere OOS Rate als Langsamdreher. Im Vergleich zu den übrigen Produkten liegt die Rate bei Schnelldrehern um 50- 80% höher.
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3.2 Problemfelder hinsichtlich der Warenverfügbarkeit Die Analyse der Supply Chain bei Swisscom Mobile ergab drei Hauptproblemfelder, die die Warenverfügbarkeit beeinflussen: 1. Eine ungenügende Termintreue der Hersteller führt zu Lieferverzögerungen und Nichteinhaltung von Lieferterminen Insbesondere bei Neulancierungen entstehen Produktions- und Lieferengpässe in Folge grosser Nachfrage der Provider Die Hersteller sind oftmals nicht in der Lage verbindliche Liefertermine anzugeben 2. Die Kommunikation von Promotionen (z.B. in der Kundenbroschüre Airtime) ist teilweise nicht auf die aktuelle Warenverfügbarkeit abgestimmt bzw. stimmt nicht mit dem Lieferplan überein. 3. Die Freigabe bzw. das Testen von neuen Handsets (z.B. Netzwerkintegration und Konfiguration) erfolgen nicht termingerecht und verzögern dadurch die Ausliefertermine Vom Hersteller nicht konfigurierte Handsets müssen nachkonfiguriert werden. 3.3 Lösungsansätze Als Lösungsansatz für die verbrauchsgesteuerte Disposition unkritischer Artikel wurde die Lagerortdisposition gewählt. Diese basiert darauf, die Materialien pro Shop-Lager zu disponieren und den Nachschub bei DHL automatisch auszulösen. Dies bedeutet, dass das System die Bestände der einzelnen Lagerorte (einzelne Shops) im Werksbestand mitberücksichtigt. Um einen Lagerortbestand getrennt vom Werksbestand zu disponieren, gibt es die Möglichkeit der Lagerortdisposition. In dieser Form der Disposition kann ein Lagerortbestand entweder von der Disposition ausgeschlossen werden oder getrennt disponiert werden. Durch das Setzen des Dispositionskennzeichens auf Lagerortebene und durch die Definition eines Meldebestandes und einer Auffüllmenge kann dieser Lagerortbestand maschinell durch die Disposition überwacht und bei Unterschreitung des Meldebestands automatisch aufgefüllt werden. Das Auffüllen erfolgt mittels einer Umlagerungsreservierung an das zugehörige Werk, falls keine Sonderbeschaffung eingestellt ist. Die Umlagerung wird standardmässig im Einschrittverfahren durchgeführt. Der Ansatz für kritische Artikel hingegen setzt am Verkaufsprozess an und beinhaltet eine verkaufskanalspezifische Zuteilung von ForecastKontingenten und deren Überwachung in der Verfügbarkeitsprüfung des Kundenauftrags. Mit der Kontingentierung stellt das R/3-System eine Funktion bereit, die Steuerungsmöglichkeiten in der Disposition erfüllt und
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dabei unterstützt, kritische Situationen auf der Bedarfs- und Beschaffungsseite zu vermeiden. Kontingente können nach unterschiedlichen Kriterien, wie z.B. Vertriebswege, Kundengruppen, Kunden etc., angelegt werden. Diese Kriterien werden in der Planungshierarchie festgelegt. Als Grundlage für einen gut funktionierenden VMI ist ein regelmässiger und aktueller Informationsfluss über Bestände und Verkäufe notwendig. Aus diesen Daten können die durchschnittlichen Verbräuche ermittelt werden. Zusammen mit dem Forecast ist es möglich, eine Nachschubplanung vom Lieferanten zum Logistikdienstleister und/oder vom Logistikdienstleister in die Shops durchzuführen und bedarfsgerecht zu liefern. Erfolgt der Nachschub über den Logistikdienstleister, der wiederum Produkte von mehreren Lieferanten betreut, kann dieser dank der kritischen Menge die Transporte wesentlich optimieren und dadurch einen massgeblichen Beitrag zur Reduktion von Transportkosten und Lieferzeiten leisten. Diese Konzepte eignen sich auch für Promotionsaktivitäten. Aufgrund der Abstimmung der Promotion zwischen Lieferant und Swisscom Mobile können Kollisionen mit anderen verkaufsfördernden Massnahmen vermieden werden. Die Planung und Durchführung der Promotionen bauen auf den detaillierten Verkaufszahlen der Shops auf und erlauben über die Analyse der aktuellen Verkaufsentwicklung kurzfristige Korrekturmöglichkeiten. Ein weiterer wichtiger Punkt in der Zusammenarbeit ist ein gut geführtes Category-Management. In diesem Prozess werden Warengruppen als strategische Geschäftseinheiten zusammengeführt. Category-Management deckt die nachfrageseitigen Strategien ab (Demand Side), wie effiziente Sortimente, effiziente Produkteinführung und effiziente Aktionen und Promotionen zur Verbesserung des Konsumentenwertes. Sortimentsgestaltung und Produktentwicklung bauen ebenfalls auf informatorischen Prozessen auf. Die gemeinsame Abstimmung unter den Herstellern sowie Vertrieb und Marketing und die Auswertung der Verkaufsdaten erlauben Optimierungen an Produkt- und Sortimentsstrukturen. Diese verhelfen in den nachfolgenden operativen Material- und Informationsflüssen zu einer effizienteren Prozessabwicklung. Um die Führungsposition im schweizerischen Mobilkommunikationsmarkt langfristig zu sichern und ausbauen zu können, sollte eine Vereinheitlichung der IT-Landschaft stattfinden. Mit einem (SAP) Retailsystem schafft der Konzern einen gemeinsamen Standard für die heterogenen Filialwarenwirtschaftssysteme in den Geschäftsbereichen Swisscom Fixnet und Swisscom Mobile von der Planung über den physischen Warenfluss bis hin zur Verkaufsabwicklung in den Shops. Im Zuge einer möglichen Einführung eines Retailsystems werden verschiedene Systeme ersetzt und
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neue klar definierte Schnittstellen zwischen Systemen, vor allem aber zwischen den betroffenen Geschäftsbereichen geschaffen. Der Einsatz eines Retailsystems unterstützt folgende strategische Ziele: 1. Steigerung der Prozesseffizienz im Waren- und Informationsfluss zwischen Lieferanten, Filialen und Kunden 2. Schaffung einer zukunftsorientierten IT-Plattform zur Zentralisierung und Vereinheitlichung der Warenwirtschaft (z.Zt. noch ein Logistikdienstleister) sowie Reduktion der Schnittstellen und Umsetzung von Efficient Consumer Response-Prozessen 3. Erhöhung der Kundenbindung durch innovatives Category-Management mit aktivem Sortiments- und Kundenmanagement 3.4 Data Warehouse Im Rahmen des Supply Chain-Management kann ein Data Warehouse, DWH, durch die Verwendung offener Schnittstellen als gemeinsame Datenbasis für die Akteure der Supply Chain verwendet werden. Ein DWH sichert einen konzentrierten Informationsfluss und gibt aussagekräftige Führungsinformationen für ein flexibles und rasches Reagieren auf Änderungen im Markt. Auf diese Weise kann die Prozesseffizienz gesteigert werden. Somit dient das DWH als Grundlage für ein umfassendes ECRKonzept 3.5 Advanced Planning and Scheduling System (APS) Im Supply Chain-Management wird zwischen einer Planungs- und einer Ausführungsebene unterschieden. Zur Abwicklung der Planungsebene schlagen wir als Kernstück der neuen Informations- und Kommunikationstechnik den Einsatz eines Advanced Planning and Scheduling Systems, APS, vor. Advanced Planning and Scheduling ist die Bezeichnung für ein Planungssystem mit simultaner Mengen- und Kapazitätsplanung. APS hat gegenüber einfachen Dispositionstools den grossen Vorteil, dass eine kooperierende Planung möglich wird. Dadurch erreicht P&L eine hohe Effizienz, genaue Informationen und kürzere Durchlaufzeiten, um den Lieferservice zu verbessern. Unter dem Begriff der kooperierenden Planung ist der Prozess zu verstehen, in dem verschiedene Unternehmen entlang der Logistikkette gemeinsam, das heisst unternehmensübergreifend auf Informationen über das Internet zugreifen und mit dem Ziel zusammenarbeiten, Engpässe oder Terminverschiebungen möglichst früh erkennen zu können.
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Die kooperierende Planung erlaubt es, Absatz-, Beschaffungs- und Bestandesdaten mit Partnern auszutauschen. P&L kann z.B. eigene Ausnahmemeldungen (Alerts) definieren und in das allgemeine Alertmanagement integrieren. Wenn Ausnahmen in der Planung auftreten, können automatisch E-Mails oder Fax-Mitteilungen generiert werden. Die APS-kooperierende Planung kann zudem einen CPFR-Ansatz massgeblich unterstützen!
Literatur Angerer A (2004) Out of Stock: Ausmass, Ursachen und Lösungen. Logistik Inside 7:16 Rudolph T (1997) Profilieren mit Methode – Von der Positionierung zum Markterfolg, Campus, Frankfurt am Main Rudolph T (2000) Erfolgreiche Geschäftsmodelle im europäischen Handel – Ausmass, Formen und Konsequenzen der Internationalisierung für das Handelsmanagement, in: Belz C, Tomczak T (Hrsg.) Fachbericht für Marketing 3/2000, St. Gallen 2000 Treacy M, Wiersema F (1995) Marktführerschaft – Wege zur Spitze, Campus, Frankfurt am Main u. New York Vollmann T E, Cordon C (1999) Building a Smarter Demand Chain. Financial Times-Series 4:2–4
Kooperation und Partnerschaft im Wertschöpfungsnetzwerk Paul Schönsleben, Robert Alard Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETHZ)
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Trend zur unternehmensübergreifenden Kooperation
Wesentliche Veränderungen des Umfelds und der Wettbewerbsbedingungen wie die Globalisierung der Märkte, die verstärkte Konzentration auf Kernkompetenzen, der Wandel von Produzenten- zu Käufermärkten, die immer kürzer werdenden Produktlebens- und Innovationszyklen sowie die hohe Geschäftsdynamik und schnelle Reaktion auf die Wünsche des Abnehmers haben die Unternehmen in den letzten Jahren vor neue Herausforderungen gestellt. In der Vergangenheit wurden vorwiegend die unternehmensinternen Potentiale angegangen und in grossen Teilen auch ausgeschöpft. Das Unternehmen selbst und dessen Wettbewerbsfähigkeit sind jedoch immer stärker von den Leistungen der Partner in der Wertschöpfungskette und des Wertschöpfungsnetzwerks abhängig geworden. Nicht einzelne Unternehmen stehen heute im Wettbewerb zueinander, sondern ganze Wertschöpfungsketten konkurrieren miteinander. Die Unternehmensgrenzen heben sich somit zugunsten netzwerkartiger Kooperationsformen zunehmend auf. Seit Beginn der Neunziger Jahren ist mit dem Thema des Supply Chain Managements (SCM) die Erzielung von unternehmensübergreifenden Verbesserungen in Wertschöpfungsketten und -netzwerken in den Vordergrund gerückt. Unter Supply Chain Management wird dabei die Koordination einer strategischen und langfristigen Zusammenarbeit von Co-Herstellern im gesamten Logistiknetzwerk zur Entwicklung und Herstellung von Produkten sowohl in Produktion und Beschaffung als auch in Produkt- und Prozessinnovation verstanden (Schönsleben 2005). Effizientere Abwicklungsformen, die Planungs- und Koordinationskompetenz in der Wertschöpfungskette unter Einbezug der Lieferanten und Abnehmer gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung.
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Die Kooperation in der Supply Chain, bei der im Kern der Gedanke steht, die eigentlichen Geschäftsprozesse der Unternehmen enger mit denen der Abnehmer und der Lieferanten zu verzahnen, wird immer wichtiger. Die Schnittstellen zwischen den beteiligten Unternehmen sollen somit im Rahmen einer aktiven, konstruktiven Zusammenarbeit zwischen den Abnehmern und Lieferanten in der Supply Chain optimiert und die Planungsprozesse miteinander synchronisiert werden. Funktioniert diese Zusammenarbeit zwischen den Partnern in der Supply Chain nur unzureichend und liegen z.B. Informationen über die Endkundennachfrage nicht bei allen Akteuren in der Supply Chain vor, sondern werden diese Informationen - wie im Beer Distribution Game simuliert (Beer Game 2005) - nur implizit in Form von Bestellungen sukzessive und stufenweise weitergegeben, so kann es in der Supply Chain zum Bullwhip-Effekt (PeitschenEffekt) kommen, der das Phänomen des Aufschaukelns der Nachfragemengen und der damit verbundenen Lagerbestände über die einzelnen Wertschöpfungsstufen der Supply Chain hinweg beschreibt. Verbleiben die Planungsautoritäten in den jeweiligen Unternehmen, werden die über die einzelnen Ressourcen in der Wertschöpfungskette verfügenden Entscheidungsträger bei ihren Entscheidungen in der Nutzung von Ressourcen nicht nach einem ressourcenübergreifenden Gesamtoptimum suchen, sondern sich von den organisationsbedingten Partikularinteressen leiten lassen. Die einzelnen Partner werden –entgegen dem Gedanken des Supply Chain Managements – ihre eigenen Ressourcen optimieren und aus lokaler Sicht Gewinn maximierend handeln. Neuerdings wird der im Supply Chain Management inhärente Gedanke der Zusammenarbeit in Begriffen wie z.B. dem „Collaborative SCM“ besonders betont. Die Kooperationen in der Supply Chain führen dazu, dass Unternehmen einen Teil eigener Gestaltungsspielräume aufgeben müssen und Abhängigkeiten zwischen den Partnern entstehen. Der Aufbau von Kooperation zwischen den Partnern in der Supply Chain ist erfahrungsgemäss mit Schwierigkeiten verbunden, so kann es z.B. schon beim Informationsaustausch zu Problemen kommen. So hängt die Bereitschaft der Unternehmen, Daten und Informationen mit den Partnern in der Supply Chain auszutauschen, stark von der Art der benötigten Daten ab (Knolmayer 2002). Ein Informationsaustausch, der z.B. Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens erlaubt, wird als kritisch angesehen und hindert den unternehmensübergreifenden Informationsfluss.
Kooperation und Partnerschaft im Wertschöpfungsnetzwerk
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Richtlinien für die Gestaltung effizienter Wertschöpfungspartnerschaften
Wie eingangs aufgezeigt, ist es immer wichtiger, die Lieferanten und die Abnehmer enger an die Wertschöpfungsprozesse des eigenen Unternehmens anzubinden. Dazu müssen jedoch wichtige organisatorische Regelungen und Grundvoraussetzungen im Vorfeld geschaffen und festgehalten werden, damit letztendlich im operativen Umgang mit den Partnern in der Supply Chain eine Reduktion der Reibungsverluste an den Unternehmensgrenzen und somit Effektivität- und Effizienzsteigerungen realisiert werden können. Beim vorgestellten Modell stehen nicht die informationstechnischen Aspekte im Vordergrund (z.B. die Einführung und der Einsatz einer SCM-Software), sondern die Zusammenarbeit der in der Supply Chain involvierten Führungsebenen und Personen sowie deren mögliche Rollenverteilung. Die Kooperationspartner sollen zu einem Handeln im Sinne des Supply Chain Gesamtoptimums veranlasst und die Realisierung von vorteilhaften unternehmensübergreifenden Investitionen durch den Einsatz des Modells gefördert werden. Dafür wurde am ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI) eine neunfeldrige Matrix (siehe Abbildung 1) entwickelt, die im folgenden diskutiert werden soll. Eine langfristige Stabilität mit partnerschaftlichen Verhältnissen in der Supply Chain ist nur dann gewährleistet, wenn die Partner jeweils eine Vorteilhaftigkeit („Win-Win-Situation“) erkennen. Das Streben danach muss das Leitprinzip in der Gestaltung jedes Wertschöpfungsnetzwerks im Sinne des SCM sein. Dieses Leitprinzip wurde in dem Modell Advanced Logistic Partnership (ALP) konkretisiert [Frigo-Mosca 1998]. In diesem ist der grobe Ablauf für Aufbau und Betrieb des SCM in einem Wertschöpfungsnetzwerk dargestellt. Die Aufgaben zwischen Lieferanten und Abnehmern in einem Wertschöpfungsnetzwerk werden dabei auf drei Führungsebenen erfasst: x Auf der obersten Führungsebene: Strategiebestimmung, Vertrauensbildung, Grundsätze der partnerschaftlichen Ziele und Rechtsverhältnisse als auch eine regelmässige Partnerbeurteilung. x Auf der mittleren Führungsebene: Erarbeitung von Prozessen zur unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit und Definition des zu erwartenden Nutzens. x Auf der operationellen Führungsebene: Ableitung konkreter logistischer Zielvorgaben und Erarbeiten, Planen und Durchführen der gemeinsamen Auftragsabwicklung und von begleitenden Schulungsprogrammen.
Mittlere Führungsebene
Operationelle Führungsebene
Absichtsphase
Vision und Strategie der Partnerschaft; Wahl der potentiellen Partner
Definieren des potentiellen Nutzens aus der Partnerschaft; Einbezug in die Auswahl
Definieren der logistischen Ziele und der nötigen Ausbildung; Einbezug in die Auswahl
Definitionsphase
Paul Schönsleben, Robert Alard
Definieren der Art und der Ziele der Partnerschaft
Erarbeiten, wie man gemeinsam entwickelt, produziert, liefert, abrechnet
Gegenseitige Kenntnis der Probleme in Qualität, Produktionsablauf, Verpackung/Transport
Ausführungsphase
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Oberste Führungsebene
Evaluieren der Partnerschaft; Periodische Treffen (mind. 1x pro Jahr)
Periodische Treffen zur Einführung neuer Produkte, Modifikationen und laufender Verbesserung
Gemeinsames Planen und Durchführen der Aufträge
Abb. 1. Modell für den Aufbau und den Betrieb von Partnerschaften in einem Wertschöpfungsnetzwerk
ALP unterscheidet zudem drei Entwicklungsphasen in der Beziehung zwischen Lieferanten und Abnehmer: x Die Absichtsphase: Wahl der potentiellen Partner, Abwägungen von Kosten-Nutzen. x Die Definitionsphase: Konzept- und Lösungssuche, Richtlinien für Partnerschaft und Entscheid. x Die Ausführungsphase: Unternehmensübergreifendes Auftragsmanagement, Betrieb und kontinuierliche Verbesserung der Zusammenarbeit. Prinzipiell macht die oberste Führungsebene Vorgaben für die mittlere und die mittlere Führungsebene ihrerseits Vorgaben für die operationelle Führungsebene. Eine Schlüsselbedingung für ein partnerschaftliches Wertschöpfungsnetzwerk ist der frühe Einbezug sämtlicher beteiligter Personen. Dadurch kann innerhalb der einzelnen Unternehmen jener Konsens und Teamgeist entwickelt werden, der für die unternehmensübergreifende Kooperation von grundlegender Bedeutung ist. Die operationelle und die mittlere Führungsebene beeinflusst somit auch die oberste Führungsebene, in Abbildung 1 angedeutet durch die schmalen Pfeile. In jeder Phase sind
Kooperation und Partnerschaft im Wertschöpfungsnetzwerk
125
dabei die Vertrauensbildung und das Aufrechterhalten des Vertrauens zwischen den Wertschöpfungspartnern absolut entscheidend. Unsere Forschungen im Themenfeld der Logistik- und Produktionsnetzwerke haben wiederholt gezeigt, dass eine langfristige oder intensive Zusammenarbeit in einem Wertschöpfungsnetzwerk jedem einzelnen Unternehmen unter anderem folgende Merkmale abverlangt: x Bereitschaft zur Kooperation, x Mentalität für eine gemeinsame Vorteilhaftigkeit (Win-Win-Situation), x Verfolgung gemeinsamer Ziele, x Offenheit für Vorschläge von internen und externen Mitarbeitenden, x Orientierung hin zu Abläufen und wertschöpfenden Aufgaben, x Delegation, Teamarbeit usw. Die erwähnten Eigenschaften gehören zur sogenannten sozialen Kompetenz des Unternehmens. Damit ist unter anderem die Flexibilität gemeint, sich selbst als Partner ins Wertschöpfungsnetzwerk einzubringen sowie andere Partner darin einzubinden. Für etliche Unternehmen mag der Erwerb dieser Kompetenz eine Verhaltensänderung bedeuten. Vor allem hinsichtlich der ersten Anforderung: Wie bei der sozialen Kompetenz von Individuen muss man in gleichgewichtigen Verhältnissen zuerst das „SichEinbringen“ beherrschen, wenn man glaubwürdig andere als Partner einbinden will. Aber nur so wird man ein erfolgreicher Kandidat für die Mitgliedschaft in einer Wertschöpfungspartnerschaft. Selbstverständlich bringt eine derart intensive Zusammenarbeit in der Supply Chain auch potentielle Stolpersteine mit sich. Besonders beachtet werden müssen u.a.: x Veränderungen in den entscheidenden Verhältnissen bei einem Wertschöpfungspartner. Gerade bei Firmenübernahmen oder Fusionen kann ein Hersteller u.U. schnell nicht mehr in der Lage sein, als Partner im Netzwerk weiter mitzuarbeiten. x Unerwarteter Übergang zu einem Verkäufermarkt. Netzwerke funktionieren prinzipiell besser, wenn jeder Teilnehmer sich bewusst ist, dass er im Prinzip auch durch einen anderen ersetzt werden kann. In einem Verkäufermarkt verschwindet dieses Bewusstsein leicht. x Missbrauch der Kenntnisse aus der Zusammenarbeit mit einem Partner für den Aufbau von Geschäftsbeziehungen mit dessen Konkurrenten. x Investitionen durch einen Wertschöpfungspartner, die durch eine zu kurze Beziehung nicht amortisiert werden können. In diesem Fall wird die gemeinsame Vorteilhaftigkeit nicht gesehen oder nicht erreicht. Oftmals zeigt sich, dass die erwähnten Grundsätze zur Vertrauensbildung hinter der Euphorie, die aufgrund der Möglichkeiten durch die elektroni-
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Paul Schönsleben, Robert Alard
sche Unterstützung von Geschäftsprozessen (z.B. SCM-Software) entsteht, zurückbleiben. Jedoch müssen vor allem für den kompetenten Einsatz der Software-Lösungen zuerst die Hausaufgaben in der Unternehmenskultur und in der Organisation der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit gemacht worden sein. Hier und in einer angebrachten Erwartungshaltung der Möglichkeiten moderner Software gegenüber liegen die eigentlichen Erfolgsfaktoren des Supply Chain Managements. Die Software trägt letztlich dann über Transparenz, Planungsgeschwindigkeit und Teilautomatisierung manchmal zur Effektivität, jedoch vor allem zur Effizienz der organisatorischen Konzepte bei.
Literatur Beer Distribution Game: Internet: http://www.beergame.lim.ethz.ch/ Frigo-Mosca F (1999) Referenzmodelle für Supply Chain Management nach Prinzipien der zwischenbetrieblichen Kooperation: Eine Herleitung und Darstellung des Modells Advanced Logistic Partnership. Zürich: vdf Hochschulverlag an der ETH, 1998 Knolmayer G (2002) Kooperation im Supply Chain Management – Collaborative SCM ist mehr als Informationsaustausch. NZZ, 19. November 2002 Schönsleben P (2005) Integrales Logistikmanagement. Planung und Steuerung der umfassenden Supply Chain 4. Aufl. Berlin u.a. Springer
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft Jürg Rückert ECR Schweiz Handel
1
Aufgabenorientiertes und kooperatives Marketing
Die Kernaufgaben des Marketings, verstanden als „marktgerechtes und marktgerichtetes Verhalten“, können in Anlehnung an verschiedene Definitionen gemäss Abbildung 1 folgendermassen dargestellt werden. Diese aufgabenorientierte Sichtweise wird dem Prozessdenken eher gerecht, als eine strategische oder instrumentelle Ausrichtung. Nicht erst seit der intensiven Arbeit im Rahmen von ECR (Efficient Consumer Response: verstanden als gemeinsame Ausrichtung von Industrie und Handel, auch zur Verbesserung der Ergebnisse und Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen) hat sich das Prozessdenken im Umfeld des „retail und wholesale-business“ weit verbreitet durchgesetzt.
Marketing G E W I N N E N
Neue Kunden
Bestehende Kunden
Neue Leistungen & Produkte
Bestehende Leistungen & Produkte
P H F A L L E T & G E E N N
Abb. 1. Die Kernaufgaben des Marketing im Umfeld von Hersteller, Handel und Dienstleister. Quelle: Jürg Rückert
128
Jürg Rückert
Leider hatten bisher nur wenige Unternehmen den Mut, ihre Struktur dieser Betrachtungsweise unterzuordnen und anzupassen. Zu sehr noch herrscht das „Funktionsdenken“. Das aufgabenorientierte Marketing ist in dieser Art sowohl für Handels-, wie auch Industrieseite verbindlich. In einer umfassenden ECR-Betrachtung sprechen wir oft vom kooperativen oder integrativen Marketing. Die Praxis, und hier vor allem die vielen Projekte und Fallstudien, zeigt, dass die ursprüngliche, stark auf ECR-Struktur fokussierte Betrachtungsweise mit demand side, supply sides und enablers zu einseitig ist. Vielmehr geht es innerhalb dieser ECR Teilbereiche um die Strukturierung der Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse um das gemeinsame Ausrichten, in interdisziplinären Gruppen auf den Kunden/Konsumenten. Dabei ist die Rollenverteilung zwischen Industrie, Handel und möglichen Dienstleister fallweise unterschiedlich. Grundsätzlich sind zwei Extremvarianten im Zusammenwirken von Industrie und Handel denkbar: Konflikt oder Partnerschaft. 1.1 Konfliktmodell Vereinfacht ausgedrückt ist das Konfliktmodell das pure Gegenteil eines Partnerschafts-Modells. Die beiden Parteien – Hersteller und Handel – optimieren einseitig, proprietär, ohne Berücksichtigung von Standards, nur unternehmensintern. Die Beziehung ist von Misstrauen geprägt. Die Rechtfertigung des Preises ist das dominante Gesprächsthema. Jeder möchte die „Marktführerschaft“ für sich beanspruchen. Durch die Integration vor- oder nachgelagerter Funktionen oder Teilprozesse wird versucht, die Autonomie zu stärken oder zu erhöhen. Aus Sicht des Herstellers kann das zu proprietärer Vermarktung ohne Einbindung des Handels z.B. mit eigenen Shops führen, mit dem Zweck Konsumenten direkt zu erreichen und stärker an sich zu binden. Der Handel kann seinerseits Produktionsbetriebe erwerben oder beherrschen. Viele Markenartikelhersteller sehen allein schon in einer ausgeprägten Handelsund/oder Eigenmarken-Politik Ansätze zum Konfliktmodell. Die Leistungserbringung unterzieht einem Kräftemessen zwischen product- und store-brand. Nach Meinung verschiedener CEOs internationaler Handelsund Herstellerfirmen präsentiert sich der Nährboden für das Konfliktmodell wie folgt: x Fehlende Supermarkt-Kultur x Verpasste „Multi-Channel-Politik“ von grossen Retailern
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft
129
x Discounter springen als quasi „Billig-Supermarkt“ in die Bresche. Es bieten sich ihnen grosse Entfaltungsmöglichkeiten mit gleichzeitiger Preisführerschaft ohne Service. Selbstverständlich treten auch in einem Partnerschaftsmodell Konflikte auf. Während im Konfliktmodell der Konflikt „Basis der Zusammenarbeit“ ist, sind im Partnerschaftsmodell Konflikte immer die Folge von Zusammenarbeit. Entscheidend ist dabei x wie Konflikte ausgetragen werden x wie Lösungsansätze erarbeitet und umgesetzt werden x wie weit Mitarbeiter konfliktfähig und vorbereitet sind x wie weit Regeln zur Lösung von Konflikten mittels Dialog bestehen 1.2 Partnerschaftsmodell In Anlehnung an Schmickler u. Rudolph (2002, S. 24) dient Abbildung 2 als Grundlage für die Bearbeitung des Partnerschaftsmodells. Die Gesamtheit wird als kooperatives Wertschöpfungssystem bezeichnet. Dabei soll nicht auf die ewige Diskussion eingegangen werden, ob der Konsument ein Teil des Systems darstellt, oder ob das System alle Massnahmen der Ausrichtung auf den selbigen beinhaltet. Der Begriff des Systems anstelle der Kette soll die Komplexität der Beziehungen aller Partner untereinander zum Ausdruck bringen.
Supply Chain Management: • Warenverfügbarkeit
Harmonisierte: • Prozesse • Strukturen • Systeme Management: • Mitarbeiter
C R M
Info Systeme: • Supply Chain • Markt
Kooperatives Marketing: • Category Management
Kunde / Konsument
Kooperatives Wertschöpfungssystem
Abb. 2. ECR – Kooperatives Wertschöpfungssystem, in Anlehnung an Rudolph
130
Jürg Rückert
Kooperationen oder Partnerschaften haben nebst der institutionellen auch eine sozial-ethische Dimension. Sie ist primär durch gegenseitiges Vertrauen, als Kern der Partnerschaft geprägt. Zusammenarbeit geschieht zwischen Menschen. Seit Beginn von ECR wurde immer wieder grösster Wert auf die Unterstützung der CEO’s gelegt. Sie schaffen die Basis für eine zielgerichtete, kooperative Zusammenarbeit. Die Auswahl der Partner ist wichtig. Dazu kann das in Abbildung 3 dargestellte 7-Eck von Belz (2003, S. 349) verwendet werden. Erfolgsfaktoren in Kooperationen ZielLeistungskonzept Eigener Leistungsbereich
KooperationsProzess
Inhalt der Kooperation
Auftritt der Partner
KooperationsPartner-Wahl
KooperationsIntensität
Abb. 3. Das Kooperations-Siebeneck, Quelle: Belz 2003
Nachfolgend werden die einzelnen Module/Elemente des kooperativen Wertschöpfungssystems beschrieben. Eigentlich müsste überall das Präfix kooperativ stehen, denn nur mit Gemeinsamkeit ist der Erfolg gesichert. 1.2.1 Informations-Management (IM) Beim Informations-Management geht es um das Management der für die Kooperative Wertschöpfung relevanten Informationen. Je näher man sich beim POS befindet, umso sensibler sind die Daten. In der Praxis hat sich der Grundsatz eingebürgert, dass im Rahmen von (ECR)-Projekten auch sensible Daten kostenlos allen Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Nur so sind optimale Ergebnisse möglich. Zu Beginn des ECR-Zeitalters wurden neutrale „Treuhandstellen“ für diesen Datenaustausch eingeschaltet. Mit der Zeit wurde nebst dem Know how auch das gegenseitige Ver-
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft
131
trauen grösser. Damit die Hersteller die Daten einzelner Händler konsolidieren können, sind Absprachen im Handel auf einheitliche Datenstrukturen, mit dem Scanning als Basis-Technologie, unabdingbar. Diese Aufgabe kann nur durch ECR-Organisationen sichergestellt werden. 1.2.2 Supply Chain Management (SCM) Unter Supply Chain Management wird die Optimierung des gesamten Waren- und Datenflusses vom Rohstoff-Lieferanten bis zum POS bzw. Kunden verstanden. Der unmittelbare Kundennutzen besteht in der Produktverfügbarkeit am POS. Das ist das einzige, was den Kunden im Rahmen des SCM interessiert. Zusätzlich geht es aber auch darum, die Effizienz der SC permanent zu verbessern und Bestände tief zu halten, Transportkapazitäten optimal einzusetzen und Prozesskosten zu reduzieren. Neu kommen die Verantwortlichkeiten Rückverfolgbarkeit und Warenrückruf im Bereich der Produktsicherheit dazu. 1.2.3 Category Management (CM) Category Management ist das für den Konsumenten sichtbarste Instrument der kooperativen Wertschöpfung. Die Categories innerhalb der Sortimente dienen zur Profilierung der store brand. Sie stellen die Warengruppen oder Sortimentstruktur aus Sicht des Konsumenten und Käufers dar. Im CMProzess gilt es, den natürlichen, verständlichen Konflikt zwischen Hersteller und Handel bzgl. der Marken und der Produktpräsenz immer wieder zu thematisieren, zu bearbeiten und zu lösen. Category oder Warengruppe Category Management
Warengruppen
... aus Konsumentensicht zusammengehörende Sortimentsbereiche als strategische Geschäftseinheiten führen.
... aus logistischer oder Produktionssicht zusammengehörende Produktgruppen.
