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German Pages 400
Christian Schmitz Internationales Vertriebsmanagement fiir Industriegiiter
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Marketing-Management Herausgegeben von Professor Dr. Christian Belz, Universitat St. Gallon, Professor Dr. Alfred KuB, Freie Universitat Berlin, Professor Dr. Thomas Rudolph, Universitat St. Gallen und Professor Dr. Torsten Tomczak, Universitat St. Gallen
In der Reihe werden Forschungsergebnisse aus unterschiedlichen Teilgebieten des Marketing veroffentlicht, die einen deutlichen Anwendungsbezug haben. Die Arbeiten gelten Fragestellungen aus dem Bereich des operativen und strategischen Marketing und sind zum groSen Toil durch die Einbeziehung verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse sowie eine empirische Vorgehensweise gepragt.
Christian Schmitz
Internationales Vertriebsmanagement fiir Industriegiiter Handlungsimplikationen aus dem Biicleit mit | dem Hersteller?
Durch welche Strategien und I Massnahmen gellngt I es, die Zufriedenheit mit der I Zusammenarbeit zu fdrdem?
Abbildung 1-2:
Drei FrageblScke des Dissertationsprojektes
In einem zweiten Schritt sind die Determinanten zu identifizieren, zu beschreiben und zu erklSren, die die Zufriedenheit bei der Zusammenarbeit mit dem Herstellerunternehmen massgeblich beeinflussen. Hierbei werden besondere Untersuchungsschwerpunkte auf die lokale Situation der Vertriebspartner und die Gestaltung des Vertriebsmanagements durch den Hersteller gelegt. In einem letzten Schritt sollen schliesslich
Ausgangslage, Zielsetzung und Aufbau
handlungsleitende Implikationen entwickelt werden, die der Vertriebsgestaltung des Herstellers dienen, um die Perspektive der lokalen Vertriebspartner besser zu verstehen, zu integrieren und um die lokale Kompetenz des Vertriebs zu erhdhen. Zu den in Abbildung 1-2 dargestellten Frageblocken lassen sich folgende Teilfragestellungen foraiulieren, um die Untersuchungsziele weiter zu konkretisieren (s. Tabelle 1-1). Frageblock 1: Bedeutung der Zufriedenheit von Vertriebspartnern • Welche Wirkung hat die lokale Zufriedenheit auf markt- und organisationsbezogene Ziele des Herstelleruntemehmens? • Welche Wirkung hat die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit auf die Qualitat der Marktleistung und die Zufriedenheit der Kunden? • Welche Wirkung hat die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit auf die Einstellung, die Verkaufsleistung und den Markterfolg von Vertriebspartnern? Frageblock 2: Determinanten der Zufriedenheit von Vertriebspartnern • Welche intemen und extemen Kontextfaktoren bestimmen die lokale Situation der Vertriebspartner? • Welche Teilaspekte sind Gegenstand der Beurteilxmg durch die Vertriebspartner? • In welcher Weise beeinflussen lokale Kontextfaktoren die Beurteilung durch die Vertriebspartner? Frageblock 3: Gestaltung der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnern • Inwiefem muss sich die Vertriebsgestaltung an der Situation vor Ort ausrichten? • Wie lassen sich die Massnahmen von Herstelleruntemehmen auf die jeweilige Situation der Vertriebspartner abstimmen und bis zu welchem Grad ist eine solche Abstimmung vorteilhaft? • Welche Ansatze stehen dem Hersteller zur Verfugung, um die Zusammenarbeit mit seinen Vertriebspartnern zu verbessem? Tabelle 1 -1:
Teilfragestellungen der Untersuchung
1.4 Aufbau der Arbeit Die vorliegende Arbeit gliedert sich in sieben Kapitel (s. Abbildung 1-3, S. 8), deren Inhalte nachfolgend knapp dargestellt werden. Kapitel 1 liefert zunachst einen Oberblick, indem die Problemstellung und deren Relevanz fur die Praxis veranschaulicht werden. Zielsetzung und Forschungsfragen geben einen Bezugspunkt fur die gesamte Arbeit. In Kapitel 2 wird ein konzeptioneller Rahmen entwickelt. Dazu werden zentrale Begriffe fur die Arbeit definiert sowie der vom Autor vertretene Forschungsansatz dargelegt. Das Untersuchungsobjekt wird beztiglich der Erkiarungsbeitrage benachbarter Forschungsgebiete eingeordnet und der zur Beantwortung der Forschungsfragen he-
Kapitel 1
rangezogene quantitativ-qualitative Methodenmix erlautert. Die detaillierte Beschreibung der Datenbasis und der Erhebiingsmethoden, die bereits in Abschnitt 2.4 (S. 34 ff.) vorgenommen wird, ermSglicht es, empirische Ergebnisse nach inhaltlichen Bezugen fortlaufend in die Diskussion einzubringen. Kapitel 3 beschaftigt sich mit der Bedeutung der Zufriedenheit bezuglich der Zusammenarbeit mit dem Hersteller. Durch konzeptionelle und empirische Ansatze werden verschiedene Wirkungsbereiche der Zufriedenheit herausgestellt. Kapitel 4 und 5 untersuchen interne und exteme Kontextfaktoren der lokalen Situation imd deren Wirkung auf die Beurteilung der Zusammenarbeit durch die Vertriebspartner. Es werden sieben inhaMiche Dimensionen der Zusammenarbeit von Hersteller imd Vertriebspartner identifiziert und eingehend diskutiert. Das Kapitel 6 richtet den Fokus auf die Altemativen der Vertriebsgestaltung unter besonderer Beriicksichtigung der Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit. Dabei werden die strategische Konfiguration sowie operative AnsStze der Koordination und Unterstutzung unterschieden. SSmtliche Altemativen werden im Hinblick auf ihre situative Eigmmg analysiert, um schliesslich Empfehlimgen fur die Vertriebsgestaltung geben zu konnen. Eine dynamische Betrachtung zeigt Prozessschritte zur nachhaltigen Verbesserung der Zusammenarbeit auf Abschliessend werden die Inhalte und Massnahmen anhand von Fallstudien inhaltlich vertieft und veranschaulicht. In Kapitel 7 werden Schlussfolgerungen aufgezeigt und diskutiert, die sich aus dieser Arbeit fiir die betriebswirtschaftliche Forschung und ftir die Vertriebspraxis ergeben.
i
Problem
| I
Begriffe
1 1
Praktische Relevanz
| I | ;
Forschungsansatz
Strategische Konfiguration
;
Exteme ! ; | jKausalanalytisch^ 1 | i Betrachtung j 1 Kontextfaktoren | 1
Operative Koordinatk>n und UnterstQtzung
; 1 Folgerungen fur! ! ! die Praxis ;
1 Forschungs1 fragen
| I Stand der | I Wissenschaft
| ! j 1
1
1 1 Methodenmix
|
Aufbau
Kapitel 1
|1
Abbildung 1 -3:
Kapitel 2
• Folgerungen fur | ; die Forschung |
Interne • 1 Konzeptionelle •! 1 1 1 Betrachtung | 1 Kontextfektoren ;
•
Fallstudie Leica
! |Dimensk)nender! ; Beurteilung • 1 1 i ! 1
||
Kapitel 3
Aufbau der Arbeit
| 1 Kapitel4und5
||
Prozess der Vertriebsgestaltung
; •
Fallstudien Nanosurf, Gallus, BASF
| 1
Kapitel6
1
Kapitel 7
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
2 Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix 2.1 Erl^uterung, Abgrenzung und Definition von Begriffen Im Folgenden werden die ftir die vorliegende Arbeit wichtigsten Begriffe kurz erlautert, abgegrenzt und zweckmassig defmiert. Der Aufgabe nach ist der „Vertrieb", insbesondere der „intemationale Vertrieb von Industriegtitem", zu beschreiben und abzugrenzen. Nach den Tragem der Aufgaben sind „Vertriebspartner" und ,^entrale" als die dezentralen und zentralen Organisationseinheiten zu beschreiben und abzugrenzen, die gemeinschaftlich die Aufgaben des Vertriebs wahmehmen. Abbildung 2-1 gibt einen ersten strukturierenden Uberblick zu den im Folgenden vorgenommenen Abgrenzungen.
Aufgabentrdger
Aufgabeninhalte
Abbildung 2-1:
Koordination und UnterstQtzung
Akquisitorische und logistische Aufgaben
Aufgabentrager und -inhalte im intemationalen Industriegtitervertrieb
2.1.1 Intemationaler Vertrieb von Industriegtitem Der „Vertrieb" ist ein schillemder Begriff, der in der Wissenschaft und Praxis mit vielfaltigen Bedeutungsinhalten belegt wird (Belz/Reinhold 1999a, S. 10; WeinholdStiinzi 1994, S. 2 f.; Winkelmami 2003, S. 14 f.). Unterschiedliche Begriffsverstandnisse ergeben sich u. a. aus der Abgrenzung vom Marketing sowie der organisatorischen und aufgabenbezogenen Einordnung (Weinhold-Stunzi 1994, S. 3). An dieser Stelle wird darauf verzichtet, die unterschiedlichen Begriffsverstandnisse ausfuhrlich zu diskutieren. Hierzu wird auf Winkelmann (2003, S. 14 ff.) verwiesen, der zehn verschiedene Auffassungen des Vertriebsbegriffs nennt und voneinander abgrenzt. Das dieser Arbeit zu Grunde liegende Verstandnis des Begriffs „Vertrieb" setzt bei den Aufgaben an, die im Rahmen der Vertriebsfunktion zu erfallen sind. Nach Weinhold-Stunzi (1994, S. 2 ff.) beinhaltet der Vertrieb alle Entscheidungen und Aktivitaten, die zur Uberwindung der verschiedenartigen Distanzen zwischen Anbietem und Nachfragem getroffen werden. Die zu tiberwindenden Distanzen sind dabei nicht nur geografischer, sondem u. a. auch zeitlicher, psychologischer, soziologischer, recht-
10
Kapitel2
licher und politischer Natur (Weinhold-Sttinzi 1994, S. 2). AUgemeiner formuliert kann die Aufgabe des Vertriebs folglich darin gesehen warden, alle Aktivitaten, die den Weg der Leistungsiibertragung zum Kiinden sicherstellen, zu definieren und umzusetzen (Backhaus 2003, S. 376). Dabei lassen sich eine akquisitorische und eine logistische Dimension des Vertriebs unterscheiden (Backhaus 2003, S. 377; Belz/Reinhold 1999a, S. 10). Die akquisitorische Dimension beinhaltet alle Aktivitaten, die zur Gewinnung neuer oder der Festigung und der Aussch5pflmg bestehender Kundenbeziehungen beitragen. Dazu gehoren zum einen Managementaufgaben auf den verschiedenen Ebenen der Vertriebsorganisation. Zum anderen zShlen aber auch operative Aktivitaten z. B. die Verkaufsforderung und Werbung, der persdnliche Verkauf und Verhandlungen, die Angebotserstellung sowie der Kundendienst und andere After-Sales Services zur aquisitorischen Dimension des Vertriebs (s. Backhaus 2003, S. 377; Rosenbloom 1999, S. 411; Belz/Reinhold 1999a, S. 10). Die logistische Dimension des Vertriebs umfasst hingegen solche Aktivitaten, die darauf gerichtet sind, Raum und Zeit durch Transport und Lagerung zuttberbrttcken(Backhaus 2003, S. 377; s. Belz/Reinhold 1999a, S. 120 ff.; Rosenbloom 1999, S. 411), wie z. B. die Auftragsabwicklimg, die Anlieferung und die Installation. Die Vertriebsaufgabe besteht dabei in der Koordination und Sicherstellung von logistischen Anforderungen, die aus Kundensicht haufig ein wichtiges Entscheidungskriterium darstellen (Backhaus 2003, S. 399) und nicht unmittelbar in ihrer Durchftihrung. Marketing und Vertrieb sind eng verzahnt und besitzen deshalb haufig Aufgaben, die sich uberschneiden, z. B. im Bereich der Werbung oder der Verkaufsforderung (Krafft/Haase 2004, S. 13 f.; Winkelmann 2003, S. 50 ff.). Wohl daher werden die Begriffe Marketing und Vertrieb insbesondere im Industrieguterbereich oft synonym verwendet (Weinhold-Stiinzi 1994, S. 3). In dieser Arbeit wird dennoch zwischen den Aufgaben des Vertriebs und den Aufgaben des Marketing unterschieden. Demnach werden dem Marketing eher strategische Aufgaben zugeschrieben, wie z. B. Marktund Wettbewerbsanalysen, strategische Positionierung, Markenmanagement, Produktentwicklung und die Marktleistungsgestaltung (Krafft/Haase 2004, S. 14 ff). Vertrieb hingegen ist auf operativer und taktischer Ebene mit der Implementierung von Marketingstrategien betraut, was im Rahmen der genannten Vertriebsaufgaben erfolgt. Im Industriegutersektor besitzt der Vertrieb eine besonders gewichtige Rolle, die u. a. aus der Wichtigkeit des pers5nlichen Verkaufs und des Kundendienstes resultiert (Backhaus 1991, S. 5 ff; Homburg/Krohmer 2003, S. 705). Als IndustriegUter werden
Theoretische Bezugspunkte, Forschnngsansatz und Methodenmix
11
solche Leistungen bezeichnet, die von Organisationen beschafft werden, um weitere Leistungen zu erstellen, die nicht fUr die Distribution an den Endkonsumenten bestimmt sind (Backhaus 2003, S. 9; Belz/Reinhold 1999a, S. 10 f). Besonderheiten des organisationalen Beschaffungsverhaltens liegen nach Backhaus vor allem in einer abgeleiteten Nachfrage, einem ausgepragten Phasenbezug im Beschaffungsprozess und in der Multipersonalitat im Einkauf der Kundenorganisation. Zudem nennt Backhaus (1991, S. 3 ff.) einen hohen Formalisierungsgrad sowie die hohe Komplexitat und Intensitat der Kaufprozesse (Backhaus 1991, S. 3 ff.). Belz/Reinhold (1999a, S. 10; ) und Backhaus (2003, S. 4) betonen, dass auch die Intemationalitat des Vertriebs fur Industriegiiteruntemehmen selbstverstandlich und wesensbestimmend sei. Besinnt man sich auf die oben genannte Definition des Vertriebs nach WeinholdStunzi (1994, S. 2), so kann der Internationale Vertrieb als die Uberbnickung von Distanzen iiber nationale Grenzen hinweg verstanden werden. Dies stellt Anbieterunternehmen vor neue Herausforderungen. Belz (1994, S. 22) nennt insbesondere die geringere Vertrautheit auf AuslandsmMrkten, unterschiedliche Anforderungen geografischer Markte sowie mentalitatsmassige und rSumliche Distanzen, die bei beschrankten Kapazitaten zu tiberwinden sind. Der Internationale Vertrieb spielt in Industriegiiteruntemehmen oft eine grossere Rolle als der nationale Vertrieb, da der nationale Markt, bspw. fur Spezialmaschinen mit einer langen Lebensdauer, im Vergleich zum intemationalen Markt ein nur sehr begrenztes Wachstum und geringe Umsatzvolumen ermoglichen wiirde. Eine Analyse von Geschaftsberichten der zwanzig nach Umsatz grossten Schweizer Industriegtiterhersteller zeigt (s. „Geschaftsberichtsanalyse 11" Tabelle 2-3, S. 37), dass diese im Jahre 2003 durchschnittlich mehr als 85 Prozent ihres Umsatzes im Ausland tatigten, bei den meisten der Untemehmen waren es sogar tiber 93 Prozent (s. Abbildung 2-2, S. 12). Eine grosse Ausnahme stellt der Rtistungskonzem RUAG dar, der wesentliche Umsatzanteile allein mit dem Schweizer Militar gewinnt. In der vorliegenden Arbeit wird davon ausgegangen, dass der nationale Vertrieb nur einen um viele Variablen vereinfachten Spezialfall des intemationalen Vertriebs darstellt (Weiber/Adler 2002, S. 331 f). Der intemationale Vertrieb von Industriegutem umfasst demnach alle weltweiten Vertriebsaktivitaten eines Industriegtiterherstellers, einschliesslich nationaler Aktivitaten.
Kapitel 2
12
Inlandsumsatz Schweiz 0= 14.8%
2%
4%
2%
7%
Georg Fischer
SIG
Mettler Toledo
Sulzer
3'257
28632
2'204»
r826
25%
40%
5%
Bucher Industries
Ruag
Conzetta
WMH
Leica
I'SSS
1*221
916
693
689
Auslandsumsatz 0=85.2%
Gesamt2003'
m 52%
6%
18%
AgieVon Roll Chamillles 678
676
1) In Mio. CHF. 2) Umgerechnet in CHF, Wechselkurs 1.51 CHF = 1 EUR. 3) Umgerechnet in CHF, Wechselkurs 1.69 CHF = 1 USD Anmerkung: Nwht berQcksk:htigt wurder) Familienuntemehmen und Untemehmen ohne Angabe von inldndischen UmsStzen (z. B. ABB. Schindler. Rieter, Saurer. Unaxis. Bobst, BOhler. Endress+Hauser. Kardex und Felntool).
Abbildimg 2-2:
AuslandsumsStze fiihrender Schweizer Industrieguterhersteller (Geschaftsberichtsanalyse 11, s. Tabelle 2-3, S. 37)
2.1.2 Vertriebspartner als dezentrale AufgabentrSger „Vertriebspartner" (synonym: Niederlassungen) (s. Belz/Reinhold 1999a, S. 10) sind dezentrale AufgabentrSger im Vertrieb, die gemeinschaftlich mit zentralen Untemehmenseinheiten eines Herstellenmtemehmens die Aufgaben des Vertriebs wahmehmen bzw. deren ErfuUung sicherstellen und damit dazu beitragen, die von Weinhold-Stiinzi (1994, S. 2 ff.) angeftihrten verschiedenartigen Distanzen zu den Kundenuntemehmen zu uberwinden. Die Partnerschaftlichkeit, die der Begriff „Vertriebspartner" nahe legt, kann angesichts der aufgezeigten Unstimmigkeiten allenfalls als Maxime der Zusammenarbeit interpretiert werden. Die FShigkeiten der Vertriebspartner und deren Engagement entscheiden weitgehend darttber, ob sich ein Angebot wirksam bis zum Kunden und Anwender transferieren lasst und ob Untemehmen in spezifischen Regionen und Landem lokal und kundennah vorgehen konnen (Belz/Reinhold 1999a, S. 10). In der Literatur zum Vertrieb wird hSufig den Eigentumsverhaltnissen nach, zwischen herstellereigenen und herstellerfremden Vertriebsorganen unterschieden (s. Ahlert 1996, S. 47 f.; Belz 1999, S. 99 ff,; Homburg/Krohmer 2003, S. 704 f., 710). Diese Unterscheidung findet sich auch in empirischen Studien wieder, in denen meist eine Fokussierung auf einen Vertriebskanal (s. Anderson/Nams 1990; Andersson/Forsgren 1996; Kim/Hsieh 2003, Goodman/Dion 2001) oder der Vergleich zwischen Vertriebskanalen (s. Jackson/d'Amico 1989; Smith/Barclay 1997; Mahajan et al. 1984) vorgenommen wird. Beide Vorgehensweisen bieten sich an, wenn das Kriterium der Eigen-
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
13
tumerschaft in Bezug auf weitere untersuchte Variablen diskriminierend ist. Im ersten Fall wird der Einfluss der Eigenttimerschaft eliminiert. Im zweiten Fall wird er als erklarende Variable in die Untersuchung integriert. Der Begriff „Vertriebspartner" schliesst nach Belz/Reinhold (1999a, S. 10; Reinhold/Belz 2002, S. 40) herstellereigene Tochtergesellschaften sowie herstellerfremde Vertretungen, Untervertretungen und intemationale Handelsgesellschaften mit ein (anders: Homburg/Krohmer 2003, S. 721). Die eingangs genannte Definition des „Vertriebspartners" geht noch etwas weiter, indem samtliche dezentralen Einheiten einbezogen werden, die Vertriebsaufgaben wahmehmen. Damit k5nnen m5gliche Unterschiede, die durch die Eigentumsverhaltnisse und die mit diesen verbundenen Konsequenzen zustande kommen, beriicksichtigt werden. Eine einseitige Betrachtung herstellereigener oder herstellerfremder Vertriebsorgane ware ftir die Bearbeitung des vorliegenden Forschungsobjektes hingegen mit erheblichen Nachteilen verbunden und wurde verschiedene Verzerrungen hervorrufen. Dies ist teilweise auf Besonderheiten der IndustriegUterbranche und des intemationalen Kontextes zuriickzufiihren. Denn mit der Fokussierung auf einen Vertriebskanal fmdet gleichzeitig eine Schwerpunktsetzung auf spezifische Lander, Produkt- und Kundensegmente statt, da z. B. fiir umsatzmassig kleine Landermarkte (z. B. Norwegen) oder solche mit politisch unruhigen Bedingungen (z. B. Israel) besonders haufig auf unabhangige Distributoren zuruckgegriffen wird (s. Jackson/d'Amico 1989, S. 29 f.; Helm 2001, S. 52 f.; Homburg/Krohmer 2003, S. 710). Auch wurden solche Produkt- und Kundensegmente in den Vordergrund geriickt, bei denen im Verkauf weniger Komplexitat und Erklarungsbedarf besteht, da sie ebenfalls einen Verkauf durch Distributoren begiinstigen (s. Jackson/d'Amico 1989, S. 31 f.; Homburg/Krohmer 2003, S. 710). Ein anderer Nachteil besteht in der problematischen Annahme, dass alle Vertriebsaufgaben durch die jeweils betrachtete Vertriebsform wahrgenommen wurden. Denn haufig werden die lokalen Teilaufgaben des Vertriebs in den Landermarkten und Regionen von unterschiedlichen zentralen und dezentralen Organisationseinheiten erbracht (Abbildung 2-3, S. 14). Eine eigentumsbezogene Unterscheidung fahrt deshalb zwangslaufig zu einer willkurlichen Eingrenzung bei der Betrachtung von lokalen Vertriebsprozessen.
14
Kapitel2
Typtscher Vertriebsprozess fQr IndustriegQter, Land Z
1
S
^ Marketing^ 'Aktivit»en^
HSHH
Pahiakeiten
•
kommerzielle technische administrative Aufgab«ntrig«r 1. Unabhdngiger Distributor 2. Unabhangiger Monteur 3. Unabhdngiger Logistiker riokale Vertriebsgeseilschaft 5. Lokale Servicegeselischafl 6. Zentrale Abteilungen
A A A • A •
# (3 O
•
A A A A A A
A A A A A A
• 3 A A A A A A
Abbildung 2-3:
3Hoch
OGaring
o o
•
o o
3 • 3
A A A A A A
A A A A A A
A A A A A A
m A A A A A A
^
Eignung von Au^abantrigem
Ausmass bwtfttigtM- Fihigkaiton #Sehrhoch
(3
IH
QSahrgering
J
A S e h r gaeignet
ABedinqt gaeignet A w e n i g geeignet 1
Aufgabenverteilung im Vertriebsprozess fiir Industrieguter (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37)
Abbildung 2-3 zeigt einen typischen Vertriebsprozess fur Industrieguter mit den zu erfiillenden Aufgaben. Auf jeder Prozessstufe werden unterschiedliche Fahigkeiten veriangt, die branchen- und produktabhMngig variieren kSnnen. Die unterschiedlichen Vertriebsaufgaben in einem Landermarkt kQnnen von verschiedenen lokalen und zentfalen AufgabentrSgem gemeinsam wahrgenommen werden (Winkelmann 2003, S. 53 f.). Hierbei sind unterschiedliche Konstellationen denkbar und moglich: Teilweise decken herstellereigene Vertriebsgesellschaften den gesamten Prozess ab, in anderen Fallen werden ftir verschiedene Teilaufgaben weitere exteme und interne Aufgabentrager hinzugezogen. Aus dieser Perspektive betrachtet, scheint es sinnvoll nicht weiter zwischen herstellerfremden und herstellereigenen Vertriebspartnem zu unterscheiden, sondem vielmehr solche Vertriebsorgane zu betrachten, die fur die Sicherstellung des Wegs der Leistungsiibertragung zum Kunden verantwortlich sind und die Erfiillung der Vertriebsaufgaben lokal koordinieren. Hierbei kommen sowohl herstellerfremde als auch herstellereigene Vertriebsorgane in Frage. Bei der weiteren Diskussion wird auf theoretisch konzeptioneller Ebene deshalb nicht weiter nach den Eigentumsverhaltnissen unterschieden, sondem der allgemeinere Begriff „Vertriebspartner" verwendet. Abbildung 2-4 zeigt die aufgabenteilige Erftillung des Vertriebsprozesses am Beispiel fiihrender Schweizer Hersteller. Hierdurch wird noch einmal deutlich, dass sich die Einbeziehung verschiedener Aufgabentrager in den Vertriebsprozess sowohl zwischen Firmen, als auch zwischen betrachteten Landem unterscheidet.
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
15
Vertriebsprozesse Schweizer Industriegtiterhersteller , MarketingN 'Aktivitaten,< BelsDiele • Bucher, Emhart
•
H
4., 6.
4. (6.)
4.. 6.
• Bucher, Emhart Glass, Deutschland
4., 6.
4.
4.. 6.
• Bucher, Emhart Glass, Russland
1.,6.
1.,4.
4.
• ABB, Business Unit Minerals, Indian
4. (1..6.)
4.
4. (3., 6.)
ABB, Business Unit Minerals, Iran
6. (1..4.) 6.
4.
6. (3.) 6.
• RUAG, Aerospace Aircraft, Mittlerer Osten
1. (6.)
6. (4.) 6. (4.)
6. (4.) 6. (4.)
1.,6. (4.) 4. (2., 3., 6.)
6. (4.) 4. (3.)
(2.,3;,4.)
(30
1.,6.
1.,4.
6. (4.) 6. (4.) 4. (3.) 4. (3.) 6. (3.) 3. (2.)
6.
6.
6.
6.
6., 2.
4., 6.
2. (3.. 4.)
5. (4.) 5. (6.) 1.
2. (3., 6.) 2.
VeranhvorUiche Aufgabentrtiger 1. Unabhdngiger Distributor
2. UnabhSngiger Monteur
3. Unabhdngiger Logistiker
4. Lokale Vertriebsgesellschaft
5. Lokale Servicegesellschaft
6. Zentrale Abteilungen
( ) = Vertriebshelfer mit unterstQtzender TStigkeit
Abbildung 2-4:
Aufgabenverteilung im Vertrieb am Beispiel Schweizer Hersteller (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37)
Abbildung 2-4 zeigt insbesondere auch Aufgabentrager, wie Logistikdienstleister oder Monteure, die die lokalen Vertriebspartner bei der Erfullung von Vertriebaufgaben untersttitzen. Diese werden im Weiteren als Vertriebshelfer bezeichnet (s. Ahlert 1996, S. 47; Homburg/Krohmer 2003, S. 707 ff.). Darunter fallen dann bspw. auch Agenten, die von Tochtergesellschaften zur Anbahnung von Geschaftsbeziehungen eingesetzt werden (Homburg/Krohmer 2003, S. 709).
2.1.3 Zentrale fur landerubergreifende Koordination und Unterstutzung In dieser Arbeit werden unter der „Zentrale" diejenigen zentralen Aufgabentrager verstanden, die durch die Koordination und Unterstutzung der dezentralen Vertriebspartner zur Erfiillung der Vertriebsaufgaben beitragen (s. Reckenfelderbaumer 2001, S. 253 f.). Zentrale und Vertriebspartner stellen damit eine Gemeinschaft zur Erfullung von Vertriebsaufgaben dar (Thies 1976, S. 49 f). Es muss jedoch nicht zwingend die weltweite Untemehmenszentrale bzw. das Stammhaus gemeint sein, wenn von der „Zentrale" die Rede ist. Auch das regionale Management Oder das divisionale Management kann die Rolle der „Zentrale" einnehmen, wenn es eine koordinierende oder unterstutzende Tatigkeit einnimmt, die zur Aufgabenerfullung dezentraler Vertriebspartner beitragt (Pahlberg 1997, S. 456 f). So werden z. B. bei der BASF AG, der Bosch AG, der Emhart Glass S.A. und der Holcim
16
Kapitel2
AG weitgehend alle Logistik-, Preis- iind Marketingentscheidungen fur die Regionen Europa, Nord-, Siidamerika und Asien von regionalen Headquarters getroffen. Die Begriffe ,^entrale" und ,Jlersteller" unterscheiden sich in der Praxis durch das Eigentumsverhaltnis des Herstellers am Vertriebspartner und reflektieren dessen Sicht: Herstellereigene Vertriebspartner benutzen den Begriff ,^entrale", wahrend herstellerfremde Vertriebspartner die Ausdrttcke „Hersteller" oder „Lieferant" verwenden. Da in der vorliegenden Arbeit zunSchst nicht zwischen herstellereigenen und herstellerfremden Vertriebspartnem unterschieden wird, kSnnen die Begriffe Zentrale, Hersteller, Stammhaus, Headquarters, Herstelleruntemehmen und Untemehmenszentrale im Weiteren synonym verwendet werden. Reckenfelderbaumer (2001, S. 253) betont, dass die Zentrale insbesondere Aufgaben der Koordination und der Untersttttzung ubemimmt (s. KieserAValgenbach 2003, S. 298 ff.; Bartlett/Ghoshal 1990, S. 132). Die Koordination durch die Zentrale betriffl dabei verschiedene Mechanismen. Hervorzuheben sind die Zentralisienmg, die Formalisierung und die KontroUe: Eine Zentralisienmg wird aus Sicht des Herstellers angestrebt, um Skaleneffekte und Synergien zu nutzen (KieserAValgenbach 2003, S. 299). Ein gewisser Grad an Formalisienmg bildet die Basis, imi eine landeriibergreifende Planung
inklusive
Zielvereinbarungen
und ErgebniskontroUen
zu
realisieren
(KieserAValgenbach 2003, S. 299; Bartlett/Ghoshal 1990, S. 132). Fiir ein detailliertes Bild zu den einzelnen Koordinationsmechanismen sei an dieser Stelle auf KieserAValgenbach (2003, S. 300) verwiesen. Es bleibt festzuhalten, dass die Wahrnehmimg von Koordinationsaufgaben durch die Zentrale zwangslSufig die Autonomic der Vertriebspartner einschrankt (Reckenfelderbaumer 2001, S. 254). Dabei manifestiert sich, dass eine Vertriebsgesellschafl, so bedeutsam sie auch fiir die Entwicklung der Untemehmung und deren Erfolg sei, aus Sicht der Zentrale nur ein Element im Gesamtsystem ist (Diilfer 1992, S. 384.). Entscheidungen, z. B. iiber Marketingaktivitaten oder Erweiterungsfinanzienmgen, mtlssen deshalb immer auch die Interessen anderer Elemente (bspw. anderer Vertriebspartner) des Gesamtuntemehmens beriicksichtigen (Diilfer 1992, S. 384 ff.). Neben der Koordination kommen der Zentrale insbesondere Aufgaben der Unterstutzung zu. Hierbei handelt es sich z. B. um die Ubemahme verschiedener Sekundaraufgaben, wodurch dezentrale Bereiche entlastet werden konnen (Reckenfelderbaumer 2001, S. 254). Auch hierbei spielen Synergieeffekte eine Rolle, allerdings verspricht man sich haufig auch eine hoherwertige Leistung, als dies bei einer dezentralen Erstellung der Fall ware (Reckenfelderbaumer 2001, S. 254). Beispiele fur die Unterstttt-
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
^
LZ.
zung sind z. B. die Durchfiihrung von Schulungen, Marktforschungen oder die Bereitstellung von Produktdokumentationen sowie technische oder juristische Hilfestellungen (s. Reckenfelderbaumer 2001, S. 254; Lasserre/Schutte 1995, S. 253 ff.). Zentralbereiche verfugen in Bezug auf ihr Angebot, insbesondere bei unterstutzenden Leistungen, haufig uber eine innerbetriebliche Monopolstellimg, so dass sie keiner nnmittelbaren Konkurrenz ausgesetzt sind (Reckenfelderbaumer 2001, S. 257). Mittelbare Konkurrenz kommt bspw. dadurch zustande, dass Leistungen vor Ort selbst erstellt werden oder extern beschafft werden konnen. Als typisch fuhrt Reckenfelderbaumer (2001, S. 258) an, dass viele Zentralbereiche nur unzureichende und ungenaue Vorstellungen iiber die qualitativen und quantitativen Bedtirfiiisse der intemen Kunden haben, obwohl der „relevante Markt" meist relativ eng und abgegrenzt ist (Reckenfelderbaumer 2001, S. 258). Hungenberg (1992, S. 345) betont zudem, dass die Moglichkeit einer zentralen Problembewaltigung in internationalen Markten nur eingeschrankt besteht, was es der Zentrale erschwert, ihre Aufgaben zu erfuUen (Hungenberg 1992, S. 345).
2.2 Forschungsansatz und theoretische Perspektive 2.2.1 Realitatsorientierter Forschungsansatz Nach Tomczak (1992, S. 80 f.) sind die drei Grundelemente empirischer Forschung die Realitat, die Theorie und die Methode. Fiir die wissenschaftliche Betrachtungsweise von Realitat ist es typisch, dass in sich widerspruchsfreie Systeme von Aussagen und Theorien aufzustellen sind, deren Entsprechung zur Realitat unter Verwendung von Methoden zu uberpriifen und zu entwickeln ist. Durch die Methoden soil eine Verbindung zwischen abstrakteren Elementen von Theorie und Realitat hergestellt werden, wobei jeder Marketingforscher vor dem Dilemma zwischen qualitativer Grundlichkeit und quantitativer Abstraktion steht (Tomczak 1992, S. 81). Die realitatsorientierte Marketingforschung greift Probleme auf, die aktuell oder kiinftig ftir die Praxis relevant sind, und versucht diese auf dem Wege eines theoriegeleiteten Empirismus zu beschreiben, zu erklSren und zu losen. (Belz 1991, S. 9; Tomczak 1992, S. 83; Tomczak 1991, S. 30 ff) Die praktische Relevanz wird demnach ebenso als Anforderung an ein realitatsorientiertes Forschungsvorhaben gestellt wie die theoretische Fundierung: Einerseits ist also zu untersuchen, welche anderen theoretischen Perspektiven, d. h. erste Strukturierungen oder ausgereifte Theorien bereits zur Verfligung stehen (Tomczak 1992, S. 83). Andererseits ist zu priifen, ob das Forschungs-
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Kapitel2
problem in der Praxis - also bei den Personen, die sich in dem betrachteten Realitatsausschnitt befassen - tatsSchlich ein relevantes Problem darstellt (Tomczak 1992, S. 83;Tomczakl991,S.26). Im Rahmen dieser Arbeit wurde versucht, beiden Anforderungen in hohem Masse Rechnung zu tragen. Zum einen wurden umfangreiche qualitative und quantitative empirische Untersuchungen vorgenommen, um die Relevanz des Forschungsproblems aus Sicht der befragten Praxisvertreter zu untersuchen (s. Abschnitt 1.2, S. 3 ff.; Abschnitt 2.4, S. 34 ff.). Zum anderen konnten durch ein hermeneutisches Vorgehen die Beitrage gnmdsatzlicher theoretischer Perspektiven (s. Absatz 2.2.2, S. 18 ff.) und die Beitrage benachbarter Forschungsgebiete (s. Abschnitt 2.3, S. 20 ff) herausgestellt werden. Sie leisten zur Beantwortung der vorliegenden Forschungsfragen eine wichtige Hilfestellung. Die Methoden, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Dissertationsprojektes ihren Einsatz fanden, werden in Abschnitt 2.4 (S. 34 ff.) einzeln vorgestellt und er5rtert.
