Kalahari hautnah. Die Welt der Kung- Buschmänner
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Zitiervorschau

Wolfgang Albin Uhl

Kalahari – hautnah Die Welt der !Kung-Buschmänner

Verlagshaus Reutlingen Oertel + Spörer

Abbildungsnachweis: Sämtliche Fotos stammen von Wolfgang Albin Uhl und Peter Meyer, sofern der Fotograf im Bildtext nicht eigens genannt wird.

Die Ratschläge in diesem Buch stammen vom Autor und wurden vom Verlag teilweise geprüft. Es können jedoch keinerlei Garantien übernommen werden. Eine Haftung des Autors bzw. des Verlages und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Uhl, Wolfgang Albin: Kalahari - hautnah : die Welt der !Kung-Buschmänner / Wolf gang Albin Uhl. - Reutlingen : Oertel und Spörer, 1994 ISBN 3-88627-135-8

© Verlagshaus Reutlingen • Oertel + Spörer · 1994 Postfach 16 42 • 72706 Reutlingen Alle Rechte vorbehalten Schrift: 9½/11 Punkt Linotype-Garamond Satz und Druck: Oertel + Spörer, Reutlingen Einband: Heinrich Koch, Tübingen Printed in Germany ISBN 3-88627-135-8

Für Gisela

„Im September begann die heiß-trockene Saison in der Kalahari. Wir waren darauf ebensowenig vorbereitet wie auf den Winter im Juli. Im Schatten des umgestürzten Baumes, wo wir unsere Thermometer aufgestellt hatten, kletterten die Mittagstemperaturen fast über Nacht auf fünfundvierzig und dann auf achtundvierzig Grad Celsius. Der Boden außerhalb des Camps war zu heiß für das Thermometer, aber dort müssen es zumindest sechzig Grad Celsius gewesen sein. Obwohl wir uns seit der Abreise aus Maun bemüht hatten, den täglichen Wasserverbrauch auf etwa vier Liter zu beschränken, hatten wir den in den Landrover eingebauten Tank schon zur Hälfte und auch die anderen Kanister weitgehend geleert. Ich -war froh, daß wir noch das volle Zusatzfaß besaßen. Nach unserem Makgadikgadi-Abenteuer war uns bewußt, daß zwei Dinge für das Überleben in der Kalahari absolut notwendig waren: Wasser und ein Fahrzeug.“

Aus: „Der Ruf der Kalahari“, Mark und Delia Owens, Bertelsmann, München 1987

Inhalt Anstelle eines Vorworts ...........................................................................VI Tagebuch-Auszug, Dienstag, 3. November 1992....................................... 2 Planung und Vorbereitung..................................................................... 3 Die Idee .................................................................................................... 3 Von Bayern in die Kalahari ...................................................................... 5 Die Suche nach dem richtigen Partner ..................................................... 7 Das Antiquariat - eine wahre Fundgrube ................................................. 8 Kosten der Expedition .............................................................................. 11 Die Sache mit den Sponsoren.................................................................... 14 Werbung für die Unternehmung ............................................................. 16 Kontaktadressen........................................................................................ 17 Medizinische Vorsorge ............................................................................ 19 Welche Lebensmittel für die Expedition? ................................................ 22 Das richtige Kartenmaterial ..................................................................... 23 Die Frage der „richtigen“ Bewaffnung ..................................................... 25 Welche Ausrüstung? ................................................................................. 27 Die Fotoausrüstung ................................................................................. 29 Checklisten ............................................................................................... 31 Die Kalahari ............................................................................................ 32 Maun ......................................................................................................... 32 Crocodile Camp ....................................................................................... 36 Sehitwa ..................................................................................................... 42 Die Ausrüstung wird ergänzt ................................................................... 47 AIDS - auch ein Thema für Afrikareisende ............................................. 50 Aufbruch in die Kalahari........................................................................... 53 Piste Nummer 1 ....................................................................................... 57 Zwischen Gcangwa und Xaxa .................................................................. 61 Erste Kontakte ......................................................................................... 66 Endstation Wildnis - die Zentral-Kalahari ............................................... 71 Xaxa .......................................................................................................... 75 Das Festessen ............................................................................................ 80 Unbekanntes Volk ................................................................................... 84 Buschmannalltag .................................................................................... 89 Feuer....................................................................................................... 92 Die Herstellung der Pfeile und des Pfeilgiftes ........................................... 93 VII

Jagdmethoden und Nahrungssuche ....................................................... 95 Geburt und Erziehung ............................................................................ 102 Vom Jungen zum Mann - vom Mädchen zur Frau ................................. 104 Liebe und Ehe ........................................................................................ 108 Tod und Begräbnis ................................................................................. 110 Religion, Mythen und Legenden ........................................................... 111 Im „Niemandsland“ ................................................................................ 113 Gcwihaba Caverns .................................................................................. 116 „Chris“ ................................................................................................... 119 Ein Gewitter in der Kalahari .................................................................. 121 Dhobe .................................................................................................... 124 Die vergessene Piste ............................................................................... 127 Auf dem Weg zu den Tsodilo Hills ........................................................ 130 Xobatshe ................................................................................................ 132 Tsodilo Hills ........................................................................................... 135 Lady Khama ........................................................................................... 138 Die Geheimkonferenz ............................................................................. 141 Am Thamalakane .................................................................................... 145 Im Okavango-Delta ................................................................................ 147 Wildlife ................................................................................................... 151 Der Löwenüberfall ................................................................................. 154 Endstation Maun .................................................................................... 156 Nach Hause............................................................................................. 158 Einiges über dieses Buch ........................................................................ 161 Dank........................................................................................................ 162 Anhang (Checklisten) ............................................................................ 164

VIII

„... Aber wir sind Wilde die Träume des weißen Mannes sind uns verborgen. Und weil sie uns verborgen sind, werden wir unsere eigenen Wege gehen. Denn vor allem schätzen wir das Recht eines jeden Menschen, so zu leben, wie er selber es wünscht gleich wie verschieden von seinen Brüdern er ist...“ Aus: „Wir sind ein Teil der Erde“ (Die Rede des Häuptlings Seattle an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 1855) Walter, Olten

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Tagebuch-Auszug, Dienstag, 3. November 1992 „Wenn sie jetzt angreifen, ist es aus!“ sage ich leise zu Peter, meinem Reisegefährten. Gebannt lauschen wir in die Dunkelheit: aggressives Schnauben und kräftiges Scharren, leises Laubgeraschel und unwilliges Brummen - wir sind zwischen zwei rivalisierende Flußpferdbullen geraten. Dabei hatten wir beim Zeltaufbau am Spätnachmittag extra auf Fußspuren der großen Pflanzenfresser geachtet. Was nun? Lager abbrechen, sich davonstehlen? Ein Unding, denn Flußpferde sehen zwar schlecht, hören dafür aber um so besser. Weglaufen scheidet ohnehin aus, die bis zu vier Tonnen schweren Tiere können in ihrer Angriffswut bis zu 45 Stundenkilometer schnell -werden. Und was sie in ihrer Aggression anrichten können, hatten uns die Buschmänner eindrucksvoll geschildert: Einen Mokoro, den hier gebräuchlichen Einbaum, kann ein wütender Bulle glatt in zwei Hälften zerteilen. Ja, Tex, unser afrikanischer Begleiter, hatte schon einmal die beiden menschlichen Hälften eines Flußpferdopfers geborgen. „Eine verfluchte Situation!“ fasse ich unsere Lage zusammen. Unser Lagerfeuer bietet uns keinen Schutz. Das Schnauben wird heftiger. „Sie kommen näher!“ schießt es mir durch den Kopf. Wenn wir nur etwas sehen könnten in dieser stockfinsteren Nacht ...

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Planung und Vorbereitung

Die Idee Die Idee, eine Expedition zu den Buschmännern zu unternehmen, basierte auf verschiedenen Faktoren. Zunächst: Fremde Völker in abgelegenen Landstrichen haben es mir angetan. Waren es anfangs „nur“ die Naturgewalten in anderen Kontinenten, Urlandschaften, die vom Massentourismus noch verschont geblieben waren, drängte sich später bei mir die unausweichliche Frage auf, wie die Menschen in extremen Gegenden leben, mit der Natur im Einklang existieren, ohne die für sie so wichtige Flora und Fauna zu zerstören. Diese angeblich „primitiven“ Völker haben uns „zivilisierten“ Bewohnern dieses Planeten sehr viel voraus. Sie zerstören nicht ihre eigene Existenzgrundlage. Ja, sie schaffen es sogar, in für uns unwirtlichen, gefährlichen Gebieten über Jahrtausende zu leben, zu „überleben“ - vorausgesetzt, und das klingt hart, entspricht aber leider der Realität, wir rotten sie nicht aus. Ich will nun nicht alle von der Zivilisation gemachten Fehler gerade Naturvölkern gegenüber aufzählen - das würde auch den Rahmen dieses Buches sprengen - aber wer darf sich anmaßen, fremde Kulturen mit einem zwangsweise anderen Verhalten ihrer Mitglieder als dem von Großstadtmenschen als „primitiv“ zu bezeichnen? Was für uns eine Expedition in Wüsten, Steppen und Dschungelregionen darstellt, ist für die Bewohner solcher Gebiete der Alltag. Was also liegt näher, als von ihnen zu lernen? Ich war bei den Berbern, lebte bei den Nepali und marschierte mit den Pygmäen im Kongo durch den Regenwald. Ich war und bin fasziniert, mit wie wenig Habe diese Völker auskommen. Und jedesmal, wenn ich heimkehre, komme auch ich mit weniger aus, schraube meine Ansprüche niedriger. Und das kommt natürlich auch meiner inneren Zufriedenheit zugute. Das hier übliche Konsumdenken wird jedenfalls bei mir - positiv beeinflußt. Kurz gesagt, ich kaufe weniger Ramsch. 3

Was andere Leute in Immobilien oder Fahrzeuge der gehobenen Klasse investieren, landet bei mir eben in der Reisekasse. Und dafür arbeite ich, genau wie jeder andere. 1986, nach der Rückkehr von den Pygmäen im Kongo, war ich der Faszination dieser Naturstämme derart erlegen, daß ich mich bereits nach Fertigstellung meiner neuen Bücher mit den Buschmännern und ihrem Lebensraum, der Kalahari, auseinandersetzte. Ich wußte schon damals, daß noch einige Jahre vergehen würden, bis ich mein Vorhaben realisieren konnte, nahm mir jedoch vor, das geplante Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Den Ausschlag gab schließlich, so seltsam es klingen mag, ein Kinofilm mit dem Titel „Die Götter müssen verrückt sein“, in dem eine Buschmannsippe maßgeblich an der Filmhandlung beteiligt war. Zu den Hauptdarstellern gehörte natürlich ein Buschmann - Ort der Handlung, ganz klar, die Kalahari. Der Film, eine Parodie auf die hektische Zivilisation am Beispiel des Landes Südafrika, entlockte mir so manches Schmunzeln. Auch die Sprache der Buschmänner, ein Dialekt mit vielen Klack-, Klick- und Schnalzlauten, kam für Unbedarfte gut heraus. Und von ihren Werkzeugen, ihrem nomadisierenden Leben und ihrer Körpergröße her erinnerte mich dieses Volk stark an die Pygmäen im afrikanischen Regenwald. Das Faszinierendste jedoch: ihr Überleben, ihre Existenz in einem der für Menschen lebensfeindlichsten Gebiete der Erde: der Kalahari. Und das ist der nächste Punkt: Urlandschaften, seien es Berge im Himalaja, Wüsten, Wildwasserflüsse im Regenwald oder Dschungelgebiete, extreme Landstriche also, stellen meines Erachtens eine große Herausforderung an körperliche und geistige Fitneß, an Flexibilität, Durchhaltevermögen, an eine exakte Planung und vernünftige Durchführung dar, möchte man derartige Gebiete durchqueren oder eine gewisse Zeit in ihnen leben. Der Reiz des Unbekannten? Sicher, aber vor allem die Spannung, die gleichzeitig Entspannung sein kann. Kein schädlicher, unnatürlicher Streß, sondern natürliche Anspannung, der Versuch, mit der Natur, nicht gegen sie, zu leben. Und natürlich das Risiko - schaff ich's oder nicht? Ich meine damit aber kein blindes Hineinstürzen in ein unkalkulierbares Abenteuer, sondern ein kalkulierbares Risiko. Gefahren lauern überall, ob in der bundesdeutschen Großstadt oder im Bergdschungel von Papua; für mich also kein Grund, auf extreme Reisen zu verzichten. Nur sind wir eben unseren heimatlichen Risikofaktoren tagtäglich ausgesetzt und nehmen sie zwangsweise in Kauf, während die Gefahren einer Expedition einfach anders geartet sind. - Was im Endeffekt gefährlicher ist, darüber läßt sich streiten, es kommt sicher auf das persönliche Empfinden an. 4

Je unzugänglicher ein Gebiet ist, desto mehr Überlebenschancen besitzt ein Naturvolk dem „Moloch Zivilisation“ gegenüber, vorausgesetzt, das Gebiet ist wirklich schwer zu erschließen und die Menschen, die dort leben, haben das Glück, über keine für uns interessanten Bodenschätze zu verfügen. Dann nämlich geht unsere Kultur buchstäblich über Leichen. Wenn uns selbst schon die Natur, in der wir und von der wir leben, nicht heilig ist, dann sollten wir doch zumindest versuchen, etwas Verständnis für Menschen aufzubringen, die in einer Umgebung leben, die ganz anders geartete Anforderungen stellt. Wenn ich dies beim einen oder anderen Leser erreichen kann, bin ich zufrieden.

Von Bayern in die Kalahari Gleich vorneweg: Ich ziehe Bluejeans Lederhosen vor, lebe gerne in Bayern, aber tausche bei jeder sich bietenden Gelegenheit meine hiesige Bekleidung gegen meine Khakikluft. Um mir ein Bild von der Halbwüste Kalahari zu machen, deckte ich mich zunächst mit Karten- und Buchmaterial ein. Über mangelnde Arbeit in der Vorbereitungsphase konnte ich mich nach kurzer Durchsicht der momentan vorhandenen Unterlagen nicht beklagen. Die Daten dieser Urlandschaft waren überwältigend. Die Kalahari ist groß, sehr groß; sie weist eine Bodenfläche von etwa einer Million Quadratkilometern auf, das entspricht in etwa der dreifachen Größe Deutschlands. Ihre Meereshöhe reicht von 800 bis 1 300 Meter, unterbrochen von einigen wenigen Gebirgen wie beispielsweise den Tsodilo Hills im Norden. Die physiologische Urgestalt ist durch Sedimente wie Kalke, Sandsteine oder den ziegelroten Kalahari-Sand verdeckt. In grauer Vorzeit regnete es wesentlich häufiger als heute, bis zu 6 000 Meter breite und 30 Meter tiefe alte Flußbetten durchziehen die Kalahari. Sie ist von ihrem Erscheinungsbild her keine klassische Wüste, wenn man mit dem Begriff „Wüste“ Vegetationslosigkeit und Sanddünen verbindet. So schreibt etwa Michael Iwanowski über die Kalahari: „Im Süden existieren Flugsanddünen, wo auch äußerste Wasserarmut vorherrscht. Im Norden versiegt und verdunstet das vom Okavango herangeführte Wasser im riesigen Sumpfgebiet des Okavango-Deltas. Die geringen Niederschläge und periodischen Wasserläufe (also Flüsse, die nur unregelmäßig Wasser führen) versickern und verdunsten in großen und kleinen Salzpfannen (z.B. im Makgadikgadi5

Becken). Entsprechend der von Südwesten nach Nordosten zunehmenden Niederschläge folgen unterschiedliche Vegetationsformen aufeinander. Im Süden findet man Zwergstrauch-Sukkulenten und schütteren Graswuchs vor, dann folgt eine breite Zone der Akazien-Savanne (hier vor allem Kameldornakazien), und schließlich folgt der Bereich der Dorn- und Breitlaubsavannen (z.B. Mopanebäume). Die Besiedelung der Kalahari ist sehr dünn. Der Wildreichtum wird in Tierreservaten geschützt (Kalahari Gemsbock Park, Moremi Wildlife Reserve, Nxai Pan National Park). Der größte Teil der Kalahari gehört zu Botswana, der Westen teilweise zu Namibia (Etosha National Park) der Süden zur Kapprovinz der Republik Südafrika. Die Kalahari weist kaum Oberflächenwasser auf, sie wird in großen Teilen von sogenannten äölischen Sanden bedeckt (Flugsande). Diese Sande sind wenig fruchtbar und leicht sauer. Selbst bei Bewässerung würden sich deshalb große Regionen nicht zum Anbau eignen. Überall dort, wo man auf losen Sand trifft, kann die Vegetation kaum Fuß fassen: die hier vorherrschende Hitze, gepaart mit hoher Verdunstung, erlaubt es den Böden nicht, Wasser zu speichern. Nur dort, wo die Sande eine Stärke von sechs Metern und mehr erreichen, kann im Untergrund Feuchtigkeit gespeichert werden hier gedeihen Gras und Büsche.“ Meine Befürchtung, daß wir ernsthafte Probleme mit unserer Wasserversorgung bekommen könnten, traf also ein. Das ist in Steppen- und Wüstengebieten ja immer das Hauptproblem: Wie bekomme ich ausreichend Trinkwasser? Und vor allem, wo finde ich es und wie soll der Transport unterwegs erfolgen? Sind in der Arktis und Antarktis die Verproviantierung und deren Transport die Hauptschwierigkeit, so ist es in heißen Gebieten die Trinkwasserversorgung. Das heute in dieser Region geförderte Wasser entstammt - so meine Unterlagen - nicht aktuellen Regenfällen, sondern ist jahrhunderte- bis jahrtausendealtes Wasser aus regenreichen Klimaperioden - man spricht hier von „fossilem Wasser“. Dieses Wasser findet man vor allem in geologischen Brüchen und Falten. Das fossile Grundwasser ist um so reichhaltiger an gelösten Mineralien, je tiefer sein Vorkommen. Aus diesem Grund eignet sich solches Wasser kaum für Bewässerungszwecke. Leider wird heute mehr Grundwasser gefördert, als durch Regenfälle „nachgefüllt“ wird. „Finden wir also Buschmänner, so ist die momentane Wasserversorgung für uns kein allzu großes Problem“, dachte ich mir. „Mittels Trinkwasserfilter werden wir das Wasser genießbar machen.“ Für längere Strecken in der Kalahari allerdings brauchten wir Reserven, wir mußten also einen kalaharikundigen Führer auftreiben, der die Brunnen in dem Terrain kannte, das wir 6

besuchen wollten. Blieb das übliche Risiko: „Was würde passieren, -wenn ein oder zwei Bohrlöcher auf „unserer“ Strecke hintereinander kein Wasser hätten? Oder unser Fahrzeug wegen einer Panne, die wir nicht selbst beheben könnten, liegenbliebe, vielleicht Hunderte Kilometer von einem Dorf entfernt?“ Dazu käme noch die durchaus realistische Möglichkeit eines Buschfeuers, von einem Schlangenbiß gar nicht zu reden. Alles Fragen, die ich noch lösen wollte, lösen mußte, sollte mein geplantes Unternehmen Aussicht auf Erfolg haben.

Die Suche nach dem richtigen Partner Von Anfang an dachte ich an meine Freundin Gisela. Sie fand mein Vorhaben äußerst interessant, konnte sich zum geplanten Zeitpunkt freimachen und verfügte über das nötige Kapital. Je mehr die Planung allerdings fortschritt, desto skeptischer wurden wir beide. Es war ihre erste Reise dieser Art, und anders als ich hatte sie kein Faible für den Schwarzen Kontinent ihr schwebte doch mehr Südostasien vor. Sie hatte meine bisherigen Bücher gelesen und wußte, was da auf sie zukam: Hitze, Staub, Ungeziefer und minimalste Körperpflege - Wildnis hautnah. Auf keinen ausgetretenen Touristenpfaden, sondern zu zweit oder zu dritt - vorausgesetzt wir würden überhaupt einen einheimischen Führer finden mit der notwendigen Kenntnis des Gebietes und der Buschmanndialekte - wochenlang durch die Kalahari und das zu dieser Jahreszeit: ich schätzte die zu erwartenden Temperaturen auf 40 bis 50 Grad - es sollte jedoch noch heißer werden. Wir überlegten hin und her, ob ihr dieses Unternehmen tatsächlich ebenso viel bringen würde wie mir, und kamen schließlich zu dem Ergebnis, daß dies - ganz abgesehen von den Strapazen und dem Risiko - einfach nicht der Fall war. Es hatte keinen Wert, irgendwelche Abstriche an meinem Vorhaben zu machen, so gerne ich nach Möglichkeit auf meinen Partner eingegangen wäre - irgendeiner wäre dann immer unzufrieden gewesen, das wußte ich aus Erfahrung. Also ging ich auf die Suche nach einem Ersatzmann. In Frage kam Ralf, ein alter Freund, mit dem ich schon zweimal unterwegs gewesen war. Er hatte auch Lust, aber, nachdem er gerade einen dreimonatigen Indientrip hinter sich hatte, mußte er sich verständlicherweise wieder um seine Arbeit im Labor kümmern - das war weiß Gott zu verstehen. 7

Nach langem Überlegen kam ich schließlich auf seinen Bruder, mit dem ich 1979 den letzten Saharatrip unternommen hatte. Es hatte sich seinerzeit zwar herausgestellt, daß wir beide einfach zu verschieden waren im Intellekt, in der Art, mit Menschen und miteinander umzugehen, eben zwei grundverschiedene Charaktere. Wir zwei unterwegs, das würde an die Psyche jedes einzelnen gehen. Aber Peter hatte Reiseerfahrung, war anspruchslos (und das ist ein sehr wichtiges Kriterium bei Extremreisen), pfiff auf die Hygiene unterwegs und, was andere Menschen schier zur Weißglut brachte, ließ ihn absolut kalt. Er konnte beispielsweise stundenlang im Schatten eines Baumes sitzen und die Landschaft betrachten, ich dagegen brauchte Beschäftigung, suchte die „Action“. Ein weiterer Vorteil von ihm: er war immer noch ledig, Zeit und Geld waren vorhanden. Es war ein Geschäft auf Gegenseitigkeit: durch mich kam er nach dreizehn Jahren wieder einmal nach Afrika - ich erhielt einen Partner, den nichts so leicht umwarf. Also rief ich ihn an und er kam zu einem kurzen Gespräch zu mir ins Büro. Eine Woche darauf war alles klar. Sein Arbeitgeber spielte zum geplanten Zeitpunkt mit, gewährte ihm Urlaub. Wir vereinbarten den Ablauf wie früher: mein Ressort war die Planung, die Beschaffung der Ausrüstung und die Organisation des Ganzen. Zu den Impfterminen trafen wir uns, und ich händigte ihm Ausrüstung zum Anprobieren aus. Sporadisch kam er immer wieder einmal zu mir in den Laden und ich hielt ihn auf dem laufenden. Die anfallenden Kosten wurden geteilt. Ohne viele Worte lief alles nach Plan. Wir waren, wie gesagt, seit dreizehn Jahren nicht mehr gemeinsam unterwegs gewesen, aber wir waren uns sicher, wir würden uns schon zusammenraufen, schließlich kannte jeder die Stärken und Schwächen des Partners.

Das Antiquariat - eine wahre Fundgrube Wer extreme Reisen plant, dem seien Antiquariate wärmstens empfohlen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Buchhandlungen haben Antiquariate schon längst vergriffene Zeitschriften zu einem speziellen Thema, alte Bücher, Landkarten, oft wissenschaftliche Abhandlungen oder ethnologische (völkerkundliche) Werke auf Lager. Es lohnt sich eigentlich immer, dort einmal anzurufen. In meinem Fall befand sich das nächste Antiquariat etwa fünfzig Kilometer von meinem Heimatort entfernt in einer anderen Stadt. Der Inhaber, 8

selbst reisefreudig, gab mir telefonisch das durch, was er zum Thema Kalahari und Buschmänner vorrätig hatte, und versprach, sich in den nächsten Monaten zusätzlich umzuhören. Ein Tip: die Preise „von - bis“ läßt man sich einfach telefonisch durchgeben, vor Ort entscheidet man dann, ob die entsprechenden Unterlagen den Preis wert sind. Ich wurde also fündig und erstand eine alte Karte von 1920, Reiseberichte von Hans Grimm, vom gleichen Autor „Südafrikanische Novellen“, zwei Merian-Bände sowie ein hervorragendes Buch des Dänen Jens Bjerre, vermutlich in den fünfziger oder sechziger Jahren erschienen. Mein Material ergänzte ich mit aktuellen Karten sowie einer Länderbeschreibung Botswanas. Zunächst galt es, die Informationen richtig zu verwerten. Was gehörte der Vergangenheit an, war also bereits Geschichte? Was war aktuell, gab die momentane politische Lage der südafrikanischen Staaten an und half meinem Vorhaben weiter? Hatte ich so einige Grundkenntnisse über die Kalahari gewonnen, beschäftigte ich mich nun intensiver mit den Buschmännern. Vom Erhalt erster Informationen über das kleine Volk der behenden Kalahari-Jäger bis zum Aufstöbern einer kurzen, aber prägnanten Zusammenfassung der Kultur dieser Menschen verging etwas Zeit, aber die manchmal etwas mühsame Suche nach Material über die Ureinwohner des südlichen schwarzen Kontinents lohnte sich. Ein „Steckbrief“ dieses interessanten Volkes könnte etwa lauten: Die Buschmänner leben in Horden von 30 bis 60 Personen, kleine Familiengruppen, die sich zusammenschließen. In der Nähe ihres Lagerplatzes muß Wasser sein. Die Männer sind mager, während ihre Frauen oft relativ füllig sind. Deren auffälligste Merkmale sind ihre schräggestellten Augen, hohe Backenknochen und die hoch angesetzten Brüste. Die Mitglieder mancher Horden haben abgefeilte oder herausgebrochene Schneidezähne, von denen nur die gezackten Reste sichtbar sind. Die Körper der Frauen sind von sorgfältig beigebrachten Narbenmustern überzogen. Die weiblichen Mitglieder einer Sippe haben eine Vorliebe für Schmuck und tragen aus Straußeneierschalen gefertigte bunte Perlen, die sie von den Hereros eintauschen, oder aus Ästchen und getrockneten, nußartigen Früchten gemachte hübsche Ketten um den Hals, an den Armen oder um die Knöchel. Im Vergleich zu anderen afrikanischen Völkern sind die Buschmänner verhältnismäßig hellhäutig; sie sind etwa 1,50 Meter groß, und ihr Haar wächst in eng nebeneinanderstehenden Büscheln, das auch als „Pfefferkornhaar“ bezeichnet wird. Soweit zum äußeren Erscheinungsbild. Den Buschmännern ergeht es wie allen Naturvölkern. Sie sind Flüchtlinge. In die Enge getriebene Überreste eines Volkes, das einst weite Gebiete Ost- und Südafrikas bewohnte. In Tansania, Äthiopien und Uganda sowie 9

im südlichen Sudan hat man ihre herrlichen Felsmalereien und Artifakte entdeckt. Im ganzen südlichen Afrika finden sich zahlreiche Spuren ihrer früheren Verbreitung in diesem Gebiet: ebenfalls Felsbilder, ihrer Sprache entstammende Ortsnamen und nicht zuletzt ihre sehr leicht kenntlichen Skelettreste. Ihre genaue Herkunft allerdings liegt im Dunkeln, und ihr mongoloider Einschlag bleibt vorläufig noch ein Rätsel. Die Buschmänner befinden sich schon lange auf dem Rückzug. Zwischen dem 12. und 15. Jahrhundert wurden die Buschmannvölker, die zu jener Zeit bereits nach Südafrika abgedrängt worden waren, von zwei aufeinanderfolgenden Wellen von Bantuvölkern überlagert, die auf einer höheren Kulturstufe standen und bereits Ackerbau und Viehzucht kannten. Ein Teil der Buschmänner übernahm diese Lebensweise und wurde später unter der Bezeichnung „Hottentotten“ bekannt (in Deutschland wohl hauptsächlich durch die blutigen Ereignisse in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika, heutiges Namibia, zu Beginn dieses Jahrhunderts). Der Name „Buschmann“ wurde von den ersten europäischen Siedlern geprägt und auf jene Eingeborenen angewandt, die im Gegensatz zu den viehzüchtenden Hottentotten Wildbeuter waren. Unter dem Druck schwarzer Stämme aus dem Norden und weißer Siedler aus dem Süden suchten die Buschmänner in der trockenen Kalahari Zuflucht, wo natürlich diejenigen im Vorteil waren, die noch das uralte Wildbeuterdasein führten. Heute ist es oft schwierig, Buschmänner von Hottentotten und bestimmten Bantustämmen, mit denen sie sich vermischt haben, zu unterscheiden. Hottentotten und Buschmänner sprechen engverwandte Sprachen, die sogenannten Schnalzlaute („Klicks“) enthalten. Außerdem hat sich die Lebensform vieler Buschmänner geändert. So frisieren die Buschmannfrauen ihr Haar gerne im Bantustil nach oben. Manche Buschmänner sind seßhaft geworden und arbeiten gegen einen festen Lohn auf Farmen. Andere haben sich eng an benachbarte Stämme - insbesondere an die Tswana - angeschlossen und sind für sie als Jäger, Landarbeiter und Rinderhirten tätig, wofür sie Nahrung, Vieh, Kleidung und Tabak erhalten. Doch die in der Kalahari lebenden Buschmänner sind noch Wildbeuter, die sich in mehrere unterschiedliche Sprachgruppen gliedern lassen und die in kleinen Sippenverbänden, wie eh und je, ohne Ackerbau und ohne Haustiere als Jäger und Sammler umherschweifen. Nur, wo in den riesigen Weiten der Kalahari hielten sich die letzten, noch traditionell lebenden Buschmänner auf? Und, so fragte ich mich immer häufiger, warum waren die Unterlagen und Berichte über dieses Volk so schwer zu beschaffen? Wenn ich zum Vergleich an das vielfältige Material über die Pygmäen dachte, nahmen sich die Informationen über die Buschmänner eher 10

spärlich aus. Aber, traditionell lebende Gruppen dieses Volkes existierten noch und ich war fest entschlossen, sie zu finden.

Kosten der Expedition Vor jedem derartigen Unternehmen stand - mein eiserner Grundsatz die Planung der Finanzierung. Was würde das Ganze kosten? Meist traten zusätzliche, nicht vorhersehbare Ausgaben auf, eine finanzielle Reserve mußte daher eingeplant werden. Vor allen anderen Dingen begann ich mit den Kosten für die An- und Abreise. Das hieß für mich, wie erreichten wir unseren Zielpunkt so günstig wie möglich. Die Anreise per Schiff schied aus zeitlichen Gründen aus; blieb also nur das Flugzeug. Zum Flughafen in Deutschland selbst ging's mit „Rail & Fly“. Ein ultragünstiges Flugangebot von beispielsweise Luxemburg nützte nichts, wenn ich mit der Zugfahrt nicht wirklich einige hundert Mark sparte. Denn meistens ist es so, daß sich der Flugpreis inklusive der Anreise zu einem europäischen Auslandsflughafen - einmal abgesehen vom Zeitaufwand - mit den Kosten eines Fluges von einem Inlandsflughafen nahezu deckt. Nachdem ich die Flugtarife nach sämtlichen „Kalahari-Staaten“ miteinander verglichen hatte, kristallisierte sich eindeutig das Land Botswana als ideal heraus. Dort erstreckt sich die Kalahari über 80% der Landesfläche und in diesem riesigen Gebiet leben nur etwa 10% der Landesbewohner. Natur pur also. Zudem befand sich in Botswana eine Missionsstation der „Christusbruderschaft“, von deren Niederlassung in Selbitz (ein kleines Städtchen in der Nähe meines Wohnorts) ich einige Schwestern recht gut kannte. Ein erster Anlaufpunkt mit Kennern der dortigen Flora und Fauna war also vorhanden. Sehitwa - dort war die Missionsstation - lag etwa einhundert Kilometer von Maun entfernt, einem kleinen, aber flächenmäßig ausgedehnten Städtchen im Norden Botswanas am Südzipfel des Okavango-Deltas. Gaborone dagegen, die Hauptstadt des Landes, lag ganz im Süden, an der Grenze zur Republik Südafrika, von Maun aus etwa 900 Kilometer entfernt. Zwei Möglichkeiten, nach Maun zu kommen, taten sich auf: Anreise per Flugzeug mit mehrmaligem Umsteigen oder ein Flug kombiniert mit einem Fahrzeug, also von Gaborone oder vom benachbarten Windhoek (Namibia) aus per Mietauto nach Maun. Das aber kostete wieder Zeit und Geld. Also 11

entschieden wir uns schließlich für die erste Möglichkeit. Von Frankfurt aus sollte der Hin- und Rückflug nach Gaborone knapp 2 000,- DM kosten. Dort allerdings hätten wir dann zwei Tage Aufenthalt gehabt. Dazu kam noch der Preis für den Inlandsflug Gaborone-Maun. Nach langem Rechenexempel schließlich stand unsere Route fest: Von Frankfurt aus ging es nach Harare (früher Salisbury), der Hauptstadt Zimbabwes. Von dort sollte uns einige Stunden später eine 707 nach VictoriaFalls bringen, nahe der Grenze zu Botswana. Nach einem kurzen Aufenthalt wollten wir einen weiteren innerafrikanischen Flug mit einer kleineren Maschine nach Maun nehmen. Der letzte Flug sollte mit der „Air Botswana“, die beiden erstgenannten mit der „Air Zimbabwe“ gehen. Gesamtkosten: knappe 2300,- DM zuzüglich unserer Bahntickets. Damit konnten wir leben. Vor allem waren wir innerhalb von 29 Stunden am Ausgangspunkt unserer Expedition. Für die An- und Abreise zum Flughafen kalkulierte ich maximal 100,- DM Bargeld, für unterwegs 1 000,- DM in US-Dollar und weitere 1 000,- DM in American Express-Schecks (wie sich später herausstellen sollte, hätte ich 1 000,- DM mehr mitnehmen sollen. Aber es ging gerade noch so, und im absoluten Notfall hätte ich mir Geld schicken lassen können). Somit standen die Gesamtkosten der An- und Abreise sowie des Aufenthaltes fest: 2 500,- DM für An- und Abreise zuzüglich 2 000,- DM für den Aufenthalt im Lande selbst. Ich lag also noch unter 5 000,- DM. Dazu kamen jedoch noch die Kosten für die Ausrüstung sowie für das Film- und Fotomaterial. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt, wie sollte es anders sein, benötigte ich ein zweites Canon A1-Gehäuse, ein Objektiv und natürlich eine gute Sofortbildkamera, die ich bei solchen Unternehmen stets mitführte. Um diese Ausgaben kam ich leider nicht herum, aber, als typischer Optimist sah ich in ihnen langfristige Ausgaben - schließlich sind derartige Kosten nicht nur einer Tour zuzuordnen. Das gleiche galt für die noch benötigte Ausrüstung. Ich hatte zwar von vergangenen Touren ein ordentliches Equipment zu Hause, aber immer war zwischenzeitlich irgendetwas zu alt geworden oder nur noch teilweise brauchbar. Mit einem neueren Gegenstand gleichen Zwecks ließ sich vielleicht Gewicht sparen, oder man hatte beim letzten Unternehmen einige Sachen an Einheimische verschenkt, die nun ergänzt werden mußten. Als reine Tourenunkosten faßte ich also zusammen: Ausgaben für An- und Abreise, Kosten durch den Aufenthalt im Lande selbst sowie die Expeditionsnahrung. Alles andere ließ sich erfahrungsgemäß auf anderen Touren wiederverwenden, waren also auch Anschaffungen für die Zukunft. Doch auch diese Dinge kosten eben Geld und mußten im Finanzplan berücksichtigt werden. 12

Es ist natürlich unmöglich, hier Preise oder Anschaffungskosten für die Ausrüstung aufzuzählen. Allein die Preise für die Fotoausrüstung sind je nach Anspruch des Benutzers derart unterschiedlich, daß ich hier keine Tips geben kann. Worauf der eine verzichtet, ist für den anderen unabdingbar.

Die Sache mit den Sponsoren Wer als Unbedarfter das Wort „Sponsoren“ hört, denkt sofort an willkommene finanzielle oder materielle Unterstützung. Bekannte Abenteurer fallen einem ein, berühmte Namen und ungewöhnliche Unternehmungen, hinter denen z.B. Autofirmen oder namhafte Sportartikelhersteller standen, die das Ganze entsprechend finanziell unterstützten. Die Sache hat nur einen kleinen, aber gravierenden Haken: man muß bereits einen sehr bekannten Namen aufweisen und ein äußerst ungewöhnliches Vorhaben planen, sonst läuft gar nichts. Es ist wie überall: diejenigen, die wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades finanziell bereits ausgesorgt haben, tun sich leichter damit, zusätzliche Finanzquellen zu erschließen, als diejenigen, die Unterstützung dringend gebrauchen könnten, aber leider noch zu unbekannt sind. Allerdings, einen Nachteil hat die Sache mit den Sponsoren trotz ihrer Verlockung: man macht sich abhängig, steht unter Erfolgszwang. Ist man kein Unbekannter mehr, kann man zumindest probieren, den Großteil der Ausrüstung gesponsert zu bekommen - im Gegenzug bietet man Testberichte oder Diamaterial für Werbung und Kataloge an. Doch was geschieht, wenn die Motive nicht so ausfallen wie gewünscht, wenn die Dias unter- oder überbelichtet sind oder ihnen ganz einfach der „Pep“ fehlt? Oder, noch schlimmer, man hat die Dinger glücklich im Kasten, aber die Filme gehen verloren, werden gestohlen oder bei Röntgenkontrollen im Flughafen verdorben? Der Alptraum eines jeden Fotografen. Da gibt es nur eines: hat man alle Möglichkeiten des Nichtzustandekommens von versprochenem Material einkalkuliert und sich die Risiken bewußt gemacht, vereinbart man vor der Reise mit dem Hersteller die Erstattung des Materials im Falle des Mißerfolgs. Eine nicht mehr als faire Vereinbarung, wenn man seine Versprechen nicht einhalten kann, aus welchen Gründen auch immer. Bei einer gesponserten Reise steht man also immer unter Erfolgszwang, und öfters wird man später auf der Reise innerlich fluchen: „Verdammt, das wäre jetzt die Aufnahme gewesen!“ Doch warum hat man nicht einfach 14

drauf gedrückt? Ganz einfach - und das sollten sich auch Sponsoren klarmachen: Entweder es herrschte eine Gefahrensituation, das heißt, man brauchte beide Hände, um sich irgendwo festzuhalten, um nicht abzustürzen, oder man half dem Kameraden, oder man war vielleicht gerade damit beschäftigt, ein Tier von sich abzuhalten, oder, oder, oder ... Die Palette läßt sich beliebig erweitern. Kurz gesagt: es ging einfach nicht - etwas anderes war in dieser bestimmten Situation einfach wichtiger. Leider vergessen viele Leute, daß man sich nicht im beheizten, gut ausgeleuchteten Fotostudio befindet, sondern irgendwo in der Wildnis. Freilich, die schönsten Aufnahmen kommen in prekären Situationen zustande, aber jeder ist sich schließlich selbst der Nächste, und die eigene Gesundheit oder die der Reisepartner geht nun einmal vor. Wenn man dagegen genug Zeit hat, seinen gesponserten Rucksack irgendwo am Rande eines Canyons plaziert, Stimmung und Licht harmonieren und man der Meinung ist, das sollte genügen, ist die Sache kein Problem. Ich werde sicher irgendwann eine Person mitnehmen, die sich während des Unternehmens nur um das Filmen bzw. Fotografieren kümmert und von jeder anderen Tätigkeit verschont bleibt. Unwiederbringbare Momente, auf Zelluloid festgehalten, werden es einem später danken. Und wer der irrigen Annahme ist, daß der Kameramann ja gar nichts tue und den leichtesten Job habe, hat von dieser Materie wenig Ahnung. Noch schlimmer sind der Geheimhaltung unterliegende Staatstreffen, deren Augenzeuge man vielleicht zufällig wird (siehe Seite 141). Vom Leibwächter über Sondertruppen des Militärs bis hin zu „very important persons“ ist dabei alles vertreten. Und wenn ich an die Situationen denke, wo mir mit einem AK 47 oder dem M16 äußerst deutlich ein Fotografierverbot ausgesprochen wurde, könnte ich wegen der verpaßten Gelegenheiten heulen. Aber dies sind Ausnahmen, extreme Situationen. Viel häufiger muß man sich vor der Feindin „Trägheit“ hüten, die ständig gerade in extremen klimatischen Gebieten - auf der Lauer liegt und einem mit dem Hinweis, daß noch viel bessere Situationen kommen werden, vertröstet. Außerdem hätte man noch ausreichend Zeit. Ja, wenn diese verfluchte Hitze nicht wäre, schließlich ist man doch fix und fertig und kein Roboter... Ich habe mir einen Leitsatz eingeprägt, der lautet: „Wenn Du's jetzt nicht machst, dann machst Du's nie mehr!“ Auf dieser Tour habe ich zwei wirklich gute Motive ausgelassen, weil ich mich bei über 60 Grad Hitze einfach zu schlapp fühlte, mein zweites Gehäuse mit einem anderen Objektiv herauszusuchen - ich wollte mir das für den Rückweg aufheben. Ich habe diese Fotos nie mehr gemacht... 15

Werbung für die Unternehmung Unter die Rubrik „Werbung“ fiel alles, was mit der „Vermarktung“ des Unternehmens zusammenhing, also die Unkosten senkte. Die Fotos für die Sponsoren der Ausrüstung waren Sache vor Ort. Zu Hause kam ich auf die Idee, T-Shirts zu entwerfen, die den afrikanischen Kontinent zeigten. Im Nordteil des Kontinents war mit weißer Schrift auf rotbraunem Grund „Kalahari-Expedition 1992“ zu lesen. Darunter, wesentlich kleiner gehalten, „Wolfgang Uhl“ und „Peter Meyer“. Das Land Botswana mit dem Hauptanteil der Kalahari hatte ich lediglich weiß umrandet. So war unsere Route völlig offen. Ich ließ die Entwürfe von meinem Freund Manfred überarbeiten, bis die Geschichte druckreif war. Nur zehn Stück der Hemden ließ ich fertigen: zum Verschenken, als Werbung zu Hause und für unterwegs. Mit dem gleichen Motiv versah ich auch Aufkleber verschiedener Größen. Die kleinsten dienten zum Aufkleben auf die Korrespondenz, die mit dem Unternehmen zusammenhing, mittlere und große Aufkleber für Weithaisdosen und als zukünftige Autoaufkleber für unterwegs. Ein eherner Grundsatz dabei lautet: „Erst drauf mit den Dingern, wenn du wirklich ,vor Ort' bist!“ (seitdem ich noch vor der Autobahnauffahrt mit meinem alten Landrover stehenblieb, auf dem stolz die Klebebuchstaben „SAHARA 79“ prangten). Nichts ist peinlicher, als wenn der Eindruck von Angabe entsteht. Ich mag das nicht - auch nicht, was Versprechungen bezüglich der geplanten Tour betreffen. So hüte ich mich wohlweislich davor, Ausdrücke wie „wir werden ...“ in den Mund zu nehmen, sondern äußere höchstens ein „wir versuchen, ...“. Außerdem fällt bei ehrlicher und vorsichtiger Formulierung der eigenen Absichten ein gewisser psychischer Druck weg, dem man unterwegs noch oft genug unterliegt. Die Aufkleber sind auch immer gut zum Verschenken. So wollte später die Vermieterin unseres Leihwagens unbedingt einen großen Autoaufkleber haben und dies, nachdem wir das Fahrzeug zuvor vom Kalaharistaub und den alten Aufklebern befreit hatten. Wir haben ihr eine Riesenfreude mit dem Ding gemacht. Unterwegs muß man natürlich von Fall zu Fall entscheiden, ob Aufkleber nur unnötig Aufmerksamkeit erregen oder bei den afrikanischen Behörden eine Erleichterung darstellen. So habe ich beispielsweise schon die tollsten Erfahrungen in militärischen Sperrgebieten mit Aufklebern des jeweiligen Unternehmens gemacht. Sie stießen auf regelrechte Begeisterung. Ein anderes Mal auf einer verbotenen Piste habe ich die Dinger blitzartig entfernt... 16

Kontaktadressen Man hat sich vorinformiert, Bücher gekauft, Reiseliteratur gewälzt und das Antiquariat zu Rate gezogen. Ergänzend dazu zog ich die Kataloge der bekanntesten Reiseveranstalter zu Rate, speziell der Anbieter von „Expeditionen“ und Abenteuerreisen. Bei letzteren konnte man sich ausrechnen, was man sparte, sofern das Ziel mit im Angebot war. Bei mir sah die Sache - gottlob - anders aus. Eine Tour zu den Buschmännern im Norden Botswanas, im Nordwesten, im Süden? Es gab nichts, kein Angebot, wenn man einmal von einem eintägigen Flugtrip absah, den einige Reiseveranstalter zu den Tsodilos im Nordwesten anboten (später sollte ich von Okavango-Touristen, die über die „heile Buschmannwelt“ entsetzt und enttäuscht waren, erfahren, daß die meisten ihr Geld lieber anderweitig angelegt hätten, hätten sie gewußt, was sie erwartete). Per Inserat nach Personen zu suchen, die vielleicht irgendwann einmal in der zu bereisenden Gegend waren, ist der Mühe nicht wert. Meist liegen diese Erfahrungen Jahre oder gar Jahrzehnte zurück, die politischen Verhältnisse haben sich geändert, Stämme sind weitergezogen, haben die „Segnungen“ der Zivilisation mehr oder weniger freiwillig angenommen oder wurden gar zwangsumgesiedelt. Daß ich 100 Jahre zu spät geboren bin, hatte mir meine Mutter schon öfters gesagt, aber man kann sich bekanntlicherweise sein Geburtsdatum nicht aussuchen - man muß damit leben. Ich halte mich bei meinen Planungen an zwei Institutionen: die Kirche und die Wissenschaft. Ein Naturvolk kann noch so entlegen fernab jeglicher Zivilisation existieren, die Kirche in ihrem missionarischen Eifer, Ethnologen oder Linguistiker waren garantiert schon dort... So erfuhr ich von Kunden, Schwestern der Christusbruderschaft in Selbitz, die ihre Rucksäcke und Schlafsäcke bei mir im Ladengeschäft kauften, daß die Christusbruderschaft eine Missionsstation in Botswana unterhielt. Ein Empfehlungsschreiben könnte ich selbstverständlich bekommen, hieß es, auch die Adresse. Ich bot mich sofort an, als Kurier zu fungieren. Wenn ich schon einmal in dieser Gegend sein würde, könnte ich ja Tee und Post mitnehmen - alles kein Problem. Die Missionsstation liegt im bereits erwähnten Sehitwa, einem größeren Dorf, südwestlich von Maun gelegen. Sofort setzte ich mich an meine Schreibmaschine und fragte an, ob ich auf dem Missionsgelände mein Zelt aufschlagen könnte, und daß ich Sehitwa als eigentlichen Ausgangspunkt im Auge hätte, von dem aus ich zu den Buschmännern in der Kalahari vor17

stoßen wollte. Es vergingen Wochen, bis ich Nachricht bekam. Man würde mich und meinen Partner gerne aufnehmen, aber, so teilte man mir mit, derartige Exkursionen wären von der Regierung genehmigungspflichtig. Ohne diese Genehmigung erhielte man keinerlei Auskünfte über den gegenwärtigen Aufenthalt der Buschmänner. Das störte mich jedoch wenig. Nachdem ich mit verschiedenen staatlichen Stellen in Botswana korrespondiert hatte und darauf aufmerksam gemacht worden war, daß meine Berichte a) in englisch abgefaßt sein müßten und b) der staatlichen Zensur unterlägen, hoffte ich nur, daß gewisse örtliche Behörden meinen Namen ganz schnell wieder vergessen würden ... Die Sache gewann jedoch an Reiz. Schließlich konnten wir uns jederzeit als Touristen ausgeben, die sich die Kalahari mit ihrer interessanten Fauna und Flora ansehen wollten. Derartiges schon gewohnt, maß ich der Sache keine große Bedeutung bei, vor allem auch, weil ich wußte, daß die Meinungen über die Hilfe des Staates für die Buschmänner sehr geteilt sind. Logisch, daß die Regierungsbeamten gerne wissen möchten, was da ein Journalist aus Deutschland über „ihre“ Ureinwohner verbreitet. Von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Gaborone bekam ich zwar eine Liste mit den örtlichen Mietwagenpreisen, aber eben auch den gewohnten Hinweis: „Sie sollten unbedingt einen Antrag an das zuständige Ministerium of Local Governments, Lands and Housing in Gaborone stellen und darin um Genehmigung für einen Aufenthalt bei den Buschmännern bitten. Ich bin gerne bereit, Ihren Antrag an das zuständige Ministerium weiterzuleiten.“ Ich fand das unheimlich nett. Auch unsere Botschaft wollte mir also helfen. Aber ich wollte nicht unnötig auf mich aufmerksam machen. Denn, daß mir das Ministerium eine Genehmigung erteilen würde, bezweifelte ich stark. Ich war weder eine VIP (very important person) noch ein Wissenschaftler mit einem Forschungs- oder Feldstudienauftrag von einer Universität oder einem namhaften Institut als Rückendeckung. Eine sehr große Hilfe war mir allerdings Konsul Wolf von Bila, der alle meine Fragen, so weit es in seiner Macht stand, beantwortete, mir wertvolle Tips gab und sogar eine Empfehlung in Maun verschaffte. Vom Autor des sehr zu empfehlenden Reisehandbuchs „Botswana“, Michael Iwanowski, bekam ich brauchbare Tips, angefangen von der Anund Abreise bis hin zur günstigsten Fahrzeugmiete. Iwanowski verfaßte sein Buch logischerweise für „Normaltouristen“, aber auch jedem anderen Interessierten ist es wegen seiner Vielfalt als Vorbereitung und zum Mitnehmen wirklich zu empfehlen. 18

Von Dr. Veller von der Vereinigten Evangelischen Mission in Wuppertal erhielt ich den brieflichen Ratschlag, mich wegen der Benutzung des Stationsgeländes doch an Bischof Robinson in Botswana zu wenden; der wiederum ließ mir von Pfarrer Gran auf deutsch antworten. Kurz und gut, alles lief soweit hervorragend. Informationen über Buschmänner, abgesehen von meinen Unterlagen aus dem Antiquariat, wollte ich mir noch von Professor Dr. Thiel vom Völkerkundemuseum in Frankfurt besorgen. Der wiederum übermittelte mir die Adresse von Dr. Klaus Keutmann, den ich um Informationen bat und die ich dann auch prompt erhielt. Er übermittelte mir ein umfassendes Literaturverzeichnis über deutsch- und englischsprachige Werke bis hin zu linguistischethnographischen Arbeiten. Natürlich alles mit Autor, Titel und Verlagsangaben, Erscheinungsjahr sowie kurzem Abriß des Inhalts. Präziser ging's nicht, so konnte ich gezielt nach geeigneten Titeln für mich suchen. Ein geplantes Treffen mit Dr. Keutmann kam leider aus verschiedenen Gründen vor meiner Abreise nicht mehr zustande, aber alle seine, auch telefonischen Ratschläge nahm ich mir sehr zu Herzen. Was damals niemand ahnen konnte: In Botswana stieß ich dann ausgerechnet auf Dr. Rainer Vossen, einem Kollegen und Mitarbeiter Dr. Keutmanns, der eine Professur für Afrikanistik an der Universität München innehat. Und das bereits am ersten Tag unserer Ankunft in Botswana ...

Medizinische Vorsorge Vor jeder Tour sollte man überprüfen, wie es mit dem aktuellen Impfstand bestellt ist. Benötigt man Auffrischungen, neue Impfungen oder genügen die „alten“ ? Anhand meines gelben Internationalen Impfausweises ging ich die Eintragungen durch und ließ etliche Impfungen auffrischen bzw. ergänzen. Gleichzeitig bat ich meinen Arzt, mir eine möglichst leichte, kleine und doch komplette Apotheke zusammenzustellen, da meine ohnehin überaltert und nicht mehr komplett war. Einige Wochen später setzten wir uns zusammen und gingen die Reiseapotheke noch einmal gemeinsam durch. Das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen: Die Zusammenstellung war klein und kompakt, aber für die geplanten Verhältnisse (kein Arzt weit und breit) genau richtig: 19

Reiseapotheke Eine spitze Pinzette für die Entfernung von Fremdkörpern in offenen Wunden 10 Einwegspritzen, 2 ml 10 dto., 5 ml 10 dto., 20 ml 30 verschiedene Kanülen Zu den hier aufgeführten Medikamenten sei gesagt, daß die Auswahl natürlich subjektiv ist. Rücksprache mit einem Arzt ist in jedem Fall vor einem derartigen Unternehmen erforderlich. Schmerzen, Krämpfe (Spasmo-Cibalgin comp. S Dragees N2) Schmerz- und entzündungshemmendes Präparat (Diclophlogant) Antiallergische Salbe – Sonnenbrand, Insektenstiche – (Systral-Gel, 50 Gramm) Wund- und Heilsalbe (Panterderm-Salbe, 35 Gramm) Infektionen (Penicillat, 20 Tabletten) Schmerzen (Godasal-Tabletten, Nr. 20) Übelkeit, Erbrechen, (Gastrosil Loe, 30 ml) Husten (Paracodin N Tropfen, 15 Gramm) Desinfizierung (PCP-Jod-rph-Salbe, 100 Gramm) Infizierte Wunden (Mercurochrom Loe, 50 ml) Durchfall (Loperamid rph Tabletten, Nr. 50) Sodbrennen, Magenschleimhautentzündung (Gelusil-Lac-Tabletten Nl) Als Verpackung dienten Packbeutel. Als Verbandspäckchen kann ich die „Alpine Erste-Hilfe-Box“, die offizielle Apotheke des Österreichischen Berg- und Skiführerverbandes (vertrieben über den Bergausrüster vauDe) wirklich empfehlen. In einem Nylonbehälter mit Reißverschluß befanden sich 2 Dreieckstücher, 1 elastische Binde, 9 Wundpflaster, Schnellverbände in verschiedenen Größen, 5 Bandwundklammern, 1 Alufolie, 2 große Spezialauflagen, 2 Salbengaze, 1 Packung Verbandbinden, 2 verschiedene Mullbinden, 1 Schnellverband im Päckchen, 2 Rollen Leukoplast, 2 Fingerschnellverbände, 1 Lederfingerschutz, 5 Sicherheitsnadeln und 1 Schere. Gesamtgewicht: nur 500 g. Ergänzt wurde die Apotheke mit einem frischerworbenen batteriebetriebenen Fieberthermometer. Die Knopfzelle, also der Energiespender, hält ein bis zwei Jahre. Vor allem kann kein Quecksilber ausfließen, das Ding ist nahezu unzerbrechlich und in jeder Apotheke erhältlich. Krankheiten, gegen die man sich nur prophylaktisch oder gar nicht schützen kann, sind in den Tropen en masse beheimatet - als Hypochonder sollte 20

man lieber zu Hause bleiben. Eine der unangenehmsten Krankheiten (aber welche Krankheit macht schon Spaß?) ist sicherlich die Bilharziose. Sie kann man bekommen, wenn man in Flüssen, Seen oder mit Wasser gefüllten Senken schwimmt oder sie durchwatet. Langsam fließende oder stehende Gewässer sind wesentlich gefährlicher als schnell fließende Flüsse. Die Infektionsgefahr ist vor allem in Ufernähe stark gegeben, denn dort wohnt die Wasserschnecke, die Wirtsperson der Bilharzioseeier. In der Schnecke entwickeln sich die Eier zu Larven, die ihre Herberge verlassen und torpedoartig durchs Wasser zischen, um mit traumwandlerischer Sicherheit einen Menschen mit nackter Haut auszumachen, die sie schnurstracks durchbohren. Jetzt beginnt die Wanderschaft der Erreger in Richtung Venen des Darm- oder Blasengeflechts, wo sie sich sofort an die Produktion von Eiern machen. Die ersten Symptome treten normalerweise nach ca. 40 Tagen auf: Fieber, Hautausschlag, allgemeines Krankheitsgefühl. Jetzt ist der Gang zum Tropenarzt fällig. Eine weitere, wenn auch seltene Gefahr stellt die Schlafkrankheit dar, die durch die Tsetsefliege verbreitet wird. Eine Prophylaxe gegen Malaria, zumindest am Rande oder im Okavango-Delta, erschien mir sinnvoll. Als wir dann im Zielgebiet waren und von der Resistenz der Erreger gegen unser Präparat Resochin hörten, setzten wir es ab - es ist nichts passiert. Den Ratschlag, gegen Skorpione und Schlangen ein breitwirkendes Antiserum mitzuführen, habe ich bisher immer ignoriert, denn bislang ist mir noch kein Präparat bekannt, das nicht ständig gekühlt aufbewahrt werden müßte; eine Mitnahme also Humbug, trotz der Vorkommen von hochgiftigen Mambas in diesem Gebiet. Prophylaktische Vorsorge gegen Tierangriffe durch Großsäuger oder Krokodile betreibe ich durch theoretische Wissensauffrischung und Erkundigungen bei Jägern und Einheimischen vor Ort. Meiner Erfahrung nach die beste Methode, falsches Verhalten gegenüber wilden Tieren zu vermeiden. Eine Portion Glück gehört natürlich mit dazu. So starb der Begründer des „Crocodiles Camp“ in Maun, ein erfahrener und passionierter Krokodiljäger, nicht an den Folgen eines Angriffs der Riesenechsen, sondern an einem Mamba-Biß. Als letzten Gang in Deutschland hob ich mir den zum Zahnarzt auf. Getreu dem Motto: „Wer geht schon gerne hin, aber es muß sein“, wollte ich unterwegs keine Scherereien mit meinen Zähnen bekommen. Der Besuch lohnte sich: ein Zahn wurde plombiert, zwei gezogen ...

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Welche Lebensmittel für die Expedition? Wasser und Nahrung sind neben dem Fortbewegungsmittel das Hauptproblem in extremen Gegenden. Ausreichende Ernährung muß sein. Ohne richtiges Essen auf längere Sicht zu überleben und dabei noch leistungsfähig zu bleiben, ist unmöglich. Da wir nicht wußten, ob und wie wir ein Fahrzeug mieten konnten (ich plante, einen Wagen von einem Einheimischen zu mieten, das mußte billiger kommen, und das Geld landete in diesem Fall nicht bei irgendeinem großen Unternehmer, sondern bei den Einwohnern des Landes), und es zum Planungszeitpunkt fraglich war, wie weit wir mit einem Allradfahrzeug in die Kalahari kommen würden, wie die Benzinlage aussah, und ob wir nicht vielleicht gezwungen sein würden, ein Teilstück zu Fuß per Rucksack zurückzulegen, mußte die mitgeführte Nahrung vor allem leicht und klein verpackbar sein. Billige, dafür aber große und schwere Nahrungsmittel gab es zumindest in Maun, das war nicht das Problem. Es führte kein Weg daran vorbei, ich mußte die Nahrungsmittel für den extremen Einsatz von Deutschland aus mitnehmen, also ins Fluggepäck, und das ist begrenzt auf 20 Kilogramm. Spaßeshalber rechnete ich mir einmal 10 bis 15 Kilogramm extra berechnetes Übergepäck aus. Mit einem „Oh Gott!“ warf ich den zerknüllten Zettel in den Papierkorb ... Erneut schrieb ich dem Mann, der mir schon seit Jahren bei der Nahrungszusammenstellung für extreme Unternehmungen hilft und das entsprechende Fachwissen aufweist: Dr. Rüngeler vom Nahrungsmittelwerk SIMPERT REITER in Augsburg. Er ist Hersteller von dehydrierter Expeditionsnahrung, also von Fertiggerichten, denen aus Gewichtsgründen das Wasser entzogen wurde. Zum Verzehr gibt man lediglich die angegebene Menge kochendes Wasser in einen Alubeutel, rührt um, läßt das Ganze 5 Minuten quellen und fertig ist die Mahlzeit. Die Vorteile liegen auf der Hand: ungeöffnet sind dehydrierte Nahrungsmittel mindestens zwei Jahre haltbar, schnell und einfach zuzubereiten und äußerst leicht und kompakt. Die Rucksacknahrung schlechthin also. Meine Faustregel für die Zubereitung lautet: „Eins zu vier“, d.h., habe ich eine Packung mit 125 g Inhalt und Transportgewicht, entspricht die verzehrfertige Menge etwa 500 g. Bei 20 Packungen ergibt das 2 500 g Ballast. Die „effektive Ausbeute“ hegt dann bei etwa 10 kg, oder, anders formuliert, ich habe bei gleicher Verpflegungsgrundlage das Gewicht von 7,5 kg gespart. Hinzu kommt die Ausgewogenheit der Mahlzeiten. Abgesehen von den verschiedensten Gerichten kann ich meine Nahrung auf Hitze oder Kälte, 22

auf vermehrten Fett-, Eiweiß- oder Kohlehydratebedarf abstimmen. Diese Daten sind ebenso wie die Kilojoule- bzw. Kilokalorienangaben auf jeder Packung abgedruckt. Das Problem, Packungen für zwei Personen herzustellen, um eine zweite, überflüssige Verpackung und somit Gewicht einzusparen, löste sich von selbst, denn: „Die von Ihnen angesprochene Frage einer Verpackungsgröße für zwei Personen läßt sich aus technischen Gründen leider nicht realisieren. Es stehen entweder Einzelpackungen bzw. Großpackungen (3er-, 5er- oder 7er-Pakete) zur Auswahl“, teilte mir Dr. Rüngeler vom Herstellerwerk aus mit. Die Firma führt übrigens auch dehydriertes Gemüse, Suppen, Süßspeisen, eine Auswahl verschiedener Frühstücke und die Notnahrung K 1 000. Aus Gewichtsgründen verzichtete ich auf vieles (s. Checklisten Seite 164), eines aber wollte ich auf jeden Fall dabei haben: K 1 000. Diese Kompakt-Nahrung, auch als „Survival-Ration“ bezeichnet, verdient vor allem den englischen Ausdruck zurecht. Eingeschweißt in robuster Aluminiumfolie, hat man eine wasserdichte Energiereserve, die zudem unzerbrechlich ist. Nichts kann auslaufen oder verschüttet werden, und zudem ist die Nahrung noch gute fünf Jahre haltbar. Dieser rechteckige, 16 × 11 × 2,5 cm große „Riegel“ wiegt 225 g, enthält 4452 Kilojoule (1 050 Kalorien) und kann zum Verzehr entweder in Riegel gebrochen und direkt aus der Packung gegessen oder mit kaltem oder heißem Wasser verrührt werden. Er besteht aus tierischem und pflanzlichem Eiweiß, pflanzlichem Fett und Haferflocken. Das Weizenbackerzeugnis enthält außerdem Zucker, Honig, Milchpulver, Kakao und Zitronensäure. Die Vitamine B1, B2, B6, B12, C und E wurden nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zusammengestellt. Zusammensetzung: 50,5 % Kohlenhydrate, 20,7 % Fett und 19,4 % Protein. Diese Kompaktnahrung habe ich seit Jahren auf jeder meiner Touren dabei, und es gab genug Situationen, in denen ich heilfroh war, etwas in den Magen zu bekommen, da ich weder Zeit noch die Möglichkeit hatte, ein Feuer zu entzünden. Das Ganze ist natürlich Geschmackssache. Ich persönlich esse die Kompaktnahrung sehr gerne, am besten vorher ausprobieren.