1. Aus Sicht des Konsumenten 2. Von Konsumabläufen abgeleitet (Bedürfnisse, Themen) 3. Unterschiedliche Sicht bei den Markt Partnern denkbar 4. Categories sind im Laden und zu Hause beim Konsumenten erkennbar
1. Aus Sicht Produktion und Lagerung 2. Von Produktion und Logistik abgeleitet (Supply Chain) 3. Einheitliche Sicht bei allen MarktPartnern 4. Link zwischen Warengruppen und Categories auf Artikelebene
Abb. 4. Definition Category, Quelle: Jürg Rückert
132
Jürg Rückert
Aus dem Spannungsfeld Hersteller- und Produktmarken sowie Produktund Verkaufsstellenloyalität resultiert oft Verwirrung beim Konsumenten. Schweizer und Rudolph (2004) führen folgende Gründe für Consumer Confusion an: Artikelflut, Sortimentskomplexität, unendliche Auswahlmöglichkeiten, gleiches Erscheinungsbild, Produktbezeichnung sowie Unklarheit über die store brand. Professionelles, kooperatives Category Management verspricht Lösungen und Erfolg. 1.2.4 Employee Relationship Management (ERM) Es ist kein Geheimnis, dass der Detailhandel ein Image-Problem und daraus ableitbar ein Mitarbeiter-Problem hat. Der Detailhandel gilt als einer der am wenigsten attraktiven Arbeitgeber. 54 % der Studienabsolventen wollen nicht im Einzelhandel arbeiten. Vor allem in Ballungszentren ist es äusserst schwierig, geeignete Kandidaten zu finden. Die Fluktuationsrate beträgt weit über 30 %. Vor diesem Hintergrund braucht der Detailhandel nebst der Kundenstrategie auch eine Mitarbeiter-Strategie. Mit professionellen HR Methoden sollen die geeigneten, zukünftigen Mitarbeiter mit der richtigen Einstellung zu Menschen, Kunden und Konsumenten gesucht und engagiert werden. Motivation und Einstellung sind die wichtigsten Faktoren: sie sind nicht lernbar, im Gegensatz zu Führung, Kommunikation oder etwa gar Fachwissen. Zur Einstellung gehören Werte wie Loyalität, Integrität, Sozialkompetenz, Glaubwürdigkeit, Stressfähigkeit etc. Nebst der Begeisterung für die Kunden braucht es auch die Bereitwilligkeit zu Partnerschaften im Rahmen der kooperativen Wertschöpfung. Diese Zusammenarbeit geschieht auf allen Ebenen und an unterschiedlichen Orten: In der Zentrale wie am POS, an Messen wie auch an Seminaren. Auch der Detailhandel muss endlich begreifen, dass die Mitarbeiter so wichtig sind, wie die Kunden. Die Umsetzung der Mitarbeiter-Strategie (ERM) ist entscheidend für den Erfolg der Kundenstrategie (CRM). Nur wer kompetente, loyale Mitarbeiter beschäftigt, gewinnt auch loyale Kunden. All die wertvollen Module, Werkzeuge und Instrumente sind von geringem Nutzen, wenn im Detailhandel – und vor allem am POS – nicht die Mitarbeiter mit der richtigen Einstellung zum Kunden anzutreffen sind. Zusätzlich müssen die vorhandenen Instrumente sowohl methodisch, als auch didaktisch stufengerecht aufgearbeitet werden. Dies ist eine Aufgabe, welche Handel und Hersteller partnerschaftlich angehen und lösen müssen.
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft
133
1.2.5 Consumer Relationship Management (CRM) Consumer Relationship Management verstanden als Customer- und Consumer-Beziehung, stellt den Türöffner zum loyalen und profitablen Kunden dar. Mit CRM soll der Kunde dank der unterstützenden Technologie den alten Stellenwert wieder zurückgewinnen. Der Aufbau der seinerzeitigen vertrauensvollen, glaubwürdigen, langfristigen Kundenbeziehung zu Zeiten der Tante Emma soll wieder möglich werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass sich die Gesellschaft und damit die Ansprüche der Konsumenten verändert haben. Dieser Umstand beeinflusst unser Einkaufsverhalten nachhaltig. Daraus entstehen Forderungen nach neuen Ladenkonzepten, Ladenformaten und Angebotsformen. Diese Massnahmen sind prägend für die neuen Kundenbeziehungen. Das veraltete Massenmarketing zeichnete sich durch Akquisition von neuen Kunden, Gleichbehandlung aller Kunden sowie ProduktmarktSegmentierung aus. Dabei war man nicht in der Lage, profitable Kunden von unrentablen zu unterscheiden. Ebenso war es unmöglich, die Abwanderung von bestehenden Kunden zu ermitteln und damit auch die Ursachen dafür zu erforschen. Bei CRM betrachtet man den Kunden als Ausgangspunkt. Man will ihm mit individueller „Massanfertigung“ begegnen und segmentiert die Kunden nach ihrer Rentabilität, dem individuellen Gewinn. Mit CRM spricht man nicht mehr die Masse an, sondern Segmente, homogene Gruppen. Es geht aber auch nicht darum eine 1:1-Beziehung mit der Bedrohung des gläsernen Kunden im Hintergrund aufzubauen. Auch wenn wir als Individuen angeschrieben werden, richtet sich das Marketing auf die wertvollsten, attraktivsten Kundengruppen aus. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Kundengruppen-Strukturierung. Auf der Basis von soziodemographischen Daten lassen sich Haushalte in homogene Cluster einteilen. Diesen liegen die Lebensphasen von Haushalten zugrunde. Im Rahmen verschiedener Projekte hat sich in der Praxis die Anwendung der untenstehenden Tabelle bewährt. Die Zielgruppen-Definitionen werden von den Faktoren Alter, Grad der Berufstätigkeit, Netto-Einkommen und Haushaltgrösse beeinflusst. Ein wesentliches Ziel der CRM-Anstrengungen ist die selektive Ausschöpfung nicht erschlossener Potenziale. Nebst der Zuordnung zu Kundengruppen sind also zwei weitere Dimensionen wichtig: der aktuelle Ausgabenanteil der Kundengruppen und das zukünftige Potenzial der Kundengruppe. Im kooperativen Wertschöpfungs-System ergibt sich dann der maximale Nut-
134
Jürg Rückert
zen, wenn alle Geschäftsprozesse gemeinsam auf die attraktiven Kunden ausgerichtet sind. Dabei steht das Category Management nicht, wie oft angenommen, in irgendeiner Konkurrenz zum CRM, sondern ist der „Sortimentshebel“ und damit ein wertvolles Werkzeug bei der Umsetzung des CRM.
Portfolio Kundenbeziehungspunkte Marketing Fokus: Transaktion Promotion
Treue
Service Beziehung
Partner Kunde Käufer Abb. 5. Kundenbeziehungspunkte (Kundenbindung). Quelle: C&L UK
Zusammenfassend ist CRM auf folgende Punkte ausgerichtet: 1. Welche Kunden sind profitabel? 2. Was muss ich tun, damit sie langfristig bei mir bleiben? 3. Wie kann ich ähnliche, neue, profitable Kunden dauerhaft für mich gewinnen? 4. Wie kann ich die Kundenbeziehungen unter ökonomischen Gesichtspunkten optimieren? 5. Wie kann ich den „share of wallet“, verstanden als Anteil, den ein Kunde für einen bestimmten Bereich ausgibt, zu meinen Gunsten erhöhen? 2
Schlussbetrachtung
Im kooperativen Wertschöpfungssystem ist die effiziente und effektive Rollenaufteilung zwischen Industrie und Handel entscheidend für den Er-
Vom Konfliktmodell zur Partnerschaft
135
folg. Sie muss gemeinsam erarbeitet werden. Dabei hat sich der ursprüngliche Kaufmann oder Händler von Ware immer mehr zum Vermarkter entwickelt. Er ist zum Umsetzer der wichtigsten Marketing-Strategien geworden. Sein Tätigkeitsfeld umfasst unter anderem Kundenorientierung, Kundenbeziehung, Marktsegmentierung, Profilierung oder MehrkanalStrategie. Wenn der Handel – auf Vertrauen basierend – mit Herstellern zusammenarbeitet und wenn es dem Handel gelingt, die richtigen Mitarbeiter mit der richtigen Einstellung zum Kunden und zu Partnerschaften zu engagieren und wenn Handel und Industrie gemeinsam moderne Technologien einsetzen, um mittels zielgruppenorientierter Feinsteuerung die richtigen Sortimente den richtigen Kunden anzubieten, ist der langfristige, nachhaltige Erfolg des Partnerschaftsmodells garantiert.
Literatur Schmickler M; Rudolph T (2002) Erfolgreiche ECR Kooperationen, Vertikales Marketing zwischen Industrie und Handel, Neuwied, Luchterhand Rudolph T, Schweizer M (2004) Consumer Confusion aus der sicht der Konsumenten, Thexis 4.2004:11–16 Belz C, Bieger T (2004) Customer Value – Kundenvorteile schaffen Unternehmensvorteile, St.Gallen/Frankfurt am Main, Thexis/Redline
Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln Elisabeth Fröhlich Seminar für Allgemeine BWL der Universität zu Köln
Effizienz und Effektivität erbrachter Arbeitsleistung im Funktionsbereich Beschaffung bestimmen sich im Wesentlichen durch die Leistungsfähigkeit des einzelnen Beschaffungsmitarbeiters. Damit sind in erster Linie Kompetenzen gemeint, über die ein Beschaffungsmitarbeiter verfügen sollte, um beschaffungspolitische Aufgaben zu bewältigen.
1
Sozialkompetentes Beschaffungshandeln – der Versuch einer inhaltlichen Charakterisierung
Sozialkompetenz setzt sich mit kommunikativen und kooperativen Verhaltensweisen von Organisationsmitgliedern auseinander und lässt sich als die Fähigkeit beschreiben, im Interaktionskontext sozialer Gegebenheiten Ziele unter Bezugnahme auf spezifische Anforderungen zweckrational umzusetzen (Schuler u. Barthelem 1995). Warum werden Verhaltensmuster, die eine Zielrealisation vor dem Hintergrund des jeweiligen Interaktionskontextes ermöglichen, immer bedeutsamer? Dem Konfliktmanagement kommt in der Beschaffung eine zentrale Bedeutung zu, geht man von der Agentenfunktion des Einkäufers aus, unternehmensinterne Bedarfe mit dem am Markt Machbaren abzugleichen (Koppelmann 2004). Die Vernachlässigung der Beziehungsebene im Berufsleben, der Versuch Konflikte in der Arbeitswelt nach rein rationalen Regeln auf der Sachebene auszutragen, führt häufig zu Beeinträchtigungen der Aufgabenerfüllung. Die zunehmende Ausrichtung aller Funktionsbereiche an den Bedürfnissen des Endkunden bedingt eine ökonomische Bewertung sozialer Kompetenzen. Die Ausprägung sozialer Fähigkeiten im Beschaffungsalltag wird zum betrieblichen Erfolgsfaktor und damit ein Meilenstein auf dem Weg zur Dienstleistungsgesellschaft. Bevor auf konkrete Elemente sozialkompetenten Beschaffungshandelns eingegangen wird, dürfen einige Überlegungen zum Berufsbildverständnis
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Hans Kalberer, Randy Drenth
in der Beschaffung nicht fehlen. Berufsbilder beschreiben Muster typischer Tätigkeiten und Kompetenzen am Arbeitsplatz (Drumm 2000). Die Effizienz zukünftigen beschaffungspolitischen Handelns kann nur dann gesteigert werden, wenn Funktionsbereichsverantwortliche akzeptieren, dass es den ‚Allrounder’ in der Durchführung beschaffungspolitischer Aufgabenstellungen nicht mehr geben darf. Durch die Bildung inhaltlicher Aufgabenschwerpunkte sind Mitarbeiter zukünftig in der Lage, den Beitrag der Funktion Beschaffung an der gesamten unternehmerischen Wertschöpfung deutlich zu steigern. Ein möglicher Ansatz zur Charakterisierung von Berufsbildern in der Beschaffung findet sich in der nachfolgenden Übersicht (Fröhlich 2004). Auf dieser Basis lässt sich auch ein aussagekräftigeres Verständnis von Sozialkompetenz in der Beschaffung entwickeln. BEDARFSMANAGER Die wesentlichen Aufgaben des Bedarfsmanagers lassen sich im Rahmen der Situations- und Bedarfsanalyse durch die Bestimmung der potentiellen Inputgütern, der objektspezifischen Bedarfe, der Wahrnehmung der internen Koordinationsfunktion sowie der Materialdisposition beschreiben.
LIEFERANTENMANAGER Nach Einschätzung der Experten beschreibt sich Lieferantenmanagement durch die Wahrnehmung der Markt- und Lieferantenanalyse und Lieferantenverhandlung. Die Tätigkeit des Lieferantenmanagers beginnt mit der Analyse potentieller Beschaffungsmärkte bezüglich Risiko-, Macht- sowie Kosten- und Leistungsaspekten vor dem Hintergrund der Vorgaben des Bedarfsmanagers. In einem nächsten Schritt sind Lieferanten zu identifizieren, einzugrenzen und entsprechend zu bewerten. Eine erfolgreiche Verhandlungsführug ist dann zu erwarten, wenn der Lieferantenmanager ausreichend Kenntnis über mögliche Optionen beschaffungspolitischer Instrumente hat, um deren objektspezifischen Einsatz weiß und darauf aufbauend über die entsprechende Kompetenz zur erfolgreichen Verhandlungsführung verfügt. Abgeschlossen wird die Tätigkeit des Lieferantenmanagers durch den Vertragsabschluß.
PROZESSMANAGER Die Ergebnisse der Delphi-Studie beschreiben den Prozeßmanager als verantwortlich für die Terminsicherung und -kontrolle, die Planung, Steuerung und Kontrolle von Beschaffungstransporten, Wareneingangsund -ausgangskontrolle, Lagerhaltung und -verwaltung sowie abschließend die Steuerung der Entsorgungsfunktion. Damit werden dem Prozeßmanager die klassischen operativen Aufgaben der Beschaffungsabwicklung zugeschrieben.
Abb. 1. Zum Aufgabenverständnis der Berufsbilder
2
Facetten sozialkompetenten Beschaffungshandelns
Da sich weder in der Literatur noch in der Praxis eine allgemein anerkannte inhaltliche Detaillierung sozialer Kompetenz findet, soll der Versuch einer Zuordnung von Kompetenzelementen vorgenommen werden (Fröhlich 2004), die eine positive Gestaltung von Interaktionsbeziehungen des Beschaffers gegenüber seinen internen und externen Kunden erlaubt, ohne
Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln
141
die bisherigen empirischen und theoretischen Befunde aus den Augen zu verlieren. Im Rahmen der Interaktionsfähigkeit werden zwei Kompetenzen abgehandelt, die ein möglichst effizientes Kommunizieren und Zusammenarbeiten (Kolb 1998) innerhalb der Beschaffungsabteilung erlauben. Die Informationsübermittlungsfähigkeit bildet den einseitigen Informationsfluss vom Beschaffer zum entsprechenden Gesprächspartner hin ab. Kommunikationsfähigkeit beschreibt Steuerungsmöglichkeiten der Kommunikation, um einen gegenseitigen Know-how-Transfer zwischen dem Beschaffer sowie anderen Funktionsbereichen oder dem Lieferanten zu gewährleisten. Der Teamarbeit kommt in der Beschaffung eine zentrale Rolle zu, viele Aufgaben sind nur im Rahmen dieser Organisationsform zu bewältigen (Arnold u. Scheuing 1998). Eine definitorische Eingrenzung von Teamfähigkeit gestaltet sich schwierig, da Teamfähigkeit im Sinne eines komplexen Fertigkeitsgefüges zu verstehen ist (Bürger 1978). Es erscheint sinnvoll, Teamfähigkeit durch eine Reihe von Kompetenzteilbereichen zu beschreiben, um sich um eine Präzisierung dieses in der Praxis häufig verwendeten, aber selten definierten Begriffs zu bemühen. Darüber hinaus lässt sich auch vermuten, dass unterschiedliche Qualitäten des Begriffs Teamfähigkeit im Rahmen der zuvor definierten Berufsbilder bestehen. Normenidentisches Verhalten zielt auf Verhaltensweisen ab, die der Beschaffer in seiner täglichen Arbeit umzusetzen hat. Normen bestimmen ähnlich dem Wertbegriff menschliches Handeln. Sie beinhalten die verbindliche Forderung nach einem relativ exakt vorbestimmten Verhalten (Bosetzky et al. 2002). Einen differenzierten Überblick über mögliche Elemente sozialkompetenten Beschaffungshandelns bietet Abb. 2. Nachdem in einem ersten Schritt versucht wurde, Beschaffungsverantwortliche für mögliche Facetten sozialkompetenten Verhaltens zu sensibilisieren, sollen nun exemplarisch ausgewählte Ergebnisse einer empirischen Studie zur Modellierung von Berufsbildern im Funktionsbereich Beschaffung herausgegriffen werden, um die Bedeutung sozialkompetenten Beschaffungshandeln zur unternehmerischen Zielerfüllung zu belegen (Fröhlich 2004).
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Hans Kalberer, Randy Drenth Sozialkompetenz Interaktionsfähigkeit
Teamfähigkeit
Normenidentisches Verhalten
Informationsübermittlungsfähigkeit
Kooperationsfähigkeit
Ethisches Verhalten
Kommunikationsfähigkit
Konfliktfähigkeit
Sensibilität
Kritikfähigkeit
Toleranz
Führungsfähigkeit
Motivationsvermögen
Überzeugungsfähigkeit
Abb. 2. Mögliche Elemente sozialkompetenten Beschaffungshandelns
Nach Auffassung der befragten Experten kommt der Teamfähigkeit über alle Berufsbilder hinweg eine herausragende Stellung zu. Beschaffungsmarketing expliziert die Koordinationsfunktion der Beschaffung sowohl bezogen auf den externen wie auch den internen Kunden. Die Anspruchsbefriedigung beim Lieferanten gilt als konstitutives Merkmal, die Befriedigung der Funktionsbereichsansprüche als konsekutives Merkmal des Beschaffungsmarketings. Hinter der Anspruchsbefriedigung beim Lieferanten steht das eigene Bemühen um Zielerfüllung (Koppelmann 2004). Zur Präzisierung des Begriffs Teamfähigkeit waren, wie bereits angedeutet, eine Reihe von Kompetenzfeldern zu beschreiben. Als Ergebnis der Delphi-Studie kann festgehalten werden, dass Teamfähigkeit in den einzelnen Berufsbildern eine unterschiedliche Qualität besitzt. Kooperationsfähigkeit wurde als unbedingt erforderlich im Rahmen des Bedarfsmanagements beurteilt. Dem Bedarfsmanager muss es gelingen, im Teamprozess der Bedarfsgenerierung die Bedeutung beschaffungspolitischer Zielsetzungen zu verdeutlichen und diese als Richtschnur für weiteres Handeln zu definieren. Auf Basis seines umfangreichen technischen Produktwissens unterstützt er die einzelnen Bedarfsträger mit entsprechenden Informationsinhalten, um in letzter Konsequenz zu einer von allen Mitgliedern des Buying Teams getragenen Bedarfsfestschreibung zu gelangen. Für den Lieferantenmanager stehen Konfliktfähigkeit sowie Überzeugungsfähigkeit im Mittelpunkt der Überlegungen zur Teamfähigkeit. Greift man die Aussagen zum Relationship Marketing (Henning-Thurau u.
Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln
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Hansen 2000) auf, dessen Gegenstand in der Steuerung von Kundenbeziehungen zu sehen ist, und überträgt das daraus resultierende zunehmende Denken in Kundenbeziehungen auf beschaffungspolitische Marketingüberlegungen, kommt man zum Begriff der Lieferantenbindung. Nur wenn es dem Lieferantenmanager gelingt, Konflikte in Lieferanten-BeschafferBeziehungen zu erkennen, diese objektiv und neutral zu bewerten, um sie einer Konfliktlösung zuzuführen, ist dieser in der Lage, langfristige WinWin-Partnerschaften mit Zulieferunternehmen zu etablieren. Eine ähnliche Argumentationskette kann für den Kompetenzteilbereich Überzeugungsfähigkeit aufgebaut werden. In Konfliktsituationen mit dem Lieferanten kann es hilfreich sein, eigene Verhandlungspositionen unmissverständlich darzustellen, um kritische Geschäftspartner zu überzeugen; die eigene Position ist dabei, ausgerichtet an beschaffungspolitischen Zielsetzungen, beizubehalten. Neben den Ergebnissen zur Teamfähigkeit sind noch einige interessante Anmerkungen zur Bedeutung normenidentischen Verhaltens anzufügen. Die hierzu erhobenen Ergebnisse sind relativ eindeutig. Wird normenidentisches Verhalten im Bedarfs- und Prozessmanagement als lediglich ‚wichtig’ von den befragten Experten eingestuft, ist es jedoch für die Umsetzung des Tätigkeitsspektrums des Lieferantenmanagers unabdingbar. Ein Begründungszusammenhang lässt sich wiederum zum Begriff der Lieferantenbindung herstellen. Die Fähigkeit des Lieferantenmanagers, Zulieferer mit in die eigenen Handlungsüberlegungen einzubeziehen (Sensibilität), führt durch die Festigung strategischer Partnerschaften zu einer deutlichen Stärkung der eigenen Wettbewerbsposition. Je besser es dem Lieferantenmanager gelingt, persönliche Eigenheiten bzw. kulturelle Besonderheiten der im Selling Team des Lieferanten vertretenen Verhandlungspartner zu dulden (Toleranz), desto stärker ist der Beitrag im Rahmen lieferantenbindungspolitischer Bemühungen zu bewerten. Darüber hinaus vertritt der Lieferantenmanager den Funktionsbereich Beschaffung am Beschaffungsmarkt, er kann als Repräsentant der Beschaffung gesehen werden. Fehlverhalten führt nicht nur zu einer Gefährdung bereits bestehender oder potentieller Lieferanten-Beschaffer-Beziehungen, es schlägt auch auf die Tätigkeitserfüllung des Bedarfs- sowie Prozessmanagers zurück. Verhält sich der Lieferantenmanager anerkannten gesellschaftlichen Wertvorstellungen zuwider, indem er Geschenke als Bestechungsversuch des Lieferanten entgegennimmt und damit Lieferanten den Vorzug gibt, die auf Grundlage einer objektiven Lieferantenbewertung nicht in den Lieferantenverhandlungsprozess integriert worden wären,
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Hans Kalberer, Randy Drenth
bringt er die gesamte Beschaffungsabteilung eines Unternehmens in Verruf. Vor diesem Hintergrund erscheint die Forderung an den Lieferantenmanager, für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses (ethisches Verhalten) zwischen den Buying-Team-Mitgliedern aber vor allem hin zum Lieferanten Sorge zu tragen sowie bei Wahrnehmung beschaffungspolitischer Aufgaben eine Vorbildfunktion einzunehmen, legitim. Purchasing Trust Inventory 1. Wir denken, dass die Mitarbeiter der Beschaffungsfunktion bei Besprechungen die Wahrheit sagen. 2. Wir denken, dass die Beschaffungsabteilung die eingegangenen Verpflichtungen uns gegenüber einhält. 3. Unserer Meinung nach sind die Mitarbeiter der Beschaffungsfunktion zuverlässig. 4. Wir denken, dass die Mitarbeiter der Beschaffungsfunktion auf unseren Mitarbeitern herumtrampeln. 5. Wir fühlen, dass die Beschaffungsfunktion immer die Überhand behalten will. 6. Wir denken, dass die Beschaffungsfunktion aus unseren Problemen Vorteile zieht. 7. Wir fühlen, dass die Beschaffungsfunktion mit uns ehrlich verhandelt. 8. Wir fühlen, dass die Beschaffungsfunktion ihre Versprechen hält. 9. Wir denken, dass wir durch die Beschaffungsfunktion nicht in die Irre geführt werden. 10. Wir fühlen, dass sich die Beschaffungsfunktion immer wieder versucht, sich aus ihren Verpflichtungen herauszuwinden. 11. Wir fühlen, dass die Beschaffungsfunktion über gemeinsame Erwertungen fair verhandelt. 12. Wir fühlen, dass die Beschaffungsfunktion versucht, die Verwundbarkeit anderer auszunutzen. Die beschriebenen Statements sind anhand einer Likert-Skala von 1-7 einzuschätzen.
Abb. 3. Purchasing Trust Inventory, in Anlehnung an Cummings u. Bromiley 1996
Damit ist die argumentative Brücke hin zu einigen Überlegungen zur generellen Vertrauensbereitschaft einer spezifischen Organisation geschlagen. Um diese generelle Vertrauensdisposition zu bestimmen, kann auf einen systematisch entwickelten Fragebogen, dem ‚Organizational Trust Inventory’ zurückgegriffen werden (Eberl 2003), der in Abb. 3 auf beschaffungspolitische Belange abgestimmt wurde. Die Ergebnisse bieten erste konkrete und vor allem objektive Anhaltspunkte, wie die Vertrauenswürdigkeit der Beschaffungsfunktion aus Sicht der externen Kunden – der bedarfstragenden Funktionsbereiche wie auch der Lieferanten – einzuschätzen ist, und dient damit als Basis für eine Verhaltensänderung des einzelnen Lieferanten- aber auch Bedarfsmanagers.
Sozialkompetenz im Beschaffungshandeln
3
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Trends in der Beschaffung: Pointierung sozialkompetenten Beschaffungshandelns
Dynamische Überlegungen im Rahmen personalpolitischen Handelns in der Beschaffung dürfen nicht unberücksichtigt bleiben. Diese Aspekte, die auf eine mögliche Kompetenzentwicklung einwirken, können in Form von Trends beschrieben werden in den Bereichen partnerschaftliches Lieferantenmanagement, Beschaffungsrecht, Globalisierung und Beschaffungstechnologie (unternehmensexterne Faktoren) sowie in den Feldern verändertes Aufgabenverständnis und berufliche Weiterbildung des Beschaffers, Beschaffungsorganisation und -strategie (unternehmensinterne Faktoren). Im weiteren Verlauf finden nur diejenigen Trends Beachtung, deren Einfluss auf zukünftiges Beschaffungshandeln nach Einschätzung der Experten als ‚massgeblich’ bzw. ‚sehr bedeutsam’ einzustufen ist (Fröhlich 2004). Die nachfolgende Abb. 4 belegt, dass über die Hälfte der relevanten Trends eine zunehmende Auseinandersetzung mit sozialkompetentem Beschaffungshandeln bedingen. Damit kann zum Abschluss dieser konzeptionellen Überlegungen zur Ausprägung sozialkompetenten Handelns im Funktionsbereich Beschaffung der Beweis angetreten werden, dass Mitarbeiter der Beschaffungsfunktion mit den zukünftigen Anforderungen an ihre Aufgabenerfüllung nur Schritt halten können, wenn sie sich die notwendigen sozialen Verhaltensweisen aneignen bzw. Beschaffungsverantwortliche dafür Sorge tragen, dass Sozialkompetenz zukünftig durch den Einsatz geeigneter Personalentwicklungsmassnahmen gezielt gefördert wird (vgl. zu einer detaillierten Systematik beschaffungspolitischer Personalentwicklungsmassnahmen Fröhlich 2004). Auf der Suche nach Wirkungsbeziehungen im Sinne der positivistischen Ausprägung des Kontingenzansatzes (Scherer u. Beyer 1998) ist die zunehmende Bedeutung sozialer Kompetenzfelder im Beschaffungshandeln durch das Eintreten relevanter Trends exemplarisch zu belegen.
Der Beschaffer wird einen Großteil seiner Zeit für den Aufbau und die Gestaltung von strategischen aber flexiblen Lieferantenbeziehungen aufwenden.
Der Lieferant wird zunehmend in gemeinsame Entwicklungsaktivitäten integriert mit gemeinschaftlicher Planung und Investition.
Selbstkompetenz
Beschaffungstrends und ihr Einfluß Auf das zukünftige Beschaffungshandeln
Sozialkompetenz
Relevante Kompetenzen zur Trendbewältigung
Methodenkompetenz
Hans Kalberer, Randy Drenth
Fachkompetenz
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Es wird zukünftig noch mehr Wert auf Bedarfsbündelung gelegt, weltweit nicht nur im Rahmen nationaler Einheiten.
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Standardisierte, detaillierte und präzisere Systeme der Lieferantenbewertung werden weiter an Bedeutung gewinnen. Damit steigen die Zertifizierungsbemühungen in der Beschaffung.
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Beschaffende Unternehmen investieren zunehmend in Lieferantenentwicklungsmaßnahmen.
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Das Vertrauen in den Lieferanten als innovative Quelle von Produkt- und Prozeßtechnologien wird weiterhin steigen.
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Der Beschaffer muß sich deutlicher als bisher im Rahmen von Lieferantenbewertungsbemühungen mit der Zufriedenheit des Endkunden auseinandersetzen.
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Das Internet bildet das Rückgrad für e-procurement. Beides beeinflußt zukünftig nachhaltig die Gestaltung und Abwicklung von Beschaffungsprozessen.
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EDI, vor allem in Zusammenhang mit Lieferanten, wird zunehmend bedeutsamer.
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Der Einsatz von Datenverbünden/DFÜ wird weiter zunehmen.
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Einheitliche Codierungen und Datentransferprotokolle bestimmen den Informationsaustausch in der Lieferanten-Beschaffer-Beziehung.
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Die Beschaffung auf globalen Märkten wird weiter zunehmen.
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Der Aufbau von World-Class Lieferanten in Entwicklungsländern gewinnt zunehmend an Bedeutung.
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Die Komplexität der Beschaffungsbeziehungen wird durch die steigende Bedeutung von globalen strategischen Allianzen (Beschaffungskooperationen) steigen.
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Zwei Arten von Beschaffungsmitarbeitern werden sich entwickeln – zum einen der professionelle, strategisch ausgerichtete Beschaffungsmanager im Gegensatz zum Sachbearbeiter, dessen Fokus auf der Beschaffungsabwicklung liegt.
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Beschaffungsmitarbeiter werden sich zukünftig weniger mit operativen Beschaffungsaktivitäten auseinandersetzen.
Karrierepfade in Unternehmen werden zukünftig auch die Beschaffung mit einschließen.
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Methodenkompetenz
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Fachkompetenz
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Die Vergütung der leitenden Beschaffungsangestellten wird gekoppelt an die Fähigkeit, die gesetzten Ziele zu erreichen.
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Zeit als Wettbewerbsfaktor wird zunehmend vom Beschaffungsmanagement unterstützt, speziell bei der Entwicklung neuer Prozesse und Produkte.
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Der Einsatz von Modullieferanten wird weiter an Bedeutung gewinnen.
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Die Beschaffung sieht sich weiterhin einem stetigen Kostendruck ausgesetzt. Im Rahmen eines strategischen Kostenmanagements muß sich der Beschaffer mit der fairen Kostenverteilung sowie Zielkostenvereinbarungen auseinandersetzen.
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Die Bedeutung der Leistungsmessung in der Beschaffung wird zunehmen, speziell in den Bereichen, die direkt die Wettbewerbsposition des Unternehmens betreffen.
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Integrative Lieferantenbeziehungen in Form von JIT oder geografischer Anbindung werden steigen.
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Der Aufbau von Win-Win-Verhandlungen wird zunehmend komplexer und professioneller und weniger emotionsgeladen.
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Der Einkauf von Dienstleistungen wird sich erhöhen, hier sind die entsprechenden Beschaffungsinstrumentarien zu entwickeln.
Designer, Konstrukteure und Einkäufer werden zukünftig gemeinsam Einkaufsteams bilden. Die Grenzen zwischen den Funktionsbereichen werden abnehmen.
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Bezugsentscheidungen werden in Teams getroffen.
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Es erfolgt eine zunehmende Zentralisation der Beschaffungsentscheidung.
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Die Geschäftsleitung erkennt die Bedeutung der Beschaffung zur Erreichung der Unternehmensziele. Der Fokus verlagert sich weg von der Orientierung an Umsatzzahlen hin zur Gestaltung von Einkaufsprozessen.
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Relevante Kompetenzen zur Trendbewältigung Beschaffungstrends und ihr Einfluß Auf das zukünftige Beschaffungshandeln
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Abb. 4. Exemplarische Zuordnung relevanter Kompetenzen zur Trendbewältigung
Zum Abschluss soll ein Trendbereich exemplarisch herausgegriffen werden. Die befragten Experten vertreten die Meinung, dass Beschaffer zukünftig einen Grossteil ihrer Zeit für den Aufbau und die Gestaltung strategischer aber flexibler Lieferantenbeziehungen aufwenden werden. Alle Trends, die im Rahmen des partnerschaftlichen Lieferantenmanagements als sehr wichtig erachtet wurden, verlangen sozialkompetente Beschaffungsmitarbeiter, die durch Einsatz des entsprechenden Handwerkzeugs (Methoden) in der Lage sind, Lieferanten-Beschaffer-Beziehungen zu etablieren und langfristig am Leben zu erhalten. Das Forcieren der Bemühungen, Lieferanten zunehmend in gemeinsame Entwicklungsaktivitäten zu integrieren mit gemeinschaftlicher Planung und Investition, um sie als
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Hans Kalberer, Randy Drenth
Quelle von Produkt- und Prozesstechnologien zu nutzen, verlangt ebenfalls nach sozialkompetenten Beschaffungsmitarbeitern. Gelingt es dem Lieferantenmanager nicht, durch entsprechendes normenidentisches Verhalten ein Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien zu etablieren, gestaltet sich die Nutzung des Lieferanten als potentielle Leistungsquelle deutlich schwieriger.