2.2.2 Situativer Ansatz als theoretische Perspektive Es gibt vielfaltige Mdglichkeiten, sich dem PhSnomen Organisation theoriegeleitet zu nahem, und jede Theorie iSsst bestimmte Facetten der Organisation in den Vordergrund treten und drSngt zugleich andere in den Hintergrund (KieserAValgenbach 2003, S. 65). Wahrend bspw. der situative Ansatz eine starke Gestaltungsorientierung aufweist, stehen bei anderen Theorien wie z. B. der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie in erster Linie die Erklanmg oder das Verstehen formaler Organisation im Vordergrund (KieserAValgenbach 2003, S. 65). Ftir eine ausfuhrliche Diskussion und Gegenuberstellung der unterschiedlichen Organisationstheorien sei an dieser Stelle auf Kieser (1999b) verwiesen. Um eine moglichst differenzierte, praxis- und realitatsnahe Betrachtungsweise zu fordem (Staehle 1976, S. 36; Belz 1993, S. 7; Mockler 1971, S. 146), wird als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit der situative Ansatz gewShlt. Diese theoretische Perspektive eignet sich besonders fur eine ErklSrung der formalen Struktur und fuhrt in hohem Masse zu handlungsleitenden Implikationen (KieserAValgenbach 2003, S. 222 f). Der situative Ansatz ist auch imter dem Begriff ,JK^ontingenzansatz" bekannt (Scherer/Beyer 1998, S. 334). Es soil damit die Annahme zum Ausdruck gebracht werden, dass Organisationsstrukturen von anderen Grossen abhangig (= kontingent) sind. Der Ansatz geht dabei von konkreten Problemsituationen aus, die durch eine
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
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Konstellation bestimmter Einflussgrossen (sjoionym: Kontextfaktoren) definiert werden (Staehle 1976, S. 36; Staehle 1977, S. 112; Mockler 1971, S. 146). Handlungsempfehlungen werden damit relativiert (s. Tomczak 1992, S. 84; Kieser /Kubicek 1992, S. 50), sie mtissen sich an der Situation ausrichten, in der sich die jeweilige Organisation, bspw. der Vertriebspartner, befindet (Kieser/Kubicek 1992, S. 45 f.; Staehle 1977, S. 112; Mockler 1971, S. 147). Die Aufgabe des situativen Ansatzes besteht darin, Handlungsaltemativen zu entwerfen, die unter genau zu spezifizierenden Situationen erfolgreicher sind als andere (Staehle 1976, S. 36). Es gibt demnach nicht eine generell giiltige optimale Handlungsaltemative, sondem mehrere situationsbezogen angemessene (Staehle 1976, S. 36; Staehle 1977, S. 114; Mockler 1971, S. 148). Dabei nimmt der situative Ansatz an, dass das Management durch die Anpassung der Organisationsstruktur an die Situation („Fit") versucht, die Effizienz der Organisation zu maximieren (KieserAValgenbach 2003, S. 222; Jensen 2001, S. 12; Donaldson 2001, S. 12).
Andere Ursachen
Ergebnisse
Abbildung 2-5:
Konzept zur Korrespondenz von Situation und Organisationsstruktur (In Anlehnung an Donaldson 2001, S. 12)
Abbildung 2-5 (S. 19) zeigt das von Donaldson (2001, S. 12 f.) vorgeschlagene FitKonzept zur Anpassung der Organisationgestaltung an die Kontextfaktoren mit den entsprechenden Ergebniswirkungen, das fiir die Konzepte und Methoden der vorliegenden Arbeit besondere Impulse gibt. Danach miissen lokale Kontextfaktoren (z. B. die lokale Wettbewerbsintensitat) und die jeweils korrespondierenden organisatorischen Gestaltungen (z. B. der Grad an Entscheidungszentralisierung in der Vertriebsorganisation) erfasst und beschrieben werden, um die Eignung der Kombination aus beiden Einflussgrossen anhand ihrer Ergebniswirkungen (z. B. lokaler Erfolg oder lokale Zufriedenheit) beurteilen zu konnen.
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Kapitel 2
Wie Scherer (1999, S. 2) betont, „sind Organisationen hochkomplexe soziale Gebilde, in denen viele Probleme auflreten kSnnen, die (...) nur schwer unter ein gemeinsames Dach einer wie auch immer gearteten ,Supertheorie' zu integrieren sind (...). Hinzu kommt (...), dass jeder dieser Teilaspekte wiedemm unter verschiedenen theoretischen Perspektiven beleuchtet werden kann". Die Perspektive des situativen Ansatzes wird deshalb dort, wo es dem Autor geboten scheint, um andere Betrachtungsweisen erganzt, soweit diese zur theoretischen Durchdringung des Forschungsobjektes beitragen (s. Homburg 2000, S. 56; KieserAValgenbach 2003, S. 45 f., 68). Einen Beitrag leistet der ressourcenbasierte Ansatz, auch als „resource-based view" bezeichnet, der den spezifischen Wert der effizienten Vertriebsorganisation als einzigartige innerorganisationale Voraussetzung fur die Wettbewerbsfahigkeit des Untemehmens in den Vordergrund stellt und zu erkiaren hilft (s. Barney 1986; Penrose 1959; Rasche 1994; Wemerfelt 1984). Die Transaktionskostentheorie leistet einen Betrag, indem das Zustandekommen verschiedener Koordinationsformen zwischen Markt und Hierarchic erklart wird (s. Picot 1982; Picot/Dietl 1990; Williamson 1975; Williamson 1985; Williamson 1991). Und auch die Perspektive der Principal-Agent Theorie, die neben der Transaktionskostentheorie zu den institutionenSkonomischen Ansatzen gehort, kann Beitrage leisten, indem sie den Blick auf Informations- und Interessenunterschiede zwischen den Parteien in der Vertriebsorganisation lenkt, aus denen Probleme in der Zusammenarbeit resultieren k6nnen (s. KieserAValgenbach 2003, S. 49 ff). Die Integration nicht vereinbarer theoretischer Perspektiven kann aus wissenschaftlicher Sicht durchaus problematisiert werden. Solange es allerdings keine Moglichkeit gibt, ein objektives Urteil iiber die Giite der einzelnen Theorien zu fallen, erscheint KieserAValgenbach (2003, S. 68) dies der einzige Weg, das Verstandnis von Organisationen zu verbessem. Die Perspektiven werden in dieser Arbeit deshalb in Anlehnung an Homburg (2000, S. 56) als komplementMr betrachtet und integrierend genutzt. 2.3 Wissenschaftliche Beitrdge benachbarter Forschungsgebiete In den folgenden Absatzen wird das Forschungsproblem in den Kontext verschiedener Forschungsgebiete gestellt, in deren Schnittmenge es sich befmdet. Es werden jeweils ausgewahlte wissenschaftliche Ansatze vorgestellt, die wichtige Beitrage zur Beantwortung der Forschungsfragen der vorliegenden Arbeit leisten. 2.3.1 Internes und vertikales Marketing im Vertriebssystem In Anlehnung an Rafee (1974, S. 80, S. Ill) k5nnen unter einem Vertriebssystem samtliche soziale Einheiten, d. h. Organisationen, Personengruppen und Einzelperso-
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
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nen verstanden werden, die bei der Planung, Durchfuhrung und KontroUe von Vertriebsaufgaben mitwirken sowie die Beziehungen, die zwischen diesen sozialen Einheiten bestehen. Das Vertriebssystem schliesst damit sowohl herstellereigene als auch herstellerfremde Vertriebspartner ein, die an der Vertriebsaufgabe des Herstellers mitwirken soUen. Erste konzeptionelle Perspektiven, die systeminteme Austauschprozesse und ihre Gestaltung als Marketingprozesse interpretieren (Kotler 1972, S. 48 f.), waren das „Generic Concept of Marketing" (Kotler 1972) und das mit ihm verwandte „Exchange Concept" (Bagozzi 1974; Bagozzi 1975). (Rafee 1974, S. I l l ) Das weite Marketingverstandnis beider Konzepte hat sich allerdings nicht durchgesetzt (Stauss/Schulze 1990, S. 149), da von einigen Wissenschaftlem der „Allzustandigkeitsanspruch des Marketing" abgelehnt wird (s. Rafee 1974, S. I l l ; Stauss/Schulze 1990, S. 149; Schutz 1993, S. 194; Rafee/Specht 1982, S. 556 ff.). Dennoch lasst sich bis heute eine Beachtung der systemintemen Dimension des Marketing feststellen (Lings 1999; Conduit/Mavondo 2001; Rafiq/Ahmed 2000), deren Bedeutung sich inzwischen etabliert hat. Zu den intemen Themenbereichen des Marketing gehoren bspw. Diskussionen liber Corporate Identity, Corporate Communication, Behavioral Branding (s. z. B. Tomczak et al. 2005; Tomczak/Brexendorf 2003) sowie internes und vertikales Marketing. Die beiden letzten Konzepte geben fur das Forschungsprojekt wichtige Impulse, da sie das klassische Kundenverstandnis um interne und (den Kundenuntemehmen) vorgelagerte Kundengruppen, wie Tochtergesellschaflen und den Handel erweitem. Internes Marketing Internes Marketing ist die „planmassige Gestaltung von Austauschbeziehungen mit intemen Systemmitgliedem zu absatzmarktbezogenen Zwecken" (Stauss/Schulze 1990, S. 155). Es kann als untemehmerische Grundhaltung verstanden werden, nach der alle untemehmerischen Entscheidungen konsequent an den Erfordemissen und Bedtirfhissen der Mitarbeiter auszurichten sind (George/Gr5nroos 1995, S. 66; Rafiq/Ahmed 2000, S. 450 ff.; Stauss/Schulze 1990, S. 150), um deren Zufriedenheit zu erhohen. Die Mitarbeiterzufiiedenheit gilt im intemen Marketing als Voraussetzung fiir die Realisierung okonomischer Untemehmensziele (Rafiq/Ahmed 2000, S. 450; Lings 1999, S. 453). Vor allem im pers6nlichen Verkauf, der im Industriegiitervertrieb haufig anzutreffen ist, haben das Personal und dessen Interaktion mit dem Kunden eine wesentliche Bedeutung far den Markterfolg (Lings 1999, S. 453; Stauss/Schulze
Kapitel 2
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1990, S. 151; Gronroos 1985, S. 42). Das interne Marketing dient damit der intemen Absichenmg einer extemen Marketingstrategie (Meyer/Opperaiann 1998, S. 993; Stauss/Schulze 1990, S. 156). Das Konzept des intemen Marketing bringt also die Relevanz intraorganisationaler Voraussetzimgen zum Ausdruck, die fiir die erfolgreiche Umsetzung absatzorientierter Marketing- und Vertriebskonzepte vorliegen miissen. Als Austauschpartner bzw. Systemmitglieder kommen beim intemen Marketing das Personal oder Subsysteme von Untemehmen in Betracht (Stauss/Schulze 1990, S. 155). Obwohl organisationsexteme Adressaten nicht explizit ausgeschlossen werden, liegt der Fokus im intemen Marketing auf organisationsintemen Adressaten (Lings 1999, S. 453; Hauser et al. 1996, S. 268 f.; Davis 1992, S. 6; Conduit/Mavondo 2001, S. 12; Rafiq/Ahmed 2000, S. 454 f). Es existieren bislang keine Untersuchungen, die das inteme Marketing auf das Verhaltnis der Zentrale zu den Vertriebsgesellschaflen beziehen. Nach Stauss/Schulze (1990, S. 155) kommt jedoch ein Untemehmen mit mehreren Betriebsstatten grundsatzlich als System in Betracht (Stauss/Schulze 1990, S. 155; Schutz 1993, S. 194 f). Dann sind es Subsysteme wie Filialen, Mitgheder von Kooperationen oder Franchise-Nehmer, die mit Hilfe eines abgestimmten Instrumentariums gesteuert und zu absatzstrategisch festgelegtem Verhalten im Sinne der Systemziele bewegt werden miissen (Stauss/Schulze 1990, S. 155). Adressat dieser Variante des intemen Marketing ist das jeweilige Subsystem, in erster Linie dessen Leitung, sekundar auch die weiteren Elemente des Subsystems, bspw. Vertriebsmitarbeiter. Diese Variante wird von Stauss/Schulze (1990, S. 155) als „subsystemorientiertes intemes Marketing" bezeichnet. Tabelle 2-1 zeigt noch einmal die intemen imd extemen Adressaten beim intemen Marketing. Es wurden dazu jeweils einige wichtige Publikationen ausgewahlt. Quelle
Genannte Adressaten im ursprunglichen Wortlaut
Rafiq/Ahmed 2000, S. 454 f. Meyer/Opperaiann 1998, S. 992 Stauss 1997, S. 720
Mitarbeiter des Untemehmens, insbesondere Mitarbeiter im Kundenkontakt Organisationsinteme Mitarbeiter
Bnihn 1995, S.25 George/Gronroos 1995, S. 65 f. Schutz 1993,
Mitgheder einer organisatorischen Untemehmensverbindung, rechtlich Kooperationspartner mit r^umlich dezentraler Leistungserstellung, rechtlich unabhdngige Teileinheiten Mitarbeiter, Abteilungen, Tochteruntemehmen Inteme Organisation und intemer Mitarbeitermarkt Zentrale Bereiche, Glieder der Wertschopfungsket-
Einbezogene Adressaten Inteme Exteme
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Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix S. 194 f.
Stauss/Schulze 1990, S. 155
te, Teilfiinktionen im Stammhaus, selbststandige Auslandsgesellschaften und Beteiligungen, Filialen, Franchisenehmer Interne Organisationsmitglieder, Subsysteme, wie Filialen, Mitglieder von Kooperationen, Franchisenehmer Untemehmensinteme Mitarbeitermarkte
c
GrSnroos 1985, S.42 # = voUstandig einbezogcn, 0 = nicht einbezogen, C) = teilweise einbezogen Tabelle 2-1: Einbeziehung intemer und extemer Adressaten im intemen Marketing
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• •
Vertikales Marketing Vertikales Marketing basiert auf dem Grundgedanken, dass eine stufeniibergreifende Abstimmung von Funktionen und Marketingaktivitaten der vertikalen Partner sowohl eine wirtschaftlichere Prozessgestaltung als auch eine bessere Ausschopfung der Nachfrage von Endkunden ermoglicht (Engelhardt 1990, S. 11; Pabst 1993, S.ll; Pabst/Brettenthaler 1995, S. 48 f.; Schneider 1989, S. 90). Damit soil das vertikale Marketing die Wettbewerbsfahigkeit des Vertriebssystems insgesamt erhohen (Engelhardt 1990, S. 11; Pabst 1993, S.ll; Belz 1989, S. 292 f.) und dazu fuhren, dass beide Partner ihre Ziele besser erreichen (Ceyp 1996, S. 8; Thies 1976, S. 59; Steffenhagen 1975, S. 63; Belz 1989, S. 251 ff.). Haufig wird vertikales Marketing ausschliesslich auf die Zusammenarbeit mehrerer wirtschaftlich selbststandiger Distributionsstufen bezogen (Thies 1976, S. 52; Pabst 1993, S. 12 f.; Irrgang 1989, S. 12; Schneider 1989, S. 91, Engelhardt 1990, S. 11, Belz 1989, S. 571; Kirsch 1987, S. 20 f.). Das betrifft vor allem die Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Handel oder zwischen Gross- und Einzelhandel (Thies 1976, S. 52; Belz 1989, S. 571; Ceyp 1996, S. 7). Thies (1976, S. 49 ff.) und Tietz/Mathieu (1979, S. 9 ff.) sehen die wirtschaftliche Selbststandigkeit und die reale (nicht nur formale) MQglichkeit zum Austritt aus der Zusammenarbeit sogar als konstitutive Merkmale von vertikalen Marketingsystemen an (Thies 1976, S. 49 ff.; Tietz/Mathieu 1979, S. 9 ff.; Stuke 1974, S. 22). Durch diese enge Sichtweise werden aber die durch Eigentumsrechte abgesicherten Distributionssysteme, bspw. eigene Tochtergesellschaften, im Rahmen des vertikalen Marketing nicht erfasst (Kunkel 1977, S. 22). Die (haufig fehlende) reale Moglichkeit zum Austritt, wie sie bspw. in der Beziehung zu grossen Handelspartnem durch Machtungleichgewichte besteht, bleibt unbeachtet (Kunkel 1977, S. 22 f.). Auch die De-facto-UnabhSngigkeit bzw. grosse Macht, die auch Filialuntemehmen und auslandische Vertriebsgesellschaften haufig besitzen.
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Kapitel 2
wird nicht beriicksichtigt, obwohl sie nach Weinhold-Stunzi (1986, S. 1) massgeblich ist, nm von vertikalem Marketing zu sprechen. Kunkel (1977, S. 23) definiert vertikales Marketing deshalb als „eine auf mehrere Marktstufen zielende absatzfbrdemde Strategie und deren taktische Ausgestaltung durch eine Untemehmung wie auch durch mehrere Untemehmungen". Das Bemtihen um eine weitgehende Koordination der Marketing- und Vertriebsaktivitaten und der jeweils erbrachten Teilleistungen der am Absatzprozess Beteiligten (Kunkel 1977, S. 21) muss sich denmach auf alle Vertriebspartner beziehen, sowohl auf eigene Vertriebsgesellschaften als auch auf selbststSndige Vertretungen. Tabelle 2-2 fasst anhand ausgewahlter Publikationen den Adressatenbereich des vertikalen Marketing zusammen. Quelle
Genannte Adressaten im urspriinglichen Wortlaut
Belzl989, S. 571 Irrgang 1989, S. 12 Schneider 1989, S.91 Weinhold-Stunzi 1986, S. 1
Vertikal beteiligte Produktions- und Handelsstufen
Einbezogene Adressaten Exteme Interne
Der Absatzmittlerbereich Marktpartner im Distributionskanal
Vorgelagerte Stufen beim Vermarkten von Giitem und Dienstleistungen an Abnehmer uber Zwischenstufen (Gross- und Einzelhandel) Kunkel 1977, Andere Marktstufen und deren Ausgestaltung S.23 durch eine Untemehmung wie auch durch mehrere Untemehmimgen Thiesl976, Ein wirtschafllich selbststSndig bleibendes UnterS. 52 nehmen auf einer anderen Wirtschaftsstufe # = vollstgndig einbezogen, 0 = nicht einbezogen, €) = teilweise einbezogen Tabelle 2-2: Einbeziehung intemer und extemer Adressaten im vertikalen Marketing
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c •
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Fazit: Internes und vertikales Marketing im Vertriebssystem kombinieren Zusammenfassend iSsst sich feststellen, dass sich internes Marketing hauptsachlich auf organisationsinteme Adressaten, vertikales Marketing hingegen auf (exteme) Handelsstufen bezieht. Abbildung 2-6 zeigt die Bereiche, in denen das interne und vertikale Marketing BeitrSge zur Erklanmg und Gestaltung von Vertriebssystemen leisten. Wahrend Typ A eine reine herstellereigene Organisation darstellt, und deshalb in den Geltungsbereich des intemen Marketing fallt, beschreibt Typ B das Verhaltnis zwischen Hersteller und extemen Distributionspartnem. Hierbei sind Aspekte des vertikalen Marketing zu beachten. Typ C zeigt vereinfachend eine im intemationalen Industriegiitervertrieb haufig anzutreffende Mischform, bei der internes und vertikales Mar-
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Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
keting auf den verschiedenen Stufen bis zum Kimdenimtemehmen ineinander greifen miissen. Belz/Reinhold (1999a, S. 38) fordem, alle Stufen bis zum Kunden aufeinander abzustimmen, damit die Kundenorientierung vom Hersteller bis zum Kundenuntemehmen luckenlos wird (Belz/Reinhold 1999a, S. 38; Belz 1994, S. 22).
Vertriebssystem
TypA
TypB
^
Type
^
Kunden; untemehmen I
^
Kunden• untemehmen 1
Kunden; untemehmen j
' Internes Marketing Vertikales Marketing
Abbildung 2-6:
Internes und vertikales Marketing im Vertriebssystem des Herstellers (In Anlehnung an Belz/Reinhold 1999a, S. 97)
Dies unterstreicht die notwendige Verzahnung von intemem und vertikalem Marketing. Eine Abstimmung soUte vorgenommen werden, unabhangig davon, ob die Systemmitglieder organisationsintem sind oder nicht (Belz/Reinhold 1999a, S. 38; Schiitz 1993, S. 194; Stauss/Schulze 1990, S. 155; Weinhold-Stunzi 1986, S. 1; Kunkel 1977, S. 23). Wichtigstes Ziel ist es, dass alle Mitglieder des Vertriebssystems die Unterstutzung bekommen, die sie benotigen, um ihre Aufgaben - insbesondere Aufgaben im Kundenkontakt - zu erfuUen. (Lings 1999, S. 453; Barrett 1994, S. 31) Die Massnahmen im Rahmen einer solchen Kundenorientierung mtissen fiir Tochtergesellschaflen ggf. anders ausgestahet sein als fiir selbststandige Vertretungen. Herstellereigene und fremde Vertriebspartner werden dabei zu wichtigen Kundengruppen der Zentrale (Belz 1994, S. 22).
2.3.2 Zufnedenheits- und Konfliktforschung in Distributionskanalen Die verhaltenswissenschaftliche Marketingforschung beschaftigt sich bereits seit den 1950er Jahren (z. B. Mack/Snyder 1957) mit Zufriedenheit und Konflikten in Distributionskanalen. In etlichen Partialuntersuchungen (z. B. Boyle/Dwyer 1995; Frazier /Rody 1991; Gaski/Nevin 1985; Kale 1986; Lusch 1976) sind Teilaspekte der vertikalen Distributionsbeziehungen untersucht und bereits in verschiedenen Metaforschun-
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Kapitel 2
gen zusammengefasst worden (Steffenhagen 1987, S. 551; s. Geyskens et al. 1999; Gaski 1984; Pondy 1989; Pondy 1967). AUein zwischen 1970 und 1996 wurden 71 empirische Studien zur Zufiiedenheit in Vertriebskanaien durchgefUhrt, deren Ergebnisse in fiihrenden amerikanischen Marketingjoumalen verSffentlicht
wurden
(Geyskens et al. 1999, S. 223). Diese Arbeiten beschSfligen sich mit der Frage nach dem Zustandekommen der Einstellung von Vertriebsmitarbeitem sowie ob und welchen Einfluss psychische Faktoren auf das Verhalten der Mitarbeiter, die Arbeitsleistung und damit auf den Untemehmenserfolg haben (Kieser/Walgenbach 2003, S. 37). Die Zufiiedenheit von Mitgliedem des Vertriebssystems steht im Mittelpunkt vieler wissenschaftlicher Untersuchungen (z. B. Ping Jr. 2003; Geyskens et al. 1999; Brown/Peterson 1994; Schul et al. 1985; Dwyer 1980; Rosenberg/Stem 1971) und ist beziiglich ihrer Position in der Kausalkette umstritten (s. Michie/Sibley 1985; Schwab/Cummings 1970). Geyskens et al. (1999, S. 224) definieren die „Channel Member Satisfaction" als emotionalen Zustand, der aus der Beurteilung sSmtlicher Aspekte der Zusammenarbeit mit dem Herstelleruntemehmen resultiert (Frazier et al. 1989; Gaski/Nevin 1985). Hierbei k5nnen drei wesentliche Perspektiven zur RoUe der Zufiiedenheit unterschieden werden: 1. die Sicht, dass eine hohe Zufiiedenheit von Mitarbeitem deren Leistung und Erfolg erh5hen (s. Schwab/Cummings 1970, S. 410; Herzberg 1968, S. 53 ff.), 2. die Sicht, dass hohe Leistungen und Erfolge von Mitarbeitem zur Zufiiedenheit beitragen (s. Lawler Ill/Porter 1967; Schwab/Cummings 1970, S. 417 ff.), 3. die integrierende Sicht, dass die Beziehungen zwischen Zufiiedenheit, Leistung und Erfolg wechselseitig sind (s. Michie/Sibley 1985, S. 189; Robicheaux/El-Ansary 1975, S. 25) imd durch verschiedene weitere Variablen beeinflusst werden (s. Schul et al. 1985; Ping Jr. 2003; Dwyer 1980). Nach der zuletzt genannten Sichtweise erzeugt eine hohe Zufiiedenheit, die durch weitere Einstellungsvariablen wie z. B. das Vertrauen zum Hersteller, die Verbundenheit und das Konfliktniveau moderiert wird, eine hohere Leistung der Mitarbeiter, die je nach Fahigkeiten und Charakter wiederum zu hSheren Untemehmenserfolgen fiihrt. Durch intrinsische und extrinsische (z. B. variables Gehalt) Belohnungen wirkt sich eine Zielerreichung wiederum auf die Zufiiedenheit aus (s. Abbildung 2-7).
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Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
.—' ^^-i
lelohnungeji
Konflikte Vertrauen
Leistung
Markterfolg
Verhalten
Erfolg
Verbundenheit
1 Einstellung
Abbildung 2-7:
Beziehungen von Einstellung, Verhalten und Erfolg von Vertriebsmitarbeitem
Ein Grossteil der wissenschaftlichen Studien betrachtet nicht die gesamte in Abbildung 2-7 dargestellte Wirkungskette, sondem fokussiert die Zusammenhange zwischen verschiedenen Einstellungsvariablen (s. Andaleeb 1996; Anderson/Nams 1990; Geyskens et al. 1996) und deren Abhangigkeiten von moderierenden Rahmenbedingungen (s. Wood 2001; Ping Jr. 2003; Goodman/Dion 2001). Neben der Zufriedenheit wurden dabei insbesondere Konflikte in Vertriebskanalen untersucht. Konflikte konnen sowohl Ursache als auch Konsequenz von Unzufriedenheit sein (Geyskens et al. 1999, S. 224). Konflikte stellen eine Situation der Spannung, Frustration und Unstimmigkeit in einer Vertriebsbeziehung dar (Anderson/Narus 1990, S. 65 f.), in der mindestens einer der Interaktionspartner wahmimmt, dass die andere Partei ihn davon abhalt oder daran hindert, seine Ziele zu erreichen (Gaski/Nevin 1985, S. 131 f.; Steffenhagen 1975, S. 23 f.). Sachliche Konflikte sind durchaus gewollt, da sie neue Ideen fordem, Klarheit schaffen und die Basis fur Veranderungen darstellen (Schogel 1997, S. 92). Sie konnen jedoch leicht in Konflikte zwischen Personen umschlagen (Kieser/Walgenbach 2003, S. 155). Bis zu einem bestimmten Niveau scheinen Konflikte keinen wesentlichen Einfluss auf die Effizienz des Vertriebssystems zu nehmen. Rosenbloom (1973, S. 29) betont die effizienzsteigemde Wirkung, die von einem „konstruktiven" Konfliktniveau ausgehen kann. Er weist jedoch darauf hin, dass Konflikte ab einem bestimmten Niveau die Effizienz des Vertriebssystems mindem konnen und eine emsthafte Gefahr fiir die Zusammenarbeit darstellen (Rosenbloom 1973, S. 27 f.). Fur detaillierte Ausfiihrungen zu einzelnen Konflikttypen und -verlaufen, die in der Konfliktforschung untersucht wurden, sei an
Kapitel 2
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dieser Stelle auf Steffenhagen (1975, S. 24 ff.; 1987, S. 555 ff.), Pondy (1967, S. 298 ff.), Etgar (1979) und Lusch (1976, S. 383 f.) verwiesen. Abbildung 2-8 zeigt den von Rosenbloom (1973) unterstellten Znsammenhang.
EfRzienzdM Vmrtricbssystems
niedrig
Konfliktnivsau
Abbildung 2-8:
Zusammenhang zwischen Konfliktniveau und Effizienz des Vertriebssystems (In Anlehnung an Rosenbloom 1973, S. 29)
Viele der BeitrSge zur Konflikt- und Zufiiedenheitsforschung in Vertriebskanalen beschaftigen sich mit der Bestimmung und ErklSrung der Ursachen sowie der Determinanten, Entwicklungsstufen und der StSrke von Konflikten. Sie geben jedoch nur wenige Hinweise, wie Konflikten im Vorfeld begegnet, wie die Zufriedenheit erfasst oder wie bestehende Konflikte gelGst werden konnen, um die Zusammenarbeit zu verbessem (anders s. Henderson 1971; Dant/Schul 1992; Steffenhagen 1975, S. 129 ff.; Dant/Schul 1992). Auch geben empirische Studien kaum Hinweise darauf, welche Auswirkungen Zufriedenheit, Konflikte xmd andere Einstellungsvariablen auf das Verhalten von Mitarbeitem und auf betriebliche Erfolgsgrossen haben (Meinig/HeB 1992; anders s. Meffert et al. 1996). Zudem sind die erklSrenden Aussagen, die im Rahmen der Konfliktforschung getroffen werden, meist auf einem abstrakten Betrachtungsniveau. So konnen konkrete vertriebsspezifische Hinweise nur schwer abgeleitet werden (anders s. Diez et al. 2000; Meinig/HeB 1992; Meffert et al. 1996; Saatkamp 2002). Einen fur die vorliegende Arbeit besonders wertvoUen Impuls geben die Arbeiten von Diez et al. (2000), Meinig/HeB (1992), Meffert et al. (1996), Kale (1986) und Anderson/Narus (1984; 1990). Die ersten drei (Diez et al. 2000; Meinig/HeB 1992;
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
29
Meffert et al. 1996) untersuchten die Zufriedenheit von (herstellerfremden) vertraglichen Automobilhandlem in der Beziehung zu ihren Herstelleruntemehmen. Die Handlerzufiiedenheit wird im Rahmen des so genannten „Dealer Satisfaction Check" an der Forschungsstelle fur Automobilwirtschaft (FAW) in Bamberg (Deutschland) jahrlich erhoben. Hierdurch erhalten Automobilhersteller Hinweise auf Optimierungspotenziale und Handlungsempfehlungen fur die Gestaltung der Zusammenarbeit und die Steuerung der Vertriebspartner (Diez et al. 2000, S. 167). Im Industriegtiterbereich, insbesondere fiir herstellereigene Vertriebsgesellschaften sind dem Autor bislang keine vergleichbaren Untersuchungen bekannt. Die Arbeiten von Kale (1986) und Anderson/Narus (1984; 1990) greifen ebenfalls die Perspektive eines unabhangigen Handlers auf und versuchen, dessen Zufiiedenheit, Macht und Einflussstrategien in der Beziehung mit dem Hersteller zu erklaren. Hierbei gibt die von den Autoren gewShhe „Upstream"-Perspektive for die Problemstellung der vorliegenden Arbeit wichtige Anregungen.
2.3.3 Organisationale und personelle Interaktionsansatze Die Industrial Marketing and Purchasing Group (IMP Group) hat in den fruhen 1980er Jahren erstmals ihren Interaktionsansatz vorgestellt (s. Hakansson 1982). Dieser erlaubt es, die Interaktionen von Marktbeteiligten in ihrem sozialen Gruppengefuge und ihrer Umwelt zu analysieren (Backhaus 2003, S. 134). Das allgemeine Interaktionsmodell (s. Abbildung 2-9), bei dem sich die IMP Group an die Interorganisations- sowie an die Neue Institutionentheorie anlehnt, basiert auf vier Variablengruppen (Hakansson 1982, S. 14 f): „Akteure der Interaktion" sind die beiden einbezogenen Parteien, aufgefasst als Organisationen und Personen. „Elemente imd Prozesse" beziehen sich auf Austauschobjekte und Ablaufe der Interaktion. „Interaktionsumwelt" beschreibt die UmweU, in der die Interaktion stattfmdet. „Atmosphare" steht fiir die sozialen Aspekte, durch welche die Interaktion beeinflusst wird und die selbst die Interaktion beeinflussen. Der Ansatz untersucht dabei nicht nur die einzelnen Gruppen von Variablen, sondem auch die Beziehungen zwischen diesen Gruppen (Hakansson 1982, S. 15). Der Interaktionsansatz bezieht sich in seiner ursprunglichen Form auf eine KauferVerkaufer Dyade und damit auf das interorganisationale Zusammenspiel zweier rechtlich unabhangiger Untemehmen (Hakansson 1982, S. 14; Backhaus 2003, S. 134 f.). Es sind bis heute zahlreiche Interaktionsstudien durchgefiihrt worden, die i. d. R. nur gewisse Teilaspekte der komplexen Austauschprozesse analysieren (Backhaus 2003,
30
Kapitel 2
S. 135; Backhaus/Buschken 1997). Auf dem IMP-Modell basierende Studien, in denen die intra-organisationale Interaktion eines Industriegtiterherstellers mit einer auslSndischen Vertriebsgesellschaft untersucht wird, gibt es bisher nur sehr wenige (s. Fairhead/Griffin 2001; Solberg 2000). Lingenfelder/Rudolph (1990), Rosson (1990) und Ford/Rosson (1982) betrachten Interaktionsparteien auf einer spSten Stufe der Wertschopfungskette: Lingenfelder/Rudolph untersuchen die Interaktionsbeziehung zwischen
Hersteller-
und
Handelsuntemehmen,
wShrend
sich
Rosson
und
Ford/Rosson mit der Beziehung zwischen Industriegilterherstellem und ihren auslandischen Distributoren beschaftigen.
Abteilungen
Abbildung 2-9:
Interaktionsansatz und wesentliche Elemente (Hakansson 1982, S. 15)
Ftir eine Untersuchung der Zusammenarbeit zwischen Industrieguterherstellem und deren direkten und indirekten Vertriebspaitnem leistet der Interaktionsansatz eine nutzliche Strukturierungshilfe. Das Modell muss dazu im Hinblick auf das Untersuchungsziel angepasst und um konkrete Elemente, bspw. um konkrete Zusammenarbeitsprozesse ergSnzt werden. Ftir die Zusammenarbeit zwischen Vertriebspartner und Hersteller scheint eine dyadisch-organisationale Betrachtung geeignet: Es sind zwei Parteien beteiligt (Renz 1998, S.213), bei denen nicht nur die Individuen mit ihren Personlichkeiten, Motivationen und Erfahrungen betrachtet werden soUen, sondem auch die Abstimmungsprobleme innerhalb der einzelnen Organisationseinheiten, die von Grosse, Struktur und Strategic abhangen konnen (Renz 1998, S. 216). (Backhaus 2003, S. 135 f.; Lingenfelder/Rudolph 1990, S. 11 f )
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
31
2.3.4 Internationales Vertriebs- und Marketingmanagement In der Forschimg zum intemationalen Management dominiert seit langem die Fokussierung von Herstelleruntemehmen, resp. „Headquarters" und die Argumentation aus Perspektive des Top-Managements. Eine Metauntersuchung, die Li/Cavusgil (1995) ver5ffentlicht haben, scheint dies zu belegen: Samtliche identifizierte ResearchKlassen, bspw. „Intemationalization Process Perspective", „Intemational Marketing Management" oder „Market Globalization Perspectives" wurden aus dem Blickwinkel des Herstelleruntemehmens formuliert und erlSutert (Li/Cavusgil 1995, S. 253 f.). Stewart (1995) und Gupta/Govindarajan (1994; 1991), die quantitativ-empirische Studien zu den Rollen von Tochtergesellschaften erstellt haben, stellen die Berechtigung einer Dominanz dieser Perspektive in Frage: „...if researchers' intent is to understand strategic processes within MNCs, the focussing only on corporate „ induced'' (i.e. centrally managed) processes would run the risk of overlooking important and directly relevant phenomena. Further, it would seem, that the study of autonomous processes would need to be conductedfirstat the level of the subsidiary and only secondarily at the level of the parent corporation. " (Gupta/Go vindaraj an 1994, S. 455)^ Renz (1998, S. 78) hebt hervor, dass zwischen dem Herstelleruntemehmen und dem Kunden ein grundsatzliches Wettbewerbsverhaitnis um die KontroUe eines Vertriebspartners besteht. Diese Problematik wird auch in den Untersuchungen von Williamson (1991; 1975) aufgegriffen, der die Vertriebspartner im Spannungsfeld „zwischen Markt und Hierarchic" einordnet. Eine Untersuchung von Andersson/Forsgren (1996, S. 504) zeigt, dass der Grad der sozialen Verwurzelung einer Vertriebstochter im Markt haufig grosser ist als intern zur Mutter. Tochtergesellschaften empfinden deshalb die Kontrolle durch den Kunden hSufig starker als die Kontrolle durch das Headquarters. Fiir das intemationale Vertriebs- und Marketingmanagement ergibt sich hieraus eine folgenschwere Konsequenz. Multinationale Untemehmen werden insgesamt starker durch die extemen Beziehungen der Vertriebspartner bestimmt, als durch Massnahmen des Headquarters (Renz 1998, S. 79). Belz/Reinhold (1999a, S. 23, S. 221), Renz (1998, S. 79) und Stewart (1995) fordem deshalb, dass sich die Forschung „verstarkt auf Tochtergesellschaften fokussieren und aus deren Sicht argumentieren sollte" (Renz 1998, S. 79).