Das richtige Kartenmaterial Angesichts der Größe der Kalahari ist mit herkömmlichen Länderkarten absolut gar nichts anzufangen. Für einen ersten, groben Überblick mögen sie 23

genügen, für detaillierte Angaben muß man auf Spezialkarten zurückgreifen. Das Internationale Landkartenhaus (GEOCENTER) in Stuttgart hat die größte Auswahl an Detailkarten. Sehr zu empfehlen sind die Operational Navigation Charts (ONC) im Maßstab 1:1000 000 und die Tactical Pilot Charts (TPC) im besseren Maßstab 1:500000. ONCs erhält man von der ganzen Erde. Bis auf wenige Gebiete sind auch TPCs erhältlich. Die Karten sind im Regelfall neueren Datums, mehrfarbig, topographisch mit Höhenangaben in Fuß und sehr guter Geländedarstellung. Bei Straßen, Städten, Hauptverkehrswegen und Orten sind sie jedoch nicht so exakt wie Straßenkarten der entsprechenden Gebiete - sofern solche überhaupt erhältlich sind. Von der Kalahari existieren noch andere Karten: So zum Beispiel „Republic of Botswana“ 1:350000, 1:500000, 1:750000, 1:1000000 oder 1:2 000000. Je nach Herstellung erhält man die einzelnen Blätter (nicht immer ist ganz Botswana mit allen Teilen der Kalahari vorhanden) weißgrundig, mehrfarbig oder als einfarbige Lichtpausen. 1986 begann Botswana mit der Fertigung von vierfarbigen Blättern (1:250000), die unheimlich genau sind. Leider wurden bisher nur 11 Blätter gefertigt von später einmal insgesamt 41. Viele Teilkarten von dem Gebiet, das wir besuchen wollten, waren leider nicht mehr erhältlich oder sollten erst noch produziert werden. Um einen genauen Überblick über den aktuellen Kartenstand zu haben, ließ ich mir die Seiten 550 bis 558 des GEO-Kataloges zusenden. Aus diesen Unterlagen wählte ich dann die für unser Vorhaben am geeignetsten aus. Es ist natürlich unmöglich, alle interessanten Karten anzufordern. Ich beschränkte daher meine Auswahl auf die wichtigsten, denn, ganz abgesehen von der Investition, wäre da ein ordentlicher Packen an Kartenmaterial zusammengekommen - zuviel jedenfalls, um alles auf diese Tour mitzunehmen. Was ich vorher allerdings nicht wußte: die besten Karten nützen bis auf eine grobe Richtungshilfe gar nichts, denn die wenigen Pisten auf unserer Expedition fächerten sich teilweise im Dickicht derartig auf, daß wir uns rettungslos verirrt hätten, wenn wir keinen Kenner der Gegend dabei gehabt hätten. Ich trug jedoch täglich unsere in etwa gefahrene Strecke ein, und behielt so einen Überblick, falls wir wirklich einmal nicht mehr gewußt hätten, wie wir weiter oder aus der Kalahari heraus zu der nächsten Siedlung hätten kommen sollen. In keinem Fall lohnt es sich, wegen ein paar gesparter Mark später Schwierigkeiten mit der eigenen Lokalisierung zu haben - die hat man unterwegs ohnehin öfters als einem lieb ist, da sollte zumindest gutes Kartenmaterial vorhanden sein. Ebenso verhält es sich mit einem guten Kompaß und etwaigem Schreibgerät. Bitte keine „Survival-Anfertigung“ aus dem Versandhaus (obwohl der 24

Ÿ Kurz vor den Tsodilo Hills: Eine Senke, angefüllt mit knöcheltiefem Staub ... Ż Vorige Seite: Einige der uralten Felsmalereien befinden sich am Fuße dieser Blöcke. ź Und immer wieder Sandpisten, die sich in der Weite verlieren.

Ÿ Erst auf den zweiten Blick erkennt man die feinen Tätowierungen. Ż Vorige Seite: Nur „seßhafte“ Buschmänner besitzen Trommeln dieses Ausmaßes. ź Wo immer wir auf Buschmannsippen stoßen: Stets sind wir umlagert ...

Name eigentlich treffend ist: mit dem Ding in der Hand ist „das Überleben“ wirklich eine Kunst). Eine robuste, ölgelagerte Ausführung, die ruhig 200,DM kosten darf, sollte es schon sein. Wichtig ist eine gut verarbeitete, saubere Gradeinteilung und -ablesung, kein Minigerät mit den angegebenen vier Himmelsrichtungen. Daß man sein Arbeitsgerät beherrscht, versteht sich eigentlich von selbst. Ich habe als Reserve zu meinem „großen“ Kompaß immer eine kleine Schweizer Ausführung „am Mann“ - sollte das gute Stück einmal abhanden kommen. Vorsicht ist besser als Nachsicht, und die paar Gramm Mehrgewicht sollte man wirklich in Kauf nehmen.

Die Frage der „richtigen“ Bewaffnung Pazifist hin oder her, irgend etwas braucht man im Notfall, um sich verteidigen zu können, weniger gegen Menschen als gegen Tiere. Ich besitze die gelbe und grüne deutsche Waffenbesitzkarte, verfüge also zu Hause über scharfe Waffen: einen Revolver im Kaliber .357 Magnum, eine 9-mm-ParaPistole sowie diverse Gewehre von .357 bis 12/76 Magnum. Außerdem habe ich noch eine Armbrust und zerlegbare Sportbögen. Schußwaffen fielen jedoch von vornherein weg. Man benötigte dafür die Genehmigung der Landesbehörden, mußte also mit einer Jagdgesellschaft unterwegs sein oder bei einem der Safariveranstalter buchen. Nun lehnte ich es aber ab, auf Tiere zu schießen, wenn ich mich nicht wirklich verteidigen mußte oder wenn sie nicht der eigenen Nahrungsversorgung dienten. Der Verteidigungsfall konnte vielleicht in einer extremen Situation tatsächlich einmal eintreten, aber mein realistisches Denken gemahnte mich an Fototouristen im Okavango-Delta und anderen Wildparks, an Ethnologen und Einheimische - und die kamen alle auch ohne Schußwaffen aus. Und unser Nahrungsproblem hatten wir ja bereits gelöst. Für die Mitnahme von Schußwaffen gab es also keinen Grund. Selbst wenn uns die entsprechende Behörde die Genehmigung erteilt hätte, wäre man später wieder auf uns aufmerksam geworden. Die Folge wären Kontrollen und Auflagen gewesen - gar nicht daran zu denken, wenn uns auf der Tour eine Schußwaffe abhanden gekommen wäre. Auch das Gewicht, der Transport und die Munition für die Waffen wären zu berücksichtigen gewesen. Zu viel Umstände alles in allem. Bogen und Armbrust wären zwar lautlose Waffen gewesen, ohne Mündungsblitz und ohne Knall. In der Kalahari allerdings wären sie meines Er25

achtens fehl am Platze gewesen. Bei einem überraschenden Angriff von Mensch oder Tier hätte man die Waffe griff- und schußbereit haben müssen. Das setzte Übung und Erfahrung voraus und den Willen, die Waffen im Ernstfall auch wirklich einzusetzen. Ein Fehlschuß hätte wahrscheinlich das Ende bedeutet. Dazu kamen die Sperrigkeit und das Gewicht dieser Waffen - einmal ganz abgesehen davon, wie viele Pfeile man mitzunehmen gedachte. Es gibt zwar Profis, die sogar größeres Wild wie Bär, Elch oder Karibou mit dem Sportbogen jagen - auch mit einer Armbrust ist das machbar -, aber zur Verteidigung im Notfall, wenn es schnell gehen soll, eignen sich diese Waffen nicht. Und es gibt nichts Schlimmeres, als ein wütendes, angeschossenes Tier. Da es sich also ohnehin nicht um ein politisches Krisengebiet handelte, wo ich sowieso eine Pistole vorgezogen hätte, ließ ich die Sache mit den Schußwaffen auf sich beruhen und konzentrierte mich auf das richtige Messer. Ein gutes Messer ist ebenso brauchbar als Werkzeug wie zur Verteidigung im absoluten Notfall. Mit der Firma Ritter in Solingen vereinbarte ich einen Test ihres „Hubertus-Waidblatts“. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Zwillingsmesser, das vor allem zum jagdlichen Gebrauch konzipiert worden war. Seit vielen Jahren benutzte ich zwar das „Hubertus-Hunter“ des gleichnamigen Herstellers, war auch bisher voll zufrieden mit diesem Messer, aber ich suchte seit geraumer Zeit ein richtiges Arbeitsgerät, das vom Holzspalten und -hacken bis hin zum Brotschneiden, Fellabziehen und Ausnehmen alles können sollte. Diese Anforderungen führten fast zwangsweise zu einem „Zwillingsmesser“. Das hieß, auf die Scheide des größeren Haumessers war eine zweite, kleinere Scheide aufgenäht, die ein kleineres, schlankeres Messer für feinere Arbeiten aufnahm. Derartige Messer gibt es von verschiedenen Herstellern aus aller Welt, z. B. aus Argentinien, Finnland und aus Fernost, die aber alle ausschieden. Ein halbes Jahr testete ich das „Waidblatt“ und verliebte mich dabei regelrecht in dieses Messer - es war für meine Zwecke einfach ideal: bei der Scheide handelte es sich um vernünftiges Rindsleder, die Verarbeitung und das Vernähen waren reine Handarbeit. Auch bei den beiden Messern sah man die sorgfältige Verarbeitung und Auswahl des Materials. Das große Messer war aus englischem Gußstahl handgeschmiedet, das kleinere aus rostfreiem Stahl. Die Beschläge waren aus Neusilber gefertigt, ebenso die Rosetten, beide Klingen waren handgeschliffen. Für die Beschalung wurde Hirschhorn verwandt. Ich ließ mir ein Exemplar des Waidbestecks mit Amazonas-Palisander-Holzgriffen versehen. Das Waidblatt setzte ich für grobe Arbeiten wie Holzspalten und -schneiden ein. Selbst zum Graben nutzte ich es. Der Nicker dagegen war ideal zum 26

Abhäuten, Ausnehmen und zum Essen. Denn das ist ja gerade das Problem eines „Universalmessers“: Man versuche einmal, mit einem derartigen Instrument Brot zu schneiden oder „mit Messer und Gabel“ zu essen, das ist kaum machbar. Für Rucksackträger tut sich dann natürlich die Frage auf: „Wohin mit dem Ding?“ Denn es fällt logischerweise etwas größer als herkömmliche Messer aus. Ich nähte mir daher eine Befestigungsschlaufe mit einer Fastexschnalle an den Rucksack-Hüftgurt - die Lösung, das Messer störungsfrei am Körper zu tragen. Und das Schönste, es war „gesetzestreu“. Bisher wurde ich noch in keinem Land von Behörden zum Abschnallen des Messers aufgefordert - höchstens, weil es jemand selbst einmal ausprobieren wollte.

Welche Ausrüstung? Einer der wichtigsten Punkte für eine Expedition ist die Frage der richtigen Ausrüstung: nicht zuviel, nicht zuwenig, gute Qualität, also strapazierfähig, nicht zu teuer, gleichzeitig aber auch möglichst leicht. Nicht gerade wenig, was da an Anforderungen an die einzelnen Ausrüstungsstücke gestellt wird. Jedoch hängt von der Wahl der richtigen Ausrüstung später das Wohlbefinden unterwegs ab - im Extremfall das Leben. Ich kann nun an dieser Stelle unmöglich alle für den Kauf einzelner Ausrüstungsgegenstände wichtigen Faktoren auflisten (wer sich umfassend informieren möchte, dem sei mein „Handbuch für Rucksackreisen“ empfohlen), will aber auf die wichtigsten Dinge kurz eingehen (siehe auch „Checklisten“, Seite 164): Hut: Wichtig wegen der starken Sonneneinstrahlung. Ein Sicherungsriemen empfiehlt sich wegen der oft heftigen Winde (gegebenenfalls selbst anbringen). Weste: Bei Bedarf kann man das Hemd darunter weglassen. So hat man immer noch ein luftiges, ärmelloses Kleidungsstück mit etlichen Taschen, um den stets griffbereit benötigten Kleinkram zu verstauen. Baumwolle geht eindeutig vor Kunstfaser. Ideal für Filme, Kompaß, Zigaretten, Notizblock, Karte etc. Hemden: Zwei Brusttaschen sind beinahe Pflicht, möglichst aus Baumwolle. Auf eine robuste Ausführung ist zu achten. Hemd und Hose werden am meisten strapaziert! 27

Unterhemden/T-Shirts: Ich benutze gerne die Bundeswehrunterhemden, sie sind leicht, klein verstaubar und praktisch - und können im Notfall auch als Handtuch herhalten ... Unterhosen: Auf reine Baumwolle und nicht zu knappen Sitz sollte man unbedingt achten. Strümpfe/Socken: Reine Wolle oder Baumwolle haben sich ebenso wie ein Natur- und Kunstfasergemisch gut bewährt. Hier gilt das gleiche wie für das Schuhwerk: bei Neuanschaffung rechtzeitig kaufen und einlaufen. Stiefel: Hohe Wildleder- oder leichte Lederstiefel zum Schnüren eignen sich optimal für die Kalahari. Man ist im Wadenbereich gut vor Schlangenbissen und Skorpionstichen geschützt. Die gute, zwiegenähte Qualität eines Markenherstellers lohnt sich dabei immer, will man nicht mit „Trümmern“ an den Füßen heimkehren. Sandalen: Bestens bewährt haben sich bei mir die neuen „AdventureSandalen“, die neuerdings angeboten werden. Äußerst leicht, klein verpackbar, sehr robust und mittels Klettverschlüsse verstellbar. Für Märsche durch die Kalahari ungeeignet, aber für Camps und unter der Dusche ideal - man kommt mal aus den Stiefeln raus, und die Füße können atmen. Stirnband/Halstuch: Hält lange Haare aus dem Sichtbereich, kann als Kopfbedeckung dienen, fast universell einsetzbar. Jacke: Gleiche Kriterien wie bei Hemd und Hose. Reines Baumwolloder Baumwoll-Polyester-Gemisch. Gut sind zwei, besser vier oder sechs Taschen. Poncho: Leicht, klein verpackbar und wasserdicht sollte er sein. Hier lohnen sich ein paar Mark mehr. Wer einmal mit seinem Poncho in einem Tropengewitter war, weiß, warum. Beleuchtung: Hier lohnen sich in jedem Fall eine gute Stirnlampe (man hat nachts zum Arbeiten beide Hände frei) und eine ordentliche Taschenlampe (staub- und wasserdicht). Besser zwei Mono- oder Baby-Zellen als eine Batterie von vier oder sechs Stück. Derartige „Riesen“ gehen zu sehr auf das Gewicht. Geschirr: Ich nahm diesmal nur das Nötigste mit - leichtes, robustes Emaille-Geschirr mexikanischer Fertigung: Suppenteller, Eßteller, gemeinsam einen 3-Liter-Topf mit Deckel, 1 Kaffeekanne (Westernform zum in die Lagerfeuerglut stellen) sowie einen kleinen, zusammenklappbaren Grillrost. Eßbesteck und etwas Geschirrspülmittel vervollständigten das Ganze. Übernachtung: Ein leichter Schlafsack genügt für die Kalahari im Oktober/November völlig. Ich wählte einen ultraleichten Faserpelzschlafsack von Ajungilak. 28

Isoliermatte: Entweder man nimmt sein gutes Stück von zu Hause mit (eine 10er-, 12er-, oder l5er-Matte) oder man gönnt sich das Mehrgewicht und hat entsprechenden Schlafkomfort: empfehlen kann ich die selbstaufblasende Isoliermatte von Metzeler. Zelt: Ein vernünftiges Zelt in Tunnel- oder Kuppelform mit Vorraum für das Gepäck und guten Moskitonetzen ist Pflicht und bietet Schutz gegen unliebsame Zeltbewohner. Das Zelt muß wirklich wasserdicht sein - es regnet zwar selten in der Kalahari, aber wenn, dann sind es oft mittlere Wolkenbrüche. Wasseraufbewahrung und -entkeimung: Gute Faltkanister, die nicht nach einem dutzendmal Zusammenfalten an den Ecken Risse bekommen! Eine große, dichte Feldflasche, einen Wasserfilter für trübes und Wasserentkeimungstabletten für klares Wasser. Moskitonetz: Wiegt fast nichts und findet immer noch irgendwo Platz (und sei es bei der Anreise in der leeren Kaffeekanne). Ideal fürs Nächtigen unter freiem Himmel, oder wenn ein bereits vorhandenes Netz im Zimmer Risse oder Löcher aufweist. Rucksack: Lieber größer als kleiner. Ebenso wie für Bekleidung und Zelt empfehle ich ein dezentes Khaki oder Grün - Tiere in freier Wildbahn erschrecken häufig vor grellen Modefarben! Seesäcke: Ideal zum Verpacken des Rucksacks und des restlichen Gepäcks. Auf Tour gut für Proviant und sonstigen Kram geeignet. Unterwegs Schloß anbringen!

Die Fotoausrüstung Mir geht es wie vermutlich den meisten Lesern: man hat sich bereits vor Jahren für eine Marke, ein System entschieden und überprüft lediglich vor jedem neuen Unternehmen, ob alles komplett ist, ob was verlorenging oder auch entwendet wurde, oder ob etwas über kurz oder lang seinen Geist aufgeben wird. Anschließend erfolgt die Komplettierung. Wobei man darauf achten sollte, die benötigten Gegenstände rechtzeitig zu kaufen. So hat man die Möglichkeit des Umtausches („Montagsmodelle“ kommen immer einmal vor) und kann seine Neuerwerbungen zu Hause in aller Ruhe prüfen und testen. Es wäre schade, Dias oder Filmnegative wegen Unkenntnis oder schlichtweg aus Zeitmangel zu verderben - man wird es später bitter bereuen. 29

Für gute Aufnahmen ist zweifelsohne eine Spiegelreflexkamera zu empfehlen, da führt kein Weg daran vorbei. Ich habe schon viele Leute mit kleinen 35-mm-Blenden- und/oder Zeitvollautomaten getroffen, die für Schnappschüsse durchaus ihren Zweck erfüllten. Aber durch den Mangel an Objektivwechselmöglichkeiten sind solche Apparate eben wirklich nur für ein schnelles Foto gut. Für Aufnahmen, bei denen ein extremes Weitwinkeloder Teleobjektiv benötigt wird, braucht man eben die richtige Ausrüstung. Sonst kommen später bei der Vorführung solcher Dias Sätze vor wie: „Das dahinten, der braune Fleck, ist eine Hyäne.“ Will man die Dias für Zeitungs-, Illustrierten-, Abenteuerberichte oder ein Buch verwenden, kann man auf eine vernünftige Fotoausrüstung nicht verzichten. Ich fotografiere seit Jahren mit CANON A-1-Gehäusen und entsprechenden Objektiven. Ich habe mir zwar zigmal schon überlegt, ob ich auf NIKON wechseln oder lieber die neue Generation mit Autofocus wählen soll. Bisher haben mich aber meine guten Erfahrungen mit der A-1, der immense finanzielle Verlust bei einer kompletten Neuanschaffung und die Tatsache davon abgehalten, daß selbst das Filmeinfädeln bei AF-Kameras batterieabhängig ist. Was ich in den letzten Jahren allerdings drastisch reduziert habe, waren Objektive, die sich im Laufe der Zeit ansammelten, die man aber effektiv unterwegs gar nicht braucht oder aber wegen ihres Gewichts unmöglich mitnehmen kann. „Zwei Gehäuse mit je zwei Objektiven“ lautet mein momentaner Wahlspruch. Mehr gibt's nicht, und irgendwann werde ich vielleicht auch die noch reduzieren (ich muß dazu allerdings sagen, daß ich meist meinem Partner eine A-1 überlasse). Außer einem Blitzgerät und Reinigungszeug ist noch eine Sofortbildkamera mit dabei. Ob es sich um unwirsche Zöllner handelt oder Naturstämme, oder ob man sich mit einem Foto einfach bedanken will: ein Sofortbild kommt immer gut an. Was wohl auch an den häufigen leeren Versprechungen der Reisenden hegt („Von Deutschland schicke ich Ihnen dann die Bilder.“). Solche Versprechungen sollte man wirklich einhalten, und in abgelegenen Gegenden nehme ich eben die erwähnte Sofortbildkamera zu Hilfe. Schon einige Male, wenn ich von Einheimischen scheu betrachtet wurde, löste ein lustiges Selbstportrait von mir oder meinem Partner die frostige Atmosphäre. Außerdem führe ich mit: einen sehr guten Stereo-Dolby-Minikassettenrecorder, der als Tagebuch und ggf. zum Aufnehmen von Gesängen und Diskussionen dient. Auch eine nächtliche Urwaldstimmung oder Tierschreie werden so aufgezeichnet. Last, not least: da das Gerät auch mit Normalkas30

setten funktioniert, habe ich für triste Momente immer drei bespielte Musikkassetten dabei. Stereominimikrofon, ein Diktiergerät mit einigen Leerkassetten sowie Ersatzbatterien vervollständigen meine Foto- und Aufzeichnungsausrüstung (ich habe darauf geachtet, daß die Kamera-Winder, das Blitzgerät, der Minirecorder und das Diktiergerät mit den gleichen Batterien funktionieren). Als Verpackung dient ein gepolsterter Fotorucksack.

Checklisten Lange vor Beginn eines Unternehmens fertige ich meine Checklisten an. Meist nehme ich eine vorangegangene Tour in ein ähnliches Klimagebiet als „Aufhänger“ und streiche oder ergänze die einzelnen Punkte je nach Bedarf. Diese Checkliste ist auch dringend nötig, will man einen Überblick über die einzelnen Artikel und deren Gewicht sowie den benötigten Platzbedarf haben. Vorjahren machte ich mir noch die Mühe, Preise und Gewichte aufzulisten. Jetzt habe ich das meiste im Kopf und mache nur gelegentlich Stichproben. Ohne Checklisten geht nichts, sonst weiß man am Ende wirklich nicht mehr, was man nun mitzunehmen gedenkt, was bestellt oder unterwegs ist, was umgetauscht werden muß oder was wieder ausgesondert werden soll. Für die Lagerung der Ausrüstung empfiehlt sich ein Platz, wo alles übersichtlich untergebracht werden kann. Optimal ist für jeden Teilnehmer der Expedition ein Regal, in das alles sauber eingelagert wird. Meine Devise lautet: „Vier Wochen vor dem Start ist alles komplett, 14 Tage vor der Abreise ist alles verpackt.“ Hat man jetzt noch eine Kleinigkeit vergessen, kann dies in aller Ruhe erledigt werden. Die „Reisekluft“ inklusive Geldgürtel, Dokumente und Papiere liegt ebenfalls säuberlich im Regal. An dem Tag, an dem es losgeht, zieht man sich um, und ab geht die Post. Man sollte sich durch die ab Seite 164 aufgelisteten Sachen für die Kalahariexpedition nicht erschrecken lassen: die Listen lesen sich oft lang, aber da ich wirklich alles aufführe, sind natürlich auch Kleinigkeiten, die weder viel wiegen noch voluminös sind, dabei. Am Schluß der Auflistung befindet sich ein Anhang, in dem ich die ursprünglich notierten, später jedoch wieder ausgemusterten Ausrüstungsgegenstände aufliste. Die Ausmusterung erfolgte meist aus Gewichtsgründen. Basis der Gewichtskalkulation ist das Frachtgepäck mit 20 kg pro Person sowie das zulässige Handgepäck. 31

Die Kalahari

Maun Noch etwa eine halbe Stunde und wir sind am Ziel unserer Anreise, in Maun. Seit 27 Stunden sind wir nun unterwegs, Peter und ich, als unsere kleine Propellermaschine, eine ATR 42, wieder in eine Luftböe gerät, etwas absackt und sich schüttelt. Die zwei Motoren halten die Maschine etwas unruhig auf Höhe - die heiße Luft trägt nicht gut. Um halb zehn am Vortag fuhren wir pünktlich mit dem Zug nach Frankfurt, jeder mit seinem kleinen Rucksack auf dem Rücken und mit zwei Seesäcken beladen. Bei uns in Oberfranken schneite es, als wir fröstelnd mit unseren dünnen Khaki-Jacken am Bahnsteig standen. Ralf, Peters Bruder, hatte es sich nicht nehmen lassen, uns in Frankfurt zu verabschieden. Kurz nach 18 Uhr starteten wir in einer neuen Boeing 767 der „Air Zimbabwe“. Unsere paar Kilo Übergepäck wurden nicht beanstandet, und meine Hoffnung, daß wir als eine der ersten Passagiere nicht nachdrücklich auf das Mehrgepäck angesprochen würden, sah ich bestätigt. Wir hatten Glück, die Maschine war nur halbvoll, so konnte man es sich einigermaßen bequem zum Schlafen machen. Nach dem Essen dösten wir bis etwa 4.00 Uhr früh. Danach war an Schlaf nicht mehr zu denken. Pünktlich um 5.15 Uhr berührten die Räder afrikanischen Boden. Danach folgte das Übliche: Gepäckausgabe, Kontrolle, die gewohnten Formulare. Eine halbe Stunde später waren wir draußen und schleppten unser Gepäck zum Inlandsflughafen von Harare. Die Flugnummern ebenso wie die geplanten Abflugzeiten hatten sich geändert, wie nicht anders erwartet. „Endlich wieder afrikanische Verhältnisse!“ meinte ich zufrieden zu Peter. Ich war durchaus nicht unglücklich, der deutschen Zuverlässigkeit entronnen zu sein. Wir lernten die beiden anderen Weißen, Vera und Michael, ein Apothekerehepaar aus Bielefeld, kennen. Sie hatten das gleiche Ziel - wir kamen ins Gespräch und tauschten Erfahrungen aus. Gemeinsam flogen wir mit einer Boeing 707 um halb acht weiter nach 32

Victoria Falls. Mittlerweile hatte ich von den beiden erfahren, daß sie bereits vor einem Jahr einmal bei den Tsodilo Hills waren und die ganze Sache absolut enttäuschend war. Aber sie kannten in Maun einen Schweizer, der seit 20 Jahren von diesem Ort aus Touren mit Touristen ins Okavango-Delta unternahm. Der wollte sie vom Flugplatz abholen und konnte sicher auch uns weiterhelfen. Kurz nach halb neun erreichten wir Victoria Falls, kurz „Vic Falls“ genannt. Die Temperaturangabe des Piloten lautete auf 29 °C. Bis zum Abflug mit „Air Botswana“ gegen halb elf ließen wir uns mit afrikanischer Limonade vollaufen. Die Hitze war mittlerweile beachtlich. Ich muß heute noch schmunzeln, wenn ich an die sogenannten Abflugzeiten denke: Zuerst sollten wir um 12.10 Uhr Ortszeit von Vic Falls abfliegen. Der Abflug wurde dann, freundlich grinsend, auf 10.45 Uhr vorgezogen. Tatsächlich starteten wir bereits um 10.20 Uhr - es soll ja tatsächlich Leute geben, die sich auch darüber aufregen können ... Da meldete sich unser Pilot: „In 15 Minuten landen wir in Maun.“ Eine knappe Stunde Flugzeit also. Die Temperatur dort soll 55 °C betragen. Ich glaube mich verhört zu haben, aber es stimmt, nach 30 Metern zu Fuß auf der Landebahn ist man bereits schweißgebadet. Die Hitze im Abfertigungsgebäude ist schier erdrückend. Zoll, Deklaration, Paßkontrolle. Kurz vor 12 Uhr mittags schleppen wir das Gepäck über die Straße ins „Duck Inn“, ein Restaurant gegenüber dem Flugplatz. „27 Stunden unterwegs, und schon hast du die Kalahari fast vor der Haustür“, meine ich schmunzelnd zu Peter, der sich sein eisgekühltes Bier schmecken läßt. Wir warten mit Vera und Michael auf Arthur, den Schweizer, der die beiden abholen soll. Maun selbst ist das Zentrum des Ngami-Landes, der Ausgangspunkt für Touren und Exkursionen vor allem ins Okavango-Delta, aber auch zu den Wildparks wie Chobe oder Moremi. Das Städtchen ist eine Streusiedlung. Alles in der Umgebung der Ortschaft ist durch Überweidung hoffnungslos kahlgefressen, der Sand neben Pisten und Straßen knöcheltief. Vor allem ist es heiß und staubig. Maun zählt etwa 20000 Einwohner. Es ist von der Flächenausdehnung her nicht mit einem europäischen Ort mit ähnlich hoher Einwohnerzahl zu vergleichen, da hier nahezu alle Gebäude, mit Ausnahme größerer Häuser wie etwa dem Hotel „Rileys“, einstöckig sind. Die im traditionellen Stil erbauten Rundhütten bedecken eine riesige Fläche. Maun ist als Ausgangspunkt für Expeditionen ideal: Geschäfte, eine Bäckerei, eine Metzgerei, Hotels, Tankstellen und Reparaturwerkstätten, und seit knapp zwei Jahren auch ein nagelneuer Supermarkt, der eigentlich so gar nicht in diese Gegend paßt, aber so ziemlich alles bietet, was man sich nur vorstellen kann. Neu sind auch einige Teerstraßen. Früher waren dies Sandpisten. 33

„Zum Crocodile Camp konntest du früher oft nur mit dem Allrad fahren“, wurde ich später von der deutschen Managerin des Camps aufgeklärt, „jetzt fährst du in 15 Minuten auf der Teerstraße hin.“ Sie meinte die neue asphaltierte Straße, die über 70 Kilometer bis Toteng führte, von wo es dann weiter nach Sehitwa ging. Für die meisten Safariunternehmen bildet Maun auch den Ausgangspunkt für ihre Aktivitäten. Die Stadt liegt am Thamalakane, der als Südabfluß des Okavango-Deltas seinen höchsten Wasserstand gewöhnlich zwischen Juni und Oktober aufwies. Aber heute ist dem leider nicht mehr so. Schon seit zwei Jahren regnet es einfach viel zu wenig (übrigens auch ein Grund, warum wir auf dem Rückflug keinen Abstecher zu den berühmten Victoria-Fällen machten - der Sambesi führte während unseres Aufenthaltes erschreckend wenig Wasser). Der Thamalakane ist - zumindest in Maun - ein breites, schlammiges Flußbett, das so wenig Wasser führt, daß oft bis zur Flußmitte hin Esel und Rinder grasen. Diese Dürre, ich werde später noch genauer darauf eingehen, ist es auch, die Maun bei unserer Ankunft nicht gerade als „heimisches Plätzchen“ erscheinen läßt. Michael und ich diskutieren gerade das Für und Wider, zuerst zu den Tsodilos aufzubrechen (wir könnten mit einer kleinen Sportmaschine einfliegen), als Arthur erscheint. Arthur, Ende 40, angetan mit braunem Schlapphut, Sandalen, abgeschnittenen Hosen, ein altes, verwaschenes T-Shirt um den braunen Körper und seine unvermeidliche Aktentasche unter dem Arm, begrüßt jeden mit kräftigem Händedruck und setzt sich zu uns. Nachdem die Begrüßung mit Vera und Michael beendet ist, frage ich ihn, wie seine Ansicht über unser Unternehmen sei. Vor 18 Jahren, meint er daraufhin, habe er einmal einige Zeit bei den Buschmännern gelebt, da seien sie auch noch einigermaßen autonom gewesen. Heute müsse man schon sehr tief in die Kalahari eindringen, um noch auf frei umherstreifende Gruppen zu stoßen. Von der Idee, in Maun selbst für ein, zwei Tage ein Zimmer zu nehmen, hält er nichts. Er stimmt sofort Michaels Meinung zu, daß wir mit ins Crocodile Camp sollen. „Das ist der beste Ausgangspunkt. Ihr könnt dort zelten, das Ganze ist nicht teuer, und ihr habt zunächst mal eine Unterkunft.“ Gesagt, getan. Eine halbe Stunde später schleppen wir unser Gepäck zu Arthurs älterem Land Cruiser und fahren zum Camp. Die Hitze ist unbeschreiblich. Ich schätze die Temperatur auf bestimmt 60 °C in der Sonne, jetzt zur Mittagszeit. „Da kannst du Recht haben“, lacht Arthur, dessen Gesicht von der Sonnenbrille und einem Vollbart fast verdeckt ist. Er gibt ordentlich Gas. Am Straßenrand sehe ich ziemlich heruntergekommene einheimische Hütten, kleine Kraals, die sich wie Perlen auf einer Schnur an der Straße entlangreihen. Es stimmt, der Teerbelag ist wirklich noch neu, der 34

Maun, fast zentral im oberen Viertel von Botswana gelegen, bietet einen der besten Ausgangspunkte für Unternehmungen abseits der Zivilisation. 35

Staat investiert in den Straßenbau. Wir überqueren das Flußbett des Thamalakane. Gras und Schilf wachsen dort, wo eigentlich Wasser sein sollte. Alles sieht typisch afrikanisch ärmlich aus. Es hungere jedoch keiner, wird mir versichert. In der Tat, die Tswana sind weiß Gott nicht reich, für afrikanische Verhältnisse aber geht es ihnen durchaus nicht schlecht. „Da vorne liegt es.“ Peter deutet in die angegebene Richtung. Tatsächlich, ein Schild taucht auf, darunter hängt quer an einer Kette ein Mokoro, wie der hier gebräuchliche Einbaum genannt wird. Er markiert den Eingang zum Crocodile Camp.

Crocodile Camp Das Crocodile Camp wurde von seinem Erbauer und ehemaligen Besitzer so getauft. Warum, kann man heute nur vermuten. Ich nehme an, weil der Thamalakane seit jeher von Krokodilen bewohnt ist und der Inhaber selbst Krokodiljäger war. Er verstarb jedoch schon vor einigen Jahren, und zwar nicht durch ein Krokodil, sondern am Biß einer Mamba. Man fand ihn in seinem Boot, eine zerbrochene Ampulle Gegenserum neben sich auf dem Boden. Offenbar wirkte das Gift der Schlange derart schnell, daß er nicht mehr zu einer Selbstinjektion kam, oder er zerbrach vielleicht die Ampulle in seiner Aufregung beim Öffnen. Darüber kann man nur noch Vermutungen anstellen. Das Camp selbst besteht aus einem Office, der Anmeldung, und der Bar. Beide Gebäude sind ebenso wie die Gästeunterkünfte strohgedeckte, runde Holzhütten - ein Plätzchen für Romantiker. Veras Mann erzählt mir augenzwinkernd, daß er sich diesmal für eine Nacht die „Hochzeitssuite“ gemietet habe, das einzige Häuschen nämlich mit Betten, die zusammenstehen, ähnlich einem deutschen Ehebett. Daher, so Michael schmunzelnd, habe er dieser Hütte den obigen Namen gegeben. Vera und Michael sind zum zweiten Mal hier, und wollen auch noch öfters wiederkommen. Ich muß ihnen Recht geben, das Camp liegt wirklich sehr malerisch am Fluß. Im Garten stehen Tische und Klappstühle, neben der Bar ist gleich der Speiseraum, in dem abends gegen Vorbestellung ein Nachtmahl serviert wird. Abgerundet wird das Ganze durch einen kleinen, vielleicht acht mal vier Meter großen und zwei Meter tiefen Swimmingpool, dessen klares Wasser einen förmlich zum Baden verlockt. Etwas höher gelegen befindet sich ein großer Campingplatz, 36

der von einem mannshohen Strohzaun umgeben ist. Zur Straßenseite hin sind Duschräume und WC in einem gemauerten Bau mit Wellblechdach untergebracht. „Viel los ist hier wirklich nicht!“ freue ich mich, als wir nach der Anmeldung in der „Reception“ unser Zelt unter drei kleinen Bäumen errichten. Außer einem Wohnwagen, der zwei Straßenbauarbeitern aus Südafrika gehört, die hier auf Montage sind, sind wir hier die einzigen Gäste auf dem großen Areal. Nach dem Zeltaufbau und der Verstauung unserer Seesäcke sind wir total durchgeschwitzt. Der Schweiß rinnt mir von der Stirn in die Augen, tropft vom Gesicht auf den Boden. „Ohne Hut gehst du hier drauf!“ meint dann auch Peter, als wir durch den knöchelhohen, feinen Sand in Richtung Garten marschieren, in der Hoffnung auf eisgekühlte Getränke. Dort treffen wir wieder auf Vera und Michael, die sich gerade den Lunch in Garten servieren lassen. Auch sie sind jetzt seit über 30 Stunden auf den Beinen, wenn man vom Halbschlaf während des Interkontinentalflugs einmal absieht. Wir essen gleichfalls und trinken dazu Unmengen an Flüssigkeit. Über unseren Köpfen, von einigen Balken gestützt, befindet sich eine Art Hochstand, mit dunkelgrünen Plastikplanen verhangen. „Da war vor zwei Jahren mal ein Ornithologe hier“, werde ich von Michael aufgeklärt, „der hat ein seltenes Vogelpaar bemerkt, das gerade Junge hatte. Kurzerhand hat er das Nest etwas umplaziert und vorsichtig ein Stück aus der Baumhöhle herausgesägt. Anschließend hat er seinen Hochstand um das Nest herumgebaut und die Aufzucht gefilmt.“ Wir sollten später noch etliche Hobbyornithologen im Okavango kennenlernen. Das Delta ist ein wahres Paradies für Vogelliebhaber. Und dann passiert ein unglaublicher Zufall. Später notiere ich mir sogar die Uhrzeit. Im Laufe des Nachmittags, wir sind gerade zweieinhalb Stunden hier, komme ich mit einem Deutschen an der Bar ins Gespräch. Es handelt sich dabei um keinen anderen als Professor Dr. Rainer Vossen, einen Mitarbeiter Dr. Keutmanns, mit dem ich so ausführlich in Deutschland korrespondiert hatte. Er ist gerade zu Studien hier. Wirklich ein unwahrscheinlicher Zufall. Rainer hat nachmittags noch etwas zu erledigen. Wir vereinbaren daher einen Treffpunkt für den späten Nachmittag im Garten. Der fehlende Schlaf und die Anspannung, gepaart mit dem Klimaumschwung, machen sich bei uns nun doch bemerkbar. Vera, Michael und Peter ziehen sich zurück. Für mich aber ist jetzt an Schlaf nicht zu denken. Ich marschiere zum Zelt, wünsche Peter einen geruhsamen Schlaf und hole Karten, Schreibzeug und sonstige Unterlagen an meinen Tisch. Ich bin gerade am Schreiben, da kommt Arthur, frisch geduscht, und setzt sich zu mir. 37

Über eine Stunde diskutieren wir über unser Vorhaben. Von den Tsodilos rät auch er mir ab. Aber mit seiner Hilfe kann ich auf meiner Karte den Standort der „Flußbuschmänner“, auch „Sumpfbuschmänner“ genannt, eintragen. Zwischen Mohembo und Dibebe, also nordwestlich unseres Camps, sollen sie sich aufhalten. Aber Arthur warnt mich: „Die kleinen Flüsse fächern sich auf und bilden zahlreiche Seitenarme. Dazwischen steht oft übermannshohes Schilf. Du wirst dich total in diesem sumpfigen Gebiet verirren. Mokoros kannst Du vergessen, da dauert die Suche ewig. Ich empfehle euch ein Motorboot. Ich kenne dort auch jemanden, der eines hat. Das könnt ihr vielleicht mieten, dann ist das ganze wesentlich unproblematischer. Und ihr seid sicherer vor den Hippos, den Flußpferden“, werde ich noch aufgeklärt. Sämtliche Tips notiere ich gewissenhaft, trage Routenbeschreibungen in unser Kartenmaterial ein. Mittlerweile muß ich mich mit Kaffee wachhalten. Aber ich sage mir, daß ich wieder einmal, wie schon so oft, unheimliches Glück habe. Gerade angekommen, schon werde ich mit wichtigen Informationen überhäuft. Allerdings, so erfahre ich von Arthur, ist er selbst schon längere Zeit nicht mehr dort gewesen. Und überhaupt, so entnehme ich seinen Worten, kommen irgendwelche Leute wegen den Buschmännern nur sehr selten hierher, mit Ausnahme von Völkerkundlern und Sprachwissenschaftlern. Wir haben auch während unserer Expedition später keinen Weißen getroffen, auch nicht in den Randgebieten, der sich für die Buschmänner interessiert hätte. Im Gegenteil, auf Grund der klimatischen Verhältnisse und der Strapazen wurde uns häufig abgeraten. Ich rauche gerade eine Zigarette, die Dämmerung bricht schon herein, da erscheint Rainer. Von halb sechs bis halb acht Uhr diskutieren wir, drehen sich unsere Gesprächsthemen um Linguistik, Buschmänner, Camps, Mietwagenpreise - kurz, um das ganze Unternehmen. Gabi, die Begleiterin von Dr. Vossen, so stellt sich heraus, ist die Dame, deren Rufnummer mir seinerzeit Dr. Keutmann gab, wo ich ihn erreichen könnte. Die Welt ist klein. Schon lange ist es draußen stockdunkel. Wie ziehen uns in die kleine, nach vorne offene Bar zurück. Mittlerweile sind die drei großen, mit Messing verzierten Deckenventilatoren eingeschaltet und versuchen, etwas frische Luft in den heißen Raum zu bringen. Kurz bevor ich mich mit Peter ins Zelt zurückziehe, macht uns Rainer einen Vorschlag. Entweder morgen oder übermorgen müsse er Richtung Süden fahren. Platz im Fahrzeug habe er noch. Er biete uns an, uns nach Toteng, der Abzweigung 30 Kilometer vor Sehitwa, mitzunehmen. Entweder wir sähen ihn morgen bis 13 Uhr, oder wir starteten übermorgen um 10 Uhr vormittags. 38

„Besser geht's nicht, oder?“ sage ich noch zu Peter, als wir uns im Zelt, nur mit der Unterhose bekleidet auf unsere dünnen Schlafsäcke legen. „Knapp vierzig Stunden unterwegs, und bereits drei Stunden nach unserer Ankunft die richtigen Leute kennengelernt.“ Ich schlafe sofort ein. Tief und traumlos ruhe ich bis sechs Uhr früh am anderen Morgen. Kaum schlage ich die Augen auf, trifft mich schon wieder die Hitze, und das um diese Uhrzeit! Nach der Morgentoilette gehe ich, mit Unterlagen bewaffnet, hinunter in den Garten, wo ich Geri Lachner, einen Weißen kennenlerne. Er arbeitet als „Guide“ für das Crocodile Camp, ist gebürtiger Südafrikaner und macht den Job seit nunmehr acht Jahren. Gen ist ein feiner Kerl. Gemeinsam warten wir auf das Frühstück. Peter stößt später zu uns, und wir erkundigen uns bei Geri nach dem richtigen Verhalten bei Kontakten mit den hier frei lebenden Tieren. Und der Guide ist in seinem Element. Wir erfahren Verhaltensmaßregeln, die von ihm oder seinen Freunden wirklich erprobt worden sind. Sachen, die man nicht aus Fotobildbänden oder Lexika lernt. Vor allem entscheidende Kleinigkeiten, die man erst nach jahrelanger Praxis im Busch kennt. Kein Jägerlatein, sondern wirklich gute Tips. Zu den Buschmännern selbst hat Geri, bis auf Ausnahmen, keinerlei Kontakt. Er bittet uns aber, wenn wir zu den Tsodilos kämen, die „Wasserstelle, die nie versiegt und aus den Felsen kommen muß“, ausfindig zu machen. Die Buschmänner schwiegen darüber angeblich wie ein Grab. Und wenn wir schon einmal dort wären ... Abgemacht, kämen wir in die Gegend, würden wir Fotos und Aufzeichnungen machen und sie ihm zukommen lassen. Einen neuen Job bietet er mir auch gleich an: „Du kannst als Guide bei uns anfangen. Anfangsgehalt 2 000 Pula (das entspricht zur Zeit etwa 1 400 DM), Kost und Logis frei. Du wirst eingearbeitet.“ Der Besitzer des Unternehmens sucht laufend neue Führer, vor allem deutschsprachige, die mit den Touristen für einige Tage oder Wochen ins Okavango-Delta fahren und ihnen Fauna und Flora erklären. Am späten Vormittag ein letztes Gespräch mit Vera und Michael. Am Nachmittag werden sie von Arthur in seinem Toyota abgeholt. Sie fahren für Tierbeobachtungen zehn Tage ins Okavango-Delta. Mit ihnen kommen ein nettes, älteres Schweizer Ehepaar und zwei heute erst eingetroffene junge Deutsche. Wir verabschieden uns von Arthur, wünschen allen eine gute Reise und marschieren zurück zu unserem Zeltplatz. Die Mittagshitze ist fürchterlich. Von Geri hatte ich erfahren, daß dies normalerweise in der Jahreszeit nicht der Fall sei, aber durch die extreme Trockenheit in diesem Jahr ... Schweißtriefend sortieren wir unser Gepäck, denn da Rainer bis jetzt nicht aufgetaucht ist, nehmen wir an, daß wir am anderen Morgen in Richtung Sehitwa starten. 39

Für den doch wenigen Schlaf sind wir topfit. Peter lasse ich morgens immer ein, zwei Stunden länger schlafen - er besteht darauf, da er das ganze Jahr über um fünf Uhr raus müsse. Mir kann's recht sein, ich benötige ohnehin Zeit zum Schreiben. Gestern nachmittag und auch heute früh tröpfelt es für einige Minuten. Kaum ist der minimale Regen vorbei, ist der sandige Boden auch schon wieder trocken. Jeden Tag werden Büsche und Pflanzen im Camp mehrmals bewässert, sie würden sonst unweigerlich eingehen. Am Abend genehmige ich mir den Hauptgang des Abendessens im Camp. Es ist dies das erste und einzige Mal, obwohl das Essen vorzüglich ist. Später sitzen wir wieder mit Geri, der einige Tage frei hat, zusammen. Unsere Gespräche drehen sich um Buschmänner sowie die Politik in Südafrika und Botswana. Tags darauf treffe ich in aller Frühe unsere einzigen Nachbarn im Camp, die Südafrikaner, bei der Morgentoilette. Unsere Unterhaltung verläuft, wie sämtliche Gespräche, in Englisch. Sie wurden beide von Südafrika aus hierher zum Straßenbau beordert, seien Facharbeiter und unterwiesen die Botswaner im Straßenbau, speziell in den Untergrundarbeiten und in der Asphaltierung. Über neun Wochen seien sie schon hier, demnächst solle es aber wieder nach Hause gehen. Es sind sympathische Burschen, unsere Zeltnachbarn. Ein Blick auf den Thermometer signalisiert mir heute nur 28 °C, es hat merklich abgekühlt. Ich treffe beim Kaffee kurz Geri, lasse Peter schlafen, verpacke aber alles soweit wie möglich, da ich einen Zettel am Zelt von Rainer gefunden habe. Offenbar wollte er uns nicht wecken. Er will jedoch zwischen zehn und halb elf kommen. Kurz vor zehn steht unser Gepäck bereits sauber gestapelt unter dem Baum. Das Thermometer zeigt jetzt 41,5 °C. Von Geri habe ich mich bereits verabschiedet, die Übernachtungsgebühren sind bezahlt. Nun heißt es warten. Jeder, den ich bisher gesprochen habe, meint, es habe seine guten Gründe, warum die wenigen Touristen zu den Tsodilobergen extra eingeflogen werden. Sie blieben ja nur einige Stunden. Die Temperaturen dort seien mörderisch. Dieser Ansicht ist auch Geri. Es führe zwar eine Sandpiste mit sehr tiefen Rillen dorthin, Allrad und Geländeuntersetzung seien daher unbedingt nötig. Ohnehin werde man sich halb totschaufeln, und wehe, das Auto falle aus, denn die Piste sei nur sehr schwach frequentiert. Ach ja, die Temperaturen. Na, so um die 50 bis 70 °C solle man rechnen, auf jeden Fall sei ausreichend Sprit und Wasser mitzuführen. Aber warum gerade mit dem Auto? Warum wolle man sich überhaupt diesen Strapazen aussetzen? Ich habe in den zweieinhalb Tagen hier meinen „afrikanischen Rhythmus“ wieder aufgenommen: früh ins Zelt, früh raus. Wenn ich gegen 20 oder 40

21 Uhr ins Zelt gehe und dann um sechs Uhr wieder aufstehe, heißt das aber nicht, daß ich einfach durchgeschlafen habe. Zunächst säubere ich nämlich das Zelt von Ungeziefer: Spinnen der unterschiedlichsten Größen, Käfer, Moskitos und Hundertfüßler. Nachts schließlich wache ich vor lauter Hitze, bin ich erst einmal einigermaßen eingeschlafen, laufend wieder auf. Der Schweiß tropft vom Körper. Irgendwann nach Mitternacht kann ich mich schließlich etwas zudecken, ohne Schweißausbrüche zu bekommen. Gegen fünf oder sechs Uhr morgens ist die Nachtruhe dann vorbei. Mittlerweile ist es halb eins geworden, doch kein Rainer taucht auf. Wenn er heute nicht kommt, werden wir morgen nach Maun müssen, um uns um eine andere Fahrgelegenheit zu kümmern. Gegen fünfzehn Uhr bietet sich Geri an, uns mit nach Maun zu nehmen. Wir fahren mit einem Landrover Serie III, der schon ein stattliches Alter aufweist. Das Metall des Fahrzeugs ist so heiß, daß man sich fast daran verbrennt. In Maun gehen wir sofort ins „Duck Inn“. Während Peter sich gegenüber bei der Firma HERTZ nach den Preisen für Mietwagen erkundigt, vereinbare ich mit einem Botswaner, daß er in einer Stunde wieder hier eintreffen solle. Denn für 200 Pula hat er sich bereit erklärt, uns heute abend oder morgen früh nach Sehitwa zu fahren. Aus dem Geschäft wird jedoch nichts. Der Knabe läßt sich nicht mehr blicken. Gen hat mittlerweile seine Erledigungen getätigt und so fahren wir zurück zum Camp. In unserer Not wende ich mich an Jane, eine freundliche schwarze Angestellte. Und tatsächlich, sie hilft uns weiter. Morgen früh, so wird vereinbart, fahren wir mit ihrem Mann Maurice für 180 Pula nach Sehitwa, es sei denn, Rainer würde doch noch auftauchen. Mittlerweile mache ich mir schon Sorgen, denn Unzuverlässigkeit, so mein Eindruck, paßt eigentlich gar nicht zu ihm. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit holen wir unser Gepäck von den Südafrikanern, bei denen wir es abgestellt hatten. Wir errichten wieder unser Zelt, dann geht es ab unter die Dusche. Bald darauf gehe ich schlafen, während Peter erst später von der Bar nachkommt. Schon um halb sechs stehe ich tags darauf vor dem Waschbecken und betrachte leicht mißmutig die grauen Spinnen an der Wand. Wenn ich auch nicht direkt einen Horror vor Spinnen habe, sind sie mir doch nicht gerade sympathisch. Es handelt sich um graue Tiere, die breite, aber flache Beine aufweisen, und sich mit den Beinen und dem Körper fest an die geweißte Wand drücken. Sie sehen aus, als „wären sie jederzeit zum Sprung bereit. Nach dem Frühstück setzen wir uns an den Schilfzaun des Platzes und warten. Und wirklich, kurz vor acht Uhr kommen Jane und Maurice. Peter und ich verladen unsere Seesäcke auf die Ladefläche des Hilux. Dann drängen wir uns in der etwas engen Fahrerkabine zu dritt auf unsere Sitze. Mau41

rice läßt den Motor an, wir wenden und rollen auf die Teerstraße hinaus. Endlich, wir sind unterwegs.