Literatur Arnold U, Scheuing P (1998) Purchasers as Change Agents: Supply Leadership in the Borderless Organization. unveröffentlichtes Manuskript, NAPM Bosetzky H, Heinrich P, Schulz zur Wiesch J (2002) Mensch und Organisation. 6. Aufl, Stuttgart Bürger W (1978) Teamfähigkeit im Gruppenunterricht. Weinheim/Basel Cummings L, Bromiley M (1996) The Organizational Trust Inventory (OTI): Development and Validation. In: Kramer R, Tyler T (Hrsg) Trust in Organizations. Frontiers of Theory and Research. Thousand Oaks, S 302–330 Drumm H J (2000) Personalwirtschaft. 4. Aufl, Berlin et al. Eberl P (2003) Vertrauen und Management. Stuttgart Fröhlich E (2004) Zur Modellierung von Berufsbildern im Funktionsbereich Beschaffung. noch unveröffentlichte Habilitationsschrift, Köln Henning-Thurau H, Hansen U (2000) Relationship Marketing – Some Reflections on the State-of-the-Art of the Relational Concept. In: Henning-Thurau T, Hansen U (Hrsg) Relationship Marketing. Berlin et al., S 1–27 Kolb M (1998) Personalmanagement. 2. Aufl, Berlin Koppelmann, U (2004) Beschaffungsmarketing. 4. Aufl, Berlin et al. Scherer A, Beyer R (1998) Der Konfigurationsansatz im Strategischen Management – Rekonstruktion und Kritik. DBW 3: 332–347 Schuler H, Barthelme D (1995) Soziale Kompetenz als berufliche Anforderung. In: Seyfried B (Hrsg) „Stolperstein“ Sozialkompetenz. Bielefeld, S 77–116
Sozialkompetenz in der Beschaffungspraxis Hans Kalberer1, Randy Drenth2 1 2
Büro Fürrer AG Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen
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Was muss ein Supply Chain Manager können?
Ein Supply Chain Manager steuert die Koordination und Integration der an der Lieferkette beteiligten Partner. Er initiiert und leitet bereichs- und unternehmensübergreifende Projekte, um die Prozesse der Wertschöpfung zu optimieren (Mentzner et al. 2000). Er ist für das Funktionieren der Lieferketten von Einkauf über Produktion bis Logistik zuständig und stellt sicher, dass Produkte termingerecht und kostengünstig zur Verfügung stehen. Desweiteren koordiniert er die Abläufe interner Abteilungen, Lieferanten und Spediteuren. Dabei versucht er immer, den Informations- und Materialfluss zu optimieren, um die Effizienz zu steigern. Welche Eigenschaften benötigt ein Supply Chain Manager? Im täglichen Geschäft ist der Einkäufer diversen Herausforderung gestellt. Einerseits sind Produkte und Dienstleistungen höchster Qualität zu Tiefstpreisen zu beschaffen. Ein hervorragender Service und eventuell auch eine langfristige Liefersicherheit gehören ebenfalls zu den Verantwortungen. Es muss zudem Kontinuität für die Produktion gewährleistet werden. Verhandlungsgeschick, hohe Teamfähigkeit sowie fundierte Englischkenntnisse sind einige der Erwartungen an Supply Chain Manager in Stellenausschreibungen. Das Talent, komplexe Beziehungsgeflechte zwischen Firmen aus einer gewissen Distanz zu betrachten sowie ein gewisses Fingerspitzengefühl und Sozialkompetenz sind ebenfalls erwünscht. Der Supply Chain Manager arbeitet mit vielen verschiedenen Abteilungen zusammenarbeitet und muss neben einem guten Überblick auch über Detailwissen aus unterschiedlichen Bereichen verfügen. Dies setzt voraus, dass der Supply Chain Manager sich vor allem durch seine Sozialkompetenz und die Fähigkeit, Vertrauen zu vermitteln, vom traditionellen Einkaufsleiter unterscheidet.
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Hans Kalberer, Randy Drenth
Was ist Sozialkompetenz?
Sozialkompetenz ist eng mit Persönlichkeit und Erfahrung verbunden. Die Fähigkeit, mit Mitarbeitern, Kollegen, Kunden zusammenzuarbeiten, ein gutes Organisationsklima zu erreichen und zu erhalten sowie eigenverantwortlich zu handeln, zeichnet Sozialkompetenz aus. Kontaktfähigkeit, Kritik- und Konfliktfähigkeit, Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit, Teamund Zusammenarbeitsfähigkeit sowie Durchsetzungs- und Überzeugungskraft bilden nach North (2005, siehe Tabelle 1 im Anhang) wesentliche Bestandteile der Sozialkompetenz. Viele Einkäufer behandeln Verkäufer oder Key Account Manager nicht so, wie sie selbst gerne behandelt werden möchten. Dies verschlimmert sich, wenn die Machtskonzentration auf Seiten des Einkäufers zunimmt. Oft fällt auf, dass vielen Einkäufern soziale Fähigkeiten fehlen. Einige sind sogar stolz darauf und argumentieren, dass in Verhandlungsgesprächen Härte gefragt sei. Allzu oft wird ein sachgerechtes Verhandeln mit fehlender Sozialkompetenz verwechselt. Nicht nur in KMU's sondern auch in Grossunternehmen arbeiten Einkäufer, die weder beschaffen noch integrieren, sondern nur einkaufen. Sozialkompetenz kommt darin zum Ausdruck, wie sich der Supply Chain Manager bemüht, persönliches Interesse zu zeigen und sich an Einzelheiten zu erinnern. Auch wenn er eine Offerte ablehnt kann er in die Lieferantenbeziehung investieren, in dem er dafür sorgt, dass er die Entscheidung fundiert argumentiert (Fawcett et al. 2004). Die Art und Weise, wie er sich dabei ausdrückt, ist bindend für den weiteren Verlauf der Lieferantenbeziehung. Durch den geschickten Einsatz sozialer Fähigkeiten kann eine eventuelle Zusammenarbeit zu einem späteren Zeitpunkt sichergestellt werden. Gute Lieferanten können mit einer Ablehnung leben, möchten aber direkt begründet sehen, warum das Angebot oder die Offerte den Anforderungen nicht entsprochen hat. Der Supply Chain Manager sollte sich deshalb jederzeit vernünftiger Argumente bedienen und nicht dazu verleiten lassen, persönliche Empfindungen und pauschale Firmenansichten in seinem Plädoyer einfliessen zu lassen. Obwohl der Beschaffungsmarkt wächst, bleibt man doch oft auf einzelne Beziehungen angewiesen. Offenheit und Ehrlichkeit können später zu neuen Aufgeboten oder Offerten führen. Es ist eine Herausforderung, ein geschicktes Mass an sozialer Fähigkeit beizubehalten und trotzdem objektiv zu bleiben. Als Ziel könnte man vor
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Augen halten, dass der Lieferanten dazu gebracht werden soll, von Fehlern zu lernen und seine Kompetenzen zu verbessern. Dies könnte über einen Vertragsabschluss geschehen. Jedoch kann eine gute Kommunikation gestützt durch die Sozialkompetenz eines Supply Chain Managers dazu führen, dass auch bei einem Ablehnen der Lieferant dazu gebracht werden kann, seine Leistungen zu verbessern. Dann wäre er eventuell bei der nächsten Ausschreibung für eine Zusammenarbeit geeignet (Williams 2002). Ein effektives Management der Supply Chain fängt somit schon an dieser Stelle an. Erfolgreiche Kooperationen mit Schlüssellieferanten können gerade durch kritische Ereignisse eingeleitet und entwickelt werden. Die Sozialkompetenz spielt dabei eine entscheidende Rolle. Einkäufer und Verkäufer wurden längere Zeit über den Win-winGedanken zu mehr partnerschaftlichen Verhandlungen verholfen (Fawcett u. Magnan 2001). Trotzdem bleibt es für den Einkäufer unerlässlich, die Machtsverhältnisse vor der Verhandlung zu ermitteln. Falls die Verhandlungsmacht zwischen den Parteien gleich verteilt ist, ist die Gefahr, Macht zu missbrauchen zwar gering, jedoch schwierig zu ermitteln. Neben Fachkenntnissen, klaren Spezifikationen und Verhandlungsmacht, sind soziale Fähigkeiten insbesondere dann notwendig, wenn das Machtsverhältnis zu Gunsten des Einkäufers ausfällt. Profil eines sozial fähigen Einkaufsleiters: x Zeigt aufrichtiges Interesse an Menschen x Möchte andere behandeln, so wie er selber behandelt werden möchte x Zuverlässigkeit: Ja ist Ja und Nein ist Nein x Ist ein guter Zuhörer
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Wie kann man Sozialkompetenz aufbauen?
Eine wichtige Methode ist die Analyse des Verhandlungsgespräches mit Kollegen, welche wertvollen Input liefern können. Die Analyse von Fehlern bietet interessante Lernmöglichkeiten. Dabei ist zu beachten, dass Fehler analysiert und nicht berechtigt werden müssen. Videoaufnahmen von Gesprächen und Verhandlungen können helfen, soziale Mängel aufzudecken. Am besten sind Beobachtungen, von denen vorher nicht bekannt war, dass sie gespeichert wurden. Das, was einen selbst auffällt, sowie die Kommentare anderer helfen, soziale Stärken und Schwächen zu ermitteln. Auch die Reaktion auf das Feedback ist wichtig. Die Bereitschaft zuzuhören muss auch hier gegeben sein. Ein Einkaufsleiter, der sich verteidigt, ist
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mehr an sich selbst als an einer erfolgreichen Verhandlung interessiert. Ein Auge für Details im täglichen Leben, im Umgang mit Kollegen, Freunden und Verwandten ist ebenfalls hilfreich. Automatisch nimmt das Interesse an anderen zu, da man viel Neues entdeckt. Dies führt zu mehr Gesprächsstoff und Anregungen im beruflichen Umgang. Ein guter Einkäufer kann auch ein guter Verkäufer sein. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Es gibt Menschen die meinen alles verkaufen zu können. Jedoch muss man sich auch mit der Leistung oder dem Produkt identifizieren können. Es gilt, Vertrauen zwischen Produkt und Kunde aufzubauen. Sowohl der Einkäufer als auch der Verkäufer brauchen die gleichen sozialen Fähigkeiten. Beide müssen mit Machtverhältnissen umgehen können. Manchmal liegt die Verhandlungsmacht beim Einkäufer, manchmal aber auch beim Verkäufer. Eine echte Win-Win-Situation, d.h. eine Verhandlung, in der beide Parteien gleich viel profitieren, tritt daher selten ein. Vor allem wenn die Gegenpartei mehr Verhandlungsmacht besitzt, kommt es darauf an, Sozialkompetenz einzusetzen. Über reichhaltige Erfahrung in Verhandlungen kann Sozialkompetenz angeeignet werden. Vertrauensaufbau ist das Ergebnis von Sozialkompetenz. Sie ist von den in diesem Buch identifizierten Kompetenzen jene, die am engsten an die eigene Person gebunden ist. Die folgenden Charakteristika und Fragen helfen beim Aufbau von sozialer Kompetenz: Das Geheimnis liegt im aufrichtigen Interesse an Mitmenschen: x Ungeteilte Aufmerksamkeit schenken, wenn der andere spricht x Aufrichtiges Interesse zeigen an das, was der Lieferant sagt oder zeigt, nicht oberflächlich werden x Angemessenes Erscheinungsbild, passende Kleidung x Respektvolle, aufmerksame Körperhaltung x Sorge für einen sauberen und gut belüfteten Besprechungsraum x Gute Vorbereitung des Gespräches x Wichtige Bemerkungen oder Zitate aufschreiben Man kann sich fragen: x Wie möchte ich empfangen werden? x Wie möchte ich behandelt werden? x Wie lange würde ich warten, wenn die Zeit des Termins schon abgelaufen ist? x Wie möchte ich, dass man mit meinen Vorschlägen, Angeboten und Offerten umgeht?
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x Was würde ich davon halten, wenn ich bemerke, dass man kein Interesse für mich hat? x Was halte ich davon, wenn der Gegenüber sich nicht vorbereitet hat? x Was halte ich davon, wenn ich bemerke, dass man nicht schätzt, was ich sage? x Wie verhalten sich andere Vertreter meiner Firma und welchen Eindruck erwecken sie? x Welche Atmosphäre sagt mir zu? x Welchen Eindruck vermitteln meine nicht verbale Kommunikation und meine Körperhaltung? x Was vermittelt mein Sitzungsraum für einen Eindruck?
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Fallbeispiel Büro-Fürrer AG
Büro-Fürrer, ein Schweizer Unternehmen der Bürobedarf- und Büromöbelbranche, wurde nach 120 Jahren Selbstständigkeit im April 2005 von der Besitzerfamilie an das global tätige Unternehmen Lyreco verkauft. Durch den Zusammenschluss mit Lyreco ergaben sich verschiedene Veränderungen. Das kontinuierlich zweistellige Wachstum während der letzten zwölf Jahre erforderte eine grundlegende Anpassung an aktuelle Beschaffungsstrategien und Methoden. Das Ziel im Einkauf war die Veränderung vom stark traditionell geprägten Einkauf zu einer professionellen und prozessorientierten durchgängigen Beschaffung im Sinne des modernen Supply Chain Managements. Aufgrund des stark erweiterten Beschaffungsmarktes und des angepassten Sortiments mit weniger Produkten wurden ein grosses Einsparungs-Potential erwartet. Eine ausgeprägte Stärke von Lyreco besteht darin, in allen Ländern nahezu alle 4'000 Produkte für die Kunden ab Lager verfügbar zu halten. International tätigen Kunden wird somit ein standardisiertes Sortiment zur Verfügung gestellt, welches in jedem Land die gleichen Produkte zu gleichen Preisen und mit gleichen Artikel-Nummerierungen bietet. Neben dem internationalen Sortiment existiert ein lokaler Katalog mit ergänzendem länderspezifischem Sortiment. Spezielle Kundenwünsche haben in der Vergangenheit zu vielen neuen und zusätzlichen Lieferanten und Produkten geführt. Die Ziele von Verkauf und Beschaffung waren dadurch oft entgegengesetzt. Eine Abstimmung mit der Verkaufsabteilung durch intensive Kommunikation und den Kunden musste daher vorgenommen werden.
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Die genaue Überprüfung und permanente Überwachung aller Lieferanten führte zu einer Optimierung des Lieferantenportfolios und somit auch der totalen Beschaffungskosten. Speziell für strategisch wichtige Lieferanten wurden differenzierte Strategien erarbeitet, um damit eine gezielte Lieferanten Entwicklung zu erreichen. Dank Lieferantenbewertungen wurden ausserdem viele Schwachpunkte erkannt, welche durch klare Zielsetzungen und gemeinsam definierte Massnahmen korrigieren werden konnten. Eine systematische und regelmässige Kommunikation durch monatliche Meetings mit den strategischen Lieferanten wurde durchgeführt. Alle Hauptprozesse werden periodisch überprüft. Im Zusammenhang mit dem Neubau des Logistikzentrums wurden speziell die Prozesse Auftragserfassung, Kommissionieren, Verpacken und Distribution optimiert. Die Prozesse der Lieferkette konnten vor dem Verkauf leider noch nicht abschliessend untersucht und bei Bedarf neu definiert werden, obwohl anhand einer ersten Analyse ein grosses Einsparungspotential festgestellt wurde. Auch das Thema Vendor Managed Inventory (VMI – Lagerbewirtschaftung durch den Lieferanten selbst verwaltet) wurde bereits mit einigen Lieferanten eingehend diskutiert und als gute Möglichkeit ins Auge gefasst. Bei mehreren strategischen Lieferanten wurde eine elektronische Anbindung umgesetzt (PBS Easy) für Bestell- und Fakturierungsprozesse. Im Weiteren hat sich die Trennung von strategischem und operativem Einkauf als sehr positiv herausgestellt. Der operative Einkauf wurde dank der Angliederung an die Logistik verstärkt prozessorientiert. Die Einhaltung der Standards Lagerumschlag mind. 10 und einer Lieferbereitschaft von 99% bedurfte einer dauernden Überprüfung und Optimierung des Lagerbewirtschaftungs-Systems (Movex), aber auch einer permanenten Suche und genauen Analyse der vielschichtigen Ursachen von Nachlieferungen und erhöhten Lagerbeständen. Verschiedene Massnahmen führten zu massiven Verbesserungen in Bezug auf Kosten und Kundenzufriedenheit. Alle Aktivitäten und Veränderungen in Beschaffung und Produktmanagement wurden mit einem detaillierten Beschaffungs- Controlling genau verfolgt. Dank diesem Cockpit hatte das Top Management laufend einen genauen und aktuellen Überblick der Einkaufsseite, welche ein immer bedeutenderer Beitrag für den Unternehmenserfolg zu leisten hat. In Bezug auf Sortiment und Beschaffung bestanden eine Reihe von Risiken mit den geplanten Änderungen. So wurde eine verschlechterte Zusammenarbeit mit lokalen Lieferanten aufgrund der verstärkten internatio-
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nalen Beschaffung befürchtet. Auch war von ungenügender Akzeptanz und Flexibilität des Personales auszugehen. Eine weitere Gefahr bestand in der Aufblähung des Lieferantenportfolios durch viele neue internationale Lieferanten sowie neue Beschaffungsprozesse und höhere Mindestbezugsmengen. Insgesamt bestand das Risiko einer Verschlechterung der Supply Chain Leistungsfähigkeit aufgrund der konzernweiten Standardisierung. Risiken in sachlichen Angelegenheiten konnten mit entsprechender Planung weitgehend ausgeschaltet werden können. Es hat sich aber gezeigt, dass die sehr vielschichtige menschliche Ebene ein wichtiger Schlüssel für eine erfolgreiche Integration und Erschliessung der Potentiale war. Viele Menschen werden mit anderen Menschen und einer Vielzahl neuer Gegebenheiten konfrontiert. Es steht daher ausser Frage, dass der Mensch für eine erfolgreiche Integration im Mittelpunkt stehen muss. Stress, Angst um den Arbeitsplatz, Unklarheiten, fehlendes Verständnis, unterschiedliche Mentalitäten, neue Aufgaben, veränderte Kompetenzen, neue Prozesse und Tools, Sprachprobleme, Zielkonflikte zwischen Konzern- und lokalen Mitarbeitern, verändertes Verhalten der lokalen Lieferanten, Spannungen zwischen Verkauf und Einkauf durch Sortimentsveränderungen, ungenügendes Verständnis des Konzerns für nationale Gegebenheiten usw. können zu kritischen Situationen führen, die eine herausragende Sozialkompetenz erfordern. Die Sozialkompetenz des Beschaffungs- und Product-Management-Teams stellt deshalb bei allen Veränderungen und in der Ausübung der Funktion ein zentraler Erfolgsfaktor dar. Das Anwenden sozialer Fähigkeiten spielt eine unerlässliche Rolle bei der Erzielung von Geschäftserfolgen in der Beschaffung. Einmalige Einkaufserfolge oder Kostenreduktionen sind keine schwierige Aufgabe, wenn der Machtsvorteil beim Einkäufer liegt. Jedoch ist es eine Kunst, langfristig diese Erfolge zu wiederholen und trotzdem eine kooperative Beziehung mit den Lieferanten oder Verkäufern zu pflegen. Eine ehrliche Beziehung mit der verkaufenden Partei sichert den langfristigen Erfolg der gesamten Supply Chain.
Literatur Fawcett S E, Magnan G N (2001) Achieving World-Class Supply Chain Alignment Benefits, Barriers, and Bridges. National Association of Purchasing Management, Phoenix
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Fawcett S E, Rhoads G K, Burnah P (2004) People as the bridge to competitveness: Benchmarking the "ABCs" of an empowered workforce. Benchmarking 4:346–360 Mentzer J T, Min S, Zacharia ZG (2000) The nature of interfirm partnering in supply chain management. Journal of Retailing 4: 549–568 North K, Reinhardt K (2005) Kompetenzmanagement in der Praxis, Gabler, Wiesbaden Williams R (2002) Interview with Roy Williams on ESPN. 21 November 2005
Anhang Glossar Sozial- und Persönlichkeitskompetenz (North 2005) Durchsetzungs- und Überzeugungskraft - gewinnt andere für eigene Ideen und Ziele - setzt auch gegen Widerstand Ideen und Ziele um Ausdauer und Belastbarkeit - zeigt einen starken Willen - behält auch bei Widerständen sein Ziel im Auge - besitzt Frustrationstoleranz - zeigt hohe Leistungsbereitschaft - ist krisenfest und resistent gegen Stress Eigeninitiative - sucht aus eigenem Antrieb nach neuen Aufgaben - gestaltet sein Arbeitsumfeld aktiv und bringt kreative Ideen und Vorschläge ein - ist experimentierfreudig - ist begeisterungsfähig - verwirklicht anspruchsvolle Ziele durch eigenes Engagement - denkt in Lösungen, nicht in Problemen - sucht den Erfolg Eigenverantwortung und Selbständigkeit - trägt für die von ihm übernommenen Aufgaben stets die volle Verantwortung - arbeitet selbständig - holt sich Unterstützung im richtigen Masse und zum richtigen Zeitpunkt - nimmt seine Befugnisse in vollem Umfang wahr - schöpft seine Fähigkeiten in vollem Umfang aus - nimmt seine Entfaltungs- und Bewährungschancen in der Einheit mit Verantwortungsübernahme wahr - beherrscht das Selbstmanagement und setzt seine Zeit effektiv ein - trägt schöpferische Verantwortung Kontaktfähigkeit, Wertschätzung und Respekt - baut schnell Beziehungen zum Gesprächspartner auf und hält sie aufrecht
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- geht aktiv, offen und direkt auf Gesprächspartner zu - schafft Vertrauensbasis und geht kollegial mit Mitarbeitern um - schafft ein tragfähiges und kollegiales Arbeitsklima - kann die Sichtweise und Situation des Gesprächspartners verstehen und angemessen berücksichtigen - ist sensibel für Emotionen des Gesprächspartners und reagiert angemessen darauf - ist loyal und glaubwürdig - sieht gegenseitige Wertschätzung und Respekt als Grundlage der Zusammenarbeit und Kommunikation im Unternehmen - verhandelt partnerschaftlich im Sinne des Gesamtunternehmens Kundenorientierung - erkennt Bedürfnisse und Erwartungen von Kunden und handelt danach - gestaltet und pflegt Beziehungen zu Kunden - sichert und verbessert Kundenzufriedenheit - schafft Lösungen im Interesse von Kunden, ohne dabei die Ziele des Unternehmens aus den Augen zu lassen - gewinnt Arbeitszufriedenheit aus dem Erfolg beim Kunden Risikofreude und -bereitschaft - ist zur Übernahme von Risiken bereit - kann Risiken und Erfolgsaussichten abwägen Internationalität - hat ausreichende Sprachkenntnisse - kann mit Kollegen aus anderen, fremden Kulturkreisen zusammenarbeiten - hat Verständnis für fremde Gewohnheiten, zeigt Akzeptanz Strukturiertes/ analytisches Denken und Handeln - geht strukturiert und methodisch vor - konzentriert sich auf das Wesentliche - arbeitet detailliert und geht den Dingen auf den Grund - plant und steuert strukturiert - behält auch bei hoher Komplexität den Überblick Teamfähigkeit / Zusammenarbeit - integriert eigene Person ins Team - kann Kompromisse eingehen - ist fähig, Konsensentscheidungen zu treffen und zu tragen - handelt mit Offenheit und Toleranz Veränderungsbereitschaft/-fähigkeit - sucht und findet neue Wege und geht Neues aktiv an, ist bereit zu Innovationen - erkennt Veränderungsbedarf - zeigt hohe Veränderungsbereitschaft - verfolgt die Chancen, die in Veränderung und Wandel liegen - nimmt neue Entwicklungen positiv auf und treibt sie voran
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- zeigt Lernbereitschaft/ -vermögen - zeigt Kreativität Flexibilität und Schnelligkeit - stellt sich schnell auf veränderte Situationen und Rahmenbedingungen ein - entwickelt in Problemsituationen schnell zielführende Lösungen Zuverlässigkeit - hält Vereinbarungen und Zusagen immer ein
Führungskompetenz für Supply Chain Manager Heike Bruch, Bernd Vogel Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St. Gallen
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Indirekte und direkte Führung als Grundperspektiven der Führung
Leadership oder Führung umfasst den professionellen Umgang mit weichen Faktoren im Management. Führung zielt insbesondere auf die zielund ergebnisorientierte Verhaltensbeeinflussung von Mitarbeitern (Wunderer 2003). Diese Verhaltensbeeinflussung kann indirekt durch Strukturen und Systeme oder direkt auch durch unmittelbare Interaktion erfolgen. Indirekte (systemisch-strukturelle) Formen der Führung setzen Rahmenbedingungen. Durch die Gestaltung von Kultur, Strategie und Organisationsstrukturen werden Mitarbeiter in ihrem Verhalten beeinflusst. Unternehmen unterscheiden sich z.B. darin, ob sie eine innovationsförderliche oder behindernde Kultur haben, ob sie laterale Informationsflüsse im gesamten Unternehmen oder nur vertikale Kommunikation zulassen. Dies hat einen Einfluss u.a. auf das Ausmass an Einsatzbereitschaft oder Eigeninitiative der Mitarbeiter. Bei direkter Führung handelt es sich um die unmittelbare Interaktion mit Mitarbeitern. Innerhalb der direkten Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung beeinflussen Führungskräfte unmittelbar das Verhalten ihrer Mitarbeiter – und umgekehrt (Bruch 1998). Führungskräfte versuchen unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Kompetenzen ihrer Mitarbeiter sowie der Arbeitssituation ihr Verhalten so zu lenken, dass sie Ziele besser erreichen (Wunderer 2003). Für Führungskräfte wie den Supply Chain Manager hat die direkte Führung grosse Bedeutung. Supply Chain Manager planen, gestalten, steuern und kontrollieren mit ihren Teams logistische Netzwerke. Sie müssen das Mitarbeiterverhalten und auch die Netzwerkbeteiligten ausserhalb der Un-
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Heike Bruch, Bernd Vogel
ternehmensgrenzen positiv im Sinne der Unternehmensziele beeinflussen. Oftmals erfordern die an die Logistik gestellten hohen Flexibilitätsanforderungen und engen Zeitfenster zunehmende Verantwortung und Freiräume der Mitarbeiter, um gegenüber externen und internen Kunden erfolgreich zu reagieren. Supply Chain Manager können daher nicht mehr eng durch tägliche Vorgaben führen, sondern sollten den Mitarbeitern im Rahmen der direkten Führung höhere Handlungsspielräume einräumen. Wir stellen im Folgenden drei direkte Führungsformen vor: x transnationale Führung x transformationale Führung sowie x die Handhabung von Energie und Emotion in Unternehmen. 1.1 Transaktionale Führung Transaktionale Führung» (Bass 1990) betrachtet das Verhältnis von Mitarbeiter und Führungskraft als Tauschbeziehung. Sie dient vielen Unternehmen als Basis für das Führungsmodell des Management by Objectives. Die Gestaltung der transaktionalen Führungsbeziehung besteht aus zwei Elementen: Der Weg- und Zielklärung mit anschliessender Belohnung sowie dem Eingreifen der Führungskraft im Ausnahmefall (Management by Exception). Transaktionale Führung ist eine Form der Delegation, die sich z.B. im Supply Chain Management anbietet, da erfolgreiche Arbeit dort Freiräume und schnelle, eingeständige Anpassungsfähigkeit erfordert. Das erste Element - Zielvereinbarung und leistungsorientierte Belohnung beruht auf der Vereinbarung von Zielen und Handlungsspielräumen. Führungskräfte motivieren Mitarbeiter, die Ziele zu verfolgen, in dem sie bei Zielerreichung als Gegenleistung für die Anstrengung und Einsatzbereitschaft klar definierte Belohnungen vergeben. Erfüllen Mitarbeiter die vereinbarten Aufgaben und Ziele nicht, vergibt die Führungskraft keine Belohnung, sondern bestraft sie durch Entzug von Vorzügen. Nutzenorientierte Mitarbeiter versuchen, letzteres zu vermeiden und verhalten sich so, dass sie die materiellen oder immateriellen Belohnungen bekommen. Entscheidende Voraussetzung für eine hohe Motivation und ein starkes Interesse an der Zielerreichung ist, dass die Führungskräfte die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter kennen und entsprechende Belohnungen für die Zielerreichung klar definieren. Im Rahmen der transaktionalen Führung übertragen Führungskräfte den Mitarbeitern umfassende Spielräume zur eigenständigen Zielerreichung.
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Das zweite Element transaktionaler Führung verweist darauf, dass Führungskräfte nur in Ausnahmenfällen eingreifen – Management by Exception. Das heisst,. Führungskräfte, die Anlass für die Annahme haben, dass die Zielerreichung in Gefahr ist oder unvorhergesehene Vorkommnisse eine Zieländerung erfordern, werden sich einschalten. Supply Chain Manager, die ihre Mitarbeiter transaktional führen wollen, können auf folgende Verhaltensweisen zurückgreifen (Bass 1990; Wunderer u. Bruch 2004): x Konzentriert sich auf vorgegebene Ziele x Definiert Ziele klar und operational (z.B. als Aufgaben/Programme) x Sorgt für Verträglichkeit von Mitarbeiterzielen und Arbeitszielen x Analysiert Aufgabeneignung und -motivation x Fördert Fähigkeiten zur Zielerreichung x Sorgt für eine günstige Arbeitssituation x Greift nur im Ausnahmefall ein. x Gibt Feedback x Sichert Belohnung für Zielerreichung Mit diesen Verhaltensweisen gelingt es Führungskräften Mitarbeitern nicht nur für einzelne Arbeitsschritte zu interessieren, sondern sie für die Zielerfüllung grösserer Arbeitspakete oder umfassenderer Prozesse zu motivieren. Führungskräfte können so die Aufgabenbereiche an Mitarbeiter delegieren und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Ausführung im Sinne des Unternehmens erfolgt. 1.2 Transformationale Führung Transformationale Führung (Bass 1990) ist ein stark emotionaler Ansatz, der darauf abzielt, die Motive und Ansprüche der Mitarbeiter zu beeinflussen und die Gefühle selbst so zu sagen zu transformieren. Transformationale Führungskräfte heben die Bedürfnisse und Ziele der Mitarbeiter auf ein höheres Niveau, indem sie auf Sinnvermittlung, Vorbildhandeln, Inspiration und Förderung der Mitarbeiter setzen. Transformationale Führungskräfte arbeiten z.B. mit Visionen, die weit über die bisherige Situation hinausgehen und so attraktiv sind, dass bei den Mitarbeitern emotionale Begeisterung entsteht (Shamir et al. 1993). Transformationales Führungsverhalten erzeugt bei den Mitarbeitern Vertrauen, Bewunderung, Optimismus und Respekt. Daher sind die Mitarbeiter bereit, mehr zu tun, als sie selbst ursprünglich erwartetet haben (Yukl 2002) und
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Heike Bruch, Bernd Vogel
engagieren sich von sich aus für Veränderungen. Transformationale Führung unterstützt daher insbesondere die erfolgreiche Initiierung und Umsetzung tief greifender Veränderungs- und Innovationsprozesse. Transformationale Führung existiert nicht nur auf der Top-ManagementEbene. Auch mittlere und untere Führungskräfte setzen transformationales Führungsverhalten erfolgreich ein. Um bei Mitarbeitern hohes Engagement und Commitment zu erzeugen, nutzen Führungskräfte vier grundlegende Einflusswege der transformationalen Führung (Bass u. Avolio 1994).