Die im Zitat erwahnten „autonomen Prozesse auf Ebene der Tochtergesellschaft" konnen, wenn man der Argumentation der Autoren folgt, nur als autonom im Sinne von „unabhangig vom Headquarters" interpretiert werden.
32
Kapitel 2
Diese Forderung hatte zwar schon bevor sie erhoben wurde, namlich vor allem seit Beginn der 1990er Jahre, in der Forschung zumindest teilweise Beriicksichtigung gefunden. Insbesondere schwedisch-norwegische Forscherteams um Anderson/Forsgren, Holm und Birkinshaw haben Markt- iind Verhandlungsstrategien, Machtgrundlagen und Rollen von Tochtergesellschaften untersucht (s. Andersson/Forsgren 1996; Astley /Zajac 1990; Birkinshaw 1996; Birkinshaw/Fry 1999; Birkinshaw et al. 2000; Birkinshaw/Ridderstrale 1999; Forsgren et al. 1999; Holm/Person 2000; Jarillo /Martinez 1990; Mudambi 1999; PoynterAVhite 1985; Roth/Morrison 1992; Taggart 1996). Bei vielen Untersuchungen, bspw. beim „Centres of Excellence Project" werden jedoch nahezu ausschliesslich Produktions- und F&E-Beziehungen mit der Zentrale (s. Holm/Person 2000; Gupta/Govindarajan 1991; Szulanski 1996), haufig auch deren Bedeutung innerhalb eines Netzwerkes (s. Pahlberg 2000; Forsgren et al. 1997) angesprochen. Die Vertriebsfunktion und deren AktivitSten werden hingegen bisher weitgehend vemachiassigt. Die schwedisch-norwegischen Ans^tze entwickeln auch Handlungsempfehlungen fur Tochtergesellschaften, bspw. MQglichkeiten der Einflussnahme und des Aufbaus von Machtpositionen (s. D'Cruz 1986; Etemad/Dulude 1986; Birkinshaw 1994; Andersson/Forsgren 1996). Es werden aber keine Handlungsempfehlungen ftir die Zentrale gegeben, wie sie die Anforderungen der Vertriebspartner erfassen und berticksichtigen kSnnte. Diese LUcke soil durch die vorliegende Arbeit geschlossen werden.
2.3.5 Zwischenfazit: Zusammenfassung und Einordnung In den AbsStzen 2.3.1 (S. 20) bis 2.3.4 (S. 31 ff.) wurden vier benachbarte Forschungsgebiete dargestellt, die durch ihre unterschiedliche Perspektive einen Beitrag zur Durchdringung des vorliegenden Forschungsproblems leisten. Die vier Perspektiven sind dabei komplementSrer Natur. Dies soil noch einmal durch eine zusammenfassende Darstellung verdeutlicht werden. Abbildung 2-10 (S. 33) zeigt die ForschungsIticke dieser Arbeit im Kontext der benachbarten Forschungsgebiete. Die konzeptionellen Perspektiven des intemen und vertikalen Marketing fassen das Vertriebssystem und seine Mitglieder als „inteme Kunden" der iibergeordneten Instanzen auf (Rafiq/Ahmed 2000, S. 450 ff.; Stauss/Schulze 1990, S. 150). Abteilungen und Vorgesetzte werden damit zu „intemen Dienstleistem" (Hauser et al. 1996, S. 268 ff). Damit betont die Perspektive, dass eine Ausrichtung an den intemen Bediirfiiissen der Organisationsmitglieder die Implementierung der Marketingstrategien begiinstigt. Zur Theorie des intemen und vertikalen Marketing liegen nur wenige empirische Ergeb-
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
33
nisse vor (s. Conduit/Mavondo 2001; Foreman/Money 1995). Jedoch bietet sie einen ausgereiften konzeptionellen Rahmen fur die Orientierung an Vertriebspartnem. Diese Orientierung wird in dieser Arbeit als Grundhaltung eingenommen (s. Gronroos 1985, S. 66) und wird stets explizit oder implizit beriicksichtigt.
Internes und vertlkales Marketing
Internationales Vertriebsund Marketingmanagement
tm ^ ^^
ForschungsIQcke
^B ^^
Zufriedenheits- und Konfliktforschung
interaktionsansatz
Abbildung 2-10: Die Forschimgslticke zwischen benachbarten Forschungsgebieten
Die Zufriedenheits- und Konfliktforschung in Distributionskanalen ist insbesondere von der amerikanischen Forschungsgemeinschaft aufgegriffen und entschieden vorangetrieben worden (s. Mack/Snyder 1957; Rosenbloom 1973; Ping Jr. 2003). Dabei wurden tiber Jahrzehnte unz^hlige empirische Arbeiten verfasst, die sich mit der Messung der verschiedenen Einstellungsvariablen wie z. B. Zufriedenheit, Vertrauen und Verbundenheit sowie deren Beziehungen untereinander beschaftigen (s. Geyskens et al. 1999, S. 224). Entscheidende Beitrage dieses Forschungsgebietes liegen deshalb in der Bereitstellung von Messmodellen und den Ergebnissen der empirischen Tests von verhaltenswissenschaftlichen Theorien zu Beziehungen in Distributionskanalen. Der Interaktionsansatz leistet einen konzeptionellen Beitrag zur Schliessung der Forschungsliicke. Der Interaktionsansatz in seiner ursprunglichen Form (s. Hakansson 1982) sowie seine zahkeichen Weiterentwicklungen (s. Backhaus/Biischken 1997) liefem einen Bezugsrahmen, der die Interaktion zwischen zwei Organisationseinheiten und deren Elemente erfasst und systematisiert. Zwar liegen inzwischen einige empirische Untersuchungen vor, die am Interaktionsansatz ankniipfen (s. Walter 2003; Biong/Selnes 1995). Die vorliegende Arbeit bedient sich jedoch in erster Linie der konzeptionellen Strukturierungsleistung in Bezug auf die organisationale Interaktion. Die Forschung zum intemationalen Vertriebs- und Marketingmanagement beschaftigt sich mit den Determinanten, Aufgaben und HandlungsmSglichkeiten der zentralen
34
Kapitel 2
Organisationseinheiten der Marktorganisation. Auf diesem Forschungsgebiet wurden seit einigen Jahrzehnten konzeptionelle iind empirische Arbeiten zu intemationalen Marktselektions-, Markterschliessungs- und Marktbearbeitimgsstrategien imd deren Determinanten entwickelt (s. Belz/Reinhold 1999a, S. 29 f.; Kutschker/Schmid 2002, S. 238 ff.). Wenn in dieser Arbeit eine dezentrale Perspektive zum Vertriebsmanagement eingenommen wird, sind die Erkenntnisse und Strukturierungsleistungen des Forschungsgebietes deshalb ebenso bedeutend wie bei der Konzeption von Handlimgsempfehlungen zur Beriicksichtigung dieser Perspektive. So bieten z. B. Arbeiten zur Bedeutung von Kultur, rechtlichen Rahmenbedingungen, Fiihnmgsstilen oder Instmmenten des intemationalen Managements (s. Hofstede 1983; Achrol 1991; Jaworski 1988; Welge 2003) eine breite Grundlage zur Entwicklung von Implikationen fiir die Koordination und Untersttitzung der Zusammenarbeit zwischen Hersteller und Vertriebspartner. Die theoretischen Bezugspunkte zu den benachbarten Forschungsgebieten liefem damit sowohl bei der Konzeption eines Bezugsrahmens als auch bei der Messung und Interpretation von Ergebnissen sowie bei der Entwicklung von Handlungsimplikationen wichtige BeitrSge. In Bezug auf alle drei Forschungsfragen geben sie wichtige Einsichten und beeinflussen das Vorgehen bei der Suche nach Antworten und damit die Forschungsergebnisse wesentlich. Sie sind daher fur diese Arbeit von gnmdlegender Bedeutung.
2.4 Ergdnzende Methoden im Forschungsprozess 2.4.1 Stufenweise Kombination qualitative! und quantitative! Methoden "Questions before methods!" fordert Punch (2000, S. 17, 30) und bringt damit zum Ausdruck, dass sich die Wahl und der Einsatz von Forschungsmethoden an den inhaltlichen Fragestellungen orientieren mUssen, die der Forscher zu beantworten versucht (s. auch: Downey/Ireland 1979, S. 630). Der Forschungsprozess im Rahmen der vorliegenden Arbeit muss also zunachst darauf gerichtet sein, die Forschimgsfragen mSglichst prazise und vollstandig zu erfassen und zu formulieren. Ausgangspunkt war im MSrz 2002 deshalb zunachst eine inhaltliche Vertiefimg, die auf die Industriegiiterbranche und den intemationalen Vertrieb fokussiert war (s. Abbildung 2-11; „I"). Auf Basis einer Analyse deutsch- und englischsprachiger Literatur zum Thema sowie Dokumentenanalysen (z. B. Geschaftsberichtsanalysen; „IIa") und kontinuierlich durchgefUhrter Einzelinterviews („IIb", „IH") konnten Forschungsfragen („IV") identifiziert und Bearbeitungsschwerpunkte festgelegt wer-
35
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
den, um ein Forschungskonzept („V") zu entwickeln, das die weitere Vorgehensweise bestimmt (s. Absatz 2.4.2.1, S. 37).
J
Literatur- und Dokumentenanalyse
InhaltlicheVertiefung: IndustrJegQterbranche und internationaler Vertrieb
Schwerpunkte und Forschungskonzept
3E Identifikation von Forschungsfragen
II
Quantitativ-empirische Via Studie: • Standardisierte, schriftliche Befragung • Befragte: Vertriebspartner von Schweizer Herstellern in Europa
Vib
• Deskriptive, explorative und konfirmatorische Verfahren der Oatenanalyse
11
II QuaHtativ-emplrische yj,3 Studlen:
Explorativa Studie: • Interviews mit Vertriebspartnern • Interviews mit Vertriebsverantwortlichen aus der Zentrale
Analyse und Interpretation
Vllb
• Fallstudien in der intemationalen Vertriebsorganisation von BASF, Gallus Ferd. RQesch, Leica Microsystems, Nanosurf
Analyse und Interpretation
* Qualitative und quantitative Analysen • Diskussion der Interpretationen mit Vertretern der Untemehmen
Austausch mit Praktikem: Diskussion von Zwischenergebnissen
Abbildung 2-11: Forschungsprozess und eingesetzte Methoden
Um der Komplexitat der Beziehungen zwischen Herstellern und Vertriebspartnern gerecht zu werden, wird eine Kombination verschiedener quantitativer und qualitativer empirischer Methoden („VIa", „VIIa") angewandt (s. Jick 1979, S. 602; Aaker et al. 2001, S. 212 f.). Eine quantitativ-empirische Untersuchung („VIa") liefert einen unternehmenstibergreifenden Uberblick, zeigt Schwerpunkte und bildet die Basis, um sich mit statistischen Verfahren der Problemstellung zu nahem (Aaker et al. 2001, S. 213; s. Absatz 2.4.2.2, S. 39). Die qualitativen Untersuchungen („VIIa") hingegen dienen der tiefen inhaltlichen Durchdringung, die auf der Betrachtung des Einzelfalles beruht (s. Jick 1979, S. 603 f.; Belz 1993, S. 5; s. Absatz 2.4.2.3, S. 46). Aus der kritischen Reflexion und dem Vergleich von Ergebnissen quantitativer und qualitativer Teiluntersuchungen („VIb", „VIIb") konnen weitere wichtige Erkenntnisse gewonnen werden. Die „Triangulation" als Kombination von verschiedenen Methoden kann es zum einen ermoglichen, tiefer in das untersuchte Phanomen einzudringen, neue Dimensionen zu identifizieren und eine umfassendere, ganzheitlichere Erkiarung zu liefem (Jick 1979, S. 604; Bonoma 1985, S. 204; Downey/Ireland 1979, S. 630). Zum anderen kann der Einfluss einzelner Methoden auf das Untersuchungsergebnis herausgestellt werden (Jick 1979, S. 602). Jick (1979, S. 602) fordert deshalb, Transparenz iiber das methodische Vorgehen zu schaffen und geniigend Details zu den einzelnen Instrumenten zu liefem. Dem soil in dieser Arbeit Folge geleistet werden.
36
Kapitel 2
Die Forschungsfragen im Rahmen dieser Arbeit umfassen nicht allein beschreibende und erklarende Elemente, sondem sind ebenso auf die Ableitung von Handlungsempfehlimgen gerichtet (s. Abschnitt 1.3). Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, Ergebnisse kontinuierlich in GesprSchen mit Praktikem zu diskutieren, um mogliche Losungen abzuleiten. Abbildung 2-11 (S. 35) zeigt die Elemente des Forschungsprozesses und deren zeitliche Abfolge. In dieser Arbeit werden, wie bereits weiter oben erwahnt, fortlaufend Ergebnisse der verschiedenen qualitativen und quantitativen Teiluntersuchungen eingearbeitet. Um die von Jick (1979, S. 602) geforderte Transparenz herzustellen und eine eindeutige Zuruckfuhrung von Forschungsergebnissen auf die einzelnen Teiluntersuchungen zu erleichtem, werden die Teiluntersuchungen bereits an dieser Stelle tiberblicksartig vorweg gestellt und benannt (s. Tabelle 2-3). Inhaltliche Details zu den einzelnen Teiluntersuchungen und ihre Einordnung in die Phasen des Forschungsprozesses fmden sich im folgenden Absatz 2.4.2 (S. 37 ff.). Name der TeUstudie „Explorative Interviews" „Geschaftsberichtsanalyse I" „Geschaftsberichtsanalyse 11"
Weitere Informationen Absatz 2.4.2.1, S. 37 ff.; AnhangA,S.348ff. Absatz 2.4.2.2, S. 39 f; Abbildung 2-12, S. 41; A n h a n g B - l , S . 351
Phase II und III
Methodik
Erhebungszeitraum
45 teilstrukturierte Einzelinterviews mit Mitarbeitem intemationaler Vertriebsorganisationen
2002 bis 2004
I und Via
Analyse der Geschaftsberichte zum Berichtsjahr 2002
2003
I und Via
Analyse der Geschaftsberichte zum Berichtsjahr 2003
2004
Abbildung 2-2, S. 12
2003
Absatz 2.4.2.2, S. 41
2004
Absatz 2.4.2.2, S. 39 ff.; AnhangF-1,S. 364
2004
Tabelle 2-6, S. 47; AnhangJ,S.376ff
2004
Tabelle 2-6, S. 47
2003
Tabelle 2-7, S. 48; Anhang J, S. 376 ff.
2003
Tabelle 2-7, S. 48
2004
Tabelle 2-7, S. 48; Anhang J, S. 376 ff
! ,J>retest 2003"
Via
„Vertriebsbefragung 2004"
Via
„Befragung Leica I"
vna
jjBefragung Leica 11"
vna
„Befragung Nanosurfl"
Vila
„Befragung Nanosurfll"
Vila
„Befragung Gallus I"
Vila
Standardisierte Befragung der Vertriebspartner eines intemationalen Kunststofflierstellers (n=21), Qualitative Beurteilung durch Expertenteam (n=7) Standardisierte Befragimg europSischer Vertriebspartner Schweizer Industriegiiterhersteller (n=240) Vier teilstrukturierte Einzel- und Gruppeninterviews mit Vertriebs-, GescMftsleitung und Distributoren Standardisierte Befragimg intemationaler Distributoren (n=54) Fttnf teilstrukturierte Einzel- imd Gruppeninterviews mit Vertriebsund Geschaftsleitung Standardisierte Befragung intemationaler Distributoren (n=13) Vier teilstrukturierte Gmppen- und Einzelinterviews mit Marketingund Vertriebsleitung
1
j
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
„Befrag;ung Gallus 11" „Befragung BASF I" ,3efi:agung BASF II" Tabelle 2-3:
37
Standardisierte Befragung intemaTabelle 2-7, S. 48 2004 tionaler Vertriebs- und Serviceeinheiten (n=61) Dreizehn teilstmkturierte EinzelTabelle 2-7, S. 48; 2004 Vila und Gnippeninterviews in der Anhang J, S. 376 ff. europaischen Vertriebsorganisation Sechs Einzel- und GnippeninterTabelle 2-7, S. 48; Vila 2004 views in der regionalen DivisionsAnhang J, S. 376 ff. und Business-Unit-Leitung Qualitative und quantitative Teilerhebungen im Forschungsprozess
Vila
2.4.2 Details zu den Phasen des Forschungsprozesses 2.4.2.1 Exploration und Forschungskonzept als Ausgangspunkte Ausgangspunkt des Dissertationsprojektes war die Kenntnis dariiber, dass die Zusammenarbeit zwischen Industriegiiterherstellem und Vertriebspartnem aus den verschiedenen Blickwinkeln haufig unbefriedigend ist sowie das inhaltliche Interesse des Autors an dieser Problematik. Literatur-, Dokumentenanalysen und Experteninterviews scharften das Verstandnis des Autors in dieser ersten Phase ebenso wie eine erh6he Aufmerksamkeit gegentiber der Tagespresse, bei Wirtschaftsnachrichten und in privaten Unterhaltungen (s. Bonoma 1985, S. 204). In einer explorativen Phase hat der Autor die Zusammenarbeit zwischen Herstellem und Vertriebspartnem verschiedener Industrieguterbranchen aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Beteiligten untersucht. Hierzu wurden 45 teilstrukturierte Interviews (s. Aaker et al. 2001, S. 187 f.; Kepper 2001, S. 165 f.) mit Praktikem geftihrt, die uber Expertenwissen zum intemationalen Vertrieb verftigen (s. Explorative Interviews, Tabelle 2-3, S. 37 und Anhang A, S. 348). Dazu gehoren insbesondere Vertriebsleiter aus der Zentrale und Vertriebsverantwortliche aus Tochtergesellschaften und Vertretungen, so z. B. lokale Geschaflsfuhrer und lokale Vertriebsleiter. Die Interviews wurden in deutscher und englischer Sprache durchgefiihrt (s. Aaker etal. 2001, S. 190). Auf die qualitative Befragung von Mitarbeitem aus Kundenuntemehmen wurde ausdnicklich verzichtet. Der Grund dafur liegt in der Kluft zwischen der Wahmehmung und dem Wissen des Kunden. Denn obwohl der Kunde und dessen Wahmehmung die Bezugspunkte fur samtliche Anstrengungen des Untemehmens darstellen, kennt der Kunde die Griinde fiir eine ungentigende Leistungsqualitat kaum. So kann ein Kunde z. B. zwar wahmehmen, dass ein Liefertermin nicht eingehalten wird. Die Ursachen dessen entziehen sich jedoch meist seiner Beurteilung. Vertriebspartner unterstreichen.
38
Kapitel 2
dass sie auf keinen Fall interne Konflikte gegentiber dem Kunden durchscheinen lassen, da hierdurch das Vertrauen des Kunden in ihre Kompetenz und die Professionalitat des Anbieters leiden wiirde (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). Um die Auswirkungen der Qualitat der Zusammenarbeit auf die Leistung am Markt zu untersuchen, war daher die Befragung von Vertriebspartnem und Herstellem einer Kundenbefragung vorzuziehen. Den Interviewten wurde jeweils einige Tage vor dem Gesprach zur Vorbereitung ein Gesprachsleitfaden zugeschickt. Die Gesprache wurden pers6nlich oder telefonisch geftihrt. Jeweils wenige Tage danach erhielten die Befragten ein GesprachsprotokoU zugesandt. Samtliche Interviewinhalte, die in diese Arbeit einbezogen wurden, beziehen sich auf die von den Gesprachspartnem korrigierten und erganzten Protokolle. Bei einigen Untemehmen gelang eine dyadische Betrachtung der Zusammenarbeit durch die Befragung von Mitgliedem der Zentrale und der Vertriebspartner. Es zeigte sich jedoch, dass die Auskunftsfreudigkeit bei den Vertriebspartnem dabei geringer ausfiel, als bei Befragungen unabhSngiger Gesprachspartner. Tabelle 2-4 zeigt Fragenkreise (s. Belz 1989, S. 526) der explorativen Einzelinterviews. 1. Bedeutung des intemationalen Vertriebs Inhalte: Umsatzbedeutung, Wachstum, LanderprSsenz, Erfahnmgen, Zukunftsplane. 2. Organisatorische Gestaltung des intemationalen Vertriebs Inhalte: Zentrale-dezentrale Aufgabenteilung, Kennzahlen zur Beurteilung intemationaler Vertriebspartner, Unterstutzung und Freiraume durch die Zentrale, erforderiiche Kompetenzen von Vertriebspartnem und Zentrale, Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Vertretungen und Tochtergesellschaften. 3. Probleme und Herausforderungen in der Zusammenarbeit Inhalte: Kritische Themen in der Zusammenarbeit, Ursachen von Unzufriedenheit und Konflikten, Anforderungen der Zentrale und Anfordemngen der Vertriebspartner, Interessenunterschiede, rSumliche Trennung, Ursachen fur die Trennung von Vertriebsbeziehungen. 4.
Konsequenzen einer unbefriedigenden Zusammenarbeit
Inhalte: Bedeutung und Wahraehmung durch den Kunden, inteme Effizienz, inteme Blockaden, Kundenabwanderung und Wettbewerbsnachteile, emotionale Konsequenzen, finanzielle Konsequenzen, Qualitat der Leistung ftlr den Kimden. 5. Lokale Situationen und deren BerQcksichtigung Inhalte: Unterschiede in lokalen Situationen, charakteristische „Typen" von Vertriebspartnem, Unterschiede in benotigtem Support, Fit zwischen Gestaltung der Zentrale und Situation, Subjektivitat der Situationseinschatzung. 6.
Innovative LdsungsvorschlSge zur Verbesserung der Zusammenarbeit
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
39
Inhalte: Zentraler und lokaler Umgang mit Konflikten, Anpassungen der Aufbau- und Prozessorganisation, kultureller Umgang, Fuhrungsprinzipien, Verantwortlichkeiten und Sanktionen, Information und Kommunikation, Mitarbeiterentwicklung und Einstellungspolitik, Programme und Projekte zur Verbessenmg der Zusammenarbeit. Tabelle 2-4:
Fragenkreise bei explorativen Einzelinterviews
Als zentrales Ergebnis der Exploration konnten die in Abschnitt 1.3 (S. 6 ff.) genannten Forschungsfragen konkretisiert werden. Ebenso konnten Strukturierungen vorgenommen (s. Belz 1993, S. 8) und konzeptionelle Schwerpunkte gesetzt werden, wie z. B. die Fokussierung auf den lokalen Blickwinkel. Zur Beantwortung der Forschungsfragen hat der Autor ein Konzept gewahh, das einen an die Exploration anschliessenden, integrierten Einsatz qualitativer und quantitativer Methoden vorsieht (s. Aaker et al. 2001, S. 213). Details zu den eingesetzten Methoden werden in den folgenden Absatzen 2.4.2.2 und 2.4.2.3 erlautert.
2.4.2.2 Quantitativ-empirische Studie ermoglicht Induktion Eine grundsatzliche Entscheidung im Rahmen jeder empirischen Untersuchung stellt die Auswahl einer speziellen Datenerhebungsmethode dar (Flomburg 2000, S. 81). Diese ist wiederum von der Zielsetzung der Untersuchung abhangig. Im Rahmen dieser Arbeit soUen sowohl ZusammenhSnge zwischen verschiedenen Variablen der Zusammenarbeit entdeckt (exploratives Vorgehen) und andererseits vermutete Zusammenhange tiberpriift (konfirmatorisches Vorgehen) werden. Um quantitative Auswertungsverfahren (z. B. die Faktorenanalyse) zur Datenanalyse verwenden zu konnen, bestand die Notwendigkeit, eine grosse Stichprobe zu generieren. Deshalb wurde auf die standardisierte schriftliche Befragung zuruckgegriffen (s. Homburg 2000, S. 81; Vertriebsbefragung 2004, s. Tabelle 2-3, S. 37). Im Folgenden wird das Vorgehen bei Planung, Durchfuhrung und Ergebniskontrolle der Datenerhebung im Rahmen der quantitativ-empirischen Studie detailliert dargesteUt und erlautert.
Stichprohenhildung und Gewinnung von Adressdaten Zur Beantwortung der Forschungsfragen hinsichtlich der lokalen Situation, der Beurteilung der Zusammenarbeit und der Eignung von Massnahmen soUten nicht EntscheidungstrSger aus der Zentrale, sondem die intemationalen Vertriebspartner befragt wer-
40
Kapitel 2
werden. Deshalb schien es vorteilhaft, Schlusselinformanten (,Jcey informants") in der Organisation der Vertriebspaitner zu identifizieren und zu befragen (Homburg 2000, S. 82; Kumar et al. 1993, S. 1634), von denen angenommen werden konnte, dass sie Wissenstrager in Bezug auf die untersuchten Inhalte sind und die Bereitschaft besitzen, ihr Wissen mitzuteilen (Kumar et al. 1993, S. 1634). Fiir die Untersuchung musste also eine Person in der lokalen Organisation des Vertriebspartners gefunden werden, die fur Vertriebsaufgaben verantwortlich und an der Zusammenarbeit mit dem Herstelleruntemehmen insoweit beteiligt ist, dass sie zu deren Beurteilung fahig ist. Das gilt aus Sicht des Autors insbesondere ftir Geschaftsftihrer sowie Vertriebs- und Marketingleiter der lokalen Vertriebsorganisation. Branchenmassig wurde ein Schwerpxmkt auf die Maschinenbau-, Metall- und Elektroindustrie gesetzt, die nach der gSngigen NACE-Klassifizierung der Wirtschaftszweige abgegrenzt wurde und im konkreten Fall die Klassen 27, 28, 29, 31, 34 und 35 beinhaltet (s. Statistisches Bundesamt 2002). Die Information daruber, welche organisatorische Einheit eines Untemehmens als Zentrale fungiert und welche Einheit dezentrale Vertriebsaufgaben tlbemimmt, ist „von aussen" nicht sichtbar und auch in moglichen Adressdatenbanken (z. B. Hoppenstedt, WLW, Schober etc.) und Mitgliedsdatenbanken von BranchenverbSnden nicht verfiigbar. Die M5glichkeit der Konzentration auf emen Landermarkt und der Befragung aller zur Branche gehorigen Vertriebspartner in diesem Landermarkt scheitert also an der ZugSnglichkeit des Adressmaterials. Zur Adressbeschaffung wurde deshalb der Weg tiber die Hersteller gewahlt, der in der Organisationsforschung haufig fUr verwandte Problemstellungen beschritten wird (z. B. Oliver/Anderson 1994; Futrell/Parasuraman 1984; Ruekert/Churchill Jr. 1984). Aufgrund der geografischen und pers5nlichen NShe der Forschungsinstitution bot es sich an, den Fokus auf Schweizer Industriegtiterhersteller zu legen. Dabei wurden durch eine Geschaftsberichtsanalyse die nach ihrem Umsatz im Jahr 2002 grossten zwanzig borsennotierten Industriegiiterhersteller ermitteh und in die Untersuchung einbezogen (s. Abbildung 2-12, S. 41). In einem nachsten Schritt wurden sowohl durch Ansprechpartner, die auf DivisionsEbene in den Herstellenmtemehmen bestanden, als auch durch Internet- und Datenbankrecherchen geeignete Ansprechpartner bei Vertriebspartnem ermittelt. Um die KomplexitSt und den Aufwand weiter zu reduzieren, beschrankt sich die Untersuchung auf europaische Vertriebspartner. Diese Fokussierung bietet sich insofem an, weil die Herstelleruntemehmen den Geschaftsberichten zufolge im Jahr 2002 durchschnittlich 62 Prozent ihres Umsatzes in Europa erzielen und die europaische Ver-
41
Theoretische Bezugspunkte, Forschungsansatz und Methodenmix
triebsregion somit als die mit Abstand bedeutendste gesehen werden kaiin (s. Anhang B - 1, S. 351). Zur europaischen Vertriebsregion zahlen in dieser Arbeit sSmtliche Lander, die auch von den Herstellem zur Region gehSrig behandelt werden, so z. B. auch die Tiirkei und Russland. Insgesamt konnten die Kontaktdaten von r834 Ansprechpartnem in europaischen Vertriebseinheiten ermittelt werden, die als Datengrundlage fiir das weitere Vorgehen dienten (s. Anhang E - 1 , S. 363). Untemehmen
Umsatz^) Mitarbeiter 2002 2002
EBIP) 2002
31'0082)
139'051
6662)
ggi^^B ^BQgH
7*888
40'478
498
3'417
13737
80
im^^B ^gBH Qggm
2'976
12'983
201
2'8343)
9'402
943)
2'490
10760
101
BJI^^B
BBB9H
2-0572)
8'500
2642)
ommi
1'946
9'113
136
1*490
6*544
-6
BgBi^B laBiilHIIIiW
1*481
5*994
34
) in Mio. CHF. 2) Umgerechnet in CHF, Wechselkurs 1.69 CHF =
Untemehmen
BJII^BI iggSBH B3HBH BBBDH BBggigi BOBIH BBgHB IB^BBgi BBHIi Ij^^^gi
UnrisatzD Mitart)eiter 2002 2002
EBITD 2002
1*478
5*062
1*351
6*290
122 54
1*213
3*844
-152
1*067
5*905
74
1*010
3*275
23
1*006
4*544
64
909
2*831
35
790
2*887
-38
756
1*740
32
550
2*034
18
USD, 3) Umgereclinet in CHF, Wechsell .10. *: p < . 1 0 . " : p < .05. *": p < .01
Abbildung 3-4:
Spezifiziertes Modell mit Schatzwerten fUr ausgewShlte Parameter
Die vermuteten direkten Wirkungen der Zufriedenheit mit dem Hersteller auf das Vertrauen, das Konfliktniveau und auf die Verbundenheit mit dem Hersteller wurden deutlich bestatigt. Die Zufriedenheit der Vertriebspartner mit der Zusammenarbeit tragt dazu bei, Konflikte zu vermeiden (H03). Ebenso begiinstigt die Zufriedenheit der Vertriebspartner den Glauben an das WohlwoUen und die Aufrichtigkeit des Herstellers, wodurch sich Vertrauen herausbilden kann (Hoi). Wie sich gezeigt hat, erhohen die Zufriedenheit mit dem Hersteller und das Vertrauen wiederum die Verbundenheit mit dem Hersteller (H02, Ho^). Dabei f^Ut der Effekt des Vertrauens starker aus als der Effekt der Zufriedenheit. Besinnt man sich des langfristigen Charakters, der fiir die Bildung von Vertrauen und Verbundenheit benStigt wird, so wird deutlich, dass eine Steigerung des Vertrauens ein h5heres Gewicht fiir das VerbundenheitsgefUhl erhalten muss als eine Erhohung der auch kurzfristig zustande kommenden Zufriedenheit. Zwischen dem Konfliktniveau und dem Vertrauen konnte kein signifikanter Zusammenhang festgestellt werden (H04). Ebenso ist der zwischen Konfliktniveau und der
Bedeutung der Zufriedenheit intemationaler Vertriebspartner
71
lokalen Verkaufsleistung geschatzte Zusammenhang (H05) nicht signifikant, obwohl in beiden Fallen die Richtung der Wirkung den Vermutungen entspricht. Mogliche ErklSrungen ftir die fehlende Signifikanz der Beziehung zwischen Konfliktniveau imd Verkaufsleistung bietet ggf. die bereits fruher (s. Absatz 2.3.2, S. 25 ff.) dargestellte Vermutung von Rosenbloom (1973, S. 29), dass der Zusammenhang zwischen Konfliktniveau und betrieblichen Erfolgsgrdssen nicht linear ist, sondem ftir unterschiedliche Bereiche der Definitionsmenge ebenso unterschiedliche Verlaufe annehmen kann. Auch werden verschiedene Arten von Konflikten, wie sie in der Literatur teilweise unterschieden werden, in der verwendeten Konzeptualisierung nach Mohr et al. (1996, S. 113) nicht berucksichtigt. Das Schatzergebnis ftir die Wirkungen von Vertrauen auf die lokale Verkaufsleistung erstaunt (H07), da es den Vermutungen, die auf Basis verschiedener Untersuchungen entwickelt wurden sowie einer Plausibilitatsbetrachtung auf den ersten Blick entgegensteht. Nach der hoch signifikanten Schatzung fiihrt das hohere Vertrauen zum Hersteller demnach nicht wie vermutet zu einer besseren, sondem zu einer geringeren Verkaufsleistung. Einen Erklarungsansatz ftir diesen negativen Zusammenhang geben Dahlstrom/Nygaard (1995, S. 352), die in ihrer Untersuchung auf ahnliche Ergebnisse stiessen. Sie ftihren Leistungsverluste auf Ressourcen zuriick, die ftir den Aufbau und die Festigung von Vertrauen benotigt werden (Dahlstrom/Nygaard 1995, S. 345). In Anlehnung an die vom Autor geftihrten Einzelinterviews soUte ein weiterer Erklarungsansatz angeftihrt werden (s. Explorative Interviews, Tabelle 2-3, S. 37). Haufig namlich wird ein gewisses Misstrauen gegentiber dem Hersteller als begtinstigender Faktor ftir den Erfolg gesehen. Bei Gesprachen mit der Zentrale wurde immer wieder daruber berichtet, dass insbesondere erfolgreiche Vertriebspartner sich das Recht erkaufen, nicht alle Massnahmen zu tragen und nicht alle Kompromisse einzugehen. Sollte der Umkehrschluss gelten imd das Misstrauen gegentiber dem Hersteller sowie die daraus folgende freiheitlichere Bestimmung des Vorgehens in den Markten den Erfolg positiv beeinflussen, so ware dies ebenfalls eine Erklanmg ftir das negative Vorzeichen des geschatzten Zusammenhangs. Die Verbundenheit des Vertriebspartners hingegen ftihrt, wie in Hypothese Hog vermutet, zu einer hSheren Verkaufsleistung. Das bedeutet, dass die Verhaltensabsicht, sich ftir den Hersteller einzusetzen, auch zu tatsachlich geaussertem Verhalten ftihrt. Letztlich konnen damit das Konfliktniveau, das Vertrauen und die Verbundenheit mit dem Hersteller neun Prozent der lokalen Verkaufsleistung erklaren. Der nicht erkiarte Anteil der Streuung kann auf Faktoren wie z. B. die Kompetenz der Vertriebspartner,
72
Kapitel 3
die Attraktivitat des Verkaufsgebiets, auf Umweltbedingungen oder andere personalbezogene Vertriebsfaktoren zurttckgefuhrt werden (s. Babakus et al. 1996, S. 347). Die Verkaufsleistung der Mitarbeiter wiedemm ist, wie die vorliegende Untersuchung zeigt, eine der wichtigsten Voraussetzungen fiir den lokalen Markterfolg (Hog). Durch die Uberpriifimg des Hypothesensystems konnten wichtige Beitrage zur Erklarung von Wirkungen der Zufriedenheit geleistet werden. Einschrankend muss zunachst noch einmal betont werden, dass es sich um ein Partialmodell handelt, in dem zum einen nur solche Aspekte in das ZufriedenheitsverstSndnis einbezogen wurden, die von der Operationalisiemng von Gassenheimer/Ramsey (1994, S. 261) abgedeckt werden. Weiterhin wurden nur wenige Einstellungs- und Verhaltensvariablen mit einbezogen, die allerdings zu einem grossen Teil durch die Zufriedenheit erklart werden kfinnen. Im Hinblick auf das Ergebnis, dass Konflikte, Vertrauen und Verbundenheit immerhin neun Prozent der lokalen Verkaufsleistung erklaren, sei schliesslich darauf hingewiesen, dass sich hierdurch Rtickschliisse auf die H6he der Investitionen Ziehen lassen, die in Bezug auf die Zufriedenheit und die anderen Einstellungszustande vorteilhaft sind.
3.3 Fallstudie LEICA: Zufriedenheit, Zeitverwendung und Markterfolg Die Fallstudie Leica Microsystems (LMS) dient dazu, die Bedeutung der Zufriedenheit von Vertriebspartnem vertiefend zu analysieren. Der Einzelfall ermoglicht es hierbei, konkretere Einblicke und Hinweise zu geben, als es durch eine allgemeine Analyse mSglich ware. Es wird insbesondere diskutiert, welche Wirkungen die Zufriedenheit auf die Zeitverwendung und den Markterfolg intemationaler Distributoren besitzt. Unternehmensportrait: Die Leica Microsystems AG Die Leica Microsystems AG hat sich als intemationaler Hersteller von Mikroskopen und wissenschaftlichen Instrumenten aus den traditionsreichen Untemehmen Wild, Leitz, Reichert, Jung und Cambridge Instruments entwickelt. Leica Microsystems (LMS) ist ein weltweit fiihrender Entwickler und Hersteller von optischen High-TechPrazisionssystemen fiir die Analyse von Mikrostrukturen. In den Bereichen Mikroskopie, Bildanalyse imd konfokale Lasermikroskopie, Probenvorbereitung mikroskopischer Objekte, Medizintechnik sowie Systeme fiir die Halbleitertechnik gehort Leica Microsystems zu den Marktfuhrem.
