Interaktive Wertschöpfung : Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung [1. Aufl]
 3834901067, 9783834901064 [PDF]

  • 0 0 0
  • Gefällt Ihnen dieses papier und der download? Sie können Ihre eigene PDF-Datei in wenigen Minuten kostenlos online veröffentlichen! Anmelden
Datei wird geladen, bitte warten...
Zitiervorschau

Ralf Reichwald/Frank Filler Interaktive Wertschopfung

Dieses Buch wird von der Peter-Pribilla-Stiftung gefordert. Ziel der Stiftung ist die Forderung von Forschung und Wissenstransfer auf den Gebieten ..Innovation und Leadership".

Professor Peter Pribilla (*1941, t2003) war Mitglied des Zentralvorstands der Siemens AG und Honorarprofessor an der Fakultat fur Wirtschaftswissenschaften der TU Munchen.

Ralf Reichwald/Frank Filler

Interaktive Wertschopfung Open Innovation, Individualisierung und neue Formen der Arbeitsteilung

unter Mitarbeit von Christoph Ihl und Sascha Seifert

GABLER

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.

Die diesem Buch zugrunde liegenden Forschungsarbeiten wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) 582 an der TU Munchen sowie das BMBF im Rahmen der Projekte WinServ (FKZ 01HW0182) und EwoMacs (FKZ02PD1120) unterstutzt. Autorenkontakt: Prof. Dr. Prof. h. c. Dr. h. c. Ralf Reichwald Technische Universitat Munchen, Lst. fur Betriebswirtschaftslehre - Information, Organisation, Management Leopoldstr. 139 80804 Munchen [email protected]

Dr. Frank Piller MIT Sloan School of Management 50 Memorial Drive, E52-513 Cambridge, MA 02139 USA [email protected]

Web-Selten zum Buch Im Internet: www.prof-reichwald.org/iws www.open-innovation.com/iws

1. Auflage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler I GV\A/ Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Barbara Roscher / Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlieRlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung aufterhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtlgt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Konzeption und Layout des Umschlags: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0106-7 ISBN-13 978-3-8349-0106-4

I I Vorwort

Ideen, Beispiele und Herausforderungen zur Interaktiven Wertschbpfung - geschheben von unseren Kunden: unseren Lesern Dieses Buch ist eine Innovation, und wir praktizieren „Open Innovation" mit diesem Vorwort. Unsere wichtigsten Kunden, unsere Master- und Executive-MBA-Studenten sowie Forschungspartner, haben wir in die Buchproduktion einbezogen. In den Vorlesungen und Seminaren der letzten Semester haben wir intensiv Cases und Literaturbeitrage zu Open Innovation und Mass Customization thematisiert und diskutiert. So entstand eine Vorabversion zu diesem Buch, und wir konnten unsere Kunden einladen, mit uns das Vorwort zu schreiben. Die folgende Einfiihrung ist nach den Prinzipien der interaktiven Wertschopfung entstanden und wurde ausnahmslos von unseren Lesern geschrieben. Als Autoren verblieb uns lediglich die Integration und Zusammenstellung der Einzelbeitrage. Dabei sind wir nach dem Innovationskonzept des Unternehmens Zagat vorgegangen, das in den USA hoch erfolgreich Restaurant- und Reisefiihrer rein auf Basis von Kundenbeitragen erstellt. Was unsere Kunden hier zustande gebracht haben, hat uns ebenso erstaunt wie erfreut. Der Einstieg Den Einstieg bildet die Frage „interaktive Wertschopfung u n d Open Innovation sind das nicht einfach weitere Buzzwords irgendwelcher Berater?" Die Antwort unserer Kunden heifit Nein: „Ein hervorragendes Beispiel fiir Open Innovation ist das Open-Logo-Projekt von Spreadshirt.com [ein Anbieter individueller Kleidung]. Das Unternehmen lasst nicht nur sein Corporate Design von der eigenen KundenCommunity entwickeln, sondern gibt sein Schicksal und seine Zukunft mehr und mehr in die Hande seiner Kunden ... Dabei geht es nicht mehr rein um T-ShirtEntwiirfe. Zusammen mit der TRND-Agentur werden neue Projektideen und Unternehmensstandbeine aus der Community heraus entwickelt." "SpreadshirtGeschaftsfiihrer Lukasz Gadowski hat seine Strategie kiirzlich gegeniiber dem SPIEGEL auf den Punkt gebracht: 'Wir befahigen die User, ihr eigenes Ding zu machen.' " Aber es geht auch viel einfacher: "Letzte Woche habe ich meiner Schwiegermutter ein bei 'personalnovel.de' individuell gestaltetes Buch geschenkt. Sie spielt die Mutter des Helden, und auch ihr Hund bekam eine Rolle. Das Buch war ein VoUtreffer und wurde bei der Geburtstagsfeier eifrig herumgereicht. Das finde ich im Moment das beste Mass-Customization-Beispiel, weil es mir (zumindest fiir dieses Jahr) die Qual [einer passenden Geschenkwahl] erspart hat." V

I

Vorwort

„Es sind die kleinen Dinge, die den Fortschritt ausmachen" Diese Beispiele haben gemeinsam, "dass sie den Kunden in den Mittelpunkt der Wertschopfung stellen/' Anstelle einer "rein unternehmensintern dominierten Produktion und Innovation werden die Kunden zu aktiven Wertschopfungspartnem." "Die Vorstufen dieses Ansatzes waren immer Meinungsbefragungen, Markttests etc." So laden wir [ein Hersteller von Finanzsoftware] "als Banksoftware-OutsourcingPartner unsere Kunden ein, unsere Software zu testen. Dies beginnt bei den Basistests, die bereits der Kunde wahmimmt. Durch die Einladung in die Testphase gewinnt der Kunde Einblick in die neuen Funktionen des Produkts und kann diese gleich priifen. Im Weiteren gibt dies uns die Gelegenheit, den Kunden mit seinen Bediirfnissen kennenzulemen. Diese Bediirfnisse geben wiederum die Basis fiir die Fortentwicklung aufierhalb von Management-Schranken wie Kosten/Nutzen - derm oft sind es die kleinen Dinge, die den Fortschritt ausmachen/' "Seit es Amateurfunk gibt, wird dort Open Innovation praktiziert." Doch interaktive Wertschopfung "geht weiter als Selbstbedienung oder Marktforschung." Im Mittelpunkt steht die "partnerschaftliche Organisation der Leistungserstellung" in einer "Community aus Kunden, Nutzem, Herstellem, Lieferanten, Handlern und anderen Quellen innovativen Wissens." Diese Art der Mitwirkung von Kunden und Nutzem an der Wertschopfung ist dabei nicht unbedingt neu: "Seit es Amateurfunk gibt, wird dort Open Innovation praktiziert." Alle wesentlichen Entwicklungen kommen von den Nutzem. "Die Vereine bauen gar Satelliten (OskarSatelliten-Programm), die sie weitgehend selbst finanzieren und mit Erstfliigen im All platzieren. Amateurfunk ist wegweisend im Hochfrequenzbereich .... Der Idealismus der Personen und das hohe Engagement der in der Wirtschaft engagierten Forscher und die Tiiftler, die Hochfrequenz betrieben haben - denen verdanken wir heute wesentliche Telle unserer Mobilfunktechnologie." "Ich war jahrelang ein eifriger Gestalter von Community-Medien" Auch im Bereich der Medienproduktion sind Kunden seit vielen Jahren aktiv. "Ich war jahrelang ein eifriger Nutzer/Gestalter von Community-Medien - ob bei einem Biirgerradio als Reporter von der Landtagswahl oder als Moderator von Radiosendungen. Wie sich nun herausstellt, sind Community-Medien, Vereine, etc. Vorreiter in Sachen Open Innovation, denn diese mussten schon immer auf motivierte Kunden/Mitglieder und deren Ideen-Reichtum, Innovationsfreude und (Eigen) Initiative bauen. Also all das, was "professionelle" Untemehmen nun gerade lemen." Fiir diese aber "ist die Vorstellung, dass auch die Kunden einen wertvollen Beitrag zur Leistungserstellung beitragen und manche Aufgaben besser losen konnen als die Hersteller, eine Kulturrevolution." "Die Chancen fiir die Unternehmen liegen auf der Hand: enge Kundenbindung, Aufbau eines Gemeinschaftsgefiihls: 'Das Unternehmen sind wir.' " "Gerade unter dem Stichwort 'Social Commerce' wird es eine Fiille von neuen Verkaufskonzepten geben, in denen es mehr u m Kaufempfehlungen von Fan zu Fan (bzw. von Freundin zu Freundin) geht als u m den klassischen Kauf im Laden. Empfehlungssysteme werden eine Rolle spielen; die Kommunikation wird offener u n d VI

Vorv/ort

direkter ablaufen u n d auch der Wunsch, nach individuelleren (= exklusiveren) Produktangeboten wird steigen/' Wichtigster Treiber aber ist, dass die Anbieter "Zugang z u r Kundeninformation bekommen, die in dieser Qualitat zu diesen [geringen] Kosten" bislang nicht verfiigbar waren. Damit sollen die "Kosten der Produktentwicklung gesenkt u n d der Spagat zwischen Individualitat u n d Preis geschlossen" werden. „Die Gefahr ist groiS, dass Unternehmen es iibertreiben" Doch "je aktiver die Kunden werden sollen, desto aktiver muss man sich aus Unternehmenssicht auch um sie kiimmem/' "Kunden werden es begriifien, eingebunden zu werden. Die grofie Gefahr ist (heute noch), dass Unternehmen es iibertreiben." Eine grofie Herausforderung ist deshalb "die Beherrschung der Komplexitat aus Kundensicht. Kunden trauen sich oft nicht zu, grofiere Wertschopfung wie bspw. das Design zu betreiben." Ein Beispiel: "Bei 121Time [ein Anbieter individueller Uhren im Internet] habe ich den Job des Designers iibemommen. Was mich sehr nachdenklich gemacht hat, ist die Tatsache, dass ich es ... sehr anstrengend empfand, bis ich das Design fiir die Uhr meiner Frau zusammengestellt hatte." Die "strategische Grundfrage [ist deshalb], was der Kunde als Partner aktiv mitgestalten soil und vor allem in welcher Umfang". "Im 'Cafe Brotraum' in Miinchen konnen Kunden massiv in die Wertschopfung von Backwaren eingreifen - miissen dann jedoch auch das kulinarische Risiko von Senf-Schafskase Pralinen tragen." "Die Herausforderung fiir die Unternehmen liegt so in einer adaquaten Gestaltung von Schnittstellen zwischen Unternehmen und Kunden, [in der] Reduktion von Komplexitat der Produkte und Prozesse sowie in einer Verkiirzung der Durchlaufzeiten vom Angebot bis zum fertigen Produkt." Denn "die Chance, dem Kunden eine Fiille von (Wahl- u n d Beteiligungs-)Moglichkeiten bieten zu konnen, heifit nicht, dass man seinen Kunden nicht gleichzeitig auch einfache Losungen und direkte Wege zum Produkt bieten muss. Unternehmen miissen lemen, beide Moglichkeiten zu bieten." "Falls diese Herausforderungen gepackt werden, kann das Unternehmen auf eine riesige Ressource an Ideen und Innovationen zugreifen." Eine der grofiten Herausforderungen ist die soziale Komponente." "Der Kunde darf sein Mitwirken nicht als mitwirken, sondern als mitgestalten erleben. Der Kunde ist ernst zu nehmen und seine Inputs sind stets zu beantworten. Ansonsten fehlt auf Dauer die Glaubwiirdigkeit." "Kiinftig geht es darum, eine unbekannte Masse von Menschen sozial kompetent zu fiihren. Hier wird ein enormes Geschick im U m g a n g mit Menschen gefordert sein. Denn jegliche Ausfalligkeit u n d Ungeschicklichkeit schlagt in weitaus hoherem Mafie als heute auf das Unternehnnen zuriick." Im Herstellerunternehmen aber ist "vor allem ein Kulturwandel notwendig." "Alle Mitarbeiter miissen den Nutzen" von interaktiver Wertschopfung verstehen. "Vor allem die Produktentwicklung darf die Mitwirkung der Kunden nicht als Konkurrenz sehen, sondern als Ideen-Lieferant. Falls diese Herausforderungen gepackt werden, kann das Unternehmen auf eine riesige Ressource an Ideen und Innovationen zugreifen." VII

I

I

Vorwort

"Deshalb wiinsche ich diesem Buch viele Leser" "Bei mir [als Kunde] iiberwiegt jedoch die Freude dariiber, endlich vom Unternehmen ernst genommen zu werden und selbst einen Beitrag leisten zu konnen." "Die Chancen sehe ich vor alien Dingen in einer bedarfsorientierten, nachhaltigen Produktionswelt, die unserer Zeit mehr als gut zu Gesicht stehen wiirde/' "Deshalb wiinsche ich diesem Buch viele Leser", denn es ist aufgrund "seiner hohen markt- und gesellschaftspolitischen Bedeutung" ein "wichtiger" Beitrag, "um der interaktiven Wertschopfung, entsprechend ihres enormen Potentials, auf breiter Ebene zeitnah zu mehr Popularitat und Verbreitung zu verhelfen." Basierend auf Beitragen von Peter Arnold, Wolfgang Bauhaus, Paul Blazek, Stefanie Breuer, Martin Dietram, Alexander Dom, Gaby Egelwifie, Elha Elezovic, Patrick Eichhom, Silvia Fenz, Robert Freund, Johannes Hache, Andreas Helms, Steffi Jansen, Timo Jager, Joachim Kant, Tanja Kempf, Jochen Krisch, Ulrike Kustermann, Thomas Lippert, Bastian Merfels, Melanie Miiller, Sabine Pabst, Miriam D. Pattberg, Peter Raabe, Christoph Schmidt, Dorothee Schmitt, Christian Schonherr, Anja Seidler, Johannes Steuerwald, Christoph Stotko, Alexander Ullrich, Jorg Vogt, Stefan Walchberg, Christian Waller, Claudia Wiesmann, Stefanie Wolf, Andrea M. Zehetner und Giinther Zonner.