Transformationale Führung Idealisierter Einfluss
Inspiration
Geistige Anregung
Individuelle Berücksichtigung
– als Vorbild wirken – hohe moralische Standards setzen – Wahrnehmung von Vision/ Mission entwickeln
– über eine fesselnde Zukunftsvision Ansporn erzeugen – Zukunftsvision, die zu Beiträgen für das Wohl der Gruppe motiviert – emotional begeistern
– Mitarbeiter anhalten, Arbeit aus neuen Perspektiven anzusehen – vertraute Probleme in neuem Licht betrachten
– Fähigkeiten und Potenziale der Mitarbeiter auf neues Niveau heben – Mitarbeiter individuell beachten und fördern
Abb. 1. Einflusswege der transformationalen Führung, in Anlehnung an Bass u. Avolio (1994)
x Idealisierter Einfluss ist die Beeinflussung der Mitarbeiter durch persönliche Ausstrahlung, Vorbildhandeln und Identifikation mit der Führungskraft. Die Führungskraft demonstriert Enthusiasmus und verkörpert selbst das erwartete Verhalten. Mitarbeiter schreiben diesen Führungskräften besondere Fähigkeiten, Erfolg und Durchsetzungskraft zu (House/Shamir 1993). Dieses Charisma sorgt besonders auch in Changesituationen für Vertrauen in die Führungskraft. x Inspirierende Motivation meint die Definition und Kommunikation von klaren, greifbaren Visionen, die Begeisterung und Faszination bei Mitarbeitern erzeugen. Transformationale Führungskräfte sprechen so bewusst die emotionale Motivation an (Shamir/House/Arthur 1993).
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x Geistige Anregung umfasst das Hinterfragen etablierter Denkmuster und die Vermittlung neuer Einsichten. Führungskräfte bringen Mitarbeiter dazu, bisherige Denkschemata in Frage zu stellen, neue Erkenntnisse zu nutzen und ungewohnte Lösungswege auszuprobieren. Transformationale Führungskräfte aktivieren so Emotionen und zugleich das innovative Denken der Mitarbeiter. x Individuelle Berücksichtigung heisst, dass Führungskräfte den einzelnen Mitarbeiter individuell betrachten und dessen spezifische Fähigkeiten und Bedürfnisse identifizieren. Sie ermutigen ihre Mitarbeiter die individuellen Stärken einzusetzen und auszubauen und unterstützen sie bei der Entwicklung ihrer Potentiale. Durch die individuelle Aufmerksamkeit fühlen sich Mitarbeiter ernst genommen und motiviert sich ausserordentlich für die Ziele des Unternehmens zu engagieren. Erfolgreiche Führungskräfte setzen transaktionale und transformationale Führung ein. Beide Formen schliessen sich nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Transaktionale Führung kann als Basis für transformationale Führung betrachtet werden.
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Leadership als Energiemanagement
In Unternehmen, die umfassende Veränderungen vornehmen wie z.B. Einführung oder Neuausrichtung eines Supply Chain Management wird das Management der organisationalen Energie zur entscheidenden Frage. Organisationale Energie beschreibt die Kraft, mit der Unternehmen arbeiten. Die Stärke der Organisationalen Energie zeigt an, in welchem Ausmass ein Unternehmen sein Potenzial für die Verfolgung seiner Ziele mobilisiert hat. Organisationale Energie ist ein eigenständiges Merkmal von Unternehmen und kommt in der Vitalität, Intensität und Geschwindigkeit der Arbeits-, Veränderungs- und Innovationsprozesse zum Ausdruck (Bruch u. Ghoshal 2004; Bruch u. Vogel 2005). Organisationale Energie weist verschiedene Zustände auf, die sich durch zwei Dimensionen beschreiben lassen (Bruch u. Ghoshal 2004), deren Kombination vier typische Energiezustände von Unternehmen ergibt (vgl. Abb. 2). x Die Intensität der Energie zeigt, wie stark Unternehmen ihre Potentiale aktiviert haben und äussert sich z.B. in der emotionalen Anspannung, der Wachheit und dem Aktivitätsniveau. x Die Qualität von Energie beschreibt, inwieweit die Potentiale positiv oder negativ, d.h. konstruktiv oder destruktiv, für die Verfolgung der Unternehmensziele eingesetzt werden.
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Heike Bruch, Bernd Vogel
Hoch
Korrosive Energie
Produktive Energie
Resignative Trägheit
Angenehme Trägheit
Negativ
Positiv
INTENSITÄT Niedrig
QUALITÄT
Abb. 2. Zustände Organisationaler Energie
Angenehme Trägheit von Unternehmen zeichnet sich durch Zufriedenheit mit der derzeitigen Situation, geringe Handlungsintensität, tendenziell reduzierte Aufmerksamkeit und schwache emotionale Spannung aus. Gleichgültigkeit oder Distanzierung gegenüber den Unternehmenszielen, niedriges Aktivitätsniveau und Enttäuschung verweisen auf resignative Trägheit. Unternehmen im Zustand korrosiver Energie zeigen hohe Aktivität und Wachheit. Allerdings wird die Energie nicht konstruktiv eingesetzt, sondern für die Verhinderung von Change oder Innovation, interne Kämpfe oder Mikropolitik. Produktive Energie zeigt sich darin, dass intensive positive Emotionen, hohe Aufmerksamkeit sowie ein hohes Aktivitätsniveau vorherrschen und die Kräfte im Unternehmen auf die Verfolgung der gemeinsamen Ziele gerichtet sind (Bruch u. Ghoshal 2004; Bruch u. Vogel 2004). Führungskräfte, die ihr Unternehmen oder ihre Abteilung aus wenig produktiven Energiezuständen heraus in die produktive Zone führen wollen, sehen sich vier zentralen Aufgaben des Energiemanagements gegenüber (Bruch u. Vogel 2005). Mobilisierung und Fokussierung der Kraftpotenziale: Die Mobilisierung von Energie richtet sich darauf, nicht genutzte emotionale, mentale und handlungsbezogene Potentiale zu aktivieren. Dies bedeutet, dass sich Engagement und Einsatz deutlich erhöhen und Aktivitäten im Unternehmen mit aussergewöhnlicher Anstrengung betrieben werden. Eine wirkungsvolle Aktivierung wird besonders effektiv, wenn es Führungskräften gelingt, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass es eine greifbare Bedrohungen oder faszinierende Zukunftschancen für das Unternehmen gibt.
Führungskompetenz für Supply Chain Manager
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Fokussierung von Energie beinhaltet die gezielte Kanalisierung der mobilisierten Kraftpotenziale auf bestimmte Kernaktivitäten. Durch die Mobilisierung entsteht zwar eine Bereitschaft für hohes gemeinsames Engagement. Allerdings ist diese Einsatzbereitschaft nicht sehr gerichtet oder verbindlich. Durch Fokussierung entsteht eine gemeinsame Ausrichtung von Anstrengung, Aufmerksamkeit und Begeisterung auf entscheidende Unternehmensziele. Führungskräfteaktivitäten zur Kanalisierung der Kraftpotentiale richten sich insbesondere darauf, das kollektive Commitment, die gemeinsame Überzeugung den schwierigen Aufgaben gewachsen zu sein und Zusammenhalt bzw. das Wir-Gefühl im Unternehmen zu stärken. Vermeidung und Abbau korrosiver Energie: In Transformationsphasen zeigen Unternehmen oft ein hohes Mass an Energien, die destruktiv nach innen gerichtet sind. Korrosive Energie ist insbesondere von intensiven, negativen Emotionen wie z.B. Angst, Aggression oder Wut geprägt. Führungskräfte sollten destruktive Kräfte vermeiden oder frühzeitig abbauen. Sie können mit unterschiedlichen Aktivitäten vor allem an der kollektiven Emotion des Unternehmens ansetzen. Erfolgreiche Führungskräfte wirken darauf hin, negative Emotionen und destruktive Verhaltensweisen abzubauen und durchbrechen mögliche negative Spiralen. Gleichzeitig fördern sie die Entstehung von positiven Emotionen wie Zufriedenheit und Gelassenheit. Anschliessend sollten Führungskräfte jedoch die Reaktivierung und Aufrechterhaltung der Spannung, Wachsamkeit und Einsatzbereitschaft des Unternehmens beachten, um einer möglichen Trägheit aus zu grosser Zufriedenheit entgegen zu wirken. Nachhaltiger Erhalt und Förderung produktiver Energie: Dauerhafter Change und permanente Veränderungsinitiativen beanspruchen die Kraftpotentiale von Unternehmen und können zu Burnout oder Changemüdigkeit führen. Führungskräfte sollten daher bewusst mit den Kraftpotentialen des Unternehmens haushalten und die Energie des Unternehmens nicht nur nutzen, sondern auch fördern. Dies gelingt ihnen erstens durch die Steuerung von Energieverläufen – durch einen gezielten Wechsel zwischen Hochenergie- und Regenerationsphasen. Unternehmen oder Abteilungen müssen dann nicht darauf verzichten, für die entscheidenden ChangeVorhaben ihre Potentiale vollständig zu mobilisieren und an die Belastungsgrenzen zu gehen, können in ruhigen Phasen jedoch gleichzeitig ihre Energiereserven wieder aufladen. Zweitens sollten Manager die so genannte Erfolgsfalle angehen: Lang anhaltender Erfolg führt häufig zu Trägheit. Über sich selbst revitalisierender Managementsysteme mit den Elementen Strategie, Struktur und Kultur kann das Absinken von Energie beim Erfolg eingegrenzt werden.
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Heike Bruch, Bernd Vogel
Für Supply Chain Manager besteht die Herausforderung darin festzustellen, in welchem Energiezustand sich ihre Abteilungen befinden, und das passende Führungsverhalten einzusetzen.
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Zunehmend anspruchsvolleres Führungsverhalten
Die Bedeutung der direkten interaktiven Führung für den Erfolg von Unternehmen nimmt zu. Supply Chain Manager, deren Mitarbeiter mit grosser Eigenverantwortung arbeiten und mit häufigen Veränderungen konfrontiert sind, sollten eine Kombination aus transaktionalen und transformationalen Verhaltensweisen nutzen. Aufgrund der hohen und zunehmenden Anforderungen sollten Supply Chain Manager darüber hinaus die Energie ihres Bereichs im Blick behalten. Das Energiemanagement wird zunehmend zu einer wesentlichen Aufgabe für erfolgsorientierte Führungskräfte. Die gezeigten Anforderungen an Führungskräfte zeigen, dass Führung immer anspruchsvoller wird. Daher bedeutet die Stärkung der Führungskompetenz von Managern eine Aufgabe und Herausforderung mit steigender Bedeutung für Unternehmen.
Literatur Bass BM (1990) Bass and Stogdill’s Handbook of Leadership. Theory, Research and Managerial Applications. 3. ed, New York et al. Bass BM, Avolio BJ (1994) Improving Organizational Leadership through Transformational Leadership. Thousand Oaks Bruch H (2003): Mitarbeiterführung und Personalarbeit - spezifische Rahmengrössen, Arbeitstechniken und Objekte des Controlling. In: Steinle C, Bruch, H (Hrsg): Controlling. Kompendium für Ausbildung und Praxis, 3. Auflage, Stuttgart, S 232-275 Bruch H, Ghoshal S (2004): A Bias for Action - How effective managers harness their willpower, achiev results, and stop wasting time. Boston Bruch H, Vogel B (2004) Diversität und kollektive Emotionen, In: Persorama, Magazin der Schweizerischen Gesellschaft für Human Resources Management HR Swiss 2: 18-23 Bruch H, Vogel B (2005) Organisationale Energie Wie Sie das Potential Ihres Unternehmens ausschöpfen. Wiesbaden House RJ, Shamir B (1993) Toward the integration of transformational, charismatic and visionary theories. In: Chemers, MM, Ayman, R (eds) Leadership theory and research: Perspectives and directions. New York, 81-107 Shamir B, House RJ, Arthur MB (1993) The motivational effects of charismatic leadership: A self-concept based theory. In: Organizational Science: 577-594
Führungskompetenz für Supply Chain Manager
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Yukl G (2002) Leadership in organizations. 5th ed, Upper Saddle River, NJ Wunderer R (2003) Führung und Zusammenarbeit Eine unternehmerische Führungslehre. 5. überarb. Aufl, München und Neuwied Wunderer R, Bruch H (1999) Führungskonzeptionen. In: v. Stein H, Siebertz P (Hrsg) Handbuch Banken und Personal.Frankfurt, S 587 - 631 Wunderer R, Bruch H (1999) Führung von Mitarbeitenden, In: Dubs R, Euler D, Rüegg-Stürm J, Wyss C E (Hrsg) Einführung in die Managementlehre, Bd 2, Berlin et al., S 85-109
Persönlichkeitszentrierte Führungskomponente Norbert A. Harlander „Wer Menschen führen will, muss sich hinter sie stellen“ Laotse Für mich ist Führung ein unglaublich spannendes Thema, mit dem ich mich schon lange Jahre theoretisch und praktisch beschäftige. Immer wieder wird mir dabei bewusst, dass es genau genommen um die Verbindung von Menschen mit Ideen geht. Dabei kommt es darauf an, die Idee, das Ziel oder die Aufgabe für sich zu klären. Ich mache mir ein inneres Bild von dem, was ich mir vorstelle oder was ich erreichen möchte. Dann versuche ich mich in die mir anvertrauten Menschen oder diejenigen, die mir vertrauen, hineinzufühlen und herauszufinden, wo ihr eigener Antrieb, ihre grundlegenden Bedürfnisse und Interessen, ihre Ziele und Motivationen liegen. Wenn ich eine Ahnung davon habe, was ihnen wichtig und wesentlich ist, geht es um mich selbst. Was ist es, was mich selbst bewegt, was meine persönlichen Ziele und meine individuelle Sinnorientierung ist, was ich selbst angehen, gestalten und entwickeln will? Und schliesslich mache ich mir darüber Gedanken, wie ich die Dinge miteinander verbinde, wie ich meinen Gesprächspartner leite und lenke, weil er diese Ziele, diese Aufgabe auch angehen und verwirklichen will. Wie ich alles das konkret anfasse, welche Überlegungen ich dabei anstelle und wie ich mir die zentralen Begriffe der Führung von Menschen bewusst mache, lässt sich in die folgenden vier Fragestellungen fassen: 1. Zur Idee moderner Führung oder wie kann ich Mitarbeiterführung grundsätzlich verstehen? 2. Zum Verständnis eines dynamischen Unternehmens oder wie kann ich ein Unternehmen von Heute umfassend begreifen? 3. Zur Einführung in meine Führungs-Persönlichkeit oder wie kann ich mein Wissen um meine eigene Persönlichkeit ausbauen? 4. Zur Praxis kooperativer Mitarbeiterführung oder wie kann ich meine Führungs-Kompetenz ganz pragmatisch weiterentwickeln? Diese Fragen möchte ich in 60 Aussagen, in 60 Nachdenklichkeiten zu beantworten versuchen. Ganz persönlich, ganz individuell, als Anleitung für mich selbst: Bewusst nachdenken – intuitiv führen.
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Norbert A. Harlander
Zur Idee moderner Führung oder wie kann ich Mitarbeiterführung grundsätzlich verstehen?
Im ersten Schritt geht es zunächst um ein bewussteres Verständnis von Führung, das mich befähigt, auf Menschen umfassend zuzugehen und sie mit Ziel- und Sinnfragen positiv zu konfrontieren. x Ich mache mir immer wieder bewusst, dass die Führung von Menschen eine ganz ungewöhnliche Herausforderung für mich ist, die Chancen und Risiken in sich birgt und Freiheiten und Verantwortlichkeiten ermöglicht. x Ich mache mir bewusst, dass Führung eine wesentlich menschliche Eigenschaft ist, die in Gruppen und Organisationen aus Vorstellungen und Ideen, aus Visionen und Träumen praktisches Tun und konkrete Aufgaben, direktes Nutzen und unmittelbare Erfolge erwachsen lässt. x Ich mache mir bewusst, dass Führung ein vielfältiger aktiver Prozess ist, der Menschen mit Zielen verbinden und Zukunft gemeinsam gestalten will. x Ich mache mir bewusst, dass ich zunächst selbst eigene fachliche Aufgaben anzugehen und dabei meine besonderen methodischen Fähigkeiten einzubringen habe, um Erfolge für die Organisation vorbereiten zu können. x Ich mache mir bewusst, dass ich darüber hinaus auch psychosoziale Aufgaben zu übernehmen habe, die sich mit meinem Gegenüber, meinem Mitarbeiter, befassen und dessen eigenen Ziele und Lebensnachdenklichkeiten einbeziehen. x Ich mache mir bewusst, dass meine Führung dann die Bereitschaft darstellt, bezüglich der konkreten Ziele einen gemeinsamen Weg zu gehen und miteinander Fragen nach konkreter Sinnerfüllung zu stellen. x Ich mache mir bewusst, dass mir selbst ein äusserer Rahmen vorgegeben ist, der meine Möglichkeiten und Grenzen in meinem Unternehmen vorgibt, der mir aber auch eine Fülle persönlicher Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet.
Persönlichkeitszentrierte Führungskomponente
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Meine erforderlichen Ich selbst als Führungskraft
fachlichen Fähigkeiten Meine notwendigen
Unsere Arbeitsziele
ri e no
n a re gb en eit din ab igk un äh nF ine n e Me he ial n oz tlic ite os en ke es ych hig ps ew n Fä i en Me e rt nti
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Me ine Fä ori hig en ke t ie ite run nz Me gm ur ine ein Z ie Fä erf e lr h Mi üllu ig k tar ng eit b en e it me er zu ine rS rM inn ita rbe it e r
methodischen Fähigkeiten
Unser Sinn in der Arbeit
Meine Mitarbeiter
Abb. 1. Nachdenklichkeiten zum Thema „Führung“
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Zum Verständnis eines dynamischen Unternehmens oder wie kann ich ein modernes Unternehmen umfassend begreifen?
Im zweiten Schritt steht die Frage nach meinem Unternehmensverständnis an. Wenn ich dabei ganz klar davon ausgehe, dass es letztlich nur um eine abstrakte Kombination von Produktionsfaktoren, eine harte Durchsetzung machtvoller Strategien und eine definierte Erreichung konkreter Gewinnziele geht, dann erfordert eine solch vordergründige Sicht auch nur eine vordergründige Art des sozialen Miteinander und einer relativ unwesentlichen Art von Führung. Dann steht eben eine machtvolle Durchsetzung auf dem Plan und damit basta. Doch wird bei einem weitergehenden Verständnis die Sache mit der Mitarbeiterführung unglaublich aufregend. x Ich mache mir immer wieder bewusst, dass jedes Unternehmen ein einmalig komplexes und dynamisches Gebilde ist, das niemals so bleibt, wie es vielleicht einmal war, und das niemals vollständig erfassbar ist.
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Norbert A. Harlander
x Ich mache mir bewusst, dass es deshalb weniger um die Durchsetzung klarer Routinen, sondern viel mehr um die Steuerung von Turbulenzen und chaotischen Situationen geht. x Ich mache mir bewusst, dass mein Unternehmen im Hintergrund ein strategisches System ist, das seine grundlegenden Überlebensbedingungen, seine prinzipiellen Antworten auf die Herausforderungen seiner Märkte formuliert und mich in diese Sachzwänge und Zielformulierungen miteinbeziehen will. x Ich mache mir bewusst, dass mein Unternehmen auch ein komplexes Beziehungssystem nach aussen auf die Märkte und nach innen in Bezug auf den sozialen Austausch darstellt, das die Funktionstüchtigkeit der betrieblichen Strukturen wie auch die Exzellenz der unternehmerischen Strategie-Arbeit entscheidend beeinflusst. x Ich mache mir bewusst, dass mein Unternehmen in seinem tiefsten Grund ein gemeinsames Sinn-System darstellt, das immer wieder diskutiert und konkretisiert werden muss; da es die eigentliche Ursache allen Tuns im Unternehmen darstellt und allen Beteiligten echtes Sinnerleben ermöglicht. x Ich mache mir bewusst, dass in einem solch vielfältigen Gefüge alle Gestaltungsebenen zu berücksichtigen sind und deshalb jede Tätigkeit erfolgversprechende Möglichkeiten beinhaltet, aber immer auch neue Risiken und Probleme aufwirft. x Ich mache mir immer wieder bewusst, dass mein Unternehmen ständig sein Überleben durch eine kompetente Wettbewerbsfähigkeit absichern muss und deshalb alle Veränderungen und Weiterentwicklungen den Normalfall allen unternehmerischen Denkens und Handels darstellen. Vordergrund
Hintergrund
Struktur- und Organisa- Strategietions-System System
offene Ebene verdeckte Ebene
Beziehungs- und Werte- und Sozialsystem Sinnsystem
Abb. 2. Nachdenkliches zum Thema Unternehmen
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In der Gesamtschau eines solchen Unternehmens-Verständnisses lassen sich folgende Sentenzen formulieren: x Die betrieblichen Strukturen folgen der Kompetenz des Strategiesystems, das den Hintergrund aller unternehmerischen Fähigkeiten darstellt. x Das Strategie-System folgt der Kompetenz des Beziehungs-Systems, da dabei eine Fülle individueller Fähigkeiten gebündelt werden kann. x Das Beziehungs-System folgt der Wertigkeit des Sinn-Systems, das dem sozialen Tun im Unternehmen die geistige und emotionale Grundlage bietet. x Lässt sich ein solches Unternehmens-Verständnis schrittweise verinnerlichen, wächst auch das Verständnis für die Bedeutung der einzelnen Unternehmens-Persönlichkeiten.
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Zur Einführung in meine Führungs-Persönlichkeit oder wie kann ich mein Wissen um meine Persönlichkeit ausbauen?
Wenn ich um die Möglichkeiten und Notwendigkeiten bewusster Führung weiss, und den Freiheits- und Verantwortungsrahmen eines komplexen Unternehmens verstanden habe, drängen sich im dritten Schritt Nachdenklich-keiten zu mir als Persönlichkeit auf, die ihre unbewussten Blockaden, aber auch und vor allem ihre bewussten Fähigkeiten ausleben können, sollen und müssen. Führung verlangt den ganzen Einsatz einer vielschichtigen Persönlichkeit. x Ich mache mir immer wieder bewusst, dass ich als Beauftragter für konkrete Funktionen und Aufgaben, und als Führungskraft, eine gewichtige normative Kraft bin; die unbewusst und bewusst, Werte und Verhaltensmuster lebt, welche Einfluss auf meine Mitarbeiter haben und von ihnen direkt oder indirekt nachgelebt werden. x Ich mache mir bewusst, dass meine Persönlichkeit vielfältigst beeinflusst wurde und deshalb ganz bestimmte Muster aufweist, die sowohl die Ausprägungen meines Selbstwertgefühls als auch die Art und Qualität meiner sozialen Beziehungen bestimmen. x Ich mache mir bewusst, dass ich „innere Eltern“ in mir habe, die Ausdruck meiner unbewusst übernommenen Werte und Normen, Bewertungen und Urteile, Abwertungen und Vorurteile sind und mein Verhalten in einem dogmatischen Sinne häufig bestimmen.
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Meine Grundeinstellung
Meine Persönlichkeitsdynamik
Mein inneres Eltern-Ich
Mein inneres Kindheits-Ich
Mein selbstentwickeltes Lebenskonzept
Macht und Kooperation
Meine Führungsdynamik
Hierarchie und flache Organisation
Einzelkämpfer und Teambildung
Durchsetzung und Mitsprache
Abb. 3. Nachdenkliches zum Thema „Persönlichkeit“
x Ich mache mir bewusst, dass ich auch ein „inneres Kind“ in mir trage, das darüber entscheidet, welche Gefühle und Emotionen ich zulasse; wie ich mit ihnen umgehe und wie ich auf Stress, Frustration und konkrete Ängste reagiere. x Ich mache mir bewusst, dass auch ein freies Kind in mir lebt, das spontan und direkt sein will; Lebensfreude und Lebensbejahung geniessen und vor allem schöpferisch und kreativ sein kann – wenn es sich denn dazu traut.
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x Ich mache mir bewusst, dass es über die unbewusst übernommenen Werte und Gefühle hinaus, vor allem auf mein ganz persönliches selbst entwickeltes Lebenskonzept ankommt; das die Grundlage für ein aktives und dynamisches Leben bildet und über neue Erkenntnisse und Erfahrungen ständig neu lernen will. x Ich mache mir bewusst, dass meine Grundeinstellungen, meine prinzipiellen Positionen zu mir selbst, zu Anderen, zu dieser Welt und zu meinem Unternehmen, eine Herausforderung an mich darstellen, wenn sie in irgendeiner Weise negativ-kritisch und abwertend besetzt sind. x Ich mache mir immer wieder bewusst, dass meine ganz einmalige Persönlichkeit vor dem Hintergrund meiner lebenslänglichen Erfahrungen zu sehen ist, und von daher unbewusst einen Führungsstil in der Dynamik von Macht und Kooperation, Durchsetzung und Mitsprache entwickelt hat.
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Zur Praxis kooperativer Mitarbeiterführung oder wie kann ich meine Führungs-Kompetenz ganz pragmatisch weiterentwickeln?
Wenn wir soweit sind, unser Bewusstsein in Richtung auf die Themen „Führung“, „Unternehmen“ und „Persönlichkeit“ geschärft zu haben; und eindeutige Vorstellungen von meiner Einstellung dazu entwickelt haben, können wir uns nach einem oder mehreren Trainingslagern auf unsere Mitarbeiter ausrichten und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten unserer Zusammenarbeit ins Auge fassen. Aus der Logik unserer bisherigen Themen ergeben sich dann alle die möglichen Spielregeln, die das soziale Mitarbeiten zu echten kooperativen Verhaltensmustern werden lassen, bei denen sich Unternehmensziele und -strategien, sowie die Motivation der Führungskräfte und Mitarbeiter miteinander verbinden lassen. x Ich überprüfe als erstes meine grundsätzliche Einstellung zu jedem einzelnen meiner Mitarbeiter und frage mich vor allem nach den Ursachen bei mir selbst. x Ich frage nach dem vorherrschenden Unternehmens-Verständnis, dem praktizierten Führungsstil und der Art der Motivation meiner Mitarbeiter, um in diesem Rahmen meinen eigenen Weg zu suchen. x Ich erarbeite für die Einstellung eines neuen Mitarbeiters ein möglichst konkretes Anforderungsprofil, das praktikable Einschätzungen der fachlichen, methodischen, psychosozialen und Sinn gebenden Qualifikationen ermöglicht.
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Norbert A. Harlander
x Ich kläre für mich, welche unmittelbaren Sympathien und Antipathien, spontanen Zuneigungen und Ablehnungen, meine Wahrnehmung der Bewerber und meine Entscheidung beeinflussen könnten. x Ich entscheide mich bei einem gründlichen Vergleich anhand des Profils grundsätzlich für denjenigen Bewerber, der den Anforderungen am nächsten kommt, um so eine hohe Ausgangsmotivation sicher zu stellen. x Ich führe den neuen Mitarbeiter systematisch und ausführlich in mein Unternehmen, unseren Bereich und unsere Abteilung sowie vor allem in seinen künftigen Gestaltungsbereich ein. x Ich habe vorab den Gestaltungsfreiraum des Mitarbeiters im Rahmen unserer Organisationsstrukturen abgestimmt und weiss um die besondere Bedeutung dieser Funktion. x Ich verstehe die dazugehörigen Aufgaben, die entsprechenden Befugnisse und den deckungsgleichen Verantwortungsbereich, die ich dem Mitarbeiter vielfach darlege. x Ich erläutere auch, dass die Übernahme von Verantwortung für mich und das Unternehmen eine positive Herausforderung darstellt und nach Fach-, Beratungs- und Führungsverantwortung unterschieden wird. x Ich kläre mit meinem Mitarbeiter den Zeitraum seiner Einarbeitung und den Zeitpunkt seiner umfassend selbstständigen Führung seines Gestaltungsfreiraumes und seiner Verantwortungsübernahme. x Ich bespreche mit meinem Mitarbeiter auf der Grundlage der Unternehmens- und Bereichszeile seine grundlegenden Einzelziele und/oder seine konkreten Arbeitsschwerpunkte. x Ich weiss, dass seine Ziele inhaltlich klar bestimmt, in ihrem Ausmass deutlich abgegrenzt und auch zeitlich abgegrenzt festgelegt werden müssen. x Ich habe begriffen, dass solche Ziele wirklich offen diskutiert, aufeinander abgestimmt und vereinbart werden müssen, damit sie ihrem Anspruch und ihrer Erreichbarkeit nach auch angenommen werden können. x Ich baue für meine Mitarbeiter ein systematisches Informationssystem auf, mit dessen Hilfe ich über das Unternehmen als Ganzes, den Bereich und deren Gestaltungsfreiräume regelmässig berichte. x Ich informiere auch aus meiner Sicht über den Stand der sozialen Beziehungen und die Möglichkeiten zu konstruktiver Konfliktbewältigung. x Ich überprüfe konsequent, dass meine Informationen aus besten Quellen stammen, da ich von ihrer Bedeutung für das Mitwissen und die Mitarbeit meiner Mitarbeiter weiss. x Ich sichere eine konstruktive Zusammenarbeit meiner Mitarbeiter mit mir und untereinander durch regelmässige Besprechungen, bei denen alle über ihre bisherigen und künftigen Projekte berichten.
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x Ich habe vielfältig erfahren, dass ein regelmässiger Austausch nicht nur das soziale Miteinander verbessert, sondern vor allem ein hohes Sicherheitsgefühl und beiderseitiges Vertrauen begründet. x Ich habe im Rahmen meiner Führungsaufgabe praktische Fähigkeiten zu kreativen Problemlösungen und konkreten Konfliktbewältigungen erlernt und befähige darin auch meine Mitarbeiter. x Ich habe durch vielerlei Erfahrungen vor allem auch gelernt, offene Fragen direkt und ruhig zu stellen und aufmerksam und aktiv zuzuhören. x Ich nehme meine Mitarbeiter als fachlich, methodisch und psychosozial kompetent an und lasse mich von ihnen in ihren Spezialgebieten und ihren besonderen Erfahrungen direkt beraten. x Ich überzeuge meine Mitarbeiter davon, dass Kontrolle ein wesentlicher Bestandteil zielorientierten Arbeitens ist und dass ich im offenen Austausch Vertrauen weiter fördern will. x Ich überprüfe regelmässig und systematisch die Erreichung der vereinbarten Ziele oder Arbeitsschwerpunkte und vor allem auch die Art der kooperativen Verhaltensweisen meiner Mitarbeiter. x Ich mache meine Mitarbeiter vorab mit den Kontrollverhalten und techniken bekannt und fördere so auch ihre eigene Selbstkontrolle. x Ich analysiere gründlich sowohl die Leistungsinhalte als auch die Verhaltensmuster meiner Mitarbeiter und bereite sie für eine gemeinsame Diskussion konkret auf. x Ich führe mit jedem Mitarbeiter bei Zielunterschreitungen in Leistung und Verhalten ein besonderes Kritik-Gespräch, in dem ich in ruhigsachlich positiver Atmosphäre die Probleme konkret hinterfrage und nach zukunftsfähigen Vereinbarungen suche. x Ich übe solch eine menschlich schwierige Kritik, ohne irgendeine Ausnahme, ausschliesslich unter vier Augen durch und halte dritte Personen ausdrücklich aussen vor, damit die Kritik auch persönlich angenommen werden kann. x Ich kann in besonderer Weise auch Anerkennungsgespräche unter vier Augen führen, bei denen ich explizit alle positiven zielorientierten Ergebnisse ausführlich darlege. x Ich bereite mich auf diese wesentlichen Gespräche detailliert vor und verstehe sie als Anreiz zu verstärkter Identifikation mit dem Unternehmen, unserem Gespräch, meiner Person und der Aufgabe und Rolle des Mitarbeiters selbst. x Ich benutze für jährliche Beurteilungen standardisierte und vereinbarte Bewertungsformulare, in denen detaillierte Aussagen enthalten sind.
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x Ich bespreche mit meinem jeweiligen Mitarbeiter meine Beurteilungen und begründe sie im Einzelnen und lasse auch Widersprüche ausdrücklich zu. x Ich erläutere meinem Mitarbeiter, dass es mir dabei um eine weitere Förderung seiner Arbeitsfreude, Kreativität, Leistungsbereitschaft, Selbständigkeit und Verantwortlichkeit geht. x Ich kläre dann mit meinem Mitarbeiter seine Begrenzungen, seine entwicklungsfähigen Potentiale und die praktischen Möglichkeiten einer systematischen Mitarbeiterförderung. x Ich verdeutliche mir immer wieder, dass bei meinen Mitarbeitern ein grundsätzliches Interesse an einer weitergehenden Persönlichkeitsentwicklung vorliegt, wenn konkrete Perspektiven dargelegt werden und ich dazu auch ermutigen kann. x Ich weiss aus vielfältigen Erfahrungen, dass kooperative Mitarbeiterführung eine aussergewöhnlich komplexe und dynamische Aufgabe ist, die mich immer wieder fordert und zu neuem Lernen auffordert. x Ich mache mir schliesslich immer wieder bewusst, dass sich jede Entwicklung auf der Grundlage von „Versuch und Irrtum“ beruht und nur dadurch die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit meines Unternehmens und unserer Aufgaben gesichert werden kann.
