Intangible Assets und Goodwill im Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit : eine normative, entscheidungsorientierte und empirische Analyse vor dem Hintergrund internationaler und nationaler Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards 9783834981752, 3834981753, 9783834911827, 3834911828 [PDF]


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Intangible Assets und Goodwill im Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit : eine normative, entscheidungsorientierte und empirische Analyse vor dem Hintergrund internationaler und nationaler Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards
 9783834981752, 3834981753, 9783834911827, 3834911828 [PDF]

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Zitiervorschau

Patrick Velte Intangible Assets und Goodwill im Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit

GABLER EDITION WISSENSCHAFT Schriften zu Wirtschaftsprüfung, Steuerlehre und Controlling Herausgegeben von Prof. Dr. Carl-Christian Freidank, Universität Hamburg

Patrick Velte

Intangible Assets und Goodwill im Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit Eine normative, entscheidungsorientierte und empirische Analyse vor dem Hintergrund internationaler und nationaler Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Carl-Christian Freidank

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Universität Hamburg, 2008

1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Frauke Schindler / Anita Wilke Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1182-7

Geleitwort

V

Geleitwort Unter Berücksichtigung der nationalen und internationalen Harmonisierungs- und Standardisierungsbestrebungen, die auf die Schaffung entscheidungsrelevanter und verlässlicher Kapitalmarktinformationen mit den Instrumenten der externen Rechnungslegung ausgerichtet sind, widmet sich die vorliegende Abhandlung aus deduktiver und empirischer Sicht der Analyse von immateriellen Vermögenswerten sowie des Geschäfts- oder Firmenwertes. Diese im angloamerikanischen Schrifttum auch als Intangible Assets und Goodwill bezeichneten Werte stellen zentrale Bestimmungsgrößen des unternehmerischen Erfolgspotenzials dar. Der Verfasser beschränkt aus naheliegenden Gründen seine Untersuchungen auf die Rechnungslegung und Prüfung börsenorientierter Kapitalgesellschaften, wobei im Rahmen einer ganzheitlichen Analyse der Finanzberichterstattung (Financial Accounting), der investorbezogenen Unternehmensberichterstattung (Business Reporting) und des geschäftsrisikoorientierten Prüfungsansatzes (Business Risk Auditing) u. a. Vorschläge zur Publizität sowie zur freiwilligen Prüfung und prüferischen Durchsicht entwickelt werden. Von außerordentlich hohem wissenschaftlichen Wert ist zudem die im vierten Kapitel des Dritten Hauptteils dargestellte empirische Untersuchung über das Intangible Asset- und Goodwill-Reporting in Geschäftsberichten deutscher börsenorientierter Publikumsgesellschaften, die im Zeitraum von März bis April 2007 mit Hilfe eines Fragebogens vom Verfasser durchgeführt wurde. Aufgrund der breit gefächerten Befragungsgruppen (DAX- und TecDAX-Unternehmen, Finanzanalysten, Abschlussprüfer und Hochschullehrer) sowie einer hohen Rücklaufquote liefert die Untersuchung ein repräsentatives Bild über den gegenwärtigen Stand der Rechnungslegung immaterieller Vermögenswerte und des Geschäfts- oder Firmenwertes in Deutschland. Im Gesamtbild besticht die Schrift durch den umfassenden Überblick über unterschiedliche Bereiche des Intangible Asset and Goodwill-Reporting und -Auditing, die bislang in einer ähnlichen Form noch nicht geschlossen untersucht worden sind, die herausragenden Kenntnisse des Verfassers auf den Gebieten der nationalen und internationalen Rechnungslegung und des Prüfungswesens sowie durch die überzeugende Argumentation. In ihrer zielgerichteten Ordnung und Interpretation erweist sich die Abhandlung angesichts ihrer theoretischen Fundierung, systematischen und fachkompetenten Darlegungen, inte-

VI

Geleitwort

ressanten empirischen Untersuchungsergebnissen und innovativen Vorschlägen im Hinblick auf die Rechnungslegung und Prüfung immaterieller Vermögenswerte sowie des Geschäfts- oder Firmenwertes unzweifelhaft als eine Bereicherung des einschlägigen Schrifttums.

Univ.- Prof. Dr. habil. Carl-Christian Freidank

Vorwort

VII

Vorwort Die vorliegende Schrift wurde ab Oktober 2005 im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftsprüfung und Steuerwesen am Lehrstuhl für Revisions- und Treuhandwesen an der Universität Hamburg gefertigt. Das Manuskript der Abhandlung ist Ende Januar 2008 geschlossen worden, so dass der Referentenentwurf eines Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG-RefE) vom 08.11.2007 zugrunde gelegt wurde. Das Department Wirtschaftswissenschaften der Universität Hamburg hat die Arbeit im Sommersemester 2008 als Dissertation angenommen. Zwischenzeitlich hat der Gesetzgeber am 21.05.2008 den Regierungsentwurf eines BilMoG veröffentlicht, der neben einer Konkretisierung auch eine Einschränkung bestimmter Reformpläne des RefE beinhaltet. Schließlich hat der Bundesrat am 04.07.2008 eine Stellungnahme zm BilMoG-RegE abgegeben, welche von einer Gegenäußerung der Bundesregierung vom 31.07.2008 begleitet wurde. Hierin zeigt sich die aktuelle Brisanz der vorliegenden Thematik. Inwieweit das BilMoG noch in der zweiten Jahreshälfte verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Es ist beabsichtigt, die Arbeit mit einem Förderpreis der ESC Esche Schümann Commichau Stiftung, Hamburg, auszuzeichnen. Große Unterstützung während der gesamten Zeit meines Promotionsvorhabens habe ich durch meinen akademischen Lehrer und Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Carl-Christian Freidank erfahren, dem ich insbesondere für die Förderung der Arbeit und die wissenschaftliche Betreuung der vergangenen Jahre zu Dank verpflichtet bin. Zudem danke ich Herrn Prof. Dr. Manfred Layer für die freundliche Übernahme und Erstellung des Zweitgutachtens und Herrn Prof. Dr. Siegfried Grotherr für den Vorsitz im Promotionsverfahren. Während der vergangenen Jahre haben mich bei meinem Dissertationsprojekt viele Personen unterstützt, denen ich an dieser Stelle meinen Dank ausspreche. Dies sind zunächst Dr. Ziad Bakhaya, Dr. Gaby Frei, Stéphan Lechner und Marion Velte, die nicht davor zurückschreckten, das gesamte Manuskript zu lesen. Des Weiteren haben Marco Canipa-Valdéz, Dr. Eva Griewel, Dr. Claudia Leimkühler, Remmer Sassen, Stefan C. Weber und Thomas Wernicke ebenfalls durch das Korrekturlesen wichtiger Kapitel der vorliegenden Schrift ihren Beitrag zum erfolgreichen und zeitnahen Abschluss der Pro-

VIII

Vorwort

motion geleistet. Bei einem nervenzehrenden Projekt wie der Anfertigung einer Dissertationsschrift ist ein harmonisches Lehrstuhlklima, welches ich in den vergangenen Jahren vorfinden durfte, unverzichtbar. Ich hoffe sehr, dass wir diesen fruchtbaren Nährboden in Zukunft bewahren und ausbauen können. Ein weiterer wichtiger Dank gilt meinen Eltern, die meinen über zwanzigjährigen Weg der schulischen und beruflichen Ausbildung gegangen sind und hoffentlich weitere Jahrzehnte verfolgen werden. Gleiches gilt für die Verwandten und Freunde. Ich möchte die Dissertation im Speziellen meinen Großeltern widmen, die glücklich gewesen wären, wenn sie die vorliegende Schrift hätten lesen können.

Dr. rer. pol. Patrick Velte

Inhaltsübersicht

IX

Inhaltsübersicht Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. XXIII Abkürzungsverzeichnis für Zeitschriften und Zeitungen.......................................... XXXI Symbolverzeichnis ................................................................................................. XXXIII Abbildungsverzeichnis.............................................................................................XXXV Tabellenverzeichnis ............................................................................................... XXXIX Einleitung......................................................................................................................... 1 I.

Problemstellung und Zielsetzung .......................................................................... 1

II.

Gang der Untersuchung ....................................................................................... 11

Erster Hauptteil: Rahmenkonzeption für das Intangible Asset- und Goodwill Accounting, Reporting und Auditing ........................................................ 19 I.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting ............................................................................................................. 19 A.

II.

III.

IV.

V.

Neoklassische Kapitalmarkttheorie ............................................................ 19

B.

Neue Institutionenökonomie....................................................................... 31

C.

Accounting Theory ..................................................................................... 45

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting ...................... 61 A.

Fortentwicklung des Rules- und Principles Based- zu einem Objective Oriented Accounting .................................................................. 61

B.

Perspektiven des privatrechtlichen Standardsetting aus nationaler Sicht ............................................................................................................ 68

C.

Ausrichtung der Unternehmenspolitik am Shareholder Value................... 71

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing ........................................ 93 A.

Auditing Theory.......................................................................................... 93

B.

Erwartungslücke ......................................................................................... 97

C.

Prüfungsgesellschaften und Signalling Theory ........................................ 103

Einflüsse auf das Business Risk Auditing ......................................................... 115 A.

Konkretisierung der Unabhängigkeit........................................................ 115

B.

Audit- und Disclosure Committees .......................................................... 125

C.

Sekundäres Enforcement und dessen Einfluss auf die Prüfungsqualität ........................................................................................ 127

D.

Ausgestaltung der Prüfungsmodelle ......................................................... 130

Zwischenfazit..................................................................................................... 141

X

Inhaltsübersicht

Zweiter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Accounting ........................... 145 I.

II.

III.

IV.

Bilanzierung und Erstbewertung ....................................................................... 145 A.

Abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit .................................................. 145

B.

Separierung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase als Konkretisierung für das originäre immaterielle Vermögen...................... 161

C.

Abgrenzung zu Tangible Assets und vorläufiger Klassifizierungsansatz .............................................................................. 170

D.

Mögliche identifizierbare Intangible Assets............................................. 173

E.

Positiver Goodwill .................................................................................... 191

F.

Negativer Goodwill (Badwill und Lucky Buy) ........................................ 221

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben............................................. 233 A.

Identifizierbare Intangible Assets ............................................................. 233

B.

Goodwill ................................................................................................... 247

Earnings Management nach IFRS sowie Fortentwicklung des Handelsund Steuerrechts................................................................................................. 281 A.

Ausgewählte Ermessens- und Gestaltungsspielräume nach IFRS............ 281

B.

Implikationen einer Aktivierung originärer immaterieller Anlagegüter im Handelsrecht für die Zahlungsbemessung........................................... 303

Zwischenfazit..................................................................................................... 325

Dritter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Reporting ............................... 337 I.

II.

III.

IV.

Interdependenzen zwischen Financial Accounting und Business Reporting ... 337 A.

(Konzern-) Lageberichterstattung als Schnittstelle .................................. 337

B.

Auswirkungen des Business Reporting auf die Unternehmenssteuerung................................................................................................... 354

Intangible Asset Reporting ................................................................................ 367 A.

Diversifizierungs-, Standardisierungs- und Quantifizierungsbestrebungen ............................................................................................. 367

B.

Ausgewählte Intangible Asset Reports..................................................... 381

C.

Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung ................................ 414

Goodwill Reporting ........................................................................................... 425 A.

Komponentenansatz.................................................................................. 425

B.

Erweiterter Anlagespiegel für den Goodwill sowie Prognosepublizität nach den IFRS........................................................................................... 431

C.

Konvergenzpotenziale zwischen Goodwill Reporting und Management Accounting nach den IFRS ................................................. 434

Empirische Untersuchung.................................................................................. 457 A.

Zielsetzungen und Untersuchungsgegenstand.......................................... 457

Inhaltsübersicht

V.

VI.

XI

B.

Methodische Vorgehensweise .................................................................. 458

C.

Auswertung............................................................................................... 461

Normierung und Konzeption eines Best Practice Model .................................. 497 A.

Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex sowie flankierende gesetzliche Novellierungen....................................................................... 497

B.

Anlage I: Intangible Asset Report ............................................................ 508

C.

Anlage II: (Core) Goodwill Report........................................................... 512

D.

Anlage III: Intangible Asset- und Goodwill Scorecard ............................ 514

Zwischenfazit..................................................................................................... 517

Vierter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Auditing ................................ 525 I.

II.

III.

IV.

V.

Operationalisierung des Business Risk Auditing .............................................. 525 A.

Schätzung des Geschäftsrisikos und Prüfung des wertorientierten Risikomanagementsystems....................................................................... 525

B.

Konkretisierung des Wesentlichkeitsgrundsatzes..................................... 531

Prüfung des Intangible Asset- und Goodwill Accounting................................. 535 A.

Schätzwerte............................................................................................... 535

B.

Zeitwerte ................................................................................................... 537

C.

Identifizierbare Intangible Assets ............................................................. 542

D.

Positiver Goodwill .................................................................................... 560

E.

Negativer Goodwill (Badwill und Lucky Buy) ........................................ 568

F.

(Konzern-) Lagebericht ............................................................................ 570

Rahmenbedingungen für die Beurteilung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting ........................................................................................................... 577 A.

Kritisches Lesen........................................................................................ 577

B.

Prüferische Durchsicht.............................................................................. 578

Konzeption eines Standards zur Prüfung und prüferischen Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill Reports ........................................................... 583 A.

Vorbemerkungen ...................................................................................... 583

B.

Gegenstand und Zielsetzung..................................................................... 583

C.

Beauftragung zur Prüfung oder prüferischen Durchsicht......................... 586

D.

Prüfungsziele ............................................................................................ 590

E.

Auftragsdurchführung............................................................................... 596

Zwischenfazit..................................................................................................... 613

XII

Inhaltsübersicht

Schlussbetrachtung und Ausblick ............................................................................. 619 Anhang ......................................................................................................................... 633 Quellenverzeichnis ...................................................................................................... 663 Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 831

Inhaltsverzeichnis

XIII

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis............................................................................................. XXIII Abkürzungsverzeichnis für Zeitschriften und Zeitungen.......................................... XXXI Symbolverzeichnis ................................................................................................. XXXIII Abbildungsverzeichnis.............................................................................................XXXV Tabellenverzeichnis ............................................................................................... XXXIX

Einleitung......................................................................................................................... 1 I.

Problemstellung und Zielsetzung .......................................................................... 1

II.

Gang der Untersuchung ....................................................................................... 11

Erster Hauptteil: Rahmenkonzeption für das Intangible Asset- und Goodwill Accounting, Reporting und Auditing .......................................................................... 19 I.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting ... 19 A.

Neoklassische Kapitalmarkttheorie ............................................................ 19 1. Informationseffizienz ........................................................................... 19 2. Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit als Rahmengrundsätze der Entscheidungsnützlichkeit sowie Zielkonflikte ............................. 24

B.

Neue Institutionenökonomie....................................................................... 31 1. Agency Theory..................................................................................... 31 2. Transaction Cost- und Property Rights Theory ................................... 40

C.

Accounting Theory ..................................................................................... 45 1. Organische Interpretation..................................................................... 45 2. Statische Ausprägung sowie Asset and Liability Approach ................ 50 3. Dynamische Ausrichtung sowie Revenue and Expenses Approach .... 54

II.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting ...................... 61 A.

Fortentwicklung des Rules- und Principles Based- zu einem Objective Oriented Accounting................................................................................... 61

B.

Perspektiven des privatrechtlichen Standardsetting aus nationaler Sicht... 68

C.

Ausrichtung der Unternehmenspolitik am Shareholder Value................... 71 1. Grundlegendes...................................................................................... 71

XIV

Inhaltsverzeichnis

2. Shareholder- versus Stakeholder Value ............................................... 79 3. Investor Relations ................................................................................ 82 4. Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Bestandteil des Value Reporting .................................................................................. 86 III.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing ........................................ 93 A.

Auditing Theory.......................................................................................... 93 1. Ausprägungen ...................................................................................... 93 2. Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung ................................ 95

B.

Erwartungslücke ......................................................................................... 97

C.

Prüfungsgesellschaften und Signalling Theory ........................................ 103 1. Prüfungsleistungen als Vertrauens- und Erfahrungsgüter sowie Aufbau von Reputation........................................................... 103 2. Unabhängigkeit als Surrogat für die Reputation................................ 108

IV.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing ......................................................... 115 A.

Konkretisierung der Unabhängigkeit........................................................ 115 1. Gesetzliche Anforderungen................................................................ 115 2. In- und externe Prüferrotation............................................................ 118 3. Offenlegung von Honoraren und Verhältnis zwischen Prüfungsund Nichtprüfungsleistungen ............................................................. 122

B.

Audit- und Disclosure Committees .......................................................... 125

C.

Sekundäres Enforcement und dessen Einfluss auf die Prüfungsqualität . 127

D.

Ausgestaltung der Prüfungsmodelle ......................................................... 130 1. Risikoorientierung als Basiskonzeption............................................. 130 a) Prüfungsrisiko.............................................................................. 130 b) Prüfungsmethodik........................................................................ 133 2. Intangible Asset- und Goodwill Auditing als Bestandteil des Business Risk Auditing ...................................................................... 137

V.

Zwischenfazit..................................................................................................... 141

Inhaltsverzeichnis

XV

Zweiter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Accounting ........................... 145 I.

Bilanzierung und Erstbewertung ....................................................................... 145 A.

Abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit .................................................. 145 1. Handels- und Steuerrecht ................................................................... 145 2. IFRS ................................................................................................... 154

B.

Separierung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase als Konkretisierung für das originäre immaterielle Vermögen...................... 161

C.

Abgrenzung zu Tangible Assets und vorläufiger Klassifizierungsansatz 170

D.

Mögliche identifizierbare Intangible Assets............................................. 173 1. Software beim Anwender................................................................... 173 2. Internetauftritte und Domains ............................................................ 177 3. Marken ............................................................................................... 182 4. Exkurs: Spielerwerte .......................................................................... 186

E.

Positiver Goodwill .................................................................................... 191 1. Grundlegendes.................................................................................... 191 a) Definition und Ermittlung ........................................................... 191 b) Abgrenzung zwischen originärem und derivativem Goodwill sowie Intangible Assets ............................................................... 196 c) Wertmäßige Bedeutung des derivativen Goodwill...................... 201 2. Handelsrecht....................................................................................... 202 3. Steuerrecht.......................................................................................... 209 4. IFRS ................................................................................................... 210 5. Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs als Bestandteile des Goodwill............................... 218

F.

Negativer Goodwill (Badwill und Lucky Buy) ........................................ 221 1. Ursachen und Bedeutung ................................................................... 221 2. Handels- und Steuerrecht ................................................................... 224 3. IFRS ................................................................................................... 230

II.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben............................................. 233 A.

Identifizierbare Intangible Assets ............................................................. 233 1. Handelsrecht....................................................................................... 233 2. Steuerrecht.......................................................................................... 238

XVI

Inhaltsverzeichnis

3. IFRS ................................................................................................... 240 B.

Goodwill ................................................................................................... 247 1. Handelsrecht....................................................................................... 247 2. Steuerrecht.......................................................................................... 254 3. IFRS ................................................................................................... 260 a) Impairment Only Approach......................................................... 260 b) Aufbau und Ablauf des Impairment Test .................................... 265 (1) Bildung zahlungsmittelgenerierender Einheiten.................. 265 (2) Ermittlung des erzielbaren Betrags und Verteilung des Wertminderungsaufwands ................................................... 268 c) Inkonsistenzen beim Einsatz von Unternehmensbewertungsverfahren aus nationaler und internationaler Sicht..................................................................... 276

III.

Earnings Management nach IFRS sowie Fortentwicklung des Handels- und Steuerrechts........................................................................................................ 281 A.

Ausgewählte Ermessens- und Gestaltungsspielräume nach IFRS............ 281 1. Full Fair Value Accounting................................................................ 281 a) Grundlegendes sowie Grenzen des Stufenkonzepts .................... 281 b) Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung................... 286 2. Positiver Goodwill ............................................................................. 289 a) Big Bath Accounting ................................................................... 289 b) Abgrenzung und Variation zahlungsmittelgenerierender Einheiten...................................................................................... 293 c) Erleichterungsvorschriften bei der Ermittlung des erzielbaren Betrags ......................................................................................... 296 d) Nachaktivierung des originären Goodwill................................... 298 3. Negativer Goodwill............................................................................ 300

B.

Implikationen einer Aktivierung originärer immaterieller Anlagegüter im Handelsrecht für die Zahlungsbemessung........................................... 303 1. Grundlegendes.................................................................................... 303 2. Mögliche Konsequenzen für die Ausschüttungsbemessung .............. 305 a) Institutioneller Gläubigerschutz durch gesetzliche Ausschüttungssperren und Neubewertungsrücklagen................. 305 b) Informationeller Gläubigerschutz durch Solvency Tests ............ 309

Inhaltsverzeichnis

XVII

c) Informationeller und privatautonomer Gläubigerschutz durch Covenants .......................................................................... 313 3. Potenzielle Auswirkungen auf die Steuerbemessung ........................ 316 a) Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips ......................................... 316 b) Übernahme der geplanten IFRS for Small and Medium Sized Entities für die steuerliche Gewinnermittlung............................. 320 IV.

Zwischenfazit..................................................................................................... 325

Dritter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Reporting ............................... 337 I.

Interdependenzen zwischen Financial Accounting und Business Reporting ... 337 A.

(Konzern-) Lageberichterstattung als Schnittstelle .................................. 337 1. Würdigung der Erweiterungstendenzen und Grenzen ....................... 337 2. Forschungs- und Entwicklungsbericht............................................... 344 3. Management Commentary ................................................................. 349 4. Management’s Discussion & Analysis sowie Supplement Report .... 352

B.

Auswirkungen des Business Reporting auf die Unternehmenssteuerung................................................................................................... 354 1. Konvergenz von Management- und Financial Accounting ............... 354 2. Notwendigkeit eines wertorientierten Kostenmanagements.............. 360

II.

Intangible Asset Reporting ................................................................................ 367 A.

Diversifizierungs-, Standardisierungs- und Quantifizierungsbestrebungen ............................................................................................. 367 1. Nationale Institutionen ....................................................................... 367 2. US-amerikanische Institutionen ......................................................... 372 3. Grenzen einer Approximierung der Informationslücke durch den Tobin’s Q und den Calculated Intangible Value ........................ 377

B.

Ausgewählte Intangible Asset Reports..................................................... 381 1. Balanced- und Reporting Scorecard als Basiskonzeptionen.............. 381 2. Intangible Asset Statement................................................................. 387 3. Intellectual Property Statement .......................................................... 389 4. Intellectual Capital Statement ............................................................ 394 5. Skandia Navigator.............................................................................. 398 6. Intangible Asset Monitor ................................................................... 402

XVIII

Inhaltsverzeichnis

7. Intellectual Capital Navigator ............................................................ 404 8. Wissensbilanz-Report ........................................................................ 406 9. Technologiebilanz .............................................................................. 409 10. Gesamtwürdigung der Modelle.......................................................... 412 C.

Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung ................................ 414 1. Studien und Expertenbefragungen ..................................................... 414 a) Grundlegendes zum Framing Effect............................................ 414 b) Forschung und Entwicklung........................................................ 416 c) Software....................................................................................... 420 d) Marken......................................................................................... 421 2. Konsequenzen für das Intangible Asset Reporting ............................ 422

III.

Goodwill Reporting ........................................................................................... 425 A.

Komponentenansatz.................................................................................. 425

B.

Erweiterter Anlagespiegel für den Goodwill sowie Prognosepublizität nach den IFRS........................................................................................... 431

C.

Konvergenzpotenziale zwischen Goodwill Reporting und Management Accounting nach den IFRS ................................................. 434 1. Unternehmenssteuerung auf Basis des Economic Value Added ....... 434 a) Gültigkeit des Preinreich/Lücke-Theorems................................. 434 b) Komponenten des Economic Value Added und kritische Würdigung ................................................................................... 436 c) Fortentwicklung zum Real Asset Value Enhancer...................... 441 d) Fortentwicklung zum Market Value Added ................................ 443 2. Segment Reporting und Cash Generating Unit-Allokation ............... 446 3. Chancen und Risiken vor dem Hintergrund der Signalling-Theorie . 449 a) Kosten- und Nutzen-Aspekte ...................................................... 449 b) Management Approach ............................................................... 451 c) Information Overload .................................................................. 453 d) Konkurrenzanalyse ...................................................................... 455

IV.

Empirische Untersuchung.................................................................................. 457 A.

Zielsetzungen und Untersuchungsgegenstand.......................................... 457

B.

Methodische Vorgehensweise .................................................................. 458

Inhaltsverzeichnis

C.

XIX

Auswertung............................................................................................... 461 1. Repräsentativität................................................................................. 461 2. Einzelfragen ....................................................................................... 464 a) Einführung eines Ansatzgebots für originäre immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im Handelsrecht ................................................................................ 464 b) Separierung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase im Handelsrecht und Ansatzpflicht für Entwicklungsaufwendungen.............................................................................. 466 c) Entscheidungsrelevanz von originären Intangible Assets ........... 468 d) Stellenwert des Value Reporting ................................................. 470 e) Spitzenkennzahlen zur Unternehmenssteuerung......................... 472 f) Selbstverpflichtung zur wertorientierten Unternehmenssteuerung...................................................................................... 473 g) Modelle für das Intangible Asset Reporting................................ 475 h) (Konzern-) Lageberichterstattung und Anlageentscheidung sowie Prüfungsintensität............................................................. 478 i)

Berichterstattung über Forschung und Entwicklung ................... 481

j)

Berichterstattung über ausgewählte immaterielle Vermögenswerte ............................................................................................ 482

k) Beurteilung handelsrechtlicher Konsolidierungswahlrechte....... 483 l)

Immaterielle Vermögenswerte versus Goodwill ......................... 485

m) Planmäßige Abnutzung des derivativen Goodwill ...................... 487 n) Entscheidungsnützlichkeit des Impairment Only Approach sowie Meinungsbild bezüglich einer handelsrechtlichen Übernahme................................................................................... 489 o) Verlässlichkeit der Goodwill-Allokation auf Cash Generating Units ............................................................................................ 491 p) Entscheidungsnützlichkeit des originären Goodwill Reporting.. 493 V.

Normierung und Konzeption eines Best Practice Model .................................. 497 A.

Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex sowie flankierende gesetzliche Novellierungen.................................................. 497 1. Grundlegendes.................................................................................... 497 2. Modifizierungen des Aktiengesetzes und des Handelsgesetzbuchs .. 501 3. Kodex ................................................................................................. 502

XX

Inhaltsverzeichnis

a) Präambel ...................................................................................... 502 b) Intangible Asset Report ............................................................... 503 c) Goodwill Report .......................................................................... 505 d) Vorstand und Berichterstattungsausschuss ................................. 506 e) Aufsichtsrat und Prüfungsausschuss ........................................... 506 f) Transparenz ................................................................................. 506 g) Freiwillige Prüfung oder prüferische Durchsicht des Intangible Asset- und Goodwill Reports .................................... 507 B.

Anlage I: Intangible Asset Report ............................................................ 508 1. Quantitativer Teil ............................................................................... 508 2. Qualitativer Teil und Erläuterung von Interdependenzen.................. 511

VI.

C.

Anlage II: (Core) Goodwill Report........................................................... 512

D.

Anlage III: Intangible Asset- und Goodwill Scorecard ............................ 514

Zwischenfazit..................................................................................................... 517

Vierter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Auditing ................................ 525 I.

II.

Operationalisierung des Business Risk Auditing .............................................. 525 A.

Schätzung des Geschäftsrisikos und Prüfung des wertorientierten Risikomanagementsystems....................................................................... 525

B.

Konkretisierung des Wesentlichkeitsgrundsatzes..................................... 531

Prüfung des Intangible Asset- und Goodwill Accounting................................. 535 A.

Schätzwerte............................................................................................... 535

B.

Zeitwerte ................................................................................................... 537

C.

Identifizierbare Intangible Assets ............................................................. 542 1. Prüfungsstrukturierung und Trennung in Forschungs- und Entwicklungsphase............................................................................. 542 2. Software beim Anwender................................................................... 548 3. Internetauftritte und Domains ............................................................ 552 4. Marken ............................................................................................... 555 5. Exkurs: Spielerwerte .......................................................................... 558

D.

Positiver Goodwill .................................................................................... 560 1. Kaufpreisallokation ............................................................................ 560

Inhaltsverzeichnis

XXI

2. Impairment Test ................................................................................. 563 3. Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs ............................................................................... 566 E.

Negativer Goodwill (Badwill und Lucky Buy) ........................................ 568

F.

(Konzern-) Lagebericht ............................................................................ 570 1. Interdependenzen zwischen (Konzern-) Abschluss- und -Lageberichtsprüfung ......................................................................... 570 2. Forschungs- und Entwicklungsbericht............................................... 572

III.

IV.

Rahmenbedingungen für die Beurteilung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting ........................................................................................... 577 A.

Kritisches Lesen........................................................................................ 577

B.

Prüferische Durchsicht.............................................................................. 578

Konzeption eines Standards zur Prüfung und prüferischen Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill Reports .................................................... 583 A.

Vorbemerkungen ...................................................................................... 583

B.

Gegenstand und Zielsetzung..................................................................... 583

C.

Beauftragung zur Prüfung oder prüferischen Durchsicht......................... 586 1. Strukturierung .................................................................................... 586 2. Auftragsinhalte................................................................................... 587

D.

Prüfungsziele ............................................................................................ 590 1. Angemessenheit ................................................................................. 590 2. Entscheidungsrelevanz....................................................................... 591 3. Verlässlichkeit.................................................................................... 591 4. Wesentlichkeit als Begrenzung der Vollständigkeit .......................... 592 5. Klarheit und Übersichtlichkeit ........................................................... 593 6. Vergleichbarkeit und Regelmäßigkeit ............................................... 594 7. Management Approach und Segmentierung...................................... 595 8. Ausgewogenheit................................................................................. 596

E.

Auftragsdurchführung............................................................................... 596 1. Quantifizierung des Geschäftsrisikos................................................. 596 2. Prüfungsplanung ................................................................................ 597 3. Prüfung von Intangible Asset- und Goodwill Reports....................... 599 a) Prüfung des Reporting-Systems .................................................. 599

XXII

Inhaltsverzeichnis

b) Aussagebezogene Prüfungshandlungen ...................................... 600 (1) Analytische Prüfungshandlungen ........................................ 600 (2) Einzelfallprüfungen.............................................................. 601 4. Prüferische Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill Reports ............................................................................................... 603 5. Beurteilung der Gesamtaussage ......................................................... 605 6. Hinzuziehung von Experten und Gutachtern ..................................... 605 7. Dokumentation................................................................................... 606 8. Ausstellung einer Bescheinigung....................................................... 607 9. Berichterstattung ................................................................................ 610 V.

Zwischenfazit..................................................................................................... 613

Schlussbetrachtung und Ausblick ............................................................................. 619

Anhang ......................................................................................................................... 633 Quellenverzeichnis ...................................................................................................... 663 Stichwortverzeichnis ................................................................................................... 831

Abkürzungsverzeichnis

XXIII

Abkürzungsverzeichnis a. F. Abl. AblEG AblEU Abs. Abschn. AC ACF Achte EG-Richtlinie

ADHGB AfA AfaA AG AIAF AICPA AKBH AKC AKEIÜ AKEU AKF AKIW AKR AKSR AKWB AKWF AktG Anm. ARC ASB

alte Fassung Amtsblatt Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Abschnitt(-e) Advisory Council Management Handbuch Accounting, Controlling & Finance Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.05.2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Absetzung für Abnutzung Absetzung für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung Aktiengesellschaft Italian Association of Financial Analysts American Institute of Certified Public Accountants Arbeitskreis Bilanzrecht der Hochschullehrer Rechtswissenschaft e. V. Arbeitskreis „Controller und IFRS“ der International Group of Controlling, Controller und IFRS Arbeitskreis „Externe und Interne Unternehmensüberwachung“ der Schmalenbach-Gesellschaft-Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-Gesellschaft-Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Arbeitskreis Rechnungslegungsvorschriften der EGKommission der Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung e. V. Arbeitskreis Steuern und Revision im Bund der Wirtschaftsakademiker (BWA) e. V. Arbeitskreis Wissensbilanz e. V. Arbeitskreis „Wertorientierte Führung in mittelständischen Unternehmen“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. Aktiengesetz Anmerkung(-en) Austrian Research Center Accounting Standards Board

XXIV

ASC Art. ATL Aufl. bearb. BaFin BARefG BayObLG BCU BeckBilKomm Begr BegrRefE BegrRegE BFH BGB BGBl. BGH BilKoG BilMoG BilReG BiRiLiG

BMF BMJ BMWi BörsO BR BR-Drucks. BS WP/vBP

BStBl. BT BT-Drucks. BUG bzw. c. p. ca. CA CAPM CAR

Abkürzungsverzeichnis

Accounting Standards Committee Artikel Automobiles, Transportation & Logistics Auflage bearbeitet Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Gesetz zur Stärkung der Berufsaufsicht und zur Reform berufsrechtlicher Regelungen in der Wirtschaftsprüferordnung (Berufsaufsichtsreformgesetz) Bayerisches Oberstes Landesgericht Basis Resources, Construction and Utilities Beck’scher Bilanz Kommentar Begründung Begründung zum Referentenentwurf Begründung zum Regierungsentwurf Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen (Bilanzkontrollgesetz) Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz) Gesetz zur Durchführung der Vierten, Siebenten und Achten Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften zur Koordinierung des Gesellschaftsrechts (Bilanzricht-linienGesetz) Bundesministerium für Finanzen Bundesministerium der Justiz Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse Bundesrat(-s) Bundesrats-Drucksache Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/vereidigte Buchprüfer) Bundessteuerblatt Bundestag(-s) Bundestags-Drucksache Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie beziehungsweise ceteris paribus circa Canadian Institute of Chartered Accountants Capital Asset Pricing Model Commission on Auditors’ Responsibilities

Abkürzungsverzeichnis

CD CFA CFO CGU CICA Co. CON COSO CPA CPH d. h. D&O DAV DAX DCF DCGK DENIC DIN DIRK DM DNS DPR Dr. DRÄS DRS DRS E DRSC Drucks. DSR DVFA e. V. et al. etc. E EBIT EBITDA EC ECGI ED EDV EG EGHGB EGV E-mail ERIC ERP EStG EStH EStR

XXV

Compact Disk Chartered Financial Analyst Chief Financial Officer Cash Generating Unit Canadian Institute of Chartered Accountants Compagnie (Kompanie im Sinne von Gesellschaft) Statement of Financial Accounting Concepts Committee of the Sponsoring Organizations of the Treadway Commission Certified Public Accountant Chemicals, Pharma & Healthcare das heißt Directors and Officers Liability Insurance Deutscher Anwaltverein Deutscher Aktienindex Discounted Cash Flow Deutscher Corporate Governance Kodex Deutsches Network Information Center e. G. Deutsches Institut für Normung e. V. Deutscher Investor Relations Kreis e. V. Deutsche Mark Domain Name System Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. Doktor Deutscher Rechnungslegungs Änderungsstandard Deutsche(-r) Rechnungslegungsstandard(-s) Entwurf Deutscher Rechnungslegungsstandard Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e. V. Drucksache Deutscher Standardisierungsrat Deutsche Vereinigung für Finanzanalyse und Asset Management e. V. eingetragener Verein et alii (lat.: und andere) et cetera (lat.: und übrige) Entwurf Earnings before Interest and Tax Earnings before Interest, Tax, Depreciation and Amortization Executive Committee European Corporate Governance Institute Exposure Draft Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaften Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften Electronic Mail Earnings less Riskfree Interest Charge Enterprise Resource Planning Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweis(-e) Einkommensteuer-Richtlinien

XXVI

EU EuGH EVA EWG f. F. FASB FBI FEE FG FIFA FinMin FinSen gem. ggf. grds. GAAP GAAS GAO GBl. GE GEFIU GenG GG GmbH GoA GoB GoF GoKb GoÜ GrS GuV h. M. htm html http HdJ HFA HGB HGB-E Hrsg. HWB HWF HWO HWR HWRev HWRP i. Br.

Abkürzungsverzeichnis

Europäische Union Europäischer Gerichtshof Economic Value Added Europäische Wirtschaftsgemeinschaft folgende Framework (Rahmenkonzept) Financial Accounting Standards Board Financial Services, Banks and Insurance Fédération des Experts Comptables Européens Finanzgericht Fédération Internationale de Football Association Finanzministerium Finanzsenat gemäß gegebenenfalls grundsätzlich Generally Accepted Accounting Principles Generally Accepted Auditing Standards General Accounting Office Gesetzblatt Geldeinheiten Arbeitskreis Rechnungslegungsvorschriften in der EGKommission der Gesellschaft für Finanzwirtschaft in der Unternehmensführung e. V. Genossenschaftsgesetz Grundgesetz Gesellschaft(-en) mit beschränkter Haftung Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensführung Grundsätze ordnungsmäßiger Konzernbilanzierung Grundsätze ordnungsmäßiger Überwachung Großer Senat Gewinn- und Verlustrechnung herrschende(-r) Meinung hyper text markup hyper text markup language hyper text transfer protocol Handbuch des Jahresabschlusses in Einzeldarstellungen Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. Handelsgesetzbuch Entwurf eines Handelsgesetzbuchs Herausgeber Handwörterbuch der Betriebswirtschaft Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens Handwörterbuch der Organisation Handwörterbuch des Rechnungswesens Handwörterbuch der Revision Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung im Breisgau

Abkürzungsverzeichnis

i. d. R. i. R. d. IAA IAASB IAS IASB IASC ICN ICS IDW IDW EPS IDW ES IDW PH IDW PS IDW RH HFA IDW RS IDW S IFAC IFRIC IFRS IIR IND IOA IOSCO IP IPS ISA ISAE ISRE ISS IT Jg. KapG KapCoRiLiG

KG KMU KOM KonTraG KPMG LG LOS

XXVII

in der Regel im Rahmen der/des International Accounting Association International Auditing and Assurance Standards Board International Accounting Standard(-s); Intangible Asset Statement International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee Intellectual Capital Navigator Intellectual Capital Statement Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. IDW Entwurf Prüfungsstandard(-s) IDW Entwurf Standard(-s) IDW Prüfungshinweis(-e) IDW Prüfungsstandard(-s) IDW Rechnungslegungshinweis(-e) des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V. IDW Stellungnahme(-n) zur Rechnungslegung IDW Standard(-s) International Federation of Accountants International Financial Reporting Interpretations Committee International Financial Reporting Standard(-s) Deutsches Institut für Interne Revision e. V. Industrial Impairment Only Approach International Organisation of Securities Commissions Internet Protocol Intellectual Property Statement International Standard(-s) on Auditing International Standard(-s) on Assurance Engagements International Standard(-s) on Review Engagements Institutional Shareholder Services Information Technology Jahrgang Kapitalgesellschaft(-en) Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz) Kommanditgesellschaft(-en) Kleine und Mittelständische Unternehmen Kommission der Europäischen Gemeinschaften Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Klynveld, Peat, Marwick, Goerdeler Deutsche TreuhandGesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Landgericht Lizenzordnung Spieler

XXVIII

M&A MarkenG MD&A MDAX MINEZ Mio. Mio. € MTST m. w. N. NEMAX No. NOPAT Nr. NYSE o. o. g. o. J. o. Jg. o. O. o. V. OECD OFD OFR OLG OVG p. a. pdf PC PH PS PublG PwC rer. pol. rev. RAVE RCF RefE RegE RFH RFHE RG RGZ RH RIC Rn. ROHG RS Rs. RStBl.

Abkürzungsverzeichnis

Mergers and Acquisitions Markengesetz Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations Deutscher Midcap Aktienindex Netherland Ministry of Economic Affairs Million(-en) Million(-en) Euro (als Währungsangabe) Media, Technology, Software and Telecommunication mit weiteren Nachweisen Neuer Markt Index Nummero Net Operating Profit after Tax Nummer New York Stock Exchange ohne oben genannt(-e, -en) ohne Jahr ohne Jahrgang ohne Ort ohne Verfasser Organisation for Economic Cooperation and Development Oberfinanzdirektion Operating and Financial Review and Prospects Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht per anno portable document format Personal Computer Prüfungshinweis(-e, -es) Prüfungsstandard(-s) Publizitätsgesetz PricewaterhouseCoopers rerum politicarum revised Real Asset Value Enhancer Retail, Consumer and Food & Beverages Referentenentwurf Regierungsentwurf Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen und Gutachten des Reichsfinanzhofs Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rechnungslegungshinweis(-e) Rechnungslegungs Interpretation Committee Randnummer Reichsoberhandelsgericht Rechnungslegungsstandard; Reporting Scorecard Rechtssache Reichssteuerblatt

Abkürzungsverzeichnis

sog. S S. SAC SDAX SE SEAG SEC SEEG SFAC SFAS SIC Siebente EG-Richtlinie SMAX SME SN SOA SoP S&P Sp. SPA St. StBerG StBereinG StEntlG TB TecDAX TransPuG Ts. TU TUG

u. u. a. usw. UEFA UK UK-GAAP UntStRefG US

XXIX

so genannte(-r/-s) Standard Seite(-n) Standards Advisory Council Deutscher Smallcap Aktienindex Societas Europaea Gesetz zur Ausführung der Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 08.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) (SE-Ausführungsgesetz - SEAG) Securities and Exchange Commission Gesetz zur Einführung der Europäischen Gesellschaft Statement(-s) of Financial Accounting Concepts Statement(-s) of Financial Accounting Standards Standing Interpretations Committee Siebente Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13.06.1983 über den konsolidierten Abschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen Smallcap Aktien Index Small and Medium sized Entities Skandia Navigator Sarbanes Oxley Act Statement(-s) of Position Standard and Poor’s Spalte Software Publishers Association Sankt Steuerberatungsgesetz Steuerbereinigungsgesetz 1986 Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 Technologiebilanz Deutscher Technologie Aktienindex Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz- und Publizitätsgesetz (Transparenz- und Publizitätsgesetz) Taunus Technische Universität Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (TransparenzrichtlinieUmsetzungsgesetz) und unter anderem und so weiter Union des Associations Européennes de Football United Kingdom United Kingdom-Generally Accepted Accounting Principles Unternehmensteuerreformgesetz 2008 United States

XXX

USA US-GAAP US-GAAS ÜUG

Verf. Vgl. Vierte EG-Richtlinie VorstOG VW WACC WB WpHG WPK WPO WpÜG www XBRL z. B. Zweite EG-Richtlinie

Abkürzungsverzeichnis

United States of America United States-Generally Accepted Accounting Principles United States-Generally Accepted Auditing Standards Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2006 betreffend Übernahmeangebote (ÜbernahmerichtlinieUmsetzungsgesetz) Verfasser Vergleiche Vierte Richtlinie 78/660/EWG des Rates vom 25.07.1978 über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen Gesetz über die Offenlegung der Vorstandsvergütungen (Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz) Volkswagen Weighted Average Cost of Capital Wissensbilanz Gesetz über den Wertpapierhandel Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferordnung Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz) world wide web Extensible Business Reporting Language zum Beispiel Zweite Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Artikels 58 Absatz 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und Änderung ihres Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten

Abkürzungsverzeichnis für Zeitschriften und Zeitungen

XXXI

Abkürzungsverzeichnis für Zeitschriften und Zeitungen AAAJ ABR Acc AccRev AER AG BB BC BBK BFHE BFH/NV BFuP BKR BuW CM DB DBW DStR DStRE DStZ DSWR EAR EFG EBLR EBOR EWS FAZ FB Fn.-IDW FR GmbHR GmbH-StB HBM HBR HBS INF IStR JbFSt JfB JoA JoAAF JoACF JoAE JoAR

Accounting, Auditing & Accountability Journal Accounting and Business Research Accountancy Accounting Review American Economic Review Die Aktiengesellschaft Betriebs-Berater Bilanzbuchhalter und Controller Buchführung, Bilanzierung, Kostenrechnung Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Betrieb und Wirtschaft Controller Magazin Der Betrieb Die Betriebswirtschaft Deutsches Steuerrecht Deutsches Steuerrecht-Entscheidungen Deutsche Steuer-Zeitung Datenverarbeitung-Steuer-Wirtschaft-Recht European Accounting Review Entscheidungen der Finanzgerichte European Business Law Review European Business Organization Law Review Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Der Finanz-Betrieb Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland Finanz-Rundschau GmbH-Rundschau Der GmbH-Steuerberater Harvard Business Manager Harvard Business Review Handbook of Business Strategy Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Internationales Steuerrecht Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Journal für Betriebswirtschaft Journal of Accountancy Journal of Accounting, Auditing & Finance Journal of Applied Corporate Finance Journal of Accounting and Economics Journal of Accounting Research

XXXII

JoEL JoEP JoF JoFE JoIC JoIFMA JoLE JurBüro KoR(IFRS) krp MA M&A MAJ MAR MBE NJW NWB NZG RIW RWZ sbr SEJ ST StB Stbg StBprg StED SteuerStud StuB StuW SWI WiSt WISU WM WPg WPK-Mitt. ZBB ZfB ZfbF ZfCM ZfgG ZfgK ZfhF zfo ZGR ZHR ZIP ZIR ZP

Abkürzungsverzeichnis für Zeitschriften und Zeitungen

Journal of Economic Literature Journal of Economic Perspectives Journal of Finance Journal of Financial Economics Journal of Intellectual Capital Journal of International Financial Management & Accounting Journal of Law and Economics Das juristische Büro Zeitschrift für [internationale und] kapitalmarktorientierte Rechnungslegung Kostenrechnungspraxis Management Accounting Mergers & Acquisitions Managerial Auditing Journal Management Accounting Research Measuring Business Excellence Neue Juristische Wochenschrift Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Recht der Internationalen Wirtschaft Zeitschrift für Recht und Rechnungswesen Schmalenbach Business Review Society of Environmental Journalists Der Schweizer Treuhänder Der Steuerberater Die Steuerberatung Die steuerliche Betriebsprüfung Steuerrechts-Entscheidungsdienst Steuer und Studium Steuern und Bilanzen Steuer und Wirtschaft Steuer & Wirtschaft International Wirtschaftswissenschaftliches Studium Das Wirtschaftsstudium Wertpapier-Mitteilungen Die Wirtschaftsprüfung Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Controlling und Management Zeitschrift für das gesamte Genossenschaftswesen Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für handelswissenschaftliche Forschung Zeitschrift für Organisation Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Interne Revision Zeitschrift für Planung und Unternehmenssteuerung

Symbolverzeichnis

XXXIII

Symbolverzeichnis € § §§ % &  < > =  () (+) (-)  CAPM(t) EVA Mio. € NOPAT RAVE rEK rf rm rFK rGK s t t0 t-1

T WACC

Euro (als Währungsangabe) Paragraph Paragraphen Prozent und Summe kleiner größer gleich annähernd Übereinstimmung Vorzug keine Übereinstimmung; Defizit (unternehmensspezifischer) Beta-Faktor Capital Asset Pricing Model (in Periode t) Economic Value Added Millionen Euro (als Währungsangabe) Net Operating Profit After Tax Real Asset Value Enhancer Eigenkapitalkostensatz risikofreier Zinssatz marktangepasster Zinssatz Fremdkapitalkostensatz Gesamtkapitalkostensatz Unternehmensteuersatz für Ertragsteuern Bewertungszeitpunkt aktuelles Geschäftsjahr vorangegangenes Geschäftsjahr Gesamtnutzungsdauer/Totalperiode Weighted Average Cost of Capital

Abbildungsverzeichnis

XXXV

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:

Gang der Untersuchung........................................................................... 18

Abbildung 2:

Entscheidungsnützlichkeit des Financial Accounting und Business Reporting........................................................................... 25

Abbildung 3:

Ausgewählte Ausprägungen der Accounting Theory ............................. 45

Abbildung 4:

Einfluss des Business Reporting auf die Kapitalkosten .......................... 75

Abbildung 5:

Ursachen von Differenzen zwischen Unternehmensund Marktperspektive.............................................................................. 77

Abbildung 6:

Ausgewählte Inhalte der wertorientierten Unternehmensführung .......... 78

Abbildung 7:

Nachhaltige Shareholder Value-Konzeption........................................... 82

Abbildung 8:

Einordnung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting in den Kontext der Investor Relations..................................................... 89

Abbildung 9:

Ansätze der Auditing Theory .................................................................. 94

Abbildung 10:

Komponenten der Erwartungslücke ........................................................ 98

Abbildung 11:

Einfluss des Intangible Asset- und Goodwill Reporting und Auditing auf die Erwartungslücke.................................................. 102

Abbildung 12:

Risiken zur Gefährdung der Unabhängigkeit ........................................ 108

Abbildung 13:

Komponenten des Audit Risk................................................................ 131

Abbildung 14:

Kategorisierung von Prüfungsmethoden ............................................... 136

Abbildung 15:

Vorgehensweise im Ersten Hauptteil .................................................... 143

Abbildung 16:

Erstbewertung für immaterielle Vermögenswerte nach dem Handels- und Steuerrecht sowie den IFRS .......................... 159

Abbildung 17:

Klassifizierung immaterieller Vermögenswerte und deren Identifizierbarkeit .................................................................................. 173

Abbildung 18:

Kategorisierung von Software............................................................... 175

Abbildung 19:

Ableitung des originären Goodwill und Bestimmung der Informationslücke............................................................................ 196

Abbildung 20:

Immaterielle Vermögenswerte versus Goodwill ................................... 198

Abbildung 21:

Struktur des handelsrechtlichen Anlagespiegels ................................... 250

XXXVI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 22:

Übersicht über mögliche Bewertungsverfahren nach den IFRS ........... 272

Abbildung 23:

Ablauf des Goodwill Impairment Tests nach den IFRS........................ 275

Abbildung 24:

Fair Value-Hierarchie nach den IFRS ................................................... 285

Abbildung 25:

Mixed Accounting Model nach den IFRS............................................. 306

Abbildung 26:

Grenzen der Konvergenz von in- und externem Rechnungswesen....... 362

Abbildung 27:

Kategorisierung immaterieller Vermögenswerte .................................. 368

Abbildung 28:

Business Reporting Model ................................................................... 373

Abbildung 29:

Perspektiven der Balanced Scorecard und mögliche Unterziele sowie Indikatoren .................................................................................. 382

Abbildung 30:

Ursache-Wirkungskette der Balanced Scorecard .................................. 383

Abbildung 31:

Aufbau der Reporting Scorecard ........................................................... 385

Abbildung 32:

Aufbau des Intangible Asset Statements ............................................... 387

Abbildung 33:

Intellectual Property Statement ............................................................. 390

Abbildung 34:

Wissensbilanz-Modell ........................................................................... 392

Abbildung 35:

Indikatoren des Intellectual Capital Statements .................................... 396

Abbildung 36:

Skandia’s Forms of Capital ................................................................... 399

Abbildung 37:

Struktur des Skandia Navigator............................................................. 400

Abbildung 38:

Ausgewählte Leistungsindikatoren des Skandia Navigator .................. 401

Abbildung 39:

Struktur des Intellectual Capital Navigator ........................................... 405

Abbildung 40:

Wissensbilanz-Modell ........................................................................... 409

Abbildung 41:

Struktur der Technologiebilanz ............................................................. 411

Abbildung 42:

Komponentenansatz für das Goodwill Reporting ................................. 427

Abbildung 43:

Struktur des erweiterten Goodwill-Spiegels.......................................... 432

Abbildung 44:

Werttreiber des Economic Value Added............................................... 437

Abbildung 45:

Konzeption des Real Asset Value Enhancer ......................................... 442

Abbildung 46:

Konzeption des Market Value Added ................................................... 444

Abbildung 47:

Segmentierung und Abgrenzung des derivativen Goodwill.................. 447

Abbildungsverzeichnis

XXXVII

Abbildung 48:

Ansatzpflicht für originäre immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens im HGB de lege ferenda.................................... 465

Abbildung 49:

Ansatzfähigkeit von Entwicklungsaufwendungen im künftigen Handelsrecht nach Maßgabe der IFRS.................................................. 467

Abbildung 50:

Entscheidungsrelevanz von aktivierten originären immateriellen Vermögenswerten.................................................................................. 469

Abbildung 51:

Stellenwert des Value Reporting für die Kapitalmarktanalyse ............. 471

Abbildung 52:

Einsatz von Spitzenkennzahlen zur Unternehmenssteuerung ............... 473

Abbildung 53:

Standardisierung der wertorientierten Unternehmenssteuerung ........... 474

Abbildung 54:

Kenntnisstand der Balanced Scorecard ................................................. 476

Abbildung 55:

Kenntnisstand von Modellen für ein Intangible Asset Reporting (Mehrfachnennungen möglich) ............................................................. 477

Abbildung 56:

Implementierung eines Intangible Asset Reporting .............................. 478

Abbildung 57:

(Konzern-) Lageberichterstattung und Anlageentscheidung................. 479

Abbildung 58:

Verhältnis zwischen (Konzern-) Abschluss- und -Lageberichtsprüfung ........................................................................... 480

Abbildung 59:

Ausgestaltung der Berichterstattung über Forschung und Entwicklung im (Konzern-) Lagebericht .............................................. 482

Abbildung 60:

Immaterielle Vermögenswerte als Gegenstand der (Konzern-) Lageberichterstattung ............................................................................ 483

Abbildung 61:

Handelsrechtliche Konsolidierungswahlrechte und Bewertung des derivativen Goodwill....................................................................... 484

Abbildung 62:

Separierung immaterieller Vermögenswerte vom Goodwill................. 486

Abbildung 63:

Planmäßige Abnutzung des derivativen Goodwill ................................ 488

Abbildung 64:

Entscheidungsnützlichkeit des Impairment Only Approach ................. 490

Abbildung 65:

Verlässlichkeit der CGU-Allokation des derivativen Goodwill ........... 492

Abbildung 66:

Entscheidungsrelevanz des originären Goodwill Reporting ................. 494

Abbildung 67:

Verlässlichkeit des originären Goodwill Reporting .............................. 495

Abbildung 68:

Einsatz eines originären Goodwill Reporting ....................................... 496

Abbildung 69:

Aufbau einer Intangible Asset- und Goodwill Scorecard ..................... 515

Abbildung 70:

Vorgehensweise im Dritten Hauptteil ................................................... 523

XXXVIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 71:

Elemente eines wertorientierten Risikomanagementsystems................ 528

Abbildung 72:

Prüfungsschema nach IDW PS 315....................................................... 541

Abbildung 73:

Strukturierung der aussagebezogenen Prüfung ..................................... 542

Abbildung 74:

Konsistenzprüfung des Goodwill Accounting ...................................... 563

Abbildung 75:

Vorgehensweise im Vierten Hauptteil .................................................. 617

Tabellenverzeichnis

XXXIX

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Ansatzverbote für spezielle Intangible Assets und den Goodwill ............. 160

Tabelle 2:

Beispiele für mögliche identifizierbare immaterielle Vermögenswerte .... 201

Tabelle 3:

Synoptische Darstellung der Unternehmensbewertung nach den Verlautbarungen nationaler und internationaler Standardsetter ................ 276

Tabelle 4:

Untersuchungsergebnisse zum Intangible Asset Accounting .................... 328

Tabelle 5:

Untersuchungsergebnisse zum Goodwill Accounting ............................... 333

Tabelle 6:

Stellungnahme zu ausgewählten Inhalten des BilMoG-RefE.................... 336

Tabelle 7:

Zusammenhang zwischen Wert- und Kostentreibern ................................ 363

Tabelle 8:

Ausgewählte Empfehlungen für eine Kategorisierung von immateriellen Vermögenswerten ............................................................... 371

Tabelle 9:

Comprehensive Model of Business Reporting........................................... 374

Tabelle 10:

Mögliche Indikatoren der Wissensbilanz................................................... 393

Tabelle 11:

Aufbau des Intellectual Capital Statements ............................................... 395

Tabelle 12:

Struktur des Intangible Asset Monitor ....................................................... 402

Tabelle 13:

Struktur des Wissensbilanz-Berichts ......................................................... 408

Tabelle 14:

Ausgewählte Kennzahlen für die Technologiebilanzanalyse .................... 412

Tabelle 15:

Würdigung der Intangible Asset Reporting-Modelle................................. 413

Tabelle 16:

Gesamtrücklaufquote der empirischen Untersuchung ............................... 461

Tabelle 17:

Gruppenspezifische Rücklaufquote der empirischen Untersuchung ......... 462

Tabelle 18:

Clustereinteilung und Abweichungsanalyse .............................................. 463

Tabelle 19:

Quantitativer Teil des Intangible Asset Reports (Teil I)............................ 508

Tabelle 20:

Quantitativer Teil des Intangible Asset Reports (Teil II) .......................... 510

Tabelle 21:

Qualitativer Teil des Intangible Asset Reports .......................................... 512

Tabelle 22:

Quantitativer Teil des Goodwill Reports ................................................... 513

Tabelle 23:

Struktur des Core Goodwill Reports .......................................................... 514

Tabelle 24:

Bestandsaufnahme von Vorschlägen für ein Intangible Asset Reporting.................................................................................................... 633

Tabelle 25:

Wesentliche Angabepflichten nach DRS 12 .............................................. 634

Tabelle 26:

Wesentliche Angabepflichten nach DRS 4 ................................................ 635

Tabelle 27:

Wesentliche Angabepflichten nach IAS 38, IFRS 3 und IFRS 3 (rev. 2008) .................................................................................................. 636

Tabelle 28:

Wesentliche Angabepflichten nach IAS 36 ............................................... 637

Tabelle 29:

Beispiele für Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten ........................... 638

Problemstellung und Zielsetzung

1

Einleitung I.

Problemstellung und Zielsetzung 1

Die (außer-) bilanzielle Erfassung von immateriellen Vermögenswerten (Intangible As2 3 sets ) sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts (Goodwill) stellt Abschlussersteller, 4 -analysten und -prüfer vor große Herausforderungen. Ursächlich hierfür ist, dass die in Rede stehenden Werte im Allgemeinen erst in späteren Perioden, ggf. überhaupt nicht, zu 5 korrespondierenden Erträgen führen. Gleichwohl stellen sie nach Maßgabe des sog. „Re6 7 source Based View“ als Teilbereich der Theorie des strategischen Managements Determinanten des unternehmerischen Erfolgspotenzials dar und bestimmen die wirtschaftliche 8 Lage des Unternehmens im nationalen und internationalen Wettbewerb. Die h. M. unter-

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Die vorliegende Untersuchung fokussiert immaterielle Vermögenswerte, die nach handels- und steuerrechtlichem Verständnis dem Anlagevermögen bzw. den langfristigen Vermögenswerten nach den IFRS (Non Current Assets) zuzuordnen sind. Auf eventuelle Abgrenzungsprobleme zum Umlaufvermögen bzw. zu den kurzfristigen Vermögenswerten wird hingewiesen. Hinsichtlich der Zugangsarten werden neben Eigenerstellungen und Unternehmenserwerben auch entgeltliche Einzelerwerbe thematisiert. Zuwendungen der öffentlichen Hand und Tauscherwerbe sind nicht Gegenstand der Analyse. In der Unternehmenspraxis sowie im Schrifttum werden hierbei unterschiedliche Terminologien verwendet, z. B. Intellectual Assets, Intellectual Property, Intellectual Capital, Knowledge based Assets, Knowledge Capital; vgl. u. a. AKIW 2005, S. 67; Alwert/Heisig/Mertins 2005, S. 2; Lorson/Heiden 2002, S. 374; Riegler 2006a, S. 84; Schütte 2006, S. 29; Zehetner 2005, S. 779; Zimmermann/Schütte 2004, S. 315. Diese Uneinheitlichkeit basiert primär auf den Objektivierungs- und Abgrenzungsdefiziten des immateriellen Vermögens. In der nachfolgenden Untersuchung wird auf den standardübergreifenden Begriff „Intangible Assets“ bzw. „immaterieller Vermögenswert“ abgestellt, der sowohl die Abgrenzungskonzeptionen nach Handels- und Steuerrecht sowie IFRS beinhaltet. Da sich der handelsrechtliche Vermögensgegenstandsbegriff und der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsguts als Teilmenge der Vermögenswerte nach den IFRS darstellen lassen, ist diese Vorgehensweise zu rechtfertigen. Die nachfolgenden Ausführungen basieren im Kern auf einer Trennung in Intangible Assets und Goodwill, um die Bedeutung des Geschäfts- oder Firmenwerts als „Wert eigener Art“ bzw. „Residualgröße“ zu betonen; vgl. zur expliziten Trennung in Intangible Assets und Goodwill ebenfalls SFAS 141.3 (l) (rev. 2007). In diesem Kontext kommt dem Grundsatz der Identifizierbarkeit eine weitreichende Bedeutung zu. „Immaterielle Anlagewerte sind ewige Sorgenkinder des Bilanzrechts“, Moxter 1979b, S. 1102 und hieran anknüpfend Heyd/Lutz-Ingold 2005a, S. 20. Vgl. statt vieler von Rütte/Hoenes 1995, S. 1. Die immateriellen Vermögenswerte und der Goodwill stellen hiernach strategische Ressourcen dar. Insbesondere die originäre Ressourcenausstattung determiniert die künftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens; vgl. hierzu u. a. Bühner 1998, S. 55; Penrose 1959; Schmid 2007, S. 87; Wernerfelt 1984, S. 171-180. Vgl. grundlegend zur Theorie des strategischen Managements Bea/Haas 2001; Kirsch/Grebenc 1986, S. 33-37; Rumelt/Schendel/Teece 1991, S. 5-29 sowie zum derzeitigen Entwicklungsstand Günther/Breiter 2007, S. 9. Vgl. zur Bedeutung EU-Kommission 2003a, S. 1; Klein 1999a, S. 72; Küting/Dürr 2003, S. 1; Pellens/Fülbier 2000c, S. 123; von Rütte/Hoenes 1995, S. 1 sowie insbesondere Servatius 2003, S. 155; Servatius 2004, S. 85, der die nachhaltige Wertsteigerung mit immateriellem Vermögen als „Dritte Welle der Führung“ bezeichnet.

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Einleitung

stellt in diesem Kontext, dass ohne den Aufbau immaterieller Vermögenswerte und des 9 10 Goodwill keine zukünftigen Wettbewerbsvorteile zu erzielen sind. Hierbei kann die Investitionstätigkeit sowohl in der Selbsterstellung als auch in der Akquisition bestehen. Das Schrifttum sieht vielfach den Erwerb jener Faktoren als Hauptursache von Unternehmens11 zusammenschlüssen und -übernahmen an. Während in der Unternehmenspraxis primär auf ihre werttreibenden Eigenschaften, d. h. die grundsätzliche Nichtrivalität in der Ver12 wendung sowie steigende Skalen- und Netzwerkeffekte, abgestellt wird, gilt es hierbei zu bedenken, dass immateriellen Vermögenswerten und dem Goodwill zugleich werthemmende Eigenschaften (die Nicht-Ausschließbarkeit Dritter, das inhärente Risiko, ggf. ein13 geschränkte Handelbarkeit) als potenzielle Wertvernichter zugrunde liegen können. Diese Faktoren müssen im Rahmen eines integrierten Chancen- und Risikomanagementsystems antizipiert werden. 14

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Die fortschreitende Globalisierung geht mit einer Wettbewerbsintensivierung auf den internationalen Kapitalmärkten hinsichtlich der Suche nach zusätzlichen Finanzierungsquel16 17 len einher (Global Player-Verhalten ). Diese Entwicklung erweitert nicht nur den Radius 18 potenzieller Unternehmenskoalitionäre, sondern bewirkt, dass die normierte externe Fi19 nanzberichterstattung (Financial Accounting) nicht mehr ausschließlich von der nationalen Gesetzgebung bestimmt wird, sondern eine zentrale Beeinflussung durch internationale 20 Standardsetter und Institutionen, wie der EU-Kommission oder dem International

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Wettbewerbsvorteile können primär aus den positiven Skalen- und Netzwerkeffekten resultieren, die mit dem erfolgreichen Einsatz verbunden sind; vgl. ausführlich Rieg 2006, S. 83. Vgl. zur Wettbewerbsrelevanz u. a. Dillerup/Ramos 2006, S. 116; Dillerup/Göttert/Gedeon 2005, S. 58; Fischer 2005, S. 876; Kinne 2005, S. 142; Labbé 2005, S. 2091; Labhart/Volkart 2001b, S. 1155 f.; PwC/TU Dresden (Hrsg.) 2003, S. 15 f. Kapitalmarktuntersuchungen belegen, dass der Unternehmenswert zu 50 bis 90 % auf Intangible Assets und den Goodwill entfällt; vgl. IFAC 1998, S. 1; Lorson/Heiden 2002, S. 373; Maul/Menninger 2000, S. 529; zum wertmäßigen Umfang in Europa und in den USA bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt Edvinsson 2005, S. 362 f. und zur Bezeichnung „Heiliger Gral der Betriebswirtschaftslehre“ Rieg 2006, S. 82. Edvinsson hatte bereits im Jahre 1986 auf den „New Business Focus“ hingewiesen; Edvinsson 1986, S. 195. Vgl. z. B. Hussein/Seow 2002, S. 57; Lev 2003b, S. 19. Vgl. Hepers 2005, S. 32; Janssen 2007, S. 28-32; Lev 2001, S. 22-31. Vgl. detailliert Janssen 2007, S. 32-37; Lev 2001, S. 48. Vgl. u. a. zur inhaltlichen Konkretisierung Schmidt 2004, S. 2. Vgl. hierzu u. a. Freidank 2000, S. 7; Glaum 2001, S. 124; Kohlhaussen 1998, S. 491; Küffner/Hock 1998, S. 57; Mandler 2004, S. 163; Otte 1990, S. 505; Sailer/Schurbohm 2002, S. 361. Vgl. stellvertretend Bay/Bruns 2000, S. 714; Freidank 2000, S. 7; Hayn 1994, S. 713; Kümpel 2002a, S. 101; Liener 1992, S. 269; Niehus 1995a, S. 937. Vgl. Budde/Steuber 1999, S. 503; Esser 1998, S. 73; Freidank 2000, S. 8; Freidank 2003c, S. 15; Goebel 1995, S. 2489; Helbling 2004, S. 429; Küting 2000b, S. 39; Langenbeck 2001, S. 581; Lehwald 2001, S. 377; Littkemann/Schulte/Kraft 2005a, S. 286; Luttermann 1999, S. 102; Menn 2000, S. 199; Scheffler 1999b, S. 1292. Vgl. Dücker 2003, S. 449; Freidank 2000, S. 21. Die normierte externe Finanzberichterstattung bildet den auf gesetzlichen oder gesetzesähnlichen Rechnungslegungsvorschriften basierenden Bereich der Unternehmenskommunikation; vgl. zur entsprechenden Abgrenzung ebenfalls Heumann 2005, S. 10 f. Vgl. insbesondere die kritische Bestandsaufnahme von Ball 2006, S. 5-27 und Watts 2006, S. 51-61.

Problemstellung und Zielsetzung

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Accounting Standards Board (IASB) , erfährt (Global Accounting). Ferner üben nationale Gesetzgeber und Regelungsinstanzen anderer Staaten, insbesondere der United States of America (USA), Einfluss auf deutsche Normierungen aus, weil im Zuge des Konvergenz23 prozesses zwischen dem IASB und dem Financial Accounting Standards Board (FASB) eine Annäherung der International Financial Reporting Standards (IFRS) an die United 24 25 States-Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP) festzustellen ist. Die vorstehend genannten Entwicklungen beschränken sich nicht nur auf das Financial Accounting, sondern wirken sich mittelbar auf die gesamte kapitalmarktorientierte Unternehmensberichterstattung (Business Reporting) aus. Diese Internationalisierung des Financial Accounting und Business Reporting ist zugleich mit Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der geschäftsrisikoorientierten Prüfung (Business Risk Auditing) verbunden, die vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB), einem unabhängigen Komitee der International Federation of Accountants 26 27 (IFAC) , unter Zugrundelegung der International Standards on Auditing (ISA) angetrie28 ben werden. Ein weiterer Einfluss auf die internationalen Prüfungsnormen geht vom 29 Auditing Standards Board (ASB) , einem technischen Komitee des American Institute of 30 Certified Public Accountants (AICPA) , aus, welches die United States-Generally Accep31 ted Auditing Standards (US-GAAS) formuliert. Die vorstehend genannten grundlegenden Strömungen bilden den Ausgangspunkt der vorliegenden Untersuchung.

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Vgl. u. a. zur historischen Entwicklung des IASB und des vormaligen International Accounting Standards Committee (IASC) Biener 1993, S. 345 f.; Biener 1996a, S. 65 f.; Budde 1996, S. 92 f.; Haller 1993, S. 1297-1305; Haller/Walton 2000, S. 28-32; Heizmann 2005, S. 3 f.; Henrici 2004, S. 23-27; Leibfried 2003, S. 214 f.; Lutz-Ingold 2005, S. 7-12; Probst 1992, S. 427-430; Raffournier 2000, S. 76-95; Weißenberger et al. 2003, S. 9 f. und zur strategischen Neuausrichtung Baetge/Thiele/Plock 2000, S. 1033 f.; Graumann 2004, S. 787; kritisch insbesondere Wagenhofer 2006c, S. 137 f. Vgl. z. B. Budde 1997, S. 105; GEFIU (Hrsg.) 1995, S. 1137; Goebel 1994, S. 2457; Graumann 2002e, S. 213-216; Haller/Walton 2000, S. 27; Hartmann 1998a, S. 260; Jacob 2001b, S. 195 f.; Kleber 1993, S. 380-398; Zeitler 1997, S. 599 f. Vgl. zur Organisation des FASB Küting/Brakensiek 1999, S. 679 f.; Starbatty 2005, S. 11 f. Vgl. grundlegend zu den US-GAAP Haller 1990, S. 751-777. Vgl. etwa Freisleben/Leibfried 2004, S. 109; Gannon/Ashwal 2004, S. 43; Glaum 2001, S. 134; Köthner 2004b, S. 159. Vgl. zur Organisation der IFAC Biener 1997, S. 655 f.; Müller 2006b, S. 76-78; Niehues 2007, S. 682-684; Ruhnke 1995, S. 940; Ruhnke 1997c, S. 78 f.; Ruhnke 2000a, S. 103; Wiedmann 1996, S. 154 f. Vgl. grundlegend hierzu und zur Bedeutung der ISA Böcking/Orth/Brinkmann 2000, S. 216; Lohse 2000, S. 350; Mertin/Schmidt 2001a, S. 319. Vgl. zur Internationalisierung der Abschlussprüfung Achte EG-Richtlinie, S. 87 sowie grundlegend Dyckerhoff 2001, S. 113 f.; Fey 2000, S. 1097; Forster 1980, S. 1; Freidank 2001, S. 258 f.; Graumann 2002b, S. 157; Jacob 1998b, S. 159 f.; Kubin 2001, S. 1; Lanfermann 1995, S. 375; Lück/Bungartz/Henke 2002, S. 1086; Mandler 1994, S. 167; Niehus 1998, S. 483; Rochat/Walton 2000, S. 869; Ruhnke 1997a, S. 109; Ruhnke 1999, S. 237; Ruhnke 2000a, S. 149 f.; Ruhnke 2002c, S. 155; Ruhnke 2006a, S. 1169; Schindler 1997, S. 153; Wagner 2005a, S. 339; Wiedmann 1998, S. 338. Vgl. stellvertretend Tie 2006, S. 59. Vgl. zur Organisation u. a. Baetge/Sell 1999, S. 517 f.; Schönwald 2007, S. 37-38. Vgl. stellvertretend Bartels/von Kanitz 2005, S. 231; Jacob 2001a, S. 241.

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Einleitung 32

Ein nachhaltiger Anstoß für die Harmonisierung des Financial Accounting erfolgte durch 33 die EU-Verordnung vom 19.07.2002 (sog. EU-IFRS-Verordnung) , welche kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen mit Sitz in der Europäischen Union (EU) zu einer Konzern34 rechnungslegung nach IFRS verpflichtet. Flankierend hierzu hatte die EU-Kommission in den vergangenen Jahren zahlreiche Richtlinien initiiert, welche nachhaltig auf den nationalen Gesetzgebungsprozess einwirkten. Eine besondere Bedeutung für die nachfolgende 35 Untersuchung ging von der sog. EU-Fair Value-Richtlinie vom 27.09.2001 aus, die eine Durchbrechung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips im Sinne einer Bewertung zu ggf. höheren beizulegenden Zeitwerten beinhaltet. Neben der Harmonisierung des Financial Accounting durch die vorstehend benannte EU-IFRS-Verordnung ist das geplan36 te ISA-Endorsement nach der Achten EG-Richtlinie vom 17.05.2006 (sog. EUAbschlussprüfer-Richtlinie) für die (Neu-) Ausrichtung des Business Risk Auditing bedeutsam. Die nationale Konkretisierung der EU-IFRS-Verordnung erfolgte durch das Bilanzrechts37 reformgesetz (BilReG) vom 04.12.2004 , welches neben der Transformation der Pflichtbestandteile nicht kapitalmarktorientierten Unternehmen ein Wahlrecht einräumt, den Konzernabschluss nach den IFRS oder - wie bisher - nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) unter Berücksichtigung der Deutschen Rechnungslegungs Standards (DRS) zu erstellen und offen zu legen. Ferner wird seitdem sämtlichen Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, neben dem HGB-Jahresabschluss einen IFRS-Einzelabschluss für rein informatorische Zwecke offen zu legen. 38

Mit dem Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG), das der deutsche Gesetzgeber be39 reits im 10-Punkte-Programm vom Februar 2003 in Aussicht stellte und als Referenten-

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Vgl. zur Zielsetzung der Bildung von „World Standards of Accounting“ Schildbach 2003a, S. 1073. Vgl. EU-IFRS-Verordnung, S. 1-4. Vgl. zur erstmaligen IFRS-Anwendung die Vorgaben von IFRS 1 und EU-Verordnung 707/2004, S. 3-17 sowie hierzu im Einzelnen Andrejewski/Grube 2005, S. 98; Böcking/Busam/ Dietz 2003, S. 457; Burger/Vial 2003, S. 504; Burger et al. 2005, S. 1193; Grünberger/Grünberger 2003, S. 587; Lüdenbach/Hoffmann 2003b, S. 1498; Wagenhofer 2003, S. 375; Zeimes 2003, S. 982; stellvertretend zur historischen Entwicklung der IFRS Börstler 2006, S. 34 f. Vgl. EU-Fair Value-Richtlinie, S. 28-32. Vgl. Achte EG-Richtlinie, S. 87-107. Vgl. BilReG, S. 3166-3182. Vgl. hierzu Ernst 2004a, S. 35-40; Ernst 2005b, S. 81-98; Ernst 2005c, S. 1-15; Ernst 2006, S. 85102; Ernst 2007a, S. 11-15; hieran anknüpfend Lehwald 2006, S. 15-21; Velte/Wernicke 2006, S. 748; zu ersten Vorschlägen bereits u. a. Breker 2004, S. 10-23; DAV (Hrsg.) 2003, S. 1-12; Deloitte et al. 2006, S. 1-19; DRSC (Hrsg.) 2002, S. 1-7; DRSC (Hrsg.) 2005, S. 1-43; IDW (Hrsg.) 2001a, S. 221227; Jessen/Weller 2005, S. 489-493 und 533-536; Köhler/Marten/Schlereth 2006, S. 2301-2306; Niehus 2001a, S. 742-746; Plendl 2007, S. 159-163; Plendl 2008, S. 255-259; Schulze-Osterloh 2004a, S. 1128-1137. Vgl. BMJ/BMF 2003, S. 1 f. sowie zu einer Erörterung wesentlicher Inhalte Drost 2005, S. 32; Ernst 2003, S. 1487; Ernst 2007b, S. 1553-1555; Funk/Rossmanith/Alber 2006, S. 657-662; Hönsch 2005, S. 231-235; Kiethe 2003a, S. 707; Köhler/Meyer/Mauelshagen 2004, S. 2623; Meyer 2003, S. 850; Pfitzer/Oser/Orth 2006, S. 83-86; Pottgießer 2008, S. 168; Seibert 2003, S. 693; von Rosen 2005, S. 20.

Problemstellung und Zielsetzung

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entwurf (RefE) vorliegt, wird eine Erhöhung der internationalen Akzeptanz des HGB41 Jahresabschlusses durch eine Fortentwicklung und Anpassung des Handelsrechts an in42 ternationale Entwicklungen angestrebt. Im Mittelpunkt des BilMoG steht die Umwandlung bestehender handelsrechtlicher Ansatz-, Bewertungs- und Konsolidierungswahlrech43 te in Ge- oder Verbote, welche der Zielsetzung der Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen Rechnung tragen soll. Zudem erfolgt die noch ausstehende (Teil-) Um44 45 setzung der EU-Fair Value-, der EU-Modernisierungs- , EU-Änderungs- sowie der Achten EG-Richtlinie. Die für die vorliegende Abhandlung bedeutsamen Novellierungen betreffen die geplante Aufhebung des bestehenden handelsrechtlichen Ansatzverbots für selbsterstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gem. § 248 Abs. 2 HGB, die geänderten Ansatz- und Bewertungsvorschriften für den derivativen Geschäftsoder Firmenwert auf Einzel- und Konzernabschlussebene, die Abschaffung des Ansatzwahlrechts für Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs, die Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes infolge einer Zusammenfassung von Vermögensgegenständen zu Bewertungseinheiten sowie des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips für ausgewählte Vermögensposten hinsichtlich einer Bewertung zu höheren beizulegenden Zeitwerten. Die dargelegten supra- und internationalen Entwicklungen beeinflussen aus nationaler Sicht nicht nur das Financial Accounting und Business Reporting einschließlich der Rech46 nungslegungspolitik (Earnings Management) , sondern ebenso die innerbetrieblichen Per-

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Vgl. BilMoG-RefE, S. 1-234; zu einer ersten Bestandsaufnahme Ernst/Seidler 2007, S. 2557-2566; Velte/Leimkühler 2007, S. 837-844; Velte 2008b, S. 61-73. Daher stellt die handelsrechtliche Rechnungslegung auch in Zukunft kein „Auslaufmodell“ (Küting/Zwirner 2006, S. 1) dar; vgl. offensichtlich anderer Ansicht Engel-Ciric 2002b, S. 193. Vgl. BMJ 2007, S. 1. Nach Einschätzung von Leffson resultieren Wahlrechte und unbestimmte Rechtsbegriffe aus dem Unvermögen des Gesetzgebers, sämtliche denkbaren Sonderfälle des wirtschaftlichen Geschehens zu reglementieren; vgl. Leffson 1982, S. 22. Vgl. EU-Modernisierungs-Richtlinie, S. 16-22. Vgl. EU-Änderungs-Richtlinie, S. 1-7. Vgl. grundlegend zum Earnings Management Healy/Wahlen 1999, S. 369 f.; Hunton/ Libby/Mazza 2006, S. 135-157; McVay 2006, S. 501-531; Ohlson 2006, S. 271-280; Stanke 2003, S. 18. „Earnings Management occurs when managers use judgement in financial [Anm. des Verf.: accounting and business] reporting and in structuring transactions to alter financial reports to either mislead some stakeholders about the underlying economic performance of the company or to influence contractual outcomes that depend on reported accounting numbers“, Healy/Wahlen 1999, S. 368. Im Schrifttum werden ebenfalls die Termini Accounting Policy und aus nationaler Sicht Gewinnmanagement, Bilanz-, Jahresabschlusspolitik verwendet; vgl. Hofmann/Arnegger/Kopitzke 2007, S. 124 sowie ausführlich zur Rechnungslegungspolitik Freidank 1990, S. 1-69. Die Motive des Earnings Managements beruhen nach h. M. auf persönlichen Vorteilen, Erfüllung externer Erwartungen oder vertraglicher Bestimmungen; vgl. Nelson/Elliot/Tarpley 2002, S. 176; auf Basis der Positive Accounting Theory Watts/Zimmerman 1986, S. 2 sowie hieran anknüpfend Ballwieser 1993, S. 129 f.; Coenenberg/Haller 1993, S. 576; Haller 1994a, S. 597-612; Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 654; Ruhnke 2000a, S. 226 f.; Stanke 2003, S. 24; Tietz-Weber 2006, S. 45 f. Das Earnings Management geht mit einer Konterkarierung des True and Fair View-Prinzips und ggf. der Corporate Governance einher; vgl. hierzu im Einzelnen Kronner/Herold 2007, S. 149; weitergehend zum Einsatz und zur Fortentwicklung von IT-gestützten Entscheidungs- und Optimierungsmodellen Freidank 1990, S. 71-225; Freidank/Reibis 2007, S. 295-314; Freidank/Reibis 2008, S. 283-304; Krog 1998, S. 273-331; Reibis (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Einleitung

formance Measurement-Systeme. Das seit Ende der 1980er Jahre maßgeblich von Rappaport geprägte Shareholder Value-Konzept, welches seinen Ursprung auf dem USamerikanischen Kapitalmarkt hat, erfährt nunmehr ebenfalls im kontinentaleuropäischen Raum eine breite Akzeptanz. Eine erfolgreiche Implementierung der Shareholder ValueKonzeption beinhaltet nicht nur Fragen einer (Teil-) Konvergenz von in- und externem Rechnungswesen („Einheitsrechnungswesen“), sondern wirkt sich ebenfalls nachhaltig auf die Investor Relations-Politik des Unternehmens aus. Ein wesentlicher Bestandteil dieser Investororientierung stellt die wertorientierte Unternehmenssteuerung (Value Based Management) einschließlich eines Value Reporting dar, mit deren Hilfe bestehende Informationsasymmetrien zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt sowie Kapitalkosten gesenkt werden sollen. Innerhalb des Value Reporting ist dem Intangible Asset- und Goodwill Reporting ein wesentlicher Stellenwert beizumessen, da sämtliche Normensysteme zum Financial Accounting bislang einen Bilanzansatz des originären Goodwill als Unterschiedsbetrag zwischen dem unternehmerischen Zukunftserfolgs- und dem Reinvermögenszeitwert nicht vorse47 hen. Daneben besteht eine weitere Differenz zwischen dem Reinvermögenszeitwert und dem bilanziellen Eigenkapital, die aus der unvollständigen bilanziellen Erfassung immaterieller Vermögenswerte sowie einer fehlenden bzw. uneinheitlichen Bewertung zum jeweiligen (höheren) beizulegenden Zeitwert resultiert. Wird daneben berücksichtigt, dass über die Komponenten der aktivierten immateriellen Vermögenswerte sowie des derivativen Goodwill nicht berichtet wird, resultiert aus den genannten Faktoren die Informationslücke 48 am Kapitalmarkt. Der Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Hochtechnolo49 giegesellschaft führt zu einem kontinuierlichen Zuwachs dieser Differenz und damit zu 50 einer Beeinträchtigung der Entscheidungsbasis der Kapitalmarktteilnehmer, sofern kein 51 Intangible Asset- und Goodwill Reporting betrieben wird. Aus diesem Grund ist im Sinne der Kapitalmarkttheorie der Ausbau des Financial Accounting zu einem Business Reporting, welches zusätzliche, primär freiwillige, entscheidungsnützliche Unternehmensinformationen über immaterielle Vermögenswerte sowie den Geschäfts- oder Firmenwert zur

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2005; Reibis 2006, S. 99-122; Schäfer 1999. Die empirische Evidenz des Earnings Managements ist durch zahlreiche Untersuchungen belegt; vgl. zu einem Vergleich zwischen Deutschland und den USA Glaum/Lichtblau/Lindemann 2004, S. 45-77. Das Earnings Management dient primär einer Beeinflussung der unternehmerischen Erfolgsrechnung bzw. der Höhe des Gewinns pro Aktie (Earnings per Share) als Kennzahl der Investoren; vgl. statt vieler Kuster 2007, S. 54. Vgl. zum Informationsinteresse des Kapitalmarkts bezogen auf den originären Goodwill (sog. „Geschäftswertprinzip“) Wüstemann 2002b, S. 64. Dieses Aktivierungsverbot wird allerdings nach IFRS durch die Konzeption des Impairment Only Approach unterlaufen; vgl. hierzu detailliert Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.2.d). Vgl. ähnlich Schultze/Fink/Straub 2007, S. 565. Vgl. stellvertretend hierzu Fülbier/Honold/Klar 2000, S. 833. Vgl. insbesondere zur sinkenden Aussagekraft des Financial Accounting für Anlageentscheidungen Lindemann 2006, S. 988 f., der als Ursache die steigende Bedeutung von immateriellen Vermögenswerten angibt; empirisch AKWB 2006, S. 13 f.; Pfeil 2004, S. 10. Vgl. zu ausgewählten Praxisbeispielen Kinne 2005, S. 142 f. und empirischen Ergebnissen hinsichtlich des Ausmaßes der Lücke zwischen Markt- und Buchwert Daum 2005, S. 4 f.; Schütte 2006, S. 201; Vorstius 2004, S. 194-196 sowie zur Bedeutung von Intangible Assets in der wertorientierten Unternehmenssteuerung IDW S 5.5.

Problemstellung und Zielsetzung

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Verfügung stellt, als obligatorisch anzusehen. Hierbei ist es für die Notwendigkeit des Reporting unerheblich, ob die in Rede stehenden Posten derivativer oder originärer Natur sind. Da sich das Business Reporting infolge der wachsenden Shareholder ValueOrientierung durch einen Zukunftsbezug auszeichnet, ist in zunehmendem Maße ein Rückgriff auf die Verfahren der Unternehmensbewertung erforderlich. 53

Aufgrund der o. g. Harmonisierungs- und Internationalisierungsbestrebungen im Bereich 54 55 56 des Financial Accounting , Business Reporting und Business Risk Auditing sowie der 57 58 steigenden Kapitalmarktorientierung mit Betonung der Corporate Governance ist von einer hohen Aktualität und Forschungsrelevanz des Themenkomplexes Intangible Assets 59 und Goodwill auszugehen. Dies lässt sich damit begründen, dass zum einen die Instru60 mente des Financial Accounting [insbesondere die (Konzern-) Bilanz, die -GuV, der -Anhang und der -Lagebericht, ggf. -Segmentberichte] das immaterielle Vermögen und den Geschäfts- oder Firmenwert bislang lediglich unzureichend abbilden („Black Box-

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Vgl. aus theoretischer Sicht zu den Anreizen freiwilliger Publizität über die gesetzlichen Anforderungen hinaus Hartmann-Wendels 1991, S. 132 f.; Hax 1988, S. 199 f.; Wagenhofer 1990, S. 322 f.; Watrin 2001b, S. 68. Mithilfe der Nutzung immaterieller Vermögenswerte wird nach h. M. dem Management eine effizientere Erschließung von Wertsteigerungspotenzialen ermöglicht; vgl. u. a. Möller 2004, S. 485. Vgl. zu einem historischen Rückblick Buhleier/Helmschrott 1996, S. 354; Schneider/Menn 1990, S. 279-282. Vgl. ausführlich zu einer Bestandsaufnahme Zweiter Hauptteil. Vgl. ausführlich Dritter Hauptteil. Vgl. ausführlich Vierter Hauptteil. Vgl. empirisch zur wachsenden Kapitalmarktorientierung in Deutschland Burger/Ulbrich 2004a, S. 235; Burger/Ulbrich 2004b, S. 730; Burger/Ulbrich 2005, S. 39; Burger/Fröhlich/Ulbrich 2006, S. 113. „Corporate Governance deals with the ways in which suppliers of finance to corporations assure themselves of getting a return on their investment,” Shleifer/Vishny 1997, S. 737; vgl. u. a. zur inhaltlichen Eingrenzung der Corporate Governance die Darlegungen von Berndt 2006, S. 1 f.; Gerum 2005, S. 16 f.; Grothe 2006, S. 14-21; Hartmann 2003, S. 5 f.; Holzer/Makowski 1997, S. 688; Lüßmann 2004,S. 26 f.; Raps/Fieber 2004, S. 707; Salzberger 2005, S. 154-159; Schneider 2000a, S. 2413; Witt 2003, S. 1 f. sowie statt vieler zur Vernetzung zwischen Financial Accounting, Business Reporting und Corporate Governance Bushman/Smith 2001, S. 237-333; Bushman/Smith 2003, S. 6587. Im angloamerikanischen Schrifttum findet in zunehmendem Maße der Terminus „Enterprise Governance“ Verwendung, welcher die Verbindung zwischen der Konformität mit formalrechtlichen Rahmenbedingungen (Conformance) und der strategisch-leistungsorientierten Ausrichtung des Unternehmens (Performance) herstellt; vgl. IFAC 2004; IFAC 2006, S. 12-14 und hierzu u. a. Günther/Gonschorek 2008, S. 129 f. Die Verwendung der vorstehend genannten Anglizismen erfolgt bewusst, da die zu behandelnden Strömungen primär dem angloamerikanischen Rechtsraum entstammen und der für die vorliegende Untersuchung wenig geeignete Begriff „Rechnungslegung“ sowohl gesetzliche als auch freiwillige Inhalte umfasst. Vgl. stellvertretend Schmidbauer 2004, S. 1446. Krawitz/Hartmann konstatieren, dass „nicht zuletzt die Bilanzskandale der letzten Zeit […] deutlich gezeigt haben, dass Zahlenwerke allein nicht ausreichen, um die tatsächliche Lage des Unternehmens […] zu beschreiben, da es sich dabei teilweise um subjektiv ausgewählte Punktwerte handelt, die ein objektives Bild nur vortäuschen. Erst die Ergänzung um verbale Ausführungen und Bandbreiten […] kann dem Ziel einer angemessenen Informationsvermittlung auf Dauer gerecht werden“, Krawitz/ Hartmann 2003, S. 303; vgl. hieran anknüpfend Wenzel 2006, S. 3.

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Einleitung 61

Charakter“ ) und zum anderen die in Theorie und Praxis unterbreiteten Vorschläge für ein Intangible Asset- und Goodwill Reporting als uneinheitlich und zum Teil undetailliert zu 62 klassifizieren sind. Überdies liegen bis dato keine konkretisierten Abhandlungen vor, die sich mit dem Intangible Asset- und Goodwill Auditing aus ganzheitlicher Sicht auseinan63 dersetzen, so dass eine Forschungslücke zu konstatieren ist. Die bisherigen Darlegungen behandeln ausschließlich Teilaspekte des Intangible Asset- und Goodwill Accounting sowie des Reporting. Dies trifft ebenfalls auf die in der Vergangenheit durchgeführten empirischen Untersuchungen zu. Zielsetzung der vorliegenden Arbeit ist daher eine ganzheitliche Analyse des Financial Accounting, Business Reporting und Business Risk Auditing von immateriellen Vermögenswerten sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts unter besonderer Berücksichtigung der mannigfaltigen, im Schrifttum wenig beachteten Interdependenzen. In diesem Zusammenhang sollen insbesondere dem Deutschen Corporate Governance Kodex vergleichbare Regelungen zur Erstellung von Intangible Asset- und Goodwill Reports sowie ein Standard zu deren freiwilliger Prüfung oder prüferischer Durchsicht konzipiert werden. Die Platzierung des Reports soll dabei außerhalb der (Konzern-) Lageberichterstattung erfolgen. Überdies ist als Ergänzung der normativen und deduktiven Darlegungen eine empirische Untersuchung zu den o. g. Themenkreisen vorgesehen, welche auch eine Fortentwicklung des Handelsrechts durch das geplante BilMoG thematisiert. Der vorliegenden Untersuchung werden bestimmte Prämissen zugrunde gelegt. Es erfolgt 64 eine Eingrenzung auf börsennotierte Publikumsgesellschaften, definiert als Unternehmen mit Managementanstellung ohne nennenswerte eigene Beteiligung und Existenz eines 65 mehrheitlich fragmentierten Adressatenkreises (Streubesitz). Diese sollen gem. § 45 Bör66 senordnung der Frankfurter Wertpapierbörse (BörsO) im Prime Standard gelistet sein. Wenngleich in der Folge die Rechtsform einer (deutschen) Aktiengesellschaft (AG) und das dualistische Modell zugrunde gelegt werden, gelten die Ausführungen zur Notwendigkeit eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting entsprechend für die monistische Un-

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Daum 2003, S. 143; Daum 2004, S. 47; Gerybadze/Gaiser 2005, S. 87. Vgl. Grübel/North/Szogs 2004, S. 27. Der Erwartung von Fey 2000, S. 1102, „dass der Druck der Kapitalmärkte in der näheren Zukunft zu standardisierten, branchenspezifischen Formen und Inhalten für die freiwillige Unternehmensberichterstattung führen wird”, konnte bis dato nicht entsprochen werden; vgl. ebenso die ernüchternden empirischen Untersuchungsergebnisse von Arthur D. Little (Hrsg.) 2005, S. 1-34. Dies deckt sich mit der Feststellung von Mouritsen 2003a, S. 19, wonach die Kapitalmarktteilnehmer den bisherigen Reporting-Modellen (noch) relativ skeptisch gegenüberstehen. Vgl. diese Einschätzung teilend Wagner 2006c, S. 434. Vgl. zur Bedeutung von Kapitalgesellschaften in „Modern Society“ bereits Berle/Means 1932. Vgl. zur definitorischen Abgrenzung Jensen 1989, S. 61. Hierbei steht neben dem Deutschen Aktienindex (DAX) insbesondere der Deutsche Technologie Aktienindex (TecDAX) im Fokus. Diese Eingrenzung wurde ebenfalls in der empirischen Befragung befolgt; vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. IV.A.

Problemstellung und Zielsetzung

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ternehmensverfassung sowie für die Europäische (Aktien-)Gesellschaft [Societas Euro68 paea (SE)]. Neben den Eigenkapitalgebern des Unternehmens werden ebenfalls Gläubiger und Finanzanalysten als Primäradressaten in die Gesamtuntersuchung einbezogen, weil letztere das 69 Entscheidungsverhalten wesentlich beeinflussen. Die Eigen- und Fremdkapitalgeber sind unter dem Begriff Investoren zusammengefasst. Während auf Ebene des handelsrechtlichen Financial Accounting vorrangig Aspekte der Zahlungsbemessung aus Sicht der 70 Fremdkapitalgeber diskutiert werden, ist die Eingrenzung des Adressatenkreises auf die 71 nicht institutionellen Eigenkapitalgeber Gegenstand des Intangible Asset- und Goodwill 72 Reporting. Diese Typisierung der Informationsbedürfnisse resultiert nicht nur aus der zugrunde liegenden Shareholder Value-Politik, sondern lässt sich ebenfalls mit den vertraglich ungesicherten Zahlungsansprüchen begründen, welche ein besonderes Informationsniveau der Shareholder voraussetzen. Dies bedeutet allerdings nicht, wie im weiteren Verlauf der Untersuchung zu zeigen ist, dass die Interessen der Stakeholder und Zielkon-

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Vgl. grundlegend zum dualistischen System Lutter 1995, S. 5-23; Schiessl 2003, S. 235-256, zum monistischem System Bleicher 1985, S. 222 f.; Paul 1986, S. 347-351; Schneider-Lenné 1995, S. 2750; Theisen 1989, S. 161-168 sowie für eine vergleichende Analyse Lehner/Nicolas 2005, S. 1008 f.; Potthoff 1996a, S. 253-268; Velte 2007c, S. 354-356. In der Unternehmenspraxis wird eine Konvergenz von Dual- und Boardsystem konstatiert; vgl. hierzu Böckli 2003, S. 201-219. Die Tatsache, dass weder dem monistischen noch dem dualistischen Modell eine absolute Überlegenheit zugewiesen werden konnte, hatte die Europäische Kommission veranlasst, ein Unternehmenswahlrecht zwischen einem Dual- und Board-System bei der Einführung der SE zu implementieren; vgl. Art. 38 EU-SE-Verordnung sowie hierzu u. a. Perlitz/Schulze 2007, S. 33. Während das dualistische System weitgehend der traditionellen deutschen Unternehmensverfassung entspricht, d. h. Trennung zwischen Aufsichts- und Leitungsorgan, nähert sich das monistische Modell den angloamerikanischen Gepflogenheiten an, da der Verwaltungsrat zugleich Leitungs- und Überwachungsorgan ist. Für die Leitung der Tagesgeschäfte ist allerdings die Bestellung von geschäftsführenden Direktoren zwingend. Diese können entweder aus dem Verwaltungsrat rekrutiert oder extern angeworben werden; vgl. § 40 Abs. 1 SE-Ausführungsgesetz (SEAG). In der Unternehmenspraxis wird die Umwandlung zur SE häufig dazu genutzt, die Zahl der Aufsichtsratsmitglieder zu verringern und/oder die Mitbestimmungsregelungen zielorientiert zu beeinflussen; vgl. zu dieser Tendenz Fockenbrock/Fröndhoff 2007, S. 19; Wadewitz 2007b, S. 5. Da aus nationaler Sicht in der SE bislang vorwiegend das dualistische Modell in der betrieblichen Praxis Anwendung findet und dieses grds. dem Führungsprinzip der deutschen Aktiengesellschaft entspricht, wird das monistische System im Folgenden nicht weiter thematisiert. Vgl. zur Berücksichtigung in der empirischen Befragung Dritter Hauptteil, Abschn. IV.A. Böcking weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Grenzziehung zwischen Eigen- und Fremdkapitalvergabe zunehmend problematisch wird, da die Informationsbedürfnisse langfristig konvergieren. Die Eigenund Fremdkapitalgeber sind unter dem Begriff Investoren zusammengefasst; vgl. Böcking 1998, S. 21 f. und hierzu ebenfalls Hepers 2005, S. 14. Vgl. ausführlich zu möglichen Gestaltungen des Gläubigerschutzes Zweiter Hauptteil, Abschn. III.B. Während institutionelle Eigenkapitalgeber regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen des Unternehmens erlangen, trifft dies auf einen durchschnittlichen Klein- bzw. Privataktionär (Average Prudent Investor) nicht zu. Letzterer ist auf die Bereitstellung öffentlich verfügbarer Informationen angewiesen; vgl. grundlegend Niemeyer 2003, S. 18. Die vorgenommene Eingrenzung steht in Kongruenz zur Sichtweise der internationalen Rechnungslegungsstandards; vgl. Hepers 2005, S. 17. Vgl. zur Eingrenzung der Adressaten des Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex Dritter Hauptteil, Kapitel V.

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Einleitung 73

flikte ausgeblendet werden können. Zielkonflikte dürften in diesem Kontext weniger bezüglich der Frage entstehen, „ob“ eine Zusatzberichterstattung vorgenommen werden sollte, sondern „wie“ die spezielle inhaltliche Ausgestaltung des Reporting ausfällt. Die Zielkonflikte lassen sich begrenzen, sofern auf handelsrechtlicher Einzelabschlussebene für Zwecke der Ausschüttungsbemessung keine Aufweichung des Gläubigerschutzprinzips erfolgt (Wahrung der Fremdkapitalgeberinteressen) und das Intangible Asset- und Goodwill Reporting zukunftsorientierte Unternehmensinformationen bereitstellt, welche primär von den Eigenkapitalgebern gewünscht werden, aber auch flankierend von den Gläubigern und sonstigen Anspruchsgruppen genutzt werden können. Mit der Fokussierung börsennotierter Publikumsgesellschaften tritt neben dem primären und sekundären Enforcement eine weitere Säule der Überwachung hinzu: die Sanktionierung durch den Kapitalmarkt. Die Unternehmensleitung betreibt eine offensive Publizitäts74 75 politik , da diese eine langfristige Senkung der Kapitalkosten anstrebt. Überdies sollen die zukünftigen Cash Flows des Unternehmens durch eine verstärkte Investitionstätigkeit erhöht werden, so dass im günstigen Fall ein doppelter positiver Effekt auf den Shareholder Value eintritt. Den Schwerpunkt der Unternehmenskommunikation bildet das Intangible Asset- und Goodwill Reporting, welches das Financial Accounting ergänzt bzw. das Business Reporting konkretisiert, periodisch (jährlich) innerhalb des Geschäftsberichts erfolgt und einer externen Beurteilung unterzogen wird. Die unterjährige Berichterstattung einschließlich der Ad hoc-Publizität, die bezüglich des Reporting ebenso einen wesentlichen Stellenwert einnimmt, wird in der vorliegenden Untersuchung ausgeklammert.

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Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. II.C.2. Vgl. grundlegend zum Begriff der Unternehmenspublizität Berndsen 1978, S. 121; Berndsen 1979, S. 1; Kirchner 2002b, Sp. 1938-1950. Vgl. zum Zusammenhang zwischen offensiver Kommunikationspolitik des Unternehmens (Disclosure Policy) und der Zielsetzung einer Reduktion der Kapitalkosten die (empirischen) Untersuchungsergebnisse von Amihud/Mendelson 1986, S. 246; Botosan 1997, S. 344; Botosan 2000, S. 60; Botosan 2006, S. 31; Botosan/Plumlee 2002, S. 21-40; Botosan/Plumlee 2004, S. 233; Cooper 2006, S. 41 f.; Francis/Khurana/Pereira 2005, S. 1156 f.; Hail 2002, S. 741-773; Hail/Leuz 2004; Hofmann 2006d, S. 111; Leuz/Verrecchia 2000, S. 91; Lever 2006, S. 49-50; Lundholm/Van Winkle 2006, S. 43-48; Verrecchia 1999, S. 271; Verrecchia 2001, S. 97 sowie grundlegend Daske 2005, S. 459 f.; Ewert/Wagenhofer 2000b, S. 38 f.; Labhart 1999, S. 106 f.; Stauber 2003, S. 80 f.; Walker 2006, S. 95105.

Gang der Untersuchung

II.

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Gang der Untersuchung

Die vorliegende Analyse ist in vier Hauptteile untergliedert. Der Erste Hauptteil stellt die Rahmenkonzeption für die gesamte Untersuchung dar, wobei jeweils nach einer theoretischen Fundierung ausgewählte Einflüsse auf die normierte externe Finanzberichterstattung (Financial Accounting), die gesamte kapitalmarktorientierte Unternehmensberichterstattung (Business Reporting) und die geschäftsrisikoorientierte Prüfung (Business Risk Audi76 ting) aufzuzeigen sind. Aus der Rahmenkonzeption leitet sich zugleich die Notwendigkeit eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting sowie Auditing einschließlich einer Konkretisierung ab, welche Gegenstand der nachfolgenden Hauptteile ist. Im ersten Kapitel des Ersten Hauptteils wird zunächst auf die theoretischen Rahmenbedingungen des Financial Accounting und Business Reporting eingegangen. Dabei dient im ersten Abschnitt das Modell des vollkommenen Kapitalmarkts (Neoklassik) als Ausgangspunkt der Analyse, wobei die unterschiedlichen Ausprägungen der Informationseffizienz zu benennen sind. Auf der Grundlage der Neoklassik lässt sich ebenfalls eine Konkretisierung des Grundsatzes der Entscheidungsnützlichkeit von Unternehmensinformationen vornehmen, die in die Rahmengrundsätze der Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit sowie weiterer Nebengrundsätze unterteilt werden. Anknüpfend an die restriktiven Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie erfolgt im zweiten Abschnitt eine nähere Betrachtung der Agency Theory als Bestandteil der Neuen Institutionenökonomie, welche einen wesentlichen Beitrag zur Erklärung der Adverse Selection und des Moral Hazard sowie zur Überwindung von festgestellten Kapitalmarktineffizienzen durch ein Incentive- und MonitoringSystem zu leisten vermag. Hierzu wird am Beispiel des „Market for Lemons“ nach Akerlof auf das Problem der Adverse Selection eingegangen und mit der Signalling Theory ein entscheidungsorientierter Lösungsvorschlag präsentiert. Der Fokus liegt hierbei auf der Informationsasymmetrie zwischen Unternehmensleitung und Eigentümer, welche u. a. die Informationslücke bei der Berücksichtigung immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill begründet. Zudem werden mit der Transaktionskostentheorie und der Theorie der Verfügungsrechte zwei weitere Grundkonzeptionen der Neuen Institutionenökonomie präsentiert, die sich durch zahlreiche Interdependenzen kennzeichnen lassen. Zum Abschluss des ersten Kapitels wird im dritten Abschnitt die Accounting Theory nach der organischen, statischen und dynamischen Ausprägung einschließlich ihres jeweiligen internationalen Pendants eingeführt und im Hinblick auf die Aktivierungsfähigkeit von Intangible Assets sowie des Goodwill analysiert. Das zweite Kapitel des Ersten Hauptteils befasst sich mit einer Bestandsaufnahme ausgewählter Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting. Es erfolgt im ersten Abschnitt eine vergleichende Analyse des Rules Based Accounting, welches dem angloamerikanischen Rechtsverständnis (Case Law) folgt, und dem traditionellen handelsrechtlichen Principles Based Accounting nach dem Code Law. Die konkrete Ausgestaltung des Principles- und Rules Based Accounting nimmt einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidungsnützlichkeit der Finanzberichterstattung, da diese das Gestaltungsfeld für die 76

Die Prüfung durch den Aufsichtsrat und die Interne Revision stehen nicht im Fokus der vorliegenden Analyse. Allerdings ist die Zusammenarbeit jener Institutionen mit dem Abschlussprüfer zu thematisieren.