Danksagung Allen oben aufgefiihrten Personen sagen wir Dank fiir ihre Beitrage zum Gemeinschaftswerk. Doch nicht nur das Vorwort, sondern auch weite Telle des Buches waren ohne unsere Partner in Forschung und Praxis nicht entstanden. Wir danken dabei an erster Stelle dem Team des Lehrstuhls fiir Betriebswirtschaftslehre: Information, Organisation und Management (lOM) der Technischen Universitat Miinchen (TUM) fiir die vielfaltige Unterstiitzung und die kreativen Inputs aus zahlreichen empirischen Forschungsprojekten des Lehrstuhls, insbesondere Angelika BuUinger, Melanie Miiller, Dominik Walcher, Hagen Habicht, Klaus Moser, Daniel Rackensperger, Michael Ney und Jutta Hensel. Unsere Mitautoren Christoph Ihl und Sascha Seifert haben in den Kapiteln 2 und 3 mit wesentlichen Ideen dieses Buch gepragt und waren uns stets exzellente Sparingpartner bei der Diskussion unserer Entwiirfe. Wesentliche Telle dieses Buches basieren auf Konzepten und Inhalten, die im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Marktnahe Produktion individualisierter Produkte" (vgl. Lindemann/ Reichwald / Zah 2000) entwickelt wurden. Wir danken alien Kollegen und Kolleginnen des Forschungsverbundes, vertreten durch den Sprecher des SFB 582, H e r m Prof. Dr. Udo Lindemann, und der Deutschen Forschungsgemeinschaft fiir die Forderung. Ebenso haben wir aus den Forschungsprojekten des Forderprogramms „Innovative Dienstleistungen" des Bundesministeriums fiir Bildung und Forschung (BMBF) profitiert, besonders aus den Projekten WINSERV (Reichwald / Mayer / VIII

WorYfort

Engelmann / Walcher 2006), MACS und COSMOS (Krcmar / Reichwald / Schlichter / Baumgarten 2005) sowie aus den Projekten EUROSHOE u n d CEC der Forderprogramme der Europaischen Union. Wir danken den Forderinstitutionen fiir ihre wertvolle Unterstiitzung und unseren Projektpartnern aus Wissenschaft und Praxis fiir die ausgezeichnete Kooperation. Das Buch hat nicht zuletzt von unserer Verankerung in mehrere internationale Forschemetzwerke profitiert. Hier ist neben der Mass-Customization-Community vor allem die Forschergruppe u m Eric von Hippel am Massachusetts Institute of Technology (MIT), Boston, USA, zu nennen. Viele der grundlegenden Konzepte und Ideen dieses Buches sind von dieser Kooperation gepragt - ebenfalls ein ausgezeichnetes Beispiel fiir Open Innovation in der Wissenschaft. Eine Vielzahl innovativer Manager und Entrepreneure in Europa und in den USA haben fiir die empirische Fundierung unserer Gedanken gesorgt. Ohne ihre Offenheit und Auskunftsbereitschaft hatten viele der Fallstudien und Beispiele in diesem Buch nicht entstehen konnen. Auf Interviews, bei Firmenbesuchen und in Arbeitskreisen und Veranstaltungen des Lehrstuhls haben sie mit uns diskutiert und unsere Gedanken auf die Probe gestellt und oft durch neue Ideen aus der Praxis nachhaltig erweitert. Gleiches gilt auch fiir unsere Studenten in Miinchen und Cambridge sowie in MBA-Kursen an anderen Institutionen, die ebenfalls durch ihre Beitrage die Konzeption dieses Buchs wesentlich mitgepragt haben. Der Gabler Verlag war wieder einmal ein kompetenter und flexibler Partner, der sich von unseren innovativen Ideen mitreifien liefi. Wir stellen eine Kurzfassung dieses Buches unter einer Creative-Commons-Lizenz auf der Web-Site zu diesem Buch ins Netz, die sich jeder Interessent kostenlos beschaffen kann. Auch der Verlag betritt mit diesem Produktionskonzept Neuland, und wir danken Frau Barbara Roscher und Frau Jutta Hinrichsen fiir ihre grofie Unterstiitzung bei diesem Buchprojekt. Frau Gabriele Singer vom Verlag danken wir fiir die sorgfaltige Umsetzung der Gestaltung dieses Buches. Unsere Leser ermuntern wir zur Mitwirkung bei der interaktiven Weiterentwicklung dieses Buches. Senden Sie uns Ihre Beispiele, Kommentare und Verbesserungsvorschlage und wirken Sie somit an der nachsten Auflage dieses Lehrbuchs interaktiv mit. Wir freuen uns iiber jeden Beitrag von Ihnen! Miinchen und Cambridge / Boston Ralf Reichwald und Frank Filler ([email protected] I [email protected])

Das Buch im Netz: Im Internet finden Sie einen umfangreichen Begleitdienst zu diesem Buch mit vielen weiteren Informationen: www.prof-reichwald.org/iws

oder

www.open-innovation.com/iws IX

I

I I Inhaltsverzeichnis

1

2

Einleitung und Uberblick: Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschopfung Organisation der arbeitsteiligen Wertschopfung: Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschopfung 2.1 2.2

2.3

2.4

1

11

Eine Ubersicht der Evolution von Wert und Wertschopfung 11 Die tayloristische Industrieproduktion: hierarchische Organisation der Arbeitsteilung 14 2.2.1 Tayloristische Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsfiihrung: Produktivitatsoptimierung unter stabilen Bedingungen 14 2.2.2 Gesetze der Produktivitat und Kostenwirtschaftlichkeit 18 2.2.3 Grenzen des Taylorismus: Heterogenisierung der Nachfrage und Empowerment aktiver Kunden 21 Auflosung der Unternehmensgrenzen: Von der intemen Abwicklung zu Netzwerken und Markten 27 2.3.1 Marktorientierung und Flexibilitat als Leitziele in Untemehmensnetzwerken 29 2.3.2 Okonomie der Netzwerkorganisationen und Move-to-the-Market 33 2.3.3 Grenzen der grenzenlosen Organisation 39 Interaktive Wertschophing - neue Formen der Arbeitsteilung und des Wissenstransfers zwischen Anbietem und Kunden 41 2.4.1 Prinzipien und Eigenschaften der interaktiven Wertschophing . . .42 2.4.2 Kundenintegration und Losungsraum 47 2.4.3 Arbeitsteilung und Organisation in der interaktiven Wertschopfung 54 2.4.3.1 Arbeitsteilung und Nutzen 54 2.4.3.2 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der "wissensokonomischen Reife" 56 2.4.3.3 Logik der Arbeitsteilung nach dem Konzept der "sticky information" 57 2.4.3.4 "Commons-based Peer Production" als Organisationsprinzip 58 2.4.3.5 Organisation der Informations- und Wissensproduktion: Offenheit vs. proprietarer Schutz von Information 65 2.4.4 Interaktive Wertschopfung aus Kundenperspektive: Free Revealing und Nutzen der Interaktion 72 XI

I

Inhaltsverzekhnis

2.4.5 2.4.6 2.4.7

3

Interaktive Wertschopfung in der Innovation: Open Innovation

95

3.1 3.2

97

3.3

3.4

3.5

4

Der interaktive Innovationsprozess Von der Kundenorientierung zur Kundenintegration im Innovationsprozess:der Weg zu Open Innovation 3.2.1 Ansatze der Kundenorientierung: "Voice of the Customer" 3.2.2 Innovationsprozesse in interorganisationalen Netzwerken 3.2.3 Kunden als Quelle von Innovationen: Vom Manufacturer-Active zum Customer-Active Paradigm 3.2.4 Open Innovation: Ein Zwischenfazit Die Kundenperspektive: Beteiligung an Open Innovation 3.3.1 Eigenschaften von Kundeninnovatoren (Lead Usem) 3.3.2 Unzufriedenheit mit bestehenden Losungen und Erwartung eines besseren Fit zwischenProdukteigenschaften und Kundenbediirfnissen 3.3.3 Erfolgreiche Absolvierung einer lohnenswerten Aufgabe und Stolz auf das Ergebnis 3.3.4 Reduktion von Unsicherheit 3.3.5 Soziale Bestatigung und externe Anerkennung 3.3.6 Kosten der Beteiligung am Innovationsprozess aus Sicht der Nutzer Die Untemehmensperspektive - Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation 3.4.1 Reduzierung der Time-to-Market 3.4.2 Reduzierung der Cost-to-Market 3.4.3 Steigerung des Fit-to-Market 3.4.4 Erhohung des New-to-Market 3.4.5. Kosten aus Sicht des Herstellers Instrumente von Open Innovation 3.5.1 Die Lead-User-Methode 3.5.2 Toolkits fiir Open Innovation 3.5.3 Innovationswettbewerbe 3.5.4 Communities fiir Open Innovation

Interaktive Wertschopfung in der Produktion: Individualisierung und Mass Customization 4.1

XII

Interaktive Wertschopfung aus Untemehmensperspektive: Effiziente Differenzierung und Zugriff auf knappe Ressourcen . . .75 Interaktionskompetenz und interaktionsforderliche Organisations- und Kommunikationsstrukturen 81 Grenzen der interaktiven Wertschopfung: Aufgabenteilung und Transaktionskosten 91

Produktindividualisierung und Mass Customization 4.1.1 Der Begriff Produktindividualisierung

105 106 114 120 128 135 137

142 144 146 146 147 149 150 151 152 153 154 155 156 163 172 176

191 193 193

Inhaltsverzeichnis

4.1.2

4.2

4.3

4.4

5

Fallstudien zur interaktiven Wertschopfung 5.1 5.2 5.3 5.4 53

6

Mass Customization als Auspragung einer Produktindividualisierung 4.1.3 Prinzipien und Eigenschaften 4.1.4 Einordnung der Produktindividualisierung in das Konzept der interaktiven Wertschopfung 4.1.5 Effizienzkriterien interaktiver Wertschopfung bei Produktindividualisierung Kosteneffizienz von Individualproduktion 4.2.1 Zusatzliche Kosten durch Produktindividualisierung 4.2.2 Neue Kostensenkungspotenziale durch Produktindividualisierung Markteffizienz von Individualproduktion 4.3.1 Einfluss auf die Produktqualitat 4.3.2 Einfluss auf die Prozessqualitat 4.3.3 Preispolitische Potenziale 4.3.4 Zusammenfassende Betrachtung der Effizienzwirkung interaktiver Wertschopfung durch Produktindividualisierung Phasen und Instrumente der Kundeninteraktion bei Mass Customization 4.4.1 Obersicht und Phasenmodell 4.4.2 Kommunikationsphase 4.4.3 Exploring-Phase 4.4.4 Konfigurationsphase 4.4.5 Wartezeit und Lieferung 4.4.6 Feedback und After-sales-Phase 4.4.7 Wiederholungskauf

Von Mass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG Wikipedia als Beispiel einer interaktiven Wertschopfung in Nutzer-Communities von Informationsgiitem Mass Customization in der Reisebranche - kundenindividuelles Reisen mit Dynamic Packaging Linel GmbH: Entwurf eines Mass-Customization-Konzepts fiir die Wasser- und Abwasserfiltrationsbranche Effizienz der interaktiven Wertschopfung - eine Kalkulation am Beispiel von Mafikonfektion