Sehitwa Zwei Sachen seien noch zu erledigen, meint Maurice, bevor wir Maun verlassen und nach Südwesten fahren: Tanken und eine kleine Reparatur vorne im Motorraum. Bei der Tankstelle in Maun kaufen Peter und ich noch Getränkedosen - wer weiß, wann wir wieder die Möglichkeit dazu haben. Den Sprit bezahlen wir ebenfalls. Maurice will den Betrag später von der Rechnung für unseren Transport abziehen. Einige Querstraßen nach der Tankstelle biegt er plötzlich nach rechts ein. Wir verlassen den Asphalt und finden uns in tiefen, sandigen Fahrrinnen wieder. Unter einem Baum steht die afrikanische „Freiluftwerkstatt“: mehrere vom Rost zerfressene Autos, darunter auch neuere Modelle. Einige Botswaner stehen herum. Zwei Mechaniker machen sich an ausgebauten Teilen zu schaffen. Ich mag afrikanische Werkstätten geradezu. Die dortigen Praktiken würden zwar jedem bundesdeutschen TÜV-Beamten die Haare einzeln zu Berge stehen lassen. Aber, was die Einheimischen improvisieren können, zumal es hinten und vorne an Spezialwerkzeugen fehlt, ist einfach sagenhaft. Und meistens funktioniert das Ganze sogar - und eben darauf kommt es schließlich an. Wie sich herausstellt, ist es nur die Batteriebefestigung, die erneuert wird. Es ist zwar die Halterung eines Fremdmodells, aber sie -wird innerhalb von 15 Minuten passend gemacht. Wenige Minuten später sind wir wieder auf der Straße. Die Sonne knallt bereits jetzt vom Himmel, die Luft flimmert. Maurice prescht mit 100 bis 140 Sachen, fröhlich rauchend, gen Südwesten. Die Straße ist so gut wie unbefahren, nur selten sehen wir ein anderes Fahrzeug. Mittlerweile sieht man vom nagelneuen Asphalt nur noch ein Zehntel. Jede Menge Sand liegt auf der Fahrbahn, was Maurice jedoch nicht davon abhält, seinen Fahrstil beizubehalten. Wir erreichen Toteng, und jetzt beginnt die Abzweigung nach Sehitwa. Plötzlich stehen wir am Beginn einer Piste, die ihresgleichen sucht: Sand, Sand und nochmals Sand. Eine tiefe, auf beiden Seiten sich windende Fahrspur macht ein Weiterkommen für PKWs unmöglich. Teilweise nur noch mit 60, dann wieder mit 80 Stundenkilometern geht Maurice die Sache an. Bremsen, Auskuppeln, Runterschalten, Schrittempo, wieder aufs Gas - auf42

heulend bahnt sich der Toyota seinen Weg. „Jetzt weiß ich wenigstens, warum Rainer uns nur bis zur Kreuzung mitnehmen wollte. Ich habe mich schon gewundert, warum er uns die letzten 30 Kilometer nicht auch noch fahren wollte“, meint Peter zu mir, während wir uns im Fahrerhaus festhalten, um nicht von den Sitzen zu fliegen. Von der ruhigen Fahrt auf der Teerstraße verwöhnt, versuchen wir, einigermaßen Halt im Fahrzeuginneren zu finden. Einmal sehe ich uns schon überschlagen, doch Maurice kennt die Strecke offenbar wie seine Westentasche. Irgendwann taucht plötzlich ein Blechschild auf - Sehitwa. Ich sehe auf meine Armbanduhr: 10.30 Uhr. Eineinhalb Stunden für die 100 Kilometer, gar nicht schlecht. In Sehitwa flimmert die Luft. Maurice biegt in einen fast nicht erkennbaren Weg zwischen den Rundhütten ein und fragt nach der Station. Die Antwort scheint zufriedenstellend auszufallen, schon drückt er wieder aufs Gas. Wir betrachten die Umgebung. Auf den ersten Blick ein recht trostloser Ort, ein flächenmäßig weit ausgedehntes Dorf. Wir erkennen eine große Funkantenne und schließlich einen Maschendrahtzaun, der ein relativ großes Gelände umgibt. „The Station!“ meint denn auch unser Fahrer, und 'wir halten vor einem kleineren, wellblechgedeckten, sandfarbenen Gebäude. Eine Einheimische in Schwesterntracht kommt uns beim Aussteigen entgegen. Ich erkundige mich nach Schwester Gertrud, für die ich Post und Tee dabei habe. Wir sollen mitkommen, meint sie. Während sich Maurice mit einem Einheimischen im Schatten unterhält, laufen wir im tiefen Sand hinter der Schwester auf ein blau gestrichenes, flaches Gebäude zu - die Klinik der Missionsstation. Während wir warten, betrachte ich die Umgebung: Das gesamte Areal ist von einem Maschendrahtzaun umgeben. Die flachen Unterkunftshäuser sind sandfarben gestrichen und besitzen ein dunkelrotes Dach. Kleine Gärten vor den Häuschen liegen im spärlichen Schatten, den einige Affenbrotbäume spenden. Kurze Zeit später werden wir hereingebeten. Im Sprechzimmer sitzt Schwester Gertrud. Wir machen uns gegenseitig bekannt. Unsere Buschkluft paßt nicht so ganz hierher: die Beine in Khakihosen, die Füße stecken in hohen Wildlederstiefeln, eine Weste haben wir um den bloßen Oberkörper, breitkrempige, braune Hüte in der Hand. Pfarrer Gran, mit dem ich korrespondiert hatte, sei leider gerade nicht hier. Aber in Kürze sei Pause, dann könnten wir uns in Ruhe unterhalten. Wir laufen zurück zum Wagen, laden unser Gepäck aus und bezahlen Maurice. Wenn wir 'wieder zurück möchten, so vereinbaren wir, solle ich im Crocodile Camp Jane anrufen, die werde es ihm dann ausrichten. Logischerweise ein, zwei Tage vor der Rückreise, damit er sich richten könne. Auf die Idee, daß es hier in der Missionsstation kein Telefon geben könnte, kommen 43

wir erst gar nicht. In einer Staubwolke verschwindet fünf Minuten später unser Fahrer auf dem Rückweg in die Zivilisation. Peter und ich sehen uns an: Nein, so haben wir uns das Ganze nicht vorgestellt. Eine etwas triste Stimmung hält uns gefangen, obwohl doch, so sage ich mir immer wieder, gar kein Grund dafür vorliegt. Aber schon kommt Schwester Gertrud, und wir werden in die kleine Küche ihres Hauses gebeten. Sie bietet uns kühles Wasser an. Dankbar halten wir unsere Gläser mit dem erfrischenden Trunk in den Händen, als wir mit ihr über unser Vorhaben sprechen. Hier gäbe es kein Telefon, klärt sie uns auf. Wenn irgendetwas benötigt werde, funke man das Central Hospital in Maun an, das dann alles in die Wege leite. Wir könnten auch eine Nachricht dorthin absetzen, man werde diese dann bestimmt weiterleiten. Ein Fahrzeug von der Missionsstation zu mieten, wie ich es mir erhofft hatte, sei leider nicht möglich. Das einzige Fahrzeug habe Pater Gran, der noch längere Zeit unterwegs sei. Und überhaupt, hier ein Fahrzeug aufzutreiben, das könne man so gut wie vergessen. Im Notfall zurücktrampen? Eine Schwester sei einmal fast eine Woche an der Piste gestanden, bis sie entnervt aufgegeben habe. Aber es führen ab und zu Fahrzeuge nach Maun. Man könne sich umhören. Das Gästehaus sei frei. Schwester Gertrud gibt mir die Schlüssel. Und übrigens sei Sehitwa ein schlechter Ausgangspunkt für eine Expedition. Am besten, wir kämen irgendwie nach Norden. Falls jemand in diese Richtung fahre, werde man uns Bescheid geben. Immerhin haben wir vorerst eine Bleibe. Gemeinsam tragen wir unsere Seesäcke über den prall in der Sonne liegenden Platz. Das Haus ist groß. Vier Zimmer mit Betten und Moskitonetzen, eine gemütliche Küche, Bad und WC. Momentan gibt es leider kein Wasser, aber Schwester Gertrud will uns welches in Kanistern bringen. Ob wir Sehitwa einmal besichtigen möchten, werden wir gefragt. Ein Arbeiter der Mission werde uns gerne alles zeigen. Nachdem sich die Schwester soviel Mühe mit uns macht, können wir unmöglich ablehnen, und so laufen wir alsbald zu dritt durch das Tor der Station in die glühende Mittagshitze hinaus. Peter und ich haben die Sahara bereits mehrmals kennengelernt. Ich bin dort sogar acht Wochen mit dem Rucksack im Juli und August unterwegs gewesen. Aber so etwas wie in Sehitwa haben wir noch nicht erlebt. Es ist, als wandle man in einem Backofen. Wie in Trance marschieren wir unserem schwarzen Führer hinterher, der auch noch einen dunkelblauen Overall trägt - es ist nicht zu fassen! Geri hatte uns gewarnt: „Durch die Trockenheit habt ihr jede Menge Staub und eine unglaubliche Hitze. Jeder Schritt mittags bringt euch fast um!“ Er hatte weiß Gott! - nicht übertrieben. So laufen wir durch den weichen Sand, sinken dabei laufend mit unseren Stiefeln ein und lassen uns Sehitwa zeigen. Wir kommen an der Bäckerei vor44

bei, die in einer Lehmhütte mit Strohdach untergebracht ist, davor ein Verschlag aus Wellblech - der Verkaufsstand. Die örtliche Post lernen wir kennen, sogar den Bürgermeister; ein starker Schwarzer im Anzug hält kurz in seinem Toyota. Ich gebe mir alle Mühe, nicht zu begehrlich auf sein Fahrzeug zu schielen. Dann geht es weiter zum hiesigen „Restaurant“ mit Kneipe nebenan, einem blau gestrichenen Gebäude. Links daneben kochen Dorfbewohner in einem Kraal ihr Mittagessen. Trotz der lauten Musik - ein „Ghettoblaster“ dröhnt in dem fast leeren Raum, der am Ende von einer breiten Theke eingenommen wird - nehmen wir aufatmend Platz und bestellen für uns und unseren Freund eisgekühlte Getränke. Ein Generator im Ort liefert Strom. Was wir trinken, schwitzen wir sofort wieder aus allen Poren aus. Eine Stunde später im nächsten „Getränkeshop“ das gleiche. Wir sitzen am Tresen. Ich sehe dem jungen afrikanischen Mädchen hinter dem Tresen zu, wie es sich angeregt mit einem altern, körperbehinderten Mann unterhält. Der Boden besteht aus abgetretenen Fliesen, im Vorraum einige Stühle mit oder ohne Lehne, defekte Tische mit kaputten Spanplatten. „Ich glaube wirklich, wir sind hier am absoluten Ende der Welt“, sage ich zu Peter, während ich mit einem Lächeln und einer Handbewegung nochmals eine Runde Cola bestelle. „Ganz schön verrannt“, meint denn auch Peter in seiner trockenen Art und stiert gegen die Wand. Ist es die Hitze, das Klima, das uns momentan alles so traurig, so verwahrlost, ja richtig lieblos erscheinen läßt? Oder die Aussicht, hier vielleicht festzusitzen und irgendwann einmal unverrichteter Dinge umkehren zu müssen? Mein Gott, wie oft war ich schon in Afrika gewesen. Ich hatte mich bei Leprakranken aufgehalten und in Hütten geschlafen, in die sonst kein normaler Tourist auch nur einen Fuß hineinsetzen würde. Und jetzt diese Stimmung! „Komm, wir marschieren zurück, machen uns frisch, falls inzwischen Wasser vorhanden ist, und halten Lagebesprechung“, meine ich zu Peter und bezahle. Auf dem Rückmarsch schaue ich auf unser Thermometer. Das Gerät geht bis 60 °C, der Zeiger geht aber noch einige Millimeter über die Skala bis zum Anschlag hinaus. „Vielleicht 67 °C, das glaubt uns kein Mensch!“ stöhne ich. Peter stapft schweigend neben mir durch den Sand. In der Hütte angekommen, lassen wir uns auf die beiden Küchenstühle fallen, reißen uns die Weste vom Körper und lehnen uns erschöpft zurück. „Sowas-habe-ich-noch-nicht-erlebt!“ versuche ich die Situation zu beschreiben, zwischen den einzelnen Wörtern demonstrativ eine Pause lassend. Gerade will ich aufstehen, um die Waschgelegenheiten eingehend zu inspizieren, da kommt Schwester Gertrud und stellt uns Texon Motai vor. Ich bitte die beiden herein und wir unterhalten uns in Englisch, damit Mister 45

Motai auch alles versteht. Der nämlich ist in einem Toyota mit einem botswanesischen Lebensmittelinspektor unterwegs, fährt in Richtung Norden und würde uns mitnehmen, zumindest bis Tsau, das sind etwa 50 km Teerstraße. Von dort müßten wir allerdings selbst irgendwie weiterkommen. Außerdem, und das gefällt mir besonders, hat er die Idee, den Inspektor zu fragen, ob wir nicht das Auto von der Regierung mieten könnten. „Tex“, wie wir ihn später immer nennen, kann außerdem etliche Buschmanndialekte und bietet sich sofort als Fahrer und Führer an. Der Mann wirkt sympathisch, lächelt die ganze Zeit, ist aber nicht aufdringlich, sondern erklärt seine Vorschläge anhand unserer Karten, die ich auf dem Tisch ausgebreitet habe. Er ist untersetzt, beleibt, und hat schon etwas graues Haar. Er hat irgend etwas an sich, das uns sofort Vertrauen zu ihm fassen läßt. Auch Schwester Gertrud, die Gute, freut sich mit uns, taut richtig auf. „Es ist ein geradezu unheimlicher Zufall“, meint sie, „kurz nachdem Sie im Dorf gewesen sind, kam Mr. Motai und brachte eine Kranke mit zur Station - normalerweise wäre er gar nicht hier“, erfahre ich von ihr. „Und er kennt sich wirklich da draußen aus. Er kennt viele Buschmänner.“ Hauptberuflich arbeitet Tex als Lkw-Fahrer beim „Central Hospital“ in Maun, wo er auch wohnt. Doch vor allem - er könne sich auch beruflich freimachen, meint er. Peter und ich strahlen uns an. Genau das, was wir brauchen. Im Eiltempo verschließen wir unsere Seesäcke, nachdem die wenigen Dinge, die wir ihnen entnommen haben, wieder an ihrem Platz sind. Eine halbe Stunde später sind wir abmarschbereit. Wir verabschieden uns von Schwester Gertrud und versprechen, auf dem Rückweg auf jeden Fall vorbeizukommen. Im Fahrzeug allerdings erwartet uns eine Überraschung: Im Aufbau des Hi-Lux ist gerade noch 1,50 X 1,50 m Platz. Links auf dem Radkasten sitzt eine junge Afrikanerin und schreibt einen Brief. Der Aufbau ist gerade so hoch, daß wir mit Müh und Not sitzen können. „Ich bin schon ganz anders gefahren!“ mache ich Peter Mut, und 'wir wuchten unser Gepäck ins Fahrzeuginnere. Mit dem Fahrer oder Beifahrer haben wir keinen Kontakt. Tex wirft die Rücktür zu, und los geht die Fahrt. Der Toyota quält sich durch die tiefen Sandrinnen, bis wir die Teerstraße erreichen, die nagelneu ist und nach Norden führt. Im Blechkasten ist eine schier unmögliche Hitze, wir schätzen grob über 70 °C. Es ist sinnlos, den Schweiß aus dem Gesicht wischen zu wollen, wir lassen ihn einfach heruntertropfen. Zudem haben wir ohnehin kaum Platz für irgendeine Bewegung. Unterwegs steigen sogar noch zwei Einheimische zu. Zu fünft hocken wir jetzt in dem Aufbau, eng gepackt wie die Ölsardinen, während der Wagen langsam nach Norden fährt. Endlich! - Tsau. Es handelt sich um eine größere Ansammlung von Rundhütten, ein Restaurant, eine Bäckerei, einige Lebensmittelgeschäfte. 46

Der restliche Nachmittag vergeht mit Kontrollen durch den Inspektor. Einige Sachen werden konfisziert, anderes bleibt unbeanstandet. Wir mischen uns da nicht ein, betrachten derweil die typisch afrikanischen Läden. Kein Krimskrams für westliche Touristen, sondern Dinge, die die Dorfbewohner und herumziehende Hereros benötigen: Wolldecken, Milchpulver, Maismehl, Pfannen, Töpfe, Spaten, Konserven - typische afrikanische „TanteEmma-Läden“. So weit, so gut. Aber der Inspektor erteilt logischerweise nicht die Genehmigung, die erforderlich wäre, wollte Tex das Fahrzeug für uns mieten. Der aber hat schon wieder eine Idee: In Sehitwa kenne er eine „Lady“, die über einen Toyota Hi-Lux verfüge. Und wenn wir ihn als „Guide“ akzeptieren würden, könnten heute abend bereits die Verhandlungen beginnen. Schmunzelnd, aber etwas skeptisch erklären wir uns einverstanden. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichen wir wieder die Mission. Gegen sieben Uhr abends will uns Tex erneut vor unserem Häuschen abholen, eine halbe Stunde nach unserer Ankunft. „Schnell ist der Knabe!“ feixen wir und lassen uns von der etwas verwunderten Schwester Gertrud den Hausschlüssel aushändigen. Hinter der örtlichen Schule treffen wir später die Dame, die die Direktorin dieser Institution darstellt, jedoch ist kein Auto weit und breit zu sehen. Aber schließlich kommen zwei Afrikaner mit einem Toyota Hi-Lux mit Ladefläche - genau das, was wir suchen! Eine geschlagene dreiviertel Stunde verhandeln wir, dann ist es beschlossene Sache: 100 Pula pro Tag, einen halben Pula pro gefahrenen Kilometer und Sprit zu unseren Lasten. Für die Direktorin ist es das Geschäft schlechthin, und auch für uns wirklich günstig. Somit ist beiden Parteien geholfen. Besiegelt wird das Ganze unbürokratisch per Handschlag. Tex soll pro Tag die geforderten 25 Pula erhalten. Jeder ist zufrieden. Wir begießen den Abschluß in der örtlichen Kneipe mit Fanta, Cola und Bier. „Wenn man überlegt“, sage ich augenzwinkernd auf englisch zu allen Beteiligten, „daß wir erst heute abend hier angekommen sind ...“

Die Ausrüstung wird ergänzt Am frühen Morgen wecke ich meinen Reisekameraden. Auf dem Gasherd in der Küche kochen wir Kaffee und eine Portion Expeditionsnahrung. Mit dem wenigen noch vorhandenen Wasser waschen wir uns, so gut es geht. 47

Wir haben's wirklich nötig, stinken erbärmlich. Mein heutiger Plan sieht, kurz gesagt, so aus: mit einem Fahrer nach Maun, US-Dollar und TravellerSchecks wechseln sowie die noch fehlende Expeditionsausrüstung kaufen, anschließend zurück. Der Aufbruch in die Kalahari soll endgültig morgen früh erfolgen. Über Streßmangel kann ich mich -wirklich nicht beklagen. Alles geht für afrikanische Verhältnisse geradezu unheimlich rasant. Wer es schon einmal mitgemacht hat, wird mir Recht geben. Mit Tex haben wir vereinbart, daß wir uns um 14.00 Uhr am General Hospital in Maun treffen. Vorher wollen wir, so gut es geht, die Sachen besorgen, die er auf einem Zettel notiert hat, den er heute um acht Uhr vorbeibringen will. Pünktlich auf die Minute drückt Tex mir seinen Zettel mit der gewünschten Ausrüstung in die Hand. Wir gehen das Ganze noch einmal gemeinsam durch, dann verschwindet er in Richtung Maun. Peter und ich warten auf unseren Toyora. Stattdessen kommt jedoch die Schwester von Mrs. Chilume, unserer Autovermieterin, fröhlich pfeifend auf das Missionsgelände und teilt uns mit, daß das mit dem Auto noch nichts werde. Irgend etwas hat sich verschoben. Wir sollen aber so gegen neun oder zehn Uhr abgeholt werden. Die Frau ist ein Albino, noch weißer als wir, und sie wird auch nicht braun. Ihre Haare sind zwar kraus, aber strohblond im Gegensatz zu denen ihrer Schwester, einer dunkelbraunen, stämmigen, liebenswerten Person. Nach einem Klinikbesuch gehen wir mit ihr zu der Wagenbesitzerin, aber dort tut sich nichts. Endlich kommt der Toyota. Ein Afrikaner steigt aus. Wir sollen warten. Das ist gut gesagt in der heißen Sonne. Ich inspiziere den Wagen und entdecke etwas, was mir ganz und gar nicht gefällt. „Peter, schau mal her“, bitte ich den Kameraden. Die Reifen sind in einem absolut desolaten Zustand. Risse zeigen sich teilweise an der Karkasse, ebenso im Profil der Reifen. Bei einem ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Karkasse durchschaut. Wir müssen uns irgendwas einfallen lassen. Aber momentan wäre es unklug, uns unzufrieden zu zeigen, sind wir doch froh, an ein geländetaugliches Fahrzeug gekommen zu sein. Ich sage Bescheid, daß wir zur Bar marschieren wollen, um etwas zu trinken, und auch Getränke für die Fahrt nach Maun zu besorgen. Der Besitzer des Ladens ist der Bruder von Mrs. Chilume. Er wird auch fahren. Die Besitzerin macht es sich später hinten bequem, aber Peter und ich sollen partout mit in das Fahrerhaus. Allerdings haben wir viel zu wenig Benzin. Kurzerhand wird der Tank eines anderen Toyota angezapft. Der Besitzer hat offenbar nichts dagegen. Der Bruder der Direktorin fährt weit gemäßigter als Maurice. So erreichen wir Maun erst um die Mittagszeit und lassen uns am 48

„Rileys“ absetzen, um etwas zu trinken und zu essen. „Vermutlich ist es das letzte Mal für längere Zeit“, meine ich zu Peter gewandt, der sich etwas deplaziert vorkommt, denn die livrierten Kellner im „Rileys“ und wir stammen optisch aus zwei verschiedenen Welten. Pünktlich um 14.00 Uhr stehen wir dann vor dem Krankenhaus. Auch Tex ist pünktlich zur Stelle. Zusammen mit dem Fahrer und der Fahrzeuginhaberin machen -wir uns auf die Suche nach den benötigten Ausrüstungsgegenständen. In einem Supermarkt erstehen wir vier 25-Liter-Wasserkanister, ebenso sechs große Kartons mit Tabak. Es handelt sich dabei aber nicht um den bei uns erhältlichen Zigaretten- oder Pfeifentabak. Es sind zerstückelte Tabakblätter (ich habe später einmal versucht, mir aus diesem Tabak eine Zigarette zu drehen. Aber nach zwei Zügen machte ich das Ding aus. Es war für meinen Geschmack absolut ungenießbar. Und ich rauche ansonsten so ziemlich alles). Nach einem Wasserkanister, den man außen am Fahrzeug befestigt, um wenigstens 5 oder 10 Liter Wasser durch die Verdunstungskühle frisch zu halten, oder einem Leinenwassersack suchen wir in der ganzen Stadt vergebens, ebenso nach einer vernünftigen Schaufel. Ein 200-Liter-Faß für Benzin muß ebenfalls her, sonst brauchen wir gar nicht erst los. Aber das ist leichter gesagt als getan. Wir schwitzen wie die Irren, als wir halb Maun nach einem verdammten Faß absuchen. Endlich stehen jede Menge unlackierter, nagelneuer Fässer in einem Hof. Die Freude währt aber nicht lange, denn die Dinger sind bereits verkauft, so der Besitzer. Den halben Nachmittag suchen wir weiter. Schließlich werden wir endlich fündig. Wir erstehen in einem Baumarkt (jawohl, so etwas gibt es hier!) zwei 100-Liter-Fässer für einen etwas happigen Preis, aber die Fässer sind neu und dürften somit dicht sein, und das ist wichtig. Anschließend geht es zur Tankstelle. Wir bunkern 265 Liter Sprit. Danach fahren wir zu Tex nach Hause, wo er seine Ausrüstung ebenfalls auf den Wagen wirft: Koffer, Matratze, mehrere Decken und unser Bordwerkzeug. Ein Beutel, etwa doppelt so groß wie mein Waschbeutel, beinhaltet unser ganzes Werkzeug für die Wildnis! Immerhin besorgt Tex noch einen nagelneuen Schlauch nebst Reifen. Auch Klebematerial haben wir an Bord, der Wagenheber funktioniert, und auch die Fußluftpumpe scheint ihren Dienst zu leisten. Wir verlassen das Domizil von Tex (eine junge Frau mit einem Kleinkind paßt während seiner Abwesenheit auf Sohn und Tochter auf) und fahren zum nächsten Getränkeshop. Tex will noch vier Paletten „Black Level“ für die Buschmänner mitnehmen. Peter und ich sind ratlos, bis sich herausstellt, daß es sich um Bierdosen mit diesem Namen handelt. Auf der Rückfahrt kommt, was schon lange fällig war, ein Gewitter. Eine Stunde lang schüttet es wie aus Eimern, während wir zurück nach Sehitwa 49

fahren. Tex und Mrs. Chilume schützen sich mit einer Plane, um nicht naß zu werden. Auf unsere Frage, ob wir fairneßhalber nicht einmal die Plätze wechseln sollen, versichert uns Tex mit einem: „No problem, no problem!“, daß er sich auf seinem Platz offenbar wohl fühlt. Durch das Gewitter kühlt es merklich ab und wir freuen uns schon auf einen angenehmen Abend, was sich aber als verfrüht erweist: In Sehitwa ist es heiß wie immer ...

AIDS - auch ein Thema für Afrikareisende In Sehitwa ist es schon dunkel als wir ankommen, zu unserer Unterkunft fahren und die komplette Ausrüstung abladen. Alles kommt in den Flur, wird feinsäuberlich gestapelt. Lediglich die beiden Benzinfässer verbleiben auf unserem Pick-up. Morgen früh also soll es endlich losgehen. „Weißt du was?“, meint Peter plötzlich, ich hole einige Dosen Bier und Cola für dich in der Kneipe.“ Spricht's und ist schon unterwegs. Kurze Zeit später wandert ein Lichtstrahl durch die Dunkelheit auf unser Häuschen zu. Er kommt von der Taschenlampe von Schwester Gertrud, die uns einen Kanister Wasser bringt. Schnell kommen wir ins Gespräch, sitzen bei Kerzenschein in der Küche und diskutieren über die Buschmänner und die Kalahari. Schließlich kommen wir auch auf die „afrikanische“ Krankheit AIDS zu sprechen. Ich habe noch auf keiner meiner Touren etwas mit einer Einheimischen angefangen, weder einen Flirt, noch sexuelle Beziehungen gehabt. Dies hat mehrere Gründe. Habe ich eine Partnerin zu Hause, die auf mich wartet und an meine Treue glaubt, möchte ich sie verständlicherweise nicht enttäuschen. Zum anderen ist es in der Praxis so, daß viele Mädchen und Frauen aus Entwicklungsländern auf einen „One-Way-Trip“ nach Deutschland spekulieren. Das hat nichts mit Ausnützen zu tun. Wer afrikanische oder asiatische Verhältnisse kennt, wird mir Recht geben. Für die Mädchen kann es nach ihrer Vorstellung im Ausland nur noch besser werden. Zumal wir Ausländer für ihre Begriffe geradezu unheimlich reich sind. Daß wir auch dafür arbeiten müssen, können sie sich zwar vorstellen, gehen jedoch zwangsweise von ihren eigenen Verhältnissen aus, und das sind eben nun einmal zwei verschiedene Welten. Zudem sehen viele Afrikanerinnen im Sex mit wechselnden Partnern nichts Anstößiges, es gehört zu ihrem Leben. Es gibt weiß Gott hübsche Mädchen in Botswana. Aber auch in einer Zeit, in der ich zu Hause keine feste Partnerin habe, versuche ich, mich immer in die 50

Lage der weiblichen Person vor Ort hineinzuversetzen. Daher ist es für mich ein Unding, ein Verhältnis mit einer Afrikanerin einzugehen und dann nach vier Wochen sang- und klanglos zu verschwinden. Wenn schon, so meine Auffassung, müßte ich dableiben oder das Mädchen mitnehmen. Was in beiden Fällen - Romantik hin oder her - für uns beide zu großen Schwierigkeiten führen dürfte. Irgendeiner fühlt sich nach einiger Zeit garantiert „fehl am Platz“. Und irgendwann folgt bekanntlicherweise auch die Ernüchterung. Ich will hier nicht näher ausführen, was ich den Leuten wünsche, die z. B. nach Afrika fliegen, um sexuelle Begierden auszuleben. Solche Menschen schädigen die Kultur des Gastlandes rücksichtslos. Und auf die gerne gebrauchte Ausrede: „Ja, wenn sie sich doch anbieten“, kann ich nur sagen: „Wo keine Nachfrage, da auch kein Angebot ...“ Und außer den üblichen, behandelbaren Geschlechtskrankheiten kommt seit einigen Jahren noch die Gefahr von AIDS hinzu, schützt man sich nicht ausreichend. Das sollte eigentlich Grund genug sein, kein lockeres Verhältnis auf Zeit mit einer Afrikanerin einzugehen. Ich habe nichts dagegen, wenn Sextouristen sich selbst infizieren, wohl aber, daß sie das HIV-Virus in Europa schließlich an die eigene Ehefrau oder die Freundin weitergeben. Und das hat mit einem Kavaliersdelikt wirklich nichts mehr zu tun. Vor Reiseantritt haben Peter und ich selbstverständlich auch über dieses Thema gesprochen. Allein schon die wenig verlockende Aussicht, sich mit dem HIV-Virus zu infizieren, ließ uns das Thema „Sexualkontakte“ als erledigt betrachten. Was natürlich auch für Kontakte mit Weißen galt, sollten diese sich unterwegs ergeben. Nachdem ich mich eingehend vor Ort erkundigt und auch während des Unternehmens mit verschiedenen Leuten gesprochen habe, stellt sich die augenblickliche Situation in diesem Teil Botswanas so dar: Offiziell sind in Maun 1 000 Infizierte registriert, die Dunkelziffer ist nicht zu schätzen. Sie dürfte aber um ein Vielfaches höher liegen, da man davon ausgehen kann, daß hier bereits jede zweite Person den Virus in sich trägt, während in Sehitwa „nur“ jede vierte Person infiziert sein soll. „Oh Gott!“ könnte man nun sagen, da gehe ich nicht hin. Aber man sollte sich ganz klar vor Augen halten, wie die Krankheit übertragen wird sonst dürfte es in Entwicklungsländern weder europäische Techniker noch Ingenieure, Ärzte, Krankenpfleger, Entwicklungshelfer, Schwestern oder Geschäftsleute geben. Das Gesundheitsministerium in Botswana hat die Lage erkannt. Zweisprachige Schilder, auf „tswana“ und englisch, hängen aus, entsprechende Warnungen kann man auf Postern lesen. Eine gute Sache: oft liegen in den Geschäften an den Kassen kostenlos Präservative aus - man kann sich einfach bedienen, niemand findet etwas dabei. 51

Viele schwarze Kinder werden bereits infiziert geboren. Da kann man, außer Vorsichtsmaßnahmen beim Umgang mit ihnen zu treffen, kaum noch etwas machen. Leider aber unterhalten viele in Botswana lebende Weiße eine Schwarze oder „Coloured“ als Mätresse. Unter einer „Coloured“ versteht man im südlichen Afrika eine Mulattin, manchmal verächtlich auch als „Bastard“ bezeichnet. Selbst einige Entwicklungshelfer unterhalten Beziehungen zu schwarzen Frauen. Ich möchte den Leser aber nachdrücklich davor warnen, nun voreilige Schlüsse bezüglich des Verhaltens eines bestimmten Berufsstandes zu ziehen. Ich kenne viele, die derartiges nie tun würden. In Sehitwa wird die Bevölkerung über Schutzmöglichkeiten vor dem HIV-Virus aufgeklärt, so gut es geht. Die Schwestern, der Pfarrer, alle Beteiligten geben sich die größte Mühe. Aber die Einheimischen verzichten bei sexuellen Kontakten so gut wie immer auf Präservative. Ein Verhalten, das mir anfangs unverständlich war, bis man mir erklärte, daß die Tswana glaubten, das männliche Sperma sei eine Gabe Gottes (womit sie eigentlich gar nicht so unrecht haben), deren natürlicher Weg in der weiblichen Vagina endet. So, nun versuchen Sie einmal als Missionar, Ordensbruder oder -Schwester eine Gegenargumentation zu finden, ohne an Glaubwürdigkeit zu verlieren. Auf meine Frage, ob das nicht bloß ein Trick der weiblichen und männlichen Bevölkerung sei, um eine Gegenargumentation gleich im Keim zu ersticken, wird mir versichert, daß dies bereits ein alter Glaube der Leute sei, und die Tswana seien schon immer sehr gläubig gewesen. Vor dem Essen oder vor der Arbeit, immer wird gebetet; früher zu den Göttern, heute zu Christus. Uns wurde allmählich klar, daß das Thema ziemlich komplex war. Möchte man als Weißer sexuellen Kontakt zur schwarzen Bevölkerung, ist das gar kein Problem. Nach einem spendierten Bier wird so gut wie keine Afrikanenn nein sagen. Zum einen ist der Sexualtrieb hier sehr stark ausgeprägt. Zum anderen gibt es natürlich materielle Gründe. Benötigen Frauen oder Mädchen beispielsweise ein neues T-Shirt, so ist es in Botswana gang und gäbe, mit einem Mann zu schlafen, der ihnen das benötigte Kleidungsstück kauft. Niemals würde die Frau oder das Mädchen deshalb in Verruf geraten. Meist handelt es sich dabei um schnelle, lieblose Vereinigungsakte sozusagen „zwischen Tür und Angel“. Für ein Mädchen, dem sich also die Chance bietet, einen festen, weißen Liebhaber zu haben, hat das nicht nur finanzielle, sondern auch soziale Vorteile. Schwarze Männer schließlich genießen durch eine weiße Freundin höheres Ansehen im Freundes- und Familienkreis. Einheimische Frauen heiraten trotz Kindern sehr selten. So sind zum Beispiel vier oder sechs Kinder - jedes von einem anderen Mann - durchaus üblich und keinesfalls anrüchig. Schwängert ein Ehemann seine Frau, so hat er 52

ohnehin nach deren Niederkunft etwa zwei Jahre ein Verhältnis mit einer anderen. In dieser Zeit sucht sich natürlich auch die Frau und Mutter andere Männer. Meine eigenen Beobachtungen decken sich ausnahmslos mit Informationen aus erster Hand: Nie konnte ich „verliebte Pärchen“, also schmusende, Zärtlichkeiten austauschende oder Händchen haltende Paare ausmachen. Zärtliche Gesten fehlten völlig. Zu Schwester Gertrud kam einmal ein noch pubertäres Mädchen und fragte sie allen Ernstes, wie sie es denn anstellen solle, zu irgendeinem Mann „Nein!“ zu sagen. Insbesondere war es ein alter Mann, dessen Drängen sie stets nachgab. Sie war der Ansicht, ihr Anstand verbiete es ihr, den älteren Herrn abzuweisen. All das muß man wissen, und sollte daher mit einem vorschnellen Urteil über das Verhalten der Afrikaner vorsichtig sein. Hinzu kommt die Landflucht. Nach längeren Dürreperioden gehen die Männer eines Dorfes oft in die nächste Stadt oder in die Minen, um dort zu arbeiten. Dann kann es durchaus vorkommen, daß sich der Göttergatte nur ein-, zweimal im Jahr bei seiner „Familie“ blicken läßt.

Aufbruch in die Kalahari Schlaftrunken wische ich mir unter meinem Moskitonetz über das Gesicht. Im Zimmer ist es stockdunkel. Aus dem angrenzenden Raum vernehme ich Peters langgezogenes Schnarchen. 1.45 Uhr zeigt meine Armbanduhr. Als ich das helle Surren vieler Moskitos um meinen Kopf wahrnehme, bin ich plötzlich hellwach. Im Lichtstrahl der Taschenlampe finde ich meine schlimmen Befürchtungen bestätigt: das Moskitonetz über meinem Bett ist genauso löchrig wie das Drahtgeflecht im Fensterrahmen. Das darf doch nicht wahr sein! Schon sind zehn, zwanzig dieser verdammten Biester unter meinem Netz und freuen sich auf mein frisches Blut. Verzweifelt versuche ich, die Eindringlinge zu erschlagen. Schließlich gebe ich auf. An Schlaf ist jedoch nicht mehr zu denken. Nach einer gewissen Zeit stehe ich auf und drehe mit einer Kerze in der Hand eine Runde durch das Häuschen. Überall surrt, brummt, krabbelt und zirpt es. Was ist denn hier bloß los, denke ich, während ich mich auf einen der Küchenstühle fallen lasse, um meinen überall juckenden und zerstochenen Körper näher in Augenschein zu nehmen. Das 53

vorherige Gewitter und die damit verbundene Feuchtigkeit haben offenbar alle Insekten in Sehitwa muntergemacht. Mit der Taschenlampe leuchte ich den Raum ab. So etwas habe ich noch nicht erlebt. Fliegen, Käfer, Moskitos und Nachtfalter aller Art geben sich ein fröhliches Stelldichein. Ich inspiziere alle Räume, ohne jedoch meinen Kameraden zu wecken. Überall das gleiche. Im ganzen Haus schwirrt es nur so vor lauter Insekten. Die nackten Beine beginnen zu jucken, schnell schlüpfe ich in meine lange Hose und schlage gleichzeitig mit einer Hand nach den Moskitos vor meinem Gesicht. Kaum, daß ich mich wieder auf den Stuhl fallengelassen habe, krabbelt eine grau getigerte Spinne, groß wie die Hand eines Kindes, über den Küchentisch auf mich zu. Klatsch! Ein Nachtfalter verfängt sich über meinem linken Ohr in den Haaren. „Junge, immer ruhig bleiben“, sage ich zu mir und trete vor die Tür. Draußen ist es stockdunkel, aber ich fühle mich wohler. Um keine beiß wütigen Insekten anzulocken, mache ich die Taschenlampe aus. Ich setze mich auf einen Baumstamm direkt neben dem Eingang und stecke mir eine Zigarette an. Gleich darauf fühle ich ein Kitzeln auf dem bloßen Rücken. Im Licht der Taschenlampe sehe ich die Ameisen aus einem großen Riß im Baumstamm an mir hochkrabbeln. Zurück im Haus, will ich noch einen Schluck Wasser trinken, ehe ich mich wieder auf das Bett lege. Vorsichtshalber leuchte ich in den noch halbvollen Becher, ehe ich ihn an die Lippen setze: Drei Fliegen, ein brauner Nachtfalter und zwei kleine, schwarze Käfer schwimmen schon halbtot im lauwarmen Wasser. Ich schütte die „Suppe“ aus und schenke mir neu ein. Anschließend decke ich den Becher mit der Zeitung zu. Man lernt doch immer wieder dazu. Bevor ich wieder unter mein Moskitonetz klettere, führe ich auf dem WC, die Taschenlampe zwischen den Zähnen haltend und mit beiden Händen um mich schlagend, einen aussichtslosen Kampf gegen die Moskitos. Im Gesicht, am ganzen Oberkörper, an den Beinen, überall beißt und juckt es fürchterlich. Puh! Diese Schwüle! Immer wieder flüchte ich während der Nacht vor die Tür. Die ganze Tortur geht bis kurz vor vier Uhr morgens. Ein Blick auf das Thermometer zeigt mir 31 °C - und das nachts! Schließlich gehe ich in den Raum mit den Etagenbetten, schnappe mir trotz der Hitze eine alte Wolldecke und kauere mich auf einer der Matratzen zusammen. Zerstochen wache ich eine halbe Stunde später wieder auf. Diese Nacht werde ich wohl so schnell nicht vergessen. Ich springe aus dem Bett und trete barfüßig fast auf eine fette Spinne, die eiligst das Weite sucht. Meine Hose klebt am Körper, die Moskitos gehen mir allmählich auf die Nerven. Im Osten beginnt es bereits heller zu werden. 54

Kurz nach sechs Uhr stehe ich vor dem Spiegel, um mich zu waschen. Ich sehe ein zerstochenes Gesicht, zwei müde Augen und dicke Tränensäcke. Als Peter aufsteht, erzähle ich ihm meine „Nachtgeschichte“. „Ich habe überhaupt nichts davon mitbekommen“, meint er nur, müde gähnend. Das glaube ich ihm gerne, nach fünf Bieren in der Hitze ... Um halb acht kommt Tex. Wir stehen, gewaschen und angezogen, abmarschbereit im Hausflur. Nachdem wir die ganze Ausrüstung auf dem Toyota verstaut haben, kommt unsere grüne, schon etwas mitgenommene, aber noch dichte Plane über die Ladefläche des Pick-up. Dann gehe ich zu Schwester Gertrud, um mich zu verabschieden und die Schlüssel zurückzugeben. Die ist heute jedoch nicht da, und so bezahle ich für das Zimmer bei Schwester Maria. „Ich weiß nicht, wann wir zurückkommen werden, aber wir kommen ganz bestimmt wieder“, sage ich noch zu ihr. „Wir müssen ja den Wagen zurückbringen.“ Dann steige ich zu den beiden anderen ins Führerhaus. „Noch 'ne Limo oder eine Cola im Restaurant?“ frage ich Tex. Er lacht: „Okay!“ - Auch für ihn ist es in nächster Zeit aus mit eisgekühlten Getränken, Wasser aus den Kanistern ist ab jetzt angesagt. „Alles fertig?“ frage ich die beiden nach dem Drink. „Gut, dann also los starten wir!“ fordere ich die beiden gut gelaunt auf. Ich habe vor, Tex als gleichberechtigtes Mitglied bei unserem Unternehmen zu behandeln. Er merkt es auch, lacht, entblößt dabei seine schneeweißen Zähne und meint: „Ich will noch kurz im hiesigen Kramladen vorbeischauen.“ Und der Besuch lohnt sich: wir erstehen einen 5-Liter-Wassersack und sechs Büchsen Motoröl mit je einem halben Liter Inhalt. Ich notiere mir alles ins Tagebuch und schüttle dabei in komischer Verzweiflung den Kopf: „Mit der Ausrüstung in die Wildnis?“ Ich kann es nicht richtig glauben. Schiefgehen darf da wirklich nichts. „O.k, Tex, den Kilometerstand habe ich“, sage ich auf englisch zu ihm. „Alles klar?“ „Yes, but we must go to Mrs. Chilume, to say good bye.“ Also fahren wir schnell noch die wenigen Meter zur Volksschule. Die Besitzerin des Wagens ist aufgeregt. Nicht so sehr wegen ihres Wagens, nein, mehr wegen unseres Wohlergehens. Daß man freiwillig bei diesen Temperaturen in die Kalahari fährt, nur um Buschmänner zu besuchen und bei ihnen zu leben, geht ihr einfach nicht in den Kopf. Ihr mächtiger Busen wogt, als sie uns die Hände schüttelt - wir sollen nur gut auf uns aufpassen. 9.45 Uhr notiere ich in mein Tagebuch, als wir wieder in der engen Fahrerkabine kauern und Tex endlich den Zündschlüssel herumdreht. Wir fahren einen engen Kreis im tiefen Sand und quälen uns dann in ausgefahrenen Rinnen der Teerstraße entgegen. Diese Straße nach Norden ist nagelneu asphaltiert, erklärt mir Tex. Wir sind nahezu die einzigen auf der Straße. Gelegentlich sehen wir einen Puck-up, einen alten Rover oder einen Versorgungs-Lkw. 55

Rechts und links der Straße dehnt sich eine gleichmäßige HalbwüstenLandschaft - Akaziensträucher, Dornenbüsche, vereinzelt größere Bäume. Verdorrte Gräser, oft einen Meter hoch, suchen sich ihren Weg aus Sanddünen. Die Farben des Sandes wechseln zwischen hellem Weiß, sanftem Beige und ockerfarbigen Stellen. Die höchstens meterhohen, sandigen Hänge, bewachsen mit Büschen und Gräsern, fließen wie Wellen rechts und links des schwarzen Teerbandes der Straße vorbei. Damit Tex ausreichend Raum zu Schalten hat, sitzen Peter und ich ziemlich zusammengeschoben auf der Beifahrerbank. Durch die Hitze - die Luft über der Straße flirrt bereits - kleben wir mit den Oberarmen fast aneinander, eine Sitzposition, an die wir uns erst noch gewöhnen müssen. Wir erreichen schließlich Tsau, das Dorf, in dem wir schon einmal gewesen sind. Was auf unserer Liste noch fehlt, ist eine Schaufel. Sandbleche sind hier ohnehin nicht aufzutreiben. In einem Laden haben wir tatsächlich Glück: eine schwere, schwarz lackierte Schaufel, made in Southafrica, blitzt mir aus einer Ecke entgegen. Fast übersehe ich sie, denn das gute Stück ist halbverdeckt von Maismehlsäcken und Blechtöpfen. Außerdem erspähe ich Corned beef und beschließe kurzerhand, sechs Dosen mitzunehmen. Eine Viertelstunde später sind wir wieder unterwegs, nachdem wir vergeblich versucht haben, Brot, egal welcher Sorte, aufzutreiben. Die Sonne steht bereits im Zenit, als wir durchgeschwitzt Nokaneng erreichen, unseren Ausgangspunkt für die Expedition. Hier führt die asphaltierte Straße weiter Richtung Norden nach Angola. Wir allerdings wollen ziemlich genau nach Westen, der Grenze Namibias entgegen. Selbst eine Kneipe gibt es in Nokaneng - wir sind, außer einem Hund undefinierbarer Rasse, die einzigen drei Gäste. Gekachelter Boden, ein Holztresen mit Getränken, einige Stühle und Tische. Das hier übliche Hellblau beherrscht die Szene. Tex bittet um einen Topf. Gemeinsam essen wir eine Dose Corned beef und trinken dazu Coca-Cola. Nokaneng erscheint öde und trostlos. Aber, was die meisten nicht wissen, es gibt hier erstklassiges Wasser. Nach dem „Mittagessen“ fahren wir zur Wasserstelle. Eine hölzerne Umzäunung, die aus in den Boden gerammten Stämmen besteht, mit einem schmalen Durchlaß für Menschen, schützt den Ort. Die Ziegen haben das Nachsehen, sie kommen nicht an den alten Messingwasserhahn. Um die Wasserstelle herum liegt jede Menge Ziegenkot. Eine tote, halbverweste Ziege liegt aufgequollen in einer schwärzlichen Pfütze. Offenbar stört das hier niemanden. Derartiges gewöhnt, wuchten wir die Fässer und unsere Faltkanister vom Fahrzeug und machen sie randvoll. Das Wasser ist glasklar. Sicherheitshalber geben wir jedoch ausreichend Wasserentkeimungstabletten hinzu. Ich rechne nach: 142 Liter Wasser für drei Per56

Ÿ Von Herero-Händlern übernommen: Töpfe aus der Zivilisation. Ż Vorige Seite: Nur wenige Naturvölker besitzen das sogenannte „Pfefferkornhaar“ ź Schon in jungen Jahren bekommen die Frauen Nachwuchs.

Ÿ Xobatshe, der alte Sippenchef, mit dem Autor. Ż Vorige Seite: Die Haut erlegter Tiere liefert die traditionelle Kleidung. ź Die zu einer dichten Hecke verbundenen dornenbewehrten Aste bieten Schutz gegen Löwen.

sonen, und noch den Kühler des Autos dazugerechnet, das ist für unser Vorhaben nicht die Welt. Aber Tex beruhigt uns, er wisse in der Kalahari Wasserstellen, es müßte daher eigentlich alles glattgehen. Die Chance, hier am Ort noch einmal Cola und Fanta mitzunehmen, bringt mich auf die Idee, erneut in die Kneipe zu marschieren. Dort kaufe ich sechs eiskalte Dosen, sozusagen als kleiner Abschied von der Zivilisation. Beim Verlassen der Gaststätte werde ich von vier herumstehenden Männer unterschiedlichen Alters gefragt, wo wir denn hinwollten. Ich umreiße grob unsere Route, die ich nach den Angaben von Tex auf unserer Karte eingezeichnet habe. Erst erstauntes Kopfschütteln, dann breites Grinsen und Sticheleien. Mit einem Toyota Hi-Lux? Niemals, das sei unmöglich. Und vor allem die Hitze - nein, das sei absolut „crazy“, meint ein großer, breitschultriger Tswana, der sich zum Sprecher der Gruppe gemacht hat. Der viele Sand gäbe dem Fahrzeug den Rest, werde ich arrogant und besserwisserisch aufgeklärt. Ich habe an sich nichts gegen Ratschläge und Belehrungen, aber etwas gegen wichtigtuerisches Geschwafel von Angetrunkenen. Ohne mich auf eine größere Diskussion einzulassen, drehe ich mich daher um und laufe gemächlich in der sengenden Sonne zu den Kameraden zurück. Da ich mir sicher bin, daß ich hinter den blinden Glasscheiben der Kneipe beobachtet werde, ignoriere ich die Hitze und benehme mich wie ein Urlauber am Strand. Wenige Minuten später sitzen wir im Wagen. Ich drehe mich noch einmal herum, um aus dem Rückfenster auf die festgezurrte Plane zu schauen. Hält alles, ist das Ding ordentlich verzurrt? Peter und ich zünden uns Zigaretten an. Tex ist Nichtraucher - seit 8 Jahren. 300 Meter noch fahren wir auf der Teerstraße, dann biegen wir links ab. Schon nach wenigen Metern hat uns der Busch verschluckt. Die eng zusammenstehenden Bäume und die braunen, trockenen Sträucher werden rasch weniger und geben so den Blick auf „unsere“ Piste frei. Mir stockt fast der Atem. „Na dann, prost Mahlzeit!“ rutscht es mir heraus, als ich das Gelände vor uns überblicke.

Piste Nummer 1 Die Piste verläuft in Schlangenlinien. Die Tiefe der beiden Längsrillen beträgt zwischen 20 und 40 cm. Zwei- bis dreihundert Meter vor uns steigt der 57

Weg an und verliert sich auf der Höhe einer großen Kuppe. Auf der Piste zwischen den Sandfurchen wächst spärliches, verdorrtes Gras. In Büscheln versuchen sich die Pflanzen am Leben zu erhalten, warten auf Regen. Und überall am Rande, aber auch oft quer zur Fahrbahn, liegen verdorrte Ästchen, verdorrtes Gras, Rindenstücke und zusammengeschrumpeltes Laub. Faßt man sie an, so zerrieseln die trockenen Blätter zwischen den Fingern zu kleinen, dunkelbraunen Fragmenten. Nicht die kleinste Spur von Feuchtigkeit ist auszumachen. Und dann die Hitze. Der mehlfeine Sand wird fast zu Staub. Das Thermometer ist nicht mehr zu gebrauchen. „Anschlag!“ wie ich mir angewöhnt hatte, zu sagen - also über 60 °C. Im ersten Gang fährt Tex an, schaltet in den zweiten. Brav fährt der Toyota fast im Schrittempo voran, die Räder mahlen sich durch den Tiefsand. Gott sei Dank haben wir einen zuschaltbaren Allradantrieb sowie eine Geländeuntersetzung - und die ist Gold wert bei derartigen Verhältnissen. Den Hügel schaffen wir relativ problemlos. Oben angekommen, sehen wir bis zum Horizont die sich durch die Landschaft windende Piste; einer trägen Schlange gleich, schlängelt sie sich durch Büsche und Akazien. Im stillen vergleiche ich sie mit einer Lebensader - ein Weg durch eine Urlandschaft. Langsam aber stetig kommen wir mit unserem Hi-Lux in der Wildnis voran. Über uns spannt sich ein wolkenloser, hellblauer Himmel. Gleißendes Sonnenlicht zwingt uns schließlich, die Sonnenbrillen aufzusetzen. Es ist momentan verdächtig ruhig um uns her. Wären die Fahrgeräusche unseres Wagens nicht, würde Totenstille herrschen. Diese Stille hat etwas Bedrohendes, Unwirkliches. Tex ist der Ansicht, daß es an den Löwen liegt, die sich hier herumtreiben. Wir haben die Seitenfenster des Wagens heruntergekurbelt, achten auf Anzeichen der großen Raubtiere, sehen aber nichts. Vielleicht sind sie mit einem Riß beschäftigt, denke ich gerade, da setzt ein ohrenbetäubender Lärm ein. Es müssen Grillen sein, Hunderttausende von Grillen, die plötzlich, als stoße man eine Tür auf, ihr Konzert anstimmen. Wir sollten Derartiges später noch öfter erleben, aber momentan war es neu für uns. Wir müssen bei der Unterhaltung sogar unsere Stimmen erheben, um trotz des Konzerts und des Motorlärms miteinander sprechen zu können. Stundenlang fahren wir in Richtung Westen. Die Piste verändert am Spätnachmittag plötzlich ihr Aussehen. Mahlten wir uns vorher durch weichen, tiefen Sand, befinden wir uns nun urplötzlich auf einem harten, grauen Untergrund. Rechts und links steht halbmeterhohes, verdorrtes, strohgelbes Gras. Auch der Mittelstreifen unseres Weges ist mit verdorrten Gräsern bedeckt. Ich merke jetzt in der Hitze den fehlenden Schlaf. Immer wieder nicke ich für wenige Sekunden ein, werde aber durch das Gerüttel gleich wieder wach. 58

Wir befinden uns in einer weiten Ebene. Am Horizont links neben unserer Route ragt ein einzelner Baum mit seinen kahlen Ästen in den Himmel. Tex steuert darauf zu. Was ich zuerst als Pinkelpause interpretiere, hat indes einen ganz anderen Grund: Wir müssen anhalten, um die Reifen abkühlen zu lassen. In der Tat: ich fasse an den heißen Gummi - es hilft nichts. Tex ist der Ansicht, die Reifen könnten in der Hitze platzen, und ich muß ihm Recht geben - dieses Risiko können wir nicht eingehen. Im spärlichen Schatten des Baumes testen wir den Kühleffekt unseres Leinensacks - die Anschaffung hat sich gelohnt. Durch die Verdunstung bleibt der Inhalt angenehm kühl. Ich mache einen kurzen Spaziergang in der sengenden Sonne und betrachte den Boden. Der graue Sand ist wie festgebacken. Außerhalb der Piste ist der Boden hart und voller Risse, bedeckt von grauem Staub. Kein Wasser weit und breit. Der Horizont flimmert in der Hitze. Gedankenverloren drehe ich einen langen, toten Grashalm zwischen den Fingern. Die Buschmänner, die hier leben sollen, müssen wahre Meister im Anpassen an diese Natur sein. Wahre Überlebenskünstler. Mir fällt eine Geschichte der !KungBuschmänner ein, auf deren Suche wir sind. Eine Sage, die über das erste Wissen des Menschen vom Wasser berichtet. In einer Zeit, in der Dinge geschahen, die heute undenkbar sind, wurde ein Buschmannmädchen, das man auch Elefantenmädchen nannte, die Frau eines Elefanten. Der Elefant allein kannte das Wasser, hütete das Geheimnis aber vor seiner Frau und ihrer Familie, damit er alles für sich behalten konnte. Die aber merkten etwas davon, als sie Schlamm an seinen Beinen entdeckten. Doch selbst jetzt verweigerte der Elefant den Buschmännern das Wasser. Im Streit wurde der Elefant durch die Speere der Brüder seiner Frau getötet. Und diese Brüder sind heute die kleinen, schwarzen Vögel, die man „Kinder des Regens“ nennt. Es ist kein Wunder, daß sich bei diesem Naturvolk ein Großteil des Denkens um das lebenswichtige Wasser dreht. Bei allen Völkern, die in steppenund wüstenartigen Gebieten der Erde leben, existieren viele Sagen und Geschichten um das lebensnotwendige Naß. Nur wer als Europäer einmal in solchen heißen Landstrichen unterwegs war, kann dies verstehen, wo wir doch bei uns nur einen Wasserhahn aufzudrehen brauchen, um an das frische Naß zu kommen. Wir haben Wasser im Überfluß. Wer aber selbst einige Zeit durch den Busch gelaufen ist, in der Steppe übernachtet hat, kann die Bedeutung von Wasser erst richtig einschätzen. Ohne Nahrung kann der Mensch viele Tage auskommen, ohne Wasser kann er innerhalb von zwei Tagen tot sein. Da es in der Kalahari nur selten regnet, ist die Bedeutung von Wasser für die Buschmänner um so größer. Wo Buschmänner leben, gibt es in der Regel 59

auch Wasser. Sie haben meist einen eigenen Brunnen, ein Wasserloch. So existiert in den Tsodilo Hills eine Höhle, die sich etwa einhundert Meter hoch in den Felsen befindet. Xobatshe, ein alter Buschmann, erklärte mir später, daß diese Höhle immer Wasser führe, auch während der größten Trockenheit. Von unten jedoch, selbst wenn man 10 Meter davorstünde, erkenne man den schmalen, abschüssigen Eingang nicht. So ist es möglich, ganz in der Nähe eines Wasservorrats zu verdursten, wenn man die Stelle nicht kennt oder Tiere einem den Weg weisen. Es gibt in der Kalahari auch wasserhaltige Melonen, die von den kleinen Sammlern und Jägern gesucht werden. Eine ihrer genialen Techniken, die sie bei der Suche nach Wasser anwenden, besteht darin, in ausgetrockneten Pfannen an der tiefsten Stelle zu graben. Während für uns dann aber auch schon das „Aus“ käme, nimmt der Buschmann einen langen, hohlen Halm und steckt ihn in das etwa einen Meter tiefe Loch, nachdem er zuvor das Ende des Halms mit etwas Gras umwickelt hat. Dann wird der ausgegrabene Sand wieder in das Loch geschüttet und gut festgestampft. Jetzt beginnt die Schwerstarbeit: Ein Mann fängt an, am Halm zu saugen, wobei das um das untere Ende gewickelte Gras verhindert, daß Sand den Halm verstopft. Der Jäger saugt weiter und weiter, bis ihm der Schweiß herunterläuft. Zweck der ganzen Übung ist, in dem Hohlraum um das untere Ende des Halmes ein Vakuum zu erzeugen, so daß sich die im Untergrund enthaltene Flüssigkeit dort sammeln kann. Nachdem der Mann geraume Zeit kräftig gesogen hat, macht er eine kleine Pause. Dann geht es wieder weiter nur mit dem Unterschied, daß jetzt tatsächlich Wasser gefördert wird. Jedesmal, wenn der Buschmann den Mund voller Wasser hat, überträgt er das Wasser in ein leeres Straußenei, das, mit einem Holzpflöckchen verschlossen, als Wasserbehälter dient. Ein allerletzter Ausweg, sich Flüssigkeit zu verschaffen, besteht im Trinken von Magensaft und Blut erlegter Tiere. Die Haut des Tieres wird dazu in eine kleine Vertiefung im Sand gelegt. Darauf kommt eine Lage Grashalme. Dann nimmt der Buschmann den halbverdauten Inhalt des Magens und preßt die darin enthaltene Flüssigkeit heraus. Diese wird durch die Grashalme „gefiltert“ und sammelt sich dann in dem durch die Haut gebildeten Becken, so daß man sie später trinken kann. Zwei extreme Beispiele für erfolgreiche Überlebenstechniken. Aber wenn es ums nackte Überleben geht, darf man nicht zimperlich sein, denke ich gerade, da schreckt mich Peter aus meinen Gedanken auf: „Kommst du? Wir fahren weiter!“ Ich trete meine Zigarette sorgfältig aus und marschiere zum Wagen. Tex hat die Motorhaube geöffnet und kontrolliert noch das Öl. Soweit ich erkennen kann, fällt alles zu seiner Zufriedenheit aus. Wir nicken 60

uns aufmunternd zu, steigen in den Toyota und fahren wieder weiter Richtung Sonnenuntergang.

Zwischen Gcangwa und Xaxa „Den Wievielten haben wir heute?“ frage ich mich selbst und sehe auf die Datumsanzeige meiner Armbanduhr. Freitag, den Dreiundzwanzigsten, zeigt die Digitalanzeige. Also, schon knapp eine Woche unterwegs, konstatiere ich und 'wende mich an Peter: „Was hältst du von der Gegend?“ will ich von meinem Partner wissen. „Hm, hm!“ macht der bloß und zuckt etwas ratlos mit den Schultern. Mir gefällt die Landschaft nicht, die uns jetzt umgibt. Hatten wir es früher mit einer offenen, weitläufigen Sandsteppe zu tun, befinden wir uns nun in einem regelrechten Wald. Das Gespenstische an seiner Erscheinung: alle Blätter, soweit vorhanden, sind von einem schmutzigen Braun. Der Wald macht einen toten, unwirklichen Eindruck. Im Gegensatz zum Aufenthalt im offenen Gelände fühlt man sich nun fast erdrückt, eingesperrt. Es sieht hier aus, als hätte eine gigantische chemische Entlaubungsaktion stattgefunden. Unsere Piste hat sich wieder einmal verzweigt. Oft fächert sie sich auf, und die Fahrspuren verlaufen sich einfach, hören auf zu existieren. Für mich ein Signal, daß diese Strecke sehr selten befahren wird. Auch Tex bestätigt mir, daß hier nur selten Fahrzeuge vorbeikommen. Was mich allerdings etwas beunruhigt, ist der Pistenverlauf. Laut meinen Pilotenkarten ist die Piste, auf der wir uns befinden, gar nicht existent. Alle eingezeichneten Strecken verlaufen entweder weiter nördlich oder parallel zu unserer Fahrtrichtung in Richtung Süden. Auch auf den Botswana-Karten ist unsere Strecke gar nicht eingezeichnet. Ein Vorteil jedoch, der hoffentlich die Nachteile wieder aufwiegt: Je tiefer wir auf unbekannten Pfaden in die Kalahari eindringen, desto mehr haben wir die Chance, auf Buschmänner zu treffen, abseits von wie auch immer frequentierten Wegen. Der größte Nachteil allerdings liegt auf der Hand: Werden wir sicher den Weg zurück finden? Eine größere Panne, die wir nicht selbst beheben können, kann uns in eine gefährliche Situation bringen, denn bisher sind 'wir niemandem begegnet, weder Mensch noch Fahrzeug. Wir fahren einfach immer tiefer in eine unbekannte Gegend. Ich beruhige mich selbst, indem ich mir vor Augen halte, 61

daß die Möglichkeit einer Panne zwar immens hoch ist, andererseits jedoch die Aussicht auf Erfolg unseres Unternehmens mit Zunahme der Unwirtlichkeit wächst. Wenn ich jetzt noch daran dächte, daß unsere Wasservorräte zur Neige gehen könnten oder die Kanister auslaufen und sich alle möglichen Eventualitäten ereignen könnten, wäre ich besser zu Hause geblieben. Immerhin trage ich unsere gefahrene Strecke jeden Tag auf meiner Karte ein, notiere die gefahrenen Kilometer, das Wichtigste überhaupt, sollten wir den gleichen Weg zurück nehmen. Es ist erstaunlich, auf welche trübsinnigen Gedanken man verfällt, befindet man sich in einer tristen Umgebung. Alles wirkt noch bedrohlicher - vielleicht ein natürlicher Schutz vor Übermut, ein körperlich-geistiges Warnsignal zur Vorsicht? Es hilft alles nichts, wir müssen uns vor Einbruch der Dunkelheit einen Lagerplatz suchen, obwohl diese Gegend förmlich nach Schlangen riecht, wie Tex meint. Er selbst hat eine große Angst vor Schlangen, eine absolute Scheu, während er bei anderen Tieren, die unsereinen zur Vorsicht mahnen, eine oft unbegreifliche Unbekümmertheit an den Tag legt. Die Piste wird nun immer schmaler, rechts und links streifen die dornigen Äste der Sträucher das Auto, zerkratzen den Lack. Der graue Sand wechselt mit steinigen Passagen. Plötzlich, linkerhand unserer Piste, sehe ich Holzhütten, kleinere, knapp mannshohe Behausungen. „Bushman-people!“ strahlt Tex mich an. Er wußte von ihrer Existenz. Nun strahlt er über das ganze Gesicht, seine Überraschung ist wirklich gelungen. Deshalb also ließ er sich von meiner Meinung über die unschöne Gegend zuvor auch nicht weiter beeindrucken. Wie sagte der Schelm noch vor wenigen Stunden? „Vor etlichen Jahren war ich schon mal in dieser Gegend ...“ Jetzt nur nichts verkehrt machen! Tex biegt von der Piste ab. Wir schlängeln uns mit unserem Pick-up zwischen den Bäumen hindurch. Wie mit Tex abgesprochen, soll er zunächst die Buschmänner begrüßen und unser Hiersein erklären; anschließend erst „wollen wir zu ihnen gehen und uns vorstellen. Ich behandle Naturvölker stets mit Respekt. Leider gibt es viele „Touristen“, die meinen, einfach in ein Lager stürmen zu können, fremde Hütten ohne Aufforderung betreten zu dürfen, um sofort wild zu fotografieren und zu filmen. Ich möchte diejenigen jedoch einmal erleben, wenn ich - angetan mit Lendenschurz sowie Pfeil und Bogen - am Sonntag nachmittag nach einem kurzen Klingeln einfach in deren Wohnung stürmte und mich ähnlich verhielte. Wir halten. Tex lacht breit über das ganze Gesicht und nähert sich zwei Hütten, vor denen ein älteres Ehepaar und eine kleine Familie sitzen, die sofort ihre Tätigkeit unterbrechen. Einer der Buschmänner, angetan mit einem Mantel, ansonsten barfüßig mit Lendenschurz, kommt auf Tex zu. Sein 62

Unsere gefahrene Strecke grob umrissen: Ausgangspunkt war das im Süden gelegene Sehitwa. Ab Nokaneng ging es in westlicher Richtung, dann wieder südlich zu den unterirdischen Tropfsteinhöhlen und schließlich Richtung Tsodilos. Von dort über Shakawe nach Maun und Shorobe in das Okavango-Delta und in den MoremiNationalpark. 63

faltiges gelb-braunes Gesicht verzieht sich ebenfalls zu einem Lachen. Beide geben sich die Hand. Eine Unterhaltung beginnt. Die Buschmannsprache beherbergt sehr viele Klack-, Klick- und Schnalzlaute. Für einen Unbedarften ist es nahezu unmöglich, die Buschmannsprache so zu lernen, daß er sie vollkommen beherrscht, da die vielen Schnalz und Grunzlaute offenbar eine ganz andere Entwicklung der Stimmbandmuskulatur voraussetzen. Ich bewunderte daher immer Rainer Vossen und Dr. Keutmann, die beiden Sprachforscher, die diese Sprache meines Erachtens perfekt beherrschen. Abgesehen von ihrer sicher angeborenen Sprachbegabung, bewundere ich ihren Fleiß und die Ausdauer beim Erlernen dieser exotischen Sprache. Ich glaube, dafür muß man einfach geschaffen sein und natürlich den nötigen Ehrgeiz mitbringen. Für einige Laute der Buschmannsprache muß man auch den Bauch bzw. den Brustkasten mit zu Hilfe nehmen. Oft klingt es so, als wenn die einzelnen Wörter mit einer regelrechten Schlingbewegung hinuntergeschluckt würden. Es gibt etliche verschiedene Laute, die sich in der Schrift nur schwer wiedergeben lassen. Aber das Schwierigste an dieser Sprache ist, daß ein und dasselbe Wort verschiedene Bedeutungen haben kann, je nachdem, ob man es kräftig, normal, ganz schwach oder aber mit steigendem oder fallendem Ton ausspricht. Will man ein derartiges Wort niederschreiben, muß man gleichzeitig durch ein besonderes Zeichen angeben, mit welcher Stimmkraft ein Schnalzlaut auszusprechen ist. Die Buschmänner selbst kennen keinerlei Art von Schriftzeichen. Alles wird mündlich überliefert. Die Zahlenbegriffe reichen meines Wissens nur bis 3 oder 4. Wenn ein Buschmann beispielsweise zum Ausdruck bringen möchte, daß er sieben Springböcke gesehen hat, dann bewerkstelligt er dies mit Hilfe der Zeichensprache. Er zeigt zuerst drei, dann zwei und dann nochmals zwei Finger. Die Buschmänner ergänzen ständig ihre Rede durch Hand- und Fingerbewegungen. Um die Jahrhundertwende schrieb ein deutscher Wissenschaftler einmal in einer seiner Abhandlungen, er hätte einen Buschmann getroffen, der behauptete, er könne die Sprache der Paviane verstehen, weil er sie durch genaue Beobachtung und Nachahmung dieser Tiere erlernt habe. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichte bleibt natürlich Spekulation. Daß die Sprache der Buschmänner einen recht einfachen Aufbau hat, würde ich aber nicht als ein Zeichen tiefstehender Intelligenz werten. Die Buschmänner besitzen nämlich eine Vielzahl von Mythen und Legenden, die oft sehr poetisch sind, ja fast philosophische Pointen besitzen. Tex winkt uns herbei, wir geben dem Chef der Sippe die Hand. Auch einige andere, zum Teil schon alte Männer begrüßen uns, während sich die 64

Frauen im Hintergrund halten. Wir befinden uns im Gebiet der !KungBuschmänner, die in der nordwestlichen und zentralen Kalahari leben, als eine der drei Hauptgruppen dieses Volkes. Tex hat den Chef um Erlaubnis gebeten, hier unser Camp zu errichten. Es gäbe keine Probleme, meint er. Zusammen mit einem alten Buschmann, der schon graues Haupthaar aufweist, suchen wir uns einen Lagerplatz, mehrere hundert Meter vom Buschmann-Camp entfernt, so daß wir außer Sichtweite sind. Wir wollen uns nicht aufdrängen. Mir sticht auf einer relativ freien Fläche in der Nähe eines Termitenbaus ein guter Platz ins Auge. Aber Tex ist der Ansicht, daß dieser Platz ideal für Schlangen sei - also zu gefährlich. Wir einigen uns schließlich auf einen größeren Platz unter den Bäumen, den wir mit Hilfe des Buschmanns von Laub, Geäst und Dornen säubern. Die Sonne geht schon fast unter, als wir die Plane vom Auto lösen und unsere Seesäcke herunterwuchten. Das Zelt ist schnell aufgestellt, die Isoliermatten und dünnen Schlafsäcke darin ausgerollt. Tex kümmert sich derweil ums Feuer. Ich hole unser Abendessen, die Expeditionsnahrung heraus. Eine halbe Stunde später, es ist bereits dunkel, haben wir gegessen und lagern auf der großen Matratze von Tex. Es dauert gar nicht lange, da kommt der Buschmann, der uns beim Lagerplatzsaubermachen half, mit seiner Frau, die ein Holzinstrument mitführt. Beide setzen sich in etwa drei Meter Abstand von uns auf den Boden, ziehen ihre Knie an und unterhalten sich leise mit Tex. Buschmänner sind von Natur aus eher scheu und haben eine gewisse Furcht Fremden gegenüber. Ich möchte daher die Unterhaltung nicht stören. Allerdings erhebe ich mich später auf einen Wink von Tex und hole den extra für die Buschmänner mitgebrachten Tabak. Kaum sehen sie diese Kostbarkeit, werden ihre Augen groß, und sie strecken sofort die Hände aus, um das Geschenk entgegenzunehmen. Normalerweise verschaffen sie sich selbst eine Art Tabak von einem selten vorkommenden Strauch und legen dabei oft viele Kilometer zurück. Tabak ist, wie wir später noch oft erfahren sollten, der begehrteste Artikel bei ihnen überhaupt. Die Buschmänner kennen kein Zigarettendrehen mit Hilfe von Blättern oder Zigarettenpapier. Sie benutzen Pfeifen in den unterschiedlichsten Varianten: So gibt es ausgehöhlte Holzpflöckchen, die sie mit einem Mundstück versehen. Auch hohle Knochen werden gerne benutzt. Selbst Aluminium- oder Blechröhrchen finden Verwendung. Heiß begehrt zum Rauchen sind auch leere Patronenhülsen, die durch Tauschgeschäfte bis zu ihnen kommen. Der Buschmann stopft den Tabak in das Röhrchen, entzündet das Ganze mit einem brennenden Ast am Lagerfeuer und drückt dann die Glut mit dem bloßen Daumen fest auf den Tabak. Buschmänner rauchen nicht wie die Eu65

ropäer, sondern machen einige kräftige Züge, inhalieren den Rauch und halten den Qualm mit vollgepumpten Lungen, ähnlich wie beim Marihuanaoder Haschischgenuß. Wie bei Naturstämmen oft üblich, stehen die Frauen ihren Männern beim Rauchen in keiner Weise nach - sie genießen es regelrecht, machen geradezu ein Zeremoniell daraus. Die Frau nimmt ihr kleines Instrument zur Hand, zupft einige Saiten und singt dazu leise vor sich hin. Wir schweigen alle, hören auf den Gesang und das Knistern des Lagerfeuers. Ich nütze die Gelegenheit, unauffällig meinen Minikassettenrecorder zum Einsatz zu bringen, und nehme fast eine halbe' Stunde lang auf. Das Musikinstrument der Buschmannfrau besteht aus einem kleinen Hohlkörper, der aus Blechresten und Holz gefertigt ist. Vier Saiten aus Draht, unterschiedlich lang gespannt, geben vier verschieden hohe Töne über dem Resonanzkörper ab - eine sehr vereinfachte Zither, nichts anderes. Offenbar ist es Zeit zum Schlafengehen, denn das Ehepaar steht plötzlich auf, sagt einige Sätze auf Buschmann zu Tex und verschwindet dann in der Nacht. Gerade wollen Peter und ich uns in das Zelt zurückziehen, da höre ich einen Schrei von Tex: „A Snake!“ ruft er laut. Schon sind wir wieder bei unserem Kameraden. Dort irgendwo im Gebüsch müßte sie sein, von der Größe her, meint unser Freund, könnte es sich um eine Mamba handeln. Das fehlte uns jetzt gerade noch. Zuerst bleiben wir abwartend stehen, machen keine Geräusche, hören das Rascheln links von uns in einem Gebüsch. Ich hole die Taschenlampe. Eine gebe ich Tex und wir leuchten das Areal ab, vermeiden es aber, näher als zwei Meter an das abgestorbene Gebüsch heranzugehen. Eindeutig, es bewegt sich etwas darin. Nur können wir leider nichts erkennen. Tex schwört, daß es eine große Schlange gewesen sei. Um nichts zu riskieren, schläft Tex nach kurzen Umbauarbeiten auf der Pritsche des Wagens. Wir kontrollieren noch einmal unser Zelt. Ich befördere einige Moskitos, zwei Spinnen und etliche Käfer hinaus - wir können einziehen.