Gestaltungsfreiraum Zielvereinbarung
Einführung
Auswahl
Information
Kooperation Kommunikation
Förderung
Anerkennung
Kontrolle Kritik
Abb. 4. Gegensätzliches zum Thema „Kooperation“
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Wenn ich die oben angesprochenen Themen mit ihren sechzig Einzelaspekten genauer besehe, dann wird deutlich, wie komplex die Führungsaufgabe im Einzelnen ist. Es geht dabei ja um die konkrete Vernetzung der Begrifflichkeiten „Unternehmen“, „Führung“, „Persönlichkeit“ und „Kooperation“. Löse ich diese Abstraktionen in ganz praktische Nachdenklichkeiten und Gestaltungsansätze auf, dann wird meine Tätigkeit als Führungskraft schon deutlich klarer. Deshalb nehme ich mir vor, mir diese Aussagen immer wieder bewusst zu machen. Einmal pro Woche werde ich mich hinsetzen und mir die einzelnen Sentenzen durchlesen. Eine einzige Nachdenklichkeit werde ich mir dann zum Schwerpunkt meiner Woche machen und sie ganz besonders in meinem Bewusstsein verankern. Genauso werde ich es mit den konkreten Gestaltungsansätzen und seinen 36 Einzelthemen tun. Hier werde ich mir vornehmen, auch einen besonderen Schwerpunkt pro Woche zu setzen. Nach ein paar Tagen werde ich meine Erfolge dann ganz praktisch überprüfen. Auf diese Weise mache ich mir meine Führungsaufgabe und ihre praktische Umsetzung immer wieder bewusst, damit ich auf meinem Weg zu einer persönlichkeitszentrierten Mitarbeiterführung auch Schritt für Schritt weiterkomme. Ich freue mich richtig drauf.
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Zum Abschluss: Ermutigungen zu echter Führung
Für mich ist die bewusste Führung von Menschen, die eindeutige Führung unserer Mitarbeiter eine unglaublich spannende Entwicklungsaufgabe. Wir werden in einer absolut einmaligen Art und Weise in allen unseren Fähigkeiten gefordert. Es kommt auf unsere gesamte Persönlichkeit mit allen ihren Facetten, ihren Begrenzungen genauso wie mit ihren vielfältigen Talenten an. Heute sind wir angesichts der globalen Herausforderungen und der damit verbundenen Risiken und Chancen in die Situation gestellt, alles das, was wir im Laufe unseres Lebens an fachlichen Erkenntnissen und Erfahrungen gesammelt haben, mit allen unseren menschlichen Eigenschaften und Eigenarten zu verbinden. Es gilt, über die Vernetzung der globalen Warenund Finanzströme hinaus, vor allem das menschliche Miteinander auf der Informations- und Kommunikationsebene zu gestalten. Sich dabei gleichzeitig über unterschiedliche Wertvorstellungen und Selbstverwirklichungs-
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alternativen auszutauschen und nach Gemeinsamkeiten zu suchen. Damit ist unsere internationale Tätigkeit im Rahmen unserer Unternehmen immer auch ein bilateraler Führungsprozess gegen- und wechselseitigen Fragens und Zuhörens. Wir führen den Anderen in unsere Ideen- und Vorstellungswelt, in unseren Berufsalltag und unsere private Umwelt. Wir lernen voneinander und machen so in ganz winzig kleinen Schritten unsere globale Welt ein wenig lebens- und liebenswerter. Ein ähnlicher Prozess ereignet sich täglich in unseren Unternehmen. Wir sind zwar diejenigen, die von ihrer Funktion her die Initiative zu ergreifen haben. Wir sind diejenigen Persönlichkeiten, die die Unternehmensphilosophie und ihre Leitbilder, die unternehmerischen Visionen und ihre strategische Umsetzung, die Zielvorstellungen und Sinnerfüllungsmöglichkeiten einzubringen haben. Wir sind aber auch diejenigen, die diese Ziel- und Werthaltungen des Unternehmens mit den eigenen Persönlichkeitsmerkmalen einfärben. Schliesslich sind wir auch diejenigen, die die vielfältigen Fähigkeiten fachlicher, methodischer, psychosozialer und wertorientierter Art unserer Mitarbeiter nutzen und so für unser Unternehmen und unsere gemeinsame Zukunft verwertbarer machen können. Wenn wir es genau bedenken, dann ist nur auf solchen Wegen echte Entwicklung möglich. Wir setzen uns mit den Herausforderungen der Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen gemeinsam auseinander; wir diskutieren Ideen, Strategien und Konzepte, wir vereinbaren konkrete Ziele, Aufgaben und Befugnisse, und versuchen die Wertvorstellungen des Unternehmens mit unseren eigenen und denen unserer Mitarbeiter abzugleichen und miteinander zu verbinden. Moderne Führung ist letztlich die Fähigkeit, Unterschiede bewusst zu machen, Trennendes offen anzusprechen und Gemeinschaften zu pflegen und zu fördern. Moderne Führung ist eine ganz grosse Herausforderung an die integrativen Fähigkeiten einer selbstbewussten Persönlichkeit, die weiss, was sie alles kann, selbst wenn sie immer wieder Fehler macht. Eine Führungskraft, die sich entschieden hat andere Menschen zu führen, hat eben gelernt, sich hinter seine Mitarbeiter zu stellen. Nelson Mandela drückt das in seiner Autobiografie „Der lange Weg zur Freiheit“ in der naturbezogenen Sprache eines Thembu-Stammes so aus:
Persönlichkeitszentrierte Führungskomponente
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Ein Führer ist wie ein Hirte. Er hält sich hinter der Herde und lässt die Flinksten vorweg gehen, woraufhin die anderen folgen, ohne zu erkennen, dass sie die ganze Zeit von hinten gelenkt werden. Norbert A. Harlander
Strategien der Konfliktdiagnose und -bewältigung Heinz-Jürgen Trappmann AEL -Akademie für Einkauf und Logistik
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Konflikte gehören zum Leben
Soziale Konflikte in Organisationen sind normal und alltägliche Erscheinungen. Sie finden sich in allen Organisationen. Selbst in Organisationen, wo Führungskräfte offensichtlich eine fast uneingeschränkte Macht besitzen, wie z. B. in Gefängnissen oder in militärischen Einrichtungen, muss man nicht lange nach ihnen suchen. Diese Beobachtungen führen zu der Frage, sind Konflikte in Organisationen unumgänglich? Das Erkennen und Bearbeiten von Konflikten gehört demzufolge zum Alltag der professionellen Arbeit, auf der Ebene der Einkäufer und Lieferanten, Kolleginnen und Kollegen in der eigenen Abteilung sowie in den bereichsübergreifenden Unternehmensebenen. Besondere Anforderungen werden an Mitarbeiter gestellt, die zum einen in unternehmensbedingten Abhängigkeitsstrukturen (zum Beispiel Lieferantenmonopol, langfristige Unternehmensstrategien) wie auch an Mitarbeiter in leitenden Funktionen. Konflikte treten immer dort auf, wo mehrere Menschen zusammentreffen. Konflikte gehören somit zum Leben. Sie werden von den Betroffenen jedoch häufig ausschliesslich als unangenehm oder negativ erlebt. Um Konflikte konstruktiv bearbeiten oder sie sogar als Chance zur Weiterentwicklung nutzen zu können, ist es wichtig, diese sorgfältig zu analysieren. Aus diesem Grund kommt der Grundfähigkeit und Fertigkeiten im Bereich der Gesprächsführung und Moderation sowie der methodischen Hilfen zur gezielten Bearbeitung eine wichtige Bedeutung zu. Wir können uns auch im Umkehrschluss danach fragen, wie sehe denn ein Unternehmen aus, in dem alle Konfliktursachen beseitigt wären? x Alle Angehörigen sind gleich gut informiert. x Alle haben die gleichen Wertvorstellungen und Normen. x Niemand verfolgt konkurrierende eigene Ziele.
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Heinz-Jürgen Trappmann
x Aufgaben aller sind perfekt programmiert und harmonisch aufeinander abgestimmt. x Alle haben unbegrenzte Mittel zur Verfügung. x Alle erkennen die Mittelzuweisung von vornherein als berechtigt an. x Niemand will besser und mächtiger sein als die anderen. x Jeder hält sich völlig an die Vorschriften und Regeln. x Alle arbeiten gleich eng und achtungsvoll zusammen. Dies ist eine Utopie, die aus einem lebendigen, dynamischen Unternehmen ein reibungsloses Uhrwerk ohne Entwicklungsimpulse machen würde. Eine Harmonie, die Stagnation und das Ende bedeuten würde. Das unvermeidbare Auftreten von Konflikten, das sich aus den vielfältigen Bedingungen ergibt, besagt jedoch nicht, dass alle auftretenden Konflikte notwendig sind. Sie können z. B. auch durch nicht klar geregelte Kompetenzbereiche entstehen, bzw. auch Ausdruck einer Wettbewerbshaltung sein, die nicht zu kooperativen und teamfähigen Verhalten qualifiziert ist. Und nicht zuletzt können durch Persönlichkeitsmerkmale der einzelnen Mitarbeiter in der Zusammenarbeit Konflikte entstehen. Merke: Damit sie zur Chance und nicht zum Hindernis werden, muss die Bearbeitung gelingen.
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Balance zur erfolgreichen Konfliktbewältigung
Wir sprechen dann von Konfliktbewältigung, wenn z. B. der Einkäufer zwischen den innerbetrieblichen Anforderungen der äusseren Anforderungen und seiner inneren Einstellung ein Gleichgewicht erreicht hat (Berkel 2002). Das heisst, er ist in der Lage, eine Balance herzustellen. Persönliches Wohlbefinden und die Fähigkeit, Lebens- und Arbeitsaufgaben kontinuierlich zu meistern und sie zu lösen, bezeugen eine erfolgreiche Konfliktbewältigung. Die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Konfliktbewältigung wächst in dem Masse, als Menschen 1. gelernt haben ein bestimmtes Mass an Angst oder Furcht angesichts neuer und widersprüchlicher Informationen zu ertragen: Sie flüchten weder in überstürzte Aktionen noch drücken sie sich vor einer Entscheidung.
Strategien der Konfliktdiagnose und -bewältigung
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Beispiel: Informationen über das Nachlassen der Verlässlichkeit eines entscheidenden Lieferanten veranlassen einen Einkäufer keineswegs, sofort und eilfertig einen neuen Lieferanten aufzubauen. Er registriert und analysiert die ihm zukommenden Informationen erst gründlich, bevor er eine Entscheidung trifft.
2. sich rasch umstellen können und eine gegebene Sachlage aus verschiedener Sicht betrachten zu vermögen: Die Angst lähmt sie nicht so, dass sie wichtige Aspekte der Wirklichkeit gar nicht oder nur verzerrt zur Kenntnis nehmen. Beispiel: Ein junger Einkäufer reagiert empfindlich auf Autoritäten. Seine Aversion macht ihn blind gegenüber vielen Zeichen des Entgegenkommens und der Sympathie z. B. eines Verkaufsdirektors. Allmählich verspielt er seine Sympathie und Akzeptanz gegenüber seinem Gesprächspartner. Abweisende Reaktionen sind die Folge. Für den jungen Einkäufer erneut ein Beweis, dass Autoritäten ungerecht sind und man sich gegen diese Attacken werden muss.
3. eine klare Rangordnung dessen haben, was wichtig und was unwichtig ist. Nur wer selber eindeutig Präferenzen besitzt, kann rasch entscheiden. Beispiel: Der Einkäufer lädt z.B. die Gesprächspartner (Lieferanten) zu einem klärenden Gespräch ein. Er hat gelernt, dass bei einer Störung in der Zusammenarbeit die Fragen nach dem warum und wieso die Konflikte entstanden sind wenig hilfreich sind, sondern vielmehr die Fragen: Was werden wir zukünftig tun? bzw. Wie kommen wir aus dem Konflikt heraus? zu einer für beide Seiten befriedigenden Zusammenarbeit führen können. Also was sind die nächsten sinnvollen Schritte.
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Verhaltenstipps
Natürlich kennen wir auch den alten Ratschlag, Situationen bewusst zu meiden, die erfahrungsgemäss in uns leicht Konflikte auslösen (Versuchungen). Allerdings sollte man bedenken, dass jede Vermeidungsstrategie die Gefahr in sich birgt, immer mehr Situationen als konfliktträchtig wahrzunehmen und das wiederum führt dazu, dass wir immer mehr den Konflikten aus dem Weg gehen, was im Extrem zu einer erheblichen Einengung des persönlichen Lebens- und Arbeitsraumes führen kann. (Wir kennen solche Phänomene z. B. bei Phobien oder anderen Zwängen, die
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charakteristisch sind.) Deshalb ist es wichtig, auf sich zu achten, um rechtzeitig festzustellen, ob wir mit einer gedrosselten Motivation, Missmut oder gar halbherzigem Engagement an die Arbeit gehen. Konfliktbewältigung fällt uns leichter, wenn uns bewusst wird, dass Konflikte nicht nur von aussen entstehen, sondern auch von innen kommen können. Deshalb sollten wir Wünsche, Lustgefühle, spontane Gedanken, innere Stimmungen usw. – also unsere inneren Reize mit den äusseren Beobachtungen in Einklang bringen, um somit ein Gleichgewicht in unserem Verhalten, das zielorientiert uns ausrichtet, wiederherstellen zu können. Merke: Menschliches Verhalten ist also sehr komplex. Dennoch sollten wir bedenken: Wir treffen niemals eine Entscheidung für oder gegen etwas, ohne damit nicht auch ein inneres Bedürfnis zu befriedigen. Wir können also sagen: Verhalten ist demnach bedürfnisorientiert.
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Konflikt-Merkmale
x Konflikte sind Störungen. Sie unterbrechen, wenn auch nur vorübergehend, den Handlungsablauf und zwingen dazu, sich der eigenen Orientierung zu vergewissern. x Konflikte sind gefühlsbeladen. Sie lösen unweigerlich Gefühle aus, wir fühlen uns innerlich angespannt, unter Druck stehend, ängstlich oder gereizt. x Konflikte haben die Tendenz zu eskalieren. Sie weiten sich aus, beziehen immer mehr Menschen und Themen ein und nehmen an Intensität zu. x Konflikte erzeugen einen Lösungsdruck. Man kann sie nicht einfach auf sich beruhen lassen, sondern muss sie bewältigen. Erst dann kann der Mensch, mit sich in Einklang, sich wieder den täglichen Lebensaufgaben zuwenden. Diese Merkmale erlauben einige Hinweise für die Konfliktbewältigung. 1. Wer in einen Konflikt gerät, muss damit rechnen, dass dieser ihn emotional erregt und anspannt. Wer eine Auseinandersetzung mit jemand anderem (Lieferanten, Vorgesetzten, Kollegen) sucht, braucht daher nicht nur eine Strategie für die Austragung, sondern auch eine Methode, seine Angst zu überwinden oder seinen Ärger unter Kontrolle zu halten.
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2. Wer, um bestimmter Ziele willen, andere bewusst in Konflikte bringt oder einen Konflikt verschärft, sollte sich vor Augen halten, dass er eine nicht unerhebliche Belastung erzeugt. Damit gilt aber das oben Gesagte: Der Ausgang hängt ganz wesentlich davon ab, wie die Beteiligten mit dem Konflikt emotional fertig werden. Dies wird in Organisationen oft übersehen, wenn entweder strukturell (Matrixorganisation) oder in emanzipatorischer Absicht ein permanenter offener Konfliktaustrag als förderlich angesehen wird („Streitkultur“). 3. Eine wichtige Voraussetzung für erfolgreiche Konfliktbewältigung ist ganz allgemein die Fähigkeit, Belastungen standhalten zu können. Eine höhere Belastbarkeit erweitert den Handlungsspielraum und ermöglicht es, kleinere Konflikte ohne allzu grossen Aufwand zu absorbieren, grössere aber konzentriert und energisch anzugehen (Crisand u. Lyon 1981). 4.1 Merkmale für Gruppenkonflikte Die „Urhorde“ stellt wohl die Wiege menschlicher Gemeinschaftsbildung dar. Ihr Umfang lebt bis heute im Elferrat, in den 11 Spielern einer Fussballmannschaft, in den 12 Stämmen Israels und, ihnen nachgebildet, den 12 Aposteln fort. In einer Gruppe kann eine Reihe von Konflikten entstehen. Deshalb sollte jeder Einkäufer in der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit wie auch in der Zusammenarbeit mit dem Lieferanten die folgenden Punkte beachten: x Revier: Jede Gruppe beansprucht einen Bereich, den die Mitglieder als ihr Zuhause betrachten und den sie gegen Eindringlinge verteidigt. Der Bereich muss nicht räumlicher Natur sein, er kann auch Zuständigkeiten und Kompetenzen umfassen. Verbissene Kämpfe sowohl innerhalb als auch zwischen Gruppen brechen aus, wenn Reviergrenzen nicht beachtet oder willkürlich verschoben werden. x Rangordnung: Jede Gruppe bildet spontan eine Rangordnung aus. Bekannt ist die Einteilung von Rangpositionen in Alpha (Führer), Beta (Experte), Gamma (Gefolgsmann) und Omega (Aussenseiter). Solange diese Rangordnung noch aussteht, ist die Gruppe nicht arbeitsfähig. Bei jeder neuen Gruppenkonstellation – Projekt, Umorganisation – ist dieser Prozess der Rang- oder Hackordnung unausweichlich. Nicht das noch so logisch aufgebaute Organigramm entscheidet über die Produktivität der Gruppe oder des Teams, sondern die Funktionalität und Akzeptanz der internen Rangordnung. Fehlen diese, sorgen Konflikte für genügend
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Reibungsverluste. Ständig wiederkehrende Konflikte sind häufig ein Indiz für eine nicht endgültig ausgetragene Rangordnung. x Führung: Jede Gruppe braucht zwei fundamentale Beiträge („Funktionen“) sonst zerfällt sie: Der eine bezieht sich auf die Zielerreichung („Lokomotion“), der andere auf den zwischenmenschlichen Zusammenhalt („Kohäsion“). Diejenige Person wird zum Führer, die diese beiden Funktionen in einer für das Überleben der Gruppe optimalen Weise ausfüllt. Nicht jeder Führer deckt aber beide Funktionen gleich gut ab, so dass es nicht selten zu einem Führungsdual kommt (Häuptling, Medizinmann; Kaiser, Papst: Kanzler, Präsident). Solange beide kooperieren, gibt es kein Problem. Ein sog. „informeller Führer“ als Ersatz zum formellen entsteht meist erst dann, wenn der offizielle Vorgesetzte in einer dieser Funktionen – in Betrieben ist es meist die zwischenmenschliche – total versagt. Dann kommt es zum Führungsduell, das die ganze Gruppe in Mitleidenschaft zieht. 4.2 Merkmale für organisatorische Konflikte Jede Organisation verbindet drei Wirklichkeitsbereiche oder Subsysteme miteinander: x In der Sache geht es um Aufgaben und Ziele x Im zwischenmenschlichen Bereich um Rollen und Beziehungen x Im organisatorisch-strukturellen Bereich um den Zweck, die Vision, die Kultur (Berkel u. Herzoh 1997). x Zweck Vision Kultur
Wertkonflikt Menschen
Mitglied
Aufgaben Ziele
Erwartungen Beziehungen Beziehungskonflikt
Sache
Innerer Konflikt
Abb. 1. Konfliktarten in einer Organisation
Sachkonflikt
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1. Sachkonflikte treten auf, wenn Parteien zwar ein gemeinsames Ziel verfolgen, aber über den Weg – die Art der Mittel, den Einsatz von Ressourcen, die Wahl der Methode usw. – uneins sind. Beispiel: In einem Unternehmen sind sich Geschäftsführung, Entwicklung und Einkaufsleitung einig, eine schlankere Lieferantenstruktur vorrangig zu entwickeln. Uneinig sind sie darüber, nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgen soll. – In einer Arbeitsgruppe wollen alle die Auswahlkriterien verbessern, doch umstritten ist, welche Kriterien welche Prioritäten haben sollen.
Sachkonflikte können prinzipiell gelöst werden, und zwar mittels verschiedener Methoden der Problemlösung. Bewährt haben sich die 5 Phasen einer Problemlösekonferenz (Stroebe 1998): 1. Problem identifizieren und beschreiben 2. Ziel definieren und vereinbaren 3. Ursachen herausfinden und analysieren 4. Lösungsideen entwickeln und gewichten 5. Entscheidungen treffen und durchführen 2. Beziehungskonflikte entstehen, wenn eine Partei die andere verletzt, demütigt oder missachtet. Diese nimmt es prompt „persönlich“ – wie soll sie es sonst nehmen? Sie merkt die Absicht und ist verstimmt. Beispiel: Ein Vorgesetzter nimmt den Fehler eines Mitarbeiters zum Anlass, ihn vor der gesamten Mannschaft zu belehren. – Ein Vorgesetzter reisst einen Mitarbeiter aus einer wichtigen Arbeit und bestellt ihn zu sich, doch dann lässt er ihn eine dreiviertel Stunde im Vorzimmer warten.
Beziehungskonflikte können nicht durch eine systematische Analyse gelöst, sondern nur geheilt werden. Dazu ist das persönliche Engagement beider Seiten unumgänglich. Um einen Beziehungskonflikt zu heilen, bedarf es auf der einen Seite Mut, die verletzten Gefühle auszusprechen und auf der anderen Grossmut, das eigene Verhalten zu relativieren und eine Sache auf sich beruhen zu lassen. 3. Wertkonflikte treten auf, wenn unvereinbare Ziele, Prinzipien, Grundsätze selbst vertreten werden. Beispiel: Im Vorstand eines Unternehmens ist ein Streit über die künftige Strategie entbrannt. – Im Verkaufsressort eines international tätigen Konzerns kommt es zu
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heftigen Auseinandersetzungen darüber, ob es vertretbar sei, südamerikanischen Politikern Bestechungsgelder zu zahlen, um Aufträge zu erhalten.
Wertkonflikte können grundsätzlich nicht gelöst, sondern nur entschieden werden, entweder, indem die Beteiligten zu einem Konsens finden oder legitimierte Personen bzw. Gremien eine Entscheidung treffen. In Organisationen kommt dem Topmanagement, wie dem Kanzler in der Politik, die „Richtlinienkompetenz“ zu. So wünschenswert ein Konsens in fundamentalen Werten ist: Erstens kann er auch nach langen Debatten ausbleiben, wenn fragliche Werte prinzipiell unvereinbar erscheinen (Bsp.: Abtreibung), zweitens muss eine Gemeinschaft, um handlungsfähig zu bleiben, die Diskussion auch wichtiger Themen mit einer (vorläufigen) Entscheidung beenden können. 4. Verteilungskonflikte passen nicht ganz in das obige Schema. Sie stellen sich überall ein, wo Ressourcen knapp und begehrt sind. Ein typisches Beispiel erleben die Einkäufer bei den Lieferanten, die ein Monopol besitzen. Verteilungskonflikte führen zwangsläufig in ein Nullsummenspiel: Der Gewinn des einen und der Verlust des anderen addieren sich zu Null. Diese Konstellation verleitet leicht zu (gewaltsamen) Auseinandersetzungen, wie die menschliche Geschichte eindrucksvoll belegt. Wenn Gewalt in der Neuzeit zunehmend geächtet und als Mittel der Konfliktlösung ausgeschlossen wird, dann können Verteilungskonflikte nur dadurch beendet werden, dass die Parteien ein Ergebnis – meist ein Kompromiss – untereinander aushandeln. Das setzt wiederum voraus, dass sie ihren Konflikt geregelt austragen, d.h. im Rahmen von (Spiel)Regeln, die sie als verbindlich anerkennen. 5. Innere Konflikte treten in den Mitgliedern selbst auf, in Organisationen meist in Form von Entscheidungs- und Rollenskonflikten. Zu einem Entscheidungskonflikt kommt es, wenn eine Person eine wichtige und weitreichende Entscheidung zu treffen hat und darüber hinaus die ihr bekannten Alternativen aber als unbefriedigend empfindet. Ein Rollenkonflikt entsteht, wenn die Person widersprüchlichen Erwartungen gerecht werden soll. Beispiel: Entscheidungskonflikt: Ein Einkaufsleiter sieht den langfristigen Schaden voraus, den eine Entscheidung seines Ressortchefs für das Unternehmen mit sich bringen wird. Den Vorstand von seiner Entscheidung abzubringen, hält er für
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aussichtslos und überdies gefährlich, weil dieser voll und ganz hinter der Entscheidung steht. Nichts zu unternehmen, kann ihm später den Vorwurf eintragen, die Belange der Organisation nicht energisch genug vertreten zu haben.
Entscheidungskonflikte zeigen weitgehend die Dynamik innerer Konflikte.
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Einstellungen zu anderen Menschen
Bei der Bearbeitung von Konflikten ist von besonderer Bedeutung, welche Einstellung bzw. Orientierung die im Konflikt stehenden Personen haben. Bitte bedenken wir: Zwei Kollegen können sich durchaus mögen und dennoch miteinander rivalisieren.Deutsch (1976) unterscheidet drei grundsätzliche Einstellungen oder Orientierungen: 1. Kooperativ Die Beziehung zu anderen so gestalten wollen, dass alle Beteiligten davon profitieren: x Die Ziele werden von allen geteilt. x Die Probleme gehen alle an. x Gleichgewicht statt Überlegenheit. x Gerechtes Teilen statt egoistisches Übervorteilen. x Sich wechselseitig fördern statt sich gegenseitig behindern. 2. Individualistisch Die Beziehungen zu anderen so gestalten wollen, dass die eigene Unabhängigkeit gewahrt bleibt: x Weder den anderen noch der Beziehung einen eigenen Wert beimessen. x An und in der Beziehung interessiert nur, was der persönlichen Zielerreichung dient. x Auf andere wenig oder gar nicht setzen. x Den eigenen Vorteil ggf. auf Kosten der anderen oder der Beziehung wahrnehmen. 3. Konkurrierend Die Beziehung zu anderen so gestalten wollen, dass vor allem der eigene Nutzen herausspringt: x Die eigenen Ziele auf Kosten der anderen verfolgen. x Die anderen grundsätzlich als Gegner bekämpfen, die der eigenen Zielerreichung im Wege stehen.
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x Den Abstand zu den anderen zu vergrössern trachten. x Die anderen nach Kräften hindern, ihre Ziele zu erreichen. Merke: Die individualistische Einstellung kann, soll eine Beziehung von Bestand sein, nicht auf Dauer durchgehalten werden; sie muss sich zu einer konkurrierenden oder kooperativen entwickeln. Die konkurrierende Einstellung führt ein Gewinner-/Verlierer-, ein Freund-/Feind-Denken in die Beziehung ein und untergräbt damit ein partnerschaftliches Verhalten. Die kooperative Einstellung kann zwar Konfliktscheu und gekünstelte Harmonie hervorrufen, aber sie allein eröffnet die Chance, Konflikte konstruktiv zu bewältigen (Deutsch 1976).
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Konfliktdiagnose
1. Die Streitpunkte: Worum geht es? x Was bringen die Konfliktparteien vor? Was ärgert, stört, irritiert sie? x Sehen das beide Parteien gleich, ähnlich oder verschieden? x Beziehen sich die Streitpunkte auf objektive Sachverhalte oder persönliche Ansichten? x Könnte der Konflikt aus einem anderen Bereich hierher verschoben worden sein? x Wie erleben sie die Streitpunkte persönlich? Wie wichtig sind ihnen diese Punkte? x Was ist der „springende Punkt“, auf den sich beide Seiten versteifen? x Worum geht es ihnen? 2. Die Parteien: Wer steht im Konflikt gegeneinander? x Sind die Parteien Personen, organisierte Einheiten oder formlose Kollektive? x Was sind die grössten Stärken und Schwächen jeder Konfliktpartei? x Fühlt sich eine Seite der anderen seelisch überlegen, unterlegen oder gleichwertig? x Wie definieren sie ihre Beziehung zueinander? Was erwarten sie voneinander? x Sind sie organisatorisch einander zugeordnet: Über-/untergeordnet? x Gleichrangig nebeneinander? Im Arbeitsablauf voneinander abhängig?
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x Wie erleben die Parteien die von der Organisationsstruktur bzw. dem Arbeitsablauf gegebenen Abhängigkeiten? Wie gehen sie mit ihnen um? (Nutzen? Ausweichen? Missbrauchen? Ablehnen?) x Welche Forderungen kann eine Partei aufgrund ihrer Position stellen? x Stehen die Parteien allein? Haben Sie Verbündete? Gibt es am Konflikt interessierte Dritte? 3. Die Form: Wie äussert sich der Konflikt? x Lässt sich der Konflikt als Sach-, Beziehungs-, Wert- oder Verteilungskonflikt definieren? x Ist die Konfliktart klar abgrenzbar oder diffus vermischt? x Ist der Konflikt für die Parteien unvermeidbar oder vermeidbar? Sind sie überzeugt, dass sie zu einer Übereinstimmung kommen können? x Ist es ein „heisser“ oder ein „kalter“ Konflikt? 4. Der Verlauf: Wie hat sich der Konflikt entwickelt? x Was hat den Konflikt ausgelöst? Welche „kritischen“ Ereignisse haben ihn verschärft? x Debattieren die Parteien noch miteinander, reagieren sie inzwischen aufeinander, oder kämpfen sie schon gegeneinander? x Welche Verhaltensmuster treten zwischen ihnen immer wieder auf? x Wie sucht die eine Partei die andere dazu zu bringen, auf ihre Anliegen einzugehen? x Was hat jede Seite bisher getan, um die Erwartungen der anderen zu unterlaufen? x Was versprechen sich die Parteien von einer Fortsetzung des Konflikts? x Was glauben sie zu verlieren, wenn sie sich mit der Gegenseite verständigen? Zu welchem Einsatz sind sie bereit? 5. Das Ergebnis: Was hat der Konflikt gebracht? x Ist der Konflikt bewältigt, d. h. beendet? Dauerhaft oder nur vorläufig? x Wo und wann könnte der Konflikt wieder aufflammen? x Was unternimmt jede Partei, um mit dem Ergebnis konstruktiv zu leben? x Welchen Nutzen oder Schaden hat der Konflikt den Parteien gebracht? Und der Organisation?
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Strategien der Konfliktbewältigung
Welche Strategie der Einkäufer wählt, um den erlebten Konflikt zu bearbeiten, hängt von seiner Einstellung und der gewählten Verhaltensweise ab.Dabei kann er sich einer Reihe von Taktiken bedienen. Die gewählte Strategie mag einem nicht immer voll bewusst sein, doch sie lässt sich leicht aus ihrem Verhalten erklären. Zwei Grundlegende können wir beobachten, mit denen Menschen in Konflikten agieren. Die Problemlösungsstrategie geht davon aus, dass jeder Konflikt zwar ein Problem darstellt, aber dass er grundsätzlich lösbar ist und dessen gemeinsame Lösung beiden Seiten Vorteile bringt. Die Pokerstrategie entspringt aus der festen Überzeugung, dass es in jedem Konflikt Sieger und Verlierer geben muss. Also gilt es, sich auf Kosten der anderen Partei durchzusetzen, um selber zu gewinnen. Tabelle 1. Ausprägungen der Problemlösungs- und Pokerstrategie Problemlösungs-Strategie
Poker-Strategie
Ich betrachte den Konflikt als unser gemeinsames Problem.
Im Konflikt muss es Sieger und Verlierer geben. Ich möchte gewinnen.
Absichten: Ich kenne meine Wünsche, Interessen und Ziele und habe vor, sie täuschungsfrei offen zu legen. Ich suche nach einer Lösung, die uns beide zufrieden stellt. Ich möchte gemeinsame Ziele verfolgen.
Absichten: Ich kenne zwar meine Wünsche, Interessen und Ziele, aber ich werde mich hüten, sie offen zu zeigen: entweder sage ich nichts dazu oder verdrehe sie. Ich werde alles daran setzen, dem anderen meine Position aufzuzwingen. Ich will meine eigenen Ziele verfolgen.
Verhalten: Ich suche Machtunterschiede auszugleichen, indem ich hervorhebe, wie wichtig es mir ist, dass wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen betone, dass wir beide aufeinander angewiesen sind.
Verhalten: Ich suche Machtunterschiede bewusst herauszustreichen, indem ich gleich zu Beginn feststelle, dass mir überhaupt nichts daran liegt, ob wir zu einer gemeinsamen Lösung kommen hervorhebe, dass ich vom anderen in keiner Weise abhängig bin.
Ich stelle zu Beginn meine Gefühle, Interessen, Absichten und Positionen offen und unverfälscht dar. Während der
Ich lasse zu Beginn den anderen im unklaren über meine Gefühle, Interessen, Absichten und Positionen; ich hal-
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andere spricht, versuche ich, mich in ihn hineinzuversetzen. Weder locke ich mit Versprechungen noch verunsichere ich mit Drohungen.
te mich bedeckt und lasse ihn kommen. Ich vermeide es, mich in die Lage des anderen hineinzuversetzen; das „psychologisiert“ nur den Konflikt.Anfangs locke ich mit Versprechungen; wenn der andere aber nicht nachgeben will, zögere ich nicht zu drohen.