Zusammenfassung und Ausblick

198 199 207 214 215 216 223 230 231 232 232

234 237 238 241 244 245 251 252 253 257 257 270 279 294 303 313

Quellenverzeichnis

319

Index

355 XIII

I

I I Verzeichnis der Kasten

Kasten 1-1 Kasten 2-1: Kasten 2-2: Kasten 2-3: Kasten 2-4: Kasten 2-5: Kasten 2-6: Kasten 2-7: Kasten 2-8: Kasten 2-9: Kasten 2-10: Kasten 2-11: Kasten 2-12: Kasten 2-13: Kasten 2-14: Kasten 3-1: Kasten 3-2: Kasten 3-3: Kasten 3 ^ : Kasten 3-5: Kasten 3-6: Kasten 3-7:

Threadless: Interactive Value Creation With and By Consumers 2 Henry Ford und das "Modell T" 15 Wichtige Funktionen und GesetzmajSigkeiten der klassischen Produktionstheorie 19 Literaturempfehlungen zum Wandel der Markte und zum Empowerment der Kunden 27 Das Beispiel Dell: Netzwerke als Antwort auf den marktlichen und technologischen Wandel 28 Organisationsgrenzen: Begriff und Ebenen 31 Ansatze zur Erklarung organisationaler Grenzen: Transaktionskosten und Property-Rights-Ansatz 34 User Innovation in Kite-Surfing: Dominierung der Wertschopfung durch die Anbieter 41 Spreadshirt: Rasantes Wachstum durch Interaktive Wertschopfung 51 Literaturempfehlungen zu grundlegenden Schriften zur Kundenintegration 53 Could The Culture of Participation Threaten The Existence of The Firm? 64 Skaleneffekte der Informationsproduktion 67 Literaturempfehlungen zu den Prinzipien der Arbeitsteilung und Organisation der interaktiven Wertschopfung 71 Literaturempfehlungen zu den Wettbewerbsvorteilen durch Interaktive Wertschopfung 81 Literaturempfehlungen zur Interaktionskompetenz und zu interaktionsforderlichen Organisations- und Kommunikationsstrukturen . . . .91 Innocentive: Ideenborse fiir Tiiftler 96 Quality Function Deployment (QFD) als umfassende Methode eines kundenorientierten Innovationsprozesse Ill Procter «& Gamble's Strategy to Harness Outside Talent to Boost Innovation 114 Portrait of a User Innovator: How Bette Nesmith Graham (1922-1980) invented Liquid Paper 124 Ein Interview mit Eric von Hippel, MIT, iiber die Demokratisierung von Innovation 127 What's Really Up with Web 2.0: Customer Innovation and Design It Yourself 132 Literaturempfehlungen zu Grundidee und Hintergrund von Open Innovation 135 XV

I

Verzeichnis der Kdsten

Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten

3-8: 3-9: 3-10: 3-11: 3-12: 3-13: 3-14: 3-15: 3-16:

Kasten 3-17: Kasten 3-18: Kasten Kasten Kasten Kasten Kasten

3-19: 3-20: 4-1: 4-2: 4-3:

Kasten 4-4: Kasten 4-5: Kasten 4-6: Kasten 4-7: Kasten 4-8: Kasten 4-9: Kasten 4-10: Kasten 5-1: Kasten 5-2:

XVI

Motives and Tools of Do-It-Yourself Inventors 141 Literaturempfehlungen zur Kundenperspektive 149 Liter aturempfehlungen zur Herstellerperspektive 155 Literaturempfehlungen zur Lead-User-Methode 163 Prototyping und Experiment als grundlegende Idee von Toolkits .. .165 Ein Toolkit in der Nahrungsmittelindustrie 168 Literaturempfehlungen zu Toolkits fiir Open Innovation 172 Ideenwettbewerb bei Swarovski 177 Beispiel zur Interaktiven Wertschopfung in Innovation-Communities: Die Entstehung von Linux 181 Open Invention Network Formed to Promote Linux and Spur Innovation Globally Through Access to Key Patents 182 Beispiele der Ubertragung des Gedankens der Open-Source-Software-Entwicklung auf andere Bereiche 183 Nutzung von Input aus Kunden-Communities bei MUJI 188 Literaturempfehlungen zu Open Innovation Communities 189 mi adidas: Das Mass-Customization-Programm von Adidas 192 Eigenschaften von Mass Customization 204 Literaturempfehlungen zu den Grundlagen der Produktindividualisierung 215 Mass-Customization-Produktionstechnologie Rapid Manufacturing: Die Brille aus dem Drucker 218 Loewe Individual-Femseher als Alternative fiir eine Produktion am Standort Deutschland 234 Literaturempfehlungen zur Markt- und Kosteneffizienz von Mass Customization 237 Kundenintegration in das Produktdesign am Beispiel des Internet-Toolkits von Factory 121 239 Web Sites Offering Personalized Products Catch Fire Among Vcs 243 LEGO Factory: Von Mass Customization zu User Innovation 254 Literaturempfehlungen zur Gestaltung der Kundeninteraktion bei Mass Customization 255 Die Konkurrenz: Mass Customization bei Nike 259 Beispiele fiir Mafikonfektion im Internet 304

I I Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1: Abbildung 2-2: Abbildung 2-3: Abbildung 2-4: Abbildung 2-5:

Abbildung 2-6: Abbildung 2-7: Abbildung 2-8: Abbildung 2-9: Abbildung 2-10: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

2-11: 2-12: 2-13: 2-14:

Abbildung 2-15: Abbildung 2-16: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

3-1: 3-2: 3-3: 3-4: 3-5:

Abbildung 3-6: Abbildung 3-7: Abbildung 3-8: Abbildung 3-9:

Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschopfung 13 Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsfiihrung nach Taylor 16 "Principles of Common Wisdom" - Rahmenbedingungen und Prinzipien der tayloristischen Industrieorganisation 17 Alternative Wertschopfungsarrangements 36 Einfluss der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) auf die Vorteilhaftigkeit von Organisationsstrukturen 37 Das Modell der interaktiven Wertschopfung 44 Kundenintegration zur Produktion von Dienstleistungen und individuellen Produkten 48 Ebenen der interaktiven Wertschopfung 51 Logik der Arbeitsteilung zwischen Untemehmen und Kunden 58 Einsparungen von externen Transaktionskosten in der interaktive Wertschopfung 61 Giitertypologie 68 Das Kontinuum zwischen implizitem und explizitem Wissen . . . .70 Interaktive Wertschopfung und Unternehmenserfolg 80 Unterscheidung von technisch-naturwissenschaftlichem Wissen und Anwendungswissen 83 Bausteine der Interaktionskompetenz 86 Trade-Off zwischen Produktionskosten und Transaktionskosten in der interaktiven Wertschopfung 92 Ziele von Prozessinnovationen 99 Arten von Innovationen 101 Phasen eines idealtypischen Innovationsprozesses 102 Faktoren von Kundenorientierung im Innovationsprozess 107 Typische konventionelle Methoden der Datengewinnung zum Zugang zu Bediirfnisinformation ("voice of the customer") 110 Closed versus Open Innovation nach Chesbrough 119 Ausgewahlte Studien zum Anteil innovativer Nutzer an alien Nutzem der Produkte einer Branche 121 Vom MAP zum CAP 123 Gegeniiberstellung des Lead-User-Gedankens und des klassischen "Voice of the Customer "-Konzepts 130 XVII

I

AbbUdungsverzekhnis

Abbildung 3-10: Abbildung3-ll: Abbildung 3-12: Abbildung 3-13: Abbildung 3-14: Abbildung 3-15:

Abbildung 3-16: Abbildung 3-17: Abbildung 3-18: Abbildung 3-19: Abbildung 4-1:

Abbildung 4-2: Abbildung 4-3: Abbildung 4-4: Abbildung 4-5: Abbildung 4-6: Abbildung 4-7: Abbildung 4-8: Abbildung 4-9: Abbildung 4-10: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

4-11: 4-12: 4-13: 4-14:

Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

5-1 5-2 5-3 5-4 5-5:

Abbildung 5-6: Abbildung 5-7: XVIII

Determinanten der Kundenbeteiligung an Open Innovation Wettbewerbsvorteile durch Open Innovation Phasen der Lead-User-Methode Die Suchtechniken Pyramiding und Screening Kreativitatstechniken im Innovationsprozess Ablauf des iterativen Problemlosungsprozesses im klassischen Innovationsprozess und bei Einbezug der Nutzer mittels Toolkits fiir Open Innovation Arten von Toolkits fiir Open Innovation Beispiele fiir Toolkits fiir User Co-Design in der Schuhindustrie Merkmale virtueller Communities Beispiele fiir Meinungsplattformen und Marken-Communities im Internet Idealpunkte eines Produkts aus Kundensicht (Nr. 1-4) im Vergleich zu den realen Produkteigenschaften (P*) als Kaufentscheidungskriterium Moglichkeiten der Produktindividualisierung Merkmale der Individualisierung und Standardisierung auf Produktebene Prinzipien von Mass Customization Zeitpunkte der Integration des Kunden in die Leistungserstellung Auftragsneutrale und kundenbasierte Vorfertigung Ubersicht der Treiber der Effizienz interaktiver Wertschopfung bei Produktindividualisierung Aufbau von "Learning Relationships'' Qualitativer Vergleich der Wertschopfungsmodelle in Bezug auf wesentliche Kostenarten Kosten und Nutzen einer Mass-Customization-Strategie aus Sicht des Anbieters Phasen der Kundeninteraktion bei Mass Customization Der Konfigurationsprozess Einsatzumgebungen von Toolkits fiir User Co-Design Aufgabenumfang eines Produktkonfigurationssystems fiir Mass Customization Der 'mi adidas'-Konfigurationsprozess Aufbau der Gestalte-Seite des Ideenwettbewerbs Verteilung der Ideen auf die unterschiedlichen Phasen Verteilung des Kreativscores Der Ideenwettbewerb als Methode zur Identifikation von Lead Usern Ausschnitt aus der Hauptseite der deutschsprachigen Wikipedia Diagramm der Wikimedia-Server-Architektur vom 12. April 2005

136 150 157 160 162

164 167 170 178 185

194 196 197 200 209 212 215 228 229 235 239 246 247 248 261 264 267 268 269 271 278

AbbUdunssverzeichnis

Abbildung 5-8: Abbildung 5-9: Abbildung 5-10: Abbildung 5-11: Abbildung 5-12: Abbildung 5-13: Abbildung 5-14: Abbildung 5-15: Abbildung 5-16: Abbildung 5-17: Abbildung 5-18: Abbildung Abbildung Abbildung Abbildung

5-19: 5-20: 5-21: 5-22:

Abbildung 5-23: Abbildung 5-24:

Gesamtumsatz und Umsatzentwicklung der deutschen Reisebranche on- und offline 1999 bis 2006 Wichtige Angebote grofier Online-Reiseagenturen im Internet Wichtige Angebote grofier, "klassischer" Reiseveranstalter im Internet Funktionaler Vergleich wichtiger Dynamic-Packaging-Angebote Funktionalschema der Reisevermittlung durch OnlineReiseagenturen "Click&Mix"-Angebot auf expedia.de Individualisierung des Fluges, der Zimmerausstattung, des Mietwagens sowie Auswahl einer Reiseversicherung Tour designer der Jacana Tours GmbH Prozess aus Sicht des Kunden Mogliche Module einer Filtrationsanlage und ihre Auspragungen Darstellung eines Konfigurators fiir Membranfiltrationsanlagen Beispielmodul Wartung & Reparatur Wertschopfungskette bei Mafikonfektion Kostenstruktur Mafikonfektionsware Vergleich Abschriften bei Massenkonfektion und Mass Customization Kostenerhohung bei individueller Fertigung von Konfektionsware in Asien Durchlaufzeiten der kundenindividuellen Massenfertigung einer Damenhose in Asien

282 283 284 286 287 288 289 290 291 297 298 299 304 305 306 309 310

XIX

I

I 1

EJnIeitung und Uberblick: Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschdpfung

Wenn wir in diesem Buch vom Konzept der interaktiven Wertschopfung sprechen, so steht fiir uns als Besonderheit die aktive Rolle des Kunden in der Wertschopfung im Mittelpunkt. Der Kunde ist in unserem Konzept nicht mehr nur passiver Empfanger und Konsument einer von Herstellem autonom geleisteten Wertschopfung. Vielmehr treten Kunden als Wertschopfungspartner von Untemehmen auf, indem sie Produkte oder Dienstleistungen mitgestalten und teilweise sogar deren Entwicklung und Herstellung bestimmen oder iibemehmen. Aus der von Untemehmen dominierten Wertschopfung wird durch die aktive Rolle der Kunden eine interaktive Wertschopfung.^ Was ist interaktive Wertschopfung? Interaktive Wertschopfung heifit Kooperation und sozialer Austausch. Das Konzept der interaktiven Wertschopfung geht von einem stark kooperativen Prozess aus, in dem der Kunde nur im Extremfall dominiert. Dies tragt dem Umstand Rechnung, dass Kunden in der Regel nicht allein die finanziellen und materiellen Ressourcen aufbringen konnen und wollen, um einen komplexen und langwierigen Wertschopfungsprozess ohne Unterstiitzung eines Herstellers zu gestalten. In der Regel signalisiert der Hersteller seine Empfangsbereitschaft fiir Kundenbeitrage zur Wertschopfung, indem er spezielle Infrastruktur und Ressourcen bereitstellt. Die Rolle der Kunden geht dabei aber weit iiber den Aufbau eines Regals von Ikea oder eine Selbstbedienung am Bankautomaten hinaus. Dies sind zwar auch Formen einer Arbeitsteilung zwischen Anbieter u n d Abnehmem, jedoch finden sie rein auf einer operativen Ebene innerhalb eines engen Losungsrahmens statt. Wir wollen dagegen auf Wertschopfungsprozesse fokussieren, die durch einen weiten Losungsraum gekennzeichnet sind. So konnen sich Kunden als Lieferanten von in Markttests und Pilotierungen erworbener Anwendungserfahrung oder aber als Mitgestalter der Produktentwicklung erweisen, die Ideen fiir neue Produkte beisteuem, an der Konzeptentwicklung mitarbeiten oder Produkte designen und konfigurieren (Dahan / Srinivasan 2000; Franke / Filler 2003; Brockhoff 2005).