Erste Kontakte Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, da krieche ich schon aus dem Zelt, kümmere mich in der fahlen Morgendämmerung um das Entfachen des Lagerfeuers. Ich krame in den Lebensmitteln, suche die Kaffeekanne. 10 Minuten später dampft schon das Kaffeewasser. Die Kanne habe ich nach We66

sternmamer einfach in die noch vorhandene Glut gestellt und diese rund um die Kanne aufgeschüttet. Kaum zieht Kaffeeduft durchs Lager, schält sich auch Tex aus seinen Decken. Diese Lagerstatt auf der freigemachten Ladefläche des Pick-ups will er für die Zukunft beibehalten. Er hat zu diesem Zweck eine zusammenfaltbare, etwa 7 cm starke Schaumstoffmatratze und mehrere Decken, so daß er eine ganz komfortable und schlangensichere Schlafstatt besitzt. Außer mit unserer Expeditionsnahrung haben wir uns in Maun zusätzlich mit Milch, Milchpulver, Zucker, Salz, einem Glas Marmelade und Haferflocken ausgerüstet, die jetzt zur Anwendung kommen. Die Sonne ist schon aufgegangen, da gesellt sich auch Peter zu uns. Beim Frühstück merken wir, was wir vergessen haben. Tex hat kein Besteck, so daß wir unsere Bundeswehrbestecke entsprechend aufteilen müssen. Da wir alle dasselbe brauchen - meist ist es nur ein Löffel - wechseln Tex und ich mich bei den Mahlzeiten ab; derjenige, der zuerst ißt, säubert den Löffel und reicht ihn dann an den nächsten weiter. Obwohl wir Geschirrspülmittel dabei haben, spülen -wir fast immer auf „afrikanisch“: mit der Hand und Wasser. Unmittelbar nach dem Essen ist das kein Problem. Tex kontrolliert gerade Wasser- und Ölstand des Toyotas, ich habe derweil meine grünen Pilotenkarten ausgebreitet und trage unsere Route nach, da kommt Bewegung in den stillen Wald. Die Einwohner des Buschmanndorfes kommen, um uns zu begrüßen. Ich sehe die unterschiedlichsten Bekleidungsstücke. Ein älterer Buschmann hat einen dunkelgrauen, europäischen Wintermantel umhängen, darunter trägt er seinen traditionellen Lendenschurz. Zwei Buschmänner erscheinen nur mit ihrem traditionellen, einzigen Bekleidungsstück. Andere haben die Fetzen und Reste ehemaliger Oberhemden, Shorts oder T-Shirts - eindeutig Stücke aus Altkleidersammlungen - am Körper. Die meisten gehen barfuß, einige haben löchrige Turnschuhe an den Füßen. Es handelt sich um etwa 15 Personen, Männer, Frauen und einige Kinder. Ich betrachte ihre äußere Erscheinung. Die meisten von ihnen haben ausgesprochen „mongolische“ Gesichtszüge, kleine, etwas schräge Augenhöhlen, starke Lider und vorstehende Backenknochen. Das Haar ist in kleinen, gekräuselten „Inseln“ angeordnet. Ihre Hautfarbe ist nicht dunkelbraun, sondern entspricht einem helleren Gelblichbraun, wie es bei den negriden Rassen in der Regel der Fall ist. Sie sind alle schmächtig gebaut, einige scheinen nur aus Haut und Sehnen zu bestehen. Die erwachsenen Männer dürften etwa anderthalb Meter, die Frauen vielleicht etwa 140 cm Körpergröße aufweisen. In etwa entspricht das der Körpergröße der von mir schon früher besuchten Pygmäen im Kongo. 67

Dem aufmerksamen Betrachter werden sich immer wieder die gleichen Fragen stellen: Warum ist dieses Volk im Gegensatz zu den hier lebenden Schwarzen so klein geblieben? Und weshalb weisen die Buschmänner mongolide Gesichtszüge auf? Es gibt hierzu verschiedene Theorien. Da es bei der ethnologischen Wissenschaft so ist, daß das, was vor vielleicht 20 Jahren galt, heute schon wieder überholt ist, und es zu einer gewissen Thematik immer mehrere Meinungen gibt, kann ich hier nur die mir bekannten Aussagen zu den oben gestellten Fragen wiedergeben. Bezüglich der mongoliden Gesichtszüge bei Buschmännern gibt es verschiedene Meinungen: Die älteste geht meines Wissens davon aus, daß die Buschmänner ganz einfach aus Asien stammen und vor einigen tausend Jahren über Südeuropa und Nordafrika ins zentrale südliche Afrika eingewandert sind. Die Höhlenmalereien in Spanien und Marokko werden manchmal zur Unterstützung dieser Theorie in Anspruch genommen. Einer späteren Theorie zufolge, daß die mongoliden Züge auf eine frühere asiatische Kontaktperiode mit der Ostküste Afrikas zurückzuführen seien, ist doch sehr zweifelhaft. Es gibt zwar viele Beweise für eine sehr frühe Verbindung zwischen Asien und Afrika, aber ob diese Kontakte zeitlich so ausgedehnt waren, um bei einem ganzen Volk derart ausgeprägte Rassekennzeichen zurückzulassen, ist doch fraglich. Eine andere Theorie wiederum besagt, daß die mongoliden Züge der Buschmänner ganz einfach „infantile“ Kennzeichen sind. Wobei hier „infantil“ soviel wie „in der Entwicklung zurückgeblieben“ bedeutet. Infantile Kennzeichen fand man in Afrika lange vor den Spuren asiatischer Kontakte, die immerhin innerhalb der letzten paar Jahrtausende liegen. Man hat infantile Züge an vielen Skeletten südafrikanischer Steinzeitmenschen festgestellt, nicht nur an den ältesten Buschmannskeletten, sondern auch bei ihren Vorfahren, den Prä-Buschmännern aus noch früheren Epochen. Natürlich konnte man diese infantilen Tendenzen nur an versteinerten Knochenresten erkennen. Soweit mir bekannt ist, hat man keinen Beweis dafür, daß auch die Fleischteile infantile Züge zeigen. Da aber die charakteristischen Formen das flache Nasenbein und der große Abstand zwischen den Augenhöhlen an den Fossilien deutlich erkennbar sind, kann man annehmen, daß die damit zusammenhängenden Charakteristiken der Fleischteile ebenfalls vorhanden waren. Ich bin zwar kein Wissenschaftler, versuche aber immer, mich gründlich mit einer bestimmten Materie zu beschäftigen. Und jetzt, während Tex Tabak verteilt, geht mir das oben Angesprochene durch den Kopf. Am meisten leuchtet mir die Sache mit den Skelettfunden ein. So schließe ich mich folgender These an: Erstens, die Felsmalereien in Südeuropa und Afrika hinun68

ter bis zum äußersten Süden sind zu schwache Beweisstücke für die Rassenforschung. Zweitens, die frühesten ausgesprochenen Buschmannschädel wurden in Südafrika in Ablagerungen der Mittleren Steinzeit gefunden. Und drittens, je weiter man nach Norden, nach Nord-Zimbabwe kommt, desto jüngerer Herkunft sind die jeweiligen Buschmannzeichnungen. Diese Erkenntnisse zwingen einen dazu, den Standpunkt aufzugeben, daß die Buschmänner von anderswoher stammen und südwärts bis nach Afrika gewandert sind. Ihre Vorfahren muß man also im südlichen Zentralafrika suchen. Hier wurden Skelettfunde sowohl von kurzschädligen und kleinwüchsigen Menschen als auch von langschädligen mit höherem Körperwuchs gefunden - beide Arten mit deutlichen infantilen Merkmalen. Es ist daher sehr wahrscheinlich, daß die heutigen Buschmänner von größeren Vorfahren stammen und daß ihr Zwergwuchs ein Resultat der Entwicklung ist. Das kleine Buschmannvolk hat die größeren Menschen der Mittleren Steinzeit überlebt und sich über große Teile Afrikas ausgebreitet, bis es von den Hottentotten nach Süden abgedrängt wurde. Es existiert auch die Meinung, der Zwergwuchs der Buschmänner sei dem Einfluß des Lebens in der Wüste zuzuschreiben. Dem steht aber die Tatsache entgegen, daß die Buschmänner früher in den fruchtbarsten Gegenden Südafrikas wohnten. Man hat ihre Hinterlassenschaften längs der waldreichen Südküste und an der Ostküste gefunden. Erst später wurden sie von den erwähnten Hottentotten, von eingewanderten Bantus und Europäern in die ungastliche Kalahari-Halbwüste vertrieben. Ein weiteres eigentümliches Zeichen der Buschmänner ist, daß beide Geschlechter viele kindliche Züge in der Anatomie der Erwachsenen, unter anderem im Skelett, beibehalten können. Während man normalerweise einem Menschenschädel sofort ansieht, ob er zu einem Mann oder zu einer Frau gehört hat, ist dies oft sehr schwierig, wenn es sich um Buschmänner handelt. Das heißt, daß sich bestimmte weibliche (= feminine) Züge auch bei den Männern finden. Diese haben aber auch noch andere, spezifisch weibliche Eigenschaften wie zum Beispiel den auch bei erwachsenen Männern äußerst geringen Bartwuchs. Bei vielen setzt dieser überhaupt erst in späteren Jahren und dann auch nur ganz bescheiden ein. Es ist daher durchaus nicht übertrieben, wenn man die Buschmänner als eine „feminine“ Rasse bezeichnet. Im Gegensatz dazu tragen die Schädel beider Geschlechter der australischen Ureinwohner, der Aborigines, durchaus männliche Züge, so daß dieses Volk als „maskuline“ Rasse bezeichnet werden kann. Buschmänner haben von der Physiognomie her eine eigenartige Ausstrahlung, sie entsprechen sicher nicht einem europäischen Schönheitsideal (ich übrigens auch nicht), wenngleich sich bei jungen Menschen oft eine ge69

wisse Anmut und Ästhetik Geltung verschafft. Das harte Leben in der Wüste allerdings zehrt aus. In zunehmendem Alter bilden sich rasch Falten, die Haut wird „ledern“, was man natürlich auch bei Weißen, die sich jahrzehntelang in Halbwüsten unter südlicher Sonne aufgehalten haben, beobachten kann. Mittlerweile ist ein reges Gespräch zwischen den Stammesmitgliedern in Gang gekommen. Alle sitzen auf dem Waldboden, machen es sich, so gut es geht, bequem und rauchen was das Zeug hält. Weiß man, wann man wieder Tabak bekommt? Ich frage eine kleine Gruppe mit Gesten, ob ich sie fotografieren dürfte. Sie nicken zustimmend mit dem Kopf. Ich mache meine Sofortbildkamera einsatzbereit und lichte das Grüppchen ab. Während des Vorgangs halten sie in ihren Bewegungen inne, blicken gerade ins Objektiv der Kamera. Das Bild kommt heraus, ihre Aufmerksamkeit läßt spürbar nach. Als ich ihnen aber nach zwei Minuten das fertige Bild aushändige, bricht ein Geschnatter, Zischen und „Klacken“ los. Das Foto wird herumgereicht, es wird heftig diskutiert und die Begeisterung ist grenzenlos. Wer rechnet schon mit einem Bild, das man auch gleich bekommt? Schon kommen weitere Nachfragen. Ich bin mir darüber im klaren, daß die Fotos einen Ehrenplatz in den Hütten erhalten werden und lege los. Zwei alte Buschmannfrauen haben es mir angetan. Mit der Koketterie zweier Vierzehnjährigen bestaunen die beiden sich immer wieder, lachen und albern herum. Mit welcher Kleinigkeit man doch eine große Freude bereiten kann. In solchen Momenten fühle ich immer, wie unsagbar verwöhnt wir Europäer sind. Wir haben leider oft schon die Kunst, uns über kleine Dinge wirklich zu freuen, verlernt. Hier zählen noch die wirklich wichtigen Dinge: Zusammenhalt, Kameradschaft, Essen, Trinken, Überleben. Ich setze mich mit Peter zu den Buschmännern, wir reden mit Händen und Füßen. Wirklich wichtige Dinge übersetzt Tex einfach großartig - unser Freund ist eine unheimliche Hilfe. Ich handle ein Messer und mehrere Ketten ein; ersteres ist mit einem Fellstreifen umwickelt, die Scheide ist aus Holz, einfache Ornamente sind eingebrannt, ein Lederriemen dient zum Umhängen. Die Ketten sind aus Straußeneierschalen und bunten Glasperlen, oft mit hohlen Ästchen oder getrockneten Baum- bzw. Buschfrüchten verziert. „Für unsere erste Begegnung mit den Buschmännern nicht schlecht, oder?“ sage ich zu Peter, als sich die Sippe wieder aufmacht, die paar hundert Meter zurück zu ihren Hütten zu marschieren. Aber irgendwie ist es nicht das, was ich suche - die ihrer ursprünglichen Lebensweise verbundenen !Kung-Buschmänner der Kalahari. Aber wir werden sie finden, irgendwann, da bin ich mir sicher ... 70

Endstation Wildnis - die Zentral-Kalahari Der Schweiß fließt in Strömen. Wir müssen wahnsinnig sein! Seit Stunden quälen wir uns durch den roten Sand. Schrittempo, fünf bis 10 Kilometer in der Stunde, oft bewegt sich die Tachonadel nicht einmal, zuckt nur kurz der „20“ entgegen, wenn Tex kräftig Gas gibt, weil wir wieder „schwimmen“. Auf unser Angebot, uns beim Fahren abzuwechseln, ist Tex schon anfangs nicht eingegangen. Er ist der festen Ansicht, er werde als Führer und Fahrer bezahlt, außerdem habe er die Verantwortung für den Wagen. Innerlich beruhigt mich seine Auffassung ein wenig, denn durch die dornigen Akazien sind die Seitenwände des Fahrzeugs über und über mit Schrammen übersät. Vor einigen Stunden schon zeigte Tex geradeaus in die Richtung fernliegender Berge. „Zental-Kalahari!“ meinte er nur, kniff dabei die Augen zusammen und grinste vielsagend. Von alten Reiseberichten und Erzählungen Einheimischer weiß ich vage, was da auf uns zukommt: Sand, Sand und nochmals Sand, nur unterbrochen von dornigem, abgestorbenem Gestrüpp, selten ein fast nackter, kahler Baum mit minimalem Schatten. In der Sahara ist es früh morgens und abends angenehm kühl, mittags zwar heiß, aber durch die extreme Trockenheit einigermaßen erträglich. Die Sahara strahlt Ruhe aus, eine fast beruhigende Einsamkeit. Die Zentral-Kalahari (nicht zu verwechseln mit dem Zentral-Kalahari-Game Reserve) aber strahlt eine gefährliche, nahezu unheimliche Stille aus. Durch die anhaltende Trockenheit - immerhin gab es seit fast zwei Jahren so gut „wie keinen Regen in diesem Gebiet - haben sich die größeren Tiere wie Löwen, Elefanten, Zebras und Antilopen aller Art in den Norden zurückgezogen. Hier existieren nur noch Insekten, Kerbtiere, Schlangen, Skorpione, Gürteltiere und vereinzelt kleine Ansammlungen von Springböcken - alles extreme „Überlebenskünstler“. „Und drei offenbar Geisteskranke!“ ergänze ich meine Gedanken laut und Peter sieht mich fragend an. Auch er hat gerötete, entzündete Augen. Sein Bart sprießt, Staub und Dreck sitzen in den Falten unserer Gesichter, wir kleben am ganzen Körper. Kein Wunder, bei nur einem Napf Wasser täglich, der zur Körperpflege bestimmt ist - weniger als eine Dose Cola. Links außen, sicher an der Spiegelhalterung befestigt, schlägt ab und zu unser Wassersack an die Karosserie. Immer, wenn wir anhalten, schnappt sich jeder einen Becher und der Reihe nach trinken wir das kühle Wasser. Es ist eine unbeschreibliche Wohltat. Stets versuchen wir, rechtzeitig unser schales, nach Plastik schmeckendes Wasser aus unseren Kanistern in den Sack umzufüllen, denn der Kühleffekt benötigt einige Stunden, vor allem jetzt bei unserer langsamen Fahrweise. 71

Während zu Hause der Winter Einzug hält, stehen wir hier eigentlich am Beginn des Frühjahrs, wo es regnen müßte. Denn das Land, das ja überwiegend von der Rinderhaltung existiert, ist darauf dringend angewiesen. Schon in Maun erfuhren wir von den momentanen katastrophalen Verhältnissen. Zwei Jahre Dürre kann man sich in Deutschland gar nicht vorstellen. Am ehesten kommt dieser Situation noch der heiße August 1992 nahe, dann aber über 24 Monate lang! „Die Zentral-Kalahari ist ohnehin schon schlimm genug. Aber jetzt habt ihr die schlimmsten Voraussetzungen. Ein Backofen zwischen 50 und 70 °C, eine eintönige und lebensfeindliche Landschaft. Das geht aufs Gemüt, das könnt ihr mir glauben!“ wurde ich seinerzeit von einem Österreicher, der seit zwei Jahrzehnten im Norden lebt, aufgeklärt. „Versucht es lieber mit den Fluß-Buschmännern im Nordwesten, da habt ihr ausreichend Wasser, es gibt Pisten und Straßen in der Nähe, und falls was mit dem Wagen passiert, könnt ihr Hilfe organisieren!“ Recht hatte er, denke ich. Keinen Kontakt zur Außenwelt und keine Funkverbindung. Nicht einmal die wichtigsten Ersatzteile für unseren Pick-up haben wir an Bord. Nur etwas Werk- und Flickzeug. Gut, ich bin auch durch die Sahara getrampt und wir sind allein, entgegen allen Warnungen, mit meinem Landrover gefahren. Aber dort kamen - zumindest auf unserer Route - einmal in der Woche VersorgungsLkw vorbei. Hatte man also genug Wasser dabei (und das hatten wir seinerzeit) brauchte man nur zu warten. Hier dagegen heißt es: „Gute Nacht, Freunde!“ Diese Gedanken gehen mir gerade durch den Kopf, als sich Tex zu uns herüberbeugt und meint: „Irgendetwas stimmt nicht mit dem rechten Vorderrad.“ „Hättest du deine Gedanken nur in eine andere Richtung gelenkt“, werfe ich mir selbst vor. Als wir uns die Bescherung ansehen, ist schnell alles klar. Ein Dorn hat sich in den Reifen gebohrt - wir verlieren Luft. Bei der mörderischen Hitze den Reifen von der Felge brechen und den Schlauch reparieren? Wenn es nicht unbedingt sein muß, spricht alles dafür, die Reparatur auf den Abend oder den frühen Morgen zu verschieben, vorausgesetzt, die Luft hält so lange. Tex und ich klappen die Vordersitze nach vorne. Wir holen die Luftpumpe aus ihrem Versteck, und ich reiche sie Peter mit der lakonischen Bemerkung: „Bitte, du darfst ...“ Nach einer Weile drückt er mir den Handgriff in die Hände. Und nach einiger Zeit gebe ich wiederum die Pumpe für Tex frei. „Es war ohnehin nur eine Frage der Zeit“, meint Peter, und ich gebe ihm recht. Hauptsache, der Wagenheber funktioniert, und unser Flickzeug reicht... Ich schieße ein Foto vom Wagen und stelle dabei fest, daß es, von hinten betrachtet, so aussieht, als säße unser Pick-up mit den Achsen bereits 72

auf. Das aber ist nicht der Fall: Die Fahrrinnen sind nur so tief, daß es fast den Anschein erweckt, als sitze der Toyota fest. Wir trinken wieder unsere Ration Wasser. Anschließend gehe ich einige Meter abseits. Neben meinem linken Fuß sehe ich plötzlich einen von der Sonne verbrannten, etwa 20 cm langen und zeigefingerstarken Hundertfüßler liegen. Einen von der hochgiftigen Sorte. Wieder mit meinem Fund am Auto, meint Tex, ich solle das Ding wegwerfen und mir sofort die Hände waschen. Aus diesen Tieren würden die Buschmänner in dieser Gegend eines ihrer hochgiftigen Pfeilgifte herstellen. Ich verpacke jedoch den Hundertfüßler in eine kleine Plastiktüte, verknote das Ding und nehme es mit die Sache interessiert mich. Je weiter wir in die hügelige Landschaft vorstoßen, desto abwechslungsreicher wird die Farbe des feinen Sandes. Immer, wenn wir auf der Kuppe eines größeren Hügels stehen und ins Tal blicken, sehen wir die sich unter uns windende Piste. Ein ständiges Auf und Ab. Der Weg wird von Kilometer zu Kilometer miserabler. Er führt durch dunkelroten Sand, durch hellgelben und dann wieder mittelbraunen. Ab und zu zweigen kleinere Pisten ab. Diese werden offenbar schon seit langer Zeit nicht mehr befahren, sie verlieren sich im Nirgendwo. Wir sind der Ansicht, daß es sich um verlassene Dörfer handeln könnte, zu denen solche Seitenwege führen. Verlassene Siedlungen, die auf Grund der Dürre aufgegeben wurden. Ein Verlassen der Hauptstrecke, sofern man davon überhaupt sprechen kann, könnte ungeahnte Folgen haben: Wir könnten im Kreis fahren und die Orientierung verlieren. Unsere Strecke wird immer schlimmer, der Sand unter den Rädern immer lockerer. Ohne Vierradantrieb mit Geländeuntersetzung würde schon lange nichts mehr gehen, wäre ein weiteres Vorankommen unmöglich. Die Berge werden allmählich höher. Bäume und Büsche nehmen zu, dornenbewehrte Äste ragen auf die Fahrstrecke. „Wir sind nur etwa 9 Kilometer von der namibischen (grünen) Grenze“, schätzt Tex, „fahren jetzt aber in südlicher Richtung.“ Es ist ein faszinierendes Erlebnis, auf fast unbefahrenen Pisten in diese Wildnis einzudringen. Von Tex wissen wir, daß manche Pisten einige Male im Monat, andere wieder nur ein- oder zweimal im Jahr oder gar nur alle paar Jahre befahren werden. Einige werden aber auch gar nicht mehr benutzt - dann sucht man sich seinen Weg selbst. Es ist schon Nachmittag. Wir quälen uns gerade vorwärts durch eine Gegend, die mit etwa 1,50 bis 3 Meter hohen, dornigen Büschen übersät ist, auf der zweieinhalb Meter breiten Piste, deren Untergrund sich mittlerweile wieder in hellen Staub verwandelt hat, da erspähen wir seitlich voraus helle Strohhütten, die etwa anderthalb Meter hoch sind. „!Kung-Buschmänner!“ fährt es uns durch den Kopf, und schon biegt Tex auf einen kaum erkennba73

ren Pfad ein, walzt mit unserem kleinen Kuhfänger kleinere Büsche einfach nieder, umfährt größere Sträucher. Die wenigen Hütten stehen auf einem freien Gelände, das von Teufelsklauensträuchern umgeben ist. Diese Sträucher weisen nadelspitze Stacheln auf, die sich bei leichter Berührung sofort in der Kleidung oder im Fleisch verhaken. Die Äste der Sträucher werden üblicherweise von den Buschmännern vorsichtig abgeschnitten und um die Hütten ihres kleinen Dorfes aufgeschichtet. Türmt man die Zweige hoch genug, erhält man mit der Borna, so der Name für die ovale oder kreisförmige Umfriedung, einen fast löwensicheren Schutzwall. Tex war vor anderthalb Jahren schon einmal hier, erklärt er uns. Er wird von den Männern, Frauen und Kindern stürmisch begrüßt. Tex wird gebeten, Trockenfleisch für einen Verwandten nach Xaxa mitzunehmen. Zu diesem Buschmanndorf sind wir nämlich unterwegs - auf meinen Karten existiert es natürlich wieder einmal nicht. Vor der Borna lassen wir uns alle nieder. Um uns sitzen im Halbkreis die Buschmänner. Tex fragt nach Neuigkeiten. Ich nenne sie immer die „Kalahari-News“. Zwei der Anwesenden sind blind. Es handelt sich um alte Frauen, die, 'wollen sie irgendwo hin, von Kindern - Mädchen wie Jungen - an einem langen Stab geführt werden. So laufen die Blinden ihren kleinen, sehenden Führern hinterher. Diese Buschmannsippe hat auch drei Hunde. Aber in welchem Zustand sind die armen Tiere! Jede einzelne Rippe kann ich zählen. Auf unglaublich dünnen Beinen staksen die Tiere umher, suchen im Gelände eßbares. Wegen der Hitze haben es sich zwei der Hunde sofort unter dem Toyota bequem gemacht. Was mich verwundert, ist die Tatsache, daß die Hunde trotz ihres offenbar großen Hungers nicht an die Küken einer Henne gehen, die ihrer Mutter hinterhertrippeln. Ich mache Fotos, vergesse nicht einige Sofortbildaufnahmen und ernte den gewohnten Beifall. Die Buschmänner leiden durch die große Dürre entsprechend Not und möchten partout Ketten und Messer verkaufen. Ich bin den Tauschhandel von früheren Expeditionen her gewohnt, aber Geld habe ich nie gegeben. Tex klärt mich über die ungewohnte Situation auf: Die Buschmänner können mit dem Geld bei umherziehenden Hereros Nahrung und Gebrauchsgegenstände kaufen, zum Tauschen haben sie bei den herrschenden Bedingungen ja nichts anzubieten. Das leuchtet mir ein. Wir beginnen mit der Zeremonie des Tabakverteilens und geben den Buschmännern Maismehl - 160 Pfund haben wir seinerzeit in Maun eingekauft, es hat sich gelohnt. Nachdem jeder zufrieden ist, verabschieden wir uns per Handschlag von dem freundlichen Volk und quetschen uns wieder in unser Fahrzeug. Alle drei sind wir durchgeschwitzt. Tex hat sein kurzärmeliges Khaki74

hemd an, Peter und ich tragen unsere mittlerweile ziemlich verdreckten Westen - darunter nichts, es ist einfach zu heiß. „Xaxa scheint wohl die große Ansammlung von Buschmännern in dieser Gegend zu sein, dort machen wir auf jeden Fall Station“, sage ich noch zu Peter, ehe „wir wieder auf „unsere“ Piste einbiegen - er nickt nur zustimmend, während er sich an der Lehne der Sitzbank festhält. Die Schlaglöcher haben uns wieder ...

Xaxa Wenn die Berechnungen von Tex stimmen, müssen wir heute Xaxa, ein größeres Buschmanndorf erreichen. Momentan allerdings kämpfen wir uns durch die fast undurchdringliche Wildnis. Akazien, Dornen, Staub, Hitze! Wir befinden uns Gott weiß wo, der Kompaß zeigt wieder nach Südwesten. Da wir ständig gezwungen sind die Pisten zu wechseln, oft auch ausgetrocknete Flußbetten zu überqueren, die sich irgendwo in der Kalahari verlieren, fällt es schwer, den Überblick über den jeweiligen Standort zu behalten, zumal ich mich auf meine Karten -wirklich nicht verlassen kann. Plötzlich stoßen wir völlig überraschend auf Menschen. Es handelt sich um Buschmänner, die vor mit Gras bedeckten Hütten und Schutzdächern im Schatten sitzen. Ein Jagdlager? Unsere Freude wechselt rasch der Ernüchterung. Es handelt sich bei den Männern, kaum zu glauben, um einen Buschmann-Bautrupp, der im Auftrag der Regierung eine neue Piste anlegen soll. Nur Buschmänner sind in dieser Hitze für derartige Tätigkeiten geeignet. „Aber warum ausgerechnet eine neue Piste, hier kommt doch kein Mensch her?“ will ich von Tex wissen. Er kann sich jedoch auch keinen Reim darauf machen. Die Buschmänner, ein Trupp von etwa fünfzehn Mann, haben lediglich den Auftrag, eine sechs bis acht Meter breite Schneise zu „roden“. Was danach passieren soll, weiß kein Mensch. Sie benutzen dafür ihre eigenen, primitiven Werkzeuge - eine wahre Sisyphusarbeit. Vielleicht ähnlich wie bei uns, rätsle ich, „Mist gebaut am grünen Tisch, die hohen Herren!“ meine ich zu Peter gewandt, der daraufhin breit grinst. Das Unternehmen kommt uns reichlich spanisch vor. Wir setzen uns zu den kleinen Männern, geben wieder Tabak und erkundigen uns nach Xaxa. Ja, da seien wir richtig, wird uns gesagt, die Richtung stimme. Allzuweit soll es auch nicht mehr sein. Aber da ich einige Gewohnheiten der Buschmänner kenne, 75

bin ich mit Wegstreckenangaben vorsichtig. Logischerweise gehen die Buschmänner nämlich vom Tempo eines Fußgängers aus, also einem Marsch oder einem schnelleren Lauf. Die Umsetzung der zeitbezogenen Entfernungsangaben auf ein motorgetriebenes Fahrzeug gelingt ihnen natürlich nicht, weil sie keinen Bezug zu einem Fahrzeug haben. So las ich zu Hause irgendwo einmal, daß ein Europäer auf die Frage, wie weit es zu einem gewissen Punkt wäre, die buschmanntypische, nicht unintelligente Antwort zu hören bekam: „Es ist weit, aber nicht zu weit.“ Es stellte sich dann heraus, daß die gemeinte Distanz etwa 15 Kilometer betrug. Ebenso erfuhr ich, daß Buschmänner als Führer im Fahrzeug oft total „versagen“ können. Die Fahrt mit einem Auto, obwohl für uns vielleicht langsam, geht ihnen zu schnell. Ihre typischen Orientierungsmerkmale können sie daher oft übersehen. Wir hätten vielleicht Schwierigkeiten damit, richtige Zeit- und Distanzangaben bezogen auf Fußgänger zu machen. Nach der Verabschiedung heißt es wieder rein in unseren metallenen Backofen. Das Blech des Fahrzeugs ist unheimlich heiß. Nach diesem Stop haben dafür die Reifen wieder eine etwas „normalere“ Temperatur. An alles haben wir gedacht, nur nicht an die Folgen der Hitze. „Die Hitze macht träge“, sagte Geri einmal zu mir. „Das ist der schlimmste Feind in der Kalahari - man wird unvorsichtig!“ Peter sieht die Bescherung zuerst: Durch die Hitze haben sich die beiden 100-Liter-Benzinfässer, die wir direkt hinter dem Fahrerhaus festgezurrt haben, ausgeweitet. Das Blech ist nach oben ausgedellt, die Kanister drohen zu platzen. Vorsichtig öffnet Peter den ersten der beiden Vorratsbehälter. Schon nach zwei, drei Umdrehungen entweicht zischend das gefährliche Gasgemisch. Es gibt einen leichten Knall, als der Punkt erreicht ist, an dem das Gas austreten kann. Das erste Faß hat schon eine Falte gezogen, das zweite ist ausgewölbt bis aufs äußerste. Nicht mehr lange, und die beiden Fässer wären geplatzt. Was dann passiert wäre, kann man sich an einer Hand abzählen. Auch Tex zeigt sich betroffen, und ich beschließe ab jetzt mehrmals täglich die Fässer zu öffnen. Trotz unserer Erfahrung haben wir diesen wichtigen Punkt einfach vergessen, es ist nicht zu glauben. Der heilsame Schreck sitzt uns in den Gliedern. Das wird uns nicht mehr passieren, beteuere ich, als der Wagen wieder rollt. Erstaunlicherweise hält unser rechter Vorderreifen die Luft. Es ist unbegreiflich. Vielleicht hat sich der Dorn im Loch durch den nun wieder hohen Luftdruck festgeklemmt. Jedenfalls, der Reifen tut's - fragt sich nur, wie lange. Wir fahren durch eine kleine Senke, gefüllt mit grauem Sand und einigen vertrockneten Akazien. Nach einer letzten kleinen Steigung liegt urplötzlich 76

ein Tal vor uns, bedeckt mit spärlichem grünem Gras. Auch die Bäume tragen jetzt kleine, grüne Blätter. Welch ein Anblick nach der zurückliegenden Schinderei! „Xaxa!“ ruft Tex und weist mit ausgestrecktem Arm voraus zu einigen Hütten. Wir fahren einen langgezogenen Hang hinauf und erreichen oben zwei runde Lehmhütten. Wir haben vereinbart, daß wir uns in jedem Falle beim „Headman“ anmelden wollen. Der Häuptling dieses Dorfes ist gleichzeitig Chef für den ganzen Distrikt. Sein Wort, so Tex, ist Gesetz. Mit dem wollen wir es auf keinen Fall verderben. Die Sache ist einfacher als gedacht. Nach der Begrüßung bitten wir eine halbe Stunde später den Chef offiziell um die Genehmigung, in seinem Distrikt mit Buschmännern Kontakt aufzunehmen. Der Herero, umgeben von seinen engsten Mitarbeitern, wahrt so sein Gesicht. Jeder der Anwesenden merkt, daß sich auch Ausländer, die von weit her kommen, der Macht des Clanchefs unterordnen, ohne seine ausdrückliche Genehmigung nichts unternehmen wollen. Das hebt sein Ansehen bei dessen Leuten, wir machen einen guten Eindruck auf ihn, und jedem ist geholfen. Wie erhofft, hat er nichts dagegen, und wir einigen uns auf einen Lagerplatz ziemlich außerhalb des Dorfes. Händeschütteln, nette Gesten, wir sind in Gnaden entlassen. Quer durchs Gelände fahren wir zu einer großen, alleinstehenden Schirmakazie. Der Platz ist ideal für ein Camp. Das einzige was uns stört, ist jahrealter Kuhmist. Faustgroße Klumpen bedecken den ganzen schattigen Platz. Die Beseitigung des Unrats ist jedoch schnell erledigt. Kaum daß wir angehalten haben und unseren Platz begutachten, kommen schon die Buschmänner von Xaxa: Männer, Frauen, Kinder, Jugendliche und Greise, alles ist vertreten. Wir werden von etwa 40 Menschen umlagert, und Tex erklärt ihnen unser Hiersein. Ich beginne derweil den Platz, den ich für unser Zelt vorgesehen habe, so gut es geht, zu säubern. Zwei Buschmänner sehen mir dabei zu, und schon helfen sie mir. Der gesäuberte Platz weist schließlich den gleichen Durchmesser wie die Krone des Baumes auf. Außerhalb dieses Zirkels liegt der Unrat 20 bis 30 Zentimeter hoch. Die anderen Buschmänner haben sich derweil niedergelassen. Sie bilden einen großen Halbkreis im Schatten der Baumkrone. Außerhalb des Schattens ist es unheimlich heiß. Wir beginnen zu dritt, den Wagen zu entladen. Peter und ich knoten die Verschnürung unserer grünen Abdeckplane auf. Schließlich kommt unsere ganze Ausrüstung zum Vorschein. Alles -wird ausgeladen und auf dem Boden gestapelt. So interessiert die Buschmänner unserem Treiben zusehen, im Gegensatz zu anderen Afrikanern betrachten sie zwar sehr genau das ganze Material, kommen aber nicht näher, um irgendwelche Gegenstände anzufassen oder gar etwas wegzunehmen. Frauen stil77

len ihre Babys, Männer, auf Speere gestützt, verfolgen unsere Tätigkeit. Hie und da ein freundliches, interessiertes Lächeln. Was werden die Weißen jetzt machen? Ich für meinen Teil habe Hunger, und zwar nicht zu knapp. Tex und Peter verzichten wegen der großen Hitze auf eine Mahlzeit. Also klaube ich trockene Ästchen zusammen, nehme einen Würfel Trockenspiritus, entzünde das Ganze und stelle anschließend auf meinen Mini-Grill die mit Wasser gefüllte Kaffeekanne. Da das Holz absolut trocken ist, lodern sofort kleine Flämmchen empor, das Wasser kocht im Nu. Hier zeigt sich der Vorteil unserer Expeditionsnahrung. Innerhalb von 15 Minuten habe ich meine Mahlzeit beendet. Kaum schmauche ich meine geliebte Verdauungszigarette, gesellt sich ein . junger Buschmann, 23 Jahre alt, wie ich später erfahre, zu mir und bittet um einen der Glimmstengel. Er spricht zu meiner Überraschung ein gutes Englisch und bietet mir an, für mich zu dolmetschen. Chris kommt mir wie gerufen. Während Tex unseren großblätterigen Tabak verteilt, erkläre ich

Jahrtausendealt, stets bewährt, sofern man damit umzugehen versteht: das „Buschmann-Feuerzeug“. 78

Chris unser Vorhaben. Wir möchten Buschmannutensilien kaufen. Interessiert sind wir an allen Stücken, die mit dem täglichen Leben der Buschmänner zu tun haben. Keine unwiederbringlichen Stücke sollen es sein, sondern Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, wie sie die Buschmänner für ihren Bedarf selbst anfertigen, also jederzeit wieder herstellen können. Chris übersetzt das Ganze in die !Kung-Sprache. Der Bedarf an Pula (Name der hier üblichen Landeswährung - Pula bedeutet in der Landessprache aber gleichzeitig Regen. Man sieht, wie wichtig das kostbare Naß ist, da es mit der Währung gleichgestellt wird) ist natürlich groß. Auch Tex ist der Auffassung, mit dem Kauf von Gebrauchsgegenständen sei jedem geholfen, so daß ich die Sache beruhigt angehe. Mehrere Männer sind nach einer weitausholenden Erklärung von Chris bereits aufgestanden und gehen nach Hause, um ihre Habe nach Veräußerlichem zu durchsuchen. Ich errichte mir einen „Verkaufsstand“ unter dem schattenspendenden Baum. Tex unterstützt mich, und gemeinsam sitzen wir dann auf unseren Wasserkanistern und warten auf Kundschaft. Den gesamten Nachmittag verbringe ich so mit dem Ankauf von Speeren, Messern, Ketten, geschnitzten Holzlöffeln und allerlei anderen Gebrauchsgegenständen. Wegen des Gewichts beschränke ich mich auf fünf Speere, zwei Messer und drei Äxte. Es handelt sich dabei natürlich um verschieden aussehende Exemplare, alle haben andere Formen. Glanzstücke meiner Sammlung werden ein kleinerer Mörser, eine Trommel, drei Bögen nebst Pfeilen und Köchern, „Buschmannfeuerzeuge“, ein Suppenteller, gefertigt aus einem Schildkrötenpanzer, ein „Tanzfell“ sowie ein Lendenschurz und eine Jagdtasche. Auch Zauberstäbchen der Buschmänner bekomme ich angeboten. Die Buschmänner sind mit glühendem Eifer bei der Sache. Aber irgendwann sind Gewichtskontingent und Geld erschöpft. So versuche ich wenigstens, noch verschiedenen Familien eine Kleinigkeit abzukaufen: Straußeneier, Tanzrasseln, ein kleiner, geflochtener Korb. So sehr mir die Dinge auch gefallen und die Buschmänner das Geld gebrauchen können, es hilft nichts, einmal muß doch Schluß sein. Mittlerweile ist es halb sechs Uhr abends. Fünf Stunden dauerte die ganze Aktion! Peter stellt schließlich, von einem Ohr zum anderen grinsend, fest, wie die ganze Situation wirkt. „Bei dir sieht's aus wie in einem Basar!“ feixt er. Und er hat Recht. Das Problem, daß wir zu große Pula-Scheine haben und nicht an kleinere Scheine gedacht haben, rächt sich anfangs. Aber mit Chris' Hilfe bekomme ich die Angelegenheit in den Griff: Er notiert sich die Namen all derjenigen Leute, die kleine Summen bekommen sollen. Den kompletten Betrag gebe ich ihm. Er weiß irgendwo eine Quelle, wo er die Scheine gegen kleinere einwechseln kann. 79

Tex übersetzt dann unseren Vorschlag, daß wir von den Hereros eine Ziege kaufen wollen, um ein kleines Festessen zu spendieren, was sofort auf große Begeisterung stößt. Bis das Tier gebracht wird, will Tex mit dem Pikup Feuerholz holen. Peter und ich kümmern uns derweil weiter um den Lageraufbau. Ich säubere den für unser Zelt bestimmten Platz noch etwas von Steinen und Ästchen. Dann bauen wir unsere Behausung auf. Wir sind mittlerweile eingespielt. In zwei Minuten steht unsere Unterkunft. Die selbstaufblasenden Isoliermatten nebst unseren Schlafsäcken werden ins Innenzelt gebracht, desgleichen Dokumententäschchen, Taschenlampen und unsere großen Messer. Den Stauraum im Außenzelt stopfen wir im Handumdrehen mit unseren Seesäcken, Maismehl und Tabakkartons voll. Ich ramme einen der erstandenen Speere neben dem Zelteingang in den Boden, daneben kommen die Wasserkanister. So haben wir auch einen Überblick über deren Inhalt und können uns in etwa ausrechnen, wann wir spätestens für Nachschub sorgen müssen.

Das Festessen Die Buschmannversammlung löst sich bereits auf, als ein junger Herero mit der Ziege kommt, die er an einem Hanfstrick hinter sich herzieht. Nur einige Buschmänner sind noch anwesend, als wir das Tier kaufen. 60 Pula, also umgerechnet etwa fünfundvierzig Mark, zahlen wir dafür. Peter wendet sich bereits ab, weil er weiß, was jetzt folgt. Ich schnappe mir jedoch meine Fotokamera, um das Schlachten zu fotografieren. Und das geht schnell. Die Ziege wird kurzerhand auf den Rücken geworfen und mehrere Männer halten sie am Boden fest. Ein paar Hände umfassen den Hals des Tieres, so daß dessen Gurgel nach oben zeigt, ein anderer hält der Ziege das Maul zu. Schon zieht ein Buschmann das Messer, stößt es der Ziege in die Gurgel, dreht es schnell einmal nach rechts und links. Kein Laut ist zu hören - die Ziege muckst sich nicht, während sie ihr Leben aushaucht. Auch kleine Kinder sind bei diesem Vorgang anwesend, das Schlachten eines Tieres ist für sie etwas völlig Normales. Anschließend wird die tote Ziege mit den Hinterläufen zusammengebunden. Eine Schnur von uns wird rasch über einen ausladenden Ast geworfen und das Schlachttier emporgezogen. Zwei Buschmänner machen sich daran, der Ziege das Fell abzuziehen. Mit ihrem nicht besonders scharfen Messer 80

tun sie sich jedoch schwer. Ich gehe daher ins Zelt, hole mein Weidbesteck und biete es ihnen zum Arbeiten an. Die Schärfe und Schnitthaltigkeit meiner Messer hält jeden Vergleich aus. Die Buschmänner äußern sich während des Gebrauchs begeistert und strahlen mich an. Ein alter Buschmann kommt auf uns zu. Er trägt seinen Speer, Pfeilköcher und Bogen hat er geschultert. Er war den ganzen Tag auf der Jagd leider erfolglos, berichtet mir Tex, der vor einigen Minuten mit einer ganzen Ladefläche voller Brennholz angekommen ist. Drei Buschmänner helfen ihm beim Abladen - Brennholz für das Fest haben wir also genug. Der alte weißhaarige Jäger drückt derweil die Blase des Tieres aus, ein anderer schneidet den Kopf der Ziege ab. Die inzwischen herausgenommenen Innereien werden sorgsam beiseite gelegt. Als das Gedärm auf den Boden fällt, stelle ich fest, daß die spindeldürren Hunde erstaunlich gut erzogen sind. Obwohl sie gewiß großen Hunger haben, umschleichen sie zwar die Innereien der Ziege wie eine Katze den heißen Brei, wagen es aber nicht, sich einen Bissen von den „Leckereien“ zu holen. Tex verschwindet wieder mit unserem Geländefahrzeug im Dorf der Buschmänner, um einen großen gußeisernen Kessel zu holen. Eine Viertelstunde später, unsere Ziege ist bereits in kleine Portionen zerteilt, bringt er einen total verrußten Kessel, einen riesigen Topf, den zwei Mann kaum heben können. Auch ein kleinerer Kessel wird noch herbeigeschafft, der für das Fleisch bestimmt ist - der große dient, nach einer ausgiebigen Innenreinigung, zum Maismehlkochen. Wasser bekommen die Buschmänner von uns ganz in der Nähe, so weiß Tex, können wir unsere Vorräte wieder ergänzen. Es wird bereits dämmerig. Der Platz neben unserem Zelt füllt sich mit Kindern, Jugendlichen, Männern und Frauen; alles, was laufen kann, ist auf den Beinen. Auch einige Hereros sind darunter. Ich bereite meine Fotoausrüstung und meinen Kassettenrecorder vor, setze mich anschließend auf einen unserer Wasserkanister neben dem Zelt und warte, was weiter passiert. Tex setzt sich zu mir. Er erzählt mir wieder von seinem Traum: Seine große Hoffnung ist es nämlich, einen Kredit oder eine kleine finanzielle Unterstützung vom Staat zu erhalten. Mit diesen Mitteln möchte er - quasi als Manager - mit einer Buschmanntruppe durch die Lande ziehen, von Gaborone, der Hauptstadt, aus bis Francistown. Eben all die Städte besuchen, in denen die größeren Hotels liegen. Und wenn das Ganze liefe, könne man auch in die Anrainerstaaten, meint er noch. Das Ärgerliche dabei ist, daß das zuständige Ministerium ohne Sicherheiten keine Devisen lockermacht, ähnlich also wie bei uns. Tex weiß, daß die Buschmannkultur unmittelbar vom Untergang bedroht ist. Er werde sich um die Frauen und Männer kümmern, sie 81

entsprechend bezahlen und auch sonst für ihr Wohlergehen sorgen. Seine Idee ist eigentlich nicht schlecht, da die Buschmänner wirklich erstklassige Tänzer sein sollen. Ob sie jedoch die gewaltigen Veränderungen in ihrem täglichen Leben - vor allem die ungewohnten Städte, die fremde Umgebung - psychisch und physisch verkraften werden, erscheint mir fraglich. Ich kann während der ganzen Zeit unseres Zusammenseins mit dem schwarzen Freund beobachten, daß die Buschmänner zu Tex wirklich Vertrauen haben. Obwohl, wie er mit sagt, er oft (einmal vergingen acht Jahre, die Buschmänner erkannten Tex aber sofort wieder) nicht in der Kalahari kommt. Vor 10 Jahren, so erzählt er, fuhr er mit einem weißen Ehepaar in unsere Richtung. Aber die Strapazen, die Hitze und die ganzen Umstände führten bei der Ehefrau zu permanent schlechter Laune - schließlich kehrten sie vorzeitig wieder in die Zivilisation zurück. Langsam füllt sich der Platz. Es dunkelt bereits, als ein größeres Feuer, 15 Meter vom Zelt entfernt, angezündet wird. „Zu Essen gibt's erst später“, lacht Tex, „sonst tanzen sie nicht mehr, sie sind dann zu müde.“ Wie er das meint, wird mir erst später klar. Ich habe einmal irgendwo gelesen, daß ein ausgehungerter Buschmann ohne weiteres 20 Pfund Fleisch in einem Sitz vertilgen kann, was mir als viel zu übertrieben erschienen ist. Später habe ich allerdings erfahren, daß ein Buschmann, der einmal ausgehungert auf eine Farm kam, bei einer einzigen Mahlzeit sage und schreibe 34 Pfund (!) Fleisch verschlungen haben soll ... Selbst wenn diese Geschichte durch das Weitererzählen übertrieben worden sein sollte, wäre bereits die Hälfte der verzehrten Portion gigantisch. Tatsache ist jedoch, daß Buschmänner wirklich wochenlang mit fast nichts überleben können. Warum soll es daher die Natur nicht so eingerichtet haben, daß der Magen eines Buschmannes, bei einem momentanen Überangebot an Nahrung, in der Lage ist, solch gewaltige Portionen aufzunehmen? Das Feuer knistert und prasselt. Frauen mit ihren Kindern, Säuglinge an der Brust, setzen sich um die lodernden Flammen. Alles entwickelt sich scheinbar ohne irgendwelche Absprachen. Einige Frauen setzen sich zusammen und beginnen zu summen. Das Summen geht in einen Gesang über, die Hände klatschen im Takt. In hohen Tönen klingt ihr monotoner, aber rhythmischer Gesang durch die Nacht. Die Stimmen werden lauter. Einige Knaben, die noch nicht am offiziellen Tanz selbst teilnehmen dürfen, fangen an, sich im Tanz zu üben. Sie stampfen in einem Kreis um das Feuer herum, die Tanzschritte, die sie so oft bei Frauen und Männern gesehen haben, nachmachend. Drei Männer, jeweils mit einem Speer bewaffnet und mit Fußrasseln geschmückt, kommen hinzu. Rhythmisch bewegen sie sich ebenfalls im Kreis um das Feuer außerhalb der Frau82

en. Alle zwei bis drei Schritte lassen sie durch kräftiges Aufstampfen ihrer Füße die Rasseln ertönen. Allmählich wird der Gesang kräftiger und taktfester. Die anwesenden Männer können dem Zwang des Rhythmus' nicht länger widerstehen. Sobald die Erwachsenen zu tanzen beginnen, ziehen sich die Kinder zu den anderen Zuschauern ans Feuer und den ganz Alten zurück. In einem großen Kreis stampfen nun die Tänzer um die am Feuer Sitzenden herum, immer wilder werden die Gesten, Sand und Staub werden unter den blanken Füßen aufgewirbelt. Wir stehen am Rande des Geschehens. Peter fotografiert, nachdem ich mit Tex und Chris, der alles in die Buschmannsprache übersetzt, den Effekt des Blitzlichts erklärt habe. Nach großen anfänglichem Erstaunen haben sich die Buschmänner alsbald an das mysteriöse Aufblitzen gewöhnt. Die Beine der Tanzenden hämmern immer stärker auf die Erde, die Tänzer triefen vor Schweiß. Jetzt werden Männer und Frauen offenbar erst richtig warm. Sie beginnen mit Tänzen, die von ihren Mythen und Erzählungen inspiriert sind. Gesang und Rhythmus versetzen diese Menschen in eine andere Welt, die damit für sie Wirklichkeit wird. Es gibt sehr viele verschiedene Tänze: Den Antilopentanz, den Tanz des Straußes und der Heuschrecke. Sie stellen vierfüßige Tiere und Insekten dar, Phantasiefiguren, Liebe, Jagd, Wind, Gras und Feuer. „Alles wird durch ihre Tänze für sie lebendig“, erläutert mir Tex. Nahezu alle Tänze handeln jedoch vom Leben der Tiere. Ein Tänzer dreht sich beispielsweise um, wie eine Hyäne, die dabei ist, ihre Beute zu verzehren, während sie aber gleichzeitig damit beschäftigt ist, Schakale, die ihr die Nahrung streitig machen wollen, von sich und der Beute abzuhalten. Ein anderer Tanz handelt von einem Antilopenbock, der Kuh und Kalb vor einem Rivalen schützen will. Zum Schluß eilen zwei Jäger herbei und erlegen sie alle miteinander - die Buschmänner jubeln aus Dank für die große Portion Fleisch, die sie auf einen Schlag bekommen haben. Es kommt vor, daß eine der Frauen plötzlich aufspringt und eine kurze Zeit innerhalb und außerhalb des Kreises der Männer mittanzt, wobei sie umarmende Bewegungen macht. Alle werden wie in Trance mitgerissen, selbst ältere Frauen mischen im allgemeinen Trubel mit. Solche Tänze können oft bis zum Morgengrauen dauern. Aber eine Stunde vor Mitternacht richten sich die Blicke begehrlich auf die beiden Kessel, aus denen es dampft und verführerisch duftet. Ich sage zu Tex, daß die Buschmänner getrost essen könnten, denn der Tanz gilt uns als Dankeschön für die „gestiftete“ Mahlzeit. Wie bedanken uns beim Chef der Sippe. Unsere wechselseitigen Antworten und Fragen werden immer übersetzt. Alle Anwesenden sind zufrieden. 83

Um etwaigen Streit zu vermeiden, wählt man drei Personen aus, die darauf achten, daß das Verhältnis Maismehl zu Fleisch stimmt, dann werden die Portionen ausgegeben. Dabei geht es natürlich lautstark zu. Die Ureinwohner Afrikas sind glänzender Laune. Jedes Mitglied der Gruppe bekommt seinen Teil des Mahles ab. Der Geruch vom Fleisch breitet sich aus. Unterhaltung und Lachen klingen froher und lauter denn je. Ich drehe mir noch eine Zigarette vor dem Schlafengehen und bespreche mit Peter den heutigen Tag - rundum gelungen!