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Einleitung

Rechnungslegungspolitik nachhaltig determiniert. Im zweiten Abschnitt erfolgen eine kritische Würdigung des privaten Standardsetting aus nationaler Sicht am Beispiel des Deutschen Rechnungslegungs Standardisierungs Committee e. V. (DRSC) sowie Empfehlungen zur künftigen Positionierung im Hinblick auf eine Fortentwicklung des Intangible Assetund Goodwill Reporting. Der dritte Abschnitt beinhaltet die Einbettung des Business Reporting in die Shareholder Value-Politik, welche auf einer wertorientierten Unternehmenssteuerung basiert. Eine herausragende Bedeutung für eine investororientierte Unternehmenskommunikation kommt dem Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Aktionsfeld zu. Das dritte Kapitel des Ersten Hauptteils dient der theoretischen Fundierung des Business Risk Auditing. In einem ersten Schritt sind die unterschiedlichen Ausprägungen der Auditing Theory unter Berücksichtigung prüfungstheoretischer Modelle sowie der Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung darzulegen. Im zweiten Abschnitt steht die Theorie der Erwartungslücke im Fokus der Betrachtung, welche bei der Prüfung von immateriellen Vermögenswerten und des Goodwill besonders ausgeprägt ist. Die weiteren Ausführungen im dritten Abschnitt beschränken sich auf eine theoretische Fundierung der Angebotsleistungen von Prüfungsgesellschaften mittels des Signalling. Dabei wird zunächst eine Einordnung der Prüfungsleistung als Vertrauens- und Erfahrungsgut vorgenommen, um daran anknüpfend die Schaffung von Reputation als wesentliches Instrumentarium zur Überwindung von Agency-Problemen zu erörtern (passives Signalling). Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, welche mit den Phänomenen des Low Balling und Fee Cutting verbunden sind, ist in diesem Zusammenhang als Ersatztatbestand für die Prüferreputation anzusehen. Die besonderen Objektivierungsdefizite, welche mit der Prüfung von immateriellen Vermögenswerten und des Goodwill einhergehen, sind in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Im Anschluss daran werden im vierten Kapitel des Ersten Hauptteils ausgewählte Einflüsse auf das Business Risk Auditing einer Bestandsaufnahme zugeführt. Die Internationalisierungs- und Harmonisierungsbestrebungen, welche durch die Verabschiedung des Sarbanes Oxley Act sowie die Neufassung der Achten EG-Richtlinie erfolgten, haben ebenfalls den nationalen Reformprozess nachhaltig beeinflusst. Als wesentliche Novellierungen lassen sich in den ersten drei Abschnitten die Verschärfung der gesetzlichen Unabhängigkeitsanforderungen und ihrer speziellen Ausprägungen (Prüferrotation und Honoraroffenlegung durch die geprüften Unternehmen), die Implementierung von Prüfungs- (Audit-) und Berichterstattungsausschüssen (Disclosure Committees) sowie das sekundäre Enforcement feststellen. Der daran anknüpfende vierte Abschnitt beinhaltet die Ausgestaltung des (geschäfts-) risikoorientierten Prüfungsmodells, welche für das Intangible Asset- und Goodwill Auditing als bedeutsam anzusehen ist. Der Erste Hauptteil schließt mit einem Zwischenfazit. Der Zweite Hauptteil fokussiert das Intangible Asset- bzw. Goodwill Accounting zum einen nach nationalen Normen (Handels- und Steuerrecht) unter besonderer Berücksichtigung des BilMoG und zum anderen nach internationalen Normen (IFRS) sowie ausgewählter rechnungslegungspolitischer Aspekte (Earnings Management). Dies erfordert allerdings ebenfalls zum Teil eine Heranziehung der US-GAAP als Auslegungshilfe. Aus steuerlicher Sicht wird neben den Regelungen des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebenfalls auf Verwaltungsanweisungen der Finanzbehörden eingegangen.

Gang der Untersuchung

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Das erste Kapitel führt in die Bilanzierung und Erstbewertung ein, wobei die Ausführungen zur Erst- im Vergleich zur Folgebewertung bewusst sehr restriktiv ausfallen. Zunächst sind in den ersten drei Abschnitten die abstrakte und konkrete Aktivierungsfähigkeit unter Berücksichtigung der Separierung des originären immateriellen Vermögens in eine Forschungs- und Entwicklungsphase sowie die Abgrenzung zu materiellen Vermögensgütern (Tangible Assets) aufzuzeigen. Mögliche identifizierbare Intangible Assets, die in der betrieblichen Praxis eine erhebliche wertmäßige Rolle spielen und deren bilanzielle Behandlung kontrovers diskutiert wird, sind im vierten Abschnitt bezüglich ihrer (eigenständigen) Aktivierungsfähigkeit zu untersuchen. Im Einzelnen sind dies die Bereiche Software beim Anwender, Internetauftritte und Domains sowie Marken und als Exkurs Spielerwerte. Daran schließt sich im fünften und sechsten Abschnitt eine Analyse des positiven und negativen Geschäfts- oder Firmenwerts sowie der Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs an. Nach einer grundlegenden Begriffsabgrenzung wird die wertmäßige Bedeutung des derivativen Goodwill in der Unternehmenspraxis dargelegt, wobei in diesem Zusammenhang eine terminologische Abgrenzung zwischen dem derivativen und originären Goodwill notwendig ist. In der Folge werden die bilanziellen Ansatzvorschriften nach dem Handels- und Steuerrecht sowie den IFRS einer detaillierten Analyse unterzogen. Auf die tief greifenden Änderungen infolge des geplanten BilMoG ist dabei ebenfalls gesondert einzugehen. Zusammenfassend gilt, dass explizite Regelungen zu den thematisierten Anwendungsfragen nur teilweise vorliegen, so dass dies einen Rückgriff auf die herrschende Literaturmeinung bzw. eine selbstständige Auslegung erfordert. Das zweite Kapitel des Zweiten Hauptteils behandelt Aspekte der Folgebewertung und der Angabepflichten im (Konzern-) Anhang nach den zugrunde liegenden Rechnungslegungssystemen, wobei in Entsprechung zum ersten Kapitel eine Unterteilung in identifizierbare Intangible Assets und den Goodwill vorgenommen wird. Nach grundlegenden Darlegungen zum fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip im Handels- und Steuerrecht steht das Neubewertungsmodell nach den IFRS im Blickpunkt des ersten Abschnitts. Hinsichtlich der Folgebewertung des positiven Geschäfts- oder Firmenwerts, die Gegenstand des zweiten Abschnitts ist, werden u. a. die Interdependenzen zwischen den früheren steuerrechtlichen Regelungen und den IFRS aufgezeigt, wobei ein historischer Rückgriff auf die ehemalige Rechtsprechung des Reichs- und Bundesfinanzhofs (RFH/BFH) zur Einheitstheorie erfolgt. Das IASB verneint eine ratierliche Abnutzbarkeit des derivativen Goodwill; vielmehr ist der Impairment Only Approach heranzuziehen, welcher die Durchführung eines Wertminderungstests (Impairment Test) erfordert. Dabei ist der Goodwill auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten (Cash Generating Units) zu verteilen und der Buchwert dem erzielbaren Betrag gegenüberzustellen. Letzterer ergibt sich aus dem höheren Betrag aus internem Nutzungswert und beizulegendem Zeitwert abzüglich Transaktionskosten. Zur Wertermittlung ist ein Rückgriff auf die Verfahren der Unternehmensbewertung notwendig, die jedoch nach IFRS erheblich anzupassen sind und Widersprüche beinhalten. Ausgewählte Ermessens- und Gestaltungsspielräume des Earnings Managements nach den IFRS stellen einen der Schwerpunkte des dritten Kapitels des Zweiten Hauptteils dar, wobei auf das Full Fair Value Accounting sowie die Berücksichtigung eines positiven und negativen Geschäfts- oder Firmenwerts im ersten Abschnitt eingegangen wird. In diesem Kontext ist insbesondere auf das Big Bath Accounting, die Nachaktivierung des originären Goodwill („Backdoor Capitalization“) und weitere Objektivierungsdefizite kritisch hinzuweisen. Einen weiteren Schwerpunkt bildet im zweiten Abschnitt eine Analyse der Auswirkungen einer Abschaffung des Aktivierungsverbots für originäre immaterielle Anlage-

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Einleitung

güter infolge des BilMoG auf die Zahlungsbemessungsfunktion des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, die ebenfalls eine Neuausrichtung der Rechnungslegungspolitik impliziert. Durch die Ansatzverpflichtung für originäre immaterielle Anlagegüter stellt sich de lege ferenda primär die Frage, ob bzw. in welcher Form der institutionelle durch einen informationellen Gläubigerschutz substituierbar ist. Neben der vom Gesetzgeber derzeit favorisierten Lösung, der Implementierung einer gesetzlichen Ausschüttungssperre in § 268 Abs. 8 HGB-E, wird ebenfalls der potenzielle Einsatz angloamerikanischer Konzeptionen des informationellen Gläubigerschutzes (Solvency Tests und Covenants) einer entscheidungsorientierten Analyse unterzogen. Ferner können sich langfristige Auswirkungen auf die Steuerbemessungsfunktion des Jahresabschlusses ergeben, sofern ebenfalls der Steuergesetzgeber eine Abschaffung des bestehenden Ansatzverbots für originäre immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens gem. § 5 Abs. 2 EStG in Aussicht stellen würde. Überdies gilt es, die Zukunft des (direkten) Maßgeblichkeitsprinzips sowie die Rückwirkungen der IFRS auf die steuerliche Gewinnermittlung zu diskutieren. Der Zweite Hauptteil schließt mit einem Zwischenfazit. Im Dritten Hauptteil sind im Kern Vorschläge für ein Intangible Asset- und Goodwill Reporting unter Berücksichtigung der Konvergenzbestrebungen zwischen in- und externem Rechnungswesen zu unterbreiten. Zunächst erfolgt im ersten Kapitel ein Abriss über die Interdependenzen zwischen Financial Accounting und Business Reporting im Hinblick auf die Darstellung immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill. Dabei kommt im ersten Abschnitt der (Konzern-) Lageberichterstattung als Schnittstelle eine zentrale Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang ist insbesondere auf die Fortentwicklung der Berichterstattung durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG), den Deutschen Rechnungslegungs Standard (DRS) Nr. 15 sowie die Pläne des IASB zum Management Commentary hinzuweisen. Daran schließt sich eine Darstellung der lageberichtsähnlichen Berichterstattung nach den US-GAAP (Management’s Discussion and Analysis of Financial Condition and Results of Operations sowie Supplement Report) an. Die Unzulänglichkeiten des Financial Accounting und der Ausbau zu einem Business Reporting wurden erstmalig bereits in den 1990er Jahren durch den Jenkins Report des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) betont. Seither wurde bezüglich des konzeptionellen Aufbaus und Ablaufs auf die Einhaltung des Management Approach verwiesen, der die Konvergenz von in- und externem Rechnungswesen fördert. Es ist hierbei im zweiten Abschnitt detailliert auf die Auswirkungen des Business Reporting auf die wertorientierte Unternehmenssteuerung einzugehen, wobei lediglich ein teilkonvergiertes Rechnungswesen möglich ist und um ein wertorientiertes Kostenmanagement zu ergänzen ist. In diesem Kontext bietet sich insbesondere ein kombinatorischer Einsatz des wertorientierten Ziel- und Prozesskostenmanagements an. Das zweite Kapitel des Dritten Hauptteils ist einer Vorstellung entscheidungsorientierter Modelle für ein Intangible Asset Reporting gewidmet. Zur Steigerung der Aussagekraft des Reporting bedarf es zunächst einer Bestandsaufnahme der bisherigen Vorschläge zur Diversifizierung, Standardisierung und Quantifizierung immaterieller Vermögenswerte, wobei im ersten Abschnitt auf ausgewählte Empfehlungen nationaler und internationaler Institutionen sowie zentrale Kennzahlen zur Quantifizierung der Informationslücke (Tobin’s Q und Calculated Intangible Value) eingegangen wird. Im Anschluss daran ist im zweiten Abschnitt eine Darlegung und kritische Würdigung ausgewählter ReportingModelle angezeigt, die teilweise als Weiterentwicklung der Balanced Scorecard aufzufassen sind oder diese ergänzen sollen. Neben der Reporting Scorecard werden das Intangible Asset Statement, das Intellectual Property Statement, das Intellectual Capital Statement,

Gang der Untersuchung

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der Skandia Navigator, der Intangible Asset Monitor, der Intellectual Capital Navigator, der Wissensbilanz-Report sowie die Technologiebilanz in die Analyse einbezogen. Anhand empirischer Kapitalmarktstudien sowie Expertenbefragungen erfolgt daran anknüpfend im dritten Abschnitt neben einer grundlegenden Analyse des Framing Effect eine Bestandsaufnahme zur Wertrelevanz einer Berichterstattung über Forschung und Entwicklung, Marken und Software. Während die vorgestellten Reporting-Konzepte die Intangible Assets des Unternehmens abbilden, stellt sich die Frage nach einem separaten Berichterstattungssystem, welches den originären und derivativen Geschäfts- oder Firmenwert als Residuum fokussiert. Diesem Themenkomplex wird im dritten Kapitel des Dritten Hauptteils detailliert nachgegangen. Dabei ist zunächst im ersten Abschnitt die Notwendigkeit einer Zerlegung des Geschäftsoder Firmenwerts in seine einzelnen Komponenten aufzuzeigen, um als Extrakt den KernGoodwill zu erhalten. Ferner wird im zweiten Abschnitt die Entscheidungsnützlichkeit eines erweiterten Anlagespiegels für den Geschäfts- oder Firmenwert und einer Prognosepublizität als Ausgangspunkt des Reporting diskutiert. Der Fokus des dritten Abschnitts liegt in der Untersuchung eines konvergierten wertorientierten Goodwill Controllings und Reporting, wobei auf die IFRS abzustellen ist. Hierbei gilt es, eine grundlegende Entscheidung bezüglich der Auswahl einer unternehmerischen wertorientierten Spitzenkennzahl zu treffen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird auf das in der Unternehmenspraxis häufig angewendete und auch vom IASB empfohlene Economic Value Added-Konzept ausführlich eingegangen. Durch die Fortentwicklung zum Real Asset Value Enhancer und Market Value Added entstehen weitreichende Anknüpfungspunkte für das Intangible Asset- und Goodwill Reporting, da sich der Market Value Added - unter Berücksichtigung sämtlicher Conversions - dem originären Goodwill annähern würde. Des Weiteren sind Synchronisierungspotenziale bei der Abgrenzung und Steuerung von Cash Generating Units mittels des in- und externen Segment Reporting sowie mögliche Chancen und Risiken eines Goodwill Reporting zu diskutieren. Neben Kosten-Nutzen-Aspekten und der Gefahr einer Informationsfehlverarbeitung (Information Overflow) stehen der Management Approach und Aspekte der Konkurrenzanalyse im Blickpunkt der Betrachtung. Das vierte Kapitel des Dritten Hauptteils ist der von März bis April 2007 durchgeführten empirischen Untersuchung zum Intangible Asset- und Goodwill Accounting sowie Reporting gewidmet. Die Befragung richtete sich sowohl an die Unternehmen des Deutschen Aktienindex und des Deutschen Technologie Aktienindex als auch an Finanzanalysten, Hochschulprofessoren sowie Abschlussprüfer der vier umsatzstärksten Prüfungsgesellschaften Deutschlands. Neben einer Darlegung der Zielsetzungen, der Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands und der methodischen Vorgehensweise in den ersten beiden Abschnitten werden nach einer Würdigung der Repräsentativität die Ergebnisse der Einzelfragen, sowohl insgesamt als auch getrennt nach den unterschiedlichen Befragungsgruppen, vorgestellt und analysiert. Ein Schwerpunkt des dritten Abschnitts stellt die handelsrechtliche Bilanzrechtsmodernisierung dar, wobei zu beachten ist, dass zum Befragungszeitpunkt der BilMoG-RefE noch nicht vorlag. Hierbei wurde auf die unterbreiteten Vor77 schläge des DSR zurückgegriffen. Infolge der weitreichenden Interdependenzen zwischen

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Vgl. DRSC (Hrsg.) 2005, S. 1-43.

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Einleitung

diesen Empfehlungen und dem BilMoG-RefE konnte die (Nicht-) Akzeptanz der veröffentlichten Pläne des Gesetzgebers im Vorwege empirisch überprüft werden. Gegenstand des fünften Kapitels des Dritten Hauptteils sind Vorschläge für die Normierung und Konzeption eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex, der einen Beitrag zur Entscheidungsnützlichkeit des Reporting leistet. Dieser ist im Kontext mit dem Deutschen Corporate Governance Kodex zu sehen und setzt eine marginale Anpassung des Aktiengesetzes und des Handelsgesetzbuches voraus. Während dem Grundsatz der Entscheidungsrelevanz durch die Erstellung und Offenlegung eines Intangible Asset- und Goodwill Reports außerhalb des (Konzern-) Lageberichts, die Implementierung eines Disclosure Committee, eines wertorientierten Intangible Asset- und Goodwill Controllings, die Nutzung von Extensible Business Reporting Language (XBRL) sowie durch eine Kompetenzerweiterung des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee und der privatrechtlichen Enforcement-Instanz Rechnung getragen wird, ist die Beauftragung des gesetzlichen (Konzern-) Abschlussprüfers mit der freiwilligen Prüfung oder prüferischen Durchsicht des Reports als Indikator zur Stärkung der Verlässlichkeit zu qualifizieren. Der Kodex setzt sich ferner aus drei Anlagen zusammen, welche ein Best Practice Model für den Intangible Asset Report (Anlage I), einen Vorschlag für die Ausgestaltung des Core Goodwill Reports (Anlage II) sowie die Struktur der Intangible Asset- und Goodwill Scorecard (Anlage III) enthalten. Der Dritte Hauptteil schließt mit einem Zwischenfazit im sechsten Kapitel. Der Vierte Hauptteil zielt im Kern auf die Konzeptionierung eines Standards zum Intangible Asset- und Goodwill Auditing ab. Zunächst ist im ersten Kapitel auf die notwendige Operationalisierung des Business Risk Auditing einzugehen. Neben der Vornahme einer Geschäftsrisikoanalyse und der Prüfung des wertorientierten Risikomanagementsystems im ersten Abschnitt kommt der Konkretisierung des Wesentlichkeitsgrundsatzes eine fundamentale Bedeutung im zweiten Abschnitt zu. Bei der Prüfung des Intangible Asset- bzw. Goodwill Accounting und Reporting bedarf es im Vorhinein einer Unterscheidung in freiwillige und verpflichtende Angaben des Unternehmens. Während letztere der gesetzlichen Prüfungspflicht unterliegen (Intangible Assetund Goodwill Accounting), ist die freiwillige Berichterstattung außerhalb von (Konzern-) Anhang und -Lagebericht einer freiwilligen Prüfung, einer prüferischen Durchsicht oder anderenfalls lediglich einer kritischen Nachschau zu unterziehen (Intangible Asset- und Goodwill Reporting). Ein Sonderfall stellt hierbei die (Konzern-) Lageberichterstattung dar, weil die Offenlegung freiwilliger Informationen im -Lagebericht ebenfalls Gegenstand der Pflichtprüfung gem. § 317 Abs. 2 HGB ist. Zur Signalisierung einer verlässlichen Berichterstattung gegenüber dem Kapitalmarkt wird bei einer durch den Kodex favorisierten Offenlegung außerhalb des (Konzern-) Lageberichts gleichzeitig eine freiwillige Prüfung oder eine prüferische Durchsicht durch den bestehenden (Konzern-) Abschlussprüfer empfohlen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung im zweiten Kapitel des Vierten Hauptteils erfolgt eine Bestandsaufnahme ausgewählter Prüffelder und -gruppen, die bei der Beurteilung des Intangible Asset- und Goodwill Accounting besondere Relevanz besitzen. Im Einzelnen sind dies in den ersten beiden Abschnitten die Prüfung von Schätz- und Zeitwerten, die Beurteilung der Abgrenzung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase bei aktivierten originären immateriellen Vermögenswerten und von identifizierten immateriellen Vermögenswerten (Software, Internetauftritte und Domains, Marken, Spielerwerte) im dritten Abschnitt. Der vierte bis sechste Abschnitt thematisiert die Prüfung von positiven und ne-

Gang der Untersuchung

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gativen Geschäfts- oder Firmenwerten sowie von (Konzern-) Lageberichten. Hinsichtlich des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts stellen insbesondere die Kaufpreisallokation und der Wertminderungstest nach den IFRS sowie aus handelsrechtlicher Sicht die Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs kritische Prüffelder dar. Hinsichtlich der Prüfung der (Konzern-) Lageberichterstattung ist zunächst auf die weitreichenden Interdependenzen zur -Abschlussprüfung abzustellen, bevor im Anschluss daran die Prüfung des Forschungs- und Entwicklungsberichts im Fokus der Analyse steht. Die Darlegungen verdeutlichen, dass bislang kein Prüfungsstandard existiert, der wesentliche Bereiche des Intangible Asset- und Goodwill Reporting konkretisierend abdeckt. Dies ist aus prüfungstheoretischer Sicht zu kritisieren, da das Risiko einer Steigerung der Erwartungslücke besteht. Die Rahmenbedingungen zum kritischen Lesen und zur prüferischen Durchsicht, die im Dritten Kapitel des Vierten Hauptteils vorgestellt werden, sind lediglich als Ausgangspunkt der nachfolgenden Betrachtungen zu sehen. Ein wesentlicher jüngerer Einfluss auf die Zielsetzung der Verringerung der Konkretisierungslücke geht hierbei von dem IDW PS 821 zur Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten aus, der mit der Beurteilung von Intangible Asset- und Goodwill Reports vergleichbar ist. Im vierten Kapitel des Vierten Hauptteils wird ein Vorschlag für einen Standard zur Prüfung und prüferischen Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill Reports unter Berücksichtigung des strukturellen Aufbaus von IDW PS 821 unterbreitet, wobei eine Synthese aus den Ergebnissen der vorangegangenen Hauptteile erfolgt. Als Sollobjekt der Prüfung fungieren die Grundsätze zur Erstellung von Intangible Asset- und Goodwill Reports nach dem im Dritten Hauptteil entworfenen Kodex. Neben grundlegenden Hinweisen und einer Klassifizierung der unterschiedlichen Beauftragungsformen sind die Prüfungsziele sowie die Auftragsdurchführung Gegenstand des Standards. Zum Ende des Vierten Hauptteils sind die wesentlichen Erkenntnisse in einem Zwischenfazit zusammenzufassen. Die sich dem Vierten Hauptteil anschließende Schlussbetrachtung enthält eine Zusammenfassung und Gesamtwürdigung der Analyseergebnisse sowie einen Ausblick auf künftige Entwicklungen. Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt den Gang der Untersuchung.

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Einleitung

Einleitung

Erster Hauptteil: Rahmenkonzeption

Zweiter Hauptteil: Financial Accounting

Dritter Hauptteil: Business Reporting

Vierter Hauptteil: Business Risk Auditing

Schlussbetrachtung und Ausblick

Untersuchungsobjekt: Intangible Assets und Goodwill

Abbildung 1:

Gang der Untersuchung

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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Erster Hauptteil: Rahmenkonzeption für das Intangible Asset- und Goodwill Accounting, Reporting und Auditing I.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

A.

Neoklassische Kapitalmarkttheorie

1.

Informationseffizienz 78

Die neoklassische Kapitalmarkttheorie geht mit der Annahme eines vollkommenen Kapi79 80 81 talmarkts und der ökonomischen Gewinnkonzeption einher. Erstere impliziert, dass 82 keine Markteintritts- und -austrittsbarrieren vorliegen, so dass weder Transaktionskosten 83 84 noch Informationsasymmetrien oder Zielkonflikte zwischen den einzelnen Kapital85 marktakteuren vorhanden sind. Den Marktteilnehmern wird zudem ein rationales Verhal78

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Vgl. einführend in die Kapitalmarkttheorie u. a. Kiehling 1992, S. 476-482, zum Begriff des Kapitalmarkts Vorstius 2004, S. 64 sowie zu einer ausführlichen Darstellung der empirischen und theoretischen Kapitalmarktforschung im Zeitablauf Kothari 2001, S. 105-231. Vgl. für eine grundlegende definitorische Einordnung u. a. Vorstius 2004, S. 64. Der ökonomische Gewinn misst den theoretisch „richtigen“ Erfolg in der Veränderung des Gegenwartswerts sämtlicher künftiger Zahlungen nach Berücksichtigung von Entnahmen und Einlagen; dieses Konzept sei „unter der Annahme von Sicherheit auf vollkommenen und vollständigen Märkten unübertroffen“, Möller/Hüfner 2002a, S. 2. Dieser stellt somit jenen Betrag dar, welcher ohne Schwächung des Erfolgspotenzials (d. h. des Barwerts künftiger Überschüsse zum alternativen Kapitalmarktzins) jederzeit aus dem Unternehmen entnommen werden kann; vgl. u. a. Kaiser 2006, S. 150; Tichy/Barborka 1999, S. 632; Weißenberger 2005, S. 200. Abgestellt wird weniger auf eine Einzelbewertung der Vermögenswerte, sondern vielmehr auf eine Gesamtunternehmensbewertung anhand der künftig nachhaltig zu erzielenden Erträge. Der ökonomische Gewinn bildet dabei die Summe aus dem ökonomischen Residualgewinn und den Kapitalkosten auf das ursprünglich eingesetzte Vermögen zum Marktwert; vgl. erstmalig Hansen 1962; Honko 1959; Schneider 1963, S. 457 f.; Wegmann 1970 sowie hieran anknüpfend Bieker 2006, S. 72 f.; Weißenberger 2005, S. 200 und die Ausführungen in Abschn. II.B.1.a) dieses Hauptteils. Eine Erweiterung erfolgte durch das Konzept der kapitaltheoretischen Bilanz; vgl. hierzu bereits Seicht 1970 sowie zu weiteren Auslegungsvariationen insbesondere Coenenberg 1968, S. 442-469; Koch 1968, S. 389-441. Vgl. stellvertretend Meinhövel 1999, S. 21. Vgl. zur Transaction Cost Theory nach Coase die Ausführungen in Abschn. I.B.2 dieses Hauptteils. Information stellt zweckorientiertes Wissen dar, welches eine rationale Auswahl aus gegebenen Handlungsalternativen ermöglicht; vgl. zum entscheidungsorientierten Informationsbegriff Wittmann 1959, S. 14 sowie hieran anknüpfend Banzhaf 2006, S. 35; Brinkmann 2006, S. 36; Hacker 2002, S. 33;Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 26 f. Vgl. weiterführend Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. stellvertretend Blaufus 2005, S. 11; Gerke 2005, S. 257; Vorstius 2004, S. 16. Ferner wird unterstellt, dass die Kapitalanlagen sich beliebig teilen lassen, keine Steuern anfallen, eine vollständige Verfügbarkeit der Erlöse aus Leerverkäufen erfolgt und lediglich homogene und fungible Güter angeboten werden; vgl. weiterführend Gerke 1995, Sp. 1541; Kisser 2004, S. 7.

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Erster Hauptteil 86

ten bescheinigt (Modell des Homo Oeconomicus). Insofern spiegeln die Marktpreise die 87 tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse wider. Der Effizienzgrad der Informationsverarbeitung am Kapitalmarkt wird nach Fama in eine 88 schwache, halbstrenge und strenge Ausprägung untergliedert. Die schwache Form der In89 formationseffizienz beinhaltet, dass eine Analyse vergangener Aktienkursverläufe nicht 90 91 für eine Prognose künftiger Dividendenentwicklungen geeignet ist. Abgestellt wird auf die Random Walk-Hypothese, wonach die Aktienkurse einem zufälligen, nicht beeinfluss92 baren Zyklus folgen. Die Beschaffung zusätzlicher Informationen durch die Kapital93 marktteilnehmer ist unter den genannten Annahmen sinnlos, da diese das Entscheidungs94 verhalten nicht verändern. Eine Zusatzberichterstattung (z. B. ein Intangible Asset- und Goodwill Reporting) des Unternehmens wäre somit obsolet. Ein empirischer Nachweis 95 mittels sog. Return Predictability Tests , dass der deutsche Kapitalmarkt lediglich durch eine schwache Informationseffizienz gekennzeichnet ist, konnte jedoch nicht erbracht wer96 den. 97

Die halbstrenge Informationseffizienz schließt die schwache ein, stellt jedoch eine we98 sentliche Erweiterung dar. Diese Ausprägung unterstellt, dass sämtliche öffentlich ver86

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Vgl. zu den Voraussetzungen statt vieler Gerke 2005, S. 257; Häcker et al. 2001, S. 666; Haeseler/Hörmann 2006a, S. 122. Vgl. hierzu auch die Folgerung von Modigliani/Miller 1958, S. 261-297, wonach das Kapital von selbst den direkten Weg seiner optimalen Verwendungsmöglichkeit ansteuert. Die Wahl der Kapitalstruktur hat unter diesen idealisierten Annahmen keinen Einfluss auf den Marktwert des Unternehmens (Irrelevanztheorem); vgl. hierzu auch Drobetz/Pensa/Wöhle 2006, S. 254; Gerke/Pfeufer 1995, Sp. 728; Jamin 2006, S. 57; Suter/Volkart 2006, S. 627; Weiß 2006, S. 12 f.; Zons 2006, S. 17. Vgl. Fama 1970, S. 387 sowie hierzu im Einzelnen Banzhaf 2006, S. 80; Burgstahler 2001, S. 39; Fischer 2003a, S. 41 f.; Füss 2006, S. 663; Gerke 2005, S. 259; Krämer 2001, Sp. 1269; Möller 1983, S. 289; Möller 1985, S. 503. In diesem Modell wird von Transaktionskosten, heterogenen Bedürfnissen und Interpretationen der Kapitalmarktteilnehmer abstrahiert; vgl. weiterführend auch Böcking 1998, S. 23. „A securities market is efficient if security prices fully reflect the information available“, Fama 1970, S. 383 sowie vgl. hierzu auch Beaver 1983, S. 346; Labhart 1999, S. 47; Schmidt 1982, S. 729; Vorstius 2004, S. 16. Vgl. etwa Fama 1991, S. 1576, der sämtliche Tests for Return Predictability im Hinblick auf die Prognoseeignung ausschließt. Vgl. Banzhaf 2006, S. 80; Burgstahler 2001, S. 39; Eder 2002, S. 92; Krämer 2001, Sp. 1270; Wirth 2005c, S. 17; Zemelka 2005, S. 78. Vgl. bereits Fama 1965, S. 55-59; Fama 1970, S. 386 sowie hierauf abstellend Adamek 2006, S. 52; Banzhaf 2006, S. 86; Füss 2006, S. 663; Kiehling 1992, S. 480; Labhart 1999, S. 47; Link 1991, S. 40; Wirth 2005c, S. 18. Vgl. statt vieler zur Theorie der Informationssuche Meinhövel 1999, S. 16 f. Vgl. Wenzel 2006, S. 94 f. Vgl. u. a. Schulz 1999, S. 56. Als Untersuchungsmethoden werden ebenfalls Autokorrelationstests, Run-Tests, Spektralanalysen und der Vergleich verschiedener Trading-Strategien angeführt; vgl. Banzhaf 2006, S. 87; Schremper 2002, S. 690. Vgl. die grafische Darstellung von Banzhaf 2006, S. 81 sowie weiterführend Füss 2006, S. 663; Möller 1985, S. 503. Vgl. zur Unterscheidung in private und öffentliche Informationen Wenzel 2006, S. 5.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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fügbaren Informationen durch den aktuellen Börsenpreis abgebildet werden, d. h. eine Erzielung von Überrenditen auf der Basis allgemein bekannter Informationen nach der Fun99 100 damentalanalyse nicht möglich ist. Dies impliziert ferner eine Kursänderung bei einer Zusatzberichterstattung über „ehemalige“ Insiderinformationen (z. B. über den Humanka101 pitalbestand des Unternehmens), wobei die Reaktionszeit mittels sog. Event Studies gemessen wird. Im Schrifttum erfolgt der Hinweis, dass die halbstrenge Informationseffizienz durch Reaktionsverzögerungen des Kapitalmarkts auf eine veränderte Informationsbasis gekennzeichnet ist, die z. B. durch die unzureichende Publizitätsbereitschaft der Un102 103 ternehmen oder die Vergangenheitsorientierung des Abschlusses erklärt werden. Zusammenfassend gilt, dass der Marktpreis unter Zugrundelegung der schwachen und mittelstrengen Informationseffizienz den tatsächlichen Unternehmenswert nur unzutreffend wie104 dergibt. Bei der strengen Form der Informationseffizienz werden in den aktuellen Börsenkursen nicht nur die öffentlich zugänglichen, d. h. offen gelegten, Informationen, sondern eben105 falls Insiderkenntnisse berücksichtigt. Eine Messung erfolgt mittels sog. Tests for Privat 106 Information. In diesem Sinne können Marktteilnehmer, die regelmäßig über spezielle kursrelevante, nicht publizierte, Kenntnisse des betrachteten Unternehmens verfügen, z. B.

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Vgl. zur Fundamentalbewertung auch Dalchow 2002, S. 41; Labhart/Volkart 2001b, S. 1156. Vgl. etwa Fama 1970, S. 385 und hierzu weiterführend Bak/Bigus 2006, S. 433; Krämer 2001, Sp. 1269 f.; Labhart 1999, S. 49; Wirth 2005c, S. 18; Zemelka 2005, S. 79. Vgl. hierzu Fama 1991, S. 1603; Fama et al. 1969, S. 1-21; Gebhardt/Entrup 1993, S. 1-34; MacKinley 1997, S. 13-39; Schmidt/May 1993, S. 61-68 sowie ebenfalls Banzhaf 2006, S. 91 f.; Burgstahler 2001, S. 39; Gerpott/Jakopin 2006, S. 66; Krämer 2001, Sp. 1270; May 1991, S. 313; Wulff 2000, S. 425. Eine Strategie der Publizitätsvermeidung wurde in der Vergangenheit u. a. bei kapitalistischen Personenhandelsgesellschaften (GmbH & Co. KG) nachgewiesen, obwohl das sog. Kapitalgesellschaftenund Co-Richtlinie-Gesetz (KapCoRiLiG) jene Unternehmen bezüglich Aufstellung, Prüfung und Offenlegung von Jahresabschluss und Lagebericht den Kapitalgesellschaften gleichgestellt hat; vgl. KapCoRiLiG, S. 154-173 sowie zu den Inhalten Bitter/Grashoff 2000a, S. 2285; Bitter/Grashoff 2000b, S. 833; Eisolt/Verdenhalven 2000, S. 130; Ernst 1999, S. 903; Ernst 2001b, S. 189. Ferner hat der EuGH die Offenlegungsverpflichtungen von GmbH & Co. KG’s in einem Grundsatzurteil bestätigt; vgl. EuGH 2004, S. 2567-2571 sowie weiterführend Blaese 2005, S. 4157; Ebke 2005b, S. I; Schmidt 2005c, S. 75; Schmittmann 2004, S. 1063; Vater 2005b, S. 130. Vgl. hierzu Zemelka 2005, S. 79. Vgl. auch Labhart/Volkart 2001b, S. 1158 sowie die einschränkenden Ausführungen von Moxter 1983c, S. 6: „Es gibt nicht den schlechthin richtigen Unternehmenswert. Da Unternehmenswertermittlungen sehr unterschiedlichen Zwecken dienen können, ist der richtige Unternehmenswert der jeweils zweckadäquate“; vgl. hierzu auch Zons 2006, S. 15. Vgl. weiterführend zu den Veröffentlichungspflichten von Insiderinformationen Dreyling/Süßmann 1998, S. 316 sowie zur Führung von Insiderverzeichnissen Cahn 2005, S. 5; Dreyling 2005, S. 1-5; Dreyling 2006, S. 1-4; Erkens 2005, S. 29-37; Holzborn/Israel 2004, S. 1948; Kirschhöfer 2005, S. 22-29; Moritz/Grimm 2004a, S. 1352-1357; Moritz/Grimm 2004b, S. 1801-1803; Rodewald/Tüxen 2004, S. 2249-2252. Vgl. Fama 1970, S. 388 sowie weiterführend Banzhaf 2006, S. 80 f.; Burgstahler 2001, S. 39; Gerke 2005, S. 259; Labhart/Volkart 2005, S. 171; Krämer 2001, Sp. 1269; Stauber 2003, S. 64. Zur Überprüfung der Existenz der strengen Kapitalmarkteffizienz in der Empirie werden die Aktivitäten von Insidern analysiert; vgl. hierzu Schremper 2002, S. 690.

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Erster Hauptteil 107

nicht bilanzierungsfähige immaterielle Vermögenswerte, keine Überrenditen erzielen. Ein externes Intangible Asset- und Goodwill Reporting wäre in diesem Fall ebenfalls obso108 let. Die strenge Informationseffizienz unterstellt ferner, dass die Investitionsentscheidungen der Unternehmensleitung vollkommen losgelöst von den individuellen Interessen der 109 110 Kapitalgeber getroffen werden. Unter Berücksichtigung des Kongruenzprinzips kann 111 zudem ein „Gleichklang zwischen Vermögens- und Erfolgsermittlung“ hergestellt werden, so dass sowohl den Informationsinteressen der Unternehmensleitung (Selbstkontrolle) als auch der Adressaten (Entscheidung über das künftige Investitionsvorhaben) entspro112 chen werden kann. Die Annahme einer strengen Informationseffizienz impliziert mithin eine Gleichsetzung des Unternehmenswerts und des Marktwerts, so dass keine Informati113 onsasymmetrien existieren. 114

Allerdings wurde auch die strenge Informationseffizienz empirisch nicht belegt; vielmehr ist für die kontinentaleuropäischen Kapitalmärkte höchstens von einem halbstrengen 115 Effizienzgrad auszugehen. Diese Annahme ist für die vorliegende Untersuchung insofern von erheblicher Relevanz, als die Aktienkurse mithin durch eine Änderung der Informationsbasis im Allgemeinen beeinflussbar sind. Im günstigsten Fall gelingt es den Marktteilnehmern, durch die Beschaffung von Informationen über immaterielle Werttreiber künftige 116 Überrenditen durch eine Kapitalanlage in den betreffenden Unternehmen zu erzielen. Dies kann jedoch nur dann erfolgen, wenn unterstellt wird, dass die Informationen ent117 scheidungsnützlich, d. h. entscheidungsrelevant und verlässlich, sind.

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Vgl. Beaver 1983, S. 346 sowie hieran anknüpfend Wenzel 2006, S. 95; Wirth 2005c, S. 18; Zemelka 2005, S. 79. Abgestellt wird auf sog. Fair Game-Modelle, wonach jeder Marktteilnehmer identische Gewinn- und Verlustmöglichkeiten besitzt; vgl. hierzu auch Fama 1970, S. 385; Gerke 2005, S. 260. Vgl. ebenfalls Häcker et al. 2001, S. 666; Labhart 1999, S. 50; Stauber 2003, S. 64; Wenzel 2006, S. 2. Dieser Befund geht auf den Nachweis von Fisher zurück (Separationstheorem), wonach das Management bei Existenz vollkommener Märkte sämtliche Investitionsprojekte mit einem positiven Kapitalwert realisiert, ohne die Präferenzen der Investoren zu verletzen; vgl. Fisher 1930, S. 71 sowie hierzu ausführlich Gerke 2001, Sp. 24; Jansen 2005a, S. 60 f. Vgl. grundlegend zum Kongruenzprinzip bei der Anwendung von Residualgewinnkonzepten Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.1.a). Hitz 2005b, S. 1017. Vgl. die unterschiedliche Gewichtung bei der statischen, dynamischen und organischen Ausprägung der Accounting Theory in Abschn. I.C.1-3 dieses Hauptteils. Vgl. ebenfalls Schildbach 2006a, S. 10. Vgl. stellvertretend Fama 1991, S. 1577 sowie hierzu auch Bak/Bigus 2006, S. 433; Copeland/Weston 1988, S. 392; Fischer 2003a, S. 42; Häcker et al. 2001, S. 666; Labhart 1999, S. 60; Schmidt/Wulff 1993, S. 67; Tiemann 1997, S. 155. Vgl. ebenfalls zu dieser Auffassung Bak/Bigus 2006, S. 435; Beaver 1983, S. 344; Coenenberg 1974, S. 649; Fama 1970, S. 415; Klein 1999c, S. 236; Krämer 2001, Sp. 1267-1274; Schmidt/May 1993, S. 61; Walz 1993, S. 102; Zemelka 2005, S. 79 sowie relativierend Löffler 1999, S. 128; Wenzel 2006, S. 96. Die Informationsineffizienz spiegelt sich in einem Auseinanderfallen von Marktpreis und Unternehmenswert wider; vgl. auch Pfaff/Bärtl 1997, S. 85. Vgl. bereits die Ergebnisse von Jaffe 1974, S. 410-428. Vgl. grundlegend zur Entscheidungsnützlichkeit des Financial Accounting und Business Reporting Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

23

Die klassische Markteffizienztheorie erfährt jedoch im Schrifttum infolge ihrer zugrunde 118 liegenden realitätsfernen Annahmen eine kritische Würdigung. Die Auffassung, wonach die Rechnungslegungspolitik bei einer Informationseffizienz im halbstrengen Sinne wirkungslos ist, da sämtliche öffentlich verfügbaren Informationen bereits in den Marktprei119 sen Berücksichtigung gefunden haben, kann u. a. nicht überzeugen. Aus dieser Unzulänglichkeit heraus wurde die „klassische“ Annahme vollkommener Kapitalmärkte durch 120 121 die Neue(re) Institutionenökonomie , welche u. a. die Existenz von Finanzintermediären 122 und Finanzanalysten erklärt, modifiziert. Angesichts der Tatsache, dass Transaktionskos123 ten und Informationsasymmetrien empirisch nachweisbar sind, bieten Finanzintermediäre speziell auf die Bedürfnisse der Marktteilnehmer ausgerichtete Transformationsleistun124 gen an. Zur Risikoselektion, -allokation und -haftung, die auf eine Minimierung der Transaktionskosten abzielen, werden dabei unterschiedliche Spezialisierungsvorteile, die 125 Economies of Scale bzw. Scope, genutzt. Eine zentrale Bedeutung nimmt hierbei die Risikostreuung bzw. -diversifizierung am Kapitalmarkt ein, die auf die Portfolio Theory nach 126 Markowitz zurückzuführen ist. Indem die Finanzintermediäre von Kunden Anlagemög118

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Neben dem Ausschluss von Transaktionskosten und dem kostenlosen und simultanen Informationszugang steht die angenommene Homogenität der Erwartungsbildung in der Kritik; vgl. grundlegend Neumann/Klein 1982, S. 169. Des Weiteren wird auf die empirischen Befunde zum irrationalen Verhalten auf den Kapitalmärkten (Anomalienforschung) sowie auf die Existenz sog. Noise Traider verwiesen; vgl. u. a. Bak/Bigus 2006, S. 435. Vgl. ähnlich Hepers 2005, S. 48. Es ist zu unterstellen, dass die Kapitalmarktanalyse die Ausübung spezieller rechnungslegungspolitischer Ermessens- und Gestaltungsspielräume nicht aufdecken kann bzw. erst mit einem erheblichen Zeitverzug die Rechnungslegungspolitik i. R. d. Analyse neutralisieren kann. Von einer „stillen“ Rechnungslegungspolitik ist dann auszugehen, wenn das Unternehmen nicht zu einer detaillierten Darlegung z. B. im (Konzern-) Anhang verpflichtet ist oder dies auch nicht freiwillig vollzieht; vgl. zu ausgewählten Bereichen des Earnings Managements nach den IFRS Abschn. III.A. des Zweiten Hauptteils. Vgl. zu ihrer inhaltlichen Fundierung stellvertretend Grothe 2006, S. 24 f. sowie zum Begriff der Institution ausführlich Wüstemann 2002b, S. 44 f. Im Laufe der letzten Jahre ist auf den globalen Kapitalmärkten ein Trend zur Disintermediation (Securitization) zu konstatieren, d. h. Unternehmen als Kapitalnachfrager suchen häufiger den direkten Weg zum Kapitalmarkt, ohne Finanzintermediäre hinzuzuziehen. Auf der Kapitalgeberseite hingegen besteht jedoch weiterhin erhöhter Bedarf an Intermediation. Vgl. Gerke 2005, S. 258 sowie zur Theorie der Finanzintermediation Adamek 2006, S. 87 f.; Diamond 1984, S. 393-414; Diamond 1996, S. 51-65; Gerke/Pfeufer 1995, Sp. 727-735; Hartmann-Wendels 2001, S. 144 f.; Pringle 1970, S. 780; Ries/Terstege 2006, S. 206. Diese Überlegung deckt sich mit der Aussage von Möller/Hüfner 2002a, S. 3 f., wonach „der ökonomische Gewinn unter realistischen Bedingungen nur in Sonderfällen gemessen werden kann“ bzw. „bei unvollkommenen oder unvollständigen Märkten schlecht definiert“ ist. Vgl. zur Problematik der Hidden Information i. R. d. Agency Theory Abschn. I.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. zu weiteren Transformationsleistungen (z. B. Losgrößen-, Fristen- und Informationstransformation) grundlegend Gerke/Pfeufer 1995, Sp. 732 f. Economies of Scale resultieren aus der Senkung der Durchschnittskosten eines Finanzkontrakts bei Steigerung der Zahl der Vertragsabschlüsse, Economies of Scope dagegen aus der Verwendung spezieller Technologien, z. B. dem Einsatz von Expertensystemen; vgl. hierzu ebenfalls Gerke/Pfeufer 1995, Sp. 730 und zu den Economies of Scale bei immateriellen Vermögenswerten Labhart/Volkart 2001b, S. 1157. Vgl. detailliert Markowitz 1952, S. 77 sowie hierzu Ordelheide 1998a, S. 508 f. Die mit der Aussage „Don’t put all your eggs in one basket“ eingeleiteten Untersuchungen betonten erstmalig die Substitutionsbeziehung zwischen der Kapitalrendite und dem Kapitalrisiko; vgl. Gerke 1995, Sp. 1539.

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Erster Hauptteil

lichkeiten mit verschiedenen Risikoklassen anbieten, die der jeweiligen Risikopräferenz der Nachfragenden entsprechen und das Risiko auf verschiedene Anlagen (Streubesitzaktien) verteilen, kann der Entscheidungsträger den Erwartungsnutzen seines Endvermögens 127 steigern und ein individuelles optimales Portfolio erstellen. Von besonderer Bedeutung ist die Einschätzung von Finanzanalysten zur Unternehmensentwicklung für Privataktionä128 re; auf der Grundlage von Anlage- und Finanzempfehlungen und veröffentlichten Unternehmensanalysen können diese das Entscheidungsverhalten der in Rede stehenden Anspruchsgruppen wesentlich beeinflussen und einer potenziellen Informationsüberflutung 129 entgegenwirken. Trotz der vorstehend genannten kritischen Anmerkungen zur neoklassischen Kapitalmarkttheorie bietet diese den zentralen Ansatzpunkt zur Konkretisierung des Grundsatzes der Entscheidungsnützlichkeit von Unternehmensinformationen, welche Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen ist.

2.

Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit als Rahmengrundsätze der Entscheidungsnützlichkeit sowie Zielkonflikte 130

Die Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen lässt sich sowohl mithilfe der neoklassischen Kapitalmarkttheorie als auch - wie in Abbildung 3 dargelegt - mit dem 131 durch Chambers geprägten Decision Usefulness Approach der Accounting Theory fundieren. Dieser Ansatz stellt die Informationsbedürfnisse der Adressaten in den Mittelpunkt 132 der Betrachtung, d. h. es erfolgt eine deduktive Vorgehensweise im Sinne einer Ablei133 tung von Anforderungen aus den Informationsbedürfnissen der Adressaten. Eine Operationalisierung des Postulats der Entscheidungsnützlichkeit erfolgt dabei durch die Messung 134 der Wertrelevanz von Informationen, d. h. den Erklärungsgehalt offen gelegter Informa-

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Vgl. zu mehrperiodigen Portfolio Selection-Modellen die Abhandlungen von Samuelson 1969, S. 239. Vgl. Heumann 2005, S. 152. Vor diesem Hintergrund ist die Gruppe der Finanzanalysten hinsichtlich der durchzuführenden empirischen Befragung einzubeziehen. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. IV.A. Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.c). Vgl. statt vieler grundlegend zur Informationsfunktion Merkt 2006a, S. 91. Vgl. Chambers 1966. Vgl. auch Hitz 2005a, S. 147 sowie zur Maxime „soviel wirtschaftliche Betrachtungsweise wie möglich, soviel Objektivierung […] wie nötig“, Moxter 1983a, S. 305; vgl. hierauf Bezug nehmend Küting/Ulrich 2001, S. 953. Vgl. stellvertretend Dohrn 2004, S. 71-87; Hepers 2005, S. 96; Zülch 2003, S. 204-236. Im Folgenden wird angenommen, dass die in Rede stehenden Informationen sowohl entscheidungsals auch wertrelevant sind. Es gilt allerdings der Hinweis, dass die Begriffe Wert- und Entscheidungsrelevanz nicht deckungsgleich zu verwenden sind. So können Informationen, die bereits den Adressaten bekannt sind, als wertrelevant klassifiziert werden, aber das Entscheidungsverhalten nicht (mehr) verändern; vgl. Barth/Beaver/Landsman 2001a, S. 80; Barth/Beaver/Landsman 2001b, S. 4 sowie hierzu ebenfalls Kuhner 2001, S. 533. Während die Studien zur Entscheidungsrelevanz generell kurzfristig angelegt sind („Short Window Approach“), legen die Untersuchungen zur Messung der Wertbzw. Bewertungsrelevanz einen langfristigen Zeitraum zugrunde („Long Window Approach“); vgl. Hepers 2005, S. 51 f. Daneben lassen sich Forschungsansätze zur Messung der Prognoserelevanz feststellen, auf die ebenfalls nicht näher eingegangen wird; vgl. hierzu grundlegend Ballwieser 2002b, S. 117.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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tionen für die Abschätzung der künftigen Kapitalmarktrendite. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, inwiefern die Informationen für die Entscheidungsfindung der Markt136 teilnehmer eine (wesentliche) Rolle spielen. Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt exemplarisch Anforderungen auf, die auf Basis der neoklassischen Kapitalmarkttheorie an die Bereitstellung entscheidungsnützlicher Informationen gestellt sind. Entscheidungsnützlichkeit

Entscheidungsrelevanz

Rahmengrundsätze

Verlässlichkeit

Zieldisharmonie

Wesentlichkeit als Begrenzung der Vollständigkeit Klarheit und Übersichtlichkeit Vergleichbarkeit und Regelmäßigkeit Ausgewogenheit Segmentierung und Management Approach Nachprüfbarkeit Richtigkeit Willkürfreiheit

Abbildung 2:

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Nebengrundsätze

Entscheidungsnützlichkeit des Financial Accounting und 137 Business Reporting

„[…] an accounting amount is deemed as value relevant, if it has a predicted association with equity market values“, Barth/Beaver/Landsman 2001a, S. 79; Barth/Beaver/Landsman 2001b, S. 3. „If the coefficient on a particular financial statement variable is significant and of the predicted sign, market prices act as if that variable is being priced conditional on the other variables of the equation and that item is defined as value relevant“, Beaver 1998, S. 116; vgl. hierzu auch Kuhner 2001, S. 533. Dabei wird i. d. R. auf den Bid Ask Spread als Unterschiedsbetrag zwischen Angebotspreis (Bid) und Nachfragepreis (Ask) einer Aktie abgestellt; vgl. hierzu u. a. Banzhaf 2006, S. 181; Hacker 2002, S. 75; Möller/Hüfner/Kavermann 2003, S. 205 f.; Möller/Hüfner/Kavermann 2004, S. 827 f. sowie weiterführend die kritischen Anmerkungen zum Aussagegehalt der Wertrelevanzforschung von Holthausen/Watts 2001, S. 62; Zimmermann/Werner 2002, S. 13. Vgl. zu den Ursprüngen der Value Relevance-Forschung Ball/Brown 1968, S. 159, die erstmalig die Informationswirkung von Abschlüssen anhand des sog. Abnormal Performance Index empirisch untersuchten; weiterführend Barth/Beaver/Landsman 2001b, S. 80 f.; Coenenberg 1998, S. 553; Kuhner/ Lüdtke-Handjery 2005, S. 560; Möller 1983, S. 295; Mölls/Strauß 2007b, S. 83; Schütte 2006, S. 60; Stauber 2003, S. 130 f.; Wagenhofer/Ewert 2007, S. 105-121; Zimmermann/Werner 2002, S. 12. Die Entscheidungstheorie fokussiert sechs Maxime, welche die „Buy-Hold-Sell“-Entschlüsse der Kapitalgeber determinieren: sämtliche entscheidungsrelevanten Informationen sind offen zu legen (Vollständigkeitsmaxime), die Informationen müssen zum aktuellen Zeitwert erfasst werden (Wertmaxime), objektiv und zuverlässig sein (Zuverlässigkeitsmaxime), strategisch gefiltert werden (Ausweismaxime) sowie zum Zeitpunkt der Entschlussfassung den Entscheidungsträgen und nur diesen zur Verfügung stehen (Verfügbarkeitsmaxime); vgl. Kubin 1998, S. 534 f. Die strategische Filterung soll insbesondere vor einem Information Overflow der Adressaten schützen; vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.c). Eigene Darstellung.

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Erster Hauptteil 138

Während die Entscheidungsrelevanz und die Verlässlichkeit als Rahmengrundsätze zur Befolgung der Entscheidungsnützlichkeit fungieren, stellen gem. Abbildung 2 die Wesentlichkeit als Begrenzung der Vollständigkeit, die Klarheit und Übersichtlichkeit, die Vergleichbarkeit und Regelmäßigkeit, die Ausgewogenheit, die Segmentierung, der Management Approach sowie die intersubjektive Nachprüfbarkeit und die Willkürfreiheit die Ne139 bengrundsätze der vorliegenden Analyse dar. Die vorstehend ausgeführten Prinzipien können als Schnittmenge für das Financial Accounting und Business Reporting Anwen140 dung finden. Die Ausrichtung des Financial Accounting und Business Reporting an dem Postulat der 141 Entscheidungsnützlichkeit erfordert die Eingrenzung eines Primäradressatenkreises. Die h. M. unterstellt, dass das Management insbesondere über die zukünftigen Zahlungsströme 142 (Potential Cash Flows) zu berichten hat, da die Eigenkapitalgeber unter Berücksichti143 gung von Finanzanalysten hieran die Anlageentscheidung ausrichten. Die Fremdkapitalgeber des Unternehmens stellen dagegen in höherem Maße auf die Wahrung des Gläubigerschutzprinzips ab, die bislang aus nationaler Sicht eine dominierende Rolle eingenommen hatte. Dem steht nicht entgegen, dass die Gläubiger einer flankierenden wertorientierten Zusatzberichterstattung, welche keine Auswirkungen auf die Zahlungsbemessung hat, ebenfalls positiv gegenüberstehen. Auch die Stakeholder (z. B. Kunden, Lieferanten) for144 dern vermehrt Informationen zur zukünftigen Unternehmensentwicklung ein. Bei auftretenden Zielkonflikten, welche die Neoklassik jedoch ausblendet, können die Methoden der Zielbewertung bzw. Zielgewichtung, das Setzen von Prioritäten bezüglich der Auswahl bestimmter Handlungsziele, die „Strategie eines begrenzten Konflikts“ sowie die „Strategie 145 der dramatischen Umkehr“ eingesetzt werden. Zieldisharmonien könnten u. a. hinsichtlich der spezifischen Gewichtung der Berichtsinhalte des Intangible Asset- und Goodwill Reporting bestehen; die Erstellung und Offenlegung selbst dürfte hingegen im Interesse sämtlicher Anspruchsgruppen des Unternehmens stehen, sofern die Zusatzberichterstattung von der Zahlungsbemessung abgekoppelt ist. 138

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Vereinzelt wird Verlässlichkeit auch als Voraussetzung für Relevanz qualifiziert; vgl. z. B. anhand von sog. Cheap Talk-Modellen Dobler 2004, S. 93-107. Dieser Auffassung wird i. R. d. vorliegenden Untersuchung allerdings nicht gefolgt. Vielmehr sind Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit als gleichberechtigte Voraussetzungen anzusehen. Die vorliegende Auswahl der Nebengrundsätze orientiert sich an Heumann 2005, S. 87, wenngleich keine Unterscheidung in ergänzende und konzeptionelle Grundsätze erfolgt. Zudem wird der Grundsatz der Informationsabstufung nach Art und Größe des Unternehmens angesichts der Eingrenzung auf börsennotierte Publikumsgesellschaften obsolet. Die intersubjektive Nachprüfbarkeit und die Willkürfreiheit gehen in dem Grundsatz der Richtigkeit auf; vgl. Baetge/Solmecke 2006, S. 20; Leffson 1987a, S. 202. Vgl. zu weiteren Abgrenzungen Ballwieser 2002b, S. 115 f.; Wenzel 2006, S. 143 Vgl. im weiteren Verlauf zu den Grundsätzen für das Value Reporting des AKEU Abschn. II.C.4 dieses Hauptteils sowie zur Übertragung auf das Intangible Asset- und Goodwill Reporting bzw. Auditing Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.b); Vierter Hauptteil, Abschn. IV.D. Vgl. ausführlich zu dieser Thematik Jacobi 2003, S. 45 m. w. N. Die Bereitstellung zukunftsbezogener Unternehmensinformationen steht grds. im Interesse sämtlicher Unternehmensadressaten; vgl. hierzu Brinkmann 2006, S. 41. Zum Risiko, dass sich der Abschluss ggf. zu einem „Zahlenfriedhof“ entwickelt, äußern sich bereits Sieben/Haase 1971, S. 53. Vgl. hierzu u. a. Brinkmann 2006, S. 54 f.; Lamers 1981, S. 140 f.; Rückle 1981, S. 438. Vgl. ausführlich Freidank 1990, S. 17-19 ; Freidank/Velte 2007, S. 666 f.

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Der Entscheidungsnutzen einer Information wird zum einen bezüglich der Entscheidungs146 147 relevanz (Relevance) beurteilt, wobei keine Wertung vorliegt, ob die offen gelegten Informationen der Realität entsprechen. Vielmehr erfolgt die Annahme, dass die Adressaten 148 zu einem abweichenden Entscheidungsverhalten gelangen als ohne die Informationen. Die in Rede stehende Datenbereitstellung impliziert im günstigsten Fall eine Änderung der 149 Zielfunktion bzw. des Präferenzsystems der Adressaten. Baetge verwendet hierbei den 150 Terminus „ökonomische Brauchbarkeit“ . Das Relevanzkriterium dient somit der Abgrenzung des Abbildungsbereichs, über welche Objekte oder Ereignisse das Unternehmen 151 zu informieren hat. Zum anderen besteht jedoch die grundsätzliche Gefahr, Informationen aus Sicht der Unter152 nehmensleitung für individuelle Ziele zu instrumentalisieren (z. B. durch die Rechnungs153 legungspolitik ). Dieser Informationsverfälschung kann lediglich dann begegnet werden, wenn zusätzlich der Grundsatz der Verlässlichkeit (Reliability) Berücksichtigung findet, 154 d. h. eine Vertrauensbildung in das zugrunde liegende Regelwerk erzielt wird. Die Verlässlichkeit ist im Allgemeinen untrennbar mit der Bestätigung der offen gelegten Informationen durch einen Außenstehenden verbunden. Auch in der Unternehmenspraxis werden

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Weitere Ausprägungen der Kapitalmarktrelevanz stellen die Prognose- sowie die Bewertungsrelevanz dar; vgl. hierzu Ballwieser 2002b, S. 117; Lindemann 2006, S. 970; Möller/Hüfner 2002a, S. 5-10. Vgl. zur erstmaligen Verwendung des Terminus u. a. Ball/Brown 1968, S. 159-178; Beaver 1968, S. 67-92. Vgl. bereits Coenenberg et al. 1978, S. 416. Insofern wird vielfach angenommen, dass entscheidungsrelevante Informationen die Beurteilung vergangener, gegenwärtiger oder künftiger Ereignisse (Feedback- bzw. Predictive Value) ermöglichen; vgl. weiterführend Heidemann 2005, S. 26. Neben dieser qualitativen Anforderung spielt der Wesentlichkeitsgrundsatz als quantitative Voraussetzung eine zentrale Rolle; vgl. weiterführend zum Grundsatz der Wesentlichkeit i. R. d. Business Risk Auditing Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. So gilt eine entscheidungsrelevante Information stets als wesentlich; vgl. Ballwieser 2002b, S. 118. Entscheidungsirrelevanz impliziert insofern, dass die Entscheidung auch ohne die spezifische Information getroffen worden wäre bzw. durch die Information die Entscheidung lediglich bestärkt wird; vgl. hierzu sowie zum Begriff des Informationswerts Ballwieser 1985, S. 28-30; Ballwieser 2002b, S. 117; Berndt 2003, S. 825; Laux 1998, S. 352-355. Vgl. hierzu ausführlich Möller/Hüfner 2002a, S. 6. Baetge 1970, S. 168. Vgl. Bieker 2006, S. 68. Es ist denkbar, dass durch eine (unausgewogene) positive Performance-Darstellung des Managements die Vertrauensbildung der Aktionäre kurzfristig ansteigt. Sobald diese jedoch erfahren, dass die Informationen nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen, ist mit entsprechenden - aus Sicht der Unternehmensleitung - nachteiligen Konsequenzen zu rechnen (z. B. Verkauf der Aktien); vgl. in diesem Zusammenhang das Anlegerverhalten nach Bekannt werden der Bilanzskandale bei Enron oder WorldCom; vgl. detailliert Peemöller/Hofmann 2005. Vgl. weiterführend aus Agency-theoretischer Sicht Wagenhofer 2001, S. 465. Vgl. im Einzelnen Hitz 2005a, S. 157; Wüstemann 2002b, S. 62 f. Das IASB führt in diesem Kontext aus, dass ein verlässliches Financial Accounting frei von wesentlichen Fehlern und verzerrenden Einflüssen sein muss und sich die Adressaten auf die Richtigkeit der Angaben verlassen können; vgl. IASB Rahmenkonzept F. 31 sowie hieran anknüpfend Heidemann 2005, S. 28. Als weitere Nebenbedingungen für ein entscheidungsnützliches Accounting werden die Ausgewogenheit der o. g. qualitativen Merkmale untereinander, Kosten-Nutzen-Aspekte und die Zeitnähe genannt; vgl. zu den Reformüberlegungen des IASB bezüglich der qualitativen Merkmale des IFRS-Abschlusses Abschn. II.A dieses Hauptteils.

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Erster Hauptteil

die Relevanz und Verlässlichkeit als zentrale Beurteilungsindikatoren für das Financial 155 Accounting und Business Reporting herangezogen. Das Postulat der Verlässlichkeit ist nicht nur auf die vorstehend benannten Bereiche be156 schränkt, sondern determiniert die gesamten Leitungs- und Überwachungssysteme von 157 Unternehmen (Corporate Governance). Neben der Effizienz der internen Überwachung, 158 bei Aktiengesellschaften repräsentiert durch den Aufsichtsrat inklusive deren Ausschüsse 159 sowie die Interne Revision , kommt dem externen Auditing die zentrale Aufgabe zu, die 160 Verlässlichkeit der bereitgestellten Unternehmensinformationen zu beurteilen. Dabei ist der Implementierung von Sanktionssystemen eine wesentliche Bedeutung einzuräumen, welche wiederum die öffentliche Darstellung des Unternehmens (Reputation) nachhaltig 161 beeinflusst. In diesem Zusammenhang ist den Ausführungen von Kirchner ein bedeutendes Gewicht beizumessen, wonach die informationsbezogene Überwachung der Unternehmensleitung bei einer Überbetonung der Entscheidungsrelevanz bzw. einer unzurei162 chenden Verlässlichkeit wertlos ist. Die Bedeutung des Verlässlichkeitspostulats zeigt

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Vgl. daneben die empirischen Ergebnisse der Befragung von KPMG (Hrsg.) 2000b, S. 3. Vgl. grundlegend zur Systemtheorie Luhmann 1996; Shannon 1949, S. 3-91; von Bertalanffy 1951, S. 302-312; Wiener 1961. Vgl. diese Auffassung teilend Berndt 2005, S. 29. Vgl. im Detail zu den Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats u. a. AKEIÜ 1995, S. 1-4; Bezzenberger 2000, S. 35-52; Dutzi 2005; Lentfer 2005; Scheffler 2005a, S. 187-190; vgl. stellvertretend zum Anforderungsprofil des Aufsichtsrats Bernhardt 2004, S. 457-459; Scheffler 2000a, S. 433-437; Wirth 2005b, S. 327-347. Im Schrifttum wird verstärkt auf die Notwendigkeit einer stärkeren Professionalisierung der Aufsichtsratstätigkeit („Beruf statt Ehrenamt“) hingewiesen; vgl. u. a. AKEIÜ 2006b,S. 1630; Dürr 2005, S. 18 („Wir brauchen Profis“); Fockenbrock 2005a, S. 22; Hartmann 2003, S. 29 f.; Reppesgaard 2005b, S. 20 („Die Zeit der Feierabendmandate ist endgültig vorbei“); Säcker 2005, S. 1; Schoppen 2005, S. 18; Semler 2005, S. 399; von Rosen 2000, S. I. Bereits Schmalenbach konstatierte: „Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ist ein Kapitel, über das viele Leute viele Meinungen ausgesprochen haben. Derartige Kapitel pflegen durch vielseitiges Aussprechen nicht wesentlich klarer zu werden“, Schmalenbach 1911, S. 271. Vgl. detailliert zum Stellenwert der Internen Revision im Hinblick auf die Generierung eines verlässlichen Financial Accounting AKEIÜ 2006a, S. 225-229; Buderath 2003, S. 159-184; Buderath 2004, S. 39-50; Buderath 2006, S. 99-120; Heinhold/Wotschofsky 2002, Sp. 1217-1228; Hofmann 2005b, S. 127-145; Knapp 2005; Lück/Henke 2004, S. 1-14; Matzenbacher 2005, S. 145-162; Stebler/ Abresch 2004, S. 389-396 sowie zur Zusammenarbeit zwischen Interner Revision und Abschlussprüfer u. a. Füss/Hecker 2006, S. 104-110; Lück/Henke 2006, S. 121-151; kritisch zur Ausgestaltung der Internen Revision in der Empirie Heinrich 2007, S. 20. Vgl. Ebke 2002, Sp. 1085, die grafische Übersicht von Gabor 2006, S. 88 sowie zu den Funktionen des Auditing Link 2006, S. 10 f.; Meinhardt 1995, S. 459. Die Steigerung ihrer Funktionalität steht in den letzten Jahren verstärkt auf der Agenda der nationalen, supra- und internationalen Standardsetter (z. B. die Stärkung der Unabhängigkeit durch das BilReG, die exterritoriale Wirkung des Sarbanes Oxley Act oder die Neufassung der Achten EG-Richtlinie); vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. IV.A.1 und 2 dieses Hauptteils. Für eine Fundierung des Auditing als Teil der Corporate Governance wird verwiesen auf die Darstellungen von Mößle 2003 sowie weiterführend Bertschinger 2000, S. 705-712; Bühler/Schweizer 2003, S. 441-448; Graumann 2002d, S. 436-441; Hommelhoff/Mattheus 2003, S. 639-671; Müller 2006b, S. 20; Nonnenmacher 2003b, S. 295 f.; Wiedmann 2003, S. 199-207. Vgl. in diesem Zusammenhang die Auswirkungen des sekundären Enforcements auf das Financial Accounting und Auditing in Abschn. IV.C dieses Hauptteils. Vgl. Kirchner 2006b, S. 301.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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sich nicht zuletzt darin, dass die Investoren unverlässliche Informationen mit erhöhten Risikozuschlägen sanktionieren und/oder ggf. ihr Kapital aus dem Unternehmen langfristig 163 abziehen. Überdies ist anzumerken, dass aus dem Qualitätskriterium Verlässlichkeit keine zutreffen164 de Abbildung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens abgeleitet werden kann. Bereits Leffson konstatierte, dass es „weder absolut richtige (wahre) Einzelwerte, noch eine absolut richtige Bilanz bzw. den absolut richtigen Jahreserfolg gibt. Richtig können und müssen diese, wie dargelegt, nur insofern sein, als sie gemäß den geltenden Grundsätzen 165 aufgestellt und damit für den, der die Grundsätze kennt, verständlich sind“ . Leffson hatte zudem auf die Gefahr der Verlautbarungen von Standardsettern hingewiesen, welche die 166 167 168 Termini „True and Fair View“ bzw. „Fair Presentation“ verwenden. Diese können Fehlinterpretationen bei den Adressaten herbeiführen und unerfüllbare Anforderungen an den Abschluss stellen. Der Begriff „True“ kann demnach nicht mit „(Bilanz-) Wahrheit“ übersetzt werden, sondern vielmehr mit einem redlichen und verständlichen Handeln des 169 Kaufmanns. Dass die Generalnorm des True and Fair View auch das Risiko einer Erwar170 tungslücke bei den Anspruchsgruppen vergrößert, ist nahe liegend. Wie bereits durch den Titel der vorliegenden Abhandlung verdeutlicht, stehen die Verlässlichkeit und die Entscheidungsrelevanz in einer Zieldisharmonie bzw. einem Spannungs171 verhältnis zueinander. Dies impliziert, dass eine höhere Entscheidungsrelevanz c. p. im Allgemeinen mit einer verminderten Verlässlichkeit der Unternehmensinformationen ein-

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Vgl. hierzu Chambers 1966, S. 157. Vgl. hierzu Brinkmann 2006, S. 42. Leffson 1987a, S. 197. Vgl. statt vieler zum Begriff des True and Fair View aus supranationaler Sicht Moxter 1997e, S. 99116 sowie aus nationaler Sicht Beine 1995, S. 467; Beisse 1988, S. 25; Beisse 1996, S. 27; Claussen 1987, S. 81; Clemm 1989, S. 357; Freidank 2002, Sp. 1252; Hinz 2005b, S. 1-16; Lachnit 1993, S. 193; Lambert 2005; Leffson 1987c, S. 318 f.; Pougin 1990, S. 244 f.; Schildbach 1987, S. 1; Scholtissek 1984, S. 66; Selchert 1993, S. 753; Streim 1994, S. 393. Vgl. grundlegend zum Begriff der Fair Presentation u. a. Fahrion/Winterhoff 2002, Sp. 735-749. Vgl. Leffson 1987a, S. 196. Die Termini werden als Synonyme verwendet; vgl. u. a. IASB Rahmenkonzept F. 46. Vgl. Leffson 1987a, S. 196. Vgl. zur Fundierung der Erwartungslücke i. R. d. Auditing grundlegend Abschn. III.B dieses Hauptteils. Bereits Moxter schlussfolgerte, dass der betriebswirtschaftliche wirkliche Gewinn an „Schneewittchen“ erinnere, „unvergleichlich wahr, aber leider […] hinter sieben Bergen versteckt“, Moxter 1982, S. III. Vgl. grundlegend Ashton 1977, S. 567-575; Baetge 1970, S. 168-173; Barth 1991, S. 433-463; Bayer 2004, S. 130 f.; Kümmel 2002, S. 90; Küting/Ulrich 2001, S. 953; Naumann 2006c, S. 44; Schmidt 2007a, S. 101. Diesen Konflikt thematisiert ebenfalls das IASB: „Information may be relevant but so unreliable in nature or representation that its recognition may be potentially misleading.“ IASB Rahmenkonzept F. 32; vgl. weiterführend zur Zieldisharmonie zwischen Relevance und Reliability u. a. Euler 1996, S. 67-71; Hommel 1998, S. 1; Kuhner 2001, S. 530-532; Kuhner 2005d, S. 8; Streim/Bieker/Leippe 2001, S. 184. Eine konzeptionelle Unterscheidung aus informationsökonomischer Sicht nimmt Kirschenheiter vor, wobei die Verlässlichkeit als Kehrwert der Varianz eines Signals und die Entscheidungsrelevanz als Kovarianz zwischen dem Signalwert und der zu schätzenden Wertgröße definiert ist; vgl. Kirschenheiter 1996, S. 43-60.

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Erster Hauptteil 172

hergeht und vice versa; eine vollständige Befolgung beider Grundsätze ist ausgeschlos173 sen. Vor diesem Hintergrund bedarf es hinsichtlich des Financial Accounting und Busi174 ness Reporting eines Trade Off, wobei das individuelle „Mischungsverhältnis“ durch die 175 jeweiligen Zwecke und Zielsetzungen determiniert wird. Eine vollständige Verlässlichkeit ist unter informationsökonomischen Gesichtspunkten aus Sicht der Investoren allerdings auch nicht zielführend, weil die damit verbundenen Defizite bei der Vorenthaltung 176 von Informationen und die Vorzüge der Ausschaltung der Rechnungslegungspolitik in 177 keinem akzeptablen Verhältnis stehen. Die vorliegende Konfliktsituation wird im Financial Accounting durch die Aufstellung einer Zielhierarchie gelöst. Wird die Entscheidungsrelevanz als höherwertig gegenüber der Verlässlichkeit eingestuft, führt dies zwangsläufig zur Erstellung einer Informations- bzw. Gewinnermittlungsbilanz. Dabei ist ein gewisser Grad an Entobjektivierung in Kauf zu 178 nehmen. Im anderen Fall impliziert die Betonung verlässlicher Informationen, dass das Zahlenmaterial eher zur Zahlungsbemessung geeignet ist, welches zur Gewinnverwen179 dungsbilanz führt. Bei immateriellen Vermögenswerten und dem Goodwill, die in der vorliegenden Untersuchung im Fokus stehen, ist dieses Spannungsfeld zwischen Entscheidungsrelevanz und 180 Verlässlichkeit besonders ausgeprägt. Zur Abschätzung des Erfolgspotenzials der Unternehmen besteht für die Kapitalgeber ein hohes Bedürfnis nach einem möglichst vollständigen Vermögensausweis. Die immateriellen Werttreiber des Unternehmens sind gegenüber dem Kapitalmarkt zu kommunizieren, unabhängig davon, ob diese auf realen Kaufvorgän172

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Vgl. hierzu ebenfalls unter Angabe von Einschränkungen Ballwieser 2002b, S. 118 f.; Berndt 2003, S. 826; Beyhs 2002, S. 60 f. Es besteht lediglich eine schwache stochastische (positive) Abhängigkeit zwischen verlässlichen und entscheidungsrelevanten Unternehmensinformationen. „The conventional balance sheet is no more useful than last year’s news with this year’s dates superimposed”, Chambers 1966, S. 271. „This trade-off between relevance and reliability […] is a nontrivial issue“, Beaver 1998, S. 77 sowie vgl. Beyhs 2002, S. 61. Vgl. insbesondere Naumann 2006c, S. 44. „Das Streben nach Ausgleich […] kann nur als ständiger Prozess des Austarierens einer sich im Zeitablauf ändernden Gewichtung verstanden werden“, Küting/Ulrich 2001, S. 953 f. Vgl. Berndt 2003, S. 826; Kisser 2004, S. 23; Kuhner 2005d, S. 9. „Wer die Objektivierung und den betriebswirtschaftlich aussagefähigen Gewinn in einer (einzigen) Rechnung haben will, ähnelt den Kindern, die Sonne und Sternenpracht zugleich bestaunen möchten; und wer für Kompromisse zwischen Objektivierung und betriebswirtschaftlicher Aussagefähigkeit eintritt, der gleicht demjenigen, der eher Dämmerung als Sonne oder Sternenpracht schätzt“, Moxter 1983b, S. 134. Alle unverlässlichen bzw. nicht verlässlichen Informationen dürften i. R. d. Kapitalmarktkommunikation c. p. keine Berücksichtigung finden. Vgl. zur Annahme eines Mindestmaßes an Objektivierung Hitz 2005a, S. 158. Das FASB fordert in diesem Kontext ein jeweiliges Mindestmaß der Einhaltung beider Kriterien. Vgl. SFAC 2.34 sowie hierzu detailliert Lopatta 2006, S. 25. Vgl. u. a. Bieker 2006, S. 71. Dies betrifft u. a. die internationalen Rechnungslegungsstandards; vgl. zur steigenden Entobjektivierung der Bilanz durch die Anwendung der IFRS Küting 2006c, S. 1-6. Diese Gewichtung liegt dem nationalen Handelsrecht zugrunde. Infolge des BilMoG-RefE ist jedoch eine stärkere Berücksichtigung der Entscheidungsrelevanz geplant; vgl. hierzu im Einzelnen die zusammenfassende Würdigung in Kapitel IV des Zweiten Hauptteils. Vgl. stellvertretend die Ausführungen von Saelzle/Kronner 2004, S. S156.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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gen basieren (derivativ) oder selbst erstellt wurden (originär). Andererseits sind diese „weichen“ Leistungsindikatoren häufig keiner intersubjektiven Nachprüfbarkeit zugäng181 lich, so dass aus Objektivierungsgesichtspunkten z. B. im Handelsrecht auf einen Bilanzansatz originärer immaterieller Anlagegüter verzichtet und eine Beeinträchtigung der In182 formationsfunktion bewusst in Kauf genommen wird. Inwieweit die internationalen 183 Harmonisierungs- und Standardisierungseinflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting zu einem veränderten „Mischungsverhältnis“ zwischen entscheidungsrelevanten und verlässlichen Unternehmensinformationen führen, wird im weiteren Verlauf 184 der Untersuchung zu würdigen sein. Das (ältere) Schrifttum führt in diesem Kontext an, dass die Umstellung des Financial Accounting vom HGB auf die IFRS generell mit einem 185 Zuwachs an Entscheidungsrelevanz verbunden ist. Diese Einschätzung bedarf bezogen auf die bilanzielle Berücksichtigung von Intangible Assets sowie des Goodwill - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des BilMoG-RefE - einer detaillierten Würdigung, da die in Rede stehenden Vermögenswerte das Entscheidungsverhalten der Kapitalgeber wesentlich 186 beeinflussen. Unabhängig vom jeweiligen Regelwerk stellt die Mehrheit der jüngeren empirischen Untersuchungen eine abnehmende Relevanz des Financial Accounting im 187 Zeitablauf fest, so dass dem Business Reporting eine Kompensationsfunktion für die ansteigende Informationslücke zukommt. Die nachfolgenden Ausführungen stellen zunächst auf die Neue Institutionenökonomie ab, die aufgrund der Kritik an den Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie als wesentliche Ergänzung zu qualifizieren ist.

B.

Neue Institutionenökonomie

1.

Agency Theory 188

Als Teilgebiet der ökonomischen Organisationstheorie geht die Neue Institutionenöko189 nomie im Gegensatz zur neoklassischen Strömung davon aus, dass nicht nur der Kapi181

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Vgl. weiterführend zur Reaktion des Kapitalmarkts auf ein wenig verlässliches Financial Accounting auf Basis sog. Accruals-Anomalien Richardson et al. 2005, S. 482 f.; Schmidt 2006h, S. 373; Sloan 1996, S. 299-306. Vgl. Hitz 2005a, S. 158 sowie ausführlich zu den handelsrechtlichen Ansatzverboten und den Novellierungen infolge des BilMoG-RefE Zweiter Hauptteil, Abschn. I.A.1. Insofern liegt ein Verstoß gegen die Generalnorm des True and Fair View vor; vgl. zum Abbau der Informationslücke die Ausführungen zum Intangible Asset- und Goodwill Reporting in Kapitel II und III des Dritten Hauptteils. Vgl. zu einer Abgrenzung zwischen Standardisierung und Harmonisierung Haller/Walton 2000, S. 19. Vgl. abschließend Kapitel IV des Zweiten Hauptteils. Vgl. u. a. Auer 1999, S. 989; Förschle/Glaum/Mandler 1998, S. 2283; Spanheimer/Koch 2000, S. 301; abweichend Hung/Subramanyam 2004, S. 29 f.; Küting/Reuter 2005a, S. 706 f.; Vorstius 2004, S. 246 sowie statt vieler zur Kapitalmarktrelevanz des Financial Accounting Pellens/Tomaszewski 1999, S. 204. Vgl. Kapitel IV des Zweiten Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Amir/Lev 1996, S. 3-30; Balachandran/Mohanram 2005; Brown/Lo/Lys 1999, S. 83-115; Lev/Zarowin 1999, S. 353-385; Schloemer 2003; Vorstius 2004, S. 247; anderer Ansicht Collins/Maydew/Weiss 1997, S. 39-67; Ely/Waymire 1998; Francis/Schipper 1999, S. 319-352. Vgl. grundlegend Burgfeld 1998.

32

Erster Hauptteil 190

talmarkt, sondern ebenfalls das Unternehmen als Institution anzusehen ist, welche das Entscheidungsverhalten von Wirtschaftssubjekten zu koordinieren und effektiv zu gestalten vermag. Die Annahmen eines vollkommenen Kapitalmarkts und der Homogenität der 191 Akteure, die bei der Neoklassik zugrunde liegen, werden nicht aufrechterhalten. Vielmehr wird ein heterogenes und opportunistisches Verhalten der Marktteilnehmer unterstellt, welches auf eine begrenzte Rationalität sowie die Verfolgung individualistischer 192 Ziele zurückzuführen ist. Die zwischen den Akteuren geschlossenen Verträge sind dabei meist langfristiger Natur, so dass der Schätzung des zukünftigen Nutzenzuflusses eine we193 sentliche Bedeutung beizumessen ist. Angesichts der Tatsache, dass die h. M. eine theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting mithilfe der Principal Agent Theory fordert bzw. diese in besonderem Maße hierfür geeignet erscheint, wird im Folgenden zunächst ebenso verfah194 195 196 ren. Die Agency Theory stellt auf die vertraglichen Verflechtungen zwischen Auf197 traggeber (Principal) und Auftragnehmer (Agent) ab. In der vorliegenden Untersuchung stellen die Mitglieder der Unternehmensleitung von börsennotierten Publikumsgesellschaf198 ten die Agenten und die Investoren die Principals unter Einschluss von Finanzanalysten

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Die Institutionenökonomie zielt grds. darauf ab, die Funktionen vertraglicher, institutioneller oder gesetzlicher Normierungen zur Sicherung möglicher, unsicherer Kooperationserfolge zu analysieren; vgl. Zimmermann/Wortmann 2001, S. 289 sowie ebenfalls Neus 1998, S. 10. Vgl. die Darlegungen von Coase 1937, S. 389. Vgl. Möller 2002, S. 100; Wenzel 2006, S. 18 f. sowie zu den Annahmen Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. ebenso Mikus 1998, S. 451; zur Pluralismustheorie Tietz-Weber 2006, S. 23 f. und zur Zielhomogenität nach der Neoklassik Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Diese Schätzungen sind durch erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich des künftigen Verhaltens der Vertragspartner determiniert; vgl. detailliert u. a. Hax 1991, S. 55 f. Vgl. stellvertretend Beyhs 2002, S. 50; Elschen 1998, S. 557; Ewert 1986, S. 2; Hommel 1998, S. 18. Vgl. zu ersten grundlegenden Darlegungen zu Principal Agent-Beziehungen Alchian/Demsetz 1972, S. 777; Jensen/Meckling 1976, S. 305; Ross 1973, S. 134. Vgl. zur Contracting Theory u. a. Coenenberg 1998, S. 558; Lange 1999b, S. 103 f.; Tietz-Weber 2006, S. 51. Vgl. hierzu Pratt/Zeckhauser 1985, S. 2, die konstatieren, dass eine Principal Agent-Beziehung immer dann vorliegt, „wenn die Wohlfahrt eines Individuums (Prinzipal) von den Handlungen eines anderen Individuums (Agent) abhängt“, d. h. sie entsteht durch eine Delegation von Aufgaben. Ferner muss das Verhalten der Agenten als autonom zu klassifizieren sein, d. h. sie können zwischen mehreren Handlungsalternativen wählen; vgl. detailliert Decker 1994, S. 14; Meinhövel 1999, S. 12; Meinhövel 2005, S. 66 sowie zur Entstehung von Interessenkonflikten aus der Delegation von Aufgaben Kuhner 2005c, S. 5 f. Eine Verschärfung der Agency-Problematik geht auf den bei Publikumsgesellschaften immanenten erhöhten Aktienstreubesitz zurück, welcher die Sanktionsmöglichkeiten der Principals begrenzt; vgl. ebenfalls die Einschätzung von Clement 2005, S. 361. Die Aktionäre besitzen grds. zwei Optionen, das Verhalten ihrer Agenten zu sanktionieren, zum einen den Anteilsverkauf (Exit Option) und zum anderen die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung (Voice Option); vgl. Bea/Thissen 1997, S. 787. Mit abnehmender Größe der Anteilspakete steigen die Transaktionskosten jener Einflussmöglichkeiten, sodass von einer (zeitnahen) Reaktion vielfach abgesehen wird; vgl. zur Transaction Cost Theory die nachfolgenden Ausführungen in Abschn. I.B.2 dieses Hauptteils.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

33

199

dar. Während die positive Principal Agent Theory bestrebt ist, in der Unternehmenspraxis vorzufindende Vertragskonstellationen verbal zu erklären, zielt die normative Principal 200 Agent Theory darauf ab, formalistische entscheidungsorientierte Empfehlungen für eine 201 Best Practice von Vertragsbeziehungen abzugeben. Beide Ausrichtungen basieren auf einem Informationskonflikt zwischen Principal und Agent, der durch unterschiedliche Inte202 ressen der Vertragsparteien zu erklären ist. Das Verhalten des Managements wird durch 203 204 einen methodologischen Individualismus , z. B. in der Ausprägung des Arbeitsleids 205 206 bzw. der Arbeitsscheu , beeinflusst. Dies impliziert die Zielsetzung einer Minimierung 207 des Arbeitseinsatzes bei gleichzeitiger Zufriedenstellung der Agenten, das sog. Shirking. Die Eigenkapitalgeber sind ihrerseits tendenziell an einer Maximierung des persönlichen Nutzens in Form möglichst hoher Dividendenzahlungen und einer Aktienkurssteigerung interessiert, die mit den Zielen der Unternehmensleitung konfligieren kann. Die Fremdkapitalgeber legen vorrangig Wert auf die Wahrung des betrieblichen Haftungspotenzials im Hinblick auf die Verhinderung hoher Ausschüttungen; es bestehen somit partielle Interes208 senkonflikte. Ferner ist eine asymmetrische Informationsverteilung zu unterstellen, d. h. die Agenten besitzen einen (wesentlichen) Informationsvorsprung gegenüber den Princi209 pals. Ein grundlegendes Klassifikationsmerkmal stellt der Entstehungszeitpunkt jener Informationsasymmetrien dar, auf den im Folgenden näher eingegangen wird. Das Problem der versteckten Eigenschaften (Hidden Characteristics) tritt vor Vertragsabschluss auf und beruht auf der Erkenntnis, dass die Kapitalgeber ex ante die tatsächliche

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Vgl. Fama 1980, S. 288-307; Jensen/Meckling 1976, S. 305-360; Ross 1973, S. 134-139; sowie hierzu im Einzelnen Fischer 1995, S. 320; Zimmermann/Wortmann 2001, S. 290. Vgl. Arrow 1985, S. 37-51; Pratt/Zeckhauser 1985; Spremann 1987, S. 3-38 sowie hierzu Fischer 1995, S. 320; modellhaft Müller 1995, S. 61; Wall 2003, S. 521-526. Vgl. Elschen 1991b, S. 1006; Ewert 1990, S. 17; Meinhövel 2005, S. 69-73; Mikus 1998, S. 452; Wenger/Terberger 1988, S. 506. Vgl. statt vieler Meinhövel 2005, S. 68. Vgl. grundlegend Agassi 1960, S. 244; Albert 1998, S. 240; Alchian/Demsetz 1972, S. 779 f.; Arrow 1994, S. 3 f.; Behrens 1986, S. 34; Eierle 2004b, S. 22 sowie hierzu ebenfalls Banzhaf 2006, S. 59; Hachmeister 2000, S. 20 f.; Stanke 2003, S. 16; Wüstemann 2002b, S. 27 f. Vgl. ausführlich Trost 2006, S. 377-392. Vgl. Witt 2001, S. 87. Beyhs spricht in diesem Zusammenhang von einem negativen Informationsinteresse der Unternehmensleitung gegenüber den Investoren, da ein Anreiz zur unvollständigen oder manipulierten Darstellung des Unternehmensgeschehens zur Verbesserung der eigenen Performance (positive Selbstdarstellungspolitik) besteht; vgl. Beyhs 2002, S. 53. Vgl. Elschen 1991a, S. 210 sowie hierzu kritisch Gedenk 1998, S. 25. Denkbar ist ebenfalls die Zielsetzung einer Konsummaximierung am Arbeitsplatz (Consumption on the Job) oder die Verfolgung einer risikoscheuen Investitionspolitik; vgl. Demsetz 1983, S. 377 und kritisch hierzu Breid 1995, S. 825 f. Ferner lassen sich Zielkonflikte zwischen dem Management und den Gläubigergruppen konstatieren. Die einseitige Ausrichtung am Shareholder Value und die damit verbundenen möglichen überhöhten Ausschüttungsforderungen der Investoren konterkarieren im Allgemeinen die Gläubigerinteressen, welche auf die Erhaltung der betrieblichen Haftungsmasse ausgerichtet sind; vgl. auch die tabellarische Übersicht von Kisser 2004, S. 13. Vgl. Pfaff/Zweifel 1998, S. 187. Vgl. statt vieler Fischer 1995, S. 320; Wagenhofer 1993, S. 239 sowie zur Modellierung einer „optimalen“ Informationsasymmetrie Rajan/Saouma 2006, S. 677.

34

Erster Hauptteil 210

Qualifikation der Agenten entweder nicht oder nur unzureichend beurteilen können. Als Folge dieser Hidden Characteristics besteht die Gefahr, dass im ungünstigsten Fall die Wahl auf einen vollkommen ungeeigneten Agenten fällt, d. h. dass die Principals eine Ne211 gativauslese (Adverse Selection) vornehmen. Letztere haben zu befürchten, dass ein Agent mit nur durchschnittlichen Qualitäten seine Eigenschaften im „Vorstellungsgespräch“ zu positiv darstellt bzw. eine überragende Qualifikation imitiert und letztlich infolge jener 212 erfolgreichen Selbstdarstellungspolitik den Arbeitsvertrag erhält. Ein bedeutsames Fallbeispiel zur Beschreibung der Adverse Selection stammt von Akerlof, der in seiner Abhandlung „The Market for Lemons“ die Agency-Problematik auf dem Ge213 brauchtwagenmarkt untersucht. Hiernach existieren auf dem Markt lediglich zwei Güteklassen, gute („Cherry“) und schlechte („Lemon“). Die potenziellen Nachfrager können die Qualitätsunterschiede der Fahrzeuge nicht erkennen und bewerten somit alle Produkte mit einer durchschnittlichen Qualität, so dass zunächst alle Güter zu einem identischen 214 (durchschnittlichen) Preis gehandelt werden (sog. Pooling). Da die Anbieter schlechter Qualität aus dem Erlös profitieren und die Verkäufer guter Qualität einen Verlust erleiden, werden letztere langfristig aus dem Markt verdrängt bzw. austreten. Im Zeitablauf werden nur noch schlechte Güter gehandelt und der Marktmechanismus versagt („Market 215 Clash“). Im Schrifttum wird auf die Erkenntnis verwiesen, dass der modellhafte „Lemons Market“ nach Akerlof sich grds. nicht vom Markt für Unternehmen unterscheidet und da216 her für die vorliegende Betrachtung Berücksichtigung finden kann. Sofern die in Rede stehenden börsennotierten Publikumsgesellschaften nach der Agency Theory keine Zusatzberichterstattung betreiben, um gegenüber dem Kapitalmarkt die zentralen immateriellen Werttreiber zu kommunizieren, können die Investoren die Qualitätsunterschiede der analysierten Vergleichsunternehmen lediglich unzureichend erkennen. Mithin werden die erhöhten Kosten aus einer verstärkten Investitionstätigkeit in das immaterielle Vermögen nicht durch geringere Kapitalkosten kompensiert. Als Konsequenz wird unter Berücksichtigung der Erkenntnisse von Akerlof das Unternehmen entweder seine Investitionen kür210 211

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Vgl. Günther 2004, S. 326; Hess 1999, S. 1505; Vincenti 2002, S. 202. Vgl. Baetge/Lienau 2005, S. 67. Im Schrifttum wird die Adverse Selection auch als „ex-anteInformationsproblem“ oder als „Identifikationsproblem“ bezeichnet. Decker 1994, S. 19. Vgl. Jost 2001b, S. 28; Watrin 2001b, S. 39. Die Selbstdarstellungspolitik ist als zentraler Bestandteil einer wertorientierten Unternehmenskommunikation anzusehen; vgl. hierzu Abschn. II.C.3 und II.C. 4 dieses Hauptteils. Vgl. im Einzelnen Akerlof 1970, S. 488 f. sowie grundlegend zu den Auswirkungen der Adverse Selection u. a. Borchert/Goos 2004, S. 4 f.; Franke 1993, Sp. 39; Günther 2004, S. 327; Meinhövel 1999, S. 15; Vincenti 2002, S. 202. Vgl. Akerlof 1970, S. 489 sowie weiterführend Petersen 2007, S. 309; Spremann 1990, S. 574. Vgl. Petersen 2007, S. 310. Im Jahre 2001 wurde der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften zur Analyse von Märkten mit asymmetrischer Information an Akerlof, Spence und Stiglitz vergeben. Spence und Stiglitz haben die Ausführungen von Akerlof zum Market for Lemons in ihren Arbeiten aufgegriffen und Lösungsvorschläge formuliert, wobei Spence den Arbeits- und Stiglitz den Versicherungsmarkt fokussiert; vgl. im Detail Spence 1973, S. 355-374 und Stiglitz 1975, S. 283-300; Stiglitz/ Weiss 1981, S. 393-410; Stiglitz/Weiss 1983, S. 912-927 sowie hierzu ebenfalls Borchert/Goos 2004, S. 8-16. Allerdings ist die Agency-Problematik in praxi als wesentlich vielschichtiger zu qualifizieren, da verschiedene Merkmalsausprägungen bezüglich der Qualität von Informationen festzustellen sind; vgl. hierzu Strasser 2000, S. 25.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

35

zen, um sich dem kostengünstigeren Qualitätsniveau der anderen Anbieter anzupassen oder langfristig den Markt verlassen. Zur Überwindung oder Verringerung dieser aufgezeigten Adverse Selection-Problematik erfolgt ein Rückgriff auf die Signalling- und Screening Theory. Beim Signalling sendet die Unternehmensleitung vor Vertragsschluss informationserhöhende Signale aus, die auf positive (zielkonforme) Eigenschaften oder Leistungen im Sin217 ne einer „Selbstempfehlung“ schließen lassen. Der Empfänger versucht, mittels der Sig218 nale auf das nicht beobachtbare Merkmal zu schließen. Dabei spielt die noch darzule219 gende Investor Relations-Politik einschließlich der Qualität und Quantität der (freiwilli220 gen) Unternehmensberichterstattung über immaterielle Werttreiber eine zentrale Rolle. Da ein Großteil der verwendeten Signale des Managements subjektiver Natur ist und sich ggf. einer Nachprüfbarkeit zum Zeitpunkt ihrer Versendung entzieht (z. B. die Auswirkungen einer erhöhten Investitionstätigkeit in den Humankapitalbestand auf die zukünftige 221 222 Reputation des Unternehmens), besteht das Risiko, dass nicht wahrheitsgemäße und 223 nicht vertrauenswürdige Informationen übermittelt werden, die ihrerseits auf eine mög224 lichst positive Darstellung der Management Performance abzielen. Dies wird im anglo225 amerikanischen Rechtskreis mit dem Terminus „Hockey Stick Planning“ belegt. Um dem 226 Risiko einer möglichen Informationsüberflutung (Information Overflow) infolge einer Aussendung zu vieler und unstrukturierter Signale entgegenzuwirken, bedarf es einer „ge-

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Vgl. bereits Spence 1973, S. 357 sowie hieran anknüpfend Clement 2005, S. 362; Doll 2000, S. 39; Strasser 2000, S. 22; Vest 1999, S. 84 f. Ein bedeutsames Beispiel für eine Signalling-Strategie stellt der Deutsche Corporate Governance Kodex (DCGK) dar, welcher einer Selbstbindung börsennotierter Aktiengesellschaften mit Ausstrahlungswirkung auf sonstige Unternehmungen gleichkommt (Soft Law). Die Befolgung der Empfehlungen und Anregungen des DCGK wird als Best Practice vom Kapitalmarkt mit entsprechenden Risikoabschlägen auf die (Eigen-) Kapitalkosten honoriert; vgl. auch die weitergehenden Ausführungen zur Implementierung eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex in Abschn. V.A.1 des Dritten Hauptteils. Vgl. Strasser 2000, S. 22. Vgl. grundlegend zur Investor Relations-Politik Abschn. II.C.3 dieses Hauptteils. Vgl. statt vieler zum Signalisierungscharakter der freiwilligen Unternehmensberichterstattung Daske 2005, S. 460. Vgl. ausführlich zur Reputationspolitik Spremann 1988, S. 619, wonach die Reputation eine Erwartungshaltung des Prinzipals gegenüber den Agenten errichtet, d. h. ein ausreichendes Sorgfaltsniveau im Hinblick auf die Versendung der Signale erwartet wird. Der „gute Ruf“ kann dabei leicht durch den Prinzipal zerstört werden, so dass die Strafandrohung den Agenten zur Sorgfalt animiert; vgl. zur Bedeutung von Reputation i. R. d. Auditing die Ausführungen in Abschn. III.C.2 dieses Hauptteils. Vgl. zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung des Managements (Revelation Principle) Myerson 1979, S. 66 f. sowie hierzu ebenfalls Ballwieser 2002d, S. 298. Vgl. zum Vertrauensbegriff Sjurts 1998, S. 285. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls die Unseriösität vieler Ad hoc-Meldungen der New Economy am Ende des vorangegangenen Jahrhunderts, die zu einer erheblichen Erschütterung des Vertrauens der Kapitalmarktteilnehmer geführt haben. Dabei wird angenommen, dass die Cash Flow-Planung sowie die Festlegung des Diskontierungszinssatzes nicht der branchenüblichen Bandbreite entsprechen (sog. Phantomunternehmen); vgl. hierzu Tichy/Barborka 1999, S. 643. Vgl. zum Information Overflow im Business Reporting u. a. die Ausführungen in Abschn. III.C.3.c) des Dritten Hauptteils.

36

Erster Hauptteil 227

zielten (dosierten)“ Berichterstattungspolitik . Jene und weitere Einschränkungen des Signalling (z. B. Aspekte der Konkurrenzanalyse) werden im weiteren Verlauf der Unter228 suchung noch näher ausgeführt. Des Weiteren haben die Signale, damit diese das Krite229 rium der Glaubhaftigkeit erfüllen, bestimmte Eigenschaften zu erfüllen. Während das Signalling die Agenten zur aktiven Mithilfe zur Minderung des Informationsgefälles auffordert, setzt die Screening Theory, die auch unter der Terminologie der 230 231 Selbstauslese (Self Selection) geführt wird, bei den Bemühungen der Principals an. Das Ziel besteht in der Erkennung der Qualität der abgesendeten Signale der Unternehmensleitung, um darauf aufbauend die jeweilige Anlageentscheidung auszurichten. In der Unternehmenspraxis wird zur Entscheidungsunterstützung der (privaten) Investoren vielfach auf 232 den Einsatz von Finanzintermediären, Fondsgesellschaften und Rating-Agenturen zu233 rückgegriffen. Die Rating-Ergebnisse hängen hierbei im Wesentlichen von der jeweiligen Ausgestaltung des zukunftsorientierten Reporting ab. Das Financial Accounting, welches primär vergangenheitsorientierte Unternehmensdaten enthält, kann für die Bonitätseinschätzung der Aktien lediglich eine unzureichende Hilfestellung geben. Die Beurteilung des zukünftigen Erfolgspotenzials setzt hingegen ein Business Reporting voraus, welches über das gesetzlich geforderte Maß hinausgeht. Während die Adverse Selection Situationen vor Vertragsabschluss fokussiert, erfasst das Problem des moralischen Risikos (Moral Hazard) die Unsicherheiten des Investors, die mit der Beurteilung der Handlungen des Managements nach Abschluss des Kontrakts verbun234 den sind. Das Moral Hazard-Risiko ist beim Intangible Asset- bzw. Goodwill Accoun227

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Vgl. zum Kommunikationsbegriff u. a. Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 31 f. sowie zu ausgewählten Kommunikationsmodellen Hütten 2000, S. 13-23. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.c) und d). Die Signale müssen von „guten“ Unternehmen kostengünstiger erzeugt werden als von „schlechten“, die Vorteile aus der Signalübertragung müssen für die „guten“ Unternehmen höher ausfallen als die Kosten und die Kosten der Signalproduktion müssen bei den „schlechten“ Unternehmen so hoch sein, dass die bewusste Falschaussendung sich nicht rentiert; vgl. Figlin 2006, S. 30 sowie Spremann 1996, S. 721. Vgl. stellvertretend Hartmann-Wendels 1989, S. 714; Spremann 1987, S. 26; Spremann 1990, S. 563. Vgl. Stiglitz 1975, S. 283 f. sowie u. a. mit Bezug zum deutschen Gesellschaftsrecht Günther 2004, S. 327. Dabei stellen Anlagen in Index Fonds oder gemanagte Fonds eine vielfach genutzte Strategie zur Überwindung von Informationsasymmetrien dar; vgl. Clement 2005, S. 364. Ein international renommiertes Rating-Unternehmen stellt u. a. Standard & Poor’s dar, dem jedoch infolge des Einflusses von Lobbyisten vielfach eine unzureichende Unabhängigkeit attestiert wird. Im Jahre 2003 plante das Deutsche Aktieninstitut (DAI) die Errichtung einer unabhängigen RatingAgentur für Aktien (Equirate). Die Agentur sollte eine Qualitätsaussage über die jeweilige Aktie treffen und in diesem Sinne einen wesentlichen Beitrag zur Kapitalmarktüberwachung leisten. Aus finanziellen Gründen konnte das Projekt jedoch (bislang) nicht realisiert werden; vgl. Clement 2005, S. 363. Neben dem Moral Hazard wird im Schrifttum die sog. Holdup Theory angeführt. Der Unterschied zwischen beiden Strömungen besteht darin, dass das tatsächliche Entscheidungsverhalten des Agenten beim Holdup ex post verifiziert werden kann. Beim Moral Hazard hingegen tritt neben dem Verhaltensrisiko des Agenten zusätzlich ein weiteres, exogenes Risiko hinzu. In diesem Sinne ist eine vollständige Risikodiversifizierung nicht erreichbar. Da diese Annahme im Allgemeinen ebenfalls mit der Empirie übereinstimmt, wird im Folgenden der Holdup Theory nicht weiter gefolgt; vgl. detailliert (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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ting und Reporting besonders ausgeprägt, weil sich die in Rede stehenden Werttreiber 235 durch eine hohe Exklusivität und Spezifität auszeichnen. Hierbei kann der Unternehmenseigner das Verhalten der Geschäftsführung nicht unmittelbar beobachten, so dass in diesem Fall zunächst eine Informationsasymmetrie aufgrund 236 verborgener Handlungen (Hidden Action) zu konstatieren ist. Das moralische Risiko beschreibt die Gefahr, dass die Agenten den Informationsnachteil der Principals zu ihren eigenen Gunsten ausnutzen. Hinzu kommen externe Umwelteinflüsse, z. B. die konjunkturelle Situation, das Konkurrenzverhalten oder die Qualität der Einsatzfaktoren, welche durch die Kapitalgeber nicht oder lediglich unzureichend abgeschätzt werden können. Ferner kann das Management bei der Durchführung seiner vertraglich fixierten Aufgaben entscheidungsrelevante Informationen den Investoren bewusst vorenthalten, z. B. die Einschätzung der Konkurrenzsituation des Unternehmens aufgrund aktuellerer Plandaten, des bestehenden und künftigen Marktpotenzials oder über die Entwicklung originärer immate237 rieller Werttreiber. Durch diesen Informationsvorsprung sind die Agenten somit in der Lage, den künftigen Erfolg der Unternehmung zutreffender zu beurteilen als die Principals und das Vorgehen an die eigenen Ziele, z. B. Maximierung der Vergütungsprämien, anzupassen. Diese Agency-Problematik wird im Schrifttum als verborgene Information (Hid238 den Information) bezeichnet. Das Phänomen des Moral Hazard führt zu einer ineffizienten Kapitalallokation und beeinträchtigt die Zielsetzung der Nutzenmaximierung der Principals. Die ungleichmäßige Informationsverteilung zwischen Management und Investoren verursacht bei letzteren Agen239 cy Costs. . Die langfristige Senkung der Agency Costs kann einerseits durch Überwachung (Monito240 ring) oder durch Selbstbindung der Agenten (Bonding) erreicht werden. Allerdings fallen

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Alchian/Woodward 1987, S. 110-136; Klein/Crawford/Alchian 1978, S. 297-326 sowie hierzu Günther 2004, S. 327; Hachmeister 2002d, S. 140 f.; Spremann 1989, S. 742 f. Vgl. ausführlich zum inhärenten Risiko Abschn. I.A des Vierten Hauptteils. Vgl. Ross 1973, S. 134 sowie ergänzend Demougin/Jost 2001, S. 46 f.; Hagenloch 2005, S. 484 f.; Hagenloch 2006, S. 226; Hartmann-Wendels 1989, S. 714; Hartmann-Wendels 1992a, S. 413; Jost 2001b, S. 25; Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 25; Strasser 2000, S. 28; Wenger/Terberger 1988, S. 507. Ein Beispiel für die Hidden Action-Problematik stellt die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe bzw. das Ausnutzen von Ermessenspielräumen i. R. d. Financial Accounting und Business Reporting dar, sofern diese für den Analysten weitgehend unerkannt bleiben; vgl. hierzu Böcking 1998, S. 26 sowie die Ausführungen zum Earnings Management nach IFRS in Abschn. III.A des Zweiten Hauptteils. Vgl. Decker 1994, S. 19. Vgl. Hartmann-Wendels 1992a, S. 413; Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 24; Picot 1991, S. 152; Strasser 2000, S. 29. Vgl. stellvertretend Ewert 1984, S. 825; Hartmann-Wendels 1991, S. 191. Vgl. grundlegend Jensen/Meckling 1976, S. 308 sowie hierzu ebenfalls Eierle 2004b, S. 32 f.; Ewert 1990, S. 29 f. Das Bonding kann z. B. darin bestehen, vertragliche Rechenschaftspflichten gegenüber den Prinzipalen zu implementieren; vgl. auch Arrow 1994, S. 1-9, dass der Wert einer Information immer erst dann hinreichend bestimmbar ist, wenn die Information bereits beschafft wurde (ArrowParadoxon). Diese langfristige Bindung (Commitment) zwischen Eigentümer und Management wird im Schrifttum als vertikale Integration erfasst; vgl. detailliert Günther 2004, S. 328.