Hinweis: Unter einem Kunden verstehen wir den Abnehmer und vor allem Nutzer einer Leistung und unter einem Untemehmen den Anbieter und vor allem den Hersteller einer Leistung. Bin Kunde bzw. Nutzer kann dabei auch ein Untemehmen sein (im B-to-BGeschaft). Bei der Leistung kann es sich sowohl um materielle Produkte als auch Dienstleistungen handeln, oft ist das Leistungsobjekt bei interaktiver Wertschopfung auch ein Produkt-Service-Biindel. 1

l1

Die aktive Rolie von Kunden in der Wertschopfung

Das Beispiel von Threadless Ein konkretes Beispiel, wie wir interaktive Wertschopfung verstehen, liefert das Unternehmen Threadless. Das im Jahre 2000 in Chicago gegriindete Untemehmen verkauft mit grofiem Erfolg ein eigentlich einfaches Produkt: bedruckte T-Shirts. Die beiden Griinder und ihre knapp 20 Mitarbeiter erwirtschaften aber mit diesem Produkt inzwischen pro Monat Gewinne in Hohe von mehreren Einhunderttausend Dollar und verkaufen mehr als 50.000 T-Shirts pro Monat (Ogawa / Filler 2006). Sie schaffen dies, da alle wesentlichen wertschopfenden Aufgaben an die Kunden ausgelagert sind, die diesen mit grofier Begeisterung nachkommen (siehe Kasten 1-1 fiir eine ausfiihrliche Darstellung). Die Kunden designen die T-Shirts und machen Verbesserungsvorschlage zu den Entwiirfen anderer. Sie screenen und bewerten alle Entwiirfe u n d wahlen diejenigen aus, die aus der Konzeption in die Produktion gehen soUen. Sie iibemehmen dabei das Marktrisiko, da sie sich zum Kauf eines Wunsch-T-Shirt (moralisch) verpflichten, bevor dieses in Produktion geht. Die Kunden iibemehmen die Werbung, stellen die Models und Photographen fiir die Katalogphotos und werben neue Kunden. Die Kunden fiihlen sich dabei aber nicht etwa ausgenutzt, sondem zeigen im Gegensatz grofie Begeisterung fiir das Untemehmen, das ihnen diese Mitwirkung ermoglicht. Sie beschiitzen Threadless vor Nachahmem (deren Web-Sites sie hacken) und iibermitteln unzahlige Ideen, wie das Untemehmen noch besser und produktiver werden kann. Threadless selbst fokussiert sich auf die Bereitstellung und Weitemetwicklung einer Interaktionsplattform, auf der die Interaktion mit und zwischen ihren Kunden ablauft. Das Untemehmen definiert zudem die Spielregeln, honoriert die Kunden-Designer, deren Entwiirfe fiir eine Produktion ausgewahlt wurden und steuert den eigentlichen materiellen Leistungserstellungsprozess (Herstellung und Distribution).

Kasten 1-1

Threadless: Interactive Value Creation With and By Consumers

(Quelle: Auszug aus dem Arbeitspapier "Collective Customer Commitment" von Susumu Ogawa und Frank Filler, MIT User Innovation Working Faper Series, Cambridge, MA 2005) Threadless, a young Chicago-based fashion company, follows an innovative business model that takes some Ideas from postponement and customization, but mixes them with new ways of customer interaction to create high variety products withoutrisks,and without heavy investments in market research. In fact, it follows a strategy that tums market research expenditures into quick sales. Started in 2000 by designers Jake Nickell and Jacob DeHart, Threadless focuses on a hot fashion item, t-shirts with colorful graphics. This is a typically hit-or-miss product. Its success is defined by fast changing trends, peer recognition, and finding therightdistribution outlets for specific designs. Despite these challenges, none of the company's products ever flopped. But Threadless has neither a sophisticated market research or forecasting capabilities nor a complicated flexible manufacturing system. Rather, all products sold by Threadless are inspected and approved by user consensus before any larger investment is made into a new product. Only after a sufficient number of customers have expressed their willingness to buy a new design, the garment is produced. If this commitment is missing, a potential design concept is dismissed. But if enough customers pledge to purchase the product, the design will be finalized and go into production. In this way, market

Die aktive Rolle von Kunden in der Wertschopfuns

research expenditures are turned into early sales. New designs regularly sell out fast, but are reproduced only if a large enough number of additional customers express interest in a reprint. Also the designs are submitted entirely by the community, which includes hobbyists, but also pro> fessional graphic designers. The company exploits a large pool of talent and ideas to get new designs (much larger than it could afford if the design process would have been internalized). Creators of submissions which are selected by other users get a $1000 reward, and their name is printed on the particular t-shirt's label. Since Threadless' launch, over 300 winning designs have been chosen for print from more than 32,000 submissions. The Threadless community is thriving with over 150,000 users signed up to submit, evaluate, score, and purchase new designs. This method eliminates the risk of new product developments. The commitment of the users to screen, evaluate and score new designs provides a powerful mechanism to reduce flops of new products. The method breaks with the known practices of new product development. It utilizes the capabilities of customers and users for the innovation process. The process starts when either a consumer or the development team of a manufacturer posts an idea for a desired product on a dedicated web site. Second, reactions and evaluations of other consumers towards the posted idea are encouraged in form of internet forums and opinion polls. Based on the results of this process, the company investigates the possibility of commercialization of the most popular designs. Is this evaluation positive, the company decides about a minimum amount of purchasers necessary to produce the item for a given sales price, covering its initial development and manufacturing costs (and the desired margin). The new product idea is then presented to the customer community, and interested customers are invited to express their commitment to this idea by voting for the design or even placing an order. Accordingly, if the number of interested purchasers exceeds the minimum necessary lot size, merchandising is settled and sales are commenced. Instead of investing in highly flexible manufacturing systems and dealing with Individual custom designs, the company focuses its energy to motivate creative designers to submit new designs and facilitates the evaluation and voting process in its customer community. Contrarily to postponement, it only starts the full manufacturing cycle after customers have shown their real commitment to purchase a particular item, eliminating the risk of product flops while allowing still for economies of scale. Compared to mass customization, Threadless has not to interact with individual customers with regard to their specific order and to run manufacturing lots of one. The costly elicitation process is substituted by an early Involvement of some (expert) customers in development, and the refinement of their ideas and pre-order taking by a larger group of customers. Motivated by its success in the fashion market, the founders of the company have recently extended their categories to formal wear like ties or polo shirts (NakedandAngry.com) or music (15Megsof Fame.com).

Eine neue Fonn der Arbeitsteilung entsteht Was sich in diesem Beispiel als kreative Spielerei Einzelner anhort, ist kein Einzelfall. Eine Vielzahl an Beispielen aus verschiedensten Branchen zeigt, dass die aktive Rolle von Kunden und Anv^endern in der Wertschopfung weder ein rein akademisches noch ein fiir die Praxis neues Phanomen ist. In jiingster Zeit ist auch zu beobachten, dass immer mehr etablierte Untemehmen (z. B. Audi, Adidas, BMW, Huber Group, Eli Lilly Oder Procter&Gamble) mit der Einfiihrung dezidierter Infra- und Organisationsstrukturen fiir die interaktive Wertschopfung mit Abnehmem begonnen haben. Auch andere Neugriindungen w^ie MySQL, Threadless.com oder Zagat haben wie Threadless ihr Geschaftsmodell ganz auf die Entwicklung ihrer Produkte durch Kunden ausgerichtet. Nicht zuletzt beglinstigt durch neue Moglichkeiten der

1I

11

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfung

Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und des Internets gewinnt die interaktive Wertschopfung auch in vielen Konsumgiitermarkten an Bedeutung. Untemehmen reagieren damit verstarkt auf aktuelle Trends und tragen so bewahrte Konzepte und Modelle fiir die Organisation der arbeitsteiligen Wertschopfung als (vorlaufiges) Ergebnis eines Entwicklungsprozesses auf eine neue Stufe. Das Spannende an diesen Modellen ist dabei eine neue Vorstellung und Organisation der Arbeitsteilung zwischen Anbietem und Abnehmem. Eine hierarchische Aufgabenverteilung und KontroUe wird durch Selbstmotivation und Selbstselektion der Akteure ersetzt. Der internen Koordination durch Regeln und Organisationsformen stehen neue Koordinationsformen in Netzwerken gegeniiber. Standardisierte Massenartikel oder vorproduzierte Varianten werden durch individuelle Leistungen ersetzt, ohne dass dadurch die Preise aber wesentlich steigen. Die Entwicklungsgeschichte der interaktiven Wertschopfung Das hier dargestellte Modell der interaktiven Wertschopfung stellt eine Synthese und Weiterentwicklung von generalisierbaren Prinzipien dar, die in der Vergangenheit sowohl in Ansatzen der Organisationsforschung sowie in Ansatzen des Innovations-, Technologie- und Produktionsmanagements erarbeitet worden sind. Unser Konzept der interaktiven Wertschopfung erhebt deshalb nicht den Anspruch, etwas grundsatzlich Neues zu sein, es handelt sich vielmehr um eine Erganzung und Weiterentwicklung bewahrter theoriegeleiteter Ansatze und Konzepte zur instrumentellen und organisatorischen Gestaltung des Innovations- und Produktionsmanagements. Wir beziehen uns auf eine traditionsreiche Reihe grofier Autoren und kniipfen an deren gedanklichen Konstrukten an. Chester Barnard ist einer der Urvater der modernen Organisationstheorie. In seinem Buch "Organization and Management" (1948) diskutiert er detaiUiert und lange vor modernen Stromungen eines "Beziehungsmarketings" die symbiotische Beziehung zwischen Kaufem und Verkaufern. Kunden gelten fiir Barnard nicht als externe Akteure, sondern sie sind Teil der Organisation. Er bemerkt, dass sowohl Kunden als auch die Angestellten eines Herstelleruntemehmens gleichermafien Inputfaktoren zum Leistungserstellungsprozess beitragen. Diesen Gedanken greift viele Jahre spater Alvin Toffler (1970,1980) auf. Er pragte den beriihmten Ausdruck des "Prosumers", der in einer Rolle Konsument und Produzent ist. Allerdings ist der Tofflersche Prosument ein autonomer Akteur, der ohne Kooperation mit einem Untemehmen produktive und konsumptive Aufgaben vollzieht. Eine wesentliche Quelle unserer Ideen in diesem Buch ist die Konzeption einer "interactive strategy" von Richard Nermann und Rafael Ramirez (1993, 1998[1994]) sowie Solveig Wikstrom (1996a, 1996b). Diese Autoren konnen als Urheber einer modernen Debatte interaktiver Wertschopfung zwischen Untemehmen und Kunden gesehen werden (siehe auch Mannervik 1997; Parolini 1999; Ramirez 1999; Schon 1994; Wikstrom / Normann 1994 fiir verwandte Schriften). Sie erklaren, dass sich als Folge des Einsatzes neuer Informations- und Fertigungstechnologien sowie geanderter Lebensstile zwei wesentliche Anderungen ergeben werden:

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfung



Die Trennung zwischen (materiellen) Produkten und Dienstleistungen wird hinfallig, da alle Leistungen durch einen Kern oder eine Peripherie von Diensten gepragt werden, die ihren eigentlichen Wert darstellen. Pragendes Merkmal von Dienstleistungen ist aber der Einbezug des Kunden als extemer Faktor in die Leistungserstellung.