Unbekanntes Volk Es ist früh am Morgen. Tex und Peter schlafen noch. Ich habe bereits um 6 Uhr das Feuer wieder entfacht, was nicht weiter schwer war. Wer schon seine liebe Not mit dem ständig feuchten Holz im tropischen Regenwald hatte, ist für das knochentrockene Holz in der Kalahari dankbar. Man schiebt zuerst einige dünne Ästchen in die Glut, die sich immer bis morgens hält, und legt darauf fingerdicke Holzstücke. Etwas pusten, und die Flammen lodern in die Höhe. Jetzt kann man armdicke Knüppel darauflegen - sie fangen mühelos Feuer. Ein Traum für jeden Camper in der Wildnis. Nach dem Frühstückskaffee mache ich, wie jeden Tag, meine Eintragungen ins Tagebuch. Dafür benötige ich täglich etwa zwei Stunden, um auf dem laufenden zu bleiben. Tex ist der nächste, der unter seinen Decken auf der Ladefläche des HiLux hervorblinzelt und gespielt erstaunt seinen Kopf schüttelt. „The water is hot, it's ready for Coffee!“ rufe ich ihm aufmunternd zu. Meistens sitze ich frühmorgens schon mit Tex am Lagerfeuer. Wenn ich einmal allein bin, genieße ich still den Sonnenaufgang über der endlosen Weite. Ich schreibe noch, als sich schließlich auch Peter zu uns gesellt. Mit Chris habe ich vereinbart, daß wir heute den Buschmannalltag kennenlernen wollen. Diese freundlichen Menschen, das weiß ich bereits, haben nichts dagegen. Das Dorf, genauer gesagt, die einzelnen Hütten stehen nicht wie sonst eng beieinander. Sondern dadurch, daß zwischen ihnen auch Hereros leben, wohnen die einzelnen Buschmannsippen für sich. Wir spazieren von Hütte zu Hütte und lassen uns bei bekannten Gesichtern am Feuer nieder. Zwei ältere Frauen bearbeiten die Haut eines Springbocks. Dazu wird die Tierhaut mittels Holzpflöcken auf die Erde gespannt. Die Innenseite wird 84

streifenweise abgekratzt und das Abgekratzte, hauptsächlich Fett, gegessen. Danach wird die Tierhaut gegerbt. Das geschieht, wie mir bekannt ist, indem man mit einem Stein den Sud einer bestimmten Sorte von Holzspänen in sie hineinreibt. Alle nicht eßbaren Teile eines Tieres finden ebenfalls ihre Verwendung. Die Blase wird z. B. aufgeblasen und getrocknet und dient später als Wasserbehälter. Die Sehnen des Tieres werden herausgeschnitten, gesäubert, gestreckt und in der Lagerfeuerasche geschmort, damit sie nicht zur Fäulnis übergehen. Die Knochen werden zersplittert und zu den verschiedensten Gerätschaften verarbeitet. Außer einigen wirklich nicht verwertbaren Teilen wie z. B. einzelnen Knochen, wird so gut wie nichts weggeworfen. Die Buschmänner können fast alles gebrauchen. Wir beobachten ein friedliches Volk, fern unserer eigenen Alltagshektik. Was wissen wir über diese Ureinwohner Afrikas? Wir kennen drei Hauptgruppen, deren Sprachen erheblich voneinander abweichen können, etwa wie Englisch, Französisch oder Deutsch. Die sogenannten „Heikum“Buschmänner sollen im östlichen Teil des Ovambolandes leben - es gibt aber nur noch wenige Menschen dieses Stammes. Dann existieren da die „Auen“ - Buschmänner in der Südkalahari. Aber auch hier sind es nur noch wenige, die ein selbständiges Stammesleben führen. Bei weitem die größte dieser Hauptgruppen stellen die !Kung-Buschmänner dar, die noch in größerer Anzahl in der nordwestlichen und zentralen Kalahari leben. Sie werden als die „rassenreinsten“ Buschmänner angesehen, obwohl man auch hier nicht selten viele Spuren einer Vermischung mit den Bantus beobachten kann. Wieviele Buschmänner heute noch existieren, ist schwer einzuschätzen. Vor Jahrzehnten schon bemühten sich Regierungsexpeditionen und einzelne Wissenschaftler um einen ungefähren Überblick zu gewinnen, indem sie mit möglichst vielen der Wildbeutergruppen Kontakt suchten. In einem natürlich mittlerweile veralteten wissenschaftlichen Bericht aus dem Jahre 1956 wurde die Zahl der Buschmänner im Staat Südafrika mit etwa 20 000 veranschlagt. Die gute Hälfte davon führte 1960 noch das „primitve“, mehr oder weniger nomadische Stammesleben. Fast alle von ihnen gehörten den !Kung an. Für Betschuanaland wurde die Zahl mit etwa 30 000 Menschen angegeben. Auch von ihnen konnte man damals gut die Hälfte der Lebensweise der Jäger und Sammler zuordnen. Ein großer Teil der anderen 50 Prozent lebte aber bereits davon, daß er zeitweise auf europäischen Farmen oder für Bantustämme am Rande der Kalahari arbeitete. Im benachbarten Angola soll es zur damaligen Zeit etwa 4-8 000 Buschmänner gegeben haben. Heutzutage würde ich von den genannten Zahlen noch einmal die Hälfte abziehen. Das klingt zwar immer noch recht beeindruckend, aber, gemessen an den Hunderttausenden von Quadratkilometern der Kalahari, ist es eine ver85

schwindend geringe Anzahl von Menschen, und ihre Anzahl sinkt ständig weiter. Als vor 34 Jahren eine erste Gesamtübersicht, herausgegeben vom International African Institute, erschien, erregte dies bei den Ethnologen, die sich seinerzeit mit den Buschmännern beschäftigten, einiges Aufsehen. Man hatte die Anzahl noch lebender Buschmänner viel geringer eingeschätzt - die kleinen Jäger hatten sich in der öden Kalahari gut versteckt. In dieser Gesamtübersicht schreibt Jens Bjerre, ein dänischer Ethnologe, über die Buschmänner: „Im Gegensatz zu den Bantu und anderen Stämmen haben die Buschmänner kein gemeinsames Oberhaupt. Sie leben in erweiterten Familiengruppen, sogenannten Jagdscharen, ebenso wie die australischen Ureinwohner vor geraumer Zeit. Im allgemeinen leben zwei bis acht Familien zusammen in einer Gruppe, deren Größe von der in der betreffenden Gegend verfügbaren Nahrungsmenge abhängt. Jede einzelne Gruppe hält sich streng an ihr überliefertes Jagdgebiet und ist niemals im Zweifel darüber, wie weit es sich erstreckt. An diesen Grenzen hört, genaugenommen, ihre physische Welt auf. In der Regel weiß man nur wenig von den Nachbargruppen, von denen man sich die Frauen holt und die man gelegentlich besucht.“ Jede dieser „erweiterten Familiengruppen“ ist eine vollkommen unabhängige kleine Gemeinde für sich. Auch innerhalb der einzelnen Clans gibt es kein eigentliches Oberhaupt, sondern nur eine Art Häuptling oder den Ältesten, die man um Rat fragt, wenn es sich darum handelt, wichtige Entschlüsse zu fassen. Es ist stets derjenige, der die größte Erfahrung und natürliche Führereigenschaften besitzt. Aber er hat keine eigentlichen Machtbefugnisse, und ein Rivalentum existiert überhaupt nicht. Oft ist der Führer auch gleichzeitig der Medizinmann der Gruppe, der die Zeremonien und entsprechenden Rituale wahrzunehmen hat. Ich kann mir nicht verkneifen, dieses System unseren Politikern zu empfehlen ... Je besser man die Buschmänner kennenlernt, desto mehr bewundert man die harmonische Anpassung ihrer ganzen Lebensweise an die herrschenden Umstände. Die einzelnen Gruppen der !Kung sind zwar als kleine, unabhängige „Verbände“ über die ganze Kalahari verstreut, aber doch wieder wie mit einem unsichtbaren Faden miteinander verbunden. Nicht nur durch ihre gemeinsame Sprache, sondern durch eine ganz außergewöhnliche Form der Namensverwandtschaft, die den Umgang miteinander im Notfall sehr erleichtern kann. Im Gegensatz zu unseren Namensvettern in Europa bedeutet das für einen Buschmann, daß er mit jedem, der den selben Namen trägt wie er oder eines seiner Familienmitglieder, eine gewisse „Verwandtschaft“ empfindet. Obwohl es sich nicht um Blutsverwandtschaft handelt, wird 86

doch ein Mann die Bezeichnung „Bruder“ demjenigen geben, der den selben Namen hat wie sein leiblicher Bruder - auch wenn es sich bei dem anderen um einen Wildfremden handelt. Buschmänner sind im Regelfalle sehr vorsichtig, aber zu denen, oder deren Familie, mit der ihn Namensgleichheit verbindet, hegt er ein gewisses Vertrauen und Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Namensverwandtschaft hilft so, Kontakte zwischen an sich voneinander isolierten Gruppen zu schaffen, so daß man möglicherweise Freunde trifft, wenn man auf Fremde in der Nähe der Grenze stößt. Je mehr ich mich im Laufe unserer Expedition mit den Buschmännern beschäftige, desto mehr lerne ich. Buschmänner haben eine recht schnelle Auffassungsgabe und einen wirklichen Sinn für Humor. Während unseres Aufenthaltes hier und auch an späteren Stätten konnte ich keinen einzigen Fall von ernsthaftem Schimpfen oder Streiten beobachten. Solch ein Vorgang wäre auch recht ungewöhnlich, denn man muß bedenken, wie eng sie miteinander und beieinander leben, und daß sie nahezu alles miteinander teilen. Gerade der Umstand, daß sie keine Geheimhaltung oder Geheimnisse voreinander haben, verleiht ihnen Sicherheit und Vertrauen - sie erwarten keinerlei Überraschungen von ihren Mitmenschen. Das natürliche Gefühl der Zusammengehörigkeit besteht bei den Buschmännern offenbar von Geburt an. Kinder sind eine Art Gemeinschaftseigentum. Wenn auch die Mütter vorzugsweise ihre eigenen Kinder betreuen, so kann man doch oft sehen, daß sie andere Kinder herumtragen und sich mit ihnen beschäftigen, ja sogar stillen, wenn sie hungrig sind und ihre Mutter gerade nicht in der Nähe ist. Die größeren Kinder essen mal bei der einen, mal bei der anderen Familie, je nachdem, wie hungrig sie sind und das Essen gerade fertig ist. Der ganze Wohnplatz ist ihre gemeinsame Heimat. Die Kinder helfen auch beim Sammeln von Nahrung und Feuerung für die Alten, die nicht mehr so gut zu Fuß sind. Am Beispiel der Erwachsenen lernen sie die verschiedenen Grundsätze, auf denen die Gesellschaft aufbaut, nämlich die vorhandene Nahrung miteinander zu teilen und einander zu helfen. Bei inneren Streitigkeiten, Eifersüchteleien, Egoismus oder Habgier könnten sie angesichts der äußerst harten Umweltbedingungen niemals überleben - sie haben ganz einfach keine andere Wahl, als in Frieden miteinander zu hausen (Siehe auch Kapitel „Chris“, Seite 119; Anm. d. Autors). Die Kinder werden darin erzogen, die Überlieferung und die herrschenden Stammesgesetze als das einzig Mögliche zu akzeptieren. Auch eine aufrührerisch und wild veranlagte Natur wird sich hier beherrschen und sich einer Auflehnung gegen die Gesellschaft und die „öffentliche Meinung“ enthalten. „Das Schlimmste, was ein Mann tun 87

kann, ist, wenn er mit einem Angehörigen der Sippe Streit anfängt. Das ist unwürdig und dumm und alle schauten auf denjenigen herab, der ein solches Verbrechen beginge.“ Wie streng und unwiderruflich so etwas bestraft werden kann, sollten Peter und ich noch später erleben - jetzt freilich hatten wir keine Ahnung, wie die Praxis aussah. „Ein Junge, der beispielsweise aggressive Neigungen zeigt, wird von allen Erwachsenen unter Aufsicht gehalten und auf lange, harte Jagdfahrten mitgenommen, damit er vernünftig wird und Disziplin lernt. Das Nächstschlechte, was ein Mann tun kann, ist das Anfertigen fehlerhafter Pfeile, dienen diese doch der überlebenswichtigen Nahrungsbeschaffung.“ Soweit ich weiß, existieren auch in den Sagen der Buschmänner keine Helden, die sich damit brüsten, andere bekämpft zu haben. Sicher, jeder Mensch hat gewisse „dunkle Leidenschaften“ in der Tiefe seines Herzens. Dieses Element schlummert bei den meisten ganz tief unten in der Seele. Bei manchen allerdings erwacht es und wird offenbar - es bricht in ungehemmten Träumen durch oder aber in bewußten Handlungen, zum Beispiel so, daß man von Zeit zu Zeit an brutalen, gewaltsamen Auslassungen Gefallen findet. Nur, und jetzt komme ich zum Punkt, es ist ein himmelweiter Unterschied, ob es sich dabei um einen Western oder wirklich gut gemachten Antikriegsfilm handelt, oder um blutige Realität. Hätten wir, oder besser gesagt, würden wir uns mehr Zeit für die Erziehung unserer Kinder nehmen, würde die Jugendkriminalität vermutlich andere Statistiken aufweisen ... „Auch die Buschmänner haben ihre Ventile für die Urinstinkte, für die zerstörerischen Triebe, die Schwierigkeiten heraufbeschwören können, wenn sie nicht in der einen oder anderen Form reguliert werden. Das kann man aus verschiedenen volkstümlichen Legenden ersehen, in denen es sich um den prickelnden Drang zum Bruch von Tabuvorschriften handelt oder darum, etwas zu tun, was von den anderen als anstößig empfunden wird. Aber zum Schluß der Geschichte wird der „Verbrecher“ meistens - nicht immer - für seine Untat bestraft und die Moral herausgestellt. Im täglichen Leben wird zum guten Betragen stets ermuntert. Ein tüchtiger Jäger und eifriger Teilnehmer an den Zeremonien wird von seinen Freunden respektiert und kann der Anerkennung der Alten der Gruppe sicher sein. Natürlich kann unmöglich immer eitel Sonnenschein herrschen, Uneinigkeiten können sicher nicht generell vermieden werden.“ Geringere Meinungsverschiedenheiten werden von Freunden und Verwandten geglättet. In ernsthafteren Fällen wird von den älteren Männern ein salomonisches Urteil gefällt, wobei der Zusammenhalt immer den Vorrang vor allen anderen Gesichtspunkten genießt. 88

Ÿ Unvergeßlich: Ein Kalahari-Sonnenuntergang ... Ż Vorige Seite: Als Pfeife dient ein altes Metallröhrchen. ź Auf der Suche nach der Wasserquelle in den Tsodilo Hills.

Ÿ Die Brücke am Nordeingang zum Moremi-Wildpark. Ż Vorige Seite: Er macht sich noch keine Sorgen um seine Zukunft. ź Eine Leierantilope im Okavango-Delta.

Es ist immer erstaunlich: Die vorherrschende, gegenseitige Güte, die ihrem ganzen Leben ihren Stempel aufdrückt. Der Begriff des Stehlens ist bei den Buschmännern praktisch unbekannt sie hätten ja auch keine Möglichkeit, das Eigentum eines anderen zu verbergen oder gar Gebrauch davon zu machen. Wir können alles stehen- und liegenlassen, selbst meinen Dokumentenbeutel mit meinem Reisepaß oder das Täschchen, indem ich mein ganzes Geld aufbewahre, lasse ich irgendwo auf einem Kanister liegen - es kommt nichts weg. Sie nehmen zwar dankbar an, was wir ihnen geben, würden sich aber niemals einfach etwas aneignen. Das Gefühl der Gemeinsamkeit ist ein derart lebendiger Teil ihrer Natur, daß dies auch physisch zum Ausdruck kommt. Und wenn die Hitze noch so groß ist, sie drücken sich oft derart aneinander, daß sie sich gegenseitig berühren. „Psychische und physische Gemeinschaft verleihen den Buschmännern Sicherheit - als Mensch unter Menschen. Diese „primitiv“ lebenden Menschen bringen in ihrem Gemeinschaftsleben das Schönste zum Ausdruck, das man bei uns leider nur selten findet: Den Mann, der sich den anderen gegenüber anständig benimmt; Mutter und Kind, durch gegenseitige Liebe miteinander verbunden, Kinder, die zu alten Menschen freundlich sind. Und das alles findet man auch in ihren Liedern, Sagen und Erzählungen, in ihren Spielen, in der gegenseitigen Besorgtheit - Zeichen von Demut und bewußter Kraft. Das ist Kultur! Diese Leute sind in Wirklichkeit schon viel zu kultiviert, als daß wir sie noch „zivilisieren“ könnten. Wenn man ihnen nur gestattet, in Frieden von den Pflanzen und Tieren ihres eigenen Landes zu leben, haben sie alles, was sich der Mensch vom Leben nur wünschen kann. Sie wünschen sich nichts weiter. Das einzige, was wir mit all unserer Technik, unserem Wissen und unserem Reichtum geben können, ist ein bißchen Tabak und etwas Salbe für ihre Augen. Alles andere würde im Endergebnis ihnen nur Schaden bringen.“ Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer vielleicht einer Bitte: Verständnis für die letzten Naturvölker der Welt aufzubringen, bevor auch sie von unserem Planeten für immer verschwunden sein werden ...

Buschmannalltag In seinem Buch „Kalahari“ beschreibt Jens Bjerre anschaulich den Alltag der Buschmänner, der ja in Wirklichkeit ein Alltag in der Urzeit ist: „Sobald 89

sich am Osthimmel das erste bleiche Licht zeigt, fängt das Lager an, langsam aufzuwachen. Das erfolgt fast unmerklich. Ein Mann gähnt und streckt sich, dann rollt er sich aus seiner Felldecke, reibt sich den Schlaf aus den Augen und geht dann leise ein Stück ins Gebüsch hinein und verschwindet im Gras. Kurz darauf erhebt sich ein anderer von seinem Lager und fängt an, in der Glut der Feuerstelle, die sich die Nacht über gehalten hat, herumzustochern. Jetzt kommt ein dritter und setzt sich ganz nahe zu ihm hin, um sich am Feuer zu wärmen. Jetzt wird die Stille des Morgens ganz behutsam durch die leise Unterhaltung einiger Frauen, die sich eng aneinandergeschmiegt vor eine Hütte hinsetzen, unterbrochen. Ihren Karoß, den Umhängemantel aus Fell, haben sie bei den noch schlafenden Kindern gelassen. Eine Frau nimmt sich etwas Glut aus dem Feuer und zündet ihre Pfeife an, die dann im Kreise herumgeht. Nun sind auch ein paar Kinder aufgewacht, trippeln zur Mutter hin und schmiegen sich an sie. Auch sie wagen die Stille nicht zu stören, bevor es ganz hell geworden ist. Nun sind schon mehrere Feuer wieder in Brand; die Stimmen werden etwas kräftiger. Ein plötzlicher Ausbruch von Gelächter weckt auch den letzten Schläfer. Der Tag hat begonnen. Während der nächsten Stunde herrscht lebhafte Tätigkeit. Die Reste der Abendmahlzeit werden gewärmt und aufgegessen. Einige Mütter stillen ihre Kleinen. Männer bringen Feuerholz angeschleppt. Die Kinder fangen an herumzulaufen, und ihr Lachen hört man weithin durch die Morgenstille. Aber so allmählich leert sich der Wohnplatz. Nur ein paar Alte und einige Kinder bleiben zurück. Die Männer sind fort zur Jagd, einige schon in frühester Dämmerung. Fast immer gehen zwei miteinander. Die meisten Kinder sind zusammen mit den Frauen auf der Nahrungssuche. Das Kleinste hängt in einem Lederbeutel auf dem Rücken der Mutter, so daß diese die Hände für die Arbeit frei hat. Mehrere Male gehe ich mit den Frauen fort und bewundere sie immer mehr wegen ihres sprudelnden Humors, ihrer Energie und Intelligenz. Wenn sie eine Biene sehen, dann wird sie bis zu ihrem Bau verfolgt. Ist dort nur wenig Honig zu finden, dann wird er an Ort und Stelle belassen, bis die Bienen noch mehr gesammelt haben. Zur Markierung werden ein paar Zweige zusammengebunden, und damit sind auch Nest und Honig als „Eigentum“ gekennzeichnet. Wenn sie einen Busch finden, der Beeren trägt, so lassen sie stets einige davon als kleine Reserve für schlechte Zeiten übrig. Das gleiche geschieht, wenn sie mit ihren Grabstöcken nach Zwiebelknollen, den „uintjies“ suchen. Die kleinsten davon werden zurückgelassen, damit sie 90

noch weiterwachsen können. Das gleiche gilt auch von einer Art Süßkartoffeln, länglichen weißen Wurzelknollen. Das ganze Land in weitem Umkreis ist ihr von der Natur selbst angelegter Garten, und sie sind mit ihm so vertraut, daß sie genau wissen, wo und zu welcher Jahreszeit sie die verschiedensten Gaben der Natur finden können. Während sich die Frauen in kleinen Gruppen über die Ebene mit den verstreuten Bäumen und Büschen hinbewegen, wächst der Inhalt ihrer Ledertaschen. In dieser trockenen Jahreszeit steht ein guter Vorrat an den nahrhaften Wurzeln des Tschiwibaumes zur Verfügung. Beim Gehen sehen sich die Frauen von Zeit zu Zeit um und bleiben fast stets in Sehweite zueinander. An den Blättern eines bestimmten Busches kann man sehen, ob es Larven in seinen Wurzeln gibt. Die größeren Kinder, die bei den Frauen sind, helfen fleißig mit und jubeln laut, wenn einmal etwas besonders Gutes gefunden wird - wenn es beispielsweise gelingt, eine Eidechse oder eine Schildkröte aus dem Sand zu graben. Selbst die Frauen brechen in Freudenschreie aus und rufen sich die gute Nachricht gegenseitig zu. Einige Mädchen singen und summen beim Gehen. Sie dichten ihre Lieder aus dem Stegreif. Zum Lachen und zu einem Freudensausbruch brauchen sie nur wenig. Sie freuen sich schon allein über ihr Leben. Wenn die Frauen der Ansicht sind, daß sie genügend gesammelt haben, begeben sie sich auf den Heimweg, in der Regel gegen Mittag. Da ist es in dieser Jahreszeit so unheimlich heiß, daß die meisten den Schatten der Hütte aufsuchen und sich eine Weile hinlegen oder wenigstens still dort sitzen und sich mit der einen oder anderen Arbeit beschäftigen. Wenn die Jäger nicht allzuweit fortgegangen sind, kommen sie ebenfalls um die gleiche Zeit zurück - allerdings können sie auch ein paar Tage wegbleiben, wenn sie ein bestimmtes Tier verfolgen. Manchmal kommen sie mit leeren Händen wieder oder nur mit einer geringen Beute, einer Schlange, einer Eidechse, einem Stachelschwein oder einer Hyäne. Jedesmal, wenn die Jäger heimkommen, herrscht eine gewisse Spannung im Lager, bis man das Ergebnis der Jagd sieht oder aber nur davon hört. Aber jetzt, in der Trockenheit, wird das Wild immer seltener, zumal auch viele Wasserlöcher austrocknen. Aus diesem Grunde sind es zum größten Teil die Frauen, die für den Lebensunterhalt sorgen müssen. Ihre Arbeit ist mehr oder weniger routinemäßig und nicht so sehr vom Glück abhängig. Sie bringen immer das eine oder andere Eßbare nach Hause. Am Spätnachmittag, wenn sich die Sonne den Bäumen im Westen nähert, kommt wieder mehr Leben ins Lager. Jeder ist mit irgendeiner Arbeit beschäftigt, bis es allmählich dunkel 'wird. Einige Frauen gehen mit leeren 91

Straußeneierschalen und ausgehöhlten Flaschenkürbissen hinunter zum Wasserloch, um Wasser zu holen. Andere beginnen mit dem Zubereiten der gesammelten Nahrungsmittel. Die Männer gehen Holz für das nächtliche Lagerfeuer sammeln. Die Kinder hören mit Spielen auf und helfen, so gut sie können. In der stillen Luft steigt der Rauch der vielen Feuer schnell hoch und bedeckt wie ein Schleier den Wohnplatz. Für einige Minuten liegt dann ein unwirkliches, violettes Dämmerlicht auf dem Lande. Die letzten Sonnenstrahlen lassen das Gras wie ein orangegoldenes Feuermeer erglühen. Büsche und Bäume bilden ein scharfgezeichnetes Netz von Silhouetten gegen den flammenden Westhimmel. Es ist, als ob dieser zarte Abschied des Tages sich auch auf die Menschen auswirke. Unwillkürlich wird das Gespräch leiser und leiser. Erst wenn die Nacht den Tag ganz abgelöst hat, beginnt wieder eine lebhafte Unterhaltung mit Gelächter und Rufen. Etwas Holz wird nachgelegt, man sammelt sich in kleinen Grüppchen um die verschiedenen Feuer und ißt, raucht oder plaudert. Aber nach einigen Stunden senkt sich langsam Ruhe auf den Wohnplatz nieder. Die Kinder sind mittlerweile eingeschlafen und werden zugedeckt. Einer nach dem anderen rollt sich in seinen Karoß. Die Unterhaltung verstummt allmählich - wie ein Uhrwerk, das abgelaufen ist. Ab und zu wimmert ein Kind im Schlaf. Ein Feuer nach dem anderen fällt zu einem Gluthaufen zusammen. Jetzt ist es ganz still geworden - nur der Mond segelt über den Himmel.“

Feuer Meist nehmen die Buschmänner das benötigte Feuer aus der Glut einer Feuerstelle vom Vortage. Das „Buschmannfeuerzeug“, das benützt wird, wenn keine Glut vorhanden ist, besteht aus etwa zwei jeweils 25 cm langen Holzstäben. Diese Feuerstöcke sind etwa so dick wie mein kleiner Finger und recht einfach verziert. Den einen, der eine kleine Höhlung an der vorderen Seite aufweist, legt der Buschmann auf den Boden. Er wird entweder von einem zweiten Mann festgehalten, oder der Feuermacher hält ihn mit einem Fuß fest. Während des gesamten Vorgangs sitzt er dabei auf dem Boden. Ein kleiner Büschel trockenen Grases oder trockener Tierdung kommt entweder 92

unter das untere Stäbchen, oder wird daneben gelegt. Den zweiten Stab steckt er nun in die Höhlung und dreht den ersten zwischen den Handflächen sehr schnell hin und her. Der Vorgang ist klar: Es wird Reibungswärme erzeugt. Um das Ganze noch zu unterstützen, ist das Stäbchen mit der Öffnung aus Hartholz, das andere aus weichem Holz. Schnell kräuseln kleine Rauchwölkchen empor. Die entstehenden Funken werden auf das trockene Gras geblasen. Etwas hineingepustet, und schon brennt das Gras. Rasch kleine, trockene Ästchen darüber und die Flammen greifen um sich. Ich kann auch beobachten, daß sich Buschmänner blitzschnell beim „Feuerreiben“ abwechseln und überhaupt gemeinsam kooperieren. Es ist das „Gewußt wie“ und einfachste Physik, die hier ihre Anwendung finden.

Die Herstellung der Pfeile und des Pfeilgiftes Ein wichtiges Kapitel im Leben der Buschmänner nimmt die Herstellung der Pfeile und des Pfeilgiftes ein. Diese Jäger sind auf beides angewiesen - es ist mehr oder weniger ihre Existenzgrundlage. Die Pfeilspitzen selbst werden aus Stahldraht, den die Buschmänner bei den Hereros eintauschen, gefertigt. Als Amboß dient ein flacher Stein, als Schmiedehammer ein Stück Alteisen. Die Metallteile hat man sich von Nachbargruppen eingehandelt, diese haben sie wieder von anderen Gruppen bekommen - der Weg führt zwangsweise über viele Umwege in die Zivilisation zurück. Früher wurden die Pfeilspitzen aus Knochen gefertigt, aber solche findet man heute nur noch äußerst selten, und auch nur dann, wenn die Buschmänner keine Gelegenheit hatten, sich ein Stück Metalldraht einzutauschen. Mit unendlicher Geduld hämmert der Buschmann den Stahldraht flach und schleift ihn dann zu einer kleinen Pfeilspitze zurecht. Mit einer hauchdünnen Sehne wird die Spitze an ein etwa bleistiftlanges, gespaltenes Hölzchen befestigt, das er dann in einen hohlen, etwa dreißig Zentimeter langen Halm des Elefantengrases hineinschiebt, der den Pfeilschaft bildet. Die Spitze sitzt also lose im Schaft, damit das verwundete Tier nicht den ganzen Pfeil abstreifen kann, wenn es ins Gebüsch flieht. Denn in diesem Falle fällt nur der Schaft zu Boden, und die vergiftete Spitze bleibt in der Wunde stecken. Zum Ausgleich für die verhältnismäßig schwere Spitze wird ein Holzstäbchen in den Hohlraum am hinteren Ende des Schaftes eingeführt. Um beide Enden wird anschließend noch eine dünne Sehne gebunden, damit der 93

Schaft nicht splittert. Jedem Pfeil wird äußerste Sorgfalt zuteil; er wird in der Hand gewogen und auf der Fingerspitze ausbalanciert - dementsprechend lange dauert die Pfeilherstellung. Bevor ein Buschmann auf einem Pfeil das todbringende Gift aufträgt, untersucht er zuerst seine Hände nach irgendwelchen Schrammen oder sonstigen Verletzungen, er geht dabei sehr sorgfältig und bedächtig vor, denn er weiß um die verheerende Wirkung der Gifte. Es ist eine irrige Annahme, wenn man glaubt, daß nun die Pfeilspitze in die tödliche Flüssigkeit getaucht wird. Gerade die bleibt vom Bestreichen des Giftes ausgenommen. Die Gefahr wäre einfach zu groß, daß man sich an den kleinen, äußerst scharfen Spitzen verletzt und selbst ein Opfer des Giftes wird. Ich habe viele Pfeile geprüft und mit nach Hause gebracht, die kleinen, gehämmerten Pfeilspitzen sind wirklich mit Vorsicht zu genießen ... Die Buschmänner bewahren die giftigen Substanzen stets verschlossen auf, sei es in einem Stück Horn, das sorgsam mit einem Stück Leder verschlossen wird, oder einem anderen geeigneten Behältnis. Der Pfeilschaft wird nun mit der giftigen Substanz bestrichen, die Spitze bleibt, wie gesagt, dabei ausgespart. Das Auftragen des Giftes kann mehrmals erfolgen, je nach Art und Zusammensetzung. Zum Schluß wird der so präparierte Pfeil mit der Spitze nach oben in den Sand gesteckt, damit das Gift trocknen kann. Während des gesamten Vorgangs kommen weder Frauen noch Kinder in die Nähe. Das von den Buschmännern verwandte Gift stammt von verschiedenen Tieren. Meist handelt es sich um getrocknete Larven oder Puppen, die die Buschmänner in diesem Zustand bei sich führen- meist im „Medizinbeutel“. Erst bei Bedarf werden diese zerrieben und dann ein Pulver hergestellt, das das Nervensystem eines Tieres (oder auch eines Menschen) langsam aber hundertprozentig sicher lähmt. Gifte werden beispielsweise auch aus der Flüssigkeit der Diamphidia Simplex-Larve oder von der Nymphe des Käfers Giamphidia Locusta gewonnen. Letztere sind vornehmlich unter den Wurzeln eines kleinen Busches (Adenium bohemianum) zu finden. Gegengifte sind bis heute nicht bekannt. Eine leichte Verletzung genügt - das Ende des Opfers ist nicht mehr aufzuhalten. Ein kleineres Tier stirbt innerhalb weniger Minuten. Eine größere Antilope kann noch mehrere Stunden leben, nachdem sie das Gift in ihren Körper bekommen hat. Ein weiterer Vorteil der verwendeten Gifte: das Fleisch der Beutetiere nimmt das Gift nicht an. Die Buschmänner schneiden es daher nur unmittelbar um die Wunde herum weg. Was nun, wenn die Buschmänner die geeigneten Larven zur Giftgewinnung nicht finden? Ein untergeordnetes Problem, denn die !Kung verfügen 94

über mehrere Sorten Gifte, die man bis heute noch nicht näher kennt. Es deutet auf Erfahrungen vieler Generationen hin, daß Buschmänner jederzeit in der Lage sind, sich ein geeignetes Gift für ihre Pfeile zu verschaffen. Sie sind der Natur so nahe, daß ihnen nichts fremd ist. Wenn keine Pflanzengifte zur Hand sind, verwenden sie die Gifte von Schlangen wie das der Puffotter oder der Gelben Kobra, oder sie greifen zu den Giften von Falltürspinnen oder Skorpionen. Sie wissen auch in der Regenzeit kleine Wasserlöcher mit den Zweigen der Euphorbia candelabra, einem Wolfsmilchgewächs, zu vergiften. Es wurde sogar schon behauptet, daß Buschmänner Leichengifte ausziehen und Gegengifte herstellen können. Viele von ihnen sind beispielsweise immun gegen Skorpionstiche. Es werden zwar des öfteren Versuche unternommen, Genaueres über diese Gifte herauszubekommen, aber wie groß der heutige Kenntnisstand darüber ist, ist mir nicht bekannt. Die Buschmänner reinigen sich nach der Prozedur des Giftauftragens sofort mit Wasser die Hände. Ist kein Wasser verfügbar, hält der eigene Urin für die Sicherheit her.

Jagdmethoden und Nahrungssuche Die Lebensgrundlage der Buschmänner bildet neben dem Sammeln von vegetarischer Nahrung die Jagd - sie ist gleichsam mit der Seele eines jeden Buschmannes fest verbunden. Nicht jede Jagd verläuft gleich, es kommt ganz darauf an, um welches Tier es sich dabei handelt. Jedoch lassen sich einige grundsätzliche Verhaltensschemata herausstellen: Vor Beginn der Jagd wird zunächst geprüft, aus welcher Richtung der Wind kommt. Ein Muß, wollen die Buschmänner nicht lange vor dem Schuß von ihrer Beute gewittert werden. Man wirft dazu eine Handvoll Staub in die Luft, und die Windrichtung ist klar. Zwei Buschmänner gehen langsam und betrachten dabei den Boden, um ihn nach Spuren von Wild zu untersuchen. Bäume werden als Beobachtungsposten, gleich einem Hochstand, benutzt. Die Jäger können sich so einen besseren Überblick über die Umgebung verschaffen. Gibt es bestimmte Vögel, ist dies das sichere Anzeichen von Wasser in der Nähe. Für uns Europäer allerdings ist dieses Zeichen trügerisch. Heute weiß ich nämlich, daß 95

es einige dieser buntgefiederten Sänger gibt, die gänzlich ohne fließendes oder stehendes Wasser auskommen können. Die Buschmänner freilich wissen diese Vögel genau von den anderen zu unterscheiden, sie lassen sich durch deren Anwesenheit nicht irritieren. Bringt der Rundumblick von einem Baum kein Ergebnis, wird weiter nach Spuren gesucht. Zeichnen sich schließlich irgendwelche Tierspuren auf dem verkrusteten Boden ab, werden diese genau analysiert. An einer Stelle hat ein Tier beispielsweise auf der Suche nach Wasser ein Loch gegraben, woanders einige Gräser gerupft. Diese Zeichen lesen die Buschmänner wie in einem offenen Buch. Ist das Tier bestimmt, beginnt die eigentliche Jagd. Die Buschmänner arbeiten während der Jagd eng miteinander, so als ob sie ein gemeinsames Nervensystem hätten. Sie wechseln sich gegenseitig beim Spurensuchen und Spähen ab. Keiner gibt während der Jagd einen Laut von sich - sie dirigieren sich untereinander nur mit den Augen und kurzen Handbewegungen. Mit gespannter Aufmerksamkeit erfassen sie jedes einzelne Detail, das den Weg enthüllt, den das Tier genommen hat: Einen niedergetretenen Halm, eine kleine Vertiefung im Sand, die von den Hufen herrührt, einen gebrochenen Zweig, selbst von einem Grashalm abgeschüttelte Samenkörner, nichts bleibt ihnen verborgen. Haben sie das Tier lokalisiert, wird es noch spannender: Sie gehen langsamer, halten an, gehen in die Knie. Jeder zieht einen Pfeil aus dem Köcher, Jetzt geht es wieder weiter, noch vorsichtiger. Leise legen sie die Köcher weg, damit das Klappern der Pfeile sie nicht verrät. Irgendwann sitzen sie fast unbeweglich im Gras, unterhalten sich nur mittels kurzer Gesten. Die Tiere, die die Buschmänner bejagen, sind natürlich äußerst wachsam, sie kennen die Gefahren der Kalahari. Handelt es sich um eine Herde, haben sie „Wächter“ postiert, die den anderen jede verdächtige Bewegung signalisieren. Und diese Wächter sind wachsam. Sie blicken stets um sich, vergewissern sich laufend, ob da nicht irgendetwas sei, von dem Gefahr drohen könne. Alle Antilopenarten sind sich dann gleich. Die Oryxantilopen schauen dauernd nach hinten, von wo sie gekommen sind, vergessen aber gleichzeitig auch die Flankensicherung nicht. Die Sinnesorgane sind hellwach. Schon bei bloßem Verdacht macht sich eine gewisse Nervosität breit. Langsam und lautlos gleiten die beiden Buschmänner durch das Gras und nähern sich ihrer Beute. Schließlich sind sie vielleicht nur noch zwei Dutzend Schritte von der Beute entfernt und somit in Schußweite. Denn das ist das Problem der kleinen Jäger: Ihre Bögen tragen nicht allzu weit, die Buschmänner müssen deshalb möglichst nahe an ihre Beute heran. Sie erstarren in ihren Bewegungen, sobald das ausgewählte Tier in ihre Richtung 96

blickt. Es hat den Anschein, als schaue die Beute, ein junger Bock, den Jägern direkt in die Augen. Er müßte doch was merken! Mit einem Mal wendet er den Kopf aber auf die andere Seite - und tut nun genau das, worauf die beiden Buschmänner gewartet haben. Schnell den Pfeil auf die Sehne. Gerade will man zum Schuß kommen, da schaut der Bock wieder in die Richtung der beiden Jäger. Offenbar hat er doch etwas gemerkt und den alten, aber wirkungsvollen Trick angewandt, der darin besteht, daß man in eine andere Richtung sieht, damit sich ein Feind durch eine Bewegung verrät. Lange steht er so und starrt in Richtung der Jäger, die unbeweglich ins Gras gepreßt liegen. Endlich scheint er sich doch davon überzeugt zu haben, daß alles im Rechten sei, dreht den Kopf wieder weg und läuft einige Schritte weiter. In den nächsten Sekunden läuft das Drama auf Leben und Tod ab. Die Jäger spannen die Bögen, die Pfeile fliegen davon und bohren sich mit einem gedämpften Patschen in die Seite des Tieres. Zusammen mit den weiter weg äsenden Tieren setzt das Tier zum Galopp an und verschwindet im Gebüsch. Wer nun denkt, daß die Buschmänner wie von Furien gehetzt der angeschossenen Beute hinterherjagen, sieht sich getäuscht. Im Gegenteil, in aller Ruhe setzen sie sich ins Gras und atmen nach der großen Anspannung erst einmal hörbar aus. Sie haben gesehen, daß die Pfeile ihr Ziel trafen und können sich nun ihrer Beute sicher sein. Ab jetzt ist es nur eine Frage der Zeit, bis das Tier ihnen gehört. Wenn sie es unterlassen, den verwundeten Bock sofort zu verfolgen, dann nur aus dem Grund, weil sie es vermeiden wollen, ihn zu weit wegzujagen. Sie selbst müßten dann nur noch weiter laufen. Sie schonen ihre Kraftreserven. Die Jäger pausieren nun, entspannen sich. Einer geht zurück, um die zurückgelassenen Pfeilköcher zu holen. Sie bewaffnen sich mit einem Messer, das sie aus einem ihrer beiden Lederbeutel, den „Jagdtaschen“, entnehmen. Dann nehmen sie die Verfolgung des angeschossenen Tieres wieder auf. Es dauert nicht lange und sie stoßen auf einen der beiden Pfeilschäfte, die der flüchtige Bock im Gebüsch abgestreift hat. Anhand der Hufabdrücke sehen die Buschmänner, wie weit das Gift bereits Wirkung zeigt. Das Tier beginnt „staksig“ zu laufen, die lähmende Wirkung des Giftes setzt ein. Die Jäger folgen ihrer Beute, genau auf jedes Anzeichen der Flucht achtend. Irgendwo schließlich werden sie sie finden. Dann wird das Tier, das durch das Gift zu schwach zum Fortlaufen ist, mit dem kurzen Speer abgefangen. Die Jagd ist zu Ende. Nach dem Aufbrecken der Beute schneiden die Buschmänner das Fleisch um die vergiftete Pfeilspitze weg. 97

Bei den !Kung besteht ein eigenartiges Verhältnis zwischen dem Jäger und dem getöteten Tier, das er nur getötet hat, um sich und seinen Angehörigen Nahrung zu verschaffen. Der Jäger entschuldigt sich dafür bei seinem Opfer, erklärt ihm, weshalb er es getötet hat. Es mußte sein, um sein eigenes und das Überleben seines Volkes zu sichern. Wie gedankenlos verzehren wir dagegen das Fleisch von Tieren, die nicht das Glück hatten, die Zeitspanne ihres Lebens in der Freiheit zu genießen, sondern artfremd unter den furchtbarsten Bedingungen gehalten wurden! Auch wurde bei den Buschmännern beobachtet, daß einige immer von vorne auf das getötete Tier zugehen und aufpassen, daß der Schatten des eigenen Kopfes niemals auf den Körper des Tieres fällt. Ob aus Aberglauben oder religiösen Gründen, ich selbst konnte ein derartiges Verhalten leider nicht beobachten. Die Jäger gehen im Regelfall sofort daran, sich von dem ihnen gehörenden Fleisch an Ort und Stelle eine Mahlzeit zuzubereiten. Sie schneiden das Tier auf und entleeren Magen und Darm dadurch, daß sie sie einfach umstülpen. Dann werden die Eingeweide über einem Feuerchen geröstet, zusammen mit der Leber des Tieres, die als leckerster Teil der Beute gilt. Einen Beweis für ihren ausgezeichneten Orientierungssinn liefern die Buschmänner dadurch, daß sie nun nicht auf ihren eigenen Spuren zurücklaufen, sondern das Zickzack des Anpirschens geschickt abschneiden. Das Ganze selbstverständlich ohne Karte und Kompaß. Bei jedem Naturvolk, das ich besuche, schüttle ich immer wieder erstaunt den Kopf: Welche Fähigkeiten sind uns Europäer doch im Laufe der Jahrtausende abhanden gekommen. Buschmänner benötigen keinen Satelliten-Navigations-Empfänger und auch auf die Batterien dazu können sie getrost verzichten ... Für einen Buschmann ist die Jagd das anspornendste Element im ganzen Dasein seines Lebens. Die Jagd gibt den Buschmännern die Inspiration für das Dasein selbst und hält sie wach und vital. Ja, sie ist so tief in jedem einzelnen Buschmann verwurzelt, daß man beinahe von einer Religion sprechen kann. Darum bildet die Jagd auch so oft das Motiv für Lieder, Tänze und Erzählungen. Es ist nur natürlich, daß sich diese fast religiöse Einstellung gegenüber Tieren, wie sie in den alten Felsmalereien zum Ausdruck kommt, auch in den Mythen und Liedern der Buschmänner wiederfindet. Der Buschmann kann sich nicht damit abfinden, die Erde zu bebauen oder Haustiere zu halten. Seine Naturinstinkte sind so stark, daß er fürchtet, er würde dadurch seine Seele verlieren. Ihm das Jagen zu verbieten, wie man es in der Kalahari des Tierschutzes halber an verschiedenen Plätzen getan hat, bedeutet nichts anderes, als ihm das Leben zu verbieten. Mit einem Ver98

bot erstickt man förmlich seinen Lebenswillen - ein Buschmann wird durch derartige Maßnahmen zwangsläufig dahinsiechen. Wenn die Buschmänner nicht größere Tiere jagen, z. B. Giraffen, oder wenn die Jahreszeit, vielleicht bedingt durch lange anhaltende Trockenzeit, nicht viel an Großsäugern hergibt, so ist das für die Buschmänner noch lange nicht das „Aus“. Zu ihren gebräuchlichen Jagdmethoden, um kleineres Wild zu erlegen, fährt Jens Bjerre weiter aus: „Frühmorgens kann sich ein Buschmann an einem Wasserloch postieren, wo Vögel, die auf das kostbare Naß angewiesen sind, zur Tränke kommen. Er hat dann eine kleine Keule bei sich, stellt sich damit hinter einen Baum, Busch oder Felsen und wartet dort unbeweglich darauf, daß sich ein Vogel über ihm in die Krone des Baumes setzt. Dann schleudert er die Keule mit seiner ganzen Kraft nach dem Vogel. Ab und zu hat er Glück und bricht dem Vogel die Flügel, aber meist wird er mit leeren Händen nach Hause kommen. Man wartet stets einige Tage, bis man sich wieder dieser Methode bedient, damit man die Vögel nicht verscheucht. Auch Schlingen werden gelegt. Und das wird äußerst geschickt ausgeführt: Ein langer, dünner und elastischer Stab wird in die Erde gesteckt, eine aus Sehnen gedrehte Schnur an das freie Ende gebunden und dieses damit im Bogen zum Boden hinuntergezogen. Dort wird aus der Schnur eine Schlinge gebildet, die durch ein paar kleine Stäbchen an Ort und Stelle gehalten wird. Die Stäbchen werden so miteinander verspreizt, daß die Schlinge frei wird, sobald man auch nur eines von ihnen wegnimmt, und dadurch, daß der Bogen ja die Tendenz hat, sich aufzurichten, wird die Schlinge zugezogen. Als Lockmittel für diese Vogelfalle bringt man Nüsse, Beeren oder sonstige Früchte, die die Vögel gerne fressen, in der Schlinge an. Der Vogel, der am Köder herumpickt, wird dann entweder beim Auslösen der Falle stranguliert oder hängt mit den Beinen in der Schlinge. Besonders das Guineahuhn, eine Rebhuhnart, geht oft in die Falle, weil es selten fliegt. Schlingen werden auch an den zu Wasserlöchern führenden Wildwechseln angebracht. Eine oder zwei Schlingen werden in dem jeweiligen Wechsel ausgelegt und mit Sand oder Gras zugedeckt. Auf diese Weise können natürlich nur die allerkleinsten Antilopen gefangen werden; zudem riskiert man dabei noch, daß ein Schakal oder Gepard dem Jäger zuvorkommt und sich die Beute holt. Eine andere, für uns unglaubliche Art besteht darin, daß man das Wild müde läuft. Das läßt sich aber nur im offenen Gelände durchführen, und wird auch nur dort angewandt, wenn der Jäger gar keine Möglichkeit hat, sich an das Wild heranzupirschen. Die Buschmänner können eine phantastische Ausdauer entwickeln, wenn eine Antilope, die ja für sie die wahrste 99

„Freßorgie“ bedeutet, entflieht. Es gibt genügend Beispiele dafür, daß Buschmänner solche Tiere dreißig oder vierzig Kilometer weit verfolgt haben. Ihre Taktik ist dabei nicht, besonders schnell zu laufen, sondern besteht vielmehr darin, den Lauf durchzuhalten und dabei die Grenze für ein gleichmäßiges Atemtempo nicht zu überschreiten. Das flüchtende Wild nämlich ermüdet sich selbst dadurch, daß es kein gleichmäßiges Tempo einhält - es bleibt stehen, sieht sich um und prescht von neuem los. Wenn es nun ermattet, warmgelaufen und schweißig ist und allmählich zu stolpern, womöglich auch zu humpeln beginnt, bleiben ihm die Buschmänner noch eine geraume Zeit hart auf den Fersen und lassen dem Wild dann Zeit, sich niederzulassen. Das schweißtreibende Tier kühlt dadurch ab, und die schmerzenden Muskeln werden steif. Wenn die Jäger plötzlich die Verfolgung wieder fortsetzen, ist das Tier schließlich so steif geworden, daß es kaum noch aufstehen kann, so daß die Jäger ohne weiteres hinspringen und es Speeren können. Handelt es sich um eine große Beute, so läuft einer der Buschmänner zum Wohnplatz der Sippe zurück und holt die ganze Gruppe. Diese bleibt dann solange an Ort und Stelle, bis alles Fleisch verzehrt ist.“ Je weiter die Trockenheit fortschreitet, desto schwieriger wird die Nahrungsbeschaffung für die Buschmänner in der Kalahari. Das Wild zieht immer weiter fort, und die Frauen haben bei ihrer Nahrungssuche das Land bereits in weitem Umkreis abgesucht. Sie müssen nun sehr weit laufen, wenn sie ihre Lederbeutel voll bekommen wollen. Glücklicherweise hat es die Natur so eingerichtet, daß jetzt die Wüstenmelone reif wird. Zum größten Teil allerdings besteht sie aus Wasser, aber die kleinen grüngelben Früchte haben doch schon manchem Buschmann das Leben gerettet. Das beste Mittel, den Früchten das Wasser zu entziehen, besteht darin, daß man die Frucht in der heißen Asche röstet und dann die Nacht über abkühlen läßt. Wenn man dann morgens ein Loch in den Stengel schneidet, kann man das Wasser herauslaufen lassen. Die Samenkerne werden zerquetscht und zu Brei verkocht. Diese Melonen lassen den Bauch gewaltig aufschwellen, ohne ihm besondere Nährstoffe zuzuführen. Aber sie helfen über die kritische Spanne bis zum Beginn der Regenzeit hinweg. Die gespannte Bauchhaut hat sicher auch einen psychologischen Effekt. Man kommt mit einem vollen Magen leichter über eine Hungerperiode hinweg, wobei es Nebensache bleibt, womit er gefüllt ist ... Die Buschmänner haben sich diesen extremen Verhältnissen auch physiologisch angepaßt. Genau wie ihr Leib sich ausdehnen und wieder zusammenziehen kann, daß die Haut wirklich Falten wirft, so sind auch ihre Drüsenfunktionen anders geartet und elastischer als bei anderen Völkern. Die Speichelbildung ist beispielsweise äußerst gering. 100

Ein Buschmann kann nicht ohne weiteres zu einer auf europäisch zubereiteten Nahrung übergehen. Es ist bekannt, daß Buschmänner, die zum erstenmal auf einer Farm arbeiteten, das ihnen zugeteilte Essen ablehnten und stattdessen sich ihr gewohntes Essen sammeln gingen! Je schlimmer die anhaltende Dürre, die Trockenzeit, desto knapper werden die begehrenswerten Pflanzen. Jetzt wird auf die Reserven der Natur zurückgegriffen. Buschmänner haben einen Namen für jede einzelne Pflanze in der Kalahari, jeden Baum, jeden Busch in ihrem Land, und sie wissen genau, was eßbar ist und was nicht. Im Notfall kommt tatsächlich alles in Betracht, was nur einigermaßen Nährwert besitzt und nicht gerade ausgesprochen giftig ist. Schon vor über dreißig Jahren stellte man fest, daß ein Buschmann in der Kalahari, wo wir mit unseren Kenntnissen absolut hilflos wären, fast vierzig (!) verschiedene vegetarische Nahrungsmittel wie eßbare Wurzeln, Stengel, Blätter, Früchte, Beeren, Nüsse, Sämereien usw. kennt und finden kann. Selbst die winzigen Samen des Wüstengrases werden geduldig gesammelt, in einem Mörser zerstampft und zu einem Brei gekocht. Beginnt die Regenzeit, haben die Buschmänner den nächsten Trick auf Lager: Sie stehlen die Samen den Ameisen! Die fleißigen Ameisen nämlich sammeln in ihren unterirdischen Vorratskammern große Mengen an Sämereien. Bei einem kräftigen Regenschauer werden die Samen oft naß. Ist das Unwetter vorüber und es wird wieder trocken, tragen die Ameisen ihre Vorräte an die Oberfläche, um sie dort in der Sonne trocknen zu lassen. Das ist der Moment, wo sich die Buschmänner an der Arbeit der kleinen Tierchen gütlich tun. Im Laufe meiner Reisen habe ich mir eine scherzhafte Bezeichnung für einen wirklich nervenden Menschen zugelegt: „Der kommt gleich nach den Apachen, den Heuschrecken und der großen Dürre!“ Drei Bezeichnungen für Katastrophen in der Wildnis, wobei erstere Gefahr natürlich der Vergangenheit angehört. Aber die Heuschrecken. Wer diese Plage in Afrika selbst schon einmal erlebt hat, weiß, wovon ich spreche. Binnen Stunden fressen sie ganze Landstriche kahl - zurück bleibt Steppe. Die Buschmänner sehen das ganz anders. Nicht Panik, nein, Begeisterung macht sich bei ihnen breit, wenn sich ein Schwärm in der Nähe ihres Standortes niederläßt. Trifft dies ein, herrscht Volksfestatmosphäre. Alles bricht in Jubel aus. Man zieht mit Behältnissen verschiedenster Art los. Vor Begeisterung brüllend und jauchzend rennen alle hin und her und versuchen, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele der gefräßigen Insekten zu zertreten. Die Kadaver werden eilig in die Lederbeutel und Schildkrötenpanzer gesteckt. Nebenbei wandern aber eine ganze Menge der Insekten gleich in den Mund. Für die nächsten Tage ist der Speiseplan keine Frage: Geröstete Heuschrecken und Heuschreckensuppe. 101

Geburt und Erziehung „Von Geburt an bis zum Tode ist der Buschmann von verschiedenen Sitten und Gebräuchen, Riten und Zeremonien umgeben“, schreibt Bjerre, „durch die die wichtigsten Begebenheiten im Leben markiert, die Geister beschworen werden und die Gemeinschaft gestärkt wird. Die Geburt selbst geht ohne Ritual vor sich. Die schwangere Frau setzt ihre Arbeit fort, solange es geht - in der Regel bis kurz vor der Entbindung. Die Geburt erfolgt normalerweise im Freien, ein Stückchen vom Wohnplatz entfernt. Nur einige ältere Frauen sind bei der Gebärenden. Um die anderen und die Männer fernzuhalten, werden ein paar Grasbüschel mit den Wurzeln nach oben in der Nähe an den Büschen angebracht. Ein kleines Feuer wird angezündet, und zur Beschwörung der Geister werden einige Kräuter hineingeworfen. Das Neugeborene wird mit weichem Gras abgetrocknet, mit Knochenmark eingerieben und in den Lederkaroß der Mutter gewickelt. Wenn sich die junge Mutter ein bißchen erholt hat und die Frauen die Nachgeburt beseitigt haben, begeben sich alle mit dem Kleinen zum Wohnplatz zurück und verkünden dort voller Freude die Neuigkeit. Bei einigen Stämmen findet man die merkwürdige Vorstellung, daß das Kind sterben werde, wenn es zu frühzeitig an die Brust seiner Mutter gelegt wird. Es wird daher sofort von anderen Frauen an die Brust genommen. Wenn nun aber keine von diesen Milch für das Neugeborene haben sollte, kann es geschehen, daß es verhungert, bevor es der Mutter zurückgegeben wird - vielfach ist es sowieso schon halbtot vor Hunger. In dieser Sitte wäre vielleicht eine der Ursachen für die hohe Kindersterblichkeit bei den Buschmännern zu sehen. Natürlich kommen bei ihnen Zwillinge vor, genau wie bei anderen Völkern auch. Jedoch werden sie nur selten aufgezogen, meist wird eines der beiden Kinder sofort getötet oder auch von der Mutter oder ihren Helferinnen lebend begraben. Wenn es sich um Kinder verschiedenen Geschlechts handelt, wird der Knabe getötet. Bei manchen Stämmen werden Zwillinge überhaupt getötet, weil man in ihnen ein von den Vorfahren gesandtes Unheil erblickt. Dies ist auch bei den australischen Eingeborenen und bei sehr primitiven Stämmen Neuguineas der Brauch. Dort betrachtet man Zwillingsgeburten als etwas Unnatürliches und Gefährliches und sucht die Sache dadurch zu normalisieren', daß man das zeitlich letzte Kind tötet. Bei den Buschmännern wird das neugeborene Kind, dem es in seiner ledernen Wiege recht gut gefällt, bis zu einem Alter von drei oder vier Jahren 102

gestillt. Es kann einfach nicht entwöhnt werden, da es unmöglich ist, genügend andere geeignete Nahrung für das Kind zu beschaffen. Das ist sicher die Ursache für viele Tötungen von Neugeborenen. Von den vielen Kindern, die geboren werden, wird also nur jedes zweite oder dritte behalten. Man nimmt nur Rücksicht auf die Reihenfolge, in der sie zur Welt kommen, und nicht darauf, wie wohlgebildet oder lebenstüchtig sie sind. Selbst wenn das erste Kind mißgebildet ist, wird es die Mutter behalten, aber das nachfolgende töten, falls das erste noch nicht entwöhnt ist und damit anfangen kann, für sich selbst zu sorgen. Erst dann kann die Mutter wieder ein Kind aufziehen. Uns erscheint dies abstoßend und brutal - aber das ist eben das harte Gesetz der Natur, der Selbsterhaltungstrieb, der dieser Maßnahme zugrunde liegt. Wenn die Buschmänner nicht selbst ihre Anzahl auf die Existenzmöglichkeiten abstimmten, wäre die ganze Rasse schon längst vor Hunger und Degeneration ausgestorben. Die Kinder werden bei den Buschmännern sehr gut und liebevoll behandelt. Sowohl kleine als auch größere Kinder werden sehr verwöhnt, und die Erziehungsmethoden sind recht milder Natur. Solange die Kinder klein sind, beschäftigt man sich dauernd mit ihnen. Und das tut nicht nur die eigene Mutter, sondern auch viele andere Frauen, und zumal die jungen Mädchen, die noch nicht verheiratet sind, helfen bei der Pflege. Sie lehren das Kind, auf ihren Schultern zu reiten und sich an den Haaren festzuhalten. Sie versuchen auch, das Kind sprechen zu lehren, spielen und lachen mit ihm, versorgen es und necken es auch ein wenig und sagen ihm die gleichen Worte immer wieder vor, bis es sie wiederholen kann. Wenn die Kinder einmal groß genug sind, um selbständig herumlaufen zu können, halten sie sich zu den größeren Kindern oder laufen hinter den Frauen her, wenn diese Wasser holen oder auf die Nahrungssuche gehen. Die Kinder spielen miteinander, indem sie beispielsweise einander auf einem Stück Tierhaut eine Sanddüne hinunterziehen oder indem sie das Tun und Treiben der Großen nachahmen. Die Knaben bekommen oft kleine ungefährliche Pfeile und einen kleinen Bogen dazu, mit denen sie sich üben können. Wenn sie größer werden, gehen sie schon mit den Männern auf kleine Jagdtouren. Ein Mädchen wird in seinem Spiel versuchen, es der Mutter und den anderen Frauen gleichzutun. Es bekommt ein Beutelchen oder ein Holzschälchen, und es ist dann rührend anzusehen, wie solch ein kleines Ding dort kniet und furchtbar stolz ist, wenn es irgendwelche Fruchtkerne in seine Tasche klauben kann - genau wie es Mutter macht! Durch solch sorgloses, ungebundenes Spiel lernen die Kinder schon beizeiten allmählich das, was sie später als Erwachsene können müssen. Sie 103

kommen frühzeitig in Kontakt mit der Natur und lernen, wie man sich Nahrung verschafft und zubereitet und wie man die verschiedenen Gebrauchsgegenstände herstellt. Schon als Kind weiß der Buschmann, was man essen kann und was nicht. Durch das Umherlaufen und das Aufeinanderangewiesensein entwickelt sich ein natürliches Selbständigkeitsgefühl bei ihnen. Das Familienleben ist im großen und ganzen ungezwungen und harmonisch; ein ganz besonders gutes Verhältnis besteht stets zwischen Großeltern und Enkeln. Abends sitzen die Kinder bei den Großen und hören deren Gespräch zu, auch lernen sie durch das Nachahmen der Erwachsenen frühzeitig singen und tanzen. Es ist nicht zuviel gesagt, wenn man behauptet, daß sie den Rhythmus bereits mit der Muttermilch einsaugen. Nacht auf Nacht fallen sie an der Mutterbrust in Schlaf, während sie im Rhythmus des Gesangs und des Tanzes gewiegt werden.“