38

Erster Hauptteil

bei der Kontrolle des vertragsgerechten Managementverhaltens und der Darlegung der Unternehmensleitung, im Sinne der Investoren zu handeln, ebenfalls Aufwendungen (Monito241 ring- und Bonding Costs) an, die den Agency Costs zu subsumieren sind. Eine vollständige Ausschaltung der Agency Costs lässt sich ohnehin nicht erzielen, da unabhängig da242 243 von Residualverluste anfallen. Diese Wohlfahrtseinbußen stellen ein wesentliches 244 Merkmal unvollständiger Verträge dar. Eine Vielzahl von Untersuchungen, welche darauf abzielten, einen empirischen Nachweis für die aus der Agency Theory resultierenden Implikationen zu erbringen, gelangte bisher 245 zu statistisch nicht signifikanten Ergebnissen , sodass zu vermuten ist, dass Vertragsbeziehungen existieren, bei denen die Partner ohne Agency Costs in ihren jeweiligen Hand246 lungen „implizit die gegenseitigen Interessen abwägen“ . Mit der Ausrichtung der Unter247 nehmenspolitik am Shareholder Value-Prinzip wurde verstärkt auf die Implementierung 248 249 finanzieller Anreize (Incentives) durch ein erfolgsabhängiges Vergütungssystem hin250 gewiesen, welches sicherstellt, dass die Agenten im Interesse der Principals handeln. Allerdings hängt ihre praktische Ausgestaltung wesentlich von der individuellen Risikopräfe251 252 renz der Vertragsparteien und der Einhaltung der Zielkongruenz ab. Neben der Zahlung von Erfolgsprämien, die an Unternehmenskennzahlen geknüpft sind, erfahren Stock 253 Option Plans in der jüngeren Vergangenheit eine wachsende Bedeutung. Neben dem Produkt-, Arbeits-, und Kapitalmarkt hat sich überdies gegen Ende der 1990er Jahre in Deutschland ein Markt für feindliche Übernahmen, der Markt für Unternehmens-

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Vgl. stellvertretend Meinhövel 2004, S. 472. Eine eindeutige Quantifizierung und Abgrenzung der Agency Costs stellt in der Empirie ein problembehaftetes Unterfangen dar; vgl. auch Vest 1999, S. 22. Residualkosten messen den Wohlfahrtsverlust der Principals, der aus der Abweichung zwischen der tatsächlich durchgeführten Handlung und der für den Prinzipal nutzenmaximierenden Handlung des Agenten (First Best) resultiert, obwohl gleichzeitig ein optimaler Monitoring- und Bonding-Aufwand vorliegt; vgl. Jensen/Meckling 1976, S. 308. Vgl. etwa Kuhner 2005c, S. 7; Vest 1999, S. 22. Vgl. Fama/Jensen 1983, S. 304 sowie Jensen/Meckling 1976, S. 308 f. Vgl. u. a. die Ergebnisse bei Titman/Wessels 1988, S. 1-19. Gerke 2001, Sp. 35, der ein „langfristig gewachsenes Vertrauensverhältnis“ unterstellt. Vgl. die grundlegenden Ausführungen in Abschn. II.B.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. grundlegend zur Ausgestaltung von Anreizsystemen Awasthi/Pratt 1990, S. 797-811; Bamberg/ Trost 1998, S. 91-109; Nicolai 2006, S. 1208-1212; Wagenhofer 1999, S. 183-204. Vgl. weiterführend AKWF 2006, S. 2066-2076; Semler 1995, S. 53 f. Vgl. u. a. Gedenk 1998, S. 22; Günther/Plaschke 2004, S. 1211-1220; Hartmann-Wendels 1989, S. 714; Laux 1990a, S. 6; Schaffer 2005, S. 10; Stelter/Roos 1999, S. 1122-1128; Wagenhofer 1996b, S. 155 f.; Winter 1997, S. 615. Neben der ausreichenden Qualifikation der Unternehmensleitung muss diese auch motiviert sein, im Sinne der Eigentümer zu handeln (Grundsatz der Anreizkompatibilität); vgl. klarstellend Velthuis/Wesner/Schabel 2006b, S. 462 sowie kritisch zu verzerrten Anreizverträgen Kopel 1998, S. 531; Sliwka 2003, S. 293; auf Basis eines Linerar Exponential Normal (LEN)-Modells u. a. Graßhoff/Schwalbach 1999, S. 438; Thamm/Gillenkirch 2006, S. 445. Vgl. Ewert 2006a, S. 181. Vgl. Strasser 2000, S. 32. Vgl. u. a. (empirisch) Engelbergs/Sautner 2006, S. 903-931; Langmann 2007, S. 85-106; Picot/ Schuller 2001, S. 93 f.; Rossmanith/Funk/Alber 2006, S. 484; Winter 2003, S. 121-143.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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kontrolle (Outsider Model) gebildet, der als Katalysator für die Ausbreitung des Share255 holder Value-Konzepts fungiert. Die grundlegende disziplinierende Wirkung des Markts für Unternehmenskontrolle auf das Verhalten des Managements börsennotierter Publi256 kumsgesellschaften wurde zuerst von Manne detailliert dargelegt. Bei dieser Konkurrenz 257 „einzelner Managementteams um die Vorherrschaft über einzelne Unternehmen“ erfolgt die Sanktionierung einer schlechten Performance der Unternehmensleitung mit höheren 258 259 Kapitalkosten bzw. sinkenden Aktienkursen. Die nachhaltige Unterbewertung am Ka260 261 pitalmarkt motiviert vor allem institutionelle Investoren (Corporate Raiders) , ein grö262 ßeres Aktienpaket zu erwerben (Hostile Takeovers) und die Geschäftsleitung mittel- bis langfristig auszutauschen, um eine langfristige Steigerung des Unternehmenswerts zu rea263 lisieren. Im Schrifttum wird auf den Umstand verwiesen, dass bereits die theoretische Möglichkeit einer Übernahme die Unternehmensleitung zu einem zielkonformen Verhalten 264 anhalten soll. In der Vergangenheit spielte der Markt für Unternehmenskontrolle bei der 265 „Deutschland AG“ lediglich eine untergeordnete Rolle, da die Eigentümerstrukturen durch eine starke Konzentration des Aktienbesitzes, einen beherrschenden Einfluss von 266 267 Großbanken (Insider Model) sowie durch die unternehmerische Mitbestimmung der 268 Arbeitnehmer geprägt wurden. In jüngerer Zeit zeichnet sich jedoch eine entgegengesetz269 te Tendenz („Entflechtung der Deutschland AG“ ) ab, die u. a. durch die abgeschlossene 270 271 Transformation der EU-Übernahme-Richtlinie eine Beschleunigung erfahren hat.

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Vgl. Hartmann-Wendels 1991, S. 354; Strenger/Rott 2004, S. 226 f.; Watrin 2001b, S. 20. Vgl. Günther 2004, S. 317; Hachmeister 2000, S. 22 f.; Höpner/Jackson 2001, S. 544 f.; Knorren 1998, S. 7; Lüßmann 2004, S. 36 f.; Matthes 2000, S. 18; zu einem Vergleich der Aktienmarktkontrolle in Deutschland und Japan Waldenberger 2000, S. 100 f. und weiterführend zur Shareholder Value-Konzeption Abschn. II.C dieses Hauptteils. “The lower the stock price, relative to what it could be with more efficient management, the more attractive the take-over becomes to those who believe that they can manage the company more efficiently”, Manne 1965, S. 113; vgl. auch die Darlegungen von Vest 1999, S. 79. Hachmeister 2002a, Sp. 490. Vgl. grundlegend zur Bedeutung der Kapitalkosten für die Unternehmensbewertung Gleißner 2005b, S. 217. Vgl. Schander/Lucas 1998, S. 76 sowie hierauf abstellend Lüßmann 2004, S. 41; Vest 1999, S. 79 f.; Watrin 2001b, S. 87 f. Ein (angemessen) hoher Börsenkurs wird als wirksamstes Instrument gegen feindliche Übernahmen erachtet; vgl. hierzu u. a. Bergmann/Butzlaff 1998, S. 209. Vgl. statt vieler zum Begriff der Corporate Raider Knorren 1998, S. 7 f. Vgl. zu deren Bedeutung im Hinblick auf die Kapitalmarkteffizienz Wels 2004, S. 153-166; Wendt 2005, S. 417-422; Zöllner 2005, S. 242 f. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Grothe 2006, S. 35. Vgl. etwa Bergmann/Butzlaff 1998, S. 209. Vgl. u. a. Höpner/Jackson 2001, S. 546. Vgl. für eine definitorische Abgrenzung Kengelbach/Roos 2006, S. 12. Vgl. Strenger/Rott 2004, S. 227. Paetzmann verwendet hierbei den Terminus „Managed Governance“, Paetzmann 2007, S. 303. Vgl. zur verhandlungstheoretischen Modellierung u. a. Witt 2001, S. 97 f. Vgl. Höpner/Jackson 2001, S. 549, die von einer „Giftpille” gegen feindliche Übernahmen sprechen. Vgl. u. a. empirisch Kengelbach/Roos 2006, S. 12-21 sowie grundlegend Baums 2004, S. 39; Fockenbrock/Stratmann 2006, S. 14 („Netzwerk der Deutschland AG dünnt aus“); Rudolf 2005, S. 7; Strenger/Rott 2004, S. 225 f.; Wieandt/Smith 2006, S. 14-19. Eine vergleichbare Entwicklung lässt (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Erster Hauptteil 272

Der Markt für Unternehmenskontrolle als „Motor der Allokationseffizienz“ erfährt je273 doch im Schrifttum zugleich eine kritische Würdigung. Hierbei wird u. a. befürchtet, dass die strategische Unternehmenspolitik lediglich kurzfristiger Natur sein könnte, um den aktuellen Aktienkurs zu steigern und eine Überbewertung des Unternehmens herbeizuführen, um potenziellen Aufkäufen oder Übernahmen entgegenzuwirken. Ebenso erfolgt ein Rückgriff auf das o. g. Random Walk Theorem, wonach eine momentane Unterbewertung von Unternehmen nicht immer auf eine schlechte Managementleistung oder eine „in274 vestorfeindliche“ Unternehmenspolitik zurückzuführen ist. Empirische Untersuchungen zur Funktionalität des Markts für Unternehmenskontrolle haben überdies ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit einer feindlichen Übernahme mit steigender Unternehmensgröße 275 sinkt. Eine zeitnahe Sanktionierung einer schlechten Management Performance bei börsennotierten Publikumsgesellschaften durch den Kapitalmarkt kann somit nicht generell angenommen werden. Neben der Principal Agent Theory als Basismodell der Neuen Institutionenökonomie haben sich weitere Konzepte zur Erklärung von Informationsineffizienzen herausgebildet, wobei insbesondere der Transaktionskostentheorie sowie der Theorie der Verfügungsrechte ein zentraler Stellenwert beigemessen wird. Eine exakte inhaltliche Trennung zwischen 276 den drei o. g. Theorien ist angesichts der hohen Interdependenzbeziehung nicht möglich.

2.

Transaction Cost- und Property Rights Theory 277

Die Transaktionskostentheorie (Transaction Cost Theory) lässt sich auf die Frage von Coase zurückführen, warum sich in der Empirie hierarchisch strukturierte Unternehmen bilden können, zumal die h. M. von einer Überlegenheit der freien marktwirtschaftlichen

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sich derzeit auch im japanischen Kapital- und Gesellschaftsrecht feststellen („Das Land des Lächelns zeigt die Zähne“); vgl. hierzu Kübler 2006, S. 213-217. Vgl. EU-Übernahmerichtlinie, S. 12-23 sowie hierzu im Einzelnen Lanfermann/Maul 2004, S. 1517. Mit dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG, S. 3822-3841) hat der deutsche Gesetzgeber bereits im Jahre 2001 zahlreiche Regelungen der EU-Übernahme-Richtlinie vorweggenommen. Mit dem Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz (vgl. ÜUG, S. 1426-1434) sind die noch ausstehenden Anpassungen an das WpÜG erfolgt; vgl. hierzu im Einzelnen Seibt/Heiser 2006, S. 301; Van Kann/Just 2006, S. 328. Vgl. zur Konvergenz des Insider- und Outsider-Systems insbesondere Rudolf 2005, S. 6 f. und weiterführend zum wachsenden Einfluss von Investoren auf die Unternehmensstrategie Landgraf/Potthoff 2006, S. 21. In jüngerer Zeit wird die zunehmende Entflechtung der Deutschlang AG durch die empirische Studie der Institutional Shareholder Services Europe (ISS), des European Corporate Governance Institute (ECGI) und der Anwaltskanzlei Shearman & Sterling gestützt; vgl. ISS/ECGI/Shearman & Sterling 2007, S. 47-49. Wenger 2001, Sp. 2096 f. Vgl. u. a. die Anmerkungen von Lüßmann 2004, S. 48 f. m. w. N. Vgl. etwa Wenger 2001, Sp. 2096 f.; grundlegend zum Random Walk Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. Grothe 2006, S. 37. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Möller 2002, S. 101; Picot 1991, S. 147. Unter Transaktionen wird im Nachfolgenden der Austausch von Gütern zwischen mehreren Verhandlungsparteien verstanden.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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Rahmenordnung ausgeht. Die Existenz von Unternehmen erklärt Coase mit durch Markt279 unvollkommenheiten resultierende Transaktionskosten (Transaction Costs) , die bei sämt280 lichen Tauschaktivitäten anfallen. Die Erklärung von Transaktionskosten erfolgt am Bei281 spiel der vertikalen Integration. Transaktionen lassen sich als vertragliche Übertragung 282 283 von Verfügungsrechten (Property Rights) materieller und immaterieller Art definieren, die je nach Ausgestaltung bestimmter Verhaltensannahmen und Umweltfaktoren Kosten 284 verursachen. Die Property Rights unterteilen sich in das Recht, das Gut zu nutzen (z. B. Nutzung des verfügbaren Humankapitals der Mitarbeiter), es zu verändern (z. B. Ausbau der Kundenbeziehungen), aus ihnen Gewinne und Verluste zu tragen (z. B. Mehrgewinne durch die positive Unternehmensreputation), sowie es zu veräußern (z. B. Verkauf von Patenten). Neben Koordinationskosten, die bei der Lösung von Koordinationsproblemen ent285 286 stehen , lassen sich Motivationskosten zur Überwindung von Motivationsschwierigkei-

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Vgl. Coase 1937, S. 390; Coase 1998, S. 72 sowie hierzu im Einzelnen Barzel/Kochin 1992, S. 19; Bischof 2002, S. 35; Langerfeldt 2002, S. 653; Schwab 1993, S. 359. Angesichts der Tatsache, dass sämtliche Informationen über den Preismechanismus berücksichtigt werden, ist im theoretischen Sinne der Markt als allokationseffizient zu klassifizieren. Eine geschlossene Theorie hat Williamson vorgelegt; vgl. Williamson 1975; Williamson 1981, S. 548-577; Williamson 1983, S. 351-366; Williamson 1985; Williamson 1991, S. 13-49 sowie hierzu im Einzelnen Lange 1999b, S. 106; Langerfeldt 2002, S. 654; Picot/Dietl 1990, S. 178 f.; zur Theorie der Unternehmung Hax 1991, S. 51-66; Kirsch 1969, S. 665; Kubicek 1981, S. 458; Mroß 2002, S. 1405; Richter 1991, S. 395-424. Die ursprünglich von Coase verwendete Terminologie der Marketing Costs wird derzeit nicht mehr verwendet; vgl. bereits Schneider 1985, S. 1239; Schneider 1992, S. 8; anderer Ansicht scheinbar Jansen 2005b, S. 109. „The main reason, why it is profitable to establish a firm would seem to be that there is a cost of using the price mechanism.” Coase 1937, S. 38 und vgl. darauf Bezug nehmend Klaes 2000, S. 191 f.; Langerfeldt 2002, S. 653; Möller 2002, S. 107; Picot/Dietl 1990, S. 178; Osburg 1994, S. 289. Nach Ansicht von Schneider stellen die Ausführungen von Coase lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen“ dar, weil bereits die Vertreter von Smith „eine ausführliche Beschreibung dessen, was heute Transaktionskosten heißt“, vorgelegt haben, Schneider 1985, S. 1239. Vgl. Jansen 2005b, S. 109. Vgl. hierzu auch Dietl 1993, S. 57; Feldmann 1995, S. 46; Jansen 2005b, S. 105 f.; Lange 1999b, S. 110; Möller 2002, S. 114-116; Picot/Schuller 2001, S. 83; Stoi 2002, S. 262 sowie Zons 2006, S. 28. In diesem Zusammenhang ist auf die Weiterentwicklung der Transaktionskostentheorie zur Theorie unvollständiger Verträge durch Grossman/Hart hinzuweisen; vgl. Grossman/Hart 1986, S. 691. Bei unvollständigen Verträgen werden im Vorhinein nicht für alle denkbaren Umweltzustände die daraus abzuleitenden Ansprüche präzisiert, um die Vertragskosten zu senken und eine weitgehende Flexibilität zu gewährleisten; vgl. Bischof 2002, S. 61; Erlei/Jost 2001, S. 48. Vgl. zur Betonung immaterieller Verfügungsrechte auch Jansen 2005b, S. 105. Vgl. u. a. Günther 2004, S. 324; Möller 2002, S. 106; Picot 1991, S. 147; Picot 1993, Sp. 4195 sowie zur Interdependenz zwischen der Höhe der Transaktionskosten und der Verteilung der Property Rights stellvertretend Bischof 2002, S. 37; Picot/Dietl 1990, S. 178; Picot/Schuller 2001, S. 82 f.; Vest 1999, S. 15 f. Die Gegenüberstellung von Human- und Environmenal Factors bilden das Organizational Failures Framework; vgl. Williamson 1975, S. 40 sowie hierzu im Einzelnen Güntzel/Reinhard 2007, S. 285; Kaas/Fischer 1993, S. 687; Möller 2002, S. 108. Als Beispiele werden Vertragsanbahnungskosten und Vertragsabschlusskosten angeführt. Der Transaktionskostenbegriff geht dabei weit über das pagatorische Kostenverständnis hinaus; vgl. Kaas/Fischer 1993, S. 688. Eine Unterteilung erfolgt in Absicherungs- und Durchsetzungskosten; vgl. die tabellarische Darstellung bei Erlei/Jost 2001, S. 39 sowie weiterführend Picot 1982, S. 270.

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Erster Hauptteil 287

ten verifizieren. Die Vernachlässigung von Transaktionskosten würde - nach dem Theo288 rem von Modigliani und Miller - im Endeffekt jegliche Normierung des Financial Accounting und Standardisierung des Business Reporting irrelevant erscheinen lassen, da sich die Kapitalmarktteilnehmer die gewünschten Informationen je nach Belieben zusammen289 stellen können. Auf Basis der Transaktionskostentheorie lässt u. a. die Berechtigung zur 290 Implementierung und Fortentwicklung des betrieblichen Kostenmanagements ableiten. Zwischenzeitlich erfolgte der empirische Nachweis, dass ein Großteil der Transaktionskosten von der Dauer der Transaktionsbeziehung (Economies of Learning), von den Erfahrungen (Economies of Experience) und dem Ausmaß des Vertrauens (Economies of Reputati291 on) abhängig ist. Bei börsennotierten Publikumsgesellschaften, welche der Untersuchung zugrunde liegen, 292 sind die Property Rights „stark verdünnt“ , weil angesichts der breiten Aktienstreuung sowie der Trennung von Eigentum und Leitung keine optimale Governance-Struktur - z. B. 293 im Vergleich zu einer einzelgeführten Personengesellschaft - vorliegt. Die Verfügungsrechte sind bei einem Großteil der immateriellen Vermögenswerte und des Goodwill begrenzt, weil diese häufig nicht auf einem aktiven Markt gehandelt und andere Parteien nicht vollständig von der Nutzung ausgeschlossen werden können (partielle Exkludierbar294 keit). Ein Beispiel für negative Spillover-Effekte stellt der Wechsel eines Mitarbeiters zum Konkurrenzunternehmen dar. Die in der Vergangenheit getätigten Investitionen zum Aufbau und zur Erhöhung des Humankapitalbestands des betreffenden Mitarbeiters bilden 295 dann versunkene Kosten (Sunk Costs) . Hieraus ergeben sich die u. a. für die Prüfung 296 immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill charakteristischen inhärenten Risiken. Allerdings sind im Gegenzug Situationen denkbar, in denen die Gütertransaktion in hierar297 chischen Unternehmen kostengünstiger ausfällt als auf dem freien Markt. Die beiden 298 grundlegenden Verhaltensannahmen stellen nach Simon die begrenzte Rationalität und 299 300 der Opportunismus dar, während die Unsicherheit bzw. Komplexität sowie die Spezifi287 288 289 290

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Vgl. etwa Erlei/Jost 2001, S. 38. Vgl. Modigliani/Miller 1958, S. 261-297 sowie grundlegend auch Gontermann 2007, S. 1048-1050. Vgl. hierzu auch Ewert 1993, S. 717; Hartmann-Wendels 1991, S. 9. Vgl. ausführlich Möller 2002, S. 109 f. sowie zum Stellenwert hinsichtlich der wertorientierten Unternehmenssteuerung Dritter Hauptteil, Abschn. I.B.2. Vgl. hierzu ausführlich Albach 1999, S. 419. Picot/Schuller 2001, S. 88. Vgl. bereits Berle/Means 1932 sowie hierzu im Einzelnen Mößle 2003, S. 39; Vest 1999, S. 16-18. Vgl. hierzu ausführlich Stoi 2004, S. 192. Vgl. grundlegend Stoi 2004, S. 193; Thiemer 2006, S. 1382. Vgl. weiterführend Abschn. IV.B.1. und B.2 dieses Hauptteils sowie Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Insofern wird der grundsätzlichen Zielsetzung einer Minimierung der Transaktionskosten gefolgt: „organize transactions so as to economize on bounded rationality while simultaneously safeguarding them against the hazards of opportunism“, Williamson 1985, S. 32. Die Koordinationsformen Markt und Hierarchie stellen lediglich idealtypische Extrema dar. In der Unternehmenspraxis können unterschiedliche „Zwischenstufen“ (z. B. Oligopol, Dyopol) konstatiert werden. Vgl. Simon 1976, S. 28 sowie hierzu im Einzelnen Kirchner 1997, S. 270; Picot/Dietl 1990, S. 179. Vgl. hierzu Williamson 1985, S. 47-50 sowie ebenfalls Picot/Dietl 1990, S. 179. Das Kriterium des Opportunismus besagt, dass jedes Individuum zur Maximierung seines persönlichen Nutzens auch vor (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

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tät als wesentliche Umweltdeterminanten zu deklarieren sind. Zwischen diesen vier Ein302 flussfaktoren, die als „Informationsverkeilung“ bezeichnet werden, findet der gegenseiti303 ge Leistungsaustausch statt, die sog. Transaktionsatmosphäre. Im Schrifttum wird die Spezifität als bedeutendste Transaktionseigenschaft erachtet, die auf der Quasi Renten304 Theorie beruht. Ein hoher Spezifizierungsgrad ist zwangsläufig durch monopolartige 305 Austauschbeziehungen mit wechselseitigem Abhängigkeitscharakter gekennzeichnet. Allerdings können die mit der Monopolstellung verbundenen Produktionsvorteile des Anbieters mit negativen allokativen Konsequenzen verbunden sein, wenn die Nachfrager im Zeitablauf auf das Unternehmen angewiesen sind und Nachahmungseffekte bzw. das Tritt306 307 brettfahrerverhalten nicht auftreten. Die Transaction Cost Theory leistet überdies eine wertvolle Ergänzung der AgencyProblematik, weil die Höhe der Transaktionskosten in hohem Maße über das künftige Informationsgefälle zwischen Unternehmensleitung und Kapitalgeber entscheidet. Die Ausrichtung des Business Reporting an den Informationsbedürfnissen der Kapitalgeber kann wesentlich zu einer Reduktion der Transaktionskosten (insbesondere der Such- und Kon308 trollkosten) führen und das Erfolgspotenzial durch eine Erhöhung des Vertrauens der 309 310 Koalitionäre stärken. Dabei spielt die Standardisierung der Berichterstattung, die mit 311 Ausnahmen lediglich für das Financial Accounting vorliegt, eine zentrale Rolle. Ein Anreiz zur freiwilligen Offenlegung entscheidungsrelevanter Informationen kann immer dann 312 313 unterstellt werden, wenn die jetzigen Publizitätskosten (Proprietary Costs ) geringer

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einem Einsatz von „List und Tücke“ (Self Interest Seeking with Guile) nicht zurückschreckt; vgl. ebenso Kaas/Fischer 1993, S. 687. Allerdings ist das Verhalten des jeweiligen Transaktionspartners im Entscheidungskalkül zu berücksichtigen (strategisches Verhalten); vgl. hierzu Jost 2001a, S. 16. Vgl. hierzu im Einzelnen Osburg 1994, S. 290 f. Vgl. etwa Alchian 1984, S. 36-38; Williamson 1975, S. 27 f. sowie hierzu Picot 1993, Sp. 4198. Osburg 1994, S. 290; Picot/Dietl 1990, S. 180. Vgl. hierzu u. a. Güntzel/Reinhard 2007, S. 285. Vgl. grundlegend die Ausführungen von Alchian 1984, S. 34 sowie hierauf eingehend Jost 2001a, S. 19 f; Kitschler 2005, S. 73-76; Lange 1999b, S. 107 f. Vgl. u. a. Picot 1993, Sp. 4198; Watrin 2001b, S. 62. Vgl. hierzu ebenfalls Erlei/Jost 2001, S. 45. Das Free Rider-Problem kann allerdings infolge der mit dem Aufbau immaterieller Ressourcen auftretenden Spillover-Effekte nicht ausgeschlossen werden; vgl. Lev 2001, S. 33. Vgl. die Erörterungen zum Erfordernis einer am „Aktionärsvermögen“ (Shareholder Value) orientierten Managementpolitik in Abschn. II.B.1.a) dieses Hauptteils sowie zur Ausgestaltung der Investor Relations in Abschn. II.C.3 dieses Hauptteils. Vgl. zur Beeinflussung von Accounting und Transaction Costs u. a. Gassen 2001b, S. 396, der die Reduktion von Informationsasymmetrien als „Metazweck“ des Accounting umschreibt. Vgl. modellhaft zum (positiven) Einfluss einer Berichterstattungspflicht auf die Gesamtwohlfahrt Feldhoff 1992a, S. 131-151; Feldhoff 1992b, S. 1013 sowie hierzu auch Pellens/Gassen 1998, S. 636 f., die überdies anmerken, dass eine zweifelsfreie ökonomische Begründung für eine gesetzliche Berichterstattungsverpflichtung nicht vorliegt. Vgl. zur mangelnden Standardisierung des internen Rechnungswesens (Management Accounting) Dritter Hauptteil, Abschn. I.B.1. Entsprechendes gilt für die Ausgestaltung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting-Systems; vgl. Abschn. II.C.4 dieses Hauptteils. Vgl. grundlegend zu den Motiven freiwilliger Berichterstattung auch Ewert/Wagenhofer 2000b, S. 37. Dieser Terminus geht zurück auf die Betrachtungen von Verrecchia 1983, S. 181.

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Erster Hauptteil

ausfallen als die potenziellen Transaktionskosten der Vertragsparteien, welche aus der feh314 lenden Bereitstellung der betreffenden Unternehmensinformation resultieren. In diesem Zusammenhang gelang Verrecchia der empirische Nachweis, dass Unternehmen auf die Veröffentlichung von „Good News“ verzichten, sofern die potenziellen Publizitätsvorteile 315 durch die Proprietary Costs überkompensiert werden. Die konkrete Ausgestaltung des Financial Accounting wird durch die jeweiligen Zwecke 316 und Ziele determiniert, die mit dem Rechnungswesen verknüpft sind. Aus diesem speziellen „Mischungsverhältnis“ zwischen Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit rekru317 tiert sich das Ausmaß des Business Reporting. Im nachfolgenden Abschnitt erfolgt eine 318 319 Fundierung mittels ausgewählter Ausprägungen der Accounting Theory . In der vorliegenden Abhandlung wird die Accounting Theory verstanden als Ansammlung von interdependenten, einen praktischen Bezugsrahmen herstellenden Prinzipien und Grundsätzen, welche zur unmittelbaren (Fort-)Entwicklung des Financial Accounting beitragen sowie 320 eine Erklärungs- und Prognosefunktion erfüllen. Während aus nationaler Sicht - wie in Abbildung 3 dargestellt - die statische, dynamische und organische Ausprägung einen we321 sentlichen Stellenwert einnehmen, kommt aus internationaler Sicht dem Revenue and 322 Expenses- und dem Asset and Liability- sowie dem bereits vorgestellten Decision Use323 fulness Approach eine zentrale Bedeutung zu. Hierbei zeigt sich, dass der Revenue and Expenses Approach Interdependenzen zur dynamischen Ausprägung nach Schmalenbach und der Asset and Liability Approach Übereinstimmungen mit der statischen Ausprägung der Accounting Theory nach Simon aufweist, so dass diese jeweils in Kombination darzustellen sind.

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Vgl. Gassen 2001b, S. 408. Vgl. ausführlich Verrecchia 1983, S. 182 sowie weiterführend Figlin 2006, S. 45. Vgl. zur Unterscheidung in Ziele und Zwecke des Accounting Walter 1982, S. 51 f. Vgl. hierzu Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Ausgeklammert werden u. a. die Darlegungen von Rieger (vgl. Rieger 1928; Rieger 1930, S. 136154; Rieger 1936), welche als eigenständige Strömung der Accounting Theory gelten. Vgl. grundlegend zur Bedeutung und Definition von Accounting Theories zur Fundierung des Financial Accounting Wangemann 1996, S. 521. Eine allgem. gültige terminologische Eingrenzung liegt bis dato nicht vor; vgl. aus angloamerikanischer Sicht Haller 1994b, S. 79; Hylton 1962, S. 22. Vgl. American Accounting Association 1971, S. 63; Goldberg 1971, S. 42; Haller 1994b, S. 81; Hendriksen/Van Breda 1992, S. 1; Kam 1973, S. 56; McDonald 1972, S. 4 f.; Watts/Zimmerman 1986, S. 2. Schneider tituliert diese als „unheilige Dreifaltigkeit“, Schneider 1973, S. 29. Beide Ansätze lassen sich den gewinnorientierten Theorien (Income Measurement Approach) zuordnen; vgl. die Übersicht von Jacobi 2003, S. 30. Die Ermittlung von Accounting Principles folgt im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht einer induktiven Vorgehensweise. Dabei ist ein überragender Einfluss von den jeweiligen Interessengruppen festzustellen; vgl. u. a. Freidank/Velte 2007, S. 4; Wüstemann 1996, S. 423 sowie zur normativen Accounting-Forschung in den USA Ballwieser 1993, S. 133. Auf die Basic Theory of Accounting wird bei der Aktivierung eines Minderheiten-Goodwill eingegangen; vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.4.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

45

Accounting Theory (national)

organisch

statisch

dynamisch

Schmidt

Simon

Schmalenbach

national

Chambers

Sprouse/Moonitz, Edwards/Bell

Paton/Littleton

international

Decision Usefulness Approach*

Asset and Liability Approach

Revenue and Expense Approach

Accounting Theory (international)

* Diese internationale Ausprägung der Accounting Theory geht zugleich auf die neoklassische Kapitalmarkttheorie zurück; der Ansatz wurde bereits in Erster Hauptteil, Kapitel I.A.2 dargelegt. 324

Abbildung 3:

Ausgewählte Ausprägungen der Accounting Theory

C.

Accounting Theory

1.

Organische Interpretation 325

Die organische Ausprägung der Accounting Theory verfolgt mit dem Ausweis des „richtigen“ Vermögens und der gleichzeitigen Ermittlung eines ausschüttbaren Periodenge-

324 325

Eigene Darstellung. Der Begriff „organisch“ geht auf die Auffassung zurück, dass jedes Unternehmen eine „Zelle im Organismus der Gesamtwirtschaft“ darstellt. Schmidt 1951, S. 47 sowie vgl. hieran anknüpfend Jacobi 2003, S. 27; Lüßmann 2004, S. 112.

46

Erster Hauptteil 326

winns nach der dualistischen Bilanzauffassung zwei unterschiedliche Zielsetzungen. Begründet wurde diese durch die Monografie „Die organische Tageswertbilanz“ von 327 Schmidt, welche durch die Darlegungen von Fäs sowie durch die inflationären Verhält328 nisse nach dem Ende des Ersten Weltkriegs maßgeblich beeinflusst wurde. Eine Fort329 330 331 332 333 entwicklung erfolgte durch Feuerbaum , Großmann , Hasenack und Isaac . Die organische Bilanz stellt nicht die Kapitalerhaltung, sondern die Bewahrung der realen Ver334 335 mögenssubstanz (Substanzerhaltung ) in den Mittelpunkt. Die organische Accounting 336 Theory fokussiert aus Informationsgesichtspunkten den Tageszeitwert als Bewertungs337 maßstab und rückt vom historischen Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip ab. Der Tageswert repräsentiert aus Sicht der Erfolgsrechnung diejenigen Wiederbeschaf338 fungskosten, welche am „Umsatztag“ für die Güterproduktion einzusetzen sind, und so339 mit einen beizulegenden Zeitwert in der Ausprägung eines Entry Price. Als Konsequenz wird der Gewinn als Unterschiedsbetrag zwischen den Erlösen und den Wiederbeschaf340 fungskosten am Umsatztag errechnet. Schmidt nimmt in diesem Zusammenhang eine

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„Es ist der Gesichtspunkt der Verbindung von richtiger Vermögensrechnung mit richtiger Erfolgsrechnung im Rahmen des Organismus der Gesamtwirtschaft“, Schmidt 1951, S. 86; vgl. hierzu auch Bieker 2006, S. 103; Blaufus 2005, S. 75; Lange 1999b, S. 54; Lauffer 1975, S. 725; Seicht 1970, S. 420 f.; Vorstius 2004, S. 42. Lehmann spricht in diesem Kontext von einer „Zweizweck-Theorie“, Lehmann 1955, S. 677. Im Schrifttum wird dieses Vorgehen mit der „Harmoniethese“ umschrieben; Moxter 1993b, Sp. 1854. Demnach führt ein „richtig“ ermitteltes Vermögen stets zu einem „richtig“ ermittelten Gewinn. Vgl. Fäs 1913. Vgl. Schmidt 1951 sowie ebenfalls Schmidt 1921; Schmidt 1922; Schmidt 1923; Schmidt 1924; vgl. ebenso die kritische Analyse zur organischen Bilanz von Trecker 1957. Vgl. zur polaren Bilanz Feuerbaum 1966. Vgl. Großmann 1921; Großmann 1922. Vgl. zur leistungsäquivalenten Substanzerhaltung Hasenack 1931, S. 49-71; Hasenack 1932, S. 5561. Vgl. Isaac 1924; Isaac 1929. Das Konzept der Tageswertbilanzierung wurde ebenfalls vom Hauptfachausschuss (HFA) des IDW aufgegriffen; vgl. IDW 1975, S. 614 f. Vgl. stellvertretend zu ausgewählten Substanzerhaltungskonzeptionen Schildbach 1993, Sp. 18931897. Vgl. u. a. Schildbach 1979, S. 505. Es wird argumentiert, dass eine Unternehmung nur dann erfolgreich ist, wenn es seine „relative Stellung in der Gesamtwirtschaft“ behauptet, d. h. seine leistungswirtschaftliche Substanz bewahrt. Der Grundsatz der Substanzerhaltung spielt ebenso in der internen Unternehmensrechnung eine zentrale Rolle; vgl. Männel 1999a, S. 14 sowie die Ausführungen zu den Grenzen einer Konvergenz von in- und externem Rechnungswesen in Abschn. I.B.2 des Dritten Hauptteils. Dabei werden in der Erfolgsrechnung (GuV) die Tageswerte am Umsatztag und in der Vermögensrechnung (Bilanz) die Tageswerte am Bilanzstichtag ausgewiesen. Vgl. weiterführend auch Bieker 2006, S. 100. Vgl. hierzu Blaufus 2005, S. 75 f.; Schwinger 1928, S. 285. Vgl. Kümmel 2002, S. 67. „Die Summe der umsatzaktbezogenen (organischen) Stückerfolge ergibt, ergänzt um den Finanzerfolg sowie die Spekulationserfolge mit Fremd- und Eigenkapital, den Periodenerfolg, der ausschüttbar ist, ohne die Substanz zu vermindern und ohne die relative Stellung des Unternehmens am Markt zu gefährden“, Egger 1993, Sp. 1475.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

47 341

strikte Trennung in echte Gewinne, die durch den (realen) Umsatzprozess entstehen, und Scheingewinne vor, welche keine Gewinne aus der betrieblichen Tätigkeit des Unterneh342 mens, sondern lediglich Wertänderungen „am ruhenden oder gebundenen Vermögen“ 343 darstellen. Dem Umstand Rechnung tragend, dass diese Scheingewinne keine tatsächlichen Vermögensmehrungen repräsentieren, sind diese aus der GuV zu eliminieren und stattdessen auf einem Ergänzungskonto des Eigenkapitals, dem Vermögenswertänderungs344 oder Substanzerhaltungskonto, einzustellen. Diese Vorgehensweise deckt sich, wie im weiteren Verlauf der Analyse noch gezeigt wird, mit den Verlautbarungen des IASB, wonach Wertsteigerungen immaterieller Vermögenswerte über ihre Anschaffungs- und Herstellungskosten hinaus optional erfolgsneutral in einer Neubewertungsrücklage erfasst 345 werden können. Insofern gründen Elemente der Zeitwertbilanzierung nach den IFRS auf der organischen Accounting Theory nach Schmidt. Das deutsche Handelsrecht hat bislang diese Konzeption für das immaterielle Vermögen nicht übernommen, sondern den beizulegenden (Zeit-) Wert lediglich als Korrekturmaßstab für eine Verlustantizipation zugelas346 sen. Auch der BilMoG-RefE stellt keine Implementierung von Neubewertungsrücklagen für Zuschreibungen oberhalb der Anschaffungs- und Herstellungskosten für das immaterielle Vermögen zur Disposition. Eine Bewertung zu höheren beizulegenden Zeitwerten ist lediglich für zu Handelszwecken gehaltene Finanzinstrumente geplant, allerdings nicht auf 347 der Basis einer „Zeitwertrücklage“. Ein wesentlicher Grund für die imparitätische Zeitwertbewertung für das immaterielle Anlagevermögen ist in der praktischen Schwierigkeit zu sehen, für jene Vermögensgüter aktuelle Wiederbeschaffungskosten zu ermitteln. Eine erfolgswirksame Erfassung jener Scheingewinne in der GuV würde den Grundsatz der Substanzerhaltung konterkarieren und die Gefahr einer Ausschüttung unrealisierter Er348 folgspotenziale herbeiführen. Mithilfe des erfolgsneutralen Vermögensveränderungskontos können sowohl die Informationsinteressen der Adressaten als auch die Zahlungsbemessungsfunktion des Jahresabschlusses [insbesondere die Ausschüttung lediglich realisierter (Umsatz-)Gewinne an die Kapitalgeber des Unternehmens] gewahrt werden. Der organi-

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Die echten Gewinne, auch als Perioden- oder Umsatzerfolg bezeichnet, bilden die Differenz zwischen den Erlösen und den Wiederbeschaffungswerten der Umsatzgüter am jeweiligen Umsatztag; vgl. Lauffer 1975, S. 725. Schmidt 1951, S. 102 sowie vgl. hierzu ebenfalls Schwinger 1928, S. 289. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall sog. Scheinverluste; vgl. auch Egger 1993, Sp. 1475; Lange 1999b, S. 54. Der Scheinerfolg misst dabei den Unterschiedsbetrag aus den Anschaffungspreisen und den Wiederbeschaffungswerten der Aufwandgüter; vgl. Lauffer 1975, S. 725. Vgl. Lange 1999b, S. 54. Vgl. die weiteren Ausführungen zur Neubewertung immaterieller Vermögenswerte nach IFRS in Abschn. II.A.3 des Zweiten Hauptteils. Vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. II.A.1. Vgl. § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E. Die positiven Wertdifferenzen zwischen dem höheren beizulegenden Zeitwert und dem Buchwert sind erfolgswirksam zu verbuchen und können ebenfalls zur Zahlungsbemessung herangezogen werden. Vgl. zu einer ersten Bestandsaufnahme jener Novellierungen Schmidt 2008, S. 1-8. Vgl. auch Schildbach 1998a, S. 580 f. In diesem Sinne steht das (Gewinn)-Realisationsprinzip im Mittelpunkt der Bewertungskonzeption; vgl. Schmidt 1951, S. 73.

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Erster Hauptteil 349

sche Gewinn als Maßstab für die Unternehmensleistung (Performance Measurement) resultiert demnach als Differenzbetrag des gesamten Vermögenszuwachses und der Wertän350 derung am ruhenden Vermögen. Die Vermögensrechnung soll nach Schmidt den Reproduktionswert des Unternehmens wiedergeben, d. h. den Betrag, der zur Errichtung des Unternehmens in seiner gegenwärti351 gen Form notwendig ist. Allerdings wird unterstellt, dass bei freier Reproduzierbarkeit die Tageswerte sämtlicher Vermögenswerte einschließlich der immateriellen Werte den 352 marktmäßig objektivierten Ertragswert ergeben. Schmidt konstatiert daher, dass „es keinen besseren Maßstab für die allgemeine marktwirtschaftliche Ertragsfähigkeit eines Guts 353 gibt als den Tagesbeschaffungswert“ . Während in der GuV die Tagesbeschaffungswerte am Umsatztag zum Ausweis gelangen, erfolgt in der Bilanz ein Ansatz zu Tagesbeschaffungswerten am Bilanzstichtag. Der durch Schmidt geprägte Begriff des „marktmäßig objektivierten Ertragswerts“ stellt allerdings nicht den Zukunftserfolgs- und somit den Unternehmenswert dar, sondern dieser nähert sich lediglich im günstigsten Fall dem Rein354 vermögenszeitwert dar. Zur Realisierung eines möglichst vollständigen Vermögensausweises sind an den Bilanz355 ansatz lediglich geringe Objektivierungserfordernisse geknüpft. Schmidt nimmt lediglich eine rudimentäre Unterteilung in das Geld- und das Realvermögen vor. Bilanzpflichtig sind demnach alle immateriellen Kostenwerte (d. h. Gebrauchs-, Abnutzungs- und Verbrauchskosten), auch wenn diese bei der Einstellung des Geschäftsbetriebs „selbst kei356 nen Wert haben können, weil sie isoliert nicht zu verkaufen sind“ , sowie alle bezahlten Mehr- oder Minderertragswerte, die beim Unternehmenskauf auf den Erwerber überge357 358 gangen sind. Hierunter fällt u. a. der derivative Geschäfts- oder Firmenwert . Ingangset-

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Vgl. grundlegend zum Performance Measurement und -Management u. a. Drukarczyk/Schüler 2000, S. 255; Fickert 2004, S. 708; Fischer 2005, S. 877; Gleich 2001, S. 21; Gleich 2002b, S. 49-75; Gleich/Kieninger/Kämmler 2005, S. 651 f.; Günther/Grüning 2001, S. 283-306; Klingebiel 1998, S. 1-15; Klingebiel 2001a, S. 5; Klingebiel 2001b, S. 387 f.; Marr 2005b, S. 645; Sandt 2005, S. 429 sowie zur Verbindung zum Intangible Asset Management Shaikh 2004, S. 439. Vgl. Bieker 2006, S. 102. Vgl. Schmidt 1951, S. 89 sowie auch Trecker 1957, S. 23. Vgl. Schmidt 1951, S. 125 sowie hierzu ebenfalls Jacobi 2003, S. 28. Schmidt unterscheidet den Gesamtertragswert bzw. personalbedingten Ertragswert, den vermögensbedingten sowie den marktmäßig objektivierten Ertragswert einer Unternehmung; vgl. Schmidt 1951, S. 124. Da der objektive, im Markt ausgehandelte Tageswert des Vermögenswerts in erster Linie von seiner Ertragswirkung abhängt, ist dieser als marktmäßig objektivierter Ertragswert anzusehen; vgl. hierzu auch die Folgerungen von Moxter 1966, S. 31. Schmidt 1951, S. 126 sowie vgl. weiterführend Moxter 1966, S. 32; kritisch zur Tageswertkonzeption bereits Rieger 1930, S. 136 f. Vgl. für eine Konkretisierung der Begriffe Substanz- und Ertragswert bezogen auf die Ableitung des Goodwill Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Vgl. zur betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit einer derartigen Vorgehensweise Schmidt 1951, S. 118 und hierauf Bezug nehmend Meyer 2005b, S. 180; Vogel 1982, S. 32 f. Schmidt 1951, S. 118 sowie vgl. ebenfalls Egger 1993, Sp. 1476. Vgl. grundlegend zur terminologischen Einordnung des Geschäfts- oder Firmenwerts Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Vgl. hierzu auch Bieker 2006, S. 101.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting 359

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zungsaufwendungen , Aufwendungen für den Aufbau von Kundenbeziehungen , für die Erlangung eines Patents sowie für die Entwicklung eines „Geheimverfahrens“ stellen ausdrücklich aktivierungspflichtige Vermögensposten dar, weil eine direkte Zuordnung nach 361 Auffassung von Schmidt möglich ist. Ein Ansatzverbot ist für alle von der persönlichen Leistung des Unternehmers abgeleiteten Mehr- und Minderertragswerte, die im originären 362 Geschäfts- oder Firmenwert aufgehen, vorgesehen. Eine Bilanzierung muss nach Schmidt angesichts einer mangelnden Objektivierbarkeit bei der Ermittlung der genauen 363 Werthöhe verworfen werden. Ebenso verhält es sich mit dem Aufbau von Humankapital („Personalwert“). Am Beispiel einer börsennotierten Kapitalgesellschaft mutmaßt Schmidt, dass kein Aktionär bereit wäre, für das Humankapital des Unternehmens „auch nur einen 364 365 Pfennig mehr zu zahlen“ . Dieser Ansicht wird im weiteren Verlauf der Untersuchung 366 nicht gefolgt, sondern ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Berichterstattung über (nicht bilanzierte) immaterielle Leistungsindikatoren des Unternehmens und der Höhe der Kapitalkosten unterstellt. Jener Zusammenhang wurde zwischenzeitlich durch empiri367 sche Untersuchungen gestützt. Nach der organischen Bilanzauffassung stellt jedoch die Einzelveräußerbarkeit kein notwendiges Kriterium zur Bejahung der Vermögenswertei368 genschaft dar. Allerdings können einem Großteil der selbst erstellten immateriellen Güter angesichts der mangelnden Objektivierbarkeit keine abgrenzbaren Ausgaben zugerech369 net werden, so dass letztlich von einem Bilanzansatz abzusehen ist. Schmidt weist in diesem Kontext darauf hin, dass es einen Kreis von Vermögenswerten gibt, die „man […] für 370 zu immateriell hält, um sie als Bilanzkosten zu fungieren“ . In einer Gesamtschau wird die ursprüngliche Zielsetzung eines vollständigen Vermögensausweises in der Bilanz zumindest bei originären immateriellen Vermögenswerten und dem Goodwill eingeschränkt.

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Vgl. die Ausführungen in Abschn. I.E.5 des Zweiten Hauptteils. Vgl. Kümmel 2002, S. 67 sowie speziell zur Behandlung von Kundengewinnungsaufwendungen Nebe/Elprana 2006, S. 477. Vgl. Schmidt 1951, S. 116 f. sowie hierzu u. a. Baetge/Zülch 2001, S. 548; Jacobi 2003, S. 28; Meyer 2005b, S. 183; Moxter 1984, S. 61. Vgl. Schmidt 1951, S. 129. Vgl. Schmidt 1951, S. 121 sowie zum Ansatzverbot für den originären Goodwill nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards Abschn. I.E.2-4 des Zweiten Hauptteils. Vgl. Schmidt 1951, S. 121. Vgl. grundlegend zum Einfluss der Aktionäre auf die Unternehmenspolitik bereits Witte 1981, S. 733. Die Aufrechterhaltung dieser Annahme würde die nachfolgende Untersuchung überflüssig erscheinen lassen, weil demnach die Kommunizierung von immateriellen Werttreibern gegenüber den Kapitalgebern lediglich Kosten verursachen und keine Wirkung im Hinblick auf die mit dem Earnings Management einhergehenden Unternehmensstrategie erzielen würde. Vgl. zu den Auswirkungen des Business Reporting auf die Risikozuschläge der Investoren Abschn. II.C.4 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch Bieker 2006, S. 101. Insofern stellt die mangelnde Kostenzurechenbarkeit das Hauptproblem der Aktivierbarkeit immaterieller Vermögenswerte dar; vgl. Meyer 2005b, S. 180. Schmidt 1951, S. 117.

50

2.

Erster Hauptteil

Statische Ausprägung sowie Asset and Liability Approach

Im Gegensatz zur dualistischen Konzeption Schmidts liegt die Zielsetzung der statischen Accounting Theory monofunktional in der stichtagsbezogenen (statischen) Ermittlung des 371 Reinvermögens in der Bilanz. Aus nationaler Sicht wurde diese Sichtweise maßgeblich durch die Monografie von Simon zum Bilanzrecht des Allgemeinen Deutschen Handelsge372 setzbuchs (ADHGB) von 1861 angestoßen. Die Fortentwicklung der statischen Accoun373 374 375 376 ting Theory erfolgte insbesondere durch Gerstner , Kalveram , Le Coutre , Nicklisch , 377 378 379 380 381 Osbahr , Pape , Rehm und Ziegler . Die GuV als Erfolgsrechnung spielt in der statischen Bilanzauffassung lediglich eine untergeordnete Rolle; sie leistet demnach eine „Zuliefererfunktion“ für die Ermittlung des Periodenerfolgs. Nach der Harmoniethese von Simon steht die Forderung nach einem „richtig“ zu ermittelnden Vermögen dem „richtigen“ Gewinn allerdings nicht entgegen. Durch diese Annnahme wird eine Abgrenzung zur damaligen Rechtsprechung des Reichs382 oberhandelsgerichts (ROHG) aus dem Jahre 1873 vorgenommen, welche die Ermittlung des Schuldendeckungspotenzials für den Fall der Zerschlagung des Unternehmens zugrunde legte, die Zerschlagungsstatik. Simon stellt dagegen auf den Grundsatz der Unterneh383 mensfortführung ab und plädiert für die Ermittlung des Vermögens zu Fortführungswer384 385 ten (Fortführungsstatik ). In diesem Sinne ist es kein primäres Anliegen der Bilanz, das Gläubigerzugriffs-, sondern das individuelle Kaufmannsvermögen basierend auf potenziel386 len Erwerbsvorgängen abzubilden. Der erhöhte Aufwand, der aus der Bevorzugung der Einzelbewertung resultiert, wird durch Vereinfachungsüberlegungen hinsichtlich der Glie-

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Vgl. Simon 1899, S. 92 sowie zur Vermögensorientierung ebenfalls Jacobi 2003, S. 21; Moxter 1993b, Sp. 1854; Tolls 1987, S. 148 f.; Vogel 1982, S. 26 f. Vgl. Simon 1899 sowie weiterführend zum ADHGB u. a. Oberbrinkmann 1990, S. 28-63. Vgl. Gerstner 1921. Vgl. Kalveram 1922. Vgl. Le Coutre 1921; Le Coutre 1924; Le Coutre 1926. Vgl. Nicklisch 1932, S. 2-5. Vgl. Osbahr 1923. Vgl. Pape 1920; Pape 1925, S. 200-207; Pape 1933, S. 53-65. Vgl. Rehm 1914. Vgl. Ziegler 1930. Zielsetzung war die strikte Orientierung an einer statisch-betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise; vgl. Moxter 1993b, Sp. 1855 f. Vgl. ROHG 1873, S. 15-18 sowie hieran anknüpfend Krämling 1998, S. 50; Moxter 1993b, Sp. 1853; Oberbrinkmann 1990, S. 84 f. Vgl. grundlegend zum Postulat der Unternehmensfortführung Lück 2001a, S. 1945-1949; Olbrich 2005, S. 565-570 sowie zur Notwendigkeit bei der Goodwill-Bilanzierung Abschn. E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Vgl. hierzu Moxter 1984, S. 6 und ebenso Baetge/Zülch 2001, S. 547; Lutz/Ingold 2005, S. 38. Vgl. Simon 1899, S. 295 sowie weiterführend Jacobi 2003, S. 22; Krämling 1999, S. 51; Moxter 1993b, Sp. 1855. Vgl. Simon 1899, S. 126 f. sowie zum abweichenden Stellenwert der Einzelbewertung nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. II.B.3.b)(1).

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

51

387

derung der Vermögensposten relativiert. Vermögenswerte, die dem Betrieb dauerhaft dienen (Anlagevermögen), sind mit ihrem individuellen Gebrauchswert, d. h. dem ursprünglichen Erwerbspreis inklusive künftiger Abschreibungen zu bewerten. Im Gegensatz zum Zeitwertmodell nach Schmidt folgt Simon bezüglich der Bewertung von Anlagegü388 389 tern damit dem Anschaffungskostenprinzip, welches das bisherige handelsrechtliche Financial Accounting dominiert, aber ebenfalls nach den IFRS (noch) eine wesentliche 390 Bedeutung erlangt. Im Zuge des BilMoG-RefE ist - wie bereits ausgeführt - erstmalig eine Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips für ausgewählte Finanzinstrumente im Sinne einer Zuschreibung auf den ggf. höheren beizulegenden Zeitwert in Aussicht gestellt. Eine umfassende Marktbewertung ist - vergleichbar mit den Ausführungen von Simon - nicht möglich, sondern auf einzelne Vermögenswerte (z. B. Fertigerzeugnisse und 391 zur Veräußerung bestimmte Gegenstände) begrenzt. Nach der statischen Bilanzauffassung kommt für das immaterielle Vermögen eine Zeitwertbilanzierung nicht zum Tragen. Hierbei wird im Vergleich zur organischen Auffassung dem Konzept der nominellen Kapi392 talerhaltung gefolgt, welche einen Ausweis unrealisierter Gewinne aus Objektivierungs393 erfordernissen ablehnt. Die Statiker legen als Aktivierungskriterium den Grundsatz der selbstständigen Verkehrs394 fähigkeit zugrunde, d. h. der Vermögenswert muss einen Gegenstand des Rechtsverkehrs 395 396 und ein „greifbares“ Objekt darstellen. Aus jenem Grund wird die Voraussetzung im 397 398 Schrifttum bisweilen auch unter der Bezeichnung „Bilanz im Rechtssinne“ geführt. Simon unterscheidet bei den „unkörperlichen Gegenständen“ zwischen Rechten und rein 399 wirtschaftlichen Gütern, den sog. „Nichtrechten“. Unter Objektivierungsgesichtspunk387

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Simon nimmt lediglich eine rudimentäre Unterteilung der Aktivseite der Bilanz in bewegliche und unbewegliche Gegenstände, Forderungen und immaterielle Werte vor. Für Vermögensposten, die zur Veräußerung bestimmt sind, verwirft Simon hingegen den „Erwerbspreis“ als Wertmaßstab; vgl. Simon 1899, S. 335 f. Der im Fokus stehende „Betriebswert“ soll auf der Grundlage der Anschaffungspreise ermittelt werden; vgl. Simon 1899, S. 408. Vgl. grundlegend zur Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte nach HGB und IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. II.A.1 und II.A.3. Vgl. ebenso Lüßmann 2004, S. 107. Vgl. hierzu auch Schildbach 1993, Sp. 1892 sowie zur Substanzerhaltung Abschn. I.C.1 dieses Hauptteils. Trotz dieser Tatsache zählt Simon das Realisationsprinzip im Gegenzug zu Schmalenbach nicht zu den GoB; vgl. Simon 1899, S. 337 sowie hierauf eingehend Moxter 1984, S. 17. Vgl. zur Forderung nach Verkehrsfähigkeit Simon 1899, S. 167 und hierzu im Einzelnen Dornemann 1960, S. 103; Meyer 2005b, S. 181. Simon 1899, S. 161 sowie vgl. ebenfalls Zimmermann 1985, S. 90. Das Postulat der Greifbarkeit wird ebenfalls als abstraktes steuerrechtliches Aktivierungskriterium angesehen; vgl. die Ausführungen in Abschn. I.A.1 des Zweiten Hauptteils. Vgl. ausführlich Tolls 1987, S. 13 f. sowie weiterführend zur Aktivierbarkeit „konkreter Werte“ Dornemann 1960, S. 103. Döllerer 1979, S. 195 ; Kronner 1995, S. 11; Moxter 1988, S. 447; vgl. hierzu Oberbrinkmann 1990, S. 237-240. Vgl. die Überlegungen von Simon 1899, S. 167 sowie weiterführend Jacobi 2003, S. 22. Simon 1899, S. 168; vgl. auch Moxter 1984, S. 8 sowie die Klassifizierung in Abschn. I.C des Zweiten Hauptteils.

52

Erster Hauptteil 400

ten bedarf es bei rein wirtschaftlichen Gütern, z. B. beim Know How des Unternehmens, 401 402 bei Werbemaßnahmen und bei der Forschung und Entwicklung einer zusätzlichen Re403 striktion durch die Forderung eines entgeltlichen Erwerbs durch Dritte. Simon konstatiert, dass durch den Erwerb das rein wirtschaftliche Vermögen „seine Eigenschaft als verkehrsfähiges Rechtsobjekt bewährt hat und dadurch einen Titel zur Einstellung in die Bi404 lanz erlangt“ , anderenfalls ist von einer Aktivierung abzusehen. Sofern die vorstehend 405 genannten Werte originärer Natur sind, kommt ein Bilanzansatz nicht in Betracht. Für 406 Rechte (z. B. Patente) wird ein entgeltlicher Erwerb dagegen nicht gefordert. Vielmehr ist immer dann von einem generellen Ansatzgebot auszugehen, wenn dem Unternehmen 407 zurechenbare Aufwendungen für den immateriellen Vermögenswert entstanden sind. In diesem Sinne erfolgt eine paritätische Behandlung von entgeltlich erworbenen und selbst geschaffenen Rechten, da der Nachweis für die reale Existenz mit der Aufwandszurech408 nung erbracht ist. Zusammenfassend gilt, dass das statische Ziel Vermögensmessung durch die Dominanz der Bilanz gegenüber der GuV zugleich durch die Objektivierungserfordernisse nach Simon eingeschränkt wird, weil angesichts der - mit Ausnahme von Rechten - fehlenden Aktivierung selbst erstellter immaterieller Anlagewerte die Bilanz nicht über den Reinvermö409 genszeitwert informiert und den Informationsinteressen der Adressaten entgegenläuft. 410

Aus internationaler Sicht stellt der von Sprouse und Moonitz sowie von Edwards und 411 Bell maßgeblich geprägte Asset and Liability Approach in Übereinstimmung zur stati412 schen Ausprägung der nationalen Accounting Theory die Bilanz in den Mittelpunkt. 400

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408 409 410 411 412

Vgl. auch Dornemann 1960, S. 98. Die restriktiveren Ansatzvoraussetzungen, die Simon an jene Werte bindet, werden im Schrifttum (vereinzelt) kritisch gewürdigt. Zimmermann geht davon aus, dass die Verkehrsfähigkeit keine „befriedigende Nachweisobjektivierung“ zu gewährleisten vermag und aus dieser Erkenntnis heraus Simon die Forderung nach einem entgeltlichen Erwerb jener Werte aufstellt; vgl. hierzu Zimmermann 1985, S. 91. Vgl. Simon 1899, S. 161 sowie hierzu ebenfalls Lutz/Ingold 2005, S. 40. Vgl. Simon 1899, S. 170 und weiterführend die Anmerkungen in Abschn. I.B des Zweiten Hauptteils. Vgl. Simon 1899, S. 167-70 und hierzu stellvertretend Focken 2006, S. 23; Kronner 1995, S. 32; Lutz-Ingold 2005, S. 40; Tolls 1987, S. 34-37. Diese Überlegungen haben die konkrete handelsrechtliche Aktivierungsfähigkeit maßgeblich beeinflusst; vgl. hierzu im Einzelnen Zweiter Hauptteil, Abschn. I.A. Simon 1899, S. 169 und vgl. hieran anknüpfend Focken 2006, S. 23. Ihnen fehlt es „an jedem Maßstab für die reale Existenz des Objekts“, Simon 1899, S. 169; vgl. ebenfalls von Keitz 1997, S. 14. Vgl. Simon 1899, S. 168. Diese offensivere Aktivierung ist bislang nicht im Handelsrecht vorgesehen; vgl. hierzu sowie zu den Änderungen infolge des BilMoG-RefE Abschn. I.A.1 des Zweiten Hauptteils. So sind z. B. Konzessionen, die ohne Gebühr erteilt werden, von einer Aktivierung ausgenommen; vgl. Simon 1899, S. 168. Vgl. ebenso zu dieser Einschätzung Jacobi 2003, S. 22. Vgl. etwa Stanke 2003, S. 59 und weiterführend Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Vgl. Sprouse/Moonitz 1962 sowie ebenfalls Moonitz 1961. Vgl. Edwards/Bell 1961. Vgl. Sprouse/Moonitz 1962, S. 4 f. sowie hierzu ebenfalls Jacobi 2003, S. 40; Wüstemann/Bischof/ Kierzek 2007, S. 71. Die Konzeption ist ferner unter der Bezeichnung Balance Sheet View bekannt; vgl. Riahi-Belkaoui 2000, S. 126; Schreiber 2007, S. 572.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

53

Zielsetzung der Gewinnermittlung, verstanden als Veränderung des Reinvermögens bzw. Eigenkapitals eines Unternehmens in der Berichtsperiode, ist eine umfassende und 413 zugleich objektive Bilanzierung von Vermögenswerten. Insofern wird die Zeitwertbilanzierung als theoretisch überlegen angesehen. Neben immateriellen Vermögenswerten, z. B. Patenten, werden ebenfalls der Geschäfts- oder Firmenwert sowie Forschungs- und Ent414 wicklungsaufwendungen thematisiert. Als elementare Grundsätze werden die Continuity, 415 Objectivity, Consistency und der Conservatism hervorgehoben. Zudem erfolgt eine ru416 dimentäre Klassifizierung in Tangible und Intangible Assets. In Abgrenzung zur statischen Accounting Theory nach Simon soll die Ansatzfähigkeit der in Rede stehenden immateriellen Vermögenswerte allerdings grds. nicht von der Entgeltlichkeit des Erwerbs417 vorgangs abhängen. Der dem Vorsichtsprinzip vergleichbare Conservatism-Grundsatz 418 soll lediglich eine nachrangige Bedeutung zukommen. Gleichzeitig weisen Sprouse und 419 Moonitz den immateriellen Vermögenswerten jedoch einen hohen Unsicherheitsgrad zu. Eine Vermögenswerteigenschaft ist lediglich dann zu bejahen, sofern eine selbstständige 420 Übertragbarkeit und Bewertbarkeit gegeben sind. Die Auswahl des jeweiligen Bewertungsmaßstabs erfolgt postenspezifisch und trägt - in angemessener Form - den abweichenden Objektivierungserfordernissen Rechnung. Vor dem Hintergrund der Nichtexistenz von Marktpreisen und der zumeist fehlenden Verkaufsabsicht sind immaterielle Vermögenswerte letztlich im Allgemeinen nicht zu ihren jeweiligen beizulegenden Zeitwerten, sondern zu ihren (fortgeführten) Anschaffungs- und Herstellungskosten zu bewerten. Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn „zwingende Anzeichen“ für einen davon abweichenden 421 Marktpreis bestehen. Zugleich wird plädiert, in regelmäßigen Abständen eine Umbewertung zu Wiederbeschaffungskosten vorzunehmen. Im Schrifttum wird der Asset and Liability Approach auch als bestandsgrößenorientierter, auf objektivierte Vermögensdarstellung 422 ausgerichteter statischer Ansatz beschrieben. Zur Erhöhung der Informationsfunktion der Erfolgsrechnung ist nach dem modifizierten 423 424 Asset and Liability Approach von Edwards und Bell, welcher neben statischen auch 425 verstärkt organische Elemente enthält, der separate Ausweis eines Leistungs- und eines 413

414 415 416 417 418 419 420

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Diese werden als „expected future economic benefits“ definiert. Sprouse/Moonitz 1962, S. 20. Vgl. grundlegend zur Zielsetzung Sprouse/Moonitz 1962, S. 1 f. und weiterführend Jacobi 2003, S. 40. Vgl. hierzu Sprouse/Moonitz 1962, S. 20-22 und hierauf abstellend Haller 1994b, S. 145. Vgl. überblicksartig Schreiber 2007, S. 572 f. Vgl. hierzu auch Schreiber 2007, S. 573. Vgl. Sprouse/Moonitz 1962, S. 22. Vgl. zur Hinwendung zu einer „expliziten statischen Basis“ Moonitz 1961, S. 47. Vgl. Sprouse/Moonitz 1962, S. 20; weiterführend Jacobi 2003, S. 41. Vgl. Sprouse/Moonitz 1962, S. 19 sowie vergleichend zur nationalen und internationalen Ansatzfähigkeit Abschn. I.A. des Zweiten Hauptteils. Sprouse/Moonitz 1962, S. 36. Vgl. u. a. Jacobi 2003, S. 49. Das Schrifttum verwendet in diesem Kontext die Bezeichnung „True Income Theory“, American Accounting Association 1977, S. 6. Vgl. Edwards/Bell 1961; zu einer ausführlichen Besprechung der Konzeption Coenenberg 1968, S. 442 f.; Coenenberg 1969, S. 263 f.; zur Bedeutung i. R. d. angloamerikanischen Accounting Theory Mattessich 1980, S. 182; Revsine 1981, S. 343; Stamp 1973, S. 571. Vgl. weiterführend auch die Darlegungen von Engels 1962, S. 696-711.

54

Erster Hauptteil 426

Dispositionsgewinns vorgesehen, die zusammen den Unternehmensgewinn ergeben. Ersterer misst das Ergebnis des betrieblichen Produktions- und Umsatzprozesses als Unterschied zwischen den Umsatzerlösen und dem zu Wiederbeschaffungspreisen bewerteten Aufwendungen. Der ermittelte Wertzuwachs des Anlage- und Vorratsvermögens fließt in den Dispositionsgewinn ein, welcher Ausdruck der unternehmerischen Investitions- und 427 Vorratspolitik ist. Die Beurteilungsmöglichkeit des Unternehmenserfolgs erfährt durch die Gewinnseparierung nach Einschätzung von Edwards und Bell eine wesentliche Steige428 rung. Mit dieser Vorgehensweise ergeben sich fundamentale Interdependenzen zur organischen Accounting Theory nach Schmidt hinsichtlich der Trennung in Umsatz- und 429 Scheingewinne, welche Eingang in die IFRS-Rechnungslegung fanden.

3.

Dynamische Ausrichtung sowie Revenue and Expenses Approach

Die dynamische Accounting Theory ist aus nationaler Sicht untrennbar mit dem Gedan430 kengut von Schmalenbach verbunden, wobei es hierbei eines Hinweises auf die Fortent431 432 433 434 435 436 wicklung durch Geldmacher , Kosiol , Moxter , Seicht , Sommerfeld und Walb be437 darf. Im Vordergrund des Financial Accounting steht nach Schmalenbach die Messung 438 des betrieblichen Erfolgs mittels der GuV. Obwohl die Bilanz in seinen Ausführungen 439 als „Kräftespeicher der Unternehmung“ tituliert wird, muss diese sich der Erfolgsrechnung als Abgrenzungskonto für sämtliche Aufwendungen und Erträge, die bislang noch nicht in der GuV Berücksichtigung gefunden haben, unterordnen und verliert somit ihren 440 im Vergleich zur statischen Auffassung hohen Stellenwert. Schmalenbach konstatiert, dass eine zutreffende Darstellung des Unternehmenswerts und des Kaufmannsvermögens 441 mithilfe der Bilanz nicht erfolgen kann. Dies würde eine Prognose künftiger Einzahlungsüberschüsse und die Festlegung eines subjektiven Kapitalisierungszinssatzes impli426 427 428 429 430

431 432 433 434 435 436 437

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Vgl. Edwards/Bell 1961, S. 73 f. sowie weiterführend auch Coenenberg 1968, S. 460. Vgl. Jacobi 2003, S. 42. Vgl. Edwards/Bell 1961, S. 271. Vgl. Küpper/Mattessich 2005, S. 357 f. sowie weiterführend Abschn. II.A.3 des Zweiten Hauptteils. Vgl. Schmalenbach 1962 sowie statt vieler zu den wesentlichen Lebensstationen Potthoff 1998, S. 141-153. Vgl. Geldmacher 1929, S. 1-27. Vgl. zur pagatorischen Bilanz Kosiol 1976; Kosiol 1981, Sp. 236-258. Vgl. zur neodynamischen Auffassung Moxter 1982. Vgl. Seicht 1970. Vgl. zur eudynamischen Bilanz Sommerfeld 1955, Sp. 980-985. Vgl. zur finanzwirtschaftlichen Bilanz Walb 1928, S. 38-44; Walb 1948. Vgl. zu den genannten Weiterentwicklungen Kloock 1993, Sp. 392 f.; Küpper/Mattessich 2005, S. 352; Lehmann 1963, S. 101 f. und 113 f. sowie zu weiteren Ansätzen Oberbrinkmann 1990, S. 186-189. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 53 sowie hierzu ebenfalls Kloock 1993, Sp. 387; Lehmann 1963, S. 25; Tolls 1987, S. 150 f.; Vogel 1982, S. 30 f. Schmalenbach 1962, S. 74 und vgl. hierzu etwa Dornemann 1960, S. 99; Lehmann 1963, S. 32. Vgl. ebenso die Ausführungen von Baetge/Beermann 1998, S. 155 und vergleichend Abschn. I.C.2 dieses Hauptteils. Vgl. zur Ermittlung des Zukunftserfolgswert als approximativer Unternehmenswert Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

55 442

zieren, die der herkömmliche Abschluss nicht generieren kann und darf. Somit beschreibt Schmalenbach nicht nur die Grenzen des Financial Accounting und die Notwen443 digkeit einer Zusatzberichterstattung zur Erklärung der Informationslücke, sondern ebenfalls die negativen Auswirkungen der Rechnungslegungspolitik auf die Verlässlichkeit des Datenmaterials, die sich aus einer steigenden Anwendung von Unternehmensbewertungs444 verfahren i. R. d. Financial Accounting ergeben würden. Aus diesem Unvermögen, den „wahren“ Unternehmenswert darstellen zu können, befürwortet Schmalenbach bei der 445 Aufstellung des pagatorisch ausgerichteten Abschlusses im Sinne der realen Geldkapital446 447 erhaltung ferner das dem Realisations- sowie dem Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip vorstehende Vorsichtspostulat, um diesen vor „Willkür und Unsicherheit“ zu 448 bewahren. Sämtliche Aktiva werden in der Bilanz mit Ausnahme des Zahlungsmittelbestands als 449 schwebende Vorleistungen an künftige Perioden interpretiert, so dass die dynamische Bilanz keine stichtagsbezogenen Aktivabestände, sondern periodisierte Ausgaben aus noch 450 nicht erfolgten Umsätzen ausweist. Eine paritätische Berücksichtigung von Zeitwerten, d. h. eine Zuschreibung über die (fortgeführten) Anschaffungs- oder Herstellungskosten 451 hinaus, lehnt Schmalenbach bei Anlagegütern aus Gründen der Vorsicht ab. Vielmehr ist 452 dem strengen Niederstwertprinzip zu folgen. Zusammenfassend gilt, dass i. R. d. dyna442 443 444

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Vgl. Schmalenbach 1962, S. 49-52; hieran anknüpfend Baetge/Beermann 1998, S. 156 Vgl. zu den Bestandteilen der Informationslücke Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Die Unternehmensbewertung würde sich damit in „dunkle und unhaltbare Konstruktionen“ stürzen. Schmalenbach 1917, S. 151; vgl. zum Einsatz von Unternehmensbewertungsverfahren bei der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts (Fair Value Accounting) Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.1.a) sowie deren Inkonsistenzen zur klassischen Theorie der Unternehmensbewertung in Abschn. II.B.3.c) des Zweiten Hauptteils. Vgl. grundlegend zur Pagatorik (lat. „auf Zahlungen beruhend“) Kosiol 1976, S. 356 f. Vgl. u. a. Schildbach 1979, S. 505; statt vieler zu den unterschiedlichen Konzeptionen Coenenberg 1975, S. 113 f.; eine reale Geldkapitalerhaltung befürwortend Froese 1977; Haase 1975, S. 281 f., Pieper 1972, S. 203 f.; Schildbach 1979b; Seicht 1970, S. 415 sowie vergleichend zur Substanzerhaltung Abschn. I.C.1 dieses Hauptteils. Vgl. ausdrücklich zur Betonung des Realisationsprinzips Moxter 1984, S. 38. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 98-100 sowie weiterführend Baetge/Beermann 1998, S. 156; Oberbrinkmann 1990, S. 165. Walb bezeichnet das Vorsichtsprinzip als Fremdkörper in der dynamischen Accounting Theory; vgl. Walb 1948, S. 80. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 66 f.; hierzu ausführlich Lehmann 1963, S. 33 f. und zur Dominanz des Vorsichtsprinzips in der bisherigen handelsrechtlichen Rechnungslegung Abschn. I.A.1 des Zweiten Hauptteils. Vgl. zu dieser Einschätzung Jacobi 2003, S. 25. Als Aktiva gelten Ausgaben, die noch nicht Aufwand sind (z. B. abnutzbare Maschinen), Ausgaben, die noch nicht Einnahmen sind (z. B. nicht abnutzbare Anlagen), Erträge, die noch nicht Aufwand sind (z. B. selbsterstellte Anlagen), Erträge, die noch nicht Einnahmen sind (z. B. Forderungen aus Lieferung und Leistungen). „Gänzlich ungeeignet ist der Zeitwertansatz in der Bilanz bei Anlagegütern und bei gebundenen Gütern überhaupt“, Schmalenbach 1931, S. 177; vgl. hierzu sowie zu der Stellungnahme, dass ein zu hoher, unvorsichtiger Gewinnausweis für den Eigentümer des Unternehmens viel gefährlicher als ein niedriger, vorsichtiger Gewinnausweis ist und Fehlentscheidungen nach sich ziehen kann, Schmalenbach 1962, S. 105 f.; vgl. ergänzend Baetge/Beermann 1998, S. 159. Vgl. ebenso Lüßmann 2004, S. 109; Oberbrinkmann 1990, S. 172 sowie vergleichend zum Niederstwertprinzip nach dem HGB und den IFRS Abschn. II.A. und B des Zweiten Hauptteils.

56

Erster Hauptteil

mischen Accounting Theory nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Betriebslenkung die 453 „richtige“ ergebniswirksame Erfassung der getätigten Aufwendungen im Vordergrund steht, welche entscheidungsnützliche Informationen über den Periodenerfolg als Zahlungs454 bemessungsgrundlage generiert. Damit kommt der Gewinnermittlung und nicht der Ge455 winnverteilung die vorrangige Aufgabe nach der dynamischen Accounting Theory zu. Diese Auffassung deckt sich - wie im Verlauf der Untersuchung gezeigt wurde - mit der Zielsetzung des IASB einer strikten Befolgung des True and Fair View-Prinzips bei gleich456 zeitiger Vernachlässigung der Ausschüttungsbemessungsfunktion des Abschlusses. Die Unterscheidung zwischen einem erzielten und verteilbaren Gewinn steht gleichzeitig im Widerspruch zur statischen Ausprägung der Accounting Theory, die bereits bei der Ge457 winnermittlung potenzielle Ausschüttungsforderungen antizipiert. Nach Schmalenbach lässt sich somit die Anfertigung einer Informations- und einer separaten Ausschüttungsbi458 lanz rechtfertigen. Hinsichtlich des immateriellen Unternehmensvermögens unterscheidet Schmalenbach zwischen dem Goodwill, den Nutzrechten, die wiederum in entgeltlich erworben (derivativ) 459 460 und im eigenen Betrieb erstellt (originär) unterteilt werden, sowie den Beteiligungen. Der „Goodwill Nr. 1“ bezeichnet einen bestimmten Teil des originären Geschäfts- oder 461 Firmenwerts als die Summe der Ausgaben, die zwar Vorleistungen für künftige Perioden darstellen, aber nicht in der Bilanz erscheinen. Dieser Goodwill tritt immer dann in Er462 scheinung, wenn „ein Geschäft von Grund auf selbst errichtet wird“ . In erster Linie sind 463 die durch Organisationskosten erlangten Gegenwerte dem „Goodwill Nr. 1“ zu subsu464 mieren, für die ein striktes Aktivierungsverbot zu beachten ist. Eine Aktivierung würde 465 nach Schmalenbach „Unsicherheit oder Willkür“ implizieren. Jenem Vorgehen folgen 466 derzeit sowohl der nationale als auch die internationalen Standardsetter. Eine Konkreti-

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„Gewinn ist das Erzielte, nicht das Verteilbare“, Schmalenbach 1962, S. 72 und vgl. hierzu ebenfalls Biener 1995, S. 34. Vgl. Stanke 2003, S. 59. Vgl. ebenso Deleker 1998, S. 2048. Vgl. hierzu auch Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. u. a. Böcking/Lopatta/Rausch 2005, S. 93. Diese Separationstheorie führt in einer Fortentwicklung zu einer Bewahrung der Ausschüttungsbilanz nach dem primär gläubigerschutzorientierten Handelsrecht und einer außerbilanziellen Zusatzberichterstattung (Intangible Asset- und Goodwill Reporting); vgl. die abschließenden Darlegungen in Kapitel IV des Zweiten Hauptteils. Vgl. grundlegend zum Tatbestandsmerkmal der Originärität Vogel 1982, S. 15 f. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 143. Diese grundlegende Klassifizierung des Geschäfts- oder Firmenwerts folgt sowohl dem nationalem als auch internationalem Verständnis; vgl. u. a. die Abgrenzung in Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Vgl. zu den Bestandteilen des originären Goodwill Abschn. I.E.1.a) und b) des Zweiten Hauptteils. Schmalenbach 1962, S. 143; vgl. hierzu auch Meyer 2005b, S. 183; Zimmermann 1985, S. 174. Schmalenbach spricht von „Kosten der lebenden Organisation des Betriebs“, Schmalenbach 1962, S. 143. Vgl. hierzu auch Dornemann 1960, S. 107; Meyer 2005b, S. 183. Schmalenbach 1962, S. 143 sowie vgl. hierzu auch Zimmermann 1985, S. 181. Vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.b). Eine Ausnahme besteht de lege lata (noch) für die handelsrechtliche Bilanzierungshilfe der Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbe(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

57

sierung, aus welchen einzelnen Bestandteilen sich jene Transaktionskosten zusammenset467 zen, wird allerdings nicht vorgenommen. 468

Der „Goodwill Nr. 2“ stellt den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert dar und wird - in Analogie zur bestehenden Rechtslage im handelsrechtlichen Jahresabschluss - mit einem 469 Aktivierungswahlrecht belegt. Für eine generelle Ansatzpflicht spricht sich Schmalen470 bach dagegen nicht aus, da dieser „ein Aktivum besonderer Art“ darstellt und „mit kei471 nem anderen Aktivum begrifflich zu vergleichen“ ist. Der derivative Goodwill, primär 472 einen Kapitalisierungsmehrwert darstellend, wird, da dieser „in seinem Werte besonders 473 gefährdet ist“ , als abnutzbar klassifiziert, wobei Schmalenbach diesbezüglich auf die auch nach derzeitiger Rechtslage aktuellen - Verlässlichkeitsdefizite bei der Nutzungsdau474 erbestimmung detailliert eingeht. Die Bemessung der Goodwill-Abschreibung ist demnach als willkürlich anzusehen, da aufgrund der hohen Individualität des Bilanzpostens keine Richtgrößen oder Planungsrechnungen zur Ermittlung der betriebsgewöhnlichen 475 Nutzungsdauern existieren. Neben den entgeltlich erworbenen können ebenfalls selbst erstellte Nutzrechte bilanzierungsfähig sein, wenn diese zum einen einen künftigen Nutzwert erzielen, zum anderen ein

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475

triebs als Bestandteil des Goodwill; vgl. Abschn. I.E.5 des Zweiten Hauptteils. Schmalenbach plädierte dafür, die bereits in § 133 Abs. 4 AktG in der Fassung von 1937 aktivierungsfähigen Kosten der Betriebseinrichtung mit einem Ansatzverbot zu belegen; vgl. Schmalenbach 1962, S. 102. Vgl. ebenso die Anmerkungen von Zimmermann 1985, S. 190. Vgl. grundlegend zum derivativen (positiven) Goodwill Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Vgl. weiterführend Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.2. Eine abweichende Einschätzung vertritt scheinbar Focken 2006, S. 27. Beide Zitate Schmalenbach 1962, S. 144 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Zimmermann 1985, S. 164. Nach dem BilMoG-RefE sind weitreichende Änderungen in Bezug auf die Vermögensgegenstandseigenschaft des derivativen Goodwill zu erwarten. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird der Terminus „Wert eigener Art“ verwendet; vgl. hierzu Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.2. Vgl. diese Erkenntnis aufgreifend Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Schmalenbach 1962, S. 145. Der für den Geschäftswert bezahlte Preis stellt nach Schmalenbach in den meisten Fällen eine Vergütung an den Vorbesitzer dafür dar, „daß er die Grundlagen zu einem künftigem guten Erträgnis des Geschäfts für eine Reihe von Jahren geschaffen hat. Die Wirksamkeit der Arbeit des Vorbesitzers erlischt erfahrungsgemäß im Laufe der Zeit, deshalb rechtfertigt sich eine allmähliche Abschreibung des so entstandenen Geschäftswerts des Gewinn- und Verlustkontos. Aber auch soweit der Geschäftswert auf anderen Umständen beruht, besteht eine verhältnismäßig hohe Gefahr allmählicher Entwertung, die ebenfalls eine Abschreibung nötig macht. Es ist in Wirklichkeit ein Akt der Vorsicht, wenn wir auf den reinen Geschäftswert abschreiben. Daher lässt sich eine bestimmte Höhe der Abschreibung weder begründen noch angreifen“, Schmalenbach, zitiert nach Take 1938, S. 111 sowie vgl. ebenso Doralt 1976, S. 63. „Der vorsichtige Kaufmann schreibt ein so unsicheres Aktivum ab. Man hat dafür keine Lebensdauerschätzungen, man weiß infolgedessen nicht, ob man in 5 oder 10 Jahren abschreiben soll. Man hat sich besonders häufig für 10 Jahre und 10 % entschieden, weil wir zufällig das dekadische Zahlensystem haben. Es ist ein Kompromiß“, Schmalenbach 1962, S. 145; vgl. in diesem Zusammenhang die ähnlichen Darlegungen des IASB bei der Implementierung des IOA nach IFRS anstelle einer planmäßigen oder pauschalen Goodwill-Abschreibung in Abschn. II.B.3.a) des Zweiten Hauptteils sowie zur Aufgabe der steuerrechtlichen Einheitstheorie des BFH Zweiter Hauptteil, Abschn. II.B.2. Dies trifft u. a. auf die „fiskalpolitisch“ motivierte Nutzungsdauer im Steuerrecht zu; vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. II.B.2.

58

Erster Hauptteil

Verteilungsbedürfnis vorliegt und schließlich eine verlässliche Kosten- und Nutzenzure476 chenbarkeit gegeben ist. Eine konkrete Wahrscheinlichkeitsschwelle wird allerdings 477 nicht vorgegeben. Subjektive Nutzenerwartungen sind unzureichend, vielmehr bedarf es einer formalen Existenzüberprüfung in Ausgestaltung einer rechtlichen Nachweiskonkreti478 479 sierung. Aus den Beispielen von Schmalenbach (u. a. Zufallserfindungen) lässt sich folgern, dass rein wirtschaftliche Vorteile im Regelfall nicht in der Bilanz ausgewiesen werden dürfen. Das Tatbestandsmerkmal des Verteilungsbedürfnisses, d. h. die Frage, inwieweit eine Auszahlung gänzlich als durch die Periode verursacht ist, kann als zentrale Forderung der dy480 namischen Bilanzauffassung gewertet werden. Allerdings stellt diese bei der Beurteilung der Bilanzfähigkeit keine Generalnorm dar, sondern steht mit dem Grundsatz der Vorsicht in einem Spannungsverhältnis. Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass Schmalenbach einerseits für eine Ansatzfähigkeit von Entwicklungskosten („Kosten der weiter481 führenden Produktforschung“) eintritt, jedoch letztlich vor einer Aktivierung von For482 483 schungsaufwendungen „zurückschreckt“ . In Übereinstimmung mit der dynamischen Accounting Theory nach Schmalenbach steht 484 beim Revenue and Expenses Approach, welcher maßgeblich durch Paton und Littleton geprägt wurde, die periodengerechte Gewinnermittlung und mithin die GuV als Rechen485 schaftsinstrument im Vordergrund. Die bilanziell ausgewiesene Vermögenssubstanz gibt 486 in Übereinstimmung zu Schmalenbach den Unternehmenswert unzureichend wieder; lediglich durch die strikte Befolgung des Matching Principle, welches die verursachungsgerechte Feststellung und Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen regelt, lässt sich anhand der in der GuV gezeigten betrieblichen Ertragskraft der Unternehmenswert approxi487 mativ bestimmen. In Kongruenz zu Schmalenbach sind sämtliche Einnahmen und Ausgaben, die noch nicht aufwands- bzw. ertragswirksam erfassbar sind, in der Bilanz anzu-

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Vgl. Schmalenbach 1962, S. 146 sowie ebenfalls Lutz/Ingold 2005, S. 43; Meyer 2005b, S. 183; zu den vergleichbaren abstrakten Aktivierungsvoraussetzungen nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. I.A.2. Vgl. Zimmermann 1985, S. 122 f. Diese Konkretisierungslücke besteht ebenfalls im IFRS-Regelwerk; vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. I.A.2. Vgl. zu dieser Einschätzung Zimmermann 1985, S. 243. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 147. Vgl. etwa Meyer 2005b, S. 183. Vgl. Schmalenbach 1962, S. 147 und zur (restriktiven) Ansatzfähigkeit von Entwicklungsaufwendungen nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. I.B. Hartmann 1997, S. 84. Vgl. die Einschätzungen von Zimmermann 1985, S. 191. Anderer Einschätzung sind scheinbar Baetge/ Beermann 1998, S. 164; Hartmann 1997, S. 84; Hartmann 2001, S. 63. Jener Sichtweise von Schmalenbach folgen ebenfalls das IASB sowie der nationale Gesetzgeber im BilMoG-RefE; vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. Paton/Littleton 1940. Vgl. zu jener Gleichsetzung ebenfalls Haller 1994b, S. 133; Wüstemann/Bischof/Kierzek 2007, S. 73. Vgl. zur Ableitung des Zukunftserfolgswert Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Vgl. Paton/Littleton 1940, S. 10 sowie hierauf eingehend Jacobi 2003, S. 37.

Theoretische Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting

59

setzen; das nicht monetäre Vermögen trägt die Bezeichnung „Ertragsminderungen in der 488 Schwebe“. Der Kreis aktivierungsfähiger immaterieller Vermögenswerte ist ähnlich weit 489 und unbestimmt gefasst wie bei Schmalenbach. Patton und Littleton geben exemplarisch die mögliche Aktivierung von Personalausbildungs- sowie Entwicklungs- und Organisati490 onsaufwendungen an. Ebenso wird die Zeitwertbilanzierung zugunsten des (fortgeführten) Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips aus Objektivierungserfordernissen ab491 gelehnt. Das Schrifttum tituliert den Revenue and Expenses Approach auch als stromgrößenorientierter, auf periodengerechte Gewinnermittlung (Accrual Basis) ausgerichteter 492 dynamischer Ansatz. Die alleinige Fundierung der Zielsetzungen des Financial Accounting auf der Grundlage der Accounting Theory ist im Schrifttum umstritten. In diesem Kontext wurde bereits von Moxter die Vernachlässigung finanzieller Ziele der Adressaten i. R. d. Accounting Theory 493 kritisch gewürdigt. Diese Einschätzung verdeutlicht die Notwendigkeit einer Erweiterung um die eingangs vorgestellte Neue Institutionenökonomie sowie die Kapitalmarkttheorie, welche Finanzierungsstrategien der Adressaten berücksichtigt. Nachdem in einem ersten Schritt eine theoretische Fundierung von Financial Accounting und Business Reporting erfolgte, soll im Folgenden eine Bestandsaufnahme ausgewählter Einflüsse dargelegt werden. Im Einzelnen betrifft dies die Fortentwicklung des Rules- und Principles Based Accounting sowie das private Standardsetting und die Ausrichtung der Unternehmenspolitik am Shareholder Value.

488 489 490 491 492 493

Vgl. Paton/Littleton 1940, S. 25 sowie weiterführend Jacobi 2003, S. 38. Vgl. ebenfalls zu dieser Einschätzung Jacobi 2003, S. 94 f. Vgl. Paton/Littleton 1940, S. 73 f. und 93. Vgl. Paton/Littleton 1940, S. 11-13. Vgl. u. a. Jacobi 2003, S. 49. Vgl. Moxter 1966, S. 38 und 58.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

II.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

A.

Fortentwicklung des Rules- und Principles Based- zu einem Objective Oriented Accounting

61

Die Bilanzskandale von Unternehmen, die am US-Kapitalmarkt gelistet waren und nach 494 495 496 US-GAAP Rechnung legten, u. a. Enron und WorldCom , erschütterten das Vertrau497 en der Kapitalmarktteilnehmer in die Qualität von regelbasierten Standards (Rules Based 498 499 Accounting) nachhaltig. Die US-GAAP gelten als typischer Vertreter des „Cook Book Accounting“, d. h. sie sind durch eine Fülle von Einzelfallvorschriften in der Tradition des 500 501 502 angelsächsischen Case Law gekennzeichnet. In jüngerer Zeit steht die den US-GAAP zugrunde liegende Kasuistik im Mittelpunkt zahlreicher kritischer Stellungnahmen, da die Bilanzskandale auf dem US-Kapitalmarkt auch durch die bestrebte lückenlose Erfassung 503 von Einzelfallregelungen nicht verhindert werden konnten. Ihre bis dato unangefochtene 504 „Vorreiterrolle“ bei der Internationalisierung des Financial Accounting wurde seither

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Vgl. zur Bilanzmanipulation am US-amerikanischen Kapitalmarkt am Beispiel der Umsatzrealisation Unkelbach 2006, S. 196. Vgl. ausführlich zum Enron-Bilanzskandal Baker et al. 2006, S. 27-30; Hartgraves 2004, S. 753-771; Healy/Palepu 2003, S. 3-26; Justenhoven/Krawietz 2006, S. 62 f.; Lenz 2002b, S. I; Lüdenbach/ Hoffmann 2002b, S. 1169-1175; Tackett/Wolf/Claypool 2004, S. 340-350; Vinten 2003, S. 448-455; Zimmermann 2002a, S. 573-582; Zimmermann 2004, S. 1515 sowie zu einer Umfrage unter Analysten und institutionellen Anlegern Cahan/Zhang 2006, S. 49-82; Meitner/Hüfner/Kleff 2002, S. 139141; ebenso die Ausführungen von Chatzkel 2003, S. 127-143, der die Zusammenhänge zwischen dem Unternehmenszusammenbruch bei Enron und der wachsenden Bedeutung immaterieller Vermögenswerte aufzeigt. Vgl. detailliert zum WorldCom-Bilanzskandal Tanski 2002, S. 2003-2007. Vgl. stellvertretend zur Vertrauenslücke Gross 2005a, S. 90. Vgl. die betreffende Bemerkung von Baetge/Zülch 2006, S. 149, wonach die Einzelregelungen von Prinzipien geleitet werden bzw. „Regeln nach Prinzipien“ darstellen. Vgl. u. a. Kuhner 2004a, S. 261; Leibfried/Meixner 2006, S. 210 und Sunder 2003, S. 141, der von einem „Zusammenbruch der Rechnungslegung in den USA“ spricht. Kley konstatiert, dass die USGAAP als vormaliges Idealbild eines entscheidungsnützlichen Financial Accounting „erhebliche Kratzer“ bekommen haben, Kley 2003b, S. 266. Hingegen ist auch die steuerrechtliche RFH/BFH-Rechtsprechung dem Case Law zu subsumieren; vgl. zu dieser Zuordnung ebenfalls Böcking 1998, S. 33. Vgl. hierzu u. a. Kußmaul 2000a, S. 343. Vgl. ausführlich zum Rules Based Accounting Baetge/Zülch 2006, S. 149; Leibfried/Meixner 2006, S. 210. Die Bezeichnung United States-Generally Accepted Accounting „Principles“ steht im fundamentalen Widerspruch zur praktischen Orientierung der US-amerikanischen Rechnungslegungsstandards an detaillierten Einzelfallurteilen; vgl. zum „Etikettenschwindel“ Luttermann 1999, S. 66 f. Ein Charakteristikum regelbasierter Accounting-Systeme sind die detaillierten Anwendungsvorschriften, welche ggf. zu einem Information Overflow führen können; vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.c). Im Schrifttum wird hierbei die Bezeichnung „Standards Overload“ verwendet, Vater 2007, S. 428. Vgl. u. a. Benston/Bromwich/Wagenhofer 2006, S. 166 („the rules-based approach has come under fire“); Lenz/Bauer/Auerbacher 2006, S. 177 f.; Luttermann 2006, S. 782; Preißler 2002, S. 2389; Preißler 2005; Watrin/Strohm 2006, S. 123; Zimmermann 2004, S. 1515-1518. Vgl. zur damaligen Selbsteinschätzung FASB (Hrsg.) 1998 sowie weiterführend Luttermann 1999, S. 3 f.

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Erster Hauptteil

vermehrt in Frage gestellt, wenngleich der wesentliche Einfluss der US-GAAP auf den Standardisierungsprozess der IFRS weiterhin anhält. Dem Rules Based Accounting wird 505 insbesondere seine unüberschaubare Kasuistik vorgeworfen, die zu einer sachverhalts506 gestaltenden Rechnungslegungspolitik „einlädt“ . Diese „Irreführung der Kapitalmarktöf507 fentlichkeit […] am Rande der Rechnungslegungslegalität“ wurde von Levitt, ehemals Chairman der Securities and Exchange Commission (SEC), in seiner viel beachteten Rede 508 509 „The Numbers Game“ kritisch gewürdigt. Erstmalig hatte die SEC daraufhin im August 2003 die Ergebnisse einer Studie, die sich mit der Sinnhaftigkeit eines prinzipienba510 sierten Accounting auseinander setzte, der Öffentlichkeit präsentiert. Daneben hat das 511 FASB zwischenzeitlich ein Diskussionspapier veröffentlicht, wonach die künftige Rolle des Rahmenkonzepts (Conceptual Framework) einer kritischen Analyse unterzogen wer512 den soll. Nach einer grundlegenden Überarbeitung des Framework soll dieses als Deduktionsgrundlage für die künftige Auslegung von Vorschriften fungieren, so dass die Prämis513 se eines Rules Based Accounting aufgegeben wird. Allerdings zielen die Darlegungen des SEC zugleich auf eine Fortentwicklung des Principles Based- zu einem „Objective O514 riented“ Accounting ab. Hiernach soll das künftige Regelwerk sowohl Detailregelungen (Rules) als auch Prinzipien (Principles) enthalten, wobei der Einhaltung der Konsistenz innerhalb des Prinzipiensystems sowie zwischen Rules und Principles eine zentrale Bedeu515 tung zugesprochen wird. Mit der Veröffentlichung von Statement of Financial Accounting Standard (SFAS) 141 (Business Combinations) und SFAS 142 (Goodwill and Intangible Assets) hatte sich das FASB erstmalig etwas von der früheren Kasuistik gelöst und vereinzelt prinzipienorientier-

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Vgl. in diesem Zusammenhang die Ausführungen des damaligen SEC-Präsidiums, wonach Rules Based Standards einer „Abhak-Mentalität“ folgen und sich zudem als unflexibel in Bezug auf die Anpassung an neue Gegebenheiten erweisen; vgl. Preißler 2002, S. 2390. Heintges 2005, S. 15 f. sowie vgl. auch Kuhner 2004a, S. 262; daneben die synoptische Darstellung von Vor- und Nachteilen der jeweiligen Rechnungslegungssysteme von Watrin/Strohm 2006, S. 124. Kuhner 2004a, S. 262. Vgl. Levitt 1998, S. 1-12 sowie hierzu auch Luttermann 2006, S. 780. Vgl. Luttermann 1999, S. 4 sowie beispielhaft zu den zahlreichen rechnungslegungspolitischen Freiheitsgraden bei der Durchführung des Goodwill Impairment Tests nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.2. Vgl. SEC (Hrsg.) 2003, S. 1 sowie hierauf abstellend Benston/Bromwich/Wagenhofer 2006, S. 166; Lüdenbach/Hoffmann 2003d, S. 396. Vgl. FASB (Hrsg.) 2002, S. 1 sowie hierzu auch Lüdenbach/Hoffmann 2003d, S. 387. Vgl. zu den erstmaligen Überlegungen FASB (Hrsg.) 2002, S. 1 sowie weiterführend Benston/Bromwich/Wagenhofer 2006, S. 168. Der 2005 veröffentlichte ED Hierarchy of Generally Accepted Accounting Principles soll das „House of US-GAAP“ systematisch strukturieren und eine Rangfolge der unterschiedlichen Normen bilden; vgl. hierzu auch Vater 2006, S. 940. Das damit in Verbindung stehende Codification Project dient der Integration sämtlicher US-GAAP in einen „autoritären Vorschriftenkatalog“. Als wesentlich ist vor allen Dingen das Bestreben des FASB zu qualifizieren, das Framework rückwirkend als US-GAAP einzuordnen, um seinen Stellenwert bei der Ableitung von Standards zu steigern; vgl. Watrin/Strohm 2006, S. 125 und 127 m. w. N. Vgl. auch Ruhnke/Nerlich 2004, S. 390. SEC (Hrsg.) 2003, S. 1. Vgl. SEC (Hrsg.) 2003, S. 12.

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te Elemente implementiert. Zusammenfassend gilt jedoch, dass die US-GAAP im Ganzen betrachtet noch immer dem Rules Based Accounting zuzuordnen sind und angesichts des hohen Zeit- und Kostenbedarfs erst langfristig ein struktureller Umbruch zu erwarten ist. Die Zielsetzung ist begrüßenswert, da ein ausschließlich regelbasiertes Accounting angesichts der damit einhergehenden Detailfülle und Intransparenz zahlreiche Risiken 517 birgt. Die Nachvollziehbarkeit des Datenmaterials kann i. R. d. Abschlussanalyse erheblich konterkariert werden und den Informationsinteressen des Kapitalmarkts entgegenstehen. Mithin gefährdet eine zu starke Kasuistik des Accounting die Investor RelationsPolitik und im ungünstigen Fall den Erfolg der wertorientierten Unternehmenssteuerung, wenn die Kapitalgeber nicht dazu bereit sind, auf einen Teil ihrer Risikoprämie zu verzichten. Schließlich ist zu erwarten, dass infolge der hohen Individualität immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill kein lückenloses Rules Based Accounting erzielbar ist, welches einen Großteil der Bilanzierungs-, Bewertungs- und Ausweisfragen regeln kann. 518 Diese Aussage trifft ebenfalls bezüglich der Standardisierung des Business Reporting zu. Das IFRS-Regelwerk dagegen stellt derzeit ein Konglomerat aus Rules- und Principles Ba519 sed Accounting dar, das durch die Vermischung des angloamerikanischen und kontinen520 taleuropäischen Rechtskreises i. R. d. Standardsetting zu erklären ist. Im Vergleich zum Dritten Buch des Handelsgesetzbuches ist die Regelungsdichte der IFRS wesentlich höher und die Einzelprinzipien stehen vielfach nicht widerspruchsfrei und konsistent zueinan521 der. Während das Handelsrecht (lediglich) unter Beachtung der Grundsätze ordnungsmä522 ßiger Buchführung (GoB) eine Einhaltung des True and Fair View vorsieht und die 523 Klausel explizit kein Overriding Principle darstellt, ist nicht abschließend geklärt, ob das

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Vgl. hierzu Davis 2002, S. 697 f. sowie Watrin/Strohm 2006, S. 124, die darauf hinweisen, dass erstmalig über die Auswirkungen der Anwendung der Standards auf die Berichterstattung und die Übereinstimmung mit dem Framework informiert wird. Vgl. auch Nobes 2005, S. 32. Vgl. zu Vorschlägen für eine Standardisierung Dritter Hauptteil, Abschn. V.A. Anderer Ansicht sind scheinbar Leibfried/Meixner 2006, S. 210. Vgl. zur (bestrebten) Prinzipienorientierung des IFRS-Regelwerks auch Hommel/Wich 2007, S. 512; Ruhnke/Nerlich 2004, S. 389; Schildbach 2002, S. 276. Schildbach spricht in diesem Zusammenhang von einer „unglaubwürdigen Doppelstrategie“, weil das IASB zwar die Zielsetzung eines Principles Based Accounting betont, die bisher reformierten IFRS allerdings noch weitgehend kasuistisch veranlagt sind; vgl. Schildbach 2005b, S. 46. Vgl. § 264 Abs. 2 und § 297 Abs. 2 HGB. Das True and Fair View-Prinzip geht auf das angelsächsische Recht zurück und wird auch als „Einblicksgebot“ gekennzeichnet; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 59 zu § 264 HGB, S. 19. Infolge des BiRiLiG wurde bewusst von einer „Eins zu Eins“-Umsetzung von Art. 2 Vierte EGRichtlinie abgesehen. Dies betraf Art. 2 Abs. 5 Vierte EG-Richtlinie, wonach in Ausnahmefällen von einer Einzelvorschrift abzuweichen ist, sofern diese dem True and Fair View entgegensteht (OverrideCharakter) und keine Heilung durch eine außerbilanzielle Berichterstattung möglich ist; vgl. hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 38 und 42 zu § 264 HGB, S. 13 und 15; Hüttemann 2002, Rn. 20 zu § 264 HGB, S. 631. Der DSR hatte im Entwurf eines DRS-Rahmenkonzepts eine stärkere Gewichtung des True and Fair View-Prinzips im fortentwickelten Handelsrecht nach internationalem Vorbild vorgeschlagen; vgl. DRS E-Rahmenkonzept, Rn. 14 f.; ablehnend Arbeitsgruppe 2002a, S. 2597. Das Projekt zur Schaffung von „Grundsätzen ordnungsmäßiger Rechnungslegung“ wurde durch den DSR infolge mangelnder Akzeptanz in der Unternehmenspraxis nicht vollendet.

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Erster Hauptteil 524

True and Fair View-Gebot nach den IFRS jenen Charakter besitzt. Demnach kann in „äußerst seltenen Fällen“ die Einhaltung der Einzelstandards der Vermittlung eines den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Bildes entgegenstehen und eine Abweichung 525 rechtfertigen. Da die Inanspruchnahme des Override nach den IFRS allerdings mit re526 striktiven Anforderungen und zusätzlichen Anhangangaben einhergeht, unterstellt die h. 527 M. eine äußerst geringe praktische Relevanz. In einer Gesamtschau sind die IFRS zwar auf dem Weg zu einem prinzipienbasierten Accounting, aber aufgrund ihrer historischen Anlehnung an die Bewertungspraxis des FASB 528 noch durch eine hohe Kasuistik gekennzeichnet. Ein langfristiges Nebeneinander von Prinzipien- und Regelorientierung stellt keinen Widerspruch dar, weil - wie Schildbach konstatiert - „Detailregeln übergeordnete Prinzipien nicht ausschließen, sondern bei sinnvoller Festlegung die Regeln so ergänzen, daß die Befolgung der Detailvorschriften im 529 Regelfall zur fair presentation führt“ . 530

Das zwischen IASB und FASB beschrittene Convergence Project soll zwar gleichberechtigt vorangetrieben werden, allerdings deuten die bisherigen Reformvorhaben darauf hin, dass sich das IASB (noch immer) von den entsprechenden Vorstellungen des FASB leiten 531 lässt. Ein Schritt in diese Richtung ist in den IASB-Diskussionspapieren „Measurement Bases for Financial Accounting - Measurement on Initial Recognition“ und „Preliminary 532 Views on an improved Conceptual Framework for Financial Reporting“ zu sehen. Das Ziel besteht wie nach US-GAAP in der Vereinheitlichung und Verbesserung des Rahmen533 534 konzepts (Conceptual Framework Project) . Vorgesehen ist die Schaffung einer konzeptionellen Grundlage für die gesamte Berichterstattung des Unternehmens und nicht nur wie bislang - für den Abschluss (Financial Statement).