Damit wird auch das von Michael Porter (1985) gepragte Bild der "Wertschopfungskette" in Frage gestellt: Erfolg im Wettbewerb leitet sich nicht daraus ab, bestimmte festgelegte Aktivitaten entlang einer sequentiellen Abfolge zu positionieren, sondem ist vielmehr Resultat der Fahigkeit eines Unternehmens, mit alien an der Wertschopfung beteiligten Akteuren ein geschlossenes und abgestimmtes Wertsystem zu schaffen (Normann und Ramirez nennen dieses Value constellation'). Wertschopfung ist in dieser Vorstellung immer 'co-creation' zwischen verschiedenen Akteuren einschliefilich der Kunden.

Prahalad und Ramaswamy (2000, 2002, 2003, 2004) bauen auf dieser Vorstellung auf und geben eine moderne Interpretation der Gedanken von Normann und Ramirez vor dem Hintergrund der Moglichkeiten des Internets. Sie betonen vor allem das kontinuierliche Feedback, das heute Kunden Herstellern geben und das zur kontinuierlichen Weiterentwicklung und Konkretisierung von Leistungsbiindeln beitragt. Zur wichtigsten Aufgabe von Herstellerunternehmen wird es deshalb, Interaktionsplattformen zu schaffen, die den Inputprozess fiir den Kunden zum Erlebnis werden lasst. Auch Ursula Hansen und Thorsten Hennig (1995) entwickeln die Ideen von Normann und Ramirez weiter und liefem eine marketingfokussierte Betrachtung dieser Thematik (siehe auch Hansen 1993; Hansen / Raabe 1991; Hansen / Schoenheit 1985; HennigThurau 1998). In der deutschen Managementforschung haben vor allem Werner Engelhardt und Michael Kleinaltenkamp und ihre Schiiler eine deutsche Schule der Kundenintegration (auch im Deutschen von ihnen 'Customer Integration' genannt) begriindet (siehe z. B. Engelhardt / Freiling 1995; Engelhardt / Kleinaltenkamp / Reckenfelderbaumer 1993; Fliefi 2001; Jacob 1995, 2003; Kleinaltenkamp 1996, 1997a, 1997b, 2002; Kleinaltenkamp / Fliefi / Jacob 1996; Kleinaltenkamp / Haase 2000; Trommen 2002; Weiber / Jacob 2000). Die Autoren argumentieren aus der Perspektive industrieller Markte, wo eine Leistungserstellung in vielen Fallen durch individuelle und auf das Produktionssystem des Abnehmers ausgerichtete Prozesse gepragt ist. Die Erstellung einer individuellen Leistung bedarf jedoch zunachst einer intensiven Interaktion zwischen Anbieter und Abnehmer zur Konkretisierung dieser Leistung. Ein solches Leistungssystem ist vor allem durch zwei Eigenschaften gepragt: In einem ersten Schritt, einer autonomen Vorproduktion, stellt der Hersteller zunachst die Potenziale und Produktionsplattformen bereit. In einem zweiten Schritt werden unter Mitwirkung des individuellen Abnehmers in einem integrierten Prozess die Produktekonkretisiert und genutzt. In aktuelleren Arbeiten ist dieses Verstandnis von den Autoren zu einer eigenen Leistungslehre ausgebaut worden. Auch diese Gruppe von Autoren betont die Irrelevanz einer Trennung von Sach- und Dienstleistungen, da beide Leistungsarten stets durch materielle und immaterielle Bestandteile gepragt sind.

1I

11

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfuns

Die These, dass auch in Konsumgutermarkten immer mehr Kunden entweder freiwillig Oder unfreiwillig zum aktiven Mitakteur der Leistungserstellung werden ("Von der Selbstbedienung zur Co-Produkion") ist der Ausgangspunkt der Untersuchungen von Oskar Griin und Jean-Claude Brunner (2002, 2003) sowie Giinter Vofi und Kerstin Rieder (2005). In ihren Modellen sind es vor allem Bestrebungen zur Effizienz- und Effektivitatssteigerung, die Unternehmen veranlassen, immer mehr Arbeit an die Kunden auszulagem. Zwar sind die heutigen Konsumenten selbstbestimmter, informierter, aktiver und besser mit Produktionstechnik ausgestattet, jedoch haben sie haufig keine andere Wahl, als hier mitzuwirken. Wahrend Vofi und Rieder dieses Phanomen aus Sicht der Komsumsoziologie darstellen und kritisch hinterfragen, entwickeln Griin und Brunner ein Organisationsmodell, wie Unternehmen eine weit gehende Form der Selbstbedienung steuern und gestalten konnen. Vor allem aber liegen unserem Modell der interaktiven Wertschophing Beobachtungen der Forschergruppe um Eric von Hippel zugrunde (siehe zum Beispiel von Hippel 1978a, 1986, 1988, 1998; 2005; siehe auch Franke / Schreier 2002; Franke / Shah 2003; Fuller 2005; Harhoff / Henkel / von Hippel 2003; Henkel / von Hippel 2005; Herstatt 1991; Jeppesen 2005; Liithje 2000; Lakhani / Wolf 2005; Ogawa 1998; Ogawa / Piller 2006; Urban / von Hippel 1988; Thomke 2003; Thomke / von Hippel 2002). Von Hippel betont, dass Kunden bzw. Nutzer in verschiedensten Produktdomanen zunehmend selbstandig in der Lage sind, Produkte fiir den Eigenbedarf zu modifizieren oder gar vollstandig (zumindest als Prototypen) zu entwickeln, d. h. ohne die Mitwirkung eines herstellenden Untemehmens. Diese Kunden fortschrittlichen Kunden werden als "Lead User" bezeichnet. Das so genannte "customer-active paradigm" (CAP) von von Hippel geht im Gegensatz zum traditionellen "manufacturing-active paradigm" (MAP) von einer extremen Form der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Kunden aus, wobei der Aufwand vom Kunden zunachst autonom geleistet wird. Umso erstaunlicher ist die Beobachtung, dass eine Vielzahl dieser Kunden ihre Produktentwicklungen oder Produktmodifikationen freiwillig und ohne erkennbare Gegenleistung der Offentlichkeit preisgeben oder einem herstellenden Unternehmen iiberlassen. In bestimmten Situationen kann sich auch noch nach dieser Entwicklerleistung eine Zusammenarbeit mit einem Hersteller fiir den Kunden als vorteilhaft erweisen, so dass Kunden die interaktive Wertschopfung sogar initiieren (Harhoff / Henkel / von Hippel 2003). Das Modell der "Commons-based Peer Production", das der Yale-Professor Yochai Benkler (2002) zur Beschreibung der Produktionsprinzipien der Open-Source-Software-Entwicklung (auch eine Kundeninnovation) gebildet hat, ist eine wichtige Grundlage zur Bildung von Organisationsregeln, wie sich die daraus folgende Arbeitsteilung zwischen Herstellerunternehmen und Kunden koordinieren lasst. Ziel und Aufbau dieses Buchs Unsere Vorstellung der interaktiven Wertschopfung, die wir im folgenden Kapitel noch ausfiihrlich konkretisieren, betont dagegen die aktive Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Herstellem und Kunden bzw. Nutzern. Wir bleiben aber in der Gedankenwelt von von Hippels, wenn wir im Gegensatz zu den zuvor genannten klassischen Autoren einer Kundenintegration vor allem auf Innovation und die

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfung

Entwicklung neuer Leistungen fokussieren. Uns geht es u m die Einbeziehung der Kunden in die Wertschopfung im Rahmen der Schaffung neuer Losungsraume oder zumindest der kreativen Nutzung offener vorhandener Potenziale. Das vorliegende Buch soil aufzeigen, •

welche Entwicklungen und Trends zu einer zunehmenden Relevanz u n d Verbreitung der interaktiven Wertschopfung gefiihrt haben,



welche Vorteile sich aus der Interaktion zwischen Untemehmen und Kunden gegeniiber der untemehmenszentrierten Wertschopfung ergeben und



welche neuen Konzepte, Methoden und Instrumente geeignet sind, u m die mit der Interaktion verbundenen wechselseitigen Kommunikations-, Abhangigkeits- und Austauschbeziehungen zu organisieren und zu gestalten.

Im Teil 2 des Buches werden Modelle der arbeitsteiligen Wertschopfungsorganisation in ihrer Entwicklung hin zur interaktiven Wertschopfung dargestellt. Wir woUen zeigen, wie sich aus der klassischen industriellen Vorstellung der Wertschopfung (die aber immer noch das Denken vieler Manager und Wissenschaftler pragt) in einem evolutionaren Prozess ein neues Wertschopfungsmodell bildet. Dabei nehmen wir Bezug auf die zugrunde liegenden Leitziele, Trends und Theorien. Ausgangspunkt der Darstellung ist die klassische industrielle Massenproduktion auf Basis tayloristischer Prinzipien der Arbeitsgestaltung u n d hierarchischer Organisationsstrukturen (Abschnitt 2.2). Dieses konventionelle Wertschopfungsmodell orientiert sich streng an den Zielen der 'Troduktivitaf' und der "Kostenwirtschaftlichkeit" in der Produktion. Dieses Ziel wird primar durch eine maximale Ausnutzung von Skaleneffekten und eine Zerlegung des Wertschopfungsprozesses in kleinste Einheiten zu realisieren versucht. Dabei ist man auf stabile Rahmenbedingungen und langfristig prognostizierbare Absatzmarkte angewiesen. Diese Vorstellung ist aber heute iiberholt, wie Abschnitt 2.3 zeigt. Heute sind oft die Abflachung und die Auflosung hierarchischer Untemehmensstrukturen zugunsten von Netzwerkorganisationen und einer Abwicklung auf Markten zu beobachten. Diese Entwicklung tragt den gewandelten Rahmenbedingungen der letzten Jahrzehnte Rechnung. Neben der Verfiigbarkeit immer besserer Informations- und Produktionstechnologien sorgt der Wertewandel in Arbeitswelt und Gesellschaft fiir einen steigenden Wettbewerbsdruck auf Untemehmen. Immer haufiger ist der Wandel von Verkaufer- zu Kaufermarkten zu beobachten, in denen Kundenwiinsche anspruchsvoller und Produktlebenszyklen kiirzer werden. Unter diesen Bedingungen wird die industrielle Wertschopfung einer auf Skaleneffekten basierenden Massenproduktion zunehmend durch eine marktgetriebene Entwicklung und Produktion auf Kundenbestellung abgelost. Die betriebswirtschaftlichen Ziele ''Qualitat", "Zeif' und vor allem 'Tlexibilitat" erhalten aus wettbewerbsstrategischer Sicht eine grundsatzliche Neubewertung und treten als gleichwertige Ziele neben 'Troduktivitat" und ''Kostenwirtschaftlichkeit". Jedoch ist auch dieses Leitbild einer vemetzten Wirtschaft nur eine Zwischenstufe zur interaktiven Wertschopfung, die wir in Abschnitt 2.4 mit ihren grundlegenden