Bedeutung der Zufriedenheit intemationaler Vertriebspartner
73
Die Basis ftir den Erfolg von Leica Microsystems sieht Dr. Wolf-Otto Reuter, CEO des Untemehmens in der globalen Prasenz von Vertrieb und Service, in den Systemlosungen und innovativen Technologien, die das Untemehmen mit und fur seine Kunden entwickelt sowie in der Qualitat und dem Vertrauen, die international mit dem Markennamen Leica verbunden werden. Mit 10 Produktionsstatten in 7 Landem, Vertriebs- und Servicegesellschaften in 19 Landem und einem intemationalen Netzwerk von Distributoren ist das Untemehmen in mehr als 100 Landem tatig und erwirtschaftet im Jahr 2003 mit rund 3'600 BescMftigten einen Umsatz von 540 Mio. Euro, von denen heute ca. 10 Prozent durch den Vertriebskanal „Direct Sales" erzielt werden. Sitz des intemationalen Managements ist Wetzlar in Deutschland. Untersuchung von Zufriedenheit, Zeitverwendung und Markterfolg Ausgangspunkt fiir die vorliegende Untersuchung war die Uberlegung, dass sich Unzufriedenheit und aufkommendes Misstrauen sowie einhergehende Konflikte auf das Verhalten der intemationalen Distributoren auswirken. Danach ist zu vermuten, dass sich die Zeitverwendung zwischen zufriedenen und imzufriedenen Vertriebsmitarbeitem unterscheidet. Unzufriedene Vertriebspartner weisen bspw. darauf hin, dass sie durch inteme Formalitaten viel Zeit verlieren, die sie stattdessen lieber extem beim Kunden verwenden wiirden. Dies wird von Seiten der Zentrale bei Leica bestritten, da sich inteme Anforderungen, die von Leica gestellt werden, in den MSrkten nicht wesentlich unterscheiden. Im Juli 2004 wurde weltweit an 150 unabhangige Distributoren des Untemehmens, das die dazu erforderlichen Kontaktinformationen bereitgestellt hatte, ein vierseitiger Fragebogen versendet, der zu einem zufrieden stellenden Rucklauf von 54 brauchbaren Fragebogen (effektive Riicklaufquote von 36 Prozent) fuhrte. Zur Messung der Zufriedenheit wurde emeut auf die von Gassenheimer/Ramsey (1994, S. 261) entwickelte Skala zuruckgegriffen, die anschliessend durch Mittelwertbildung zu einer Gesamtvariablen zusammengefasst wurde. Um die Gmppen der zufriedenen und imzufriedenen Distributoren vergleichen zu konnen, musste die als quasi-metrisch betrachtete Zufriedenheitsvariable auf ein niedrigeres Skalenniveau transformiert werden. Dazu wurde ein in der Literatur ublicher „Mediansplit" angewendet, um die Stichprobe nach der Zufriedenheit in zwei moglichst gleich grosse Gmppen zu unterteilen (s. Jaworski/Maclnnis 1989, S. 414 f.). Der Median liegt im vorliegenden Fall bei 4.71 von sieben Punktschritten, es ergeben sich zwei Gmppen mit jeweils 27 Fallen. An dieser Stelle sei noch einmal auf den Uberblick zu den sonstigen Informati-
Kapitel 3
74
onsquellen in Absatz 2.4.2.3 (S. 46 ff.) und Tabelle 2-6 (S. 47) verwiesen, die beim Erstellen der Fallstudie verwendet wurden. Interne AbsHmmung als Basis fur die Effektivit&t beim Kunden Die Gegentiberstellung der relativen Zeitverwendung zufriedener und unzufriedener Vertriebspartner erfolgt im vorliegenden Fall auf Basis der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit. Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede sowohl in der Hohe als auch in der Verwendimg der wdchentlichen Arbeitszeit (s. Abbildung 3-5, S. 74): Unzufriedem Distrtbutoran
]
Zufriedene Distributoren
Planting 2%Ang«botserstelung
I
1 ^3% \n\m\% I
iKoordinaUon 'l
I
1 straBr-
I 21? , Kunden' Service 1 2 % KundenSchuhjng 5 %V«rfcaufsgesprichel
cm «^ I
Kundenzeit—i
*Auf Basis der durchschnittlichen W o c h e n w t M i t s z e i t
Abbildung 3-5:
Zeitverwendung und Zufiiedenheit von Distributoren der Leica Microsystems (Befragung Leica II, s. Tabelle 2-3, S. 37)
Zufriedene Distributoren arbeiten durchschnittlich 56.47 Stunden pro Woche und damit 12.86 Stunden mehr als ihre unzufriedenen KoUegen. Inwieweit sich die Mehrarbeitszeit kausal auf die Zufiiedenheit zurtickfUhren lasst, ist an dieser Stelle jedoch kaum zu beantworten. Bei ahnlichen Untersuchungen, wie sie z. B. von Mercer Management Consulting durchgefUhrt wurden (s. MMC 2003b, S. 5 f ) , wird der Zeit, die ein Vertriebspartner im unmittelbaren pers5nlichen oder telefonischen Kundenkontakt verbringt, eine besonders hohe Bedeutung beigemessen. Dies wird mit der Annahme begrundet, dass diese ,JCundenzeit" direkt die Verkaufszahlen und dadurch den Umsatz erhoht (MMC 2003b, S. 5). Im Fall Leica verwenden zufiiedene und unzufiiedene Vertriebspartner absolut gesehen etwa gleich viel ihrer Zeit auf den telefonischen und persdnlichen Kontakt zum
Bedeutung der Zufriedenheit intemationaler Vertriebspartner
75
Kunden (s. Abbildung 3-5; „Kundenzeit"). Trotzdem erreichen zufriedene Distributoren eine hohere Effektivitat (gemessen nach Cravens et al. 1993, S. 58; s. Anhang G 6, S. 369) und realisieren ein wesentlich grOsseres Umsatzvolumen (s. Tabelle 3-4, S. 75) mit den Produkten der Leica Microsystems. Der unterschiedliche Verkaufserfolg kann also nicht durch die Hohe der fur den Kunden verwendeten Zeit erklart werden. Es bleiben zwei Ansatze, um zu erklaren, weshalb unzufriedene und zufriedene Distributoren unterschiedlich erfolgreich sind: erstens kann sich die Qualitat der mit dem Kunden verbrachten Zeit unterscheiden. So konnten hohere Verkaufe z. B. auf kompetentere Kundengesprache oder forderliches Verhalten im Kundenkontakt zuriickzufuhren sein. Zweitens konnen etwaige Unterschiede in der Verwendung der Zeit, die nicht im Kundenkontakt, sondem in dessen Vor- und Nachbereitung verbracht wird, eine Rolle spielen, weshalb sie naher betrachtet werden miissen. Diese zweitgenannte „Nicht-Kundenzeit" stellt ggf. eine kausale Grundlage fur die erstgenannte Qualitat der „Kundenzeit" dar.
Jahresumsatz 2003 (in I'OOO EUR) Effektivitat des Verkaufs (nach Cravens et al. 1993, S. 58)
Unzufriedene Distributoren
Zufriedene Distributoren
111.60
291.11
3.20
6.94
Dauer der Zusammenarbeit mit LMS (in Jahren)
4.14
14.24
Anzahl der Tage pro Jahr fUr Besuche beim Hersteller
10.03
23.24
Anzahl der Tage pro Jahr fUr Meetings mit anderen (extemen) Vertriebsmitarbeitem
7.87
19.91
Anzahl der Tage pro Jahr fur Schulung und Weiterbildung
7.07
12.35
Anzahl an Mitarbeitem im Vertriebsinnendienst (gesamt pro Distributor)
2.13
3.29
Tabelle 3-4:
Quantilsvergleich fur unzufi-iedene und zufriedene Distributoren der Leica Microsystems (Befragung Leica II, s. Tabelle 2-3, S. 37)
Die nicht mit dem Kunden verbrachte Zeit erklart 12.54 Stunden der Mehrarbeitszeit zufriedener Distributoren, die im Gegensatz zu ihren unzufriedenen KoUegen 37.83 Stunden ftir interne Tatigkeiten und Reisezeiten verbringen (s. Tabelle 3-4, S. 75). Fiir eine sorgfaltige kunden- und marktbezogene Planung setzen zufriedene Distributoren im Vergleich zu ihren unzufriedenen KoUegen etwa zwei Stunden mehr ihrer wochentlichen Arbeitszeit ein. Erhebliche Unterschiede zeigen sich insbesondere bei der internen Koordination mit anderen Abteilungen und der Zentrale sowie bei der administrativen Abstimmung, z. B. bei derfinanziellenund logistischen Abwicklung in Zusam-
76
Kapitel 3
menarbeit mit dem Hersteller Leica. So wenden zufriedene Distributoren 8.47 Stunden fur die Koordination mit dem Hersteller auf, wShrend es bei imzufriedenen Distributoren nur 4.36 Stunden sind. Das heisst, zufriedene Distributoren verbringen wochentlich mehr Zeit im Kontakt mit dem Hersteller, indem sie sich mit diesem oder auch mit anderen intemen Abteilungen abstimmen. Die engere Zusanmienarbeit der zufiiedenen Distributoren mit dem Hersteller macht sich auch in der Dauer der Zusammenarbeit bemerkbar: Diese arbeiten durchschnittlich 14.24 Jahre mit dem Hersteller zusanmien, wShrend unzufriedene Distributoren eine mit 4.14 Jahren wesentlich jiingere Beziehung aufweisen. Durch die langjahrige Erfahrung mit dem Hersteller k6nnen sich bei den zufriedenen Vertriebspartnem realistische Erwartungen herausbilden iiber das, was der Hersteller leisten kann, will und wird. Hierdurch wird der Unzufriedenheit vorgebeugt. Die lange Beziehungsdauer zu Leica kann als Resultat von Vertrauen und Verbundenheit betrachtet werden, das erst durch den Glauben in die Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit des Untemehmens und die Bereitschaft, kurzfristig auch Opfer auf sich zu nehmen, ermoglicht wird. Martin Vogler, Vice President Sales betont, dass „allein die Einarbeitung fur unsere Art von Produkten, die sehr komplex sind und nur wenige StandardlSsungen beinhalten, acht bis zwolf Monate dauert. Auch das Wissen um die Applikation bei den Kunden nimmt einen immer hSheren Stellenwert ein. So ben5tigen Distributoren eine sehr lange Unterstutzung imd „Aufsicht", die auch lange nach dem ersten Jahr noch angeboten wird." Wahrscheinlich ist die lange Beziehungsdauer aber auch Ursache von Vertrauen und Verbundenheit, die sich erst langfiistig herausbilden und festigen konnen. Vertrauen und Verbundenheit ihrerseits kdnnen, wie bereits weiter oben in Absatz 3.2.1 (S. 56) festgestellt wurde, als Basis fiir die Verkaufsleistung der Vertriebsmitarbeiter gesehen werden. Durch das beschriebene Kausalgeflecht wird, wie es scheint, der Markterfolg der zufriedenen Distributoren begiinstigt. Fur die bedeutende RoUe der starken intemen Verzahnung mit dem Hersteller spricht auch die mit grossem Abstand hohere Anzahl von Tagen (pro Jahr), die zufriedene Distributoren aufwenden, um Besuche beim Hersteller vorzunehmen oder andere Distributoren z. B. auf regionalen Sales-Meetings zu treffen (s. Tabelle 3-4). Vielleicht bewegt Leica die zufriedeneren Distributoren deshalb dazu, starker in ihr Know-How zu investieren, denn sie nutzen mehr Arbeitstage pro Jahr zur eigenen Schulung und Weiterbildung, was ihrem Erfolg ebenfalls forderlich ist. Um das Zustandekommen der Unterschiede zwischen zufriedenen und unzufriedenen Distributoren weiter zu untersuchen, wurden weitere Variablen analysiert. Etwas er-
Bedeutung der Zufriedenheit intemationaler Vertriebspartner
77
staunlich ist das Ergebnis, dass zufriedene Distributoren personlich starker in die „Nicht-Kundenzeit" investieren, obgleich sie durchschnittlich iiber mehr Ressourcen im Iimendienst verfiigen als unzufnedene Distributoren. Es konnten keine nennenswerten Unterschiede in der Landerzugehorigkeit, der Verantwortlichkeit in Bezug auf Produktgruppen oder der GrSsse des zustandigen Vertriebsteams ermittelt werden. Zufriedenheit als Ursache und Konsequenz enger Zusammenarheit Es lasst sich festhalten, dass der Vorbereitungszeit und der intemen Abstimmung scheinbar eine nicht zu unterschatzende Rolle fur die Effektivitat beim Verkaufsgesprach zukommt. Eine solide Planung und die Koordination schaffen die Grundlage ftir erfolgreiche Verkaufsgesprache bei Leica Distributoren. Ebenso scheint die Dauer der Beziehung durch Zufriedenheit begiinstigt, die ihrerseits wiederum Vorteile schafft, die zu hoherem Verkaufserfolg fiihren. Aus Sicht des Herstellers Leica scheint es daher vorteilhaft Massnahmen zu ergreifen, um die Zufriedenheit zu fordem. Im Rahmen der Befragung vom Juli 2004 wurden gleichzeitig Verbesserungsvorschlage der Distributoren erfasst, die auf einem mehrtSgigen intemationalen Distributorenmeeting im September 2004 gemeinschaftlich diskutiert und in Kleingruppen bearbeitet wurden (Befragung Leica II, s. Tabelle 2-3, S. 37). Erste Ansatze zur Verbesserung der Zusammenarheit bieten die Ergebnisse, die in den Kleingruppen von Distributoren und Herstellem gemeinsam erarbeitet wurden. Martin Vogler betont: „Insgesamt lege ich mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitem grSssten Wert auf die Pflege einer guten Beziehung zu unseren Vertriebspartnem. Verkaufen ist ein ,Beziehungsdelikt'. Um dieses erfolgreich zu begehen, mtissen auch Vertriebspartner Beziehungen aufbauen, sowohl zum Kunden als auch zu anderen Mitgliedem der Vertriebsorganisation."
Die lokale Situation der Vertriebspartner
79
4 Die lokale Situation und ihre Einschatzung durch Hersteller und Vertriebspartner 4.1 Die lokale Situation und ihre Kontextfaktoren 4.1.1 Umwelt und Vertriebssystem als exteme und interne Komponenten Jede Beurteilung, die Vertriebspartner in Bezug auf die Vorteilhaftigkeit der Zusammenarbeit mit dem Hersteller vomehmen, erfolgt vor dem Hintergrund der von ihnen wahrgenommenen lokalen Bedingungen. Es wird unterstellt, dass der situative Kontext die Wirkungen der VertriebsgestaltuQg auf Einstellungs-, Verhaltens- und Erfolgsvariablen moderiert (Ozsomer/Prussia 2000, S. 27; Jaworski 1988, S. 25). Identische Aktivitaten des Herstellers konnen danach in einer bestimmten lokalen Situation fur den Erfolg des Vertriebspartners als dienlich beurteilt werden, wahrend sie in einer anderen Situation, so z. B. in einem anderen Landermarkt als unbrauchbar oder sogar hinderlich wahrgenommen werden (s. Kieser/Walgenbach 2003, S. 215). Gelingt es dem Herstelleruntemehmen, die Erfordemisse der lokalen Situation zu berucksichtigen, tragt er zur Zufriedenheit der Vertriebspartner und damit der Verkaufsleistung und dem Markterfolg bei. Die lokale Situation von Vertriebspartnem wird durch verschiedene Kontextfaktoren bestimmt. In Abhangigkeit der Zugehorigkeit zum Vertriebssystem (s. Absatz 2.3.1, S. 20) kann zwischen einer systemintemen und einer systemextemen Komponente der Situation unterschieden werden (s. Tomczak 1989, S. 11; Staehle 1977, S. 112f.; Kieser 1999a, S. 175; Belz 1993, S. 6 f). Die systeminteme Komponente der Situation betrifft samtliche Kontextfaktoren die dem Vertriebssystem angehoren imd im Einflussbereich von Mitgliedem des Vertriebssystems liegen (s. Jaworski 1988, S. 26). Die systemexteme Komponente hingegen umfasst solche Kontextfaktoren, die nicht Elemente des Vertriebssystems sind (s. Abbildung 4-1). Lehnt man sich an bestehende Konzeptualisierungen nach Jaworski (1988, S. 25) und Ruekert et al. (1985, S. 17) an, so gehoren zur systemintemen Komponente der lokalen Situation die Personen, die mit dem Management des lokalen Vertriebs betraut sind, die lokale Vertriebsorganisation sowie die Organisation des Herstelleruntemehmens, die einen Rahmen fur das lokale Vorgehen darstellt. Zur systemextemen Komponente gehCren das allgemeine lokale Umfeld sowie die spezifische Markt- und Kundensituation (s. KieserAValgenbach 2003, S. 217; Jaworski 1988, S. 25; RuekertAValker Jr. 1987, S. 3).
Kapitel 4
80
1
Manager des lokalen Vertriebs
„lnteme Komponente" Kontextfaktoren des Vertriebssystems
\ Organisation des Herstelleruntemehmens
Lolule
k / Situation des \ A Wlb I Vertriebs- 1 Wtk \ pwtners y
.. . . ^ Spezifische Marfct-und Kundensituation
1
J
Vertriebs- 1 organisation 1
fl V
* L w Allgemeines loltales Umfeld
\ Abbildung 4-1:
..Exteme Komponente" Kontextfaktoren der Umwelt
Interne und exteme Komponenten der lokalen Situation
Auf Basis der durchgefiihrten Interviews im Rahmen dieser Arbeit (s. „Explorative Interviews" in Tabelle 2-3, S. 37) konnten eine Reihe von Variablen identifiziert werden. Diese wurden auf der Gnindlage der bestehender Konzeptualisierungen (s. Ozsomer/Prussia 2000, S. 30; Gencturk/Aulakh 1995, S. 760; Jaworski 1988, S. 25; Ruekert et al. 1985, S. 17; RuekertAValker Jr. 1987, S. 3; Achrol et al. 1983, S. 30) sowie aufgnmd von Plausibilitatsiiberlegungen (s. Kieser 1999a, S. 175) den funf oben genannten Kontextfaktoren zugeordnet. Tabelle 4-1 zeigt diese Variablen, welche die interne und exteme Komponente der Situation von Vertriebspartnem weiter konkretisieren. Kontextfaktor Manager des lokalen Vertriebs
Lokale Vertriebsorganisation
Organisation des Herstellenintemehmens
Spezifische Markt- und Kundensituation
• • • • • • • • • • • • • • • • •
Variablen Fahigkeiten, Verbundenheit und Engagement, Erfahrung, PersOnlichkeit. Markterfolg, Ressourcen, Dauer der Zusammenarbeit, Rechtliche Zugehdrigkeit, Marktphase, Marktverantwortung. Branche, UntemehmensgrOsse, Ressourcenausstattung, Internationale Erfahrung, Untemehmenskultur. Wettbewerbssituation, Kundenstruktur und -bedtirfnisse.
Die lokale Situation der Vertriebspartner
81
AUgemeines lokales Umfeld
Tabelle 4-1:
• Politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Bedingungen, • Zeitverschiebung, • Geografische Distanz. Kontextfaktoren und Variablen der lokalen Situation
Zahl und Benennung der Kontextfaktoren bleiben zwar langfiistig konstant, die Auspragung der Variablen aber, deren relatives Gewicht und Konstellation sind nach Staehle (1977, S. 114) im Zeitablauf variabel. Aus Sicht der Zentrale bedeutet dies, dass regelmassige Situationsanalysen erforderlich sind, um die Handlungskonzepte den Veranderungen der lokalen Situationen anzupassen. Die Variablen der Tabelle 4-1 stammen aus Einzelinterviews und Literaturhinweisen (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). Die Variablen konnen je nach Untemehmen und Schwerpunkt erganzt Oder weiter aufgesplittet werden. Auch die Zuordnung der Variablen zu den Kontextfaktoren sollte sich am jeweiligen Untersuchungszweck ausrichten und wurde im vorliegenden Fall nach eigenen Plausibilitatsiiberlegungen vorgenommen (s. Kieser 1999a, S. 175). Alle ftinf Kontextfaktoren sind gleichzeitig Forderung und Ansatzpunkt far die Entscheidungen und Massnahmen der Zentrale. Das Top-Management von Tochtergesellschaften fordert, dass sich die Zentrale zunachst mit der lokalen Situation vertraut macht, um „gute" Entscheidungen treffen zu k6nnen (Kim/Mauborgne 1993, S. 11), mit denen sie die lokale Professionalitat erhoht. Nach Belz (1994, S. 24) bereitet der Zentrale jedoch bereits allein die Erfassung der lokalen Situation haufig Schwierigkeiten. Dies betont die Notwendigkeit, Aktivitaten und Instrumente zu entwickeln, die einen besseren Informationsstand in den zentralen Stellen ermoglichen. Erst damit wird es moglich, ixber die situative Eignung von Entscheidungen und die Vorteilhaftigkeit deren potenzieller Anpassung zu urteilen.
4.1.2 Systemexteme Kontextfaktoren der lokalen Situation 4.1.2.1
Fremdheitsgrad und Dynamik des allgemeinen Umfelds
Das allgemeine lokale Umfeld beschreibt die sozialen, politischen, regulativen, okonomischen und technologischen Bedingungen der Vertriebspartner (Jaworski 1988, S. 25; s. auch Belz/Reinhold 1999a, S. 55 ff). Der Fremdheitsgrad dieses Umfelds - im Vergleich zum Umfeld des Stammhauses - scheint hierbei von besonderer Bedeutung. Es besteht die Gefahr, dass Probleme und Losungen der Fiihrung, die im Land der Zentrale erfolgreich sind, ins Gastland tibertragen werden imd dort versagen. (Diilfer 1992, S. 170 ff) Der Entscheidungstrager in der Zentrale hat ein Informationsdefizit,
82
Kapitel 4
d. h. er kann die inhaltlichen Konsequenzen von Umfeldeinflussen nicht erkennen, da er die entsprechenden Umfeld-Elemente nicht zutreffend zu interpretieren weiss, bzw. „nicht versteht" (Dulfer 1992, S. 172, 191 f.). Die im Rahmen dieser Untersuchung gefuhrten Interviews untermauem den Hinweis von Diilfer (1992, S. 194), dass es sich aus Sicht der Hersteller um Umstande handelt, „auf die niemand gekommen wSre" (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). Nach Sheth (2001, S. 6 ff.) gleichen sich die Umfeldfaktoren zumindest auf regionaler Ebene immer weiter an, so dass sie immer weniger Differenzienmg im Marketing verlangen. Vertriebsleiter berichten dariiber, dass sich insbesondere durch die EUbedingten Harmonierungsbestrebungen die technischen, kommerziellen und rechtlichen Anfordenmgen der MSrkte immer mehr angleichen (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). Ebenfalls tragen das einheitliche WShmngssystem sowie die erhohte Mitarbeitermobilitat in der EU dazu bei, dass landerspezifische Unterschiede an Bedeutung verlieren. Zwischen den Vertriebsregionen wie z. B. zwischen West- und Osteuropa, USA und Asien spielen die allgemeinen Umfeldbedingungen, die durch Wahrungsunterschiede, die politische Stabilitat, die Inflationsrate, das Bildungsniveau der Bevolkerung, oder die verfUgbare Infrastruktur beeinflusst werden, nach wie vor eine bedeutende Rolle (Belz/Reinhold 1999a, S. 55). Eine mangelhafte Infrastruktur fuhrt insbesondere in Entwicklimgslandem zu einer unzureichenden Verfugbarkeit in den Bereichen Transport, Kommimikation sowie der physischen, fmanziellen und Human-Ressourcen (s. Achrol et al. 1983, S. 57 f.). Die unzureichende Verfugbarkeit der Infrastruktur erfordert deshalb zumindest auf regionaler Ebene eine Anpassxmg des Steuerungsinstrumentariums fur Vertriebspartner imd der auf exteme Kunden gerichteten Marketing-Instrumente (Sheth 2001, S. 5). Nach Aussage von Mitarbeitem intemationaler Vertriebsgesellschaften wird die Haufigkeit und das Ausmass von Problemen, die auf die Unkenntnis der fremden Umfeldbedingungen zurCickzufUhren sind, in den StammhSusem weder ausreichend und zutreffend wahrgenommen noch gentigend berucksichtigt (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). AUerdings muss andererseits auch betont werden, dass gerade die Anstrengungen, die in intemationalen Konzemen durch die Einrichtung von regionalen Headquarters untemonmien werden, dazu beitragen, die Unterschiede zwischen den Regionen zu beriicksichtigen. Haufig wird das Umfeld stark reduziert durch die Eigenschaften „Unsicherheit", „Dynamik" und „Komplexitat" beschrieben (s. Ruekert et al. 1985, S. 17 ff; Jaworski 1988, S. 28; Godet 1998, S. 322). Diese Eigenschaften geben den Grad der Instabilitat
Die lokale Situation der Vertriebspartner
83
und der Unvorhersehbarkeit des allgemeinen Umfelds an (Jaworski 1988, S. 16). Je unsicherer das lokale Umfeld ist desto mehr Anpassungsfahigkeit und Flexibilitat benotigen die lokalen Vertriebspartner (Jaworski 1988, S. 28 f). Entscheidungen soUten starker dezentral getroffen werden (Ozsomer/Prussia 2000, S. 33), da das Management in der Zentrale in unsicheren, dynamischen Situationen nicht die notwendigen Kenntnisse besitzt, um im lokalen Markt zu operieren. Weiterhin muss die Zentrale auf Veranderungen der lokalen Bedingungen reagieren, indem sie das Ausmass ihrer Unterstiitzung verandert, wie z. B. bei der Deregulierung von Markten und dem dadurch entstehenden neuen lokalen Wettbewerbsdruck (Godet 1998, S. 322). Neben der Unsicherheit und Dynamik unterscheidet sich die Situation der Vertriebspartner durch die kulturellen Unterschiede zum Stammhaus. An dieser Stelle liessen sich viele exotische Unterschiede zwischen Landeskulturen nennen. Diilfer (1992, S. 108) definiert kulturelle Unterschiede zwischen Landem und Regionen als Unterschiede in der Form von „Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Recht, Sitte, Brauch und alle(n) anderen Fahigkeiten und Gewohnheiten, die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat". Kulturelle Unterschiede werden in der Literatur jedoch haufig eher in Form von Anekdoten zitiert, als wissenschaftlich untersucht (Sheth 2001, S. 5; anders: s. Hall 1960; Hofstede 1983; Hofstede 1998; Kluckhohn/Strodtbeck 1961). Fallbeispiel 4-1 ist eine von zahlreichen dieser Anekdoten, die dem Autor bei der Durchfuhrung der Interviews geschildert wurden. Europ&ische Reportinganforderungen und GeschSftspraktiken in China Corns Bausysteme GmbH, Koblenz, Deutschland Im weltweiten Reporting der Corns Bausysteme GmbH werden neben fmanziellen Kennzahlen auch andere Grossen, wie z. B. solche aus dem Personalwesen monatlich erfasst. Eine wichtige GrOsse ist dabei die Mitarbeiterzahl eines Untemehmensbereichs. In China kam es zu lokalen Schwierigkeiten beim Ausfiillen der elektronischen Formulare, die eine Angabe dieser monatlichen Mitarbeiterzahl vorsahen. Aus Sicht der in Europa ansassigen Zentrale konnte lange Zeit nicht nachvoUzogen werden, weshalb die chinesische Tochter nur unregelmassig und teilweise nur schwer nachvoUziehbare Angaben beztiglich der Mitarbeiteranzahl meldete. Erst nach einiger Zeit konnte festgestellt werden, dass die lokal iiblichen Geschaftspraktiken der Angabe einer monatlichen Mitarbeiterzahl entgegenstanden: In China ist es ublich, so auch bei Corns, dass bei Spitzenauslastungen noch morgens am Werkstor geeignete Mitarbeiter fur einen Tag rekrutiert werden. Zum grossen Teil werden diese auch nicht namentlich erfasst, sondem bar ausgezahlt. „Die stehen morgens vor dem Werkstor und da nimmt man so viel Mann, wie man braucht", so ein Mitarbeiter des Untemehmens. Dies war bei der Entwicklung der Eingabemaske, die nach europaischen Geschaftspraktiken entworfen war, nicht berucksichtigt worden. Fallbeispiel 4-1: Reporting und chinesische Geschaftspraktiken bei der Corns Bausysteme GmbH (EinzeUnterview Pritzkow 2002, s. Anhang A, S. 348)
Nach Belz (1994, S. 24) sind kulturelle Unterschiede in grundsatzlichen Rahmenbedingungen zwar wichtig, die konkrete Markt- und Untemehmensanalyse sei aber ent-
84
Kapitel 4
scheidender (Belz 1994, S. 24). Unterschiede in den Markten sind durch Unterschiede in der Marktbearbeitung zu beriicksichtigen. Aus dem Fremdheitsgrad gegeniiber dem Stammhaus ergeben sich allerdings auch Unterschiede ftir die interne Zusammenarbeit, die bei der Untersttitzung und der Koordination durch die Zentrale beriicksichtigt werden soUten. Aus gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen des Landes resultieren z. B. unterschiedliche Arbeitszeiten-, Werktags- und Feiertagsregelungen zwischen dem Stamm- und Gastland, aus denen Probleme in der telefonischen Kommunikation entstehen konnen. Es gibt u.U. nur wenige gemeinsame Werktage, wenn z. B. die Ruhetagsregelungen, wie in arabischen Landem, in denen der Freitag ein Ruhetag ist, wohingegen der Samstag und der Sonntag zur Woche gehoren, von denen des Stammlandes abweichen. Ausserdem sind unterschiedUche Feiertage in Zentrale und Niederlassungen haufig nicht bekannt, zumal sie in verschiedenen Gebieten eines Landes von der Religionszugehorigkeit bestimmt werden. Die Zeitverschiebung erschwert die Kommunikation ebenfalls, da bei kurzfristigen und wichtigen Entscheidungen eine telefonische Erreichbarkeit in der Zentrale u.U. nicht immer gegeben ist. Bei einer Zeitverschiebung von neun Stunden wird die telefonische Erreichbarkeit des Schweizer Herstelleruntemehmens fiir einen Vertriebspartner in Kalifomien zum Problem, da nur wenig gemeinsame Arbeitszeit besteht. Um geniigend Erreichbarkeit zu garantieren, mtissen Hersteller deshalb haufig nicht unwesentliche Ressourcen aufwenden, oder delegieren weitere Entscheidungskompetenzen an Vertriebspartner. Letztlich gehen kulturelle Unterschiede und Unterschiede in der Zeitzone meist einher mit der geografischen Distanz zum Herstelleruntemehmen. Mit zunehmender geografischer Distanz entzieht sich der Vertriebspartner dem physischen Einflussbereich des Herstelleruntemehmens (z. B. seltenere Besuche, weniger Kontrollmoglichkeiten, teure und zeitaufwendige Fluge). Ftir unterschriftspflichtige Dokumente wird viel Zeit benotigt. Eine kurzfristige Anderung im Rahmenvertrag mit einem Kunden, der in der Zentrale zur Unterschrift vorgelegt werden muss, verzogert die Zusammenarbeit mit dem Kunden ggf. erheblich. So benotigt ein per Einschreiben versandtes Dokument von Singapur nach Berlin ca. zehn Tage und nach Angaben der Deutsche Post AG fur den Riickweg (per Einschreiben) nach Singapur im Durchschnitt sechs bis acht Tage. Rechnet man flir die Bearbeitung des Dokumentes nur ein bis zwei Tage, so dauert allein der Transfer knapp drei Wochen. Auch in diesem Fall konnen Losungen wie Vorabbescheide per Fax und E-Mail hilfreiche Untersttitzung bieten, die aber in der Zentrale nicht immer akzeptiert werden.
Die lokale Situation der Vertriebspartner
4.1.2.2
85
Anfordenmgen von Kunden und Wettbewerb
Das operative oder „Aufgaben"-Umfeld umfasst alle fur die lokale AufgabenerfuUung relevanten Parteien wie Kunden, Wettbewerber und lokale Lieferanten (Jaworski 1988, S. 25). Letztere spielen fUr die ErfuUung lokaler Vertriebsaufgaben eine eher untergeordnete Rolle und werden deshalb nicht weiter einbezogen. Aufgrund ihrer Bedeutung werden an dieser Stelle die folgenden Variablen der Kunden- und Wettbewerbssituation vertiefend erlautert: • Wettbewerbsintensitat und -position, • Art und Veranderung von Kundenwiinschen, • Struktur aus globalen und lokalen Kunden. Die Wettbewerbsintensitat definiert Jaworski als „degree of rivaltry among firms producing products that are close substitutes" (Jaworski 1988, S. 29). Die Wettbewerbsintensitat kann verschiedene Aspekte der Rivalitat betreffen, bspw. uber Produkte und Leistungen, Preise oder die Kommunikation. Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, dass die Untemehmensfuhrung bei hoher Wettbewerbsintensitat dazu neigt, einen Fokus auf „Management by Objectives" zu legen und nicht etwa auf Prozessvorgaben, die in einem dynamischen Wettbewerb schwieriger zu iiberwachen sind (Jaworski 1988, S. 26; Ruekert et al. 1985, S. 18). Das Kundenverhalten, ihre Bediirfiiisse und lokale Anfordenmgen an die Produktgestaltung konnen sich massgeblich vom Stammland unterscheiden. Besonders in der Verhandlungsfuhrung spielen auch Mentalitatsunterschiede eine Rolle (Belz 1994, S. 24), was bspw. die Hilti AG nach einigen Schwierigkeiten dazu bewogen hat, in Asien den Niederlassungsleiter aus dem Gastland statt aus eigenen Reihen zu rekrutieren (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). An dieser Stelle zeigen sich auch die Beziehungen zwischen den Kontextfaktoren. So stellen die kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen des Gastlandes nicht nur fiir den Anbieter, sondem auch fur den Kunden und den Wettbewerb eine wichtige Rahmenbedingung dar. Das Headquarters hat im Vertrieb bei fast alien Instrumenten die Moglichkeit, zwischen international standardisierten und damit kosteneffizienten Losungen einerseits und lokal angepassten effektiven LCsungen andererseits zu wahlen. Wenn lokale Bedtirfhisse sich stark vom Heimatmarkt unterscheiden und sich der Zielmarkt stark verandert, ist es ftir Manager im Stammhaus schwierig, die notwendigen Kenntnisse zu haben, um im lokalen Markt angemessen zu reagieren (Ozsomer/Prussia 2000, S. 33; Gamier 1982, S. 894). Ozsomer/Prussia (2000, S. 33) konnten empirisch belegen, dass
86
Kapitel 4
deshalb in Markten mit hohen Anforderungen an die lokale Kenntnis von Kunden und Wettbewerb, die lokal getroffenen Marketingentscheidungen tendenziell zu einer hoheren lokalen Performance fUhren als zentrale Entscheidungen. Sheth (2001, S. 7 ff.) relativiert allerdings die zuktinftige Bedeutung von lokalen Kundenbedtirfiiissen aus zwei Griinden: Erstens geht er von einer Entwicklung von „intemational differences" bin zu „transnational similarities" aus, in der sich die Bedtirfiiisse durch verschiedene Entwicklungen global immer Shnlicher werden. Zweitens betont er die zunehmende Bedeutung von „Global Accounts", die fUr Anbieteruntemehmen eine oftmals weltweit ahnliche Bearbeitung bedeuten und lokale Anpassimgen entbehrlich machen (Sheth 2001, S. 8). Die Unterscheidung der Kundenstruktur in lokale und globale Kimden („Global Accounts") wird ftir den Industriegiitervertrieb immer wichtiger. Einerseits verlangen globale Kunden Konzepte, die zwischen verschiedenen MSrkten abgestimmt sind. Andererseits treten landesspezifische Besonderheiten der verschiedenen Markte hSufiger in den Hintergrund, desto zentralistischer ein international tatiges Kundenimtemehmen gefuhrt wird. In Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen Stammhaus und Vertriebspartner stellt die Betreuung international tStiger Kunden indessen eine zentrale Herausforderung dar. Es sind zentrale Konditionenvereinbarungen, Mehrfachanfragen des Kunden in verschiedenen Verkaufseinheiten und Kompetenzverschiebungen bei der Einfuhrung eines Global-Account Managements, die sich zu wichtigen Streitpunkten entwickehi konnen. Die landerubergreifende Koordination eines Kundenkontaktes bringt zwangslSufig eine Kompetenzverschiebung mit sich, die meist zu Gunsten von zentralen Koordinatoren, bspw. globalen Key-Account Managem erfolgt (Belz et al. 2004, S. 56). Da es sich bei den globalen Accounts meist auch in den einzelnen Landem um grosse und damit wichtige Kunden handelt, entstehen Interessenskonflikte zwischen Vertriebspartner und Herstellenmtemehmen, wenn die Abstimmung zwischen den Landem Kompromisse seitens der Vertriebspartner erfordert. Diese Aussage wird durch die Analyse der Boxplots in Abbildimg 4-2 unterstutzt, die auf Basis der „Vertriebsbefragung 2004" (s. Tabelle 2-3, S. 37) durchgeftihrt wurde.