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Vgl. ablehnend Altenburger 1999, S. 539; Müller/Wulf 2000, S. 130 sowie befürwortend Jöckle 2007, S. 1350; Wollmert/Achleitner 1997, S. 213. Für die US-GAAP wird der Override-Charakter des True and Fair View-Prinzips dagegen mehrheitlich bestätigt; vgl. u. a. Heintges 2005, S. 164. Vgl. IAS 1.19 (rev. 2007) sowie zu dieser Einschätzung Baetge/Zülch 2006, S. 119 m. w. N. Vgl. IAS 1.20 (rev. 2007). Als Ausnahme lassen sich neue wirtschaftliche Sachverhalte anführen, für die geltende Normen unzutreffend sind; vgl. Baetge/Zülch 2006, S. 119. Vgl. in diesem Zusammenhang im Besonderen die grafische Übersicht von Baetge/Zülch 2006, S. 152. Schildbach 2003b, S. 263. Vgl. IASB/FASB 2002, S. 1 sowie hierzu kritisch Herrmann/Hague 2006, S. 69-73. Bei der Implementierung des IOA ist das IASB der entsprechenden Bewertungspraxis des FASB im Grundsatz gefolgt, wenngleich im Detail konzeptionelle Differenzen existieren; vgl. hierzu ausführlich Zweiter Hauptteil, Abschn. II.B.3.a). Vgl. IASB Measurement Bases, S. 1-69 sowie IASB Conceptual Framework, S. 1-84. Vgl. zu einer Übersicht über die einzelnen Projektphasen Dobler/Hettich 2007, S. 30. Vgl. zu einer vorläufigen Bestandsaufnahme Dobler/Hettich 2007, S. 29-36; Schmidt 2006b, S. 65; Zülch/Fischer 2006, S. 153 f. Das 1989 erlassene Framework des damaligen IASC stellt bis dato ebenfalls keinen IFRS dar. Daher hat die EU-Kommission bislang von einem Endorsement des IASB Rahmenkonzepts abgesehen.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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Die qualitativen Prinzipien, die an den IFRS-Abschluss gestellt werden und im Fokus der 535 vorliegenden Analyse stehen, sehen in der jetzigen Fassung des Framework u. a. die Relevanz und Verlässlichkeit der Informationen vor. Im Diskussionspapier unterscheidet das IASB bezogen auf die Entscheidungsrelevanz (Relevance) zum einen in den Predictive Va536 537 lue, d. h. die Information leistet einen Beitrag zur Herleitung von Prognosen. Zum anderen wird auf den Feedback Value eingegangen, der vergangenheitsorientierte Informati538 onen zum Bilanzstichtag bestätigt bzw. korrigiert. Im Schrifttum wurde die Prognose539 und Kontrollfunktion entscheidungsrelevanter Informationen bereits nachgewiesen. Das zweite Kriterium der Verlässlichkeit ist de lege lata in die Teildimensionen der erwar540 541 tungstreuen bzw. glaubwürdigen Darstellung, Neutralität und intersubjektiven Nach542 543 prüfbarkeit untergliedert. Nach Maßgabe des Diskussionsentwurfs für ein Conceptual Framework ist allerdings geplant, den Terminus Verlässlichkeit durch das vormalige Sub544 kriterium der glaubwürdigen Darstellung zu ersetzen. Das derzeitige Vorgehen der internationalen Standardsetter, einen Ausgleich zwischen einem regel- und prinzipienbasierten Accounting und zugleich eine Konsistenz innerhalb des Prinzipiengefüges sowie zwischen den Prinzipien und den Standards im Sinne eines „Objective Oriented“ Accounting zu erzielen, ist positiv zu würdigen. Es bleibt allerdings abzuwarten, ob die Pläne der Normensetzer vom Kapitalmarkt entsprechend gewürdigt werden, d. h. ob mit einem langfristigen positiven Einfluss auf den Shareholder Value zu rechnen ist.

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Vgl. grundlegend zur Konzeption und zu den Inhalten des IASB Rahmenkonzepts Kleinmanns 2002, S. 627-637; Kümpel 2006b, S. 1373-1377; Schöllhorn/Müller 2004, S. 1623-1628 u. 1666-1670. Vgl. IASB Conceptual Framework, Rn. QC 10 sowie hierzu im Einzelnen Berndt 2003, S. 825; Dobler/Hettich 2007, S. 33; Kirsch 2007b, S. 417; Kuhner 2005a, S. 8; Schmidt 2006b, S. 65; Starbatty 2005, S. 22. Vgl. Kirsch 2007b, S. 417 sowie ausführlich zum Stellenwert von Prognosen im Kapitalmarkt-, Gesellschafts-, Bilanz- und Steuerrecht sowie in der Betriebswirtschaftslehre Drüen 2006, S. 707-713; Hennrichs 2006c, S. 698-706; Kuhner 2006, S. 713-721; Spindler 2006, S. 677-689; Veil 2006b, S. 690-698. Vgl. IASB Conceptual Framework, Rn. QC 13 und weiterführend Böckem 2000, S. 149; Kirsch 2007b, S. 417; Kuhner 2005a, S. 8; Starbatty 2005, S. 22. Als weiteres Kriterium wird die Aktualität der Informationen (Timeliness) angeführt; vgl. IASB Rahmenkonzept F. 26-30. Vgl. Scheele 2007, S. 26 m. w. N. Die Information soll demnach das wiedergeben, was sie vorgibt abzubilden („the economic phenomenon that it purports to represent“). IASB Conceptual Framework, Rn. QC 19. Das Gebot der Neutralität wird als Wiedergabe unverzerrter Informationen definiert; vgl. IASB Conceptual Framework, Rn. QC 27 f. sowie Schmidt 2006b, S. 66. Hiernach wird ein sachkundiger unabhängiger Dritter (einschließlich des Abschlussprüfers) unterstellt, der dem offen gelegten Datenmaterial zustimmen würde; vgl. IASB Measurement Bases, S. 21. Vgl. ebenso Kuhner 2005a, S. 8. Vgl. IASB Conceptual Framework, Rn. BC 2.26 bis 2.29. Das IASB begründet diese Pläne mit einem „Missverständnis“ des Begriffs Verlässlichkeit, konstatiert jedoch gleichwohl, dass die „neu“ gewählte Bezeichnung Abbildungstreue sämtliche Subkriterien der Verlässlichkeit aus dem geltenden Framework umfasst. Die rein formale Änderung wird jedoch im Schrifttum infolge der hohen Bedeutung des Terminus Verlässlichkeit kritisch gewürdigt, Vgl. hierzu im Einzelnen Dobler/Hettich 2007, S. 35.

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Erster Hauptteil

Das Gegenstück zum angloamerikanischen Case Law stellt das kontinentaleuropäische Code Law dar, welches dadurch charakterisiert ist, dass allgemein gehaltene Normen mög545 lichst viele Einzelfälle abdecken. Angesichts der herausragenden Bedeutung der kodifi546 zierten und nicht kodifizierten GoB entspricht das deutsche Handelsrecht dem (reinen) 547 548 Principles Based Accounting. Die GoB bilden als Rechtsnormen unbestimmte Rechts549 begriffe , die ihren konkreten Inhalt durch die Zwecksetzung und das Rechtsempfinden 550 551 des Kaufmanns erhalten und nach h. M. deduktiv zu ermitteln sind. Durch ihre Ausgestaltung als unbestimmte Rechtsbegriffe gewährleistet der nationale Gesetzgeber eine dynamische Rechtsfortbildung. Allerdings wird auch die Ausgestaltung des deutschen Prin552 ciples Based Accounting in jüngerer Zeit kritisch gewürdigt. Ein ausschließlich prinzipienbasiertes Regelwerk geht im Gegensatz zur verstärkten Durchführung von Sachverhaltsgestaltungen beim Rules Based Accounting mit Anreizen zur Vornahme von sachverhaltsabbildenden Maßnahmen der Rechnungslegungspolitik einher, welche angesichts der mangelnden Objektivierbarkeit der Daten die Verlässlichkeit des Financial Accounting ebenfalls beeinträchtigt. Die aus einem Principles Based Accounting resultierenden Auslegungsfragen betreffen - wie noch zu zeigen ist - in besonderem Maße die Behandlung im553 materieller Vermögenswerte sowie des Goodwill. Ein ausschließlich prinzipienbasiertes Financial Accounting ist für die betriebliche Praxis mithin ebenfalls nicht zweckdienlich. Vielmehr bedarf es eines speziellen „Mischungsver-

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Vgl. Müller/Wulf 2000, S. 127 f. sowie weiterführend zu den Übereinstimmungen zwischen der deutschen und japanischen Rechnungslegungstradition D’Arcy/Mori/Roßbach 2004, S. 68. Vgl. für einen historischen Abriss Beisse 1997, S. 385-409. Nach Einschätzung des RG umfassen die GoB sowohl die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung als auch der kaufmännischen Rechnungslegung; vgl. RG 1937, S. 747. Vgl. stellvertretend Euler 2002, S. 875; Leffson 1987a, S. 17; Leffson 1987b, S. 1-7; Moxter 2002a, Sp. 1041. Vgl. zur umstrittenen Rechtsnatur der GoB Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 3 zu § 243 HGB, S. 141. Vgl. detailliert zur Einordnung Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 6 zu § 243 HGB, S. 142; Leffson 1987a, S. 21; Scheffler 2001, S. 15; Tolls 1987, S. 119 f. sowie Hladjk 2000, S. 319. Die konkreten Ziele des Accounting werden in hohem Maße durch die Accounting Theory geprägt; vgl. zu ausgewählten Ausprägungen Abschn. I.C.1.-3 dieses Hauptteils. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 14 zu § 243 HGB, S. 145 und statt vieler zur Gewinnung von GoB Beisse 1990, S. 499-513; Leffson 1987a, S. 29; Prinz 2003, S. 1361. Schmalenbach wird bisweilen zu Unrecht als Vertreter der reinen induktiven Methode eingestuft. Vielmehr plädiert dieser dafür, bei der Auslegung der GoB „die gedanklichen Gepflogenheiten ordentlicher und ehrbarer Kaufleute“ zugrunde zu legen. Die tatsächlichen Gepflogenheiten (reine Induktion) hingegen scheiden nach seiner Ansicht aus, weil sie durch „Missbrauch“ gekennzeichnet werden könnten. Beide Zitate Schmalenbach 1933, S. 232. Baetge/Zülch konstatieren daher, dass Schmalenbach „bereits sehr früh die Notwendigkeit erkannte, sich vom rein Faktischen zu lösen und ein normatives Element der Ermittlungsmethode von GoB zugrunde zu legen.“ Baetge/Zülch 2006, S. 22; vgl. zu einem Vergleich zwischen induktiver und deduktiver Herleitung von GoB insbesondere Hüffer 2002, Rn. 44 zu § 238 HGB, S. 179. Vgl. stellvertretend zur Kritik am handelsrechtlichen Financial Accounting Böcking/Dutzi 2002, S. 358; Börner 1996, S. 158; Carstensen/Leibfried 2004, S. 865 („Hokuspokus-Accounting“); Langenbeck 2001, S. 585; Lauth 2000, S. 1370; Möhlmann-Mahlau/Gerken/Grotheer 2004a, S. 849; Schildbach 2001, S. 857. Vgl. weiterführend zu einer Bestandsaufnahme Zweiter Hauptteil, Abschn. I.D.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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hältnisses“, wobei nach h. M. dafür plädiert wird, das bestehende prinzipienbasierte Nor554 mengerüst durch einen höheren Detaillierungsgrad an Einzelfallregeln zu erweitern. Durch dieses Vorgehen würden sich sowohl die Anreize zur sachverhaltsgestaltenden als auch zur –abbildenden Rechnungslegungspolitik auf ein vertretbares Maß reduzieren. Diese Zielsetzung verfolgen ebenfalls - wie bereits ausgeführt - das FASB und das IASB und es bleibt abzuwarten, inwieweit das reformierte und grundlegend überarbeitete Rahmenkonzept (Principles) in Kombination mit den IFRS (Rules) künftig eine ähnliche Funktion wie die handelsrechtlichen GoB erfüllen können. Die kritischen Ausführungen zum Cook Book Accounting belegen, dass ebenfalls das US-GAAP-Regelwerk einem fundamentalen Überarbeitungsprozess unterliegt. Das durch die SEC angestrebte Objective Oriented Accounting lässt sich erst nach der Implementierung eines konsistenten, d. h. widerspruchsfreien Prinzipiensystems erzielen, welches aus nationaler Sicht bislang durch die handelsrechtli555 chen GoB repräsentiert ist. Im Schrifttum herrscht die Vermutung, dass sich „die bisherige angenommene Anpassung 556 der IFRS an die amerikanischen Standards wohl umkehren“ wird. In der Vergangenheit war der Einfluss der IFRS auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt beschränkt, da die 557 SEC für ein Listing an der New York Stock Exchange (NYSE) allenfalls IFRS558 Abschlüsse mit Überleitungsrechnung auf die US-GAAP akzeptierte. Für ausländische Emittenten wurde diese Überleitungsverpflichtung mit Beschluss vom 15.11.2007 erstma559 lig aufgegeben. Allerdings sind die vom IASB erlassenen IFRS zwingend zu berücksich560 tigen und nicht die „endorsed EU-IFRS“. Für US-Emittenten ist bislang noch kein Wahlrecht zur IFRS-Anwendung vorgesehen, wenngleich dies von der SEC derzeit diskutiert 561 wird. Das privatrechtliche Standardsetting auf internationaler Ebene, repräsentiert durch das IASB und FASB, wirkt sich zunehmend auf das kontinentaleuropäische Code Law-System 562 aus, wie im Folgenden exemplarisch zu zeigen ist. Neben einer grundlegenden Darstellung ihrer Bedeutung werden Vorschläge erarbeitet, inwieweit das privatrechtliche Standardsetting eine aktivere Rolle hinsichtlich eines harmonisierten Financial Accounting und des Business Reporting einnehmen kann.

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„Im günstigsten Fall stellen Regeln nichts anderes dar als die Konkretisierung des Prinzips für den Einzelfall.“ Kronner/Herold 2007, S. 164. Vgl. zum Risiko einer fehlenden Widerspruchsfreiheit des GoB-Systems infolge des BilMoG-RefE Kapitel IV des Zweiten Hauptteils. Watrin/Strohm 2006, S. 127; vgl. ironisierend Hakelmacher 2004, S. 117. Vgl. grundlegend zum Aufbau der SEC die Erörterungen von Weilep 2007, S. 1229 f. Vgl. zu dem Vorschlag, die US-Emittenten mit einem Listing in der EU zu einer IFRS-Bilanzierung zu verpflichten (Reciprocity) Schmuck/Ulbrich 2006, S. 531 sowie zur bisherigen fehlenden vollständigen Gleichwertigkeit der IFRS Baumann 1998, S. 5; Börstler 2006, S. 42; Freisleben/Leibfried 2004, S. 109; Gannon/Ashwal 2004, S. 47; Grammer 1998, S. 310; Littkemann/Schulte/Kraft 2005a, S. 287; Schildbach 1999a, S. 426 f. Vgl. SEC Final Rule Release Nos. 33-8879, 34-57026 sowie hierzu auch o. V. 2007b, S. 6. Vgl. kritisch hierzu Wadewitz 2007a, S. 1. Vgl. etwa Vater 2007, S. 427. Vgl. ebenso Wiedmann 2004b, S. 73-90.

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B.

Erster Hauptteil

Perspektiven des privatrechtlichen Standardsetting aus nationaler Sicht

Während ein privatrechtlich ausgestaltetes Standardsetting auf internationaler Ebene ein besonderes Gewicht besitzt, kommt diesem aus nationaler Sicht de lege lata noch eine tendenziell nachrangige Bedeutung zu. Eine Ausnahme stellt hierbei das Deutsche Rech563 nungslegungs Standards Committee (DRSC) dar, dem de lege lata die Aufgaben zu564 kommt, Empfehlungen zur Anwendung von Grundsätzen ordnungsmäßiger Konzernbilanzierung (GoKb) zu entwickeln, das Bundesministerium der Justiz (BMJ) bei Gesetzgebungsvorhaben i. R. d. Financial Accounting zu beraten sowie eine aktive Mitarbeit im in565 ternationalen Standardisierungsprozess zu leisten. Die Effizienz des privatrechtlichen Standardsetting wird im entscheidenden Umfang durch 566 die Unabhängigkeit des Gremiums determiniert. Als Indikator für die Unabhängigkeit fungiert die Ausgestaltung der Finanzierung, welche für die künftige Entwicklung des 567 DRSC eine zentrale Bedeutung besitzt. Der eingerichtete Spendenfond wird u. a. durch 568 569 Erlöse aus Publikationen und Mitgliedsbeiträge gespeist. Eine Untersuchung durch 570 Burger, Sing und Ulbrich gelangte zu dem Ergebnis, dass das DRSC einer finanziellen Abhängigkeit unterliegt, weil ca. 90 % der Mitgliedsbeiträge auf die deutschen kapital571 marktorientierten Unternehmen entfallen. Es wird auf die Gefahr verwiesen, dass die Mitglieder „in die Versuchung geraten, die Belange ihrer Geldgeber zum Nachteil der üb572 rigen Interessen zu bevorzugen“ . Die kapitalmarktorientierten Unternehmen könnten das DRSC bei aus ihrer Sicht inakzeptablen Reformvorschlägen mit einem Finanzierungsent573 zug „bestrafen“ und die Unabhängigkeit gefährden. Zur Lösung wird u. a. eine Erhöhung der Mitgliedsbeiträge, die Implementierung eines gewinnorientierten Ansatzes, die Finan-

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Auf internationaler Ebene tritt das DRSC unter der Bezeichnung German Accounting Standards Committee (GASC) auf; vgl. ausführlich zum Aufbau Scheffler 2002c, Sp. 529 f.; Sing 2004, S. 37-39. Vgl. hierzu auch Börstler 2006, S. 72; Hoffmann 2003, S. 46; Scheffler 1999a, S. 409; Schwab 2002, Sp. 521 f.; Sing 2004, S. 35. Mit der im Jahre 2003 beschlossenen strategischen Neuausrichtung betont das DRSC, dass der fachlichen Begleitung der IASB-Projekte seither eine zentrale Rolle beizumessen ist. Das DRSC ist bestrebt, die Zusammenarbeit mit dem IASB als Liaison-Partner auszubauen, um die nationalen Interessen bei der Fundierung des Financial Accounting angemessen zu vertreten („Sprachrohr Deutschlands für die Fortentwicklung der internationalen Rechnungslegung“), so die Selbsteinschätzung von DRSC (Hrsg.) 2003, S. 1; vgl. zu dieser Erkenntnis auch Brücks 2004, S. 2. Vgl. Scheffler 2002c, Sp. 532 f. Vgl. auch Scheffler 1999a, S. 416; Sing 2004, S. 71. Dies betrifft die im Schäffer-Poeschel-Verlag zu beziehende autorisierte Fassung der Verlautbarungen des DRSC. Vgl. § 14 DRSC-Satzung; zur Finanzierung Hoffmann 2003, S. 81 f.; Hommelhoff/Schwab 2002, Rn. 76 zu § 342 HGB, S. 2081. Vgl. ausführlich die Befürchtungen von Burger/Sing/Ulbrich 2005, S. 125. Vgl. die grafische Darstellung von Burger/Sing/Ulbrich 2005, S. 126. Hommelhoff/Schwab 2002, Rn. 77 zu § 342 HGB, S. 2081; vgl. ebenfalls zum Finanzierungsproblem in Anlehnung an die Abhängigkeiten des FASB Ebke 1999, S. 1200; Großfeld 2001, S. 132. Vgl. ebenfalls zu dieser Erkenntnis Burger/Sing/Ulbrich 2005, S. 126.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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zierung durch staatliche Quellen sowie eine - dem nationalen Enforcement-Verfahren vergleichbare - Umlagefinanzierung durch sämtliche Adressaten der DRSC-Tätigkeit vor575 geschlagen, wobei der letztere Vorschlag sich als besonders zielführend erweisen würde. Neben dem Finanzierungsproblem konterkariert die eingeschränkte Bindungswirkung der 576 Verlautbarungen die Effizienz des DRSC. Die h. M. ordnet die Standards als „qualifizier577 578 te Fachnormen“ ein, bei deren Anwendung die Vermutung gilt, dass diese den GoKb 579 entsprechen. Vorher bedarf es jedoch einer Bekanntmachung durch das BMJ im Bundes580 anzeiger, welche für die bislang verabschiedeten Standards erfolgte. Eine dem HGB vergleichbare Rechtsnormqualität wird den DRS jedoch nicht zuerkannt, d. h. ihre Einhaltung 581 kann somit rechtlich nicht erzwungen werden. Allerdings ist davon auszugehen, dass bei gerichtlichen Auseinandersetzungen eine Nichtkonformität mit den verabschiedeten DRS 582 ggf. zu Lasten des Unternehmens geht bzw. eine plausible Rechtfertigung erfordert. Insofern ist zu unterstellen, dass dieser Begründungszwang im Allgemeinen positiv auf die Ak583 zeptanz der Standards wirkt und den Konsens unter den Abschlusserstellern fördert. In diesem Kontext stellt sich insbesondere die Frage, welche Auswirkungen auf die Abschlussprüfung mit einer Nichtbeachtung der (konkretisierenden) DRS bei gleichzeitiger 584 Einhaltung der HGB-Normen verbunden sein können.

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Vgl. weiterführend zur nationalen Enforcement-Instanz Abschn. IV.C dieses Hauptteils. Vgl. grundlegend zu den denkbaren Optionen Burger/Sing/Ulbrich 2005, S. 126-128 sowie zu weiteren Möglichkeiten Hoffmann 2003, S. 85 f. Vgl. statt vieler Sing 2004, S. 40 sowie zur Missachtung der DRS in der Unternehmenspraxis Abschn. I.E.2 und II.B.1 des Zweiten Hauptteils. Ernst 1998, S. 1030; Spanheimer 2000, S. 999; Zitzelsberger 1998, S. 251 und 259. Vgl. zur „Vermutungswirkung“ ebenfalls Hoffmann 2003, S. 48; Luttermann 1999, S. 9; Spanheimer 2000, S. 998. Vgl. Probst 2006, S. 24, die berechtigterweise bemerkt, dass in § 342 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB lediglich von Empfehlungen gesprochen wird. Ballwieser hingegen äußert sich sehr kritisch zum Einfluss des DRSC. Angesichts der Tatsache, dass der DSR lediglich bestehende GoKb auslegt, komme ihm allenfalls die Rolle eines „Gesetzeskommentators“ zu. Vgl. Ballwieser 1999, S. 445 sowie weiterführend Ballwieser 2003, S. 345. Vgl. Börstler 2006, S. 72; Hoffmann 2003, S. 57 f. und Hoffmann/Lüdenbach 2002, S. 872, welche den Terminus „Pingpong-Spiel“ verwenden. Vgl. pointiert Biener 1999, S. 458; Budde/Steuber 1998, S. 1186; Hütten/Brakensiek 2000, S. 872 sowie Schwab 2002, Sp. 524. Vgl. zur Sanktionierung bei einer Fehl- oder Nichtbeachtung der DRS Spanheimer 2000, S. 1005 f. Vgl. Achleitner 1995, S. 369 f.; Biener 1999, S. 460; Breidenbach 1999, S. 645. Vgl. am Beispiel der Prüfung eines negativen Goodwill im handelsrechtlichen Konzernabschluss Vierter Hauptteil, Abschn. II.E. Das DSR schränkt, wie im Zweiten Hauptteil zu zeigen ist, die handelsrechtlichen Wahlrechte beim Intangible Asset- und Goodwill Accounting vielfach ein. In einigen Fällen ist allerdings eine Kompetenzüberschreitung des DSR zu konstatieren, da die Annäherung an die IFRS einen Widerspruch zu den geltenden handelsrechtlichen Regelungen schafft, u. a. bei der „Vermögenswert“-Konzeption; vgl. hierzu Abschn. I.A.1 des Zweiten Hauptteils. Das IDW führt in IDW PS 450.134 aus, dass der Abschlussprüfer keine Einwendungen gegen die Ordnungsmäßigkeit des handelsrechtlichen Konzernabschlusses erheben darf, sofern ein gesetzliches Wahlrecht entgegen den DRS-Empfehlungen ausgeübt wurde. Allerdings ist auf die Abweichung im Prüfungsbericht gesondert einzugehen.

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Erster Hauptteil

Im Zuge der nationalen Konkretisierung der EU-IFRS-Verordnung durch das BilReG ist die Bedeutung des DRSC tendenziell gesunken, da der in § 315 a Abs. 1 und Abs. 2 HGB angesprochene Adressatenkreis auf Konzernebene zwingend nach IFRS Rechnung legt und 585 586 - bis auf einige Ausnahmen - nicht die DRS zu berücksichtigen hat. Unter Harmonisierungsgesichtspunkten ist ein abweichendes Regelwerk auf Konzern- und Einzelabschlussebene allerdings wenig zielführend. Es ist daher eine Kompetenzerweiterung des DRSC in 587 Erwägung zu ziehen. Das DRSC sollte in Zukunft nicht nur Empfehlungen zur Auslegung der GoKb abgeben, sondern für ein an internationale Entwicklungen angepasstes Handelsrecht im Ganzen (einschließlich der GoB im Jahresabschluss) Vorschläge unter588 breiten. Ein erster Anstoß erfolgte durch die detaillierten Empfehlungen aus dem Jahre 589 2005 für eine Bilanzrechtsmodernisierung. Aus langfristiger Sicht führen die Internationalisierungsbestrebungen auch zu einer Umwälzung des handelsrechtlichen Jahresab590 schlusses, wie die Pläne des Gesetzgebers im BilMoG-RefE belegen. In diesem Sinne kann das DRSC für das BMJ eine wesentliche „Zuliefererfunktion“ erfüllen. Ferner wird im Schrifttum auf eine künftige aktive Mithilfe des DRSC bei der Auslegung der von der EU-Kommission übernommenen (endorsed) IFRS unter Einbeziehung nationaler Beson591 derheiten hingewiesen. Diesem Erfordernis trägt der nationale Gesetzgeber nunmehr im BilMoG-RefE Rechnung, da das DRSC künftig Interpretationen zu den IFRS erarbeiten soll, welche das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) 592 nicht selbst in allgemein verbindlicher Weise durchführen kann oder will. Jene künftige Kompetenzerweiterung des DRSC könnte ebenfalls den Verbindlichkeitsgrad der bisherigen DRS steigern und somit zu einer höheren Rechtsklarheit beitragen. Zudem ist eine verstärkte Mitarbeit des DRSC bei der Durchsetzung des Financial Accoun593 ting in Deutschland durch die Enforcement-Institution sinnvoll. Schließlich erfolgt im

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Daneben besteht gem. § 315 a Abs. 3 HGB ein Wahlrecht zur IFRS-Bilanzierung für die dort aufgeführten Unternehmen. Die Aufstellung eines IFRS-Abschlusses befreit (bislang noch nicht) von der handelsrechtlichen (Konzern-) Lageberichterstattung gem. § 289 und § 315 HGB in Verbindung mit DRS 15, da das IASB bis dato keinen eigenen Standard zu einem dem Lagebericht vergleichbaren Berichtsinstrument vorgelegt hat. Allerdings wird der Konzeption eines Management Commentary nachgegangen. Auf Konzernebene ist somit für sämtliche Unternehmen die Beachtung der entsprechenden Verlautbarungen des DRSC zur Lageberichterstattung weiterhin obligatorisch, eine Anwendung auf Einzelabschlussebene wird zudem ausdrücklich empfohlen; vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.1.-3. Vgl. hierzu auch Börstler 2006, S. 75. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Niehus 2001b, S. 59. Vgl. zu diesem Vorschlag ebenfalls Baetge/Krumnow/Noelle 2001, S. 773 und Hossfeld 2005, S. 163. Vgl. DRSC (Hrsg.) 2005, S. 1-43. Diese Vorschläge wurden u. a. als Orientierungshilfe bei der Formulierung der Fragen hinsichtlich der empirischen Untersuchung herangezogen; vgl. hierzu Abschn. IV.A des Dritten Hauptteils, da zum Befragungszeitpunkt (März bis April 2007) der BilMoG-RefE noch nicht vorlag. Das Unternehmenswahlrecht zur freiwilligen Offenlegung eines IFRS-Einzelabschlusses neben dem HGB-Jahresabschluss ist als kurz- und mittelfristige Lösung anzusehen, was die Bestrebungen des Gesetzgebers zum BilMoG belegen. Vgl. Küting/Dürr/Zwirner 2003, S. 137 und Probst 2006, S. 27 m. w. N. Vgl. § 342 Abs. 1 Nr. 4 HGB-E sowie BilMoG-BegrRefE zu Nummer 84 (§ 342 HGB), S. 197. Vgl. diesen Vorschlag aufgreifend Probst 2006, S. 27. Das DRSC könnte ebenfalls an der langfristig bestrebten Implementierung eines europäischen Dachverbandes der nationalstaatlichen Enforcement(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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weiteren Verlauf der Untersuchung der Vorschlag für eine gesetzliche Novellierung, das DRSC mit der Erarbeitung und fortlaufenden Aktualisierung eines dem Deutschen Corporate Governance Kodex vergleichbaren Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex zu beauftragen, um der Zielsetzung einer Standardisierung und Harmonisierung des Busi594 ness Reporting in der Unternehmenspraxis zu entsprechen. In einer Gesamtschau gilt, dass das private Standardsetting, welches in Deutschland durch den Deutschen Standardisierungsrat (DSR) und seiner Trägerorganisation, dem DRSC, repräsentiert wird, lediglich durch eine Realisierung der o. g. Empfehlungen einen wesent595 lichen Beitrag zu einem entscheidungsnützlichen Financial Accounting leisten kann. Ein zentraler Einfluss auf die Fortentwicklung des Business Reporting geht von der im nachfolgenden Abschnitt behandelten Implementierung einer am Shareholder Value orientierten Unternehmenspolitik aus, wobei neben einer grundlegenden Darlegung der wertorientierten Unternehmensführung auf die Bedeutung der Investor Relations und des Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Bestandteil des Value Reporting einzugehen ist.

C.

Ausrichtung der Unternehmenspolitik am Shareholder Value

1.

Grundlegendes 596

Seit Ende der 1980er Jahre erfährt das von Rappaport begründete Shareholder Value597 598 Prinzip als modernes Führungsmodell eine wachsende Bedeutung. Ansätze der Shareholder Value-Orientierung lassen sich jedoch bereits in der Accounting Theory bei Al-

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Instanzen nach den Vorschlägen der Committee of European Securities Regulators mitwirken; vgl. insbesondere zur Fortentwicklung des sekundären Enforcements Abschn. IV.C dieses Hauptteils. Vgl. grundlegend zum Vorschlag einer gesetzlichen Anpassung Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.2. Vgl. auch Knorr 2001, S. 89 f. Rappaport wird im Rückblick häufig als „Vater des Shareholder Value-Konzepts“ bezeichnet, obgleich die Untersuchungen von Copeland/Koller/Murin, Lewis oder Stewart ebenfalls einen wesentlichen Beitrag zur Etablierung dieses Managementprinzips geleistet haben; vgl. Copeland/ Koller/Murin 2002; Lewis 1995; Rappaport 1995; Rappaport 1999a; Rappaport 2006, S. 66-77; Stewart 1991. „A fundamental fiduciary responsibility of corporate managers and boards of directors is to create economic value for their shareholders. “ Rappaport 1981, S. 139. Vgl. Ballwieser 1994, S. 1382, der die Popularität des Shareholder Value-Prinzips mit der Aussage belegt, dass dies „heute zum Instrumentenkasten jedes Unternehmensberaters gehört“; ebenso die Ausführungen von Weber 1991, S. 221 f. sowie in Beziehung setzend zur Corporate Governance u. a. Höpner 2001, S. 1. Die Erkenntnis, dass Unternehmen Wert für ihre Eigentümer schaffen müssen, ist indes keine neuzeitliche Erscheinung, sondern „so alt wie die Betriebswirtschaftslehre selbst“. Aders/ Hebertinger/Wiedemann 2003, S. 356 sowie vgl. ebenfalls AKWF 2003, S. 525. In diesem Sinne ist von einer Renaissance der Unternehmenswertorientierung durch die verstärkte Inanspruchnahme globaler Kapitalmärkte zu sprechen; vgl. Ballwieser 2000, S. 160 und Lorson 1999a, S. 1329. Die Verfahren zur Bestimmung des Unternehmenswerts im Ganzen sind bereits seit jeher bekannt. Als „revolutionär“ ist lediglich der Einsatz von Unternehmensbewertungsverfahren zur Steuerung einzelner Geschäftsbereiche zu bezeichnen; vgl. Busse von Colbe 1997, S. 274 sowie weiterführend auch Kußmaul 1999, S. 382.

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Erster Hauptteil 599

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bach , Kosiol , Rieger und Schmalenbach feststellen. Als wesentliche Einflussfaktoren für die Verbreitung des Shareholder Value-Prinzips in Deutschland werden u. a. die 604 staatlichen Maßnahmen zur Deregulierung der Finanzmärkte, die Zunahme der Fusionen und Unternehmenskäufe (Mergers & Acquisitions), die international geführte Diskussion 605 um eine Best Practice der Corporate Governance sowie der zunehmende Druck von In606 vestment- und Pensionsfondsgesellschaften aufseiten des Kapitalmarkts angeführt. Empi607 rische Studien belegen, dass die Shareholder Value-Politik bei kapitalmarktorientierten 608 Unternehmen in Deutschland breite Beachtung findet, wenngleich (bislang noch) schein609 610 bar erhebliche Implementierungslücken und Umsetzungsprobleme bestehen. Der hohe Verbreitungsgrad des Shareholder Value-Ansatzes ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die traditionelle strategische Ausrichtung des Unternehmens an der 611 612 langfristigen Gewinnmaximierung im Schrifttum kritisiert wurde. Beurteilungskriterien wie der Bilanzgewinn, der Gewinn pro Aktie oder statische Erfolgskennzahlen sind nach

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Vgl. zur Verwendung der Kapitalwertmethode in einem betrieblichen Gesamtplan Albach 1965, S. 24. Vgl. zur Interpretation des Unternehmenserfolgs als Entschädigung für die Kapitalgeber Kosiol 1976, S. 125. Vgl. zur Fokussierung der Unternehmenseigner Rieger 1928, S. 124. Vgl. zur favorisierten Barwertkonzeption Schmalenbach 1962, S. 48. Vgl. überblicksartig Bühner 1997, S. 32-40. Vgl. stellvertretend zur Regulierungstheorie Tietz-Weber 2006, S. 13-17. Vgl. zum Shareholder Value als „Leitmotiv guter Corporate Governance“ u. a. Lüßmann 2004, S. 29 f. sowie zur Verbindung zwischen der Corporate Governance und immateriellen Vermögenswerten insbesondere Wheeler/Davies 2004, S. 51 f. Vgl. Jürgens et al. 2000, S. 1 f.; Mirow 1994, S. 94; Obermeier 1994, S. 79 f. Ein wichtiger Indikator für die Implementierung des Shareholder Value-Gedankens am Kapitalmarkt stellt das Verhältnis zwischen der Börsenkapitalisierung (Produkt aus der Anzahl der gehandelten Aktien und dem Börsenkurs) und dem Bruttoinlandsprodukt dar, welches im angloamerikanischen Raum um ein Vielfaches höher ausfällt als auf dem deutschen Aktienmarkt. Vgl. grundlegend Vest 1999, S. 151-155. Vgl. zu jüngeren Untersuchungsergebnissen in Österreich Palli 2004, S. 193 f. sowie hierzu im Einzelnen Feldbauer-Durstmüller 2005, S. 179 f. Vgl. zu möglichen Risiken Horváth/Kaufmann 2004, S. 9. Vgl. weiterführend die Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.e) des Dritten Hauptteils und von Achleitner/Bassen 2002, S. 620 f.; Hirsch 2006b, S. 272; Hirsch 2007, S. 161-185; Müller/Hirsch 2005, S. 83-87; Pellens/Tomaszewski/Weber 2000, S. 1825-1833; Weber/Müller 2003; Weber/Hirsch/ Müller 2004, S. 17-20. Vorausgegangen waren ähnliche Entwicklungen auf den US-amerikanischen Kapitalmärkten, weil der Shareholder Value-Ansatz primär für diesen Sektor konzipiert worden ist; vgl. auch die Anmerkung von Albach 2001, S. 644, dass der Shareholder Value-Ansatz „etwas ganz Selbstverständliches“ für die erfolgreiche Führung eines (Konzern-) Unternehmens darstellt sowie empirisch zur Bedeutung der Eigenkapitalfinanzierung in den USA Francfort/Rudolph 1992, S. 1065 f.; vgl. zu abweichenden Forschungsergebnissen Fischer/Rödl 2006, S. 54 f. Mülbert bezeichnet dies als früheres „Formalziel der normtypischen AG“, Mülbert 1997, S. 161; vgl. ausführlich zum Zusammenhang zwischen Gewinnorientierung und Marktumfeld Lauszus/Moscho 2005, S. 22. Vgl. zu den Ergebnissen der empirischen Zielforschung u. a. Link 2006, S. 32 f.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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h.M. ungeeignet, die Effizienz der Unternehmensleistung zu beurteilen und eine optimale Kapitalallokation zu generieren. Ursächlich hierfür ist, dass die aus dem Financial Accoun614 ting abgeleiteten Richtwerte durch die Rechnungslegungspolitik verzerrt sind. Der Bilanzgewinn zum jeweiligen Bewertungsstichtag gibt ferner keinen eindeutigen Hinweis darauf, welche Höhe dem zukünftigen Ausschüttungspotenzial der Anteilseigner zu615 kommt. Ebenso können weder der Zeitwert des Geldes noch individuelle Risikoaspekte 616 im Bewertungskalkül Berücksichtigung finden. Eine nach dem Shareholder Value-Prinzip geführte Unternehmung lässt sich nach h. M. nicht mit dem Formalziel der Gewinnmaximierung gleichsetzen, da letzteres das Gesell617 schaftsinteresse der Stakeholder widerspiegelt. Die Vermögensbelange der Aktionäre, die sich in der Forderung nach einer Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals manifes618 tieren, schlagen sich ggf. in substanzgefährdenden Ausschüttungsforderungen nieder, die häufig eine kurzfristige Sichtweise unterstellen, und verstoßen gegen das Gesellschaftsinteresse der Stakeholder. 619

Die Zielsetzung der buchhalterischen Gewinnmaximierung weist im Hinblick auf die Berücksichtigung immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill einen wesentlichen Nachteil auf. Ein Großteil der selbst geschaffenen Leistungsindikatoren wird bislang - wie 620 der originäre Goodwill - nicht durch die Bilanz erfasst. Bei der Ableitung des buchhalte621 rischen Gewinns ist das Erfolgspotenzial, welches diesen Werttreibern zugrunde liegt, ggf. noch nicht antizipiert worden. Wird dagegen die Gewinnmaximierung durch die Shareholder Value-Steigerung als unternehmerisches Oberziel abgelöst, kann die Berücksichtigung immaterieller Werttreiber zu einer Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals führen, wenn das Management glaubhaft macht, dass diese in Zukunft zusätzliche Cash

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Vgl. zur Verbindung von Shareholder Value und Performance Measurement u. a. Gentner 1999, S. 58 sowie statt vieler für eine terminologische Abgrenzung Hebeler 2003, S. 127. Vgl. grundlegend zu möglichen negativen Anreizen von gewinnorientierten Bezugsgrößen Elschen 1991a, S. 214 f. sowie relativierend Gabler 2004, S. 339; Hofmann 2004, S. 162 f. Vgl. hierzu insbesondere Ballwieser 1994, S. 1381, der lediglich eine Zufälligkeit unterstellt. „Viele Manager glauben, wenn es ihnen gelingt, den ausgewiesenen Gewinn in die Höhe zu treiben, dann steigen auch die Aktienkurse ihrer Unternehmen, selbst wenn der höhere Gewinn keine grundlegende Veränderung der Ertragslage des Unternehmens widerspiegelt.“ Copeland/Koller/Murin 2002, S. 99 sowie vgl. hierzu ebenfalls von Düsterlho 2003, S. 7. Vgl. statt vieler Knorren 1998, S. 11. Im Schrifttum wird basierend auf einem „gedanklichen Dreisprung“ kritisiert, Gewinnsteigerung mit Unternehmens- und Marktwerterhöhung gleichzusetzen; vgl. zum Widerspruch zwischen den dem „verbandsrechtlichen Denken entstammenden aktienrechtlichen Strukturprinzipien“ (Gewinnmaximierung) und der Maximierung des Shareholder Value stellvertretend Mülbert 1997, S. 161. Eine Börsenkursmaximierung kann dabei nicht generell im Unternehmensinteresse der Gesellschaft selbst liegen; vgl. Mülbert 2005, S. 429. Kuhner legt insofern ein „Spannungsverhältnis zwischen individueller Reichtumsmaximierung der Aktionäre und überindividuellem Verbandszweck“ zugrunde. Kuhner 2004b, S. 268. Vgl. ausführlich Raiser 1980, S. 207 f. Vgl. zur Kategorisierung des Geschäfts- oder Firmenwerts grundlegend Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1. Vgl. zur Suche nach Wertgeneratoren mittels Treiberbäume Franz 2004, S. 99-103; Hauser 2003, S. 57 f.

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Erster Hauptteil 622

Flows generieren. Dies impliziert eine wertorientierte Berichterstattung, verstanden als Intangible Asset- und Goodwill Reporting, als Teilbereich der Kommunikationspolitik des Unternehmens gegenüber den Investoren, auf die im weiteren Verlauf noch detailliert ein623 gegangen wird. Der Shareholder Value, definiert als Marktwert des Eigenkapitals der Anteilseigner (Akti624 onärsvermögen ), wird in der betrieblichen Praxis zumeist nach dem Brutto-Ansatz als Differenz zwischen dem Marktwert des Gesamt- und des Fremdkapitals ermittelt. Die Bestimmung des Unternehmensgesamtwerts erfolgt mittels des Barwerts aller betrieblich 625 626 prognostizierten Zahlungsströme (Cash Flows) , des Residualwerts bzw. des Barwerts derjenigen Cash Flows, die nach der Berichtsperiode anfallen und schließlich des Markt627 werts des nicht betriebsnotwendigen Vermögens. Im Anschluss werden die prognostizierten Cash Flows mittels eines gewogenen Kapitalkostensatzes [im Allgemeinen in Form des Weighted Average Cost of Capital (WACC)] 628 auf den Betrachtungszeitpunkt abgezinst [Discounted Cash Flow (DCF)]. Während die 629 Ableitung der Fremdkapitalkosten weniger problematisch ist, ist die Ermittlung der Ei630 genkapitalkosten als geforderte erwartete Rendite der Shareholder dagegen mit höheren 631 Anforderungen verbunden. In der Praxis hat sich hierbei das Capital Asset Pricing Model 632 633 (CAPM) durchgesetzt. Abgestellt wird auf eine risikofreie Anlage, erweitert um indi622

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Vgl. kritisch zur wohlfahrtsteigernden Wirkung einer am Shareholder Value-Prinzip orientierten Unternehmenspolitik Joerg et al. 2005, S. 25. Vgl. die einleitenden Ausführungen in Abschn. II.B.2. und 3 dieses Hauptteils. Bei börsennotierten Unternehmen wird der Marktwert des Eigenkapitals durch die Börsenkapitalisierung approximiert; vgl. Kuhner 2004b, S. 258. Die Implementierung des Shareholder Value-Prinzips bei nicht kapitalmarktorientierten Gesellschaften ist c. p. mit höheren Anforderungen verbunden, weil für die Ableitung der zukünftigen Zahlungsströme des Unternehmens eine Referenzgröße in Form eines aktiven Markts fehlt. Vgl. zum Prognose- und Verbundproblem bei der Ermittlung der Cash Flows detailliert Lammerskitten/Langenbach/Wertz 1997, S. 228 u. 232. Vgl. zur Bestimmung von Cash Flows auf Basis von Wertgeneratoren u. a. Hoffmann/Wüest 1998, S. 187; Seidenschwarz 2002, S. 212; weiterführend Bühner/Weinberger 1991, S. 195; Schröder 2003b, S. 143. Vgl. Schmid 1998, S. 221. Dabei ist entweder der Liquidations- oder der Fortführungswert zugrunde zu legen; vgl. Rappaport 1995, S. 63 f. Eine andere Sicht vertreten Labhart/Volkart, welche die Anwendung des Edwards-Bell-Ohlson-Framework befürworten; vgl. hierzu grundlegend Labhart/Volkart 2001b, S. 1156. Vgl. die Formulierung von Lorson 1999a, S. 1330, wonach das DCF-Verfahren den „Königsweg“ der Unternehmenswertbestimmung darstellt; vgl. detailliert Copeland/Koller/Murin 2002, S. 100 f. Die Fremdkapitalkosten werden zumeist approximierend aus Anleiherenditen oder Bankverbindlichkeiten vergleichbarer Unternehmen ermittelt; vgl. statt vieler Freidank 2000, S. 17. Vgl. Stehle 1995, Sp. 1112. Vgl. zum Prognoseproblem bei der Ermittlung der Kapitalkosten Lammerskitten/Langenbach/Wertz 1997, S. 230. Vgl. zur historischen Entwicklung Fama/French 2004, S. 25 f.; Lintner 1965, S. 587-615; Mossin 1966, S. 768-783; Sharpe 1964, S. 425-442. Vgl. Breitenstein/Hänni 2005, S. 651; Rutterford 2000, S. 139 f.; Vest 1999, S. 28. Als Alternative kommt die Arbitrage Pricing Theory in Betracht; vgl. Rappaport 1995, S. 60 f. und Hachmeister 2000, S. 164-171. Hierbei lassen sich fünf zentrale Einflussfaktoren auf die Aktienrendite unterschei(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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viduelle Risikozuschläge. Der vermutete negative Zusammenhang zwischen der Höhe der Kapitalkosten und der Entscheidungsnützlichkeit des Business Reporting wird in Abbildung 4 verdeutlicht, wobei der informationsbedingte Risikozuschlag als Variable fungiert. Kritisch zu würdigen ist in diesem Kontext, dass das CAPM auf der Annahme informationseffizienter Kapitalmärkte basiert, die - wie vorstehend ausgeführt - nicht in der 635 Unternehmenspraxis vorzufinden ist. Kapitalkosten

informationsbedingter Risikozuschlag

wirtschaftlicher Risikozuschlag

risikofreie Anlage

Entscheidungsnützlichkeit des Business Reporting

Abbildung 4:

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Einfluss des Business Reporting auf die Kapitalkosten

Abbildung 4 verdeutlicht die im Fokus der Abhandlung stehende unternehmerische Zielsetzung einer langfristigen Senkung der Kapitalkosten infolge des Business Reporting. Daneben soll die verstärkte Investition in das immaterielle Vermögen einen positiven Einfluss auf die künftigen Cash Flows erzielen, so dass ein zweifach positiver Effekt (Erhöhung der Zählergröße und Minderung der Nennergröße) auf die Höhe des Shareholder Value zu vermuten ist. Die Annahme einer Homogenität der Aktionäre verhindert, dass eine kosten- und zeitauf637 wändige Aggregation der verschiedenen Gruppenpräferenzen der Stakeholder des Unter-

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den: Index der industriellen Produktion, kurzfristiger Realzins, kurzfristige und langfristige Inflation und Ausfallrisiko; vgl. Bender/Lorson 1997, S. 3. Für nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen kommt hingegen die sog. Analogie-Methode oder die Accounting Beta-Methode in Betracht; vgl. ausführlich Bühner 1994, S. 25. Vgl. Becker 2003, S. 750; Marx 2004, S. 160 f.; Siegert 1994, S. 112. Die Berechnungsformel auf der Grundlage des CAPM lautet wie folgt: risikoangepasste Renditeforderung der Eigenkapitalgeber (rEK)= risikofreie Rendite (rf) + [systematisches Marktrisiko des betrachteten Unternehmens () * durchschnittliche Marktrisikoprämie (rm-rf)]; vgl. Lorson 1999a, S. 1330; Rutterford 2000, S. 140 sowie zur Problematik der Ableitung des Beta-Faktors Freiberg/Lüdenbach 2005, S. 483; Zimmermann 1997, S. 93 f. Die durchschnittliche Risikoprämie für Eigenkapital beträgt für den deutschen Kapitalmarkt ca. 6 %; vgl. anhand empirischer Untersuchungen Siegert 1995, S. 582 sowie zur Untersuchung des Beta-Faktors u. a. Berner et al. 2005, S. 711-718. Vgl. stellvertretend Hepers 2005, S. 58 sowie Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. In Anlehnung an Elliott/Jacobson 1994, S. 81.

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Erster Hauptteil 638

nehmens vorgenommen werden muss. Die Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals, 639 die mit der „Garantie“ einer risikoadäquaten Mindestrendite und einem Anstieg des Ak640 tienkurses verbunden ist, stellt das betriebliche Leitprinzip dar, an dem sich die Unter641 nehmenspolitik auszurichten hat. Die Orientierung der Unternehmenspolitik an den Interessen der Shareholder wird zuweilen auch als „Schutzzweck“ verstanden, weil die sonstigen Anspruchsgruppen der Unternehmung (Stakeholder) ihre Einflussnahme grds. vorab 642 vertraglich fixieren. Die Operationalisierung der wertorientierten Unternehmensfüh643 rung zielt darauf ab, bestehende Differenzen zwischen Unternehmens- und Marktper-

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Der Stakeholder-Begriff geht auf Freeman zurück; vgl. Freeman 1984, S. 46. Diesem Terminus lassen sich sämtliche Gruppen subsumieren, die einen „Einsatz (Stake) im Unternehmensspiel getätigt haben, der durch das Verhalten des Unternehmens in unterschiedlichem Maße auf dem Spiel steht“, Remer/Snethlage 2003, S. 32 und vgl. ebenso Hügens/Zelewski 2006, S. 368. Zu einer grafischen Darstellung wird verwiesen auf von Düsterlho 2003, S. 18 sowie auf die Ausführungen von Baetge/Thiele 1997, S. 14 f. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Kuhner 2004b, S. 258 f., der berechtigterweise davon ausgeht, dass eine Überwindung von Agency-Problemen nur durch die Vorgabe eindeutiger und verlässlicher Zielerreichungsgrade möglich ist; vgl. in diesem Zusammenhang die grundlegenden Ausführungen zur Principal Agent-Theorie in Abschn. I.B.1 dieses Hauptteils. Eine verstärkte Ausrichtung an den Interessen der Stakeholder (z. B. Gläubiger) sei nicht notwendig, da ihre finanziellen Ansprüche ohnehin „kontraktbestimmt und bevorrechtigt“ seien. Speckbacher 1997, S. 634 sowie vgl. weiterführend zur Stakeholder-Analyse Chevalier 2001; Hügens/Zelewski 2006, S. 368-373. Vgl. hierzu im Einzelnen Arnsfeld/Schremper 2005, S. 500; Rutterford 2000, S. 144. Die Investoren stellen dabei grds. die einzigen und entscheidenden autonomen Definitoren des Unternehmensziels dar; vgl. Sabel 2002, S. 125. Vgl. kritisch zur vermeintlichen Kausalität von Aktienkurssteigerung und Shareholder ValueOrientierung Schmidt/Maßmann 1999, S. 3. Das Management soll dazu angehalten werden, die Perspektive potenzieller externer Unternehmensaufkäufer einzunehmen. Frei verfügbare Mittel, für die derzeit keine Investitionsmöglichkeit besteht, sind im Allgemeinen unverzüglich an die Investoren auszuschütten, um potenzielle Kapitalgeber anzuwerben. Vgl. Lücke 2001, S. 58. Die Gläubiger des Unternehmens können in den Kreditverträgen spezifische Konditionen für die Überlassung von Fremdkapital vereinbaren. Das Tarifvertragsrecht schützt die Interessen der Arbeitnehmer bei der Festlegung von Löhnen und Gehältern. Die Eigenkapitalgeber können ihr finanzielles Engagement zwar ebenfalls von der Einhaltung bestimmter Klauseln abhängig machen, die aus dem US-amerikanischen Vertragsrecht übernommen werden (Covenants und die Forderung nach einem Solvency Test). Allerdings sind diese privatrechtlichen Schutzinstrumente in der Unternehmenspraxis kritisch zu würdigen; vgl. zu den Einschränkungen bei Anteilseignern mit Streubesitz Zweiter Hauptteil, Abschn. III.B.2.b) und c). Im Schrifttum werden als Synonyme auch die Termini (Total-) Value Management, Wertmanagement und Wertsteigerungsmanagement verwendet; vgl. grundlegend zum Value Based Management Arnold 2000, S. 7; Ballwieser 2002c, S. 77-79; Byrd/Hickman/Azair 2000, S. 163; Crowther 2000, S. 105; Forker/Powell 2000, S. 235; Francis/Minchington 2000, S. 151; Dalchow 2002, S. 42 f.; Davies 2000a, S. 37; Davies 2000b, S. 181; Kamhi 2000, S. 197; Kaub/Schaefer 2002, S. 7 f.; Ries/Burggraf 2003, S. 334 f.; Whittington 2000, S. 343 sowie zur Formulierung eines Rahmenkonzepts aus kapitalmarkttheoretischer Sicht Ittner/Larcker 2001, S. 349-410. Als Bestandteile des Value Based Management werden die Erwirtschaftung monetärer Unternehmenserfolge, ihre sachgerechte Verwendung mittels wertorientierter Steuerungsgrößen, das unternehmenswertorientierte Controlling, die erfolgsorientierte Managementvergütung sowie die kapitalmarktorientierte Informationspolitik angegeben; vgl. Pape 2000, S. 712. Die Schlüsselposition nimmt hierbei das wertorientierte Controlling ein. Ihm kommt vorrangig die Aufgabe zu, den aktuellen Shareholder Value zu ermitteln, die Wertsteigerungspotenziale zu planen sowie zu unterstützen; vgl. hierzu grundlegend Franz/Winkler 2006b, S. 417 f.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting 644

spektive zu identifizieren und zu erklären. Asymmetrien auf.

77

Die nachfolgende Abbildung 5 zeigt mögliche

Unternehmensperspektive

Marktperspektive Wertlücke

Zukunftserfolgswert

Reinvermögenszeitwert

Qualität des Reporting Qualitätslücke

Bedeutung des Reporting

Verständnislücke

Informationslücke

Berichtslücke

Intensität des Intangible Asset- und Goodwill Reporting

Abbildung 5:

Bedeutung des Reporting

Wahrnehmungslücke

Angemessenheit des Intangible Asset- und Goodwill Reporting

Ursachen von Differenzen zwischen Unternehmens- und Marktpers645 pektive

Während die Wahrnehmungslücke divergierenden Einschätzungen bezüglich der Entscheidungsnützlichkeit des Reporting zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt Rechnung trägt, 646 misst die Verständnislücke abweichende Wesentlichkeitseinschätzungen. Die Qualitätslücke resultiert aus Informationen, welche dem Grundsatz der Verlässlichkeit nicht genügen. Eine fehlende Bereitstellung von entscheidungsnützlichen Informationen zu immateriellen Vermögenswerten und des Goodwill ist Ausfluss der Informationslücke. Hinsichtlich der Wertlücke, die zwischen dem Zukunftserfolgs- und dem Reinvermögenszeitwert entsteht, treten neben dem nicht ansatzfähigen originären Goodwill spekulative Inhalte 647 hinzu, welche im weiteren Verlauf der Analyse vernachlässigt werden sollen. Die Ausrichtung der Unternehmensstrategie am Shareholder Value wird dabei nicht nur durch die Anteilseigner, sondern u. a. ebenfalls durch die zugrunde liegenden Normen des 648 Financial Accounting oder Kreditwürdigkeitsprüfungen bei der Aufnahme von Fremdka-

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Vgl. stellvertretend Freidank 2000, S. 20 sowie weiterführend Aders/Hebertinger/Schaffer 2003, S. 719; Aders/Hebertinger/Wiedemann 2003, S. 356. Sveiby verwendet den Terminus der „unsichtbaren Bilanz“, Sveiby 1998, S. 30 und vgl. ebenso Günther/Günther 2003, S. 195. In Anlehnung an Eccles/Fletcher 1999, S. 11; Eccles et al. 2001, S. 130-142. Vgl. zu einer kompakten Darlegung ebenfalls Steinhauer 2007, S. 37 f. Vgl. weiterführend auch Abschn. I.E.1.a) des Zweiten Hauptteils. Die h. M. vertritt die Auffassung, dass die Umstellung des Financial Accounting auf IFRS grds. mit einer Ausrichtung der Unternehmensleitung am Shareholder Value einhergeht, da wesentliche Übereinstimmungen (z. B. die Orientierung an zukünftigen Cash Flows oder die Schließung der Informati(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

78

Erster Hauptteil 649

pital maßgeblich beeinflusst. Die nachfolgende Abbildung 6 stellt ausgewählte Elemente der wertorientierten Unternehmensführung der vorliegenden Untersuchung dar. Neben einer wertorientierten Berichterstattung sowie eines wertorientierten Kostenmanagements und Controllings wird ebenfalls die Rechnungslegungspolitik (Earnings Management) der wertorientierten Unternehmensführung subsumiert. Das Financial Accounting und Business Reporting von immateriellen Vermögenswerten und des Goodwill sollen im Fokus der Untersuchung stehen.

Wertorientierte Unternehmensführung

wertorientierte Berichterstattung

Intangible Asset- und Goodwill Reporting

Abbildung 6:

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wertorientiertes Kostenmanagement und Controlling

Rechnungslegungspolitik (Earnings Management)

Intangible Asset- und Goodwill Accounting

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Ausgewählte Inhalte der wertorientierten Unternehmensführung

onslücke durch Bereitstellung entscheidungsnützlicher Unternehmensdaten) zu konstatieren sind; vgl. hierzu im Einzelnen Göbel 1999, S. 293; Kahle 2003a, S. 272; Weißenberger/Stahl/Vorstius 2004, S. 7 und die Ausführungen in Abschn. I.C.4 dieses Hauptteils. Im Zuge der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung (Basel II) müssen die Kreditinstitute je nach Ergebnis der zuvor durchgeführten Kreditwürdigkeitsprüfung (Rating) ihre Risikoaktiva in unterschiedlich hohem Maße mit Eigenkapital unterlegen. Im Vergleich zu Basel I, wonach eine pauschale Unterlegung von Krediten mit 8 % Eigenkapital vorgesehen war, hängt die Festlegung der Fremdkapitalverpflichtungen von der individuellen Bonitätseinstufung des Schuldners ab. Da die IFRSUmstellung tendenziell mit einer Erhöhung des Eigenkapitals und einer detaillierteren Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens in Verbindung gebracht wird, kann sich dieser Umstand ggf. positiv auf die Kreditvergabeentscheidungen im Sinne einer Minderung der Fremdkapitalzinsen auswirken; vgl. auf Basis einer spieltheoretischen Modellierung Wielenberg 2007, S. 732751; anderer Ansicht sind dagegen Freidank/Paetzmann 2002, S. 1785; Kußmaul/Tcherveniachki 2005, S. 619; Massenberg/Borchardt 2007, S. 355. Demnach ist nicht zu erwarten, dass Kreditinstitute i. R. d. Rating einen IFRS-Abschluss von den Unternehmen einfordern; vgl. grundlegend zu den Auswirkungen von Basel II auf das Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Barth/Stehr/Allmendinger 2002, S. 1258 f.; Becker/Brackschulze/Müller 2004, S. 740; Böcking/Herold/Müßig 2004a, S. 668; Buchholz 2002, S. 1281; Carstensen/Leibfried 2004, S. 866; Freidank/Paetzmann 2003, S. 233; Hartmann-Wendels 2002, S. 526; Hennrichs 2006d, S. 563-586; Jebens 2003, S. 2345; Kleinmanns 2005a, S. 1289; Krämer 2004, S. 298. Die Vorgaben von Basel II sind mit dem Gesetz zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie [vgl. BUG, S. 2606-2637] in nationales Recht überführt worden. Eigene Darstellung.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

2.

79

Shareholder- versus Stakeholder Value

Die Umsetzung des Shareholder Value-Ansatzes „in Reinform“ ist ein unerfüllbarer Anspruch, weil die Unternehmen den Zwängen des zugrunde liegenden gesellschaftlichen 651 652 Werte- und Normsystems unterliegen. Ihnen ist eine „gesellschaftliche Verantwortung“ 653 654 zuzusprechen, die darin besteht, die Interessen der Koalitionäre in Einklang zu bringen. Die Berücksichtigung der Ansprüche wesentlicher am Unternehmensprozess beteiligten Gruppen unter Befolgung des Nachhaltigkeitspostulats liegt dem pluralistisch angelegten 655 656 Stakeholder Value-Ansatz zugrunde. Während das Shareholder Value-Modell von Marktmechanismen und Ankündigungen der Eigentümer, ihre jeweiligen Anteile zu ver657 äußern, determiniert wird, sind Stakeholder Value-Systeme als insiderorientiert zu klassifizieren, da die Interessengruppen durch ihr Stimmrecht Einfluss auf die Unternehmenspo658 litik nehmen. Den Arbeitnehmern kommt u. a. in der deutschen Unternehmensverfassung 659 durch die Normierungen zur gesetzlichen Mitbestimmung eine fundamentale Bedeutung

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Vgl. Hamel 2004, S. 478; Remer/Snethlage 2003, S. 29. Daher ist auch die nach dem Shareholder Value-Prinzip vorherrschende Doktrin, unrentable Geschäftseinheiten (vorschnell) aufzugeben und Arbeitnehmer zu entlassen, sozialpolitisch unerwünscht; vgl. hierzu Hommelhoff 1997a, S. 18 f. sowie für eine detaillierte Analyse ökonomischer Fragestellungen zwischen Share- und Stakeholder u. a. Schmidt/Weiß 2003, S. 108. Vgl. zur Auffassung, dass eine langfristige Shareholder Value-Politik ebenfalls Stakeholder-Interessen zu berücksichtigen hat, Gentz 2007, S. 149. Vgl. u. a. zur Berichterstattung über gesellschaftliche Verantwortung speziell bei DaimlerChrysler Köthner 2004a, S. 309 sowie im Allgemeinen Cooper 2000, S. 83; Fischer/Zirkler 2008, S. 595 f.; Günther/Günther 2003, S. 191; Günther/Günther 2004, S. 367. Vgl. zur Fundierung der Koalitionstheorie bereits Cyert/March 1963, S. 29 sowie hierzu im Einzelnen Banzhaf 2006, S. 195-198; Dalchow 2002, S. 83; Günther 2004, S. 319; Stührenberg/Streich/Henke 2003, S. 5 f.; Vogel 1982, S. 54. Vgl. Baden 2001, S. 398; Haller 2006b, S. 17; Haller 2006c, S. 64 f.; Janisch 1993, S. 119 f. Auch Rappaport räumt ein, dass trotz der Ausrichtung der Unternehmenspolitik an den Zielen der Anteilseigner dem Management „die Aufgabe des Ausbalancierens der Interessen der verschiedenen Anspruchsgruppen“ zukommt. Rappaport 1995, S. 12; vgl. auch die jüngeren Anmerkungen zum Shareholder Value-Prinzip bezogen auf den sog. „Mannesmann-Fall“ von Mülbert 2005, S. 423. Die Ideologie des Stakeholder Value-Modells geht auf Cyert/March und Dill zurück und wurde in den 70er Jahren des vorangegangenen Jahrhunderts von System- und Organisationstheoretikern fortentwickelt; vgl. Cyert/March 1963; Dill 1958, S. 409 und sowie weiterführend Baden 2001, S. 400; Schmid 1998, S. 223 f.; Schütte 2006, S. 55 f.; Witt 2003, S. 53 f. Vgl. die Bezeichnung „pluralistische Wertschöpfungseinheit“ von Remer/Snethlage 2003, S. 32. Vitols spricht in diesem Zusammenhang von einem „verhandelten Shareholder Value“, Vitols 2003, S. 2; vgl. weiterführend zum Stakeholder Value-Konzept Hachmeister 2000, S. 29 f.; Hill 1996, S. 415. Mülbert ist der Auffassung, dass vor Inkrafttreten des KonTraG dem Shareholder ValuePrinzip eine „allenfalls beschränkte aktienrechtliche Kompatibilität“ bescheinigt werden konnte, Mülbert 2005, S. 426 sowie vgl. weiterführend Mülbert 1997, S. 161 f.; Schilling 1997, S. 373 f. Der Einfluss der zunehmenden Kapitalmarktorientierung auf das Gesellschaftsrecht kann demnach eine nachhaltige Verschiebung des aktienrechtlichen Verbandsziels nach sich ziehen. Mülbert folgert, dass die jüngere BGH-Recht-sprechung mittlerweile „ein bisschen Shareholder Value“-Orientierung für die Tätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat sogar zum Teil für geboten erachtet, Mülbert 2005, S. 437. Vgl. Deleker 1998, S. 2050. Vgl. Vitols 2003, S. 3. Vgl. die entsprechenden Regelungen bei Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeitern im Betriebsverfassungsgesetz, mit mindestens 2000 Beschäftigten im Mitbestimmungsgesetz sowie für Unternehmen der Montanindustrie im Montanmitbestimmungsgesetz; vgl. zu den anhand von empirischen (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Erster Hauptteil 660

zu, welche die Ausrichtung am Shareholder Value ggf. konterkariert. Aus Sicht der Mit661 662 arbeiter hat sich im Schrifttum daher der Begriff des Workholder Value durchgesetzt, 663 der Rückwirkungen auf die Höhe des originären Goodwill hat. Bezüglich der Berichterstattung über das immaterielle Vermögen lässt sich mithin zumindest eine partielle Vermischung des Shareholder- und Stakeholder Value-Modells feststellen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die Zielsetzung einer langfristigen 664 Steigerung des Shareholder Value einer Erhöhung des Stakeholder Value nicht immer 665 entgegenstehen muss. Es ist unstrittig, dass die Erhöhung des Unternehmenswerts ein wesentliches Element der Corporate Governance darstellt und als ausdrückliche Verpflichtung des aktienrechtlichen Vorstands im Deutschen Corporate Governance Kodex 666 667 (DCGK) benannt wird. Die Steigerung des Unternehmenswerts als Basis einer Share-

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Untersuchungen ermittelten (negativen) Auswirkungen der deutschen Mitbestimmung auf die Unternehmensperformance u. a. Jürgens et al. 2000, S. 9 m. w. N. Anderer Ansicht ist Franz 2003, S. 373, wobei langfristig gesehen Arbeitsplätze nur dann erhalten werden, wenn eine angemessene Rentabilität des Unternehmens unter Zugrundelegung des Shareholder Value-Prinzips vorliegt. Die Fiktion von einer langfristigen Interessensymmetrie wurde bereits von Keynes in Frage gestellt: „In the long run we are all dead“, Keynes 1923, S. 65. Zudem stehen dieser Einschätzung zahlreiche Aussagen gegenüber, bei denen trotz erfolgreicher Shareholder ValuePolitik des Managements Massenentlassungen angekündigt worden sind: „Sie brauchen heute doch nur zu veröffentlichen, dass Sie 20 000 Mitarbeiter raussetzen, und schon geht der Aktienkurs hoch“, Matthes 2000, S. 14. Vgl. zur Messung des Workholder Value mittels des Workonomics Approach Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.1.c) sowie zu ausgewählten Einflussfaktoren auf den Humankapitalbestand (Mitarbeiterqualifikation, -produktivität, -verfügbarkeit, -zufriedenheit, -motivation) Erichsen/Heck 2006, S. 78; Erichsen/Heck 2007, S. 950. Vgl. empirisch zur Bedeutung der Mitarbeiter als zentrale Stakeholder-Gruppe Fischer/Rödl 2006, S. 54. Die Deutsche Bank AG führt aus, dass der Shareholder-, Workholder-, Clients- und Society Value gleichrangige strategische Ziele (sog. „Vierklang“) des Unternehmens darstellen; vgl. Fischer/von der Decken 2002, S. 139. Weber/Lissautzki plädieren für eine strikte Orientierung am Kundenwert (Customer Value) als betriebliches Oberziel; vgl. Weber/Lissautzki 2005, S. 20. Vgl. zu den Auswirkungen der Mitarbeiterzufriedenheit auf den Shareholder Value u. a. Abschn. V.D des Dritten Hauptteils. Angesichts des weiten und heterogenen Adressatenkreises konnte im Schrifttum bislang keine eindeutige Zielfunktion des Stakeholder Value-Konzepts abgeleitet werden; vgl. Bühner/Tuschke 1997, S. 502; Hachmeister 2000, S. 33. Vgl. hierzu insbesondere die Darlegungen von Cooper 2000, S. 81-100 und Jensen 2002, S. 235-256. „Erst wenn […] es dem Management gelingt, eine funktionsfähige Koalition zufriedener Stakeholder zu schaffen, ist die Grundlage für den langfristigen Shareholder Value gegeben.“ Süchting 1999, S. I. Vgl. DCGK, Rn. 4.1.1 und weiterführend zum (damaligen) abweichenden Corporate GovernanceVerständnis des angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Rechtskreises Spremann 1994, S. 305 f. Der DCGK wurde durch das Transparenz- und Publizitätsgesetz implementiert; vgl. zu den Inhalten Böcking/Müßig 2003, S. 38; Deubert/Vogel 2004, S. 142; Götz 2002, S. 599; Hucke/Ammann 2002, S. 689; Ihrig/Wagner 2002a, S. 789; Ihrig/Wagner 2002b, S. 2509. Der fundamentale Zusammenhang zwischen der Corporate Governance und dem Reporting wird durch die sog. EUÄnderungs-Richtlinie, S. 1-7 verdeutlicht. Demnach sind Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, verpflichtet, eine Erklärung zur Unternehmensführung (Corporate Governance Statement) offen zu legen; vgl. Art. 46 a Nr. 1 a) EU-ÄnderungsRichtlinie, zu möglichen Inhalten Lanfermann 2004a, S. 4; Maul 2004, S. 2148; Niemeier 2006, S. 181; Strieder/Kuhn 2005, S. 562-566 sowie theoretisch und empirisch zum Corporate Governance Reporting u. a. AKEU 2006, S. 1069-1071; Staub 2005.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

81 668

holder Value-Politik hängt von den Informationsbedürfnissen der Stakeholder ab. Allerdings kann die in der Unternehmenspraxis generell formulierte Interessensgleichheit zwi669 schen den Anlegern und den sonstigen Koalitionären nicht überzeugen. Ungeachtet des möglichen Risikos von Zielkonflikten wird dafür plädiert, einer nachhaltig ausgerichteten Shareholder Value-Konzeption zu folgen, die aufgrund der Kapitalmarktorientierung des Unternehmens vorrangig an den Zielen der Investoren ausgerichtet ist. Als Nebenbedingung soll ein Interessensausgleich mit den wichtigsten Stakeholdergruppen gesucht wer670 den, z. B. durch die Schaffung von Incentives zur Mitarbeitermotivation, oder den Aus671 bau der Kundenbeziehungen. Haller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der Goodwill „nicht nur eine öko672 nomische, sondern auch eine ökologische und soziale Komponente ausweist“, so dass die Verfolgung eines kurzfristigen Shareholder Value-Konzepts zu einseitig ausfällt. Die Heranziehung eines erweiterten Ansatzes hingegen wirkt einer pareto-ineffizienten Umverteilungspolitik zugunsten der Shareholder und zu Lasten der Stakeholder entgegen. Ein in der Unternehmenspraxis häufig eingesetztes Verfahren stellt die im weiteren Verlauf der Untersuchung detailliert zu beurteilende Balanced Scorecard als Ausgangspunkt des Intan673 gible Asset- und Goodwill Reporting dar, die u. a. den Einfluss von Kunden-, Lieferanten- und Arbeitnehmerbeziehungen (Stakeholder) auf das unternehmerische Oberziel (Steigerung des Shareholder Value) anhand von nichtfinanziellen Leistungsindikatoren unter-

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Vgl. weiterführend zur Implementierung eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex die Ausführungen in Abschn. V.A.1 des Dritten Hauptteils. Vgl. hierzu auch Jensen 2002, S. 235. Vgl. statt vieler kritisch Dalchow 2002, S. 81. Dieser Fiktion wird ebenfalls im IASB Rahmenkonzept F. 10 gefolgt. Zwar wird „a wide range of users“ als potenzieller Adressatenkreis unterstellt. Die Ausrichtung der IFRS an den Interessen der Anteilseigner führe allerdings „automatisch“ dazu, dass die „Ansprüche der meisten anderen Adressaten“ (Stakeholder) erfüllt werden; vgl. hierzu auch Ballwieser 2003, S. 340. Dieser Argumentation kann allerdings keine Realitätsnähe bescheinigt werden; vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Kürsten 2000, S. 361, der die Ansicht, wonach eine Erhöhung des Unternehmenswerts zwangsläufig zu einer Steigerung des Marktwerts des Eigenkapitals führt, mit dem sog. Co Insurance Effect widerlegt. Berndt führt diesbezüglich an, dass „a wide range of users“ ebenso „a wide range of information“ impliziert, zumal „a lack of knowledge about their decisions“ besteht; Berndt 2003, S. 829 sowie vgl. hierzu Hendriksen/Van Breda 1992, S. 851. Im Diskussionspapier für eine Novellierung des Rahmenkonzepts bezeichnet das IASB nunmehr die gegenwärtigen und potenziellen Eigen- und Fremdkapitalgeber (inklusive deren Berater) als primäre Adressaten des Accounting; vgl. IASB Conceptual Framework, Rn. OB 2 in Verbindung mit BC 1.16 sowie hierzu ebenfalls Kirsch 2007b, S. 417. Vgl. grundlegend zur Schaffung von Anreizsystemen zur Lösung von Agency-Konflikten die Ausführungen in Abschn. I.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. Haller 2006b, S. 28; Schmidt/Maßmann 1999, S. 24 und ferner Fischer/Vielmeyer 2002, S. 1. „Nur so lässt sich eine einseitige Interessenpolitik nach allen Seiten vermeiden“, Busse von Colbe 1997, S. 289 sowie von Werder 1998, S. 76 und 89, der eine Ausrichtung am Shareholder ValuePrinzip als einzige Richtlinie des Managements ausdrücklich verneint bzw. als rechtlich unzulässig, betriebswirtschaftlich unzweckmäßig und sozial unverträglich bezeichnet. Zudem besteht die Gefahr, dass die Unternehmensleitung die Zielsetzung der Shareholder Value-Maximierung als Selbstzweck einsetzt, um eine schlechte Performance und niedrige Aktienkurse zu verschleiern; vgl. basierend auf einer empirischen Untersuchung am Schweizer Kapitalmarkt Jörg/Loderer/Roth 2004, S. 357. Haller 2006c, S. 71. Vgl. Abschn. II.B.1 des Dritten Hauptteils.

82

Erster Hauptteil 674

sucht. Die nachfolgende Abbildung 7 zeigt schematisch das zugrunde gelegte nachhaltige Shareholder Value-Konzept. Mitarbeiterwert (Workholder Value)

Kundenwert (Customer Value)

Shareholder Value (Oberziel)

Lieferantenwert (Supplier Value)

andere Stakeholder

Abbildung 7:

3.

Nachhaltige Shareholder Value-Konzeption

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Investor Relations

Die Ausrichtung der Unternehmenspolitik an einer nachhaltigen Erhöhung des Shareholder 676 Value geht zwangsläufig mit einer offensiven Investor Relations-Politik einher. Investor 677 678 679 Relations bezeichnen (primär freiwillige ) Anstrengungen des Managements , das Ver-

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Vgl. hierzu Jensen 2002, S. 247 f. und Menn 2000, S. 202, wonach die Balanced Scorecard als Gegenreaktion auf eine einseitige Shareholder Value-Betrachtung aufzufassen ist; vgl. zum Aufbau der Balanced Scorecard ausführlich Dritter Hauptteil, Abschn. II.B.1 sowie zur Auswirkung auf den EVA die Darlegungen von Fischer/Vielmeyer 2002, S. 12-17. Wolf/Körnert führen aus, dass die Stakeholder Scorecard eine Vorstufe der Balanced Scorecard darstellt; vgl. Wolf/Körnert 2004, S. 653. „Damit wird deutlich, dass sich die Standard-Balanced Scorecard zwar dem Shareholder Value-Konzept verpflichtet fühlt; sie ließe sich aber auch gegenüber dem Stakeholder-Konzept öffnen.“ Körnert/Wolf 2007, S. 137. Eigene Darstellung. Vgl. zur Bedeutung der Investor Relations innerhalb des Wertsteigerungsmanagement Achleitner/ Pietzsch 2005, S. 379; Häcker et al. 2001, S. 665; Kirchhoff 2005, S. 33; Labhart/Volkart 2005, S. 167; Löw 1999, S. 89; Telgheder 2006, S. 11; Verboom 1992, S. 336 sowie zur „Brückenfunktion“ zwischen dem in- und externen Shareholder Value Hütten 2000, S. 68. Vereinzelt findet auch der Begriff des „Kapitalmarkt-Marketing“ Verwendung; vgl. Müller 1998b, S. 72. Achleitner/Bassen betonen in diesem Kontext, dass „den Shareholder Value-Ansätzen nur selten eine Alibifunktion zukommt, indem sie ausschließlich zur Kommunikation mit dem Kapitalmarkt (quasi als Selbstzweck) und nicht auch zur tatsächlichen Unternehmenssteuerung eingesetzt werden.“ Achleitner/Bassen 2002, S. 621. Vgl. zur historischen Entwicklung der Investor Relations sowie zur begrifflichen Einordnung Dürr 1995, S. 2; Enke/Reimann 2003, S. 7 f.; Hütten 2000, S. 54; Paul 1993, S. 134. Eine abweichende Auffassung vertritt u. a. Pulham 2003, S. 1, die ebenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Kommunikationsmaßnahmen den Investor Relations subsumiert. Als verpflichtende Bestandteile der Investor Relations werden die Einberufung von Hauptversammlungen, Analystenmeetings, die Veröffentlichung von Emissionsprospekten, Unternehmenskalendern sowie die unterjährige Publizität genannt; vgl. Hütten 2000, S. 74 und 191 sowie im Einzelnen Achleitner/Bassen/Pietzsch (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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trauen der aktuellen bzw. potenziellen Investoren und der vermittelnden Analysten sowie die Reputation des Unternehmens durch zielgerichtete Maßnahmen nachhaltig zu stei681 682 gern. Die Unterscheidung in Privatanleger und institutionelle Anleger ist für den ziel683 gerichteten Einsatz der Investor Relations relevant. Die Informationsbedürfnisse sowie die Einflussmöglichkeiten fallen bei institutionellen Anlegern im Regelfall wesentlich höher aus, so dass tendenziell eine Forderung nach qualitativ und quantitativ ausgeweiteten 684 Investor Relations-Maßnahmen besteht. 685

Die Bedeutung einer intensiven „Pflege“ der Beziehungen zu den Investoren ist erstmalig nach dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Kapitalmärkte im Jahre 1929 er-

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2001b, S. 20; Wenzel 2006, S. 187. Auf die o. g. verpflichtenden Maßnahmen wird im Folgenden nicht näher eingegangen. „Investor Relations ist Chefsache.“ Leven 1998, S. 49. Die empirische Studie von PwC und Kirchhoff betont, dass 81 % der untersuchten börsennotierten Unternehmen die Investor Relations-Aktivitäten direkt dem Vorstandsvorsitzenden oder dem Finanzvorstand unterstellen; vgl. PwC/Kirchhoff (Hrsg.) 2005, S. 14. Eine erfolgreiche Investor Relations-Politik zur Stärkung der Vertrauensbasis zwischen Management und Investor bedarf einer „den tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnissen“ entsprechenden Unternehmensdarstellung und ist nicht als „Schönwetteraufgabe“ zu verstehen. Eine zu optimistische Performance-Darstellung bei saisonalen oder konjunkturellen Engpässen stellt ein nicht unerhebliches Risiko der Investor Relations dar, die bei einer Aufdeckung negative Effekte (z. B. den Aktienverkauf) auslösen kann; vgl. ebenso Krystek/Müller 1993, S. 1785 f.; Leven 1998, S. 58 sowie grundlegend zur Bedeutung des Vertrauens bei den Investor Relations-Aktivitäten Ferber/von Nitzsch 2004, S. 818. Vgl. die grundlegenden terminologischen Abgrenzungen von Armeloh 1998, S. 13; Ekkenga 2001b, S. 1; Goebel/Ley 1993, S. 1679; Krystek/Müller 1993, S. 1785; Link 1993a, S. 107; Paul 1991, S. 933 sowie weiterführend Alvarez/Wotschofsky 2000, S. 651. „Investor Relations is corporate marketing activity combining the disciplines of communication and finance, providing present and potential investors with an accurate portrayal of a company’s performance and prospects. Conducted effectively, investor relations can have a positive impact on a company’s total value relative to that of the overall market and a company’s cost of capital, Lake/Graham 1990, S. 7 sowie vgl. hierzu auch Eder 2002, S. 25; zu den Interdependenzen zwischen der Investor Relations-Politik und dem Controlling Hirsch/ Sorg 2006, S. 428. Die rasche Ausbreitung des Shareholder Value-Prinzips ist auf den Einfluss institutioneller Anleger zurückzuführen, die Investitionen auf weltweiten Kapitalmärkten tätigen und im Interesse ihrer Kunden eine Mindestrendite einfordern. Institutionelle Anleger, die in der Vergangenheit die USamerikanischen Finanzmärkte dominierten, finden in jüngerer Zeit auch eine stärkere Beachtung an den deutschen Börsen, u. a. Investmentfondgesellschaften, Versicherungen und Pensionsfonds, aber auch Kreditinstitute; vgl. Achatz 1998, S. 17 sowie grundlegend Zöllner 2005, S. 243 f.,. Charakteristisches Merkmal ist, dass eine treuhänderische Verwaltung fremden Vermögens gegeben ist und die Investoren als „maßgebliche Entscheidungsträger bzw. Meinungsbildner auf dem Kapitalmarkt“ fungieren. Achleitner/Pietzsch 2005, S. 379; vgl. auch zur Bedeutung Adamek 2006, S. 93 f.; Enke/Reimann 2003, S. 2; Müller 2001a, S. 842; Paul 1991, S. 933; Strasser 2000, S. 42. Neben jenen „traditionellen“ institutionellen Investoren erlangen Hedgefonds für die Unternehmenskontrolle und führung zunehmende Bedeutung. Vgl. hierzu Schmolke 2007, S. 717. Vgl. zur zielgruppenspezifischen Informationsversorgung des Kapitalmarkts Behr/Lindner 1997, S. 860; Kley 2000, S. 350; Klingebiel 2001a, S. 7-11; Stauber 2003, S. 99; Pohle 1995, S. 70 f. Vgl. Leven 1998, S. 57. Vgl. u. a. zu einer Erweiterung der Investor Relations um Kundenpräferenzen Ridder/Bommer 2006, S. 615.

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Erster Hauptteil 686

kannt und gesetzlich fixiert worden. Im kontinentaleuropäischen Raum hat diese Form 687 688 des „Aktienmarketing“ erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung eingesetzt. Inzwischen ist die Implementierung einer „vorstandsnahen Investor Relations-Abteilung“ zu689 mindest bei der fokussierten Unternehmensgruppe nahezu abgeschlossen. Die Investor Relations lassen sich als Mittel der Shareholder Value-Politik definieren, da die Vertrauensbildung zwischen Management und Anteilseigner ein notwendiges Kriteri690 um für eine Erhöhung des Marktwerts des Eigenkapitals ist. Das Schrifttum verwendet 691 hierfür auch den Terminus „Erwartungsmanagement“ . Neben finanzpolitischen Zielset692 693 zungen, z. B. Beeinflussung des Aktienkurses, Senkung der Eigenkapitalkosten oder 694 der Aktienkursschwankungen , können kommunikationspolitische Motive, u. a. Stärkung 695 der Aktionärstreue, Abbau von Informationsasymmetrien, oder sonstige Ziele, z. B. Ak696 697 tienstreuung , Internationalisierung des Aktionärskreises , die Investor Relations-

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Vgl. hierzu detailliert Diehl 1993a, S. 173. Link 1993a, S. 105. Vgl. Diehl 1993a, S. 174; Günther/Otterbein 1996, S. 391. Vgl. Achleitner/Pietzsch 2005, S. 377; Lehner 2004, S. 9 sowie die empirischen Studien von Achleitner/Bassen/Pietzsch 2001a, S. 23 f. Diese Aussage deckt sich mit dem Untersuchungsergebnis bei PwC/Kirchhoff (Hrsg.) 2005, S. 10, wonach 82 % der befragten Unternehmen keine personellen Änderungen an der Investor Relations-Abteilung vornehmen und lediglich 18 % eine Aufstockung der Aufwendungen in Erwägung ziehen. Der zentrale Stellenwert der Investor Relations wird nicht zuletzt durch den Eintritt vieler Unternehmen in den Deutschen Investor Relations-Kreis e. V. (DIRK) verdeutlicht; vgl. u. a. Paul 1993, S. 133. Vgl. zustimmend Günther/Otterbein 1996, S. 397; Hütten 2000, S. 60 f.; Krystek/Müller 1993, S. 1785; Pohle 2001, S. 292 f.; Steiner/Hesselmann 2001, S. 104. „Jede Pressekonferenz […] könnte eine Goodwill-Investition sein; auch andere Aufwendungen dienen der Schaffung oder Aufrechterhaltung des guten Rufs“, Zimmerer 1995, S. 857. Kley 2000, S. 350. Im Schrifttum wird kontrovers diskutiert, inwieweit eine langfristige Maximierung des Aktienkurses oder die Erreichung eines angemessenen Kursniveaus als Zielsetzung der Investor Relations aufzufassen ist; vgl. stellvertretend Graß 2000, S. 181; Schulz 1999, S. 81. Anderer Ansicht sind scheinbar Diehl/Loistl/Rehkugler 1998, S. 5 und Mindermann 2000, S. 25, welche auf die Gefahr einer Sanktionierung einer Überbewertung durch den Kapitalmarkt hinweisen. Kuhner/Lüdtke-Handjery konstatieren, dass das Management grds. dazu geneigt ist, „die hohe Börsenkapitalisierung des eigenen Unternehmens auf kurze und mittlere Frist zu verteidigen, also den Kapitalmarkt bei Laune zu halten“, Kuhner/Lüdtke-Handjery 2005, S. 551. Vgl. zur Zielsetzung der Reduktion der Eigenkapitalkosten u. a. Bittner 1996, S. 10; Kirchhoff 2005, S. 34; Pohle 1995, S. 69 sowie zur Senkung der Gesamtkapitalkosten (d. h. inklusive der Fremdkapitalkosten) Zieschang 2000, S. 136. Die Zielsetzungen Senkung der Kapitalkosten und langfristige Steigerung des Aktienkurses werden häufig als identisch erachtet; vgl. u. a. Schachel/Vögtle 2006, S. 580. Vgl. Allendorf 1996, S. 36; Drill 1995, S. 56; Paul/Zieschang 1994, S. 1486 f.; Steiner/Hesselmann 2001, S. 101. Vgl. zur Aktionärsbindung Kiss 2001, S. 23 f.; Schreib 1993, S. 170. Angesichts der geringen Einflussnahme sog. „Streubesitzaktionäre“ ist die Unternehmensleitung im Allgemeinen bestrebt, den Erwerb von „Aktienpaketen“ durch institutionelle Investoren möglichst zu vermeiden; vgl. hierzu im Einzelnen Pulham 2003, S. 14; Tiemann 1997, S. 20. Vgl. hierzu und zu weiteren Zielsetzungen Paul 1993, S. 141.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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Maßnahmen determinieren. Zur Verhinderung feindlicher Übernahmen kommt dabei 699 dem Abbau der Informationslücke durch die Bereitstellung eines transparenten Repor700 701 ting-Systems eine zentrale Bedeutung zu. 702

Als primäres Instrument der Investor Relations dient der Geschäftsbericht, der sowohl 703 gesetzlich fixierte (und prüfungspflichtige) als auch freiwillige (ggf. ungeprüfte) Be704 705 standteile enthält. Infolge der wachsenden Technologisierung und Digitalisierung der Kommunikationswege ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Bedeutung des In706 ternets als Investor Relations-Instrument (z. B. durch eine zeitnahe Informationsversor707 708 gung mittels E-Mail-Newsletter ) zu erwähnen. Die Erbringung eines empirischen 698

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Vgl. die detaillierten Ausführungen von Goebel/Ley 1993, S. 1680; Kirchhoff 2005, S. 34-37; Pulham 2003, S. 7 f. m. w. N. Vgl. zu den Bestandteilen der Informationslücke Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Behr/Lindner bezeichnen dies als Primärziel der Investor Relations-Politik; vgl. Behr/Lindner 1997, S. 860 f. sowie weiterführend Fey 2002, S. 164 f. Vgl. Paul 1993, S. 139; Paul/Zieschang 1994, S. 1485; Schreib 1993, S. 166 f. Eine Übernahme lohnt sich aus Sicht der Konkurrenz immer dann, wenn eine Unterbewertung des Zielobjekts durch den Kapitalmarkt vorliegt, d. h. ein hoher Unterschiedsbetrag zwischen Unternehmens- und Börsenwert besteht; vgl. ebenfalls Leven 1998, S. 46. Vgl. auch Frey/Melzer 2005, S. 126; Hütten/Küting 2001, S. 491; Link 1993a, S. 127. Als Beispiele können u. a. die (Konzern-) Bilanz, -GuV, der (Konzern-) Anhang und -Lagebericht sowie ggf. die Kapitalflussrechnung und Segment- oder Zwischenberichterstattung nach den Vorschriften des HGB einschließlich der Berücksichtigung der DRS, des Publizitäts- und Wertpapierhandelsgesetzes oder der IFRS angeführt werden. Vgl. zu (freiwilligen) Intangible Asset Reporting-Modellen ausführlich Dritter Hauptteil, Abschn. II.B. Einen breiten Raum nehmen auch Nachhaltigkeitsberichte (Sustainability Reports) ein, welche Bestandteil eines Nachhaltigkeitsmanagement (Sustainability Management) sind. Hierbei stehen insbesondere ökologische Aspekte im Vordergrund (Umwelt-Reporting). Diese orientieren sich hauptsächlich am Konzept der Nachhaltigkeit, um das besondere Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Koalitionären des Unternehmens zum Ausdruck zu bringen; vgl. grundlegend Fischbach 1997; Fischbach 1998, S. 1053-1083; Gray 2006, S. 65-88; Hahn et al. 2002, S. 43-94; Haller 2006b, S. 34 f.; Haller/Ernstberger 2006, S. 2516-2524; Hofmann 2007, S. 131-137; Kirsch/Scheele 2004, S. 11; Wenzel 2006, S. 190 sowie empirisch Quick/Knocinski 2006, S. 615-650. Der Geschäftsbericht stellt nach h. M. die „Visitenkarte des Unternehmens nach außen“ dar, Schlienkamp 1998, S. 221; vgl. weiterführend zur Bedeutung des Geschäftsberichts für den Kapitalmarkt Baetge/Armeloh/Schulze 1997b, S. 176 f.; Hütten 2000, S. 84; Hütten/Küting 2001, S. 491-494; Klein/Voss 2002, Sp. 900 f.; Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 62-67; Küting/Busch 2003, S. 153 f.; Küting/ Lorson 1995, S. 1806 sowie zu einer empirischen Untersuchung Baetge/Armeloh/Schulze 1997a, S. 212 f. Dabei erfüllt dieser nicht nur eine Rechenschaftsfunktion über die abgelaufene Berichtsperiode, sondern dient ebenso der verstärkten Bereitstellung zukunftsorientierter Informationen für potenzielle Anlegergruppen. Vgl. empirisch zum Stellenwert der Zeitnähe in der Unternehmensberichterstattung u. a. Leventis/ Weetman 2004, S. 43-56. Vgl. zur Internetpublizität, die auch zum Continuous Reporting bzw. Real Time Reporting erweitert wird, u. a. Deller/Stubenrath/Weber 1997, S. 1577; Eberle/Marti 2003, S. 806; Gassen 2001a, S. 409; Gassen/Heil 2001, S. 38 f.; Helm 1998, S. 104-119; Rezaee/Elam/Sharbatoghlie 2001, S. 150 m. w. N.sowie zur Forderung nach einheitlichen Standards für die Internet-Berichterstattung Stubenrath/Löbig 2002, S. 1333 f. Als einheitliche „Sprache“ digitalisierter Dateien ist der Extensible Business Reporting Language (XBRL) in jüngerer Zeit eine hohe Bedeutung beizumessen; vgl. ausführlich Brinkmann/Spieß 2005, S. 368; DiPiazza/Eccles 2003, S. 155 f.; Grüning 2004, S. 509; Kesselmeyer 2006, S. 111 m. w. N.Der erste Anstoß erfolgte im Jahre 1998 durch das Anliegen, eine globale (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Erster Hauptteil

Nachweises für einen signifikant positiven Zusammenhang zwischen der Qualität der Investor Relations und der Minderung der Kapitelkosten stellt bisher jedoch eine problembe709 haftete Zielsetzung dar.

4.

Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Bestandteil des Value Reporting 710

Die wertorientierte Berichterstattung (Value Reporting) ist den Investor Relations des 711 Unternehmens unterzuordnen, da erste ebenso darauf abzielt, die Kapitalmarktteilnehmer 712 713 mit entscheidungsnützlichen Informationen zu versorgen. Eine einheitliche begriffliche Eingrenzung des Value Reporting ist bisher nicht vorzufinden. Aufgrund der grundsätzlichen Freiwilligkeit liegt bisher zudem kein standardisiertes Modell für ein Value Repor714 ting vor. Eine große Beachtung hat die Kategorisierung in ein Total Return-, Value Ad715 ded- und Strategic Advantage Reporting durch Müller gefunden. Während das Total Re-

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Business Reporting Language als „Standard für die Erstellung, Veröffentlichung, Auswertung und Vergleich von Finanzinformationen“ zu schaffen; vgl. Griewel 2006, S. 257 f. XBRL stellt ein technisches Framework dar, mit dem Datenaustauschformate (sog. Taxanomien) für Finanzinformationen festgelegt werden. Die Vorzüge bestehen in der Anwenderfreundlichkeit sowie der hohen Funktionalität des Systems, weil neben internationalen (IFRS) ebenso nationale Rechnungslegungsstandards (HGB) zugrunde gelegt werden können. Eine einheitliche Implementierung von XBRL trägt wesentlich zu einer besseren zwischenbetrieblichen Vergleichbarkeit der Unternehmensinformationen bei. Jüngere empirische Untersuchungen belegen zwar einen hohen Bekanntheits-, aber (noch) einen geringeren Bedeutungsgrad des XBRL-Konzepts; vgl. hierzu PwC/Kirchhoff (Hrsg.) 2005. Auf dem US-amerikanischen Kapitalmarkt ist der immense Stellenwert hingegen allgem. anerkannt und u. a. im Bereich der US-Bankenaufsicht durch eine zwingende Implementierungsvorschrift manifestiert worden; vgl. hierzu Ramin/Kesselmeyer/Ott 2006, S. 180 f. m. w. N. Vgl. zum Internet Reporting auch Weber 2002, S. 322 sowie zu einer jüngeren Studie unter international tätigen Telekommunikationsunternehmen Gerpott/Hoffmann 2006, S. 369. Vgl. insbesondere die Ergebnisse von Schachel/Vögtle 2006, S. 588 f. Vgl. zur Begriffsvielfalt (Wertkommunikation, Value Based Reporting, Kapitalmarktkommunikation, Shareholder Value Reporting) u. a. Banzhaf 2006, S. 125. Vgl. zu einer abweichenden Einschätzung Farag 2003, S. 550, der eine Deckungsgleichheit beider Termini unterstellt. Vgl. zur Entscheidungsnützlichkeit von Unternehmensinformationen grundlegend Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. In Betracht zu ziehen sind sämtliche Informationen, die Einfluss auf den Aktienkurs nehmen; vgl. zu dieser Forderung Schander/Lucas 1998, S. 79. Es wird bei der theoretischen Fundierung des Value Reporting unterstellt, dass die Unternehmensleitung wahrheitsgemäße Angaben (True Reporting) kommuniziert. Allerdings stellt das Value Reporting in der Unternehmenspraxis ein wesentliches rechnungslegungspolitisches Gestaltungsinstrument dar, so dass die Aussagekraft des Value Reporting einzelfallabhängig zu beurteilen ist und eine kritische Grundhaltung aufseiten der Adressaten erfordert. Vgl. zu den Wechselwirkungen zwischen dem Value Reporting und der Corporate Governance u. a. Nowotny 2006a, S. 293-297. „Value Reporting entfaltet […] eine klare Signalwirkung, um sich von den Mitbewerbern abzuheben“, Nowotny 2006a, S. 295; vgl. zur Offenlegung von Ergänzungsrechnungen (sog. Add On) u. a. Riegler/Höllerschmid 2005, S. 21. Vgl. ebenso Nowotny 2006a, S. 292. Vgl. Müller 1998a, S. 125 sowie hierzu ebenfalls Fischer 2003a, S. 25; Fischer/Klöpfer 2006c, S. 8 f.; Heinke 2001, S. 159; Kuhnle/Banzhaf 2006, S. 169 f.; Stauber 2003, S. 87.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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turn Reporting die historische Entwicklung des Aktienkurses sowie die Dividendenent717 wicklung fokussiert, geht das Value Added Reporting auf die unternehmerische Spitzen718 kennzahl ein, welche für die Messung des Shareholder Value Added verantwortlich ist. 719 Schließlich beinhaltet das Strategic Advantage Reporting die Darlegung der unternehme720 rischen Strategie und der Maßnahmen ihrer Zielerreichung. Die zentrale Unterkategorie des Value Reporting stellt hierbei das im Fokus dieser Untersuchung stehende Intangible Asset- und Goodwill Reporting dar. Der fundamentale Stellenwert des Reporting wird insofern verdeutlicht, als eine erfolgreiche wertorientierte Unternehmensführung in einem ersten Schritt lediglich eine Erhöhung des inneren Unternehmenswerts nach sich zieht. In einem zweiten Schritt bedarf es einer effizienten Kommunikation der in Rede stehenden Werttreiber gegenüber dem Kapitalmarkt, bevor die angestrebte Steigerung des Börsen721 werts eintritt. 722

Das Intangible Asset- und Goodwill Reporting soll im Folgenden die regelmäßige , frei723 willige und zielorientierte externe Berichterstattung darstellen, die darauf abzielt, bestehende Differenzen zwischen Unternehmens- und Marktperspektive, die sog. Informations724 725 726 lücke, zu erklären und zu reduzieren .

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Vgl. zum Total Return Reporting Müller 1998a, S. 129 sowie hieran anknüpfend Fischer/Klöpfer 2006c, S. 9; Ramin/Fey 1998, S. 272 f.; Wenzel 2006, S. 219 f. Vgl. zum Value Added Reporting Müller 1998a, S. 131 f. sowie hierzu ebenfalls Fischer/Klöpfer 2006c, S. 8 f.; Ramin/Fey 1998, S. 276 f.; Wenzel 2006, S. 214 f. Vgl. hierzu auch Tichy/Barborka 1999, S. 652. Vgl. zum Strategic Advantage Reporting stellvertretend Fischer/Klöpfer 2006c, S. 9 f.; Ramin/Fey 1998, S. 286 f.; Wenzel 2006, S. 222 f. Vgl. zur Ablehnung des nationalen Gesetzgebers, eine derartige Beschreibung i. R. d. (Konzern-) Lageberichterstattung verbindlich vorzuschreiben, die Ausführungen in Abschn. I.A.1 und zu den internationalen Gepflogenheiten Abschn. I.A.3 und I.A.4 des Dritten Hauptteils. Vgl. Günther/Beyer 2001, S. 1623 f.; Schultze/Fink/Straub 2007, S. 564. Die Untersuchung beschränkt sich annahmegemäß auf die periodische jährliche Unternehmensberichterstattung; vgl. grundlegend zur Bedeutung der Zwischenberichterstattung und der Ad hocPublizität, auch hinsichtlich des Value Reporting, Griewel 2006. Eine überschneidungsfreie Abgrenzung zur Freiwilligkeit ist allerdings nicht möglich, da zwischenzeitlich bereits Bereiche des Value Reporting als „normierte Berichterstattung“ gelten und dies ebenfalls Rückwirkungen auf das Intangible Asset- und Goodwill Reporting hat; vgl. Kivikas/Wulf 2006, S. 43. Vgl. zu den Bestandteilen der Informationslücke Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Ein vollständiger Abbau der Informationslücke wird allerdings im Schrifttum als unsachgerecht bewertet, da es zu einem Austritt der Finanzintermediäre führen würde; vgl. Labhart 1999, S. 64. Vgl. Heumann 2005, S. 263; Labhart 1999, S. 31 f.; Stauber 2003, S. 36, die ebenfalls die gesetzlich fixierte wertorientierte Berichterstattung als Bestandteil des Value Reporting ansehen. Der freiwillige Bereich wird als „Voluntary Value Reporting“ bezeichnet. Im Rahmen dieser Untersuchung erfolgt jedoch eine Trennung in das (normierte) Financial Accounting und das Business Reporting; vgl. zu dieser Vorgehensweise auch Boemle 2000, S. 58; Eccles/Kahn 1998, S. 17 („ValueReporting is done on a voluntary basis“). Den Unterschied zwischen beiden Terminologien stellt das Value Reporting dar; vgl. die Verlautbarungen des AICPA Abschn. II.A.2 des Dritten Hauptteils. Trotz dieser Einteilung ist darauf hinzuweisen, dass bereits de lege lata zukunfts- und wertorientierte Informationen Bestandteile des Financial Accounting, d. h. gesetzlich verpflichtend, sind. Aus diesem Grund verläuft die in Abbildung 8 gezeigte Grenze fließend.

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Erster Hauptteil

Die Aussage, dass zusätzliche Informationen per se das Entscheidungsverhalten der Adressaten verbessern bzw. generell eine Senkung der Kapitalkosten des Unternehmens nach 727 sich zieht, bedarf angesichts der Theorie des Information Overflow und der Konkurrenz728 analyse einer Relativierung. Die Aktionäre unterliegen einem Anlage- und einem von der Güte des Financial Accounting abhängigen Schätzungsrisiko, das bei der Überlassung von Eigenkapital mit einem Ri729 sikozuschlag Berücksichtigung findet. Das traditionelle Financial Accounting bildet die wesentlichen Leistungsindikatoren des Unternehmens im Allgemeinen lediglich unvollständig ab. So ist z. B. der originäre Goodwill in allen untersuchten Normensystemen - wie 730 im Zweiten Hauptteil im Einzelnen darzulegen ist - mit einem Bilanzansatzverbot belegt. Aber auch weitere zukünftige Nutzenpotenziale (Forschungs- und Entwicklungsaufwen731 732 dungen, Produkt- oder Unternehmensmarken ) werden nicht oder lediglich unzureichend in der Bilanz ausgewiesen. Die zwischen dem Unternehmenswert sowie dem bilan733 734 ziellen Eigenkapital bestehende Informationslücke soll mittels des Intangible Asset735 und Goodwill Reporting gemindert werden. Als Ausfluss dieses Vorgehens sind die An736 teilseigner ggf. bereit, auf einen Teil ihrer Risikoprämie zu verzichten. Die nachfolgende Abbildung 8 zeigt die Einordnung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting in den Kontext der Investor Relations, wobei insbesondere die Überschneidungen zwischen dem Financial Accounting und dem Value Reporting verdeutlicht werden. Wie im Zweiten und Dritten Hauptteil ausgeführt wird, stellen der (Konzern-) Anhang und der -Lagebericht eine Verbindungsstelle zwischen dem Financial Accounting und dem Intangible Asset- und

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Vgl. zum Information Overflow bei stringenter Befolgung des Management Approach Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.c). Vgl. zu den möglichen Auswirkungen des Value Reporting auf Konkurrenzunternehmen Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.d). Dies entspringt der Tatsache, dass das Schätzungsrisiko nicht diversifiziert werden kann; vgl. Labhart/ Volkart 2001b, S. 1158 und Nonnenmacher 2004, S. 157. Vgl. grundlegend Zweiter Hauptteil, Abschn. I.A.1 und 2., Abschn. I.E.1.a) sowie E.1.d). Vgl. detailliert Zweiter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. detailliert Zweiter Hauptteil, Abschn. I.D.3. Für die Erklärung des Marktwerts des Unternehmens als Produkt aus ausgegebenen Aktien und dem Börsenkurs wird i. d. R.auf das bilanzielle Eigenkapital zurückgegriffen, wobei empirische Untersuchungen ergeben, dass diese Strategie insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis eine zentrale Bedeutung besitzt; vgl. ausführlich Harris/Lang/Möller 1995, S. 1020; Picot/Scheuble 2000, S. 5 sowie hierzu ebenfalls Ordelheide 1999, S. 524. In gewissen Unternehmensbranchen übersteigen die immateriellen Vermögenswerte des Unternehmens das bilanzielle Eigenkapital um ein Vielfaches; vgl. die grafische Darstellung von Sveiby 1998, S. 23 und hierzu auch Picot/Scheuble 2000, S. 5. Vgl. auch Köthner 2004a, S. 301 und hierzu kritisch Nonnenmacher 2004, S. 157. Dawo/Heiden konstatieren, dass die steigende Markt-Buchwert-Lücke letztendlich Ausdruck einer zunehmenden Bedeutung der Corporate Governance ist; vgl. Dawo/Heiden 2001, S. 1716. Easley/O’Hara bezeichnen diese Prämie modellgestützt als „Informationsrisiko“, Easley/O’Hara 2004, S. 1553-1583; vgl. zur Ableitung der Eigenkapitalkosten des Unternehmens z. B. mittels des CAPM insbesondere Abschn. II.B.1.a) dieses Hauptteils.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

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Goodwill Reporting dar, sofern das Unternehmen freiwillige Informationen in den genann737 ten Rechenwerken publiziert. Investor Relations Business Reporting

Financial Accounting Intangible Asset- und Goodwill Accounting

Value Reporting Intangible Asset- und Goodwill Reporting

Zusatzangaben in (Konzern-) Anhang und -Lagebericht

Abbildung 8:

Einordnung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting in den 738 Kontext der Investor Relations

Der Arbeitskreis „Externe Unternehmensrechnung“ der Schmalenbach-GesellschaftDeutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (AKEU) hat allgemeine Inhalte für das Value Reporting aufgestellt, um die Konkretisierungslücke abzubauen. Demnach lassen 739 sich erstens die Bereiche kapitalmarktorientierte Daten, zweitens Informationen über nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswerte des Unternehmens sowie drittens Daten 740 741 über Strategie und Performance des Managements unterscheiden. Nach Ansicht des AKEU sind sämtliche stillen Reserven sowie nicht bilanzierte immaterielle Vermögenswer742 te, verstanden als Intellectual Capital, offen zulegen, so dass die Differenz zwischen bilanziellen Eigenkapital und Reinvermögenszeitwert verringert wird. Auf das Erfordernis einer Berichterstattung über den derivativen und originären Goodwill geht der AKEU nicht 743 explizit ein.