11

I1

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfuns

Prinzipien und Eigenschaften vorstellen. Die Relevanz dieses Modells ist nicht zuletzt auf die Verbreitung des Internets und die gestiegene Markttransparenz zuriickzufiihren, wodurch die Notwendigkeit der Wettbewerbsdifferenzierung fiir Untemehmen und die Marktmacht der Kunden weiter gestiegen ist. Dies treibt die Individualisierung der Kundenbediirfnisse weiter voran. Hersteller sind n u n gezwungen, zum einen sehr heterogene Kundenbediirfnisse auf Segment- oder sogar auf Einzelkundenebene zu beriicksichtigen. Z u m anderen miissen Hersteller im Wettbewerb kontinuierlich Produkte mit hohem Neuigkeitsgrad entwickeln, die aber wiederum mit einem hohen Marktakzeptanz- bzw. Floprisiko verbunden sind. In der Konsequenz treten "Innovativitat" und der "Wissenstransfer" mit Marktpartnem als Leitziele der Untemehmensfiihrung in den Vordergrund. Klassische Marktforschung reicht in diesem Wettbewerbsumfeld meist nicht aus, u m ausreichend Information iiber die vielfaltigen und neuartigen Kundenwiinsche zu sammeln und mithin das Marktakzeptanzrisiko neuer Produkte zu senken. Klassische Marktforschung ist haufig auf "durchschnittliche" Kundenpraferenzen oder die Zufriedenheit mit einem Standardprodukt gerichtet und tragt deshalb der Heterogenitat der Kundenwiinsche nicht Rechnung. Mit dem Bild des Kunden als passivem Rezipienten neuer Produkte setzt sie oft erst kurz vor oder gar nach der Kaufentscheidung an und dehnt die Informationsgenerierung nicht auf friihere Phasen der Produktentwicklung aus. Auch neuere Organisationsformen wie Unternehmensnetzwerke implizieren zwar haufig eine gewisse Offnung des einzelnen Unternehmens gegeniiber externen Informationsquellen. So sind in zahlreichen Branchen der Investitionsgiiterindustrie vertraglich geregelte Kooperationen zwischen Partnern, die komplexe Produkte gemeinsam entwickeln, weit verbreitet. Diese starker institutionalisierten Netzwerkformen lassen aber das stark verteilte Potenzial individueller Wissenstrager, insbesondere von Anwendem und Endabnehmern der jeweiligen Produkte, als aktive Teilhaber an der Wertschopfung meist unberiicksichtigt. Zwei grundlegende Formen der interaktiven Wertschopfung: Open Innovation und Mass Customization Abschnitt 2.4 zeigt, dass die interaktive Wertschopfung den Transfer von implizitem Wissen der Kunden zu Unternehmen durch das Prinzip der Kundenintegration realisiert. Das bedeutet, dass Kunden sich in die vormals autonomen Wertschopfungsaktivitaten des Unternehmens einbringen und diese teilweise selbst ausfiihren, um so ihr Wissen zu artikulieren und zu explizieren. Diese Interaktion resultiert in einer neuen Form der Austausch- und Abhangigkeitsbeziehung zwischen Kunden und Untemehmen. Mit dem Internet bestehen fiir Unternehmen neue Moglichkeiten des kostengiinstigen und informelleren Wissensaustauschs mit Individuen und der aktiven Beteiligung vormals anonymer Kunden an der Wertschopfung. Im Hinblick auf eine funktionsfahige Gestaltung dieser Beziehung gehen wir dabei auch auf die notwendigen organisatorischen und strategischen Rahmenbedingungen ein, die fiir beide Interaktionspartner gleichermafien Nutzen stiften. In den weiteren Hauptteilen dieses Buches werden wir dann zwei grundlegende Formen der interaktiven Wertschopfung unterscheiden und naher diskutieren, die 8

Die aktive RoUe von Kunden in der Wertschopfung

Unternehmen als unterschiedliche strategische Stofirichtungen verfolgen konnen. Je nach Ausmafi und Phase des Wertschopfungsprozesses, in der die Kundenintegration stattfindet, sprechen wir von •

Open Innovation: die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden, die sich auf Wertschopfungsaktivitaten im Innovationsprozess bezieht und auf die Entwicklung neuer Produkte fiir einen grofieren Abnehmerkreis abzielt.



Produktindividualisierung und Mass Customization: die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kunden, die sich auf Wertschopfungsaktivitaten im operativen Produktionsprozess bezieht und auf die Entwicklung eines individualisierten Produktes fiir einen Abnehmer abzielt.

Wahrend die praktische Umsetzung von Open Innovation in vielen Unternehmen erst ganz am Anfang steht und deshalb hier nur eine recht geringe empirische Basis zur Ableitung von "promising practices" u n d Strukturen einer erfolgreichen Umsetzung besteht, ist die Umsetzung von Mass Customization deutlich weiter fortgeschritten. Die Analyse von Mass Customization kann deshalb auch wichtige Anhaltspunkte fiir eine Gestaltung der Interaktionsprozesse und Instrumente fiir Open Innovation geben. Die detaillierte Darstellung von Open Innovation erfolgt in Teil 3 des Buches, die der Produktindividualisierung bzw. Mass Customization in Teil 4. Hier werden die beiden Formen der interaktiven Wertschopfung mit ihren vielseitigen Facetten auf instrumenteller und operativer Ebene im Hinblick auf eine Umsetzung in Unternehmen weiter konkretisiert. In beiden Teilen geht es vor allem auch um eine ausfiihrliche Diskussion des Nutzens und der Kosten interaktiver Wertschopfung fiir den Kunden und fiir den Hersteller. Das Verstandnis der Treiber und Hiirden der interaktiven Wertschopfung ist zum einen Ausgangspunkt einer Beurteilung, ob und wann das Modell der interaktiven Wertschopfung klassischen Wertschopfungsmodellen liberlegen ist. Zum anderen bildet es den Ansatzpunkt fiir eine "Okonomie der interaktiven Wertschopfung" mit neuen Formen der Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Kunden als Wertschopfungspartnern. Interaktive Wertschopfung als neues Prinzip zur Organisation der Arbeitsteilung Ist das neu? Kunden wurden im Rahmen von Selbstbedienungsaktivitaten immer schon in die Wertschopfung eines Herstellers integriert. Jedoch geht die Integration des Kunden heute viel weiter und ist nicht nur ein weiteres Mittel zur Steigerung der internen operationalen Effizienz des Herstellers, sondem wird vielmehr zentrales Mittel zum Aufbau von Wettbewerbsvorteilen. Dies verlangt einen radikalen Wechsel der Sichtweise und ein Uberdenken der konventionellen Prinzipien erfolgreicher Wertschdpfung: Ein Unternehmen wechselt von einem intern fokussierten zu einem offenen Modus von Wertschopfung, der alle Aktivitaten umfasst (Bendapudi / Leone 2003:14; Griin / Brunner 2002: 148). Auch wenn die Entwicklung von einfachen Selbstbedienungsformaten zu weit gehenden Formen der Kundenintegration ein gradueller und evolutionarer Prozess ist, so bedeutet er doch von Unternehmern ein radikales Umdenken. Die "neue" Kundenintegration, um die es in diesem Buch gehen soil, ist gekennzeichnet durch den Einbezug von Kunden und Nutzem in Bereiche und

1 I

11

Die aktive Rolie von Kunden in der Wertschopfung

Aktivitaten, die zuvor als interne und zentrale Domane des Herstellers angesehen wurden (Filler 2004; Wikstrom 1996a). Dieser Ausdruck soil Kundenintegration als dynamischen Prozess definieren, sowohl aus Sicht des Kunden als auch des Herstellers. Durch die Integration der Kunden in die Wertschopfung resultieren innovative Prozessstrukturen, die die konventionelle Vorstellung von Arbeitsteilung zwischen Anbietem und Abnehmem aufheben. Dies verlangt in der Folge aber auch eine Redefinition der Kernkompetenzen des Unternehmens und neue Formen der Organisation und Koordination. Die Neuigkeit der interaktiven Wertschopfung wird damit vor allem durch die subjektive Neuigkeit fiir das Untemehmen definiert (Rogers 1995: 11): Auch wenn einzelne Prinzipien der interaktiven Wertschopfung aus Sicht der okonomischen Literatur nicht neu sind, so ist doch ihre Erkenntnis und ganzheitliche Umsetzung fiir die meisten Untemehmen heute noch sehr neu. Fiir diese Firmen erfahrt das Wissen um die optimale Losung des Koordinations- und Wirtschaftlichkeitsproblems einen radikalen Wandel.

10

I Organisation der arbeitsteiligen Wertschopfung: Entwicklungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschopfung

2.1

Eine Ubersicht der Evolution von Wert und Wertschopfung

'Wert' und 'Wertschopfung' sind einige der am meisten verwendeten Begriffe in der Managementliteratur (siehe Ramirez 1999 zur Denotation des Wertbegriffs). Das primare Ziel okonomischer Aktivitat ist, Wert zu schaffen. Wert wird produziert, indem Menschen mit dem ihnen zur Verfiigung stehenden Wissen und weiteren Ressourcen handeln (Nermann / Ramirez 1998: 49). Wertschopfung kann als die Nutzung dieses Wissens in einer arbeitsteiligen Organisation angesehen werden, als die Gesamtheit der Kenntnisse und Fahigkeiten, die Individuen und Organisationen zur Losung des Wirtschaftlichkeitsproblems einsetzen: das Wissen iiber den Markt, iiber die Organisation von Wertschopfungsprozessen und iiber die Fiihrung von Menschen in einer von Giiterknappheit gekennzeichneten Wirtschaft. Einen Indikator fiir den "Wert" dieser Aktivitaten bildet der Preis einer Leistung. Dieser Preis driickt die Differenz zwischen den Aktivitaten der herstellenden Akteure und den Aktivitaten (bzw. der Zahlungsbereitschaft) der Abnehmer aus. Uber den Kauf gewinnt Letzterer Zugang (oder Eigentum) zu dem Ergebnis der Aktivitaten der Herstellerorganisation. Okonomische Transaktionen konnen also generell als Austausch von Aktivitaten oder Ressourcen gesehen werden, die einen Preis haben. Taylor und die wissenschaftliche Betriebsfuhrung Die heute dominierende Vorstellung, wie Unternehmen Werte schaffen, kann auf Prinzipien zuriickgefiihrt werden, die vor 100 Jahren in der aufkommenden Industriegesellschaft entwickelt wurden. Vor allem Frederick Taylors Ansatz des "Scientific Management" legte mit seinem Fokus auf die Senkung von Produktionskosten die Basis fiir alle folgenden Debatten (Wolf 2003). Rationalprinzip, Giiterknappheit und das Allokationsproblem kennzeichnen die betriebswirtschaftliche Problemstellung von Organisation, Arbeitsteilung und Koordination der Wertschopfung in Taylors Modell (Gutenberg 1951; Kosiol 1959). Im deutschsprachigen Raum entwickelte sich auf Basis dieser Prinzipien die betriebswirtschaftliche Entscheidungslehre, die das Each bis in die 1980er Jahre mal^geblich gepragt hat (Heinen 1968, 1982). In deren Modell setzen Entscheidungen iiber die zielorientierte Durchfiihrung von Wertschopfungsprozessen auf den Gegebenheiten der betrieblichen Produktionsfaktoren an: Betriebsmittel, 11

Entwicklungen und Trends auf dew We^ zur interaktiven Wertschopfung

|2 Werkstoffe und Arbeit. Da die betrieblichen Produktionsfaktoren knappe Giiter sind und einen Marktpreis haben, zielt die betriebliche Entscheidungsfindung nach dem Rationalprinzip darauf ab, die knappen Giiter in ihre optimale Verwendungsrichtung zu lenken, dies wird als das betriebliche Allokationsproblem bezeichnet (Heinen 1959, 1983). Wir werden diese Prinzipien in Abschnitt 2.2 dieses Kapitels naher betrachten. Wertkettendenken und interorganisationale Netzwerke Porters (1985) Modell einer Wertschopfungskette prasentierte der Managementlehre einen integrierten Ansatz, wie sie den Wertschopfungsprozess von der Entwicklung iiber Produktion und Vertrieb bis hin zur Auslieferung von Gtitem und Leistungen mit Hilfe des Produktionsfaktors Information organisieren und steuem konnen. Anfang der 1990er Jahre wurde durch Hammer und Champy (1993) mit der Idee des Business Process Reengineering ein vertiefender und in der Wirtschaft begeistert aufgenommener Ansatz vorgestellt, wie durch Kostenreduktion und eine Fokussierung auf die interne Effizienz in einem Untemehmen Wert geschaffen werden kann (d. h. die Differenz zwischen der Zahlungsbereitschaft und den gesamten Herstellungskosten ausgeweitet wird). Diese interne Sichtweise wurde spater um das Bild eines grenzenlosen (oder gar virtuellen) Unternehmens erweitert, in dem ein eng verbundenes Netzwerk professioneller Akteure eine abgestimmte und friktionslose Wertschopfungskette schafft, die viele Organisationen umfasst (Picot / Reichwald 1994; Sydow 1992, Reichwald et. al 2000). Die Zulieferer (und Zulieferer der Zulieferer) wurden in die Suche nach neuen Wertschopfungsarrangements einbezogen, wie wir in Abschnitt 2.3 noch vertiefend sehen werden. Mit dem Aufkommen des Internets und den daraus folgenden Potenzialen zur Senkung von Transaktionskosten wurde eine neue Dimension der organisatorischen Effizienz eingelautet (Picot / Reichwald / Wigand 2003), indem nun auch die Aktivitaten an der Schnittstelle zwischen einem Hersteller(netzwerk) und den Abnehmern in den Fokus der Effizienzbetrachtung einbezogen werden. Entlang aller Stufen dieser Evolution steht dennoch stets die Annahme, dass das Streben nach interner Kosteneffizienz (d. h. die Steigerung der Differenz zwischen dem moglichen Preis und den Kosten der Erstellung einer Leistung) die Quelle betrieblicher Wertschopfung ist. Diese Pramisse wird nicht in Frage gestellt (Prahalad / Ramaswamy 2002: 52). Interaktive Wertschopfung Doch Kunden und Nutzer honorieren in der Regel nicht die interne operative Effizienz eines Anbieters. Sie mogen zwar giinstige Preise als Resultat dieser Effizienz, doch hat sich stets gezeigt, dass das Streben nach immer weiterer operativer Effizienz innerhalb eines Netzwerks keine Quelle nachhaltiger Wettbewerbsvorteile ist (Porter 1996). Operative Effizienz ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung flir dauerhaften Wettbewerbsvorteil. Vielmehr zeigt sich heute, dass vor allem die Gestaltung der Schnittstellen und der Aktivitaten an der Peripherie eines Unternehmens zu Marktpartnern wesentliche Ansatzpunkte fiir die Schaffung von Wert bildet. Damit tritt der Akteur in den Mittelpunkt der Betrachtung, der bislang in der Debatte u m die Gestaltung der Wertschopfung weitgehend ausgeblendet war: der Kunde. 12