87
Die lokale Situation der Vertriebspartner
FMIIe mit Schwerpunkt „6lobal0 Kunden" (1. Quartil)
(z-Werte)
-1.0+ niedrig -2.0-(-
Fiilie mit Schwerpunkt „Lokale Kunden" (4. Quartil)
I
Arithmetisches Mittel
(P .10,': p < .10, **: p < .05, " •: p < .01
Abbildung 5-9:
Marketingsupport und finanzielle Konditionen als zentrale Ansatzpimkte in umkampften M^kten
Als Erklarung hierfiir bieten sich wiederum zwei Ansatzpunkte an. Es ist zu hinterfragen, in welchem Masse sich die Erwartungen in Bezug auf den Marketingsupport verandem. Hier ist sicherlich mit einer steigenden Erwartungshaltung gegeniiber dem Hersteller zu rechnen, die allerdings damit das Ergebnis nicht zu erklaren hilft. Lenkt man den Blick auf die wahrgenommene AusprSgung des Beurteilungsgegenstandes, die dem Vertriebspartner als Referenzmass ftir die Beurteilung dient, so erhSlt man einen weiteren Ansatzpunkt. Hersteller neigen in verscharften Wettbewerbssituationen eher dazu, zusatzlichen Support im Bereich der Verkaufsunterlagen, Prasentationen Oder gemeinsamen Kundenbesuchen zu geben. Massnahmen in diesem Bereich sind fur den Hersteller mit geringeren Kosten verbimden, als weitgehende Eingestandnisse bei den finanziellen Konditionen. Die von Fredy A. Lienhard, President und Delegierter des Verwaltungsrates, Lista Holding AG, Erlen (Schweiz) aufgezeigten Ansatze fur Marketinganstrengungen in turbulenten Zeiten scheinen diese Uberlegungen zu besta-
Inhaltliche Dimensionen der Zusammenarbeit
131
tigen: „Look for new market niches, no price-war, continue sales promotion and improve tracking of all marketing programs" (Belz et al. 2003, S. 45). Dies zeigt sich auch im Quartilsvergleich, denn wShrend die Zufiiedenheit mit dem Marketingsupport in wettbewerbsintensiven Situationen steigt, sinkt die Zufiiedenheit mit den fmanziellen Konditionen des Herstellers (Signifikanzniveau von 5-Prozent) als Ergebnis einer steigenden Erwartungshaltung des Vertriebspartners.
5.3.3.3 Krisen des Herstellers setzen Vertriebspartner unter Druck In den letzten Jahren waren viele deutsche und Schweizer Industriegiiterhersteller in starkem Masse von den negativen konjunkturellen Entwicklungen betroffen. Als Hersteller aus Landem mit vergleichsweise hohen Herstellkosten, zeigte sich bei diesen eine vergleichsweise geringe Flexibilitat, sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen. Als Folge dessen hatten und haben etliche Hersteller erhebliche Schwierigkeiten, ihr Geschafl profitabel zu erhalten und waren gezwungen, umfangreiche Sparmassnahmen und Umstrukturierungen in Gang zu setzen. Prominente Beispiele waren z. B. ABB und Von Roll. Nach einer Studie der Mercer Management Consulting Schweiz waren von 20 fiihrenden Industriegiiterherstellem der Schweiz im Zeitraum Juni 2001 bis Juni 2002 17 Hersteller von EBIT-Schrumpfungen von bis zu 100 Prozent betroffen, 15 der 20 Untemehmen mussten zum Teil erhebliche Umsatzriickgange hinnehmen (MMC 2003a, S. 21). Die Hersteller Sulzer, Saurer, Unaxis, Von Roll, Leica Geosystems und Mikron Holding erzielten im Berichtsjahr 2001 sogar einen negativen EBIT. Im Folgejahr verzeichneten die ABB, Georg Fischer, Unaxis und Bucher Verluste, die teilweise in Rekordhohe lagen. Die Unsicherheit des Herstellers und die von diesem initiierten Programme zur Verbesserung der finanziellen Lage ubertragen sich auch auf seine intemationalen Vertriebspartner. Diese sind von geringeren Ressourcen im Stammhaus und resultierenden Knappheiten bei der Untersttitzung ebenso betroffen wie durch ambitionierte bis unrealistische Zielvorgaben und Streichungen im Produkt- und Leistungsportfolio. Hersteller gehen bei der Umsetzung von neuen Zielen meist nicht differenziert vor, daher mtissen haufig profitable Tochtergesellschaften mit effizienten Strukturen die Massnahmenpakete in gleichem Masse tragen wie Vertriebspartner mit erheblichen Verbesserungspotenzialen.
Kapitel 5
132
Der Einfluss, den die Profitabilitatssituation des Herstellers auf die lokale Beurteilung hat, wird durch die multiple Regressionsanalyse in Bezug auf alle Dimensionen der Zusammenarbeit signifikant bestatigt. (s. Tabelle 5-4, S. 127). Auch der Gruppenvergleich von Vertriebspartnem, deren Hersteller iiber eine hohe respektive geringe Profitabilitat verfugen, zeigt die resultierende Diskrepanz in der Beurteilung. Die beiden Gruppen der geringen und hohen Profitabilitat wurden, da es sich bei der vorliegenden Variable um eine ordinale Skala handelt, durch die Zusammenlegung der jeweils extremsten Kategorien gebildet, fiir die Nennungen vorlagen. Auch hierbei weisen die Mittelwertvergleiche in samtlichen Dimensionen mindestens auf dem 5-Prozent-Niveau signifikante Unterschiede auf Der starke Einfluss der Herstellersituation auf die lokale Beurteilung wird damit nachhaltig bestStigt. J^rodukteund Leistungen' {T) .Informations- und Kommunikationsvertialten' I
6
)
11
1 1 i 1 .Umgang mit Kultur und \ Werten'
(***)
.Zuverttssigkeit beiAbwtokhjng undLiefening' t***\ \ I
5.18 l-.^
.> l^stV^ •*' ^
i A.43 ^^^d-^—"* ^"'^
3
N. 2
\ '\ '***~^-*A-A
X y^M * - - ^ \\ X / \ \ 90/ / 3^.-^^-^ . 8 ^ .X y^ \\ y \ ^W"^"^^'^'"^' \ 5.65^
.Soziale Intaraktion
(T)
.Finanzielle Konditk)nen'
r*)
.Marketingsuppoff {**) — * — Geringe Profitabilitat des Herstelieruntemehmens (Kategorien .Rather, Mainly und Highly unprofitable". n=32) - " » - Hohe ProfitabiNtat des Herstelleruntemehmens (Kategorien Highly und Mainly profitable. n=62) Achsenbeschriftung: 1 = sehr unzufrieden
7 = sehrzufrieden
n. s.: p > .10, •: p < .10. **: p < .05, ***: p < .01
Abbildung 5-10: Einfluss der Profitabilitat des Herstellers auf die Zufiiedenheit mit den Beurteilungsdimensionen
5.3.3.4
Grosse Vertriebspartner stellen hohere Anspriiche
Der Einfluss des situativen Faktors „Organisationsgr6sse" auf die Spezialisierung, die Delegation, den Koordinationsaufwand oder generell die Biirokratisierung einer Organisation wurde bereits vielfach zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht (s. KieserAValgenbach 2003, S. 209 ff; Ford/Slocum Jr. 1977, S. 564 ff; Weber 1972, S. 551 ff). Die Grosse einer lokalen Vertriebsorganisation hat, wie es
Inhaltliche Dimensionen der Zusammenarbeit
13 3
scheint, einen nicht zu unterschatzenden Einfluss auf das Verhaltnis zum Herstellenmtemehmen. Wahrend grosse lokale Vertriebsorganisationen zusatzliche Anstrengungen im Verkauf selbst schultem konnen (Mohr et al. 1996, S. 110), so z. B. bei Messeauftritten und bei den Verkaufsunterlagen, fehlen hierzu den kleineren Vertriebspartnem die notwendigen zeitlichen und finanziellen Ressourcen. Andererseits besitzen grosse Vertriebsorganisationen aber aufgrund ihres hoheren Spezialisierungsgrades und der grosseren Arbeitsteilung auch eine h6here Professionalitat und Formalisierung bei den verschiedenen Teilprozessen der Zusammenarbeit (s. KieserAValgenbach 2003, S. 210). Gr6ssere lokale Vertriebsorganisationen besitzen in der Kegel mehr Erfahrung in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Herstellem und kennen die Moglichkeiten, die auf Herstellerseite bestehen. Insgesamt erwachsen deshalb hohere Anforderungen an die Art und den Umfang der Unterstutzung durch den Hersteller. Die Organisationsgrosse eines Vertriebspartners wurde in dieser Untersuchung, wie in der Literatur verbreitet, durch die Anzahl der Mitarbeiter in der lokalen Vertriebsorganisation gemessen (s. Mohr et al. 1996, S. 110). Die multiple Regressionsanalyse (s. Tabelle 5-4, S. 127) zeigt negative Zusammenhange zwischen der Grosse der lokalen Organisation und der Zufriedenheit mit den sieben Beurteilungsdimensionen, jedoch nur fur funf dieser Dimensionen sind die Zusammenhange auch auf dem 5-Prozent Niveau signifikant. Fiir die fiinf Beurteilungsdimensionen „Produkte und Leistungen", ,Abwicklung und Lieferung", „Marketing-Support", „Soziale Interaktion" und „Information und Kommunikation" bedeutet dies, dass mit steigender Organisationsgrosse die Differenz zwischen erwarteter und wahrgenommener Leistung zunimmt. Dem Hersteller fUUt es also schwerer, die Erwartungen des Vertriebspartners zu erfallen, je grosser dessen lokale Vertriebsorganisation ist. Am stSrksten fallen Erwartung und Leistung in den Bereichen der „Sozialen Interaktion", der „Information und Kommunikation" sowie des „Marketing-Supports" auseinander. Fiir die Dimensionen „Finanzielle Konditionen" und „Kultur und Werte" besitzen die Regressionskoeffizienten keine Signifikanz auf dem 10-Prozent-Niveau. Der Quartilsvergleich zwischen dem ersten und vierten Quartil der Organisationsgrosse bringt erstaunliche Ergebnisse zutage (s. Abbildung 5-11, S. 134). Lediglich far die beiden Dimensionen „Finanzielle Konditionen" und „Kultur und Werte" liegen deutliche Mittelwertunterschiede zwischen den Gruppen vor, der Mittelwertunterschied fiir die Beurteilungsdimension „Kultur und Werte" ist auf dem 1-Prozent-Niveau hochsignifikant. Fiir die anderen fanf Dimensionen liegen hingegen weder erkennbare Mit-
Kapitel 5
134
telwertunterschiede vor, noch sind diese auf dem 10-Prozent-Niveau signifikant (s. Abbildung 5-11,8.134). Dies lasst darauf schliessen, dass der Umgang mit, JCultur und Werten", wie auch die „finanziellen Konditionen" gerade fUr sehr kleine Vertriebsorganisationen eine besondere Bedeutung besitzen. Kleine und grosse lokale Organisation werden durch den Umgang des Herstellers mit, JCultur und Werten" aussergewohnlich stark unterschieden (s. Abbildung 5-11), wahrend sich fUr die Gesamtheit der Falle (s. Tabelle 5-4, S. 127) weder ein deutlicher noch ein signifikanter Zusammenhang ergibt. Fur die anderen ftinf Dimensionen stellt sich dies genau andersherum dar: Fiir die Gesamtheit der Falle ist ein signifikanter linearer Zusammenhang zwischen der Organisationsgrosse und der Beurteilung erkennbar (s. Tabelle 5-4, S. 127). Fiir die Extrema der kleinen und grossen Vertriebsorganisationen (1. und 4. Quartil) sind die Mittelwertunterschiede jedoch nicht signifikant. .Produtrteund Leistungen*
J".Informations- und KommunikationsverhaKen' (n. s.) N
6
.Zuveriflssigkeit bei Abvvickiung >• undUefenjng' (n.8.)
5 AM .10, *: p < .10, **: p < .05, ***: p < .01; IE == Interaktionseffekt Tabelle 6-2:
Moderierte Regression zwischen Zentralisierungsgrad und lokaler Zufriedenheit
Auf der Ebene der einzelnen Parameter zeigt sich bereits im Modell 1, dass eine steigende Zentralisienmg - wie vermutet - zu einer geringeren Zufriedenheit der Vertriebspartner in der Zusammenarbeit fuhrt. Ebenfalls nehmen die situativen Variablen „Unsicherheit des lokalen Umfelds" und „die lokale Organisationsgrosse" einen direkten Einfluss auf die Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit (siehe Modell 2). Wie bereits in Absatz 5.3.3 (S.125 ff.) diskutiert und in Tabelle 5-4 (S. 127) fur die verschiedenen Dimensionen der Zufriedenheit aufgezeigt wurde, besteht ein negativer direkter Zusammenhang zwischen den beiden oben genannten situativen Variablen und der Zufriedenheit der Vertriebspartner. Diese direkten Beziehungen werden auch in Mo-
150
Kapitel6
dell 3 bestatigt. Direkte Effekte der situativen Variablen „Wettbewerbsintensitat" und „Beziehungsdauer" k5nnen hingegen nicht bestatigt werden. Ein leichter auf dem 90-Prozent signifikanter Interaktionseffekt zeigt sich zwischen der Situationsvariable „Unsicherheit" und der Gestaltungsvariable ,^entralisierung". Dieser positive Interaktionskoeffizient zeigt, dass der negative Effekt der Zentralisierung auf die Zufriedenheit der Vertriebspartner in unsicheren Situationen abgeschwacht wird. D.h. in unsicheren Situationen fUhrt die Zentralisierung zu einer geringeren Abnahme der Zufriedenheit als bei sicherem lokalem Umfeld. AUerdings dtirfen bei dieser Betrachtung die H6he der direkten Effekte der Situations- und Gestaltungsvariablen nicht unberiicksichtigt bleiben. Der standardisierte Regressionskoeffizient des Interaktionsterms fSllt namlich geringer aus als der standardisierte Regressionskoeffizient der Situationsvariable „Unsicherheit des lokalen Umfelds". Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Erhohung des Zentralisienmgsgrades unabhSngig von der AusprSgung der untersuchten Situationsvariablen zu einer Verringerung der lokalen Zufriedenheit fUhrt.
6.2.2.3
Formalisierung von Strukturen, AblSufen und Regeln
Aus bereits erlauterten GrOnden (s. Absatz 6.2.1, S. 140 ff.) streben Hersteller haufig eine Formalisierung von AblSufen, Regehi und RoUen sowie deren Umsetzung an (Ferrell/Skinner 1988, S. 104). An dieser Stelle soil uberpriift werden, ob das Ausmass der Formalisierung iiber die Zufriedenheit der Vertriebspartner bestimmt und in welchen Situationen die Formalisierung besonders geeignet ist. Die Messung der Variable „Grad der Formalisierung" wurde dazu nach der Konzeptualisierung und Operationalisierung von Ferrell/Skinner (1988, S. 107) durchgefuhrt. Ferrell/Skinner (1988, S. 107) erfassen den Grad an Formalisierung mit einer reflektiven Multi-Item Skala, die sechs Indikatorvariablen umfasst. Die Messimg des Konstruktes „Formalisierung" erreichte trotz der Eliminierung einer hohen Anzahl von Indikatoren keine hohe Gute. Die ReliabilitSt verfehlt mit einem Cronbach'schen Alpha von .60 knapp die vielfach geforderte H6he von .70. AUerdings ist die schwierige Erfassung der „Formalisierung" kein spezifisches Problem der vorliegenden Untersuchung, sondem bereits seit langem bekannt. Dwyer/Oh (1987, S. 350) zeigen die Probleme und die unzureichende Auspragung der Giitekriterien auf, die bei der Messung des Konstruktes „Formalisierung" aus zahlreichen Untersuchungen hervorgegangen sind (s. John 1984; John/Reve 1982; Spekman/Stem 1979; Phillips 1982). Bei der In-
Vertriebsgestaltung des Herstellers
151
terpretation der Analyseergebnisse ist in diesem Fall jedoch eine besonders hohe Sorgfalt geboten. Die Ergebnisse der Messung befmden sich ebenfalls im Anhang G - 8 (S. 370). Das Ausmass der Formalisienmg einer Vertriebsorganisation bestimmt den Grad an Autonomie und Kompetenz der Vertriebspartner und reduziert dadurch haufig deren intrinsische Motivation (Geyskens et al. 1999, S. 228; Boyle/Dwyer 1995, S. 196 f.). Eine Meta-Untersuchung von Geyskens et al. (1999, S. 230) zeigt eine geringe, aber negative Assoziation zwischen dem Grad der Formalisienmg und der lokalen Zufriedenheit. Ghoshal/Nohria (1989, S. 327) betonen, dass ein hohes Ausmass an Formalisienmg haufig zu Interessenkonflikten zwischen Hersteller und Vertriebspartner fUhrt. Nach DwyerAVelsh (1985, S. 401) begiinstigen homogene lokale Situationen, in denen geringe Unsicherheit, wenig Wettbewerb und eine gute Vorhersehbarkeit der zukunftigen Marktentwicklung gegeben sind, ein fomialisiertes Vorgehen. Denn bereits die Erfassung relevanter Infonnationen iiber die lokale Umwelt wird durch eine solche Situation erieichtert (DwyerAVelsh 1985, S. 400). In dynamischen Situationen ist es dem Hersteller hingegen nur schwer moglich, ausreichend iiber die lokalen Vorgange informiert zu sein und sinnvoUe Regeln und Vorgehensweisen zu definieren, da sich die Umwelt haufig andert (Jaworski 1988, S. 28). Aus diesem Grund tendieren Hersteller im Falle grosser Heterogenitat lokaler Situationen zu einem geringeren Grad an Formalisienmg von Informationsprozessen und Dokumentationen (DwyerAVelsh 1985, S. 400). Ghoshal/Nohria (1989, S. 325) betonen, dass sich bei zunehmender Organisationsgr5sse die unabhangigen Interessen einer Vertriebsgesellschaft andem. So erwarten grossere Vertriebspartner eine umfassendere Autonomie in ihrem Vorgehen, was haufig den Interessen der Hersteller widerspricht (Ghoshal/Nohria 1989, S. 325) und einer Formalisienmg entgegensteht. Es ist deshalb zu vermuten, dass der negative Zusammenhang zwischen Formalisienmg und der lokalen Zufriedenheit bei grosseren Niederlassungen entsprechend starker ausfallt. Eine wichtige Eigenschaft formalisierter Strukturen ist, dass sie als ein administrativer Mechanismus fur den Hersteller nur wenig Aufwand bedeuten und daniber hinaus helfen, den zentralen Aufwand, etwa bei der Auswertung intemationaler Ergebnisse, zu reduzieren. Ghoshal/Nohria (1989, S. 327) betonen, dass weder die Institutionalisierung noch die Abwicklung formalisierter Prozesse einen hohen ressourcenmassigen Einsatz fiir das Management des Herstellers mit sich bringt. Hinzu kommen weitere Vorteile einer Formalisienmg, so z. B. dass der Austausch zwischen Vertriebspartner
152
Kapitel6
und Hersteller auch in Konfliktfallen geregelt weitergefuhrt wird und dass mit der Zeit eine grosse Vorhersehbarkeit und Planbarkeit durch die Vereinfachung erreicht wird, die durch Routine und Regeln entsteht (Ghoshal/Nohria 1989, S. 328). Es ist deshalb davon auszugehen, dass eine Formalisienmg insbesondere in langjahrigen Beziehungen zwischen Hersteller und Vertriebspartner zu Vorteilen ftihrt, da sich verlassliche Erwartungen herausbilden konnen, die auch fur den Vertriebspartner zu einer hoheren Verlasslichkeit und besseren Planbarkeit fiihren. Tabelle 6-3 zeigt die Ergebnisse der hierarchischen, moderierten Regression sowie lokale und globale Giltekriterien der drei einzelnen Regressionsmodelle. Moderierte multiple Regression Unabhangige Variable Formalisienmg (zform) Unsicherheit des Umfelds (zuncert) WettbewerbsintensitSt (zcomp) Grdsse der lokalen Organisation (zj05.1_l) Beziehungsdauer zum Hersteller (zj03_l) IE: zform * zuncert IE: zform * zcomp IE: zform *zj05.1_l IE: zform * zj03_l Globale Giitekriterien des Modells R
rKorrigiertes R^ Veranderungen im R^ F-Wert Partieller F-Wert
P (standardisierte Regressionskoefflzienten) Modell 3 Modell 2 Modell 1 .074 .054 .117* -,271*** -.274*** .058 .073 -.075 -.067 .068 .053 .025 -.021 .004 .187*** .117 .014 .009 .014 2.919* 2.919*
.311 .097 .075 .083 4.425*** 4.749***
.361 .131 .092 .034 3.374*** 1.957*
n = 215; n. s.: p > .10, »: p < .10, **: p < .05,***:p .10, *: p < .10, **: p < .05, **• : p < .01; IE = Interaktionseffekt Tabelle 6-4:
Moderierte Regression zwischen Grad an ergebnisorientierter Fiihrung und lokaler Zufriedenheit
Bei der hierarchischen, moderierten Regression der Variablen ,3rgebnisbezogene Fiihrung" auf die Zufriedenheit der Vertriebspartner ist fiir alle drei Modelle eine hohe Signifikanz auf dem 95- bzw. 99-Prozent-Niveau festzustellen. Die dem Modell hinzugefugten Situationsvariablen f^hren zu einer signifikanten Erh5hung des Erklarungsbeitrages des Modells (s. Modell 2). Die Beriicksichtigung der Interaktionseffekte hingegen, bringen keine signifikante Erhohung des R-Quadrates mit sich (siehe Modell 3).
Vertriebsgestaltimg des Herstellers
157
Auf der Ebene der einzelnen Parameter ist zunachst der direkte, positive Effekt des ergebnisbezogenen Fiihrungsstils zu beachten, der in jedem der drei Modelle mindestens das Signifikanzniveau von 90 Prozent erreicht. Demnach wirkt sich die Ergebnisorientierung in der Fiihrung positiv auf die Beurteilung aus Sicht der Vertriebspartner aus. Vertriebspartner woUen also an ihren Erfolgen gemessen werden. Ein ergebnisorientierter Fiihrungsstil trSgt damit unabhSngig von der lokalen Situation zu einer Erhohung der lokalen Zufriedenheit der Vertriebspartner bei. An direkten Effekten der Situationsvariablen bestatigt sich wiederholt der Einfluss der Unsicherheit des lokalen Umfelds sowie der Grosse der lokalen Organisation auf die lokale Zufriedenheit. Interaktionseffekte zwischen der Gestaltungsvariablen „Ergebnisorientierter Fiihrungsstil" und den aufgenommenen Situationsvariablen haben hingegen keinen signifikanten Einfluss auf die Zufriedenheit der Vertriebspartner. Die zufriedenheitssteigemde Wirkung der Ergebnisorientierung hSngt demnach nicht - wie vermutet - von der lokalen Situation ab, sondem besteht unabhangig von dieser. Prozessorientierter Fiihrungsstil Ein prozessorientierter Fiihrungsstil setzt an der Vorgehensweise bzw. an den Prozessen an, mit denen bestimmte Ziele erreicht werden soUen (Jaworski 1988, S. 26). Der Fokus liegt also auf dem Verhalten und den Aktivitaten der Vertriebspartner und nicht etwa beim Endresultat. Im Falle einer voUstandigen Prozessorientierung des Fiihrungsstils macht der Hersteller den Vertriebspartner also fiir die Einhaltung eines vorgeschriebenen Prozesses verantwortlich, nicht aber fiir die Erreichung der Zielsetzungen (Jaworski 1988, S. 26). Dies ist etwa dann der Fall, wenn das Management des Herstellers die Vertriebspartner an der Anzahl von Mailings oder Kundenbesuchen misst, nicht aber am Umsatz. In der Praxis wird dieser Fall eher als theoretisch betrachtet, meist findet sich im Fiihrungsstil eine Mischung zwischen Ergebnis- und Prozessorientierung wieder (Explorative Interviews, s. Tabelle 2-3, S. 37). Als Messmodelle des prozessorientierten Fiihrungsstils wurden im vorliegenden Fall die Skalen von Jaworski/Maclnnis (1989, S. 416) verwendet. Die Messung flihrte zu sehr zufrieden stellenden Ergebnissen, die im Anhang G -10 (S. 371) detailliert einzusehen sind. Vielfach wird angefiihrt, dass eine prozessorientierte Fiihrung eine direkte, personliche Uberwachung, ein hohes Mass an Einbezug des Managements und ggf. Interventionen in die lokalen Prozesse erfordert (Gencturk/Aulakh 1995, S. 759). Dazu muss das Management des Herstellers genau wissen, was in den lokalen Gesellschaften getan wird
158
Kapitel6
iind wie dies geschieht. Deshalb liegt es in der Natur der prozessorientierten Fiihrung, dass das Management des Herstellers grossere zeitliche und aufwandsmSssige Ressourcen in die tfberwachung der lokalen Aktivitaten investieren muss (Gencturk /Aulakh 1995, S. 759). Sind die Manager des Herstellers in der Lage, die lokale Situation und die lokalen Aktivitaten zu erfassen, so z. B. bei geringer Dynamik der lokalen Situation, geringer Wettbewerbsintensitat imd geografischer Nahe des Vertriebspartners, so kann davon ausgegangen werden, dass ein prozessorientierter Fiihnmgsstil aus Sicht der Vertriebspartner eher akzeptiert wird als in dynamischen unsicheren Situationen (Jaworski et al. 1993, S. 408). Auch bei der Betrachtung des prozessorientierten Ftihrungsstils ist die Grosse einer lokalen Organisation als situative Variable mit einzubeziehen. Kleinere Organisationen sind aufgrund geringerer Ressourcen Mufig nur schwer in der Lage, den formalisierten Anforderungen gerecht zu werden und empfinden diese tendenziell als zusatzliche Belastung. Andererseits kann eine starke Fiihrung in Bezug auf die Vorgehensweise und die weitgehende Einbringung von zentraler Managementkompetenz auch eine wichtige Untersttttzung, insbesondere fiir junge Niederlassungen, mit sich bringen. Diese beiden gegenlSufigen Trends gleichen den moderierenden Effekt der beiden Variablen je nach Gewichtung vermutlich aus. Tabelle 6-5 zeigt die Ergebnisse der hierarchischen, moderierten Regression sowie lokale und globale Giitekriterien der drei einzelnen Regressionsmodelle.
Moderierte multiple Regression Unabhdngige Variable Prozessorientierte Fuhning (zprocc) Unsicherheit des Umfelds (zimcert) Wettbewerbsintensitat (zcomp) Grosse der lokalen Organisation (zj05.1_l) Beziehungsdauer zum Hersteller (zj03_l) IE: zprocc * zimcert IE: zprocc * zcomp IE: zprocc * zj05.1_l IE: zprocc * zj03_l Globale Giitekriterien des Modells R R^
P (standardisierte Regressionskoeffizienten) Modell 3 Modell 2 Modell 1 .056 .050 .067 -.264*** -.267*** .075 .071 -.264* -.269*** .084 .077 .044 .060 .003 .025 .067 .004
.366 .134
.373 .139
159
Vertriebsgestaltung des Herstellers Komgiertes R^ Veranderungen im R^ F-Wert Partieller F-Wert
.000 .004 1.051 1.051
.115 .129 7.124*** 8.608***
.105 .006 4.080*** .372
n = 240;n. s.:p>.10, * P< .10,** p < .05, ***:p 5'000) von der Interpretation auszu-
196
Kapitel 6
schliessen, da es sich um eine „Sammelklasse" handelt, die eine Vollstandigkeit der Daten garantiert, allerdings keine obere Klassengrenze besitzt und daher die Ergebnisse verzent. fu^ i = 1 bis n undj = 1 bis m
(3)
S = Salespartner-Satisfaction Score 5* = — Y Z; • Z?,., fur i = 1 bis n n„
Der Maximalwert des Ratings liegt bei siebenstufigen Skalen demnach bei einem Wert von 49, der Minimalwert bei 1. In der Realitat liegen Werte irgendwo zwischen diesen Grenzwerten. Um auch Vergleiche mit solchen Befragungsergebnissen herstellen zu kSnnen, bei denen andere Ratingskalen verwendet wurden, ist der tatsachlich erreichte Wert ins Verhaitnis zum Maximalwert zu setzen. Hierdurch erhalt man eine relative Pxmktwerterreichung. Dem Autor bekannte Untemehmen, die nach diesem Verfahren die Zufriedenheit ihrer Vertriebsorganisation evaluieren, erreichen zwischen 50 und 65 Prozent der maximalen Punktzahl. Andere Verfahren ermitteln lediglich die Summe der Produkte aus mittleren Zufriedenheits- und Bedeutungsvariablen. Einem solchen Vorgehen ist das vorgestellte Verfahren iiberlegen, denn es ist gegen Verzerrungen resistent, die durch Hinzufiigen, VerSnderung oder Entfemen einzelner Variablen entstehen. Dies ist in der Praxis im Laufe der Zeit haufig notwendig, da sich durch technologische, markt- und organisationsbezogene Ver^nderungen die wichtigen Teilaspekte und damit die zu erfassenden Zufriedenheits- und Bedeutungsvariablen andem. Das aufgezeigte Verfahren lasst sich selbstverstandlich auch fur die Analyse der einzelnen in Abbildung 6-26 (S. 258) dargestellten Beurteilungsdimensionen verwenden (s. auch Abschnitt 5.3, S. 113 ff.). Dazu sind pro Dimension lediglich die jeweils zugehorigen Zufriedenheits- und Bedeutungsvariablen mit einzubeziehen. Es ergeben sich in diesem Fall je nach Auswertung Punkt- oder Verhaltniswerte pro Beurteilungsdimension.
260
Kapitel 6
6.4.2 Zwischenfazit: Nachhaltigkeit durch systematisches Vorgehen Es hat sich in Absatz 6.4.1 (S. 249 ff.) gezeigt, dass fur eine nachhaltige Verbessenmg der Zusammenarbeit nicht alleine die Kenntnisse iiber mogliche GestaltungsansStze ausreichen. Vielmehr milssen Instnimente eingesetzt werden, um eine griindliche Diagnose der Zusammenarbeit zu ermdglichen. Das Bauchgefuhl des Stammhausmanagers fuhrt haufig zu anderen Ergebnissen als die Befragung der Vertriebspartner selbst. Fehleinschatzungen in der Diagnose fiihren leicht dazu, dass Massnahmenpakete ihr Ziel verfehlen. Es zeigt sich, dass bereits eine schriftliche Befragung und Auswertung ein hohes Ausmass an Detailplanung und Tiefgang verlangen. FUr die Auswahl und Umsetzung von Massnahmen werden hingegen andere Fahigkeiten benotigt. Es ist abzuschStzen, welchen Aufwand, welche Wirkung in der Zusammenarbeit imd welche Wahrscheinlichkeit der reibimgslosen Umsetzimg die zur Verfugung stehenden Massnahmen mit sich bringen. WShrend der Umsetzung sind soziale Kontakte zu nutzen und personelle WiderstSnde durch Uberzeugung und Fingerspitzengefuhl zu uberwinden. Erst durch eine regelmSssige Kontrolle mit Hilfe von Zeitund Organisationsvergleichen gelingt es, objektiv den Erfolg der Anstrengungen imd die Position der Vertriebsorganisation zu ermitteln. Hierdurch werden Potenziale und Starken im intemationalen Vertrieb sichtbar. Durch eine systematische imd regelmassige Wiederholung des Prozesses kann die WettbewerbsfShigkeit der Vertriebsorganisation kontinuierlich verbessert werden, die die Basis fiir nachhaltigen Vertriebserfolg darstellt.
6.5 Fallstudien zur situativen Vertriebsgestaltung 6.5.1 Zielsetzimg und Selektion der Fallstudien Der Abschnitt 6.5 untersucht, wie drei unterschiedliche Firmen die Zusammenarbeit mit intemationalen Vertriebspartnem gestalten. Die Betrachtung der Untemehmenssituationen und Losungen in einem Gesamtzusammenhang scheint ergiebig, um die in den vergangenen Abschnitten 6.2 (S. 140 ff.) bis 6.4 (S. 249 ff.) erarbeiteten operativen und strategischen GestaltungsansStze zu illustrieren. Dariiber hinaus konnen Gestaltungsansatze in ihrem situativen Kontext dargestellt sowie Einflussfaktoren und Zusammenhange bei der Wahl und dem Einsatz der Gestaltungsansatze interpretiert werden. Damit tragt die inhaltliche Durchdringung der Falle „BASF AG", „Gallus Ferd. Rtiesch AG" und „Nanosurf AG" dazu bei, die Antworten auf die Forschungsfragen 2 und 3 (s. Abschnitt 1.3, S. 6 ff.) noch einmal in einen konkreten Zusammenhang zu stellen.
261
Vertriebsgestaltung des Herstellers
Zur Datenerhebung wurde in den drei Fallen eine Kombination aus heuristischen, qualitativ-empirischen und quantitativ-empirischen Methoden eingesetzt. An dieser Stelle sei noch einmal auf die Details der eingesetzten Methoden verwiesen, die bereits in den Absatzen 2.4.1 (S. 34 ff.) und 2.4.2.3 (S. 46) ausfiihrlich dargestellt und erdrtert wurden (s. Tabelle 2-3, S. 37 und Tabelle 2-7, S. 48). Bei der Auswahl der Fallstudien wurde das Ziel verfolgt, solche Untemehmen mit einzuschliessen, die moglichst unterschiedliche Ausgangslagen besitzen. Dazu wurden ein Kleinuntemehmen, ein mittelstandisches Untemehmen und ein Grosskonzem herangezogen, die jeweils aus unterschiedlichen Branchen stammen und verschiedene Vertriebsorganisationen aufweisen. Die Unterschiedlichkeit der FSlle soil Parallelen und Akzente betonen, die sich in der Zusammenarbeit mit intemationalen Vetriebspartnem imd deren Gestaltung fur den Hersteller ergeben. Abbildung 6-27 (S. 261) zeigt die unterschiedlichen Konstellationen der betrachteten Untemehmensfalle. Die Herstelleruntemehmen haben verschiedene Untemehmensgrossen, die sich u. a. in Unterschieden in der Vertriebsorganisation niederschlagen.
Kleinuntemehmen 0LASEROP7TC5S
herstellerelgen
kooperativ
Untemehmensfalle
Vertriebsform
Abbildung 6-27: UntemehmensgrOsse und Vertriebsformen als Rahmenbedingungen der Fallstudien
• Die Nanosurf AG ist ein Schweizer Kleinuntemehmen am Standort Liestal. Der weltweite Vertrieb von Hightechgeraten wird aus Ressourcengrunden (Sum /Reinhold 2004, S. 32) ausschliesslich von herstellerfremden Distributoren wahrgenommen.