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Vgl. zu den gesetzlichen Angabepflichten Zweiter Hauptteil, Kapitel II und Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.1. Wesentliche Weiterentwicklung von Heumann 2005, S. 9. Kapitalmarktorientierte Daten ermöglichen eine Marktbewertung des Unternehmens durch die Adressaten, u. a. die Bestimmung der Börsenkapitalisierung, des Kurs-Gewinn-Quotienten oder andere Multiplikatoren (z. B. der EBIT); vgl. detailliert AKEU 2002a, S. 2338. Darunter fallen Angaben zum internen Steuerungssystem, zu den Kapitalkosten, zur Kapitalrentabilität und zu den verwendeten wertorientierten Spitzenkennzahlen. Darüber hinaus sind u. a. die Free Cash Flows, Sondereinflüsse und schwer quantifizierbare Werte, wie die Unternehmensstrategie oder das Marktumfeld, detailliert zu erläutern; vgl. hierzu im Einzelnen AKEU 2002a, S. 2339. Vgl. AKEU 2002a, S. 2338. Vgl. für eine detaillierte Kategorisierung des immateriellen Vermögens Dritter Hauptteil, Abschn. II.A. Vgl. zu den Bestandteilen der Informationslücke Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a).

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Das Value Reporting hat den Grundsätzen der Klarheit , Vergleichbarkeit , Ausgewo746 747 748 genheit , Regelmäßigkeit und Nachprüfbarkeit zu entsprechen. Ferner ist die Befol749 750 gung des Management Approach sowie eine Segmentierung der Berichtsinhalte gefordert. Diesen vorstehend genannten Grundsätzen kommt auch im Zuge einer künftigen Standardisierung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting eine zentrale Bedeutung zu. Sie werden im Dritten Hauptteil bei der Konzeption eines Kodex und im Vierten 751 Hauptteil bei der Formulierung eines Prüfungsstandards aufgegriffen, wenngleich nach Abbildung 2 eine Erweiterung um die Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit als Rahmengrundsätze erfolgt und neben der intersubjektiven Nachprüfbarkeit die Willkürfreiheit 752 im Fokus stehen. Empirische Befunde liegen bislang für das Value Reporting im Ganzen oder einzelne Aus753 schnitte vor. Die jüngere Studie von Fischer und Wenzel zielte auf die Beurteilung des Implementierungsgrads und der Qualität des Value Reporting bei den DAX-100754 Unternehmen ab. Hierzu stellten die Verfasser ausgewählte Hypothesen auf und über-

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Klar bzw. nachvollziehbar sind die Unternehmensinformationen zum Intangible Asset- und Goodwill Reporting erst dann, wenn die zugrunde liegenden Annahmen, die einzelnen Komponenten des wertorientierten Steuerungskonzepts sowie mögliche Schätzverfahren detailliert erläutert werden. Eine zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit kann angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltung des Reporting in der Unternehmenspraxis und der Betonung des Management Approach nicht erreicht werden. Der AKEU konzentriert sich daher auf die zeitliche Vergleichbarkeit der Informationen, indem auf eine Mehrperioden-Darstellung hingewiesen wird; vgl. AKEU 2002a, S. 2340. Fey bemerkt, dass „eine einmal gewählte transparentere Art der Unternehmensberichterstattung kaum noch ohne negative Reaktionen der Adressaten revidiert werden kann (mit der wahrscheinlichen Folge von Kursverlusten, Herabsetzung der Bonität etc.)“, Fey 2002, S. 166. Die Berichterstattung über Chancen und Risiken des Unternehmens soll ausgewogen, d. h. paritätisch, erfolgen; vgl. zur Klarstellung durch die Modifizierungen der (Konzern-) Lageberichterstattung Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.1. Der AKEU spricht sich dafür aus, das Reporting in den prüfungspflichtigen Teil des Geschäftsberichts zu integrieren, d. h. in den (Konzern-) Lagebericht, um eine erhöhte „Glaubwürdigkeit“ der gegebenen Informationen zu erzielen; vgl. zu den Prüfungshandlungen im freiwilligen Teil des Geschäftsberichts Vierter Hauptteil, Kapitel III., im (Konzern-) Lagebericht Vierter Hauptteil, Abschn. II.F. und zu Vorschlägen eines integrierten Prüfungsstandards insbesondere Vierter Hauptteil, Kapitel IV. Vgl. AKEU 2002a, S. 2339 f. sowie grundlegend zur Entscheidungsnützlichkeit Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. zum Konzept des Management Approach ausführlich Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3.b). Vgl. zur Bedeutung des Segment Reporting bei der Zuordnung des derivativen Goodwill nach IFRS Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.3. Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.b); Vierter Hauptteil, Abschn. IV.D. Vgl. zu den einleitenden Darlegungen der Entscheidungsnützlichkeit und zur Ableitung der Rahmengrundsätze Entscheidungsrelevanz und Verlässlichkeit Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. weiterführend die empirischen Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.d) des Dritten Hauptteils. Vgl. Fischer/Wenzel 2005; zu vorherigen Untersuchungen im deutschsprachigen Raum Fischer/Becker/Wenzel 2001, S. 2001-2007; Fischer/Becker/Wenzel 2002, S. 14-25; Fischer/Wenzel/ Kühn 2001, S. 1209-1216; Pellens/Hillebrandt/Tomaszewski 2000, S. 177-207; PwC/TU Dresden (Hrsg.) 2003, S. 1-35; Ruhwedel/Schultze 2002, S. 602-632.

Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting

91

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prüften diese anhand von sog. Value Reporting Scores auf ihre Gültigkeit. Zunächst wurde festgestellt, dass sich die Qualität des Value Reporting in den zugrunde liegenden Geschäftsjahren 1999 bis 2002 aus Adressatensicht signifikant unterschieden und über den 756 Betrachtungszeitraum tendenziell zugenommen hatte. Hieraus konnte c. p. ein Absinken der Informationslücke zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt prognostiziert werden. Zwischen der Qualität des Value Reporting und den jeweiligen Rechnungslegungsstandards ließ sich auf Konzernebene ebenfalls ein signifikant positiver Zusammenhang herstellen. Eine Umstellung des Financial Accounting vom HGB auf die IFRS war demnach 757 c. p. mit einer höheren Güte der wertorientierten Berichterstattung verbunden. Ebenso bestand eine positive Korrelation zwischen der Branchen- bzw. Börsenindexzugehörigkeit [DAX 30 oder Deutscher Midcap Aktienindex (MDAX)] sowie der Unternehmensgröße 758 und der Ausgestaltung des Value Reporting. Anhand dieser Ergebnisse lässt sich die vorliegende Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands auf börsennotierte Publikumsgesellschaften begründen. Die Qualität des Value Reporting kann in diesem Unternehmenssegment c. p. tendenziell am höchsten eingeschätzt werden. Die durch Fischer und Wenzel aufgestellte Hypothese, dass mit einer qualitativ hochwertigen wertorientierten Berichterstattung die Aktienkursschwankungen und die Eigenkapitalkosten des betrachtenden Unternehmens sinken, konnte mittels der durchgeführten linearen Regression und den daraus abgeleiteten Korrelationskoeffizienzen allerdings zu keinem eindeutigen Ergebnis gelan759 gen. Dieses Resultat ist insofern überraschend, da von der direkten Möglichkeit zur Beeinflussung der Kapitalkosten durch das Value Reporting ausgegangen wird. Fischer und Wenzel konstatierten vielmehr, dass die Publizität zusätzlicher wertorientierter Unternehmensinformationen kurzfristig sogar zu einer Senkung des Unternehmenswerts durch die 760 gestiegenen Kosten der Informationsermittlung und -bereitstellung führen kann. Erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung würden der Kapitalmarkt die Qualität des Reporting antizipieren und entsprechend die Risikoprämien für die künftige Kapitalüberlassung 761 anpassen. Eine weitere empirische Untersuchung, welche das Human Value Reporting fokussierte, stammte von Jäger, Klage und Heinrich und betrachtete die Geschäftsberichte der DAX

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Vgl. zum Einsatz von Scoring-Modellen bei der Qualitätsbeurteilung des Reporting u. a. Fischer 2003a, S. 107 f.; Ruhwedel/Schultze 2002, S. 626 f. Im Schrifttum ist ebenfalls der Begriff Nutzwertanalyse gebräuchlich; vgl. Armeloh 1998, S. 61 f. Vgl. detailliert Fischer/Wenzel 2005, S. 79. Vgl. Fischer/Wenzel 2005, S. 90. Vgl. Fischer/Wenzel 2005, S. 101 f. Diesem Untersuchungsergebnis trägt die Eingrenzung auf eine börsennotierte Publikumsgesellschaft im Rahmen dieser Abhandlung Rechnung, weil die Qualität des Value Reporting bei dieser Unternehmensgruppe c. p. am Höchsten ausfallen dürfte. Das Schrifttum unterstellt dagegen, dass die Abnahme der Informationslücke mit einer geringeren Aktienkursvolatilität, geringeren Risikoprämien, niedrigeren Diskontierungszinssätzen und einem höheren Shareholder Value einhergeht; vgl. Fischer/Wenzel 2005, S. 115. Vgl. Fischer/Wenzel 2005, S. 119; Günther 2002, S. 92; zu möglichen Chancen und Risiken eines integrierten Reporting am Beispiel des (derivativen und originären) Goodwill Dritter Hauptteil Abschn. III.C.4. Vgl. hierzu auch Stoi 2004, S. 193, der eine Unterscheidung in Investment- und Intangible Effectiveness Lag vornimmt.

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Erster Hauptteil 762

30-Unternehmen des Geschäftsjahres 2003. Hierbei wurde eine tendenziell hohe Quanti763 tät und geringe Qualität der wertorientierten Berichterstattung festgestellt. Wesentliche Defizite lagen in den Themenfeldern Wissens- und Innovationsmanagement, Darstellung 764 der Unternehmenskultur sowie in der Compliance. Zusammenfassend gilt, dass im Hinblick auf das Value Reporting bis dato scheinbar erhebliche Implementierungslücken zu konstatieren sind, die erst mittel- bis langfristig zum Ab765 bau gelangen. Inwieweit das Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Teilbereich des Value Reporting ausschlaggebend für die Senkung der Risikoprämie ist, konnte bis766 lang empirisch noch nicht abschließend geklärt werden. Unstrittig ist jedoch, dass ersteres einen maßgebenden Einfluss zur Abschätzung der Höhe der Informationslücke besitzt. Ferner ist im gleichen Maße die Sicherstellung eines verlässlichen Financial Accounting und Business Reporting zu fordern, die u. a. durch die gesetzliche oder freiwillige (Abschluss-) Prüfung „garantiert“ wird. Die nachfolgende Untersuchung thematisiert die Überlegungen des Managements, einen Beratungsvertrag mit der in Rede stehenden Prüfungsgesellschaft bezüglich der Ausgestaltung eines Intangible Asset- und Goodwill Reports abzuschließen. Daneben könnte der Report, sofern dieser nicht Bestandteil des (Konzern-) Lageberichts ist, einer freiwilligen Prüfung oder einer prüferischen Durchsicht unterzogen werden. Hierbei steht neben der rechtlichen Zulässigkeit auch die betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit derartiger Zusatzaufträge im Fokus, da ggf. ein Spannungsverhältnis zwischen der Erhöhung der Prüfungsqualität (Reputation) und der Zielsetzung einer Umsatzsteigerung des Prüfungsunternehmens vorliegt. Die Zielsetzung einer Stärkung der Prüferreputation kann ggf. mit einer Ablehnung von Verträgen, welche nicht die gesetzliche Abschlussprüfung betreffen, einhergehen, um die Unabhängigkeit und Unbefangenheit zu erhöhen. Gleichzeitig trägt die Annahme von Zusatzaufträgen der Prämisse einer Ergebniserhöhung des Prüfungsunternehmens Rechnung (sog. „Full Service-Konzept“). Des Weiteren lassen sich Einflüsse auf die Prüfungsqualität infolge einer Realisierung von Synergiepotenzialen feststellen. Im folgenden Abschnitt werden zunächst grundlegende prüfungstheoretische Aspekte dargelegt, bevor im Anschluss daran auf jüngere Einflüsse abgestellt wird. Auffällig ist, dass die „Lücken-Theorie“ mit dem Phänomen der Erwartungslücke im Bereich der Prüfung eine vergleichbare Dominanz besitzt wie beim Financial Accounting und Business Reporting das Phänomen der Informationslücke.

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Vgl. Jäger/Klage/Heinrich 2005. Vgl. Jäger/Klage/Heinrich 2005, S. 5. Positiv zu würdigende Ansätze eines Human Value Reporting betrafen die Bereiche Personalentwicklung und –beschaffung sowie die Corporate Governance im Allgemeinen; vgl. Jäger/Klage/Heinrich 2005, S. 6. Vgl. weiterführund auch die Bemerkungen von Günther 2001, S. 54. Vgl. hierzu die empirische Untersuchung in Kapitel IV des Dritten Hauptteils.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

93

III. Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing A.

Auditing Theory

1.

Ausprägungen 767

Innerhalb der unterschiedlichen Strömungen der Auditing Theory wird übereinstimmend 768 das in Abbildung 9 dargelegte sog. „Misstrauensparadigma“ zugrunde gelegt, welches durch eine kritische Grundhaltung des Prüfers gegenüber dem zu beurteilenden Unterneh769 men gekennzeichnet ist. Loitlsberger klassifiziert die Fehleraufdeckung als „Subparadigma“ des Misstrauensparadigmas, weil dieses als Leitprinzip des Prüfungsaufbaus und 770 ablaufs fungiert. Dieses Prinzip kann jedoch lediglich unter Hinzuziehung geeigneter Hilfskriterien, u. a. der Prozess-, Verhaltens-, Netzwerk- und Stichprobenorientierung sowie der Erkenntnisse aus der Spiel- und Systemtheorie bei der Prüfung Berücksichtigung finden. Die prozessorientierte Ausprägung der Auditing Theory, von Loitlsberger als „divisionisti771 scher Ansatz“ benannt, unterteilt die gesamte Prüfung in eine Abfolge von (möglichst 772 773 voneinander abgrenzbaren) Phasen bzw. Prozesse. Dem verhaltensorientierten Modell, 774 auch als syllogistischer Ansatz gekennzeichnet, kommt nach h. M. in Einzelfällen eine geringere praktische Relevanz zu, da dieser von einem sich stets ordnungsmäßig verhal775 tenden Prüfer ausgeht. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als die Öffentlichkeit im Zuge des Enron-Skandals von den Verstrickungen der Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen erfuhr, bedarf diese Annahme jedoch im Einzelfall einer Relativierung, wenngleich von einem ordnungsgemäßen Prüferverhalten auszugehen ist.

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Vgl. ausführlich zum „Theorie-Defizit“ Ruhnke 2000a, S. 191. Die nachfolgenden Ausführungen erfolgen aus nationaler Sicht, da die klassische angloamerikanische Prüfungstheorie weniger stark ausgeprägt ist; vgl. die Ansätze von Mautz/Sharaf 1961; Schandl 1978. „Der Prüfungsauftrag ist ausdrücklich ein Mißtrauensauftrag.“ Leffson 1988a, S. 327 sowie vgl. weiterführend Ewert 1993, S. 717. Vgl. Loitlsberger 1997, S. 675 sowie zur problemorientierten Berichterstattung des Abschlussprüfers Gross/Möller 2004, S. 317; Hönig 1997, S. 1140; Mattheus 1999, S. 697. Die Neufassung von ISA 240, umgesetzt in IDW PS 210, hat u. a. zu einer deutlich stärkeren Hervorhebung der „Attitude of Professional Scepticism“ vor möglichen Durchbrechungen des Internen Kontrollsystems durch das Leitungsorgan (sog. Management Override) geführt; vgl. ISA 240.76 sowie hierzu ebenfalls Bartels/von Kanitz 2005, S. 235. Vgl. Loitlsberger 1997, S. 676. Loitlsberger 1966, S. 67; vgl. hierzu auch Otte 1996, S. 70 f.; von Wysocki 1977, S. 2 f. Vgl. zur Relevanz der Prozessorientierung Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Vgl. zum verhaltensorientierten Prüfungsansatz Egner 1980; Fischer-Winkelmann 1972; FischerWinkelmann 1974a, S. 10-32; Fischer-Winkelmann 1974b, S. 186-208; Fischer-Winkelmann 1975; Lenz 2002c, Sp. 1924-1935; Lenz/Bauer/Auerbacher 2006, S. 176. Vgl. etwa Egner 1980, S. 1230 f. Vgl. die Bemerkungen von Loitlsberger 1997, S. 678.

94

Erster Hauptteil

Misstrauensparadigma

Fehleraufdeckungsparadigma

Prozessorientierung

Verhaltensorientierung

Netzwerkorientierung

stichprobentheoretischer Ansatz

spieltheoretischer Ansatz

systemtheoretischer Ansatz

Abbildung 9:

776

Ansätze der Auditing Theory

Die Netzwerkorientierung, die als Modifikation der Prozessorientierung im „Stufengesetz 777 der Prüfung“ ihren Niederschlag gefunden hat, stellt auf Möglichkeiten zur Rationalisierung von Prüfungshandlungen zur Erreichung einer optimalen Ressourcenauslastung ab. Hierbei steht insbesondere das Ausnutzen von Kombinations- und Verbundeffekten zwischen den einzelnen Prüfungshandlungen nach dem Gesetz der rollierenden Prüfung im 778 Mittelpunkt. Die klassische Vollprüfung ist angesichts des begrenzten Zeit- und Prüfungsbudgets sowie infolge der Wettbewerbsverschärfung auf dem nationalen und interna779 tionalen Prüfungsmarkt einer verstärkten Stichprobenorientierung gewichen. Dabei lassen sich im Schrifttum unterschiedliche Subausprägungen, z. B. Annahme-, Sequenzialund Entdeckungsstichprobenverfahren unterscheiden, welche mittels finanzmathemati780 scher Verfahren eine Automatisierung erfahren. Als Subrichtungen des Zufallsstichpro781 782 783 benparadigmas haben sich der mess- , system- und spieltheoretische sowie der risiko776 777 778

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Eigene Darstellung unter Rückgriff auf die verbalen Ausführungen von Loitlsberger 1997, S. 667. Vgl. etwa Zimmermann 1954, S. 40. Vgl. z. B. zu den Interdependenzen zwischen (Konzern-) Abschluss- und -Lageberichtsprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.F.1. In jüngerer Zeit scheint sich hingegen wiederum eine „Renaissance“ der Vollprüfung mittels IT-Tools (z. B. IDEA) für bestimmte Bilanzposten einzustellen. Vgl. allgemein zu den Stichprobenverfahren i. R. d. Abschlussprüfung Loitlsberger 1997, S. 682. In der Vergangenheit wurde u. a. auf die Bedeutung der Übertragung des Bayes’schen Theorems auf die Belegprüfung hingewiesen; vgl. stellvertretend Leffson 1988a, S. 257 f. Der messtheoretische Prüfungsansatz zielt hauptsächlich auf eine Analyse der zugrunde liegenden Rahmenbedingungen und Gesetzesmäßigkeiten ab, die bei der Bildung eines Gesamturteils aus den Einzelurteilen herangezogen werden; vgl. detailliert von Wysocki 2002b, Sp. 1886-1899 sowie hieran anknüpfend Richter 2002b, S. 19-27. Der systemtheoretische Ansatz oder die (kybernetische) Überwachungstheorie, welche maßgeblich durch die Darlegungen von Sieben/Bretzke (vgl. Sieben/Bretzke 1972, S. 321-328; Sieben/Bretzke (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

95

orientierte Prüfungsansatz herausgebildet. Auf die Fortentwicklung zum Business Risk Audit und die Wechselwirkungen zum Intangible Asset- und Goodwill Auditing ist im 784 weiteren Verlauf der Untersuchung noch näher einzugehen. Die betriebswirtschaftliche Prüfungstheorie kann zusammenfassend als uneinheitliches System unterschiedlicher Modellvorschläge qualifiziert werden, wobei im Gegensatz zur Accounting Theory ein überragender Einfluss des angloamerikanischen Schrifttums zu 785 konstatieren ist. Ruhnke merkt in diesem Kontext kritisch an, dass eine starke Abhängigkeit der Forschungsarbeiten von den internationalen Prüfungsgesellschaften besteht, wel786 787 che zur Gefahr eines Lobbyismus führt. Die Hinzuziehung prüfungstheoretischer Modelle ist untrennbar verbunden mit der Ausgestaltung der Prüfungsgrundsätze, welche Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen sind.

2.

Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung 788

Die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung (GoA) stellen ein System überindi789 vidueller Normen dar, die der Verhaltenssteuerung von Prüfern dienen. Dabei lässt sich 790 eine enge Beziehung zu den GoB feststellen. Die GoA determinieren die Struktur der Abschlussprüfung, konkretisieren den Prüfungsumfang und dienen allgemein der Siche-

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1973, S. 625-630) geprägt wurde, ist auf eine starke Vernetzung von Kontrollen des Überwachenden und Prüfungen des Überwachers ausgerichtet und definiert sämtliche Kontrollmaßnahmen als kybernetische Regelkreise, welche primär nicht der Fehleraufdeckung, sondern der Fehlervermeidung im Sinne eines unternehmerischen Frühwarnsystems dienlich sind; vgl. ausführlich Baetge 1992, Sp. 2038-2054; Baetge/Thiele 2002, Sp. 1899-1907; Goetzke 1976, S. 154 f. Der spieltheoretische Prüfungsansatz geht primär auf Loitlsberger (Loitlsberger 1968, S. 137) und Klages (vgl. Klages 1968) zurück und unterstellt eine Konfliktsituation zwischen Prüfer und Mandant, da diese grds. konträre Zielsetzungen verfolgen. Dem Management wird dabei i. d. R. ein Verhalten attestiert, das auf eine Überschreitung der (rechtlich zulässigen) Gestaltungsparameter ausgerichtet ist, um eine positive Performance-Darstellung gegenüber dem Kapitalmarkt zu erzielen. Kann der Abschlussprüfer diese Strategie aufdecken, ist mit einer Sanktionierung im Rahmen einer Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks zu rechnen, der wiederum eine zentrale Signalfunktion gegenüber dem Kapitalmarkt erfüllt; vgl. in diesem Zusammenhang Ewert 2002b, Sp. 1908-1923; Nguyen 2004; Nguyen 2005, S. 12. Vgl. weiterführend die Ausführungen in Abschn. IV.B.2 dieses Hauptteils. Vgl. zu einer kompakten Übersicht ebenso Ruhnke 1997b, S. 311. Das Fundament der Accounting Theory einschließlich der Überlegungen von Schmalenbach zur Ausgestaltung der Kosten- und Leistungsrechnung, hielten nach kurzer Zeit nicht nur im kontinentaleuropäischen, sondern verstärkt im angloamerikanischen Rechtsraum Einzug. Vgl. zur inhaltlichen Einordnung u. a. Tietz-Weber 2006, S. 9. Vgl. Ruhnke 1997b, S. 313. Im Schrifttum werden ebenfalls die Termini „Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung“ und „Grundsätze ordnungsmäßiger Wirtschaftsprüfung“ verwendet; vgl. u. a. Buchner 1997, S. 75; Link 2006, S. 20. Vgl. grundlegend zum GoA-Begriff Kicherer 1970; Schulze zur Wiesch 1963; Schulze zur Wiesch 1965, S. 643-662 und weiterführend Niemann 2003, S. 1454; Rückle 1996, S. 112; Rückle/Klatte 1994, S. 138 f. Rückle konstatiert, dass „die Auslegung der GoB in den GoA enthalten sein muss“, Rückle 2002, Sp. 1027; vgl. ebenfalls zu den GoB Abschn. II.A dieses Hauptteils.

96

Erster Hauptteil

rung der Vertrauenswürdigkeit des Prüfungswesens. Rückle und Klatte weisen den GoA 791 eine Präskriptions-, Risikobegrenzungs-, Deskriptions- und Interpretationsfunktion zu. Vergleichbar mit den GoB erfolgt eine Unterteilung in kodifizierte und nicht kodifizierte 792 GoA. Es bedarf hierbei einer Auslegung, weil eine entsprechende gesetzliche Kodifizie793 rung des Terminus bis dato nicht vorliegt. In den §§ 323 Abs. 1, 319, 319 a HGB sowie in den §§ 43, 57 Abs. 3 und Abs. 4 Wirtschaftsprüferordnung (WPO) sind zentrale Tatbe794 standsvoraussetzungen genannt, die als GoA auszulegen sind. Demnach sind u. a. die 795 Grundsätze der Gewissenhaftigkeit, Unparteilichkeit, Verschwiegenheit , Unabhängig796 797 798 keit und Eigenverantwortlichkeit zu befolgen. Ferner kommen zusätzliche ethische , soziale und betriebliche Normen in Betracht, die auf freiwilliger Basis eine höhere Prü799 fungsqualität als der rechtlich gebotene Standard generieren (z. B. der Aufbau von Reputation). Wie im weiteren Verlauf der Untersuchung gezeigt wird, stellt die Reputation einen zentralen Indikator des Intangible Asset- und Goodwill Auditing dar, weil die Prüfung der in Rede stehenden immateriellen Werttreiber mit Objektivierungsdefiziten verbunden ist und dies ein erhöhtes Know How bzw. Erfahrungswerte bei der Ermessensausübung er800 fordert. Als Leitgrundsatz gilt, dass das Prüfungsurteil eine gewisse Mindestqualität, d. h. eine Mindestsicherheit, zu beinhalten hat. Demzufolge wird die Wirtschaftlichkeit als eine der Maxime bei der Planung des Prüfungsaufbaus angesehen. Hieraus leitet sich u. a. der Grundsatz der Wesentlichkeit ab. Die Festlegung von Wesentlichkeitsgrenzen gestaltet sich bei der Planung der Prüfung von immateriellen Vermögenswerten sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts als besondere Herausforderung, wie im weiteren Verlauf der 801 Untersuchung detailliert zu zeigen ist. Inwieweit die Verlautbarungen des IDW und der IFAC den GoA entsprechen, ist im 802 Schrifttum nicht abschließend geklärt. Unstrittig ist jedoch, dass diese bei der prakti791 792

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Vgl. weiterführend zu den Funktionen Rückle/Klatte 1994, S. 138. Vgl. hierzu auch Abschn. II.A dieses Hauptteils sowie zu den Interdependenzen zwischen GoA und GoB u. a. Biener 1996b, S. 61. Vgl. u. a. Link 2006, S. 20; Ruhnke 2000a, S. 73 f. Der Terminus „Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ wird dagegen in § 238 Abs. 1 HGB benannt. Das IDW hatte bereits im Jahre 1956 vergeblich eine Aufnahme des Passus „Prüfung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Abschlußprüfung“ in das AktG gefordert; vgl. IDW 1956, S. 67 und weiterführend Kicherer 1970, S. 27; Rückle 1996, S. 115. Weiterführende Kriterien sind u. a. in der Berufssatzung der Wirtschaftsprüferkammer (BS) niedergelegt. Vgl. zur Gewinnung von GoA auch Rückle 1980, S. 64 f. sowie zum Ermessen i. R. d. Abschlussprüfung Kropff 1995, S. 331-335; Niemann 2004a, S. 52. Vgl. detailliert Mock 2003, S. 1996-2002. Vgl. bereits Forster 1976, S. 327. Vgl. hierzu bereits Schulze zur Wiesch 1965, S. 647-654. Vgl. u. a. zur Unabhängigkeit als „ethisch-moralische Herausforderung“ Praem 2002, S. 1355. Vgl. Egner 1980, S. 70 f. Vgl. zu den Auswirkungen der Reputation auf die Prüfungsqualität Abschn. III.C.1 dieses Hauptteils. Vgl. ausführlich Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. Rückle unterscheidet zwischen den „GoA als solchen“ und ihrer Interpretation durch nationale und internationale Standardsetter. Eine Gleichsetzung bezeichnet er als „irrig“, Rückle 1996, S. 116; Rückle 2002, Sp. 1027. Es ist zumindest festzustellen, dass sich das IDW bei der Verabschiedung von Verlautbarungen die GoA berücksichtigt bzw. umsetzt. Angesichts der weitgehend abgeschlossenen ISA(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

97 803

schen Ausfüllung der GoA eine zentrale Bedeutung erlangen. Es wird angemerkt, dass die Verlautbarungen als „induktiver Beitrag sachkundiger Wirtschaftsprüfer zur Formulie804 rung“ von GoA aufzufassen sind. Auf supranationaler Ebene entfalten zusätzlich die Normierungen der EU-Kommission, u. a. die Neufassung der Achten EG-Richtlinie oder die vorausgegangene EU-Unabhängigkeitsempfehlung aus dem Jahre 2002 sowie die Ver805 lautbarungen der Fédération des Experts Comptables Européens (FEE) eine Bindungswirkung für die Prüfung von (Konzern-) Abschlüssen, die nach dem HGB oder den IFRS erstellt werden. Ferner nehmen die Normierungen sonstiger Standardsetter aus anderen 806 Staaten mittelbaren Einfluss auf die Konkretisierung der nationalen GoA. Bis dato liegt kein konkretisiertes System von GoA für das Prüfgebiet der immateriellen Vermögenswerte sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts vor. Die Ausfüllung der GoA durch die nationalen und internationalen Standardsetter fällt für die im Vordergrund dieser Betrachtung stehenden Posten bislang unzureichend aus. Dies mag zum einen aus der relativ jungen Forschungsrichtung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting resultieren; zum anderen können die Objektivierungsprobleme, welche insbesondere den selbsterstellten immateriellen Vermögenswerten anzulasten sind, hierfür verantwortlich sein. Dies betrifft im Besonderen die Spezifität und Individualität der in Rede stehenden Posten. Im Vierten Hauptteil sind vor diesem Hintergrund neben einer zusammenhängenden Analyse und Auslegung der konkretisierungsbedürftigen Verlautbarungen Vorschläge für einen Standard zur Prüfung oder prüferischen Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill 807 Reports zu unterbreiten.

B.

Erwartungslücke

Neben der Informationslücke, welche Gegenstand des Financial Accounting und Business 808 Reporting ist, wird hinsichtlich des Business Risk Auditing auf die Theorie der Erwar809 tungslücke (Expectation Gap) als Diskrepanz zwischen dem Verständnis der Öffentlich-

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Transformation des IDW und des geplanten Endorsement ist von veränderten Rahmenbedingungen bezüglich der GoA-Einordnung auszugehen. Vgl. zu den Grundsätzen, die bei der Abschlussprüfung zu beachten sind, IDW PS 200 und IDW PS 201 sowie hierzu im Einzelnen stellvertretend Link 2006, S. 91-94. Vgl. Claussen/Korth 1991, Rn. 35 zu § 317 HGB, S. 650. Vgl. zur Organisation der FEE u. a. Naumann 2007, S. 455 f.; Ruhnke 2000a, S. 99 f.; Slomp 2002, Sp. 763. Vgl. stellvertretend zum modifizierten französischen Durchführungserlass zur Prüferethik (Code de Déontologie) Lanfermann 2006b, S. 737 sowie zu den supranationalen Einflüssen Abschn. IV.A dieses Hauptteils. Vgl. Vierter Hauptteil, Kapitel IV. Vgl. ausführlich zu den Bestandteilen Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a). Der Terminus geht auf die Ausführungen von Liggio 1974, S. 28 und den empirischen Befund durch die Commission on Auditors’ Responsibilities (CAR) der AICPA (vgl. CAR 1978) zurück; vgl. zur Erwartungslücke auch Bahr 2003; Bertschinger 1999, S. 911; Biener 1995, S. 39; Böcking/Orth 1998, S. 351; Clemm 1984, S. 645; Dörner 1995, S. 190; Forster 1994a, S. 789; Forster 1994b, S. 613; Hakelmacher 1997, S. 85; Heering 2001; Kirsch 1997, S. 955; Knief 1976, S. 114; Niehus 1995c, S. 537; Olson 1975, S. 52; Orth 2000, S. 29; Ruhnke/Deters 1997, S. 924 f.; Shaik/Talha 2003, S. 517; Sieben 1977, S. 56; Siebenmorgen 2004, S. 396; Störk 1999; Tröller 2000; Vogel 1988, S. 633. Fey (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

98

Erster Hauptteil 810

keit über Umfang und Zweck der Prüfung sowie der tatsächlichen Berufsausübung durch 811 den Wirtschaftsprüfer hingewiesen. Im Rahmen einer empirischen Untersuchung konnte durch Ruhnke und Deters der Nachweis erbracht werden, dass zu hohe öffentliche Erwartungen, eine unzureichende Aussagekraft und anhaltende Kritik durch die Medien zu den drei bedeutendsten Ursachen der Er812 wartungslücke zählen. Die nachfolgende Abbildung 10 zeigt eine Strukturierung der wesentlichen Komponenten.

Expectation Gap

Accounting Gap

Performance Gap

Reporting Gap

Quantität

Qualität

Darstellung

Abbildung 10:

Komponenten der Erwartungslücke

813

Die Accounting Gap umfasst die Diskrepanz zwischen den abgeleiteten Erwartungen an die Prüfungsleistung in quantitativer Hinsicht und der normenkonformen Leistung des Ab814 schlussprüfers. Diese Lücke wird maßgeblich durch die Ausgestaltung des Prüfungsgegenstands und des zu erbringenden Leistungsumfangs determiniert. Hierbei spielt die Erweiterung des Financial Accounting zum Business Reporting eine entscheidende Rolle, auf 815 die im weiteren Verlauf der Untersuchung detailliert einzugehen ist. Es wird kritisch hinterfragt, in welcher Form freiwillige Reporting-Instrumente der Unternehmensleitung, z. B. die Erstellung eines Intangible Asset- und Goodwill Report, in den Prüfungsablauf und 816 aufbau integriert werden (können). Die Vermischung von prüfungspflichtigen und ggf. nicht geprüften Accounting- und Reporting-Instrumenten kann für die Adressaten Verwir-

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wählt die Bezeichnung Assurance Gap; vgl. Fey 2002, S. 165; zu einer empirischen Untersuchung bezüglich der Selbst- und Fremdwahrnehmung der Wirtschaftsprüfer Backhaus et al. 2003, S. 625. Vgl. u. a. zu einer empirischen Untersuchung bezüglich der Erwartungen von Vorständen deutscher Aktiengesellschaften an die Prüfungsleistung Marten 1998, S. 415-446. Vgl. etwa Biener 1995, S. 39; Kitschler 2005, S. 67; Ruhnke/Deters 1997, S. 925 sowie Böcking 1999, S. 720, der unterstellt, dass ein vollständiger Abbau der Erwartungslücke aufgrund von Informations-, Wahrnehmungs- und Präferenzdivergenzen in praxi nicht möglich ist. Vgl. Ruhnke/Deters 1997, S. 930 sowie für eine Konkretisierung der Erwartungslücke in Tatbestände, die zu einem Prüfer-, Normen- oder Öffentlichkeitsversagen führen, Böcking 1999, S. 721; Liggio 1974, S. 27; Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 259; von Wysocki 2005b, S. 374. Modifiziert entnommen von Marten/Köhler 2002a, Sp. 704. Vgl. Marten/Köhler 2002a, Sp. 706. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. I.B.1. Vgl. Vierter Hauptteil, Kapitel IV.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

99

rung stiften, da im Allgemeinen Unsicherheit hinsichtlich der jeweiligen Prüfungsintensität herrscht. In der Öffentlichkeit wird überdies häufig missverstanden, dass der Prüfer keine lückenlose Beurteilung des Financial Accounting vornimmt, sondern auf System- und Stichproben817 818 prüfungen unter Berücksichtigung der Wesentlichkeit und der Risikoorientierung zu819 rückgreift. Loitlsberger bezeichnet diese Fehleinschätzungen als sog. „Münchhausen820 Dilemma“ , weil das Sollobjekt der Abschlussprüfung i. d. R. aus „Aufschreibungen“, wie Belegen und Buchungen, und nicht vom realen Sachverhalt selbst abgeleitet wird, obgleich eine Urteilsabgabe über die Übereinstimmung des realen Sachverhalts mit dem aus 821 dem Abschluss resultierenden Sachverhalt erfolgen soll. Je höher der Prüfer die Wesentlichkeitsgrenze festlegt, desto geringer fällt hierbei c. p. das Prüfungsrisiko aus und vice 822 versa. Im Gegensatz zur Aufsichtsratsprüfung, die zusätzlich auf eine Beurteilung der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit des Financial Accounting abzielt, beschränkt sich der Ab823 schlussprüfer auf die Ordnungsmäßigkeitsprüfung. In diesem Sinne ist es nicht Ziel der 824 Prüfung, ob die konkrete Ausnutzung des rechnungslegungspolitischen Ermessens- und Gestaltungspotenzials des Unternehmens unter wirtschaftlichen Aspekten zweckmäßig 825 ist. Diese Erwartungshaltung der Öffentlichkeit gipfelt in der Ansicht, der Bestätigungs826 vermerk des Abschlussprüfers würde einem zukunftsorientierten „Gütesiegel“ für das 827 Handeln der Geschäftsführung gleichkommen, da die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 828 Gegenstand der Beurteilung sei. Ungeachtet der Tatsache, dass die Grenze zwischen Rechnungslegungspolitik und Bilanzfälschung insbesondere bei schwer objektivierbaren Bilanzierungs-, Bewertungs- und Ausweissachverhalten, wie bei der Identifizierung imma-

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Vgl. zu den theoretischen Grundlagen u. a. Marten 2003, S. 444-448; Mochty 1997, S. 746 f.; Mochty 2003, S. 187-217. Vgl. grundlegend zur Bedeutung des Wesentlichkeitsgebots i. R. d. Prüfung Lamanna di Salvo 2006, S. 72; Rossmanith 2000, S. 801 sowie ausführlich Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. hierzu auch Dörner 1995, S. 190. Loitlsberger 2002a, S. 705. Vgl. Loitlsberger 2002a, S. 711, der die Geschichte des legendären Lügenbarons Münchhausen anführt, wonach dieser versucht haben soll, „sich an seinem eigenen Schopfe aus dem Sumpf zu ziehen“. Vgl. IDW PS 250.15 sowie zur Operationalisierung des Wesentlichkeitsgrundsatzes bei der Prüfung von Intangible Assets und des Goodwill Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. zu den Beziehungen zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer u. a. Scheffler 2004c, S. 271284. Vgl. zu einer Unterscheidung in Prüfungszweck und Prüfungsziel Kicherer 1970, S. 62 f. Vgl. statt vieler zu ausgewählten Einflussfaktoren der Accounting Gap Behr 1996, S. 539. Forster 1994a, S. 789; Jäckel/Leker 1995, S. 293 sowie zur „Gütesiegel-Problematik“ Herkendell 2007, S. 246 f.; Schmidt 1998, S. 319 f. („Die Öffentlichkeit erwartet ein Gütesiegel über die Konstitution und Prosperität des Unternehmens“). Vgl. stellvertretend die Ausführungen von Adler/Düring/Schmaltz 2000, Rn. 23 zu § 316 HGB, S. 13; Knief 1976, S. 117 und Weber 1997, S. 797. Vgl. klarstellend u. a. Kühnberger 1987, S. 458 sowie in Weiterführung Heßler/Mosebach 2001, S. 1051 („Insolvenz trotz [Anm. des Verf.: uneingeschränktem] Bestätigungsvermerk“).

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Erster Hauptteil 829

terieller Vermögenswerte, fließend ist, kann der Abschlussprüfer aufgrund des geschäftsrisikoorientierten Prüfungsansatzes und der damit einhergehenden kritischen Grundhal830 tung in Bezug auf Unregelmäßigkeiten - wie noch zu zeigen ist - eine effiziente Beurtei831 lung der Rechtmäßigkeit des Management-Verhaltens vornehmen. Die Performance Gap als zweite Komponente der Erwartungslücke gem. Abbildung 10 misst die Fehlerwartungen, die aus den Qualitätsanforderungen an die Prüferleistung resul832 tieren. Zu bedenken ist in diesem Kontext, dass auch innerhalb der prüfungspflichtigen Bestandteile [z. B. im Verhältnis zwischen (Konzern-) Lageberichts- und -Abschluss833 prüfung] eine unterschiedliche Prüfungsqualität vorliegen kann. Eine wesentliche Determinante dieser Komponente stellt die konkrete Ausgestaltung der in- und externen Qualitätssicherung i. R. d. Auditing dar, die im Nachfolgenden nicht im Einzelnen wiederge834 geben werden soll. Ferner spielen bei der Beurteilung der Performance Gap die Berufsgrundsätze der Abschlussprüfung, insbesondere die Wahrung des Grundsatzes der Unab835 hängigkeit einschließlich der Prüferrotation und der -honorierung eine zentrale Rolle, die auf nationaler und internationaler Ebene in jüngerer Zeit eine Konkretisierung erfuhren. Auffallend ist, dass die Reformanstrengungen bislang im Allgemeinen auf eine Reduktion der Performance Gap abzielten und die anderen Komponenten der Erwartungslücke weni836 ger stark gewichteten. Im weiteren Verlauf der Analyse werden die vorstehend genannten Indikatoren der Performance Gap näher betrachtet sowie ihre Bedeutung im Hinblick 837 auf die Prüfung von Intangible Assets und des Goodwill verdeutlicht. Die Reporting Gap als drittes Element der Erwartungslücke in Anlehnung an Abbildung 10 richtet sich an die Ausgestaltung der Berichterstattung des Abschlussprüfers gegenüber der 838 839 840 Öffentlichkeit. Neben dem Prüfungsbericht steht hierbei der Bestätigungsvermerk für die Informationsfunktion der Prüfung im Mittelpunkt. Eine wesentliche jüngere Erweiterung der Berichterstattungserfordernisse stellt u. a. der durch die modernisierte Achte EGRichtlinie geforderte Transparenzbericht dar. Die Reporting Gap ist insbesondere bei Prüfungen auf freiwilliger Basis [z. B. von Intangible Asset Reports, die außerhalb der (Konzern-) Lageberichterstattung erfolgen] ausgeprägt, welche u. a. durch mangelnde Sensibili829 830 831

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Vgl. z. B. die Fehlhandlungen bei ComRoad, Enron, Flowtex, Parmalat und Worldcom. Vgl. zum Misstrauensparadigma nach Loitlsberger Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu Abschn. IV.B.2 dieses Hauptteils. Die Verhinderung von Bilanzverschleierungen bzw. zumindest ihre rasche Erkennbarkeit durch die Öffentlichkeit gelten seit Einführung der gesetzlichen Pflichtprüfung als Zweck der Prüfung; vgl. Kicherer 1970, S. 62. Vgl. Behr 1996, S. 539; Doll 2000, S. 49; Marten/Köhler 2002a, Sp. 705; von Moos 1998, S. 437. Vgl. zur Performance Gap auch Link 2006, S. 218; Orth 2000, S. 42-46; Porter 1991, S. 29 sowie zu den diesbezüglichen empirischen Untersuchungsergebnissen Dritter Hauptteil, Abschn. IV.C.2.h). Vgl. VO 1/2006; ebenso die Vorschläge von Backhaus/Meffert 2003, S. 27. Vgl. Abschn. III.C.2 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. IV.A dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. IV.A-C dieses Hauptteils. Vgl. statt vieler zum Einfluss der Reporting Gap auf die Erwartungslücke DiPiazza/Eccles 2003, S. 181. Vgl. § 321 HGB; grundlegend zum Prüfungsbericht u. a. Bormann/Gucht 2003, S. 1887; Scheffler 2002b, S. 1289 sowie zu Verbesserungsvorschlägen Ludewig 1996, S. 337. Vgl. § 322 HGB.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

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tät und Know How aufseiten der Adressaten erklärt wird. Hinzuweisen ist ebenfalls auf die - noch zu thematisierende - enge Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Prüfungsaus842 schuss (Audit Committee) und Abschlussprüfer als Schnittstelle zwischen in- und exter843 ner Corporate Governance, da diese zu einer wesentlichen Effektivitätssteigerung des 844 Business Risk Auditing führt. Speziell für das Intangible Asset- und Goodwill Reporting wird in der vorliegenden Untersuchung zusätzlich die Einrichtung eines Disclosure Com845 mittee als Servicestelle des Managements befürwortet. In Bezug auf die Prüfung immaterieller Vermögenswerte sowie des Goodwill liegt die Gefahr einer Verstärkung der Erwartungslücke vor. Diese Annahme lässt sich u. a. damit begründen, dass bei einem Großteil jener Posten häufig kein aktiver Markt existiert, d. h. die846 se Werte ggf. einer mangelnden intersubjektiven Nachprüfbarkeit und gleichzeitig vielfältigen rechnungslegungspolitischen Ermessens- und Gestaltungsspielräumen unterlie847 gen. Es gilt c. p. der Zusammenhang, dass mit zunehmendem Umfang einer „stillen“ 848 Rechnungslegungspolitik die Erwartungslücke steigt. Ferner kommt es, sofern die Unternehmensleitung kein Intangible Asset- und Goodwill Reporting betreibt, infolge nicht aktivierungsfähiger immaterieller Werttreiber zu einer Unterbewertung der Bilanz und zu einer Verschlechterung der Entscheidungsbasis der Adressaten. Bei Vorliegen eines Reporting stellt sich jedoch zugleich die Frage, in welcher Form der Wirtschaftsprüfer diese zusätzlichen Unternehmensinformationen in den Prüfungsaufbau und -ablauf integriert und die getroffenen Feststellungen ferner nach außen kommuniziert. Aufgrund der zentralen Bedeutung von Intangible Assets und des Goodwill als strategische Werttreiber des Unternehmens ist aus informationsökonomischer Sicht ei-

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Vgl. zu dieser Einschätzung auch Marten/Köhler 2002a, Sp. 706. Vgl. grundlegend zur Bedeutung von Prüfungsausschüssen für die Stärkung der Corporate Governance AKEIÜ 2000, S. 2281; Altmeppen 2004, S. 390; Bender/Vater 2003a, S. 1809; Bender/Vater 2003b,S. 490; Bender/Vater 2004, S. 75; Böcking/Dutzi/Müßig 2004, S. 417; Braiotta/Zhou 2006, S. 166; Hofmann 2005b, S. 271-276; Köhler 2005, S. 229; Luttermann 2003, S. 745; Mangena/Pike 2005, S. 327; Niehus 1999, S. 1765; Pandit/Subrahmanyam/Conway 2006, S. 34; Peemöller/Warncke 2005, S. 401; Rezaee/Olibe/Minmler 2003, S. 530; Richter 2002a, Sp. 111; Röhrich 2006, S. 148; Rössler 2001; Rössler 2003; Schäfer 2004, S. 416; Schmitz 2003, S. 177; Warncke 2005a; Warncke 2005b, S. 182-187. Vgl. zur Zusammenarbeit zwischen Abschlussprüfer und Aufsichtsrat u. a. Dörner 1998b, S. 305 f.; Escher-Weingart 1999, S. 909; Gelhausen 1999, S. 390 („Zweckgemeinschaft“); Hommelhoff 1998, S. 2568 f.; Kropff 2001, S. 481; Mattheus 1999, S. 696; Scheffler 1995, S. 672-679; Theisen 1994, S. 809 sowie weiterführend zur Teilnahmepflicht des Abschlussprüfers an der Bilanzsitzung des Aufsichtsrats u. a. Forster 1998, S. 375-386. Vgl. weiterführend Abschn. IV.B dieses Hauptteils. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.d). Die SEC empfiehlt ebenfalls die Einrichtung eines Disclosure Committee; vgl. SEC-Final Rule Release Nos. 33-8124, 34-46427. Vgl. zum Fehlen eines aktiven Markts u. a. Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.1.a). Vgl. zu ausgewählten Aspekten des Earnings Managements nach den IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A. „There is a clear connection between creative accounting and the expectations gap;“ von Rütte/Hones 1995, S. 68. Die „stille“ Rechnungslegungspolitik impliziert, dass die Rechnungslegungsanalyse die ausgeübten Ermessens- und Gestaltungsspielräume des Managements entweder überhaupt nicht oder nur teilweise aufdeckt.

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Erster Hauptteil

ne detaillierte Beurteilung des freiwilligen Reporting notwendig, die jedoch mit einem er849 weiterten Prüfungsauftrag einhergeht. Die bisherigen Verlautbarungen der Standardsetter 850 851 zu den Maßnahmen der kritischen Nachschau und der prüferischen Durchsicht zeichnen sich durch Konkretisierungslücken aus und sind mithin hinsichtlich ihrer Berichterstat852 tungspflichten als wenig aussagekräftig zu qualifizieren. Zur Reduktion der Erwartungslücke ist somit nicht nur die Konzeption eines Standards zur (freiwilligen) Prüfung oder prüferischen Durchsicht von Intangible Assets sowie des Goodwill („better Communicati853 on“), sondern ebenfalls eine verbesserte Darlegung der Prüfungsergebnisse im Prüfungsbericht und Bestätigungsvermerk notwendig („professional Improvement“). Abbildung 11 fasst diese Strategien zur Verringerung der Erwartungslücke zusammen. In den weiteren Ausführungen erfolgt eine detaillierte Analyse der Prüferreputation, welche die Erwar854 tungslücke nachhaltig beeinflusst. Konkretisierung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting (Dritter Hauptteil)

Konkretisierung des Intangible Asset- und Goodwill Auditing (Vierter Hauptteil) Ziel:

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Steigerung der Prüfungsqualität durch Reputation (Erster Hauptteil)

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„better Communication“

„professional Improvement“

Abbildung 11:

Reduktion der Erwartungslücke

Einfluss des Intangible Asset- und Goodwill Reporting und 855 Auditing auf die Erwartungslücke

Vgl. weiterführend Kapitel IV des Vierten Hauptteils. Vgl. ausführlich zur kritischen Nachschau (Critical Review) Vierter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. III.B. Der vollständige Abbau der Erwartungslücke gilt als nicht zu realisierende Zielsetzung; vgl. Adler/ Düring/Schmaltz 2000, Rn. 23 zu § 316 HGB, S. 14. Vgl. Vierter Hauptteil, Kapitel IV. „Die wichtigsten Vermögenswerte einer Prüfungsgesellschaft sind immateriell und können mit den Begriffen Know-how und Reputation beschrieben werden“, Hachmeister 2002d, S. 139. Wesentliche Weiterentwicklung von Böcking 1999, S. 722.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

C.

Prüfungsgesellschaften und Signalling Theory

1.

Prüfungsleistungen als Vertrauens- und Erfahrungsgüter sowie Aufbau von Reputation

103

Sämtliche Leistungen, die von der Prüfungsgesellschaft angeboten werden, lassen sich den 856 Kontraktgütern subsumieren. Diese stellen kundenindividuelle Leistungen dar, deren Erstellung an den Abschluss eines rechtskräftigen Vertrags gekoppelt ist. Innerhalb der Kontraktgüter erfolgt eine Unterteilung in Erfahrungs- und Vertrauensleistungen, welche eine Aussage darüber treffen, inwieweit der Adressat in der Lage ist, die wesentlichen Quali857 tätsmerkmale der Leistung sachgerecht zu beurteilen. Innerhalb des durch die Prüfungsgesellschaft angebotenen Leistungsspektrums sind unterschiedliche Adressatengruppen tangiert, die über die Einordnung in Vertrauens- und Erfahrungsgüter entscheiden. Erfahrungsgüter sind dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungsqualität erst ex post, d. h. nach der Inanspruchnahme „by the Way of Experience“ durch den Auftraggeber abgeschätzt 858 werden kann. Bei Vertrauensgütern hingegen scheidet eine Qualitätsbeurteilung im 859 Nachhinein aufgrund zu hoher Kontrollkosten grds. aus. Der abgegebene Bestätigungsvermerk besitzt als „Kernleistung“ des Wirtschaftsprüfers eine Fremdinformationsfunkti860 on, welche als „Qualitätssignal“ für die Anspruchsgruppen des Unternehmens dient. Daneben existieren prüfungsnahe Leistungen oder Zusatzleistungen, u. a. die Beratung bei der Implementierung eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting-Systems oder bei 861 Fragestellungen der Rechnungslegungspolitik. Letztere Leistungen sind primär an die Unternehmensleitung gerichtet und erfüllen somit eine Selbstinformationsfunktion. Die gesetzliche (Konzern-) Abschlussprüfung stellt aus Sicht des Kapitalmarkts ein Vertrauensgut dar, weil der durchschnittliche Koalitionär nicht in der Lage ist, die Ordnungsmäßig862 keit der Prüfungsdurchführung zu beurteilen und im Zeitablauf zu kontrollieren. Vielmehr muss dieser im Hinblick auf das künftige Entscheidungsverhalten auf die Aussage863 kraft des Bestätigungsvermerks „vertrauen“. Ebenso verhält es sich im Allgemeinen bei

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Vgl. statt vieler Herkendell 2007, S. 60. Vgl. Weißenberger 1997c, S. 79. Vgl. grundlegend Blankart/Pommerehne 1985, S. 438 f.; Darby/Karni 1973, S. 68 f.; Nelson 1970, S. 312; Stefani 2002b, S. 227 sowie weiterführend Mandler 1997b, S. 102, der sämtliche Dienstleistungen im Regelfall den Erfahrungsgütern zuordnet. Vgl. u. a. Donle/Richter 2003, S. 198; Gierl/Helm 2000, S. 228; Herkendell 2007, S. 61; Richter 2004c, S. 223 sowie die Ausführungen zur Transaktionskostentheorie in Abschn. I.B.2 dieses Hauptteils. Vgl. § 322 Abs. 1 HGB. Ruhnke/Deters führen hierzu aus: „Insofern bezieht die Prüfung ihre Legitimation zumindest teilweise aus ihrer bloßen Existenz. Hier fungiert Prüfung als Symbol, das Eigenschaften wie Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und ein stets auf das Wohl der Mitmenschen bedachtes Verhalten („altruism“) transportiert.“ Ruhnke/Deters 1997, S. 924; vgl. in diesem Kontext ebenfalls das Risiko einer Erwartungslücke in Abschn. III.B dieses Hauptteils. Vgl. die grafische Darstellung von Weißenberger 1997c, S. 79 sowie die Ausführungen zu ausgewählten Ermessens- und Gestaltungsspielräumen Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. zu dieser Auffassung ebenfalls Mandler 1997b, S. 103 sowie zu möglichen Auswirkungen des sekundären Enforcements auf die Abschlussprüfung Abschn. IV.C dieses Hauptteils. Richter 2004c, S. 223 f.

104

Erster Hauptteil 864

Zusatzleistungen, die der Wirtschaftsprüfer für die Unternehmensleitung erbringt. Dem 865 Prüfer wird hierbei im angloamerikanischen Schrifttum sowie durch die Rechtspre866 chung die Funktion eines „öffentlichen Wachhunds (Public Watchdog)“ zugewiesen, welche auf der Stewardship-Hypothese basiert. Diese Sichtweise wird von der Auffassung getragen, dass weniger das geprüfte Unternehmen, sondern die Öffentlichkeit als Adressat des Bestätigungsvermerks der eigentliche Mandant des Prüfers ist. Der Abschlussprüfung 867 wurde seither eine Informations-, Präventiv- und Korrekturfunktion zugewiesen. Aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses verglich Schmalenbach den Berufsstand 868 869 der Wirtschaftsprüfer mit dem der Ärzte. Die Prüfungsqualität sei davon abhängig, in welchem Umfang das geltende Recht die Legung stiller Reserven und Lasten ermöglicht, 870 871 so dass der Gewinnausweis verfälscht wird. Der Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers sei mit der Ausstellung eines Attests durch den Arzt vergleichbar mit dem Unterschied, dass ersterer auf einen Negativbefund, d. h. die Bescheinigung der „Gesundheit“ des Mandanten, abzielt. Zugleich mahnte Schmalenbach, dass „die Wirtschaftsprüfung kein Geschäft sein darf, an dem man verdienen will, sondern ein Amt im besten Sinne des 872 Wortes“. In diesem Sinne kommt der Berufsethik nach Maßgabe der sog. Kompassfunk873 874 tion ein fundamentaler Stellenwert zu. Aus Sicht des Managements wandelt sich die Abschlussprüfung mit zunehmender Langfristigkeit der Mandatsbeziehung von einem Vertrauens- in ein Erfahrungsgut um, da die Führungskräfte im Zeitablauf die Effizienz der Prüfung basierend auf ihren Erfahrungs-

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Vgl. Weißenberger 1997c, S. 81. Vgl. u. a. Koch 2005, S. 726; Luttermann 1999, S. 66 f.; Mößle 2003, S. 115; Shapiro 2004, S. 2; auf Basis einer empirischen Untersuchung McEnroe/Martens 2001, S. 346 sowie zur Klarstellung, dass der Abschlussprüfer nicht die Funktion eines „Bloodhound“ erfüllt, Großfeld 1994, S. 801. Vgl. U.S. Supreme Court 1984, S. 818 sowie hierzu im Einzelnen McEnroe/Martens 2001, S. 352. Vgl. statt vieler Quick/Solmecke 2007, S. 139. Vgl. Schmalenbach 1948, S. 3. Dieser würde allerdings nicht erst bei einer „schweren Krankheit“ gerufen, „aber irgendwie solle er ihnen [Anm. des Verf.: den Unternehmen] immer aus einer Schwierigkeit helfen“. Vgl. stellvertretend zur Prüfungsqualität Niehus 2002b, Sp. 1862-1872. Nach Leffson setzt sich die Prüfungsqualität aus der Urteilsfähigkeit, der Urteilsfreiheit und der sachgerechten Urteilsbildung zusammen; vgl. Leffson 1988a, S. 66 f. sowie hierzu ebenfalls Doll 2000, S. 19; Pfitzer 2006, S. 188. Nach Einschätzung von DeAngelo lässt sich Audit Quality umschreiben als „the market-assessed joint probability that a given auditor will both (a) discover a breach in the client’s accounting system, and (b) report that breach”, DeAngelo 1981a, S. 186. Vgl. Schmalenbach 1948, S. 3; ausführlich zur dynamischen Ausprägung der Accounting Theory Abschn. I.C.3.a) dieses Hauptteils. Vgl. zur Erteilung von Bestätigungsvermerken IDW PS 400 sowie überblicksartig u. a. Eigenstetter 1996, S. 447; Lehwald 2000, S. 259-264. Schmalenbach 1948, S. 3 sowie vgl. hieran anknüpfend Baetge 2002b, S. I; Baetge 2003, S. 4; Baetge/ Heidemann 2002, S. 20; Potthoff 2002, S. I; Zünd 2005, S. 7. Vgl. etwa Baetge 2003, S. 4. Vgl. stellvertretend zur Ethik im Prüfungswesen Clemm 1993, S. 100; Clemm 1998, S. 1199-1241; Küpper 2005b, S. 733; Ludewig 1997, S. 701; Ludewig 2002, S. 614; Ludewig 2003, S. 1093; Richter 2004c, S. 231; Tesch 2007, S. 144-146.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

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875

werten einschätzen können. Unstrittig ist, dass die Schaffung von „Vertrauenskapital“ in Form von Reputation der Prüfungsgesellschaft entscheidend zu einem Abbau der Informationsasymmetrie beiträgt, die mit der Existenz von Vertrauensgütern verbunden ist. Dies bedeutet, dass zwischen dem zu prüfenden Unternehmen, der beauftragten Prüfungsgesellschaft und dem Kapitalmarkt sich die bereits dargelegten Grundsätze der Neuen Institutio876 nenökonomie, insbesondere der Agency-Problematik, übertragen lassen. Angesichts der Tatsache, dass die Untersuchung drei Parteien [Unternehmen, Adressaten, Abschlussprüfer] mit unterschiedlichen Zielsetzungen einbezieht, wird auch von einer mehrfachen oder 877 erweiterten Principal Agent-Beziehung gesprochen. Der Abschlussprüfer nimmt dabei die Funktion eines Informationsintermediärs zwischen der Unternehmensleitung und den 878 Adressaten ein. Im Unterschied zur bisher thematisierten einstufigen Agency-Beziehung 879 zwischen Management und Kapitalgeber, die vorrangig auf die Bereitstellung entscheidungsrelevanter Unternehmensinformationen abstellt, wird im Zuge der „Abgabe eines vertrauensvollen Urteils“ durch die Prüfungsgesellschaft eine verlässliche Berichterstat880 tung gegenüber den Adressaten signalisiert. Die eingangs dargelegten Möglichkeit zur Überwindung der Agency-Problematik mittels des Signalling ist nicht nur auf Unternehmensebene, sondern ebenfalls bei den Prüfungsge881 sellschaften vorzufinden. Ein aktives Signalling war aufgrund der ehemals restriktiven Werbemöglichkeiten nach Maßgabe der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) und der Berufs882 satzung der Wirtschaftsprüferkammer (BS WP/vBP) eingeschränkt. Wie im Folgenden 883 zu zeigen ist, stellt die Schaffung von Reputation den zentralen Einflussfaktor des 875 876

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Vgl. hierzu (kritisch) Ewert 1993, S. 720; Kitschler 2005, S. 61; Lange 1994, S. 33. Vgl. u. a. Ewert 1990, S. 23; Ewert/Stefani 2001a, S. 147; Lenz 2002d, Sp. 632 f.; Marten 1994a, S. 116; Marten 1999b, S. 77; Müller 2006b, S. 9; Ruhnke 2000a, S. 204 f. sowie grundlegend zu den Agency-Beziehungen zwischen Management und Kapitalgeber Abschn. I.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. u. a. Ross 1973, S. 134-139 und weiterführend Antle 1982, S. 503; Baetge/Thiele/Matena 2004, S. 202 f.; Marten 1994a, S. 150 f.; Semler 1995, S. 50; zum Abschlussprüfer als „Bondinginstrument“ im Beziehungsgeflecht zwischen Unternehmensleitung und Kapitalmarktakteur insbesondere die Ausführungen von Ewert/Stefani 2001a, S. 166; Stefani 2002b, S. 214 f. Ein klassisches Erklärungsmodell für das Auditing stellt ferner die Spieltheorie dar. Allerdings liegt im Gegensatz zur AgencyTheorie noch kein geschlossenes spieltheoretisches Modell vor, das sämtliche Prüfungsaspekte berücksichtigt. Insofern steht die Spieltheorie „aus materieller Sicht erst am Anfang“, Ewert/Stefani 2001b, S. 212. Auf eine ausführliche Darlegung wird daher im Folgenden verzichtet; vgl. detailliert zur Spieltheorie Audretsch/Weigand 2001, S. 83; Beuermann 1993, Sp. 3929; Crasselt/Gassen 2004, S. 634; Crasselt/ Gassen 2005, S. 119; Ewert/Stefani 2001b, S. 175; Jost 2001c, S. 9; Jost 2001d, S. 43; Korn/Lengsfeld/Schiller 2001, S. 377. Vgl. Ewert/Stefani 2001a, S. 148. Vgl. Abschn. I.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. Lenz 2002d, Sp. 633. Vgl. ausführlich zum Signalling von Prüfungsgesellschaften Hachmeister 2002d, S. 139 f.; Van Lent 1999, S. 227. Vgl. den Hinweis von Mandler 1995, S. 35 sowie zur Liberalisierung der Werbemöglichkeiten des Abschlussprüfers nach der Reform des allgemeinen Wettbewerbsrechts und des Berufsaufsichtsreformgesetzes (vgl. BARefG, S. 2178-2192) im Einzelnen Precht 2007, S. 1508 f. Die Begriffe „Qualität“ und „Reputation“ sind dabei keineswegs deckungsgleich zu verwenden. Während Qualität die wahrgenommene Zweckeignung der Leistung aus Sicht eines individuellen Mandanten misst, entsteht Reputation erst durch eine Diffusion der Qualitätsinformationen in den Kapitalmarkt; vgl. auch Mandler 1995, S. 36 sowie zu weiterführenden Reputationsmodellen i. R. d. Audi(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

106

Erster Hauptteil

Signalling dar, welches wiederum den Prüfungsprozess und die -qualität sowie die Wahr884 nehmung durch den Kapitalmarkt nachhaltig determiniert. Mandler bezeichnet die Prüferreputation daher auch als Form des passiven Signalling, welches durch die Prüfungsge885 sellschaft und den Kapitalmarkt gemeinsam beeinflusst wird. Indem der Wirtschaftsprüfer mit seiner Reputation für die Ordnungsmäßigkeit des Financial Accounting und Busi886 ness Reporting „bürgt“, verleiht er diesem eine höhere Glaubwürdigkeit und erfüllt in 887 diesem Sinne eine sog. „Torwächterfunktion (Gatekeeper Function)“. Hierbei ist erneut auf die mit der Berichterstattung über immaterielle Vermögenswerte und den Geschäftsoder Firmenwert verbundenen Objektivierungsprobleme hinzuweisen, welche ggf. Vorbe888 halte oder Misstrauen bei den Adressaten hervorrufen können. Der Aufbau von Prüferreputation kann vor diesem Hintergrund nicht nur dem Revisionsund Treuhandunternehmen, sondern ebenfalls dem geprüften Unternehmen zugute kommen, da eine positive Korrelation zwischen der Reputation und der Prüfungsqualität unter889 stellt wird. Hiernach könnte das Unternehmen signalisieren, sich entsprechend „über890 durchschnittlich hohen Prüfungsstandards zu unterwerfen“. In der Vergangenheit haben sich empirische Studien der Fragestellung gewidmet, inwieweit Nachweise für Unterschie891 de in der Prüferreputation in der betrieblichen Praxis vorzufinden sind. Dabei konnte ein statistisch signifikant positiver Zusammenhang zwischen der Größe der Prüfungsgesell892 schaft und der Prüfungsqualität bzw. Reputation am Kapitalmarkt festgestellt werden.

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ting Asthana/Balsam/Krishnan 2003, S. 1; Barton 2005, S. 1; Datar 1985; Datar/Alles 1999, S. 401428; Doll 2000, S. 123 f.; Ewert 1990, S. 246 f.; Gierl/Helm 2000, S. 229; Husemann 1992; Kitschler 2005, S. 86; Richard/Vanstraelen 1999, S. 1; Sunderdiek 2006, S. 70 f. Im älteren Schrifttum wird vereinzelt von „Image“ gesprochen; vgl. Hunger 1976, S. 202; Hunger 1980, S. 21; Jenkis 1989, S. 16; Marten/Schmöller 1999, S. 171. Vgl. zur Prüfungsqualität als Werttreiber u. a. Pfitzer 2006, S. 189 sowie zu den Auswirkungen einer adversen Publizität auf die Reputation des Abschlussprüfers Knief 1976, S. 120 f.; Siebenmorgen 2004, S. 394; zu einer empirisch gestützten Analyse bezüglich der Auswirkungen der Rechnungslegungspolitik auf die Prüfungsqualität u. a. Van Tendeloo/Vanstraelen 2005. Vgl. Kitschler 2005, S. 86; Mandler 1995, S. 36 sowie zur Kundenorientierung von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Marten/Köhler 2000b, S. 117. Vgl. zur Reputation als Versicherung gegen prüferisches Fehlverhalten Datar/Alles 1999, S. 402; Kitschler 2005, S. 86; Vogelsang 1988, S. 186. Vgl. Koch 2005, S. 725 sowie grundlegend zum Torwächtermodell Coffee 2001; Gelter 2005, S. 487; Kraakman 1986, S. 53. Demnach lassen sich Abschlussprüfer als Repeat Player auffassen, die sich am Prüfungsmarkt bewähren müssen und dort ihre Reputation „anbieten“. Ist der Kapitalmarkt davon überzeugt, dass der in Rede stehende Prüfer unzuverlässig ist, impliziert dies negative Auswirkungen auf die wahrgenommene Qualität des geprüften Financial Accounting. Als empirischer Nachweis für die Existenz des Torwächtermodells wird der Zusammenbruch der Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen nach dem Enron-Skandal angeführt. Allerdings impliziert die Gatekeeper-Funktion, dass der Kapitalgeber als direkter Auftraggeber des Prüfers zu agieren hat; vgl. zu dieser Forderung Ronen 2002, S. 48; Schmidt 2006h, S. 378. Vgl. u. a. zur (negativen) Signalwirkung einer Aktivierung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. u. a. Lenz 2002d, Sp. 633. Mandler 1995, S. 36. Vgl. für eine Auswahl Jäckel/Leker 1995, S. 293. Vgl. u. a. die Nachweise von Jäckel/Leker 1995, S. 293 f.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

107 893

Insbesondere der Stellenwert der Unabhängigkeit und des Sorgfaltsniveaus stellen hier894 bei Gradmesser für die Reputation dar. Dieser Zusammenhang kann aus theoretischer 895 Sicht u. a. mit der erhöhten Haftungsmasse und dem diversifizierten Mandantenkreis belegt werden, welcher eine stärkere wirtschaftliche Unabhängigkeit der Prüfungsgesell896 schaft vermuten lässt. Vor diesem Hintergrund steht in der vorliegenden Abhandlung eine der vier umsatzstärksten nationalen Prüfungsgesellschaften im Blickpunkt, da die höchsten Erfahrungswerte im Bereich eines Intangible Asset- und Goodwill Auditing vor897 liegen dürften. Sofern die Aufwendungen für den Aufbau von Reputation durch den Barwert der zusätzlich zu erwartenden Überschüsse kompensiert werden, ist somit ein passives Signalling angezeigt. Allerdings ergeben sich im Allgemeinen Probleme bei der genauen wertmäßigen Bestimmung des Ressourcenpotenzials, das zum Aufbau oder zur Stärkung des Vertrauenskapitals eingesetzt wird. Ebenso ist der Mehrnutzen, der aus der Reputation folgt, bislang keiner verlässlichen Quantifizierung zugänglich. Die Hypothese, wonach mit dem Kriterium der Größe der jeweiligen Prüfungsgesellschaft eine eindeutige Tendenzaussage über die Ausgestaltung der Prüfungsqualität getroffen werden kann, bedarf vor allem nach der Bilanzmanipulation des Enron-Konzerns einer Re898 lativierung. Die Tatsache, dass die damals beauftrage Prüfungsgesellschaft Arthur Andersen zu den größten weltweit operierenden Prüfungsgesellschaften zählte (sog. „Big Five“), wurde zunächst durch eine hohe Prüfungsqualität aufseiten des Kapitalmarkts bestä899 tigt. Der Enron-Fall ist diesbezüglich als „Paradigmenwechsel“ zu beurteilen, da Mitglieder der Prüfungsgesellschaft durch die Vernichtung von Prüfungsunterlagen zum „Mit900 täter“ wurden. 901

Neben der Reputation werden im Folgenden weitere Ersatzgrößen herangezogen, die bei der Beurteilung der Prüfungsqualität durch den Kapitalmarkt einen zentralen Stellenwert 902 besitzen. Im Einzelnen ist dies die Unabhängigkeit, welche wiederum auf ausgewählten Subindikatoren (z. B. Prüferrotation, Honorierung) basiert.

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Vgl. zum Grundsatz der Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Abschlussprüfers detailliert Abschn. III.C.2 und IV.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. Bigus 2006, S. 22 sowie Marten 1994a, S. 104. Vgl. grundlegend zu einer potenziellen Ausgestaltung der Abschlussprüferhaftung aus nationaler Sicht Velte/Lechner/Kusch 2007, S. 1494-1499. Vgl. die Ausführungen von DeAngelo 1981a, S. 183; DeAngelo 1981b, S. 113. Vgl. zur Eingrenzung der Befragungsgruppen hinsichtlich der empirischen Untersuchung Dritter Hauptteil, Abschn. IV.A. Vgl. grundlegend zu den Ursachen von Bilanzdelikten u. a. Ballwieser/Dobler 2003, S. 449. Vgl. hierzu die empirischen Untersuchungsergebnisse von Rauterkus/Song 2003, S. 1. Anhand des Powers Report konnte überdies nachgewiesen werden, dass die Konzernzentrale von Arthur Andersen von den Vorgängen der betreffenden Zweigniederlassung, welche für die Prüfung des Unternehmens Enron verantwortlich war, frühzeitig in Kenntnis gesetzt worden ist; vgl. weiterführend u. a. Bigus 2006, S. 33. Vgl. zu möglichen Surrogaten u. a. Craswell/Francis/Taylor 1995, S. 297 f.; DeAngelo 1981a, S. 186 f.; Kitschler 2005, S. 89; Lange 1994, S. 33; Marten 1999b, S. 48 f.; Marten/Schmöller 1999, S. 190. Vgl. ebenso Marten 1995, S. 705. Die angesichts der mangelnden direkten Beobachtbarkeit der Prüfungsqualität verwendeten Ersatzgrößen bergen allerdings das Risiko in sich, dass diese lediglich eine (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

108

2.

Erster Hauptteil

Unabhängigkeit als Surrogat für die Reputation

Unstrittig ist, dass lediglich ein unbefangener Abschlussprüfer die Verlässlichkeit der Un903 ternehmensberichterstattung objektiv beurteilen kann. Die Unbefangenheit stellt die 904 905 „Freiheit des Prüfers von irgendwelchen Einflüssen auf seine Urteilsfreiheit“ dar. Diese betrifft die innere Einstellung des Abschlussprüfers zum Prüfungsobjekt und lässt sich 906 als Objektivität und Integrität umschreiben. Infolgedessen, dass die Unbefangenheit nicht direkt nachgewiesen werden kann, erfolgt ein Rückgriff auf den Tatbestand der Unabhän907 gigkeit (Auditor Independence) als Ersatzgröße, die mittels beobachtbarer Sachverhalte 908 eine Verifizierung erfährt. Die Unabhängigkeit bezieht sich auf das äußere Erscheinungsbild des Abschlussprüfers, welches im günstigsten Falle durch eine „Bindungslosig909 keit im Verhältnis zu der zu prüfenden Gesellschaft“ determiniert ist. Es lassen sich die in Abbildung 12 dargestellten Risiken identifizieren, die zu einer Gefährdung der Auditor 910 Independence führen (können). Self Interest… Risks of Impaired Auditor Independence

Self Review… Incentives

Threat

Advocacy… Familiarity… Intimidation…

Abbildung 12:

Risiken zur Gefährdung der Unabhängigkeit

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In der Unternehmenspraxis sind die angeführten Risiken häufig durch eine hohe Interde912 pendenzbeziehung gekennzeichnet. Ein in der Vergangenheit besonders kontrovers diskutiertes Problemfeld stellt die Vereinbarkeit von gleichzeitiger Beratungs- und Prüfungs-

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Tendenzaussage über die tatsächliche Prüfungsqualität des betreffenden Prüfers erlauben, die Qualität aber nicht verlässlich bestimmen können; vgl. hierzu u. a. Ruhnke/Deters 1997, S. 937. Vgl. modellhaft bereits Antle 1984, S. 1 sowie zu einer definitorischen Abgrenzung Strohm 2006, S. 17. Ewert 2002a, Sp. 2387. Vgl. stellvertretend zur Befangenheit des Abschlussprüfers Gelhausen/Heinz 2005, S. 693. Vgl. Jäckel 1960, S. 38 sowie Marx 2002b, S. 72. Vgl. grundlegend zur Forderung nach Unabhängigkeit in der Abschlussprüfung Bormann 2002, S. 190; Granobs 1981, S. 531; Grewe 2004, S. 443 f.; Lanfermann 1998, S. 427 sowie zu einer theoretischen Fundierung Beattie/Fearnley/Brandt 2001; Ewert/Wagenhofer 2003, S. 612; Moore et al. 2005; Schruff 1976, S. 140-150. Vgl. den Hinweis von Ewert 2002a, Sp. 2387, wonach die Unabhängigkeit des Prüfers eine notwendige Voraussetzung für dessen Unbefangenheit darstellt. Vgl. Jäckel 1960, S. 38. Vgl. u. a. EU-Unabhängigkeits-Empfehlung, S. 25 sowie weiterführend Quick 2006, S. 43 f. Modifiziert entnommen von Strohm 2006, S. 24. Vgl. die Darstellung von Quick/Warming-Rasmussen 2007, S. 1009 f.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

109

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leistung für ein Unternehmen dar. Hierbei besteht die Gefahr, dass der Abschlussprüfer 914 aufgrund persönlicher Bindungen (Familiarity Threat) zur Unternehmensleitung keine objektive Prüfungsleistung tätigt. Ist dieser in der Vergangenheit zudem als Berater tätig gewesen, z. B. bei der Implementierung eines Intangible Asset Reporting im (Konzern-) 915 Lagebericht, kann ein Verstoß gegen das Selbstprüfungsverbot (Self Review Threat) vorliegen, weil der gesetzliche (Konzern-) Lageberichtsprüfer dann Sachverhalte beurteilen würde, die er maßgeblich mitgestaltet hat. Ebenso steigt das Risiko, dass der Prüfer ein erhöhtes Eigeninteresse an einer möglichst konfliktfreien Zusammenarbeit mit dem geprüften Unternehmen entwickelt, um das bestehende positive Vertrauensverhältnis nicht zu ge916 fährden. Der Umstand, dass Beratungsleistungen innerhalb des Intangible Asset- und Goodwill Reporting ein äußerst lukratives Betätigungsfeld von Revisions- und Treuhandunternehmen darstellen, kann ggf. dazu führen, dass eine Einschränkung oder Versagung 917 des Bestätigungsvermerks bei der gesetzlichen Abschlussprüfung möglichst vermieden 918 werden soll (Advocacy Threat). Die Beratungstätigkeit des Prüfers kann ferner zu finanzieller Abhängigkeit führen, sofern diese die Gebühren, die für die Abschlussprüfung ent919 fallen, wertmäßig übersteigt. Da die Implementierung einer wertorientierten Unternehmenssteuerung (einschließlich eines Intangible Asset- und Goodwill Controllings und Reporting) bei einem Großteil der in Rede stehenden Unternehmen noch nicht abgeschlossen 920 ist, können die Beratungsgebühren im Vergleich zu den Abschlussprüfungshonoraren einen gewichtigen Anteil einnehmen. Angesichts der verschärften Konkurrenzbedingungen auf dem internationalen Prüfungsmarkt könnte das Prüfungsunternehmen zu Zugeständnissen bereit sein, um künftig hohe Umsatzerlöse durch die Beratung des betreffenden Unter921 nehmens zu generieren (Self Interest Threat) . Die o. g. Risiken sind von der Annahme geleitet, dass sich der Abschlussprüfer nutzenmaximierend verhält, d. h. neben berufsethischen (Ausbau der Reputation) auch individuelle ökonomische Aspekte in sein Entscheidungskalkül einbezieht.

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Vgl. zum Abschlussprüfer als „Person öffentlichen Vertrauens“ und zur Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung u. a. Emmerich 1988, S. 643; Potthoff 1979, S. 117. Vgl. weiterführend Strohm 2006, S. 25. Vgl. hierzu im Einzelnen Lenz/Bauer/Auerbacher 2006, S. 180; Strohm 2006, S. 33-35. Vgl. zum Risiko einer „Vertrauensseligkeit“ bereits Jäckel 1960, S. 198. Vor diesem Hintergrund konstatierte Markus, dass ein Vertrauensverhältnis zwischen Abschlussprüfer und Management zwar wünschenswert, aber nicht unerlässlich ist; vgl. Markus 1963, S. 621. Vgl. grundlegend zur Einschränkung und Versagung des Bestätigungsvermerks Elkart/Naumann 1995, S. 402. Vgl. Bormann 2002, S. 193 sowie Quick 2006, S. 43; Strohm 2006, S. 35. Diese Annahme kann damit begründet werden, dass häufig Beratungsleistungen erbracht werden, die ein höheres zeitliches Potenzial erfordern als die reine Prüfungsleistung. Eine gesetzliche Schranke ist in § 55 a Abs. WPO implementiert, wonach eine vom Prüfungsergebnis abhängige Vergütung der Tätigkeit des Abschlussprüfers untersagt ist; vgl. hierzu auch Simons 2005, S. 113. Vgl. die Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.e) des Dritten Hauptteils. Vgl. u. a. Strohm 2006, S. 31 f. Der Intimidation Threat wird nicht thematisiert.

110

Erster Hauptteil

In diesem Zusammenhang erfolgt eine Unterteilung in die innere (Independence in Fact 922 923 bzw. of Mind) und äußere Unabhängigkeit (Independence in Appearance). Diese Klassifizierung trägt dem Umstand Rechnung, dass es nicht ausreicht, dass der Abschlussprüfer rein faktisch unabhängig ist. Die Adressaten müssen zudem erwarten bzw. wahrnehmen, 924 dass dieser unabhängig ist. Diese Erkenntnis verdeutlicht die fundamentale Bedeutung eines Signalling von Prüferunabhängigkeit zur Bildung von Vertrauenskapital, welches im Fokus der vorliegenden Analyse steht. Die jeweiligen Unabhängigkeitsvermutungen, die auf eine Vertrauensstärkung am Kapitalmarkt in die Qualität der Prüferleistung abstellen, laufen allerdings immer dann ins Leere, wenn gleichzeitig eine Wahrnehmungslücke vorliegt und diese nicht oder nur ansatzweise durch das Signalling abgebaut wird. Ein wesentlicher Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung des Prüfers bzw. der Prüfungsgesellschaft und den Prüfungsgebühren unter besonderer Berücksichtigung gleichzei925 tiger Beratungsleistungen wurde erstmals durch das Quasi Renten-Modell von DeAngelo 926 927 928 und die Modifizierungen von Lee und Gu hergestellt. Neben dem Low Balling- bzw. 929 Fee Cutting-Effekt, welcher besagt, dass die Prüfungsgebühren des Erstmandats niedri930 ger als die Gebühren für die Folgeprüfungen ausfallen, obwohl die entstandenen Prü931 fungskosten einen gegensätzlichen Verlauf aufweisen, erfolgt eine Untersuchung des Einflusses des zu prüfenden Unternehmens auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers. Unterstellt wird, dass das Management der in Rede stehenden Prüfungsgesellschaft ihre 932 Quasi Renten für die zukünftigen Beratungs- und Prüfungsaufträge immer dann entzieht, 922

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Vgl. hierzu die empirischen Studienergebnisse von Corless/Parker 1987, S. 29; Dopuch/King 1991, S. 88; Dopuch/King/Schwartz 2003, S. 107; Dopuch/King/Schwartz 2001, S. 115 f.; Fearnley/Beattie/Brandt 2005, S. 47 sowie grundlegend Müller 2006b, S. 41 f. Vgl. z. B. EU-Unabhängigkeitsempfehlung, S. 34 und zur Einteilung ebenfalls Bauer 2004, S. 179; Carey/Doherty 1966, S. 20; Jäckel 1960, S. 38 f.; Kicherer 1970, S. 99; Müller 2006b, S. 23; Müller/Müller 2005, S. 162; Quick 2006, S. 42; Richter 2004c, S. 226; Schmidt 2003, S. 780; grafisch Strohm 2006, S. 19. Vgl. zum „äußeren Anschein“ Kicherer 1970, S. 101. Vgl. grundlegend DeAngelo 1981a, S. 183; DeAngelo 1981b, S. 113. Vgl. Lee/Gu 1998, S. 533-555. Vgl. hierzu im Einzelnen Koch 2004a, S. 7; Quick/Warming-Rasmussen 2007, S. 1011. Vgl. weiterführend zum Phänomen des Low Balling u. a. Elitzur/Falk 1996, S. 41; Ewert 2005, S. 518 f.; Gigler/Penno 1995, S. 317; Gregory/Collier 1996, S. 13; Lennox 1999, S. 239; Magee/Tseng 1990, S. 315; Müller 2006b, S. 25; Ostrowski/Söder 1999, S. 555; Sunderdiek 2006, S. 6270. Vgl. grundlegend Ettredge/Greenberg 1990, S. 198; Ewert 2002a, Sp. 2392; Koch 2004a, S. 21; Marten 1994a, S. 122 f. sowie anhand einer empirischen Untersuchung Craswell/Francis 1999, S. 201216. Für eine Zusammenfassung weiterer Studien zum Nachweis eines Fee Cutting wird verwiesen auf Stefani 2002a, S. 390-396. Vgl. in diesem Kontext ferner die Ausführungen zur Prüferrotation in Abschn. IV.A.2 dieses Hauptteils. Das Low Balling wird durch das Fehlen einer Gebührenordnung für den Abschlussprüfer begünstigt; vgl. zu dieser Einschätzung auch Simons 2005, S. 114. Vgl. hierzu Gelter 2005, S. 488. Jene entstehen, da sich der „neue“ Prüfer erst mit der Geschäftstätigkeit und dem Geschäftsumfeld des zu prüfenden Unternehmens vertraut machen muss; vgl. Quick/Warming-Rasmussen 2007, S. 1011. Die Quasi Renten bilden die Differenz zwischen den Prüfungsgebühren und den Prüfungskosten in den Folgejahren unter der Annahme eines identischen Prüfers bzw. der identischen Prüfungsgesellschaft und resultieren aus den verminderten Transaktionskosten; vgl. grundlegend zur Transaction (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

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wenn der Prüfer ein „unerwünschtes Testat“ abgibt. Daneben sind weitere Situationen denkbar, in denen der Verlust von Quasi-Renten droht, z. B. bei einer sinkenden wahrgenommenen Unabhängigkeit durch den Kapitalmarkt, die mit einer geringeren Reputation einhergehen kann. Ein drohender Reputationsverlust stellt insbesondere für große Prüfungsgesellschaften ein ernst zu nehmendes Risiko dar. Aus den vorstehenden Überlegungen folgerte DeAngelo, dass mit zunehmender Größe der Prüfungsgesellschaft die prüferische Unabhängigkeit steigt, weil sich die finanziellen Einnahmen auf eine Vielzahl von 934 Beratungs- und Prüfungsleistungen verschiedener Unternehmen verteilen. Diese Annahme dient wiederum der Begründung, bezogen auf die vorliegende Analyse eine der umsatzstärksten Prüfungsgesellschaften mit der Beurteilung eines Intangible Asset- und 935 Goodwill Reporting zu beauftragen. Trotz der o. g. Gefahren, die aus einer Kombination von Beratungs- und Prüfungsleistungen erwachsen, ist eine vollständige Trennung der beiden Dienstleistungen nicht zweck936 mäßig. Vielmehr ist eine Hinzuziehung des Abschlussprüfers bei Beratungsdienstleistungen angesichts der langjährigen Erfahrung und des Know How aus Sicht des Manage937 ments als ökonomisch sinnvoll und zum Teil notwendig zu qualifizieren. Im Schrifttum 938 werden insbesondere Synergievorteile, die Economies of Scope, zwischen Prüfungs- und Zusatzleistungen angeführt, die sich nachhaltig auf die Kosten und Qualität der nachge939 fragten Leistungen auswirken. Bereits Schmalenbach ging von einem weitergehenden 940 941 Verständnis der Prüfung aus, die ebenfalls die Beratungstätigkeit einschließt. Er plä-

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Cost Theory die Ausführungen in Abschn. I.B.2 dieses Hauptteils. Es erfolgt eine Kompensation der „Erstmandatsverluste“ durch die Quasi Renten der Folgeperioden; vgl. hierzu Gelter 2005, S. 488; Müller 2006b, S. 25. Insofern werden keine „echten“ Renten erwirtschaftet; vgl. Quick/WarmingRasmussen 2007, S. 1011. Ewert 2002a, Sp. 2393. Vgl. DeAngelo 1981a, S. 183 sowie hieran anknüpfend Wagenhofer/Ewert 2007, S. 534. Vgl. ebenso zur Eingrenzung der Befragungsgruppen Dritter Hauptteil, Abschn. IV.A. Vgl. empirisch zur wahrgenommenen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers bei unterschiedlichen Beratungsleistungen Quick/Warming-Rasmussen 2007, S. 1021. Es stellt sich hierbei die Frage, „ob man den gänzlich unabhängigen, dafür aber unwissenden Wirtschaftsprüfer dem mandantennahen Prüfer, der vieles weiß, aber wegen seiner Verbundenheit eher in die freilich keineswegs zu verharmlosende Versuchung geraten mag, ein Auge zuzudrücken, wirklich vorziehen möchte“, Polt/Winter 2004, S. 1128. Vgl. auch Ewert 2005, S. 522, der den Terminus Knowledge Spillovers verwendet sowie die grundlegenden Ausführungen in Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu Antle et al. 2006, S. 235-266; Dörner 1998b, S. 302; Lenz/Bauer/Auerbacher 2006, S. 186; Whisenant/Sankaraguruswamy/Raghunandan 2003, S. 721-744; anderer Ansicht sind Vollmer/Maurer 1993, S. 591. Schmalenbach spricht hierbei von der Prüfung „in einem höheren Sinne“, Schmalenbach 1943, S. 19. Schmalenbach konstatiert, dass nicht nur die vorgefundenen Mängel im Prüfungsbericht Erwähnung finden sollten, sondern ebenso „Mittel der Heilung“ anzugeben sind. Schmalenbach 1948, S. 3; vgl. hierzu auch Potthoff 1988, S. 601; Steiner 1991b, S. 470; anderer Ansicht scheinbar Baetge 2003, S. 8. Eine Kopplung von Beratung und Prüfung ist zwar angesichts der zahlreichenden Synergieeffekte begrüßenswert, kann jedoch die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, die wiederum maßgeblich zur dessen Reputation beiträgt, gefährden; vgl. zum Spannungsverhältnis von Beratung und Prüfung Jenkis 1989, S. 79 sowie die Ausführungen in Abschn. IV.A.1 dieses Hauptteils. Vogelsang führt die Ausführungen von Schmalenbach weiter und konstatiert, dass „die Chance besteht, die Prüfung auszubauen zu einer betriebswirtschaftlichen Durchdringung des gesamten Werteflusses in einem Unter(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Erster Hauptteil

dierte überdies dafür, die Prüfungspflicht auf die interne Unternehmensrechnung auszu942 dehnen. Diese weiterführende Dienstleistungskonzeption kann für die nachfolgenden Ausführungen insofern von erhöhtem Interesse sein, als die Kombination von Prüfungsund Beratungsleistungen hinsichtlich des Intangible Asset- und Goodwill Accounting und Reporting sowohl Chancen (z. B. die Nutzung von Synergieeffekten) als auch Risiken (z. B. die mögliche Gefährdung der Unabhängigkeit) impliziert. Allerdings könnte sich die Low Balling-Problematik im Zuge einer erhöhten Kombination aus Prüfungs- und Beratungstätigkeiten des Wirtschaftsprüfers verschärfen, da durch die Inanspruchnahme der Knowledge Spillover-Effekte die Kostenvorteile bei einer Fortführung des Mandats stei943 gen. Bei einer am Shareholder Value-Prinzip ausgerichteten Unternehmenspolitik spielt wie bereits ausgeführt insbesondere das Reporting von Intangible Assets und des Goodwill als 944 Bestandteil der Investor Relations-Politik des Unternehmens eine zentrale Rolle. Sofern 945 das Unternehmen sich dazu entschließt, einen Report als ergänzendes Informationsinstrument im Geschäftsbericht zu platzieren, ist die vorherige Hinzuziehung eines Wirtschaftsprüfers als Berater für das Management von erhöhtem Interesse, da dieser zum einen darüber informieren kann, welche Modelle in der Unternehmenspraxis bislang geläufig 946 sind und welche Angaben aus der Sicht des Kapitalmarkts erwartet werden. Unabhängig von dieser Frage bedarf es einer Festlegung, inwieweit die freiwillig zur Verfügung gestellten Unternehmensinformationen Bestandteil einer externen Beurteilung werden. Der Unternehmensleitung stehen bei einer Platzierung im nicht prüfungspflichtigen Bereich des Geschäftsberichts unterschiedliche Varianten zur Auswahl [freiwillige Prüfung oder prüferische Durchsicht, ansonsten kritische Nachschau bei der (Konzern-) Abschlussprü947 fung]. Sofern das Management beabsichtigt, den Intangible Asset- und Goodwill Report 948 in den (Konzern-) Lagebericht zu integrieren , bedarf es einer ausführlichen Darlegung der Auswirkungen auf die Dauer der Prüfung sowie auf die Prüfungsgebühren, da die in Rede stehenden Informationen dann Bestandteil der gesetzlichen Pflichtprüfung sind. Im nachfolgenden Abschnitt werden jüngere Einflüsse auf die vorstehend genannten prüfungstheoretischen Einflussfaktoren im Hinblick auf ihre Zweckmäßigkeit, die Verläss-

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nehmen; […]. Auf diese Weise steigt der Wirtschaftsprüfer aus den Schuhen der bloßen Abschlussprüfung und gewinnt darüber hinaus die Anerkennung des Unternehmens als begleitender Mitdenker“, Vogelsang 1988, S. 646 f. „Zu prüfen ist alles, was zur Steuerung des Betriebs notwendig ist, und das ist ein erster Linie der betriebswirtschaftlich richtige Gewinn.“ Schmalenbach 1944, S. 128 und vgl. ebenfalls Potthoff 1988, S. 602. Vgl. hierzu Schmidt 2006h, S. 376. Vgl. zur Bedeutung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting i. R. d. Shareholder ValueAnsatzes Abschn. II.C.4 dieses Hauptteils. Vgl. zu ausgewählten Möglichkeiten für ein Intangible Asset- und Goodwill Reporting in Schrifttum und Unternehmenspraxis Dritter Hauptteil, Abschn. II.B und III.B. Zusätzliche Beratungsleistungen fallen hingegen nicht nur i. R. d. Reporting, sondern z. B. ebenfalls beim Goodwill Accounting an. „So gehört etwa die Beratung von Unternehmen bei der sog. Goodwill-Allokation zum festen Programm der Big 4-Prüfungsgesellschaften“, Schmidt 2006h, S. 377. Vgl. weiterführend Vierter Hauptteil, Kapitel III und IV. Vgl. zur (Konzern-) Lageberichterstattung de lege lata Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.

Theoretische Fundierung des Business Risk Auditing

113

lichkeit der Unternehmensinformationen zu evaluieren, dargestellt. In Übereinstimmung zu den Ausführungen zum Financial Accounting und Business Reporting lassen sich weitreichende Internationalisierungsbestrebungen i. R. d. Business Risk Auditing feststellen. Im Einzelnen sind dies die novellierte Achte EG-Richtlinie sowie ihre nationale (Vorab-) Umsetzung. Der SOA wird angesichts seiner exterritorialen Wirkung ebenfalls in die Untersuchung einbezogen. Zudem hat dieser die nationalen und supranationalen Reformbestrebungen nachhaltig beeinflusst. Zunächst wird auf die gesetzliche Konkretisierung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers eingegangen.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

115

IV. Einflüsse auf das Business Risk Auditing A.

Konkretisierung der Unabhängigkeit

1.

Gesetzliche Anforderungen

Ein zentraler Themenkomplex im Hinblick auf die Vertrauenswürdigkeit des Intangible Asset- und Goodwill Accounting bzw. Reporting stellt - wie bereits theoretisch dargelegt aus Sicht des Kapitalmarkts die Existenz eines unabhängigen Prüfers (in mind und in fact) dar, welche durch das Verbot bestimmter Nichtprüfungsleistungen und Regelungen zur 949 Prüferrotation gestärkt werden soll. Der Unabhängigkeitsaspekt wurde in jüngerer Zeit im SOA und mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung in der modernisierten Achten EG950 Richtlinie und im BilReG sowie BilMoG-RefE aufgegriffen. Zur Unabhängigkeit innerhalb der Abschlussprüfung wurden in der Achten EG-Richtlinie 951 die bereits in der EU-Unabhängigkeitsempfehlung vom 16.05.2002 eingeleiteten Überle952 953 gungen fortgeführt. Eine Kombination von Beratungs- und Prüfungsleistungen bei demselben Unternehmen ist grds. weiterhin zulässig; ebenso sind keine konkreten Beispie954 le angeführt, die zur Gefährdung der Unabhängigkeit führen. Allerdings folgt die EUKommission dem sog. Risk Safeguard Approach, wonach der Abschlussprüfer keinerlei Beziehungen mit dem geprüften Unternehmen eingehen darf, „bei denen mögliche Gefährdungen seiner Unabhängigkeit nicht durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen entge955 gengewirkt werden können“ . Eine nähere Konkretisierung unterbleibt allerdings, so dass die EU-Mitgliedsstaaten bei der Transformation der Achten EG-Richtlinie über einen we956 sentlichen Freiheitsgrad verfügten.

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Vgl. Abschn. III.C.2 dieses Hauptteils. Nach Section 201 SOA sind die dort aufgeführten prüfungsfremden Dienstleistungen grds. unzulässig, sofern gleichzeitig ein Prüfungsmandat mit dem betreffenden Unternehmen vorliegt; vgl. ebenfalls Herkendell 2007, S. 128 f.; Moritz/Gesse 2005, S. 33; Müller/Müller 2005, S. 166; PwC (Hrsg.) 2004, S. 17. Vgl. EU-Unabhängigkeits-Empfehlung, S. 22 sowie hierzu im Einzelnen AKBH 2002b, S. 2663; Fischer 2006, S. 672 f.; Graumann 2002c, S. 313; Hagemeister 2002, S. 333; Leuschner 2005, S. 24; Ring 2002, S. 1345; Van Hulle/Lanfermann 2003, S. S105 f. Vgl. Art. 22 bis 24 Achte EG-Richtlinie sowie zu einer empirischen Untersuchung bezüglich der Umsetzung der EU-Empfehlungen FEE (Hrsg.) 2006, S. 1. Vgl. zu einer ökonomischen Analyse einer Kombination aus Prüfung und Beratung Böcking/Löcke 1997, S. 461. Vgl. Art. 22 Abs. 1 bis Abs. 3 Achte EG-Richtlinie sowie hierzu auch Tiedje 2006, S. 595, wonach die EU-Mitgliedstaaten sicherstellen müssen, dass die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers gewahrt bleibt. Eine Einschränkung ist jedoch in der Ermächtigung der EU-Kommission gesehen, in der Zukunft einzelne Nicht-Prüfungsleistungen auszuschließen; vgl. Art. 22 Abs. 4 Achte EG-Richtlinie sowie hierzu im Einzelnen Lanfermann 2006a, S. 41. Lanfermann 2005b, S. 2646. Die Unabhängigkeitsanforderungen betreffen nunmehr ebenfalls das Netzwerk des Prüfers bzw. der Prüfungsgesellschaft; vgl. hierzu ausführlich Klein/Klaas 2006, S. 886; Tiedje 2006, S. 596.

116

Erster Hauptteil

Bei der Verabschiedung des BilReG wurde aus nationaler Sicht eine Kombination aus dem 957 Principles- und Rules Based Approach vorgenommen. Der modifizierte § 319 HGB und 958 der durch das BilReG eingeführte § 319 a HGB geben neben allgemeinen Unabhängigkeitsvermutungen (Principles Based Approach) konkrete Sachverhalte (Rules Based Ap959 960 proach) an, die zu einer Besorgnis der Befangenheit führen. Dabei wird auf Beziehun961 gen geschäftlicher, finanzieller und persönlicher Art abgestellt. Für eine Auflistung der Unabhängigkeitstatbestände, die bei sämtlichen prüfungspflichtigen Unternehmen zu be962 achten sind, erfolgt ein Hinweis auf § 319 Abs. 3 Nr. 1-Nr.5 HGB. Bei der Prüfung der in Rede stehenden börsennotierten Publikumsgesellschaften gelten zusätzliche Aus963 schlusskriterien als „lex specialis“. Hierbei steht § 319 a Nr. 2 HGB im Fokus, der die 964 Vereinbarkeit von Beratung und Prüfung behandelt. Diese liegt dann vor, wenn die Beratungsleistung über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen nicht hinausgeht und sich auf die Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens nicht un965 mittelbar und wesentlich auswirkt. Angesichts der Tatsache, dass das BilMoG ebenfalls als Transformationsgesetz der Achten EG-Richtlinie fungiert, soll nunmehr eine Übertragung der Unabhängigkeitsvorschriften des Abschlussprüfers auf das „Netzwerk“ erfol966 gen. Insofern ist es dem Wirtschaftsprüfer auch nach Verabschiedung des BilMoG nicht generell verboten, das Management einer börsennotierten Publikumsgesellschaft bezüglich der 957 958

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Vgl. § 319 Abs. 3 Nr. 3 und § 319 a Abs. 1 HGB. Vgl. stellvertretend zu den wesentlichen Novellierungen Baetge/Brötzmann 2004, S. 724; Breitweg 2005, S. 1922 f.; Hülsmann 2005, S. 166; Jessen 2005, S. 38; Peemöller/Oehler 2004a, S. 539; Pfitzer/Orth/Hettich 2004, S. 328; Sultana/Willeke 2005a, S. 158; Sultana/Willeke 2005b, S. 212; Veltins 2004, S. 445; Vogt 2005, S. 140 f. Vgl. zu den Auswirkungen auf den Prüfungsvertrag stellvertretend Ebke 2005c, S. 846-857. Vgl. zur Unterscheidung zwischen Rules- und Principles Based Approach im Financial Accounting die Ausführungen in Abschn. II.A dieses Hauptteils sowie innerhalb des Auditing Knorr 2005, S. 937; Schwandtner 2002, S. 324. Eine Würdigung der vorherigen Rechtslage geben u. a. Hommelhoff 1997b, S. 471; Schindler/Rosin 2001, S. 117. Der Arbeitskreis „Externe und Interne Unternehmensüberwachung“ der Schmalenbach-Gesellschaft-Deutsche Gesellschaft für Betriebswirtschaft e. V. (AKEIÜ) spricht sich dafür aus, die Regelungen zur Unabhängigkeit des Abschlussprüfers auch bei der Evaluation der Aufsichtsratstätigkeit heranzuziehen; vgl. AKEIÜ 2006b, S. 1626. Vgl. § 319 Abs. 2 HGB sowie hieran anknüpfend Gelhausen 2004, S. 176-181. Vgl. hierzu im Einzelnen Kleinmanns 2005b, S. 1300-1303. Vgl. § 319 a HGB; ausführlich hierzu Gelhausen 2004, S. 181-184. Vgl. zur Vereinbarkeit von Steuerberatung und Abschlussprüfung vor und nach dem BilReG u. a. Erle 2005, S. 859-880; Fleischer 1996, S. 758; Müller/Müller 2005, S. 163; Naumann 2006a, S. 48-50; Zimmer 2002b, Rn. 41 zu § 319 HGB, S. 1662 f. sowie aus schweizerischer Sicht Neuhaus 2004, S. 377. Vgl. hierzu stellvertretend Naumann 2006a, S. 49. Dabei hat sich der Gesetzgeber an der BGHRechtsprechung zu den Urteilen „Allweiler“ und „HypoVereinsbank“ orientiert, denen ein Urteil des OLG Karlsruhe vorausging; vgl. OLG Karlsruhe 1995, S. 2514. Des Weiteren wurde in jüngerer Zeit auf die Rechtssache „K. of America Inc.“ hingewiesen; vgl. BGH 1997, S. 1162-1165; BGH 2002, S. 32-46; BGH 2004, S. 1127-1136 sowie hierzu im Einzelnen Böcking 2003, S. 689 f.; Ebke/Paal 2005, S. 894; Endres 2005, S. 153; Ernst 2005a, S. 139 f.; Gelhausen 2004, S. 184; Habersack 2003, S. 659; Hagemeister 2002, S. 335. Vgl. § 319 b HGB-E; weiterführend unter Einbeziehung der Netzwerkdefinition BilMoG-BegrRefE zu Nummer 57 (§ 319 b HGB), S. 183-185.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

117

Erstellung eines Intangible Asset und Goodwill Reports zu beraten und gleichzeitig mit der 967 gesetzlichen (Konzern-) Abschlussprüfung betraut zu werden. Allerdings ist hierbei zu unterscheiden, ob der Report innerhalb oder außerhalb des prüfungspflichtigen Bereichs des Geschäftsberichts platziert werden soll. Sofern eine Eingliederung des Reports in den (Konzern-) Lagebericht erfolgt, würde der Prüfer bei einer vorangegangenen Beratung, die über das Aufzeigen von Gestaltungsalternativen hinausgeht, gegen das Selbstprüfungsver968 969 bot verstoßen, da der Intangible Asset- und Goodwill Report im (Konzern-) Lagebericht dann Gegenstand der gesetzlichen Pflichtprüfung ist, obwohl die o. g. Zusatzberichterstattung freiwilliger Natur ist. Die Platzierung des Reporting im nicht prüfungspflichtigen Bereich des Geschäftsberichts sowie die Kombination von Beratung und freiwilliger Prüfung oder prüferischer Durchsicht durch einen Wirtschaftsprüfer implizieren im Umkehrschluss keine zwingende Beachtung der Unabhängigkeitsanforderungen nach den §§ 319, 319 a HGB. Nach Maßgabe der Signalling Theory ist hingegen zu rechtfertigen, die handelsrechtlichen Unabhängigkeitskriterien auch im Rahmen von freiwilligen Prüfun970 gen oder prüferischen Durchsichten anzuwenden. Zudem ist der Tatbestand der Unabhängigkeit ebenfalls in § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO, § 2 BS WP/vBP und in der VO 1/2006 niedergelegt, die ebenfalls bei freiwilligen Prüfungen Anwendung finden. Vor diesem Hintergrund wird dafür plädiert, eine Trennung zwischen Beratungs-, z. B. bei der Implementierung des Reports, und freiwilligen Prüfungsleistungen eines außerhalb des (Konzern-) Lageberichts platzierten Intangible Asset- und Goodwill Reports zu vollziehen. Die Beauftragung des bestehenden (Konzern-) Abschlussprüfers mit der freiwilligen Prüfung oder 971 der prüferischen Durchsicht des in Rede stehenden Reports wird allerdings begrüßt. Neben den dargelegten allgemeinen Anforderungen an die Unabhängigkeit des Prüfers stellen u. a. die Prüferrotation und die Ausgestaltung der Honorare mögliche Indikatoren dar, die Einfluss auf die Prüfungsqualität des Intangible Asset- und Goodwill Accounting sowie Reporting nehmen. Auf die vorstehend genannten Indikatoren wird in den nachfolgenden Abschnitten eingegangen. Daneben ist zu erörtern, inwieweit die inter- und supranationalen Internationalisierungsbestrebungen zugleich eine Stärkung der institutionellen Überwachung des Auditing bewirken.