Negative Gefühle drücke ich so aus, dass sie nicht verletzen. Heftige Gefühle (Zorn, Ungeduld) gebe ich temperamentvoll wieder (= heisser Konflikt). Ich gebe zu verstehen, dass meine Position nicht das letzte Wort ist. Ich zeige mich entgegenkommend, um eine kooperative Beziehung herzustellen oder zu stabilisieren.
Negative Gefühle bringe ich scharf zum Ausdruck, auch wenn sie verletzen. Heftige Gefühle halte ich zurück, aber ich nehme mir vor, es ihm zu einem späteren Zeitpunkt „heimzuzahlen“ (= kalter Konflikt). Ich gebe unmissverständlich zu erkennen, dass ich von meiner Position nicht abrücken kann und werde. Ich zeige mich entgegenkommend, um die Kooperationsbereitschaft des anderen zum Durchsetzen meiner Ziele auszunutzen
7.1 Mein persönlicher Konfliktstil Während die Poker- und Problemlösungsstrategien grundsätzlich verschiedene Vorgehensweisen in Konflikten wiedergeben, stellt der Konfliktstil eine mögliche typische Verbindung unterschiedlicher Ausprägungen beider Strategien dar. Ähnlich dem Führungsstil kommt er dadurch zustande, dass Konfliktparteien in ihrem Verhalten Orientierungen an den eigenen Belangen und an denen der Gegenseite in variabler Kombination vereinen. Mit der Beantwortung der folgenden Fragen können Sie Ihren persönlichen Konfliktstil kennen lernen. 7.2 Übung: Persönliche Konfliktstile Kreuzen Sie die Antwort an, die am ehesten zutrifft. 1. Jeder Konflikt rührt auch die Gefühle der Beteiligten auf. Wie würden Sie Ihre Gefühle in Konfliktsituationen beschreiben? a) Es macht mir richtig Spass, wenn ich meinen angestauten Gefühlen Luft machen kann. b) Konflikte stimmen mich ernst. Ich mache mir Gedanken, was wohl die anderen meinen und fühlen.
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c) Ich bin frustriert; denn entweder ärgere ich mich oder resigniere, zu einer wirklichen Lösung kann ich doch nichts beitragen. d) Ich habe schon Spass daran, aber die Gefühle dürfen nicht zu heftig werden. e) Ich habe oft Angst davor. Offene Aussprachen sind nicht möglich, ohne den anderen zu verletzen. 2. Sie ärgern sich aus irgendeinem Grund über einen Freund. Was tun Sie? a) Ich sage ihm, weshalb und worüber ich mich ärgere. Dann frage ich ihn, wie ihm zumute ist. b) Ich ärgere mich am meisten darüber, dass es ihm gelungen ist, mich so in Wut zu bringen. Ich gehe ihm deshalb aus dem Weg, bis ich wieder ruhiger geworden bin. c) Wenn ich Wut habe, explodiere ich, ohne viel zu fragen. d) Ich habe Angst davor, in Wut zu geraten. Sie könnte mich verleiten, etwas zu tun, was ich später bereue. Deshalb versuche ich, den Ärger zu verdrängen und das Gegenteil von dem zu tun, zu was mich der Ärger antreibt. e) Eine richtige Wut ist für alle gut, solange niemand verletzt wird. 3. Eine Besprechung zieht sich immer mehr in die Länge, weil ein Kollege auf seinen Einwänden beharrt. Was tun Sie? a) Ich trete dafür ein, dass er seine Argumente vorbringen kann. Wenn er die Gruppe nicht zu überzeugen vermag, sollte er sich der Mehrheitsmeinung anschliessen. b) Ich suche herauszufinden, weshalb der Kollege das Problem anders als die Gruppe sieht. Wir können dann nochmals unsere Argumente aus seiner Sicht prüfen und ihn besser verstehen. c) Solche Meinungsverschiedenheiten lähmen eine Gruppe. Ich dränge die anderen, zu angenehmeren Tagesordnungspunkten überzugehen. d) Der Kollege behindert unsere Arbeit. Ich sage das offen und verlange, dass wir notfalls ohne ihn weitermachen. e) Ich halte mich heraus, wenn andere streiten. Soll doch jeder sehen, wie er seine Meinung selber durchsetzen kann. 4. Gruppen müssen häufig Entscheidungen mit anderen Gruppen absprechen und koordinieren. Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie einen Gruppensprecher? a) Er soll unsere Meinungen am besten vertreten können, aber gleichzeitig auch flexibel genug sein, um unsere Position im Lichte der
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b) c) d) e)
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Argumente der anderen Gruppen so zu revidieren, dass eine optimale Entscheidung herauskommt. Er sollte unsere Position geschickt vertreten, aber alles vermeiden, was uns in eine Zwickmühle bringen könnte. Er soll kooperativ, freundlich und zurückhaltend sein, um Konflikte mit anderen Gruppen zu vermeiden. Er sollte hart verhandeln können, keine Zugeständnisse machen und unseren Standpunkt maximal durchsetzen. Ich würde jenen bevorzugen, der von vornherein auf Kompromisse eingeht.
Auswertung: 1. 2. 3. 4.
9/9 b a b a
5/5 d e a e
1/9 e d c c
9/1 a c d d
1/1 c b e b
Orientierung an den Zielen und Belangender Gegenpartei
Die Zahlen in der Auswertung repräsentieren einen jeweils anderen Konfliktstil. Das Konzept des Konfliktstils geht auf Blake und Mouton, (1964) zurück. 1/9 Nachgeben, sich unterwerfen, auf eigene Ziele verzichten, Meinungsverschiedenheiten nicht hochspielen, glätten, harmonisieren
9/9 Gemeinsames Problemlösen, kreative Zusammenarbeit, trotz Widerständen und Rückschlägen eine beiderseits optimale Lösung finden wollen
5/5 Kompromiss, jeder rückt von seinen Maximalforderungen ab 1/1 9/1 Flucht, Vermeidung, Rückzug, gar Durchsetzen, Erzwingen, entweder nichts tun, Konflikte unter den Tepich oder du, Drohung und Macht einpich kehren setzen, die Pokerstrategie verwirklichen Orientierung an meinen Zielen und Belangen
Abb. 2. Übersicht Konfliktstile
Analog ihrem Führungsmodell lassen sich auch für die Konfliktthematik die beiden Dimensionen Orientierung an den eigenen Zielen und Belangen
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sowie Orientierung an den Zielen und Belangen der Gegenpartei jeweils in einer neunstufigen Skala untergliedern. Die zweidimensionale Zuordnung der beiden Dimensionen erlaubt es, fünf charakteristische Konfliktstile zu identifizieren. Anmerkungen: 1. Kein Stil kann als der einzig optimale gelten. In verschiedenen Situationen kann jeweils ein anderer Stil angemessen sein. Ein Konflikt wird eher bewältigt, wenn die Beteiligten flexibel zwischen diesen Stilen variieren können. 2. Jeder Mensch entwickelt eine für ihn charakteristische Abfolge von Konfliktstilen. Er lernt, mit welchem Stil er zuerst einen Konflikt angeht und auf welchen er dann überwechselt, wenn der erste erfolglos bleibt. 3. Die Stile 9/9 (Gemeinsames Problemlösen) und 5/5 (Kompromiss) können als kulturell akzeptierte Stile gelten. Wenn man Menschen fragt, wie Konflikte am besten bewältigt werden sollten, dann sagen die meisten: Indem die Parteien miteinander sprechen und eine beiderseits befriedigende Lösung oder zumindest einen Kompromiss suchen. Was aber wenn trotz all dem keine Lösung zustande kommt? Dann fällt jeder auf einen der drei grundlegenden biologischen Stile zurück: 1/1 (Flucht), 1/9 (Unterwerfung), 9/1 (Kampf). Auf welchen fallen Sie zurück?
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Das kooperative Konfliktgespräch – in sechs Schritten
1. Die Konfliktbewältigung fängt zunächst in der eigenen Person an: Die erste und wichtigste Aufgabe ist es, darum die eigene Erregung unter Kontrolle zu bringen. 2. Nun muss zur Konfliktpartei eine Beziehung hergestellt werden, die die Grundlage für die gemeinsame Suche nach der besten Lösung bildet. Das setzt bei beiden Parteien ein hohes Mass an Vertrauen voraus. 3. Vertrauen kann nur durch eine offene, ehrliche Kommunikation wachsen. Beide Parteien müssen sich ständig im Kommunikationsprozess vergewissern können, dass diese vertrauensbildenden Massnahmen von beiden Seiten gepflegt werden. 4. Erst jetzt ist die Zeit reif, gemeinsam den Inhalt bzw. das Thema des Konflikts aufzugreifen. Ziel ist: die gemeinsame Problemlösung.
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5. Die Lösung, auf die sich die Parteien einigen, muss abgesichert werden. Zu schnell wird sonst das Vertrauen überstrapaziert. Niemand ist dagegen gefeit, das in ihn gesetzte Vertrauen auch einmal zu missbrauchen. Namen und Regeln sichern durch die Festlegung von Vereinbarungen die nächsten Schritte. 6. Der Konflikt ist nun auf der sozialen Ebene beendet. Damit sind aber auch nicht gleichzeitig alle „Wunden“ verheilt. Die getroffenen Regelungen müssen auch innerlich von beiden Seiten „gelebt“ werden, damit sie innerlich „verarbeitet“ werden können.
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Kontroverse Verhandlung
Die Grundzüge des kooperativen Konfliktgesprächs lassen sich auch auf jene Formen der Konflikthandhabe übertragen, in denen (gleichwertige) Parteien in einer heftigen Kontroverse ein Ergebnis auszuhandeln versuchen (Berkel 2002). Ziel des Aushandelns ist eine gütliche Einigung, die auf fairem Weg erreicht wird, beide Seiten zufrieden stellt, von Dauer ist und die künftige Beziehung nicht gefährdet (Fischer u. Ury 1993). Im Verhandeln müssen die Parteien zwei in sich spannungsgeladene Aspekte zu einem Ausgleich bringen, nämlich x gegeneinander kämpfen und miteinander kooperieren x flexibel neue Möglichkeiten erkunden und beharrliche eigene Vorstellungen verfolgen (Mastenbroek 1992) Flexibel Aktiv nach neuen Alternativen suchen
Kämpfen Die eigenen Ziele entschieden verfolgen
Kooperieren Die Ziele der Gegen- seite einbeziehen Beharrlich Auf den eigenen Vorschlägen bestehen
Abb. 3. Spannungsgeladene Aspekte einer kontroversen Verhandlung
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9.1 Spannungsfeld einer kontroversen Verhandlung Um gleichzeitig zu kämpfen und zu kooperieren, muss eine Partei die Fähigkeit haben, sowohl sachbezogen als auch beziehungsfördernd zu handeln und zu agieren. Um gleichzeitig flexibel und beharrlich zu sein, muss eine Partei die Ziele, die sie letztlich erreichen will, von den Mitteln und Wegen unterscheiden. Und schliesslich muss sie imstande sein, ihre eigenen Emotionen sowohl zu Beginn unter Kontrolle zu halten als auch am Ende auf das Ergebnis hin zu regulieren, besonders dann, wenn viel auf dem Spiel steht. Damit lässt sich die Brücke zu den sechs Phasen des kooperativen Konfliktgesprächs schlagen. Gerade in extremen Kontroversen ist es wichtig, einer Grundstruktur zu folgen, weil einen sonst die Emotionen mitreissen. Sie seien deshalb nochmals zusammengefasst: 9.2 Kontroverse Verhandlung 1. Erregung kontrollieren x Auf die eigenen körperlichen Warnsignale achten x Die Reizworte kennen, die einen leicht auf die Palme bringen x Vorwürfe überhören und übergehen x Sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen x Zwischen der (Verhandlungs-)-Rolle des anderen und seiner Person unterscheiden 2. Vertrauen bilden x Sich öffnen: eigene Vorstellungen und Empfindungen mitteilen x Mit realistischen Vorschlägen dem anderen entgegenkommen x Chancen, den anderen über den Tisch zu ziehen, bewusst nicht nutzen, aber signalisieren, dass man es hätte tun können x Sicherstellen, dass die eigenen Motive und Absichten nicht als Täuschung verstanden werden 3. Offen kommunizieren x Sorgfältig zuhören und nachfragen x Sich bisheriger Ergebnisse durch Zusammenfassen vergewissern x Details beachten und registrieren (evtl. durch Notizen) x Psychospiele beim Namen nennen x Humorvolle Gesten und lockere Bemerkungen einflechten
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4. Problem lösen x Die Mussziele von den Wunschzielen jeder Seite trennen x In Tausch und Gegentausch eintreten x Das Gesamtpaket und übergeordnete Ziel nicht aus den Augen verlieren x Immer wieder Nutzen und Vorteile vorführen, die jede Seite von einer Einigung hat x Das Risiko bedenken, wenn es zu keiner Einigung kommt 5. Vereinbarung treffen x Schon kleine Ergebnisse als Erfolg verbuchen x Aber auch: sich nicht mit vorschnellen Entscheidungen zufrieden geben x Über den eigenen Schatten springen x Vereinbarung klar und unmissverständlich formulieren x Besprechen, wie beide reagieren, wenn das Ergebnis zu Hause kritisiert wird 6. Persönlich verarbeiten x Sich nach der Decke strecken x Das Mögliche von dem Gewünschten unterscheiden x Rachegefühle verbannen x Mit Enttäuschungen fertig werden x Innerlich zur Vereinbarung ja sagen In den Konflikten stecken oft ungeahnte Chancen und Möglichkeiten (Berkel 2002). Hier 12 Gründe, aus Konflikten zu lernen: 1. Konflikte machen problembewusst: Die Beteiligten erfahren, wo die Brennpunkte liegen und was sie selbst tun müssen, um sie zu entschärfen. 2. Konflikte stärken den Willen zur Veränderung: Sie signalisieren, dass etwas anders gemacht werden muss, z. B. eine alte Gewohnheit aufgegeben, eine andere Einstellung angeeignet, neue Fähigkeiten erworben werden müssen. 3. Konflikte erzeugen den notwendigen Druck, Probleme aktiv anzugehen: Ohne diesen Druck fehlt häufig die Kraft und Entschiedenheit, brisante Themen anzupacken. 4. Konflikte vertiefen zwischenmenschliche Beziehungen: Die Parteien lernen sich besser verstehen, wissen, was ihnen wechselseitig wichtig ist, kennen ihre verletzliche Seite, finden heraus, wie sie auch unter Druck konstruktiv zusammenarbeiten können. 5. Konflikte festigen den Zusammenhalt: Die in der täglichen Zusammenarbeit unvermeidlichen Reibereien werden entdramatisiert und versachlicht.
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6. Konflikte machen das Leben interessanter: Sie durchbrechen die Routine des Alltags, machen Beziehungen lebendig, Gespräche lebhaft und spannend. 7. Konflikte geben den Anstoss, Fähigkeiten und Kenntnisse zu vertiefen: Die zunächst schwer verständlichen Ansichten der anderen Seite machen neugierig, der Sache oder dem Thema auf den Grund zu gehen und neue Einsichten zu gewinnen. 8. Konflikte fördern Kreativität: Die Beteiligten erfahren, dass ein Problem oder eine Situation ganz verschieden gesehen und bewertet werden kann. Sie einmal aus einem anderen Blickwinkel – dem der Gegenseite – zu betrachten, vertieft das Problemverständnis und erhöht die Chance, eine neue, kreative Lösung zu finden. 9. Konflikte lassen uns und andere besser kennen lernen: Im Konflikt erfahren wir, was uns ärgert, verletzt, zu schaffen macht, was uns wichtig ist und wie wir reagieren, wenn andere mit uns konkurrieren oder uns behindern. 10.Konflikte führen zu besseren Entscheidungen: Meinungsverschiedenheiten und Kontroversen zwingen dazu, eine Entscheidung sorgfältig zu durchdenken, widersprüchliche Alternativen durchzuspielen und sich erst dann für eine Lösung zu entscheiden. 11.Konflikte fördern die Persönlichkeitsentwicklung: Um einen Konflikt konstruktiv zu bewältigen, muss eine Partei ihre egozentrische Sichtweise überwinden und sich in die andere Seite hineinversetzen, was ein höheres Mass an gemeinsamer Bewusstheit und moralischer Verantwortung stiftet. 12.Konflikte können Spass machen – wenn sie nicht überdramatisiert und zu ernst genommen werden. Viele Menschen betreiben riskante Sportarten (Bungee-Jumping, Drachenfliegen), beteiligen sich an aufregenden Wettkämpfen und Spielen, unterziehen sich harten Survival-Trainings, sehen sich neugierig nervenkitzelnde Filme an – sie tun dies, weil sie Spannung und Aufregung erleben und geniessen wollen. Jeder Konflikt bietet – ganz kostenlos – diese Herausforderung.
Literatur Berkel K (2002) Konflikttraining, 7. Auflage Berkel K, Herzog R (1997) Unternehmenskultur und Ethik Crisand E, Lyon¨U (1981) Anti-Stress-Training Deutsch M (1976) Konfliktregelung Fischer F, Ury W (1993) Das Harvard-Konzept Mastenbroek W (1992) Verhandeln. Strategie – Taktik – Technik Stroebe R W (1998) Kommunikation II
Konfliktkompetenz Ulrich Witschi Galexis AG
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Einleitung
Das Thema Konflikt, respektive Konfliktkompetenz ist in unserem heutigen Geschäftsumfeld und den damit verbundenen Tätigkeiten, sowie im täglichen Leben leider kein unbekannter Begleiter mehr. Leistungsdruck, wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Stress, weltpolitische Veränderungen, unterschiedliche Zielvorstellungen, um nur ein paar Stichworte zu nennen, beinhalten ein grosses Mass an Konfliktpotential. Keiner mag Konflikte wirklich gerne. Konflikte machen Angst, es kann Wut und Frustration entstehen, Reaktionen sind zum Teil nicht mehr nachvollziehbar, Verletzungen und Vermischungen prägen die Diskussionen. Nachdenklich stimmt, dass Konflikte, oder Divergenzen aus meiner Sicht ständig zunehmen und konstruktive Mittel und Wege gefunden werden müssen, um das Konfliktpotential reduzieren, oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Verhindern werden wir Konflikte nicht können, aber durch ein gemeinsames Verständnis und ein gezieltes Vorgehen können wir mit diesen Situationen besser umgehen. Die Beschaffung bildet die Schnittstelle zwischen Lieferanten und Betrieb und hat dadurch eine relativ grosse Angriffsfläche für Konflikte. Wichtig ist, dass wir in dieser Funktion die Kompetenz besitzen, das Konfliktpotential zu erkennen. Konflikte haben letztendlich in den meisten Fällen ungünstige Auswirkungen für die betroffenen Unternehmungen, oder die involvierten Personen / Gruppen. Aus diesem Grund ist es von zentraler Bedeutung, dass die richtigen Mittel und Tools durch die Einkäufer eingesetzt werden, um Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.
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Definitionen
Oft wird von einem Konflikt gesprochen, obwohl es sich beispielsweise um eine intensive Auseinandersetzung mit der Thematik handelt, oder handeln könnte. Konflikt wird oftmals mit etwas Negativem in Verbindung gesetzt, dies trifft in vielen Fällen auch zu. Durchaus ist es aber auch möglich, dass neue Ideen, kreative Lösungen etc. aus einer Konfliktsituation entstehen können. Diesen Punkt darf man insbesondere während der Lösungssuche nicht komplett vergessen. Es ist wichtig, dass wir versuchen, die Konfliktthematik von Streit und Auseinandersetzung abzugrenzen. Folgende Begriffe werden im Zusammenhang mit den Wörtern „Konflikt“, „Kompetenz“ und „Divergenz“ verbunden: x Konflikt: Zusammenstoss (aus dem Lateinischen), Zwiespalt, Streit x Kompetenz: Sachverstand, Fähigkeit, Zuständigkeit x Divergenzen: auseinander gehend, in entgegengesetzte Richtung laufend Ein Konflikt besteht, wenn Handlungen, Bedürfnisse, Interessen, Wünsche, Erwartungen und Gefühle von mindestens zwei Menschen, Gruppen oder Zielen im Widerspruch zueinander stehen. Konflikte sind keine Tätigkeiten, sie bestehen oder entstehen! Streit heisst, dass ein Mensch oder eine Gruppe versucht, verbal, oder durch andere Übermittlungsarten, dem anderen seine Meinung, Absicht, oder Überzeugung aufzuzwingen. Streiten ist eine Tätigkeit! Auseinandersetzung heisst, die eigenen Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Meinungen darzustellen und die des Diskussionspartners anzuhören, zu respektieren, mit den eigenen zu vergleichen und abzuwägen. Auseinandersetzung entspricht einer klaren Kompetenz, nämlich die Fähigkeit zu besitzen den Konfliktpartner ernst zu nehmen und ihn entsprechend zu akzeptieren!
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Wie entsteht ein Konflikt?
Ich habe mich schon oft gefragt, ob gewisse Situationen wirklich Grund genug sind, um einen Konflikt auszulösen? Betrachtet man die Sache aus entsprechender Distanz, sind es doch theoretisch höchstens Probleme, Herausforderungen, Aufgaben etc. welche ohne Konflikt gelöst werden
Konfliktkompetenz
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könnten. Leider ist es aber in der Praxis vielfach so, dass mit einer Aufgabe begonnen wird und dass es mit einer Konfliktsituation endet. In einer ersten Phase versucht man den Konflikt immer zu vermeiden. Die Folge daraus ist, dass der vermiedene Konflikt durch diesen Schritt nicht kleiner, sondern eher grösser und komplizierter wird. Das heisst jetzt nicht, dass jede Besprechung, jedes Telefonat in einem Konflikt enden soll. Ich will damit nur darlegen, dass stillgeschwiegene Konflikte der Lösung nicht dienlich sind. Streit und nicht mehr Auseinandersetzung ist dadurch die Schlussfolgerung! Was sind die möglichen Auslöser eines Konfliktes? x Klassischer Widerspruch (hohe Qualität zu billigsten Preisen) x Angebot des Lieferanten entspricht nicht unserer Spezifikation (Missverständnisse etc.) x Leistung des Lieferanten entspricht nicht den Vereinbarungen (Nichteinhaltung Vertrag) x Unterschiedliche Unternehmenskulturen- und Strukturen x Heterogene Teamstrukturen (Team passt von der „Chemie“ her nicht zusammen) x Neuer Vorgesetzter (ist kein Teamplayer, sondern bspw. die Arroganz in Person) x Kollege wird der neue Vorgesetzte (Verletzung des eigenen Selbstwertgefühles) x Neuer Mitarbeiter im Team (Unterschiedliche Interessen) x Unzureichende, falsche Kommunikation (daraus resultierende Fehler bei der eigenen Arbeit) x Unklare Zielvorgaben (negative Auswirkungen auf Lieferantenverhandlungen) Die Aufzählung ist sicherlich nicht abschliessend. Aber es wird aufgezeigt, dass Konflikte überall entstehen können, wo Menschen arbeiten oder leben und dadurch verschiedene Situationen entstehen, die in einem möglichen Widerspruch zu einander enden.
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Konfliktebenen
Sicher gibt es unzählige Formen und Variationen von Konflikten und deren Auswirkungen. Mindestens aber ein Element ist bei allen Konflikten
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gleich. Ein Vorhaben, eine Idee, die persönliche Überzeugung/Meinung, das Ziel, etc. stehen im Widerspruch mit beispielsweise dem geplanten Vorgehen oder der momentanen, respektive zukünftigen Situation. Es handelt sich hier nicht um einen Streit und auch nicht um eine Auseinandersetzung, sondern eben um einen klassischen Konflikt (Widerspruch). Es ist wichtig, dass man eine Konfliktsituation nicht mit Streit gleichsetzt! Die Lösungsfindung wird dadurch massiv vereinfacht. Wenn ich mich mit meiner beruflichen Vergangenheit in der strategischen und operativen Beschaffung sowie der Leitung eines Einkaufbereiches etwas tiefer auseinandersetze, so kann ich feststellen, dass sich die Konflikte mit wenigen Ausnahmen immer auf den nachfolgenden drei Ebenen abspielen: 4.1
Sachebene
Beispiel: Zielkonflikt in der Materialwirtschaft; hohe Materialverfügbarkeit bei tiefen Lagerbeständen, oder hoher Qualitätsstandard zu tiefen Preisen, etc. Die erwähnten Beispiele sind klassisch und Lösungen stehen in jedem Lehrbuch über Einkauf und Beschaffung, so denkt man. Die Praxis jedoch zeigt ein viel differenzierteres Bild. Branchenunabhängig ist der Kostendruck heute so enorm, dass es keine Patentlösungen (mehr) gibt. Wir befinden uns mit diesen Beispielen in einer klassischen Konfliktsituation. Der Betrieb (Produktion), welcher die Anforderung nach tiefen Materialkosten und hoher Qualität hat, steht in klarem Widerspruch mit dem Lieferanten, der ebenfalls gewinnoptimiert produzieren, respektive verkaufen will (muss). Dazwischen befindet sich der Einkäufer dessen Aufgabe es ist, diesen Konflikt mit seinen ganzen Auswirkungen zu managen. Diesbezügliche Lösungsmöglichkeiten- /Vorschläge finden wir in nachstehendem Kapitel 5. 4.2 Zwischenmenschliche Ebene Beispiel:„Chemie“ des Teams, neuer Mitarbeiter, Vorgesetzter, Lieferant. Mit diesem Thema könnte man eine Bibliothek ohne grosse Probleme füllen und ich möchte hier nur beschränkt auf den Punkt „Zwischenmenschlichkeit“ eingehen. Die Abgrenzung zwischen Konflikt, Streit und Auseinandersetzung spielt hier eine zentrale Rolle.
Konfliktkompetenz
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Meine Erfahrung bestätigt mir jedoch, dass, wenn man in der Sache noch eine Lösung finden könnte, es oftmals im zwischenmenschlichen Bereich scheitert. Anders ausgedrückt ist die vorherrschende Stimmung oder Chemie der Parteien absolut Match entscheidend, ob der „Case“ zum fliegen kommt oder nicht. Keine noch so gute Lösung/Idee kann umgesetzt werden, wenn die Leute nicht dahinter stehen und aktiv an der Zielerreichung mitarbeiten. Auslöser für die negative Haltung sind vor allem auf die folgenden Faktoren zurückzuführen: x die Idee stammt nicht vom Kritiker x Vorhaben, Projekt, Idee hat einen direkten Einfluss auf die Arbeit des Kritikers x Gesichtsverlust x Interne Machtkämpfe enden in einem Gartenhagdenken zwischen Abteilungen x Einsicht ist aus Prinzip nicht vorhanden x Kooperationsfähigkeit- und Wille fehlt x Kulturelle Unterschiede x unprofessionelle-, fehlende- oder falsche Information x objektive Haltung/Ansicht fehlt Mit Konflikten auf der zwischenmenschlichen Ebene bringt man jedes Projekt, jede Verbesserungs- oder Änderungsmassnahme, etc. zum scheitern. 4.3 Persönliche Ebene Beispiel: Ethik, Charakter, eigene Persönlichkeit, eigene Meinungsbildung-/Äusserung, etc. In Konfliktsituationen spielt die eigene Meinung, die Denkhaltung sowie die generelle Lebenseinstellung eine sehr zentrale Rolle. Jeder Mensch ist ein Individuum und hat seinen eigenen Charakter, seine persönlichen Stärken und Schwächen, seine eigenen Wert- und Lebensvorstellungen. Glücklicherweise ist das so, sonst wäre das Leben wohl sehr langweilig. Die Entstehung oder die Reaktionen auf Konflikte entsprechen dadurch auch keinem standardisierten Muster. Jeder Mensch reagiert je nach Situation völlig unterschiedlich. Folgende Fragen stelle ich mir vor (sofern ich es erkennen kann) oder in einer Konfliktsituation immer: x Welche Ebene betrifft es: Sach-/Zwischenmenschliche- oder persönliche Ebene?
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Ulrich Witschi
x Gibt es einen persönlichen Anteil zwischen der Konfliktsituation und mir selber? x Warum habe ich oder der/die Partner/in ein Problem mit der Situation und wieso resultiert das Ganze in einem Konflikt? x Wie würde ich in der gleichen Situation aber auf der anderen Seite reagieren? Kann ich mich in die Situation des Partners versetzen? In diesem Zusammenhang erachte ich bezogen auf die Beschaffungstätigkeit, einen weiteren Punkt als sehr zentral: Kann ich mein persönliches Verhalten (Entscheid, Äusserung, Ethik, Respekt, etc.) mit meinem Gewissen, meinen Zielen vereinbaren? Sollte man sich selber diese Frage mit „nein“ beantworten müssen, birgt das eigene Verhalten in einer bestimmten Situation mindestens ein Gefahrenpotential für einen Konflikt, welcher irgendwann eskalieren wird. Die Frage stellt sich einzig nur wann und wo. Ich habe auch schon Situationen erlebt, die ich gegenüber mir selbst mit einem „nein“ beantworten musste. Aber ich weiss, dass ich mein Verhalten jeweils hinterfrage und wesentliche Schlüsse und persönliche Regeln daraus ableite. Der Einkauf trägt eine besondere Verantwortung. Er vertritt das Unternehmen gegen aussen, verhandelt, schliesst Verträge ab, welche einen Einfluss auf Betrieb, Umwelt und Mitmenschen haben und somit nicht nur auf sachbezogene Themen beschränkt werden dürfen. Umso mehr muss die persönliche Denkhaltung mit den Taten übereinstimmen, sonst laufen wir Gefahr, dass zumindest auf der persönlichen Ebene ein Konflikt entsteht. Wir haben feststellen können wie Konflikte entstehen und auf welchen Ebenen sie sich abspielen können. Nachfolgend möchte ich bezogen auf die Beschaffung einige Inputs aufzeigen, wie ich mit Konflikten, ungeachtet in welchem Stadium sie sich befinden, umgehen. Konfliktmanagement erfordert die Fähigkeit, mögliches Konfliktpotential frühzeitig zu erkennen, zu spüren, zu verhindern und schlussendlich im Eskalationsfall zu lösen. Bei bereits entstandenen Konflikten ist ein professioneller Umgang mit der Situation immer wichtiger, welche eine kreative Konfliktlösung zum Nutzen aller Beteiligten ermöglicht.
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Voraussetzung für Konfliktkompetenz
Das Fachwissen, das Verständnis über die eigene Tätigkeit sowie Kenntnisse des Geschäftes setze ich voraus und gehe daher nicht weiter auf diese
Konfliktkompetenz
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Punkte ein. Viel wichtiger ist das persönliche Verhalten in schwierigen Situationen und das Anwenden von möglichen Tools, welche im Falle eines Konfliktes zur Verfügung stehen. Die Konfliktkompetenz ist ein wesentlicher Teil des gesamten Konfliktmanagements und bildet somit die Basis, welche über Erfolg oder Misserfolg des Gesamten entscheidet. Ein wichtiger Bestandteil der Kompetenzen sind sicherlich die Voraussetzungen, welche die im Konflikt stehenden Partner mitbringen. Bezogen auf den Einkäufer sind nachfolgende Punkte sehr relevant: x Eigenverantwortung und Eigenreflexion x Einfühlungs- und Durchsetzungsvermögen x Konsensfähigkeit x Kommunikationsfähigkeit x Konstanz mit gleichzeitiger Kompromissfähigkeit (Vermittlerrolle) x Ziel- und Lösungsorientiert x Nicht nur verstehen sondern auch begreifen x „Ich-Botschaften“ anstelle von „Du-Botschaften“ x Sozialkompetenz Der Erfolg des Konfliktmanagements ist weitgehend auf das eigene Verhalten oder das des (Konflikt-) Partners zurückzuführen. Darum spielt es eine sehr wesentliche Rolle, welche Voraussetzungen bei den Konfliktparteien vorhanden sind. Sind Lücken zu erkennen, gibt es genügend Möglichkeiten sich mit Schulungen und Kursen entsprechend weiterzubilden.
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Konfliktidentifizierung und Analyse
Oft stellt man den Konflikt erst fest, wenn die Situation bereits eskaliert ist. Ich habe in meiner beruflichen Tätigkeit feststellen müssen, dass in dieser Situation vielfach nicht mehr im Sinne eines vorwärts kommen gearbeitet wird, sondern, dass ein Stillstand eintritt, sich die Standpunkte verhärten und die Energie schlussendlich im Streit verschwendet wird. Der Konflikt und vor allem dessen Ursache muss identifiziert werden. Ich stelle mir immer die folgenden Fragen in einem Konflikt, um den eigentlichen „Konfliktherd“ zu finden:
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Ulrich Witschi
x Wo haben wir mit der Aufgabe begonnen und was war das Ziel des Auftrages? x Was sind die abweichenden Faktoren, worin besteht das Delta zwischen „Soll“ und „Ist“? x Wo stehen wir heute? (Analyse der Ist-Situation) x Auf welcher Ebene spielt sich der Konflikt ab? (Sachebene, zwischenmenschliche Ebene, oder persönliche Ebene) Anschliessend ist eine Detailanalyse notwendig, damit die Zahlen und Fakten aufgenommen und bewertet werden können. Besteht ein Gesamtbild der Situation, kann aktiv an der Lösung gearbeitet werden.