262
Kapitel 6
• Die Gallus Ferd. Riiesch AG ist ein mittelstandisches Untemehmen in der grafischen Industrie mit Hauptsitz in St. Gallen, Schweiz. Das Untemehmen setzt international verschiedene Vertriebsformen ein. So existieren in wichtigen MSrkten, in denen das Untemehmen bereits seit vielen Jahren present ist, eigene Vertriebsgesellschaflen. Seit einigen Jahren kooperiert Gallus eng mit dem Untemehmen Heidelberg, das sich im Jahr 1999 bei Gallus beteiligt hat imd iiber dessen Vertriebsgesellschaften Gallus insbesondere in starken WachstumsmSrkten wie Osteuropa, Asien und Lateinamerika present ist. In anderen MSrkten greift man hingegen auf unabhangige Distributoren zurUck. • Die BASF AG mit Hauptsitz in Ludwigshafen geh6rt mit etwa 46'500 Mitarbeitem in Deutschland zu den grfissten industriellen Arbeitgebem des Landes und ist der grosste Chemiekonzem weltweit. Die im Fall betrachtete Division Feinchemikalien erfuhr im Jahre 2001 eine Reorganisation, seitdem werden Vertriebsaufgaben in den verschiedenen MMrkten ausschliesslich von herstellereigenen Vertriebsmitarbeitem wahrgenommen. Die folgenden AbsStze 6.5.2 (S. 262 ff.) bis 6.5.4 (S. 288 ff.) zeigen die Anstrengungen, die von den Herstellem „Nanosurf AG", „Gallus Ferd. Ruesch AG" und „BASF Fine Chemicals Europe" zur Verbessemng der Zusanunenarbeit mit ihren intemationalen Vertriebspartnem durchgeftihrt wurden. Samtliche Infomiationen zu den Fallen stammen, soweit nicht anders gekennzeichnet, aus der in Tabelle 2-7 (S. 48) dargestellten Datenbasis.
6.5.2 Die Nanosurf AG: Vertriebsgestaltung im Kleinuntemehmen Der Fall der Nansosurf AG zeigt, wie ein Kleinimtemehmen mit flachen Hierarchien und geringer Ressourcenstarke vorgeht, um die Zusammenarbeit mit intemationalen Distributoren zu verbessem. Besondere Schwerpunkte der Fallstudie sind die Ubernahme von Infomiationsaufgaben durch den Hersteller (s. auch Absatz 6.3.8.1, S. 231 ff.), der Umgang mit Spezialanfragen und deren Integration in den Prozess des Neuproduktmanagements (s. auch Absatz 6.3.4.2, S. 184 ff.) sowie die Weiterentwicklung des Reporting (s. auch Absatz 6.3.8.2, S. 238 ff.; Absatz 6.3.8.1, S. 231 ff.). 6.5.2.1
Ausgangslage bei Nanosurf
Die Nanosurf AG ist ein Hightech-Untemehmen im schnell wachsenden Markt der Nanotechnologie und ein Spin-off der Universitat Basel. Seit der Griindung im Jahr
Vertriebsgestaltung des Herstellers
263
1997 hat das Untemehmen ein bemerkenswertes, organisches Wachstum erlebt und beschafligt zz. achtzehn Mitarbeiter. Der Firmensitz ist der Technologiepark „Tenum" in Liestal, Schweiz, von wo aus das Untemehmen innovative und preiswerte RasterSondenmikroskope mit Auflosimgen im Nanometer-Bereich entwickelt, produziert und vertreibt. Organisation im Stammhaus In den ersten Jahren nach der GrOndung gab es zur Organisationsentwicklung bei Nanosurf kein explizites, auf Papier festgehahenes Konzept. Alle wichtigen Entscheidungen wurden demokratisch gefaUt, wobei alle Mitarbeiter sehr weite Spieb-aume besassen. Konflikte wurden nach Angaben der Mitarbeiter „offen und fair ausgetragen und nicht durch eine starre Hierarchie unterdruckt" (Befragung Nanosurf I, s. Tabelle 2-3, S. 37). Die Vorteile der schnellen Kommunikation und der hohen Flexibilitat, die diese Konstellation ermSglichte, wurden allerdings mit der Zeit durch verschiedene Nachteile iiberlagert, so z. B. durch Redundanzen, Unklarheiten in der ZustSndigkeit und Unstimmigkeiten. Aufgrund der zunehmenden Untemehmensgrdsse wurde deshalb im September 2003 eine starkere organisationale Strukturierung vorgenommen. An der Spitze des Untemehmens stehen nun Dr. Robert Sum als CEO und Dr. Lukas Howald als Verwaltungsratsprasident. Nanosurf besitzt die drei Organisationseinheiten Produktion, Produktentwicklung sowie Marketing und Verkauf Weitere Funktionen wie bspw. der Einkauf werden je nach Bedarf von den operativen Kemabteilungen selbst wahrgenommen. Produktportfolio des Untemehmens Das Untemehmen verfiigt tiber drei Produktlinien, die auf unterschiedliche Kundensegmente abzielen: • „easyScan STM" ist eine Losung fUr die Marktnische schulische und universitare Ausbildung sowie angewandte Forschung, • „easyScan AFM" wird auf dem Massenmarkt fur industrielle QualitatskontroUen sowie industrielle Forschung und Entwicklung angeboten, • „easyPLL" ist ein „Top-Level" Technologiebaustein far professionelle Anwendungen in der Grundlagenforschung. T>iQ wichtigen Vorteile sSmtlicher Nanosurf-Produkte liegen in ihrer einfachen und mobilen Nutzung sowie den relativ niedrigen Anschaffungskosten. Mit der Kommerzialisienmg eines Mikroskops zur OberflSchenanalyse, das einfacher aufgebaut ist als
264
Kapitel 6
die Konkurrenzgerate und zu einem wesentlich giinstigeren Preis angeboten werden kann, hat die Nanosurf AG den Markteintritt gut geschafft. Obwohl die Nanosurf AG zu den kleineren Anbietem auf dem Weltmarkt von iiber 100 Mio. Euro gehdrt, hat sie mit ihren innovativen LQsungen die Marktnische fiir Gerate zur Ausbildung von Studierenden an Hochschulen und Fachhochschulen erfolgreich besetzt und bietet zudem fUr industrielle Kunden ein preiswertes und robustes Einstiegsgerat fiir die Oberflachenanalyse im Nanometerbereich. Internationale Vertriebsorganisation Verantwortlich fUr den Vertrieb ist Dr. Loris Scandella, der die Abteilung Marketing und Verkauf leitet. Wie in der Branche tiblich, werden die physikalisch-chemischen Messgerate auch bei Nanosxuf ilber technisch versierte und qualifizierte Distributoren abgesetzt. Es wurden solche Distributoren ausgewShlt, die komplementare Analytikinstrumente anderer Wettbewerber verkaufen und deshalb zwar Zugang und Kenntnisse Uber Kunden imd lokale MSrkte besitzen, aber trotzdem nicht in Konkurrenz zu den Nanosurf-Produkten stehen. Die im Branchenvergleich hohen Margen von bis zu 45 Prozent machen Nanosurf fUr Distributoren ausgesprochen attraktiv. Ein Vertrieb uber eigene Tochtergesellschaften war und ist fiir das Untemehmen bisher aufgrund der geringen Finanzkraft weder finanzierbar noch ware dies aufgrund der kleinen Marktvolumina in den einzehien Regionen rentabel. Die Distribution erfolgt deshalb hauptsSchlich diu-ch das Vertriebsnetz von weltweit achtzehn unabhangigen Partnem. Gesondert betrachtet werden muss der Markt der Ausbildung, welcher zentral vom deutschen Didaktikvertrieb, der LD Didactic GmbH (ehemals „Leybold Didactic") gefiihrt wird. In Landem und Regionen ohne lokalen Vertriebspartner und fur Spezialanfertigungen fmdet ein Direktvertrieb ab Werk statt. Die Distributoren sind fiir Nanosurf der mit Abstand umsatzstarkste Verkaufskanal, mit dem das Untemehmen zz. 32 Lander in den Regionen Europa, Asien, Amerika und Ozeanien abdeckt (Abbildung 6-28, S. 265). Dazu folgende Details: • Europa: Im Jahr 1997 hat die Gesellschaft die ersten Vereinbarungen mit einigen Distributionspartnem abgeschlossen. AnfSnglich wurde in erster Linie die Marktregion Europa bearbeitet, wo heute noch der grosste Umsatzbeitrag erzielt wird. In Kontinentaleiu-opa erfolgt der Vertrieb durch eine einzige Vertriebsgesellschaft, die Schweizer Schaefer Holding AG und ihre jeweiligen intemationalen Tochtergesellschaften, welche fiir verschiedene Gebiete verantwortlich sind. Fiir Grossbritannien
Vertriebsgestaltung des Herstellers
265
und Irland hat Nanosurf einen weiteren Distributor gewahlt, der besondere Marktkenntnisse besitzt undfrtiherfur einen Wettbewerber gearbeitet hat. • Amerika: In den USA ist fur Nanosurf ein einzelner Distributor zustandig, der bis dahin bei einem Spezialhandler gearbeitet und dort bereits Nanosurf- und Komplement^rodukte verkauft hatte. Nachdem dieser eine eigene Vertriebsgesellsehaft gegriindet hatte, wurde er zum alleinigen Vertriebskanal fur die USA und konnte einen massiven Anstieg der UmsStze bewirken. • Asien und Ozeanien: Asien stellt fiir die Nanosurf AG ein Aufbaumarkt dar. Durch Forschungskontakte hatte man zunSchst einen Distributor in Japan gefunden. Diese erste asiatische Geschaflsverbindung und die daran ankntipfenden Erfolge haben weitere Turen geoffhet. Inzwischen besitzt Nanosurf einen koreanischen Distributor und weitere Vertriebsvertrage fur Malaysia, Thailand, Vietnam, die Philippinen, Indonesien und Taiwan. Vor allem die Erschliessung des chinesischen Marktes hatte zunachst einige Sorgen bereitet, ist aber seit Januar 2002 durch einen Distributor mit Niederlassungen in Hongkong, Peking und Shanghai gut fortgeschritten. Abbildung 6-28 zeigt die intemationale Landerprasenz des High-Tech Untemehmens im UberbUck.
nanoSmf O 18 Distributoren in 1 32 Landern
I^B^ 1 1
r^ " ^ *
Abbildung 6-28: Landerprasenz der Distributoren bei der Nanosurf AG
266
6.5.2.2
Kapitel 6
Diagnose der Zusammenarbeit
Die Konzeption eines geeigneten intemationalen Vertriebssystems war laut Nanosurf AG die grSsste Herausfordemng bei der Vergrdssenmg des Geschaftes. Weil der Heimatmarkt zu klein ist, musste zwingend ein intemationales Netzwerk von Distributoren bzw. Fachhandlem aufgebaut werden (Sum/Reinhold 2004, S. 32). Fur das Unternehmen stand in den Jahren 2002 und 2003 insbesondere die Erweitenmg der Verkaufe in den Randrnfirkten ausserhalb Europas im Vordergnmd. Obwohl diese zu den vertraglich vereinbarten Verkaufsgebieten gehSren, wurden sie nur ungeniigend bearbeitet. Aus diesem Grunde entschloss man sich, das jahrliche Distributorenmeeting im Jahr 2003 dazu zu nutzen, die MSrkte und ihre Anfordenmgen besser kennen und verstehen zu lemen, die Kompetenzen der Distributoren zu fbrdem und Ansatzpunkte fUr eine Verbesserung der Zusammenarbeit zu identifizieren. Dr. Robert Sum betont, dass „der Geschaftserfolg [...] eng mit der Intensitat der Zusammenarbeit zwischen Distributoren und Nanosurf korreliert". Abbildung 6-29 (S. 267) zeigt den Aufbau und die Inhalte des dreitSgigen Distributorenmeetings sowie einen Auszug aus der Begrllssungsprasentation, der sich an diesen Zielen ausrichtet. Am ersten Tag des Distributorenmeetings standen Veranderungen beim Personal und bei den Zustandigkeiten, finanzielle Ergebnisse imd Entwicklungen des vergangenen Jahres sowie Neu- und Weiterentwicklungen von Produkten auf dem Programm. Hierdurch soUten die Distributoren Einblicke in die aktuellen Themen und Entwicklungen der Zentrale bekommen und Kompetenzen in Bezug auf die Produkte und Organisation des Herstellers erhalten. Der zweite Tag hingegen diente im Wesentlichen dem Austausch zwischen den Distributoren und der Darstellung imd Diskussion von marktbezogenen Anfordenmgen. U. a. wurden Konkurrenz- und Kundenanalysen durchgefuhrt. Der Vertriebsleiter Dr. Scandella erhielt hierdurch zum einen einen tieferen Einblick in den kunden- und wettbewerbsbezogenen Status Quo der Markte. Zum anderen konnten Hinweise zu Verkaufsargumenten der verschiedenen Markte und zum Vorgehen der Wettbewerber wertvolle Emsichten fur Distributoren untereinander geben.
Vertriebsgestaltung des Herstellers
YSf
267
Organisation
1
Statistics
\
Monday ip|iiJH
^ ^
IVIarket Reporting /
^
Communication y
^ ^ ^
(
1
New Products^r
M
^ V
Customer
Competitor
Wednesday
• Tag 1 (Montag): ->Organisationale Veranderungen bet Nanosurf. -^Verfcaufs- und Marktentwicklungen, -^Neuentwicklungen und Produkte.
Distributor
Relation
^
Aufbau und inhalte des Distributorenmeetings
Sales Meeting 2003
• Tag 2 (Dienstag): -^Workshops und Erfahrungsberichte zu Mdrkten, Kunden und Wettbewerbern, -^Hinweise zur Marktbearbeitung, ->Befragung der Distributoren.
1
• Tag 3 (Mittwoch): ->Diskussk>n der Befragungsergebnisse, -^Workshops zu Verbesserungspotenzialen und LOsungen in der Zusammenarbeit.
/
Tuesday
NtnotarfAG'Simrt h..m.m^l,rN«K.Kt>n.«>N>r^noKw
]
nanoSurf
Abbildung 6-29: Inhalte und Aufbau des Distributorenmeetings bei der Nanosurf AG
Am Abend des zweiten Tages fullten die Distributoren den von Nanosurf entwickelten Fragebogen zur Zusammenarbeit mit dem Hersteller aus. Auf Basis der Ergebnisse dieser Befragung konnten schliesslich am dritten Tag Schwerpunkte fiir Verbesserungen in der Zusammenarbeit festgesetzt und konkrete L6sungen entwickelt werden. Das Vorgehen im Rahmen der ,JDiagnose" am dritten Tag wird im Folgenden beschrieben. Von besonderer Bedeutung sind dabei die standardisierte Befragung der Distributoren und die Entwicklung von Losungen in Workshops. Standardisierte Befragung der Distributoren Bereits im Vorfeld des Distributorenmeetings wurde der erwShnte Fragebogen als eine ausfuhrliche Liste der Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit entwickelt. In dieser „Longlist" waren samtliche konkreten Aspekte erfasst, die in der Zusammenarbeit zwischen Nanosurf und den Distributoren eine Rolle spielen. Um Schwerpunkte bei Massnahmen der Verbesserung setzen zu konnen, sollten Zufiriedenheit und Bedeutung der Aspekte der Zusammenarbeit aus Sicht der Distributoren bewertet werden. Auf Basis dessen konnte eine Auswahl getroffen werden, die am dritten Tag des Distributorenmeetings von Kleingruppen im Rahmen von Workshops intensiv bearbeitet wurde. Der Fragebogen wurde von den verschiedenen Distributoren am zweiten Tag des Distributorenmeetings ausgefiillt. Die Teilnehmer stammten aus folgenden Landem: China, Deutschland, England, Frankreich, Japan, Mexiko, Schweiz, Singapur, Stidkorea, Taiwan, USA. Der Fragebogen enthielt z. B. Fragen zu den folgenden Aspekten:
Kapitel 6
268
Informationsaustausch zwischen der nationalen Vertretung und Nanosurf, der Zufiiedenheit mit gemeinsamen Projekten, Planung und Marketingmanagement des Herstellers, Verkaufsinstrumente und Verkaufsaktivitaten, Bestellabwicklung, soziale Aspekte der intemen Zusammenarbeit, Zentralisierung und Aufgabenverteilung in Marketing und Verkauf, Koordination mit dem Hersteller und Wechsel der Marketingstrategie durch die Nanosurf. Zur Auswertung wurden Durchschnittswerte zur Zufriedenheit und zur Bedeutung pro Aspekt in der Zusammenarbeit ermittelt. Die auf einer Ftinferskala erfassten Zufriedenheits- und Bedeutungswerte liessen dabei durch die Multiplikation eine Verdichtung zu einem Ratingwert zu. Die maximale Punktzahl 25 hatte durch die Multiplikation der hochsten Unzufriedenheit (ftinf Punkte) bei hOchster Bedeutung (funf Punkte) erreicht werden konnen (s. auch Abbildung 6-25, S. 254). Es waren die Aspekte zu fokussieren, die hohe Unzufriedenheit bei hoher Bedeutung aufwiesen. Aus diesem Grund wurde auf Basis des Ratingwertes eine Rangreihe gebildet. Tabelle 6-13 zeigt die nach dem Unzufiiedenheitsrating zehn wichtigsten Aspekte im Fall Nanosurf im Wortlaut der Befiagung. Die Prioritatenliste stelh ein Ranking iiber die gesamte Vertriebsorganisation dar. Die Bildimg und Zuordnung zu inhaltlichen Feldem wurde gemeinsam mit den Distributoren vorgenommen und diente der Bildung von Workshop-Gmppen.
iRang
Ratingwert
Inhaltliches Feld
1 Infonnation about competition, market and customers provided by Nanosurf.
11.92
Information and Communication
2 Nanosurf support during local price wars.
Aspekte der Zusammenarbeit
11.56
Financial Issues
3 Extent to which the distributor is allowed to fulfill special customer requests.
11.43
Sales-Organization
4 Sharing ofjoint projects costs (fairs and expositions, intemetsite, special offers etc.).
10.54
Financial Issues
5 Customer financing programs (including leasing and prefinancing).
10.36
Financial Issues
6 Targeting new customer segments.
10.35
Sales-Organization
7 Financial reporting, required by Nanosurf (Sales forecasts etc.).
10.12
Infonnation and Communication
8 Customer and market-related information, demanded by Nanosurf
10.01
Information and Commimication
269
Vertriebsgestaltung des Herstellers 9 Nanosurf responding and reacting time if problems concerning customer services occur (complaints, reclamations, warranty claims). 10 Clearness of responsibilities and number of persons responsible for your requests. Tabelle 6-13:
9.94
Sales-Organization
9.85
Sales-Organization
Aspekte der Zusammenarbeit in der Rangreihe ihrer Ratingwerte
Entwicklung von Losungen in gemeinsamen Workshops Die in Tabelle 6-13 gezeigten Aspekte der Zusammenarbeit wurden zunachst den Distributoren prasentiert, erlautert und diskutiert. Bereits an dieser Stelle zeigte sich die Betroffenheit der Beteiligten, die unmittelbar damit begannen, Details und Ursachen fiir die Schwierigkeiten zu erortem. Um LSsungen strukturiert und zielorientiert diskutieren und entwickeln zu konnen, wurden die Aspekte - wie bereits erwahnt - zu inhaltlichen Feldem zusammengefasst und Workshop-Teams gebildet, die jeweils ein inhaltliches Feld bearbeiteten. Die Workshop-Teams wurden durch Selbstzuordnung der Distributoren gebildet, jedem Team wurden zu Moderations- und Dokumentationszwecken zwei Mitarbeiter der Zentrale zugewiesen. Insgesamt wurden drei inhaltliche Felder und entsprechend drei Teams gebildet: „Sales-Organization", „Financial Issues" und „Information and Communication" (s. Abbildung 6-30). RANKING BY DIS-SATISFACTION AND IMPORTANCE
namSurf 11nformation about competition, market and customers provided by Nanosurf 2 Nanosurf support during local price wars. 3Extent to which the distributor is allowed to fulfill special customer requests. 4Sharing of joint projects costs (fairs and expositions, intemetsite, special ofters etc.). 5 Customerfinancingprograms (including leasing and prefinancing). e Targeting new customer se^ents. 7Financial reporting, required by Nanosurf (Sales forecasts etc.). SCustomer and marttet-related information, demanded by Nartosurf. 9 Nanosurf responding and reacting time if problems conceming customer services occur (complaints, reclamations, warranty claims). 10 Clearness of responsibilities and number of persons responsible for your belongings at Nanosurf.
11.917 Information & Communication 11.563 ^ H ^ n n ^ ^ H 11.432 10.542 10.364 10.349
l|M
^HHH
II^H Bll^^
10.118 Infonmation & Communication 10.012 Information & Communication 9.941
9.846
^^1 •HH
DISTRIBUTORS SEE POTENTIAL FOR IMPROVEMENT AT INFORMATION. FINANCE AND ORGANIZATION
THREE TEAMS, EACH WORKING ON ONE TOPIC
Abbildung 6-30: Prasentationsfolie bei der Teambildung fur Workshops
Aufgabenstellung fUr die Teams war es, die Probleme in ihrem inhaltlichen Feld und deren Auswirkungen genau zu beschreiben, Beispiele zu nennen und Losimgen zu entwickeln. Als Ergebnis soUten die Distributoren jeweils drei Powerpointfolien vor
!
270
Kapitel 6
den anderen Gruppen prSsentieren aus denen die Problemlage, die Beispiele und entwickelte LdsungsansStze ersichtlich wiirden. Ergebnisse der Workshops In den Workshops stellte sich heraxis, dass zunSchst eine weitere inhaltliche Konkretisienmg der einzelnen Probleme vorzunehmen und eine weitere Auswahl zu treffen war. Teilweise bestanden bei einzelnen Distributoren keine konkreten Erfahningen mit einem Aspekt der Zusammenarbeit, es wurde ihm keine Bedeutimg zugemessen oder aber Aspekte wurden ftlr nicht lOsbar gehalten. So gestanden Vertriebspartner ein, dass kein wirklicher Preiskampf in ihren Markten herrsche und ihnen bewusst sei, dass Nanosurf keine voUstandigen MessestSnde fiir Distributoren finanzieren konne. Jede Gruppe grenzte somit ihren Problemkreis weiter ein. Zur Verbesserung der Zusammenarbeit wurden als Ergebnis der Workshops insbesondere folgende Ans^tze vorgesteUt: • Unteriagen und Inforaiationen zur Verkaufsuntersttttzung, • Intemetportal zur besseren Information der Distributoren, • systematischer Umgang mit technischen Spezialanfragen, • tfberarbeitung von Inhalten und Umfang des Reportings. In den folgenden Absatzen werden die einzehien AnsStze imd ihre spStere inhahliche Ausgestaltung vorgestellt und diskutiert. Weitere AnsStze wurden zwar diskutiert, aber im Untemehmen bisher nicht weiter verfolgt oder gelost. Dazu gehoren Finanzierungsmodelle fUr Kunden, Kostenbeteihgungen bei gemeinsamen Projekten und die landerspezifische Unterstiitzung beim Erschliessen neuer Kundensegmente. Die „Unklarkeit von Verantwortlichkeiten" (s. Tabelle 6-13, S. 269; „Rang 10") wurde ebenfalls von der weiteren Analyse ausgeschlossen, da aus Sicht des Herstellers die Effekte der kurz vor dem Distributorenmeeting vorgenommenen Reorganisation in der Zentrale noch nicht abzuschStzen waren. 6.5.2.3 Planung und Umsetzung von L6simgen 6.5.2.3.1 Informationen zur Verkaufsuntersttttzung Im Bereich des Informationsaustausches wurde ein grosser Spielraum fUr Verbesserungen gesehen. Distributoren forderten von Nanosurf die Aufbereitung und Bereitstellung verkaufsunterstutzender Informationen und Unteriagen (s. Tabelle 6-13, S.
Vertriebsgestaltung des Herstellers
271
269; „Rang 1"). Dazu geh5ren einerseits aktuelle Dokumentationen und Handbiicher zu den angebotenen Produkten, andererseits aber auch Informationen zu Wettbewerbem, Wettbewerbsprodukten, Kunden imd Kundenanwendungen. Handbucher und Sales CD Trotz des Bestrebens der Nanosurf AG nach besonders einfachen Bedienungskonzepten, bleiben Rasterkraft- und Rastertunnel-Mikroskope technisch anspmchsvoUe GerSte. Die Verkaufer in den Vertretungen miissen genau wissen, welche Bediirfhisse die Nanosurf-Produkte erfiillen, damit die richtigen potentiellen Kunden angesprochen werden k5nnen. Dazu benStigen sie ausfuhrliche Kenntnisse tiber die Produktspezifikationen, -eigenschaften und -anwendungen. Bisher wurden Fragen zu technischen Details insbesondere durch den technischen Support beantwortet, der von einem Mitarbeiter als Nebentatigkeit iibemommen wurde. Aufgrund der eingeschrankten personellen Ressourcen war es nicht mSghch, Anfragen immer zeitnah zu beantworten. Daher hat die Nanosurf AG einerseits die personellen Ressourcen im Support der Distributoren erhoht und andererseits durch schriftliche Unterlagen wie Handbucher und eine „Sales CD" die Moglichkeit geschaffen, unmittelbar auf benotigte Informationen zuzugreifen. Die Handbiicher werden Distributoren und Kunden bereits in verschiedenen Sprachen zur VerfUgung gesteUt. Die Sales CD, auf der Neuigkeiten und Produktinformationen enthalten sind, wird zweimal jahrlich an die Distributoren versandt. Wetthewerbsinformationen Die Distributoren bemangelten die fehlende Information tiber Wettbewerber, deren Produkte und die Vor- und Nachteile dieser im Vergleich zu Nanosurf. Sie wtinschten sich daniber hinaus eine Argumentationsliste, die ihnen Ansatzpunkte fiir ein erfolgreiches VerkaufsgesprSch gibt. Nach ihrer Aussage stellen Konkurrenten ihren Distributoren bereits technische Argumentationshilfen zur Verfiigung, die wichtige technische Details und tiberlegene Funktionen im Vergleich zu Konkurrenzprodukten aufzeigen. Hierdurch werden fehlende technische Kenntnisse der Distributoren ausgeglichen und der Verkauf wesentlich erleichtert. Nanosurf hat diesbeziiglich bereits Aktionen untemommen. Zunachst wurden Dokumentationen mit wichtigen Untemehmensinformationen zu Wettbewerbem, zu deren Produktportfolio und den Marktanteilen erstellt. Ebenso konnte eine qualitative Argumentationshilfe erarbeitet werden, die Vorteile und Abgrenzimgen der NanosurQ)ro-
272
Kapitel 6
dukte im Vergleich zur Konkurrenz sowie die Verkaufsargumente der Konkurrenz aufzeigt, soweit diese bekannt sind (s. Abbildimg 6-31, S. 272).
nanoSurf >s?!
Information on the Competition
Nanoplcs 2100
• Scan range from 500nm to 800pm • Self-sensitive cantilever (no laser adjustment) • patented Sample Scan Mode (float & dive) Scans tip
seaooo
nen-MpT
%M
Abbildung 6-31: Auszug aus der Prasentation zu Wettbewerbsinforaiationen
Noch nicht fertig gestellt sind quantitative Argumentationhilfen zu einzelnen Produkten. Hierzu mtissen die eigenen Instrumente und die Konkurrenzinstrumente an identischem Probenmaterial getestet und diese Messungen ausgewertet werden. Ziel ist es, pro Instrument der Wettbewerber eine Vergleichsseite mit Spezifikationen zu erstellen. Jedoch mussen hierzu zunSchst Kunden gefiinden werden, die solche Messvergleiche mit ihren KonkurrenzgerSten zulassen. Auf Basis der zz. durchgeftihrten Testergebnisse sollen die qualitativen Argumentationshilfen um quantitative Messergebnisse erweitert werden. Referenzlisten und Success Stories Nanosurf hat damit begonnen, fUr Distributoren eine Liste mit Referenzen und Success Stories fUr spezielle Kundenanwendungen zusammenzustellen. Distributoren berichten, dass der Konkurrent Alcatel bereits ein regelm^ssiges „Information Bulletin" ftir seine Vertriebspartner zusammenstellt. Nanosurf hat sich dazu bereit erklart, ein eigenes Bulletin zu verschicken, wenn neue Informationen verfugbar sind (Befragung Nanosurf I, s. Tabelle 2-3, S. 37). Die Distributoren sollten hierzu Informationen und Success Stories an Nanosurf senden, die von diesen regelmSssig an die anderen Distributoren weitergeleitet und ggf auf weiteren Distributorenmeetings vorgestellt werden.
273
Vertriebsgestaltung des Herstellers
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Success Story: DFM-CYTO-ANALYSIS PU Berlin. Mtd. Physlk uml Lastfrntdlzin
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Abbildung 6-32: Auszug aus der Prasentation der „Success Story FU Berlin"
Leider blieben zahlreiche Versuche in diese Richtung bisher weitgehend erfolglos, da Nanosurf nur wenige Informationen aus den Markten erhielt. Kimdenuntemehmen, so z. B. Forschungsinstitute und -labors woUen vielfach ihre Arbeitsmethoden geheim halten und sind nicht bereit, den Einsatz ihrer Messinstrumente bekannt zu geben. Eine Referenzliste konnte aus diesem Grunde bisher nicht erstellt werden. Auch Success Stories wurden nur von wenigen Distributoren zur Verfugung gesteUt, weil auch hier die Vertraulichkeit gegentiber den Kunden gewahrt werden musste, die die Nutzung von Nanosurf-Produkten als eigenen Konkurrenzvorteil begreifen und Anwendungsinformationen haufig nicht weitergeben woUen. Abbildung 6-32 zeigt einen Auszug aus der Success Story bei der Freien Universitat Beriin, die eine spezielle Anwendung der Nanosurf-Produkte nutzt. 6.5.2.3.2 Intemetportal fiir Distributoren Um die einzelnen Informationen zu Produkten, Kunden und Wettbewerbem integriert bereitzustellen und im Vergleich zur Sales CD eine noch hohere Aktualitat zu erzielen, die insbesondere auch fiir Software-Updates und Neuentwicklungen von Bedeutung ist, hat man sich dazu entschieden, ein geschtitztes Intemetportal fur Distributoren einzurichten (s. Tabelle 6-13, S. 269; „Rang 1"). Dieses Portal soil in Zukunft auch fur den Austausch zwischen den Distributoren genutzt werden konnen. Durch die Ausrichtung auf die spezifischen Informationsbediirfhisse der Distributoren werden die lokale Kompetenz und damit die Verkaufe erhoht. Inhalte, die fiir ein solches Informationsportal vorgeschlagen wurden, sind:
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Kapitel 6
• Monatlicher Newsletter mit aktuellen Entscheidungen und Neuprodukt- und Produktweiterentwicklungen von Nanosurf, • Wettbewerbsticker mit Informationen ttber Wettbewerber, deren Produkte und Verkaufsaktivitaten, • Success Stories zu Kundenanwendungen, • Dokumentationen und Handbticher zu Produkten und technischen Details, • Software und Software-updates zu den Nanosurf-Produkten, • Diskussionsforum ilber Verbesserungen, zukunftige Produktentwicklungen und Markttrends, • Frequently Asked Questions mit besonderer Benlcksichtigung der Supportfiinktion ftir die unterschiedlichen Produktgruppen. Der Einsatz des Internets ftir den intemen Informationsaustausch wurde bis zum Vertriebstreffen 2003 auf eine Download-Seite mit Fotos von Produkten und Softwarepaketen beschrankt. Die Bereitstellung von Downloadmaterialien wie Software, Dokumentationen und Informationen iiber das Internet wurde deshalb von den Distributoren bisher besonders bemSngelt. Auch wurde eine starkere marktubergreifende Vemetzung von den Distributoren gefordert.
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Abbildung 6-33: Zugriffsgeschfltztes IntemetportalflirDistributoren Die meisten dieser Mangel wurden durch den Einsatz eines selbst entwickelten Internetportals ftir Distributoren behoben. Die passwortgeschiitzte Intemetseite stellt zu den einzelnen Produktlinien verkaufsuntersttitzende Materialien (z. B. Broschiiren, Poster, Bildmaterial), Dokumentationen (z. B. Handbticher, technische Steckbriefe) sowie
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Software, Informationen zu Zubehor und Antworten zu haufigen Fragen bereit. Dartiber hinaus werden monatliche Newsletter veroffentlicht und archiviert, Presseinformationen, Success Stories und Wettbewerbsinformationen bereitgestellt. Eine Losung fur die Kommunikation der Distributoren untereinander in Form eines Forums „Nanosurf Talk" ist in Planung. Nanosurf spricht von einem „Distributorennetzwerk", das starker unterstutzt werden soil und die Distributoren untereinander starker verbindet. Das Teilen der Erfahrungen und der individuellen Problemldsungen wird von Nanosurf aufgrund der technisch anspruchsvoUen Produkte als wichtige Erfolgsgrundlage gesehen. Aber nicht nur die hfihere Professionalitat der Distributoren liefert hierbei einen wichtigen Erfolgsbeitrag. Auch die Dezentralisierung des Wissenstransfers entlastet die zentralen Ressourcen und weitet damit die MGglichkeiten des Supports aus.
6.5.2.3.3 Umgang mit technischen Spezialanfiragen Ein besonders intensiv diskutierter Punkt in der Zusammenarbeit zwischen Nanosurf und den Distributoren ist die Bereitschaft des Herstellers, auf spezielle Kundenanfragen zu reagieren und Sonderl6sungen anzubieten (s. Tabelle 6-13, S. 269; „Rang 3"). Zusatzliche Betriebsarten, individuelle Produktanpassungen, Anpassungen der Software und gemeinsame Entwicklungsinitiativen sind Beispiele fiir Speziallosungen, die von Distributoren gefordert wurden. Es wurde dabei von Distributoren die Meinung vertreten, dass durch technische Modifikationen auch weitere Kundensegmente angesprochen und bedient werden konnten. Nanosurf stand diesen Anliegen in der Vergangenheit sehr kritisch gegeniiber, da hierdurch Komplexitatskosten entstehen, die oftmals bis zu einer Verfiinffachung der Preise ftihren k5nne. Die zentralen Wettbewerbsvorteile der bestehenden Nanosurf Losungen, die insbesondere in der einfachen Anwendung und in den geringen Kosten liegen, werden hierdurch aufgeweicht. Nach eigenen Ermittlungen des Herstellers benotigen die geforderten Spezialanwendungen nicht nur in der Entwicklung zusatzliche Ressourcen. Insbesondere fallen wegen fehlender Standardisierung weitaus hohere Kosten im technischen Support an, denn Spezialanfragen konnen bis zu 80 Prozent der gesamten Supportzeit vereinnahmen. Als Kompromiss hat man sich deshalb dazu entschlossen, nur auf geringe Abweichungen von den Standardl5sungen einzugehen. Um dem dadurch steigenden Supportaufwand Rechnung zu tragen, hat man Handbticher und andere Dokumentationen erstellt
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Kapitel 6
sowie die personellen Ressourcen im Support auf eine voile Mitarbeiterstelle ausgeweitet. Liegen Anwendungsbereiche der Kundenprobleme hingegen weit von den Kemanwendungen der Nanosurfprodukte entfemt, wie z. B. Messungen in Fltissigkeiten anstatt in Luft, werden diese Anfragen nicht realisiert. Auch wenn hierdurch potenzielle Ums^tze verloren gehen, bildet diese Entscheidung nach Einschatzung Nanosurfs die Basis f!ir die nachhaltige Profitabilitat des Wachstums. An dieser Stelle wurde eine weitere strategische Entscheidung getroffen: Spezialanfragen werden bei Nanosurf in Zukunft systematisch erfasst und bei der Haufung eines Bedarfs in bestimmten Anwendungsfeldem an die Entwicklungsabteilung weitergegeben. Hier konnen Aufwand und Potenziale abgeschStzt werden. 1st man der Meinung, dass ganze Marktsegmente mit einer Ldsung bedient werden kQnnen, wird man ggf. den Entwicklungsaufwand investieren.