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Vgl. allgemein Strenger 2005, S. 157 f.; Wiedmann 2004a, S. 23 sowie im Speziellen zur bilanzpolitischen Beratung durch den Wirtschaftsprüfer Velte 2007b, S. 206-208. „Ein Prüfer […] prüfe sich gewissermaßen selbst, denn was er als Berater gutgeheißen oder empfohlen habe, könne er als Prüfer ja nicht gut beanstanden“, Kicherer 1970, S. 117. Vgl. zum Geschäftsmodell „Prüfung und Beratung“ bei mittelständischen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die grafische Übersicht von Fischer 2006, S. 676. Diese Überlegungen werden bei der Konzeption eines Prüfungsstandards aufgegriffen; vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. IV.C.2. Vgl. die diesbezügliche Empfehlung im Intangible Asset- und Goodwill Reporting Kodex in Abschn. V.A.3.g) des Dritten Hauptteils.

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2.

Erster Hauptteil

In- und externe Prüferrotation 972

Die klassischen Agency-Modelle gehen von keinem regelmäßigen Prüferwechsel aus, so 973 dass im Extremfall eine unendliche Laufzeit des Prüfungsmandats zugrunde gelegt wird. 974 Der Prüferwechsel impliziert einen Ausschluss einer erneuten Bestellung des bisherigen 975 Abschlussprüfers nach Ablauf einer gesetzlich und vertraglich fixierten Prüfungsperiode. Während die interne Rotation einen Wechsel innerhalb der Prüfungsgesellschaft vorsieht, stellt die externe Rotation den vollständigen Austausch der Prüfungsgesellschaft (Fresh 976 Start Approach) dar. Die „Auditor Change“-Forschung hat als Teilgebiet der Positive Accounting Theory insbesondere im angloamerikanischen Schrifttum einen bedeutenden 977 Stellenwert erlangt. Die mit einer langjährigen Auftragsbeziehung verbundenen positiven externen Effekte wurden u. a. durch die empirischen Untersuchungen von Ghosh und 978 Moon nachgewiesen. Demnach bescheinigt der Kapitalmarkt einer längeren Mandats979 980 dauer im Allgemeinen eine höhere Prüfungsqualität. Als Begründung wird angeführt, dass ein langfristiges Vertragsverhältnis mit einer tendenziell restriktiveren Rechnungslegungspolitik durch das Management einhergeht, das wiederum die Objektivität des Finan981 cial Accounting und Business Reporting erhöht. Vor dem Hintergrund des noch darzustellenden weitreichenden Ermessens- und Gestaltungspotenzials der Unternehmensleitung hinsichtlich des Intangible Asset- und Goodwill Accounting sowie Reporting kommt der 982 vorstehend genannten Hypothese eine wesentliche Bedeutung zu. Küting und Reuter ermittelten in einer jüngeren Untersuchung bei den DAX- und MDAX-Unternehmen eine

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Dagegen finden Situationen, in denen es zu einem Zerwürfnis zwischen Mandant und Abschlussprüfer und daher zu einer Auflösung des Vertragsverhältnisses kommt, im Agency-Modell Berücksichtigung. Vgl. Ewert 2003, S. 535 sowie grundlegend zum Prüferwechsel Marten 1994a. Empirische Untersuchungen belegen eine lange durchschnittliche Laufzeit der Geschäftsbeziehungen zwischen Abschlussprüfer und geprüften Unternehmen. Vgl. zur Bestellung und Abberufung des Abschlussprüfers auch Dißars 2005b, S. 2231; Marten 1994b, S. 749. Vgl. Leffson 1988a, S. 113 sowie Marten 1995, S. 704. Vgl. die Ausführungen von Weber 2005, S. 880. Vgl. Marten 1994a, S. 59 f. m. w. N.; Marten 1995, S. 720-723; und ebenfalls Carey/Simnett 2006, S. 653; Fischer-Winkelmann 1996, S. 111; Marten 1996, S. 1005. Vgl. Ghosh/Moon 2003, S. 1. Vgl. weiterführend zur Dauer der Abschlussprüfung (Audit Delay) die Anmerkungen von Ruhnke/Au 1998, S. 644. Vgl. Ghosh/Moon 2003, S. 22 sowie hierzu ebenfalls Küting/Reuter 2007, S. 955; Müller 2006b, S. 39. Empirische Untersuchungen bestätigen allerdings, dass Unternehmen zum Teil häufiger zu einem Prüferwechsel tendieren, wenn in der Vergangenheit kein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk ausgestellt wurde. Dieses Phänomen wird im angloamerikanischen Schrifttum mit dem Terminus Opinion Shopping bezeichnet; vgl. Ruhnke 2000a, S. 338 sowie zu empirischen Befunden Citron/Taffler 1992, S. 337 f.; Craswell 1988, S. 23 f.; Smith 1986, S. 95. Vgl. Ghosh/Moon 2003, S. 22 sowie zu abweichenden Erkenntnissen die Untersuchung von Mansi/ Maxwell/Miller 2003, S. 25 f. Vgl. weiterführend Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

119

„Wechselquote“ von 2,2 bzw. 5,4 % für die Geschäftsjahre 2000 bis 2005, welche als äu983 ßerst niedrig zu bewerten ist. Des Weiteren lässt sich die Rechtfertigung der Prüferrotation nach Ballwieser mit dem In984 effizienz-, Unterinvestitions- , Konzentrations- und Wettbewerbsbeschränkungsargument 985 entkräften. Angesichts der erhöhten Anforderungen, die infolge der wachsenden Bedeutung des immateriellen Vermögens an die externe Revision gestellt sind, ist die Erstprüfung im Gegensatz zur Nachfolgeprüfung mit überdurchschnittlich hohen Kosten verbunden. Ein verpflichtender Wechsel würde mit tendenziell steigenden Prüfungsgebühren für 986 die Unternehmen einhergehen, da der Prüfer - wie nach dem geschäftsrisikoorientierten Ansatz zu zeigen ist - in stärkerem Maße die Geschäftstätigkeit des Unternehmens und die strategische Zielausrichtung zu beurteilen hat. Ferner lassen sich negative Effekte für die mandantenspezifische Investitionstätigkeit der Prüfungsgesellschaft feststellen, da die kontinuierliche Vertrauensbildung im Zeitablauf zwingend unterbrochen wird. Ein wesentliches Argument gegen den gesetzlich verpflichtenden Prüferwechsel stellt zu987 dem die veränderte Struktur des Prüfungsmarkts dar. Hierbei zeigt sich, dass c. p. kleine und mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften langfristig vom Markt verdrängt und die frei gewordenen Mandate von den verbliebenen „Big Four“ übernommen werden, da das Risiko einer „Kartellbildung“ der global agierenden Prüfungsgesellschaften vor988 liegt. Der nationale Prüfungsmarkt für die DAX-Unternehmen ist zwischenzeitlich bereits vollständig von den vier größten Prüfungsgesellschaften abgedeckt. Insofern ist zu vermuten, dass die der Untersuchung zugrunde liegenden börsennotierten Publikumsgesellschaften im Allgemeinen diese Revisions- und Treuhandunternehmen beauftragen werden. Dies bietet einerseits den Vorzug, dass die „Big Four-Gesellschaften“ im Allgemeinen über die meisten Erfahrungswerte im Bereich der Prüfung immaterieller Vermögenswerte und des Goodwill verfügen und überdies eine wertvolle Hilfestellung bei der Prüfung eines entsprechenden Intangible Asset- und Goodwill Reports leisten könnten. Andererseits ist die Oligopolbildung auf dem globalen Prüfermarkt mit Gefahren verbunden, wie nicht zuletzt der Bilanzskandal bei Enron und der Wegfall der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen belegte. Angesichts dieser und weiterer Unternehmenszusammenbrüche, die zu einem Vertrauensverlust in die Qualität der Abschlussprüfung führten, wurde auf nationaler und internationaler Ebene vermehrt auf die Stärkung der Unabhängigkeit durch die mögliche Einführung 989 einer externen Rotation hingewiesen, welche der Gefahr der „Betriebsblindheit“ bzw. der

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Vgl. Küting/Reuter 2007, S. 957 f. Vgl. zum Unterinvestitionsproblem aus Agency-theoretischer Sicht auch Hartmann-Wendels 2001, S. 123 f. Vgl. Ballwieser 2001b, S. 110. Vgl. statt vieler Küting/Reuter 2007, S. 955. Vgl. grundlegend zum Prüfungsmarkt Lenz 1996, S. 269; Marten/Köhler 2002c, Sp. 1831. Vgl. hierzu insbesondere Ballwieser 2001b, S. 110 und Orth 2000, S. 177. Leffson 1988a, S. 115 sowie vgl. ebenfalls hierzu Kicherer 1970, S. 125; Kitschler 2005, S. 123; Marten 1994a, S. 48; Niehus 2008, S. 153.

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Erster Hauptteil 990

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„Verbrüderung mit dem Auftraggeber“ entgegenwirkt. Die Annahme, dass die Einführung einer externen Rotation generell mit einem Abbau der Erwartungslücke verbunden 992 993 ist, bedarf dagegen einer Relativierung. Weißenberger konstatierte in diesem Kontext, dass die Effekte, die mit einer (externen) Rotation des Prüfers verbunden sind, davon ab994 hängen, ob die Prüfungsleistung als Erfahrungs- oder Vertrauensgut klassifiziert wird. Bei einer Einordnung als Erfahrungsgut, die bei einem Abschluss langfristiger Verträge zutrifft, geht die h. M. von negativen Auswirkungen einer (externen) Prüferrotation auf die 995 Höhe der Erwartungslücke aus. Dies lässt sich damit begründen, dass mit dem Austausch der Prüfungsgesellschaft eine unterschiedliche Prüfungsqualität verbunden ist; die Prüfungsleistung stellt nicht mehr länger ein Erfahrungs-, sondern wieder ein Vertrauensgut dar. Die negativen Auswirkungen einer externen Prüferrotation fallen allenfalls dann nicht ins Gewicht, wenn in der Vergangenheit ein häufiger Wechsel der Prüfungsgesellschaft stattgefunden und die Vertrauensguteigenschaft noch bestanden hat. Allerdings übt die Prüferrotation unter diesen Annahmen keinen Einfluss auf die Höhe der Erwartungslücke aus, sondern verursacht lediglich Zusatzkosten, die durch das geprüfte Unternehmen zu 996 tragen sind. Tendenziell ist davon auszugehen, dass mit zunehmender Häufigkeit einer Prüferrotation zwar die Abhängigkeit des Prüfers vom geprüften Unternehmen sinkt, dies 997 aber im gleichen Maße mit einer Abnahme der Prüfungsqualität einhergeht, die aus den 998 Zusatzkosten einer Erstprüfung und den steigenden Transaktionskosten resultiert. Von einer externen Rotation des Prüfers ist somit aus Agency-theoretischer Sicht für den weite999 ren Verlauf der Analyse abzusehen. Das ursprünglich im EU-Richtlinienvorschlag vom 17.02.2004 enthaltene Mitgliedstaatenwahlrecht zur Implementierung einer externen Prüferrotation im Zyklus von sieben Jah1000 ren wurde letztlich bei der Verabschiedung der modifizierten Achten EG-Richtlinie auf990 991

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Ballwieser 2001b, S. 110 sowie zur „geistigen Kumpanei“ Niehus 2008, S. 154. Leffson spricht sich für einen verpflichtenden Wechsel der Prüfungsgesellschaft nach fünf oder sechs Jahren aus; vgl. Leffson 1988a, S. 114. Vgl. grundlegend zur inhaltlichen Konkretisierung der Erwartungslücke Abschn. III.B dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Weißenberger 2003a, S. 954 f. Vgl. zur Unterscheidung der Prüfungsleistung in Erfahrungs- und Vertrauensgüter Abschn. III.C.1 dieses Hauptteils. „ Ein (…) Prüfungswechsel reißt also eine neue Erwartungslücke auf.“ Weißenberger 2003a, S. 954 sowie grundlegend zur Theorie der Erwartungslücke Abschn. III.B dieses Hauptteils. Vgl. Weißenberger 2003a, S. 954 sowie hieran anknüpfend Ballwieser 2001b, S. 111. Vgl. Kitschler 2005, S. 124. Empirische Untersuchungen bestätigen, dass die externe Prüferrotation langfristig mit einer Senkung der Prüfungshonorare verbunden ist bzw. das Risiko eines Low Balling vergrößert; vgl. hierzu Langenbucher 1997, S. 91. Vgl. Ewert 2003, S. 536 sowie Kicherer 1970, S. 126; Klein/Tielmann 2004, S. 505; Knorr/Hülsmann 2003, S. 568; Marten 1994a, S. 49; Ruhnke 2000a, S. 210 f. Vgl. stellvertretend die kritische Grundhaltung von Leffson 1988a, S. 115 und Schruff 2003b, S. 101 („Die externe Rotation […] wäre der definitive Tod einer qualitativen Abschlussprüfung.“); anderer Ansicht Niehus 2003, S. 1637; Niehus 2008, S. 171, der die bisherige Ausgestaltung der Prüferrotation als „Farce“ bezeichnet. Vgl. kritisch Schildbach 2004a, S. 264, der das Wahlrecht als „mutigen Vorschlag“ bezeichnet, wobei die letztliche Entscheidung an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, denn „bei ihnen landet der von der EU-Kommission ins Spiel gebrachte schwarze Peter“.

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gegeben. Die EU-Kommission führte hierzu ebenfalls aus, dass in einem System mit externer Rotation die Prüfungsqualität abnehmen und in einer Gesamtschau betrachtend die 1002 Nachteile überwiegen würden. Die Mehrkosten, die mit der externen Prüferrotation verbunden sind, dürften insbesondere beim Intangible Asset- und Goodwill Auditing erheblich sein, da die immateriellen Werttreiber aufgrund ihrer hohen wertmäßigen Bedeutung 1003 und der zahlreichen Objektivierungsdefizite kritische Prüffelder darstellen. Dies betrifft insbesondere ihre Exklusivität und Spezifität. Die Möglichkeit der Implementierung einer verpflichtenden externen Prüferrotation ebenfalls wurde auch bei der Verabschiedung des SOA diskutiert; eine endgültige Entscheidung sollte jedoch erst nach Durchführung einer Vorteilhaftigkeitsstudie getroffen wer1004 den. Die im November 2003 durch die General Accounting Office (GAO) veröffentlichten Ergebnisse einer empirischen Befragung beinhalteten in Übereinstimmung zur Ein1005 schätzung der EU-Kommission eine Ablehnung der externen Pflichtrotation. Ein interner Rotationszyklus von fünf Jahren sowie eine „Abkühlungsphase (Cooling Off Period)“ von zwei Jahren greifen nach Maßgabe des SOA für alle Abschlussprüfer, denen die primäre Prüfungsverantwortung für das betreffende Mandat obliegt oder die für die interne Nachschau der Prüfung zuständig sind und Prüfungsleistungen für den betreffenden Mandanten 1006 erbracht haben. Für nicht verantwortliche Partner beträgt der Rotationszeitraum nach dem SOA sieben Jahre bei einer lediglich einjährigen Cooling Off Period. Nach Maßgabe der neugefassten Achten EG-Richtlinie ist der hauptverantwortliche Prüfungspartner der Prüfungsgesellschaft verpflichtet, sich nach spätestens sieben Jahren einer 1007 internen Rotation zu unterziehen. Nach einer Cooling Off Period von mindestens zwei Jahren ist dieser befugt, bei dem betreffenden Unternehmen den Bestätigungsvermerk wie1008 der zu erteilen. Der Anwendungsbereich der internen Rotation hat gegenüber der Fas1009 sung des KonTraG eine Erweiterung erfahren, da sich die ursprüngliche Fassung (vor

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Vgl. u. a. Art. 40 Abschn. c) EU-Richtlinienvorschlag zur Änderung der Achten EG-Richtlinie sowie hierzu Ernst 2005a, S. 143 f.; Fischer zu Cramburg 2005, S. 23; Klein/Klaas 2006, S. 891; Klein/ Tielmann 2004, S. 505. Italien ist der einzige EU-Staat mit einer externen Prüferrotation; vgl. ebenfalls Ferlings/Lanfermann 2002, S. 2119. Die EU-Kommission gestattet, dass Italien auch in Zukunft diese Regelung beibehält. Eine externe Prüferrotation war ebenfalls in Österreich geplant, wurde jedoch letztlich nicht umgesetzt; vgl. hierzu Haller/Reitbauer 2002, S. 2229. Vgl. zur „verpassten Chance“ Weber 2005, S. 878 sowie die hierzu durchgeführte Studie von Moritz/ Gesse 2005, S. 29 m. w. N. Vgl. weiterführend Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Vgl. Section 207 SOA und hierzu auch Herkendell 2007, S. 130; Niehus 2004, S. 885. Vgl. zu den Ergebnissen GAO (Hrsg.) 2003, S. 8 sowie zu weiteren Empfehlungen Conference Board (Hrsg.) 2003, S. 1. Vgl. hierzu im Einzelnen Herkendell 2007, S. 129 f.; Schmidt 2003, S. 785. Vgl. Art. 42 Abs. 2 Achte EG-Richtlinie. Vgl. stellvertretend Pingel 2007, S. 200 f.; Pingel 2008, S. 969; Tiedje 2006, S. 601. Im Zuge des KonTraG wurde § 319 Abs. 3 Nr. 6 HGB (a. F.) eingeführt, wonach „bei der Prüfung einer Aktiengesellschaft, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben hat, ein Wirtschaftsprüfer, der in den dem zu prüfenden Geschäftsjahr vorhergehenden zehn Jahren den Bestätigungsvermerk nach § 322 über sechs Fällen gezeichnet hat“, auszuwechseln ist; vgl. hierzu auch Jakob 2005, S. 2455. Diese Vorschrift hatte für Geschäftsjahre Gültigkeit, die nach dem 31.12.2001 begannen.

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Erster Hauptteil 1010

dem BilReG) lediglich auf bestimmte kapitalmarktorientierte Unternehmen erstreckte. Weitere nationale Anpassungen der Achten EG-Richtlinie erfolgen durch den BilMoGRefE. Es gilt in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass eine Ausweitung des Subjekts der internen Rotation und der Cooling Off-Periode vom „unterzeichnenden Wirtschaftsprüfer“ in Anlehnung an den SOA zum „verantwortlichen Prüfungspartner“ vorgenommen 1011 werden soll. Die o. g. Novellierungen lassen sich als Abwägung einer möglichst zeitnahen bzw. kostengünstigen und zugleich verlässlichen Prüfung qualifizieren. Die durch Schmalenbach - bereits erwähnten - propagierten positiven externen Effekte einer langfristigen Mandatsbeziehung stehen der Bildung von Reputation allerdings ggf. entgegen, weil die interne Rota1012 tion eine höhere Unbefangenheit signalisiert. Während die Zweckmäßigkeit eines gesetzlich vorgeschriebenen internen Prüferwechsels 1013 im Schrifttum kontrovers diskutiert wird, sind nach Weißenberger Situationen denkbar, in denen lediglich über eine optimale Gestaltung der Entlohnungsstrukturen eine Überwin1014 dung der Agency-Problematik zwischen Mandant und Abschlussprüfer möglich ist. Diese positiven Auswirkungen auf die Prüferunabhängigkeit sind jedoch im Allgemeinen mit 1015 dem Risiko einer zukünftigen Unterinvestition und Minderung der Prüfungsqualität verbunden, so dass zusammenfassend sowohl die interne als auch die externe Rotation grds. 1016 nicht das Kriterium der Pareto-Effizienz erfüllen. Im weiteren Verlauf der Untersuchung ist unter Bezugnahme auf die vorstehend genannten negativen Aspekte die Einführung einer externen Prüferrotation abzulehnen; die Normierungen nach dem BilMoG-RefE zur internen Rotation sind dagegen als angemessen zu erachten und bedürfen keiner Anpassung.

3.

Offenlegung von Honoraren und Verhältnis zwischen Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen

Die Kapitalmarktrelevanz einer verpflichtenden Veröffentlichung der Nichtprüfungshonorare sowie ihre Auswirkung auf die Prüfungsqualität erfahren im Schrifttum eine wachsen1017 1018 de Aufmerksamkeit. Die empirische Untersuchung von Krishnan, Sami und Zhang zielte auf die Beziehung zwischen dem Earnings Response-Koeffizienten als Verhältnis zwischen Aktionärsgewinnen und Kursänderungen und der Independence in Appearan-

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Vgl. zu den diesbezüglichen Änderungen durch das BilReG auch Ring 2005a, S. 201 f. Vgl. § 319 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HGB-E. Der Terminus „verantwortlicher Prüfungspartner“ beinhaltet sowohl den „unterzeichnenden Wirtschaftsprüfer“ als auch den von der Prüfungsgesellschaft bestimmten Prüfer, der für das bestimmte Prüfungsmandat vorrangig verantwortlich ist; vgl. BilMoGBegrRefE zu Nummer 56 (§ 319 a HGB), S. 181. Vgl. zur Reputationswirkung Abschn. III.C.1 dieses Hauptteils. Vgl. stellvertretend Dörner/Schwegler 1997, S. 288 m. w. N. Vgl. zum damaligen KonTraG-RegE u. a. Weißenberger 1997a, S. 2322. Vgl. weiterführend zum Unterinvestitionsproblem Herzig/Watrin 1995, S. 794. Vgl. Weißenberger 1997a, S. 2322. Vgl. stellvertretend Kinney/Palmrose/Scholz 2004, S. 561-588; Müller 2006b, S. 39. Vgl. Krishnan/Sami/Zhang 2005, S. 111-135.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

123

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ce, gemessen an der Höhe der Honorare für Nichtprüfungsleistungen, ab. Ein vermuteter negativer Einfluss einer steigenden Höhe der Beratungshonorare auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers aus Sicht des Kapitalmarkts unter besonderer Berücksichtigung der 1020 Signalling Theory konnte dabei nicht festgestellt werden. Diese Annahme wurde eben1021 falls durch die Studie von Reynolds, Dies und Francis bestätigt. Zu einem gegenteiligen 1022 1023 Ergebnis gelangten hingegen Francis und Ke sowie Frankel, Johnson und Nelson , die eine Wertrelevanz der Honorarangabepflichten konstatieren. 1024

Empirische Untersuchungen für den deutschen Kapitalmarkt von Lenz und Bauer und 1025 Lenz, Möller und Höhn ermittelten einen durchschnittlichen Anteil der Honorare für Beratungsleistungen an den Gesamthonoraren aus gleichzeitiger Prüfung und Beratung eines Mandanten von ca. 31 bzw. 33 %. Im Unterschied zu US-Studien, bei denen häufig ein Durchschnittsverhältnis der Beratungs- zu den Prüfungsleistungen von über 50 % vor1026 liegt, sind die Ergebnisse für den deutschen Prüfungsmarkt hinsichtlich ihres möglichen negativen Einflusses auf die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers als „moderat“ zu beur1027 teilen. Insofern ist nicht zu erwarten, dass erhöhte Beratungshonorare der in Rede stehenden Prüfungsgesellschaft generell negative Reputationswirkungen infolge einer vermuteten sinkenden Unabhängigkeit auslösen. Die Achte EG-Richtlinie führt lediglich rudimentäre Prinzipien zur Vergütung des Ab1028 schlussprüfers an; es ist zu beachten, dass keine Beeinflussung der Honorare durch Be1029 ratungsleistungen und keine Quersubventionierung erfolgt. Allerdings ist eine generelle Anhangpflicht der Prüferhonorare im Einzel- und Konzernabschluss getrennt nach Gesamtsumme, Honorare für Steuerberatungsleistungen und andere Beratungsleistungen implementiert, die als Indikator für eine prüferische Unabhängigkeit und Unbefangenheit 1030 gilt. 1031

Die SEC fordert von den betreffenden Unternehmen bereits seit dem 05.02.2001 eine Honorarangabe in den Vollmachtsübertragungsanträgen getrennt nach Prüfungsleistungen, 1019 1020 1021 1022 1023 1024

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Vgl. für eine theoretische Fundierung Abschn. III.C.2 dieses Hauptteils. Vgl. Krishnan/Sami/Zhang 2005, S. 111 f. sowie hierzu ebenfalls Müller 2006b, S. 39. Vgl. Reynolds/Deis/Francis 2004, S. 29-52. Vgl. Francis/Ke 2006, S. 495-523. Vgl. Frankel/Johnson/Nelson 2002, S. 1-46. Vgl. Lenz/Bauer 2004, S. 998; Lenz/Bauer 2005, S. 20; vgl. zum Vergütungsanspruch eines (relativ befangenen) Abschlussprüfers gem. § 49 Alt. 2 WPO BGH 2004, S. 1136 sowie hierzu im Einzelnen Polt/Winter 2004, S. 1128 f. Vgl. Lenz/Möller/Höhn 2006, S. 1793 Vgl. die Ergebnisse von Frankel/Johnson/Nelson 2002, S. 1-46. Vgl. die Titulierung des Beitrags „Viel Lärm um nichts“ von Lenz/Bauer 2005, S. 20. Vgl. Art. 25 Achte EG-Richtlinie. Vgl. zur Quersubventionierung u. a. Baetge 2004, S. 66. Vgl. Bischof 2006, S. 706 sowie Niehus 2002a, S. 616. Für kleine Kapitalgesellschaften gilt ein Mitgliedstaatenwahlrecht, so dass eine vollständige Befreiung von den Offenlegungsvorschriften zulässig ist. Mittelgroße Kapitalgesellschaften können ebenfalls von einer Anhangangabe absehen, sofern im Vorweg eine Mitteilung an die Berufsaufsicht erfolgte. Vgl. Lanfermann 2005b, S. 2647. Vgl. SEC Final Rule Release Nos. 33-7919, 34-43602.

124

Erster Hauptteil

Entwicklung und Implementierung von finanziellen Informationssystemen und sonstige 1032 Leistungen. Durch die Verabschiedung des SOA wurde die Kategorisierung in Prüfungsleistungen, prüfungsnahe Leistungen, Steuerberatungsleistungen und sonstige Leis1033 tungen modifiziert. Für die nationale Abschlussprüfung ist bislang kodifiziert, dass das im laufenden Ge1034 schäftsjahr als Aufwand erfasste Honorar für Prüfungs- , sonstige Bestätigungs- oder 1035 1036 1037 1038 Bewertungs- , Steuerberatungs- und sonstige Leistungen einzeln aufzuführen ist. Allerdings bezieht sich die Angabepflicht - abweichend von der neu gefassten Achten EG1039 Richtlinie - bislang lediglich auf Unternehmen des öffentlichen Interesses. Die noch aus1040 stehende Transformation erfolgt mittels des BilMoG-RefE. Mithin ist eine separate Angabepflicht für Honorare erforderlich, welche der Wirtschaftsprüfer für Beratungsleistungen, z. B. im Hinblick auf die Implementierung eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting, bezieht. Die vorstehend genannten Novellierungen der Achten EG-Richtlinie verdeutlichen, dass der Offenlegung von Zusatzangaben nicht nur zum Financial Accounting und Business Reporting, sondern auch zu den in Anspruch genommenen Prüfungs- und Nichtprüfungsleistungen ein bedeutender Stellenwert beizumessen ist. Die Zielsetzung liegt hierbei in ei-

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Vgl. hierzu auch Francis/Ke 2006, S. 498 f. Eine kurzzeitige Verpflichtung zur Honorarveröffentlichung bestand bereits im Jahre 1987. Diese Regelung wurde bereits nach kurzer Zeit aufgehoben, da von einer fehlenden Entscheidungsrelevanz für die Investoren ausgegangen worden ist; vgl. Marx 2002b, S. 354 f. Vgl. SEC Final Rule Release Nos. 33-8183, 34-47265. Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 17 a) HGB. Hierunter fallen auch erweiterte Prüfungsleistungen, z. B. die Prüfung des Abhängigkeitsberichts nach § 313 AktG; vgl. für weitere Beispiele Sultana/Willeke 2005c, S. 952. Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 17 b) HGB. Beispiele hierfür sind die prüferische Durchsicht oder Verschmelzungsprüfungen; vgl. u. a. Lenz/Bauer 2004, S. 987. Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 17 c) HGB in Verbindung mit § 1 Steuerberatungsgesetz (StBerG). Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 17 d) HGB, welcher als „Sammelposition“ für alle sonstigen Leistungen, die den vorherigen Kategorien nicht zugeordnet werden können, fungiert (z. B. die Übernahme einer Treuhandschaft; vgl. Sultana/Willeke 2005c, S. 953). Vgl. § 285 Satz 1 Nr. 17 und § 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB; IDW RH HFA 1.006 sowie weiterführend Bischof 2006, S. 705; Frye 2005, S. 10; Heuser/Theile 2005b, S. 1541. In diesem Zusammenhang ist ebenfalls auf die Darlegungen von Zimmermann 2006, S. 273-276 hinzuweisen, welche ausgewählte Gestaltungsspielräume bei der Veröffentlichung der Prüferhonorare analysiert. Lenz/Möller/Höhn konstatieren eine heterogene Berichterstattungspraxis zu den Honoraren des Abschlussprüfers; vgl. Lenz/Möller/Höhn 2006, S. 1793. Vgl. für eine kritische Stellungnahme bezüglich der positiven Auswirkungen der Honoraroffenlegung auf die Unabhängigkeit der Abschlussprüfer Krall 2004, S. 114; Pfitzer/Orth/Hettich 2004, S. 332. Vgl. § 285 Nr. 17 und § 314 Abs. 1 Nr. 9 HGB-E. Es besteht künftig grds. für alle Kapitalgesellschaften ein Gebot zur (Konzern-) Anhangangabe. Allerdings werden in § 288 HGB-E Ausnahmeregelungen für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften geschaffen. Letztere sind bei Nichtangabe verpflichtet, bei einer schriftlichen Anforderung der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) die Information zu übermitteln; vgl. ebenfalls BilMoG-BegrRefE zu Nummer 32 (§ 288 HGB), S. 155 f. Zudem erfolgt eine terminologische Änderung. Von der Angabepflicht wird künftig das für das Geschäftsjahr von den Abschlussprüfern berechnete Gesamthonorar und nicht mehr das im Geschäftsjahr als Aufwand erfasste Honorar erfasst.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

125

ner höheren Entscheidungsnützlichkeit der Unternehmensinformationen. Dieses Vorgehen ist zu begrüßen, da die detaillierten Honorarangaben Auskunft ggf. darüber geben können, dass durch die Schließung von zusätzlichen Beratungsverträgen mit dem Wirtschaftsprüfer eine Verbesserung der Reporting-Systeme angestrebt wird.

B.

Audit- und Disclosure Committees 1041

Prüfungsausschüsse (Audit Committees) fungieren als Schnittstelle zwischen der in- und externen Corporate Governance, weil nicht nur eine Effektuierung von vorbereitenden 1042 1043 Aufgaben, welche die Aufsichtsratsprüfung betreffen, sondern ebenso eine Koordination bzw. Synchronisierung der externen Abschlussprüfung möglich ist. Durch die Implementierung von Audit Committees - gerade in einem dualistischen System der Unternehmensverfassung - lässt sich nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat und Abschlussprüfer verbessern. Vielmehr ist ein nachhaltiger Einfluss auf die externe Prüfungsqualität zu konstatieren, da mit der Ausschussbildung eine Professionalisierung bzw. Bün1044 delung von Expertenwissen innerhalb des Aufsichtsrats verbunden ist, die bei der Vergabe des Prüfungsauftrags, der Honorarvereinbarung sowie der Festlegung von Prüfungsschwerpunkten von Vorteil ist. 1045

Zur Steigerung der Qualität der Abschlussprüfung fordert die SEC die Einrichtung von Audit Committees, anderenfalls wird eine bestehende Börsennotierung aufgehoben bzw. 1046 eine in Planung befindliche nicht gebilligt. Die hohe Bedeutung von Audit Committees erfährt ebenfalls eine Bestätigung durch die EU-Kommission. Für die Prüfung von Unter1047 nehmen des öffentlichen Interesses sind in der neugefassten Achten EG-Richtlinie Spezialvorschriften aufgeführt, die im Hinblick auf das Anforderungsprofil des Abschlussprüfers und der Offenlegungsbestimmungen der Prüfungsgesellschaft wesentlich umfangrei1048 cher sind als bei „sonstigen“ Unternehmen. Als Instrument zur Stärkung der Zusammenarbeit zwischen in- und externer Revision wird die Einrichtung eines Prüfungsaus-

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Lediglich aus Vereinfachungsgründen erfolgt eine terminologische Gleichsetzung. Die weit reichenden Unterschiede zwischen einem angloamerikanischen Audit Committee und einem Prüfungsausschuss nationaler Prägung werden im Nachfolgenden nicht spezifiziert. Vgl. hierzu kritisch Naumann 2003, S. 72 f. Vgl. stellvertretend Lentfer 2005, S. 365 m. w. N.Wie bereits in der Einführung dargelegt wird auf ein dualistisches System der Unternehmensverfassung abgestellt. Vgl. Rössler 2001, S. 423. Vgl. Section 301 SOA sowie SEC Final Rule, Release Nos. 33-8820, 34-47654. Vgl. Atkins 2003, S. 262; Henssler 2003, S. 257; Krause 2003, S. 762; Salzberger 2003, S. 165 f.; Weibel 2006, S. 109 und zu den Erleichterungsvorschriften für (deutsche) Gesellschaften, die auf einer dualistischen Unternehmensverfassung basieren SEC Final Rule, Release Nos. 33-8820, 34-47654 sowie ebenso Moritz/Gesse 2005, S. 8 f. Unternehmen des öffentlichen Interesses besitzen gem. Art. 2 Nr. 13 Achte EG-Richtlinie aufgrund der Art des Geschäfts, ihrer Größe und der Anzahl ihrer Arbeitnehmer eine wesentliche öffentliche Bedeutung. Grundsätzlich lassen sich sämtliche kapitalmarktorientierten Unternehmen dieser Kategorie subsumieren; vgl. Lanfermann 2004b, S. 611; Lanfermann 2005b, S. 2648. Vgl. Art. 39 bis 43 Achte EG-Richtlinie.

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Erster Hauptteil 1049

schusses nunmehr reglementiert. Allerdings besteht gleichzeitig die Option zum Verzicht auf einen Prüfungsausschuss, sofern die Aufgaben von dem Aufsichts- oder Verwaltungsrat selbst wahrgenommen werden. Dem Prüfungsausschuss soll insbesondere die Aufgabe zukommen, die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers sicherzustellen (z. B. be1050 züglich der Einholung der Unabhängigkeitserklärung ) sowie den Vorschlag für die Wahl 1051 des Abschlussprüfers zu unterbreiten. Der nationale Gesetzgeber setzt jenes Mitgliedstaatenwahlrecht durch den BilMoG-RefE dahingehend um, dass diejenigen kapitalmarkt1052 orientierten Kapitalgesellschaften, deren Aufsichts- oder Verwaltungsrat über mindestens ein Mitglied mit Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung und/oder Ab1053 schlussprüfung verfügt, von der Einrichtung eines Prüfungsausschusses befreit werden. Dieses Vorgehen ist kritisch zu würdigen, da eine verpflichtende Einrichtung von Prüfungsausschüssen bei gleichzeitiger Existenz von Aufsichts- und Verwaltungsräten zu einer verbesserten Effizienz der Corporate Governance führen würde. Vor diesem Hintergrund wird dafür plädiert, im BilMoG-RegE das Wahlrecht in ein Gebot zu transformieren. Die Implementierung von Audit Committees und weiterer Aufsichtsratsausschüsse (Nominierungs-, Strategie-, Vergütungsausschuss) ist daneben - wie im weiteren Verlauf der Untersuchung dargelegt - um die Bildung von Berichterstattungsausschüssen (Disclosure 1054 Committees) zu ergänzen. Während Audit Committees den Aufsichtsrat unterstützen, lassen sich Disclosure Committees als „interne Dienstleister“ des Managements charakterisieren, da letztere für das Business Reporting, einschließlich des Intangible Asset- und Goodwill Reporting, zuständig sind. Bislang haben die Standardsetter allerdings von einer verpflichtenden Einrichtung eines derartigen Ausschusses abgesehen;die SEC gibt ledig1055 lich eine Empfehlung zur Implementierung ab. Vor dem Hintergrund der wachsenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Intangible Asset- und Goodwill Reporting wird im Dritten Hauptteil für eine (Selbst-) Verpflichtung zur Einrichtung von Disclosure 1056 Committees bei börsennotierten Publikumsgesellschaften plädiert.

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Vgl. Art. 41 Achte EG-Richtlinie sowie hierzu im Einzelnen Lanfermann/Maul 2006a, S. 1505; Lanfermann/Maul 2006c, S. 20. Damit folgt die EU-Kommission der Verlautbarungen zum SOA. In der jährlich abzugebenden Unabhängigkeitserklärung hat der Abschlussprüfer neben der schriftlichen Bestätigung seiner Unabhängigkeit sämtliche Beratungsleistungen anzugeben; vgl. Art. 42 Abs. 1 a) in Verbindung mit Art. 41 Abs. 2 d) Achte EG-Richtlinie sowie weiterführend zu Vorschlägen für ihre inhaltliche Ausgestaltung Pfitzer/Orth/Wader 2002, S. 753-755. Die Einholung einer Unabhängigkeitserklärung wird bereits in DCGK, Rn. 7.2.1 empfohlen; vgl. weiterführend IDW PS 345.36 f. Vgl. Art. 41 Abs. 3 Achte EG-Richtlinie sowie für eine Empfehlung des DCGK zur Einrichtung eines Prüfungsausschusses DCGK, Rn. 5.3.2 Satz 1 sowie hierzu Altmeppen 2004, S. 403. Demnach befasst sich dieser mit Fragen der „Rechnungslegung und des Risikomanagements, der erforderlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, der Erteilung des Prüfungsauftrags an den Abschlussprüfer, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und der Honorarvereinbarung“. Zur Qualitätssteigerung des Ausschusses ist reglementiert, dass der Vorsitzende über „besondere Kenntnisse und Erfahrungen in der Anwendung von Rechnungslegungsgrundsätzen und internen Kontrollverfahren“ verfügen soll (Empfehlung) und „kein ehemaliges Vorstandsmitglied der Gesellschaft sein sollte“ (Anregung). Vgl. § 264 d HGB-E. Vgl. § 342 f Abs. 1 HGB-E; zu Empfehlungen zur Umsetzung AKEIÜ 2007, S. 2129-2133. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.d). Vgl. SEC-Final Rule Release Nos. 33-8124, 34-46427. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.d).

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

C.

127

Sekundäres Enforcement und dessen Einfluss auf die Prüfungsqualität

Es besteht Einigkeit bezüglich der Annahme, dass die Prüfung durch Aufsichtsrat und Abschlussprüfer sowie der Markt für Unternehmenskontrolle nicht ausreichen, um eine objektive Beurteilung der Verlässlichkeit der Unternehmensberichterstattung zu gewährleis1057 ten. Neben einer Erhöhung des Vertrauens der Koalitionäre wird unterstellt, dass ein se1058 kundäres Enforcement eine Erhöhung der Prüfungsqualität impliziert, die sich wieder1059 um senkend auf die Erwartungslücke auswirkt. Die vorstehend genannten Ziele können 1060 lediglich unter Berücksichtigung bestimmter Funktionen erfüllt werden. 1061

Das sekundäre Enforcement nach dem Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) und dem Transpa1062 renzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (TUG) , repräsentiert durch die Deutsche Prüfstelle für 1063 Rechnungslegung e. V. (DPR) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 1064 (BaFin), richtet sich an die zuletzt festgestellten (Konzern-) Abschlüsse sowie die dazu1065 1066 gehörigen -Lageberichte sämtlicher Unternehmen, deren Wertpapiere an einer inlän1067 dischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind. Darüber hinaus sind seit dem TUG grds. ebenfalls Halbjahresabschlüsse und Zwischenlagebe1057

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Hütten konstatiert, dass das Enforcement „unabhängiger und vergleichbarer gestaltet werden kann als die Pflichtprüfung selbst“, Hütten 2003a, S. 128. Nach Ansicht von Zülch kann lediglich das Enforcement einen „effizienten, liquiden und funktionsfähigen deutschen Kapitalmarkt“ garantieren, Zülch 2005a, S. 1. Die einheitliche Überwachung bzw. Durchsetzung des Financial Accounting durch eine nicht mit dem gesetzlichen Abschlussprüfer übereinstimmende und von den geprüften Unternehmen unabhängige Instanz bezeichnet das sekundäre Enforcement; vgl. u. a. Hommelhoff/Mattheus 2004a, S. 93; Velte 2007g, S. 554; Westhoff 2003, S. 2134 sowie zu den Auswirkungen auf die einheitliche Anwendung der IFRS Korn 2002, S. 1500; Schütte 2004b, S. 124. Die FEE versteht darunter ein System, „to whenever possible prevent, and thereafter identify and correct, material errors or omissions in the application of IFRS in financial information and other regulatory statements issued to the public“, FEE (Hrsg.) 2001, S. 2. Vgl. AKEU 2002b, S. 2173; Baetge/Thiele/Matena 2004, S. 201-216; Van Hulle 2001, S. S30; zur Fundierung der Erwartungslücke Abschn. III.B dieses Hauptteils. Im Einzelnen sind dies die Abschreckungs- bzw. Präventivfunktion, die Beschwerde- sowie die Korrektivfunktion; vgl. Tielmann 2001a, S. 1625 f.; Tielmann 2001c, S. 175; Velte 2007g, S. 554 f. Vgl. BilKoG, S. 3408-3415 sowie grundlegend zum nationalen Enforcement Baetge/Lienau 2004, S. 2277 f.; Borcherding/Kleen 2005, S. 174-176; Ernst 2004b, S. 936-938; Hommelhoff/Mattheus 2004a, S. 93-100; Künnemann 2004, S. 151-157; Velte 2007g, S. 555 f.; Winnefeld 2004, S. 130-135 sowie den Zusammenhang zwischen BilKoG und SOA Hundt/Görig 2005, S. 179. Vgl. TUG, S. 10-32. Vgl. zu den Vorzügen einer privatrechtlichen Ausgestaltung Giersberg 2006b, S. 13. Vgl. weiterführend zur Grundkonzeption Drost 2006, S. 31; Gelhausen/Hönsch 2005, S. 511; Hennrichs 2004b, S. 400 f.; Hennrichs 2005b, S. 891; Kämpfer 2005, S. 13 f.; Scheffler 2006c, S. 13. Vgl. DPR 2007, S. 20. Vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Dabei spielt der jeweilige Sitz des betreffenden Unternehmens keine Rolle; vgl. BilKoG-BegrRefE, S. 14 sowie Gelhausen/Hönsch 2005, S. 512; Gros 2006, S. 247; Velte 2007g, S. 555. Insofern unterliegen auch ausländische Gesellschaften, die am deutschen Kapitalmarkt notiert sind, dem nationalen Enforcement. Schätzungen zufolge werden derzeit 1.250 Unternehmen dem Enforcement unterworfen, wobei ein Anteil von 20 % auf ausländische Gesellschaften entfällt; vgl. Sanio 2006, S. 153.

128

Erster Hauptteil

richte dem sekundären Enforcement zu subsumieren, die allerdings nicht der gesetzlichen 1068 Pflichtprüfung unterliegen. Wie bereits verdeutlicht ist von einer wachsenden Bedeutung immaterieller Vermögenswerte sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts, z. B. innerhalb der (Konzern-) Lagebericht1069 erstattung, auszugehen, so dass die nationale Enforcement-Instanz einen wesentlichen Beitrag zur Vertrauensstärkung des Kapitalmarkts gegenüber den Unternehmensinformationen leisten kann. Sofern das betreffende Unternehmen in den zu prüfenden Unterlagen freiwillige Informationen bereit stellt [z. B. ein Intangible Asset- und Goodwill Report innerhalb des (Konzern-) Lageberichts], unterliegen diese ebenfalls der Enforcementprüfung, „soweit sie für die Information des Kapitalmarkts nicht eine völlig untergeordnete Bedeu1070 tung haben“ . Angesichts der Tatsache, dass der Konzernabschluss und -lagebericht die Hauptinformationsquelle für die Kapitalmarktteilnehmer darstellen, werden die Jahresabschlüsse lediglich in besonderen Anlässen oder stichprobenweise geprüft, die Jahresabschlüsse von Tochterunternehmen bei der Konzernabschlussprüfung dagegen grds. 1071 nicht. Informationen, welche das Unternehmen freiwillig außerhalb des Financial Accounting zur Verfügung stellt (z. B. einen Intangible Asset- und Goodwill Report im nicht prüfungspflichtigen Bereich des Geschäftsberichts), unterliegen generell nicht der Enforcementprüfung. Um einer ggf. damit verbundenen Verlagerungsstrategie bzw. -politik der Unternehmensleitung (prüfungspflichtiger versus nicht prüfungspflichtiger Bereich des Geschäftsberichts) entgegenzuwirken, wäre aus langfristiger Sicht eine Erweiterung des Umfangs der Enforcementprüfung zu diskutieren. In diesem Zusammenhang ist auf den begrenzten Umfang des sekundären Enforcements einzugehen; es erfüllt nicht die Aufgabe, die gesetzliche (Konzern-) Abschlussprüfung zu 1072 ergänzen oder zu wiederholen. Die Tatsache, dass die Enforcementprüfung keine Voll1073 prüfung darstellt, sondern sich vielmehr auf ausgewählte Bilanzposten erstreckt, die lediglich bei Bedarf ausgedehnt wird, vergrößert selbst nach Einschätzung der DPR das Ri1074 siko einer steigenden Erwartungslücke, da die Kapitalmarktteilnehmer den tatsächlichen 1075 Umfang der Enforcementprüfung fehlerhaft einschätzen könnten. Eine Nichtbeanstandung des Financial Accounting durch die DPR bzw. die BaFin heißt somit nicht im vorliegenden Fall, dass die immateriellen Vermögenswerte und der derivative Goodwill des Unternehmens generell rechtmäßig abgebildet wurden. Vielmehr ist in Erwägung zu ziehen,

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1071 1072 1073 1074 1075

Vgl. § 342 b Abs. 2 Satz 2 HGB sowie hierzu Scheffler 2006a, S. 7. Vgl. z. B. die Ausführungen in Abschn. I.A.1 des Dritten Hauptteils. Gelhausen/Hönsch 2005, S. 513. Eine Prüfung des betrieblichen Risikomanagementsystems ist bislang generell nicht vorgesehen; vgl. BilKoG-BegrRegE, S. 14 sowie hierzu auch Zülch 2005a, S. 4 und zu möglichen Ausnahmen Lenz 2004c, S. 229. Vgl. DPR 2007, S. 14. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenso Zülch 2005a, S. 4 f. Vgl. Gahlen/Schäfer 2006, S. 1620; Velte 2007g, S. 556. Vgl. grundlegend zur Theorie der Erwartungslücke Abschn. III.B dieses Hauptteils. Vgl. DPR 2007, S. 13. Als wenig zweckmäßig wird die in der Tagespresse gewählte Titulierung der Enforcement-Stelle als „Bilanzpolizei“ empfunden, die zu überzogenen Erwartungen führt; vgl. Hoffmann 2006b, S. I, der überdies auf die ökonomischen Grenzen der Aussagekraft des Abschlusses hinweist.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

129

dass eventuelle Unregelmäßigkeiten sowohl durch den Abschlussprüfer als auch durch die Enforcement-Instanzen nicht aufgedeckt werden. Die am häufigsten festgestellten Fehler, welche die DPR in ihrem Tätigkeitsbericht aufführte, bezogen sich u. a. auf die bilanzielle Berücksichtigung von Unternehmenszusammenschlüssen und die daraus resultierende Behandlung eines positiven und negativen 1076 Goodwill nach den IFRS. Bei der Stichprobenprüfung wurden daneben Entwicklungs1077 aufwendungen als wesentlicher Prüfungsschwerpunkt angegeben. Dies deutet auf eine Fehleinschätzung des Ermessens- und Gestaltungspotenzials der vorstehend genannten Vermögensgüter hin, welches i. R. d. Abschlussprüfung scheinbar unzureichend kritisch 1078 gewürdigt worden ist. Die o. g. Fehlerquellen lassen sich vor diesem Hintergrund als 1079 kritische Prüffelder qualifizieren. Der erhöhten Komplexität, welche mit der Beurteilung jener Posten einhergeht, ist durch die Konzeption konkretisierender Prüfungsanweisungen 1080 Rechnung zu tragen, der bis dato noch aussteht. Überdies ist als Maßnahme zur Fortentwicklung des sekundären Enforcements eine Kompetenzerweiterung der nationalen Enforcement-Instanz um ein sog. Pre Clearance zu for1081 dern. Bei der Implementierung eines Pre Clearance besteht die Möglichkeit, potenziellen Unregelmäßigkeiten bei komplexeren und ermessensabhängigen Aspekten des Financial Accounting und Auditing (z. B. die Durchführung eines Goodwill Impairment Test oder die Anwendung der Neubewertungsmethode nach IFRS) und konkreten Auslegungsproblemen entgegenzuwirken. Diese Strategie könnte mithin eine wesentliche Stärkung der Kapitalmarkteffizienz durch die Signalisierung einer erhöhten Verlässlichkeit des Financial Accounting implizieren. Vor diesem Hintergrund wird im weiteren Verlauf der Untersuchung eine Aufgabenerweiterung des DPR, welche eine gesetzliche Novellierung erfordert, 1082 vorgeschlagen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass die jüngeren Internationalisierungs- und Harmonisierungsbestrebungen tendenziell zu einer Zunahme der Prüfungsqualität führen, da sie neben einer Stärkung der institutionellen Überwachung [implizites sekundäres Enforcement der (Konzern-) Abschlussprüfung durch die DPR und die BaFin, Zusammenarbeit mit Au-

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1079 1080 1081

1082

Vgl. DPR 2007, S. 7 und hieran anknüpfend Velte 2007g, S. 557 f. Vgl. DPR 2007, S. 6. Vgl. o. V. 2006b, S. 6; Velte 2007g, S. 558 und weiterführend zu ausgewählten Ermessens- und Gestaltungsspielräumen bei der Folgebewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts nach IFRS Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A.2. Vgl. bezogen auf die Abschlussprüfung auch Abschn. I.A des Vierten Hauptteils. Vgl. weiterführend Kapitel II des Vierten Hauptteils. Vgl. Böcking/Wiederhold 2006, S. 16; skeptisch Schildbach 2006c, S. 928; neutral Velte 2007g, S. 558. Ein Pre Clearance impliziert die einzelfallabhängige Erteilung von Auskünften bezüglich der korrekten Abbildung von bilanziellen Sachverhalten im Financial Accounting durch die EnforcementStelle bei Anfrage eines betreffenden Unternehmens. Die DPR hat begonnen, in unregelmäßigen Abständen Fachbeiträge zu ausgewählten Auslegungsfragen i. R. d. Financial Accounting zu veröffentlichen, die bei der Enforcement-Prüfung als Ursache für Fehlerhäufigkeiten qualifiziert wurden; vgl. Berger 2006, S. 2473-2475; Scheffler 2007a, S. 2045-2048. Dies könnte als behutsamer Beginn eines Pre Clearance gedeutet werden. Vgl. Velte 2007g, S. 558; weiterführend die Ausführungen in Abschn. V.A.2) des Dritten Hauptteils.

130

Erster Hauptteil 1083

dit Committees und empfohlene Einrichtung von Disclosure Committees] auf eine Ver1084 schärfung der prüfungsrelevanten Angabeverpflichtungen abzielen. In Übereinstimmung mit den Ausführungen zum Intangible Asset- und Goodwill Reporting dienen die in Rede stehenden Berichtsinhalte über die Prüfungstätigkeit der Reduktion von Informationsasymmetrien zwischen dem geprüften Unternehmen, der Prüfungsgesellschaft und dem Kapitalmarkt. Wie im Folgenden zu zeigen ist, wirkt sich die Wertorientierung, welche die strategische Unternehmensführung börsennotierter Publikumsgesellschaften determiniert, ebenfalls auf das Vorgehen des Abschlussprüfers aus. Die Erweiterung des risikoorientierten zu einem geschäftsrisikoorientierten Prüfungsansatz geht dabei aus Sicht des Kapitalmarkts mit der Forderung nach einem Mehrwert der Prüfung einher, wobei die Intangible Assets und der Goodwill Schwerpunkte des Business Risk Auditing bilden.

D.

Ausgestaltung der Prüfungsmodelle

1.

Risikoorientierung als Basiskonzeption

a)

Prüfungsrisiko

Wie bereits ausgeführt stellt die gesetzliche (Konzern-) Abschlussprüfung keine Vollprüfung dar, weil das ökonomische Prinzip eine lückenlose Beurteilung sämtlicher Geschäftsvorfälle des Unternehmens ausschließt. Zudem ist auf die dargelegten Konzentrationsent1085 wicklungen auf dem nationalen und internationalen Prüfermarkt hinzuweisen, die eine 1086 „schlanke Revision“ (Lean Auditing) fordern. Die mit einer fehlenden Vollprüfung einhergehende Gefahr, dass die zu beurteilenden Informationen Fehler enthalten, die bei der 1087 Prüfung des Financial Accounting unerkannt bleiben, wird als Prüfungsrisiko (Audit 1088 Risk) bezeichnet. Dieses Prüfungsrisiko ist nach Auffassung des IDW auf ein „akzeptab1089 les Maß“ zu reduzieren. Die einzelnen Bestandteile des Prüfungsrisikos, die bei der Risikoanalyse verifiziert und kontinuierlich an veränderte Rahmenbedingungen des geprüften 1083 1084 1085

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Vgl. Abschn. IV.B dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. IV.A.3 dieses Hauptteils. Vgl. zu jüngeren Ergebnissen bezogen auf nationale Konzentrationsmessungen Petersen/Zwirner 2007, S. 3-7. Vgl. weiterführend zum Lean Auditing Janke 1993, S. 680-683; Kassebohm 1994, S. 2171-2176; Troßmann 2007, S. 892 f.; Zaeh 1999, S. 373 sowie zur Gefahr eines „Over- bzw. Under Auditing“ Mochty 1997, S. 733. Dabei misst der Alpha-Fehler die Wahrscheinlichkeit, dass der Abschlussprüfer fälschlicherweise ein negatives Urteil über ein ordnungsmäßiges Prüfungsobjekt abgibt. Im Umkehrschluss bildet der BetaFehler die Wahrscheinlichkeit ab, dass eine positive Aussage hinsichtlich eines zu beanstandenden Prüfungsobjekts vorliegt; vgl. Link 2006, S. 109 sowie grundlegend Boatsman/Crooch 1975, S. 610; Elliott/Rogers 1972, S. 49; Pushkin 1980, S. 117. Vgl. u. a. Dörner 2002, Sp. 1744. Im Folgenden werden in der Untersuchung das Geschäfts- und Auftragsrisiko des Wirtschaftsprüfers vernachlässigt; vgl. weiterführend zu Prüfungsrisikomodellen Zaeh 2007, S. 1106-1109. Vgl. IDW PS 261.5 sowie grundlegend zum risikoorientierten Prüfungsansatz Diehl 1993b, S. 11141121; Göbel 1995; Göbel 1997, S. 41-59; Ködel 1997; Nagel 2005; Quick 1996; Simon-Heckroth 1997, S. 63; Stibi 1995; Wiedmann 1993, S. 13-25; zu den Ursprüngen Alderman/Tabor 1989, S. 5561; Cohen/Pearson 1981, S. 58-64 und zu den Grenzen des Ansatzes Cushing/Loebbecke 1983, S. 2341; Mochty 1997, S. 739; Quick 1996, S. 65-148; von Wysocki 2003, S. 140 f.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

131 1090

Unternehmens angepasst werden müssen, sind in der nachfolgenden Abbildung 13 dargestellt. Vor dem Hintergrund der – im weiteren Verlauf der Untersuchung zu erörtern1091 den - erhöhten Ermessens- und Gestaltungsspielräume i. R. d. Intangible Asset- und Goodwill Accounting sowie der mangelnden Standardisierung des Reporting ist ein erhöh1092 tes Prüfungsrisiko zu unterstellen. Audit Risk

Failure Risk

Inherent Risk

Abbildung 13:

Internal Control Risk

Detection Risk

Analytical Review Risk

Komponenten des Audit Risk

Test- bzw. Sampling Risk

Non Sampling Risk

1093

Das Fehlerrisiko (Failure Risk) als eine Determinante des Audit Risk setzt sich aus der multiplikativen Verknüpfung von inhärentem Risiko (Inherent Risk) und Kontrollrisiko 1094 (Internal Control Risk) zusammen. Ersteres ist definiert als „die Anfälligkeit eines Prüffeldes für das Auftreten von Fehlern, die für sich oder zusammen mit Fehlern in anderen 1095 1096 Prüffeldern wesentlich sind“ , unter der Annahme, dass kein Internes Kontrollsystem 1097 im Unternehmen existiert. Hierbei erfolgt eine Unterteilung in einen traditionellen Ansatz und einen angloamerikanischen Control Approach, welcher maßgeblich durch die Verlautbarungen des Committee of the Sponsoring Organizations of the Treadway Com-

1090 1091 1092 1093 1094 1095 1096

1097

Vgl. u. a. Bartels/von Kanitz 2005, S. 238. Vgl. Zweiter Hauptteil, Abschn. III.A. und Dritter Hauptteil, Abschn. II.B. Vgl. weiterführend Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Modifiziert entnommen von Zaeh 1998, S. 157. Vgl. Wiedmann 1993, S. 17. IDW PS 261.6. Das Interne Kontrollsystem als bevorzugtes Prüfgebiet dient u. a. der ordnungsmäßigen und wirtschaftlichen Führung von Unternehmen, Bewahrung vor Vermögensverlusten durch Gewinnung und Auswertung aussagefähiger und aktueller Unternehmensinformationen, der Aufdeckung von Fehlern und betrügerischen Handlungen, der Entscheidungsunterstützung zum Zwecke der festgelegten Unternehmenspolitik sowie der Sicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Financial Accounting; vgl. IDW PS 261.18 sowie zur Ausgestaltung eines Internal Control-Konzepts Knolmayer/Wermelinger 2006, S. 8; Nadig/Marti/Schmid 2006, S. 113 f. Für eine weiterführende Analyse zur Prüfung des Risikomanagementsystems wird verwiesen auf die Darlegungen in Abschn. I.A des Vierten Hauptteils. Vgl. zu den inhärenten Risiken auch Ballwieser 1998a, S. 362; Buchner/Wolz 1999, S. 151; von Wysocki 2003, S. 135-138; Wiedmann 1993, S. 17 sowie Krommes 2005, S. 18.

132

Erster Hauptteil 1098

mission (COSO I und II) geprägt wurde. Letzterer geht über den traditionellen Ansatz 1099 hinaus, da er auf der Implementierung eines geschlossenen unternehmerischen Control1100 ling-Systems sowie auf einer paritätischen Berücksichtigung von Chancen und Risiken basiert. Angesichts der noch darzulegenden wesentlichen interdependenten Beziehungen zwischen dem Financial Accounting, dem Business Reporting und dem Controlling von immateriellen Vermögenswerten sowie des Geschäfts- oder Firmenwerts wird in der nach1101 folgenden Analyse dem weiter gefasste Control Approach gefolgt. Bezüglich eines dem Prüfungsobjekt innewohnenden Risikos gilt, dass das inhärente Risi1102 ko tendenziell mit der Komplexität des zu prüfenden Vermögenspostens zunimmt. Diese Annahme besitzt bei der Beurteilung immaterieller Vermögenswerte und des Geschäftsoder Firmenwerts hinsichtlich des Business Risk Auditing wiederum eine zentrale Bedeutung. Angesichts der eingeschränkten Objektivierbarkeit eines Großteils jener Vermögens1103 posten liegt ein erhöhtes Fehlerrisiko vor, das bereits bei der Prüfungsplanung zu berücksichtigen ist. Eine Darlegung möglicher Risikofaktoren wird zu Beginn des Vierten Hauptteils im Rahmen einer Risikoanalyse des Intangible Asset- und Goodwill Accounting 1104 und -Reporting vorgenommen. Das Kontrollrisiko (Internal Control Risk) als zweite Komponente des Fehlerrisikos hingegen misst die Gefahr, dass Fehler, die in Bezug auf ein Prüffeld ggf. zusammen mit Fehlern aus anderen Prüffeldern wesentlich sind, durch das Interne Kontrollsystem des Unter1105 nehmens nicht verhindert oder aufgedeckt werden. Dabei ist der Prüfung des internen unternehmerischen Überwachungssystems höchste Priorität beizumessen, da der Abschlussprüfer ansonsten fälschlicherweise die Kontrollen als zweckmäßig beurteilen würde 1106 und auf die Effektivität im Zeitablauf vertraut. Wird das Fehlerrisiko bei der Prüfung jener Vermögensposten als hoch eingeschätzt, kommt eine Ausweitung von Einzelfallprü1107 fungen in Frage, um die Verlässlichkeit des Financial Accounting beurteilen zu können.

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1101 1102 1103 1104 1105

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Vgl. grundlegend COSO (Hrsg.) 1994; COSO (Hrsg.) 2004 sowie hierzu Lück/Schröder 2007, S. 307-309. Vgl. etwa Paetzmann 2005, S. 272. Die nachfolgenden Darlegungen folgen dem funktionalen Controlling, das als „zielorientierte Steuerung durch Information, Planung und Kontrolle“ definiert ist; vgl. u. a. Franz/Winkler 2006a, S. 6; Klein 1999b, S. 13. Insofern ist die im Schrifttum vereinzelt anzutreffende terminologische Eingrenzung des Controllings als Prozess der Unternehmenskontrolle nicht sachgerecht. Das Controlling lässt sich vielmehr als (ganzheitliches) kybernetisches System zur Versorgung der Unternehmensleitung mit entscheidungsnützlichen Informationen charakterisieren, vgl. u. a. Günther/Schiemann 2005, S. 604 sowie zu ausgewählten Controlling-Konzeptionen Freidank/Velte 2006, S. 515. Vgl. hieran anknüpfend Vierter Hauptteil, Abschn. I.A.1. Vgl. Dörner 2002, Sp. 1746. Vgl. zur Prüfungsplanung aus prozesstheoretischer Sicht Härle 1966, S. 704. Vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Vgl. IDW PS 261.6 sowie grundlegend zum Control Risk auch Ballwieser 1998a, S. 363; Buchner/Wolz 1999, S. 151 f.; Stibi 1995, S. 76; Wiedmann 1993, S. 17 f. Vgl. Dörner 2002, Sp. 1746. Vgl. Wiedmann 1993, S. 18, der sogar die Möglichkeit der Mandatsniederlegung bei einem zu hohen Fehlerrisiko für notwendig erachtet.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

133

Das Ent- oder Aufdeckungsrisiko (Detection Risk) stellt neben dem vorstehend ausgeführten Fehlerrisiko die zweite Komponente des Audit Risk als Gefahr dar, dass der Abschlussprüfer aufgrund seiner gewählten Prüfungshandlungen Fehler innerhalb des Finan1108 cial Accounting nicht erkennt. Neben dem Residualrisiko, welches jeder Prüfung immanent ist, werden Gefahren unterschieden, die aus analytischen Prüfungshandlungen und 1109 Stichprobenprüfungen von Einzelfällen (Test- bzw. Sampling Risk) resultieren. Bei der Beurteilung von Intangible Assets und des derivativen Goodwill nach den IFRS stellt - wie noch zu zeigen ist - die Plausibilitätsprüfung einen zentralen Bestandteil der durchzuführenden Prüfungshandlungen dar, weil die Fair Value-Bewertung derartiger Vermögensposten im Regelfall mangels aktiver Märkte unter Zuhilfenahme von Unternehmensbewer1110 1111 erfolgt. Der Einsatz von Schätzverfahren innerhalb der IFRStungsverfahren Rechnungslegung stellt den Abschlussprüfer insoweit vor hohe Anforderungen, als dieser zu beurteilen hat, inwieweit die Annahmen, die das Management bei der Anwendung der Bewertungsverfahren getroffen hat, plausibel erscheinen. Da bislang die Hintergründe der Annahmen nicht durch die Unternehmensleitung anzugeben sind, ist die Plausibilitätsprü1112 fung durch eine geringere Prüfungsintensität gekennzeichnet. Dies geht jedoch mit einem hohen Sicherheitsgewinn bei analytischen Prüfungshandlungen einher.

b)

1113

Prüfungsmethodik

1114

1115

Analytische Prüfungshandlungen und Systemprüfungen , wie Abbildung 14 zeigt, sind den indirekten Prüfungen zu subsumieren, weil sie „aus bekannten oder unterstellten Zusammenhängen zwischen dem Prüfungsobjekt und einem Ersatztatbestand Rückschlüsse 1116 auf den normgerechten Zustand des Prüfungsgegenstands ziehen“ . Als Verfahren der

1108

1109 1110

1111 1112

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Vgl. IDW PS 261.6 sowie grundlegend zum Entscheidungsrisiko i. R. d. Auditing Zaeh 2001, S. 245260. Vgl. Buchner/Wolz 1999, S. 152; Wiedmann 1993, S. 18; Zaeh 2001, S. 247. Vgl. zu einer Systematisierung der Unternehmensbewertung anhand ihrer Funktionen insbesondere Brösel 2006, S. 128-143; Casey 2006, S. 180-196; Henselmann 2006a, S. 144-157; Nölle 2005, S. 1820. Vgl. hierzu u. a. Schurbohm/Ganssauge 2003, S. 23 und ausführlich Vierter Hauptteil, Abschn. II.B. Vgl. zur Forderung nach einer umfassenden Prognosepublizität des Management Dritter Hauptteil, Abschn. III.B. Die nachfolgenden Untersuchungen in diesem Hauptteil stellen lediglich auf die Prüfungsdurchführung ab und klammern den Aspekt der vorangehenden Prüfungsplanung und nachfolgenden Prüfungsnachschau aus; vgl. hierzu dezidiert Zaeh 1998, S. 98 u. 100. Des Weiteren werden die Unterschiede zwischen Prüfungsmethoden und -handlungen nicht fokussiert; vgl. hierzu detailliert Kicherer 1970, S. 35. Auf die Konkretisierung der Wesentlichkeit ist dezidiert im Vierten Hauptteil einzugehen; vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. hierzu IDW 312 sowie grundlegend zu analytischen Prüfungshandlungen Biggs/Mock/Quick 2000, S. 169-178; Göbel 2004, S. 425-428; Link 2006, S. 100-102; Sprick 2006, S. 90-94; von Wysocki 2002a, S. 373 f. Im Schrifttum werden ebenfalls die Terminologien Verprobungen (basierend auf der steuerlichen Außenprüfung) und Plausibilitätsbeurteilungen verwendet; vgl. zu einer Begriffsabgrenzung Gärtner 1994, S. 950 f. Vgl. grundlegend Göbel 2004, S. 422-425. Marten/Quick/Ruhnke 2007, S. 294.

134

Erster Hauptteil 1117

1118

analytischen Prüfungen kommen Plausibilitätstests , Kennzahlen-, Trend- und Regressionsanalysen zum Einsatz. Plausibilitätsprüfungen dienen dazu, die Konsistenz einer Gesamtheit von Geschäftsvorfällen oder Bestandsgrößen zu beurteilen, indem auffällige Un1119 terschiede der ausgewiesenen Beträge von erwarteten Größen festgestellt werden. Diese gelangen u. a. immer dann zum Einsatz, wenn der Prüfer Schätzverfahren der Unternehmensleitung beurteilt. Als Beispiele fungieren die Fair Value-Ermittlung von immateriellen Vermögenswerten, bei denen keine Marktpreise vorliegen, oder die Bestimmung der 1120 Cash Flows bei der Durchführung des Goodwill Impairment Tests nach IFRS. Das Intangible Asset- und Goodwill Accounting geht - wie bereits erwähnt - mit einer verstärkten 1121 Inanspruchnahme von Plausibilitätsprüfungen einher. Infolgedessen, dass diese durch 1122 ihren subjektiven Charakter gekennzeichnet sind, fällt die Prüfungsintensität und qualität im Gegensatz zu den direkten Prüfungsmethoden (Einzelfallprüfungen) geringer 1123 aus. Dieses Resultat hat mithin eine wesentliche Rückwirkung auf den im Vierten 1124 Hauptteil zu konzeptionierenden Prüfungsstandard. Die analytischen Prüfungshandlungen können lediglich in Kombination mit anderen Methoden zum Einsatz gelangen. Als zweite Gruppe der indirekten Prüfungsmethoden lassen sich nach Abbildung 14 Sys1125 temprüfungen unterscheiden, die in eine Aufbau- und Funktionsprüfung zerfallen. Bei der Aufbauprüfung sind eine detaillierte Beurteilung des Kontrollumfelds des Unternehmens, von Risikobeurteilungen und Kontrollaktivitäten, der Information und Kommunikation sowie eine Überwachung des Internen Kontrollsystems durch die Unternehmenslei1126 1127 tung vorzunehmen. Zur Gewinnung von Prüfungsnachweisen kommen Befragungen von Mitarbeitern, Einsichtnahmen in Dokumente und Unterlagen, welche die Implementierung des Internen Kontrollsystems betreffen sowie Beobachtungen von Abläufen zur Ver-

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Sie stellen eine sachlogische Übereinstimmung (Plausibilität) zwischen Soll- und Istobjekt unter Zuhilfenahme von Verhältniszahlen und Trends her (Ersatztatbestand), ohne eine exakte Gleichheit der Größen zu untersuchen; vgl. WP-Handbuch 2006, Rn. 371 zu Abschn. R, S. 2058. Dabei werden nicht einzelne Geschäftsvorfälle oder Bestandselemente, sondern verdichtete Jahresabschlussinformationen verwendet. Vgl. zum Begriff detailliert Quick 2002, Sp. 1685 f. Vgl. IDW PS 312.5 bzw. ISA 520.3 sowie hierzu Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 25. Vgl. die Ausführungen in Abschn. II.B.3.b) und Abschn. III.A.1 des Zweiten Hauptteils und Vierter Hauptteil, Abschn. II.A und B. Vgl. in diesem Kontext die terminologischen Unterschiede zwischen der klassischen Unternehmensbewertungstheorie und den Verlautbarungen des IASB in Abschn. II.B.3.c) des Zweiten Hauptteils. Der subjektive Charakter von Plausibilitätsbeurteilungen resultiert insbesondere daraus, dass der Abschlussprüfer Erwartungen bilden muss, die von seinen Kenntnissen über die Betriebs- und Geschäftsabläufe beim Unternehmen abhängen. Vgl. auch Dörner 2002, Sp. 1758; Link 2006, S. 226 f.; Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 25 und 705; Wolz 2003, S. 83. Vgl. Vierter Hauptteil, Kapitel IV. Systemprüfungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie nicht primär an Einzelsachverhalte anknüpfen, sondern auf die Gestaltung, Wirksamkeit und Funktionsfähigkeit der unternehmerischen Kontrollsysteme ausgerichtet sind; vgl. grundlegend zur Prüfung des Internen Kontrollsystems Scherrer 1999, S. 227-235. Vgl. hierzu auch die grafische Darstellung in IDW PS 261.34. Vgl. grundlegend zu den Prüfungsnachweisen von Wysocki 2002a, S. 371 f.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

135 1128

arbeitung von Geschäftsvorfällen in Betracht. Daran anknüpfend erfolgt eine Beurtei1129 lung der Funktionsweise des Internen Kontrollsystems mittels Funktionstests, welche die Grundlage für die abschließende Beurteilung der Kontrollrisiken durch den Abschluss1130 prüfer bilden. Der Prüfung des unternehmerischen wertorientierten Risikomanagementsystems kommt - wie im Vierten Hauptteil noch im Einzelnen dargelegt wird - eine zentrale Bedeutung für die Beurteilung des Intangible Asset-/Goodwill Accounting und 1131 Reporting zu. Nach erfolgter Abschätzung des Prüfungsrisikos sowie der Einleitung von Systemprüfungen und analytischen Prüfungshandlungen ist eine Entscheidung zu treffen, welche Einzel1132 fallprüfungen zu tätigen sind. Letztere sind gem. Abbildung 14 den direkten Prüfungen zu subsumieren, da ein Soll-Ist-Vergleich zwischen den Aufzeichnungen der Buchführung 1133 und den entsprechenden Belegen vorgenommen wird. Die nachfolgende Abbildung 14 fasst wesentliche Prüfungsmethoden des Abschlussprüfers überblicksartig zusammen.

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1133

Vgl. IDW PS 261.61. Vgl. hierzu im Einzelnen WP-Handbuch 2006, Rn. 276 f. zu Abschn. R , S. 2012 f. Vgl. zu den Interdependenzen zwischen Aufbau- und Ablaufprüfung u. a. IDW PS 261.75. Vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. I.A. Analytische Prüfungshandlungen und Einzelfallprüfungen werden unter dem Terminus aussagebezogene Prüfungen zusammengefasst; vgl. u. a. Graumann 2007, S. 190. Vgl. IDW PS 300.29 f. Als typisierende Prüfungshandlungen nennt das IDW die Beobachtung von Verfahren oder Maßnahmen, die Einsichtnahme in Unterlagen, Befragung von Personen, Bestätigungen Dritter, die Durchführung eigener Berechnungen und den Nachzollzug als Anwendung von Verfahren und sonstigen Kontrollmaßnahmen.

136

Erster Hauptteil

Prüfungsmethoden

direkte

indirekte

Einzelfallprüfung

Vollprüfung

Abbildung 14:

Stichprobenprüfung

Systemprüfung

Aufbauprüfung

analytische Prüfung

Funktionsprüfung

1134

Kategorisierung von Prüfungsmethoden

Das IDW betont in diesem Kontext, dass i. R. d. risikoorientierten Prüfungsansatzes eine besonders kritische Grundhaltung gegenüber dem geprüften Unternehmen einzunehmen 1135 ist, um Unregelmäßigkeiten möglichst frühzeitig aufzudecken. Insofern rückt das IDW von der Annahme ab, wonach der Abschlussprüfer im Regelfall von einer Ordnungsmäßigkeit des zu beurteilenden Financial Accounting auszugehen hat, d. h. es erfolgt eine Re1136 naissance des bereits vorgestellten Misstrauensparadigmas von Loitlsberger. Neben der geschäftsrisikoorientierten Prüfung gewinnt der aus dem angloamerikanischen Prüfungs1137 wesen stammende Terminus des Fraud Auditing verstärkt an Bedeutung. Angesichts der mit der Prüfung von immateriellen Vermögenswerten und des Goodwill einhergehenden Objektivierungsprobleme ist das Risiko einzubeziehen, dass die Unternehmensleitung gegen das Gebot des True and Fair View verstößt, um eine positive Selbstdarstellungspolitik 1138 zu betreiben.

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1138

In Anlehnung an Zaeh 1998, S. 94. Vgl. IDW PS 261.17. Vgl. Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. detailliert IDW PS 210 sowie weiterführend Emmerich 1998, S. 343-347; Gross 2005b, S. 7 („Fahndungsprüfer“); Hofmann 2006c, S. 27; Hommelhoff/Mattheus 2003, S. 662 f.; Jayalakshmy/Seetharaman/Khong 2005, S. 249; Justenhoven/Krawietz 2006, S. 66; Knabe et al. 2004, S. 1057; Lechner 2006, S. 1854-1859; Ludewig 1995, S. 397; Madray 2006, S. 51; Makkawi/Schick 2003, S. 591; Mertin/Schmidt 2001b, S. 1303; Mochty 2002, S. 725; Schindler/Gärtner 2004, S. 1233; Schruff 2003a, S. 901; Schruff 2003b, S. 97; Schruff 2005a, S. 207; Solfrian/Willeke 2002, S. 1109 sowie hinsichtlich einer Abgrenzung zur forensischen Prüfung Schruff 2004, S. 455. Vgl. empirisch zum Nachweis der Managementpolitik einer (zu) positiven Dokumentation der Performance Coenenberg/Schmidt/Werhand 1983, S. 321 f.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

2.

137

Intangible Asset- und Goodwill Auditing als Bestandteil des Business Risk Auditing

Als Fortentwicklung der risikoorientierten Prüfung, die aus nationaler Sicht mit dem KonTraG Eingang in das nationale Recht fand, wird das Geschäftsrisikomodell (Business 1139 1140 1141 Risk Auditing) klassifiziert, welches das Clarity Project des IAASB prägt. Maßgeblich für die Erweiterung des risikoorientierten Ansatzes ist die Forderung der Adressaten, 1142 dass die Prüfung „einen für sie spürbaren Zusatznutzen (Value Added)“ erbringen müsse, der sich u. a. in einer kontinuierlichen Verbesserung der Prozesse des zu prüfenden Un1143 ternehmens widerspiegelt. Dies führt c. p. zu einer Vertrauensstärkung am Kapitalmarkt. Zudem werden als Vorzüge der geschäftsrisikoorientierten Prüfung eine höhere Effizienz, eine stärkere Vernetzung von Prüfung und Risikomanagement sowie die Erweiterung des 1144 Dienstleistungsspektrums um freiwillige Prüfungsleistungen angegeben. Das modifizierte Prüfungsmodell fokussiert die Gefahr, dass die Unternehmensleitung die angestrebten und kommunizierten Ziele verfehlt, verstanden als Geschäftsrisiko (Business 1145 Risk). Es handelt sich hierbei um ein entscheidungsorientiertes Risiko, welches grds. 1146 durch die subjektiven Ziel- und Wertevorstellungen des Managements determiniert ist. 1147 1148 Neben internen lassen sich auch externe Risiken, z. B. die konjunkturelle Entwick-

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Im Schrifttum werden die Begriffe Business Risk Audit Approach, Business Risk Oriented Audit oder Business Audit synonym verwendet. Als Ausgangspunkt dieses Ansatzes lassen sich die Darlegungen von Bell et al. 1997 anführen; vgl. Bell et al. 1997. Vgl. zur Systematisierung der Prüfungsaussagen im Einzelnen Ruhnke/Lubitzsch 2006, S. 368. Das IAASB erhofft sich eine höhere Qualität des Auditing infolge einer sachgerechteren Risikobeurteilung; vgl. zu dieser Einschätzung Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 329 f. sowie Ruhnke 2007, S. 156. Gemeinsam mit dem ASB des AICPA wurde eine Neuausrichtung des risikoorientierten Prüfungsansatzes gefordert (Audit Risk Project); vgl. Ruhnke 2007, S. 156. Vgl. zum Wandel von der buchhaltungs- zur geschäftsorientierten Prüfung ebenfalls Dörner 1998a, S. 1 f.; Fey 2002, S. 177; Orth 2000, S. 300; Steiner 1991a, S. 278 f.; Weber 1997, S. 802 f. sowie empirisch zum Business Risk Audit Ballou/Earley/Rich 2004, 71-88; Bierstaker/Whright 2004, S. 6778; Blokdijk et al. 2006, S. 27-48; Bruynseels/Knechel/Willekens 2006, S. 1-36; Choy/King 2005, S. 311-350; Curtis 2003, S. 93-115; Curtis/Turley 2005, S. 1-22; Eilifsen/Knechel/Wallage 2001, S. 193-207; Humphrey et al. 2004, S. 1-32; Kotchetova 2004, S. 1-45; Kotchetova/Kozloski/Messier 2005, S. 1-29; Lemon/Tatum/Turley 2000; MacLullich 2003, S. 791-811; O’Donnell 2006, S. 1-31; O’Donnell/Schultz 2003, S. 265-279; O’Donnell/Schultz 2005, S. 921-939; Salterio/Knechel/ Kotchetova 2005, S. 1-48. Vgl. Ruhnke 2002a, S. 437 sowie zur Forderung eines Value Auditing ebenso Grothe 2005, S. 1; Hellberg 2002, S. 16; Link 2006, S. 1; Moser/Lindegger 2000, S. 1185; Ruhnke 2000b, S. 333; Stevens 2000, S. 18-21; Wiedmann 2000, S. 451; WP-Handbuch 2006, Rn. 34 zu Abschn. R, S. 1947. Vgl. Bell et al. 1997, S. 58 f. Vgl. Mielke 2007, S. 25 f.; Ruhnke 2006b, S. 190. Vgl. auch Gay 2002, S. 66; Knechel 2001, S. 124; Lemon/Tatum/Turley 2000, S. 1; Link 2006, S. 24; Ruhnke 2002a, S. 438. Der Begriff Geschäftsrisiko ist dabei wesentlich weiter gefasst als das Risiko wesentlich falscher Abschlussangaben, weil ferner sämtliche Risiken erfasst werden, die sich nicht unmittelbar auf die Abschlusszahlen auswirken; vgl. ISA 315.30 und hierzu Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 332; Mielke 2007, S. 65; grundlegend zum Business Risk ebenfalls Züger 2000, S. 1256. Vgl. Link 2006, S. 265. Vgl. detailliert Link 2006, S. 41 f. Vgl. ausführlich Link 2006, S. 34-40.

138

Erster Hauptteil

lung, unterscheiden, die nicht im Verantwortungsbereich der Unternehmensleitung liegen. Der Zusammenhang zwischen dem Geschäfts- und Prüfungsrisiko wird damit begründet, 1149 dass ein höheres Geschäftsrisiko c. p. ein steigendes Prüfungsrisiko impliziert. Ist das betreffende Unternehmen einer risikointensiven Branche zugeordnet (z. B. der Pharmain1150 dustrie), kann der Abschlussprüfer zusätzliche Prüfungshandlungen bzw. eine geänderte Stichprobenauswahl vornehmen, die wiederum auf das Prüfungsrisiko einwirkt. Allerdings gilt es zu bedenken, dass sich das Geschäftsrisiko lediglich auf das inhärente Risiko und das Kontrollrisiko bezieht und keine Beeinflussung durch eine Änderung des Entdeckungs1151 risikos erfährt. Im Schrifttum wird das Geschäftsrisiko mithin als Determinante des Feh1152 lerrisikos aufgefasst. Während eine simultane Beurteilung beider Risiken insofern aus1153 drücklich begrüßt wird, ist eine getrennte Evaluierung weiterhin zulässig. 1154

Das geschäftsrisikoorientierte Prüfungsmodell basiert auf einem Top Down Approach, 1155 weil der Wirtschaftsprüfer, ausgehend von der Gesamtheit der Geschäftsprozesse und 1156 des Geschäftsumfelds des Unternehmens, Erwartungshaltungen entwickelt, die im An1157 schluss anhand von Prüfungshandlungen beurteilt werden. Der Prüfer ist dazu angehalten, die festgestellten Risiken mit den Prüfungshandlungen im stärkeren Maße als beim klassischen risikoorientierten Ansatz zu verbinden. Dies setzt eine intensive Beurteilung der Unternehmensziele, -strategien der Geschäftsleitung und ihrer operativen Umsetzung sowie der Informationssysteme voraus, die zur Geschäftssteuerung und -überwachung be1158 reitgestellt sind (High Level Control System). Im Mittelpunkt steht hierbei die Strategieanalyse und weniger die Ausgestaltung des Kontrollsystems auf der operativen Ebene 1159 (Low Level Control System). Für die geschäftsrisikoorientierte Prüfung bietet sich - so-

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Vgl. zum Einfluss des Geschäftsrisikos auf den (Konzern-) Abschluss u. a. Krommes 2005, S. 88 f. Unternehmen, bei denen die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit den zentralen strategischen Werttreiber darstellt, ist i. d. R. ein hohes Geschäftsrisiko zuzusprechen, weil Unsicherheit herrscht, inwieweit aus den getätigten Aufwendungen künftige positive Cash Flows entstehen. Dies wird mit der Tatsache begründet, dass eine Vielzahl der entwickelten Pharmaprodukte erst mit einer wesentlichen Zeitverzögerung oder überhaupt nicht abgesetzt wird. Vgl. Mielke 2007, S. 66; zu den Ausnahmen Ruhnke 2002a, S. 439. Das Business Risk Audit verfolgt dabei die Zielsetzung, die Beurteilung des inhärenten Risikos und Kontrollrisikos möglichst zeitgleich und nicht mehr getrennt voneinander vorzunehmen; vgl. Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 331 sowie grundlegend zu den Determinanten des Prüfungsrisikos Abschn. IV.D.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. Lemon/Tatum/Turley 2000, S. 17; Ruhnke 2002a, S. 439 sowie die grafischen Übersichten von Link 2006, S. 117; Messier 2003, S. 96. Vgl. ISA 200.21 sowie hierzu auch Ruhnke 2006b, S. 191. Vgl. zur Fortentwicklung des Auditing durch den Top Down Approach auch Böcking 2001b, S. 59; Orth 2000, S. 302 f.; Wiedmann/Schurbohm 2001, S. 242. Zu betonen sind die Kernprozesse des Unternehmens, z. B. der Produktions-, Logistik- oder Innovationsprozess. Vgl. zum ganzheitlichen Ansatz Adler/Düring/Schmaltz 2000, Rn. 154 zu § 317 HGB, S. 97. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 2000, Rn. 154 zu § 317 HGB, S. 96 f. und mit einem Vergleich zum klassischen reduktionistischen Ansatz (Bottom Up Approach) Ruhnke 2002a, S. 440; Ruhnke 2007, S. 156 f. sowie die Ausführungen von Knechel 2006, S. 12. Vgl. zur Prüfung der Unternehmensziele auch Mielke 2007, S. 103. Eine separate Prüfung der Ziele und Strategien des Unternehmens ist angesichts der weitreichenden Interdependenzen nicht möglich. Vgl. Hellberg 2002, S. 16; Ruhnke 2002a, S. 440; Ruhnke 2006b, S. 193; Schmidt 2005e, S. 875. Zur Strategieanalyse eignen sich u. a. das SWOT- und PEST-Konzept.

Einflüsse auf das Business Risk Auditing

139

fern diese bereits zur Strategieimplementierung eingesetzt ist - in diesem Kontext die Nut1160 zung der im Dritten Hauptteil darzustellenden Balanced Scorecard als „Kontrollinstru1161 mentarium“ an. Als wesentlicher Anknüpfungspunkt fungiert daneben das Strategic Advantage Reporting der Unternehmensleitung, welches – wie im weiteren Verlauf der Untersuchung aus nationaler Sicht darzulegen ist – nicht gesetzlich verpflichtend, sondern 1162 Bestandteil der Zusatzberichterstattung ist. Dieses sollte die Gesamtunternehmensstrategien sowie Geschäftsbereichs- und Funktionsbereichsstrategien fokussieren. Ferner hat der Abschlussprüfer die Kern- oder Schlüsselprozesse des Unternehmens hinsichtlich ihres Beitrags zum betrieblichen Oberziel, in diesem Fall einer nachhaltigen Shareholder Value1163 1164 Steigerung, kritisch zu würdigen (Prozess- bzw. Wertschöpfungsanalyse). Diese werden als prüfungssensitive Prozesse definiert, d. h. sie sind für die verbleibenden aussage1165 bezogenen Prüfungshandlungen von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang spielen die immateriellen Vermögenswerte sowie der Ge1166 schäfts- oder Firmenwert als Key Performance Indicator eine entscheidende Rolle, da diese die strategische Zielausrichtung des Unternehmens nachhaltig determinieren. Das Intangible Asset- und Goodwill Auditing stellt insofern einen zentralen Bestandteil des ge1167 schäftsrisikoorientierten Prüfungsmodells dar. Der Einsatz aussagebezogener Prüfungshandlungen wird dabei von den zuvor identifizierten Strategie- und Prozessrisiken sowie internen Kontrollen maßgeblich beeinflusst. Allerdings steht der Abschlussprüfer vor der Problematik, die ermittelten Resultate zu den Geschäftsrisiken in Abschlussangaben zu 1168 transformieren (sog. Bridging-Problematik). Bezüglich der Berichterstattung lassen sich jedoch keine grundsätzlichen Änderungen im Vergleich zu der klassischen risikoorientier1169 ten Prüfung konstatieren. Es wird somit verdeutlicht, dass das Business Risk Auditing eine Abkehr von der traditionellen Abstimmprüfung (Balance Sheet Auditing) impli1170 ziert. Die Aussage, wonach sich das Business Risk Auditing dem (genossenschaftlichen) Ver1171 ständnis der Geschäftsführungsprüfung annähert, ist zu relativieren, weil auch weiterhin 1160 1161 1162

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Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. II.B.1. Vgl. Mielke 2007, S. 107 f. Vgl. hierzu die Darlegungen zur fehlenden verpflichtenden Strategieberichterstattung im handelsrechtlichen (Konzern-) Lagebericht Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.1. Vgl. zur Konzeption Abschn. II.C.2 dieses Hauptteils. Vgl. auch Wiedmann/Schurbohm 2001, S. 250. Vgl. Knechel 2001, S. 185 sowie Ruhnke 2006b, S. 194. Vgl. die Anmerkungen von Esser/Hackenberger 2004a, S. 402. Vgl. das angeführte Beispiel zum Innovationsprozess als Kernprozess des Unternehmens bei Marten/ Quick/Ruhnke 2006, S. 333. Vgl. Ruhnke 2006b, S. 194. Das o. g. Phänomen wurde zwischenzeitlich empirisch nachgewiesen; vgl. Curtis/Turley 2005, S. 6; Mielke 2007, S. 78. Vgl. zu dieser Ansicht auch Marten/Quick/Ruhnke 2006, S. 334; Ruhnke 2007, S. 157. Vgl. Wiedmann/Schurbohm 2001, S. 242. Vgl. § 53 Genossenschaftsgesetz (GenG); zum Ausschluss einer Beurteilung der Geschäftsführungsmaßnahmen i. R. d. gesetzlichen Abschlussprüfung u. a. Claussen/Korth 1991, Rn. 38 zu § 317 HGB, S. 652 sowie zum abweichenden genossenschaftlichen Prüfungsumfang Biener 1995, S. 58; Esser/ Hillebrand/ Walter 2006, S. 27; Leuschner 2005, S. 25 f.; Mößle 2003, S. 193.

140

Erster Hauptteil

keine Wirtschaftlichkeitsaussage des Vorstandshandelns erfolgt. Allerdings muss sich der Prüfer kritisch mit der strategischen Unternehmenspolitik auseinandersetzen, so dass von 1172 einem erweiterten Verständnis der Abschlussprüfung auszugehen ist. Ein praktischer Nutzwert ergibt sich zudem daraus, dass der Prüfer Verbesserungspotenziale identifiziert 1173 und diese im Prüfungsbericht und/oder im Management Letter berücksichtigt. In einer Gesamtschau bleibt festzustellen, dass lediglich die verstärkte Berücksichtigung des Abschlussprüfers mit den Geschäftsrisiken des Unternehmens, die - wie im Vierten Hauptteil zu zeigen ist - maßgeblich durch die immateriellen Werttreiber determiniert werden, eine effiziente und effektive Beurteilung des Financial Accounting und Business Re1174 porting gewährleisten kann.

1172

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Die Prognose- und Schätzwertprüfung weist nach h. M. Elemente einer Geschäftsführungsprüfung aus; vgl. u. a. Hachmeister 2006c, S. 270 sowie weiterführend Vierter Hauptteil, Abschn. II.A. und B. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 2000, Rn. 160 zu § 317 HGB, S. 99. Vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. I.A sowie zur erhöhten Risikoanfälligkeit bei der Prüfung von Intangibles ebenfalls Stoi 2002, S. 264.

Zwischenfazit

V.

141

Zwischenfazit

Der Erste Hauptteil diente einer theoretischen Fundierung und Darstellung ausgewählter Einflüsse im Hinblick auf die normierte Finanzberichterstattung (Financial Accounting), die kapitalmarktorientierte Unternehmensberichterstattung (Business Reporting) und die geschäftsrisikoorientierte Prüfung (Business Risk Auditing) von immateriellen Vermögenswerten sowie des Goodwill. Im ersten Kapitel zur theoretischen Fundierung des Financial Accounting und Business Reporting, welches zudem die Notwendigkeit einer Zusatzberichterstattung über immaterielle Vermögenswerte und den Geschäfts- oder Firmenwert einschließlich ihrer Konkretisierung verdeutlichte, wurden unter Zugrundelegung der neoklassischen Kapitalmarkttheorie im ersten Abschnitt die Ausprägungen der Informationseffizienz dargelegt, wobei die halbstrenge Variante im Fokus der Betrachtung stand. Diese Annahme impliziert, dass eine Zusatzberichterstattung über immaterielle Vermögenswerte und den Geschäfts- oder Firmenwert c. p. einen positiven Einfluss auf den Shareholder Value als fokussiertes unternehmerisches Oberziel nehmen kann, sofern eine Entscheidungsnützlichkeit der Informationen aus Sicht der Investoren vorliegt. Die Erhöhung des Shareholder Value soll annahmegemäß durch eine langfristige Senkung der Kapitalkosten erzielt werden, wobei das Reporting im günstigsten Fall einen eigenständigen Werttreiber des Unternehmens darstellt. Zusätzlich soll durch eine erhöhte Investitionstätigkeit in das immaterielle Vermögen ein positiver Effekt auf die prognostizierten Cash Flows ausgeübt werden. Entscheidungsnützliche Informationen existieren in diesem Zusammenhang lediglich dann, wenn die Rahmengrundsätze der Entscheidungsrelevanz und der Verlässlichkeit unter besonderer Berücksichtigung weiterer Nebenbedingungen erfüllt sind, wobei in der Realität Zielkonflikte auftreten und durch Konfliktbewältigungsmaßnahmen gemindert werden. Allerdings gehen die dargelegten restriktiven Annahmen der Neoklassik nicht mit den Realitäten am Kapitalmarkt einher, so dass im zweiten Abschnitt die Agency-, Transaction Cost- und die Property Rights Theory als Ausprägungen der Neuen Institutionenökonomie flankierend herangezogen wurden. Das Signalling und Screening sowie die Implementierung eines Anreiz- und Überwachungssystems fungierten dabei als Lösungsansätze zur Überwindung der Agency-Problematik (Informationsasymmetrien) zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt. Unter besonderer Berücksichtigung der organischen, statischen und dynamischen Ausprägungen der Accounting Theory aus nationaler und internationaler Sicht erfolgte im dritten Abschnitt eine Vorstellung unterschiedlicher Ansatz- und Bewertungskonzeptionen von Intangible Assets sowie des Goodwill, welche die Ausgestaltung der zugrunde liegenden Regelwerke (Handels- und Steuerrecht, IFRS) nachhaltig determinieren. Während das deutsche Handelsrecht - wie im Zweiten Hauptteil noch zu thematisieren ist - bislang vorwiegend statisch geprägt ist, beinhaltet das IFRS-Regelwerk ein „Mixed Model“ aus statischen, dynamischen und organischen Elementen. Das zweite Kapitel des Ersten Hauptteils fokussierte ausgewählte Einflüsse auf das Financial Accounting und Business Reporting. Hierbei wurde im ersten Abschnitt die Frage nach der Überlegenheit eines regel- oder prinzipienbasierten Rechnungslegungssystems sowie der Rückwirkungen auf die Entscheidungsnützlichkeit aufgeworfen. Als Konklusion ergab sich, dass ein Rules Based- und Principles Based Accounting in Reinform zwar nicht zu befürworten, aber die bisherigen Überlegungen von IASB und FASB zur Konzeption eines „Objective Oriented Accounting“ viele Detailfragen aufwerfen. Überdies wurde im zweiten Abschnitt auf die Perspektiven eines privaten Standardsetting und deren Einflüsse auf das kontinentaleuropäische Code Law-System eingegangen. Am Beispiel des DRSC er-

142

Erster Hauptteil

folgte eine Unterbreitung von Vorschlägen für eine künftige Kompetenzerweiterung, die auf eine Fortentwicklung des Financial Accounting und eine stärkere internationale Zusammenarbeit mit anderen Überwachungsinstitutionen ausgerichtet ist. Ebenso soll das DRSC künftig durch die Verabschiedung eines im Dritten Hauptteil zu entwickelnden Kodex einen Beitrag zur Harmonisierung des bisher in der Unternehmenspraxis sehr uneinheitlich ausfallenden Intangible Asset- und Goodwill Reporting leisten. Diesen Ausführungen schloss sich im dritten Abschnitt eine Darlegung wesentlicher Determinanten des Shareholder Value-Modells an, wobei das Intangible Asset- und Goodwill Reporting als Komponenten der Investor Relations-Politik zentrale Säulen der kapitalmarktorientierten Unternehmensführung darstellen. Die Informationslücke, welche auf der Agency-Theorie basiert, ist im Rahmen eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting gegenüber dem Kapitalmarkt zu erklären und zu senken. Im dritten Kapitel des Ersten Hauptteils wurde das Business Risk Auditing einer prüfungstheoretischen Fundierung zugeführt, wobei neben dem Misstrauensparadigma nach Loitlsberger im zweiten Abschnitt wesentliche Einflussfaktoren der Erwartungslücke, die bei der Prüfung immaterieller Vermögenswerte und des Geschäfts- oder Firmenwerts besonders ausgeprägt ist, im Fokus der Analyse standen. Zur Reduzierung der Erwartungslücke verfolgt die Prüfungsgesellschaft, so die Ausführungen im dritten Abschnitt, die Strategie eines passiven Signalling in Form einer Schaffung von Vertrauenskapital (Reputation), das als zentraler Qualitätsindikator am Kapitalmarkt anzusehen ist. Angesichts der Tatsache, dass die Reputation nicht direkt messbar ist, bedurfte es eines Rückgriffs auf die Unabhängigkeit als Ersatztatbestand. Die im anschließenden vierten Kapitel des Ersten Hauptteils vorgestellten Einflüsse auf das Business Risk Auditing wurden in jüngerer Zeit durch die US-amerikanischen Normierungen dominiert und haben den europäischen und nationalen Reformprozess nachhaltig beeinflusst. Die eingeleiteten Maßnahmen zur Stärkung der gesetzlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers leisteten, wie im ersten Abschnitt dargelegt wurde, einen Beitrag zur Wiederherstellung des durch die Bilanzskandale gesunkenen Vertrauens in die Funktionalität der Kapitalmärkte. Die Ausführungen zur gesetzlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers haben indes verdeutlicht, dass eine Kombination von Prüfungs- und Beratungsleistungen auch in Zukunft grds. rechtmäßig und ökonomisch sinnvoll ist. Dies bedeutet, dass der gesetzliche (Konzern-) Abschlussprüfer - unter Berücksichtigung der handelsrechtlichen Grenzen - bei der Implementierung eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting beratend tätig sein kann. Zugleich gilt, dass die §§ 319, 319 a HGB lediglich die gesetzliche Pflichtprüfung tangieren, so dass freiwillige Prüfungsleistungen [z. B. die Prüfung oder prüferische Durchsicht von Intangible Asset- und Goodwill Reports außerhalb des (Konzern-) Lageberichts] in Kombination mit vorangehenden Beratungsleistungen de jure nicht hierunter fallen. Unter Zugrundelegung der Signalling-Theorie und vor dem Hintergrund der Beachtung der Verlautbarungen des IDW ist allerdings eine Ausstrahlungswirkung der handelsrechtlichen Konkretisierungen des Unabhängigkeitspostulats auch auf nicht unter die gesetzliche Pflichtprüfung fallende Leistungen anzunehmen. Mithin ist eine Kombination von (Konzern-) Abschlussprüfung und Reporting-Prüfung möglich und empfehlenswert, eine zusätzliche Beratungstätigkeit im Hinblick auf das Reporting scheidet hingegen aus. Des Weiteren wurde im zweiten und dritten Abschnitt die Stärkung der Überwachungsträger (u. a. durch die Bildung von Ausschüssen und Ausbau des sekundären Enforcements) positiv gewürdigt, wenngleich Vorschläge für eine Fortentwicklung angezeigt waren. Dies betraf die Erweiterung des Enforcements um ein Pre Clearance sowie die

Zwischenfazit

143

Modifizierung der Normierungen zur Bildung von Prüfungsausschüssen durch den BilMoG-RefE. Als wichtigster Einflussfaktor fungierte die risikoorientierte Prüfung in ihrer Fortentwicklung zu einem Business Risk Auditing als Gegenstand des vierten Abschnitts. In diesem Zusammenhang wurde das Intangible Asset- und Goodwill Auditing als Bestandteil des Business Risk Auditing eingeordnet, weil die zu beurteilenden Geschäftsrisiken des Unternehmens maßgeblich durch immaterielle Vermögenswerte und den Goodwill determiniert werden, welche wiederum die Schätzung des Prüfungsrisikos in hohem Maße beeinflussen. Das Business Risk Auditing verdeutlicht hierbei die Notwendigkeit der Implementierung eines wertorientierten Chancen- und Risikomanagementsystems für Intangible Assets und den Goodwill nach dem angloamerikanischen Internal Control-Konzept. Die nachfolgende Abbildung 15 gibt eine Zusammenfassung der im Ersten Hauptteil vorgestellten Rahmenkonzeption. Als wesentliche Konklusion für die weitergehenden Betrachtungen ließ sich die Notwendigkeit eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting einschließlich konkretisierender Vorgaben zum Reporting sowie zum Auditing ableiten.

Rahmenkonzeption

Financial Accounting

Business Reporting

Business Risk Auditing

Theoretische Fundierung:

Theoretische Fundierung:

Neoklassische Kapitalmarkttheorie (Informationseffizienz)

Auditing Theory

Neue Institutionenökonomie (Informationsasymmetrien)

Erwartungslücke

Accounting Theory (organisch, statisch, dynamisch)

Signalling Theory (Reputation)

Notwendigkeit eines Intangible Asset- und Goodwill Reporting einschl. einer Konkretisierung

Einflüsse: Konvergenz von Rules- und Principles Based Accounting („Objective Oriented Accounting“) Fortentwicklung des privaten Standardsetting (Dynamisierung) Implementierung der Shareholder Value-Politik

Abbildung 15:

Konkretisierung des Intangible Asset- und Goodwill Auditing

Einflüsse: Stärkung der Prüferunabhängigkeit Stärkung der Überwachung (Audit- und Disclosure Committees, sekundäres Enforcement) Neuausrichtung des Prüfungsmodells

Vorgehensweise im Ersten Hauptteil

Nachdem die theoretische Fundierung vorgenommen und ausgewählte Einflüsse aufgezeigt wurden, fokussieren der Zweite und Dritte Hauptteil das Intangible Asset- bzw. Goodwill Accounting und Reporting aus nationaler und internationaler Sicht. Bezüglich der Darlegung der abstrakten und konkreten Ansatzfähigkeit im Zweiten Hauptteil nach dem Handels- und Steuerrecht sowie nach den IFRS wird aus Gründen der Vergleichbar-

144

Erster Hauptteil

keit ebenfalls bei den IFRS lediglich auf die nationalen Ausprägungen der Accounting Theory abgestellt. Ein Abbau der Erwartungslücke ist erst dann in Aussicht gestellt, wenn ein konkretisierender Standard zur freiwilligen Prüfung oder prüferischen Durchsicht von Intangible Assetund Goodwill Reports vorliegt, der bis dato noch aussteht. Erste Empfehlungen sind im Vierten Hauptteil zu unterbreiten.

Bilanzierung und Erstbewertung

145

Zweiter Hauptteil: Intangible Asset- und Goodwill Accounting I.

Bilanzierung und Erstbewertung

A.

Abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit

1.