Evolution von Wert und Wertschopfung

Wir sehen heute, dass Kunden das Ergebnis betrieblicher Wertschopfung nicht nur konsumieren, sondem selbst einen wesentlichen Beitrag bei der Schaffung von Wert leisten (Ramirez 1999). Dies geschieht dabei nicht nur autonom in der Kundendomane (ein Bereich, der in der Mikrookonomie schon lange im Zusammenhang mit Konsumentenproduktion untersucht wurde, siehe z. B. Becker 1965; Haverty 1987; Lancaster 1966; Ratchford 2001; Stigler / Becker 1977), sondem auch in einem interaktiven und kooperativen Prozess mit Herstellem und anderen Nutzern einer Leistung. Kunden und Nutzer tragen dazu bei, die Kenntnisse, Fahigkeiten und Ressourcen eines Herstellers zu erweitern (Gibbert / Leibold / Probst 2002). Die Kunden werden als strategischer und wichtiger Faktor in die Aktivitaten integriert, die in einem erweiterten Wertschopfungsnetzwerk Wert schaffen. Die Wahmehmung dieses Wertes umfasst dabei weit mehr als die Erhohung der Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft und intemer Effizienz. Haupttreiber dieses Wandels sind die neuen Technologien, insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die die betrieblichen u n d iiberbetrieblichen Wertschopfungsprozesse vollstandig verandert haben (Abbildung 2-1).

Abbildung 2-1: Entwicklungen und Trends aufdem Weg zur interaktiven Wertschopfung

Herausforderungen fur Unternehmen Steigende Internationalisierung des O^ Innovationsdynamik und Wettbewerbs Marktsunsicherheit V J V J

t

\. '' i

Wertewandel und Trend zur Individualisierung und des Kunden V J

+

Entwicklung neuer Informations- & Konnmunikationstechnologien als Enabler

t Produktivitm

Fiexibilitm

InnovativitMt

Hierarchische Organisation Taylorismus

Netzwerkorganisation Marktorientierung

Interaktive Wertschopfung Kundenintegration

Entwicklung unternehmerischer Wertschopfungs konzepte und Leitbilder

Von Hierarchic und Markt zur "Commons-based Peer-Production" Entlang dieser Evolution der Organisation arbeitsteiliger Wertschopfung andert sich aber nicht nur die Sichtweise, welche Akteure am Wertschopfungsprozess aktiv betei13

2.11

|2

Entwickiungen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschopfung

ligt sind (vom intemen Fokus bei Taylor iiber Netzwerke mit festen Partnem bis zur Interaktion mit den Kunden bzw. Nutzem), sondern auch die Vorstellung, wie das Organisationsproblem, d. h. die Koordination und Motivation der einzelnen Akteure, die die Gesamtaufgabe arbeitsteilig voUziehen, am besten gelost werden kann. Taylors Modell setzt vor allem auf die hierarchische Koordination und Motivation durch finanzielle Anreize in einem geschlossenen Wertschopfungssystem. Die Netzwerkansatze erweitern diese Vorstellung u m eine Kombination marktlicher und hierarchischer Koordinationsformen und betonen darliber hinaus auch eine Motivation durch nichtmonetare Anreize. Die interaktive Wertschopfung erganzt diese beiden klassischen Koordinationsformen (Hierarchie u n d Markt) durch einen dritten Weg: die Selbstselektion und Selbstorganisation von Aufgaben durch (hoch) spezialisierte Akteure, deren Motivation vor allem die (eigene) Nutzung der kooperativ geschaffenen Leistungen ist, die jedoch durch eine Vielzahl weiterer sozialer, intrinsischer und extrinsischer Motive erganzt werden kann. Dieses Organisationsprinzip einer "Commons-based Peer-Production" verlangt eigene Kompetenzen und Prinzipien der Organisation der Wertschopfung. Die Entwicklung der sich andemden Vorstellung der optimalen Organisation der betrieblichen Wertschopfung kann so zusammenfassend in drei Leitmodellen aufgezeigt werden, die jeweils Folge verschiedener technischer und gesellschaftlicher Trends sind. Sie werden im Folgenden in ihren unterschiedlichen Ausrichtungen und Organisationsformen der Arbeitsteilung sowie in ihren unterschiedlichen Beziehungen zu Markten und Marktpartnem vorgestellt: •

Wertschopfung in der hierarchischen Industrieorganisation mit tayloristischer Arbeitsteilung (Abschnitt 2.2);



Auflosung der Untemehmensgrenzen und Wertschopfung in iiberbetrieblichen Netzwerkorganisationen aus Basis einer marktlichen Koordination (Abschnitt 2.3),



Interaktive Wertschopfung unter Integration der Kunden in einen kooperativen Wertschopfungsprozess (Abschnitt 2.4).

2.2

Die tayloristische Industrieproduktion: hierarchische Organisation der Arbeitsteilung

2.2.1 Tayloristische Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsflihrung: Produktivitatsoptimierung unter stabilen Bedingungen Das Handeln vieler Unternehmen ist haufig noch durch traditionelles Erfahrungswissen der industriellen Organisation gepragt. Das Erfahrungswissen der industriellen Arbeitsorganisation basiert primar auf den Leitsatzen des "Scientific Management", also der "wissenschaftlichen Betriebsflihrung", die insbesondere auf das Werk von F.W. Taylor (1913) zuriickgehen. Ihre Anwendung fiihrten nicht nur vor knapp 100 14

Die tayloristische Industrieproduktion

Jahren zum Aufstieg des Unternehmers Ford zu einem der weltgrofiten Industriellen (siehe Kasten 2-1), sondem diese Leitsatze beeinflussen auch heute noch Struktur und Prozess von Untemehmen, Produktivitat und Wertschopfung der Leistungserstellung, aber auch die Entwicklung des klassischen betriebswirtschaftlichen Instrumentariums der Flihrungs-, Anreiz- und Kontrollsysteme.

Kasten 2-1:

Henry Ford und das "Modell T"

(Quellen: Barnet / Cavanagh 1984; Ford 1923; Lacey 1987) Frederick Winslow Taylor hatte seinen ersten Artikel zur Verbesserung der ArbeitsablSufe fur die American Society of Mechanical Engineers schon acht Jahre zuvor geschrieben, als Henry Ford 1903 mit der Produktion von Automobilen begann. Zu diesem Zeltpunkt war ein einziger Montagearbeiter fur das gesamte Fahrzeug zustSndig und ben5tigte durchschnittlich 12,5 Stunden (ca. 750 min.). Obwohl der Mechanisierungsgrad und die Produktivitat in der Autoindustrie in den USA hSher waren als bel den europSischen Firmen, reichte dies bald nicht mehr aus, urn die steigende Nachfrage zu befriedlgen. Dies gait vor allem fiir das von Henry Ford 1908 eingefuhrte "Modell T". Nach funf weiteren Jahren des stSndigen Probierens und Suchens nach Verbesserungen fand Ford bis 1913 endlich den Schlussel zur Steigerung der Produktivitcit. Indem er vergleichbare Ansatze des Scientific Management nach Taylor weiterentwickelte und umsetzte, konnte er die Produktivitat massiv erhohen. Ford standardisierte die Arbeitsprozesse und, bis dahin undenkbar, die Arbeitswerkzeuge. Bis zu diesem Zeitpunkt brachten die Arbeiter noch ihre eigenen Werkzeuge mit in die Montage und bestimmten weitgehend selbst die Arbeitsabiaufe in der Fertlgung. Von nun an war jeder Arbeiter fur nur einen Arbeitsprozess zustSndig und nutzte dazu standardisierte Werkzeuge, Vorteile der Spezialisierung und Arbeitsteilung, die Adam Smith bereits 1776 ausfuhriich beschrieben hatte. Dadurch fiel der durchschnittliche Arbeitszyklus eines Arbeiters an einem Fahrzeug, fur das er nun nicht mehr gesamthaft verantwortlich war, von 514 Minuten auf 2,3 Minuten! Angesichts der sich zum Beispiel in der Endmontage wechselseitig behindernden Montagegruppen musste Ford nahezu zwangsl^ufig zur Flieflbandfertigung ubergehen. Mit der EinfCihrung der Fliedbandproduktlon, dem so genannten "Fordismus", reduzierte Ford den durchschnittlichen Zeitbedarf fur einen Arbeitszyklus um weitere 44 Sekunden, ein ProduktivitStsfortschritt, der aber deutlich geringer ausfiel, als die M6glichkeiten infolge der Standardisierung und Entkoppelung der Arbeitsschritte. "Anfang 1914 ... legten wir die Sammelbahn h6her. Wir hatten inzwischen das Prinzip der aufrechten Arbeitsstellung eingefuhrt... Das Heraufrucken der Arbeitsebene in ArmhOhe und eine weitere Aufteilung der Arbeitsvorrichtungen ... reduzierte die Arbeitszeit auf eine Stunde 33 Minuten pro Chassis" (Ford 1923: 95). 1914, also im ersten Jahr nach der Einfuhrung der Fliefibandfertigung wurde die Fertlgung von Ford-T-Modellen um 152 % auf 308.162 Wagen gesteigert. In den 20er Jahren wurden mehr als eine Million Wagen im Jahr gefertigt. Als die Produktion des T-Modells Im Mai 1927 nach 19 Jahren eingestellt wurde, hatte Ford 15.007.033 Wagen dieses Typs produziert. Erst der VW-Kafer sollte 1972 diesen Rekord ubertreffen.

Wesentliche Merkmale einer tayloristischen Industrieorganisation sind die funktionale Arbeitsteilung in der Aufbauorganisation und der mit den Methoden der Arbeitsanalyse systematisch entwickelte "One best way" der Ablauforganisation (Abbildung 15

2.2|

|2

Entwicklunsen und Trends auf dem Weg zur interaktiven Wertschopfung

2-2). In der Denkwelt des tayloristischen Ansatzes kann das komplexe Problem der Koordination der betrieblichen Leistungserstellung fiir eine gegebene Ausstattung und Anordnung von Produktionsfaktoren durch folgende Gestaltungsprinzipien "optimal" gelost werden (Picot / Reichwald / Wigand 2003): •

Konzentration der Arbeitsmethodik auf eine weitestgehende Arbeitszerlegung;



personelle Trennung von dispositiver und ausfiihrender Arbeit;



raumliche Ausgliederung aller planenden, steuernden und kontrollierenden Aufgaben aus dem Bereich der Fertigung.

Auf diese Weise konnte das komplexe Koordinationsproblem zwar "optimal" iiber die Ausstattung und Anordnung der Produktionsfaktoren gelost werden, jedoch wurde der Mensch lediglich als ein funktionsfahiger Produktionsfaktor betrachtet, der als Befehlsempfanger und -umsetzer in den Fertigungsprozess integriert wurde. Die Kommunikationsbeziehungen folgten den hierarchischen Strukturen. Es entstand eine streng formalisierte, durch feste Regeln vorgeschriebene Kommunikation iiber die Hierarchiestufen, der so genannte Dienstweg. Das Kommunikationsverhalten zwischen Vorgesetzten und Untergebenen war vom Rollenverstandnis des Vorgesetzten als Befehlsgeber und des Untergebenen als Befehlsempfanger gepragt.