Vom Jungen zum Mann - vom Mädchen zur Frau „Wenn die Knaben sechs, sieben Jahre alt sind, kommen sie aus der elterlichen Hütte weg und teilen den Schlafplatz mit gleichaltrigen Kameraden. Auch die größeren Mädchen ziehen in eine Hütte neben der elterlichen, sobald sie groß genug sind, um für sich selbst zu sorgen“, schildert Bjerre den Beginn der Initiation vom Jungen und Mädchen. „Die Pubertät setzt bei den Mädchen sehr frühzeitig ein. Wenn sich die Veränderung, die im Körper des Mädchens vor sich gegangen ist, rein physisch mit der ersten Menstruation kundtut, wird ein kleines Fest für sie gehalten. Alle Frauen bemühen sich um sie, damit sie über dieses Zeichen der fraulichen Reife, das sie selbst noch nicht richtig verstehen kann, nicht erschrickt. Sie wird zum ersten Male zum Mittelpunkt des Geschehens, denn sie soll auf das Wundersame, das mit ihr geschehen ist, stolz sein. In den folgenden Tagen hält sie sich in ihrer eigenen Hütte auf, deren Eingang mit Zweigen und Gras fest verschlossen ist. Kein Knabe oder Mann darf in ihre Nähe kommen. Das Mädchen unterliegt einer bestimmten Diät, das Essen für sie darf nur von Frauen berührt werden. Ein paar ältere Frauen, die dem Mädchen am nächsten stehen, besuchen es in der Hütte und erzählen ihm, daß es nun erwachsen und groß genug sei, um zu heiraten, mit einem Manne zusammenzuleben und seine eigenen Kin104

der zu bekommen. Der schlummernde Mutterinstinkt ist schon dadurch allmählich geweckt und angeregt worden, daß es viel mit den Kindern anderer gespielt und für sie gesorgt hat. Das Mädchen wird dabei auch über die Liebe aufgeklärt. Alles, was es wissen muß, wird ihm genau erklärt - manchmal mit Hilfe von Geschichten mit einer moralischen Pointe, so daß es genau Bescheid weiß, wie es sich in dieser Hinsicht in Zukunft zu verhalten hat. Es fühlt sich nun stolz und als eine ziemlich wichtige Persönlichkeit, die in die Welt der erwachsenen Frauen aufgenommen ist. Das mannbar gewordene, zwölf, dreizehn Jahre alte Mädchen wird jetzt bald als heiratsfähig angesehen. Aber normalerweise dauert es noch ein Jahr oder zwei bis zur Heirat. Vielleicht ist sie auch schon einem Manne aus einem Nachbarklan versprochen, der nur darauf wartet, daß sie erwachsen ist. Sie wohnt nun in ihrer eigenen Hütte, macht sich ihre eigenen Gerätschaften, unter anderem Mörser und Stößel, um Früchte, Kerne und Nüsse zerstoßen zu können. Obwohl sie praktisch immer noch ein großes Kind ist und ab zu den Beistand der Mutter braucht, fühlt sie sich doch entschieden gewichtiger als früher. Nun darf sie sich auch Schönheitsnarben auf die Schenkel tätowieren lassen. Bei den Buschmännern ist die Initiierung der Knaben etwas komplizierter, weil mehr religiös betont, als die der Mädchen. Sobald die Knaben im Alter von sechs, sieben Jahren die Hütte der Mutter verlassen haben, verleben sie die weiteren Kindheitsjähre ungebunden und sorglos und ziemlich selbständig. Sie essen noch bei der Mutter, streifen aber oft und lange mit ihren Altersgenossen umher, meist unter der Anführung eines jungen, bereits initiierten Mannes, der also bereits als Erwachsener gilt. Sie beschäftigen sich mit verschiedenen Spielen und Wettkämpfen. Bei einem dieser Spiele nehmen sie einen Anlauf und schleudern einen dünnen Stock auf einen kleinen Sandhaufen, so daß er dort abprallt und wie ein Pfeil weiterfliegt - fast genauso, wie wir am Strande Steinchen übers Wasser schleudern. Bisweilen wechseln sie miteinander ab, sich gleich hinter dem Sandhaufen niederzusetzen, um damit zu beweisen, daß sie vor den über ihren Kopf wegfliegenden Stöcken keine Angst haben. Die Buschmannknaben spielen auch Badminton oder etwas in dieser Art. Sie machen eine Art Federball, wobei drei oder vier Federn an das Ende eine dünnen Stäbchens gebunden werden, das mit dem anderen Ende in einer Bohne oder Beere steckt. Das Ganze wird in die Höhe geworfen und mit einem Stock wieder hochgeschlagen, wenn es herunterfällt. Es kommt dabei darauf an, den ,Ball' so lange wie möglich in der Luft zu halten. Sie gehen in 105

dem Spiel ganz auf und springen dabei über Büsche und werfen sich gegenseitig über den Haufen, um den Federball in Reichweite ihres Stocks zu bekommen - heulend vor Begeisterung. Die Knaben gehen oft auf die Kleinwildjagd. Mit langen Stöcken jagen sie die Wüstenhasen und das Stachelschwein aus den Bauen, stellen Schlingen und jagen Vögel und anderes Kleinwild mit ungiftigen Pfeilen, die ihnen der Vater macht. Sie lernen, den Spuren des Großwilds zu folgen, auf die Windrichtung zu achten, sich zu tarnen und sich lautlos im Gelände zu bewegen. Von klein auf bewundern sie die Jäger und sehnen sich nach dem Tage, wo es ihnen glücken wird, selbst eine Antilope, einen Gepard oder eine Hyäne mit dem Giftpfeil zu erlegen. Aber erst müssen sie beweisen, daß sie sich beherrschen können, und sich auf die eine oder andere Art auszeichnen, bevor sie Giftpfeile in die Hand bekommen. Wenn die Vierzehn- oder Fünfzehnjährigen ins Pubertätsalter kommen, haben die meisten von ihnen schon so viel gelernt, daß sie ganz geschickte Jäger sind. Jetzt aber tritt eine drastische Veränderung im Leben der Jungen ein. Sie müssen der unbekümmerten, freizügigen Kindheit Lebewohl sagen und werden durch Initiationszeremonien unter die Männer aufgenommen. Sie bekommen nun Verantwortung und Pflichten auferlegt. Oft vergehen ein bis zwei Jahre zwischen den einzelnen Initiationszeremonien, da man üblicherweise stets einige Knaben zusammen initiiert. Für die Knaben beginnt das Erlernen der Tänze und religiösen Gesänge der Männer, die sie früher niemals zu hören bekommen haben und durch die sie in die Welt der Zeremonien, der Zauberei und der Geister eingeführt werden. Manchmal müssen sie ohne Unterbrechung den ganzen Tag über tanzen, bis sie vor Müdigkeit und Hunger fast umfallen. Durch die körperliche Ermüdung und den endlosen monotonen Gesang, der sie umwogt, werden sie in eine Art Trancezustand versetzt, in dem ihnen die Geister in Gestalt eigenartig aussehender Wesen erscheinen. Diejenigen Knaben, die sich als besonders trancefähig und für Gesichte empfänglich zeigen, werden später als Medizinmänner ausgebildet. Die Knaben bekommen zwischen den Zeremonialhandlungen praktische Unterweisung von den Alten über ihr künftiges Verhalten zu den Frauen, auf der Jagd und bei den Zeremonien, und lernen auch die Tabugesetze. Auch die religiöse Mythenwelt des Stammes wird ihnen offenbart. Sie sind in eine Gemeinschaft hineingeboren, wo die religiösen Ideen als Selbstverständlichkeiten akzeptiert und niemals diskutiert werden. Religion ist für sie nicht allein die Verbindung des Menschen mit dem Übernatürlichen, sondern auch das einigende Band für eine Person mit der ganzen Gruppe, das Bewußtsein gemeinsamen Fühlens und Denkens von altersher bis in die 106

fernste Zukunft hinein. Die Verehrung der unsichtbaren Mächte nützt ja nicht nur dem einzelnen, sondern dient auch dem materiellen und spirituellen Fortbestand der Gruppe. Durch Zeremonien und Rituale werden Glaube und Zuversicht des einzelnen stets erneuert, so daß er sich zufrieden und sicher fühlen kann und damit auch in der Lage ist, die Prüfungen und Mühsale des täglichen Lebens durchzustehen. Ohne das unsichtbare Band der Religion würde sich ein undisziplinierter und zersetzender Geist in der kleinen Gemeinschaft breitmachen, und das Ergebnis wären Degeneration und Auflösung. Dies ist der undefinierbare Hintergrund für die ekstatischen nächtlichen Tänze der Knaben hier draußen auf dem Zeremonialplatz. Die heranwachsende Generation wird mit der seelischen Einheit des Stammes verknüpft. Die religiösen Ideen sind nur gegen den Hintergrund ihres engen Kontakts mit der Natur zu verstehen. Ihre ganze Existenz ist ja vollkommen abhängig von dem, was die Natur ihnen geben kann. Es ist durchaus verständlich, daß diese physische Abhängigkeit auch eine psychische mit sich bringt - ein übernatürliches Verhältnis zwischen ihnen selbst und ihrem Land, seinen Tieren und Pflanzen. Hier liegt der Antrieb zu einem religiösen Leben, zu Vorstellungen über mächtige Schöpfergeister, an die man sich um Hilfe wenden kann, wenn es sich darum handelt, die Fruchtbarkeit der Erde und ihrer Tiere sicherzustellen. Danach folgt eine Zeit, während der die Knaben auf verschiedene Weise abgehärtet werden. Sie machen lange, anstrengende Jagdtouren, müssen sich einen Weg durch schwieriges Gelände bahnen; sie lernen, sich zu verstecken, indem sie sich in den Sand eingraben. Im großen und ganzen sollen sie nun all das vorführen, was sie in der Kindheit gelernt haben. Am Abend sitzen sie mit den Männern zusammen und hören deren besondere Jagdgesänge, die meist einen religiösen Einschlag haben. Zum Schluß haben die Knaben ihre Eignung zum Jäger nachzuweisen und bekommen Giftpfeile ausgehändigt. Früher haben sie immer zusammen mit einem Erwachsenen gejagt, aber jetzt sind sie auf sich selbst gestellt und haben ein größeres Tier zu erlegen. Es vergehen mehrere Tage, an denen sie mißmutig und erfolglos heimkehren, aber endlich kommt ein Tag, an dem sie mit einem Ducker zurückkommen - er ist ganz gewiß nicht groß, aber er ist ihre Beute, und sie strahlen voller Stolz. Aber vom Fleisch bekommen die Knaben selbst nichts. Sie haben bewiesen, daß sie ein Tier zu erjagen wissen, und nun müssen sie auch den Beweis erbringen, daß sie zusehen können, wenn andere ihre Beute essen - auch wenn sie selbst mehrere Wochen gehungert haben. 107

Das ist noch etwas hart für sie inmitten der Feiernden und Schmausenden, wird aber in dem stolzen Bewußtsein ertragen, daß sie nun als Männer anerkannt sind und zu den Jägern der Gruppe gehören. Sie tragen eine stolze Haltung zur Schau und 'werden von ihren jüngeren Kameraden sehr beneidet und für etwas ,Besseres' gehalten. Sie sind zu Männern geworden.“

Liebe und Ehe „Wenn die jungen Männer die Flegeljahre hinter sich haben und reifer und erwachsen sind, beginnen sie, sich allmählich nach einer Frau umzusehen. Sie haben zwar früher dann und wann einmal mit Mädchen zusammen gespielt, aber normalerweise halten sich ja die Frauen für sich. Sexuelle Beziehungen zwischen Halbwüchsigen sind sehr selten, nicht zuletzt deshalb, weil die Mädchen so frühzeitig heiraten, daß kaum irgendwelche Gelegenheit dazu besteht. Daß es Ausnahmen von dieser Regel gibt, geht aus der Tatsache hervor, daß eine Bestimmung für die Erziehung außerehelicher Kinder existiert. Wenn die Mutter eines solchen Kindes einen anderen heiratet, muß ihr Mann die Verpflichtung auf sich nehmen, solange für ihr Kind mitzusorgen, bis es keiner Pflege mehr bedarf. Dann wird es dem eigentlichen Vater übergeben. In vielen Fällen holen sich die jungen Männer ihre Frauen aus einem Nachbarklan, mit dem sie in Verbindung stehen, d.h. Zeremonialgemeinschaft haben und Handel treiben. Wenn sie aber selbst zu einer kopfreichen Gruppe mit mehreren Familien gehören, können sie sich ihre Frau auch innerhalb der Gruppe wählen, sofern die beiderseitigen Eltern nicht miteinander verwandt sind. Der Buschmann ist normalerweise monogam, aber es kommt vor, daß der Mann eine neue Frau nimmt, wenn die erste alt geworden ist und keine Kinder mehr bekommen kann. Die erste Frau wird aber deswegen nicht auf die Seite geschoben oder ganz ,ausrangiert'. Die neue Frau beweist ihr Respekt, und in der Regel ist die erste Frau zufrieden damit, daß sie eine Helferin bei ihrer Arbeit bekommt. Die Anzahl polygamer Ehen richtet sich natürlich danach, wie viele Frauen im Verhältnis zu den Männern vorhanden sind. Kein weibliches Wesen wird unverheiratet bleiben. Eine Frau wird als etwas Wertvolles angesehen, 108

und wenn sie ehelos bleibt, so ist sie in den Augen der Buschmänner für die Gemeinschaft verlorengegangen. Aus diesem Grunde erhöht es auch das allgemeine Ansehen des Mannes, wenn er mehrere Frauen hat. Einer der jungen, sehr virilen Jäger hat sogar drei Frauen. Mit zweien davon hat er je ein Kind, das der dritten ist unterwegs. Alle leben in der größten Harmonie miteinander. Die Heirat wird im allgemeinen, mit Familienmitgliedern als Zwischenträgern, von den beiderseitigen Eltern arrangiert. Wenn ein junger Mann an einem Mädchen interessiert ist, so schickt er einen seiner besten Freunde, seinen Onkel oder auch seinen Vater zu der Mutter des Mädchens, um diese erst einmal zu fragen. Es gehört zum guten Ton, daß sich die Mutter zumindest anfänglich - formell den Heiratsabsichten der Tochter widersetzt. Erst wenn die Mutter ihre Zustimmung gegeben hat, darf der Freier das Mädchen selbst fragen - aber in der Regel hat er eine Ahnung davon, wie die Antwort ausfallen wird, bevor er sich in das ganze Unternehmen einläßt. Er wirbt um das Mädchen, indem er seinen Bogen und Pfeilköcher in ihre Hütte legt, wie um damit zu sagen: ,Mit diesen meinen Waffen will ich für deine Nahrung sorgen.' Das Mädchen weiß natürlich ganz genau, wem die Waffen gehören. Wenn ihr der Freiersmann genehm ist, läßt sie sie die Nacht über in der Hütte liegen; im anderen Fall würde sie sie aus der Hütte entfernen. Nur in Ausnahmefällen wird ein Mädchen zu einer Ehe gezwungen werden. In einem solchen Fall wird sie vom Freier mit Gewalt weggeholt - und wenn sich kein anderer für sie interessiert, ist auch keiner da, der dagegen protestiert. Zur Bekräftigung des Eheversprechens gibt der junge Mann der Schwiegermutter verschiedene Geschenke, denn sie ist es ja, die in solchen Angelegenheiten das Wort führt. Sie bekommt entweder Schmuck oder eine Tierhaut. Danach geht der angehende Ehemann mit seinen Freunden auf die Jagd, um Fleisch für das Hochzeitsmahl zu beschaffen. In der Zwischenzeit baut die Schwiegermutter eine Hütte für das junge Paar; das Mädchen aber sitzt mit verhülltem Haupt und jammert und klagt, um damit symbolisch seinen Kummer über den Weggang von den Eltern zum Ausdruck zu bringen. Wenn der Mann von der Jagd zurückkehrt und die Braut holen will, führt sie nochmals die gleiche Komödie auf und leistet sogar zum Schein Widerstand. Sie versucht fortzulaufen und kratzt und beißt, während sich die anderen über diese Vorstellung höchst amüsieren. Allmählich bringt sie der Mann doch zur neuen Hütte hin, wo nun zum ersten Male das gemeinsame Feuer angezündet und ein Essen für alle Freunde zubereitet wird. 109

Am Abend wird getanzt. Bei dieser Gelegenheit handelt es sich allerdings um Tänze mit oftmals erotischer Prägung, wobei sich die Frauen teilweise entblößen und mit der Braut, die vielleicht dem Mann gegenüber noch ein wenig scheu ist, ihren Spaß treiben. Das ganze Fest ist ein bißchen ausgelassen, aber ein netter und natürlich stimulierender Auftakt für die Brautnacht. Wenn das junge Paar dann die Nacht miteinander verbracht hat, gilt die Ehe als geschlossen.“

Tod und Begräbnis „Es gilt für die Buschmänner wie für die meisten Naturvölker, daß sie keine Voraussetzungen dafür haben, den Tod als biologisches Phänomen anzusehen. Der Buschmann kann daher nicht anders als annehmen, daß es übernatürliche Kräfte gibt, böse Geister, die den Tod verursachen. Man macht sich gewisse Vorstellungen von einem Totengeist namens Dsao, der die Menschen krank macht, so daß sie sterben. Wenn jemand stirbt, verleihen alle Mitglieder der Gruppe, und zumal die Frauen der engeren Familie, ihrer Sorge und Angst durch lautes Jammern Ausdruck. Der Tote wird möglichst schnell begraben; wenn der Tod am Morgen eintritt, dann noch am gleichen Tage. Mit Händen und Grabstöcken machen die Männer ein Loch in der Erde, in der Nähe der Hütte des Toten. Dort wird die Leiche in liegender Stellung, wie wenn sie schliefe, auf ein Lager aus Zweigen und Gras gebettet. Frauen werden mit Schmuck, Grabstock und Karoß begraben, Männer mit ihren Waffen. Wenn Steine in der Nähe verfügbar sind, werden sie auf das Grab gelegt. Nach dem Begräbnis verläßt die ganze Gruppe sofort den Wohnplatz und richtet sich ein Stück entfernt einen neuen ein. Das Grab wird von niemand mehr besucht, im Gegenteil, man macht einen großen Bogen um den alten Wohnplatz, wo der Tote begraben liegt. Die Buschmänner meiden ebenfalls Plätze, wo sie einmal gezwungen waren, alte Leute zurückzulassen, die zu schwach waren, um mitzukommen, wenn man in Trockenzeiten auf lange, harte Wanderungen gehen mußte, um das nächste Wasserloch zu erreichen. In solchen Fällen wird ein Windschirm errichtet und für die Alten etwas Wasser und Nahrung zurückgelassen. Zuletzt wird noch ringsum eine Barri110

kade aus Dornbüschen angelegt, um wilde Tiere fernzuhalten. Darauf zieht die Gruppe ab und überläßt die Alten ihrem Schicksal. Wenn die Gruppe binnen einigen Tagen das Glück hat, Wasser und Nahrung zu finden, werden einige junge Leute schleunigst zurückgeschickt, um den Alten mit entsprechenden Vorräten weiterzuhelfen. Wenn den Wanderern aber das Glück nicht hold ist, wird sich niemand mehr der Stätte nähern. Sie wissen, daß der Tod zu den Zurückgelassenen gekommen ist und daß sich Hyäne und Geier die sterblichen Reste teilten. Die Angst vor den Geistern der Toten hält die Lebenden von diesem Platz fern. Was geschieht nun mit den Buschmännern nach dem Tode? Die Buschmänner sagen, wenn sie einem Manne seine Waffen mit ins Grab geben, so sei dies nicht deswegen, weil sie glaubten, daß er sie einer anderen Welt brauche, sondern weil sie fürchten, den Geist des Toten dadurch zu verletzen, daß sie seine Waffen weiter benutzen. Selbst nach dem Tode wird das bißchen Eigentumsrecht, das der Buschmann hat, noch respektiert. Fragt man die Buschmänner, ob sie glauben, daß überhaupt nichts von dem Toten überlebe, so enthüllen sie ihre Vorstellung von Geist und Seele. Der Geist, das sind die Gefühle und Gedanken des Toten, streift noch eine Zeitlang ums Grab und kann sogar mit den Hinterbliebenen reden, auch wenn diese ihn nicht sehen können. Die Seele, das ,Innerste', ist das, was zu den Kindern kommt, wenn sie geboren werden, und was zur ,anderen Welt' Gauas zurückkehrt, aus der es ja auch gekommen ist. Hier trifft die Seele ihre Verwandten, die ihr im Tode vorausgegangen sind, und dort gibt es auch viel Wild, Honig und Heuschrecken. Also doch eine versöhnliche Einstellung zum Tode - der Traum vom Buschmannparadies.“

Religion, Mythen und Legenden „Die Alten bezaubern am Abend die Kinder dadurch, daß sie ihnen Sagen und Märchen erzählen. Dadurch beginnt sich die geistige Welt des Stammes ihnen frühzeitig zu eröffnen, und die religiösen Ideen und Zeremonien bekommen für sie eine Bedeutung. Es ist natürlich schwer, ein klares Bild von der religiösen Vorstellungswelt der Buschmänner zu bekommen, zumal sie von Stamm zu Stamm wechseln kann. Es gibt ja keinerlei Schriftzeichen oder sichtbare Symbole, so daß die mündliche Überlieferung von Generation zu Generation unweiger111

lieh von Phantasie und Temperament des Erzählenden beeinflußt werden muß. Die !Kung-Buschmänner hier in der nordwestlichen Kalahari glauben an einen ,Großen Geist', Gaua, mit dem die Medizinmänner in Verbindung treten können, wenn sie sich in Trance befinden, wobei ihre Seele sie verläßt und sich zum Großen Geist begibt. Alle Menschenseelen kommen von Gaua, sagen sie. ,Zu Anbeginn schuf er nur einen Mann und eine Frau, und das waren die ersten Buschmänner, die ersten Menschen auf der Welt. Andere Menschen gab es damals nicht. Gaua gab dem Mann und der Frau eine Seele und bestimmte, sie sollten den Körper eines kleinen Kindes machen, 'worauf er dem Kinde eine Seele hinunterschickte, sobald es den Körper der Mutter verließ. Und so macht er es jedesmal, wenn ein kleines Kind geboren wird. Aber ebenso, wie er die Seelen schicken kann, kann er sie auch zurückholen. Wenn ein Mensch stirbt, kehrt seine Seele zum Großen Geist zurück, und alle Seelen der Buschmänner sammeln sich dann wieder an Gauas Wohnplatz. Der erste Buschmann, den Gaua schuf, war ein Jäger und mächtiger Medizinmann, der um sich herum alle Arten Tiere von der größten Antilope bis zum kleinsten Insekt schaffen konnte. So kamen die Tiere auf die Welt. Weil Gaua alle Dinge schuf, bestimmt er auch alles, auch wenn es regnen soll, damit Mensch und Tier zu essen haben.'„ „Als ich zum ersten Male diese ergreifende, einfache und doch so schöne Sage von dem Großen Geist hörte“, schildert Bjerre seine Empfindungen, „konnte ich nicht umhin, darüber nachzudenken, was eigentlich die Missionare bei den Buschmännern wollen. Es besteht doch wirklich kein Grund für eine Namensänderung der Götter!“ Andere Erzählungen sind lediglich unterhaltenden Inhalts und viele von ihnen für Kinder berechnet, wie zum Beispiel die Geschichte von dem kleinen Häschen. In vereinfachter Übersetzung, die sich so eng wie möglich an den Buschmanntext hält, lautet sie ungefähr folgendermaßen: „Meines Vaters Vater war es, der einen kleinen Hasen fing. Er erwischte ihn lebend auf der Flucht, als er auf der Jagd war. Er nahm ihn mit heim. Er kam. Er gab ihn mir. Ich spielte mit dem kleinen Hasen. Ich spielte mit ihm auf diese Weise: Ich ließ ihn los, er lief weg, ich lief ihm nach, ich fing ihn. Dann ließ ich ihn wieder laufen. Er lief wieder fort. Ich lief ihm wieder nach. Ich bekam ihn wieder zu fassen. Dann ließ ich ihn wieder laufen. Eine alte Frau sagte zu mir, ich solle nicht mit Fleisch spielen, denn wir spielen nicht mit Fleisch. Wir braten das Fleisch. Die alte Frau sprach mit erhobener Stimme und 112

sagte: ,Dieser Hase ist ganz schön fett. Spiele daher nicht mit ihm, sondern töte ihn. Lege ihn aufs Feuer, damit wir Hasenbraten essen können!' Ich wollte den kleinen Hasen nicht töten. Er war so sehr nett. Er war auch so schön weich. Er hatte Füße, die waren gar nicht groß. Wenn er fortlief, bewegte er die Ohren. Er setzte sich hin. Er aß kleine Pflanzen. Nichts war so schön wie mein Häschen. Deshalb behütete ich es. Ich tötete es nicht. Die alte Frau bat mich, ihr Wasser zu holen, denn ich war derjenige, der das Wasser am schnellsten holen konnte. Ich sagte: ,Ich werde gehen.' Ich nahm den Wasserbehälter. Aber ich nahm auch den Hasen mit. Ich ging und trug das Häschen, weil es die alte Frau sonst sicher getötet hätte, während ich fort war. Deshalb trug ich es zum Wasser. Ich setzte das Häschen ins Gras. Neben das Wasser setzte ich es hin, während ich das Wasser schöpfte. Mein Häschen lief weg. Ich lief ihm nicht nach. Ich fing es nicht, weil ich wollte, daß es in Frieden lebe. Ich holte Wasser. Ich trug das Wasser zu der alten Frau. Die alte Frau trank Wasser. Sie sagte, ich solle den kleinen Hasen holen. Sie wollte Hasenfleisch essen. Ich sagte: ,Der Hase ist im Gras weggelaufen. Der Hase ist fort.' Die alte Frau wurde zornig. Sie schalt mich. Ich weinte, und es kamen Tränen. Sie wollte ein anderes Häschen haben, darum weinte ich. Die anderen hörten mich weinen. Sie kamen. Sie hörten zu. Sie sagten, daß wir keine Hasen mehr lebendig fangen sollen, denn wir spielen nicht mit Fleisch. Ich lachte. Am Wasserloch war mein Häschen sicher. Es sollte niemals gegessen -werden. Es sollte kein Hasenbraten auf dem Feuer der alten Frau werden. Es blieb am Leben. Deswegen lachte ich nicht wenig.“ Viele dieser Fabeln handeln von Menschen, die zu Tieren werden, oder von Tieren, die früher einmal Menschen waren. Viele der mehr religiös betonten Mythen werden hauptsächlich in Verbindung mit Initiationszeremonien erzählt.

Im „Niemandsland“ Ich sehe auf meine Armbanduhr und werfe einen kurzen Blick auf das Thermometer: 27 °C morgens um sieben Uhr! Heute möchten wir von Xaxa zu den Drotzky-Höhlen nach Süden aufbrechen, um später dann wieder hierher zu kommen. Zuerst allerdings heißt es, die Ausrüstung grob zu sortieren und alles einzupacken. Ich koche Kaffee. Einige Frauen kommen 113

herbei und begrüßen mich. Die ersten Kinder tollen in der Nähe herum. Auf einen Wasserkanister, der mir als Schreibtisch dient, bringe ich mein Tagebuch auf den neuesten Stand. Die allmorgendlichen Tätigkeiten sind mittlerweile zu einem festen Bestandteil unseres Lebens im Busch geworden. Ähnlich wie zu Hause, wo man quasi unbewußt jeden Morgen die gleichen Tätigkeiten ausführt, entfache ich hier das Feuer, kümmere mich ums Frühstück. Den ganzen Vormittag verbringen wir mit den Startvorbereitungen und es ist bereits früher Nachmittag, als wir endlich aufbrechen. Die !Kung wissen, daß wir wieder zurückkommen, und so macht sich erst gar keine wehmütige Abschiedsstimmung breit. Unsere Wasserkanister haben wir bis zum Bersten gefüllt. Da draußen, meint Tex, „is nothing, really nothing!“ Da draußen, das bedeutet aber auch wieder Stille - kein Mensch weit und breit. Händeschütteln, Lachen. Wir steigen ins Fahrzeug. Tex wirft den Motor an - wir sind wieder unterwegs. Nach meinen Berechnungen müssen wir uns genau südlich halten, fahren also von den Aha-Hills zu den Gcwihaba-Bergen, wo die Höhlen gleichen Namens liegen sollen. Diese einmaligen Tropfsteinhöhlen in der Kalahari gehören zu einem Höhlensystem, das ein Buschmann im Jahre 1934 dem Farmer Martinus Drotzky aus Ghanzi zeigte. Die Höhlen, von deren Existenz die Buschmänner vermutlich seit Jahrhunderten wissen, sind also erst seit 60 Jahren allgemein „bekannt“. Schon daran läßt sich erkennen, wie wenig wir von der Kalahari eigentlich wissen. Der Grund dafür ist, daß es in diesem Gebiet kein Wasser gibt, daß also von einem touristisch erschlossenen Gebiet Gott sei Dank in keinster Weise die Rede sein kann - was (jedenfalls für mich) den Reiz dieses Landes ungeheuer erhöht. Das Alter des Höhlensystems ist bis heute unbekannt. Wissenschaftler gehen davon aus, daß es vor etwa 14 000 bis 17 000 Jahren durch die seinerzeit heftigen Regenfälle seine jetzige Ausformung erhalten haben dürfte. Die letzten Ablagerungen in Form von Stalaktiten und Stalagmiten stammen offenbar aus einer Feuchtperiode in den ersten Jahrhunderten nach Christus. Kaum haben wir das Buschmanndorf hinter uns gelassen, finden wir uns auch schon in der gewohnten Staubwolke wieder. Was wir anfangs immer vermieden haben, macht uns nun wesentlich weniger aus: Wir sind in der größten Mittagshitze unterwegs ... Die Piste, die wir nun benutzen, ist tatsächlich auf einer meiner Karten verzeichnet. Sie macht einen mittelmäßig frequentierten Eindruck. Menschen oder einem Fahrzeug begegnen wir jedoch auf der ganzen Strecke nicht. Die Piste ist schmal, immerzu peitschen dürre Äste rechts und links ans Fahrzeug. Der Untergrund ist aber gar nicht so schlecht, wie befürchtet. Wir können ein Tempo von gut 25 km/h einhalten. 114

Es dauert nicht lange, und die ersten Ausläufer der Gcwihaba Hills tauchen vor uns auf. Aus der flachen Ebene geht es bald sanft bergan und wieder bergab. Die Landschaft ist großartig. Einmal scheuchen wir ein Rudel Springböcke auf. Außer noch einigen Hyänen soll es hier -während dieser Trockenperiode keinerlei Tiere geben. Ich nehme das Tex gerne ab. Er war ja schon einige Male in den letzten 15 Jahren hier, und er mag diese Gegend gar nicht. „Vorjahren“, so erzählt er mir, „ist auf der zweiten Piste in dieser Gegend eine Lehrerin mit ihrem Kind verschollen. Sie wollte ursprünglich nach Osten Richtung Okavango-Delta. Sie hatte Gott sei Dank hinterlassen, was sie vorhatte, und so wurde sie nach einigen Tagen gefunden. Das war jedoch reiner Zufall. Sorglos war sie ohne ausreichende Wasser- und Benzinreserven losgefahren, dazu noch auf einer sehr wenig befahrenen Strecke. Als die Retter sie fanden, waren beide Insassen in einem bedauerlichen Zustand. Viel hätte nicht gefehlt, und Mutter und Kind hätten das Abenteuer nicht überlebt.“ Immer -weiter fahren wir ins „Niemandsland“. Die Landschaft sieht unheimlich „gleichförmig“ aus: Dornenbüsche, niedrige Bäumchen, alles kahl, von der Hitze ausgedörrt, dazwischen die wenigen Grasbüschel. Sand, Staub und Hitze. Am Nachmittag erreichen wir die Auffahrt zu den Höhlen. Ich beginne zu fluchen, angesichts dessen, was sich vor uns nach einer Kurve auftut: Mehliger roter Sand, tiefe Fahrrinnen, dazwischen kleine Felsen. Steil geht es empor. Von den Höhlen ist noch nichts zu sehen, lediglich ein Durcheinander von schwarzen und grauen Gesteinsbrocken. Tex nimmt einen ersten Anlauf. Der Toyota schlingert etwas, Tex beschleunigt, die Räder drehen durch, das Fahrzeug sinkt ein. Da ist nichts zu machen. Ich steige aus, halte die Szene mit der Kamera fest. Text probiert sämtliche Tricks, setzt die Geländeuntersetzung ein, fährt rückwärts. Nichts zu machen. Als letzte Möglichkeit bleibt uns nur, einen weiten Bogen zu fahren und dann querfeldein den Hang in Angriff zu nehmen. Aber das ist leichter gesagt als getan. Entweder liegen umgestürzte Bäume im Weg, Äste ragen aus dem mittlerweile kniehohen, verdorrten Gras, oder die Reifen drehen trotz des Allradantriebs einfach durch in diesem mehligen, roten Untergrund. Als wir schließlich oben sind und uns das Ganze betrachten, stellen wir fest, daß die Auffahrt in Zukunft für kleinere Fahrzeuge nicht mehr benutzbar sein wird. Die großen Fahrzeuge haben viel zu tiefe Rillen in den Untergrund gegraben - irgendwann werden sich einige die Mühe machen müssen, eine neue Piste anzulegen. Der Höhleneingang ist auch jetzt noch nicht zu erkennen. Lediglich ein verrostetes Schild weist auf die Existenz der Drotzky-Caves hin. Unterhalb des Schildes ist ein größerer Platz, frei von Grasbewuchs und groß genug, 115

das Auto abzustellen und unser Lager aufzuschlagen. Zuvor allerdings möchten wir kurz einen Blick in die Höhlen werfen. Zeit für längere Erkundungen haben wir später genügend. Auf einem kaum erkennbaren Fußpfad marschieren wir hinter Tex her. Plötzlich fällt unser Blick auf den Eingang zu den Höhlen in einem Feiseinschnitt unter uns. Der erste Eindruck ist überwältigend. Über einige tonnenschwere Steine führt ein Kletterpfad hinunter. „Das sehen wir uns morgen genauer an“, wende ich mich an Peter. „Zunächst müssen wir unsere Ausrüstung gründlich durchsortieren.“ Zu diesem Zweck breite ich die grüne Regenplane auf dem Boden neben unserem Fahrzeug aus. Dort wird die ganze Ausrüstung ausgebreitet und überprüft. Gegen Abend ist alles neu sortiert. Die Gebrauchsgegenstände der Buschmänner haben ebenso wie Nahrung und Ausrüstung einen festen Platz - jeder weiß wieder, wo sich was befindet. Ich mache das auf Expeditionen immer so. Denn im Laufe der Zeit legt jeder einmal etwas hierhin und dorthin, und wenn dann einmal etwas dringend benötigt wird, fängt die Sucherei an. Die Sonne fängt schon an zu sinken, als unser Zelt steht, Tex sein Nachtlager auf dem Wagen vorbereitet hat, und wir alle drei, mit Brennholz beladen, an unserer Feuerstelle eintreffen. Eine halbe Stunde später sitzen wir auf unseren Wasserkanistern ums Feuer und lassen uns die Expeditionsnahrung schmecken. Abgerundet wird die Mahlzeit durch frisch aufgebrühten Kaffee. Der Sonnenuntergang ist einfach überwältigend. Von unserem Standort aus können wir ein riesiges Gebiet überblicken. Endlose Grassteppe mit verstreut stehenden Bäumen, einzelnen Hügeln und Sanddünen. Glutrot taucht die Sonne hinter den Horizont. Nur das Prasseln des Lagerfeuers ist in der Dämmerung zu hören. Nicht einmal das Bellen einer Hyäne stört das grandiose Naturschauspiel. Die Stimmung nimmt mich gefangen. Wie unwichtig komme ich mir plötzlich selbst vor. Und dennoch habe ich ein Gefühl der inneren Ruhe und Gelassenheit - der Bescheidenheit.

Gcwihaba Caverns „Gcwihaba Caverns 1934 by Martinus Drotzky; showed by bushman Qung San“, steht auf dem weiß lackierten, etwas angerosteten Blechschild 116

am Aufgang zu den Höhlen. Die Buchstaben sind nicht aufgemalt, sondern aufgeklebt. Der Name der Höhlen wie die Namen anderer Orte ist in der unterschiedlichsten Schreibweise zu finden. Ich führe das darauf zurück, daß die meisten Namen der Buschmannsprache entstammen und es für diese Worte keine einheitliche Schreibweise gibt. So werden die Höhlen als „Drotzky's Cave“, „Gcwihaba Caverns“, „Gchwihaba Caverns“ oder „Gcwihaba Caves“ bezeichnet. Was „richtig“ oder „falsch“ ist, entzieht sich meiner Kenntnis; wichtig ist für mich nur, daß es sich um ein und dieselben Höhlen bzw. Orte handelt. Der Name des Buschmannes, der Drotzky die Höhlen zeigte - Qung San - war ein !Kung. Wobei das „San“ als Bezeichnung für „Buschmann“ steht. Manche glauben, daß das Wort „Buschmann“ als abwertend empfunden wird. Die Buschmänner bezeichnen sich selbst als „San“ - als „Menschen“. Während ich das Schild fotografiere, fröstelt es mich. Um sechs Uhr hatte es lediglich 16 °C. Ich bin diese niedrigen Temperaturen nicht mehr gewöhnt. In der Nacht wurde ich mehrmals vom Trippeln und Rascheln eines kleinen Tieres geweckt, das um unser Zelt schlich. Aus Bequemlichkeit habe ich das Tier Tier sein lassen. Jetzt untersuche ich die Spuren. Wie sich herausstellt, handelte es sich um ein neugieriges Gürteltier, das uns nachts einen Besuch abstattete. Ich trage gerade die Ereignisse des Vortages ins Tagebuch, erwähne dabei die Tatsache, daß wir gestern wieder mehrmals wegen zu heißer Reifen halten mußten und sich unsere Benzinfässer bis zum Entlüften wieder einmal bedrohlich ausgeweitet hatten, als Peter herbeikommt. Wir beschließen, nach einigen Werbefotos für unsere Sponsoren, die Höhlen in Angriff zu nehmen. Größere Tiere scheint es in dieser Gegend nicht zu geben, dafür jede Menge Hundertfüßler, Spinnen, Käfer und sonstige Kerbtiere. Die kleinen Quälgeister suchen sich im Zelt und unter unseren Sachen die unmöglichsten Verstecke aus. Selbst in unserer mittlerweile arg strapazierten Kaffekanne tummelt sich ein großer Nachtfalter ... Am späten Vormittag ziehen Peter und ich los. Tex genießt seinen „freien Tag“. Er hat beschlossen, sich heute so wenig wie möglich zu bewegen. Er hat die Plane über das Fahrzeug gespannt, und liegt, nur mit einer Hose bekleidet, auf seiner Schlafstatt. Peter und ich nehmen das Fotostativ und eine kleine Auswahl unserer Ausrüstung mit, und marschieren zum Eingang der Höhlen. Einige Minuten später stehen wir unterhalb des Einstiegs, der sich etwa 12 Meter über unseren Köpfen befindet. Der Höhleneingang ist durch einen Einsturz entstanden. Er ist so klein und unauffällig, daß man glatt an ihm vorüberliefe, wäre da nicht ein Hinweis. 117

Die nächsten Stunden vergehen mit Fotografieren und Erkunden. Gleich hinter dem Höhleneingang geht es sechs bis acht Meter abwärts. Der Boden der Höhle ist mit hellem Kalaharisand bedeckt, den der Wind ständig hereinbläst. Der große Baum, dessen grüne Blätter mir sofort aufgefallen waren, und der den Höhleneingang fast verdeckt, bezieht seine Feuchtigkeit mittels langer Wurzeln aus dem Boden der Höhle. Vor langer Zeit muß es in dieser Gegend mehr Wasser gegeben haben. Ein jetzt ausgetrocknetes Flußbett, nur wenige Meter entfernt, weist darauf hin. Als sich ganz überraschend Tex zu uns gesellt, gehen wir in einige Seitengänge, die von der zweiten, tieferen Stelle der Höhle in alle Richtungen abzweigen. An einer Wand beginne ich etwas zu graben und stoße alsbald auf die kleinen, blanken Schädel von Fledermäusen. Die Höhle ist überwältigend, die Zeit scheint hier stehengeblieben zu sein. Was das Bild etwas stört, sind einige Namenszüge, die an manchen Stellen der Höhlenwände im höhergelegenen Teil von Besuchern hinterlassen -worden sind. Auf diese Unsitte verzichten wir gerne, betrachten lieber die gewaltigen Stalaktiten und Stalagmiten. Hinweise darauf, daß es sich um eine heilige Stätte der Buschmänner handeln könnte, wo rituelle Handlungen vorgenommen wurden, finden wir nicht. Ebenso fehlen gänzlich Felsmalereien. Als wir am frühen Nachmittag die Höhle verlassen, trifft uns fast der Schlag. Wir prallen förmlich gegen eine Hitzewand, als wir aus dem Höhleneingang treten. „Draußen“ herrschen 42 °C im Schatten, in der Sonne versagt unser Thermometer seinen Dienst. Das Mittagessen fällt dementsprechend kurz aus: zwei Handvoll Erdnüsse, ein Eßlöffel Corned Beef aus der Dose sowie mit Wasser und Zucker verdicktes Milchpulver ... Unser frisch reparierter Vorderreifen macht uns zu schaffen. Der Kerl verliert schon wieder Luft. Aber jetzt, bei dieser Hitze, wo der einzige Schatten weit und breit unter unserer Plane zu finden ist, ist an einen Reifenwechsel nicht zu denken. Tex zieht sich wieder dorthin zurück, Peter kriecht mit seiner Isoliermatte unter das Fahrzeug, beide versuchen zu schlafen. Ich lehne mich an' den im Schatten liegenden Hinterreifen unseres Toyotas und schreibe einen Brief an meine Freundin zu Hause. Einen Brief, den ich ihr wahrscheinlich selbst übergeben darf, denn der nächste „Briefkasten“ ist in Sehitwa ... Stunden später läßt die Hitze nach. Zu dritt marschieren wir wieder zur Höhle. Aber Forscherdrang hin oder her, wir entdecken weder in den beiden Haupthöhlen noch in den Nebenhöhlen etwas Besonderes. Als wir abends wieder am Lagerfeuer sitzen, haben wir Grund zum Lachen. In einem Abfallhaufen englischer Touristen, den eine Hyäne auf der Suche nach Nahrung ausgebuddelt hatte, entdeckte Tex eine Gabel. 118

Er findet das prima, weil er sein Besteck ja zu Hause liegenließ, ebenso seinen Teller und seinen Trinkbecher. Ich habe in der Zwischenzeit meinen Löffel verloren. Und so haben wir jetzt für drei Personen einen Löffel, 2 Gabeln und 8 Messer ...

„Chris“ Heute wollen wir zurück nach Norden, wieder nach Xaxa. Wir beschließen, den Reifen erst dort zu wechseln, vorausgesetzt, er hält so lange durch. Kurz nach Sonnenaufgang beginnen wir mit dem Packen. Schon eineinhalb Stunden später ist alles verschnürt. Die Strecke zurück ist uns ja bereits bekannt. Die Fahrt verläuft reibungslos, und dadurch, daß wir schon vor acht Uhr früh starten, ist die Tour einigermaßen erträglich. Wir fragen uns schon die ganze Zeit, wo denn der angekündigte Regen bleibt. Die Buschmänner warten, und wir mit ihnen, sehnsüchtig auf die berüchtigten „Kalaharigewitter“, aber nichts tut sich. Als wir in Xaxa eintreffen, und zu „unserem“ Baum fahren, in dessen Schatten wir unser Camp errichten, kommen auch gleich die ersten Besucher, allen voran „Chris“, der 23 Jahre alte Buschmann. Er war es ja, der uns seinerzeit bei unserer Ankunft als Dolmetscher behilflich war, er hatte sich uns damals förmlich aufgedrängt, kaum daß wir unser Lager aufgeschlagen hatten. Da Tex damit beschäftigt ist, mit den Ältesten zu verhandeln und Neuigkeiten auszutauschen, wäre mir etwas Hilfe gerade recht. Chris ist ein aufgeweckter Kerl und machte einen recht guten Eindruck auf Peter und mich. Momentan allerdings streitet er sich mit einer älteren Frau. Beide sitzen unter dem Baum und diskutieren heftig, während wir unser Fahrzeug entladen. Kaum steht unser Zelt, kommt Chris auf mich zu und fordert 100 Pula, einfach so, freundlich grinsend, und setzt sich vor mich hin. Auch Peter kommt herbei, als ich Chris frage, warum er Geld von mir wolle. Deshalb, so meint er, weil er uns vor einiger Zeit geholfen habe und dolmetschte. Peter und ich sehen uns fragend an. Einige hinzugekommene Buschmänner beteiligen sich an der Diskussion, reden besänftigend auf Chris ein. Mir geht es weniger um die einhundert Pula an sich, sondern viel mehr um die Unverschämtheit seiner Forderung. Ich gab ihm Tabak und Zigaretten. Er hatte sich bedankt. Alles schien in Ordnung zu sein und jetzt dies. Den anderen Buschmännern ist die ganze Sache offensichtlich peinlich. Erst spä119

ter erfahre ich, daß Chris von einem anderen, weit entfernt lebenden Stamm hierher gekommen war und bei den !Kung Aufnahme gefunden hatte. Er war allein gekommen. Ein Ausgestoßener? Tex mischt sich ein, und macht Chris die Unhöflichkeit seiner Forderung, die er mittlerweile auf 50 Pula reduziert hat, klar. Ich versuche ihm zu erklären, daß er von Anfang an einen Betrag für seine Dienste hätte fordern müssen. Dann wäre jetzt alles in Ordnung. Aber er könne unmöglich nachträglich mit weiteren Forderungen an uns herantreten. Die Buschmänner diskutieren eifrig untereinander. Aber im Gegensatz zu Chris sind ihre Stimmen gedämpfter, und es geht jedenfalls nicht aggressiv zu. Viele schütteln den Kopf. Man merkt deutlich, sie sind mit ihrem Stammesgenossen nicht derselben Meinung, möchten sich von ihm distanzieren. Chris selbst verscherzt sich ihre Sympathien, indem er laut zu schimpfen beginnt und schließlich beleidigend wird. Ich habe mich den !Kung zuliebe bisher zurückgehalten. Aber jetzt, so lese ich aus ihren Gesichtern, kann ich meinem Unmut freien Lauf lassen. Auch Tex nickt mir auffordernd zu. Gut, wenn ich also nicht gegen die hier herrschenden Sitten verstoße, auf denn! Ich springe auf, nähere mich fäusteschüttelnd Chris und belege ihn mit kräftigen bayrischen Kraftausdrücken, drohe ihm mit Gewalt. Er kann meine Worte natürlich nicht verstehen, aber mein Auftritt signalisiert ihm deutlich, daß ich gewillt bin, ihm notfalls eine Tracht Prügel angedeihen zu lassen. Freilich hätte ich mich in Wirklichkeit nie zu einem derartigen Akt hinreißen lassen. Aber Drohgebärden bewirken manchmal Wunder. Nach über einer Stunde heftiger Debatte trottet er weg, wüste Drohungen gegen uns ausstoßend: Daß er dafür sorgen werde, daß wir in der ganzen Kalahari geächtet würden und auch dafür, daß alle Buschmänner mit Verachtung auf uns blickten. War ich zu weit gegangen? Tex spricht mit einigen Buschmännern und informiert mich dann. Mein Verhalten, so die !Kung, sei richtig gewesen, denn Chris habe schon des öfteren Buschmänner gegeneinander auszuspielen versucht und Unfrieden gestiftet. Er sei kein guter Mensch und man werde ihn ausstoßen. Guter Gott! Das will ich auf gar keinen Fall. Aber Tex redet so lange auf mich ein, bis sich mein Gewissen beruhigt. Wäre ich nicht der auslösende Faktor gewesen, wäre es bei einer anderen Gelegenheit passiert. Ein schwacher Trost für mich. Aber aus der Mimik der Anwesenden und deren freundlichem Lächeln und Kopfnicken kann ich entnehmen, daß ich offenbar keinen Fehler begangen habe. Als wir später auf den Chef treffen, erklärt uns dieser ebenfalls, daß Chris ein Störfaktor im Stammesleben sei. „Er wird gehen, irgendwann!“ Später sollte ich auch an anderen Orten von Chris hören, er war wirklich nirgends gerne gesehen. 120

Tex mißt der ganzen Sache keine große Bedeutung bei. Er kommt stattdessen auf eine geniale Idee, die allerdings später scheitern sollte. Er macht den Vorschlag, eine Dusche zu bauen, hier unter dem Baum. Wasser gäbe es hier genug. Schon fährt er mit dem Hi-Lux in die Wüste, um das notwendige Holz aufzutreiben. Die Buschmannfrauen finden unser Vorhaben wahnsinnig lustig. Sie kichern und machen sich sofort daran, mit ihren Grabstöcken vier Löcher auszuheben. Ich lasse mir von einer Frau den Umgang mit dem Stock zeigen und nehme mir ebenfalls ein Loch vor. Das System, einen späteren Halt im lockeren Boden zu erzielen, ist einfach, wenn man die Technik beherrscht. Zuerst wird mit den Händen ein Loch gegraben, bis der Sand laufend nachrutscht, anschließend mit dem Grabstock kräftig in die Mitte der so entstandenen Kuhle gestoßen. Mit der Hand formt man eine Kralle und holt dann senkrecht, dem Greifarm eines Baggers nicht unähnlich, den gelösten Sand heraus. Durch die unten im Boden herrschende Feuchtigkeit halten die engen Seitenwände. Ich grabe fast bis zum Ellenbogen, und die Gesichter der Frauen strahlen mich an, offenbar mache ich meine Sache gut. Es stellt sich bei der Rückkehr von Tex natürlich prompt heraus, daß wir die Abstände zwischen den Löchern und die Maße der Plane gewaltig unterschätzt haben. „Die ganze Konstruktion sollte noch einmal überdacht werden“, meine ich schmunzelnd zu Peter. Eine Dusche könnten wir wirklich gebrauchen. Bis auf die morgendliche Zeremonie der Körperpflege „mit einem Becher Wasser“ hatten wir bisher keinerlei Möglichkeit, uns ausgiebig zu waschen. Trinkwasser geht vor. Und dementsprechend sehen wir auch aus. Wir starren vor Schmutz. Meine Füße sind kohlrabenschwarz, vom Geruch, den wir verströmen, einmal ganz abgesehen. Unser Bedürfnis nach einer „Vollwäsche“ ist dementsprechend groß. Im Gegensatz zu uns strahlen die Buschmänner eine regelrechte Sauberkeit aus ...

Ein Gewitter in der Kalahari Gelesen hatte ich schon darüber, auch erzählt wurde mir davon. Man muß es jedoch selbst einmal erlebt haben, so ein Gewitter in der Kalahari. Es beginnt zunächst mit einem starken Wind, der sich schnell steigert und eine Menge Sand mit sich führt. In der Tat erinnert mich der Auftakt an einen 121

kleinen Sandsturm in der Sahara. Der Wind heult und pfeift, nimmt schließlich an Stärke zu, während sich gleichzeitig am hellen Nachmittag der Himmel verdunkelt. Rasch ziehen schwarze Regenwolken auf und verdichten sich. Während sich die Windgeschwindigkeit so steigert, daß man schon Mühe hat, unbehindert aufrecht zu gehen, klatschen die ersten dicken Regentropfen auf den ausgedörrten Boden. Regen - endlich! So gnadenlos normalerweise die Sonne vom Himmel scheint, als wolle sie alles verbrennen, so heftig sind die Gewitter. In Sekunden ist alles naß, dampft der Boden, bilden sich kleine Wasserlachen. Der ausgedörrte Boden kann das Wasser gar nicht so schnell aufnehmen, wie es vom Himmel stürzt. Zu dritt flüchten sich Peter, Tex und ich in die enge Fahrerkabine, schließen sogar die Fenster. Der Regen peitscht gegen die Scheiben, nimmt uns völlig die Sicht. Blitze zucken vom Himmel in so dichter Reihenfolge, daß Donnerschlag auf Donnerschlag erfolgt. Der Wind heult und pfeift, der Regen trommelt auf das Autoblech. Es ist ein richtiges Inferno. Man könnte glauben, die Welt geht unter. Kein Wunder, daß die Buschmänner angesichts eines solchen Spektakels an übernatürliche Kräfte glauben. Peter und ich stecken uns eine Zigarette an. Ich mach mir gerade Notizen, als Tex plötzlich den Kopf schüttelt und voller Stolz zu uns sagt, er werde es seinen Enkeln erzählen, daß er einst als Führer mit zwei verrückten Deutschen in der Zentralkalahari unterwegs war, wo sie so ziemlich alles erlebt hätten, was es gäbe. Ich schmunzle, als er die Hände über dem Lenkrad verschränkt, nach draußen schaut, immer wieder den Kopf schüttelt und ein „Ts-ts-ts!“ durch die Zähne stößt. Mittlerweile herrscht draußen echte Weltuntergangsstimmung. Überall stehen die Pfützen, Wind und Regen beuteln unser Zelt. Ein Wunder, daß es noch steht. Ich habe die größeren Sandheringe aus Gewichtsgründen zu Hause gelassen. Nur die Erdnägel und zwei Abspannleinen halten unser luftiges Zuhause am Boden fest. Über eine Stunde tobt das Gewitter, dann läßt es plötzlich nach. „Hoffentlich ist unser Innenzelt trocken!“ schießt es mir durch den Kopf. Ich haste durch den Schlamm ins Zelt. Kaum krieche ich in die Apsis unserer Behausung, geht es erneut los. Der Wind wird so stark, daß ich ernste Bedenken habe, ob das Zelt durchhalten wird. Es grenzt ohnehin schon an ein Wunder, daß es noch steht. Über den aufgeweichten Boden im Vorzelt krieche ich ins Innenzelt und schließe die Reißverschlüsse. Draußen tobt der Sturm unvermindert weiter. Ich bekomme Angst, daß die starken Äste des Baumes brechen und auf das Zelt fallen könnten. Dennoch nehme ich mir die Zeit und führe mein Tagebuch weiter. Ich habe schon in den unmöglichsten Situationen geschrieben, eben immer dann, wenn ich durch widrige Umstän122

de zum Nichtstun verdammt gewesen bin. So kann ich die Zeit gut nutzen und es gibt keine langweilige Warterei. Während ich schreibe, biegt sich das Zeltgestänge bedrohlich nach innen, das Unwetter tobt weiter mit ganzer Kraft. Der Regen trommelt gegen die Plane. Die Lautstärke des Infernos ist beeindruckend. Ich blicke an mir hinunter. Gesicht, Arme, Beine - alles starrt vor Schmutz. Ich bin weiß Gott in Bezug auf Hygiene nicht verwöhnt, im Gegenteil, man kann ja alles übertreiben. Aber irgendwann kommt der Augenblick, wo man einfach alles satt hat. Vor allem die ständig durchgeschwitzten Klamotten, die auf der Haut kleben. Die Haut fängt schließlich an zu jucken, alles geht einem gehörig auf die Nerven. Man sehnt sich nach einer ausgiebigen Dusche. Man bildet sich ein, förmlich im Staub, Sand und Dreck zu ersticken. Kurzum, man ekelt sich vor sich selbst. Diese Belastung geht deutlich an die Moral. Wir schlafen im Dreck, wie essen im Dreck. Oft pule ich während einer Mahlzeit ein, zwei Insekten aus dem Essen. Die beiden Guides hatten uns vor der Fahrt zu den Tsodilo Hills gewarnt -jetzt stecken wir mitten in der Zentralkalahari. Karte und Kompaß nützen uns wenig. Fällt der Wagen aus, sind wir so gut wie verloren. Die Kalahari stillt das Bedürfnis nach Abenteuer auf ihre Weise. Ausgenommen die ersten und letzten Tage im „Crocodile Camp“ haben wir uns während unserer ganzen Expedition gerade zweimal duschen können. Dennoch möchte ich auch im nachhinein keinen einzigen Tag missen. Jedenfalls, die fiktive Dusche ging mir nicht mehr aus dem Kopf - irgend etwas wollte ich mir einfallen lassen. Momentan aber sitze ich hier im vom Sturm durchgeschüttelten Zelt und muß das Ganze einstweilen vertragen. Meinen Frust schreibe ich mir nach altbewährter Manier von der Seele. Damit ist die Angelegenheit vorerst erledigt. Über drei Stunden dauert der Gewittersturm. Gegen 18 Uhr klärt sich der Himmel auf. Nur noch vereinzelt klatschen dicke Regentropfen zu Boden. Kaum krieche ich aus dem Zelt, höre ich auch schon die beiden Autotüren zuschlagen. Tex und Peter peilen die Lage. Zeit zum Abendessen. Es hat merklich abgekühlt, wir müssen ein Feuer entfachen. Vom sonst strohtrockenen Holz der Kalahari verwöhnt, dauert es einige Zeit, bis wir soweit sind. Aber schließlich klappt es doch. Die Sonne geht schon unter, als wir auf Kanistern um unser Feuer sitzen und neue Pläne schmieden. Die Wasserfässer müssen wieder gefüllt werden. Mit viel Glück reicht unser Sprit noch bis zu den Tsodilos und von da nach Shakawe am westlichen Rand des Okavango-Deltas. Wir wollen es darauf ankommen lassen. Gedankenverloren stochere ich mit der Stiefelspitze im aufgeweichten Boden, als wir plötzlich weiter weg Frösche quaken hören. „Ja, das geht hier 123

schnell“, versichert Tex. „Die kleinen Frösche hierzulande können über Monate starr im Erdboden vergraben liegen. Beginnen die großen Regenfälle, erwachen sie zum Leben.“ Er hat kaum gesprochen, da hüpft so ein kleiner Kerl auch schon über den Boden. Und nicht nur einer. Plötzlich kommen sie von allen Seiten. Bei Licht betrachtet, sehen die Kalaharifrösche in keiner Weise wie unsere Gras- oder Teichfrösche aus. Es handelt sich um fast kugelige, graue Geschöpfe, bei denen die kurzen Arme und Stummelbeine in einem merkwürdigen Kontrast zum „aufgedunsenen“ Körper stehen. Etwas ungeschickt bewegen sie sich fort, scheinen jedoch ein gemeinsames Ziel zu haben. Sie sind etwa anderthalb mal so groß wie ein Fünfmarkstück. Einer wird Opfer von Peters Stiefel. Bevor wir noch mehr Tiere in der Dunkelheit zertreten, ziehen wir uns lieber ins Zelt zurück und lassen die Tiere ihr neugewonnenes Leben genießen. Im Zelt haben es sich mittlerweile jede Menge Kerbtiere gemütlich gemacht, die wir erst einmal entfernen müssen. Leider sind auch die Pappkartons mit den Tabakvorräten naß geworden. Sie stehen im feuchten Schlamm. „Irgendwie ist der Mensch mit nichts zufrieden!“ bemerke ich zu Peter. „Erst flucht er über die Sonne, ein schöner Regen ist ihm aber auch nicht recht!“