Handels- und Steuerrecht

Die bilanzielle Erfassung von immateriellen Vermögenswerten richtet sich nach ihrer Aktivierungsfähigkeit, welche standardübergreifend in eine abstrakte und konkrete Komponente unterteilt wird. Während die konkrete Aktivierungsfähigkeit eine bilanzielle Erfassung eines Vermögenspostens von gesetzlichen Ansatzwahlrechten, -geboten und verboten abhängig macht, stellt die abstrakte Ansatzfähigkeit auf die theoretischen Voraussetzungen 1175 1176 für das Vorliegen eines Vermögenswerts ab. Die abstrakte Ansatzfähigkeit im Handels- und Steuerrecht beschränkt sich nach h. M. auf die Tatbestandsvoraussetzungen der Entstehung eines über die Abrechnungsperiode hi1177 sowie der selbstständigen Verkehrsfähigkeit (Handelsnausgehenden Nutzenvorteils 1178 1179 recht) bzw. der selbstständigen Bewertbarkeit und der Greifbarkeit (Steuerrecht). An1180 gesichts der Tatsache, dass diese aus den (nicht kodifizierten) GoB abzuleiten sind, ergeben sich unterschiedliche im Schrifttum diskutierte Auslegungsvarianten der selbstständigen Verkehrsfähigkeit, wobei neben der Einzelbeschaffbarkeit und der -veräußerbarkeit 1181 die Einzelverwertbarkeit diskutiert werden. 1182

im Folgenden interpretiert als Das Kriterium der selbstständigen Verkehrsfähigkeit, Verwertbarkeit, welches auf die statische Ausprägung der Accounting Theory nach Simon 1183 zurückgeht, stellt darauf ab, ob der immaterielle Vermögenswert einzeln beschaffbar 1175 1176 1177

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Vgl. zur historischen Entwicklung u. a. Tolls 1987, S. 11 f. Vgl. stellvertretend Kessler 1994, S. 2. In diesem Sinne erfährt der Begriff des Gegenstands nach den §§ 90, 135, 161 und 185 BGB, die lediglich Güter subsumieren, die im Eigentum des Kaufmanns stehen, im Handelsrecht eine wesentliche Erweiterung. Allerdings muss die tatsächliche Verfügungsmacht durch den Bilanzierenden gegeben sein. Vgl. Stieler 1999, S. 9 f. Vgl. Meyer 1991, S. 27. Vgl. zum Principles Based Accounting Erster Hauptteil, Abschn. II.A. Vgl. detailliert zu den unterschiedlichen Auslegungsvarianten des handelsrechtlichen Begriffs des Vermögensgegenstands Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 15-24 zu § 246 HGB, S. 185-188; Fasselt/ Brinkmann 2004a, S. 3. Der Grundsatz der selbstständigen Verwertbarkeit schließt neben der Veräußerung auch eine entgeltliche Nutzungsüberlassung oder sonstige Übertragungsformen wirtschaftlicher Vorteile ein; vgl. hierzu u. a. Lamers 1981, S. 205 f. Vgl. Simon 1899, S. 67 sowie die Ausführungen zur Fortführungsstatik in Abschn. I.C.2 des Ersten Hauptteils.

146

Zweiter Hauptteil

und veräußerbar ist, d. h. selbstständig im normalen oder zwangsweisen Handels- und 1184 Rechtsverkehr auftritt. Eine konkrete Einzelverwertbarkeit wird dabei nach h. M. nicht als zwingend vorausgesetzt; es reicht vielmehr aus, dass das Objekt seiner Natur nach, d. h. 1185 abstrakt, selbstständig übertragbar ist. Somit ist die Existenz tatsächlicher Interessenten 1186 ebenso wenig entscheidend wie das Bestehen zivilrechtlicher Veräußerungsverbote. Im Vergleich zum Steuerrecht und zu den IFRS sind die Möglichkeiten einer Identifizierung immaterieller Vermögensgegenstände und einer daraus einhergehenden separaten Aktivierung vom Goodwill nach HGB de lege lata restriktiver ausgestaltet. Der Grundsatz der 1187 wirtschaftlichen Betrachtungsweise tritt hinter den Gläubigerschutz zurück. Dieses handelsrechtliche Charakteristikum gilt es, hinsichtlich des Intangible Asset- und Goodwill Reporting zu berücksichtigen. Unstrittig ist, dass das weniger strenge steuerrechtliche Erfordernis der selbstständigen Bewertbarkeit in dem Grundsatz der Einzelbewertung seinen ursprünglichen Niederschlag 1188 gefunden hat. Die selbstständige Bewertbarkeit wird als Begrenzung des Grundsatzes 1189 der Vollständigkeit klassifiziert. Hiernach müssen „einmalige, eindeutig und klar ab1190 grenzbare“ sowie „nicht unbedeutende“ Aufwendungen vorliegen, „die sich erkennbar 1191 aus den laufenden hervorheben“. Neben der selbstständigen Bewertbarkeit fordert die 1192 Rechtsprechung nach dem Greifbarkeitsprinzip , dass sich der Wert „nicht so ins allgemeine“ verflüchtigt, „daß er nur als Steigerung des Goodwill des ganzen Unternehmens 1193 [...] in Erscheinung tritt. Das in Rede stehende Gut muss somit im Entscheidungskalkül des Unternehmers oder eines Dritten („gedachter Erwerber“) Berücksichtigung finden, 1194 d. h. werthaltig sein. Das Greifbarkeitsprinzip und der Grundsatz der selbstständigen Bewertbarkeit ergänzen sich gegenseitig, wobei eine eindeutige Trennung nicht möglich ist.

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1194

Vgl. Bentele 2004, S. 27 sowie Freericks 1976, S. 142 und Roland 1980, S. 152. Weitere Lesarten sind die selbstständige Übertragbarkeit, Herrschaftsmöglichkeit oder die Selbstständigkeit im Hinblick auf schuldrechtliche Rechtsverhältnisse; vgl. hierzu auch Kußmaul 2003, Rn. 6 zu § 246 HGB, S. 3. Vgl. etwa Bentele 2004, S. 28 sowie von Keitz 1997, S. 23 f. Vgl. u. a. Dawo 2003, S. 57. Vgl. Hommel 1998, S. 88. Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB; hierzu statt vieler Meyer 1991, S. 28. Vgl. § 246 Abs. 1 HGB. BFH 1965, S. 414. BFH 1969, S. 178. Moxter konstatiert, dass lediglich „vergegenständlichte, konkretisierte Vermögenswerte, die ihrerseits auch einen greifbaren Wert haben“, als Vermögensgegenstände Geltung erlangen. Moxter 1987, S. 1847 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Kronner 1995, S. 14 f.; Kußmaul 2003, Rn. 6 zu § 246 HGB, S. 4; Schütte 2006, S. 91 f. RFH 1931b, S. 307; vgl. die kontrovers geführte Diskussion bezüglich der bilanzrechtlichen Klassifizierung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtlichen Jahresabschluss angesichts seiner fehlenden Einzelveräußerbarkeit Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Jacobs konstatiert, dass eine mangelnde selbstständige Erfassung von Vermögensgütern grds. eine separate Aktivierung verbietet, weil die Wertpositionen als flüchtig oder zweifelhaft zu qualifizieren sind; vgl. Jacobs 2002, Sp. 2502. Vgl. abschließend Moxter 2003, S. 79.

Bilanzierung und Erstbewertung 1195

147 1196

In Rechtsprechung und Schrifttum erfolgt vielfach trotz der vorstehend genannten Unterschiede eine materielle Gleichsetzung zwischen dem handelsrechtlichen Vermögens1197 gegenstand und dem steuerrechtlichen Terminus des Wirtschaftsguts unter Bezugnahme 1198 1199 auf das Maßgeblichkeitsprinzip als „Gesetzesbefehl“ , der in der vorliegenden Untersuchung nicht gefolgt wird. Nicht zuletzt die bisherige uneinheitliche bilanzielle Einordnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtlichen Jahresabschluss 1200 und in der abgeleiteten „Steuerbilanz“ schließen auf ein abweichendes Verständnis. Eine Einzelveräußerbarkeit der Vermögensposten wurde steuerrechtlich bereits durch den RFH zugunsten der Möglichkeit einer Übertragung mit dem gesamten (Teil-) Betrieb aufgegeben, so dass der Kreis der identifizierbaren immateriellen Wirtschaftsgüter weiter zu fassen 1201 ist als nach HGB. Demzufolge sind nicht nur Sachen und Rechte dem Begriff des Wirtschaftsguts subsumiert, sondern ebenfalls „tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten 1202 und alle sonstigen vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige 1203 etwas kosten lässt und die [...] einen [...] Nutzen für mehrere Geschäftsjahre erbrin1204 gen“ . Die traditionelle Dominanz des Gläubigerschutzprinzips innerhalb des handels-

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Vgl. BFH 1978, S. 262 und BFH 1987a, S. 348, wonach „der steuerrechtliche Begriff des Wirtschaftsgutes nicht weitergehen [kann] als der handelsrechtliche Begriff des Vermögensgegenstands“ bzw. dem „Begriff des Vermögensgegenstands entspricht“ sowie weiterführend Costede 1995, S. 116; Lutz 1995, S. 85. Vgl. stellvertretend Beisse 1980, S. 638 m.w.N; Siegler 2006, S. 59; Streim/Esser 2003a, S. 740; Westerfelhaus 1995, S. 889. Vgl. zur historischen Entwicklung des Begriffs RFH 1928, S. 260 f. sowie hierzu im Einzelnen Pfeiffer 1982, S. 12 f.; Schnorr 2004, S. 315. Lutz/Schlag 2007, S. 34. Vgl. u. a. Stieler 1999, S. 13 m. w. N.In diesem Kontext erfolgt der Hinweis, dass bei der Verabschiedung des BiRiLiG von der im Regierungsentwurf enthaltenen Ersetzung des Begriffs Vermögensgegenstand durch den Terminus Wirtschaftsgut in § 241 Abs. 1 HGB in der Fassung des BiRiLiG-RegE angesichts der fehlenden Deckungsgleichheit letztlich abgesehen wurde; vgl. hierzu Adler/Düring/ Schmaltz 1998, Rn. 14 zu § 246 HGB, S. 185; Biener/Berneke 1986, S. 66; Roland 1981, S. 173. Vgl. hierzu statt vieler Kuntschik 2004, S. 82 sowie zur bilanziellen Einordnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im Bilanzsteuerrecht Abschn. I.E.3 dieses Hauptteils; teleologisch auslegend Marx 2002c, S. 604, wonach sämtliches Vermögen unter den Begriff des Wirtschaftsguts fällt, womit der Steuerpflichtige „wirtschaften und gleichzeitig Gewinn erzielen könne“. Vgl. RFH 1931b, S. 307; ebenfalls Marx 2002c, S. 604; synoptisch Treisch 2006, S. 1246; Walter 1982, S. 24 f. Jacobs führt aus, dass „der BFH dem Wirtschaftsgut in formaler Befolgung des Maßgeblichkeitsprinzips den Titel Vermögensgegenstand verleiht“, jedoch vorher dem Vermögensgegenstand den materiellen Inhalt des Wirtschaftsguts unterstellt, Jacobs 2002, Sp. 2506; vgl. ausführlich für eine kritische Würdigung Lutz 1995, S. 81. „Der Begriff des Wirtschaftsguts ist im Einkommensteuergesetz nicht definiert. Er ist nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu bestimmen und weit zu fassen“, BFH 1986b, S. 14; BFH 1992, S. 977 sowie vgl. weiterführend Pfeiffer 1982, S. 17; Schmidbauer 2003a, S. 2037. In einem jüngeren Urteil bekräftigt der BFH, dass der Wirtschaftsgutbegriff „weit gespannt ist“, BFH 2003, S. 879. Vgl. eingehend Pfeiffer 1982, S. 20 f. Vgl. zum künftigen Nutzenzufluss Tolls 1987, S. 68-72. Der RFH konstatierte, dass lediglich „eine Chance, nur eine Gewinnmöglichkeit“ zur Nutzenexistenz genügt. RFH 1929b, S. 832. BFH 1986b, S. 14; BFH 1989a, S. 15; sowie vgl. weiterführend ebenfalls Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 13 zu § 246 HGB, S. 184; Jacobs 2002c, Sp. 2505; Kronner 1995, S. 13; Kußmaul 1987, S. 2055; Meyer 1991, S. 29; Wichmann 1988, S. 192.

148

Zweiter Hauptteil

rechtlichen Jahresabschlusses wird im Bilanzsteuerrecht durch den Grundsatz der leistungsfähigen Besteuerung, welcher einer vermehrt wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) folgt, relativiert, so dass die selbstständige Verkehrsfähigkeit im 1205 Handelsrecht durch die weniger restriktive Einzelbewertbarkeit substituiert wird. Die steuerrechtliche Rechtsprechung stellt somit auf eine im Vergleich zum Handelsrecht we1206 niger restriktive Auslegung der statischen Accounting Theory nach Simon ab. Die Fähigkeit eines immateriellen Vermögensgegenstands bzw. Wirtschaftsguts, für das 1207 betreffende Unternehmen einen zukünftigen (längerfristigen) Nutzen zu generieren, entstammt - wie bereits vorstehend erwähnt - der dynamischen Ausprägung der Accounting 1208 Theory nach Schmalenbach und erfordert eine eindeutige Abgrenzung von Aufwendungen für derartige Vorteile, die bereits in der laufenden Berichtsperiode entstanden sind und 1209 über den Stichtag hinausreichen. Die Bewertungsbeschränkung auf die abgegrenzten Anschaffungs- oder Herstellungskosten „entspricht einer objektivierten Abbildung der Er1210 tragserwartungen“ und repräsentiert den unter Kapitalerhaltungsgesichtspunkten not1211 wendigen und zugleich höchstmöglichen Mindestkapitalrückfluss. Die immateriellen 1212 Vermögenswerte dürfen nicht den (noch) existierenden Bilanzierungshilfen zugeordnet und müssen Bestandteil des Geschäftsvermögens des Unternehmens sein. Die konkrete Ansatzfähigkeit von immateriellen Vermögensgegenständen und Wirtschaftsgütern bemisst sich im Handels- und Steuerrecht zum einen nach der subjektiven 1213 1214 Zurechenbarkeit, der Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen und zum anderen de lege lata nach der Entgeltlichkeit des Vermögenserwerbs. Dabei sind die entsprechenden Akti1215 vierungsgebote, -wahlrechte und -verbote zu berücksichtigen. Letztere sind bislang u. a.

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Vgl. BFH 1993b, S. 444 m. w. N.sowie grundlegend Tiemann/Dörner 2006, S. 165; Tolls 1987, S. 23-27. Vgl. zu dieser Einschätzung Groh 1989, S. 1586 f.; Krolak 2000, S. 28; Lutz/Schlag 2007, S. 35 und die Auführungen in Abschn. I.C.2 des Ersten Hauptteils. Vgl. dieser Notwendigkeit bereits RFH 1928, S. 260 und BFH 1965, S. 415; BFH 1979b, S. 737; BFH 1990c, S. 346. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3. Vgl. stellvertretend Dawo 2003, S. 52. Dawo 2003, S. 53. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Schön 1997b, S. 72. Vgl. zur handelsrechtlichen Bilanzierungshilfe der Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen die Ausführungen in Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Durch den BilMoG-RefE werden sämtliche Bilanzierungshilfen ersatzlos gestrichen. Die Vermögensposition ist grds. demjenigen zuzurechnen, der bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise wie ein Eigentümer zu behandeln ist; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 262 f. zu § 246 HGB, S. 262 sowie Gockel/Gollers 2002, S. 6544. Vgl. zur definitorischen Abgrenzung bereits Walter 1982, S. 93. Das Vermögensgut muss dazu bestimmt sein, dem Geschäftsbetrieb zu dienen, wobei insbesondere auf die tatsächliche Zweckbestimmung abgestellt wird; vgl. hierzu ausführlich Gockel/Gollers 2002, S. 6544 f. Dies betrifft die nach dem HGB bislang aktivierungsfähigen Bilanzierungshilfen (z. B. Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs, aktive latente Steuern) und aktive Rechnungsabgrenzungsposten, welche ausdrücklich keine immateriellen Vermögensgegenstände darstellen. Vgl. weiterführend zur Einordnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

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in § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG geregelt und weitgehend deckungsgleich. Dabei folgt der (Steuer-)Gesetzgeber einer Negativabgrenzung vom Vollständigkeitsge1217 bot. Demnach dürfen Vermögensgegenstände und Wirtschaftsgüter bislang nicht zum Ansatz gelangen, wenn ein unentgeltlicher Erwerb vorliegt, das Vermögensgut sich durch 1218 eine Immateriellität auszeichnet und gleichzeitig dem Anlagevermögen zuzuordnen ist. Das Aktivierungsverbot resultiert primär aus dem Gläubigerschutzgedanken nach Si1219 mon, um einen „in der betreffenden Periode überhöhten Ansatz des entziehbaren Ge1220 1221 winns“ zu unterbinden. Im Umlaufvermögen dagegen besteht eine grundsätzliche Ansatzverpflichtung für derivative und originäre immaterielle Vermögensgegenstände bzw. 1222 Wirtschaftsgüter. Ausschlaggebend für die Einordnung als Anlage- oder Umlaufvermö1223 gen ist die wirtschaftliche Zweckbestimmung des Vermögensguts. Als Erwerb wird nach allgemeinem Verständnis der Übergang der Verfügungsmacht, d. h. des wirtschaftlichen Eigentums auf den Bilanzersteller, verstanden, der durch ein Rechts1224 geschäft, einen Hoheitsakt oder einen sonstigen gesellschaftlichen Vorgang erfolgt. Neben dem Einzel- und Unternehmenserwerb, die bei der vorliegenden Untersuchung im Fokus stehen, sind Tauschvorgänge, Schenkungen oder Zuwendungen der öffentlichen Hand 1225 denkbar. Das Erfordernis eines entgeltlichen Erwerbs dient bislang als handels- und steuerrechtliches Objektivierungskriterium, weil als Gegenleistung für das immaterielle Vermögensgut Ausgaben oder Ausgabenäquivalente zu tätigen sind, die sich z. B. in 1226 Tauschvorgängen, Sacheinlagen oder gesellschaftsrechtlichen Einlagen niederschlagen. Innerbetriebliche Aufwendungen sind dabei als unzureichend zu bewerten, vielmehr müs1227 sen sie von einem Dritten zufließen.

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Auf das in § 248 Abs. 3 HGB benannte Ansatzverbot für Aufwendungen, die beim Abschluss von Versicherungsverträgen anfallen, wird im Folgenden nicht näher eingegangen. Das in § 248 Abs. 1 HGB implementierte Verbot einer Aktivierung von Aufwendungen für die Unternehmensgründung und für die Eigenkapitalbeschaffung wird i. R. d. Abgrenzung zu den aktivierungsfähigen Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs berücksichtigt; vgl. Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Vgl. § 246 Abs. 1 HGB und § 5 Abs. 1 EStG. Für die interne Unternehmensrechnung ist der Grundsatz des entgeltlichen Erwerbs unter Berücksichtigung des internen Periodisierungsprinzips allerdings als „störend“ zu beurteilen und konterkariert die Implementierung eines integrierten Rechnungswesens; vgl. Kahle 2003b, S. 781 und Zirkler/Nohe 2003, S. 225 sowie ebenfalls Dritter Hauptteil, Abschn. I.B.1. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2. Vgl. Duhr 2006, S. 133; Strunk 2004, S. 645. Demnach müssen Ausgaben für immaterielle Anlagegüter erst durch eine Marktobjektivierung in ihrem Wert bestätigt werden; vgl. weiterführend zur Verbindung zwischen Gläubigerschutz und Insolvenzschutz Seicht 2001, S. 293. Vgl. hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 14 zu § 248 HGB, S. 383. Vgl. u. a. Metze 1990, S. 37 sowie zu Auslegungsproblemen Egger 2006, S. 129-137. Vgl. Siegler 2006, S. 66. Vgl. Baetge/Fey/Weber 2003, Rn. 25 zu § 248 HGB, S. 10. Vgl. weiterführend Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 15 bis 18 zu § 248 HGB, S. 384 f. Vgl. hierzu auch Lutz-Ingold 2005, S. 75. Die Rechtsprechung sieht in den immateriellen Wirtschaftsgütern „besonders unsichere Werte“, da bei ihrer Erzeugung noch nicht feststeht, ob und wie lange sie dem Unternehmen dienlich sind; vgl. hierzu im Einzelnen Stapperfend 1991, S. 69.

150

Zweiter Hauptteil

Die Erstbewertung von immateriellen Vermögenswerten, die durch einen entgeltlichen Einzelerwerb (derivativ) in das Unternehmen eingehen, hat zwingend auf Basis der Anschaffungskosten zu erfolgen. Hierunter fallen neben dem Anschaffungspreis (Kaufpreis, Rechnungsbetrag) und den Anschaffungsnebenkosten (z. B. Frachten, Zölle) abzüglich preisminderungen (z. B. Rabatte, Boni) auch nachträgliche Anschaffungspreiskosten, die über das Maßgeblichkeitsprinzip ebenfalls in steuerrechtlicher Hinsicht Anwendung fin1228 den. Für Fremdkapitalzinsen unterstellt die h. M. ein restriktives Einbeziehungswahlrecht bei bestimmten Konstellationen, welches ebenfalls für die Bemessung der Herstel1229 lungskosten gilt. Der Berücksichtigung von Herstellungskosten kommt handels- und steuerrechtlich bislang keine Bedeutung für originäre immaterielle Anlagegüter zu. Infolge des BilMoG-RefE ergeben sich weitreichende Änderungen durch die bedingte Aktivierungspflicht für originäre immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens. Zudem sehen die Pläne des handelsrechtlichen Gesetzgebers - neben den wie bisher einzubeziehenden Einzelkosten - nunmehr einen zwingenden Ansatz der bislang optionalen vari1230 ablen Gemeinkosten vor. Damit soll eine Annäherung an das Steuerrecht und tendenziell ebenfalls an die IFRS erzielt werden. Die Reformpläne zur verpflichtenden Einbeziehung der Gemeinkosten sind angesichts der Erhöhung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Abschlusses zu begrüßen. Die in § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB aufgeführten Einbeziehungswahlrechte sind allerdings auch weiterhin handels- und steuerrechtlich einsetzbar. Auf die Abgrenzung zwischen nicht ansatzfähigen Forschungsaufwendungen und bedingt aktivierungspflichtigen Entwicklungsaufwendungen als Bestandteile der Herstel1231 lungskosten ist im weiteren Verlauf der Untersuchung noch gesondert einzugehen. Die Abgrenzungskriterien zwischen immateriellen und materiellen Vermögensgegenständen bzw. Wirtschaftsgütern werden im nachfolgenden Gliederungspunkt detailliert darstellt, so dass in diesem Kontext lediglich auf die Klassifizierung als Umlauf- oder Anlagevermögen einzugehen ist. Das Anlagegut muss im handelsrechtlichen Sinne dazu be1232 stimmt sein, dem Geschäftsbetrieb „dauernd zu dienen“ . Dabei stellt das Zeitelement 1233 zwar ein notwendiges, aber kein hinreichendes Abgrenzungskriterium dar. Die Einordnung als Anlagevermögen entscheidet sich nach der „wirtschaftlichen Zweckbestimmung“, 1234 die auf dem Wortlaut der Vierten EG-Richtlinie basiert. Als Kriterien zur Ermittlung der Zweckbestimmung werden im Schrifttum die Art und Natur des Gegenstands, die Unter-

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Vgl. § 255 Abs. 1 HGB und § 5 Abs. 1 EStG. Vgl. hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 35-39 zu § 255 HGB, S. 347. In den genannten Fällen müssen die Kredite dazu dienen, die Anschaffung von Neuanlagen mit längerer Bauzeit durch Anzahlungen oder Vorauszahlungen zu finanzieren. Ansonsten besteht ein Aktivierungsverbot für Fremdkapitalzinsen. Vgl. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB-E. Vgl. Abschn. I.B dieses Hauptteils. § 247 Abs. 2 HGB. Vgl. Schütte 2006, S. 39. Das Zeitelement „kann allenfalls ein Anhaltspunkt dafür sein, daß eine dauernde Verwendung bezweckt ist“, Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 108 zu § 247 HGB, S. 363. Vgl. Art. 15 Abs. 1 Vierte EG-Richtlinie sowie hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 105 zu § 247 HGB, S. 362 f.; von Keitz 1997, S. 47 und Lutz-Ingold 2005, S. 80.

Bilanzierung und Erstbewertung

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nehmensbranche, die tatsächliche Verwendung und die Veräußerungsmöglichkeit ange1235 führt. Zusammenfassend ist bei der konkreten Aktivierungsfähigkeit von immateriellen Vermögensgegenständen nach Maßgabe des HGB de lege lata in Entsprechung zur abstrakten ein bislang überragender Einfluss der statischen Accounting Theory nach Simon zu konstatieren, da die Aktivierung sämtlicher originärer immaterieller Werttreiber des Anlagevermö1236 gens aus Objektivierungserfordernissen (noch) unzulässig ist. Die Informationsfunktion der Bilanz wird somit wesentlich beeinträchtigt. Die Pläne des Gesetzgebers für ein BilMoG gehen somit mit einem Wandel von einer primär gläubigerschutz- zu einer vermehrt investororientierten Sichtweise einher, da § 248 Abs. 2 HGB aufgehoben werden soll. Der Gesetzgeber stellt zwar fest, dass die bisherige Verbotsvorschrift „auf der richtigen - dem Gedanken des Gläubigerschutzes entsprechenden - Überlegung [Anm. des Verf.: beruht], dass selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens aufgrund ihrer Unkörperlichkeit [...] nur schwer 1237 ein objektiver Wert zugewiesen werden kann“ . Trotz dieser Erkenntnis wird die Umwandlung des Ansatzverbots in eine -verpflichtung mit der Möglichkeit einer „verbesser1238 ten Außendarstellung“, insbesondere von „Start up“-Unternehmen, begründet. Durch den erhöhten Bilanzansatz soll sich nach Einschätzung des Gesetzgebers die Beschaffung 1239 von Eigen- und Fremdkapital am Kapitalmarkt verbessern. Die mit einer Aktivierungspflicht selbst geschaffener Anlagegüter einhergehende Übereinstimmung zur bilanziellen Erfassung immaterieller Werte im Umlaufvermögen soll allerdings auch künftig Gläubigerschutzinteressen Rechnung tragen, da für das originäre immaterielle Anlagevermögen 1240 eine gesetzliche Ausschüttungssperre implementiert wird. Das bestehende steuerrechtli1241 che Ansatzverbot für selbsterstellte immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens soll von den Änderungen des BilMoG-RefE nicht berührt werden. In diesem Fall entfernt sich der Gesetzgeber von einer vielfach gewünschten „Rückkehr“ zur Einheitsbilanzierung. Der E-DRS „Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung“, welcher angesichts man1242 nigfaltiger negativer Stellungnahmen nicht verabschiedet und von der Agenda des DSR genommen wurde, sah basierend auf einer umfassenden Neufassung der GoB eine Fortentwicklung des handelsrechtlichen Vermögensgegenstands zugunsten des Vermögens1243 wert-Begriffs nach Maßgabe der IFRS vor. Für die handelsrechtliche Konzernrechnungslegung haben diese Überlegungen bereits in DRS 12 Berücksichtigung gefunden. Die

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Vgl. detailliert Adler/Düring/Schmaltz 1998, Rn. 110 bis 114 zu § 247 HGB, S. 364 f. Vgl. ebenso Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 6 (§ 248 HGB), S. 98. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 6 (§ 248 HGB), S. 97. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 6 (§ 248 HGB), S. 97 f. Vgl. § 268 Abs. 8 HGB-E. Vgl. § 5 Abs. 2 EStG. Vgl. stellvertretend Arbeitsgruppe 2002a, S. 2595; Peemöller 2003, S. 211. Vgl. DRS E-Rahmenkonzept, Rn. 66 bis 69 sowie die weiteren Ausführungen in Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils.

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Zweiter Hauptteil 1244

abstrakten Ansatzvoraussetzungen für immaterielle Vermögenswerte ähneln vordergründig denen des IAS 38. Neben der Identifizierbarkeit muss der immaterielle Vermögenswert in der Verfügungsmacht des Unternehmens stehen und nicht monetär sowie ohne physische Substanz sein. Der DSR folgt jedoch im Vergleich zu IAS 38 einer engeren Definition der Identifizierbarkeit, da neben der selbstständigen Verwertbarkeit und der Abgrenzbarkeit des Nutzens eine Übertragbarkeit auf andere Wirtschaftssubjekte durch Ver1245 äußerung, Tausch, entgeltliche Überlassung oder Lizenzierung gefordert wird. Die terminologische Anpassung des DSR (Vermögenswert anstelle -gegenstand) hat der handelsrechtliche Gesetzgeber im BilMoG-RefE nicht übernommen, da weiterhin auf die 1246 Da sowohl die handelsrechtliche Vermögensgegenstandseigenschaft abzustellen ist. Kommentierung als auch der DSR eine selbstständige Verwertbarkeit als abstrakte Aktivierungsvoraussetzung ansehen, ist die Verwendung der unterschiedlichen Vermögensterminologien missverständlich. Der DSR ist daher aufgefordert, die notwendigen Anpassungen an das BilMoG zeitnah vorzunehmen und aus Gründen der Rechtsklarheit den handelsrechtlich bindenden Vermögensgegenstandsbegriff anstelle des bisherigen Terminus Vermögenswert zu verwenden. Die konkreten Ansatzvoraussetzungen des DSR fordern neben dem entgeltlichen Erwerb einen wahrscheinlichen Nutzenzufluss aus dem Vermögenswert und eine verlässliche Be1247 wertbarkeit. Die Orientierung an den IFRS erfährt allerdings zugleich eine wesentliche 1248 Restriktion, in dem (de lege lata) lediglich entgeltlich erworbene Vermögenswerte des 1249 Anlagevermögens zum Ansatz gelangen dürfen. Dabei hat der Bilanzersteller die Wahrscheinlichkeit des zukünftigen Nutzenpotenzials anhand von „vernünftigen und begründe1250 ten Annahmen zu beurteilen“ , „unternehmensexternen Nachweisen eine größere Bedeu1251 tung beizumessen als unternehmensinternen“ sowie eine Dokumentation der Annahmen 1252 vorzunehmen, damit diese „für einen sachverständigen Dritten nachvollziehbar“ sind. Bei der Bilanzierung von Unternehmenserwerben im Konzernabschluss ist insbesondere 1253 auf die Forderung des DSR einzugehen, eine vollständige und separate Erfassung der

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Vgl. DRS 12.7. Vgl. zu dem Tatbestandsmerkmal der Identifizierbarkeit nach IFRS Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 6 (§ 248 HGB), S. 98. Vgl. DRS 12.8; hierzu auch Höllerschmid 2006b, S. 157. Vgl. Langecker/Mühlberger 2002, S. 334; Wagner 2006a, S. 42 f.; anderer Ansicht scheinbar Schütte 2006, S. 105 f. Vgl. DRS 12.8 sowie hierzu ausführlich Schmidbauer 2003a, S. 2037 f. In DRS 12.A8 wird als Empfehlung für eine Fortentwicklung des HGB in Form eines zu implementierenden Passus dargelegt, dass durch den entgeltlichen Erwerb der Tatbestand einer verlässlichen Bewertung i. d. R. erfüllt ist. Die Regulierungsbefugnis des DRSC beinhaltet allerdings lediglich eine Konkretisierung der bestehenden handelsrechtlichen Normierungen und keine materielle Veränderung des bestehenden Rechts; vgl. hierzu die grundlegenden Ausführungen in Erster Hauptteil, Abschn. II.B. DRS 12.10. DRS 12.11. DRS 12.12. Vgl. hierzu auch Schmidbauer 2001b, S. 367. Eine Bekanntmachung der aktualisierten Fassung des DRS 4 im Bundesanzeiger erfolgte am 31.08.2005 durch das BMJ. Damit ist der DRS 4 nach h. M. (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Bilanzierung und Erstbewertung

153

Vermögenswerte (und Schulden) bei dem erwerbenden Unternehmen vorzunehmen, unab1254 hängig davon, ob sie vom erworbenen Unternehmen bilanziert worden sind oder nicht. Das bisherige Aktivierungsverbot gem. § 248 Abs. 2 HGB wird bei einer Unternehmensübernahme faktisch überwunden, weil ehemals originäre immaterielle Anlagegüter des Akquisitionsobjekts aus Sicht des erwerbenden Unternehmens durch den Kaufvorgang hinreichend objektiviert wurden. Die Eingrenzung der Kapitalkonsolidierung auf die Neubewertungsmethode impliziert, dass die immateriellen Vermögenswerte auf der Grundlage der zum Erwerbszeitpunkt geltenden beizulegenden Zeitwerte erstmalig zu bewerten 1255 sind. Eine Limitierung der stillen Reservenaufdeckung durch die Anschaffungskosten 1256 der Beteiligung ist nicht existent. Zusammenfassend gilt, dass das Vermögenswert-Konzept nach den DRS eine Kombination aus dem HGB- und IFRS-Regelwerk darstellt, welche der Zielsetzung des DSR folgt, die handelsrechtlichen GoKb an internationale Entwicklungen (insbesondere an die IFRS) anzupassen, ohne das geltende Recht zu verletzen. Infolge der Substitution des Begriffs Vermögensgegenstand durch den Vermögenswert liegt allerdings eine Kompetenzüber1257 schreitung des DSR vor, das ebenfalls nach Inkrafttreten des BilMoG-RefE fortbesteht. Die gewünschte Annäherung an die IFRS zeigt sich ebenfalls in der in DRS 12 enthaltenen Empfehlung, (wie auch nach dem BilMoG-RefE vorgesehen) das handelsrechtliche Aktivierungsgebot nach § 248 Abs. 2 HGB und die Ungleichbehandlung von entgeltlich erworbenen und selbsterstellten Vermögenswerten des Anlagevermögens künftig auf1258 zugeben. Dieser Reformvorschlag steht in Einklang mit der Vierten EG-Richtlinie, die ein entsprechendes Mitgliedstaatenwahlrecht zur Aktivierung von selbsterstellten immate1259 riellen Anlagegütern vorsieht. Dieses Vorgehen wird mit der Informationsfunktion der Bilanz begründet, welche - wie bereits dargelegt - durch die Aufhebung von § 248 Abs. 2 HGB eine Stärkung erfährt. Zugleich lassen sich erhebliche Interdependenzen zum IFRSRegelwerk feststellen, die im Folgenden dargelegt werden.

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den GoKb zuzuordnen; vgl. zum umstrittenen Verbindlichkeitsgrad der erlassenen Standards des DRSC grundlegend Erster Hauptteil, Abschn. II.B. Vgl. DRS 4.17 f. Vgl. DRS 4.23. Vgl. DRS 4.24. Vgl. hierzu sowie zur künftigen Positionierung des DRSC Erster Hauptteil, Abschn. II.B. Vgl. DRS 12.A3 f. sowie weiterführend Höllerschmid 2006b, S. 157; Langecker/Mühlberger 2002, S. 339; Schütte 2006, S. 106. Während ein originärer Goodwill auch künftig nicht anzusetzen ist, besteht unter gewissen Voraussetzungen eine Ansatzpflicht für Entwicklungskosten, welche weitgehend den in IAS 38.57 aufgeführten Kriterien entsprechen; vgl. DRS 12.A5 sowie hierzu im Einzelnen Euler 2001, S. 2632; vgl. auch die Ausführungen in Abschn. I.B dieses Hauptteils. Vgl. Art. 9 und 10 C Abs. 1 Z 1 bzw. Z 2 b) Vierte EG-Richtlinie sowie hierzu ebenfalls Höllerschmid 2006b, S. 158.

154

2.

Zweiter Hauptteil

IFRS 1260

1261

Die abstrakten Ansatzkriterien für einen zur Eigennutzung vorgesehenen immateriellen Vermögenswert sind in IAS 38.8 und IASB Rahmenkonzept F. 49 (a) kodifiziert und vereinen ebenfalls sowohl statische als auch dynamische Elemente der Accounting Theo1262 1263 ry. Im Einzelnen sind dies die Identifizierbarkeit, die Nicht-Monetarität sowie die fehlende physische Substanz, die Verfügungsmacht des Unternehmens über die Ressource, ein Ergebnis vergangener Ereignisse sowie ein erwarteter Zufluss künftigen wirtschaftli1264 chen Nutzens aus dem Asset. Dem letztgenannten Kriterium kommt dabei nach allgemeiner Verkehrsanschauung als Ausfluss der dynamischen Sichtweise von Schmalenbach die höchste Bedeutung zu. Das Kriterium der Identifizierbarkeit lässt sich hingegen nicht unmittelbar mit dem Gedankengut von Schmalenbach, sondern eher mit der statischen Bilanzauffassung von Simon in 1265 Verbindung bringen. Ein immaterieller Vermögenswert ist nach Auffassung des IASB immer dann (vom Goodwill) identifizierbar, wenn dieser entweder separierbar ist (Separability-Kriterium) oder auf vertraglichen oder gesetzlichen Rechten beruht (Contractual Le1266 gal-Kriterium). Die Separierbarkeit beinhaltet die Möglichkeit einer externen Verwertbarkeit des Vermögenswerts getrennt vom Unternehmen, entweder einzeln oder zusammen 1267 mit einem Vertrag, Vermögenswert oder einer Schuld. Dies impliziert, dass im Gegensatz zur strengen Einhaltung der Einzelverwertbarkeit im Handelsrecht einer weniger restriktiven Auslegung gefolgt wird, da der in Rede stehende immaterielle Vermögenswert auch in Kombination mit anderen Vermögenswerten und Schulden verwertet werden kann. Ist keine Separierbarkeit gegeben, bedarf es einer Untersuchung, ob der immaterielle Ver1268 mögenswert ggf. mit einem Recht verbunden ist. In dieser Hinsicht ergeben sich Parallelen zur gesicherten BFH-Rechtsprechung zur erforderlichen Greifbarkeit von immateriel-

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Vgl. weiterführend zu unterschiedlichen Abgrenzungskonzeptionen im Hinblick auf die abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit nach IFRS Schütte 2006, S. 114-118. IAS 38 gilt ausschließlich für immaterielle Vermögenswerte, welche zur Eigennutzung vorgesehen sind, d. h. für interne Zwecke verwendet werden. Diese zeichnen sich durch einen längerfristigen Nutzungscharakter aus bzw. weisen Parallelen zum handelsrechtlichen Anlagevermögen auf. Die Bilanzierung von Intangible Assets, die zur Vermarktung vorgesehen sind, handelsrechtlich dem Umlaufvermögen zugeordnet werden, richtet sich nach IAS 2 und IAS 11; vgl. die grafische Darstellung von Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 10 zu Abschn. 8, S. 9; Fasselt/Brinkmann 2004a, S. 19. Vgl. ebenso die grundlegenden Ausführungen in Abschn. I.C.3 des Ersten Hauptteils. Vgl. stellvertretend zu den einzelnen Merkmalen Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 4161 zu Abschn. 8, S. 22-29; Esser/Hackenberger 2005, S. 708; Kunath 2005, S. 109; Marx 2004, S. 60. Vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen Schütte 2006, S. 132-135 und 145-155. Vgl. zu dieser Einschätzung Jacobi 2003, S. 94 f. Vgl. IAS 38.12; hierzu ebenfalls Bieker/Esser 2003, S. 75; Bieker/Esser 2004, S. 449 f.; Esser/Hackenberger 2005, S. 709; Heyd/Lutz-Ingold 2005a, S. 34; Küting/Wirth 2004a, S. 171; Langecker/Mühlberger 2003b, S. 110; Schruff/Haaker 2006, S. 332; Wendlandt/Vogler 2003, S. 67. Vgl. entsprechend von Keitz 1997, S. 197. Eine tatsächliche Verwertungsabsicht ist hierbei unerheblich. Vgl. auch Heidemann 2005, S. 76 und Dawo 2003, S. 127.

Bilanzierung und Erstbewertung

155

1269

len Wirtschaftsgütern. Während das Contractual Legal-Kriterium aufgrund der intersubjektiven Nachprüfbarkeit durch vorliegende Gesetze, Verträge oder sonstige Vereinbarun1270 gen als verlässlich zu klassifizieren ist, lassen sich beim Separierbarkeitskriterium erhebliche Ermessens- und Gestaltungsspielräume feststellen. Die potenzielle Verwertbarkeit von Intangible Assets ist angesichts der Individualität und der häufig fehlenden Vergleichspreise am Markt unter dem Gesichtspunkt der bestrebten Verlässlichkeit der Unter1271 nehmensinformationen kritisch zu beurteilen. Die geforderte Nicht-Monetarität als zweites Tatbestandsmerkmal für eine abstrakte Aktivierungsfähigkeit impliziert, dass immaterielle Vermögenswerte nicht dem finanziellen, 1272 sondern dem operativen Sektor des Unternehmens zu subsumieren sind. Die Voraussetzung einer fehlenden physischen Substanz der unter IAS 38 fallenden Posten dient wiederum der Abgrenzung von den körperlichen materiellen Vermögenswerten (Tangible Assets) 1273 nach IAS 16. Die Aktivierungsvoraussetzung der Verfügungsmacht bzw. Beherrschung (ControlKriterium) über den Asset bezweckt den Ausschluss Dritter von zukünftigen wirtschaftli1274 chen Vorteilen des Unternehmens. Die Verfügungsmacht muss dabei auf juristisch 1275 durchsetzbaren oder unter Umständen faktischen (Kontroll-) Rechten begründet sein. Zudem steht die Frage der Zurechnung des wirtschaftlichen und nicht des zivilrechtlichen 1276 Eigentums im Vordergrund. Fallen der wirtschaftliche und zivilrechtliche Eigentümer auseinander, bedarf es einer vertraglichen Fixierung, wonach letzterer die künftigen Nutzenzuflüsse dem betrachteten Unternehmen als wirtschaftlichen Eigentümer zuspricht. Das 1269

1270 1271 1272

1273

1274

1275

1276

Vgl. Streim 1998, S. 336. In konzeptioneller Hinsicht werden durch den weit gefassten Asset-Begriff nach IFRS Sachverhalte eingeschlossen, die handelsrechtlich als Rechnungsabgrenzungsposten oder Bilanzierungshilfen bewertet werden; vgl. Lutz/Schlag 2007, S. 41. Vgl. Grüner 2006, S. 59. Vgl. u. a. zustimmend Heidemann 2005, S. 77 und Richter 2004a, S. 83. Diese „Negativabgrenzung“ ist nicht nur typisch für die IFRS, sondern findet eine entsprechende Anwendung im Handels- und Steuerrecht; vgl. ausführlich Baetge/von Keitz 2006, Rn. 7-13 zu IAS 38, S. 7-9 sowie die Ausführungen zu Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. entsprechend Dawo 2003, S. 194; Grüner 2006, S. 58; von Keitz 1997, S. 198. Ein besonderes Problemfeld stellt die Abgrenzung materieller und immaterieller Bestandteile dar, die unter Umständen für Zwecke der Rechnungslegungspolitik eingesetzt wird; vgl. Abschn. I.C dieses Hauptteils. Für eine nähere problemorientierte Analyse beim Erwerb bzw. bei der Herstellung von Software wird verwiesen auf Abschn. I.D.1 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.13; hierzu detailliert Esser/Hackenberger 2005, S. 709; Grüner 2006, S. 59; Heidemann 2005, S. 79; Schruff/Haaker 2006, S. 332; Streim/Bieker/Leippe 2001, S. 189. Vgl. u. a. Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 43 zu Abschn. 8, S. 22; Fülbier/Honold/ Klar 2000, S. 837 sowie Ulbricht 2004, S. 331. Vgl. IAS 38.13-16 in Verbindung mit IASB Rahmenkonzept F. 51. Innerhalb der IFRSRechnungslegung wird im Vergleich zum bisherigen Handelsrecht in höherem Maße der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) gefolgt. Bisher ist ihre Anwendung gem. § 246 Abs. 1 Satz 2, 3 HGB auf besondere Fälle beschränkt. Infolge des BilMoG-RefE ist der wirtschaftlichen Betrachtungsweise gem. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB-E künftig generell zu folgen; vgl. zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise detailliert Walter 1982, S. 37. Die Tatsache, dass dem Unternehmen das zivilrechtliche Eigentum oder diesem spezielle Verfügungsrechte zuzusprechen sind, stellt für sich genommen noch kein hinreichendes Kriterium bezüglich der Einordnung als Asset dar. Besondere Relevanz erlangt die wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Leasing-Bilanzierung.

156

Zweiter Hauptteil

vorstehend genannte Tatbestandskriterium lässt sich wiederum der statisch geprägten Bilanzauffassung nach Simon zuordnen, welcher der Objektivierbarkeit eine zentrale Bedeu1277 tung beimisst. Ein weiteres abstraktes Ansatzkriterium für das Vorliegen eines Asset nach IFRS knüpft an die bis zum Bilanzstichtag vorzunehmende Herstellung bzw. den Erwerb der Vermögensposten an. Dabei muss dieser Vorgang tatsächlich durchgeführt worden sein, eine bloße 1278 Absicht ist hingegen als nicht ausreichend zu bewerten. Ein erwarteter künftiger Nutzenzufluss als das dominierende abstrakte Tatbestandsmerkmal liegt nach IFRS vor, wenn der Vermögenswert dazu bestimmt ist, direkt oder indirekt zum Zufluss von Zahlungsmitteln bzw. Zahlungsmitteläquivalenten beizutragen oder we1279 nigstens deren Abfluss zu verhindern. Der Vermögenswert soll somit z. B. zu einer Stei1280 gerung des Unternehmenswerts im Sinne einer Shareholder Value-Politik beitragen. Diese Tatbestandsvoraussetzung lässt sich auf die Überlegung von Schmalenbach zurückführen, wonach die zukünftigen Vermögensvorteile, die sich aus der Nutzung ergeben, 1281 maßgeblich für die Einordnung als Vermögenswert sind. Der Nachweis eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens wird durch die Ermittlung eines positiven Zeitwerts erbracht. Die Generierung künftiger Cash Flows als Voraussetzung für das Vorliegen eines Asset nach IFRS deckt sich mit der übergeordneten Zielsetzung, den Adressaten entscheidungsnützliche Informationen über zukünftige Zahlungsströme zur Verfügung zu stellen, die wiederum eine Abschätzung der nachhaltigen künftigen Ertragskraft des Unternehmens ermögli1282 chen. Zusammenfassend ist festzustellen, dass auch die abstrakten Ansatzkriterien der IFRS eine Mischung aus statischer und dynamischer Accounting Theory nach Simon und Schmalenbach darstellen, aufgrund ihrer Betonung des zukünftigen Nutzenpotenzials der in Rede stehenden Vermögenswerte nach h. M. tendenziell dynamischer ausgestaltet sind als nach 1283 dem HGB. Die steuerrechtliche Konzeption des Wirtschaftsguts nimmt im Vergleich zum Handelsrecht und zu den IFRS eine Zwischenposition ein.

1277 1278

1279

1280

1281

1282

1283

Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2. Vgl. IAS 38.8 in Verbindung mit IASB Rahmenkonzept F. 58. Diese Absichtserklärung könnte z. B. im Letter of Intent enthalten sein; vgl. hierzu die Ausführungen von Heidemann 2005, S. 61. Vgl. IAS 38.17 in Verbindung mit IASB Rahmenkonzept F. 53. IASB Rahmenkonzept F. 55 geht u. a. von Ausschüttungen an die Investoren, der Begleichung von Verbindlichkeiten und vom Tausch gegen anderweitige Vermögenswerte aus. Ferner sind gem. IAS 38.17 Kostenersparnisse aufgrund verbesserter Produktionsabläufe und sonstige Vorteile aus der internen Nutzung angeführt. Vgl. hierzu auch Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 47 zu Abschn. 8, S. 24; Wehrheim 2000, S. 87. Vgl. grundlegend zu den Unterschieden zwischen statischer, dynamischer und organischer Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1-3. Vgl. IASB Rahmenkonzept F. 15. Insofern misst das IASB dem Grundsatz der Relevance eine höhere Bedeutung zu als dem Postulat der Reliability; vgl. ebenso Hayn 2005, S. 427; zu den statisch geprägten Ansatzkriterien für die Einordnung als handelsrechtlicher Vermögensgegenstand Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch exemplarisch Jacobi 2003, S. 74 f.; Marx 2004, S. 60; Streim 1998, S. 335.

Bilanzierung und Erstbewertung

157

Im Vergleich zum Handelsrecht unterscheidet das IASB lediglich rudimentär in lang- und kurzfristige Vermögenswerte. Eine Langfristigkeit ist demnach gegeben, wenn die Realisation des Vermögenswerts weder innerhalb des normalen Verlaufs eines Geschäftszyklus, d. h. zwölf Monate nach dem Bilanzstichtags, erwartet noch der Vermögenswert innerhalb dieses Zeitraums zum Verkauf gehalten wird. Zudem ist der in Rede stehende Vermögenswert nicht zu Handelszwecken gehalten bzw. dieser stellt kein Zahlungsmittel oder 1284 äquivalent dar. Die konkrete Ansatzfähigkeit bemisst sich im IFRS-Regelwerk nach der Wahrscheinlich1285 keit eines künftigen Nutzenzuflusses und der zuverlässigen Bewertbarkeit des Asset, wobei wiederum der maßgebliche Einfluss der dynamischen Accounting Theory nach 1286 Schmalenbach hervortritt. Die Forderung nach der Entgeltlichkeit des Vermögenserwerbs für bestimmte Bilanzposten nach der gläubigerschützenden Auslegung von Simon ist im Gegensatz zum bisherigen nationalen Handels- und Steuerrecht nicht existent. Im Schrifttum wird zumeist unterstellt, dass die konkreten Ansatzvorschriften im IFRSRegelwerk „kein Ansatzhemmnis“ darstellen, sondern einem weiten Ermessens- und Ges1287 taltungspotenzial unterliegen. Bei einem entgeltlichen Einzelerwerb sind in Übereinstimmung zum Handels- und Steuer1288 recht für die Erstbewertung die Anschaffungskosten maßgebend. Diese setzen sich aus dem Kaufpreis, den Anschaffungsnebenkosten (z. B. Einfuhrzölle, nicht erstattungsfähige Erwerbsteuern) abzüglich -preisminderungen (z. B. Rabatte, Skonti) sowie ggf. zuzüglich 1289 Fremdkapitalzinsen zusammen. Wesentliche Änderungen gegenüber dem Handels- und Steuerrecht ergeben sich nach IFRS lediglich in der Berücksichtigung der Fremdkapitalkosten. Diese sind nunmehr zwingend als Bestandteil der Anschaffungs- und Herstellungskosten zu sehen, sofern die Fremdkapitalkosten direkt der Anschaffung, Konstruktion oder Herstellung eines qualifizierten Vermögenswerts dienen und bei denen das Versetzen in einen betriebs- oder verkaufsbereiten Zustand einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt. Ferner muss ein zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen für das Unternehmen wahr1290 scheinlich und die Kosten zuverlässig messbar sein. Bei selbst erstellten immateriellen Vermögenswerten hat der Bilanzersteller hingegen eine Prognose über den Sicherheitsgrad des künftigen Nutzenzuflusses auf Basis der zum Stich1291 tag verfügbaren Informationen abzugeben. Eine konkrete Wahrscheinlichkeitsgrenze ist 1292 in IAS 38 - wie bei Schmalenbach - nicht kodifiziert. Vielmehr muss mehr für den Nutzenzufluss als dagegen sprechen; dies entspricht mithin einer Mindestwahrscheinlichkeit

1284 1285

1286 1287 1288 1289 1290 1291 1292

Vgl. IAS 1.66 (rev. 2007). Vgl. IAS 38.21 sowie weiterführend zur (restriktiven) Ansatzfähigkeit immaterieller Vermögenswerte nach US-GAAP die tabellarische Auflistung von Pellens/Fülbier 2000b, S. 45. Vgl. weiterführend Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3. Vgl. auch Lutz/Schlag 2007, S. 42 f. Vgl. IAS 38.24. Vgl. IAS 38.27. Vgl. IAS 23.8 (rev. 2007). Vgl. Heidemann 2005, S. 83. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3.

158

Zweiter Hauptteil

von 51 %. Sind die abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit erfüllt, erfolgt die Erstbewer1293 tung zu den Herstellungskosten. Neben den Kosten für die Entwicklung des immateriellen Vermögenswerts und den direkt zurechenbaren Kosten (Einzelkosten) sind ebenfalls 1294 die produktionsbezogenen Gemeinkosten und ggf. Fremdkapitalzinsen einzubeziehen. Bei immateriellen Vermögenswerten, die im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüs1295 1296 sen übergehen und folglich zwingend mit dem Fair Value zu bewerten sind, ist kein Nachweis durch das Unternehmen erforderlich, dass ein zukünftiger Nutzen wahrschein1297 1298 lich zufließen wird. Diese Ungleichbehandlung selbst erstellter und übernommener Intangible Assets basiert darauf, dass letztere - sofern ein „unconditional right or a obliga1299 tion“ vorliegt, zwangsläufig das Kriterium erfüllen würden. Insofern gilt ein positiver Fair Value, mit dem die Intangible Assets im Zuge der Kaufpreisallokation zu bewerten 1300 sind, aufgrund seiner Definition als marktorientierter Wertmaßstab als ausreichendes Indiz dafür, dass die jeweiligen Erwartungen der Marktteilnehmer an das zukünftige Nutzenpotenzial des immateriellen Vermögenswerts bei der Wertfindung Berücksichtigung ge1301 funden haben. Das Tatbestandskriterium der zuverlässigen Bewertbarkeit wird bei immateriellen Vermögenswerten, die im Zuge von Business Combinations übergehen, ebenfalls nicht aufge1302 führt. Die Aufhebung jener konkreten Ansatzvoraussetzung begründet das IASB damit, 1303 dass bereits nach dem Rahmenkonzept das Kriterium zu erfüllen ist. Da das Framework bislang allerdings keinen IFRS darstellt und auch noch nicht dem EU-Endorsement unterzogen wurde, ist die Bindungswirkung umstritten. Die explizite Streichung der zuverlässigen Bewertbarkeit könnte mit den Bestrebungen des Standardsetters einhergehen, die Hö1304 he des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts zu minimieren. Möglichst viele immate1293 1294 1295

1296 1297 1298

1299 1300

1301

1302

1303 1304

Vgl. IAS 38.24. Vgl. IAS 38.66. Vgl. stellvertretend zum Begriff des Unternehmenszusammenschlusses aus juristischer Sichtweise Horn 2000, S. 475. Vgl. IAS 38.33. Vgl. IFRS 3.BC130 (rev. 2008); ebenfalls hierauf abstellend Brücks/Wiederhold 2004, S. 179. Hommel/Benkel/Wich sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Zwei-Klassen-Objektivierung“, Hommel/Benkel/Wich 2004, S. 1269 sowie vgl. ebenfalls Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 171. Vgl. IFRS 3.BC130 (rev. 2008). Die Vorgehensweise des IASB, den Fair Value grds. als Exit Price zu klassifizieren, kann bei immateriellen Vermögenswerten wenig überzeugen, da ein aktiver Markt häufig nicht vorliegt und daher bei der Fair Value-Ermittlung auf Unternehmensbewertungsmodelle zurückgegriffen wird; vgl. zur Fair Value-Hierarchie und den hieraus erwachsenden Gestaltungsspielräumen Abschn. III.A.1.a) sowie zu den Inkonsistenzen zur klassischen Unternehmensbewertungstheorie Abschn. II.B.3.c) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Brücks/Wiederhold 2003a, S. 25; Theile/Pawelzik 2003, S. 320. Insofern liegt die Wahrscheinlichkeitsgrenze nicht bei 50 %, sondern bei 0 %; vgl. Heidemann 2005, S. 84. Vgl. IFRS 3.BC125 (rev. 2008); zur IASB-Sichtweise detailliert SFAS 141.B130 (rev. 2007); ebenfalls Erdmann/ Wünsch/Meyer 2006, S. 388. Vgl. IFRS 3.BC125 (rev. 2008). Vgl. hierzu insbesondere die Ausführungen von Hachmeister 2005d, S. 37 sowie Hoffmann 2005a, S. 17, wonach „die Faustregel der bisherigen HGB-Erstkonsolidierung – im Zweifel goodwill“ – nicht gilt.

Bilanzierung und Erstbewertung

159

rielle Vermögenswerte, die in der Vergangenheit in der Sammelgröße Goodwill aufgegangen sind, sollen nunmehr durch die faktische Aufgabe der konkreten Ansatzkriterien bei 1305 Unternehmenserwerben separat bilanziert und ggf. abgeschrieben werden. Durch dieses 1306 Vorgehen soll dem Vollständigkeitsprinzip Rechnung getragen werden und eine Erhö1307 hung der Entscheidungsrelevanz der Unternehmensinformationen eintreten. Mithin sind die geringeren Objektivierungserfordernisse an Intangible Assets als Anreiz für das erwerbende Unternehmen zu deuten, die Identifizierung immaterieller Vermögenswerte zu för1308 dern. Die folgende Abbildung 16 gibt eine Zusammenfassung über die grundlegenden Maßstäbe der Erstbewertung nach Handels- und Steuerrecht sowie IFRS. Während auf eine detaillierte Analyse der Anschaffungs- und Herstellungskosten verzichtet wurde, ist bezüglich einer ausführlichen Würdigung des beizulegenden (Zeit-) Werts, des Teilwerts und des 1309 Fair Value auf die nachfolgenden Ausführungen zu verweisen.

von Dritten erworben

entgeltlicher Einzelerwerb*

Anschaffungskosten

Unternehmenserwerb

beizulegender (Zeit-)Wert (HGB), Teilwert (EStG), Fair Value (IFRS)

Eigenerstellung

Herstellungskosten (IFRS; HGB nach BilMoG-RefE)

Erstbewertung

selbst geschaffen

* Annahmegemäß finden der Tauscherwerb und die Zuwendungen der öffentlichen Hand keine Berücksichtigung.

Abbildung 16:

Erstbewertung für immaterielle Vermögenswerte nach 1310 dem Handels- und Steuerrecht sowie den IFRS

Der Zielsetzung einer Senkung der Informationslücke wird in sämtlichen analysierten Regelwerken neben einem noch ausstehenden Full Fair Value Accounting insbesondere auf1311 grund zahlreicher konkreter Ansatzverbote nur ansatzweise Rechnung getragen. Die wesentlichen Aktivierungsverbote sind in Tabelle 1 aufgelistet, wobei ebenfalls aus nationaler

1305 1306 1307

1308

1309

1310 1311

Vgl. hierzu auch Wendlandt/Vogler 2003, S. 68. Vgl. stellvertretend die Anmerkungen von Küting/Dawo 2003b, S. 414. Vgl. Berndt 2003, S. 828; Brücks/Wiederhold 2003b, S. 221; Hommel 2001a, S. 1943 sowie hierzu kritisch Schildbach 2005a, S. I. Vgl. zu Beispielen des IASB zur eigenständigen Erfassung von immateriellen Vermögenswerten bei Unternehmenszusammenschlüssen Abschn. I.E.1.b) dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. II.A.1. und Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Eigene Darstellung. Vgl. zu den Bestandteilen der Informationslücke Zweiter Hauptteil, Abschn. I.E.1.a).

160

Zweiter Hauptteil

Sicht auf die Änderungen durch den BilMoG-RefE eingegangen und ein Unternehmenserwerb ausgeklammert wird. Aktivierungsverbote Handelsrecht Grundsatz: selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens (de lege lata) originärer Goodwill (de lege lata und nach BilMoG-RefE) Forschungsaufwendungen (de lege lata und nach BilMoG-RefE) Entwicklungsaufwendungen (de lege lata) Entwicklungsaufwendungen, sofern Vermögensgegenstandseigenschaft nicht vorliegt und keine hinreichende Nachvollziehbarkeit und plausible Darlegung des Übergangszeitpunkts von der Forschungs- zur Entwicklungsphase (nach BilMoG-RefE)

Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs (nach BilMoG-RefE)

Tabelle 1:

IFRS Grundsatz: Intangible Assets, welche die Voraussetzung nach 1312 IAS 38.8 nicht erfüllen 1313

originärer Goodwill

Forschungsaufwendungen

1314

Entwicklungsaufwendungen, welche die Voraussetzungen nach IAS 38.57 nicht erfüllen

originäre Markennamen, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten sowie ihrem Wesen nach ähnliche Sachverhalte einschließlich nachträglicher Ausga1315 ben Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des 1316 Geschäftsbetriebs (Start up Costs) Aufwendungen für Aus- und Weiterbildung, für Werbekampagnen und Maßnahmen der Verkaufsförderung sowie für die Verlegung und Reorganisation des 1317 (Teil-) Unternehmens Domainaufwendungen, sofern die Voraussetzungen nach SIC-32.2 b) in Verbindung mit IAS 38.57 nicht erfüllt sind

Ansatzverbote für spezielle Intangible Assets und den Goodwill

1318

Es zeigt sich u. a., dass sämtliche Werte, die Schmalenbach dem nicht ansatzfähigen Goodwill Nr. 1 subsumiert, ebenfalls nach Maßgabe des IASB keine bilanzielle Berück1319 sichtigung finden dürfen. Neben jenen Ansatzverboten sieht IAS 38 ferner grundsätzliche Aktivierungsbeschränkungen vor, von denen in „seltenen Ausnahmefällen“ abgewi-

1312 1313 1314 1315 1316 1317 1318 1319

Vgl. IAS 38.10 und 38.18 (a). Vgl. IAS 38.48 in Verbindung mit IASB Rahmenkonzept F. 34. Vgl. IAS 38.54. Vgl. IAS 38.63 in Verbindung mit IAS 38.20. Vgl. IAS 38.69 (a). Vgl. IAS 38.69 (b)-(d). Eigene Darstellung. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Meyer 2005b, S. 185 sowie grundlegend Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3.

Bilanzierung und Erstbewertung

161

chen werden kann. Dieses betrifft u. a. Managementqualitäten oder fachliche Begabun1320 gen, einen „treuen“ Kundenstamm, Marktanteile, Kundenbeziehungen und Kundenloya1321 1322 litäten sowie nachträgliche Aufwendungen für immaterielle Güter, die nach deren Erwerb oder Fertigstellung anfallen.

B.

Separierung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase als Konkretisierung für das originäre immaterielle Vermögen

Die Intensität der internen Forschungs- und Entwicklungstätigkeit eines Unternehmens 1323 nimmt einen nachhaltigen Einfluss auf das Erfolgspotenzial, da die entstandenen Aufwendungen Teilmenge eines künftigen identifizierbaren immateriellen Vermögenswerts 1324 sein können. Sie stellen zunächst, wie Abbildung 17 zeigt, rein wirtschaftliche Vorteile dar und gehen im originären Goodwill auf. Die Trennung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase fungiert als Konkretisierung für die konkrete Ansatzfähigkeit des immateriellen Vermögens, wobei die ggf. abweichende bilanzielle Erfassung auf Schmalenbach 1325 zurückgeht. Die fundamentale Bedeutung von Forschung und Entwicklung als strategi1326 sche Werttreiber wird nicht zuletzt anhand ihrer betragsmäßigen Höhe in den Geschäfts1327 berichten deutscher Konzernunternehmen dokumentiert. Zur Erhöhung der Entscheidungsnützlichkeit der offen gelegten Unternehmensinformationen erfolgt eine Unterteilung der internen Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten in die Grundlagenforschung und die 1328 angewandte Forschung unterteilen. Die Grundlagenforschung dient ausschließlich der Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche primär ohne jegliche Orientierung an ihrer praktischen Anwendbar-

1320 1321 1322 1323

1324

1325 1326 1327

1328

Vgl. IAS 38.15. Vgl. IAS 38.16. Vgl. IAS 38.20. Vgl. u. a. die Darlegungen von Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 164 m. w. N.sowie bereits Wurl 1974, S. 159. Unter der Annahme, dass keine Fehlinvestitionen getätigt werden, „kann man durch eine Aktivierung der Forschung und Entwicklung dem Unternehmenswert näher kommen“, Ordelheide 1999, S. 512. Neben der eigenen Forschung und Entwicklung können die in Rede stehenden Werte ebenfalls durch Unternehmenserwerb (derivativ) zugehen. Hierbei gelten die allgemeinen Ausführungen zur Bilanzierung von Intangible Assets im Zuge von Unternehmenszusammenschlüssen. Sofern Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten im Auftrag Dritter ausgeführt werden, sind diese im Umlaufvermögen mit abweichenden Bilanzierungsvorschriften im Vergleich zum Anlagevermögen auszuweisen; vgl. hierzu u. a. Duenbostel 1998, S. 73. Entwicklungsaufwendungen können ebenfalls bei der Konzeption von materiellen Vermögenswerten entstehen. Vgl. hierzu Abschn. I.C.3 des Ersten Hauptteils. Vgl. hierzu die Anmerkungen von Leitner 2006a, S. 15 f.; Riegler/Höllerschmid 2005, S. 20. Für das Geschäftsjahr 2004 wurde z. B. bei der Volkswagen AG mehr als die Hälfte der Buchwert/Marktwertdifferenz durch Entwicklungsaufwendungen erklärt; vgl. Padberg 2006, S. 29 sowie empirisch zu den Investitionen am US-amerikanischen Kapitalmarkt Hand 2003b, S. 326; Nakamura 2003, S. 20 f. Vgl. u. a. Rux 2005a, S. 1 sowie zu differierenden Abgrenzungen Blasius 2006, S. 284. Von einer inhaltlichen Konkretisierung des Terminus Forschung und Entwicklung hat der nationale Gesetzgeber bislang abgesehen; vgl. kritisch bereits Hilke 1992, S. 131.

162

Zweiter Hauptteil 1329

keit durchgeführt wird. Eine explizite Regelung zur bilanziellen Behandlung von eige1330 ner Forschung und Entwicklung lässt das bisherige Handels- und Steuerrecht vermissen. Die entstehenden Aufwendungen der Grundlagenforschung sind generell keinem konkreten Produkt zuzurechnen und verschließen sich somit einer (abstrakten) Ansatzfähigkeit als handelsrechtlicher Vermögensgegenstand bzw. steuerrechtliches Wirtschaftsgut. Zudem steht einer Aktivierung das Verbot gem. § 248 Abs. 2 HGB entgegen. Vor diesem Hinter1331 grund sind die Aufwendungen erfolgswirksam in der GuV zu erfassen. Dieses Vorgehen gilt - trotz Abschaffung von § 248 Abs. 2 HGB - ebenfalls unter Berücksichtigung des 1332 BilMoG-RefE. Die angewandte Forschung, im Schrifttum auch als Zweckforschung bezeichnet, lässt sich 1333 in die Phasen der Neu- und Weiterentwicklung unterteilen. Während erstere zwar auf die Schaffung eines identifizierbaren Vermögenswerts zugeschnitten ist, das Gut jedoch nicht Bestandteil der laufenden Fertigung ist, werden bei der Weiterentwicklung wesentliche Änderungen eines bereits in der laufenden Fertigung befindlichen Produkts vorgenommen. 1334 Die Aufwendungen, welche auf die Produktneuentwicklung entfallen, sind aus handels1335 und steuerrechtlicher Sicht de lege lata ebenfalls mit einem Aktivierungsverbot belegt, 1336 da sie keiner selbstständigen Bewertung zugänglich sind. Dies gilt nach h. M. ebenfalls grds. bei der bilanziellen Behandlung von Weiterentwicklungskosten, wobei Ausnahmen hinsichtlich der Entwicklung von Versuchsanlagen oder Prototypen immaterieller Vermö1337 gensgegenstände des Umlaufvermögens bestehen.

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Vgl. Duenbostel 1998, S. 9; Kloos 1993, S. 218. Die grundlegende terminologische Strukturierung des Forschungs- und Entwicklungsprozesses geht auf das Frascati Handbook zurück, welches im Auftrag der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) bereits im Jahre 1980 herausgegeben und aktualisiert wurde; vgl. OECD (Hrsg.) 1993 sowie hierzu im Einzelnen Brockhoff 1999, S. 568 f.; Brockhoff 2001, S. 53; Nonnenmacher 1993, S. 1231. Für eine grundlegende Darlegung der Aktivitäten der OECD wird u. a. verwiesen auf Haller/Walton 2000, S. 42 f. Vgl. u. a. Dinter 2007, S. 499; Ranker/Wohlgemuth/Zwirner 2001, S. 273. Im Aktiengesetz in der Fassung von 1937 war die Zulässigkeit einer Aktivierung von Forschung und Entwicklung dagegen in § 133 Nr. 4 AktG kodifiziert; vgl. hierzu auch Hartmann 2001, S. 63. Vgl. Blasius 2006, S. 284; Nonnenmacher 2002b, Sp. 842; Rux 2005a, S. 2 und 5 sowie zur Frage der Passivierbarkeit von unterlassenen Ausgaben zur Grundlagenforschung Veit 1992b, S. 1433. Vgl. § 255 Abs. 2 Satz 4 HGB-E. Forschungsaufwendungen fallen demnach bei der eigenständigen und planmäßigen Suche nach neuen wissenschaftlichen oder technischen Erkenntnissen an, über deren technische Verwertbarkeit und wirtschaftliche Erfolge grds. keine Aussagen vorliegen. Als Grund für ihre bilanzielle Nichtberücksichtigung wird ihre mangelnde Objektivierbarkeit angegeben; die Vermögensgegenstandseigenschaft gilt somit als unsicher; vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 121. Vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 EStG sowie Rux 2005a, S. 1. Vgl. Nonnenmacher 2002b, Sp. 843 sowie Rux 2005a, S. 2 und 5. Einen historischen Abriss über verschiedene Stellungnahmen zum Ansatzverbot gibt u. a. Wurl 1974, S. 162-173. Vgl. den historischen Abriss von Flume 1958, S. 1052. Vgl. Nonnenmacher 1993, S. 1232 sowie zur Beurteilung der Einhaltung des Ansatzverbots durch den Abschlussprüfer Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.1. Vgl. Dinter 2007, S. 499. Aufgrund ihres engen Bezugs zum laufenden Fertigungsprozess wird eine handelsrechtliche Aktivierungsfähigkeit von Weiterentwicklungsaufwendungen als Fertigungsgemeinkosten im Umlaufvermögen bei direkter Zurechenbarkeit gesehen, die auf eine ständige Verbesserung der laufenden Produktion abzielen. Vgl. Nonnenmacher 1993, S. 1233; Nonnenmacher 2002b, (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Bilanzierung und Erstbewertung

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Eine Aufwandsrückstellung für künftige Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen ist grds. ausgeschlossen, allerdings bestehen Ausnahmen bei mehrjährigen Entwicklungs1339 projekten. Für Fertigungsmuster, Modelle sowie für sonstige materiell vorhandene Ausflüsse eines Forschungs- und Entwicklungsvorhabens kommt ein Ansatz als Sondereinzelkosten der Fertigung in Betracht, wenn das Muster unmittelbar im Kontext mit einem kon1340 kreten Fertigungsprozess steht. Der DSR empfiehlt im Sinne einer Fortentwicklung des HGB eine künftige konkrete An1341 satzfähigkeit für Entwicklungsaufwendungen. Dieses Vorgehen steht in Übereinstim1342 mung zu den Plänen des nationalen Gesetzgebers im BilMoG-RefE. Bei Entwicklungsaufwendungen soll das bisherige, nach h. M. zu befolgende Ansatzverbot nunmehr durch1343 brochen werden. Nach Auffassung des DSR soll eine bilanzielle Berücksichtigung von Entwicklungsaufwendungen an bestimmte, den IFRS vergleichbare, Kriterien geknüpft sein. Neben der Absicht und Fähigkeit, den aus der Entwicklungsphase tretenden immateriellen Vermögenswert fertig zu stellen und ihn zu nutzen bzw. zu veräußern, der Nach1344 weisbarkeit der Erzielung eines künftigen Nutzens sowie der verlässlichen Zurechnung der entstandenen Entwicklungsaufwendungen müssen demnach die zum Projektabschluss und zur Nutzung bzw. zum Verkauf erforderlichen Mittel vorhanden sein. Eine künftige Aktivierung wird damit gerechtfertigt, dass bei erfolgreichem Durchlauf der Entwicklungsphase die abgrenzbaren Aufwendungen unter den genannten Voraussetzungen zu den aktivierungspflichtigen Herstellungskosten eines identifizierbaren immateriellen Vermö1345 genswerts zählen. Für Forschungsaufwendungen ist auch nach Maßgabe der Empfehlungen des DSR wie bisher eine aufwandsmäßige Erfassung vorgesehen, weil der Exis-

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Sp. 843 f. sowie des Weiteren Grund 2005, S. 99; Rux 2005a, S. 2. Wird jener Sichtweise gefolgt, würde sich aus steuerlicher Sicht ein grundsätzliches Ansatzgebot als Fertigungsgemeinkosten unter der Voraussetzung ergeben, dass das betreffende Unternehmen auf eine detaillierte Kosten(stellen)rechnung zurückgreifen kann. Vgl. weiterführend zur Ausgestaltung der Kostenrechnung Weber 2007, S. 502 f. Ist eine differenzierte Kostenstellenbetrachtung nicht möglich, würde ein Einbeziehungsverbot zu befolgen sein. Vgl. etwa Knop/Küting 2003, Rn. 339 zu § 255 HGB, S. 93; Rux 2005a, S. 2. Daneben wurde ehemals diskutiert, einen pauschalen Wert von 2 % der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen als Fertigungsgemeinkosten zu deklarieren und diese anteilig bei den Halbfertig- und Fertigerzeugnissen am Bilanzstichtag zu aktivieren. Vgl. u. a. Blasius 2006, S. 295; Knop/Küting 2003, Rn. 339 zu § 255 HGB, S. 93; Runge 1972, S. 28. Hierbei erfolgt ein Rückgriff auf den zwischenzeitlich außer Kraft gesetzten Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalens; vgl. FinMin Nordrhein-Westfalen 1958, S. 190. Vgl. § 249 Abs. 2 HGB. Vgl. zu den denkbaren Ausnahmen u. a. Nonnenmacher 2002b, Sp. 846. Vgl. § 255 Abs. 2 Satz 2 HGB; erläuternd Kuhner 2007, S. 28. Vgl. DRS 12.A5. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 122 f. Eine Trennung in die Phasen Neu- und Weiterentwicklung wird in diesem Kontext nicht vorgenommen, so dass zu vermuten ist, dass die gesamten Entwicklungsaufwendungen künftig nach HGB aktivierungsfähig sind. Hierbei ergeben sich höhere Anforderungen an die Abschlussprüfung; vgl. hierzu Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.1. Als Nachweis kommt die Existenz eines Markts für die Produkte oder Dienstleistungen des Vermögenswerts oder für den Vermögenswert selbst in Betracht. Bei interner Nutzung bemisst sich der Nutzen danach, ob mit großer Wahrscheinlichkeit wirtschaftliche Vorteile zu erzielen sind; vgl. DRS 12.A5. Vgl. DRS 12.A6.

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Zweiter Hauptteil

tenznachweis für einen immateriellen Vermögenswert, welcher einen voraussichtlichen künftigen Nutzen erzeugt, nicht gelingt. Im BilMoG-RefE sind - in Abgrenzung zu den Vorschlägen in DRS 12 - keine expliziten konkretisierenden Tatbestandsvoraussetzungen an eine künftige Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen im Rahmen der Herstellungskosten angeführt. Der handelsrechtliche Gesetzgeber weist lediglich darauf hin, dass die Vermögensgegenstandseigenschaft bejaht werden und das Unternehmen den Übergangszeitpunkt von der Forschungs- zur Entwick1346 lungsphase „hinreichend nachvollziehbar“ und „plausibel“ darlegen muss. Im anderen Fall sind die in Rede stehenden Aufwendungen erfolgswirksam zu erfassen. Eine Übernahme der in IAS 38.57 benannten Tatbestandskriterien wird angesichts der noch darzu1347 stellenden weitreichenden Auslegungsspielräume abgelehnt. Da sich die o. g. Empfehlungen des DSR ebenfalls an den durch den nationalen Gesetzgeber kritisch gewürdigten IFRS-Vorgaben orientieren, bleibt abzuwarten, ob eine Orientierung an den DRS gestattet 1348 wird. Durch die Beibehaltung von § 5 Abs. 2 EStG ist auch künftig aus steuerrechtlicher Sicht eine bilanzielle Einbeziehung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen grds. nicht möglich. 1349

Wendet das Unternehmen das handelsrechtliche Gesamtkostenverfahren an, sind die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen je nach ihrer inhaltlichen Ausgestaltung dem 1350 1351 1352 Material- bzw. Personalaufwand oder den sonstigen betrieblichen Aufwendungen 1353 zu subsumieren. Das handelsrechtliche Umsatzkostenverfahren dagegen sieht lediglich einen unstrukturierten GuV-Ausweis von Forschung und Entwicklung unter den sonstigen 1354 betrieblichen Aufwendungen vor. Es besteht allerdings die Möglichkeit, die in § 275 Abs. 3 HGB vorgegebene Gliederung um einen Posten „Aufwendungen für Forschung und 1355 Entwicklung“ zu ergänzen.

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BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 123. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 122. Der AKIW schlägt als Aktivierungskriterien die Initiierung des Projekts, die mögliche Projektabgrenzung und -beschreibung, die mögliche Darstellung des Projektnutzens sowie die Sicherstellung der aktiven weiteren Projektverfolgung vor; vgl. AKIW 2001, S. 992 f. Es können in diesem Kontext Missverständnisse bei der Konzernabschlussprüfung entstehen, sofern der Prüfer im Unterschied zum geprüften Unternehmen die Empfehlungen des DRS 12 oder die Tatbestandskriterien des IAS 38 hinsichtlich der Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen berücksichtigt; vgl. hierzu Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.1. Vgl. § 275 Abs. 2 HGB. Vgl. § 275 Abs. 2 Posten 5. HGB. Vgl. § 275 Abs. 2 Posten 6. HGB. Vgl. § 275 Abs. 2 Posten 8. HGB. Vgl. § 275 Abs. 3 HGB. Vgl. § 275 Abs. 3 Posten 7. HGB sowie zu einer empirischen Untersuchung deutscher Unternehmen bezüglich der Anwendung des Umsatzkostenverfahrens Küting/Reuter/Zwirner 2006, S. 85-90. Vgl. § 265 Abs. 5 Satz 2 HGB; hierauf eingehend Dyckerhoff 2006, S. 38 f.

Bilanzierung und Erstbewertung

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Die nach bisheriger Rechtslage nahezu ausgeschlossene Möglichkeit einer bilanziellen Er1356 fassung von internen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen impliziert eine Konterkarierung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Abschlusses. Empirische Studien der Wertrelevanzforschung, auf die im weiteren Verlauf der Untersuchung noch 1357 näher einzugehen ist, haben ergeben, dass die Aufwandsverrechnung dem Aussage- und Prognosegehalt des Financial Accounting schadet bzw. eine Aktivierung bzw. eine Zusatzberichterstattung einen positiven Einfluss auf die Entscheidungsrelevanz ausüben wür1358 den. Insofern würde durch die geänderten Ansatzvorschriften infolge des BilMoG-RefE die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Abschlusses eine Erhöhung erfahren. Allerdings geht die künftige Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen ggf. mit einer drohenden „Entobjektivierung“ der Bilanz einher, weil die Trennung zwischen Forschungs1359 und Entwicklungsphase nicht „recht einfach“ vorgenommen werden kann, wie es der Gesetzgeber unterstellt, sondern erhöhte Anforderungen an ein Forschungs- und Entwicklungs-Controlling stellt. Sofern im BilMoG-RegE keine konkretisierenden Tatbestandsvoraussetzungen an eine zukünftige Ansatzverpflichtung für Entwicklungsaufwendungen implementiert werden, könnte dies ein offensiveres Aktivierungsverhalten im Vergleich zu den IFRS implizieren. Vor diesem Hintergrund sollte das bisherige Ansatzverbot aufrechterhalten werden. Zur Kompensierung sollte auf der Grundlage der wertorientierten 1360 Unternehmensführung die Qualität der Berichterstattung über Forschung und Entwick1361 lung im (Konzern-) Lagebericht erhöht werden, um den Koalitionären des Unternehmens entscheidungsrelevante Informationen hinsichtlich des künftigen Erfolgspotenzials 1362 1363 bereitzustellen. Nach der Abkopplungsthese von Moxter erfüllt neben dem (Konzern-)

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In anderen europäischen Staaten (z. B. Belgien, Frankreich, Schweden, Spanien, Schweiz) wird die Möglichkeit einer Aktivierung von Entwicklungs- und ggf. sogar Forschungsaufwendungen weniger restriktiv ausgelegt; vgl. hierzu Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 165 und Ordelheide 1999, S. 512; Wurl 1974, S. 171 f. m. w. N.Art. 37 Abs. 1 Vierte EG-Richtlinie sieht ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Aktivierung von Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen vor; vgl. hierzu im Einzelnen Dziadkowski 1979, S. 229. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. I.A.2 des Ersten Hauptteils sowie die empirischen Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.b) des Dritten Hauptteils. Vgl. hieran anknüpfend Dritter Hauptteil, Abschn. II.C.1.b) sowie die Ergebnisse von Esser/Hackenberger 2004a, S. 403; Healy/Myers/Howe 1999, S. 1; Pellens/Fülbier 2000b, S. 57; Schmidbauer 2004, S. 1442. Aboody/Lev konstatieren, dass die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen einen Hauptbestandteil der Informationslücke zwischen Unternehmen und Kapitalmarkt darstellen; vgl. Aboody/Lev 1998, S. 161; Aboody/Lev 2003, S. 367. Zu einem abweichenden Urteil gelangen hingegen Ramb/Reitzig 2005, S. 27-31. Die strenge Einhaltung des Vorsichtsprinzips führt demnach zu einer realitätsnäheren Informationsversorgung der Adressaten, weil „der Missbrauch dergestalt erschwert wird, Überinvestitionen abzubilden, die durch ungerechtfertigte Ertragserwartungen zustande kommen“, Ramb/Reitzig 2005, S. III. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 123. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. II.C.1. Vgl. grundlegend zur (Konzern-) Lageberichterstattung Dritter Hauptteil, Abschn. I.A und zur Prüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.F. Vgl. zum Forschungs- und Entwicklungsbericht im (Konzern-) Lagebericht Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.2 sowie zu dessen Prüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.F.2. Vgl. grundlegend Moxter 1984, S. 157-159 und Moxter 1995c, S. 32 sowie hieran anknüpfend Armeloh 1998, S. 23; Euler 1996, S. 131 f.; Hommel/Schmidt/Wüstemann 2004, S. S93; Schildbach 1987, S. 13; Schildbach 1994, S. 718 f.; Schütte 2006, S. 73 f.; Streim 1994, S. 403 f.

166

Zweiter Hauptteil

Anhang der -Lagebericht eine wesentliche Informations- bzw. Ergänzungsfunktion, sofern (Konzern-) Bilanz und -GuV nicht mit der Generalnorm des True and Fair View in Ein1364 klang stehen. Vor diesem Hintergrund ist in DRS 12.31 bereits kodifiziert, die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung zumindest im Konzernanhang anzugeben. Der BilMoG-RefE sieht begrüßenswerterweise ebenfalls eine Angabeverpflichtung für den Gesamtbetrag der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen des Geschäftsjahres sowie des davon auf selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermö1365 gens entfallenden Betrags vor. Die Erläuterung einzelner Forschungsergebnisse ist jedoch - so der handelsrechtliche Gesetzgeber - unter Berücksichtigung der „Geheimhal1366 tungsinteressen der Wirtschaft“ nicht zu rechtfertigen. Da die Forschungs- und Entwicklungstätigkeit ebenfalls Bestandteil des (Konzern-) Lageberichts ist, sollten inhaltliche Re1367 dundanzen möglichst vermieden werden. Die gesetzliche Berichterstattung befreit allerdings von der Notwendigkeit eines freiwilligen Intangible Asset- und Goodwill Reporting, 1368 da der Detaillierungsgrad in (Konzern-) Anhang und -Lagebericht unzureichend ist. Dies trifft ebenfalls für die nach IFRS bilanzierenden Unternehmen zu. Dem Umstand Rechnung tragend, dass originäre Intangible Assets durch eine mangelnde Objektivität und hohe Individualität determiniert werden, fordert auch das IASB bei Selbst1369 1370 erstellung eine eindeutige Trennung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase . Anderenfalls sind die gesamten Aufwendungen unverzüglich als Aufwand in der GuV zu er1371 fassen. Die Separierung richtet sich insbesondere an die Entwicklung von Technologien im engeren Sinne, allerdings ist eine Übertragung auf andere Arten immaterieller Vermögenswerte vorgesehen, z. B. für selbst geschaffene Patente, Software, Medikamente oder 1372 Drehbücher. Der Begriff Forschung wird dabei als eigenständige und planmäßige Suche zur Erlangung 1373 neuer wissenschaftlicher oder technischer Erkenntnisse definiert, wohingegen die Ent1364

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Vgl. zur „Verbannung“ des True and Fair View-Prinzips in den (Konzern-) Anhang Großfeld 1994, S. 802. Vgl. § 285 Nr. 22 und § 314 Abs. 1 Nr. 14 HGB-E. Die Angabepflicht erstreckt sich somit berechtigterweise auch auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss. Eine Befreiung ist lediglich für kleine Kapitalgesellschaften möglich. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 29 (§ 285 HGB), S. 150. Vgl. hierzu sowie bezogen auf das Reporting Dritter Hauptteil, Abschn. I.A.2. Vgl. Hommel/Schmidt/Wüstemann 2004, S. S93. Vgl. zur Abgrenzung von Forschung und Entwicklung am Beispiel eines Automobilzulieferers Fischer/Neubeck 2005, S. 217. Teitler-Feinberg bezeichnet diese Forderung als „Überbleibsel des heute vom IASB verpönten Vorsichtsprinzips“, Teitler-Feinberg 2006, S. 15. In der Literatur wird diese Trennung auch als „Scheinobjektivierung“ gekennzeichnet, da sich die Forschungs- und Entwicklungsphase in der Unternehmenspraxis nicht eindeutig trennen lassen bzw. durch eine hohe Interdependenzbeziehung charakterisiert sind; vgl. Kisser 2004, S. 228; zur Bedeutung des Controllings bei der Abgrenzung zwischen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen Kirsch 2005a, S. 34. Vgl. IAS 38.52 f. sowie zu einem historischen Abriss über die Regelungen des Vorgängerstandards (IAS 9) insbesondere Pellens/Fülbier 2000b, S. 46; Schellhorn/Weichert 2001, S. 865. Vgl. Hüttche/Moser 2008, S. 370 f. Vgl. weiterführend zu einer beispielhaften Aufzählung von Forschungs- und Entwicklungsleistungen nach IFRS Tabelle 29.

Bilanzierung und Erstbewertung

167 1374

wicklungstätigkeit die Anwendung von Forschungsergebnissen oder von anderem Wissen mittels eines Plans oder Entwurfs für ein Produkt, wesentlich verbesserter Materialien, 1375 Systeme, Verfahren oder Dienstleistungen darstellt. Während für Forschungsaufwendungen jeglicher Art in Kongruenz zum Handels- und Steuerrecht ein Ansatzverbot be1376 1377 steht, ist - wie nach dem BilMoG-RefE geplant - dagegen eine bedingte Ansatzpflicht für Entwicklungsaktivitäten nach IFRS vorgesehen, sofern das Unternehmen den Nach1378 1379 weis für bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen erbringt. Hierin zeigt sich wiederum 1380 die inhaltliche Nähe zu den Ausführungen von Schmalenbach. Eine divergierende Vorgehensweise ergibt sich bei der bilanziellen Berücksichtigung von sog. „aktiven“ Forschungs- und Entwicklungsprojekten (in Process Research and Development Projects) im Rahmen von Unternehmenserwerben. Hierbei trifft das IASB eine pauschale Annahme, wonach auch übernommene Forschungsaufwendungen, sofern diese einen immateriellen 1381 Vermögenswert darstellen, aktivierungspflichtig sind.

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Eine zentrale praktische Bedeutung besitzt die Herstellung von Testprodukten (Prototypen); vgl. auch die Beispiele in IAS 38.59. Vgl. IAS 38.8 sowie hierzu im Einzelnen Leibfried/Pfanzelt 2004, S. 492. Eine tabellarische Auflistung möglicher Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten findet sich in IAS 38.44 und 38.47. Vgl. IAS 38.54. Das IASB unterstellt hierbei, dass der Nachweis eines künftigen wirtschaftlichen Nutzens für das Unternehmen in der Forschungsphase nicht zu erbringen ist. Daher sind die Voraussetzungen für die bilanzielle Einordnung als Asset nicht erfüllt; vgl. IAS 38.55. Die fehlende Ansatzfähigkeit von Forschungsaufwendungen steht allerdings i. d. R. den Kapitalmarktinteressen entgegen, da ihnen entscheidungsrelevante Informationen über das künftige Einzahlungspotenzial des Unternehmens vorenthalten werden; vgl. zu dieser Feststellung auch Kisser 2004, S. 227. In der internen Unternehmensrechnung wird dagegen eine Aktivierung von Entwicklungskosten, die zuvor durch die Projektkostenrechnung möglichst genau erfasst werden, vorgenommen; vgl. Männel 1993, S. 165170; Männel 1999a, S. 25. Eine Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen ist nach US-GAAP hingegen grds. nicht zulässig. Ausnahmen bestehen für softwarebezogene Investitionen; vgl. u. a. die Anmerkungen von Nowotny 2006a, S. 296; Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 173 und Abschn. I.D.1 dieses Hauptteils. Vgl. zur notwendigen Implementierung eines Forschungs- und Entwicklungs-Controllings u. a. Bauer/Steinbauer 2006, S. 139; Hirsch 2006a, S. 63; Kirsch 2003h, S. 14; Nobach/Zirkler 2006, S. 744 f.; Ortner/Süß 2006, S. 107; Wurm 2006, S. 123 sowie zum Performance Measurement Kopel/Riegler 2006, S. 85. Vgl. IAS 38.57 (a)-(f). Die Würdigung jener Ansatzkriterien stellt einen zentralen Prüfungsschwerpunkt dar; vgl. vgl. hierzu Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.1. Vgl. zur Aktivierung von Forschung und Entwicklung nach der dynamischen Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3. Vgl. IAS 38.34. Somit ist es unerheblich, ob die entsprechenden Aufwendungen beim erworbenen Unternehmen bereits bilanziell erfasst wurden oder nicht; vgl. weitergehend Lopatta 2006, S. 130; Lüdenbach/Prusaczyk 2004a, S. 415; Lüdenbach/Prusaczyk 2004b, S. 211 f.; Weber 2006, S. 502 sowie Hachmeister 2005d, S. 39. Nachträgliche Ausgaben für ein erworbenes laufendes Forschungsund Entwicklungsprojekt bei einem Unternehmenszusammenschluss sind ebenfalls nach IAS 38.5462 zu bilanzieren; vgl. hierzu auch Hüttche/Moser 2008, S. 373. Mit der Umstellung von HGB auf IFRS ist die Erstellung einer „Entwicklungsrechnung“ verbunden; vgl. ausführlich zu den einzelnen Konten Kirsch 2002, S. 2222. Auch nach US-GAAP sind nunmehr grds. sämtliche übernommenen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen als Vermögenswerte zu aktivieren, unabhängig davon, ob diese - nach der ehemaligen Regelung - einen alternativen zukünftigen Nutzen erzielen; vgl. SFAS 149.B149 (rev. 2007).

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Zweiter Hauptteil

Eine Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen setzt die technische Realisierbarkeit, die Absicht sowie Fähigkeit zur Fertigstellung bzw. Nutzung oder Verkauf, die Darlegung des voraussichtlichen künftigen wirtschaftlichen Nutzens, die Verfügbarkeit technischer, finanzieller und sonstiger Ressourcen sowie die Fähigkeit zur verlässlichen Bewertung der 1382 zurechenbaren Ausgaben voraus. Während die erst genannten Kriterien das bereits dargelegte Ansatzkriterium der Wahrscheinlichkeit des erwarteten künftigen Nutzenzuflusses 1383 konkretisieren, ist die letzte Tatbestandsvoraussetzung als Ausfluss der geforderten „zu1384 verlässigen Bewertbarkeit“ zu qualifizieren. Insofern lässt sich ein wesentlicher Unterschied zur bisherigen handels- und steuerrechtlichen Bilanzierung feststellen, da Entwicklungsaufwendungen im IFRS-Regelwerk nicht im Regelfall von einer Aktivierung ausgeschlossen sind. Eine Nachaktivierung ist in Überein1385 stimmung zu den nationalen Regelungen nach IFRS ebenfalls untersagt. Sofern der BilMoG-RefE in der jetzigen Fassung verabschiedet wird, ist wie vorstehend ausgeführt eine Annäherung zwischen HGB und IFRS festzustellen, wenngleich das Handelsrecht weiterhin auf die Vermögensgegenstands- und das IASB auf die Vermögenswerteigenschaft der in Rede stehenden Entwicklungsaufwendungen abstellt. Im Gegensatz zum Handelsrecht schreibt das IFRS-Regelwerk bis dato kein starres Gliederungsschema für die GuV vor, so dass analog zum handelsrechtlichen Umsatzkostenverfahren die Möglichkeit besteht, einen separaten Posten „Aufwendungen für Forschung und 1386 Entwicklung“ auszuweisen, um die Informationsfunktion des Abschlusses zu erhöhen. Des Weiteren hat das betreffende Unternehmen - wie im BilMoG-RefE vorgesehen - über die Höhe der Forschungs- und Entwicklungsausgaben im (Konzern-) Anhang zu berich1387 ten. Dieser Verpflichtung wird jedoch unter Bezugnahme auf die Untersuchungsergeb1388 nisse von Hager und Hitz in der Empirie häufig nicht gefolgt. Die oben dargestellten Nachweispflichten in IAS 38.57 für die Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen beinhalten ein wesentliches Ermessens- und Gestaltungspotenzial für die Unternehmensleitung, weil die Tatbestandskriterien angesichts ihres unzureichenden 1389 Detaillierungsgrads unbestimmte Rechtsbegriffe darstellen. Ferner gestaltet sich die Zuordnung von Ausgaben zur Forschungs- oder Entwicklungsphase in der unternehmerischen Praxis als ein schwer objektivierbarer und ressourcenaufwändiger Vorgang, da beide Pha-

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Vgl. weiterführend Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 103-112 zu Abschn. 8, S. 49-55. Vgl. Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. unter Bezugnahme auf Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.71. Vgl. zu dieser Einschätzung auch Dyckerhoff 2006, S. 48 f.; Lüdenbach 2007, S. 86. Vgl. IAS 38.126. Vgl. Hager/Hitz 2007, S. 212. Vgl. stellvertretend die kritischen Anmerkungen unter Angabe von Beispielen bei von Keitz 2003, S. 1802 sowie zu den Auswirkungen einer Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen auf betriebliche Kennzahlensysteme Weißenberger/Haas 2004, S. 60 f. Auch der Gesetzgeber äußert sich in der Begründung zum BilMoG-RefE kritisch zu der IFRS-Vorgehensweise: „Es lässt sich erkennen, dass den Unternehmen mittels dieser Merkmale letztlich aufgegeben wird, die Existenz eines Vermögenswerts zu verifizieren. Demgemäß werden die Merkmale [...] nicht in das Handelsrecht übernommen.“ BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 122.

Bilanzierung und Erstbewertung

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sen nicht klar abgrenzbar, sondern durch eine hochgradig interdependente Beziehung ge1390 prägt sind. Die h. M. geht daher von einem impliziten Ansatzwahlrecht von Entwicklungsaufwendungen nach IFRS aus und spricht sich für eine Modifikation von IAS 38, um 1391 die rechnungslegungspolitischen Möglichkeiten zu mindern. Empirische Studien für den deutschen Kapitalmarkt bescheinigten ein äußerst heterogenes 1392 IFRS-Bilanzierungsverhalten hinsichtlich der Entwicklungsaufwendungen. Leibfried und Pfanzelt analysierten die Geschäftsberichte von Unternehmen des DAX, MDAX und TecDAX der Geschäftsjahre 2002 und 2003 und konstatierten, dass „die Aktivierung selbst 1393 erstellter immaterieller Werte keine Besonderheit mehr, sondern den Regelfall darstellt“ . Über zwei Drittel der untersuchten Kapitalgesellschaften machten demnach von der Mög1394 lichkeit einer Aktivierung der Entwicklungsaufwendungen Gebrauch. Diese Tendenz 1395 wurde ebenfalls durch die Untersuchung von Hager und Hitz bestätigt. Eine weitere Analyse von Padberg führte zu divergierenden Ergebnissen, da hiernach im Regelfall auf ei1396 nen Bilanzansatz von Entwicklungsaufwendungen verzichtet wurde. Als Begründung für eine restriktive Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen nach IAS 38 führt das Schrifttum fundamentale Objektivierungsdefizite an, so dass eine Aktivierung mit einem 1397 negativen Signalcharakter („Red Flag“) am Kapitalmarkt verbunden ist und ggf. mit ei1398 nem erhöhten Risikozuschlag sanktioniert wird. Dies impliziert, dass ein möglichst offensives Ansatzverhalten nicht unbedingt mit der betrieblichen Oberzielsetzung (Senkung der Kapitalkosten) einhergehen muss, sofern die Investoren der Erfolgsträchtigkeit der angesetzten Entwicklungsaufwendungen kritisch gegenüberstehen. Unter besonderer Berücksichtigung der Signalling Theory würden die Unternehmen somit ggf. von einer Aktivie-

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1398

Vgl. Freidank/Velte 2007, S. 764 sowie ebenfalls Baetge/Hollmann 2004, S. 355 f.; Börstler 2006, S. 143; Burger/Ulbrich/Knoblauch 2006, S. 729; Dücker 2003, S. 452; Hahn 2003, S. 246; Küting/Dawo 2002, S. 1162; Küting/Wohlgemuth 2004, S. 12; Littkemann/Schulte/Kraft 2005b, S. 334; Lüdenbach/Hoffmann 2002a, S. 233; Peemöller 2005, S. 80; Theile 2003, S. 960. Engel-Ciric spricht von Aktivierungsvoraussetzungen, „die bilanzpolitischen Erwägungen Tür und Tor eröffnen“, EngelCiric 2002a, S. 781; vgl. hierzu auch die Stellungnahme von Meyer/Meisenbacher 2004, S. 570, wonach die Ansatzkriterien „nahezu inhaltsleer“ formuliert sind. Vgl. u. a. Burger/Ulbrich/Knoblauch 2006, S. 734 f. Vgl. etwa Kuhner 2007, S. 84 f. Leibfried/Pfanzelt 2004, S. 497. Dabei konnten erhebliche branchenspezifische Unterschiede im Bilanzierungsverhalten festgestellt werden; vgl. ausführlich Leibfried/Pfanzelt 2004, S. 493 f. sowie die ähnlichen Untersuchungsergebnisse bei von Keitz 2005, S. 7-9. Vgl. Hager/Hitz 2007, S. 208 f. Eine hohe Aktivierungsquote lässt sich u. a. im Automobilbereich (z. B. bei Volkswagen, BMW) feststellen. Vgl. Padberg 2006, S. 27. Die Stichprobe wurde ebenso aus den im DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen gezogen. Begründet wurde die Nichtaktivierung im Allgemeinen mit der fehlenden Asset-Eigenschaft der zugrunde liegenden Entwicklungsaufwendungen; vgl. exemplarisch die Zitate aus den Geschäftsberichten von Balda, Beiersdorf, Dyckerhoff bei Padberg 2006, S. 27; zur geringen Aktivierung von Entwicklungsaufwendungen in österreichischen IFRS-Konzernabschlüssen Höllerschmid 2006b, S. 164 f. Vgl. hierzu u. a. Entwistle 1999, S. 328; Höllerschmid 2006a, S. 186; Höllerschmid 2006b, S. 155; Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 178. Vgl. hierzu beispielhaft Baetge/Maresch 2006, S. 26 f. sowie die angeführten Risiken einer Aktivierung bei Kloos 1993, S. 220.

170

Zweiter Hauptteil

rung der in Rede stehenden Werte absehen. Gleiches gilt für die im weiteren Verlauf noch zu erörternde Möglichkeit einer handelsrechtlichen Aktivierung von Ingangsetzungs- und 1399 Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs als Bilanzierungshilfe.

C.

Abgrenzung zu Tangible Assets und vorläufiger Klassifizierungsansatz

Bei einer teleologischen Auslegung umfasst das immaterielle Anlagevermögen nach der 1400 Negativabgrenzung sämtliche unkörperlichen, stofflosen und geistigen Vermögenswer1401 te. Diese sind räumlich nicht abgrenzbar und existieren lediglich als „Wirkung oder als 1402 Gedanke des real Existierenden“ . Der Terminus Tangible Asset lässt sich auf den latei1403 nischen Begriff tangere zurückführen und mit „greifbar“ bzw. „berührbar“ übersetzen. Im Gliederungsschema für die handelsrechtliche Bilanz einer Kapitalgesellschaft bzw. eines ihr gesetzlich gleichgestellten Unternehmens erscheinen bislang Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte sowie Lizenzen an derartigen Rechten und Werten einschließlich ihrer Anzahlungen sowie der derivative Geschäfts- o1404 der Firmenwert als Bestandteile der immateriellen Anlagewerte. Infolge des BilMoGRefE wird die vorstehende Klassifizierung um die Posten selbst geschaffene gewerbliche 1405 Schutzrechte sowie ähnliche Rechte und Werte ergänzt. Allerdings muss als dritte Kategorie neben den materiellen und (rein) immateriellen Vermögensgütern das Nominalvermögen bzw. finanzielle Anlagevermögen (z. B. Geldforderungen, Unternehmensbeteili1406 gungen) unterschieden werden , welches ebenfalls durch eine mangelnde physische Substanz gekennzeichnet ist. Es existieren Abgrenzungsprobleme zum (rein) immateriellen 1407 Vermögen. In der vorliegenden Untersuchung werden sämtliche immateriellen Vermö-

1399 1400 1401 1402

1403 1404

1405 1406

1407

Vgl. weiterführend Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Vgl. u. a. Vogel 1982, S. 12; Wagner 2006c, S. 433. Vgl. IDW S 5.3 sowie hierzu auch Heyd/Lutz-Ingold 2005a, S. 1; Kohl/Schilling 2007b, S. 542. Stüdemann 1985, S. 346. „Intellectual Capital is something that you cannot touch, but still makes you rich“, Stewart 1994, S. 28; vgl. hierzu ebenfalls Möller 2004, S. 487; Schäfer/Lindenmayer 2004, S. 11 sowie Budde/Förschle 1993, Sp. 897, die von einer hohen Abstraktheit, Flüchtigkeit und schweren Fassbarkeit sprechen. Vgl. u. a. Kisser 2004, S. 72. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A.I HGB sowie hierzu ebenso Ulbricht 2004, S. 331. Eine ähnliche Gliederung sieht Art. 9 c bzw. 10 c Vierte EG-Richtlinie vor. Demnach fallen hierunter Forschungs- und Entwicklungskosten (soweit die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eine Aktivierung gestatten), Konzessionen, Patente, Lizenzen, Warenzeichen und ähnliche Rechte und Werte, der Geschäfts- oder Firmenwert (sofern er entgeltlich erworben wurde) sowie geleistete Anzahlungen. Des Weiteren ist gestattet Art. 9 b bzw. 10 c Vierte EG-Richtlinie, Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens als ersten Posten auszuweisen; vgl. hierzu ebenfalls Kuhner 2007, S. 13. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A.I. HGB-E. Vgl. zu den Unterschieden zwischen der zivilrechtlichen Abgrenzung nach § 90 BGB und der bilanziellen Abgrenzung immaterieller Vermögensgüter auch Siegler 2006, S. 63; Stieler 1999, S. 84 f. Vgl. auch Bentele 2004, S. 20 f. und weiterführend Pfeiffer 1984, S. 334; Reuleaux 1987, S. 46; Schütte 2006, S. 35 f.

Bilanzierung und Erstbewertung

171

gensgüter, die ausschließlich dem finanzwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen sind, nicht 1408 thematisiert. Abgrenzungsschwierigkeiten ergeben sich insbesondere dann, wenn ein „gemischtes“ Vermögensgut vorliegt, d. h. dieses sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Komponente besitzt. Ein klassisches Anwendungsfeld ergibt sich - wie im weiteren Ver1409 lauf der Untersuchung noch im Einzelnen darzulegen ist - bei Softwareprogrammen. Entscheidend für die bilanzielle Zuordnung ist hierbei die wertmäßige Relation zwischen den Aufwendungen für den materiellen Gehalt und dem Wert des immateriellen Bestand1410 teils des Produkts. Sofern die immaterielle Komponente ausschlaggebend für den Wert des Vermögensguts ist bzw. die materielle Komponente lediglich als Trägermedium fungiert, erfolgt aus handelsrechtlicher Sicht eine bilanzrechtliche Klassifikation als immate1411 rielles Anlagevermögen bei dauerhafter Nutzung im Unternehmen. Eine Einordnung von immateriellen Werten unter das Umlaufvermögen ist dann vorzunehmen, wenn die Absicht zur Weiterveräußerung besteht, z. B. bei der Softwareproduktion mittels Kundenbestellung. Im Schrifttum erfolgt eine klassische Einteilung des immateriellen Anlagevermögens in die Kategorien Rechte, wirtschaftliche Werte und rein wirtschaftliche Vorteile, wie die 1412 nachfolgende Abbildung 17 verdeutlicht. Erstere subsumiert sämtliches Vermögen, deren zukünftiger wirtschaftlicher Nutzen vertraglich oder gesetzlich vor der Einwirkung durch Externe geschützt ist. Typische Anwendungsbereiche bilden das Lizenzierungsverfahren [z. B. die getätigten (Domain)-Aufwendungen bei die Installierung einer unterneh1413 1414 menseigenen Internetseite], die Eintragung von Marken nach dem MarkenG oder die 1415 Entrichtung von Entschädigungsleistungen im Berufsfußball durch die Auflösung eines zuvor geschlossenen Spielerarbeitsvertrags. Jene Konzessionen, Urheber- und verwandten Schutzrechte sind im Regelfall als selbstständig verwertbar und bewertbar zu qualifizieren, so dass die abstrakte Ansatzfähigkeit nach Handels- und Steuerrecht sowie IFRS eigentlich vorliegen dürfte. Dies entbindet allerdings nicht von der Verpflichtung einer einzelfallabhängigen Prüfung der Ansatzfähigkeit. Die wirtschaftlichen Werte weisen Parallelen zu den Rechten auf, da diese ebenfalls auf 1416 einem abgrenzbaren zukünftigen Nutzen beruhen. Der wesentliche Unterschied besteht allerdings darin, dass sie zwar Gegenstände des Rechtsverkehrs sind, d. h. im wirtschaftlichen Verkehr isoliert übertragen werden, jedoch ein rechtlicher oder vertraglicher Schutz

1408

1409 1410 1411 1412

1413 1414 1415 1416

Vgl. den entsprechenden Ausschluss in IDW S 5.3 sowie ferner die grafische Darstellung von LutzIngold 2005, S. 8. Vgl. zur bilanziellen Berücksichtigung von Software Abschn. I.D.1 dieses Hauptteils. Vgl. statt vieler Kählert/Lange 1993, S. 615 f.; Stieler 1999, S. 98. Vgl. die Erörterungen von Richter 1990a, S. 17. Vgl. u. a. Glade 1991, S. 5; Kisser 2004, S. 85; Küting/Dawo 2003b, S. 398; Küting/Ulrich 2001, S. 955; von Keitz 1997, S. 6. Vgl. hierzu im Detail Abschn. I.D.2 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.D.3 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu Abschn. I.D.4 dieses Hauptteils. Vgl. Dawo 2003, S. 29 sowie von Keitz 1997, S. 78.