6.5.2.3.4 Neukonzeption des Reportings Zu Planungszwecken in Produktion und Marketing soUen Distributoren bei Nanosurf quartalsweise einen ,JDistributor's report" erstellen und iibermitteln. Diese Reporte enthalten u. a. wichtige Informationen iiber Kunden, Kundenbediirfiiisse, Werbeinitiativen, kuTzfristige Verkaufsplanxmg, Konkurrenz und Marktlage des jeweiligen Distributors. Im bisherigen Reporting mussten Distributoren Informationen zu zwolf verschiedenen inhaltlichen Bereichen erstellen. Diese Informationswiinsche des Herstellers werden von Distributoren als unverhaltnismassig hoch eingeschStzt. In der Vergangenheit fuhrte dies dazu, dass Distributoren die Reportings nicht oder nur unvollstSndig erstellten. Im ersten Quartal des Jahres 2003 wurde schliesslich trotz mehrmaliger Ermahnung von nur drei Distributoren ein Reporting bei Nanosurf eingereicht. Die hieraus resultierende fehlende Aussagekraft sowie die Unzufriedenheit der Distributoren (s. Tabelle 6-13, S. 269; „Rang 7") bestarken die Notwendigkeit einer Veranderung der bestehenden Vorgehensweise. Einige Distributoren kritisierten, dass die bendtigte Zeit zum Ausfullen des quartalsweise geforderten Reportings zu hoch sei. Insbesondere die Erfassung und schriftliche Beschreibung der Aktivitaten von Kunden und Wettbewerbem erzeuge lokal einen verhaltnismassig grossen Aufwand. Man entschloss sich deshalb dazu, das Reporting in Inhalt und Umfang zu iiberarbeiten. Nanosurf erklarte sich bereit, das Format des Reportings nach Massgabe der Vorschlage der Distributoren zu verSndem.
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Vertriebsgestaltung des Herstellers
Dazu wurden die inhaltlichen Informationskategorien iiberarbeitet und von 12 auf 10 Kategorien reduziert (s. Abbildung 6-34). Der von den Distributoren beschriebenen Schwierigkeit, die qualitativen Kunden- und Wettbewerbsinformationen schriftlich festzuhalten und fur Nanosurf brauchbar zu iibemiitteln, wurde durch den Wechsel des verwendeten Mediums erreicht. Informationen zu Kundenbedtirfhissen, Neuproduktvorschlage und Wettbewerbsaktivitaten werden nach der neuen Vorgehensweise nicht mehr schriftlich ubermitteU. Stattdessen werden die Distributoren von Nanosurf telefonisch kontaktiert und zu den entsprechenden Informationskategorien befragt. Dieser vermehrte personliche Kontakt tragt ebenfalls zu einer Verbesserung der Beziehung bei. Die Anzahl der schriftlich zu ubermittelnden Informationskategorien wurde damit von 12 auf 6 halbiert. Der zeitliche Aufwand fur Distributoren sinkt im Vergleich zu vorher hingegen auf ca. ein Drittel, da der iiberdurchschnittliche Aufwand fur die schriftliche Formulierung der qualitativen Informationen wegfallt. Die Veranderung des Vorgehens wird sowohl aus Sicht des Herstellers als auch aus Sicht der Distributoren als voUer Erfolg angesehen. Ftir den Hersteller hat sich die Verftigbarkeit und die Qualitat der Informationen erhoht, wahrend Distributoren ihren Aufwand zur Erstellung des Reportings senken konnten. I Altes Reporting | -
Reporting 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12.
General information Customer Contacts (this infonrtation is for Nanosurf only) Short tenD sales forecast (this infbmnation is for Nanosurf only) Lost sales (this infbnnation is for Nanosurf only) Customer's need, instmmental improvements and new product ideas (infomiation shared with other distributors) Contact with old Nanosurf customers (infonnation shared with other distributors) Promotional and advertising activities (infomnation shared with other distributors) Exhibitions, trade fairs, symposiums, conferences (infomiation shared with other distributors) Marketing activities (information shared with other distributors, part is published on the intemet) Competitor observations (infomiation shared with other distributors) Market information (information shared with other distributors) Other (infonnation shared with other distributors)
[Neues Reporting[-
ys?! Reporting 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Fororarder Customer contacts (this infonnation is for Nanosurf only) Contact after 6 months of sale for customer satisfaction Qhis information is for Nanosurf only) Short term sales forecast (this information is for Nanosurf only) IMPORTANT Short term marketing forecast activities (fairs, exhibitions., is published on our homepage) Your publications and advertisements from last quarter
To be regularly requested by phone in future: 7. 8. 9. 10.
Customer's need, instrumental improvements and new product ideas Exhibitions, trade fairs, symposiums, conferences taken part in the last quarter Competitor observations Market information
nanoSurf
Abbildung 6-34: Inhalte des alten und neuen quartalsweisen Reportings
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6.5.2.4
Kapitel 6
Kontrolle und weiteres Vorgehen
Auf dem Distributorenmeeting im Jahre 2003 wurden Schwerpunkte ftir Verbesserungen festgelegt und erste LOsungsansStze vorgeschlagen. Die Detailplanimg und die Umsetzung der Vorschlage wurden im Laufe des Geschaftsjahres 2003/2004 beim Hersteller in Gang gesetzt. Im Jahr 2004 wurden die L6simgen in Form eines Zeitvergleiches beurteilt. Allerdings wurden hierzu keine quantitativen Vergleichsgr6ssen herangezogen, sondem eine qualitative Beurteilung durch die Distributoren auf dem Distributorenmeeting 2004. Es zeigten sich bereits erste Erfahrungen mit der Umsetzung der Massnahmen und deren Erfolg. Zum Teil gaben Distributoren Vorschlage fiir die Weiterentwicklung der L6sungsansatze, so wurden z. B. weitergehende Wettbewerbsanalysen gefordert. Auch Nanosurf prSsentierte weitere Ansatzpunkte ftir die Professionalisierung der Vertriebsorganisation, so z. B. durch weitere personelle VerSnderungen im Support der Distributoren, der Konzeption von Bewertungskriterien fiir Distributoren und durch die Verdopplung des zentralen Aufwandes bei der Bereitstellung von Applikationen auf dem Intemetportal fiir Distributoren. Eine emeute Beurteilimg und Weiterentwicklung ist fiir das Distributorenmeeting im Jahr 2005 geplant.
6.5.2.5
Zusammenfassung und Ausblick zur Fallstudie
Der Fall der Nanosurf AG zeigt Ansatzpunkte fiir die Verbesserung der Zusammenarbeit mit Distributoren imter der Berttcksichtigung knapper Ressourcen. Der Weg tiber Distributoren erdf&iete dem High-tech Untemehmen die M5glichkeit, schnell und effizient in den Besitz intemationaler MarktprSsenz zu gelangen. Der Engpass an produkt- und organisationsbezogenem Wissen der Distributoren konnte durch verschiedene Informationsansatze abgebaut werden. Dank der komfortablen Margenstruktur und dem eher geringen Wettbewerb war es somit m5glich, fiir Distributoren ein attraktiver Zulieferer zu werden. Bei weiter steigenden VerkSufen wird das Untemehmen in grossen MSrkten allerdings vermutlich an die Grenze der DistributorenlSsung stossen. Dr. Robert Simi und Dr. Loris Scandella gehen davon aus, dass sich ab einem Umsatzvolumen von ca. 2 Mio. CHF in einem Markt tiber den Aufijau einer eigenen Niederlassung nachgedacht werden muss. In manchen Markten wird diese Schwelle wohl bald erreicht sein. Aus der Zusammenarbeit mit eigenen Tochtergesellschaften resultieren fiir das Untemehmen neue Herausforderungen.
Vertriebsgestaltung des Herstellers
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In Zukimft will Nanosurf seine Anstrengungen im wichtigen Marktsegment der industriellen Anwendung verstarken. Hier konnen die bereits mit Distributoren diskutierten Finanzierungs- und Leasingl5sungen eine neue Bedeutung erhalten. Denn in diesem Segment spielen steuerliche Aspekte und Wirkungen auf das Umlaufverm5gen bzw. die Kapitalbindungskosten des UmlaufvermSgens eine sehr viel hohere RoUe als im Segment der Universitaten und universitatsnahen Forschungslabors. Aus der neuen Schwerpunktsetzung bei den bearbeiteten Segmenten kSnnen deshalb unmittelbar neue Anforderungen fiir die Zusammenarbeit folgen. Dies gilt vermutlich auch fiir Bestrebungen asiatischer Distributoren, die eine Erschliessung neuer Kundensegmente fiir ihre MSrkte fordem. SoUte sich Nanosurf hierzu entschliessen, sind ebenfalls Anpassungen in der von Distributoren ben6tigten Unterstutzimg zu erwarten. Die regelmSssigen Feedbacks und Diskussion von Losungen auf den Distributorentreffen der Nanosurf AG bilden eine gute Grundlage fiir diese kontinuierliche Anpassung und fur eine nachhaltige Professionalisierung der Zusammenarbeit in der intemationalen Vertriebsorganisation.
6.5.3 Die Callus Ferd. Rtiesch AG: Vertriebsgestaltung im Mittelstand Die Fallstudie Gallus Ferd. Rtiesch AG zeigt, wie ein mittelstandisches Untemehmen mit einer gewachsenen Organisationsstruktur vorgeht, um die Zusammenarbeit mit Tochtergesellschaften, kooperativ genutzen Vertriebsgesellschaften und unabhangigen Distributoren zu gestalten. Besondere Schwerpunkte der Fallstudie liegen bei der Bereitstellung kunden- und wettbewerbsbezogener Informationen (s. auch Absatz 6.3.7.1, S. 212 ff.; Absatz 6.3.8.1, S. 231 ff), der Gestaltung und Sicherstellung von Margen und Transferpreisen (s. auch Absatz 6.3.7.2, S. 215 ff; Absatz 6.3.4.2, S. 184 ff) sowie bei der Entwicklung von verkaufsunterstiitzenden Finanzierungsprogrammen fiir Kunden (s. Absatz 6.3.7.1, S. 212 ff). 6.5.3.1
Ausgangslage bei Gallus Ferd. Rtiesch
Die Gallus Ferd. Rtiesch AG wurde im Jahr 1923 gegrtindet und ist mit ca. 500 Mitarbeitem ein mittelstandisches Untemehmen der grafischen Industrie mit Hauptsitz in St. Gallen, Schweiz. Das Untemehmen entwickelt, produziert, vertreibt und unterhSlt Dmcksysteme fiir die weltweite Etikettendmckindustrie. Entwicklung und Produktion befmden sich an den beiden Hauptstandorten in St. Gallen und Langg6ns-0berkleen, Deutschland. Mit einem Umsatz von etwa 120 Mio. EUR pro Jahr ist Gallus Welt-
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Kapitel 6
marktfuhrer in diesem Bereich. Der weltweite Marktanteil von Gallus betragt etwa 30 Prozent. Seit 1999 halt die Heidelberger Druckmaschinen AG aus Heidelberg, Deutschland, nmd 30 Prozent des Eigenkapitals an der Gallus Holding AG. Die Heidelberger Druckmaschinen AG ist WeltmarktfUhrer fUr LSsungen in der Pre-Press-, Press- und Post-Pressindustrie. Die beiden Untemehmen kooperieren in den Geschaflsbereichen Marketing, Vertrieb und Technologic. Produkte und Kunden des Uniernehmens Die Gallus-Gruppe spricht mit ihrem Produktportfolio derzeit vor allem die Etikettendruckindustrie an und steht nach eigenen Angaben in diesem Segment weltweit fur Qualitat und Innovation. Die modulare Bauweise der Gallus-Druckmaschinen ermoglicht flexible EinsatzmSglichkeiten auch fur Spezialsegmente des Verpackungsdrucks (z. B. Faltschachteln). Im Markt der Etikettendrucker erhohte sich in den letzten Jahren der Kostendruck. Einerseits fuhren Zusammenschltisse und Insolvenzen zu einer starkeren Konzentration des Marktes. Andererseits sehen sich die Etikettendrucker zunehmend mit kleiner werdenden Auftragsgr6ssen bei ktirzeren Lieferfristen konfrontiert. Hierdurch schwinden Skaleneffekte und die stUckbezogenen Riistkosten steigen. Der Margendruck fiihrt bei vielen Anbietem zu einer hohen Unsicherheit iiber die Zukunfl des Geschaftes. Auch fmdet in der nachgelagerten Marktstufe eine Intemationalisierung statt, die vor allem durch die Abnehmer der Etiketten getrieben wird. Insbesondere Markenartikelhersteller suchen die Zusammenarbeit mit intemationalen Etikettendruckem, die global tatig sind, aber gleichzeitig die lokale Versorgung sicherstellen kdnnen. Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, hat Gallus Drucksysteme entwickeh, die durch geringe Makulatur, kurze Einrichtzeiten und geringe Ausfallzeiten auch fur kleine Auflagen eine rentable Produktion ermoglichen. Gallus versucht damit einen Beitrag zu leisten, um die Wertschopfungskette ihrer Kunden zu optimieren. Internationale Vertriebsorganisation Die Gallus-Gruppe ist schon seit Jahrzehnten international tatig und belieferte bereits im Jahre 1955 die ersten Kunden in Grossbritannien. Durch die Kooperation mit der Heidelberger Druckmaschinen AG im Jahr 1999 hat der Begriff Intemationalitat bei Gallus eine neue Dimension erhalten. Heidelberger ermoglicht der Gallus-Gruppe, auf
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Vertriebsgestaltung des Herstellers
ein globales Vertriebsnetz der grafischen Industrie zuruckzugreifen und in neue Markte hineinzuwachsen. Zz. setzt die Gallus Ferd. Riiesch AG fur die intemationale Marktprasenz verschiedene Vertriebsforaien ein. In wichtigen Markten, in denen das Untemehmen bereits seit vielen Jahren prasent ist, existieren eigene Vertriebsgesellschaften. Dank der Kooperation mit dem Untemehmen Heidelberg ist Gallus nun auch in starken Wachstumsmarkten wie Osteuropa und Asien prasent. In anderen Markten greift man hingegen nach wie vor auf unabhangige Distributoren zurtick. Abbildung 6-35 zeigt die von der Gallus Ferd. Riiesch AG genutzte weltweite Vertriebsorganisation. Das Untemehmen ist vor allem in Westeuropa, Australien und den USA mit eigenen Tochtergesellschaften und Vertretungen tatig. Die Marktregionen Osteuropa, Lateinamerika, Afrika, Naher Osten und Asien werden hingegen durch Vertriebspartner der Heidelberger Dmckmaschinen abgedeckt.
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Abbildung 6-35: Weltweite Vertriebsorganisation bei Gallus Ferd. Ruesch
Seit dem Jahr 2001 besitzt Gallus Regionalzentren, so genannte „Hubs" fur die vier Wirtschaftsraume „Zentraleuropa", „Osteuropa, Mittlerer Osten und Afrika", „AsiaPacific und Lateinamerika" sowie „Nordamerika". In den regionalen Hubs konnen Entscheidungen fur Regionen angepasst und landerubergreifend pro Region Aktivitaten und Ressourcen gebtindelt werden. So k5nnen z. B. Vorfuhrmaschinen regional bereit gesteUt werden, wodurch erst moglich wird, dass Gallus weltweit Etikettendmckmaschinen vorfiihren kann. Ebenso bietet Gallus den Kunden regional an, Ma-
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Kapitel 6
schinenoperateure auszubilden. Zudem wird es leichter, die First Level Support Strategie umzusetzen. Eine hohe technische Kompetenz wird in den Regionalzentren gebtindelt. Um die Risiken bei der Neuinstallation von komplexen Drucksystemen zu reduzieren, werden Mitarbeiter aus der Vertriebspartnerorganisation zu lokalen technischen Spezialisten ausgebildet, was ebenfalls auf regionaler Ebene erfolgen kann. 6.5.3.2 Diagnose der Zusammenarbeit In der Sitzung des Verwaltungsrates der Gallus Gnippe im November 2003 wurde beschlossen, die Vertriebsorganisation und insbesondere die Zusammenarbeit mit den Vertriebsgesellschaften der Heidelberger Druckmaschinen AG auf den Priifstand zu stellen. Ziel war es, Potenziale aufzudecken und Verbesserungen vorzunehmen, da eine effektive Vertriebsorganisation bei Gallus als eine der wichtigsten strategischen Ressourcen im intemationalen Wettbewerb gesehen wird. Vorgehensweise bei der Diagnose Klaus Aarestrup, Leiter Marketing und Vertrieb bei Gallus, wurde mit der Aufgabe betraut, Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnem zu identifizieren und Ansatze zu deren L5sung vorzuschlagen. Die Ergebnisse und mogliche Losungsansatze soUten bereits auf der nSchsten Verwaltungsratssitzung im August 2004 vorgestellt werden. Klaus Aarestrup entschloss sich zu einer standardisierten Befragung, um die Meinungen mCglichst aller Vertriebspartner erfassen zu k5nnen. Zunachst wurde in mehreren intemen Workshops in der Zentrale ein Fragebogen mit samtlichen Aspekten erstellt, die fiir die Zusammenarbeit wesentlich erschienen. Der Fragebogen wurde vor dem Versand durch Vertriebspartner aus den verschiedenen Regionen getestet imd ausfUhrlich beurteilt. Dadurch konnten imklare Formulierungen aufgedeckt und im Fragebogen abgeSndert werden. In der endgiiltigen Version des Fragebogens mussten die Befragten einschStzen, wie hoch ihre Zufiiedenheit mit bestimmten Aspekten der Zusanmienarbeit ist, welche Bedeutung sie diesem Aspekt beimessen und ob Gallus sich diesbeztiglich innerhalb der letzten 12 Monate verbessert hat oder nicht. Der englischsprachige Fragebogen wurde im Mai 2004 elektronisch an 82 Vertriebspartner versandt. Es nahmen sowohl Vertriebsgesellschaften der Heidelberger Druckmaschinen AG, eigene Tochtergesellschaften und unabhSngige Distributoren an der Befragung teil. Nach einer schriftlichen Aufforderung durch Klaus Aarestrup und einer telefonischen Nachfassaktion konnten schliesslich 61 Vertriebspartner zu einer
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Vertriebsgestaltung des Herstellers
Antwort bewegt werden, was immerhin einer Rucklaufquote von 73 Prozent entspricht. Bei den meisten Befragten handelte es sich um lokale Geschaftsftihrer und Vertriebsleiter. Die Daten wurden anschliessend einem Plausibilitatscheck unterzogen und mit Hilfe eines zuvor erstellten Auswertungsplanes analysiert. Nach der Prasentation der Ergebnisse vor dem Verwaltungsrat erhielten schliesslich samtliche Mitglieder der intemationalen Vertriebsorganisation ein knappe Zusammenfassung. Ergebnisse der Untersuchung Das Ergebnis der Befragung umfasste die Beurteilung samtlicher Aspekte der Zusammenarbeit aus Sicht der Vertriebspartner. Abbildung 6-36 (S. 283) zeigt als zentrales Analyseergebnis ausgewahlte Aspekte der Zusammenarbeit und deren Bewertung aus Sicht der Vertriebspartner im Wortlaut der Untersuchung. Bei der Befragung wurden insgesamt 49 Aspekte beurteilt und einer Analyse unterzogen. An dieser Stelle wird der Fokus auf kritische Aspekte gelegt, die Ansatzpunkte fur eine Verbesserung darstellen. Aus Vertraulichkeitsgriinden wird darauf verzichtet, die absoluten Werte in Bezug auf Zufriedenheit, Bedeutung und Entwicklung anzugeben. Die relative Darstellung der Aspekte in Abbildung 6-36 (S. 283) fuhrt jedoch zu den gleichen Handlungsimplikationen.
gallus Zufriedenheit
Legende: Anteil der Vertriebspartner, die lauben, dass sich Gallus in en letzten 12 Monaten Sverijessert hat:
Gering
Gering
Bedeutung
% Weniger als 40 % ^ Zwischen 40 und 60 % O Mehr als 60 %
Anm. d. Verf.: Aus VertraulichkeitsgrOnden wurden die Bezeichnung im Diagramm anonymisiert. Issues waren z. B.: .Martlet inforniation', .Incentive programs", .Technical and commercial training", .Credit policies", .Sales growth potential of products", .Hamionizing international prices", .Fairness and honesty", .Transfer prices", .Profits from products", .Customer financing programs" und .IT-support".
Abbildung 6-36: Ausgewahlte Aspekte der Zusammenarbeit bei Gallus
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Eine besonderer Stellenwert kommt den Finanzieningsprogrammen fur Kunden zu, denn bei diesem Aspekt ist eine hohe Bedeutung ist mit niedriger Zufriedenheit der Vertriebspartner gekoppelt. Weniger als 40 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass sich Gallus in den letzten 12 Monaten in Bezug auf angebotene Finanzienmgsprogramme verbessert hat. Die beiden Aspekte „Transferpreise" und „Profitmargen" hangen inhaltlich zusammen und zeigen Shnliche Ergebnisse, da die Hohe der Transferpreise bei einem gegebenem Verkaufspreis die Marge bestimmt. Bei beiden Aspekten besteht eine Unzufriedenheit bei gleichzeitig hoher Bedeutung fiir die Vertriebspartner. Nur wenige Vertriebspartner sehen Verbesserungen in den letzten 12 Monaten. Dagegen wird bei Gallus bereits seit einiger Zeit an einer verbesserten intemen Kommunikation mit den Vertriebspartnem gearbeitet. In diesem Rahmen wurden z. B. Wettbewerbs- und Kundeninformationen bereitgestellt, die durch eine weltweite Marktbefragung erhoben worden waren. Obgleich sich aus Sicht der Vertriebspartner bereits Verbesserungen eingestellt haben, soil die Versorgung der intemationalen Verkaufs- imd Serviceorganisation mit marktbezogenen Informationen weiter verstarkt werden. Mit den drei weiteren in Abbildung 6-36 (S. 283) genannten Aspekte des „Verkaufspotenzials der Produkte", des „technischen und betriebswirtschaftlichen Trainings" sowie der ,J^aimess und Ehrlichkeit" des Herstellers Gallus besteht aus Sicht der Vertriebspartner eine vergleichsweise hohe Zufriedenheit. Diese Aspekte benotigen somit derzeit keinerlei Veranderungen. Bei Gallus wurden deshalb die drei Aspekte ,3ereitstellimg von Marktinformationen", „Transferpreise imd Margen der Produkte" und „Finanzierungsprogramme fur Kunden" weiter verfolgt, irni eine bessere Zusammenarbeit zu erreichen.
6.5.3.3
Planung und Umsetzung von Ldsungen
6.5.3.3.1 Bereitstellung von Marktinformationen Die Bereitstellung von marktbezogenen Informationen, insbesondere in Bezug auf Kunden imd Wettbewerb, wurde im letzten Jahr bereits weitgehend verbessert. Die Leiterin des Bereiches Marktkommimikation, Gerda Gerschwiler ftihrte intemationale KundenbefiBgungen durch. U. a. wurden ftir die Unterstutzung der Vertriebspartner „Sales Kits" entworfen, die eine bessere Kundenbetreuung ermoglichen. Dazu gehoren Massnahmen im Bereich der technischen Schulung der Vertriebspartner, es wurde teilweise zusatzliches Personal fur den technischen Support eingestellt sowie die
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schnellere Verteilung von Marketing- und Vertriebsinformationen durch einen Marketing Newsletter sichergestellt. Die Vertriebspartner wiinschen sich dariiber hinaus, Informationen zu Wettbewerbem sowie Vergleichstests und Dokumentation zu Wettbewerbsprodukten bereitgestellt zu bekommen. In der Marketing- und Vertriebsleitung wurde die Bereitstellung umfangreicher Wettbewerbsinformationen kontrovers diskutiert. Man ist sich bewusst, dass die Kenntnis der Wettbewerbsprodukte besonders fiir unerfahrene Vertriebsmitarbeiter eine wichtige Argumentationshilfe bietet. Es konnte jedoch auch sein, dass diese missbraucht wird, um iiber die fehlende Kenntnis der eigenen Produkte abzulenken. Hier sieht der Vertriebsleiter Aarestrup eine Gefahr, denn gerade unerfahrene Vertriebspartner konnen bei der umfangreichen Bereitstellung von Informationen zu den Nachteilen der Wettbewerbsprodukte schnell dazu neigen, sich beim Kunden daniber zu profilieren, dass sie Wettbewerbsprodukte schlecht machen. Der Vergleich zwischen Losungen von Gallus und denen der Konkurrenz steht nach Aarestrup eindeutig den Kunden zu, nicht aber dem Vertriebspartner. Die Profilierung auf Kosten der Konkurrenz faUt nach Einschatzung Aarestrups mittelfiistig allzu leicht wieder auf den Vertriebspartner und damit auf Gallus zuriick. Klaus Aarestrup fuhrt die Unzufnedenheit beziiglich wettbewerbsbezogener Informationen somit zumindest teilweise und insbesondere bei unerfahrenen Vertriebspartnem auf die fehlende Kenntnis von technischen und kommerziellen Vorteilen der GallusLosungen zurtick. Wesentliche Ansatzpunkte liegen demnach nicht nur in der Bereitstellung zusatzlicher Informationen, sondem vor allem in der Ausweitung von Schulungen und technischem Training. Fiir VerkSufer, die wegen unzureichender Kenntnisse bisher nicht in der Lage waren, die Starken der Produkte darzustellen und dariiber zu verkaufen, soUen eigene produktbezogene Schulungen angeboten werden.
6.5.3.3.2 Veranderung von Margen und Transferpreisen Der Hohe der Transferpreise und Profitmargen der verschiedenen Produkte aus Sicht der Zentrale und der Vertriebspartner eine ausgesprochen hohe Bedeutung zu. Dies ist nicht nur der Fall, weil sie direkten Einfluss auf die zentralen und dezentralen CashFlows und Gewinne besitzen. Dariiber hinaus sind Aspekte des Commitments und der Kultur zu beachten. Denn Gallus ist weltweit als hochpreisiger Qualitatsfiihrer positioniert. Die Zentrale sieht deshalb die Kritik am Preisniveau teilweise auch als Mangel an Vertrautheit und Verbundenheit mit den Positionierungszielen des Herstellers.
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Gallus formulierte zur LQsung der Unzufiiedenheit mit Margen und Transferpreisen deshalb zwei verschiedene AnsStze, die zz. ausgearbeitet werden: • „Retrainings": Um die Kenntnisse und Durchsetzung in Bezug auf die Positionierungsziele des Herstellers Gallus zu untersttttzen, sieht man auch hier aktuellen Schulungsbedarf. Es ist ein so genanntes ,^etraining" durchzufUhren, das Vertriebspartner mit geeigneten Kundensegmenten und Verkaufsargumenten vertraut macht, xmi die strategische Positionierung aufrecht zu erhalten. • ,, Open-Book Dialoge": Die hohe Unzufriedenheit mit Margen und Transferpreisen besteht insbesondere bei Vertriebspartnem, die in Schwelleniandem tatig sind. Als mogliche Grttnde fiir die Unzufriedenheit sieht Klaus Aarestrup zu hohe Erwartungen, die z. B. durch ungtinstige lokale Kostenstrukturen zustande kommen kSnnen. Dem kann nach EinschStzung Aarestrup nicht durch standardisierte Massnahmen der Zentrale begegnet werden, sondem bedarf der personlichen Kommunikation. Deshalb hat man sich dazu entschlossen, den Vertriebsgesellschaften so genannte „Open-Book Dialoge" anzubieten. „Open Book" bedeutet, dass beide Partner mit offenen Karten spielen und sich zu emsthaften Diskussionen und Beratungen auf Basis von intemem Zahlenmaterial bereit erklSren. Durch die Kombination der beiden Stossrichtungen versucht Gallus, die Zufriedenheit der Vertriebspartner mit den Transferpreisen und Margen zu erhShen.
6.5.3.3.3 Finanzierungsprogramme fiir Kunden Die hOchste Unzufriedenheit, die bei Vertriebspartnem in der Zusammenarbeit mit Gallus besteht, betrifft fehlende Finanzierungsprogramme fiir Kunden. Wie bereits weiter oben erwahnt, ist Gallus allerdings nicht in der Lage, eigene Kreditprogramme fur Kunden in sSmtlichen Markten anzubieten. Als Alternative kann auch Leasing fur fmanzschwache Kunden eine Hilfe bei der Finanzierung darstellen. Leasing ermoglicht die Wahrung von Liquiditat. Ftir grfissere Kundenuntemehmen stehen hSufig auch die dadurch geringeren Kapitalbindungskosten imd steuerlichen Vorteile im Vordergrund. Klaus Aarestrup sieht LeasinglGsungen fiir eine gute Alternative zur reinen Kreditvergabe. In entwickelten MSrkten arbeitet Gallus bereits mit lokalen Leasinggesellschaften zusammen. Diese kaufen die Maschinen bei Gallus und verleasen diese an die Kundenuntemehmen. Fiir Gallus anderte sich daher fmanziell nichts, jedoch wUrde
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Vertriebspartnem ein wichtiges Verkaufsinstrument an die Hand gegeben, das insbesondere Verkaufe an kleine finanzschwache Kunden fordert. Ein weitaus grSsserer Bedarf und zugleich eine grossere Dringlichkeit der Finanzierungsl6sungen besteht in schwachen Markten wie z. B. Argentinien. In diesen LSndermarkten sind Leasingmodelle nicht mSglich, denn es existieren keine lokalen Leasinggesellschaflen, die Geld zur VerfUgimg stellen. L6sungen fiir die Finanzierung in Landermarkten, in denen keine Leasinggesellschaften bestehen, existieren bislang jedoch nicht.
6.5.3.4
Kontrolle und weiteres Vorgehen
Eine Prasentation der Untersuchungsergebnisse auf der Sitzung des Verwaltungsrates im August 2004 hat ein Bewusstsein fur die Starken und Schwachen von Gallus in der Zusammenarbeit mit Vertriebspartnem erzeugt. Investitionen in die Zusammenarbeit mit Vertriebspartnem wurden hierdurch unterstutzt. Um Verbessenmgen systematisch erfassen, beurteilen und weitertreiben zu k6nnen, sieht man bei Gallus fiir die Zukunft zwei Ansatzpunkte der Kontrolle vor: • Regelmdssige Wiederholung: Die Diagnose soil in regelmassigen Abstanden von zwei Jahren wiederholt werden. Hierdurch werden der Erfolg eingeleiteter Massnahmen erfasst und neue Schwachstellen fmhzeitig identifiziert. Der zeitliche Abstand von zwei Jahren steUt sicher, dass emeute Erhebungen bereits die Wirkungen der Verbesserungsmassnahmen enthalten, die zum Teil mit der Geschaftsleitung abgestimmt werden miissen. • Benchmarking: Klaus Aarestmp will neben dem Zeitvergleich auch ein Benchmarking der Vertriebsorganisation vomehmen. Durch den Vergleich mit anderen Untemehmen kann weiterer Handlungsbedarf identifiziert werden. Zz. werden dazu mSgliche Benchmarking-Partner ermittelt, bewertet und zu einer Teilnahme eingeladen.
6.5.3.5
Zusammenfassung und Ausblick zur Fallstudie
Der Fall Gallus zeigt die Moglichkeiten und Einschrankungen, denen sich Vertriebsverantwortliche im Mittelstand ausgesetzt sehen, wenn sie die Zusammenarbeit in der Vertriebsorganisation verbessem wollen. Finanzierungslosungen sind zum einen nur begrenzt mOglich. Zum anderen bestehen durch klare Organisationsstrukturen und ho-
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Kapitel 6
here Spezialisierung imd Arbeitsteilung formale Anfordenmgen an das Vorgehen und die Entscheidungskompetenzen. Der Einbezug des Verwaltimgsrates und der Geschaftsfuhrung und die damit verbundenen personellen und zeitlich langeren Entscheidungswege kosten Flexibilitat. Andererseits gelingt es dem Untemehmen mit einer hohen Professionalitat vorzugehen um LOsungen zu entwickeln. In Zukunft werden regionale Meetings der Vertriebspartner durchgefiihrt, bei denen die LosungsansStze der Zentrale weiterentwickelt werden sollen. Klaus Aarestrup will damit die Voraussetzung fur eine noch h5here Akzeptanz bei der Umsetzung schaffen und bildet damit die Gnindlage fiir eine hohe Effektivitat der strategisch so wichtigen intemationalen Vertriebsorganisation.
6.5.4 Die BASF AG: Vertriebsgestaltung im Grosskonzem Die Fallstudie BASF Fine Chemicals Europe (RBU FCE) zeigt, wie ein Grosskonzem mit komplexen Organisationsstrukturen vorgeht, um die Zusammenarbeit in seiner europaischen Vertriebsorganisation zu verbessem. Besondere Schwerpunkte der Fallstudie liegen im Informationsaustausch zwischen Innen- und Aussendienst (s. auch Absatz 6.3.8.1, S. 231 ff.; Absatz 6.3.4.3, S. 191 ff.; Absatz 6.3.5.1, S. 194ff), bei der Abstimmung im Planungsprozess (s. auch Absatz 6.3.7.3, S. 222 ff.; Absatz 6.3.5.2, S. 197 ff.) sowie der Verbesserung des Vorgehens bei der Beantwortung von Kundenanfragen (s. auch Absatz 6.3.8.1, S. 231 ff.; Absatz 6.3.5.2, S. 197 ff.; Absatz 6.3.7.3, S. 222 ff.). 6.5.4.1
Ausgangslage bei BASF Fine Chemicals Europe
Die Badische Anilin- & Soda-Fabrik AG (BASF) wurde im Jahr 1865 gegrttndet und ist heute ein weltweit ftihrender Zulieferer in seinen Sektoren Petrochemikalien, Plastik. Performance Chemikalien, 01 & Gas und Feinchemikalien wie z. B. Produkte fiir die pharmazeutische Industrie. Im Jahr 2004 beschaftigte das Untemehmen mit Hauptsitz in Ludwigshafen, Deutschland, weltweit etwa 82*000 Mitarbeiter und erzielte einen Umsatz von 37.5 Mrd. Euro. Die regionale Business Unit,J^harma", die zur regionalen Division „Fine Chemicals Europe, Africa, West Asia" (RBU FCE) geh5rt, wird von Business Director Michael Lappas geleitet. Wichtige Produkte in diesem Bereich der BASF sind Wirk- und Tragerstoffe, wie sie z. B. zur Herstellung von Tabletten eingesetzt werden. Zu den Kunden zahlen bekannte Pharmauntemehmen wie z. B. Pfizer, GlaxoSmithKline, Novartis und Bayer.
Vertriebsgestaltung des Herstellers
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Aktuelle Herausforderungen des Bereiches FCE Pharma Die gegenwartige Situation des Bereiches Pharma stellt das Untemehmen vor eine grosse Herausforderung. Seit Jahren ist es BASF im Pharmageschaft nicht gelungen, neue „Blockbuster-Produkte", deren jahrlicher Umsatz 1 Mrd. USD iibersteigt, auf den Markt zu bringen. In zunehmendem Masse werden allerdings bestehende Produkte, deren Patentschutz inzwischen abgelaufen ist, durch indische und asiatische Konkurrenten kopiert und teilweise zu Preisen verkauft, die weit unter den BASF-Preisen liegen. Der schwache Dollar gibt diesen Konkurrenten zusatzliche Kraft. Gleichzeitig ist der Markt der Pharmauntemehmen besonders stark von Untemehmenskaufen und zusammenschltissen betroffen. Hierdurch entstehen Kundenuntemehmen mit enormer Kaufkraft. Diese Tendenz als auch die Zentralisierungsbestrebungen im Einkauf der Kundenuntemehmen fUhren zu zusatzlichem Druck auf Preise und Konditionen. Insbesondere verlangt dies eine entsprechend professionelle Koordination des Vorgehens bei Schltisselkunden zwischen verschiedenen Markten und Regionen. Regulatorische Erfordemisse im europaischen Pharmageschaft (z. B. Analysen, Eintragungen, Zertifikate), wie sie zum Schutze des Verbrauchers von staatlicher Seite eingerichtet sind, stellen an die Hersteller von Wirk- und Tragerstoffen hohe Anforderungen. So sind Pharmauntemehmen dazu verpflichtet, bei den lokalen Behorden fur jedes Medikament ein so genanntes „Dmg Master File" einzureichen, das alle Inhaltsstoffe und Lieferanten mit detaillierten beglaubigten Angaben erfasst. Die BASF besitzt in Bezug auf die Erfiillung der geforderten Vorschriften eine vergleichsweise hohe Kompetenz, die bei asiatischen und indischen Wettbewerbem erst langsam aufgebaut werden kann. Aussen- und Innendienstmitarbeiter halten unterdessen die im Vergleich zur asiatischen Konkurrenz grossere rSumliche Nahe zu den Kundenuntemehmen und die dadurch hohere Lieferfahigkeit bei Engpassen im Kundenuntemehmen ftir eine weitere besondere Starke der BASF, die eine Abwanderung von Kunden verhindere. ,3s ist bereits vorgekommen, dass wir erst morgens um zehn Uhr einen Kunden am Telefon hatten, dem wir bereits am Mittag eine Liefemng nach Danemark schicken konnten", so Annie Janning, Sales Manager im Bereich Pharma. Sarah Ervine. Head of Sales, kennt eine Vielzahl von Kunden, die einen besonderen Anspmch an die Liefersicherheit stellen und dem Hersteller daher den erzeugten Zusatzaufwand in Form eines „Insurance-Premiums" vergiiten. Abbildung 6-37 zeigt die aktuellen Herausforderungen des Bereiches FCE Pharma. Dabei sind Herausforderungen zu unterscheiden, die den gesamten europaischen Pharmamarkt betreffen, solche, die ausschliesslich die Organisationseinheit BASF
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Kapitel 6
FCE Pharma betreffen imd die, die fUr den gesamten BASF-Konzem von Bedeutung sind.