Ahbildung 2-2: Prinzipien der wissenschaftlichen Betriebsfuhrung nach Taylor (entnommen aus Picot I Reichwald I Wigand 2003)

Prinzipien wissenschaftlicher Betriebsfuhrung: • Trennung von Handund Kopfarbeit Produktion als Komblnationsprozess: Arbeit Betriebsmittel Werkstoffe

£ 16

• Methoden der Arbeitszerlegung und Ablaufoptimierung (Arbeitsstudium) Leistungsgerechte Entlohnung -> Stuckund Akkordlohn Fliefiprinzip zur Losung d. Koordinationsproblems Methoden der Planung, Steuerung und Kontrolle

Die tayloristische

Industrieproduktion

Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Betriebsfiihrung steht nicht der Mensch, sondem Strategien zur Rationalisierung der Giiterproduktion. Industrielle Rationalisierungsstrategien konzentrierten sich vor allem auf die Produktion von Massengiitern in Grofiuntemehmen, die durch eine konsequente vertikale Integration der Wertschopfungskette und eine zunehmende horizontale Divisionalisierung verschiedener Produktbereiche entstanden. Die Entwicklung leistungsfahiger Produktions- und Distributionssysteme sowie Investitionen in Managementfunktionen ermoglichten eine stetige Ausweitung der Massenproduktion bei hochgradiger Arbeitsteilung. Dadurch konnten umfangreiche kostenmafiige Grofienvorteile ausgenutzt werden; namlich Skaleneffekte ("economies of scale") und Verbundeffekte ("economies of scope"), die vielfach zur Begriindung der Vorteilhaftigkeit einer internen "administrativen" Koordination von GrojSunternehmen durch hierarchische Strukturen herangezogen werden (Chandler 1977, 1980, 1990; siehe auch Kasten 2-2 unten). Diese Managementprinzipien fiihrten zu beachtlichen Erfolgen durch die systematische Gewinnung, Perfektionierung und Anwendung von Methoden zur Optimierung von Fertigungsprozessen. Grofie Erfolge wurden in der Vergangenheit aber nur dadurch erzielt, dass die langfristig stabilen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens adaquat abgebildet und in klare Prinzipien untemehmerischen Handelns iibersetzt wurden (siehe die in Abbildung 2-3 genannten Pramissen). Solange diese Pramissen den tatsachlichen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen entsprachen, sicherten die klassischen Prinzipien - Burkart Lutz nennt sie die "Principles of Common Wisdom" der industriellen Innovationsstrategie - Unternehmen zuverlassig auf ihrem Erfolgspfad ab. Heute aber haben sich viele dieser Rahmenbedingungen

Ahhildung 2-3: "Principles of Common Wisdom" - Rahmenbedingungen und Prinzipien der tayloristischen Industrieorganisation (entnommen aus Picot I Reichivald I Wigand 2003)

Rahmenbedingungen:

Prinzipien erfoigreicher UnterneiimensfUlirung:

Absatzmdrkte mit langfristig klar vorhersehbarer Dynamil
4*t> D*»n«m e««tra9 atnan tr«fHn4«n T I M I ( i . e . Wa«t«t«lit v«riiOrc«n durch MutIK)

fi^'-sirf [ Amil—m>f iNi4 Daatgn

0 « . 1 0 . 0 4 ) l . Berlin Marathon 0 1 . 0 9 . 0 4 »*¥imrUt 91b ht«r dt« MfChrctbun^ fiir D«lr>«n V«r6«sf•rung«y«rtdhl*g / 0«tn« n«u« ld«« •*n

wwmim

1

JL

' Kauf iindl AtHUmfwvn^

4^ 264

I/-

iSp

S^ ri

•Qi;

1 BiMMte und N*cM(«M IfhM*

1 bitte b**ntvoita neeh di« Fragan auf d«r njkchitan t a i t *

^ waiitar >•*

kaiin« I d « * poatan »

Von f^Qss Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

Hat sich der Kunde erfolgreich mit den in der Email enthaltenen Zugangsinformationen angemeldet, so gelangt er auf eine personalisierte Website, auf der er weitere Informationen zum Projekt erhalt und wird schliefilich zum Ideenwettbewerb weitergeleitet. Grundsatzlich ist der Ideenwettbewerb in zwei Bereiche geteilt: •

Zum einen gibt es den Bereich Gestalte, bei dem der Kunde seine kreativen Beitrage systematisch formulieren kann,



zum anderen findet sich der Bereich Bewerte, bei dem der Kunde die Moglichkeit hat, die Ideen anderer Teilnehmer zu bewerten und fortzufiihren.

Die systematische IdeenformuHerung im Gestalte-Bereich wird durch eine Visualisierung der wichtigsten Stationen des Kaufprozesses und Situationen der Nachkaufphase unterstiitzt. Abbildung 5-2 zeigt den Aufbau der Gestalte-Seite des Ideen wettbewerbs. Um die Ideen der Kunden zu strukturieren, werden zur jeder Phase des 'mi adidas'Interkationsprozesses stichwortartig einige ausgewahlte Teilschritte genannt. Insgesamt werden der Kaufprozess und die Nachkaufphase in zwolf Einzelschritte aufgeteilt: •

Beim ersten Schritt Termin konnen Beitrage zu Gegebenheiten im Vorfeld des eigentlichen Kaufprozesses eingesendet werden. Ausgesuchte Stichworte hierzu sind 'mi adidas'-Werbeaktivitaten, Websitegestaltung und Terminvereinbarungsmodalitaten.



Gestaltung: Wahmehmung des Geschafts, Platzierung des Verkaufsterminals, Gestaltung des Terminals etc.



Anmeldung: Wahrnehmung des Produkttrainers, Empfang, Wartezeit bis Vermessung, Registrierung etc.



Scanning: Fufivermessung, Footscan etc.



Fitting: Visualisierung der Fufiformen, Erlauterung der Stiitzsysteme, Identifikation der Schuhe, Auswahl und Test der Probeschuhe etc.



Design: Beratung am PC, Farbauswahl, Stickerei etc.



Kaufabschluss: Bestellung, Mappe mit Zertifikat, Ende der Individualisierung, Anzahlung beim Handler etc.



Produktion: Wartezeit, Benachrichtigung durch Handler etc.



Auslieferung: Abholung und Begutachtung der Schuhe etc.



Einsatz: Schuhe im Einsatz, Zufriedenheit mit den Schuhen, Probleme mit den Schuhen, Abnutzung der Schuhe etc.



After Sale Services: Reorder, Newsletter, Hotline etc.



Advanced Services. Bei diesem letzten Schritt hat der Kunde die Freiheit, weitergehende Vorschlage, die keiner anderen Situation zuzuordnen sind, einzusenden. 265

5.11

|5

Fallstudien zur interaktiven Wertschopfuns

Mit Hilfe einer On-Mouse-Over-Funktion wird dem Kunden beim Uberfahren der Bilder angezeigt, um welche Situation und Teilschritte es sich im Speziellen handelt. Nach Auswahl einer Station durch Anklicken des Bildes hat der Kunde die Moglichkeit, in ein Titelfeld eine passende Uberschrift fiir seinen Beitrag zu schreiben und in einem darunter erscheinendem Freitextfeld seine kreativen Gedanken in beliebiger Lange auszuformulieren. Nach Absenden der Idee gelangt der Kunde zuriick auf die Startseite, wo er eine weitere Idee eingeben oder im Bereich Bewerte die Ideen anderer Kunden beurteilen kann. Der Kunde hat die Moglichkeit, diese Beitrage anhand verschiedener Beurteilungsdimensionen zu bewerten. Dartiber hinaus kann er den Beitrag durch Eintrag in ein Freitextfeld kommentieren oder fortsetzen. Urspriingliche Idee, wie auch Bewertung und Kommentar, sind fiir alle anderen Kunden einsehbar. Die Durchfiihrung des mi-adidas-und-ich Projekts stellte fiir adidas selbst eine radikale Prozessinnovation dar, die von zahlreichen Unsicherheiten begleitet war. Ziel des Projekts war es demgemafi, festzustellen, ob die Kunden sich iiberhaupt an dem Projekt beteiligen (Teilnahmeverhalten) und ob die beim Ideenwettbewerb eingesandten Beitrage iiberhaupt kreativ sind (Leistungsverhalten). Teilnahmeverhalten Innerhalb der sechsmonatigen Projektphase wurden an insgesamt 774 Kunden Einladungen zur Teilnahme versendet. Folgende Auflistung gibt eine Ubersicht iiber die Beteiligungsquoten: •

Beim Ideenwettbewerb wurden insgesamt 103 Beitrage eingesendet, wobei sich zeigte, dass 82 Beitrage als sinnvoll bezeichnet werden konnen.



Die 21 ausgeschlossenen Beitrage stellen mehr oder weniger ernst gemeinte Eintrage dar, die vermutlich iiberwiegend zum Testen des Systems getatigt wurden.



Die 82 verwertbaren Beitrage w u r d e n von insgesamt 57 Personen verfasst. Dies beruht auf der Tatsche, dass einige Personen mehrere Beitrage eingesandt hatten.



Jeweils eine Idee wurde von 38 Personen, jeweils zwei Ideen wurden von 15 Personen und jeweils 3 Ideen wurden von 3 Personen eingesandt. Eine Person verfasste sogar fiinf kreative Beitrage.

Es zeigte sich, dass die Themen der Einsendungen iiber alle zwolf Stationen unterschiedlich verteilt waren: 7 Beitrage fiir Termin, 4 Beitrage fiir Gestaltung, 6 Beitrage fiir Anmeldung, 8 Beitrage fiir Scanning, 9 Beitrage fiir Fitting, 12 Beitrage fiir Design, 3 Beitrage fiir Abschluss, 9 Beitrage fiir Produktion, 6 Beitrage fiir Lieferung, 2 Beitrage fiir Einsatz, 6 Beitrage fiir After Sale und 10 Beitrage fiir Advanced Services. Abbildung 5-3 gibt eine Ubersicht der Verteilung der 82 Beitrage auf die zwolf Stationen: 266

Von hAass Customization zu Open Innovation bei der Adidas-Salomon AG

5.11

Ahhildung 5-3: Verteilung der Ideen aufdie unterschiedlichen Phasen

12 12-^

§

8

.p-i



;

'

'

I

'

^ t'""'

"-T—'

*—1—'

'-T—'

" — 1 — ' '—r—'

•—T-

Termin Anmeldung Fitting Abschluss Lieferung After Sale Gestaltung Scanning Design Produktion Einsatz Advanced

Leistungsverhalten Neben der reinen Feststellung der Beteiligungszahlen muss dariiber hinaus auch die Qualitat der eingesandten Ideen - also, ob die Beitrage iiberhaupt kreativ sind - iiberpriift werden. Hierzu bewerteten fiinf Adidas-interne Experten die Beitrage an Hand der vier Dimensionen Originalitat, Kundennutzen, Anzahl der Nutzniefier und Ausarbeitungsgrad. Die Beurteilung erfolgte auf einer siebenstufigen Skala, wobei 0 fiir keine Auspragung und 6 fiir eine sehr hohe Auspragung stand. Der Gesamtscore ergab sich durch Addition der Einzelscores. Aufgrund der Tatsache, dass fiinf Experten bei vier Dimensionen Werte zwischen null und sechs verteilt hatten, ergab sich ein Maximalscore von 120 (= 5 Experten x 4 Bewertungsdimensionen x 6 max. Punkte) und ein Minimalscore von null. Auf Basis dieser Gesamtscores konnten alle 82 Beitrage in eine Reihenfolge gebracht werden. Da einige Teilnehmer mehrere Ideen eingesandt hatten, wurde beschlossen, jeweils nur den Beitrag mit dem hochsten Score zu verwenden, da dies der fiir die Untersuchung relevanten Maximalleistung des Kunden entsprach. So wurden die 57 Teilnehmer des 'mi adidas'-Ideenwettbewerbs gemafi ihrer Kreativitatsleistung in eine finale Reihenfolge gebracht. Die Auswertung ergab einen Maximalscore von 107 und einen Minimalscore von 51. Zur Verdeutlichung wurden alle Einzelscores in Gruppen eingeteilt. Die Einteilung erfolgte in Fiinferschritten, so dass zwolf Gruppen von 50-54 bis 105-109 entstanden. Es zeigte sich, dass die Scoreverteilung einer Normalverteilungskurve folgte. Anhand dieser Verteilung konnte eine iibergeordnete Einteilung aller Beitrage in die Kategorien Kommentare, Verbesserungsvorschlage und neue Ideen vorgenommen werden. Es wurde festgelegt, die fiinf von sehr geringer Kreativitat gepragten Beitrage unterhalb der Scoremarke von 65 als Kommentare, die 46 Beitrage mit Leistungsscores zwischen 267

Fallstudien zur interaktiven Wertschopfuns

|5 65 und 100 als Verbesserungsvorschlage und die sechs Beitrage iiber der Scoremarke von 100 als neue Ideen zu bezeichnen (Abbildung 5-4).

Ahbildung 5-4: Verteilung des Kreativscores



c 8

10

J

y^^

90%

1

6

(D

J

p./

HA