Dhobe Ich grabe ein längliches Loch unter dem Wagen, damit wir einen halbwegs flachen Baumstamm im Sand eingraben können. Der soll später dem Wagenheber als feste Unterlage dienen. Vom Luftnachpumpen und Reifenwechsel können wir mittlerweile ein Lied singen. Der mitgenommene neue Reifen nebst Schlauch ist längst aufgezogen, aber nun wechseln alle Reifen ihre Plätze. Der neue Vorderreifen vorne rechts wandert im Laufe der Zeit nach vorne links. Zur Zeit befindet er sich hinten rechts. Der linke ehemalige Hinterreifen sitzt vorne rechts usw. Was wesentlich schweißtreibender bei diesem Klima ist als Reifenaufpumpen, ist das Brechen des Reifens von der Felge. Keine der Felgen hat je im Leben Talkum gesehen. Bei dem Profil ist es ohnehin ein Wunder, daß die Reifen überhaupt noch halten. Die Schläuche sind ebenfalls mit allen möglichen Flicken bedeckt. Wir müssen haushalten - nur noch drei Flicken haben wir. Der Reifen ist zwar ab, aber selbst mit unserem Montiereisen ruckt sich 124

der Reifen nicht von der Felge. Tex fährt schließlich mehrfach über den liegenden Reifen, dazwischen drehen Peter und ich das Ding. Diese Prozedur wird so lange wiederholt, bis Tex wirklich alle Stellen des Reifens eingedrückt hat. Wer nun glaubt, jetzt lasse sich der Reifen leicht von der Felge brechen, irrt gewaltig. Wir brauchen über eine Stunde, bis wir den Reifen endlich von der Felge herunter haben. Anschließend beginnt die Suche nach der undichten Stelle. Manchmal haben wir Glück, oft ist es aber eine langwierige Angelegenheit. Ein Reifen macht es uns in den ganzen Wochen besonders schwer - dreimal bessern wir ihn aus, bis er wirklich dicht ist. Ist die Reparatur erledigt, wird der Reifen wieder auf die Felge gezogen, vorgepumpt, montiert und dann ganz aufgepumpt. Unsere altersschwache Fußpumpe ist dabei unser einziges Werkzeug. Ich bin heute seit fünf Uhr auf den Beinen, organisiere alles zur Weiterfahrt. In einem relativ neuen Haus hinter einigen Hügeln, können wir uns ausgiebig waschen. Neue Socken, frische Unterhosen - was für ein Gefühl! Ich fühle mich wie neugeboren und spendiere der Besitzerin des Hauses einige Sofortbilder als kleines Dankeschön. Stunden später: Wir werden durchgeschüttelt wie schon lange nicht mehr. Auch Tex macht ein verkniffenes Gesicht. Wir fahren stur Richtung Norden. Irgendwo auf unserer Strecke müßten wir auf Dhobe stoßen, ein kleines Buschmanndorf. Die bisher schlimmste Strecke steht uns bevor, auf der es oft bergauf geht und wo sich die Spuren früherer Fahrzeuge derart auffächern, daß die Breite der „Piste“ stellenweise bis zu 30 m beträgt. Rillen der übelsten Sorte, Vertiefungen voller Sand wechseln sich mit ganz kurzen, brettharten „Wellblechetappen“ ab. Zu allem Pech kann man weder nach rechts noch nach links ausweichen und zwischen den Akazien durchfahren, weil die Büsche einfach zu dicht stehen. Eine Rodung ganzer Streckenabschnitte wäre utopisch, also quälen wir uns weiter in der Hoffnung, daß unser armes, gebeuteltes Fahrzeug nicht aufgibt und tapfer durchhält. Irgendwann zweigt eine kleine, mit hartem Gras überwucherte Piste links ab. Einige Minuten Fahrt und wir sind in Dhobe. Das Dorf besteht aus einer Handvoll Hütten, die etwas verstreut sind und einem Baum, dessen Schatten wir als Rastplatz auswählen. Die Buschmänner, die uns innerhalb von wenigen Minuten umringen, halten auf Abstand, sind sehr scheu. Wir überlassen Tex die Verhandlungen. Er erzählt unsere „Geschichte“. Die Ältesten laden uns tatsächlich zum Bleiben ein. Das Gespräch kommt bald unweigerlich auf Chris, soviel können Peter und ich aus dem Palaver heraushören. Schon bald kommt Tex grinsend auf uns zu, und erzählt uns auf englisch den Inhalt seiner soeben geführten Unterhaltung. Auf einen kurzen Nenner 125

gebracht, hatte Tex folgendes in Erfahrung bringen können: Als er die Geschichte mit Chris erzählte, meinten die Buschmänner nur, das wäre nichts Neues. Sie waren bereits seit Tagen informiert! Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell sich Nachrichten, gleich welcher Art, in der Wildnis verbreiten. Auch hier ist Chris nicht beliebt. Im Gegenteil, sie bringen ihre ganze Sympathie uns gegenüber zum Ausdruck. Was Peter zu dem Ausspruch: „Also, der kann sich nun wirklich nirgends mehr blicken lassen!“ veranlaßt. Nachdem wir unser Fahrzeug entladen haben, überlasse ich es Tex, unsere Gastgeschenke, wie üblich Tabak und Maismehl, auszuteilen. Schnell kommen die alten Buschmannfrauen heran, setzen sich im Schneidersitz vor uns hin und halten ihren Karoß etwas hoch, damit Tex Tabak hineinlegen kann. Andere haben kleine Säckchen oder Tücher dabei, wo sie den begehrten Tabak aufbewahren. Ich gebe einigen Buschmännern „echte“ Filterzigaretten. Gemeinsam setzen wir uns auf den Boden und rauchen. Heute abend wollen die Buschmänner feiern. Zum Beginn des Festes sind tatsächlich 40 bis 50 Männer, Frauen und Kinder versammelt, die aus kleineren Ansiedlungen in der Nähe kommen. Ein großer, gußeiserner Kessel wird mit Wasser gefüllt, eine entsprechende Menge Maismehl verrührt. Doch bevor gegessen wird, beginnt schon ein Buschmann die große Trommel zu schlagen. Der Mann ist sehr geschickt. Die Buschmänner bewegen sich zu der Trommel, die im Kreis sitzenden Frauen stoßen helle, spitze Schreie aus und klatschen begeistert in die Hände. Die Kleinsten laufen nackt zwischen den Tänzern und Singenden umher. Ausgelassen geben sich die Buschmänner dem Vergnügen hin. Die Trommler wechseln sich ab. Aber es wird bald klar, daß der erste Trommler den größten Einfluß auf die Feiernden hat. Sein Körper glänzt vor Schweiß, er bearbeitet die große Trommel mit einer immensen Ausdauer. Der Inhalt des Topfes wird später - schon lange ist die Nacht hereingebrochen - an alle verteilt. Es ist nicht besonders viel für jeden. Aber wieder überrascht mich der Gemeinschaftssinn dieses Volkes. Keiner geht leer aus oder -wird benachteiligt. Mit Hilfe von Tex unterhalten wir uns die halbe Nacht mit einigen Männer oder lauschen dem Zirpen der Zikaden. Morgen wollen wir weiter in Richtung Nordwesten - den Tsodilo-Hills entgegen. Ich habe mit Tex die Karten genau studiert, aber die Route, die wir fahren wollen, existiert nicht. Wir nähern uns den Tsodilo-Hills ja bewußt von der südlichen Seite, auf einer neuen Route, die eigentlich aus einer uralten, fast vergessenen Piste besteht. Tex war vor 12 Jahren einmal in dieser Gegend. Mit etwas Glück müßten wir sie wiederfinden. 126

Die vergessene Piste Es ist kurz nach halb sechs Uhr morgens, als ich aus dem Zelt krieche und mich strecke. Durch die Regenfälle der letzten Tage ist es morgens ungewohnt frisch. Und mit der Feuchtigkeit sind auch die Fliegen wieder da. Als ich mit meinem dampfenden Becher Kaffee am morgendlichen Feuer sitze, kommen auch schon die ersten Buschmänner, was dazu führt, daß sich auch Tex aus seinen Decken schält. Ich erlebe in der nächsten halben Stunde einen der schönsten Kalahari-Sonnenaufgänge. Wir sitzen mit den Buschmännern ums Feuer. Die friedvolle Morgenstimmung entschädigt uns für die zurückliegenden Entbehrungen. Entbehrungen? Was eigentlich entbehre ich? Ich überdenke die Sache und komme zum Schluß, daß ich eigentlich nichts wirklich Wichtiges entbehre. Eigentlich bin ich zur Zeit wunschlos glücklich. Das Leben in der Kalahari verändert das Bewußtsein. Zwei Stunden später verabschieden wir uns von den freundlichen Leuten und fahren wieder Richtung Norden. Schon kurz nach unserer Abfahrt treffen wir auf ein Dorf der Hereros, das auf keiner Karte vermerkt ist. Wir haben schier unwahrscheinliches Glück. In einer Lehmhütte, die der fülligen Besitzerin gleichzeitig als Wohn- und Schlafraum dient, stapeln sich Maismehl, Tabak und Zigaretten. Wir werden rasch handelseinig, erstehen eine Hütte weiter auch noch Zucker und eine Dose Trockenmilch. Ich kann beim Ladenbesitzer auch noch einige größere Pula-Scheine gegen kleinere eintauschen. Irgendwo muß nun eine Piste Richtung Norden führen. Wir probieren verschiedene Wege. Einige verlieren sich, andere zweigen ab. Endlich glauben wir, den richtigen Weg gefunden zu haben. Wieder geht es ab in die Wildnis. Dieser Tag hat es in sich. Schon zu Beginn müssen wir feststellen, daß die Piste halb zugewuchert ist. Die Gräser stehen teilweise einen Meter hoch. Zweige, dornenbewehrte Äste klatschen gegen das Fahrzeug. Oft müssen wir um umgestürzte Bäume herumfahren. Die Hitze steigert sich unablässig. Es wird einer der heißesten Tage während unserer ganzen Tour. Nachmittags durchqueren wir ein Gebiet, in dem. vor Jahren einmal ein Steppenbrand gewütet hat. Große, kohlrabenschwarze Bäume stehen rechts und links des Weges. Ihre Stämme sind der Länge nach aufgeborsten. Gespenstisch ragen die verdorrten Äste in den Himmel. Den Kontrast zu den verkohlten Bäumen bietet das Schneeweiß und helle Grau der Erde. Zusätzlich zu der gewaltigen Hitze verliert auch noch einer der Reifen permanent Luft, so daß wir öfters gezwungen sind, anzuhalten und den Reifen abwechselnd aufzupumpen. Vor acht Jahren ist Tex schon einmal diese 127

Strecke mit einem deutschen Ehepaar gefahren. Aber nicht lange, dann mußte er umkehren, da die Ehefrau depressiv wurde. Ich kann die Frau verstehen. Wir aber sind mittlerweile so ziemlich an alles gewöhnt. Auch als Tex uns fragt, ob wir umkehren wollen, verneinen wir. Er ist sich nämlich nicht sicher, ob wir auf der richtigen Strecke sind. Ich kann ihm deswegen keinen Vorwurf machen. Aber wenn mein Kompaß nicht lügt, dürften wir richtungsmäßig hinkommen. Wir haben unseren Vorrat an Wasser so berechnet, daß wir vielleicht eine Woche damit auskommen. Tex hat sich bei den Hereros erkundigt. Diese Strecke wird schon jahrelang nicht befahren. Expeditionsrisiko ... Gegen Abend schließlich erreichen wir ein weiteres Dorf der Hereros. Ein kleines Nest in der endlosen Weite. Kurz vor Sonnenuntergang erspähen wir einige Buschmannhütten. Wir beschließen, zu bleiben und fahren zu einer kleinen Akaziengruppe, wo wir unser Zelt aufschlagen. Kaum mit dem Auspacken beschäftigt, kommen zwei alte Frauen zu uns. Tex beginnt eine lebhafte Unterhaltung mit ihnen. Wie sich herausstellt, leben hier fast ausschließlich Frauen und Kinder. Die Dürre hat der Sippe arg zugesetzt. Zudem sind die Männer auf Jagd. Nur einige Jungen und die Alten sind im Dorf. Der Hunger steht den Leuten ins Gesicht geschrieben. Wir bieten unsere Hilfe an. Tex fungiert als Dolmetscher. Eine halbe Stunde später schleppen die Dorfbewohner einen Kessel heran. Wasser wird geholt. Wir spenden unser Maismehl. In der Zwischenzeit verteilen Peter und ich Tabak. Das Elend vermehrt sich noch, als Kinder die Alten an einer Stange herbeiführen. Von den anwesenden acht Frauen sind sechs blind! Die Blinden halten sich an langen Holzstangen fest. Kleine Kinder dirigieren sie in die gewünschte Richtung und weisen ihnen einen Sitzplatz zu. Ich habe schon viele Blinde auf meinen Reisen gesehen, aber es geht mir jedesmal wieder von neuem ans Herz. Bei Gefahr, wenn etwa ein Löwe in das Dorf einbricht, rennt alles davon. Die Blinden aber bleiben stehen oder sitzen, wo sie gerade sind und erwarten ihr Schicksal. Text schoß vor zwei Jahren einen Löwen, der eines Abends in ein Dorf eingebrochen war. Da es Wald in der Nähe gab, rannten die Bewohner in Panik dorthin, „vergaßen“ aber eine kranke Frau, die sie einfach in der Hütte liegen ließen. Die Leiche, die Tex dann am anderen Tag vorfand, war schrecklich zugerichtet. Dies sind sicherlich keine alltäglichen Vorfälle. Immerhin, sie geschehen von Zeit zu Zeit. Den ganzen Abend wird gekocht. Dankbar essen sich die Kinder und Alten satt. Wir tun, was wir können. Durch reinen Zufall erfahren wir von einem jüngeren Herero, der eine Buschmannfrau geheiratet hatte, daß seine Frau vor zwei Tagen entbunden habe. Die Geburt sei äußerst schwierig gewesen. Die junge Mutter sei nur knapp mit dem Leben davongekommen. 128

Vom langen Hungern sehr geschwächt, sei ihr Zustand äußerst kritisch. Wenn sie nicht bald etwas zu essen bekäme, verhungere sie. Der Erzählende berichtet das Ganze zwar etwas bedrückt, zuckt aber dann nur hilflos mit den Achseln und wendet sich wieder seinem Teller zu. Ich kann es nicht fassen! Seine Frau liegt todkrank in der Hütte und er ißt! Tex will mich beruhigen, auch Peter ist aufgebracht. Wir wollen wissen, warum sie die Frau nicht hergebracht haben. „Sie ist zu schwach zum Gehen!“ kommt die lakonische Antwort. „Und warum hat man sie dann nicht hergetragen?“ Keine Antwort. Ich bitte Tex, die Leute zu fragen, ob wir ihr Essen bringen können. „Nein!“ wird uns zur Antwort gegeben. Wir dürfen sie nicht sehen. Wir vereinbaren aber, daß der Ehemann ihr ausreichend zu Essen bringt. Als er mit seinem Teller losmarschiert, kann ich nicht umhin, zu rufen: „Der soll bloß zusehen, daß seine Frau das Essen bekommt, sonst kann er was erleben!“ Meine Beherrschung geht langsam zu Ende. Dabei hat sich der arme Kerl offenbar wirklich Sorgen gemacht. Wir bekommen es später mühsam aus den Anwesenden heraus: Noch in der Nacht zuvor hatte der Ehemann ein altes Kuhfell ausgekocht, um den so gewonnenen Sud als „Ersatznahrung“ für seine Frau zu nutzen. Sein Verhalten freilich erscheint mir äußerst dubios, und wir beschließen, die Angelegenheit im Auge zu behalten. Tags darauf wechseln wir in aller Frühe den defekten Reifen aus. Die übliche Prozedur nimmt knapp zwei Stunden in Anspruch. Bevor wir weiterfahren, möchten wir jedoch auf jeden Fall bei der jungen Mutter vorbeischauen, uns nach ihrem Zustand erkundigen und eine große, warme Portion Haferflocken nebst einem Sack Maismehl für die nächsten Tage abliefern. Die nächste Zeit wird hart werden. Wir überprüfen noch einmal Öl, Wasser und Benzin, dann fahren wir die wenigen 100 Meter bis zum Dorf. Dort angekommen, werden wir scheu begrüßt. Wir stehen vor der Hütte der jungen Frau, die sich begeistert über das Essen hermacht. Sie hat gestern nichts erbrochen, was eigentlich meine große Befürchtung gewesen war und nach einer langen Hungerperiode für Europäer durchaus normal gewesen wäre. Die Mägen der Buschmänner erstaunen mich immer wieder. Mit unserem Löffel schaufelt die Frau die Mahlzeit förmlich in sich hinein und lacht uns durch den offenen Eingang dankbar an. Dem Kind geht es, so Tex, erstaunlicherweise gut. Offenbar hat die Frau genügend Milch für ihr Kind. Ich habe ein schlechtes Gewissen, einfach weiterzufahren. Aber Tex ist der Ansicht, daß wir mehr als genug getan haben. Sie komme bestimmt bald wieder zu Kräften, teilt er mir mit. Kämen die anderen Mitglieder der Sippe mit Jagdbeute zurück, sähe alles wieder besser aus. Tex ist richtig stolz auf uns drei. Wir haben ihr mit Sicherheit das Leben gerettet, meint er, glücklich lachend. 129

Auf dem Weg zu den Tsodilo Hills „Zwei Flicken haben wir noch für die Reifen, nicht gerade überwältigend“, überlege ich gerade, als es plötzlich einen Schlag unter der Vorderachse tut, und wir wieder über einen größeren Stein rumpeln. „Diese Strecke ist wirklich hundsmiserabel!“ schreie ich Peter zu, um den Motorlärm zu übertönen. Der nickt bloß und hält sich ebenso wie ich krampfhaft fest, damit wir auf dieser Höllenfahrt nicht von den Sitzen fliegen. Ein einziger Landcruiser kam uns vor Tagen entgegen. Der Fahrer war ein Schwarzer aus Zimbabwe, der von seiner Regierung ans Ende der Welt geschickt wurde und sich über dieses Gebiet verständlicherweise nicht gerade begeistert äußerte. Ein einziges Fahrzeug während unserer ganzen Expedition! Die Sahara ist direkt überlaufen, vergleicht man die Kalahari mit dieser größten Wüste der Erde. Aber, Spaß beiseite. Wer nähert sich den Tsodilo Hills auch schon von südlicher Richtung her? Praktisch alle Besucher dieser Berge nähern sich ihnen von der Westseite, auf der Teerstraße, die in nördlicher Richtung nach Shakawe führt. Von dort aus kann man auf einer sehr sandigen Strecke mit etwa vier Stunden Fahrzeit rechnen, wurde mir von Landeskennern gesagt. Die Piste, auf der wir uns momentan befinden, wurde seit Jahren nicht mehr befahren. Da ich keinerlei Unterlagen über diese Route habe, errechne ich die gefahrene Strecke ungefähr anhand des Kartenmaßstabs und unseres Tageskilometerzählers. Immerhin, die grobe Himmelsrichtung stimmt. Wenngleich die äußerst kurvenreiche Strecke mal westwärts und dann wieder nach Osten führt. Im großen und ganzen behält sie doch ihre Grundrichtung Nord-Süd bei, und das ist schließlich die Hauptsache. Wir haben Passagen, wo unser Fahrzeug fast zu breit ist, um durchzukommen. Die Seitenfenster kurbeln wir trotz der Hitze hoch, nachdem wir die Erfahrung gemacht haben, daß unser Fahrzeug im Vorbeifahren von Bäumen und Sträuchern Käfer, Spinnen und Laub förmlich einsammelt. Zusammen mit den Krabbeltieren und dem Staub läuft der Schweiß in Strömen. Es juckt am ganzen Körper und man kommt aus dem Kratzen nicht mehr heraus. Käfer krabbeln in den Haaren, fallen in den Westenkragen. Eine große Spinne landet zwischen meinen Beinen. Die Anzahl der ungebetenen Mitfahrer nimmt ständig zu. Irgendwann halten wir es nicht mehr aus. Wir stoppen, um kühles Wasser aus unserem Leinenbeutel zu trinken und eine Rauchpause zu machen. Um uns Bäume, Büsche, Sträucher. Konnten wir in der südlichen Kalahari kilometerweit sehen, ist unser Rundumblick hier stark eingeschränkt. 130

Völlig überraschend treffen wir auf zwei Buschmannhütten, die von zwei kleinen Familien bewohnt sind. Dort erkundigen wir uns nach dem -weiteren Weg. Beim gemeinsamen Rauchen stellt sich heraus, daß wir tatsächlich richtig sind. Aber wann das letztemal jemand mit einem Fahrzeug hier vorbeigekommen ist, läßt sich nicht in Erfahrung bringen. Einige Kilometer weiter öffnet sich plötzlich ein langes, breites Tal vor uns. Gräser sprießen vereinzelt aus dem Boden, verstreut stehen ein paar Bäume. Grüne Blätter! Welch ein Farbenspiel nach dem Grau und Braun der Zentral-Kalahari. Die Freude währt jedoch nicht lange. Wir schaffen es zwar tatsächlich, zwei alte Reifenspuren zu finden, denen wir im Tal folgen. Sie sind jedoch immer schlechter zu sehen, und schließlich verlieren sie sich gänzlich. Wir stehen vor einem Verhau von Büschen und Bäumen. Nichts geht mehr. Also zurück. Es dauert eine Weile, aber schließlich erreichen wir eine große freie Fläche. Der Untergrund allerdings entpuppt sich als grauer, mehliger Sand, der so leicht ist, daß man knöcheltief mit dem Stiefel einsinkt. Wir ziehen eine zwanzig Meter lange Staubfahne hinter uns her. Nach hinten ist die Sicht vollkommen versperrt. Der Kompaß irrt sich nicht. Nach dem Stand der Sonne fahren wir zweifelsfrei richtig. Irgendwann müssen wir die Umrisse der Tsodilos am Horizont sehen. Die Büsche und der Baumbestand werden wieder spärlicher. Wir befinden uns schließlich wieder in der gewohnten Kalahari-Landschaft mit ihren verdorrten, hohen Gräsern und den weit verstreut stehenden Akazien. Der Untergrund wechselt. Roter Sand ist es diesmal, der uns an einer schnellen Fahrt hindert. Völlig überraschend stoßen wir auf eine Gruppe Buschmänner und Frauen, die, wie wir erfahren, im Regierungsauftrag die Piste ausbessert. In der Praxis sieht dies so aus, daß einfach 100 m neben der alten Strecke, deren Fahrrillen mittlerweile so tief sind, daß nur noch ein Lkw durchkommt, eine neue Strecke angelegt wird. Büsche werden entwurzelt, Gräser abgeschnitten, fertig ist das neue „Teilstück“. Vor uns sehen wir jetzt die Silhouette des größten Berges. Denn die Tsodilo Hills bestehen im wesentlichen aus drei gigantischen Blöcken, die aus der Ebene aufragen. Langsam kommen sie näher. Eine Stunde später fahren wir über das Rollfeld, das der Schweizer Willy Zing in den siebziger Jahren anlegte. Er fliegt, ebenso wie andere Safariunternehmen, gelegentlich Besucher für einen Tag ein. Da wir von Süden kommen, mußten wir auf sie stoßen. Die Rollbahn ist immerhin über 900 m lang und entsprechend breit. Allerdings fällt sie, da sie keinerlei Befestigung oder gar Einrichtungen zur Beleuchtung aufweist, nicht weiter auf in diesem Gelände. Vor uns liegt der mit 420 m höchste Berg der Dreiergruppe. Wir fahren zwischen den Bergen hindurch, vorbei an einem Bohrloch, wo Hereros ihre Rinder tränken. Es 131

wird schattig. Große, alte Bäume verdecken die Sonne, als wir nochmals abbiegen und dann langsamer fahren. Tex zeigt schräg nach vorne. Der Eingang zu einer Höhle wird sichtbar, davor ein weißes Schild: TSODILO HILLS. Wir sind da, am heiligen Ort der Buschmänner, wo über zweitausend Felszeichnungen aus grauer Vorzeit von der uralten Existenz dieses Volkes zeugen.

Xobatshe Unsere Vorräte gehen allmählich zur Neige. Die Verpackung ist in einem desolaten Zustand, bis auf wenige Sachen, die in Dosen oder Weithalsflaschen verpackt sind. Ich beschließe, alles auszusortieren und mache mich über geplatzte Beutel, lecke Dosen und das Geschirr her. Eine dreiviertel Stunde später habe ich alles vom Sand gereinigt, den Abfall separat auf die Seite gelegt - wir nehmen ihn später mit - und wieder einen Überblick. Einige Grundnahrungsmittel und unsere Spezialnahrung, das ist alles, was uns für die nächsten Tage bleibt. Ich sehe mich einmal in der Nähe unseres Lagerplatzes um. Das Zelt haben wir etwas abseits einer kleinen Höhle aufgestellt. Diese Höhle ist nicht besonders hoch und vielleicht neun Meter tief. Es gibt auch einen kleinen Ausgang auf der anderen Seite. Vor dem Haupteingang liegen große, abgeschliffene Gesteinsbrocken. Ein idealer Platz zum Entspannen. Man kann es sich auf den Steinen gemütlich machen und an die Decke sehen, wo die Nester von Höhlenbienen kleben. Diese Bienen allerdings machen uns reichlich zu schaffen. Sie riechen das Trinkwasser und schwirren ständig um uns herum. Der Leinenwassersack ist über und über mit Bienen bedeckt. Um sie von uns abzulenken, stelle ich schließlich einen flachen Teller mit Wasser neben einen Baum. Im Nu ist der blaue Teller braun vor Bienen. Wir lernen Xobatshe, den Chef der örtlichen Buschmänner kennen. Er macht einen liebenswerten Eindruck, freut sich über Tabak und Zigaretten und beantwortet willig alle Fragen, die wir ihm stellen. Er hat jede Menge Zeit, es gibt etwas zu rauchen, und als wir ihn auch noch zum Kaffee einladen, kommt es mir bald so vor, als kennen wir uns schon lange. Xobatshe möchte uns morgen zu den Felsmalereien führen. Ich schätze den alten Knaben auf etwa fünfundsechzig Jahre, staune aber nicht schlecht, als Tex uns sein wahres Alter sagt: Achtundachtzig Jahre sei er, es gäbe keinen Irrtum. 132

Ich kann es kaum glauben, vor allem als Tex behauptet, im Laufen mache ihm der Buschmann jederzeit noch etwas vor. Unser Lagerplatz vor dem Höhleneingang ist der schönste Platz seit langem. Rund um uns herum stehen hohe Bäume, die durch die Regenfälle nun auch ein wenig Grün an den Ästen zeigen - ein idyllisches Plätzchen. Es ist früher Nachmittag, als die „Trümmer“ eines alten Landcruisers mit südafrikanischem Autokennzeichen um die Ecke biegen. Die ehemaligen Blechaufbauten des Toyotas sind durch selbstgebaute aus Holz ersetzt. Das Fahrzeug sieht derartig abenteuerlich aus, daß ich es fotografiere. Das angegebene Alter allerdings nehme ich dem Fahrzeug nicht ab. Fünfzehn Jahre sind garantiert untertrieben. Ich schätze das Vehikel auf mindestens zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre. Die Mannschaft besteht aus zwei jungen Frauen, einem Führer und zwei anderen Männern. Wir unterhalten uns auf englisch. Die Gruppe will zuerst zu den Zeichnungen und dann ebenfalls hier übernachten. Gerade verschwinden sie wieder um die Kurve, da nähert sich schon wieder ein Toyota mit namibischem Kennzeichen. An die Einsamkeit gewöhnt, schauen wir verwundert auf die Neuankömmlinge. Es handelt sich um zwei Deutsche, Thomas und Achim, beide aus Mannheim. Es ist schon eine geraume Zeit her, daß wir uns auf deutsch unterhalten konnten. Die beiden kommen aus Namibia und wollen von den Tsodilos aus weiter in Richtung Shakawe. Wir tauschen Erfahrungen aus. Sie spendieren uns einen Kaffee auf ihrem Gaskocher und sind überrascht, daß wir ausschließlich auf Holzfeuer kochen. Im Gegensatz zu unseren verdreckten Khakiklamotten tragen sie farbenprächtige Shorts und T-Shirts. Ich erkläre ihnen, daß wir aus der Zentralkalahari kämen und im Anschluß an die Tsodilo Hills zu einer ausgiebigen Waschaktion ins „Fishing Camp“ bei Shakawe fahren würden und anschließend weiter ins Okavango-Delta. Das lohne sich wirklich, meint Achim, das Okavango-Delta sei äußerst sehenswert. Da die beiden ebenfalls eine Zeitlang im „Fishing Camp“ bleiben 'wollen, kann es durchaus sein, daß wir uns noch einmal treffen. Wir verstehen uns prima. Eineinhalb Stunden sprechen wir über Erlebtes und Geplantes, dann verabschieden sich Thomas und Achim - sie müssen weiter. Die Tsodilo Hills sind meines Erachtens viel zu schade, um nach Touristenmanier einfach herzufliegen und nach einigen Stunden, mit etlichen Fotos „im Kasten“, wieder in die Zivilisation zurückzukehren. Die drei Berge mit ihren Ausläufern strahlen in ihrer Zeitlosigkeit eine große Ruhe aus. Der Name „Tsodilo“ stammt aus der Tswana-Sprache. Er wird von dem Namen „Sorile“ abgeleitet, was soviel wie „steil, jäh“ bedeutet. Die Buschmänner bezeichnen die Berge als Mann, Frau und Kind. Die höchste Erhebung liegt 133

im Süden der Landschaft und ragt 420 Meter aus der Ebene empor. 700 Meter weiter liegt der als „Frau“ bezeichnete Berg, der mehrere kleine Gipfel sowie kleinere Sanddünen an seinen Flanken aufweist. Etwa 1 000 Meter nördlich der „Frau“ liegt der hufeisenförmige „Kind-Hügel“ mit einem felsigen Gipfel von etwa 80 Meter Höhe. Alle drei Berge bestehen zum großen Teil aus Granit und ragen wie drei Felsinseln aus der Ebene auf. Wissenschaftler vermuten, daß hier in der Eisenzeit einige Dörfer lagen, worauf gefundene Eisenwaren hindeuten. Bekannt wurden die Tsodilo Hills durch ihre Felsmalereien. Die heute hier lebenden Buschmänner wissen nicht, wer die Zeichnungen in die Felsen ritzte, doch mit ziemlicher Sicherheit dürften sie von den Vorfahren der heutigen !Kung-Buschmänner stammen. An etwa 250 Stellen kann man in diesem Gebiet nahezu 2 000 Malereien besichtigen, die in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden. Zeichnungen, die vermutlich von schwarzen Stämmen angefertigt wurden, bilden die erste Gruppe. Es werden hier Menschen mit in die Seite gestemmten Armen dargestellt, ebenso Pferde, Ziegen und Schlangen. Außerdem befinden sich Motive darunter, die bis heute noch nicht gedeutet werden konnten. Die zweite Gruppe von Zeichnungen, die den Buschmännern zugeschrieben werden, ist in roter Farbe gemalt. Vielfach werden nur einzelne Objekte dargestellt, weniger Szenen wie Elefantenjagd oder tanzende Menschen. Bei den Zeichnungen überwiegen die Tiere. Von den Tiermotiven her dominiert das Eland, gefolgt von Giraffen, Nashörnern, Gemsböcken und Zebras. Auch in der Ausführung der Malereien gibt es Unterschiede: Da sind einerseits die frühesten Malereien, bei denen die Tiere in nur einer Farbe als zweibeinige Silhouetten dargestellt werden, andererseits die Malereien mit Umrissen, die dann später ausgefüllt wurden und als vierbeinige Motive vorhanden sind. Schließlich existieren auch noch mehrfarbige und schattierte Darstellungen, die offenbar jüngeren Datums sind. Neuere Ausgrabungen in der Umgebung der Tsodilos haben Tonwaren, Eisenwerkzeuge, Speerspitzen und Eisenringe hervorgebracht. Ich vervollständige gerade mein Tagebuch, da kommt Xobatshe wieder und setzt sich zu uns in den Schatten der Höhle. Wir kommen ins Gespräch. Xobatshe versteht einige Brocken Englisch. Er hat nur noch wenig Zähne, setzt aber gerne sein freundliches Lächeln auf und erzählt von seinem Stamm. Eine Frage, die mich seit längerem beschäftigt, ist folgende: Die Buschmänner essen so gut wie alles, nur an Hühner gehen sie nicht heran. Auf meine Frage diesbezüglich erklärt Xobatshe, das käme daher, weil ein Huhn den Dreck der Menschen und überhaupt Unrat esse. Deshalb werde der Buschmann vom Genuß des Hühnerfleisches krank. In jüngster Zeit essen zwar einige !Kung Hühnerfleisch, sie vertragen es offenbar, viele aber 134

lehnen es weiterhin als zu gefährlich ab. Von Tex habe ich zwischenzeitlich noch eine andere Sitte der !Kung erfahren: Wird jemand von der Sippe krank, so wird die Person drei bis maximal vier Wochen gepflegt. Zeigt sich zu diesem Zeitpunkt keine Besserung des Patienten, so wird dessen Hütte zum Einsturz gebracht und angezündet. Der oder die Kranke kommt in den Flammen um. Das klingt für unsere Begriffe sehr grausam. Man muß dabei aber die harten Lebensumstände der Buschmänner berücksichtigen. Außer dem Medizinmann existiert kein Arzt weit und breit. Der Kranke kann für den Stamm zu einer untragbaren Belastung werden. Er leistet nichts für die Gemeinschaft. Ob es denn Widerstand seitens der Angehörigen gäbe, will ich wissen. Nein, das sei unmöglich, denn der oder die Betreffende würden dann vom Stamm ausgeschlossen, werde ich aufgeklärt. Der Rest dieses Tages vergeht mit Unterhaltungen bis zum Abendessen. Während ich Milchpulver, Zucker und Haferflocken mit Wasser zu einem Brei vermenge - Tex schüttelt sich immer, er kennt die Zubereitung von Haferflocken nur „englisch“ - wagen sich Peter und Tex an unsere Hartwurst, die das ganze Unternehmen bisher offenbar überstanden hat. In Scheiben geschnitten, wandert die Wurst auf den Rost und wird gegrillt verspeist. Tex zaubert zudem noch getrocknetes Kudufleisch hervor, das er bei den Buschmännern erstanden hat. Rundum zufrieden gehen wir heute bereits früh schlafen.

Tsodilo Hills Eine Stunde schon sind „wir über dem Reifen. Es war mühselig, ihn von der Felge zu brechen, aber jetzt hat Tex das Loch lokalisiert. Kurz vor sechs Uhr morgens haben wir mit der Reparatur begonnen. Gegen sieben Uhr montieren wir endlich den Reifen nebst geflicktem Schlauch auf die Felge. Kurze Kaffeepause, dann beginnt das übliche Aufpumpen. Wir haben nur noch einen Ersatzflicken dabei - wenn das nur gutgeht. Aber zum Grübeln bleibt keine Zeit. Die Bienen schwirren -während der Arbeit um uns herum, daß es eine wahre Pracht ist. Es sind Hunderte, und wir können von Glück sagen, daß wir noch nicht zerstochen sind. Soeben trifft Xobatshe wieder ein. Begrüßung, Händeschütteln und einen schnellen Kaffee. Dann starten wir zu den berühmten Höhlenmalereien. 135

In der Tat, hier ist Xobatshe zu Hause. Den ganzen Vormittag verbringen wir mit dem Besichtigen und Fotografieren der Höhlen- und Felszeichnungen. Wir stoßen auf Motive, die wir ohne Xobatshe nie gefunden hätten. Für sein Alter legt der kleine Buschmann ein rasches Tempo vor und raucht dabei zufrieden seine Pfeife, die aus einer alten Patronenhülse besteht. Antilopen, Rinder, Zebras. Alle Bilder sind Jahrtausende alt und von Kritzeleien oder sonstigen „Hinterlassenschaften“ von Besuchern verschont. Oft befinden sich die Zeichnungen an glatten Wänden mehrere Meter über dem Boden. Um brauchbare Fotos zu erhalten, klettere ich öfters auf größere Gesteinsbrocken. Irgendwann passiert es. Ich visiere gerade eine rote Antilope an, da versagt die Kamera ihren Dienst. Nichts geht mehr. Peters zweites Gehäuse muß nun herhalten, was ärgerlich ist, da wir verschiedene Filme in den beiden Gehäusen haben. Auf kleinen, kaum sichtbaren Fußpfaden geht es später zwischen umgestürzten Bäumen zurück zum Toyota und anschließend zu unserer Höhle. Dort angekommen, mache ich mich über meine defekte Kamera her. Es dauert nur Minuten und ich habe den Schaden gefunden. Schmutz, Sand und Staub haben die Kontakte der Batterie derart verdreckt, daß ich sie vorsichtig mit der Feile meines Taschenmessers wieder blank feile. Die Batterie wieder eingelegt, funktioniert die Kamera wieder tadellos. Mit einem Führer wie Xobatshe können wir nun auch Teil zwei unseres Vorhabens angehen. Irgendwo nämlich muß eine versteckte Quelle liegen. Geri Lachner, der Guide aus Südafrika, bat mich seinerzeit, den Standort der Quelle ausfindig zu machen. Die Buschmänner nämlich hätten sich bisher beharrlich geweigert, ihm oder Touristen diese Quelle, die angeblich das ganze Jahr über Wasser führt, zu zeigen. Xobatshe führt uns hin. Wir fahren eine gute Strecke mit dem Hi-Lux, bis er von der Ladefläche aus kräftig aufs Fahrerdach schlägt und uns damit zum Anhalten veranlaßt. Zu Fuß geht es weiter. Zehn Minuten später stehen wir vor einer Felswand. Xobatshe zeigt nach oben. Außer Geröll und vereinzelten Büschen ist beim besten Willen nichts zu sehen, aber er geht behende voran. Tex, Peter und ich klettern hinterher. Es geht etwa 200 Meter nach oben, dann stehen wir auf einmal vor einem Loch, das schräg in die Tiefe führt. Selbst noch zehn Meter vor der Quelle ist diese nicht auszumachen. Eine ausgewaschene Rinne führt schräg nach unten, und wenn ich mich bücke, kann ich das Wasser ausmachen. Sauber allerdings ist es nicht. Xobatshe erklärt uns, daß diese Quelle auch in der größten Trockenheit Wasser führe, nie würde sie versiegen. Der Schmutz am Rande des Wassers rühre von Schlangen her und Raubwild, die sich gelegentlich hier an der Quelle auf die Lauer legten, um Beute zu schlagen. Xobatshe untersucht den Boden und meint dann, daß heute sehr früh schon ein 136

Ÿ Ohne die Hilfe von Xobatshe hätten wir viele Felszeichnungen nie gefunden. Ż Vorige Seite: Bei diesen Tierabbildungen dominieren Giraffen neben Gnus und Hausvieh. ź Leicht zu unterschätzen: Die „Trägheit“ der Krokodile.

Ÿ Die einzige Löwin, die Vera und Michael zu sehen bekamen. Foto: M. Monschau. ź Auf der Krokodilfarm in der Nähe von Maun.

Ÿ Mißtrauisch beäugt diese Giraffe unseren Lagerplatz. ź Mit Vorsicht zu genießen: Flußpferdmutter mit Jungem

Gepard hier gewesen sei. Ein Stück steige ich in den Schacht, schaue hinter dem Felsblock hervor nach unten. Die Quelle ist wirklich nur auf kürzeste Entfernung auszumachen. Wer rechnet schon damit, daß das Wasser in zweihundert Meter Höhe mitten im Fels liegt. Jeder würde unten danach suchen. Deshalb hatte auch bisher noch niemand Erfolg. Hätte uns Xobatshe nur 20 Meter weiter geführt, wir hätten tagelang suchen können ... Von hier oben hat man einen grandiosen Ausblick in die Ebene. Man kann sogar die staubige Piste erkennen. Wie eine träge Schlange windet sie sich durch das Land. Wir haben Glück und eine sehr gute Fernsicht. Ich steige noch zwischen den Felsen herum, klettere bis zu einer großen Platte direkt am Abgrund und fotografiere ins „Tal“, das von hier oben aussieht wie die Landschaft einer Modelleisenbahn. Ich bin zufrieden. Nach dem Abstieg fahren wir zu einigen Hererohütten, wo tatsächlich, wie auf dem alten Schild vor unserer Höhle beschrieben, das „Tsodilo-Gästebuch“ ausliegt. Der unsympathische „Chef“ der hiesigen Gegend macht keinen besonders intelligenten Eindruck. Er benimmt sich uns gegenüber zwar überfreundlich, behandelt aber alle anderen ziemlich barsch. Tex kennt ihn und meint, er trinke und werde sehr schnell aggressiv, was ich ihm gerne glauben will. Immerhin, ich erstehe einige hübsche Buschmannketten und ein Paket Zucker, das sich irgendwie in diese Gegend verirrt hat. Beim Gästebucheintrag ruft auch schon wieder die Zivilisation nach uns. Ein Deutscher konnte es natürlich nicht lassen, auf seinen akademischen Titel hinzuweisen und seinen „Doktor“ miteinzutragen. „Armer Kerl“, sage ich zu Peter, „der hat's weiß Gott verdammt nötig ..., und wir grinsen alle beide. Als wir unser Camp erreichen, treffen wir auf die Südafrikaner, die sich nun ebenfalls hier niedergelassen haben. Es gibt genug Platz für uns alle, und während die Jungs im Schatten dösen, kümmern sich Peter und ich um einige Fotos für unsere Sponsoren. Am späten Nachmittag sind wir geschafft. Die Hitze fordert ihren Tribut. Mit Xobatshe haben wir vereinbart, daß wir uns nachmittags in seinem Dorf treffen. Wir laden noch einen kleinen Faltkanister Wasser ein, und los geht's. Wenn man die Dörfer der Buschmänner in der Kalahari kennt, wird man von den paar armseligen Hütten am Rande der Tsodilos enttäuscht sein. Jede Menge Unrat ziert das Dorf. Alles macht einen heruntergekommenen, lieblosen Eindruck. Xobatshes Bruder ist blind. Stumm sitzt er vor seiner Hütte. Es herrscht Dorfalltag. „Touristen“ ist man hier gewohnt. Freude kommt jedoch auf, als wir den Buschmännern Tabak und den Rest unseres Maismehls geben. Eine halbe Stunde später sind sie am Kochen, und das Gefühl, beobachtender Tourist zu sein, legt sich allmählich. Ein Junge spielt Gitarre auf dem selbst137

gebastelten Instrument. Ich setze mich zu ihm. Scheu spielt er weiter. Als ich mir eine Zigarette drehe, verliert er seine Befangenheit. Mittlerweile kommen auch die Südafrikaner ins Dorf geschlendert. Sie haben sich unter einer intakten Buschmannkultur etwas anderes vorgestellt. Wir hingegen waren von Arthur und Geri gewarnt, nehmen alles nicht so tragisch. Die Mädchen stehen etwas hilflos herum, während die beiden jüngeren Männer versuchen, Speere und Bogen zu kaufen. Was nun folgt, werde ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen. Ein älterer Buschmann hört sich in aller Ruhe an, was die Fremden wollen und verschwindet dann kurz in einer Hütte. Eine Minute später hält er dem verdutzten Südafrikaner einen alten Zettel vor die Nase, auf dem in englisch die Preise für Äxte, Bögen, Speere und Korbwaren stehen ... Das Gesicht des Weißen, der sich offenbar fern von der Zivilisation wähnte, ist ein Bild für Götter. Er kann es einfach nicht begreifen, und Peter hat nichts Eiligeres zu tun, als das ganze Geschehen schnell auf Film zu bannen. Ja, hier hat die „segensreiche“ Zivilisation schon zugeschlagen. Man sieht es an der Bekleidung der Einheimischen und den verwahrlosten Hütten. Zusammen mit Xobatshe fahren wir später ins weite Gelände hinaus, fotografieren und treffen erst abends wieder am Lagerplatz ein. Die Südafrikaner machen es sich zum Übernachten in der Höhle bequem. Peter und ich gehen ebenfalls bald schlafen. Wir wollen morgen früh die letzte Etappe Richtung Osten in Angriff nehmen.

Lady Khama Morgens um halb sechs brennt unser Feuerchen schon. Zwanzig Minuten später trinken wir Kaffee und beginnen dann, unsere Ausrüstung zu verpacken. Die Bienen scheinen zu ahnen, daß ihr Wasserreservoir im Aufbruch ist. Wie die Verrückten umschwirren sie uns. Wir wedeln sie vorsichtig aus unseren Gesichtern, um sie nicht zu reizen. Gerade falten wir die Plane zusammen, da kommt auch schon Xobatshe zur Verabschiedung. Als ich noch ein Foto von unserem Lagerplatz machen möchte, fällt mir der Schatten an einem großen Felsen auf: Die Sonne zeichnet das Portrait eines Indianers mit hochgesteckten Haaren, Hakennase, deutlichem Kinn und Halsansatz. Ich zeige meine Entdeckung den anderen. Zwei der Südafrikaner gesellen sich zu uns. Der Zweck ihres Hierseins ist mittlerweile klar: Sie ha138

ben die Nase von den ewigen Rassenunruhen in Südafrika voll und möchten sich in Botswana niederlassen. Allerdings haben sie keine Ahnung, wie die Behörden auf ihr Vorhaben reagieren werden. Auch Tex kann ihnen hier nicht weiterhelfen. Wo wir hergekommen seien, wollen sie wissen. Ich zeige es ihnen auf ihrer wesentlich besseren Karte. Aber unsere Route von den Drotzky-Höhlen zu den Tsodilos ist auch hier nicht eingezeichnet. Sie haben keine Ahnung, um welche Piste es sich handeln könnte. Routenbeschreibungen, Erörterung von Sandpassagen und Pistenzuständen - dann schütteln wir uns die Hände, verabschieden uns von Xobatshe und fahren los. Diesmal nach Nordosten, dem Okavango-Delta entgegen. Die sandige Piste ist nicht weiter schwierig. Jedoch durch einige tiefe Passagen kommt man nur langsam voran. Was nach unseren Auskünften, die wir einholten, eine „mörderische“ Strapaze werden sollte, entpuppt sich als mittelmäßige, nicht allzu schwierige Sandpiste. Peter allerdings hat Recht, als er sagt: „Du kannst nicht von uns ausgehen. Die Leute gehen von Normaltouristen aus - für viele ist das schon ein echtes Abenteuer!“ Er mag Recht haben. Wir sind von unseren wirklich harten Passagen in der Kalahari ziemlich abgebrüht. Vier Stunden Fahrt solle man rechnen, so die allgemeinen Auskünfte. Noch vor 10 Uhr vormittags erreichen wir den Eingang zum „Fishing Camp“ - ganze 2 Stunden und 10 Minuten haben wir gebraucht. Gleich bei der Einfahrt bekommt Tex Kulleraugen: Zapfsäulen! Seine Euphorie wird jedoch gleich gedämpft, als sich Fritz uns vorstellt und meint, es gäbe momentan kein Benzin. Fritz, Ende Dreißig, stammt aus Namibia und spricht Deutsch ebenso gut wie wir. Er hat in etwa meine Größe, besitzt einen Vollbart und ist Brillenträger. Als wir zur Bar schlendern, kommen wir rasch ins Gespräch. Er führt das Camp seit drei Monaten, es gefällt ihm hier recht gut. Die Bar des „Fishing Camps“ ist ein Unikum. Aus einem dicken Eisenholzbaum, dessen Stamm man der Länge nach halbiert hatte, besteht die rechtwinklige Theke. Ebenso aus Eisenholzstämmen sind die Tische im Raum gezimmert. „Zuerst wurden seinerzeit die Theke und die Tische auf das Betonfundament mittels eines Krans gestellt. Anschließend baute man das Haus drumherum“, erklärt mir Fritz grinsend. Wir sitzen bei eisgekühltem Cola auf den Barhockern und erzählen uns gegenseitig unsere Erlebnisse. „Thomas und Achim sind schon seit zwei Tagen hier“, meint er. Sie haben ihm gesagt, daß wir ebenfalls hierherkämen. Von den beiden erfuhr ich bei den Tsodilos, daß angeblich der Präsident von Mocambique in den nächsten Tagen hier eintreffen werde. Fritz, darauf angesprochen, tut jedoch ganz erstaunt und überrascht. Er spielt seine Rolle glänzend und wir nehmen ihm die Story achselzuckend ab - Kalahari-Gerüchteküche ... 139

Wir suchen uns ein Übernachtungsplätzchen auf dem riesigen, gepflegten Areal. Alles ist sauber und ordentlich instand gehalten. Sauberes Wasser gibt es. Mittels zweier Nirosta-Küchenspülen kann man sogar sein Geschirr im Freien spülen. 150 Meter neben dieser Anlage und auf halbem Weg zu den Duschen und Toiletten stellen wir unseren Toyota ab, entladen das Fahrzeug und stellen das Zelt auf. 50 Meter weiter zum Ufer des Flusses haben Achim und Thomas ihr Domizil aufgeschlagen. Die beiden sind aber nicht da. Tex und Peter marschieren, mit Seife und Handtuch bewaffnet zu den Duschen. Eine halbe Stunde später bin ich an der Reihe. Vom Kopf bis zum Nabel schrubbe ich mich ab. Richtig duschen will ich erst abends, denn bei der Hitze hat es meines Erachtens mittags gar keinen Zweck. Als ich zum Zeltplatz zurücklaufe, treffe ich Thomas und Achim. Die beiden wollen nachmittags mit dem Boot in die Sümpfe fahren und laden uns ein, mitzukommen. Gesagt, getan, nur müssen wir etwas warten, bis ein Boot für fünf Personen frei wird. Obwohl wir außer zwei älteren Ehepaaren aus Kanada und Alaska die einzigen Fremden auf dem Areal sind, sind zwei Boote besetzt. Warum, sollte ich kurze Zeit später erfahren. Wir machen uns eine kleine Feuerstelle und essen zu Mittag. Anschließend brechen Tex, Peter und ich zu einem Erkundungsgang auf. Wir gehen zuerst zu den Booten und begutachten dann die Seitenarme des Flusses. Von Fritz erfahren wir später, daß es heute wegen Fahrermangel mit der geplanten Bootstour schlecht aussieht. So einigen wir uns darauf, daß wir getrennt fahren, und Fritz fährt mit Thomas und Achim los. Wir möchten morgen früh einen Abstecher machen. Wir beratschlagen, was wir mit dem angebrochenen Tag machen sollen. Es ist kurz nach 15 Uhr. Nach Shakawe in den Norden benötigen wir mit dem Hi-Lux gut eine Stunde. Das ist zu weit, und Peter schlägt vor, doch einfach loszulaufen, um die Gegend zu erkunden. Wir sind noch keine hundert Meter unterwegs, da tauchen große, äußerst komfortable Zelte vor uns auf. Ich kenne die Dinger. Sie bleiben meist das ganze Jahr über aufgebaut, sind mit Bett, Schrank, Tisch, Moskitonetz und Kühlschrank ausgestattet. Teppiche liegen auf dem Boden. Die Zelte sind etwa drei Meter hoch. Super-Luxus-Safari-Hemingway-Zelte habe ich sie getauft. Plötzlich, ein gut gekleideter Schwarzer im Nadelstreifenanzug, dann noch einer. Tex wird gefragt, was wir hier treiben. Während er unser Hiersein erklärt, kommt eine sehr gepflegte ältere Dame aus einem der Zelte. Es ist niemand anderes als Ruth Khama, die Witwe des ersten Präsidenten von Botswana und heutige Ministerin des Roten Kreuzes. Tex strahlt über das ganze Gesicht, reißt seinen Hut vom Kopf, geht auf die alte Dame zu, verbeugt sich und gibt ihr die Hand. Peter und ich schließen uns an. Freundlich lächelt sie uns zu. Ein kurzes „Woher und Wohin“, schon geht sie mit ihrer 140

Enkeltochter weiter. Tex ist glücklich, er strahlt wie ein Honigkuchenpferd, auch mir fehlen die Worte. Die Bodyguards nicken uns ebenso freundlich zu, das erste Eis ist gebrochen. „Ihr seid die ersten Weißen, die der ehemaligen Regierungspräsidentin die Hand schütteln durften, zumindest ohne einen offiziellen Termin“, strahlt Tex uns an. Ich kann mich gut in die Euphorie von Tex hineinversetzen. Die alte Dame ist bei der Bevölkerung sehr beliebt. Einer ihrer Söhne ist der Befehlshaber der Armee. Wir sind mitten in einen Ausflug der Herrschenden geplatzt. Peter allerdings schießt den Vogel ab. Er hatte überhaupt nicht gewußt, wem er da die Hand schüttelte. Aber da Tex und ich dies taten ... Ich klopfe ihm lachend auf die Schulter, als er meint: „Woher soll ich das wissen? Ich habe die Dame nie gesehen!“ Das stimmt. Ich kenne sie ja auch nur von Fotos, und da war sie fast dreißig Jahre jünger. Wir marschieren zur Bar. Anstatt Fritz bedient dort der ältere, freundliche Kanadier, und ich entwerfe sofort einen Plan. Tex kennt die Söhne der alten Lady von früher und wird versuchen, ein Interview mit ihr zu arrangieren, bei dem ich das Buschmannproblem zur Sprache bringen will. Die geplante Bootsfahrt wird einstweilen ausgesetzt. Nun ist aber meine „Komplettreinigung“ angesagt. Eine Stunde brauche ich, um schließlich frisch gewaschen in fleckenloser Khakikluft zurück zur Bar zu marschieren, wo ich mein Tagebuch ergänze. Was ich noch herausbekomme: Die alte Dame nebst den Offizieren, ihren Söhnen, ist inkognito hier. Das gesamte Personal, auch Fritz, wurde zu strengstem Stillschweigen verpflichtet. Da hätte ich an seiner Stelle auch dichtgehalten. Einige Südafrikaner schmeißen etliche Runden Bier. Sie sind zum Fischen hier, einem der besten Plätze für leidenschaftliche Angler, wie ich erfahre. Das Tagebuch schließe ich mit den Sätzen: „17.50 Uhr: Ein kleiner, etwa 15 Millimeter großer Skorpion läuft schnell über meinen Tisch und verkriecht sich rasch zwischen Stamm und Rinde in einem Spalt, worauf ein Südafrikaner meint: ,He goes sleep!' und dabei achselzuckend seine Bierdose zum Mund hebt.“

Die Geheimkonferenz Während Peter neben mir selig schlummert, kann ich beim besten Willen nicht schlafen. Offenbar habe ich viel zu viel Cola getrunken. Es ist kein 141

Wunder, mein Körper war die ganze Zeit nur an koffeinfreien Kaffee aus Deutschland und Wasser gewöhnt. Gegen zwei Uhr morgens schlafe ich endlich ein, sitze aber vier Stunden später schon mit Tex beim Morgenkaffee. Anschließend wechseln wir wieder einen Reifen, der ein Opfer der Dornen wurde. Zwangsweise unseren letzten, denn wir haben nur noch einen Flicken. Die übliche Prozedur überstehen wir schwitzend. Wir können diesmal von Glück sagen, daß wir neben einem Fluß lagern, denn um das Loch zu lokalisieren, benötigen wir jede Menge Wasser. Aber endlich ist auch das überstanden. Tex und ich machen uns danach auf in die Bar, wo man gewöhnlich die neuesten Begebenheiten erfährt. Er unterhält sich mit einem von Lady Khamas Söhnen, dem Armeechef. Alle tragen Zivil: weißes Polohemd, Jeans, Turnschuhe. „Das Interview müßte klappen“, meint Tex zu mir. Da trifft der Präsident von Mocambique ein, was mich dazu veranlaßt, meine Kameras schußfertig zu machen. Am Fluß ist mittlerweile die Hölle los. Tarnfarbene Schnellboote der Armee riegeln alles ab. Minister nebst Ehegattinnen kommen in einer großen weißen Yacht über den Fluß. Der Bootsanlegeplatz wird von Soldaten gesichert. Ein Soldat postiert sich dreihundert Meter vor uns neben einem Gebüsch. Fragen kostet ja nichts, und so marschiere ich in seine Richtung. Es handelt sich um einen Mannschaftsdienstgrad einer speziellen Truppe des Präsidenten. Ich gehe auf ihn zu, lasse mich auch durch das kurze Anheben seines AK-47-Schnellfeuergewehrs nicht abschrecken und lächle ihn freundlich an, während ich um ein Foto bitte. Der äußerst derbe Wortschwall und das Wedeln seiner Waffe machen mir aber schnell klar, daß er mit meinem Vorhaben ganz und gar nicht einverstanden ist. Da kein ranghöherer Soldat in der Nähe ist, hebe ich freundlich die offenen Hände und gehe zu meinen Freunden zurück. Nichts zu machen. Es wurmt mich als Journalist natürlich gewaltig, daß sich hier ein Treffen - eine Geheimkonferenz, wie wir später erfahren sollten - anbahnt und ich zum Däumchendrehen verurteilt bin. Aber was soll ich machen? In der Bar angekommen, werden wir auch gleich wieder hinauskomplimentiert, und man bittet uns, bis zum Nachmittag in der Nähe unseres Lagerplatzes zu bleiben. Bar und Aufenthaltsraum werden hermetisch abgeriegelt. Kaum sitzen Tex und ich beim Mittagessen, kommen Polizei und Geheimdienst. Tex unterhält sich mit einigen Herren, und man läßt uns in Ruhe weiteressen. Aus Langeweile machen Peter und ich hernach einen Kassensturz - und der gleicht einer Katastrophe. Unsere Devisen gehen rapide zur Neige. Genaueres läßt sich erst in Maun nach dem Besuch der Bank feststellen. 142

Plötzlich tauchen einige botswanische Minister mit Ehegattinnen auf und erkundigen sich nach unserem Befinden. Tex erklärt den Leuten unser Hiersein. Sie geben sich äußerst freundlich, erkundigen sich nach den Campingplatzpreisen, und Tex ist in seinem Element. Etwas mitleidig sehen zwei Ministerfrauen auf unseren verbeulten Grillrost und unser verrußtes Geschirr. Sie sind natürlich anderes gewohnt. Aber Tex erklärt ihnen den Sachverhalt auf Tswana, und offenbar sind sie zufrieden. Zusammen mit dem kanadischen Ehepaar, das mit seinem Wohnmobil hier ist und auch schon seit einem Jahr unterwegs ist, stellen wir uns oben an den steilen Abbruch zum Flußufer und betrachten die weiße Yacht, die, von Militärbooten flankiert, gemächlich in unsere Richtung fährt. Tex meint, daß da unten auf dem Promenadendeck sein Chef dabei sei, der Gesundheitsminister, und winkt begeistert. Schaden kann es nichts, die Kanadier und „wir schließen uns an und winken ebenfalls. Was wir natürlich nicht wissen konnten: Unterhalb unseres Lagers befindet sich eine Anlegestelle. Das Schiff macht dort tatsächlich fest, und einige Passagiere kommen zu Fuß die 50 Meter zu uns herauf. Jetzt ist Tex in seinem Element. Er erzählt prompt, daß ich ein Journalist aus Deutschland sei, Bücher schreibe und daß wir von einer Buschmann-Expedition kämen. Er ist einfach unmöglich! Aber seine offene Art kommt an. Wir werden freundlich begrüßt und man unterhält sich mit uns. Aber Fotografieren ist nicht erlaubt. Gegen 16 Uhr - ich habe dennoch etliche Fotos aus der Hüfte heraus geschossen, das Klicken des Spiegels jedesmal mit einem lauten Husten übertönt - reist der Präsident von Mocambique wieder unter Schnellboot- und Helikoptereinsatz ab. Die Geheimkonferenz ist vorbei. Kurze Zeit später sitzen Tex und ich nur vier Meter neben Ruth Khama, ihrem Enkelkind und ihren beiden Söhnen in der Bar. Man begrüßt uns, das ist aber auch alles. Einfach hingehen und fragen geht nicht. Der Armeechef hat Tex untersagt, seine Mutter direkt anzusprechen. Alle Verhandlungen in bezug auf ein Interview laufen über ihn. Und er hat momentan eben keine Lust. Da ist nichts zu machen. Trotz eines späteren Gesprächs kommt Tex nicht an die alte Dame ran. Ich habe das geplante Interview schon gestrichen. Der einige Lichtblick am Abend ist Arthur, der eine Fahrt nach Namibia hat, und den wir so überraschend wiedertreffen. Der Gute hilft uns mit Pulverkaffee aus unserer Verlegenheit. Abends am Lagerfeuer erörtern wir das Ganze noch einmal, aber wir sehen keine Möglichkeit, zu Lady Khama vorzustoßen. Warum ich mich so für diese Frau interessiere, will ich hier kurz erklären. Botswana stand lange Zeit unter der Herrschaft Englands. Dies änderte sich 143

im März 1965, als sich die Bewohner von „British Protectorate of Betchuanaland“ für eine „Republik Botswana“ mit der Hauptstadt Gaborone aussprachen. Am 30. September 1966 wollte man als eines der 20 ärmsten Länder der Welt einen demokratischen Versuch machen. Michael Iwanowski in seinem Buch „Botswana“: „Der zukünftige Staat sollte vielrassig sein und alle Bevölkerungsgruppen wie Buschmänner, Weiße, Inder und Schwarze in ,Recht und Freiheit' zu ,Frieden und Wohlstand' führen.“ Was seinerzeit kein Beobachter für möglich hielt, ist Wirklichkeit geworden. Die Demokratie in Botswana funktioniert. Aber spannender als die reinen Fakten auf dem Weg zur Demokratie ist der Lebensweg des ersten, verdienstvollen Präsidenten der jungen Republik. Seretse Khama wurde als Häuptlingssohn zur juristischen Ausbildung nach London gesandt. Dort verliebte er sich in eine junge Engländerin, Ruth Williams. Diese Frau lebte nach einer vierjährigen Dienstzeit als Luftwaffenhelferin als Chefsekretärin in London. Der damalige Regent des BangmawatoStammes war Seretses Onkel Tshekedi Khama. Er war ein Autokrat und führte den Stamm mit straffer Hand. Tshekedi stellte sich gegen den Heiratswunsch und versuchte, durch die englische Regierung und die „London Missionary Society“ Druck auf seinen Neffen auszuüben. Seine Bemühungen führten jedoch nur dazu, daß die anglikanische Kirche eine christliche Trauung versagte. Seretse heiratete daraufhin im September 1948 standesamtlich. Zur Strafe wurde er des Heimatlandes verwiesen. Er lebte in England im Exil, während zu Hause die Frage der Häuptlingsnachfolge ausgefochten wurde. Zweifellos übten auch südafrikanische Kräfte einen großen Einfluß auf die englische Entscheidung aus, denn sie drohten mit einer Blockade des Protektorats. Nach dieser gemischtrassigen Hochzeit wurde in Südafrika der „Immorality Act“ geschaffen. Dieser stellte den Geschlechtsverkehr zwischen Weißen und Schwarzen als Verbrechen unter Strafe. Im Kgotla, dem Versammlungsplatz, kam es bei öffentlichen „Palavern“ zu Schlägereien mit Toten und Verletzten. In einem Urteil hieß es dann, daß weder Seretse Khama noch seine Kinder künftig zu Häuptlingen aufsteigen dürften. Die „Konservative Partei“ in London stimmte diesem Stammesbeschluß zu. Nach dem Tod von Tshekedi änderten sich die Verhältnisse. Seretse lebte mit seiner Frau, seinen drei Söhnen und einer Tochter in Serowe. Als einer der reichsten Viehzüchter des Landes konnte er sich ohne Stammesverpflichtungen erfolgreich auf die überregionale Politik in der „Democratic Party“ konzentrieren. Seme Bildung, die Herkunft und die Ehe mit einer weißen Frau machten ihn am 31.4. 1965 für alle Bevölkerungsschichten wählbar. Der englischen Verwaltung und den weißen Farmern war seine 144

Kandidatur genehm. Viele Gesprächspartner betonten damals vor der Wahl: „Seretse ist ein feiner Kerl, und mit seiner Frau wird er uns bei Rassengleichheit auf lange Sicht den nötigen Fortschritt bringen.“ Bis zu seinem Tode im Jahre 1980 hat dieses Ehepaar den Wunsch der Wähler erfüllt.