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Konfliktsituationen im Bereich des Supply Chain Management
Die Beschaffung wird heute mehr denn je (teilweise irrtümlich) unter dem Begriff Supply Chain Management (SCM) zusammengefasst. Supply Chain Management ist die Planung, Steuerung und Kontrolle des gesamten Material- und Informationsflusses, einschliesslich des Finanzflusses innerhalb eines Netzwerkes von Unternehmungen und deren Bereiche, die im Rahmen von aufeinander folgenden Stufen der Wertschöpfungskette an der Entwicklung, Erstellung und Verwertung von Sachgütern und/oder Dienstleistungen partnerschaftlich zusammenarbeiten, um Effektivitätsund Effizienzsteigerungen zu erreichen. Die Idee von SCM basiert auf „Partnerschaft“, vertiefter „Zusammenarbeit“ und „Synergien Nutzung“, was zum Gesamtnutzen von allen Beteiligten umgesetzt werden kann. SCM beinhaltet durch diese übergreifende und enge Zusammenarbeit auch ein grosses Mass an Konfliktpotential. Aus meiner Erfahrung gibt es unzählige Möglichkeiten und Kombinationen von Problemen (Streitigkeiten), welche schlussendlich zum Konflikt führen können. Anhand von Beispielen, möchte ich drei wichtige Lösungsmöglichkeiten aufzeigen, welche sich positiv auf die Prozessabwicklung innerhalb des Supply Chain Management Gedanken auswirken können und mit Sicherheit helfen, Konflikte zu vermeiden.
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Tabelle 1. Aufgabenbild und Funktionsmatrix KonfliktpartnerKombination und Ebene Kombination: Intern / Intern Ebenen: Sach- und Zwischenmenschliche Ebene
Kombination: Intern / Extern Ebene: Sachebene
Beispiele
Produktion und Beschaffung haben unterschiedliche Zielvorgaben. Kostendruck zwingt die Unternehmung zu einschneidenden Massnahmen. Produktion: keine Workstops, hoher Output, gute bis hohe Qualitätsanforderung Beschaffung: tiefe Lagerbestände, kurze Lieferzeiten, günstige Preise, der Nutzung entsprechende Qualität
Die Leistung des Lieferanten entspricht nicht der Spezifikation. Engineering: Die Technik erstellt eine Spezifikation mit Leistungsbeschreibung und Abnahmebedingungen. Beschaffung: Die Beschaffung führt den Evaluationsprozess durch, verhandelt, erstellt Vertrag inkl. Einbindung der Spezifikation und ist verantwortlich für die Vertragseinhaltung (u.a. Rechtliche Aspekte, Termine und Kosten). Lieferant: Vertragspartner, Verantwortlich für Lieferung und Funktion der bestellten Ware.
Ursache, Auswirkung, Lösung Ursache: Ursache kann sein, dass Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz (AVK) zwischen Abteilungen und Personen nicht klar sind. Auswirkungen: Es besteht ein klassischer Zielkonflikt, welcher Abteilungsübergreifend abgestimmt und gelöst werden muss. Lösung: Erstellung von klaren Aufgabenbildern mit Zuweisung von Aufgabe, Verantwortung und Kompetenz (AVK) Ursache: Unklare Spezifikation ohne klare Verantwortlichkeiten löst Fehlinterpretation aus, welche eine negative Leistung des Lieferanten zur Folge hat. Auswirkung: Konflikt entsteht zwischen den eigenen Abteilungen und auch zwischen Lieferant und Unternehmung, Diskussionen werden zu Auseinandersetzungen mit der Problematik und enden im Worst Case in einem Streitfall. Lösung: Vor Vertragsabschluss (bereits in der Spezifikationsphase) muss eine Responsibility Matrix erstellt werden, welche die Schnittstellen und Verantwortlichkeiten der involvierten Abteilungen und Partner regelt.
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Tabelle 1. Fortsetzung Kombination: Person / Person Ebene: Zwischenmenschliche Ebene
Umsetzung eines Projektes wird durch (Geschäfts-) Partner dauernd blockiert. Mitarbeit unzureichend, positive und verwendbare Resultate bleiben aus.
Ursache: einschneidende Massnahmen für einen der Betroffenen, keine konstruktive Diskussion möglich, zu starke Vertretung der eigenen Interessen etc. Auswirkung: Stillstand der Projektumsetzung, Erfolg bleibt aus, sachliche Auseinandersetzung mit der Thematik nicht möglich, Konflikt eskaliert, Streit ist die Folge. Lösung: Mediationsverfahren mit einem internen oder externen neutralen Mediator
Die Aufgabenbilder sind vergleichbar mit der Stellenbeschreibung nur viel detaillierter. Das heisst, dass beispielsweise Beschaffungsaufgaben chronologisch aufgeführt und dann entsprechend mit Tätigkeiten (Aufgaben), Verantwortung und Kompetenz festgelegt werden. Mit der Beschreibung des Aufgabenbildes sowie der anschliessenden Festlegung der Zuständigkeiten, sind primär interne Konflikte vermeidbar, Abteilungs- oder Personenaufgaben werden klar abgegrenzt. Dadurch wird die Effizienz der Betroffenen gesteigert (Vermeidung von Doppelspurigkeiten). Die Tabelle kann mit beliebig vielen Pflichten (z.B. Mitwirkung, Information etc.) ergänzt werden. Jedoch ist darauf zu achten, dass nicht mehr als max. 5 Tätigkeiten aufgenommen werden. Abbildung 1 zeigt einen Ausschnitt einer Funktionsmatrix. Oft wird die Problematik der Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen in komplexen Projekten unterschätzt. Vor allem bei Entwicklungsarbeiten, oder bei neuen Produkten empfiehlt es sich eine „Responsibility Matrix“ zu erstellen, welche die Verantwortlichkeiten im speziellen regelt und einen verbindlichen Vertragsbestandteil bilden soll. Ich habe schon mehrmals feststellen müssen, dass mit Spezifikationen, Offerten und Diskussionen nicht alles klar definiert werden kann. Auch stösst man mit dem „Vertragswording“ unweigerlich an Grenzen, wenn es darum geht, die Schnittstellen, oder eben die Verantwortlichkeiten klar zu definieren. Der Konflikt ist vorprogrammiert!
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Abb. 1. Funktionsmatrix Supply Chain Netzbau
Das eigene Unternehmen (inkl. alle betroffenen Abteilungen) müssen sich beispielsweise vor und während der Spezifikationsphase mit der Thematik Schnittstelle und Verantwortlichkeit auseinandersetzen. Dies wiederum ergibt Transparenz und schafft Verständnis für das zu beschaffende Projekt. Auch ist es mit der Matrix möglich Verantwortlichkeiten zwischen dem Lieferanten und dessen Unterlieferanten zu regeln. Folgendermassen kann eine Responsibility Matrix aussehen: Tabelle 2. Responsibility Matrix Pos.
Subject / Activity
Responsibility Lieferant A
1 2
3
4
Lieferant B
Festlegen der Spezifikation Erstellen der Abnahmekriterien Umsetzen der Anforderungen inkl. Lieferung des Projektes xy Implementation
Abteilung 1
Abteilung 2
X X X
X
Die Matrix kann beliebig ergänzt und verändert werden. Wichtig ist, dass vor der Erstellung das Ziel klar definiert wird, was mit der Zusammenstellung erreicht werden soll (Verantwortlichkeit, Schnittstelle etc.).
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Konfliktlösung durch Mediationsverfahren
Findet man trotz Vertrag, Diskussion, Auseinandersetzung mit der Thematik, etc. keine Lösung und ist der Konflikt soweit fortgeschritten, dass man sich in einer Sackgasse befindet, so hilft oftmals nur noch eine aussenstehende Person, welche den Streitpunkt neutral betrachten und beurteilen kann. Diese Person kann aus der internen Organisation bestimmt werden oder aber es wird eine externe ausgebildete Fachperson für die Lösungsfindung beigezogen. Wichtig ist, dass die Person durch die Konfliktparteien bestimmt werden kann. Die Akzeptanz dieser Person kann somit durch beide Parteien sichergestellt werden. Neben dem Mediator, der die Parteien durch den Lösungsfindungsprozess führen soll, ist eine Vereinbarung über das Mediationsverfahren notwendig, welcher die Rahmenbedingungen definiert. Der Inhalt dieser Vereinbarung bestimmt die Richtlinien und Eckpunkte, welche auf der einen Seite den Konflikt umschreiben und auf der anderen Seite den Lösungsweg aufzeigen soll. Die gemeinsam definierten Regeln und Umgangsformen sind ein weiterer Bestandteil dieses Dokumentes. Nachfolgend einige Themengebiete, welche in diesem Dokument beschrieben werden: x Parteien x Ausgangslage mit Beschreibung des Konfliktes (der Problematik) x Mediationsprozess mit Angabe der Mediatoren inkl. Rollen und Aufgaben der Parteien x Inhalt der Mediation x Vereinbartes Vorgehen (Vorgehensprozess) x Eventuell bereits erkennbare Lösungsmöglichkeiten (Varianten, Szenarien wie bspw. Technische-, kommerzielle- oder personelle Lösung) x Schlussbemerkungen und Unterschriften Mit dieser Vereinbarung kann eine Grundlage geschafft werden, welche ein effizientes Arbeiten in der Lösungsfindung ermöglicht. Persönliche Auseinandersetzungen oder Streitereien können mit diesem Dokument nicht verhindert werden, aber zumindest werden Richtlinien definiert, welche im Eskalationsfall umgesetzt werden können.
9
Fazit
Konflikte können überall und zu jederzeit entstehen. Keine Computer, kein Lieferant, kein Produkt, kein Mensch kann Konflikte vermeiden. Aber es
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gibt Bereiche und Personen, die für Konflikte anfälliger sind als andere. Insbesondere die Beschaffung (Supply Chain Management) bewegt sich in einem übergreifenden und zugleich dynamischen Umfeld, welches ein grosses Konfliktpotential beinhaltet. Aus meiner Sicht ist das wichtigste Konfliktverhinderungspotential sowie die Lösungsfindung im Konfliktfall die persönliche Sozialkompetenz. Nur wer konfliktfähig ist (bedingt ein grosses Mass an Kooperationswille, Respekt und Kompromissfähigkeit), kann sich auch mit der Problematik auseinandersetzen. Die Bereitschaft die Ansichten und Interessen des Partners zu akzeptieren, oder zu mindest auf kooperative Art und Weise zu diskutieren muss vorhanden sein. Die Ursache eines Konfliktes kann auf eine Sache (Sachebene) zurückgeführt werden, die Lösung basiert aber in erster Linie immer auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Konflikte beinhalten nicht selten auch etwas Positives!
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling Michael Essig Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Materialwirtschaft und Distribution der Universität der Bundeswehr München
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Controlling-Konzeptionen für Beschaffungs- und Supply Chain Management
Controlling gehört unbestritten zu den zentralen Kompetenzen im Beschaffungs- und Supply Chain Management: „Wer vernünftig führen will, muss die Konsequenzen seiner Entscheidungen kennen.“ (Weber 2002, S. 6) Damit ist die Informationsversorgung des Management als wichtige Aufgabe des Controlling angesprochen. Diese informationsorientierte Controlling-Konzeption tritt neben drei andere Controlling-Konzeptionen, welche sich wechselseitig ergänzen (Götze 2003): x Das regelungs- und steuerungsorientierte Controlling bezieht sich auf das kybernetische System, welches den Regelkreis Planung, Durchführung, Kontrolle mit Abweichungsanalyse und Feedback-/FeedforwardFunktion umfasst. Beschaffung und Supply Chain Management können konkret im Sinne eines Regelkreises interpretiert werden, d.h. alle Strategien, Massnahmen und Instrumente sind einer fortlaufenden Kontrolle auf Planabweichungen zu unterziehen. x Die koordinationsorientierte Controlling-Konzeption hebt insbesondere auf systembildende und systemkoppelnde Aufgaben des Controlling im Führungssystem ab (Horvath 2001). Bezogen auf die Versorgungsfunktion und das Versorgungsnetzwerk eines Unternehmens erhöht sich der Koordinationsaufwand im Management, da unternehmensübergreifende Koordinationsmechanismen zur friktionslosen Verfügbarkeit extern beschaffter Leistungen erforderlich sind. x Die Rationalitätssicherungsfunktion des Controlling konzentriert sich darauf, Rationalitätsdefizite im Management abzubauen (Weber u. Schäffer 1999). Dazu gehört, vorhandene Informationsasymmetrien des
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Michael Essig
Beschaffungs- und Supply Chain Management zu reduzieren und so sachgerechte Entscheidungen abzusichern.
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Grundkonzept: Der Controllingkompetenz-Würfel
2.1 Die Dimensionen des Würfels: Konzeptionsumfang, Erfolgsmassstab und Analyseobjekt des Beschaffungsund Supply Chain Controlling Die Konkretisierung dieser Controllingkompetenzen im Bereich Einkauf, Beschaffung und Supply Chain Management erfolgt über den so genannten. „Controllingkompetenz-Würfel“. Er bildet die drei wesentlichen Kompetenzdimensionen ab:
Abb. 1. Controllingkompetenz-Würfel
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
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Dimension (1): Analyseobjekt Controlling als Führungsunterstützung bezieht sich in der Regel auf ein einzelnes Unternehmen bzw. eine seiner Teilfunktionen, in diesem Fall der Einkauf. Tatsächlich ist die Beschaffungsfunktion per se „aussenorientiert“, d.h. den (Einkaufs-) Märkten zugewandt und damit unternehmensübergreifend ausgerichtet. Da der Einkauf Lieferbeziehungen und zunehmend ganze Zulieferketten („Supply Chains“) aktiv im Sinne des beschaffenden Unternehmens gestaltet, verschiebt sich die Erkenntnisperspektive des Beschaffungscontrolling von der Akteursebene (Einzelunternehmen) auf die Kooperations- (dyadische Zulieferbeziehung) und Netzwerkebene (Zulieferketten) (Heusler 2004; Stölzle u. Karrer 2004a). Dimension (2): Konzeptionsumfang Versteht man die Beschaffung tatsächlich als einen der zentralen „Treiber“ eines zielgerichteten Supply Chain Management aus Sicht des einzelnen Akteurs, so ändert sich damit auch der Konzeptionsumfang des Beschaffungscontrolling. An die Stelle eines reaktiven Systems mit lediglich operativen Aufgaben der Datenaufbereitung tritt ein proaktiver ControllingAnsatz, der strategische Aspekte der Regelung und Steuerung, Koordination sowie Rationalitätssicherung des Beschaffungs- und Supply Chain Management wesentlich unterstützt (Arnold 1982; Baumgarten u. Darkow 2003; Heusler 2004; Stölzle u. Karrer 2004b). Dimension (3): Erfolgsmassstab Wesentliche inhaltliche Dimension des Beschaffungscontrolling ist die Frage nach dem Erfolgsmassstab. Diese Dimension beantwortet die Frage, an welchem Ziel sich das Management - und daraus abgeleitet das unterstützende Controlling - bei Führungsentscheidungen orientiert. Traditionell stehen dabei klassische monetäre Grössen im Vordergrund (Weber 2002), üblicherweise in Form von Einstandspreisen bzw. Kosten des Einkaufs und der Logistik. Die Diskussion um den „richtigen“ Erfolgsmassstab wird derzeit unter dem Oberbegriff der wertorientierten Führung neu geführt (Albach 2001; Dirrigl 2004; Hahn u. Hintze 1999; Weissenberger-Eibl 2003). Grundlage der wertorientierten Steuerung ist zum einen die gleich berechtige Berücksichtigung der Leistungs- bzw. Einzahlungsseite neben der Kosten- bzw. Auszahlungsseite und zum anderen die langfristige Erfolgsermittlung auf Basis von Discounted Cash Flow-Verfahren. Die hohe Aktualität des Themas wertorientierter Führung wird durch zwei jüngst erschienene Studien belegt: Weber, Hirsch und Müller (2004) haben eine Expertenuntersuchung zur Zukunft der wertorientierten Unternehmensführung in
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Deutschland vorgelegt. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die wertorientierte Unternehmensführung weiterhin zentrales Ziel deutscher Unternehmen bleibt. Gleichzeitig konstatieren sie ein Umsetzungsdefizit: Wertorientierte Steuerungssysteme sind derzeit noch nicht flächendeckend eingesetzt, woran sich in naher Zukunft auch nicht viel ändern wird. Ähnliche Ergebnisse finden sich in der Studie von Palli (2004) bei im ATX Prime notierten österreichischen Unternehmen. 85% der befragten Unternehmen haben ein Shareholder Value-Konzept eingeführt. 2.2 Die Felder des Würfels: Von der Einkaufs- und Logistikkostenrechnung zum Supply Chain Controlling Der aus den drei Dimensionen Analyseobjekt, Konzeptionsumfang und Erfolgsmassstab konstruierte Controllingkompetenz-Würfel deckt die wesentlichen Felder der Controllingkompetenz für Beschaffungs- und Supply Chain Manager ab. Exemplarisch seien für eine genauere Erläuterung die beiden Extremfelder der Einkaufs- bzw. Logistikkostenrechnung sowie des Supply Chain Controlling herausgegriffen: x Einkaufs-/Logistikkostenrechnung steht für ein Feld, das primär auf Akteursebene das operative Controlling der Kosten von Einkauf und Logistik abdeckt. Das sog. „TUL-Controlling“ (Weber 2002) konzentriert sich auf die Integration logistischer Aspekte in die Kostenrechnungssysteme des Unternehmens. Im Mittelpunkt stehen Fragen wie bspw. die kostenminimale Zahl an Beschaffungslagern oder die Zurechnung von Logistikkosten bei der Produktkalkulation. Ähnliches gilt für die Einkaufskostenrechnung, wo unter anderem (vermeintliche) Einkaufserfolge über den intertemporären Einstandspreisvergleich gemessen werden. x Supply Chain Controlling versucht, regelungs-, steuerungs-, koordinations- und rationalitätssichernde Aufgaben des Controlling über die gesamte Versorgungskette wertorientiert abzubilden. Dabei kommen strategische Instrumente zum Einsatz, die den tatsächlichen Wert der kompletten Supply Chain abbilden (sollen) (Otto 2002; Otto u. Stölzle 2003; Möller 2003).
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
3
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Kompetenzfelder und Instrumente des Beschaffungsund Supply Chain Controlling
3.1 Instrumente der Kosten- und Leistungsrechnung auf Unternehmensebene Weber u. Blum (2001) haben nachgewiesen, dass der Stand des LogistikControlling in deutschen Unternehmen insbes. hinsichtlich der Kostenund Leistungsrechnung „alles andere als zufrieden stellend“ (Weber 2002) ist. Gerade die Leistungen, die von Einkauf und Logistik erbracht werden, sind i.d.R. nicht Gegenstand einer systematischen Erfassung bzw. Messung. Ein systematischer Ansatz, der zwar eine Kostenreduzierung im Einkauf zum Ziel hat, dabei aber eine integrierte Kosten-Leistungs-Relation berücksichtigt, ist das Bauteilkostenmanagement nach Buck (2005). Bauteilkostenmanagement Bauteilkostenmanagement, aus den Überlegungen des Target Costings abgeleitet, unterstützt die Beschaffung im direkten Bereich (Produktionsgüter). Gemeinschaftlich werden im Rahmen multifunktionaler Teams Attribute von Bauteilen und Bauteilgruppen definiert, die anschliessend durch den Einkauf zu (absatz-) marktgerechten Kosten fremdbezogen werden können. Bauteilkostenmanagement dient somit primär der proaktiven Reduktion von Beschaffungskosten für fremdbezogene Güter mit A-Klassifikation.
Produktionseinkauf A-Güter Zielkosten erreichen Controlling-Ziel
Zieldefinition
B-/C-Güter
Allgemeiner Einkauf
Versorgungsicherheit optimieren
Minimierung der Total Cost of Ownership (TCO)
• Erfüllung bauteilspezifischer Zielkosten zur Sicherstellung (absatz-)marktgerechter Kostenstrukturen
• Bestandsoptimierung
• Direkte Einsparungen bei Rebuys
• Zahlungsbedingungen • Bestandsoptimierung • Reichweitenoptimierung
• Fallbezogene Sortiments- und Bezugskostenoptimierung
Bauteilkostenmanagement
• Reichweitenoptimierung • Prozeßkostenoptimierung
Abb. 2. Einordnung des Bauteilkostenmanagement
• Indirekte Einsparungen bei Newbuys • Prozeßkostenoptimierung • Zahlungsbedingungen
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Michael Essig
Die Bewältigung des Spannungsfelds zwischen den aktuellen Kosten sowie den sog. Zielkosten eines Guts stellt die eigentliche Herausforderung für das Beschaffungsmanagement dar. Zielkosten werden in der Regel durch den Absatzmarkt vorgegeben. Genauer: Das Unternehmen legt einen (Plan)-Preis fest, den es für sein Produkt am Markt zu erzielen vermag. Durch den Abzug der erwarteten Rendite werden die erlaubten Kosten bzw. Zielkosten des Gesamtprodukts errechnet. Über eine Stücklistenauflösung erhalten die einzelnen Beschaffungsgüter (Bauteile, Module und Dienstleistungen) anschliessend ihre jeweiligen Zielkosten. Diese stehen dann den derzeitigen Ist-Kosten (sog. Standardkosten) gegenüber. In der Regel werden diese höher als die Zielkosten sein. Ist dies der Fall, greift ein Prozess in den multifunktionalen Beschaffungsteams. Gegenstand dieses Prozesses ist die gemeinsame Entwicklung von Ideen zur Senkung der Bauteilkosten. Die identifizierten Potenziale, die systematisch in einer Datenbank dokumentiert werden sollten, führen dann zu den geplanten Standardkosten. Ziel ist es, mindestens so viele Potenziale zu identifizieren, dass zwischen den geplanten Standard- und den Zielkosten keine Kostenlücke besteht. Sollte dies zunächst nicht zu vermeiden sein, muss entweder die Renditeerwartung zurückgenommen werden oder es müssen in weiteren Iterationen neue Ideen gefunden werden. Nachfolgende Abbildung 3 zeigt diese Kostenlogik des Bauteilkostenmanagements schematisch auf. Zielkostenlücke Renditeverfehlung identifizierte Potentiale
Standardkosten (Ist)
geplante Standardkosten
Zielkosten
Zielrendite
Abb. 3. Einordnung des Bauteilkostenmanagement, Quelle: Buck (2005)
3.2 Controlling von Lieferbeziehungen: Total Value of Relationship Das Beziehungscontrolling (Bacher 2004) bzw. Relationship Controlling (Arnold u. Essig 2001) stellt die einzelne Abnehmer-Zuliefer-Beziehung in den Mittelpunkt. Vor dem Hintergrund der Wertorientierung geht es dar-
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
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um, den tatsächlichen „Wert“ einer Lieferantenbeziehung aus Sicht des Abnehmers zu ermitteln. Analog einer umfassenden Kostenorientierung sprechen Wynstra u. Hurkens (2005) vom „Total Value of Ownership“. Im Marketing gibt es bereits eine Reihe von Untersuchungen, was den Wert einer Zulieferbeziehung aus Kundensicht ausmacht. Der sog. „Customer Perceived Value“ ist nichts anderes als das Verhältnis von Nutzen zu Kosten der Beziehung in der Wahrnehmung des Abnehmers (Ravald u. Grönroos 1996) und setzt sich nach Ulaga (2003) aus der Produktqualität, den Service- und Unterstützungsangeboten des Lieferanten, seiner Lieferpräzision, dem Lieferanten-Know-how, der Geschwindigkeit gemeinsamer Produktentwicklung (Time-to-Market-Intervall), der Qualität der persönlichen Interaktion zwischen Einkäufer und Verkäufer sowie aller in die Beziehung involvierten Personen (bspw. Entwicklungsingenieure), dem direkten (Einstands-) Preis sowie den Prozess- und Transaktionskosten (des Beschaffungsprozesses) zusammen. Ein Ansatzpunkt zur Übertragung der Erkenntnisse des Marketing auf das Controlling von Lieferbeziehungen aus Beschaffungssicht ist der Supplier Lifetime Value-Ansatz (Essig 2003). Berechnung des Wertes einer Lieferantenbeziehung: Supplier Lifetime Value Der Supplier Lifetime Value-Ansatz (SLV) sieht mit der dynamischen Bewertung von Lieferbeziehungen eine strategisch-konzeptionelle Ausrichtung des Relationship Controlling explizit vor. Der SLV bewertet nicht nur Lieferantenbeziehungen, er kann auch gleichzeitig problemlos in Controllingkonzepte der wertorientierten Unternehmensführung (bspw. Shareholder Value oder Economic Value Added) eingebunden werden. Es ist durchaus nicht unumstritten, ob der Supplier Lifetime Value-Ansatz einoder mehrdimensional ist. Im Rahmen der parallel geführten Customer Lifetime Value (CLV)-Diskussion des Absatzmarketing wird vereinzelt davon ausgegangen, dass CLV und SLV aufgrund ihrer monetären Erfolgsmessung eindimensional seien (Cornelsen 2001). Mit diesem Argument wäre bspw. auch das Scoring-Modell eindimensional, da es im Endergebnis einen einzelnen Punktwert als Bewertungsergebnis heranzieht. Der Supplier Lifetime Value (SLV) lässt sich – analog zum absatzseitigen Customer Lifetime Value (Bruhn et al. 2000; Helm u. Günter 2001) – wie folgt ermitteln:
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Michael Essig
T
SLV
et at
¦ (1 i)
(1.1)
t
t 0
Dabei stehen t für eine Analyseperiode (i.d.R. Jahr), T für die Gesamtzahl der betrachteten Perioden (Jahre), et für die lieferantenspezifischen Einzahlungen in Periode t, at für die lieferantenspezifischen Auszahlungen in Periode t und i für den Diskontierungssatz. Die Berechnungsformel entspricht der klassischen Investitionsrechnung; der SLV ist somit der „Net Present Value“ eines Lieferanten. Das hat mehrere Vorteile: 1. Der SLV ist explizit zukunftsorientiert, d.h. berücksichtigt auch dynamische Entwicklungspotentiale eines Lieferanten. 2. Die dynamische Investitionsrechnung des SLV ist mit dem Konzept der wertorientierten Unternehmensführung kompatibel. Es ist möglich, das SLV-Konzept in die Discounted Cash Flow-Methode des Shareholder Value-Ansatzes zu integrieren, wie sie bspw. von Rappaport (1995) formuliert wurde. 3. Lieferanten werden im SLV als Investitionsobjekte betrachtet. So lässt sich ein strategisches Lieferantenmanagement realisieren. Lieferantenfördermassnahmen wie Schulungen oder gemeinsame Workshops, die kurzfristig erhöhte Auszahlungen verursachen, werden im SLV durch langfristig verbesserte Zahlungsströme mit dem Lieferanten überkompensiert. 4. Die Massgrösse Supplier Lifetime Value ist zwar eine (prinzipiell eindimensionale) Cash-Grösse. Bei der SLV-Berechnung sind faktisch aber mehrere Leistungsdimensionen des Lieferanten heranzuziehen. 5. Gleichzeitig kann - in einem erweiterten Modell (Arnold 2004; Essig 2004) - die Vorgabe eines Target-SLV genutzt werden, um geeignete Massnahmen zur Wertsteigerung von Lieferanten einzuleiten („Supplier Valuation“). Trotzdem ist das SLV-Konzept nicht frei von Problemen, insbesondere hinsichtlich seiner Operationalisierbarkeit. Quelle: Essig 2003, S. 335ff.
3.3 Supply Chain Controlling zur Netzwerksteuerung Controlling von Zuliefernetzwerken bzw. Supply Chains ist ein derzeit viel diskutiertes Thema, das grosse Aufmerksamkeit geniesst. In einer aktuellen Studie über die Zahl der Veröffentlichungen zu Instrumenten des Supply Chain Controlling zwischen 1994 und 2002 hat Bacher (2004) ermittelt, dass die Zahl der Publikationen sich zwischen 1994 und 1998, zwischen 1998 und 2002 sowie zwischen 2002 und 2004 jeweils mehr als verdoppelt hat. Es ergibt sich eine exponentiell steigende Kurve und daher
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
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fast schon die Notwendigkeit für Beschaffungsmanager, sich mit Instrumenten des Supply Chain Controlling auseinanderzusetzen. Die Untersuchung von Bacher (2004) hat auch ergeben, dass die Balanced Scorecard zu den wichtigsten Instrumenten des Supply Chain Controlling gehört. Dieses Instrument soll deshalb, ergänzt durch einen strategischen Portfolio-Ansatz, an dieser Stelle erläutert werden. Supply Chain Balanced Scorecard Ein viel beachteter Ansatz eines umfassenden Performance Measurements ist die Balanced Scorecard. Sie integriert monetäre und nicht-monetäre Kennzahlen in ihren vier Steuerungsperspektiven: Finanzielle Perspektive, Kundenperspektive, Prozessperspektive und Innovationsperspektive (Kaplan u. Norton 1996). Die Balanced Scorecard ermöglicht die Umsetzung der Strategie in operative Vorgaben, die Verknüpfung von Zielvorgaben unterschiedlicher unternehmerischer Ebenen (Corporate-, Bereichs- und Funktionsebenen) und die Integration unternehmensübergreifender Steuerungsaspekte in die Evaluierung. Ursprünglich war die BSC in erster Linie ein Controlling- und Steuerungsinstrument für Unternehmen. In der Zwischenzeit wurde sie jedoch auf dyadische Lieferantenbeziehungen (X-BSC, Kaufmann 2004) und auf das Controlling ganzer Netzwerke bzw. Supply Chains ausgeweitet (Bacher 2004; Jehleet al. im Hove 2002; Lange et al. 2001; Stölzle et al. 2001; Weber 2002; Weber et al. 2002; Zimmermann 2003). Dazu werden in der Regel die Perspektiven der BSC adäquat modifiziert. So schlagen bspw. Weber/Bacher/Gebhardt/Voss (2002) vor, die Perspektiven Finanzen und Prozesse durch Kooperationsqualität und Kooperationsintensität zu ergänzen. Controlling von Supply Chains: Das Beanspruchungs-Belastbarkeits-Portfolio Basis dieses Controllinginstruments sind sog. Supply Chain Maps, die die komplette Kettenarchitektur abbildet und dem Unternehmen einen Überblick über alle relevanten Marktpartner gibt. Aus Sicht des einzelnen Unternehmens wird die Position in der Supply Chain sorgfältig analysiert und die Rolle aller zuliefernden Ketten-„Glieder“ untersucht. Dabei spielt bspw. die Zahl der Stufen und die Zahl der jeweiligen Lieferanten ebenso eine Rolle wie vertragliche Bindungen oder die Spezifität der Austauschbeziehung und ihre strategische Bedeutung. Im zweiten Schritt wird für alle relevanten Ketten ermittelt, ob Beanspruchung und Belastbarkeit miteinander übereinstimmen. Die Beanspruchung stellt letztlich einen Kontextfaktor dar und wird über Faktoren wie Dynamik, Komplexität, Machtverhältnisse und Distanzen abgebildet. Dem gegenüber steht die Belastbarkeit als Charakteristika der Supply Chain und Stellhebel des Supply Chain Management. Sie wird über Faktoren wie Robustheit des Material- und Informationsflusses, wirtschaftliche Stabilität der beteiligten Unternehmen und
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Michael Essig
Vertrauensniveau der Parteien operationalisiert. Stellt man Beanspruchung und Belastbarkeit einander gegenüber, so ergeben sich vier strategische Empfehlungen als Felder des Portfolios, wie sie in Abbildung 4 dargestellt sind.
Abb. 4. Beanspruchungs-/Belastbarkeits-Portfolio, Quelle: Kaufmann u. Germer 2001
Die Integration von Partialinstrumenten wie Bauteilkostenmanagement, Supplier Lifetime Value und/oder Supply Chain Balanced Scorecard erfolgt über das Value Reporting. Freidank u. Bakhaya (2003) schlagen dazu vor, Beschaffung und Logistik insbesondere im Value Added Reporting und im Strategic Advantage Reporting zu berücksichtigen: Value Added Reporting dient dazu, Spitzenkennzahlen der wertorientierten Führung wie den oben skizzierten Discounted Cash Flow in Form des Economic Value Added (EVA) darzustellen (Dirrigl 2004; Otto 2002). Durch konsequente Cash Flow-Optimierung im Zuliefernetzwerk können Beschaffung und Logistik einen signifikanten Beitrag zum EVA leisten. Für die Prognose zukünftiger Entwicklungen dient das Strategic Advantage Reporting, das neben einer Aussicht auf Entwicklungen in Beschaffungsmärkten (bspw. Preisentwicklung in Rohstoffmärkten) auch Neustrukturierungen im Beschaffungsbereich durch Outsourcing und den zukünftigen Wert von Lieferbeziehungen (Freidank u. Bakhaya 2003: „Supplier Capital“), ermittelt mit Hilfe des SLV-Ansatzes, enthält.
Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
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Michael Essig
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Instrumente und Ansatzpunkte für das Supply Chain Controlling
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Controllingkompetenz am Beispiel dm-drogerie markt Petra Mostberger dm-drogerie markt GmbH &Co. KG
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Controlling im Kontext der Unternehmensphilosophie
Controlling und Unternehmenspolitik stellen in der Praxis eine logische Symbiose dar. Vertraut wirkt das Bild des Controllers in der Rolle des Führungsdienstleisters und Counterpart des Managers, der durch Informationsversorgung und dem Recht zum kritischen Diskurs zur besseren Wahrnehmung der Führungsaufgabe verhilft (Weber 2002). Wie ist jedoch die klassische Controllerfunktion mit den Instrumenten der Planung, Steuerung und Kontrolle mit der Unternehmensphilosophie in Einklang zu bringen? Dass dies gelingt, soll am Beispiel von dm-drogerie markt GmbH + Co KG (nachfolgend dm genannt) veranschaulicht werden. dm erwirtschaftete als zweitgrösstes Drogeriemarktunternehmen in Deutschland im vergangenen Geschäftsjahr (30.09.) mit 702 Filialen eine Umsatzsteigerung von 8,5 % auf 2.220 Mio. Euro. Dieser Erfolg basiert nicht zuletzt auf einer konsequenten Umsetzung der Philosophie, welche auch die Art der Zusammenarbeit mit den ca. 650 Lieferanten massgeblich beeinflusst. Inwiefern in diesem Kontext insbesondere im Supply Chain Controlling Kompetenz aufgebaut werden konnte, zeigen Beispiele wie die Konzeption eines Prozessmanagement-Informationssystems oder das dmExtranet.
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Kernkompetenzen-Mix als Erfolgsfaktor im Supply Chain Controlling
Treffend scheint im Zusammenhang des hier vorliegenden Einzelhandels der unter anderem in der Schweiz gebräuchliche Begriff Detailhandel.
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Petra Mostberger
Dieser bezieht sich zum einen auf den Verkauf an die Endverbraucher, das heisst auf die zu Tausenden täglich in den Filialen mit den Kunden geschlossenen kleinen „Geschäfte“ und zum anderen auf die Liebe zum Detail in der Unternehmensgestaltung. So scheint es banal, dass der Begriff Kontrolle, der üblicherweise mit dem Controlling in Verbindung gebracht wird, nicht als Terminus im dm-Wortschatz existiert. Dadurch wird die in der Unternehmensphilosophie verborgene Haltung gegenüber den Kunden und Partnern von dm geübt und kommt nicht als äusserliche Direktive zum Tragen (Werner 2004). Grundsätze des Unternehmens Wir sehen als Wirtschaftsgemeinschaft die ständige Herausforderung, ein Unternehmen zu gestalten, durch das wir
- die Konsumbedürfnisse unserer Kunden veredeln - den zusammenarbeitenden Menschen Entwicklungsmöglichkeiten bieten und - als Gemeinschaft vorbildlich in unserem Umfeld wirken wollen dm-Kundengrundsätze Sich die Probleme des Konsumenten zu Eigen machen
dm-Mitarbeitergrundsätze Transparenz und Geradlinigkeit Bereitschaft zur Zusammenarbeit in Gruppen
dm-Partnergrundsätze Erkennen seines Wesens Anerkennen seiner Eigentümlichkeit
Kernkompetenzbereiche
• Organisation / Mitarbeiter • Kooperationsfähigkeit
Sozialkompetenz Fachkompetenz Methodenkompetenz …
ControllingKompetenz
Abb. 1 : Controlling im Kontext mit der dm-Unternehmensphilosophie
Bei Betrachtung der Kernkompetenzen als „spezifisches Bündel von Fähigkeiten von Unternehmen, die einen nachhaltigen strategischen Wettbewerbsvorteil bringen“ (Liebmann u. Zentes 2001) lässt sich feststellen, dass die Konzentration auf die Kernkompetenzen das Erfolgsrezept von dm darstellt. Dies wird durch die charakteristischen Merkmale der Kernkompetenzen, der nur schwer erzielbaren Imitation und Substitution sowie der unternehmensspezifischen Ausprägung und dem Stiften des wahr-
Controllingkompetenz am Beispiel dm-drogerie markt
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nehmbaren Kundennutzens, erreicht (Liebmann u. Zentes 2001). Bei dm lassen sich hinsichtlich des Supply Chain Controlling die Kernkompetenzbereiche „Organisation und Mitarbeiter“ sowie „Kooperationsfähigkeit“ im Zusammenspiel mit dem „Enabler“ IT identifizieren. In Abbildung 1 wird ausgehend von der dm-Unternehmensphilosophie die Controlling-Kompetenz abgeleitet, deren Ausprägung in „Organisation und Mitarbeiter“ sowie „Kooperationsfähigkeit“ nachfolgend kurz skizziert werden. 2.1 Kernkompetenzbereich „Organisation und Mitarbeiter“ Durch den Wandel von der funktionalen zur prozessorientierten Denkweise wird dem Management der gesamten Wertschöpfungskette (supply chain) eine immer stärkere Bedeutung beigemessen. Das zur Steuerung und Gestaltung dieser Supply Chain erforderliche Controlling richtet den Blick auf das „logische Zusammenspiel mehrerer Unternehmen“ (Weber 2002), was sich auch in den unternehmensinternen Aktivitäten widerspiegeln sollte. Bei der Fokussierung auf unternehmensübergreifende Prozesse und die Einbindung der Partner, teils konzeptionell oder technisch
durch den Hype der Entstehung von Marktplätzen Mitte der 90er Jahre, wurde das Schaffen eines soliden Fundaments im eigenen Unternehmen oftmals vernachlässigt. 1998 startete dm mit dem Projekt „Optimierung der Versorgungskette“, in dem es darum ging die dm-intern eingesetzten Kennzahlen zu definieren und zu strukturieren und ein Prozessmanagement-Informationssystem zu schaffen. Dieses sollte schnell einen Überblick bieten, wie gut die Zusammenarbeit in den einzelnen Waren- oder Geldprozessen mit dem Lieferanten funktioniert. Einbezogen wurden Vertreter aus allen an den Schnittstellen zum Lieferanten beteiligten Fachabteilungen (Sortimentsmanagement, Produktmanagement, Disposition, Wareneingang, Finanzbuchhaltung und Supply Chain Management). In Arbeitsgruppen, die sich am Warenfluss und Geldfluss orientierten, wurde ein Kennzahlenkatalog erarbeitet, der pro Kennzahl neben der Definition, Grenz- und Zielwerte sowie die gewünschte Darstellungsform (Grafik, Tabelle) enthielt. Somit wurde die fachliche Kompetenz hinsichtlich des Kennzahlen Know-hows nicht durch ein neutrales Projektteam erarbeitet und dann den Anwendern vorgestellt, sondern die Betroffenen wurden gemäss der dm-Projektorganisation zu Beteiligten und konnten ihre Ideen und Anregungen aktiv einbringen. Die-
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se Vorgehensweise ist mitunter zeitaufwändiger und beansprucht operative Ressourcen im Vergleich zum Einsatz einer qualifizierten Stabstelle. Mögliche Einsparungen in der Projektorganisation wiegen allerdings die Erfahrungen, d.h. die Praxisnähe und insbesondere die Identifikation mit der erarbeiteten Lösung nicht auf. Aus dem durch die Arbeitsgruppen erarbeiteten Kennzahlenkatalog wurden fünf Kennziffern ausgewählt, die als Supply Chain Profil die Qualität des jeweiligen Prozesses ausdrücken. Als Key Performance Indicators identifiziert wurden die Reichweite, Mengentreue, Termintreue sowie die Rechnungsqualität und die Zahlungsdauer der Konditionen. 2.2 Kernkompetenz Kooperationsfähigkeit Das Schlagwort Kooperation ist in den vergangenen Jahren zu mehr als einem Modewort avanciert und hat zusehends an Bedeutung gewonnen (Weber et al. 2004). Insbesondere im Lebensmittelhandel, geprägt durch den Einfluss von ECR (Efficient Consumer Response), erlangte die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel eine kundenfokussierte neue Dimension bis hin zu Wertschöpfungspartnerschaften (Liebmann u. Zentes 2001). Dass die Zusammenarbeit nicht immer reibungslos funktioniert zeigen Kooperationsbarrieren, wie das Nicht-Miteinander-Arbeiten-Können, Nicht-Miteinander-Arbeiten-Wollen, Nicht-Miteinander-Arbeiten-Dürfen oder gar das Nicht-Voneinander-Wissen, die entsprechend der Transaktionshäufigkeit im operativen Geschäft auftreten (Bieber 2004). Aus diesem Grund sollten in die Konzeption des ProzessmanagementInformationssystems neben den quantitativen Kennzahlen auch qualitative Kennzahlen in die Beurteilung der Schnittstellen einfliessen. Hierzu wurden Vertreter von sieben Lieferanten in eine Arbeitsgruppe integriert, die gemeinsam mit dm-Mitarbeitern Beurteilungskriterien erarbeiteten, welche die Schwachstellen in der Zusammenarbeit aufdecken. Vom Gedanken der „Bewertung des Kunden“ zu abstrahieren und statt dessen die Beurteilung des Prozesses in den Vordergrund zu rücken, funktioniert nicht per Knopfdruck sondern gleicht vielmehr einem Reifeprozess, der massgeblich auf dem Vertrauen zwischen den Partnern beruht. So werden neben der Kompetenz und Erreichbarkeit der Ansprechpartner, der Informationsfluss oder durch die Dienstleister des Lieferanten die Wartezeiten bei den dmVerteilzentren beurteilt.
Controllingkompetenz am Beispiel dm-drogerie markt
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Neben dem fachlichen Wissensaufbau und –transfer wird insbesondere bei den qualitativen Kennzahlen die Wahrnehmung geschult, da subjektive Einschätzungen über die Güte der Zusammenarbeit und deren Weiterentwicklung entscheiden. Die ermittelten Kennzahlen dienen als Grundlage von Diskussionen, die teilweise in crossfunktionaler Zusammensetzung (Vertreter der Bereiche Logistik, Einkauf und Key Account Management seitens dm und Lieferant) stattfinden. 2.3 IT: Unterstützung und Verbindung Die Definition der Kennzahlen und deren Strukturierung stellen eine solide Basis in der fachabteilungs- und unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit dar. Um jedoch die erforderliche Transparenz, ein kooperatives Prozesscontrolling und Ausnahmemanagement zu erreichen, bedarf es geeigneter IT-Werkzeuge (Kuhn u. Hellingrath 2002). Das bereits erwähnte Prozessmanagement-Informationssystem wurde prototypisch als Access-Lösung umgesetzt, wodurch die Analysetätigkeit zwar erheblich vereinfacht wurde, der manuelle Aufwand in der Bereitstellung der Kennzahlen, insbesondere gegenüber den Lieferanten, jedoch erhalten blieb. Erst die Einführung des dm-Extranets 2001 sorgte für die höhere Transparenz und bessere Informationsversorgung aller Beteiligten in der Supply Chain. Neben den Abverkaufsdaten im Category ManagementBereich werden im Supply Chain Management-Bereich Liefermengentreue der Lieferanten an das dm-Verteilzentrum und vom dm-Verteilzentrum an die Filialen zur Verfügung gestellt. Der internetbasierte Zugriff auf das dm-Data Warehouse minimiert den Abstimmungsbedarf in der Bereitstellung der zur Steuerung benötigten Kennzahlen zwischen den Supply Chain Partnern. Das heisst die Daten sind via Internet schnell und für den Lieferanten leicht zugänglich und in gleich bleibender Qualität verfügbar. Jeder Anwender kann die Berichte seinen Bedürfnissen anpassen und exportieren. Neben fundierten Marketingentscheidungen, die auf Basis der Abverkaufsdaten getroffen werden können, ist die Transparenz über den Warenfluss gegeben. Das heisst, die Informationsversorgung trägt den fliessenden Verantwortungsübergängen Rechnung. Somit ist zum Beispiel das Pipeline-Filling bei der Neueinführung eines Produktes, das heisst das Auffüllen der gesamten Wertschöpfungskette ab der Produktion bis zum Point of Sale, nicht nur für die Logistikansprechpartner transparent, sondern gerade die Verantwortlichen im Key Account Management und Ein-
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kauf sind über den Warenfluss optimal informiert, um so – falls erforderlich – das Marketing Mix entsprechend anpassen zu können.
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Ausblick über das Zusammenspiel des Kernkompetenz-Mix
Trotz aller Unternehmensübergreifenden Steuerungsbestrebungen der Supply Chain sollte zunächst unternehmensintern eine solide Kennzahlenbasis und insbesondere das Commitment der in die Prozesse involvierten Mitarbeiter geschaffen werden. Dies setzt eine flexible Organisation voraus, die den Menschen Entwicklungsmöglichkeiten bietet und mehr auf Engagement und Ideen der Mitarbeiter setzt, anstatt auf den Einsatz der Personen, die aufgrund ihrer Hierarchie berechtigt sind. Dabei muss das Augenmerk auch auf den fliessenden Übergang von Funktionsbereichen bspw. Einkauf und Logistik gelegt werden. Die Verantwortungsübergänge sind längst fliessend, was sich auch im einheitlichen Prozessverständnis und in der inner- und überbetrieblichen Zusammenarbeit auswirken sollte. Zusammengefasst ergeben sich folgende Ansatzpunkte zum Erreichen der Controllingkompetenz: x Verankerung des Subsidiaritätsprinzips im Unternehmen. x Unternehmensinterne Kooperationsbarrieren abbauen und ein einheitliches Prozessverständnis schaffen, das definierte und strukturierte Kennzahlen voraussetzt. x Transparenz schaffen durch entsprechend technische Möglichkeiten in der Daten- und Informationsbereitstellung, Unterstützung der Analyse eventuell durch Alarmfunktionalitäten, durch welche auf die Ausnahmen aufmerksam gemacht wird. In Abbildung 2 findet der klassische Controlling-Steuerungszyklus Anwendung auf die Kernkompetenzbereiche „Organisation und Mitarbeiter“, „Kooperationsfähigkeit“ und dem unterstützenden Medium IT. Controllingkompetenz ist keinesfalls statisch zu verstehen, sondern vielmehr muss jeder der oben genannten Bereiche dynamisch einer Prüfung unterzogen werden. Nur die Unternehmen, die neben der Erkenntnis, dass Veränderungen erforderlich sind, diese auch technisch umsetzen können, werden nachhaltig Controllingkompetenz aufbauen und dadurch einen strategischen Wettbewerbsvorteil erzielen.
Controllingkompetenz am Beispiel dm-drogerie markt IT-Werkzeuge
Planung
Mitarbeiter
Planung
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Kooperationsfähigkeit
Planung
Zielfestlegung
Zielfestlegung
Zielfestlegung
Soll-Ist-Vergleich
Soll-Ist-Vergleich
Soll-Ist-Vergleich
Abb. 2. Controlling Steuerungszyklus
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Autorenverzeichnis
Robert Alard Dr. Robert Alard studierte Maschinenbau an der RWTH Aachen mit den Schwerpunkten Planung und Organisation sowie Regelungstechnik. Von 1996 bis 1997 war er Erasmus-Stipendiat an der ETH Zürich und von 1998 bis 2002 wissenschaftlicher Mitarbeiter am ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI) bei Prof. Dr. Paul Schönsleben im Bereich Logistics, Operations und Supply Chain Management. Seit 2002 ist er Oberassistent des Bereiches Supply Chain Management am ETH-Zentrum für Unternehmenswissenschaften (BWI) und Projektleiter verschiedener Projekte auf den Themengebieten Supply Chain Management, Beschaffung und Lieferantenintegration. Roman Boutellier Prof. Dr. Roman Boutellier ist Vorsteher der Professur für Technologieund Innovationsmanagement an der ETH Zürich. Von Haus aus Mathematiker, umfasst sein Forschungsgebiet heute den gesamten Bereich der technologieorientierten Unternehmung: Innovation, Risiken und Chancen neuer Technologien und technologieorientiertes Supply Chain Management. Prof. Boutellier bringt neben langjähriger Erfahrung als Professor an der Universität St. Gallen vor allem sehr viel Praxiswissen in seine Arbeit an der Hochschule ein, so z.B. als ehemaliges Geschäftsleitungsmitglied von Leica Heerbrugg oder als CEO von SIG, Neuhausen am Rheinfall. Heike Bruch Prof. Dr. Heike Bruch ist seit 2001 Direktorin am Institut für Führung und Personalmanagement der Universität St.Gallen. Sie habilitierte zum Thema "Leaders' Action" und schloss ihre Dissertation zum Thema "Intra- und interorganisationale Delegation" an der Universität Hannover 1996 summa cum laude ab. Zuvor studierte sie Betriebswirtschaftslehre an der Freien Universität Berlin. 2003 gründete sie das Organizational Energy Program (OEP) und ist seither dort als Forschungsdirektorin tätig. Sie ist zudem akademische Leiterin des International Study Program (ISP) an der Universität St.Gallen.
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Autorenverzeichnis
Hans-Jörg Bullinger Prof. Dr.- Ing.-habil. Prof. e.h. Dr. h. c. Hans-Jörg Bulliger ist Präsident der Fraunhofer Gesellschaft. Nach dem Maschinenbau-Studium mit Fachrichtung Fertigungstechnik promovierte er 1974 und schloss 1978 seine Habilitation ab. Von 1980 bis 1982 war er Professor für Arbeitswissenschaft an der Fernuniversität Hagen, von 1982 bis 2002 Professor für Arbeitswissenschaft an der Universität Stuttgart sowie von 1982 bis 2002 Leiter des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Stuttgart. Zudem leitete er von 1991 bis 2002 das Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement (IAT) der Universität Stuttgart. Randy Drenth Randy Drenth ist seit September 2001 Leiter des Weiterbildungslehrgangs für Einkaufsleiter sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität St. Gallen. Er erhielt 2001den M.Sc. in Business Administration sowie das CEMS Masters Degree in International Management an der Erasmus Universität. Von 1998 bis 1999 war er Mitglied des Management Teams an der Rotterdam School of Management. Als Projekt Manager für Market Sensing arbeitete er im Bereich Corporate Business Excellence bei Hilti Corporation in Schaan im Fürstentum Liechtenstein. Michael Essig Prof. Dr. Michael Essig studierte an der Universität Passau Betriebswirtschaftslehre. Von 1994 bis 1998 promovierte er am Lehrstuhl Investitionsgütermarketing und Beschaffungsmanagement der Universität Stuttgart. 2002 wurde er nach erfolgreicher Habilitation an der Fakultät Geschichts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Universität Stuttgart zum Privatdozenten ernannt. 2002 lehnte er den Ruf auf die C3-Professur für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Technischen Universität Clausthal ab und vertrat von 2002 bis 2003 die Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Materialwirtschaft & Distribution an der Universität der Bundeswehr München. Seit 2003 ist er dort Inhaber der Professur für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Materialwirtschaft & Distribution.
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Elisabeth Fröhlich Dr. Elisabeth Fröhlich studierte Betriebswirtschaftslehre an der LudwigMaximilian-Universität München und der Universität zu Köln, wo sie auch als Assistentin am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Produktpolitik tätig war. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lieferantenbewertung und -auswahl, personalpolitische Probleme im Beschaffungsbereich, Erfolgsbewertung in der Beschaffung sowie die Entwicklung einer ganzheitlichen strategischen Beschaffungskonzeption. Stefan Furrer Stefan Furrer, eidg.dipl.Betr.oek-HWV und Einkaufsleiter IMH HSG, ist Head of Purchasing bei der Ciba Spezialitätenchemie Lampertheim GmbH. Zu seinen Verantwortungsbereichen gehört massgeblich die Leitung des strategischen Einkaufs des Produktionsstandortes in Lampertheim. Weitere Aufgabengebiete umfassen die globale Einkaufsleitung von Drittkomponenten im Rahmen des Category Managements. Oliver Gassmann Prof. Dr. Oliver Gassmann ist seit 2002 Professor für Technologiemanagement sowie Direktor des Instituts für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen. Er ist Mitglied diverser wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Beiräte, wie Forschungskommission der Economiesuisse, Geschäftsleitung der KTI, Audit Committee von Schindler, Schirmherr der Projektmanagement-Akademie, Editorial Board des R&D Management sowie weiteren internationalen Journals. Er studierte an Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hohenheim. Er ist zudem Autor diverser Bücher und Publikationen im Bereich Technologie- und Innovationsmanagement. Stephan Hänni Stephan Hänni, Einkaufsleiter IMH HSG, ist Head of Procurement Department bei der BELIMO Automation AG. In seiner Funktion ist er verantwortlich für die operative und strategische Materialbeschaffung der direkten und indirekten Güter im globalen Konzern der BELIMO Automation AG.
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Norbert A. Harlander Nach wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Studien und langjährigen praktischen Tätigkeiten in Verbänden und Unternehmen war Prof. Norbert Harlander Professor für allgemeine Betriebswirtschaftslehre bis zum Jahre 2005. Seit 1995 leitet er das forum fHelix, ein privates Institut für Management- und Unternehmensentwicklung in Offenbach/Pfalz. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen in systematischer Persönlichkeits- und Kooperationsentwicklung sowie in strategischer Unternehmens-Innovation. Adrian Jungo Adrian Jungo, Executive MBA in Logistik Universität St, Gallen, Einkaufsleiter IMH HSG, ist Leiter Purchasing & Logistics bei der Swisscom Mobile AG. In seiner Funktion ist er verantwortlich für das strategische Beschaffungswesen sowie das gesamte Supply Chain Management. Als Verantwortlicher vom Purchasing Board der Swisscom Gruppe gestaltet er aktiv die Beschaffungspolitik der Unternehmung. Hans Kalberer Hans Kalberer, technische und kaufmännische Ausbildung mit Weiterbildung in Marketing und Einkaufsleitung IMH-HSG, ist Marketing Direktor der Lyreco AG Schweiz. Er ist verantwortlich für Product Management, Einkauf, Marketing Communication sowie Quotes&Tenders im Grosskundenbereich.. Bis 2005 war er Mitglied der Geschäftsleitung der BüroFürrer AG und stark in den Aufbau der Supply Chain und anschliessende Integration der Büro-Fürrer AG in den neuen Besitzerkonzern involviert. Udo Koppelmann Prof. Dr. Udo Koppelmann ist seit 1972 ordentlicher Professor an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln (Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Produktpolitik). Von 1990 bis 2000 war er Leiter des Arbeitskreises Einkauf und Logistik der Schmalenbach Gesellschaft; von 1998 bis 2002 geschäftsführender Direktor des Medienzentrums an der Universität zu Köln; sowie seit 1998 geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Vereins der Freunde und Förderer der Universität zu Köln. Seit 2006 ist er zudem Vorstand im Institut für Mittelstandsforschung, Köln/Bonn.
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Michael Kühner Dipl.-Wirtsch.-Ing. Michael Kühner studierte Wirtschaftsingenieurwesen mit Fachrichtung Unternehmensplanung an der Technischen Universität Karlsruhe und der Universität von Salamanca in Spanien. Seit 1998 arbeitet er als Projektleiter am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO im Bereich Unternehmensstrategien und Business Processes. Seine Arbeitsschwerpunkte sind das Supply Chain Management und das Customer Relationship Management, seit Oktober 2000 leitet er das Supply Chain Management Network (SCENE). Jan Niklas Meise ist Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Marketing und Handel der Universität St. Gallen. Sein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Marktorientierte Unternehmensführung und Banking and Finance schloss er 2005 an der European Business School International University Schloss Reichartshausen ab. Er studierte zudem an der Universidad Adolfo Ibánez in Vina del Mar, Chile, sowie der Nanyang Technological University in Singapur. Zahlreiche Praktika im Marketing und Finanzbereich zählen zu seiner Praxiserfahrung. René Meyer René Meyer ist beim Migros-Genossenschafts-Bund Direktor und Leiter Logistik-TA. Er leitet das Migros-interne Consulting Team, welches Projekte auf den Gebieten Logistik, Ökologie, Energie, Haustechnik und Prozessoptimierung bearbeitet. Neben der Abwicklung von Aufträgen aus den einzelnen Betrieben sind auf diesen Gebieten konzernweite Aufgaben wie Erarbeitung und Umsetzungsbegleitung von Strategien und Sicherstellen des damit verbundenen Controllings Aufgabenschwerpunkte. Petra Mostberger Petra Mostberger ist seit 2003 Leiterin des Supply Chain Managements bei dm-drogerie markt. Sie studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität des Saarlandes mit den Schwerpunkten internationales Management und Handel. Sie beschäftigt sich massgeblich mit der Transparenz und Analyse der Supply Chain. Seit 2005 ist Frau Mostberger Mitglied des Förderbeirats der Bundesvereinigung Logistik e.V. (BVL).
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Paul Nart Paul Nart ist Einkaufsleiter bei Netstal Maschinen AG mit Sitz in Näfels (GL). Commodity Chairman Elektrik in der virtuellen Konzern – Einkaufsorganisation Mannesmann Plastics Machinery mit Sitz in München. Jürg Rückert Jürg Rückert, lic. rer. pol., ist Geschäftsführer der Firma C.M.C. Consulting Management Coaching AG mit Sitz im Schweizerischen Pfäffikon/SZ. Er bekleidete zuvor diverse Führungspositionen im schweizerischen Detailhandel, u.a. in verschiedenen Funktionen bei DENNER, als COO bei WARO und bei UHC bzw. der Bon appétit Group, sowie als CEO der USEGO. Er ist Präsident des Verwaltungsrats der Syntrade AG und Mitglied im Verwaltungsrat der Zuckerfabriken Aarberg+Frauenfeld AG, der Lüchinger+Schmid AG, der GROBA AG sowie der Zellweger Management Consulting AG. Weiter ist er Vorstandsmitglied der Swiss Retail Federation und der VSIG, Vize-Präsident des Verwaltungsrates der SWISSLOG AG, Vize-Präsident der réservesuisse sowie Vorstandsmitglied von GS 1. Thomas Rudolph Professor Dr. Thomas Rudolph ist Extraordinarius für Betriebswirtschaftslehre und Marketing an der Universität St. Gallen, Direktor am Institut für Marketing und Handel und Inhaber des Gottlieb Duttweiler Lehrstuhls für internationales Handelsmanagement. Er ist Verfasser zahlreicher Fachartikel in verschiedenen Fachzeitschriften, Mitherausgeber des bekannten Marketing-Journals Thexis und Mitglied im Editorial Board des amerikanischen Journal of Marketing Channels. Marco Schmäh Prof. Dr. Marco Schmäh ist seit 2001 Inhaber des Dieter-SchwarzStiftungslehrstuhls für Marketing und eCommerce an der European School of Business (ESB) Reutlingen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Schnittfeld Beschaffung und Marketing. Seine Promotion erfolgte an der FU Berlin zum Thema „Vermarktung von Dienstleistungen im Businessto-Business-Bereich“. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Karlsruhe (Fachrichtung Informatik und Operations Research).
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Paul Schönsleben Prof. Dr.Paul Schönsleben studierte Mathematik und Operations Research an der ETH Zürich und schloss 1980 mit einem Doktorat ab. Parallel zum Studium und zur Praxistätigkeit entwickelte und vertrieb er ein SoftwarePaket für variantenreiche Mischfertigung, das bis zum Jahre 2003 in der Praxis im Einsatz stand. Von 1983 bis 1991 war er ordentlicher Professor für Wirtschaftsinformatik an der Universität Neuenburg. Seit 1991 ist er ordentlicher Professor für Betriebswissenschaften an der ETH Zürich. Seine Forschungs- und Lehrgebiete umfassen das Logistik-, Operations und Supply Chain Management bis hin zum Globalen Servicemanagement und zur Service-Innovation. Heinz Stark Dr. Heinz Stark, selbständiger Unternehmensberater, ist spezialisiert aufganzheitliche Unternehmensführung, Marketing und Beschaffung im B-toB-Bereich. Nach langjähriger Mitarbeit am betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart an den Lehrstühlen "Controlling" sowie "Investionsgütermarketing und Beschaffungsmanagement" war Dr. Stark von 1994 bis 1999 in der Geschäftsführung einer Mittelstandsholding tätig. Nebenberuflich trat er als Berater und Trainer in Industrie und Handel sowie als Dozent bei internationalen Institutionen und Organisationen auf. Mit Schwerpunkt Beschaffung leitet er seit 2000 die Unternehmensberatung CCT (Consulting, Coaching, Training) in Gerlingen (DE). Heinz-Jürgen Trappmann Heinz-Jürgen Trappmann ist Geschäftsführer, der von ihm im Jahre 1987 gegründeten Akademie für Einkauf und Logistik in Obernburg am Main (Nähe Frankfurt). Von Haus aus Industriekaufmann und Betriebswirt mit dem Schwerpunkt Betriebspsychologie, umfasst seine Arbeit als Trainer und Coach den Bereich Materialwirtschaft und Einkauf sowie die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Ab 1983 ist er Leiter der Akademie des Bundesverbandes für Materialwirtschaft und Einkauf (BME). Diverse Qualifizierungsmassnahmen, wie Ausbildung zum NLP-Trainer, Moderator, Dialektische Gesprächsführung, unterstützten seine beruflichen Erfahrungen. 2002 übernahm er einen Lehrauftrag für Verhandlungsführung an der Universität St. Gallen.
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Bernd Vogel Dr. Bernd Vogel ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM) sowie Lehrbeauftragter der Universität St. Gallen. Er ist Projektleiter im Organizational Energy Program (OEP) am IFPM und Mitautor des Buches Organisationale Energie. Davor lehrte und forschte Bernd Vogel an der Abteilung Unternehmensführung und Organisation der Universität Hannover, wo er 2002 promovierte. Er forscht in den Bereichen Organisationale Energie, Leadership sowie Emotionen in Unternehmen und ist in verschiedenen Institutionen und Unternehmen als Dozent zu Energie von Unternehmen, Leadership und Change Management tätig. Stephan M. Wagner Prof. Dr. Stephan M. Wagner ist Inhaber des Lehrstuhls für Logistikmanagement (Stiftungslehrstuhl der Kühne-Stiftung) an der WHU – Otto Beisheim School of Management. Nach einer Berufsausbildung zum Bankkaufmann und dem Studium der Betriebswirtschaftslehre in Deutschland und den USA war er knapp 10 Jahre in der Unternehmenspraxis tätig. Zunächst als Berater und Senior Manager bei einer internationalen TopManagement-Beratung und später als Leiter Corporate Supply Chain Management bei einem Schweizer Verpackungstechnologie-Konzern. Promotion und Habilitation erfolgten an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsinteressen liegen auf den Gebieten des strategischen Supply Chain Managements, der interorganisationalen Beziehungen und des Innovationsmanagements in Supply Chains. Ulrich Witschi Ulrich Witschi (1966), Eidg. Dipl. Einkäufer, Einkaufsleiter IMH HSG, ist Leiter Einkauf Medical und Investitionsgüter bei der Galexis AG. Er ist verantwortlich für das strategische und operative Beschaffungswesen in den Bereichen Verbrauchs- und technische Investitionsgüter. Er ist Leiter des Purchasing Boards der Galenica Gruppe, in dem Beschaffungspotentiale eruiert und die Synergien durch gezielte Aktivitäten in den verschiedenen Galenica Firmen koordiniert und umgesetzt werden.
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Timo Wolff Timo Wolff war externer wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Technologiemanagement an der Universität St. Gallen. Das Studium der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Strategie und Organisation absolvierte er an der Universität St. Gallen, der Wirtschaftsuniversität Wien und der Manchester School of Management. Zunächst war er für den StahlKonzern ARCELOR in Paris tätig; seit Ende 2003 beschäftigt er sich im Rahmen seiner Dissertation bei der BMW Group mit der Koordination und Planung kooperativer Ansätze der Produktentwicklung auf Gesamtfahrzeugebene. Marco Zweifel Marco Zweifel ist stellvertretender Einkaufleiter bei der Netstal Maschinen AG mit Sitz in Näfels (GL). Teamleiter Elektrik im Strategischer Einkauf. Ausbildung als Betriebswirtschafter HF und Einkaufsleiter IMH-HSG.