D-BASF TTw Chwnical Company
Abbildimg 6-37: Aktuelle Herausforderungen im Bereich Pharma der BASF FCE
In letzter Zeit berichten die Aussendienstmitarbeiter allerdings, dass die Kundenunternehmen bereits in vielen Fallen asiatische xind indische Konkurrenz als Zweit- irnd Drittlieferanten in ihre Drug Master Files haben eintragen lassen. Andere Kimden sammeln bereits Erfahning mit diesen Produkten, wodurch sich der Druck auf die BASF erhdht. Insbesondere in England sei dieser Wettbewerb am stSrksten und die BASF verliert zunehmend Marktanteile. Auch betonen die Aussendienstmitarbeiter, dass nicht nur die Kunden an Erfahrung xmd Vertrauen zu den Asiaten gewinnen, ebenso erzielen die asiatischen Untemehmen eine immer grSssere Kenntnis tiber die europaischen MSrkte, eine h5here ProfessionalitSt im Verkauf und bauen personliche Beziehungen zu den Kunden auf. Die Strategie der BASF konne diesbezUglich nur im Bereich des Cross- und Upsellings liegen, so ein Aussendienstmitarbeiter. Denn die BASF FCE Pharma sei bereits bei alien wichtigen Kunden als Lieferant vertreten, so dass kaum MSglichkeiten der Neukundenakquisition bestehen. Europaische Vertriebsorganisation FCE-Pharma In dieser angespannten Situation stehen die Effizienz und EffektivitSt der europaischen Vertriebsorganisation in besonderem Masse auf dem Prufstand. Erst im Jahr 2001 wurde die Vertriebsorganisation im Rahmen der Reorganisation „Triple F - Fit For Future" grundlegend neu organisiert. Die neue Vertriebsorganisation zeichnet sich durch geringe lokale Ressourcen und einen hohen Grad an Zentralisierung in der Re-
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Vertriebsgestaltung des Herstellers
gion aus (s. Abbildimg 6-37, S. 290). So wurden samtliche Aufgaben des Vertriebsinnendienstes von der ZustSndigkeit der Landergesellschaften in die Zentrale nach Ludwigshafen verlegt (s. Abbildung 6-38, „Sales & Supply Center (SSC)")- Im Sales & Supply Center arbeiten Mitarbeiter, die aus vierzehn verschiedenen Landem stammen und Verkaufsgebieten in ihrer jeweiligen Heimatregion zugeordnet sind. Dadurch soil vor allem sprachlichen und auch kulturellen Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Kunden und Account Managem aktiv begegnet werden. Daruber hinaus befinden sich die Mitarbeiter des Sales & Supply Centers in unmittelbarer Nahe zu den Mitarbeitem der Logistikabteilung, um auch diese Schnittstelle mSglichst effizient zu gestalten.
Vorstandsebene (Oakley)
^i
Strategisches ._Marketi_na __
FC Europe, Afriica, West Asien (FCE) (Dr. Meyer)
FC SQdameril(a
Business Unit FCE Cosmetics
The Chamical Company
Abbildung 6-38:
Division Fine Chemicals (FC) (Laudenbacli)
Business Unit FCE Human Nutrition
Business Unit FCE Pharma
Sales & Supply Center (Beenken)
Sales (Ervine)
SSC Account Manager (Ludwigshafen)
Account Manager (Verkaufsgebiete)
Business Unit FCE Animal Nutrition
Regionaies Marketing (Hoffmann)
Mari^eting
Kommerzielles Marketing
Organisatorische Einordnung des Bereichs FCE Pharma
Das regionale Marketing passt die globalen Marktstrategien des strategischen Marketing regional an und entwickelt Konzepte zu dessen Umsetzung, so z. B. in Bezug auf technische Fragestellungen und die Preisgestaltung. Die Kunden werden unterdessen in alien europSischen MSrkten vor Ort durch herstellereigene Vertriebsmitarbeiter („Account Manager") des Konzems betreut. Durch den Abbau lokaler Kompetenzen und Ressourcen hat sich die Situation dieser Account Manager in den letzten Jahren erheblich verandert. Insbesondere die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitem des Sales & Supply Centers wird von den Account Managem als wichtige neue Voraussetzung gesehen, um erfolgreich zu verkaufen. Beide Abteilun-
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Kapitel 6
gen sehen sich knappen Ressourcen gegeniiber, die durch die Reorganisation verursacht wurden. Dartiber hinaus sind EngpSsse bei der produzierten Ware zu beobachten, da in der Produktionslogistik ein Abbau sSmtlicher Lager zur Senkung der „Working capital costs" vorgenommen wurde. Sowohl Mitarbeiter des Sales & Supply Centers als auch die Verkaufsmitarbeiter in den verschiedenen Landermarkten werden aufgnmd ihrer Aufgaben im Kundenkontakt bei BASF als ,Account Manager" bezeichnet. Hierdurch soil die wichtige Bedeutung der Backoffice-Funktionen fur die Betreuung des Kunden betont werden. Da dieser Begriff jedoch keine Unterscheidung zwischen beiden Mitarbeitergruppen zulasst, wird an dieser Stelle fUr diese Arbeit eine begriffliche Differenzierung der Account Manager in „Innen- und Aussendienst" vorgenommen.
6.5.4.2
Diagnose der Zusammenarbeit
Nachdem im Januar 2004 das dritte Jahr nach dem Start der Reorganisation „Triple F" vergangen war, entschied Michael Lappas, Business Director Pharma & Human Nutrition, sich dazu, den Status Quo der Vertriebsorganisation aus Mitarbeitersicht zu erfassen. Die angespannte Marktsituation stellte hohe Anforderungen an die Leistungsfahigkeit der Vertriebsorganisation. Es bestand die Unsicherheit, ob die erheblichen organisationalen Anderungen durch „Triple F" diesen Anforderungen gerecht wurden. Dadurch entstand eine gewisse Dringlichkeit. Ziel war es, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und ggf. Massnahmen einzuleiten, die ziu* Verbesserung der intemen Zusammenarbeit und damit zur Verbesserung der Kompetenz am Markt fiihren sollten. Um ein moglichst umfassendes Bild iiber die Eignung der neuen Entscheidungsstrukturen und Prozesse in der europaischen Vertriebsorganisation zu erhalten, wurden Vertreter samtlicher Abteilungen und Hierarchieebenen mit einbezogen. Es wurde ein Projekt aufgesetzt, in dem zwischen April und Juni 2004 eine Anzahl von 18 Einzelinterviews und 6 Gruppeninterviews in verschiedenen europaischen Biiros und der Zentrale in Ludwigshafen durchgefUhrt wurde (s. Abbildung 6-38, S. 291). Fur die Leitung des Projektes und die Durchfiihrung der Interviews wurde auf einen extemen Dienstleiter zuruckgegriffen. Hierdurch sollte eine moglichst unvoreingenommene Sicht erzielt und interne Mitarbeiter im Tagesgeschafl nicht weiter belastet werden. Die Interviews wurden schriftlich dokumentiert und die Ergebnisse in Form von Powerpointprasentationen fiir die verschiedenen intemen Gruppen aufbereitet.
Vertriebsgestaltung des Hcrstellers
293
Aus der Vielzahl von Meinungen konnten aufgrund der Haufigkeit ihrer Nennung und der von den Gesprachspartnem dargestellten Relevanz drei wesentliche Aspekte der Verbesserung dargestellt werden. Dazu gehoren eine starkere „Verzahnung von Innenund Aussendienst", eine bessere „Planungsgenauigkeit und transparente Warenpriorisierung" sowie die „Antwortqualitat und -geschwindigkeit fiir Kundenanfragen". Die drei Problembereiche und erste LosungsansStze zu deren Verbesserung werden im Folgenden vorgestellt.
6.5.4.3
Planung und Umsetzung von Losungen
6.5.4.3.1 Informationsaustausch von Innen-und Aussendienst Bei der BASF-intemen Untersuchung konnten Verbesserungspotenziale in der Zusammenarbeit zwischen Account Managem im Innen- und Aussendienst identifiziert werden, die beiden Parteien bewusst waren. Account Manager im Innen- imd Aussendienst sehen sich selbst im Spannungsfeld zwischen den aktuellen intemen Restriktionen und den extemen Anforderungen der Kunden. Zu den intemen Restriktionen gehoren die Komplexitat der BASF-Organisation, geringe Warenverfugbarkeiten aufgrund der Produktions- und Lagerhaltungspolitik sowie knappe Ressourcen wegen der restriktiven Einstellungspohtik. Der Innendienst wurde daruber hinaus durch viele interne Projekte belastet, durch Umstellungszeiten und Ineffizienzen wegen der Einfuhrung neuer IT-Systeme sowie durch die zz. noch nicht voll ausgereiften Kompetenzen neuer Mitarbeiter im technischen Marketing (s. Abbildung 6-37, S. 290). Die Erfullung der Kundenanfragen wird in vielen Fallen diu-ch die genannten Restriktionen eingeschrankt. Kundenanfragen betreffen meist Spezialwunsche zu Produkten, landessprachliche Dokumentationen, technische und rechtliche Beratung, Zahlungsund Lieferkonditionen, technische Kundenfragebogen fur die Erstellxmg eines „Drug Master Files", Qualitatsbeanstandungen und -fragen sowie in besonderem Masse auch kurzfristige Lieferungen. Account Manager im Innen- und Aussendienst versuchen in dieser Situation eine Balance zu fmden, um Anfragen trotz der genannten Restriktionen optimal zu beantworten. So kann z. B. bei kurzfiistigen Engpassen des Kunden durch Teil-, Nach- und Expresslieferungen oder „Quarantane-Lieferungen" (Lieferung ohne Analysezertifikat auf Risiko des Kunden) eine Losung erreicht werden. Wahrend die Aussendienstmitarbeiter ein grosses marktbezogenes Wissen tiber Wettbewerber und Kunden einer Verkaufsregion besitzen, haben Innendienstmitarbeiter im Sales & Supply Center detaillierte interne Kenntnisse tiber interne Logistik- und IT-
Kapitel 6
294
Projekte imd andere organisationsbezogene Informationen. Selbst in Bezug auf das Wissen tiber gemeinsam betreute Kunden unterscheiden sich Aussen- und Innendienstmitarbeiter erheblich (s. Abbildung 6-39).
^^^BS^^^^^^^^H
Kundenorganisation
• Kontakt in der Kundenorganisation: VerantwoiHicher Einkaufsleiter, • Gesprdchsinhalte: Strategische
1
Fragen, Entwicklung des Kunden, • Kontakthdufigkeit: 1-4 mal pro Jahr.
w
MHarbeiter 1
^^^^^^^^^^^^^1
MHarbeiter 2
Kundenorganisation
• Kontakt In der Kundenorganisation: Mitart)eiter der Einkaufs- oder Logistikabteilung,
Purchasing manager
• Gesprdchsinhalte: Details zu At>wicklung und Lleferung, • Kontakthdufigkeit: Tdglich Oder wOchentlich.
1 Mitarbeiter 3
• 1
4 ii^
BASF Th»Chomical Company
Abbildung 6-39: Unterschiedliche Ansprechpartner in der Kundenorganisation
Aussendienstmitarbeiter treffen sich je nach Bedeutung des Kirnden ein bis viermal pro Jahr mit dem Einkaufsleiter des Kxindenuntemehmens. Die Inhalte der Gesprache sind meist strategischer Natur und betreffen die Ausgestaltung und VerlMngenmg langfristiger Vertrage oder die strategische Weiterentwicklung der Partnerschafl mit dem Kundenuntemehmen. Die Mitarbeiter im Sales & Supply Center (SSC) hingegen tibemehmen die Abwicklung der Geschaftsprozesse mit dem Kunden. Ansprechpartner auf Kundenseite sind meist Mitarbeiter aus der Einkaufs- oder Logistikabteilung, mit denen Details iiber Abwicklung und Lieferung besprochen werden. Durch den haufigen Kontakt zu diesen Mitarbeitem besteht ein sehr nahes soziales Verhaltnis und daher ein hohes Mass an informeller Information ilber die Entwicklungen im Kundenuntemehmen. Mitarbeiter des SSC verfUgen hierdurch tiber Wissen iiber das Kimdenuntemehmen, das dem Aussendienst nicht zugSnglich ist, obwohl es teilweise eine hohe Relevanz besitzt. Dies gilt vice versa ftir die Informationen des Aussendienstes. Der verstarkte Informationsaustausch zwischen Innen- und Aussendienstmitarbeitem ist unabdingbar, um die Betreuung des Kunden weiter zu professionalisieren. Abbildung 6-40 zeigt Ansatzpunkte, die bei BASF zur Verbessenmg des Informationsaustausches herangezogen werden.
295
Vertriebsgestaltung des Herstellers
Gemeinsame Kundenbesuche
ErhOhte Nutzung von .SalesneT
Gemeinsame Entwicklung von .Customer Concepts"
Regelmdssige Treffen
D-BASF The Chemiuri Corr^Mny
Abbildung 6-40: Ansatzpunkte zur Verbesserung des Informationsaustausches
• Erhdhte Nutzung von „Salesnet": Bei Salesnet handelt es sich um eine erst vor kurzem eingefuhrte Kimdendatenbank, die von Mitarbeitem des SSC ebenso genutzt werden soil wie vom Aussendienst. Das Ziel besteht darin, beiden Abteilungen die gleichen aktuellen Kundeninformationen verfUgbar zu machen. Aussendienstmitarbeiter bemangeln, dass die Kundeninformationen von SSC-Mitarbeitem nur unzureichend gepflegt werden. Hierdurch entstehen Ineffizienzen und Fehler in der Kundenbearbeitung. In Zukunft wird die Nutzung des Informationssystems Salesnet als Zielsetzung bei der Mitarbeiterbewertung mit aufgenommen. Hierdurch wird sichergestellt, dass Entscheidungen beztiglich der Kundenbetreuung auf dem hochsten verfUgbaren Informationsstand basieren konnen. • Gemeinsame Kundenbesuche: In Zukunft werden gemeinsame Kundenbesuche von Aussen- und Innendienstmitarbeitem ausdriicklich untersttitzt. Hierdurch werden einerseits die personlichen Beziehungen zwischen Innendienst und Kunden gezielt gefbrdert. Durch eine Teilnahme an gemeinsamen Gesprachen mit der Einkaufsleitung wird andererseits die Bedeutung imd Kompetenz des Innendienstes aus Sicht der Kunden gestarkt. Durch die gemeinsajnen Eindrticke beim Kunden wird darttber hinaus die soziale Bindung zwischen Innen- und Aussendienstmitarbeitem gefestigt und erhah eine breitere gemeinsame Basis. • Gemeinsame Entwicklung von „Customer Concepts": Um das komplementSre Kundenwissen optimal zur Entwicklung kundenbezogener Strategien und Massnahmen zu nutzen, werden kundenbezogene Bearbeitungskonzepte, so genannte „Customer Concepts", gemeinsam ersteUt. Hierdurch verbessert sich einerseits die
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Kapitel 6
Informationsgrundlage fur die Konzepte. Andererseits stellt die gemeinsame Entwicklung aber auch sicher, dass Account Manager im Innen- und Aussendienst beim Kunden gleiche Ziele verfolgen und mit identischen Strategien vorgehen. Hierdurch wird die Kundenbearbeitung weiter professionalisiert. • Regelmdssige Treffen: RegelmSssige Treffen zwischen SSC-Mitarbeitem und Aussendienstmitarbeitem kSnnen den Austausch von Informationen ebenso verbessem wie die sozialen Bindungen zwischen den Parteien, wodurch die Effizienz erhoht werden kann. Individuelle Treffen, wie z. B. im Rahmen der Vor- oder Nachbereitung von Kundenterminen oder der Erstellung von Customer Concepts stellen einen ersten Schritt zur Verbessenmg der Beziehimgen dar. Dariiber hinaus konnen auf Gruppenbasis Treffen arrangiert werden, um nicht nur auf Individualebene gemeinsame Zielsetzungen zu diskutieren, sondem auch sicherzustellen, dass die allgemeine strategische Ausrichtung auch gruppentibergreifend einheitlich ist.
6.5.4.3.2 Planungsgenauigkeit imd Warenzuteilung Die restriktive Lagerhaltungspolitik des Konzems verlangt von den Mitarbeitem in der Vertriebsorganisation bei der Planung eine hShere Genauigkeit, um trotz der eingeschrankten Lagerbestande eine hohe Verfilgbarkeit zu gewahrleisten. Es stellten sich im Bereich FCE-Phanna zwei Problembereiche heraus: Erstens muss die Planungsgenauigkeit erhoht werden. Zweitens muss fiir die Ubergangszeit ein Vorgehen zur Zuteilung von Waren bei knapper Verfugbarkeit gefimden werden. Planungsgenauigkeit Im Planungsprozess konnten verschiedene Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Abteilungen identifiziert werden. Zur Produktionsplanung miissen zunachst die Aussendienstmitarbeiter abhSngig von den Produkten zweimal jShrlich angeben, welche Planmengen sie ftir welche Artikel bei welchem Kunden ftir den Planungszeitraum annehmen. Als Zahlenbasis dienen zum Teil Schatzungen des Kunden, die auf deren eigener Produktionsplanung basieren, oder aber die Einschatzung des Aussendienstmitarbeiters. Dieses Zahlenmaterial wird durch die Mitarbeiter des SSC iiber die Kunden und Markte zusammengefasst, sodass Plandaten pro Artikelnummer bestehen, die nach einem Plausibilitatscheck an das strategische Marketing weitergegeben werden. Gemeinsam mit Kollegen aus der Produktion finden so genannte „Production meetings" statt, auf
Vertriebsgestaltung des Herstellers
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deren Basis der zu produzierende iind damit fiir den Vertrieb verfugbare Warenbestand festgelegt wird. Bei der Planung entsteht bei der BASF FCE-Pharma ein grosses Konfliktpotenzial, das in einer schlechteren Warenverfugbarkeit resultiert und damit unmittelbar die Qualitat der Leistung fur den Kunden betrifft. Eine BASF-inteme Studie hat gezeigt, dass die Kunden im Bereich FCE-Pharma der LieferzuverlSssigkeit eine wesentlich hohere Bedeutung zumessen als der Lieferdauer. Die Verfugbarkeit bestellter Ware ist somit ein wichtiges Kriterium, an dem der Kunde die Kompetenz der Mitarbeiter in kimdennahen Untemehmensbereichen misst. Konflikte kommen durch die wechselseitige Interaktion der beteiligten Abteilungen im Planungsprozess zustande. Es tritt der so genannte „Bullwhip-Effekt" auf, bei dem sich die Planungsgenauigkeit schrittweise verschlechtert (Abbildung 6-41, S. 297).
2. Runde: 4'4'
D-BASF The Chemtcal Company
Abbildung 6-41: Bullwhip-Effekt beim Planungsprozess der FCE-Pharma
Nachdem SSC-Mitarbeiter im Kundenkontakt und Aussendienstmitarbeiter ihre Planzahlen abgegeben haben, werden diese, meist im Rahmen eines „Plausibilitatschecks" durch einen Mitarbeiter, der im SSC die Planung tibemimmt nach Absprache mit dem jeweiligen Account Manager nach unten korrigiert. Auch das strategische Marketing und die Produktion, die unnotige Lagerbildung vermeiden wollen, schatzen Zahlen aus den Markten haufig als zu optimistisch ein und fuhren emeut Kiirzungen durch. Bei einer guten Ausgangsplanung durch Aussendienst und SSC stellt sich damit eine Knappheit bei der Warenverfugbarkeit ein. Hierdurch konnen Aussendienst und SSC gegeniiber dem Kunden ihre Lieferversprechen nicht einhalten und neigen dazu, in der nachsten Planungsperiode noch optimistischere Zahlen anzugeben. Hierdurch verstarkt
298
Kapitel 6
sich das Misstrauen der anderen Abteilungen und erhSht deren Abziige. Damit verschlechtert sich die Qualitat der Planung in jeder Periode weiter. Um den Bullwhip-Effekt zu durchbrechen und die Planungsgenauigkeit zu erhohen, hat Laura Beenken, Leiterin des SSC verschiedene Anstrengungen untemommen. Zz. wird ein Konzept umgesetzt, das bereits erste Erfolge gebracht hat. • Feedback Aussendienst und SSC: Bisher erhielten SSC und Aussendienst kein Feedback tiber die Genauigkeit ihrer Planung, d. h. eine Aufstellung von geplanten und tatsachlich verkauften Mengen pro Artikel und Kimde. Daher fehh bei den Mitarbeitem jegliche Kenntnis dariiber, wie gut ihre eigene Planung denn eigentlich war. Verbessenmgen der eigenen Planung kOnnen daher nicht systematisch erfolgen. Falsche Schltisse, die aus der mangelnden VerfUgbarkeit resultieren, verstarken den Bullwhip-Effekt zusatzlich. In Zukunft erhalten die Innen- und Aussendienstmitarbeiter deshalb eine Aufstellung der durch sie geplanten und realisierten Grossen. Fiir die Zukunft wird daniber nachgedacht, die Planungsgenauigkeit auch in die Bewertung der Mitarbeiter mit einzubeziehen. Der Plausibilitatscheck durch den Planungsmitarbeiter im SSC f^Ut in diesem Fall weg. • Service Level Agreements mit der Produktion: Dartiber hinaus sind interne Service Level Agreements mit den produzierenden Einheiten zu schliessen. Darin wird vereinbart, dass die durch die Planimg intern „bestellte" Ware auch bereitgestellt werden muss. Fiir die interne Nicht- oder SpStlieferung sind Konditionalstrafen zu vereinbaren, durch die Komplexitaten und EntschSdigungen in der Zusammenarbeit mit Kunden finanziert werden kdnnen. Ausserdem wird der Anreiz gesetzt, die exakte Menge bereitzustellen, die geplant wurde. Die Marktorganisation geht dabei ihrerseits die Verpflichtung ein, die Kapitalbindungskosten fiir etwaige Uberproduktionen zu iibemehmen. Dadurch wird auch hier der Anreiz gesetzt, moglichst genau zu planen. Zz. werden BASF-intern noch keine Konditionalstrafen verhangt, wie sie gegenuber extemen Partnem iiblich sind. Michael Lappas und Laura Beenken gehen allerdings davon aus, dass die Mitarbeiter hierdurch mit der Zeit das notige Know-How fiir eine optimale Planung entwickeln, die sich hierdurch schrittweise verbessem wird. Zuteilung von Waren bei knapper VerfUgbarkeit Ein weiteres Problem ist die Priorisierung und Zuteilung des verfiigbaren Warenbestandes im Falle von Engpassen. Das Problem wird zwar mit zunehmender Planungsgenauigkeit abnehmen, jedoch wird aufgrund kurzfiristiger Anfragen bedeutsamer
Vertriebsgestaltung des HerstcUers
299
Kunden immer das Problem bestehen, einen verfugbaren Warenbestand zuzuteilen. Account Manager im Aussen- und Innendienst sehen die Zuteilung von Waren als kritisch fiir das Vertrauen des Kunden in sie und den Hersteller. Sie bem^ngeln, dass die Priorisierung von Waren haufig nicht die Qualitat des Forecasts widerspiegelt. Stattdessen entscheiden intemer „Warenklau", d. h. die Zuteilung in der Logistik nach dem Prinzip der Schnelligkeit und die Bedeutsamkeit des Kunden haufig uber eine Zuteilung. Aussendienstmitarbeiter, deren SSC-Partner langsamer reagierten als andere, batten in manchen Fallen das Nachsehen, obwohl die Bestellungen ordnungsgemass in der Planung beriicksichtigt waren. Bei Kunden wurde hierdurch vielfach das Vertrauen in der Lieferzuverlassigkeit verletzt, was in einzelnen Fallen sogar zum Wechsel zu Zweitlieferanten ftihrte. Aussendienstmitarbeiter wurden damit durch die fehlende Verfugbarkeit teilweise sogar „bestrafl", da sich ihr Zielerreichungsbonus nicht auf die von Kunden bestellte, sondem die in Rechnung gestellte Ware bezieht. Da selbstverstandlich ohne Auslieferung auch keine Rechnung ersteUt wird, verringert sich durch mangelnde Verfugbarkeit der Bonus der Aussendienstmitarbeiter. Aussendienst- und SSC-Mitarbeiter betonen, dass es bei manchen Artikelgruppen zu haufigen Knappheiten kommt. Die bereits weiter oben genannten Anstrengungen zur Vermeidung von allgemeinen Knappheiten und zur Verbesserung der Planimg helfen dabei, das Problem seltener und damit weniger gewichtig zu machen. Im Weiteren miissen aber auch Regeln gefunden werden, die transparent iiber die Warenzuteilung zu entscheiden helfen. WillkOrliche Verteilungen nach dem Prinzip des Schnelleren sind zu untersagen und ggf. zu sanktionieren. Denkbar ware es, eine Verbindung zwischen der Planungsgenauigkeit und der Zuteilung herzustellen, sodass genaue Planung durch ebenso genaue Lieferfahigkeit belohnt wird. AUerdings wird von Account Managem im Aussendienst befUrchtet, dass dies nicht umsetzbar ist. Account Manager, deren bedeutsame Schliisselkunden kurzfristige Anfragen stellen, wurden auch im Falle schlechter Planungsgenauigkeit bevorzugt, so die Befurchtung. Dieses Problem wiirde allerdings abgeschwacht, wenn die Planungsgenauigkeit ins Zielsystem der Account Manager aufgenommen wird. Trotzdem sind Kompromisse fur Kunden zu fmden, die trotz einer hohen Planungsgenauigkeit ihres Account Managers mit Lieferengpassen konfrontiert weden. Zz. sind diese Probleme bei BASF noch nicht gelost. Es wurde allerdings bereits angekundigt, dem „Warenklau" durch starkere Sanktionen entgegenzuwirken. Weitere Massnahmen zur Regelung der Warenpriorisierung bei Engpassen sind zz. nicht ge-
300
Kapitel 6
plant, da gnmdsatzlich erwartet wird, dass diese in den Hintergrund treten werden, sobald die aufgezeigten Verbesserungen bei der Planung greifen und zu einer hoheren Verfiigbarkeit fiihren.
6.5.4.3.3 Beantwortung von Kundenanfragen Der europaische Pharmamarkt zeichnet sich in besonderem Masse durch seine regulatorischen Anfordeningen der Kunden- und Zuliefenintemehmen aus. Wie bereits erwShnt, sind bei der Zulassung von Medikamenten umfangreiche Dokumentationen und Analysezertifikate zu erstellen, die in einem, J)rug Master File" einzusehen sind. Selbst die Verpackungen von Standardstoffen miissen hohen Anspruchen geniigen. Obgleich die Harmonisierungsbestrebungen der EuropSischen Union bereits viele Anfordeningen der nationalen Zulassungsstellen vereinheitlichen, sind dennoch eine Vielzahl von landesspezifischen rechtlichen und technischen Voraussetzungen zu beachten. Neben der unmittelbar auftragsbezogenen Abwicklung betreffen Kundenanfragen deshalb Mufig technische und rechtliche Details, die einer rechtsverbindlichen Klanmg bedurfen. Ein Teil dieser Anfragen beantworten Account Manager aus Aussen- und Innendienst unmittelbar selbst als ,J^irst Level Support". Haufig wird jedoch die UnterstUtzung durch spezialisierte Abteilungen ben5tigt, wodurch sich der Prozess bis zur Beantwortung der Kundenanfragen deutlich verzogert. Hierdurch gerat die Kundenzufriedenheit in Gefahr. Mitarbeiter des SSC betonen, dass auch die Wettbewerbsfahigkeit leidet, da der Kunde in dieser Situation „Technische Fragebogen" meist gleichzeitig an die verschiedenen Lieferanten versendet und die Beantwortungszeiten und -qualitaten unmittelbar miteinander vergleichen kann und in seine Beurteilung des Lieferanten einschliesst. In der Vergangenheit betrafen die Verz5gerungen bei der Beantwortung solcher Anfragen meist Mitarbeiter aus dem SSC. Diese sind in vielen Fallen nicht autorisiert, technische Fragen selber zu beantworten oder der spezialisierten Einheit direkt zuzustellen. Kundenanfragen mtlssen zunachst an das regionale Marketing weitergeleitet werden, das sich imi die Weiterverfolgung kttnmiert (s. Abbildung 6-42, S. 301). Konnen die Anfragen nicht unmittelbar im regionalen Marketing beantwortet werden, durchlSuft eine Kimdenanfrage leicht mehr als drei Abteilungen. Bei einer nur geringen Verweildauer einer Anfrage pro Abteilung kOnnen mehrere Wochen verstreichen. Wenn Kundenanfragen schrifllich nicht klar formuliert sind, kann es zudem dazu kommen, dass sie an Spezifitat verlieren. Das gilt insbesondere dann, wenn Antworten telefonisch ubermittelt werden. Auch hierdurch leidet die Qualitat. Haufig beantworten
301
Vertriebsgestaltung des Herstellers
interne Abteilungen samtliche Anfragen ausschliesslich in deutscher Sprache stichwortartig oder „unpolitely", wie Mitarbeiter des SSC betonen. Durch die dadurch notwendigen Ubersetzungen und Umformulierungen durch das SSC verlieren die Antworten haufig weiter an Qualitat.
Kunde
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|chri>1ian tchmit2@uni»g.ch 25.03.2M4 17:53
Kopi* BtindiopM JRe: FRIENDLY REMINDER - Queitionnaire on 8ale< of Induttrial Ooodt fWatchdog': Ichecfcadl r»ecuriQ Watchdog': iiberprufi
Dear Mr. Harcina, I «• doctoral acudanc ac tha Unlveralty ot ScGallan (Swlttarland) and currently vrltlng My thesis which titles "International Sales of Industrial Goods froM a StAtsldlarles' and Distributors' Point ot Vie*". On February 4tb I sent you a questionnaire and asked for your support. Unfortunately I haven't received a satlsfylao niariaer of questionnaires until yet. Therefore I kindly ask you again for your support, as the quality and success of wy research sill strongly depend on the nunber of participants.
^
Mi
iry of the survey
Please send/fax •« the questionnaire until March 12th 2004. Tou should knov that you support the neglected field of research on industrial salet and especially the success of ay study. Thank you very Much for your generous support!
m In the case of technical problei
Jfa-
cfH Anhang C - 3:
Just send Me a short eMail.
^';^^?i^W&""'" •'•••••' -'- *dSP Anschreiben bei der Nachfassaktion (Vertriebsbefragung 2004, s. Tabelle 2-3, S. 37)
355
Anhang
Anhang D Fragebogen der quantitativen Befragung
in^ttute of Marketing and Retailing
fg
Prof. Dr. Christian Beiz (Director of the institute)
U n i v e r s i t y O t dt.vaiailet1
Dipl.-Kfrn. Christian Schmitz (Ras^rch /^sodate)
Ck>ntact: Bodanstrasse 8. CH-9000 St. Gaiien T e l . + 4 1 / ( 0 ) 7 1 / 2 2 4 25 01 Fax: + 4 1 / (0)71/ 224 28 57 christian3chm(tz@un ISQ.ch
INTERNATIONAL SALES FROM A SUBSIDIARIES' AND DISTRIBUTORS' POINT OF VIEW
(Please attach business card) First name, surname: '
Company name:
' Your position within the organization: O O O D O
CEO/Oirector IMariteting manager Sales m a n a j ^ Product manager ExpMlenced sales staff
'
Street, No., Postal/Zip: City. Country: PiTOne: Email-address:
a others: Your organizaticHi is: n a subsidiary
G an independent distributor
O .
For a are twtter understandbig: Sul>sidiarie8 and disbibutors often use a differwm vocabuisHy: If you \w>rl( k\... • A subsidiary: Your headquarter is called "manufacturer' In our survey. • ^ independent distributor By 'manufecturer', {ideass consider your largest supplier of Swiss origin. AH q tions are retirtod to this one manuiacturer.
O You want a summary of the survey results (email-address required)
356
Anhang
SITUATION OF MARKET. CUSTOMERS AND COMPETITORS Please indicate your agreement with the following statements.
One hoars of a newcomptltiv m o v in your product wf ahnost •vetyday.
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Your conytfter* in your product araa ana rdatiwiy w a i t .
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Distribution techniquea/procMSM. Customers' nseds. Rale at which products/services tMCome olMolete. Nature of competitors' etrateoies and action.
In your local maiket. customers served by your business are:
"°^»!SS1 [IMIHIHIHIHiWi] KSL
importance of your iocai marliet in relation to other marlcets of the manutacturer.
Relatively low [TLITUTiJTLJTLSTUrn R«iatively high ingottance L J l i J - l l n l r l i r l i J ^ t Z J importance
Please classify the products, you are selingforthe marHifacturer
^:agg[IHIHIHi>^HIHI]gSg?"
Product-Portfolio: „You are selling... O .. .notNng but products of this one manufacturer.' O ..Jproducis of other manufacturers, too.' Degree of local selling exclusivity: G ExclusWely seling in territory. G In competition wHh d _ _ _ _ ^ the manufacturor.
Easy to monltof treiKis
« salee of
BaHSHsagggnEa
Statile Industry volume [ i f
G In competition wKh other subsldlarlee/dlstrlbutors (norvexdusivity).
Difficult to monitor trends Volatile industry volume
^ „ „ ^ G>{IHIHIHIHIMI] . n « ^ ^ LiJHiHlHlHlHlMlJ u«>»««iict*i» What makes your local business situation special compared to others and how can the manufacturer support you in an appropriate way? Aporopdate support:
Local spedaities 1)
1)
2)
2)
3)
3)
^
you agree theAwB use yow statements for our publications Witt) referencing your name? G V e s e MM 2004. uMvMtiy or aLoi
G No
357
Anhang
YOUR SATISFACTION WITH ASPECTS OF THE RELATIONSHIP WITH YOUR MANUFACTURER Please Indicate, how satisfied you are, with thefollowingaspects of your relationship with the manufacturer. How important is each aspect for your business? importance
Your Satisfaction Very Satisfied New product market opportunities meHiufacturer provided you.
High Importance
QB HHH H QE B B S H S BBBBB BBBBBHB BHBB0 BBB E HHHHH] Qd] H H B B BBBBBBBBBBBBBB
The width of the products and services offered. Overarfl qu^i^ aid 6i^gn of products arwl swvices. Frequency of introdudng new products or Su{:4>ort w^th standard equipment mGuweris, hsOTdtxioks, sdftware of products, prpvtded.
i V. dissatisfied • '>--v. satisfied Sutyort during local price wars. Sales prmnotiCNi material aid product documents^ ons provided by the marHjfacturer. fntemsri coordination of marketing-lnstrtfliients (e.g. aviwCBng owrtarHJing ca
Hi
Order handling by maiufactorer. Mautfacturer's meetmg of prorrused delivery dates for products. sp«« arKl accessory parts.
B B B B B B B B B B B B B B A^ability of products, reptecement and accessory | T ] [ 2 ] [ T | [ 4 ] B B B B B B B B B B Manu^K^rer's handling of damaged prodm^Jharrilinfl warranty cases.
i
B B B B B B B vdiwafafied
Ova^l liaimess and honesty of manufacturer.
v. saTlsfied
B B B B B B B Lew
Importance
Hiphl
jm
Overall nvanneryou were treated by manufachirer's — . office or headquaters. ^.—^^._.. ^ ^ i ^ j ^ j ^ i ^ j ^ regional Clearness of responsft>iKties and number of contact s in ^ ^ p r e o n s persons ir w up their interests axvitobe successful. In dis