Am Thamalakane Am anderen Morgen zahlen wir bei Fritz unsere Rechnung und verlassen das „Fishing Camp“, biegen auf der Teerstraße, die nur gelegentlich noch von der alten Piste unterbrochen wird, nach Süden ab. Zwei Stunden später nähern wir uns einem umgekippten Lkw. Wie 'wir erfahren, ereignete sich in der Nacht ein schwerer Unfall. Offenbar wegen Übermüdung kam der LkwFahrer von der Straße ab. Er selbst und die Leute auf der Ladefläche kamen ums Leben - zudem war der Fahrer auch noch ein Freund von Tex ... Er tut mir wirklich leid, aber was helfen tröstende Worte, wenn man einen guten Freund verliert? Kurz nach elf Uhr biegen wir in eine Staubwolke eingehüllt in Sehitwa ein. Wir fahren zuerst zum Restaurant und lassen uns Bohnen mit Corned beef heißmachen. Anschließend fahren wir zur Schule, zur Besitzerin des Toyota. Mrs. Chilume fällt uns fast um den Hals, als sie uns wieder sieht. Nein, nicht ihr wohlbehaltenes Auto ist es, das sie so stürmisch begrüßt. Die Gute hat sich wirklich große Sorgen um uns gemacht. Wir folgen ihr ins Büro, um wegen des Wagens abzurechnen. Prompt kommen wir ins Schleudern. Wir hielten einen halben Pula pro Kilometer für vereinbart, sie besteht jedoch auf einem Pula. Das sind zwar nur 35 Pfennige Unterschied, aber bei unserer zurückgelegten Strecke geht es doch sehr ins Geld. Wir sind uns sicher, daß uns Sylvia nicht übers Ohr hauen will, schließlich ist sie ja auch das Risiko eingegangen, ihr Fahrzeug zu verlieren. Es wäre nicht das erste Mal, daß ich persönliche Dinge oder eine Kamera in Afrika verkaufe, um wieder nach Hause zu kommen. Sie macht uns ein verlockendes Angebot: Statt 100 ab jetzt nur noch 50 Pula. Die Kilometerpauschale wird ab sofort ebenfalls gesenkt von einem Pula am Tag auf einen halben, also 50 Thebe. Die Abrechnung folgt am Ende der Reise in Maun. Wenn wir äußerst knapp kalkulieren, können wir es uns leisten, wie geplant, unser Unternehmen mit einem Besuch bei den Flußbuschmännern und einer Exkursion mitten ins Okavango-Delta zu beenden. Peter und ich sehen uns 145

kurz an, dann schlage ich ein. Bevor wir weiter in Richtung Maun fahren, möchten wir uns aber bei Schwester Gertrud und Dorothea zurückmelden und gleichzeitig wieder verabschieden. Mit ersterer haben wir Pech. Sie hat schon, wie angekündigt, ihren Urlaub genommen und ist Richtung Südafrika ans Meer gefahren. Wer Sehitwa kennt, kann es ihr wirklich nachempfinden. Immerhin erreichen wir aber Schwester Dorothea. Eine halbe Stunde später sind wir auf der 30 Kilometer langen Katastrophenpiste (die uns jetzt gar nicht mehr so schlimm vorkommt) und schließlich auf der Teerstraße nach Maun. Etwa neun Kilometer vor Maun befindet sich rechter Hand eine Krokodilfarm, der wir noch einen Besuch abstatten wollen. Dort marschieren wir mit Tex durch das eingezäunte Gelände. Die Maschendrahtzäune, „verstärkt“ mit Strohmatten, machen allerdings keinen sicheren Eindruck, aber wenn sie bisher gehalten haben ... Von einem Angestellten lassen wir einen Baby-Kadaver ins Wasser werfen (damit hier keine falschen Vorstellungen aufkommen: Die Jungtiere liegen hier ohnehin abgehäutet tot in der Sonne und werden als Futter verwandt). Es ist erstaunlich, mit welcher Vehemenz die eben noch trägen Tiere das Fressen hinunterschlingen. Freilich, den für Touristen angebotenen Schuhen oder Handtaschen können wir beim besten Willen nichts Positives abgewinnen. „Es wird Zeit, daß wir wieder hinaus in die Prärie kommen“, sage ich zu Peter, der meine Meinung teilt. Zwei Stunden später, unser Zelt steht in der Nähe des Flusses, das Lagerfeuer raucht, ist die Welt wieder in Ordnung. Verschwitzte Klamotten, nervende Fliegen und ein typisches Abendessen: Nudeln, Reis, Corned beef und Gewürze - aus Rationalisierungsgründen alles zusammengekocht... Da es hier im Norden wesentlich mehr geregnet hat als in der Kalahari, grünt es bereits überall. Das Frühjahr beginnt. Vögel zwitschern, Reiher stehen am Flußufer, ein Adler zieht seine Kreise. Auch der Platz, wo wir zelten, ist eine grüne Frühlingswiese. In der Dämmerung hören wir plötzlich Geräusche, die diese Idylle empfindlich stören: Es handelt sich eindeutig um Flußpferdbullen! „Wenn sie jetzt angreifen, ist es aus!“ sage ich leise zu Peter. Auch Tex lauscht, verhält sich mucksmäuschenstill. Gebannt horchen wir in die Richtung des Lärms. Aggressives Schnauben, kräftiges Scharren, Laubgeraschel und unwilliges Brummen - wir müssen zwischen zwei rivalisierende Flußpferdbullen geraten sein. Dabei haben wir beim Zeltaufbau auf mögliche Fußspuren dieser großen Pflanzenfresser geachtet. Was nun? Lager abbrechen, sich davonstehlen? Ein Unding, denn Flußpferde sehen zwar schlecht, hören dafür aber um so besser. Weglaufen scheidet ohnehin aus. Bis zu 45 Stundenkilometer schnell können Flußpferde in ihrer Angriffswut werden. Was sie anrichten können, erzählten uns 146

einmal einige Buschmänner. Einen Mokoro, den hier üblichen Einbaum, kann ein wütender Bulle in zwei Hälften teilen. Tex hat schon einmal die beiden Hälften eines Flußpferdopfers gesehen ... So ein Koloß kann eine Länge von über vier Metern, eine Schulterhöhe von anderthalb Metern und knappe vier Tonnen an Gewicht erreichen. Das charakteristische „Gähnen“ der Flußpferde hat nichts mit einem etwaigen Schlafbedürfnis zu tun, es ist eine feindliche Geste, eine Herausforderung zum Kampf. Diese Kämpfe sind äußerst heftig. Die Rivalen erheben sich aus dem Wasser, ihre riesigen Mäuler sind weit geöffnet und sie versuchen, sich mit ihren Stoßzähnen zu beißen. Dabei entstehen fürchterliche Wunden. Das verletzte Tier fällt brüllend ins Wasser zurück. Ziel des Kampfes ist ein barbarischer Akt: Ein Bulle versucht dem anderen die Vorderfüße zu brechen. Das ist tödlich für den Kontrahenten, denn der Gegner kann dann nicht mehr an Land und zum Äsen. Die Tiere fressen vorzugsweise nachts an Land. Gewöhnlich wagen sie sich nicht allzuweit vom Wasser 'weg, aber sie können sich auch schon einmal bis zu 30 Kilometer vom Fluß entfernen. Momentan bleibt uns gar nichts anderes übrig, als abzuwarten. Die Sonne ist mittlerweile untergegangen, es ist absolut dunkel. Unser kleines Lagerfeuer ist auch nicht dazu angetan, unseren nächtlichen Frieden zu sichern. So leise es geht, machen wir uns schließlich schlaffertig. Tex klettert auf die Ladefläche unseres Toyotas, Peter und ich kriechen ins Zelt. Die halbe Nacht liege ich wach. Einmal bilde ich mir ein, die Tiere seien in unmittelbarer Zeltnähe. Aber offenbar habe ich mich getäuscht. In einer Art Halbschlaf hören wir die Tiere bis zum Morgengrauen. Zu einem Angriff auf unser Camp können sie sich jedoch nicht entschließen, und gegen vier Uhr morgens trollen sich die beiden endlich Richtung Fluß.

Im Okavango-Delta Am anderen Morgen kurz nach fünf Uhr knie ich am Feuer, um es für unseren Kaffee wieder anzufachen. Mit Tex zusammen verpacke ich bis aufs Zelt und die Schlafsäcke schon mal alles auf unseren Wagen, denn der Himmel sieht nach Regen aus. Peter ist nicht wach zu kriegen. Endlich steht er doch auf, und kurz vor sieben Uhr sind wir bereits unterwegs nach Maun. Dort müssen wir noch eine geraume Zeit im Wagen warten, bis die Bank öffnet. Derweil regnet es sich ein. Kaum haben wir unser Geld gewechselt, 147

brechen wir auf zum Haus von Tex, das ganz in der Nähe ist. Stürmisch begrüßen ihn seine Kinder. Nach der Abrechnung des Lohnes für Tex und der Wagenkosten, verbleiben uns noch pro Person sage und schreibe 162 Pula (120 DM). Es hilft nichts, wir greifen unsere „Eiserne Reserve“ von 140 DM an, wechseln wieder auf der Bank und fahren dann zum Supermarkt. Trotz der großen Auswahl halten wir uns an einfache Dinge: Zucker, Milch, Milchpulver, Haferflocken, Brot, Reis und Nudeln. Mit Tex besorge ich noch einige Stücke Fleisch, dann geht's zur Tankstelle. Anschließend bunkern wir noch Trinkwasser, das zwar eine hellbraune Farbe hat, aber laut Tex einwandfrei sein soll. Von zu Hause nimmt sich Tex auch noch Löffel, Messer und Gabel mit. Von seinen Kindern verabschiedet er sich mit einer großen Tüte Naschereien aus dem Supermarkt. Um halb elf Uhr sind wir schon wieder unterwegs zum Okavango-Delta. Die erste Teilstrecke bis Shorobe ist asphaltiert. Danach geht es auf einer tief ausgefurchten Sandpiste durch den Busch Richtung Nordwesten ins „Moremi Wildlife Reserve“. Dieses Tierreservat ist von zwei Zäunen umgeben. Den ersten Zaun passieren wir ohne Probleme und treffen dahinter plötzlich auf den Bruder von Tex. Wir kommen aus dem Staunen nicht heraus. Das Moremi-Reservat ist nur ein kleiner Teil des Deltas. Das Okavango-Delta selbst gilt als eine der beeindruckendsten Landschaften der Welt. Über sie schrieb Iwanowski: „Der Okavango, drittgrößter Fluß im südlichen Afrika, entspringt im westlichen Hochland von Angola (Hochland von Bihe). Ein Teil seines Mittellaufes bildet die Grenze zwischen Angola und Namibia. „Rio Cubango“ heißt er im Norden Angolas. Er schwillt zu einem mächtigen Strom an, doch er findet nicht den Weg zum Meer. Stattdessen „mündet“ er nach 1 600 Kilometern im Sandmeer der nördlichen Kalahari, wo er sich auf einer Fläche von annähernd 16000 km2 in unzählige Arme, Kanäle, Seen und Teiche auffächert. Bei Mohembo tritt der Okavango nach Botswana ein. Hier oben im Norden fließt er zunächst zwischen klar definierten Ufern, erst im weiteren Verlauf bildet er sein trichterförmiges Delta. Im Spätsommer und Herbst schwillt eine große Flutwelle in das Deltagebiet, gespeist von den sommerlichen Regen in Angola. Diese Wassermassen erreichen den südlichen Teil des Deltas in den Monaten Juni bis August. Danach sinkt der Wasserstand wieder allmählich ab. Das Leben am Rande des Okavango scheint noch wie in alten Zeiten zu verlaufen. Vor allem im Norden kann man Frauen beim Fischfang mit Schilfkörben beobachten, denn diese Art des Fischfangs ist traditionsgemäß Aufgabe der Frauen. Das Fischen mit Netzen dagegen liegt in den Händen der 148

Männer. Der nördliche Teil ist fischreicher als der südliche: Tigerfische, Brassen und Barben bilden das Hauptkontingent. Am Rande der Wasserläufe grasen Rinderherden, die - von ihren Hirten in Mokoros begleitet - oft tiefe Wasserläufe durchwaten. Häufig beobachtet man Buschfeuer, die nicht immer natürlichen Ursprungs sind. Manchmal entzünden Jäger die Sümpfe, um Wild zur Flucht zu veranlassen. Die Siedlungen bestehen aus riedgedeckten Rundhütten, die Schutz vor der sengenden Sommersonne bieten. Die Tierwelt des Okavango-Deltas ist faszinierend. An den Ufern liegen oft Krokodile, die eine Gefahr für die domestizierten Tiere bedeuten. Grasende Rinder und Ziegen werden von den Krokodilen listig beobachtet, Trinkgewohnheiten registriert - und in einem geeigneten Moment schnellt das Krokodil mit seinem Maul aus dem Wasser und schnappt sich seine Beute. Anschließend taucht es mit dem Opfer in die Tiefe der Fluten, um es zu ertränken. Allenthalben entdeckt man Flußpferde, die für die MokoroBootsleute gefährlich werden können. Ornithologenherzen erfreut die reiche Vogelwelt: Ibisse, Rosapelikane, Löffler, Reiher, Schreiseeadler, Nimmersatte, Marabus, Lihentreter und Zwerggänse repräsentieren nur einen Teil der Vogelwelt. Sitatungaantilopen leben auf Papyrusinseln; Litschiantilopen fühlen sich in ihrer Heimat der seichten Gewässer und Inseln -wohl. In den südlichen Uferregionen leben Elefanten, Hyänen, Impalas, Zebras, Löwen und Kapbüffel - kurzum: Die Tiervielfalt des Okavango-Gebietes sucht ihresgleichen. Auch die Pflanzenwelt ist einzigartig. Wasserlilien bedecken die Fläche der engen Kanäle. Ihre langen, schmalen Stiele verraten die Flußrichtung. Mit steigender Sonne öffnen Wasserlilien ihre Kelche, die sie bei anbrechender Dunkelheit wieder schließen. An der Oberseite sind ihre Blätter grün, an der Unterseite tiefrot. Die tieferen Kanäle werden oft von Papyrusgalerien begrenzt, Schilf und Ried rauschen im sanften Wind. Das Okavango-Delta zeigt eine trichterförmige Figur. Über lange Zeiträume hinweg wurde es geformt; über 2 Millionen Tonnen Sand und andere Ablagerungen, die aus Angola transportiert wurden, bilden heute den „Boden“. Dort, wo heute das Okavango-Delta liegt, befand sich einst ein großer Graben, ein Einbruch in der Erdoberfläche. Wahrscheinlich handelte es sich hierbei um eine Fortsetzung des Great Rift Valleys. Vom Toten Meer bis nach Zentralafrika erstreckt sich dieses System. In seinen Vertiefungen finden wir u. a. den Tanganjikasee und Nyasasee. Den Einbruch in Botswana, der vermutlich eine Tiefe von 300 Meter gehabt haben dürfte, haben die angewehten Kalaharisande sowie die Okavango-Sedimente allmählich gefüllt. 149

Durch die erste Querverwerfung werden die Fluten fürs erste aufgehalten, doch gelangen sie durch schmale Kanäle an die zweite Querverwerfung. Hier wird der Weiterfluß blockiert! Die Gewässer des Okavango-Deltas fließen nun südwestwärts, bis sie in den Botetefluß gelangen oder den Nxhabe zum Lake Ngami hinunterfließen. Erstaunlich ist, daß weniger als 3 % des in das Delta hineinfließenden Wassers am südlichen Ende ankommt. Die geologische Instabilität der Region wird dadurch deutlich, daß es durchschnittlich 3 Erdbeben pro Jahr gibt! Ein Beweis dafür, daß das Grabensystem tektonisch weiter aktiv ist. Erst in den letzten 100 Jahren findet am Rande des Deltas landwirtschaftliche Nutzung statt. Mündliche Überlieferungen und Beschreibungen der ersten weißen Reisenden berichteten vom unglaublichen Wildreichtum in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der auch heute noch anzutreffende Wildreichtum kommt deshalb zustande, da hier Trockenland- und Feuchtlandvegetation zusammentreffen: Savannen-, Sumpfland- sowie Wassertiere finden hier einen idealen Lebensraum. Das Okavango-Delta läßt sich in drei Gebiete aufteilen. Der Norden: hier befinden sich permanente Sümpfe, dauernd fließende Kanäle, halbmondförmige Seen. Insgesamt ist die Region sehr unzugänglich. Auf einigen größeren Inseln, die nicht mit dichtem Busch bewachsen sind, leben Büffelherden. Rieddickichte bieten den Sitatunga Heimat. In den Seen leben Flußpferde, Krokodile und Otter. In den Gebieten, die regelmäßig überflutet werden, finden wir ein Netzwerk von feuchten Kanälen und Flußläufen, von größeren Inseln umgeben. Es kann vorkommen, daß diese Regionen nicht überflutet werden, wenn die Regen nicht so ergiebig waren. In diesem Teil des Deltas ist der Artenreichtum der Tierwelt anzutreffen. Hier liegt auch die Heimat der großen Büffelherden! Wenn die Fluten zurückweichen, wächst junges Gras auf den Flutflächen: eine Delikatesse für die grasfressenden Tiere. Schließlich existieren noch die Sandgebiete. Die Moremilandzunge „Chief Island“ (reicht bis in die Dauersümpfe hinein) und die Matsebi Ridge gehören dazu.“ Während unseres ganzen Aufenthaltes im Okavango-Delta sehen wir meist mehr Tiere außerhalb des Reservates als innerhalb der Umzäunung, was natürlich auch an den starken Regenfällen der letzten Wochen hegt, die überall für frisches Gras sorgen.

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Wildlife Unsere gelbe Sandpiste verbreitert sich, nimmt allmählich eine graue Farbe an, wird streckenweise so breit wie eine asphaltierte Straße. Niedrige Büsche wechseln ab mit hohen Bäumen. Wir halten Abstand zu den Elefanten, die 20 Meter von uns entfernt, ruhig durch den Busch ziehen. Die Dickhäuter sehen in unsere Richtung, heben kurz die Köpfe und marschieren weiter, lassen sich durch unsere Anwesenheit nicht weiter stören. Immer tiefer fahren wir ins Okavango-Delta. Nur zwei Fahrzeuge mit Einheimischen, eines davon mit Wildhütern, kommen uns entgegen. Die Sonne steht schon hoch am Himmel, Hunger macht sich bemerkbar. Tex macht uns auf die Anwesenheit von Löwen aufmerksam, wir sollen beim Kochen die Augen offenhalten. Wir parken unseren Toyota links in Fahrtrichtung neben der Piste. Ich suche etwas Holz. Wenige Minuten später brennt unser kleines Feuer, das ich stets im Auge behalte, wegen der Brandgefahr. Zum Essen nehmen wir die unterschiedlichsten Stellungen ein: Tex ißt im Stehen auf der Motorhaube des Hi-Lux, Peter setzt sich bei offener Tür auf den Beifahrersitz, ich hocke im Schneidersitz am Pistenrand und löffle meine Portion. Es gibt gekochten Reis mit Ketchup, zur Abwechslung einmal mit Currypulver nachgewürzt. Auf unserer Fahrt Richtung Nordosten stoßen wir eine Stunde später auf einen riesigen Elefantenschädel, bei dem natürlich die Stoßzähne fehlen. Ich würde zu gerne das Stück eines Nackenwirbels oder einen der Zähne des Unterkiefers mitnehmen. Aber zum einen sehen das die hiesigen Wildhüter gar nicht gerne, zum anderen muß ich an den Platz und das Gewicht denken. Der Schädel und die Beinknochen sind schon älter, sie sind von der Sonne längst weiß gebleicht, kein Fetzen Fleisch hängt mehr daran. Im Laufe des Tages durchqueren wir eine offene Ebene, die nur vereinzelt durch kleine Wasserstellen unterbrochen wird. Wenige Bäume, kleine, grüne Buschgruppen, zartes, frisches Gras. Ich wäre nicht überrascht, wenn plötzlich die kleine, zebrafarbene Maschine des Michael Grzimek zur Landung ansetzen würde. Es ist wirklich eine absolute Bilderbuchlandschaft. Einige Giraffen äsen am Laubwerk höherer Bäume, eine ganze Gruppe Paviane mit ihren Kleinen tummeln sich im Gras, keine sechs Meter von uns entfernt. Zebras wandern durch die Ebene, vereinzelt tauchen paarweise Gemsböcke auf, und sogar ein Wildebeest kreuzt unseren Weg. Solche Szenen muß man auf sich wirken lassen. Man hat das Gefühl, in einer fremden Welt zu sein. Diesmal ist es der Mensch, der in einem Käfig sitzt 151

und von den Tieren beobachtet wird. Wie mag es diesen Tieren, die die weite Landschaft, den riesigen Lebensraum gewohnt sind, in unseren Zoos ergehen, eingesperrt auf wenigen Quadratmetern, unseren lauten, hektischen und fremden Geräuschen wehrlos ausgeliefert? Bis zum späten Nachmittag beobachten und fotografieren wir, sind überwältigt von dieser Naturlandschaft. Als wir am eigentlichen Hauptzaun ankommen, der das Moremi-Wildreservat abgrenzt vom übrigen Delta, treffen wir auf einen Landrover aus Armeebeständen, der hierzulande gerne zum „Touristenmobil“ umfunktioniert wird. In erhöhter Position werden Sitzbänke montiert, und die zahlenden Gäste aus Europa können bequem fotografieren. Sie haben ihre Fotosafari bereits in Deutschland gebucht. Abgesehen vom Eintrittspreis, der 50 Pula beträgt, sind wir viel zu spät dran, denn spätestens um 18 Uhr muß man das Areal verlassen haben oder man zeltet auf dem bewachten Campingplatz. Im Delta zu zelten, so wird uns versichert, ist viel zu gefährlich, das macht keiner. „Gut, dann sind wir die ersten“, meint Peter. Auch Tex schüttelt den Kopf, als ich ihn frage, ob er denn schon einmal im Delta gezeltet habe. Wir fahren eine Zeitlang zurück, bis wir rechter Hand ein schönes Fleckchen entdecken. Nachdem wir den ganzen Platz nach Schlangen abgesucht haben, entscheiden wir uns, hierzubleiben, und errichten unser Lager. Tex hat ein uraltes Baumwollzelt von zu Hause mitgebracht. Immerhin läßt es kein Wasser durch, denn die Ladefläche des Hi-Lux hat sich bei diesen Regenfällen in letzter Zeit als nicht ideal herausgestellt. Das einzige Manko ist die Wasserstelle in etwa 150 Meter Entfernung. Aber bisher lassen sich unsere drei „Problemkinder“ - Schlangen, Löwen und Hyänen - nicht blicken. Zudem, so Berichten zufolge, kann, wenn man das Zelt schließt, nicht allzuviel passieren. Es gibt einige Verhaltensmaßregeln für die Übernachtung in der Wildnis. Man sollte nie ohne Zelt, also nur im Schlafsack übernachten. Laut meinem Reisehandbuch „Botswana“ kann man einen derartigen Vorfall vermeiden: „Für umherschweifende Löwen oder Hyänen können Sie eine ungewollte Beute werden, wie der nachfolgende Zeitungsartikel zeigt. Der jungen Dame war es im Zelt zu warm. Deshalb streckte sie die Beine aus dem Zelteingang: „»Löwin tötete deutsche Urlauberin!' Eine Löwin hat in Botswana eine 18jährige Deutsche nachts aus einem Zelt gezerrt und getötet. Wie gestern im südafrikanischen Johannesburg bekannt 'wurde, ereignete sich das Unglück im Wildpark Moremi, wo eine Jugendgruppe der evangelischen Kirche aus Neuenkirchen campte.“ Übernachtet man im geschlossenen Zelt, kann man sich relativ sicher fühlen. Vor allem bietet das Zelt auch Schutz vor Moskitos (wenn man 152

abends vor dem Schlafengehen noch einmal auf Jagd geht und die Tierchen erschlägt), Schlangen und Skorpionen. Löwen, Elefanten und Hyänen nähern sich zwar Zelten, greifen diese aber nicht an, weil sie fremd in der sonst für sie gewohnten Umgebung sind und Respekt vor dem Unbekannten hervorrufen. Was ich auch schon in anderen meiner Bücher geschrieben habe, trifft natürlich auch hier zu: Im Zelt keine Süßigkeiten, Fleisch, Obst und sonstige, angebrochene Nahrungsmittel aufbewahren. In trockenen Gebieten kann auch Wasser zu einem Sicherheitsrisiko werden! Es gibt auch Leute, die empfehlen, im Umkreis vom Lager benzinund/oder ölgetränkte Lappen aufzuhängen. Der nicht gerade schöne Geruch würde die Tiere veranlassen, einen Bogen um das Camp zu machen. Das vielgerühmte Feuer ist ebenfalls so eine Sache: Vielen Tieren ist es als Buschbrand bekannt. So hat man schon beobachtet, daß in der kalten Jahreszeit Löwenrudel durch den Feuerschein angelockt wurden und sich gemütlich um das Feuer versammelten ... Man sieht - alles ist relativ, und ohne eine Portion Glück geht nichts. Wir legen ausreichend Brennholz für die Nacht bereit und wollen heute abend das erste- und letztemal unsere Portion Fleisch genießen, die „wir in Maun erstanden haben, da ziehen die üblichen schwarzen Wolken auf. Wir sind noch nicht mit dem Essen fertig, da zucken die ersten Blitze und die Regentropfen klatschen auf den Boden. Wir flüchten mit den Resten unserer Mahlzeit ins Auto. Draußen tobt der Regen - im Nu steht alles unter Wasser. Wir warten ab. Kurz vor 19 Uhr verlassen wir das Fahrzeug. Peter zieht einen Graben um das Zelt, Tex und ich legen nochmals Feuerholz auf, und dann ziehen wir uns in unsere Behausungen zurück. Hier allerdings steht bereits das Wasser. Gottlob ist der Innenzeltboden absolut wasserdicht. Vom Innenzelt aus werkelt Peter mit seinem großen Waidblatt im Schlamm, bohrt Löcher, in denen das Wasser versickern soll. Und tatsächlich, es klappt. Draußen regnet und regnet es. Wir ziehen unsere nassen Klamotten aus, legen sie zu uns ins Innenzelt und sitzen in Unterhosen und mit Taschenlampen auf unseren Schlafsäcken. Der Versuch, zu schlafen, scheitert kläglich. Früh morgens um zwei Uhr legt Peter Feuerholz nach. Wir treffen uns draußen beim Pinkeln. Es regnet noch immer, aber es hat merklich nachgelassen. Trotz des Regens gehen wir ans Feuer, rauchen eine Zigarette. Wir sind ein Bild für Götter: Zwei Gestalten in Unterhosen und Wildlederstiefeln, tropfend naß im Okavango-Delta ...

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Der Löwenüberfall Wir haben Besuch. Eine Giraffe steht vielleicht 120 Meter von uns entfernt und äugt zu uns her. Näher traut sie sich offenbar nicht, was laut Tex seinen Grund darin hat, daß sie Menschen nur mit einem Fahrzeug in Verbindung bringt, aber nicht mit laufenden, sich bewegenden Individuen. Ich wecke Peter, schon um sieben Uhr sitzen wir alle drei am Lagerfeuer und trinken unseren Kaffee. Nach dieser Nacht ist unsere Optik auch dementsprechend: Unsere khakifarbene Bekleidung hat eine hellbraune Färbung angenommen, der Dreck sitzt überall. Wir hocken in der feuchten, schwülen Hitze auf unseren Kanistern im Schlamm. Der Boden ist ein einziger Morast. Alles ist aufgeweicht, das Zelt klebt vor Schmutz. Ich angle mir gerade etwas Zucker, da bremst vor uns auf der Piste ein Toyota. Aus dem Hi-Lux springen drei Einheimische. Wir laden sie zum Kaffee ein, als schon eine wilde Unterhaltung in Tswana beginnt. Tex übersetzt das Ganze: Die drei Botswaner sind beruflich unterwegs und übernachteten in einem Dorf am Fluß nicht allzuweit von hier. Das Dorf liegt im Nordosten des Deltas. Nachts kam ein Rudel Löwen, gefolgt von einem Trupp Hyänen. Sie brachen in das Dorf ein und rissen einen Esel, wobei verständlicherweise helle Aufregung herrschte. Die Zahlen freilich nehme ich den dreien nicht so recht ab. Es soll sich um 10 Löwen und 40 Hyänen gehandelt haben - eine recht starke Truppe. Der Rest der Erzählung ist aber durchaus glaubhaft. Aufgeschreckt durch das Inferno, das Geschrei der Einheimischen, die Schmerzensschreie des Esels, vermischt mit dem Gebrüll der Löwen und der Hyänen, verließen diese drei Männer fluchtartig ihr Zelt und wollten in ein Haus fliehen, eine Lehmhütte mit Tür. Aber weder diese noch andere Hausbesitzer ließen sie herein, alle hatten die Türen verrammelt. Der Zustand der drei läßt sich deutlich an ihren Gesichtern ablesen, und wir laden sie auf diesen Schreck zum Frühstück ein. Während sie noch essen, verpacken wir bereits unsere Ausrüstung, löschen das Feuer sorgfältig mit Wasser und schaufeln Erde darüber. Eine halbe Stunde später sieht der Platz aus wie nie betreten. Jedesmal bin ich ein wenig stolz, wenn ich auf einem Lagerplatz von uns noch einmal die Runde mache: Kein Stückchen Abfall, nichts deutet auf die Benutzung des Geländes als nächtlichen Lagerplatz hin. Und so sollte es eigentlich überall sein. Die Giraffe ist zwischenzeitlich noch etwas näher gekommen, aber schließlich hebt sie ihren Kopf und schreitet gemächlich in südlicher Richtung davon. Auch unsere Gäste verabschieden sich. Wir starten zum Par154

keingang. Punkt 8 Uhr passieren wir „Gate II“, einen der Eingänge ins Moremi. Dieser Tag hat es in sich. Mit dem Auto und zu Fuß pirschen wir ans Wild, erleben unvergeßliche Szenen. Einmal allerdings wird die Sache gefährlich. Wir stoßen auf eine Herde Flußpferde und kommen mit dem Fahrzeug nicht so nahe an die Tiere, wie wir das gerne hätten. Also halten wir unter einem Baum. Tex gibt mir Anweisungen: Sobald einer der Bullen eine Drohgebärde macht, sofort zum Auto, denn wir haben auf Grund des unebenen, lockeren Untergrunds eine denkbar schlechte Position. Tex muß erst noch wenden, und auch dann können wir uns nur langsam zurückmogeln, bis 'wir wieder auf festem Untergrund sind. Unter einem großen Baum steige ich aus, beginne zu fotografieren. Sofort begreifen die Flußpferde, was da los ist, brummen unwillig und einige Bullen reißen das Maul zur Drohgebärde auf. Auch Peter ist aus dem Fahrzeug gestiegen, macht schnell einige Fotos, und schon bedeutet uns Tex, wieder in den Toyota zu springen, ein Bulle nähert sich langsam dem Ufer. „Es ist nicht zu fassen, wie aggressiv die Hippos sind“, meine ich zu Tex, als wir wieder auf einer der zahlreichen Pisten sind - die Tiere passen wirklich höllisch auf. Wir fahren Passagen, in denen wir schließlich umkehren müssen, weil die Piste restlos überschwemmt ist. Oft durchqueren wir Strecken, in denen das Wasser dreißig oder vierzig Zentimeter hoch steht. Dann wieder, auf einer Lichtung, stören wir einen Geparden am Riß. Der Bursche schlägt sich eilig in die Büsche. Tex ist sich sicher, daß er uns aus seinem Versteck beobachtet. Wer läßt sich schon gern bei seiner Mahlzeit stören? Sofort ergreifen die Geier von der Beute Besitz und machen sich über die Antilope her. Mittags endlich eine Rast. Es ist unerträglich heiß, als wir wieder unser kleines Kochfeuer entzünden. Ganz in der Nähe in einem größeren Teich sind Flußpferdkühe mit ihren Jungen. Aber wir sind zu weit entfernt, als daß sie sich um uns kümmern. Wir stoßen auf zwei Zebraherden, selbst ein Strauß läuft aufgeregt vor Peters Kamera. Ein großer, etwa ein Meter langer Waran überquert die Piste, verschwindet im Gebüsch. Wir stoßen auf den „Pfad“ von Elefanten. Es sieht aus, als wären Panzer durch das Gelände vorgestoßen. Sie haben regelrechte Schneisen geschlagen. Entwurzelte, umgerissene Bäume, tonnenweise entlaubte Zweige türmen sich vor uns. Noch vor 18 Uhr passieren wir das Nordtor, erreichen ein Dorf der Flußbuschmänner. Nach einem Gespräch mit dem Chef der Sippe können wir hier übernachten. Und was stellt sich heraus? Der liebe Tex, ganz Freund und treuer Kamerad, hat uns genau in das Dorf manövriert, wo heute nacht das Debakel mit den Löwen und Hyänen passierte. Da kommt auch schon 155

ein Landrover, besetzt mit Soldaten mit einem Maschinengewehr. Offenbar spielt sich etwas ab. Keine halbe Stunde später stehen unsere Zelte. Ich überprüfe die Kameras, montiere auf ein Gehäuse mein Blitzlicht. Jeder im Dorf rechnet damit, daß die Löwen heute abend wiederkommen, und die Aufregung ist verständlich, denn, wie sich herausstellt, besuchten die Tiere dieses Dorf nicht zum erstenmal. Um 19 Uhr geht die Sonne unter. Ich stelle meinen Wecker auf fünf Uhr. Wir müssen morgen bald raus, wenn wir Tiere beobachten wollen. Gegen 20 Uhr ziehen wir uns in die Zelte zurück, warten, was geschieht. Zur psychischen Beruhigung liegen unsere Taschenlampen und großen Messer neben uns. Die Hunde der Dorfbewohner werden schon Alarm geben, wenn etwas geschieht. Allen Unkenrufen zum Trotz verläuft diese Nacht ruhig. Frühmorgens dann die Überraschung: Bis auf eine Hyäne, die aber von Hunden vertrieben wurde, regte sich nichts. Und die haben wir doch glatt verpennt ...

Endstation Maun Heute ist unser letzter Tag im Okavango-Delta. Ein bißchen wehmütig trage ich diese Zeilen in mein Tagebuch. In aller Frühe schon packten wir unsere Ausrüstung auf den braven Toyota, fahren dann ein letztes Mal kreuz und quer durch den Moremi-Nationalpark. Wir stoßen auf die kleine Piste eines Buschpiloten, sogar eine kleine Maschine steht am Rande des Urwalds. Unsere Fahrt geht Richtung Südwesten, der Teerstraße nach Maun entgegen. Zum letzten Mal werden wir ordentlich durchgeschüttelt. Der Toyota quält sich durch tiefe Wasserlöcher, der Schlamm spritzt hoch, um dann später wieder in hellbraunem Sand zu mahlen. Wir halten Ausschau nach der Stelle, wo wir seinerzeit unser erstes Feuer entzündeten. Und tatsächlich, wir haben Glück, da liegt er noch, unser kleiner Metallgrill, auf dem wir immer kochten. Eine letzte Rauchpause. Eine Stunde später biegen wir in die asphaltierte Straße nach Maun ein. Unterwegs machen wir Rast, kaufen uns noch eine Runde gekühlte Fanta made in Botswana. Am späten Vormittag sind wir wieder im Crocodile Camp. Die Begrüßung ist herzlich. Wir machen uns daran, unser Fahrzeug zu entladen, suchen uns einen Zeltplatz auf dem absolut freien Gelände. Wir begrüßen einige schwarze Angestellte, dann sortieren wir unser Gepäck. Es ist ein schwie156

riges Unterfangen, und ich beschließe, alles, was wir nicht mehr benötigen, in einen Seesack zu packen und nach Deutschland zurückzuschicken. Es hilft nichts, unser Fluggepäck ist auf 20 Kilogramm pro Person beschränkt. Ein Übergepäck können wir uns nicht leisten, und die Gebrauchsgegenstände der Buschmänner gebe ich nicht mehr aus der Hand. Meine Barschaft beläuft sich noch auf umgerechnet 98 DM, Peter verfügt über satte 63 DM. Wie vereinbart, kommt Tex nachmittags zu uns und holt uns ab. Gemeinsam fahren wir nach Maun, versuchen einen Karton, der sich für den Postversand eignet, aufzutreiben. Was bei uns selbstverständlich ist, hier wird es zu einem echten Problem. Aber schließlich werden wir im Supermarkt fündig. Tex kommt uns entgegen, indem er die Schaufel, ein Benzinfaß und zwei faltbare Wasserkanister für 60 Pula von uns abkauft. Jetzt können wir Kaffee, Zucker, Milch und etwas Ketchup kaufen. Denn Reis und Nudeln nur mit Salz? Die Post allerdings ist ein Trauerspiel. Unfreie Pakete werden nur bis 10 Kilogramm angenommen, unseres wiegt knappe 20. Aus drei Kartons habe ich einen gemacht, wir haben sogar Packpapier und Schnur auftreiben können, und jetzt das. O. k., dann werde ich Tex von Deutschland aus 100 $ schicken, und er wird das Ganze an meine Adresse zu Hause versenden. Da wir uns unsere Plätze für den Rückflug sichern müssen, lassen wir uns diese auch gleich bestätigen. Nach dem Abstecher zum Flugplatz erreichen wir abends das Crocodile Camp. Mit Tex und Sylvia Chilume wollen wir uns morgen treffen. Sie kommt zur Geldübergabe nach Maun. Bier und Coca-Cola locken vor unserer Nase. Aber solange ich keinen hundertprozentigen Überblick habe, was noch auf uns zukommt, trinken wir Wasser. Schließlich müssen die Zeltplatzgebühren auch noch mit einkalkuliert werden. Noch ist es hell und ich gehe endlich duschen. Eine einzige frische Hose und ein Hemd haben wir noch, unsere Bekleidung für den Rückflug, und die heben wir uns auf, denn wir haben fast noch eine Woche Aufenthalt. Ausreichend Zeit, meine Tagebücher zu ergänzen und meine Manuskriptvorbereitungen zu treffen. Im Gegensatz zu Peter, der Zeit zum Entspannen immer genießt, brauche ich eine Aufgabe. Die Nacht verläuft recht ungewohnt. Von nun an soll es die nächsten Nächte keine Ruhe geben: Die Dorfbewohner gegenüber auf der anderen Seite haben zwei Ghettoblaster, die mit „zwei verschiedenen“ Kassetten bestückt sind und jeden abend bis nach Mitternacht ihre Rhythmen in die Finsternis dröhnen. Nur wer selbst wochenlang Natur pur gewöhnt ist, kann verstehen, was wir die folgenden Nächte durchmachen ... 157

Frühmorgens zur vereinbarten Zeit erscheint Tex. Wir fahren zuerst zu seiner Behausung, dann treffen wir unsere Vermieterin zur Abrechnung. Jeder ist zufrieden. Es existierte kein Vertrag, nur der Handschlag. Ich biete Mrs. Chilume mein Diktiergerät zum Kauf an, erkläre ihr die Funktion. Ich weiß, das kann sie gebrauchen. Mit ausreichend Batterien und Leerkassetten versehen, gibt sie mir für das Gerät 90 Pula. Das sind die Campingplatzgebühren! Bei richtiger Einteilung haben wir kommenden Freitag noch 21 Pula und 15 DM, um zum Flughafen zu kommen. Mein Plan geht haarscharf auf. Während der nächsten Tage besucht uns Tex noch öfters. Aber seine Arbeit ruft. Er fährt tagsüber wieder seinen Lkw, und abends hat er natürlich kein Fahrzeug, um hier heraus zu kommen. Die Tage vergehen mit Unterhaltungen. Wir nutzen den kleinen Swimmingpool der Anlage und leben von unseren Vorräten. Wir lernen Helen kennen, die dann später weiter Richtung Süden reist. Unsere südafrikanischen Freunde, die wir zu Beginn unserer Reise trafen, brechen ihre Zelte ab und fahren zurück nach Südafrika. Schließlich Donnerstag, unser letzter Tag im Camp. Ich bezahle unseren Aufenthalt und vereinbare einen Transfer morgen früh zum Flughafen. Wir packen unsere Seesäcke so weit vor wie möglich. Um die Speere unterzukriegen, stülpe ich zwei Säcke mit den Öffnungen gegeneinander und verzurre das Ganze dann mit Reepschnur. Tex ruft an und meint, daß er uns morgen gerne am Flughafen verabschieden möchte. Wenn es ihm irgendwie möglich sei, werde er kommen. Ich vereinbare mit ihm, daß wir einiges an Gepäck hierlassen und an die Duschen stellen. Er kann es behalten. Die letzten Tage hat es mehrfach geregnet. Wir hoffen für morgen auf schönes Wetter.

Nach Hause Peter und ich sitzen in der Bar des Crocodile Camps, trinken jeder eine Cola. Kurz nach sechs Uhr sind wir aufgestanden, haben das letzte Mal unser Lagerfeuer entfacht und Kaffee getrunken. Noch bevor wir alles fertig packen können, regnet es in Strömen. Glück im Unglück: Es beginnt erst, als wir nahezu alles unter dem Dach der Duschen und Toiletten gestapelt haben. Eine schnelle Dusche, rein in die frischen Klamotten und die zwei Seesäcke vollgestopft. Dazu kommen noch zwei Stück Handgepäck mit je acht Kilogramm. Wenn meine Federwaage stimmt, kann nichts passieren. 158

Für Tex haben wir einen Karton restlicher Nahrungsmittel, Gewürze, unser komplettes Geschirr nebst Grillrost, zwei faltbare Wasserkanister und den Leinenwassersack. Er wird alles, sollten wir uns am Flugplatz nicht treffen, am Nachmittag abholen. Unser Termin mit dem Transfer klappt. Im Regen legen wir die zehn Kilometer nach Maun zum Airport zurück. Kurz nach zehn Uhr sitzen wir im Flughafengebäude und warten auf das Einchecken. Um 11 Uhr kommen wir durch die Abfertigung. Die zwei Kilogramm Übergepäck auf der Waage werden vom Flughafenpersonal ignoriert. Ich sehe mich nochmals um, kein Tex weit und breit, offenbar konnte er sich nicht freimachen. Aber die Welt ist klein. So treffen wir das ältere alaskanische Ehepaar wieder, das sich ebenfalls auf dem Heimflug befindet. Sie haben zu Hause jetzt etwa 40 Grad Minus, meint schmunzelnd der ältere Herr, das sind über achtzig Grad Temperaturunterschied! Der Flug verläuft reibungslos. Um 13 Uhr befinden wir uns bereits im Flughafenrestaurant in Victoria Falls. Hier ist schon den ganzen Tag die Air Condition ausgefallen. Auf den Herrentoiletten gibt es kein Licht, was den Einsatz der Stirnlampe nötig macht. Eine Stunde dauert der Inlandsflug in Zimbabwe nach Harare. Auch hier wird unser Gepäck nicht beanstandet. Was sich allerdings laufend ändert, sind die Abflugdaten und die Flugnummern. Schon in Vic Falls wurde laufend etwas verschoben. Wir sind nicht die einzigen Passagiere, die sich nach den Flugdaten erkundigten. 10 $ wechseln den Besitzer, was meine Barschaft auf umgerechnet 7,50 DM reduziert. Kurz nach 20 Uhr verlassen wir afrikanischen Boden. Von jetzt an rechne ich etwa 18 Stunden bis nach Hause, denn die 707 hat keine ausreichende Tankkapazität. Wir müssen auf Zypern einen Tankstop einlegen. Das Ganze geht flott, und nach einer knappen Stunde Aufenthalt verlassen wir um vier Uhr morgens die Insel. Etliche Passagiere sind ausgestiegen, und Peter und ich verteilen uns so, daß nun jeder drei freie Sitze zum Schlafen hat. Der Schlaf allerdings will sich bei mir nicht so recht einstellen. Die Sonne steigt am Horizont auf, als wir die Küste Italiens überfliegen. Es ist kurz vor sechs Uhr. Unser Flug über die Alpen bietet ein herrliches Panorama. Es kann nichts mehr schiefgehen. Zeit, um über alles nachzudenken, über die Strapazen, die Erlebnisse, über das ganze Unternehmen. Auf unserer Reise von Oktober bis November 1992 haben wir in der Kalahari fast 1 400 Kilometer zurückgelegt, Strecken, die es oft in sich hatten. Man fragt mich oft, warum ich Derartiges mache, mich in extreme Reisen stürze mit nicht genügend finanziellem Rückhalt, mit nur einem Kameraden. Vielleicht, um an meine Grenzen zu stoßen, um zu sehen, inwieweit ich den psychischen und physischen Anforderungen gewachsen bin. 159

Abenteuertrieb? Sicher. Aber vor allem, um die sogenannten „primitiven“ Völker kennenzulernen. Völker, die sich meines Erachtens trotz oder gerade wegen ihrer einfachen Lebensweise viel mehr als wir bewahrt haben: Menschlichkeit, soziales Verständnis untereinander, Ehrlichkeit und den richtigen Umgang mit der Natur. Wir sollten uns an denen, die wir mit unserer „Zivilisation“ ausrotten und vertreiben, ein Beispiel nehmen. Wir alle könnten doch so viel von ihnen lernen ...

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Einiges über dieses Buch Ich möchte zu diesem Buch noch einige Anmerkungen machen, die auch für den Leser von Interesse sein dürften. Zu unserer Reisestrecke: Die eingezeichnete Fahrstrecke auf der in diesem Buch abgebildeten Karte erfolgte nach bestem Wissen und Gewissen. Ich bitte jedoch den Leser, daran zu denken, daß ich die zurückgelegten Etappen unterwegs eintrug und später überarbeitete. Auch konnte ich nicht alle Abzweigungen, die wir gefahren sind, eintragen. Die Pisten fächern sich, wie bereits erwähnt, sehr auf, so daß wir oft an einem einzigen Tag ein halbes Dutzend Abzweigungen hatten, die ich unmöglich maßstabs- oder gar detailgetreu wiedergeben kann. Es kann durchaus sein, daß vom Süden aus Richtung Norden zu den Tsodilo Hills noch andere Strecken existieren. Genaueres läßt sich ausschließlich vor Ort mit einem sachkundigen Führer recherchieren. Es gibt in Maun eine sehr gute Karte zu kaufen, wo das von uns befahrene Gebiet größer und der Pistenverlauf ausführlicher dargestellt ist. Die von uns getroffenen Südafrikaner bei den Tsodilo Hills hatten ein derartiges Exemplar. Ich wollte mit Tex zusammen noch vor unserem Abflug eine solche Karte vor Ort besorgen, leider wurde nichts daraus. Aber auch diese Karte ist nicht absolut exakt! Für Unbedarfte ohne Sachkunde gilt: Keine Experimente, ausreichend Wasser und Benzin mitführen! Zur Schreibweise: Sie kann für ein und denselben Ort variieren (z. B. „Nxaunxau“, „Xaxa“ oder „Gcwihaba“, „Gchwihaba“, usw.). Aus diesem Grunde habe ich in diesem Buch die am häufigsten gebrauchte Ausdrucksund Schreibform verwandt. Ähnlich verhält es sich mit der Sprache der Buschmänner. Es ist ziemlich sicher, daß diese Sprache phonetisch wahrscheinlich die schwerste der Welt ist. Jeder Grundklicklaut kann mit 20 bis 85 (!) Abwandlungen gebraucht werden. Da die Experten unterschiedlicher Meinung sind, wie man die verschiedenen „Klicks“ am besten darstellt, habe ich anhand von Lorna Marshall bei der Schreibweise des Wortes „Kung“, das in diesem Buch „!Kung“ geschrieben wird, den entsprechenden Schnalzlaut mit einem „!“ (Ausrufezeichen) wiedergegeben. Dieser Klicklaut entsteht, wenn man lediglich die Zungenspitze an die Stelle zwischen hartem und weichem Gaumen preßt und dann schnell löst. Der Klicklaut ist laut und knallend. Diese Schreibweise wird von vielen Kennern der Sprache verwandt. Und noch eins: Dieses Buch will weder als ethnologisches noch lingustisches Werk verstanden werden; es soll dem Leser die Kalahari und ihre Bewohner einfach und verständlich näherbringen - ich hoffe, es ist mir gelungen. 161

Weitere Bücher des Autors: Handbuch für Rucksackreisen Handbuch für die Rucksackküche Schlauchboot extrem - Wildwasser-Expedition in Vorderasien Die heitere Seite des Überlebens - Survival-Satire Im Dschungel - mit Rucksack und Land Rover durch den Urwald Zentralafrikas Babinga - Chancen für die Zwergmenschen von Afrika? Expedition zu den Pygmäen am Kongo

Dank Ein großes Dankeschön möchte ich an dieser Stelle all denjenigen aussprechen, die dieses Unternehmen - und damit auch dieses Buch - durch ihre Mithilfe erst möglich gemacht haben, sei es während der Vorbereitung der Tour, während meiner Abwesenheit oder unterwegs: Meinem Vater Ernst Uhl für die wirklich zuverlässige und oft nicht einfache Vertretung im Ladengeschäft. Meiner Freundin Gisela für die Zeit ohne Nachricht von mir und ihr Verständnis. Meinem Freund Manfred Möckel für unser Expeditionsemblem und das Fertigen der Aufkleber. Herrn Prof. Dr. Klaus Keutmann und Prof. Dr. Rainer Vossen, getroffen in Maun, für die wirklich guten Tips über Buschmänner. Ein spezielles Dankeschön auch an die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Gaborone/Botswana, Herrn Müller. An die Embassy of Botswana & Mission to European Communities, Brüssel/Belgien, Frau Matsheka. An Herrn Honorarkonsul Wolf von Bila, Ratingen, der sich viel Zeit für mich genommen hat und das Unternehmen mit vielen Tips unterstützte. An die Christusbruderschaft, Selbitz, Schwester Barbara Müller. An die Karawane-Studienreisen, Frau Böhringer und Herrn Michael Iwanowski. An die Vereinigte Evangelische Mission, Wuppertal, Herrn Dr. Reinhard Veller. 162

An Herrn Viktor Stern vom Verlag Oertel+Spörer für die sorgfältige Manuskriptbearbeitung und die Karten in diesem Buch. Eine Expedition will ausgerüstet werden; ich bedanke mich daher für die Sachspenden bei folgenden Firmen und Herstellern: Agfa Gevaert, Ottobrunn, Herrn Meyer Climb High, Grasbrunn, Herrn Thomas GBB, Willich, Herrn Udo Decker Hubertus, Solingen, Herrn und Frau Ritter Katadyn Deutschland GmbH, München, Frau Stephanie Schwedeier Megamailing, Krauchenwies Meindl, Kirchanschöring Metzeier, Memmingen, Herrn Kiehn und Puhane Simpert Reiter, Augsburg, Herrn Dr. Rüngeler VauDe, Tettnang, Herrn Helmut Jäger Und unterwegs bei Texon „Tex“ Motai, Maun, ohne den wir dieses Unternehmen in dieser Art hätten wahrscheinlich nicht durchführen können. Mrs. Sylvia Chilume, Sehitwa, für den wirklich günstigen Mietpreis ihres Toyota Hi-Lux und die Überlassung des Wagens, und bei Schwester Gertrud, Sehitwa, für die freundliche Aufnahme, ihr Verständnis und ihr Engagement für die „Guide“-Suche. Und natürlich bei Vera und Michael Monschau, Geri Lachner, Arthur, Patrice Molainyane, Jane Kadisa, Nteema, der „Besatzung“ der Missionsstation in Sehitwa sowie der freundlichen Crew des „Crocodile Camps“ in Maun. Und ein bayerisches „Vergelt's Gott“ an Pfarrer Gran in Sehitwa und Bischof Philipp Robinson in Gaborone (Botswana).

Hof, im Februar 1994

Wolfgang Uhl

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Anhang

1 Regenponcho, grün 1 Paar Sandalen „Adventure“ 1 Nähzeug 1 Paar Ersatz-Schnürsenkel

Checklisten Verpackung: 1 Kleidersack

Bekleidung 1 Messer „Hubertus-Waidblatt“ a) Anreise Notfallausrüstung 1 Weste, khakifarbig 1 Hemd, khakifarbig 1 Hose, khakifarbig 1 Unterhemd, oliv 1 Unterhose, oliv 1 Geldgürtel, hellbraun 1 Paar Socken „Hightek“ 1 Paar Stiefel „Safari“ am Mann: 1 Schulterhalfter (Dokumente) 1 Gürteltasche (Dokumente) 1 Schweizer Offiziersmesser im Etui 1 Notizbuch Schreibzeug 1 Sonnenbrille im Etui 1 Jacke, khakifarbig 1 Stirnband bzw. Halstuch 1 Hut braun

b) Ersatz 2 Hemden, khakifarbig 1 T-Shirt „Kalahari-Expedition '92' 1 Pullover, khakifarbig 6 Unterhosen 3 Paar Socken „Hightek“, grün 2 Paar Socken 2 Hosen, khakifarbig 1 Hose, kurz 164

1 Alpine Erste-Hilfe-Box mit Fansidar und Resochin (Malaria) 1 Expeditionsapotheke für 2 Pers. 1 Überlebensstrohhalm (s. S. 168) Sonstiges 1 Taschenlampe mit Batterien 1 Stirnlampe mit Batterie 1 Wecker mit Batterie 2 x Micropur MT 1 2 X Micropur MT 5 1 Moskitokopfnetz 1 Reparaturset für Isoliermatte Verpackung: 1 wasserdichter Klarsichtbeutel Geschirr (pro Person) 1 Suppenteller 1 flacher Teller (Pfanne) 1 Wischtuch 1 Feldeßbesteck 1 Trinkbecher Verpackung: 1 Nylonsäckchen Übernachtung (pro Person) 1 Schlafsack „Beito“ 1 Isoliermatte, selbstaufblasend 2 Spanngurte 1 Moskitonetz im Packbeutel 1 Kopfkissenbezug

Wasseraufbewahrung (pro Person) 1 Faltkanister, 6 Liter 1 Faltkanister, 15 Liter 1 Feldflasche, 2 Liter

Orientierung (pro Person) 1 Karte „Botswana“, 1:1 750 000 1 kleiner Kompaß Div. Schreibzeug

Transportbehälter (pro Person) 1 Rucksack, groß, grün 1 Lederrucksack 1 Trekkingsack, sandfarbig 1 Seesack, grün

Gemeinsam benutzte Artikel 1 Kompaß (Theodolith) 1 Karte „Sehitwa“ und Umgebung, schwarzweiß, 1:250 000 1 Karte „Maun“, farbig, 1:250000 1 Karte ONC P-4, 1:1 000 000 mit Teilen von Namibia, Angola, Zambia, Zimbabwe, Mocambique 1 Karte TPC Q-4B, dto. 1 Karte ONC Q-5 1 Karte ONC Q-4 1 Karte TPC Q-5A 1 Entfernungsmesser 1 Lineal mit Kompaß 1 Winkelmesser 1 Fernglas Verpackung: 1 wasserdichter Klarsichtbeutel

Gemeinsam benutzte Artikel 1 Zelt „Ferret III“, grün 1 Wasserfilter 1 Paar Arbeitshandschuhe 1 Topf mit Deckel 1 Kaffeekanne mit Deckel 1 Grillrost, klappbar 1 Döschen Geschirrspülmittel 2 Wischtücher 1 Schwämmchen Toilettenartikel (pro Person) 1 Kulturbeutel Inhalt: Tempotaschentücher 1 Bürste 1 Zahnbürste 1 Döschen Rasierwasser 1 Metallspiegel 1 Aludose mit Seife 1 Fläschchen Shampoo 1 Handtuch 1 Zahnpasta 2 Fläschchen Tschamba Fij 1 Nagelschneider 1 Waschlappen Separat: 3 Rollen Toilettenpapier 1 Handtuch Verpackung: 1 wasserdichter Hypalon-Beutel

Schreibzeug 1 Kugelschreiber, Bleistifte 1 Reisekalender 4 Tagebücher (Vokabelhefte) Sonstiges 1 Rucksackalarmanlage 1 Packung Spielkarten Werbung „Botswana-Expedition '92“-Aufkleber, verschiedene Formate 1 T-Shirt Div. Firmenaufkleber Verpackung: 1 Nylonbeutel, grün 165

Fotoausrüstung (gemeinsam) a) Bilddokumentation 2 Gehäuse Canon A-1 mit Winder 1 Objektiv, 24 mm, 1:2,8 1 Skylight-Filter 1 Objektiv 50 mm, 1:1,4 1 Skylight-Filter 1 Objektiv 35-70 mm, 1:3,5 bis 4,5 mit Skylight-Filter 1 Objektiv 75-200 mm, 1:4,5 mit Skylight-Filter und Konverter (Brennweite 150^t00 mm) 1 Blitzgerät 1 Sofortbildkamera b) Akustische Aufzeichnung 1 Kassettenrecorder 1 Diktiergerät 1 Stereo-Mini-Mikrofon 5 Mini-Kassetten 5 Leerkassetten, normal 3 Musikkassetten c) Film- und Fotozubehör 4 Objektivdeckel Sihcagel 1 Ministativ 1 Putzzeug 1 Drahtauslöser 1 Fernauslöser Div. Ersatzbatterien für Kameras, Recorder und Beleuchtung 2 Canon A-1-Ersatzbatterien 2 Taschenlampen-Batterien, 4,5 Volt, Block dto., 6 Stück, Baby, 1,5 Volt dto., 16 Stück, 1,5 Volt Mignon 1 Leicht-Fotostativ Filme Agfachrome 100, 30 Stück Agfachrome 200, 10 Stück Agfachrome 1000, 8 Stück Polaroid 2 Doppelpack (40 Bilder) 166

Verpackung: 1 Lowe-Foto-Rucksack Tauschartikel/Genußmittel 5 Metallfeilen 5 Maulorgeln 8 Päckchen Zigarettentabak 10 Packungen Blättchen 1 Stange Filterzigaretten 5 Einwegfeuerzeuge

Geld- und Dokumentenaufbewahrung a) Gürteltasche Versicherungen, Internationaler Führerschein, Internationaler Presseausweis, Medi-Cart, Visitenkarten, Bahnkarten, Länderinfo „Zimbabwe“, Empfehlungsschreiben, Kopie des Verzeichnisses für American Express Schecks, Schecks in US-Dollar, Bargeld in US-Dollar, 1 Block, Kugelschreiber. b) Schulterhalfter Reisepaß, Internationaler Impfausweis, Flugplan mit -nummern und -Zeiten, Karawane-Reisen-Info, Merkblatt Reiseschecks, Schecks in US-Dollar, Kopie des Verzeichnisses der Schecks, Bargeld in US-Dollar, Kugelschreiber. c) Geldgürtel Kopie des Reisepasses, Kopie des Internationalen Presseausweises und Führerscheins, Original des Verzeichnisses für American Express Schecks, Schecks in US-Dollar, Bargeld in US-Dollar. d) Geldbörse Glücksbringer meiner Freundin Gisela, US-Dollar in bar, Deutsche Mark.

Verpflegung (gemeinsam) 2 Päckchen Traubenzucker 1 Tüte Bonbons 2 Behälter mit Süßstoff 1 Salzstreuer 1 Pfefferstreuer 167

1 Currystreuer 1 Paprikastreuer 5 Riegel K 1 000 50 Packungen dehydrierte Nahrung gemischt, wie Gemüse-Risotto mit Hühnerfleisch Nudeln Bolognese mit Rindfleisch Linseneintopf mit Speck Erbseneintopf mit Speck Kartoffeleintopf mit Schweinefleisch Gemüserisotto Nudeln in italienischer Soße Nudeln in Kräutercreme Erbseneintopf Kartoffel-Gemüse-Eintopf Rührei mit Zwiebeln Rinderhackfleisch, gefriergetrocknet

Verpackung komplett: 2 Seesäcke: 21,5 Kilogramm 1 Lederrucksack (Handgepäck): 9,8 Kilogramm 2 Seesäcke: 23,1 Kilogramm 1 Foto-Rucksack (Handgepäck): 12,7 Kilogramm Gestrichene Gegenstände: Ersatzhut, Survival-Kit, „Übax-Orange“ (Signalpatronen), Höhenmesser, Hygrometer, Internationale 220-Volt-Stecker, Reiseschach, Akku-Aufladegerät, 9 X 1,5 Volt-Akkus, 2 leere Lowe-Fototaschen, Messer, Pfeifentabak, Perlen, Lederschnüre (als Geschenke), Kurzwellenradio. Anmerkung zum Überlebens-Strohhalm: Dieser „Überlebens-Strohhalm“, auch als „Akkufilter-Strohhalm“ bezeichnet, wird von verschiedenen Importeuren und Ausrüstern angeboten. Es handelt sich um ein 21 cm langes Röhrchen mit einem Gewicht von nur 18 g. Er soll bis zu 98,2 % schädliche Stoffe, Schmutz, Verunreinigungen, Chlor, Bakterien, Schwermetalle, Herbizide, organische Gifte und Schwebeteilchen herausfiltern. Die Kapazität des Gerätes beträgt etwa 130 Liter.

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