172

Zweiter Hauptteil

nicht vorliegt. Oftmals ist der immaterielle Wert mit einem materiellen Trägermedium ver1417 bunden, so dass eine eindeutige Abgrenzung Probleme bereitet. Der wirtschaftliche Wert manifestiert sich insbesondere darin, dass das Unternehmen über spezielle Insiderkenntnisse verfügt (z. B. in der Herstellung selbst erstellter Software für den Eigen1418 gebrauch) , d. h. sonstige Marktteilnehmer (noch) nicht über jenes Wissen verfügen und dementsprechend kein Einsatz der Vermögenswerte möglich ist. Allerdings besteht die Gefahr, dass im Zeitablauf Konkurrenzunternehmen diesen Wissensvorsprung ausgleichen und ebenfalls an der Herstellung unternehmensspezifischen immateriellen Vermögens forschen, so dass kein dauerhafter Wettbewerbsvorteil vorliegt. In dieser Hinsicht ist die abstrakte Ansatzfähigkeit von wirtschaftlichen Werten ebenfalls einzelfallspezifisch zu würdigen. Als letztere Kategorie fungieren neben den Rechten und den wirtschaftlichen Werten die rein wirtschaftlichen Vorteile, denen eine abstrakte Ansatzfähigkeit abgesprochen wird, da sie weder einer Identifizierbarkeit zugänglich noch isoliert im wirtschaftlichen Verkehr übertragbar sind. Demzufolge entfalten diese Werte einen zukünftigen Nutzen lediglich in Zusammenhang mit dem Gesamtunternehmen, so dass sie dem betrieblichen Goodwill subsumiert werden. Typische Beispiele für wirtschaftliche Vorteile stellen nach Abbildung 1419 17 (allgemeine) Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten des Unternehmens oder In1420 gangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen dar, denen jedoch unter gewissen Prämissen in den jeweiligen Normensystemen eine konkrete Ansatzfähigkeit zuerkannt 1421 wird. Abbildung 17 fasst die vorstehenden Ausführungen schematisch zusammen. Die markierten Beispiele werden im Folgenden einer detaillierten Analyse zugeführt. Zur Vermeidung inhaltlicher Redundanzen erfolgt keine nach der abstrakten und konkreten Ansatzfähigkeit getrennte Abhandlung. Im Fokus der Untersuchung steht die Frage nach der Identifizierbarkeit der in Rede stehenden immateriellen Vermögenswerte. Da die Auswirkungen der jeweiligen Regelwerke auf die Höhe der Informationslücke im Fokus der Analyse stehen, wird lediglich der Ansatz thematisiert. Eine detaillierte Würdigung ausgewählter kritischer Themenaspekte hinsichtlich der Bewertung aus Sicht der Abschlussprüfung ist Gegenstand 1422 des Vierten Hauptteils. Für den im Dritten Hauptteil zu konzipierenden Intangible Asset 1423 Report fällt die traditionelle Einteilung in Rechte, wirtschaftliche Werte und rein wirtschaftliche Vorteile zu rudimentär aus. Hierbei ist eine zusätzliche inhaltliche Strukturie1424 rung notwendig.

1417 1418 1419 1420 1421 1422 1423 1424

Vgl. Lutz-Ingold 2005, S. 14. Vgl. Abschn. I.D.1 dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. I.B dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Vgl. auch Kuntschik 2004, S. 79. Vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. II.C. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. V.B. Vgl. die ergänzenden Vorschläge in Abschn. II.A des Dritten Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

173

immaterielle Vermögenswerte

rein wirtschaftliche Vorteile*

wirtschaftliche Werte

Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs

Rechte

Software

Patente

Kundenlisten

Marken

ungeschützte Erfindungen

Urheberrechte

Produktionsverfahren

Domains

interne Forschung und Entwicklung Standortvorteile Konzessionen Reputation Spielerwerte

grds. nicht identifizierbar (= Bestandteil des Goodwill)

grds. identifizierbar (= kein Bestandteil des Goodwill)

* Die rein wirtschaftlichen Vorteile, auch als „adjunktive Güter“ oder „ideelle Werte“ bezeichnet, stellen nicht identifizierbare immaterielle Vermögenswerte dar und gehen im Goodwill auf. Bei einem erfolgreichen Durchlaufen der Entwicklungsphase können identifizierbare immaterielle Vermögenswerte (wirtschaftliche Werte oder Rechte) geschaffen werden.

Abbildung 17:

Klassifizierung immaterieller Vermögenswerte und deren Identi1425 fizierbarkeit

D.

Mögliche identifizierbare Intangible Assets

1.

Software beim Anwender 1426

Die bilanzielle Behandlung von Software wurde in der Vergangenheit durch kontroverse (u. a. fiskalpolitisch orientierte) Stellungnahmen in Schrifttum und Rechtsprechung geprägt, die wiederum zahlreiche Fragestellungen aufgeworfen haben. Zudem zeugen die ansteigenden Softwareaufwendungen, die überdurchschnittlich langen Entwicklungszeiten sowie die geringe Halbwertzeit von Computersoftware von einer außerordentlichen prakti1425 1426

Eigene Darstellung. Vgl. zu einer definitorischen Abgrenzung zwischen Hard- und Software u. a. Hartmann 1972, S. 292; Knepper 1988, S. 299; Stapperfend 1991, S. 3. Bormann weist darauf hin, dass die Software vereinzelt als Bestandteil der Hardware aufgefasst wird bzw. dass eine Einheit zwischen Soft- und Hardware bestehen würde; vgl. Bormann 1991, S. 8 und 10 sowie weiterführend Hartmann 1972, S. 289; Sauer 1988b, S. 731; Stapperfend 1991, S. 20; Walter 1980, S. 1766 f.

174

Zweiter Hauptteil 1427

schen Bedeutung dieses Themenkomplexes. Mit dem RS HFA 11 hat das IDW auf diese Entwicklungen reagiert und eine - wenngleich rudimentäre - Orientierungshilfe für den Bi1428 lanzersteller konzipiert. Die nachfolgenden Ausführungen untersuchen lediglich die Nutzung von Software für den Eigenbedarf. Die grundlegende terminologische Unterscheidung erfolgt in die System- und Anwendungssoftware, wobei letztere wiederum in die Individual- und Standardsoftware zer1429 fällt. Das IDW definiert Systemsoftware als „Gesamtheit der im Betriebssystem zusammengefassten Programme, welche die Ressourcen des PC verwalten, Programmabläufe 1430 steuern und Befehle der Benutzer ausführen“ und Anwendungssoftware als „Oberbegriff für solche Programme, die DV-Aufgaben des Anwenders lösen“, die entweder ausschließlich für einen bestimmten Anwender (Individualsoftware) oder für einen breiten Käufer1431 kreis zugeschnitten sind (Standardsoftware). Bei der fixen Standardsoftware (z. B. 1432 Microsoft Office) sind keine Anpassungen des Anwenders erforderlich, während die variable Standardsoftware (z. B. SAP R/3) erst noch an die entsprechenden Bedürfnisse des 1433 Adressaten anzupassen ist. Die nachfolgende Abbildung 18 gibt eine Übersicht der we1434 sentlichen Software-Kategorien.

1427

1428 1429 1430

1431

1432 1433 1434

Vgl. Bormann 1991, S. 8. „The development of computer software products takes on increasing importance as our economy continues to change from a manufactoring process orientation (tangible outputs) to an information flow society (intangible outputs)“, Kieso/Weygandt/Warfield 2002, S. 623; vgl. zu einer nicht abschließenden Auflistung bilanzieller Problemfelder Siebert/Suermann 2003, S. 406. Vgl. IDW RS HFA 11 sowie hierzu im Einzelnen Willeke 2004b, S. 6717. Vgl. stellvertretend zu dieser Einteilung Sauer 1988b, S. 728. IDW RS HFA 11.3 und vgl. grundlegend zur Systemsoftware Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 4. Als Beispiele sind Betriebssysteme, Programmiersprachen, Übersetzungs- und Dienstprogramme angeführt; vgl. ausführlich hierzu Husmann 2005, S. 668; Kisser 2004, S. 59. Vgl. zu möglichen Abgrenzungsdefiziten Treiber 1993, S. 887 und zu einer detaillierteren Untergliederung Kisser 2004, S. 64. Als Beispiele für Anwendungssoftware sind Textverarbeitungs- oder Simulationsprogramme zu nennen; vgl. auch Husmann 2005, S. 668. Vgl. Sauer 1988a, S. 21; Sontheimer 1983, S. 350; Stapperfend 1991, S. 8; Walter 1980, S. 1817. Vgl. Sauer 1988b, S. 728. Der sachlichen Software-Abgrenzung kommt auch hinsichtlich der Abschlussprüfung eine zentrale Bedeutung zu; vgl. Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.2.

Bilanzierung und Erstbewertung

175

Software

Systemsoftware

Anwendungssoftware

Individualsoftware

Standardsoftware

variabel

Abbildung 18:

Kategorisierung von Software

fix

1435

Das IDW spricht der derivativen Systemsoftware eine selbstständige Verwertbarkeit und damit auch eine separate Bilanzierung als immaterielles Anlagevermögen zu, da eine Er1436 setzbarkeit jederzeit möglich ist. Während die bilanzielle Einordnung der Individualsoftware als immaterielle sowie Trivialprogramme als materielle Vermögensgegenstände 1437 des Anlagevermögens ebenfalls unproblematisch ausfällt, wird dies im Falle von Stan1438 dardsoftware kontrovers diskutiert. Die h. M. geht im Allgemeinen von einer Klassifikation als immaterielles Anlagevermögen aus, da der geistige Gehalt der Software im Vor1439 dergrund steht. Der BFH unterstellt in einem Grundsatzurteil, dass mit Ausnahme von Trivialprogrammen bei jeglicher Art von Software der geistige Gehalt wesentlich und somit eine pauschale 1440 Einordnung als immaterielles Wirtschaftsgut vorzunehmen ist. Lediglich Computerprogramme, die keine Befehlsstruktur, sondern allgemein bekannte und jedermann zugängliche Datenbestände enthalten, können demnach ausnahmsweise im Ganzen materieller Na1441 tur sein. Da zusammenfassend aus handels- und steuer(recht)licher Sicht ein Großteil der vorstehend genannten Softwarekomponenten als immaterielles Vermögen klassifiziert

1435

1436 1437

1438

1439

1440

1441

Modifiziert entnommen von Walleyo 2001, S. 25. Die Firmware als Programmbaustein, welche Hardund Software verbindet, wird im Nachfolgenden nicht näher betrachtet. Vgl. IDW RS HFA 11.3 sowie hierzu im Einzelnen auch Kuhner 2007, S. 29 f. Vgl. u. a. BFH 1987b, S. 728 sowie ebenfalls Knepper 1988, S. 304; Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 10; Richter 1990a, S. 18 f.; Siebert/Suermann 2003, S. 408; Walter 1980, S. 1767. Vgl. hierzu im Einzelnen Hartmann 1972, S. 293; Knepper 1988, S. 305-307 m. w. N.; Mathiak 1984, S. 71; Sontheimer 1983, S. 352. Vgl. George 1987, S. 581; Hartmann 1972, S. 293; Siebert/Suermann 2003, S. 408; Treiber 1993, S. 888; Willeke 2004b, S. 6718. Vgl. BFH 1987b, S. 728. Eine Ausnahme stellt jedoch das Bundling dar, d. h. die Systemsoftware wird zusammen mit der Hardware zum Kauf angeboten. Demnach kann ein einheitliches materielles Wirtschaftsgut (Sachanlagevermögen) unterstellt werden; vgl. BFH 1990a, S. 794 sowie hierzu Köhler/ Benzel/Trautmann 2002, S. 927, vormalig Freericks 1976, S. 694; Steckmeister 1971, S. 590 f. und weiterführend Köhler 2002, S. 371; Pfitzer/ Schwenzer 2003, S. 9; Stapperfend 1991, S. 27. Vgl. weiterführend BFH 1988a, S. 737; BFH 1988b, S. 160 sowie H 5.5 EStR.

176

Zweiter Hauptteil

wird, ist die Ansatzfähigkeit auf derivative Software (bezogen auf einen Einzel- und einen 1442 Unternehmenserwerbs) im Handels- und Steuerrecht begrenzt. Durch die Veröffentlichung des BilMoG-RefE sind - wie vorstehend benannt - fundamentale Änderungen geplant, z. B. die Aufgabe von § 248 Abs. 2 HGB sowie eine bedingte 1443 Aktivierungspflicht von Entwicklungsaufwendungen. Die künftige bilanzielle Berücksichtigung gilt somit ebenfalls für originäre Software, da flankierend keine konkreten handelsrechtlichen Ansatzverbote für bestimmte selbsterstellte immaterielle Anlagegüter im BilMoG-RefE - im Gegenzug zu den IFRS - implementiert wurden. Kritisch zu beurteilen ist, dass der handelsrechtliche Gesetzgeber keine sachliche Trennung zwischen den originären immateriellen Vermögensgegenständen und dem nicht ansatzfähigen originären Geschäfts- oder Firmenwert vollzieht. Steuerrechtliche Auswirkungen sind nicht zu erwarten, da am bisherigen Ansatzverbot des § 5 Abs. 2 EStG festgehalten wird. Ein zentraler Unterschied zwischen den IFRS und den handelsrechtlichen Regelungen liegt in der Bilanzierung von Systemsoftware begründet. Das IASB nimmt in Abgrenzung zu IDW RS HFA 11 eine pauschale Klassifikation der Systemsoftware als integralen Bestandteil der Hardware vor, so dass beide als Funktionseinheit zu betrachten und nach den Vor1444 schriften des Sachanlagevermögens (IAS 16 statt IAS 38) zu bilanzieren sind. Für die sonstigen Softwarebestandteile, z. B. für Anwendungssoftware, kommt ein von der Hard1445 ware separater Ansatz als immaterieller Vermögenswert und somit IAS 38 in Betracht, welcher eine Aktivierung von originärer Software im Gegensatz zum bisherigen Handelsund Steuerrecht nicht ausschließt. Vielmehr erfolgt ein Verweis auf die bereits dargelegten 1446 Kriterien zur Separierung in eine Forschungs- und Entwicklungsphase. Ein separater Standard zur Software-Bilanzierung existiert im Gegenzug zu den US-GAAP bislang 1447 nicht. Infolgedessen ist deren Hinzuziehung zulässig und ggf. erforderlich. Eine Ausle1448 gungshilfe bieten hierbei Statement of Position (SoP) 98-1 und SFAS 86, welche die Bi1449 lanzierung von Internal Use Computer Software regeln.

1442 1443 1444

1445 1446

1447

1448

Vgl. § 248 Abs. 2 in Verbindung mit § 5 Abs. 2 EStG. Vgl. Abschn. I.A.1 und I.B dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.4 sowie konkretisierend Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 298 zu Abschn. 8, S. 131; Kisser 2004, S. 55; exemplarisch Pöller 2007, S. 172. IAS 38.4 stellt bei sämtlichen „gemischten“ Vermögenswerten bzw. „Zwittergütern“ (Husmann 2005, S. 663), die sowohl eine materielle als auch eine immaterielle Komponente besitzen, darauf ab, welche Komponente nach eigenem Ermessen des Bilanzierenden als wesentlicher zu erachten ist. Dies schafft ein nicht unbedeutendes rechnungslegungspolitisches Gestaltungspotenzial; vgl. zu dieser Auffassung ebenfalls Kisser 2004, S. 113 sowie weiterführend zum Komponentenansatz nach IAS 16 u. a. Andrejewski/Böckem 2005, S. 75. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 57 zu Abschn. 8, S. 27. Vgl. IAS 38.18 und IAS 38.57 sowie die Ausführungen zu den Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in Abschn. I.B dieses Hauptteils. Vgl. IAS 8.11 f. sowie hierzu u. a. Walleyo 2001, S. 26 sowie die grundlegenden Ausführungen von Schreiber 2005e, S. 458; zur Behandlung von Software nach US-GAAP u. a. Mohd 2005, S. 1211; Schreiber 2004, S. 745; Schreiber 2005f, S. 389 f. Die Verwendung von SFAS 86 und SoP 98-1 als Auslegungshilfe der IFRS wird allerdings im Schrifttum zum Teil abgelehnt; vgl. Schneider 2005, S. 224-226, welcher u. a. darlegt, dass die Bestimmung des Aktivierungszeitpunkts nach SFAS 86 ebenso wenig präzisiert wird wie nach IAS 38. (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Bilanzierung und Erstbewertung

177

Die empirische Untersuchung von Schneider, welche die Abschlüsse von Softwareentwicklungsunternehmen des Neuen Marktes fokussierte, bescheinigte eine erhöhte Aktivie1450 rungsrate von selbsterstellter Software nach IAS 38.

2.

Internetauftritte und Domains

Die Internetkommunikation stellt angesichts der Technologisierung des wirtschaftlichen 1451 Geschehens einen zentralen Bestandteil der Investor Relations-Maßnahmen des Unter1452 nehmens dar. Mithilfe einer benutzerfreundlichen und informativen Homepage präsen1453 tieren sich die Unternehmen nach außen hin den Investoren. Zudem nehmen Kunden in zunehmendem Maße von der Möglichkeit einer Onlinebestellung Gebrauch, so dass ein di1454 rekter verkaufsfördernder Effekt im Sinne des Customer Capital festzustellen ist. Zur eindeutigen Identifizierung der Internetseiten werden Internet Protocol (IP)-Adressen 1455 vergeben. Aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit wurde das Domain Name-System (DNS) eingeführt, das jeder IP-Adresse einen Trivial Name zuordnet, welcher als Internet 1456 Domain Name oder kurz als Domain bezeichnet wird. Je höher und schneller die Wahrnehmung dieser Domain durch den Kapitalmarkt ausfällt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Adressaten der Unternehmung die Internethomepage als künftige Plattform für die Informationsbeschaffung und Kommunikation mit dem Unternehmen dauerhaft nutzen. Die aus Deutschland stammenden Namen der Internetauftritte (diese sind durch die Endung „.de“ gekennzeichnet) werden vom Deutschen Network Information 1457 Center e. G. (DENIC) koordiniert. Da die Vergabe von Domains unterhalb der Top Le-

1449

1450

1451

1452 1453

1454 1455 1456

1457

Die zahlreichen Gestaltungsspielräume i. R. d. Anwendung von SoP 98-1 werden u. a. kritisch gewürdigt von Schreiber 2004, S. 751. Vgl. zur Ausstrahlungswirkung auf den IFRS-Abschluss u. a. Bruns/Thuy/Zeimes 2003, S. 140; Siebert/Suermann 2003, S. 418. Während SFAS 86 die Herstellung und den Erwerb von Computersoftware behandelt, die zur Vermarktung vorgesehen ist, richtet sich SoP 98-1 an Software, die der internen Nutzung dient; vgl. zur Abgrenzung SoP 98-1.2. Vgl. hierzu die abschließenden Ergebnisse von Schneider 2005, S. 264, der überdies eine im Vergleich zum IFRS-Regelwerk geringere Aktivierungsquote nach US-GAAP feststellt. Ein aktuell diskutierter Ausfluss der zunehmenden Technologisierung des unternehmerischen Geschehens stellt u. a. der Handel mit Mobilfunklizenzen bzw. Handysubventionen dar, auf den im Folgenden nicht näher eingegangen wird; vgl. für eine ausführliche bilanzrechtliche Würdigung u. a. Pottgießer/ Velte 2006, S. 131-136; Schmachtenberg/Meixner/Schäfer 2005, S. 512. Vgl. exemplarisch Leidig/Herzog 2001, S. 800. „Websites sind die virtuelle Ladentür, mittels der Kunden angezogen […] werden“, Hüttche 2002b, S. 217. Vgl. weiterführend zum Customer Capital Dritter Hauptteil, Abschn. II.A.1. Vgl. zum gewerblichen Domain-Handel u. a. Hüttche 2002b, S. 217. Vgl. Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 28 sowie grundlegend Feld 2001, S. 1025 f.; Müller/Wulf 2001, S. 2206. Vgl. zu den Domainrichtlinien und -bedingungen DENIC 2007a; DENIC 2007b.

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Zweiter Hauptteil 1458

vel Domain durch das „First Come, First Served“-Prinzip erfolgt, ist in der Vergangen1459 heit ein nicht zu unterschätzender Wettbewerb um die „besten“ Adressen entstanden. Weder das deutsche Handels-, noch das Steuerrecht äußern sich bis dato explizit zur bilan1460 ziellen Berücksichtigung von Internetauftritten und Domains. Ferner wird dieser Themenkomplex im Schrifttum bislang nachrangig behandelt. Dagegen liegt mit dem Standard 1461 Interpretation Committee (SIC) 32 ein separater Interpretationsstandard innerhalb des 1462 IFRS-Regelwerks vor, der im weiteren Verlauf noch vorgestellt wird. Nach h. M. ist die von der DENIC registrierte Domain, sofern diese für eigene unternehmerische Zwecke genutzt wird, handelsrechtlich als derivativer immaterieller Vermögens1463 gegenstand einzuordnen, da diese zivilrechtlich ein übertragbares „ähnliches“ Recht dar1464 stellt, welches am Markt gehandelt, vermietet und abgetreten werden kann. Zudem ist dieser als sacheinlagefähiger und pfändbarer Gegenstand einzustufen. Dem Domain1465 Konnektierungs- und Registrierungsvertrag, der zwischen der DENIC und dem DomainKunden geschlossen wird, liegt ein subjektives Leistungsanspruchsverhältnis zugrunde, sodass die abstrakte handelsrechtliche Tatbestandsvoraussetzung der selbstständigen Ver1466 wertbarkeit vorliegen dürfte. Mank weist in diesem Kontext darauf hin, dass die Internetadresse im Allgemeinen nicht nur zusammen mit dem Unternehmen, sondern auch ein1467 zeln übertragbar und selbstständig bewertbar ist. Einer Klassifizierung als identifizierbarer immaterieller Vermögensgegenstand ist daher zuzustimmen, wenngleich eine kritische Würdigung erfolgt, dass der Domain einschließlich ihrer Website häufig lediglich die

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Vgl. DENIC 2007a, S. 1. Vgl. u. a. Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 28; Schmittmann 2002, S. 106. Attraktiv sind insbesondere Schlüsselbegriffe, die bei der Verwendung von Internetsuchmaschinen wie Google oder Yahoo aufgerufen werden, z. B. „IFRS“, „Corporate Governance“ oder „Investor Relations“. Vgl. u. a. Bruns/Thuy/Zeimes 2003, S. 140; Bruns/Zeimes/Thuy 2004, S. 259. Die Veröffentlichung von Interpretationen zu den IFRS wird seit 2002 durch das IFRIC fortgeführt; vgl. grundlegend Zülch 2005b, S. 3. Der im Schrifttum vereinzelt vorgenommenen pauschalen Einordnung der „Internetauftritte“ als unternehmerische Software wird im weiteren Verlauf der Untersuchung nicht gefolgt. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A. I. 1. HGB. Vgl. LG Düsseldorf 2001, S. 548 f.; LG Essen 1999, S. 213 f. sowie hierzu im Einzelnen Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 29; Hoffmann 2007, S. 265. Vgl. weiterführend zur Klassifizierung des immateriellen Vermögens Abbildung 17. Während der Konnektierungsanspruch sicherstellt, dass der Wähler der Domain Zugang zur Homepage erhält, verhindert der Registrierungsanspruch eine mehrfache Vergabe der gleichen Domain bzw. berechtigt den Inhaber zur exklusiven Nutzung; vgl. hierzu Jochum 2007, S. 97. Vgl. Hoffmann 2007, S. 265; Hütten 1998, S. 161; Jochum 2007, S. 100; Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 29; Strunk 2002, S. 561; Wübbelsmann 2005, S. 1660; anderer Ansicht scheinbar Hüttche 2002b, S. 220, der die Auffassung vertritt, dass im Regelfall die Domain kein - neben der eigentlichen Marke des Unternehmens - einzeln verwertbares Vermögensgut darstellt; vgl. in diesem Zusammenhang ebenfalls die Darlegungen von Leidig/Herzog 2001, S. 802 und Gockel/Gollers 2002, S. 6542, inwieweit die Aktivierung des Internetauftritts im Ganzen oder entsprechend der einzelnen Module sachgerechter erscheint. Vgl. Mank 2005, S. 1295.

Bilanzierung und Erstbewertung

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Funktion „einer Visitenkarte bzw. eines Schaufensters“ zukommt. Unproblematisch erscheint hierbei die Frage nach der bilanziellen Einordnung als materielles oder immaterielles Vermögensgut. Da der Domain-Inhaber mit dem geschlossenen (Werk-) Vertrag das Recht zur Konnektierung der Internetadresse erwirbt und hierfür das Registrierungsentgelt entrichtet, ist von einer Unkörperlichkeit und daher von einem derivativen immateriellen 1469 Vermögensgegenstand auszugehen. Betreibt das Unternehmen keinen gewerblichen Domain-Handel, d. h. ist keine Weiterveräußerung beabsichtigt und wird lediglich eine Adresse gehalten, ist die Domain im Allgemeinen im Rahmen eines Einzelerwerbs erworbener (derivativer) immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens zu klassifi1470 zieren. Nicht abschließend geklärt ist, inwieweit bei einem Unternehmenserwerb die übernommene Homepage mitsamt ihrer Domain stets als identifizierbarer immaterieller Vermögenswert in Erscheinung tritt oder ggf. auch im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert aufgehen kann. Sofern ein ursächlicher Zusammenhang vorliegt, besteht de lege lata auch die Möglichkeit, die in Rede stehenden internetbezogenen Aufwendungen handelsrechtlich als Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs, die - wie noch 1471 darzulegen ist - Bestandteile des derivativen Goodwill sind, zu deklarieren. Originäre immaterielle Werte, die z. B. als Entwicklungsaufwendungen der betrieblichen Homepage anfallen, sind im Handels- und Steuerrecht de lege lata nicht bilanziell zu be1472 rücksichtigen. Wie bereits ausgeführt müssen infolge des BilMoG-RefE künftig ebenfalls internetbezogene Entwicklungsaufwendungen in der handelsrechtlichen Bilanz zum 1473 Ansatz gelangen, sofern die Vermögensgegenstandseigenschaft vorliegt. Hierbei ergeben sich allerdings die bereits diskutierten Abgrenzungs- und Auslegungsfragen, die im 1474 künftigen BilMoG-RegE zu klären sind. Die steuerrechtliche Einordnung von Domains wurde durch das BFH-Urteil vom 1475 19.10.2006, welches sich auf ein Verfahren vor dem Finanzgericht (FG) Rheinland1476 Pfalz stützte, detailliert erörtert. In dem betreffenden Ausgangsfall hatten die Inhaber einer Werbeagentur Aufwendungen für die Einrichtung einer Domain-Adresse als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben erfasst und angegeben, sie hätten „nur den Namen gekauft 1477 und die Internetseite selbst eingerichtet“ . Das zuständige Finanzamt hingegen setzte einen Gewinn aus Gewerbebetrieb an, der die o. g. Aufwendungen nicht als Betriebsausgabe

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Dies würde tendenziell gegen eine selbstständige Verwertbarkeit sprechen; vgl. hierzu Kuhner 2007, S. 61. Vgl. Mank 2005, S. 1295; Pfitzer/Schwenzer 2003, S. 29; Strunk 2002, S. 561. Vgl. Schmittmann 2002, S. 107. Vgl. § 269 HGB; hieran anknüpfend Kuhner 2007, S. 61 und zur bilanziellen Behandlung von Ingangsetzungs- und Erweiterungaufwendungen des Geschäftsbetriebs Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Vgl. § 248 Abs. 2 HGB. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 122 f. Vgl. Abschn. I.A.1 und Abschn. I.B dieses Hauptteils. Vgl. BFH 2006c, S. 430 f. sowie hierzu im Einzelnen Schmittmann 2007, S. 217-220. Vgl. FG Rheinland-Pfalz 2004, S. 309 f. FG Rheinland-Pfalz 2004, S. 309 f. sowie vgl. hierzu auch Thiele 2005, S. 470.

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Zweiter Hauptteil

berücksichtigte. Vielmehr wurde die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei um ein im1478 materielles aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut handeln würde. Die sich daran anschließende Klage durch die Steuerpflichtigen wurde durch das zuständige FG Rheinland1479 Pfalz abgewiesen. Dieser Auffassung schloss sich ebenfalls der BFH an. Die Domain erfüllt demnach „alle nach Rechtsprechung und Literatur an ein Wirtschaftsgut zu stellenden Anforderungen“ und ist dem immateriellen Anlagevermögen zuzuordnen, weil das mit der Domain „verbundene (Nutzungs-) Recht und nicht etwa dessen körperliche Registrierung 1480 bei der DENIC im Vordergrund steht“ . Der Domain ist nicht nur eine Einzelbewertbarkeit, sondern ebenfalls eine Einzelveräußerbarkeit zu bescheinigen, wobei letztere lediglich ein notwendiges Kriterium für die Einordnung als handelsrechtlicher Vermögensge1481 genstand und nicht für die Klassifizierung als Wirtschaftsgut darstellt. Die Domain ist 1482 mithin zwingend zu ihren aufgewendeten Anschaffungskosten zu aktivieren. Das Spezialproblem einer bilanziellen Behandlung von internetbezogenen Aufwendungen 1483 ist im IFRS-Regelwerk in SIC-32 ausdrücklich geregelt, wobei letztere Verlautbarung der Konkretisierung von IAS 38 dient. Der Anwendungsbereich von SIC-32 ist auf unternehmensinterne Entwicklungsaufwendungen für die Erstellung eines Internetauftritts begrenzt, welcher durch das Unternehmen selbst genutzt wird. Eine Weiterveräußerungsabsicht, die z. B. bei einem gewerblichen Domain-Handel des Unternehmens zu unterstellen ist, impliziert eine Klassifizierung als Vorratsvermögen und somit eine bilanzielle Erfassung gem. IAS 2. Bei Entwicklungsaufwendungen, die ausschließlich oder hauptsächlich für Werbe- und Vermarktungszwecke eingesetzt werden, nimmt das Standing Interpretations Committee (SIC) generell an, dass die Möglichkeit eines zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens nicht nachweisbar ist, so dass eine Aktivierung in Übereinstimmung zum Han1484 dels- und Steuerrecht ausscheidet. Durch dieses Vorgehen soll ein Ansatz nicht bilanzierungsfähiger Werbeaufwendungen „durch die Hintertür“, welche dem originären Goodwill 1485 zu subsumieren sind, unterbunden werden. Ein wahrscheinlicher zukünftiger Nutzen aus dem Internetauftritt lässt sich jedoch durch das geplante Verhältnis der Onlinebestellungen 1486 zur konventionellen Bestellung nachweisen. Unklar ist, ob bereits die Einrichtung eines entsprechenden Menüpunkts auf der Homepage für eine Bejahung der Aktivierungsfähig1487 keit nach IFRS ausreicht.

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Vgl. die Ausführungen von Hüttche 2002b, S. 220; Schmittmann 2007, S. 219. Vgl. BFH 2006c, S. 430 und weiterführend zur Bewertungsprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.3. Beide Zitate FG Rheinland-Pfalz 2004, S. 310. Vgl. zu den Unterschieden zwischen Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. abschließend BFH 2006c, S. 430. Vgl. hierzu im Einzelnen Bruns/Zeimes/Thuy 2004, S. 260; Schneider 2005, S. 156 f.; Schreiber 2005e, S. 458 f. sowie anhand eines Praxisbeispiels Lüdenbach 2006b, S. 169. SIC-32 versteht sich als Auslegungshilfe für das Ansatzkriterium eines wahrscheinlichen künftigen Nutzenzuflusses nach IAS 38 für selbst erstellte Websites; vgl. Dobler 2007, S. 115. Vgl. SIC-32.8 sowie hierzu ebenfalls Kuhner 2007, S. 62; Schneider 2005, S. 156. Vgl. IAS 38.69 (c) und die Aussage von Kuhner 2007, S. 62; weiterführend zur fehlenden bilanziellen Berücksichtigung eines originären Geschäfts- oder Firmenwerts Abschn. I.E.2-4 dieses Hauptteils. Vgl. SIC-32.8. Vgl. zustimmend Schruff/Haaker 2006, S. 340 sowie kritisch Dobler 2007, S. 114.

Bilanzierung und Erstbewertung

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Die Erstellung einer Internetseite gliedert sich in die Kategorien Planung, Anwendung und Entwicklung der Infrastruktur, Entwicklung des grafischen Designs und inhaltliche Ent1488 1489 wicklung. Die Einrichtung einer Domain-Adresse fällt in die Phase Anwendung und 1490 Entwicklung der Infrastruktur. Diese begründet eine Aktivierung, wenn die Ausgaben 1491 direkt der Vorbereitung der Internetseite zugerechnet werden können und diese für die Erstellung, Aufbereitung und Vorbereitung der Website für den beabsichtigten Gebrauch 1492 notwendig sind. Hierbei wird deutlich, dass die stets entgeltlich erworbene Domain und ein originärer Internetauftritt lediglich im Zusammenhang bilanziell zu erfassen sind. Dies steht im Gegensatz zur separaten Bilanzierungspraxis nach HGB und EStG, die jedoch gleichzeitig (bislang) einen Ansatz von originären Internetaufwendungen unterbinden. Da die Domainaufwendungen ihrem Wesen nach der Entwicklungsphase gleichkommen, sind die in IAS 38.57 kodifizierten Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ zu erfüllen. Der In1493 haber der Domain hat somit Dritte von der Verwendung regelmäßig auszuschließen, einen zukünftigen wirtschaftlichen Nutzen in Form von Zahlungsüberschüssen aus der Ak1494 quirierung oder Vertrauensstärkung von Kunden zu generieren und die Kosten für die Erlangung der Domain-Rechte zuverlässig zu bewerten. Strittig ist jedoch analog zum Handels- und Steuerrecht, ob ein separater Bilanzausweis der Domain oder eine Einordnung unter den Entwicklungsaufwendungen bei der Erstellung einer unternehmenseigenen Homepage gerechtfertigt ist. Ausgaben, welche der Betriebsphase der Homepage entstammen, sind mit Ausnahme von nachträglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten 1495 erfolgswirksam zu berücksichtigen. Bei Unternehmenserwerben nach IFRS 3 tritt das IASB explizit für einen separaten Ausweis der übernommenen Domain ein, um die Informationsfunktion des Abschlusses zu er1496 1497 höhen. Demnach ist von einer Identifizierbarkeit auszugehen.

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Vgl. SIC-32.2; hieran anknüpfend Schneider 2005, S. 158 und aus Sicht des Business Risk Auditing Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.3. Das IASB definiert die Domain als „a unique alphanumeric name that is used to identify a particular numeric Internet address. Registration of a domain name creates an association between the name and a designated computer on the Internet of the period of the registration.“ IFRS 3.IE22 (rev. 2008). Vgl. SIC-32.2 (b). Vgl. hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 113 zu Abschn. 8, S. 55 f.; Dobler 2007, S. 114; Schreiber 2005e, S. 459. Vgl. SIC-32.9 (b) in Verbindung mit SIC-32 Anhang sowie ebenfalls Bruns/Zeimes/Thuy 2004, S. 260. Jede Domain-Adresse kann weltweit lediglich einmal vergeben werden. Vgl. hierzu im Besonderen Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 113 zu Abschn. 8, S. 55, die anmerken, dass eine schlichte Werbung für Produkte und Dienstleistungen des betreffenden Unternehmens nicht ausreicht, sondern ebenfalls auf der Website Bestellungen entgegengenommen werden können, so dass die Auftragsabwicklung rationalisiert wird; vgl. weiterführend auch Dobler 2007, S. 114. Vgl. SIC-32.9 d). Als Beispiel lassen sich regelmäßige Updates anführen; vgl. Dobler 2007, S. 114; Schruff/Haaker 2006, S. 340. Vgl. hierzu IFRS 3.IE22 (rev. 2008). „A registered domain name acquired in a business combination meets the contractual-legal criterion“. IFRS 3.IE 22 (rev. 2008).

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3.

Zweiter Hauptteil

Marken

Die Einschätzung, dass Unternehmens- und Produktmarken den Erfolg einer am Sharehol1498 der Value ausgerichteten Unternehmenspolitik entscheidend determiniert, ist indes nicht 1499 neu. Eine Studie zur „Praxis von Markenbewertung und Markenmanagement in deutschen Unternehmen“ von PwC, der Universität Hamburg, der GfK Marktforschung und dem Deutschen Markenverband führte zum Ergebnis, dass sich der Anteil des Marken1500 werts am Unternehmenswert auf durchschnittlich 67 % beläuft. Ferner gehört die Marke neben dem Geschäfts- oder Firmenwert zu den wichtigsten immateriellen Werttreibern des Unternehmens, wobei eine Abgrenzung insbesondere aus handelsrechtlicher Sicht Proble1501 me bereitet. Das Markengesetz (MarkenG) definiert Marken als „Zeichen, insbesondere Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackungen sowie sonstige Aufmachungen einschließlich Farben und Farbzusammenstellungen, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen ande1502 rer Unternehmen zu unterscheiden“ . Die wesentlichen Funktionen, insbesondere für die Adressaten, bestehen in der Identifikation, Orientierung, Erhöhung der Reputation bzw. des Images der Unternehmung sowie der Präferenzbildung und Differenzierung von Kon1503 kurrenzgesellschaften. Dabei geht das Management von einer künftigen Käuferstabili1504 1505 tät und erwarteten Preisvorteilen auf den Absatzmärkten aus, die wiederum einen positiven Einfluss auf den Shareholder Value des Unternehmens ausüben. Eine mögliche widerrechtliche Benutzung von Marken, z. B. durch Konkurrenten, kann durch den rechtli1498

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Durch die Terminologie des Markenwerts erfolgt eine direkte Verknüpfung zwischen der Marke und dem Shareholder Value. Der Begriff Markenwert charakterisiert den mit der Marke verbundenen inkrementalen Wert, der insbesondere durch die subjektive Nutzenwahrnehmung der Adressaten determiniert und als Differenz des Nutzens des Markenprodukts gegenüber dem Nutzen des unmarkierten, ansonsten technisch gleichwertigen Artikels klassifiziert wird; vgl. Meffert/Burmann 2005, S. 82 f.; Padberg 2007, S. 90 sowie ähnlich Sattler 1995, S. 664. Im Schrifttum wird vereinzelt auch der Terminus Firmenlogo verwendet; vgl. u. a. Weßling 1996, S. 74. Vgl. statt vieler zum Stellenwert von Marken i. R. d. Signalling Theory Chen 2003, S. 192 f. Vgl. PwC et al. 2005, S. 9 sowie hieran anknüpfend Hommel/Buhleier/Pauly 2007, S. 371. Die Untersuchung von Wirtz/Göttgens/Leach errechnet einen durchschnittlichen Unternehmenswertanteil bei denjenigen DAX-Unternehmen mit dem höchsten Markenwert von 71%; vgl. Wirtz/Göttgens/Leach 2003, S. 77 sowie zu weiterführenden Studien zur Bedeutung des Markenwerts Berke/Boehmer 2006, S. 49; Bialek 2006, S. 16; Günther 2001, S. 54 m. w. N.; Lichter/Tödtmann 2006, S. 1; Maul 2005c, S. 198. Vgl. PwC et al. 2005, S. 9 sowie Gerpott/Thomas 2004, S. 2485 und Gerpott/Thomas 2005, S. 2421, die u. a. auf die Defizite der Markenbewertung in der Unternehmenspraxis hinweisen; vgl. grundlegend zum Markenrecht Greinert 2002, S. 9-21; Maul 2005c, S. 201. § 3 Abs. 1 MarkenG; IDW S 5.55; vgl. weiterführend auch Gerpott/Thomas 2005, S. 2421; Maul 2005c, S. 201. Als wesentliche konstitutive Merkmale der Begriffsabgrenzung werden die Qualitätsgarantie, die Verkehrsgeltung sowie die Ubiquität angegeben; vgl. erschöpfend Bruhn 1994, S. 5-7; Dichtl 1992, S. 16-20; Sattler 2001, S. 40. Vgl. ebenso Meffert/Burmann 2005, S. 81 f. Sattler differenziert in eine Unterscheidungs-, Herkunftssowie Werbe- und Qualitätsfunktion; vgl. Sattler 2001, S. 47 f. Vgl. empirisch zur Erhöhung der Markenloyalität durch Brand Communities u. a. Algesheimer/Herrmann/Dimpfel 2006, S. 933-958. Vgl. beispielhaft zu Preispremien markierter Produkte gegenüber unmarkierten Gütern Esch 2005, S. 11-13.

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chen Markenschutz unterbunden werden, 1507 geführte Markenregister.

u. a. durch Eintragung in das vom Patentamt 1508

Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den gewerblichen Schutzrechten werden derivative 1509 (Produkt-) Marken den immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens 1510 subsumiert. Der Tatbestand der selbstständigen Be- und Verwertbarkeit ist erfüllt, da 1511 diese isoliert übertragbar sind. 1512

Selbst geschaffene Marken fallen bisher unter das handelsrechtliche Aktivierungsverbot, so dass sämtliche Aufwendungen, welche zur dauerhaften Errichtung und Erhaltung des Geschäftsbetriebs dienender Marken eingesetzt werden, erfolgswirksam in der GuV zu be1513 rücksichtigen sind. Eine freiwillige Untergliederung der GuV oder der Einsatz von Da1514 von-Vermerken für markenbezogene Aufwendungen lehnt das Schrifttum im Allgemei1515 nen ab. Als Begründung lässt sich der Verstoß gegen den Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit anführen, da Marken Einfluss auf einen Großteil der Aufwandspositionen nehmen können und eine eindeutige quantitative Abgrenzung häufig nicht möglich ist. Unter besonderer Berücksichtigung der fehlenden bzw. unzureichenden Erfassung von Marken in (Konzern-) Bilanz und -GuV kommt der Aufnahme von zusätzlichen Informationen, z. B. im (Konzern-) Anhang, -Lagebericht oder im nicht prüfungspflichtigen Bereich 1516 des Geschäftsberichts, vor diesem Hintergrund eine zentrale Bedeutung zu. Bei im Zuge von Unternehmenserwerben übernommenen (Produkt- und Unternehmens-) Marken wird im Handelsrecht eine objektive Aufteilung des Kaufpreises auf derartige Vermögensposten unter besonderer Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips im Allgemeinen nicht unterstellt, so dass sich jene Werttreiber im derivativen Geschäfts- oder Firmen-

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Vgl. weiterführend EU-Markenverordnung, S. 1-36. Vgl. § 4 Nr. 1 MarkenG sowie hierzu im Einzelnen Maul 2005c, S. 201. Die Schutzdauer beträgt zehn Jahre (vgl. § 47 Abs. 1 MarkenG) und kann jeweils um weitere zehn Jahre verlängert werden (vgl. § 47 Abs. 2 MarkenG). Vgl. zur Unterschiedung in eine rechtliche und wirtschaftliche „Dimension“ der Markenbewertung IDW S 5.57 f. sowie zur grundlegenden Kategorisierung des immateriellen Vermögens Abbildung 17. Bei einem entgeltlichen Einzelerwerb können u. a. einzelne Produktmarken, aber keine Unternehmensmarken erworben werden. Vgl. § 266 Abs. 2 HGB; hierzu auch Greinert 2002, S. 35 f. Vgl. § 27 Abs. 1 MarkenG; abschließend Greinert 2002, S. 40 f. Vgl. § 248 Abs. 2 HGB. Vgl. Greinert 2002, S. 59. Die mangelnde Einzelbewertbarkeit lässt sich u. a. durch die hohe Streubreite externer Markenbewertungen erklären; vgl. hierzu weiterführend Ellerbrock/Frank 2004, S. 50 f.; Wieland 2006, S. 233. Vgl. § 265 Abs. 5 Satz 1 HGB. Vgl. etwa Greinert 2002, S. 74. Adler/Düring/Schmaltz betonen allerdings, dass die „Grenzen zwischen Anhang und Lagebericht [...] durch freiwillige Angaben nicht verwischt werden (Anm. des Verf.: dürfen)“. Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 31 zu § 284 HGB, S. 17. Im weiteren Verlauf der Untersuchung wird die Empfehlung ausgesprochen, ein Intangible Asset- und Goodwill Reporting außerhalb von (Konzern-) Abschluss und -Lagebericht zu betreiben; vgl. hierzu Dritter Hauptteil, Abschn. V.A.3.b) und c). Dieses Vorgehen impliziert, dass eine Auslagerung der freiwilligen Angaben von (Konzern-) Anhang und Lagebericht in den Report erfolgt, um inhaltliche Redundanzen möglichst zu vermeiden.

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wert niederschlagen. Durch dieses gläubigerschutzorientierte Vorgehen wird die Informationsfunktion des HGB-Abschlusses konterkariert, da der Goodwill dann auch identifi1518 zierbare immaterielle Vermögensgegenstände ggf. umfassen würde. Die Notwendigkeit einer Identifizierung immaterieller Vermögensgegenstände vom derivativen Goodwill wird nach HGB im Vergleich zum Steuerrecht und zu den IFRS mit einer tendenziell nachran1519 gigeren Bedeutung belegt. Angesichts der Tatsache, dass infolge des BilMoG-RefE die Entgeltlichkeit des Erwerbvorgangs nicht mehr als ausschlaggebendes Kriterium für die Ansatzfähigkeit immateriel1520 ler Anlagegüter fungiert, verschließen sich originäre Marken ggf. nicht länger einem Bilanzansatz. Fraglich ist jedoch, inwieweit originäre Marken nach Einschätzung des Gesetzgebers unter das Aktivierungsgebot für immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens oder angesichts der restriktiven abstrakten Ansatzfähigkeit im Handelsrecht 1521 unter das beibehaltende Ansatzverbot für den originären Goodwill fallen. Die bestrebte Annäherung an die IFRS könnte implizieren, dass das explizite Ansatzverbot für originäre Marken nach IAS 38.64 mangels verlässlicher Bewertbarkeit ebenfalls Rückwirkungen auf 1522 das fortentwickelte Handelsrecht hat. Vor dem Hintergrund der mit dem BilMoG-RefE auftretenden Rechtsuntersicherheit sollte im RegE dieser Regelungslücke Rechnung getragen und wie nach IFRS ein ausdrückliches Ansatzverbot implementiert werden. Ein künftig weiter reichendes Aktivierungsvolumen des HGB gegenüber den IFRS ist nicht zu rechtfertigen, da das BMJ an der Vermögensgegenstandskonzeption festhalten und nicht dem weitergehenden Vermögenswertsbegriff der IFRS folgen will. Das IASB geht bei der Nutzung einer Marke im Allgemeinen aufgrund der ihr innewohnenden absatzfördernden Funktion von einem zukünftigen Nutzenpotenzial in Form von 1523 Cash Flows und somit von einem eigenständigen Werttreiber (Brand Value) aus. Das Contractual Legal-Kriterium und somit der Tatbestand der Identifizierbarkeit nach IAS 38.11 sind für derivative Marken im Allgemeinen gegeben, da das Unternehmen durch den Markenschutz ein Recht auf exklusive Nutzung erwirbt und ebenfalls eine Markenlizenzie-

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Vgl. zur uneindeutigen Abgrenzbarkeit von identifizierbaren und nicht identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten insbesondere Abschn. I.E.1.b) dieses Hauptteils. Vgl. aus Sicht der Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.4. und die Bemerkung von Wieland 2006, S. 233, dass „die bilanzielle Erfassung des Markenwerts den Königsweg zur Erfüllung des Informationsbedarfs von Kapitalgebern“ darstellt. Vgl. zur restriktiven abstrakten handelsrechtlichen Ansatzfähigkeit Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Nach Einschätzung von Ernst soll das handelsrechtliche Ansatzverbot für den originären Goodwill nach Maßgabe des BilMoG-RefE nicht auf originäre Marken übertragen werden; vgl. Ernst 2007c, S. 4. Vgl. zu möglichen negativen Implikationen auf die Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.4. Vgl. IAS 38.17 in Verbindung mit IAS 38 BC17 sowie Gerpott/Thomas 2004, S. 2487; Wieland 2006, S. 233. In IFRS 3.IE19 (rev. 2008) wird ausgeführt: „Trademarks are words, names, symbols or other devices used in trade to indicate the source of a product and to distinguish it from the products of others“.

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rung möglich ist. Allerdings ist die Grenze zwischen den Aufwendungen für den Aufbau originärer Marken und dem Goodwill fließend, so dass - wie bereits ausgeführt - in Analogie zum bisherigen Handels- und Steuerrecht ein generelles Ansatzverbot für originäre und 1525 eine Ansatzverpflichtung für derivative Marken kodifiziert ist. Angesichts der Exklusivität und Individualität des immateriellen Vermögenswerts lässt sich häufig kein aktiver Markt für originäre Marken feststellen, welche dauerhaft im Unternehmen verbleiben sol1526 len. Eine Ausnahme dieser restriktiven Ansatzfähigkeit besteht jedoch bei selbsterstellten „Spekulationsmarken“, die dem Vorratsvermögen zu subsumieren und daher nach IAS 2 zu bilanzieren sind. Anders hingegen verhält es sich bei Marken, die im Zuge von Unternehmenserwerben nach IFRS 3 (rev. 2008) zu erfassen sind. Hierbei gilt nunmehr die Annahme, dass der beizulegende Zeitwert ehemals originärer Marken im Allgemeinen zuverlässig bestimmt und somit – im Gegensatz zur handelsrechtlichen Kaufpreisallokation - eine Identifizierung 1527 vorgenommen werden kann. In IAS 38.38 erfolgt allerdings die Einschränkung, dass es 1528 Situationen gibt, in denen ein Rückgriff auf vergleichbare Transaktionen ausscheidet. Trotz der Tatsache, dass das IASB für eine separate Aktivierung derivativer Marken bei Unternehmenserwerben plädiert, ist die Vergleichbarkeit des Financial Accounting bei Markentransaktionen in der Unternehmenspraxis aus nationaler und internationaler Sicht beeinträchtigt. Zusammenfassend gilt, dass in allen betrachteten Regelwerken (Handels- und Steuerrecht 1529 sowie IFRS) der Ansatz von selbsterstellten Marken bislang untersagt ist. Die mit dem BilMoG-RefE - noch nicht abschließend geklärte - künftige Aktivierung der in Rede stehenden originären Vermögensposten steigert die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Abschlusses, weil die Adressaten durch den Bilanzansatz einen zutreffenderen Einblick in die immaterielle Vermögenslage des Unternehmens erhalten und somit dem True and Fair View-Prinzip Rechnung getragen wird. Dieses Vorgehen dient ferner dem Abbau einer Ungleichbehandlung von in- und extern wachsenden Unternehmen, die Objektivierungserfordernissen der Gläubiger genügt, aus Sicht der Eigenkapitalgeber dagegen nicht 1530 überzeugt. Die bislang unzureichende bilanzielle Berücksichtigung von Marken nach nationalen und internationalen Rechnungslegungsstandards verschärft die Agency-

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Vgl. Menninger/Maul/Wagner 2004, S. 1913 sowie grundlegend zur abstrakten Ansatzfähigkeit nach IFRS die Erörterungen in Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.64. Vgl. IAS 38.78 mit weiteren Beispielen. Vgl. IAS 38.35 und IFRS 3.IE18 sowie die einleitenden Ausführungen in Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38 B24(c)ii sowie hierzu auch Gerpott/Thomas 2004, S. 2487. Es bedarf allerdings gem. IFRS 3.B64 (e) (rev. 2008) einer Begründung, warum von einer separaten Aktivierung abgesehen wird. Vgl. weiterführend zur Ansatzfähigkeit nach US-GAAP u. a. Schreiber 2005a, S. 213 f. Daher kann es nach Einschätzung von Gerpott/Thomas wenig verwundern, dass bereits im Jahre 2000 ca. 94 % bzw. 44 % der DAX-Unternehmen zusätzlich über die Kursentwicklung bzw. die Aktienrendite berichten, um auf eine zutreffende Einschätzung des Erfolgspotenzials des Unternehmens hinzuweisen; vgl. Gerpott/Thomas 2005, S. 2421 in Verbindung mit den empirischen Ergebnissen von Ruhwedel/Schultze 2002, S. 618.

186

Zweiter Hauptteil

Problematik zwischen Management und Investoren und begünstigt eine fehlerhafte Abbildung der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage des Unternehmens im Sinne einer Verschleie1531 rungspolitik. Obschon in der Unternehmenspraxis zwischenzeitlich weit über dreißig 1532 verschiedene Markenbewertungsmodelle vorliegen, die einen positiven Einfluss auf die Nachprüfbarkeit der Ergebnisse nehmen, erscheint auch künftig eine bilanzielle Berücksichtigung der in Rede stehenden originären Werttreiber nicht sachgerecht. Vielmehr wird 1533 nachdrücklich für ein außerbilanzielles freiwilliges Brand Value Reporting plädiert. Ein bislang eher stiefmütterlich behandelter Berichtsgegenstand betrifft z. B. den Wert markenstrategischer Handlungsoptionen durch Positionierungen neuer Produkte oder Schlie1534 ßung von Kooperationen, der überdies zur Erhöhung eines originären Goodwill beiträgt.

4.

Exkurs: Spielerwerte 1535

Spielerwerte stellen im Profifußball den zentralen immateriellen Werttreiber der ent1536 1537 sprechenden Vereine dar und entscheiden über deren künftige Existenzfähigkeit. Zugleich wird eine Ansatzfähigkeit von originären Spielerwerten als Humankapital bislang

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Vgl. grundlegend zur Erklärung von Informationsasymmetrien mithilfe der Agency-Theorie Abschn. I.B.1 des Ersten Hauptteils. Darunter fallen u. a. der Nielsen Brand Performancer [vgl. Franzen/Trommsdorff/Riedel 1994, S. 1373-1401], das Indikatorenmodell von Sattler [vgl. Sattler 1997, S. 215 f.], der Bewertungsansatz von Kriegbaum [vgl. Kriegbaum 2001] oder der Customer Life Time Value [vgl. Homburg/Daum 1997, S. 98 f.); vgl. grundlegend zu jenen und weiteren Ansätzen die Ausführungen von Beyer 2005, S. 166-170; Heil 2004, S. 30; Hommel/Buhleier/Pauly 2007, S. 371-375; Kümpel/Nguyen 2007, S. 26-30; Padberg 2007, S. 91 sowie die Verlautbarungen des IDW S 5.59-70. Ein standardisiertes Verfahren zur Markenbewertung liegt bis dato allerdings noch nicht vor. Vgl. die Forderungen von Gerpott/Thomas 2005, S. 2427; Wieland 2006, S. 244 f. sowie weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. II.C.1.d). Vgl. weiterführend zum Brand Rating Approach mittels des Brand Future Score Musiol et al. 2004, S. 388 f. sowie zum Flexibility Goodwill Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Das Spielervermögen setzt sich aus Amateuren, Vertrags- und Lizenzspielern zusammen. Die Ausführungen stellen lediglich auf Lizenzspieler ab; vgl. zu einer identischen Abgrenzung Madeja 2007, S. 10. Zwischenzeitlich hat ein Großteil der Fußballvereine ihren Profibetrieb in Kapitalgesellschaften ausgegliedert, so dass die Rechnungslegungsvorschriften des HGB und ggf. der IFRS Anwendung finden. Zudem sind die Normierungen der Lizenzierungsordnungen zu befolgen; vgl. u. a. Hoffmann 2006d, S. 129 sowie zu einer tabellarischen Auflistung Madeja 2007, S. 22. Eine derartige Ausgliederung wird im Folgenden angenommen. Vgl. hierzu die Anmerkung von Graumann/Maier 2004, S. 526, dass in der Spielzeit 2001/2002 bei den untersuchten Unternehmen die Spielerwerte ca. 30 % der Bilanzsumme betrugen. Graumann/Maier konstatieren, dass den Lizenznehmern langfristig eine Überschuldung drohen würde, falls die Werte nicht bilanziert werden dürften; vgl. weiterführend auch Steiner/Gross 2005, S. 531. Spielerwerte stellen somit das zentrale Erfolgspotenzial für Profifußballunternehmen dar; vgl. zu den Besonderheiten des Financial Accounting von Fußballunternehmen Graumann/Maier 2004, S. 525 f. Zu Beginn des Neuen Markts entschlossen sich auch einige europäische Fußballclubs (u. a. Borussia Dortmund) zu einer Notierung am Kapitalmarkt und einer verstärkt kommerziellen Ausrichtung, die sich von der ursprünglichen Vereins-Ideologie entfernte; vgl. zur finanziellen Situation von Borussia Dortmund Graumann 2005b, S. 545-558; Graumann 2005c, S. 559-568; Littkemann/Fietz/Krechel 2006, S. 133 sowie Hoffmann 2006c, S. I („Eine Vielzahl von Profifußballclubs schlittert notorisch am Rande der Zahlungsunfähigkeit“), zur Governance-Struktur Schewe 2002, S. 168 sowie grundlegend zur Analyse von Profifußballclubs Littkemann/Sunderdiek 2002, S. 67.

Bilanzierung und Erstbewertung

187 1538

im Handels- und Steuerrecht ausgeschlossen. Diesbezügliche Änderungen können sich wie verschiedentlich ausgeführt - durch den BilMoG-RefE ergeben, wobei wiederum nicht abschließend geklärt ist, inwiefern die im Allgemeinen nicht mögliche Aktivierung von originären Spielerwerten nach IAS 38.69 (b) Rückwirkungen auf die künftige handelsrecht1539 liche Ansatzfähigkeit hat. Aus Gründen der Rechtsklarheit sollte auch in diesem Fall im kommenden Regierungsentwurf jener Regelungslücke Rechnung getragen und ein explizites Ansatzverbot im fortentwickelten HGB für originäre Spielerwerte mangels verlässlicher Bewertbarkeit der abzugrenzenden Herstellungskosten implementiert werden. Die Frage nach der Aktivierung von derivativen Spielerwerten, die sich aus der Entrichtung von Aufhebungszahlungen an den abgebenden Verein bzw. an die ausgegliederte Kapitalgesellschaft und der sich daran anschließenden Erteilung der Spielerlaubnis zusammensetzen, ist sowohl in der betrieblichen Praxis, im Schrifttum als auch in der nationalen und supranationalen Rechtsprechung ein äußerst kontrovers diskutiertes Bilanzierungsge1540 1541 biet. Mit dem BFH-Urteil vom 26.08.1992, das die Spielerlaubnis, welche der Deut1542 sche Fußballbund der Gesellschaft ehemals erteilte, als immateriellen Vermögensge1543 1544 1545 genstand und folglich ebenso als ansatzpflichtiges Wirtschaftsgut einstufte, wurde 1546 der vormaligen Bilanzierungspraxis Rechnung getragen. Die Erlaubnis stellt demnach 1547 ein konzessionsähnliches Recht dar, weil diese infolge zeitlich limitierter Arbeitsverträ1548 ge einer zeitlichen Befristung unterliegt. Zugleich ist das in Rede stehende Recht dem

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Vgl. § 248 Abs. 2 HGB und § 5 Abs. 2 EStG. Vgl. Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. zur Spielerbewertung und zum Controlling mithilfe von Scoring-Modellen und Sensitivitätsanalysen sowie anhand eines vollständigen Finanzplans Fischer/Rödl/Schmid 2006, S. 314; Littkemann 2003b, S. 221 f.; Littkemann/Fietz/Krechel 2006, S. 138. Vgl. BFH 1992, S. 977 f. sowie für eine kritische Würdigung Jansen 1992, S. 1785; Jansen 1994, S. 1217; Kronner 1995, S. 42 f.; überblicksartig zur vorangegangenen Rechtsprechung Ziegler 1980, S. 31 sowie zur steuerlichen Behandlung in Österreich Thiele 2004, S. 1-15. Die Spielerlaubnis wird nunmehr von der Deutschen Fußball Liga GmbH als operatives Organ des Ligaverbands erteilt. Die ursprünglich im Lizenzspielerstatut vorgesehene Verpflichtung zur Entrichtung einer Transferentschädigung wurde erst nach Inkrafttreten des „Bosman“-Urteils außer Kraft gesetzt. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A.I.1 HGB; kritisch zu dieser Einordnung Jansen 2006, S. 256. Vgl. zu einer differenzierten Würdigung einer Gleichsetzung von Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu ausführlich KPMG (Hrsg.) 2004, S. 4; Littkemann 2003a, S. 142 und 151; Littkemann/ Schaarschmidt 2005, S. 83 f.; Müller 2003b, S. 191 f.; Parensen 2003, S. 167; Steiner/Gross 2005, S. 531; Wertenbruch 2005, S. 1304; Ziegler 1980, S. 35 f. Denkbär wäre ebenfalls ein Ausweis als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten bei spezifischen Vertragskonstellationen; vgl. hierzu Kaiser 2004, S. 1109. Die Wirtschaftsguteigenschaft von Ablöseentschädigungen wurde bereits durch einen Erlass des Finanzministeriums Nordhein-Westfalen (vgl. FinMin Nordrhein-Westfalen 1974, S. 2085) bestätigt; vgl. hierauf abstellend Ströfer 1982, S. 1088. Aus Gründen mangelnder behördlicher Genehmigung sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Konzession allerdings nicht erfüllt; vgl. BFH 1992, S. 978 sowie hierzu auch Madeja 2007, S. 55. Mit Beendigung des Arbeitsvertrags ist der automatische Wegfall der Spielerlaubnis verbunden.

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Zweiter Hauptteil 1549

abnutzbaren Anlagevermögen zuzuordnen. Die Entschädigungen als monetäre Gegen1550 leistung stellen dabei die Anschaffungskosten der Spielerlaubnis dar. Das abstrakte Ansatzkriterium der selbstständigen Verwertbarkeit ist im Regelfall gegeben, da eine mögliche vorzeitige Entlassung aus dem Arbeitsvertrag durch die Gesellschaft mitbestimmt 1551 werden kann. Ebenso ist eine selbstständige Bewertbarkeit der Spielerlaubnis zu unterstellen, da diese zuverlässig auf dem freien Transfermarkt und unabhängig vom Gegens1552 tand des Arbeitsvertrags durchzuführen ist. Außerdem sind die Spielerlaubnis sowie die vereinbarten Entgelte, die als Anschaffungsnebenkosten zu erfassen sind, entsprechend der Dauer des Arbeitsvertrags zwischen Unternehmen und Spieler planmäßig über die o. g. 1553 Laufzeit abzuschreiben. Sollte der Vertrag eine Optionsklausel enthalten, muss die Nutzungsdauer unter Zuhilfenahme finanzmathematischer Wahrscheinlichkeitsberechnungen (Berücksichtigung der Verletzungsanfälligkeit oder von Umstellungsschwierigkeiten bei 1554 der Einführung eines neuen Spielsystems) entsprechend angepasst werden. Eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert ist überdies bei entsprechenden Nachweisen, u. a. 1555 1556 bei schwerwiegenden Verletzungen , erforderlich. Das einige Zeit später ergangene Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) 1557 vom 15.12.1995 konterkarierte die BFH-Rechtsprechung insofern, als die Entrichtung von Ablösezahlungen für einen abgelaufenen oder beendeten Spielervertrag als Verstoß 1558 1559 gegen den Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer qualifiziert wurde. Die Zahlung einer Entschädigung vor Ablauf des Vertrags („Aufhebungsentschädigungen“) ist da1549

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Neben dem Nutzungsausschluss bzw. der exklusiven Einsetzbarkeit wird grds. eine innerbetriebliche dauerhafte Nutzung der Spielerlaubnis unterstellt; vgl. Madeja 2007, S. 58 f.; Parensen 2003, S. 168. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer entspricht grds. der Dauer des Arbeitsvertrags; vgl. Wertenbruch 2005, S. 1306. Vgl. Littkemann 2003a, S. 151. Vgl. BFH 1992, S. 978 sowie hierzu im Einzelnen Littkemann/Schaarschmidt 2005, S. 90. Vgl. BFH 1992, S. 978 sowie weiterführend Littkemann/Schaarschmidt 2005, S. 90. Diese Sichtweise steht im Widerspruch zum Urteil des FG Düsseldorf aus dem Jahre 1990, wonach die Entschädigungszahlung lediglich als Kompensation der finanziellen Nachteile, die aus einem Ende des Arbeitsvertrags resultieren, aufzufassen ist und keine zukünftigen wirtschaftlichen Vorteile für das Unternehmen re-präsentieren; vgl. FG Düsseldorf 1990, S. 521 sowie hierzu im Einzelnen Littkemann 2003a, S. 152. Vgl. § 7 Abs. 1 EStG; zu möglichen Ermessens- und Gestaltungsspielräumen Jansen 1992, S. 1788. Vgl. Littkemann/Scharschmidt 2005, S. 91 f. Langzeitverletzte stehen unter dem besonderen Erwartungsdruck der Öffentlichkeit. Ein verfrühter Einsatz der Spieler kann Folgeverletzungen nach sich ziehen und ggf. einen Verlust des Stammplatzes implizieren; vgl. hierzu die grafische Übersicht von Littkemann/Schulte/Schaarschmidt 2005, S. 665. Vgl. zur außerplanmäßigen Abschreibung auf Spielerwerte insbesondere Littkemann/Schulte/ Schaarschmidt 2005, S. 660 und aus Sicht der Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.5. Vgl. EuGH 1995, S. 505-512. Vgl. Art. 48 EGV. Vgl. EuGH 1995, S. 505 sowie hierzu ebenfalls Fischer/Rödl/Schmid 2006, S. 313; Jansen 2006, S. 250 f.; Kaiser 2004, S. 1110; Kuhner 2007, S. 68; Littkemann 2003a, S. 143; Littkemann/ Schaarschmidt 2005, S. 87 f.; Müller 2003b, S. 191; Söffing 1996, S. 523. Die Fédération Internationale de Football Association (FIFA) und die UEFA haben zwischenzeitlich Richtlinien für ein einheitliches europäisches Transfersystem verabschiedet, die u. a. eine Beschränkung der Vertragslaufzeit von Lizenzspielern auf maximal fünf Jahre vorsehen; vgl. FIFA (Hrsg.) 2004; UEFA (Hrsg.) 2005 sowie hierzu u. a. KPMG (Hrsg.) 2004, S. 3.

Bilanzierung und Erstbewertung

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gegen weiterhin zulässig. Daneben können Ausbildungs- und Förderungszahlungen so1561 wie Handgelder (Signing Fees) nach Vertragsende anfallen. Der durch das BFH-Urteil unterstellte innere Zusammenhang von Spielerlaubnis und Ablösezahlung wurde durchbrochen, da die Zahlung einer Transferentschädigung als Voraussetzung für die Erteilung 1562 der Spielerlaubnis nicht länger fortbesteht. Obwohl mit der Aufhebung der verbandsrechtlichen Bestimmungen zur Entrichtung von Ablösezahlungen auf die EuGHRechtsprechung zeitnah reagiert wurde, ist die betriebliche Praxis de facto immer noch von hohen Entschädigungsleistungen - vor und ggf. nach Ablauf des regulären Vertragsver1563 hältnisses - determiniert. Gegen die Einstufung der Spielerlaubnis als aktivierungspflichtiger Vermögensgegenstand und Wirtschaftsgut des Anlagevermögens erfolgt der Einwand im Schrifttum, dass lediglich der Spieler an sich das Kriterium der Einzelverwertbarkeit erfüllt, die Spielerlaubnis hingegen mit der Beendigung des Arbeitsvertrags erlischt und nicht übertragungsfähig 1564 ist. Aus steuerrechtlicher Sicht ist allerdings eine Einstufung der Spielerlaubnis als Wirtschaftsgut denkbar, da die geforderte (weniger restriktive) Voraussetzung der Einzelbe1565 wertbarkeit erfüllt ist. Dies wird allerdings seit dem Bosman-Urteil des EuGH häufig 1566 verneint, da die Transferentschädigung nunmehr den Charakter einer „Schadenersatzleistung“ für die vorzeitige Beendigung des Spielervertrags besitzt und sich diese nicht ü1567 ber den Zeitpunkt der Aufhebung hinaus auswirkt. Eine h. M. hat sich bislang allerdings noch nicht herausgebildet. Das IASB führt aus, dass Unternehmen über ein Team von Fachkräften verfügen können und die Durchführung von Schulungen besonderer Fertigkeiten einen künftigen wirtschaft1568 lichen Nutzen generiert. Wenngleich es als unwahrscheinlich anzusehen ist, dass die fachliche Begabung der Arbeitnehmer, z. B. die fußballerischen Fähigkeiten eines Berufssportlers, die Definition eines Vermögenswerts erfüllen, ist dies unter Berücksichtigung einer vertraglichen Bindung an das Fußballunternehmen zumindest nicht ausgeschlossen. Erforderlich ist der Abschluss von langfristigen Arbeitsverträgen mit eingeschränkten Kündigungsrechten des Spielers, um den Tatbestand der Verfügungsmacht des Unterneh-

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Vgl. etwa Jansen 2006, S. 251; Wertenbruch 2005, S. 1298; daneben Kaiser 2004, S. 1111, der eine Aktivierungsfähigkeit jener Entschädigungsleistungen im Allgemeinen nach der EuGH-Entscheidung verneint. Vgl. u. a. Wehrheim/Zulauf 2007, S. 225. Vgl. Bayer 2004, S. 58 f.; Steiner/Gross 2005, S. 533. Vgl. Fischer/Rödl/Schmid 2006, S. 313. Dabei plädieren die Gesellschaften für den Abschluss von Verträgen mit deutlich längerer Laufzeit sowie für einen Ausschluss des Kündigungsrechts (sog. „Rentenverträge“); vgl. Steiner/Gross 2005, S. 532; Wehrheim/Zulauf 2007, S. 227. Bei gewünschter vorzeitiger Auflösung des Dienstverhältnisses werden auch weiterhin Aufhebungsentgelte entrichtet, die zwar nicht in der Wortwahl, wohl aber im Ergebnis den früheren Transferentschädigungen stark ähneln. Anderer Ansicht sind scheinbar Lüdenbach/Hoffmann 2004c, S. 1442, die für eine handels- und steuerrechtliche Aktivierungspflicht plädieren. Vgl. (zögerlich) zustimmend Steiner/Gross 2005, S. 534. Vgl. Jansen 2006, S. 260. Vgl. hierzu kritisch Kuhner 2007, S. 69. Vgl. IAS 38.15.

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mens zu sichern. Die Bilanzierung von selbst ausgebildeten Nachwuchsspielern oder der Weiterentwicklung von früher erworbenem Spielervermögen nach IFRS scheitert allerdings - in Abgrenzung zum HGB de lege lata - nicht an der fehlenden Entgeltlichkeit des Vermögensguts, sondern nach h. M. an der mangelnden verlässlichen Bestimmbarkeit 1571 der Herstellungskosten. Zudem wird die fehlende Aktivierbarkeit nach den IFRS mit 1572 dem Ansatzverbot für Aus- und Weiterbildungsaktivitäten begründet. Die wirtschaftlichen Vorteile derivativer Spielerwerte lassen sich dagegen nach h. M. dem 1573 Asset-Begriff nach IAS 38 unterordnen. Der geforderte Nachweis eines zukünftigen wirtschaftlichen Nutzens und der Verfügungsmacht kann u. a. mit der Begründung erbracht werden, dass die Unternehmung als Arbeitgeber des Profifußballers durch die entrichtete Aufhebungszahlung das Recht erwirbt, den Spieler ab sofort einzusetzen und sich durch den Einkauf einen besseren Listenplatz in der Liga oder eine bessere Reputation, 1574 z. B. durch den Einsatz des Spielers bei gesellschaftlichen Veranstaltungen, erhofft. Der gezahlte Preis ist demnach als Indiz für die zuverlässige Bewertbarkeit anzusehen, so dass nach Lüdenbach und Hoffmann „keine Zweifel an der Ansatzfähigkeit dieser Spielerwer1575 te“ nach den IFRS bestehen. Somit ist nicht die Zahlung selbst, sondern das durch diese Erlangte Gegenstand der Aktivierung. Abzuwarten ist, inwieweit die mit dem BosmanUrteil des EuGH restriktive Aktivierung von Entschädigungsleistungen langfristig auf die supranationale Auslegung der IFRS einwirkt. Sämtliche immateriellen Werttreiber, die - wie bereits ausgeführt - keiner Identifizierung zugänglich sind, finden in der Residualgröße Goodwill Berücksichtigung, auf die im Fol1576 genden ausführlich eingegangen wird.

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Vgl. Madeja 2007, S. 77 sowie grundlegend zu den abstrakten Aktivierungsvoraussetzungen nach den IFRS Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Bei Nachwuchsspielern ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass erst mit Beginn der Volljährigkeit des Spielers rechtswirksame Arbeitsverträge geschlossen werden können, so dass vormals der Tatbestand der Verfügungsmacht zu verneinen ist; vgl. ebenso Homberg/Elter/ Rothenburger 2004, S. 253. Vgl. zu dieser Einschätzung Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 116 zu Abschn. 8, S. 57; Homberg/Elter/Rothenburger 2004, S. 263; KPMG (Hrsg.) 2004, S. 5; Wehrheim/Zulauf 2007, S. 227 sowie scheinbar anderer Einschätzung Madeja 2007, S. 102 f. Vgl. IAS 38.69 (b) sowie zu den Einschränkungen der konkreten Ansatzfähigkeit Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 68 zu Abschn. 8, S. 34. Vgl. weiterführend Madeja 2007, S. 80 f.; bezogen auf die Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.C.5. Ein eventuelles Abstellen von Nationalspielern für Länderspiele und offizielle Turniere steht dem nicht entgegen; vgl. Wehrheim/Zulauf 2007, S. 222. Lüdenbach/Hoffmann 2004c, S. 1443. Zum „Verschwinden der immateriellen Werte im Goodwill“ Will 2007a, S. 103.

Bilanzierung und Erstbewertung

E.

Positiver Goodwill

1.

Grundlegendes

a)

Definition und Ermittlung

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Der Terminus Geschäfts- oder Firmenwert (Goodwill) findet im nationalen und internationalen Sprachgebrauch uneinheitliche Verwendung und stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der je nach Zweck und Ziel des Regelwerks einer Konkretisierung be1579 1580 darf. Aus nationaler Sicht folgt die h. M. der Klassifizierung von Wöhe, die eine Symbiose aus den einzelbewertungstechnischen Ausführungen von Kosiol („adjunktive Gü1581 ter“ ) und der Gesamtbewertungsbetrachtung von Schmalenbach („Kapitalisierungs1582 mehrwert“ ) zum ökonomischen Wesen des Goodwill darstellt. Nach Kosiol repräsentiert dieser einen Mehrwert für nicht identifizierbare Vermögenswerte, die sog. geschäftswert1583 bildenden Faktoren (z. B. die Unternehmensreputation, Standortvorteile oder das Mitar-

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Im Schrifttum werden die Begriffe Geschäfts- oder Firmenwert, Geschäftswert, Firmenwert, Goodwill, Betriebsmehrwert, Geschäftsmehrwert, Kapitalisierungs(mehr-)wert, Organisations(mehr-)wert, Unternehmens(mehr-)wert, immaterieller Wert, Vertrauenskapital, akquisitorisches Potenzial, Firmenimage, Consumer Franchise, Capital notoriété, Facon und Fonds de Commerce synonym verwendet; vgl. ausführlich zu den unterschiedlichen Terminologien Deubner 1971, S. 4 f.; Esser 2005, S. 6; Gräber 1981, S. 5 f.; Lion 1927, Sp. 725; Ludz 1997, S. 29; Simon 1985, S. 15; vgl. weiterführend zur Differenzierung in Geschäftswert und Firmenwert u. a. Schmalenbach 1962, S. 144 sowie die Ausführungen in Abschn. I.C.3 des Ersten Hauptteils. Im Rahmen dieser Untersuchung werden im Folgenden die beiden Begriffe Geschäfts- oder Firmenwert und Goodwill zugrunde gelegt, da die Bezeichnungen ebenfalls von den nationalen und internationalen Standardsettern verwendet werden. Die Bezeichnung Goodwill findet insbesondere Berücksichtigung bei der Analyse internationaler Abschlüsse nach IFRS sowie US-GAAP; vgl. stellvertretend die Abhandlungen von Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1748 sowie weiterführend Arnsfeld/Schremper 2005, S. 498; Bausch/Fritz 2005, S. 302; Beyer/Zelger 2004, S. 415. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts ist der Goodwill-Begriff in seiner ökonomischen Bedeutung im Sinne einer „guten Absicht“, „aufrichtigen Zuneigung“ oder „Zustandes des Wohlwollens gegenüber Personen oder Sachen“ bei der Abwicklung von Transaktionen in zahlreichen Monografien zu finden; vgl. weiterführend zu einem historischen Abriss Esser 2005, S. 5; Preinreich 1936, S. 317 f.; Yang 1978, S. 28. Im Jahre 1810 wurde in einem englischen Gerichtsurteil von Lord Eldon der Goodwill als Wahrscheinlichkeit, dass sich die alten Kunden wieder an die alte Stelle wenden, umschrieben („probability that the old customers will resort to the old place“). High Court of Chancery 1903, S. 134 sowie vgl. auch Brauns 1928, S. 17; Hughes 1983, S. 26; Schmidt 2007b, S. 51; Steiner/Gross 2003, S. 6669. Vgl. Wöhe 1980, S. 89. Kosiol 1944, S. 146. Schmalenbach 1954, S. 66. Der BFH weist jedoch darauf hin, dass die persönliche Tüchtigkeit des Unternehmensinhabers bzw. des Leitungsorgans grds. nicht zu den geschäftswertbildenden Faktoren gehört bzw. der Goodwill auf einer Abstraktion des Unternehmens vom jeweiligen Unternehmer basiert; vgl. BFH 1970d, S. 690; BFH 1976b, S. 409 und weiterführend Moxter 1995e, S. 379; Piltz 1981, S. 9; von Wallis 1978, S. 99; Zubrod 1968, S. 12. Den Goodwill charakterisiert mithin eine starke Akzessorietät; vgl. Arnold 1997, S. 42. Diese Sichtweise ist jedoch in der Hinsicht zu relativieren, als dass persönliche Verhandlungsgeschick des Erwerbers maßgeblich zur wertmäßigen Bestimmung des Goodwill beiträgt; vgl. bereits Brauns 1928, S. 10.

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Zweiter Hauptteil 1584

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beiter-Know How). Arnold nimmt eine Unterteilung jener adjunktiven Güter in personal-, organisations-, verfahrens-, standort-, markt-, qualitäts- und kundenbezogene Indi1586 1587 katoren vor, deren verlässliche Bewertbarkeit im Allgemeinen nicht gegeben ist. Nach Schmalenbach lässt sich der Goodwill als ein auf den Bewertungsstichtag abgezinster Ka1588 pitalisierungswert der zukünftig zu erwartenden Unternehmenserträge feststellen, der 1589 primär durch Kombinationseffekte im Unternehmen entsteht. In Abhängigkeit davon, ob der Ertragswert die Summe der Wiederbeschaffungskosten über- oder unterschreitet, kann 1590 ein Mehr- oder Minderwert resultieren. Beide Komponenten des Goodwill bedingen einander, die Separierung scheidet aus. Als weitere Einflussfaktoren, die Wöhe zu Recht nicht zum ökonomischen Wesen des Goodwill zählt, sind Bewertungsfehler oder mangelnde Beurteilungsfähigkeiten des Entscheidungsträgers, Abfindungszahlungen und Konkurrenzverdrängungsleistungen zu nennen, die mangels Abgrenzbarkeit letztlich im Unterschiedsbetrag Berücksichtigung finden. Deutlich wird, dass die drei Faktoren in ihrer Wirkung nicht generell gleichgerichtet sind. Die letztgenannte Kategorie basiert auf Informationsasymmetrien, die - wie bereits vorstehend aufgeführt - auf der Kapitalmarktineffizienz 1591 beruhen. Jene Ineffizienzen, die Einfluss auf die Höhe des Geschäfts- oder Firmenwerts 1592 nehmen, wurden u. a. von Falk und Gordon empirisch untersucht. Letztlich resultiert ein positiver Goodwill, wenn die o. g. Faktoren insgesamt positiv ausfallen. Für den im Dritten Hauptteil zu erstellenden Goodwill Report wird auf die vorstehend genannte klassische 1593 Einteilung zurückgegriffen, wobei eine wesentliche Erweiterung erfolgt.

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1592 1593

Vgl. Kosiol 1944, S. 146 sowie insbesondere die Auflistung bei von Rütte/Hoenes 1995, S. 34 f. Vgl. Kosiol 1944, S. 146 sowie weiterführend zum „Goodwill im weiteren Sinne“ Käfer 1969, S. 345. Vgl. Arnold 1997, S. 39-41. Vgl. Möhrle 1999b, S. 32. Würden diese Faktoren vernachlässigt werden, impliziert dies nach Moxter „ein totes Skelett eines Unternehmens“, Moxter 1979a, S. 742. Dabei ist entscheidend, ob diese wertbildenden Faktoren in der „Sammelgröße“ Goodwill aufgehen, oder ob ggf. ein separater Bilanzansatz als immaterieller Vermögenswert sachgerechter ist; vgl. zu ausgewählten separat vom Geschäftsoder Firmenwert zu aktivierenden Vermögensgütern Abschn. I.E.1.b) dieses Hauptteils sowie Dritter Hauptteil, Abschn. III.A; vgl. hierzu auch die Bemerkungen von Küppers 1986, S. 1636, wonach eine gedankliche Goodwill-Zerlegung in seine einzelnen Komponenten nach erfolgter Identifizierung immaterieller Vermögensgüter „ein mit größten Unsicherheiten behaftetes Unterfangen“ darstellt. Vgl. BFH 1970c, S. 489 und hierzu Stengel 2000, S. 35. „Der Geschäftswert weist also aus, daß das Ganze mehr wert ist als die Summe seiner Teile“, Piltz 1981, S. 9. Der Mehrwert wird durch den kombinierten Einsatz der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren determiniert; vgl. ebenso Arnold 1997, S. 66; Gräber 1981, S. 5; Ludz 1997, S. 29. Der Kapitalisierungsmehrwert repräsentiert allerdings noch keinen immateriellen Vermögenswert; vgl. Küppers 1986, S. 1635 sowie weiterführend zur Berücksichtigung eines positiven und negativen Kapitalisierungswerts innerhalb des Core Goodwill Reports Dritter Hauptteil, Abschn. V.C. Vgl. ebenso Richter 2004a, S. 24 sowie die grundlegenden Ausführungen zur Informationsineffizienz in Abschn. I.A.2 des Ersten Hauptteils. Insofern ist den Ausführungen von Groh zuzustimmen, dass der Goodwill als buchhalterische Saldogröße vielfach ohne materielle Bedeutung und das „angeblich übertragene immaterielle Vermögensgut in Wahrheit ein Phantom ist“, Groh 1988, S. 187 sowie ebenfalls Hommel 2001b, S. 803; Küppers 1986, S. 1625 und Schildbach 2006a, S. 11 („Goodwill als Lückenfüller“). Vgl. Falk/Gordon 1977, S. 443-462; hierauf abstellend Kuster 2007, S. 15. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. III.A.

Bilanzierung und Erstbewertung

193

Bei der Gesamtermittlung des originären Goodwill nach Schmalenbach ergibt sich dieser 1594 mithilfe der Unternehmensbewertung als Unterschiedsbetrag aus Ertrags- und Substanzwert, wobei noch keine Aussage darüber getroffen wird, wie bei einer möglichen Unternehmenstransaktion das wertmäßige Verhältnis zwischen entgeltlichem und selbst ge1595 schaffenem Goodwill ausgestaltet ist. Das Substanzwertverfahren basiert auf dem Prinzip der „additiven“ Einzelbewertung und ermittelt den Unternehmenswert als Summe der 1596 einzelnen Vermögenswerte abzüglich der Verbindlichkeiten. Nach traditionellem Verständnis von Münstermann ist die Annahme der Unternehmensrekonstruktion zugrunde zu legen, so dass der Substanzwert einen Reproduktions- oder Rekonstruktionswert repräsen1597 1598 tiert. In diesem Zusammenhang nimmt u. a. Sieben in Anlehnung an Mellerowicz und 1599 1600 Jacob eine Differenzierung in den Voll- und den Teilrekonstruktionswert vor, da im Schrifttum Uneinigkeit bezüglich der Einbeziehung immaterieller Vermögenswerte in den 1601 Substanzwert herrscht. Nach dem engen Rekonstruktionsverständnis (Teilreprodukti1602 on) von Jacob sind sämtliche immateriellen Vermögenswerte aus Objektivierungsaspek1603 ten nicht einzubeziehen. Schmidt hingegen fordert – in Kongruenz zu seinem im Ersten 1604 Hauptteil dargelegten offensiven organischen Bilanzierungsverständnis - die „lückenlose Erfassung der betriebsnotwendigen Substanz“ unter Berücksichtigung „der Kostenwerte der Organisationsvorteile, Rechte und Monopole sowie aller sonstigen immateriellen Kos-

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Im nationalen Handelsrecht werden in § 255 Abs. 4 HGB die Bezeichnungen „Unterschiedsbetrag“ und „Geschäfts- oder Firmenwert“ synonym verwendet, obgleich zwischen beiden Terminologien Unterschiede bestehen; vgl. die Ausführungen in Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Dagegen stellt das Steuerrecht in § 7 Abs. 1 EStG auf den „Geschäfts- oder Firmenwert“ ab; vgl., Abschn. I.E.3 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu ausführlich Ballwieser 1998b, S. 283; Moxter 1993a, S. 853; Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1748; Wöhe 1980, S. 89 f.; Im Regelfall ist davon auszugehen, dass der Kaufpreis, der zur Ableitung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts herangezogen wird, den originären Goodwill des erworbenen Unternehmens lediglich approximativ abbildet, da die Festlegung des Kaufpreises von weiteren Faktoren abhängt, die nicht auf einen künftigen Übergewinn schließen lassen; vgl. hierzu die Ausführungen im nachfolgenden Abschnitt. Werden lediglich Vermögenswerte in die Ermittlung einbezogen, wird von einem Bruttosubstanzwert gesprochen, anderenfalls (bei Berücksichtigung von Verbindlichkeiten) ergibt sich der Nettorekonstruktionswert; vgl. in diesem Zusammenhang auch die Ausführungen von Hebertinger 2002, S. 2330. Vgl. Münstermann 1956, Sp. 1061; hierauf verweisend Moxter 1983c, S. 41. Nach neuerem Verständnis kann ebenfalls der Annahme einer Unternehmenszerschlagung gefolgt werden, so dass der Substanzwert als Liquidationswert des Unternehmens aufzufassen ist. Im Rahmen dieser Untersuchung wird jedoch stets das Prinzip der Unternehmensfortführung (Going Concern) aufrechterhalten; vgl. ebenso die Annahmen eines „lebenden und eingeführten“ Unternehmens von Rux 2005b, S. 2. Vgl. Mellerowicz 1952, S. 35. Vgl. Jacob 1959, S. 523. Vgl. grundlegend Sieben 1963, S. 23-28 sowie hierauf verweisend Möhrle 1999b, S. 26. Vgl. Sieben 1963, S. 24 f. Vgl. Esser 2005, S. 10. Moxter kritisiert die Fiktion der Teilrekonstruktion, da sie letztendlich „ein totes Skelett“ des Unternehmens entstehen lässt. Eine nachhaltige Überlebensfähigkeit im Sinne des Going Concern-Grundsatzes ist demnach nicht sichergestellt; vgl. hierzu mit weiteren Begründungen Moxter, 1979a, S. 742. Vgl. Jacob 1959, S. 523. Vgl. zur organischen Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1.

194

Zweiter Hauptteil 1605

tenwerte“ als Fiktion der Vollrekonstruktion. Die nachfolgenden Ausführungen stellen auf die Zwischenposition von Mellerowicz ab. Hiernach soll der Reproduktionswert, verstanden als Reinvermögenszeitwert, sämtliche identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte unabhängig von ihrer bilanziellen Ansatzfähigkeit und den derivativen Goodwill für den gedanklichen Nachbau des Unternehmens einbeziehen, obwohl dieser streng 1606 genommen ebenfalls Ausdruck einer Gesamtbewertung ist. Die Bewertung erfolgt auf Basis der beizulegenden Zeitwerte der einbezogenen Vermögens- und Schuldposten am 1607 jeweiligen Bewertungsstichtag. Darauf folgt, dass stille Reserven bei Werterhöhungen 1608 über den Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht entstehen. Das Schrifttum sieht zur Approximation des Zeitwerts einen Rückgriff auf die stichtagsbezogenen Wiederbe1609 schaffungs- oder Wiederherstellungskosten als zulässig an. 1610

Der Ertragswert als zweite Determinante des originären Geschäfts- oder Firmenwerts versteht sich approximativ als Zukunftserfolgswert bzw. Barwert der künftigen Erfolge des 1611 Unternehmens. Hieraus resultiert die optionale Anwendung des Ertragswert- und des 1612 1613 In der Vergangenheit wurde im DCF-Verfahrens als Gesamtbewertungskonzepte . kontinentaleuropäischen Rechtsraum grds. auf das Ertragswertverfahren zurückgegrif1614 fen. Der Zukunftserfolgswert des Unternehmens ergibt sich demnach aus den abgezins-

1605 1606

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1610 1611 1612

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Beide Zitate Schmidt 1951, S. 124 f. Vgl. Mellerowicz 1952, S. 28 f. Diese Auffassung wird zusätzlich dadurch gestützt, als der derivative Geschäfts- oder Firmenwert aus internationaler Sicht und nach Maßgabe des Steuerrechts bereits zwingend zu aktivieren ist. Das bestehende handelsrechtliche Ansatzwahlrecht soll durch den BilMoG-RefE ebenfalls in ein Aktivierungsgebot überführt werden; vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.E.2-4 dieses Hauptteils. In der deutschen autorisierten Übersetzung der IASB-Verlautbarungen sowie in der EU-Fassung der IFRS wird der Fair Value als (beizulegender) Zeitwert angegeben. Beide Begriffe können jedoch in der betrieblichen Praxis nicht als deckungsgleich erachtet werden, da sie Oberbegriffe darstellen und divergierende Wertekategorien beinhalten; vgl. zum Wesen der Fair Value- bzw. Zeitwertbilanzierung u. a. Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Ein Zuwachs der Informationslücke ergibt sich insbesondere hinsichtlich der Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte, da dem fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzip bzw. das Cost Model aus nationaler und internationaler Sicht noch eine hohe Bedeutung zukommt; vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. II.A.1 und II.A.3 dieses Hauptteils. Ferner wird darauf abgestellt, ob der Substanzwert auf Basis der vollen Wiederbeschaffungskosten (Rekonstruktionsneuwert) oder der fortgeführten Wiederbeschaffungskosten (Rekonstruktionsaltwert) ermittelt wird; vgl. Esser 2005, S. 10. Vgl. für eine Einführung in das Ertragswertverfahren statt vieler Serf 2005, S. 157-179. Vgl. u. a. Busse von Colbe 1957, S. 11. Die Wertdifferenz zwischen der Einzel- und Gesamtbewertungsmethode ist vor allen Dingen auf die Verbund- und Synergieeffekte der Vermögenspositionen zurückzuführen. Diese stellen eine wesentliche Komponente des Goodwill dar; vgl. zum Synergy Goodwill detailliert Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Beide Verfahren führen unter Annahme bestimmter Voraussetzungen (u. a. identische Finanzierungsmaßnahmen) zum identischen Ergebnis; vgl. zu den weiteren Voraussetzungen sowie zu einer vergleichenden Analyse ausführlich Ballwieser 2002a, Sp. 365; Mokler 2005, S. 220-227; Sieben 1995, S. 713-737. Das IDW sieht beide Methoden als gleichwertig an; vgl. IDW S 1.111; IDW ES 1.101. Theoretisch wäre auch die Verwendung eines Markt- oder Börsenwerts denkbar. Allerdings ist die Existenz eines aktiven Markts für den Geschäfts- oder Firmenwert in praxi aufgrund der Individuali(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Bilanzierung und Erstbewertung

195

ten erwarteten Ausschüttungen an die Anteilseigner, wobei nichtfinanzielle Ertragskomponenten, u. a. die Reputation und der Einfluss der Koalitionäre, in der Bewertung keine ex1615 plizite Berücksichtigung finden. In der jüngeren Vergangenheit ist ein zunehmender „Verdrängungsprozess“ des Ertragswertverfahrens durch das DCF-Konzept zu konstatie1616 ren, das seinen Ursprung im angloamerikanischen Rechtsraum hat. Bei den DCFVerfahren erfolgt eine Unterscheidung in die Netto-(Equity) und die Brutto-(Entity) Me1617 thode. Zur Ermittlung des Eigenkapitalkostensatzes kommt in der betrieblichen Praxis 1618 1619 im Allgemeinen das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zum Einsatz. Die nachfolgende Abbildung 19 fasst einerseits die vorstehend ausgeführte Abgrenzung zwischen dem Zukunftserfolgs- und Reinvermögenszeitwert zusammen. Das Entsprechenszeichen () verdeutlicht, dass sich die aufgeführten Bezeichnungen lediglich approximativ und unter besonderer Berücksichtigung der zahlreichen Auslegungsspielräume einander annähern. Andererseits werden die Bestandteile der Informationslücke auf dem Kapitalmarkt grafisch gezeigt, die sich aus dem nicht ansatzfähigen originären Goodwill (=Wertlücke), den identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten, dem derivativen Goodwill sowie einer fehlenden oder unvollständigen Bewertung zu den jeweiligen beizulegenden Zeitwerten ergibt. Bezüglich der identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte und des derivativen Goodwill bleibt anzumerken, dass eine Informationslücke ebenfalls bei einer bilanziellen Erfassung besteht, sofern diese lediglich als Gesamtposten ausgewiesen werden und keine Zusatzberichterstattung über die einzelnen immateriellen Werttreiber bzw. die Komponenten des Goodwill erfolgt.

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tät und der mangelnden Objektivierung zu verneinen; vgl. hierzu auch die (restriktive) Anwendbarkeit des Neubewertungskonzepts nach IAS 38 in Abschn. II.A.2 dieses Hauptteils. Aus finanztheoretischer Sicht wird diese „Vereinfachungsregelung“ kontrovers diskutiert; vgl. stellvertretend zu den unterschiedlichen Positionen Mandl/Rabel, 1997, S. 32. Dabei wird zum einen angemerkt, dass immaterielle Ertragskomponenten einen zentralen Stellenwert bei der Prognose zukünftiger Chancen und Risiken besitzen. Zum anderen bereitet eine objektivierte Quantifizierung jener Komponenten häufig erhebliche Schwierigkeiten, sodass von einer Einbeziehung im Bewertungskalkül vielfach abgeraten wird. Vgl. detailliert zur Entstehungsgeschichte und zur Bekanntheit des DCF-Verfahrens in der Unternehmenspraxis Ballwieser 2002a, Sp. 363; Meyersiek 1991, S. 233; Nowak 2003, S. 9 f.; Peemöller/Bömelburg/Denkmann 1994, S. 741. Die Bruttomethode lässt sich wiederum in verschiedene Konzepte, u. a. den Free Cash Flow-, den Total Cash Flow- oder den Adjusted Present Value-Ansatz untergliedern. Es erfolgt danach eine indirekte Ermittlung des Shareholder Value, indem vom Marktwert des Gesamtkapitals der Marktwert des Fremdkapitals subtrahiert wird; vgl. zum Bruttoverfahren erschöpfend Küpper 1998a, S. 523; Mandl/Rabel 1997, S. 37 f. und zum Adjusted Present Value-Ansatz Drukarczyk/Schüler 2005, S. 731; Marx 2004, S. 172 f. Vgl. detailliert Hachmeister 2000, S. 160 f.; Weber 1991, S. 230 f. Dabei können das CAPM „in Standardform“ und das „Tax-CAPM“ als erweiterte Form des Standardmodells nach Ansicht des IDW wahlweise angewendet werden; vgl. IDW S 1, Anhang. Vgl. zu den einzelnen Determinanten und Ermessensspielräumen bei der Durchführung des Impairment Tests ausführlich Abschn. II.B.3.b), c) sowie Abschn. III.A.2 dieses Hauptteils.

196

Zweiter Hauptteil

originärer Geschäftsoder Firmenwert

Informationslücke

(nicht bilanzierte) identifizierbare immaterielle Vermögenswerte*** Differenz aus höherem Zeitwert und Anschaffungs-/ Herstellungskosten

derivativer Goodwill**

* ** ***

Reinvermögenszeitwert  Substanzwert  Rekonstruktionswert

Zukunftserfolgswert  Ertragswert  Unternehmenswert

bilanzielles Eigenkapital

Zufallseinflüsse sowie Fehlbewertungen werden vernachlässigt. Angenommen wurde, dass ein derivativer Goodwill nach HGB de lege lata aktiviert ist. Eine Informationslücke existiert ebenfalls bei einer bilanziellen Berücksichtigung von identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten, sofern lediglich ein Ausweis in Summe erfolgt. Entsprechendes gilt für die fehlende Darlegung der Komponenten des Geschäfts- oder Firmenwerts.

Abbildung 19:

b)

Wertlücke

Ableitung des originären Goodwill und Bestimmung der 1620 Informationslücke

Abgrenzung zwischen originärem und derivativem Goodwill sowie Intangible Assets

Der in Abbildung 19 durch die Unternehmensbewertung indirekt ermittelte originäre Ge1621 schäfts- oder Firmenwert, auch als „Goodwill in erster Hand“ umschrieben, ist durch das Unternehmen selbst geschaffen und bislang noch nicht im Rahmen einer Transaktion ab1622 gegolten. Dieser stellt auf selbst erstellte firmenwertbegründende Faktoren ab, die bislang keine Objektivierung erfahren, d. h. keine bilanzielle Berücksichtigung gefunden ha1623 ben und sich daher einer verlässlichen Bewertung verschließen. Die Entstehung eines originären Goodwill kann sowohl durch einen gezielten Einsatz bestimmter Investitionen als auch durch eine günstige Unternehmensentwicklung ohne besondere Aufwendungen resul-

1620 1621 1622 1623

Wesentliche Weiterentwicklung von Schultze/Fink/Straub 2007, S. 565. Narr 1937, S. 67 sowie vgl. hierzu ebenfalls Gräber 1981, S. 17; Huber 1964, S. 555. Vgl. zum originären Goodwill u. a. Busse von Colbe 2002c, Sp. 885; Greiffenhagen 1969, S. 126. Vgl. IASB Rahmenkonzept F. 34 sowie auch DRS 12.A5. Duhr weist allerdings in gleichem Maße darauf hin, dass unter Zugrundelegung der Effektivlagenbilanzierung der Ausweis des originären Goodwill die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zutreffender darstellen würde; vgl. Duhr 2006, S. 32 sowie zur Notwendigkeit eines externen Reporting des originären Geschäfts- oder Firmenwerts die Ausführungen in Abschn. III.A. und B des Dritten Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

197

1624

tieren. Dagegen ist die Existenz eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts an den Tatbestand eines rechtsgeschäftlichen Erwerbs gegen Entgelt sowie an die Aufrechterhal1625 tung der Going Concern-Prämisse gebunden. Zur Ermittlung wird beim derivativen und originären Geschäfts- oder Firmenwert - wie vorstehend ausgeführt - u. a. auf den Substanzwert zurückgegriffen. Die zweite Bezugsgröße stellen beim derivativem Geschäfts- oder Firmenwert im bilanzrechtlichen Sinne die 1626 Anschaffungskosten bzw. der Zeitwert des Zielunternehmens oder der Beteiligung und 1627 beim originären Goodwill der Ertragswert dar. Die verbreitete Auffassung, wonach der 1628 1629 derivative generell eine Teilmenge des originären Goodwill bildet, ist zu relativieren. Vielmehr finden im Erwerbsvorgang - wie vorstehend benannt - Faktoren Berücksichtigung, die ihrem Wesen nach nicht dem ökonomischen Verständnis des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts entsprechen (sog. à fonds perdu) und auch nicht auf den ehema1630 ligen originären Goodwill des Zielunternehmens zurückgeführt werden können. Diese erhöhen oder vermindern letztlich den derivativen Goodwill als bilanzielle Rechengröße, 1631 stellen allerdings keinen immateriellen Vermögenswert dar. Der Sichtweise, dass sich der originäre Geschäfts- oder Firmenwert auch aus nicht bilan1632 zierungsfähigen, aber identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten ergibt, kann in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls nicht gefolgt werden. Demnach werden sämtliche identifizierbaren Intangible Assets, wenngleich sie ggf. einem konkreten Ansatzverbot unterliegen (z. B. die originäre Unternehmensmarke nach IFRS), nicht dem Goodwill subsumiert. Dies trifft lediglich für die nicht identifizierbaren Vermögenswerte zu, wie die nachstehende Abbildung 20 verdeutlicht.

1624 1625

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1630 1631 1632

Vgl. etwa Deubner 1971, S. 21; Ludz 1997, S. 35. Vgl. zum Erfordernis eines „lebenden“ Unternehmens BFH 1968, S. 66; BFH 1993a, S. 224; hierzu u. a. von Wallis 1978, S. 100. Die Art des Entgelts ist hingegen nicht ausschlaggebend für die (Nicht-) Berücksichtigung eines derivativen Goodwill. Vgl. zu den Novellierungen durch das Business Combinations Project Phase II die Ausführungen in Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils. Vgl. Esser 2005, S. 15 sowie weiterführend zur „differenzierten Betrachtungsweise des Kausalzusammenhangs zwischen Firmenwert und Mehrertrag“ Huber 1964, S. 555. „Der derivative Firmenwert ist der Teil des originären, der im Wege der Verhandlung zwischen zwei Parteien bestimmt und bei der entsprechenden Entscheidung (Kauf eines Unternehmens oder Geschäftsanteils) berücksichtigt wird“, Wöhe 1980, S. 92; vgl. weiterführend auch Duhr 2006, S. 112. Bei einem Unternehmenserwerb finden Teile des originären Goodwill des Zielunternehmens im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert des erwerbenden Unternehmens Eingang und es sollen vermehrt identifizierbare Intangible Assets vom ehemals originären, jetzt derivativen, Goodwill gelöst werden; vgl. relativierend Lorson/Heiden 2002, S. 386; anderer Ansicht scheinbar Huber 1964, S. 557. Allerdings kann der „abgeleitete“ (derivative) Goodwill angesichts weiterer Komponenten je nach Unternehmenslage auch höher ausfallen als der „ursprüngliche“ (originäre) Geschäfts- oder Firmenwert; vgl. Busse von Colbe 2002c, Sp. 885. Die Schwierigkeit einer sachgerechten Trennung in der Unternehmenspraxis wird insbesondere von Brönner/Kolm/Poll kommentiert: „Objektiv werden derivativer und originärer Firmenwert zu einem untrennbaren Knäuel verwoben […]“, Brönner/Kolm/Poll 2005, S. 43 f. Vgl. Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. ebenso Schäfer/Lindenmayer 2004, S. 22. Vgl. scheinbar Kuhner 1994, S. 82 f.

198

Zweiter Hauptteil

Immaterielle Vermögenswerte

nicht identifizierbare immateriell Vermögenswerte

identifizierbar immateriell Vermögenswerte

Goodwill sonstige Komponenten des Goodwill

Abbildung 20:

Kapitalisierungsmehrwert à fonds perdu

Immaterielle Vermögenswerte versus Goodwill

1633

Ein für die Investoren entscheidungsrelevantes Goodwill Reporting hat die derivativen und originären Bestandteile gleichermaßen zu berücksichtigen und die Interdependenzen beider 1634 darzulegen. Da die identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte im Fokus des Intangible Asset Reporting stehen, kommt der Berichterstattung über den sog. Kern1635 Goodwill ebenfalls eine entscheidende Bedeutung zu. Die Notwendigkeit ergibt sich, 1636 weil, wie im Einzelnen zu zeigen ist, bei den der Untersuchung zugrunde liegenden 1637 Normen (Handels- und Steuerrecht sowie IFRS ) lediglich der derivative Goodwill an1638 satzfähig bzw. -pflichtig ist. Der originäre Geschäfts- oder Firmenwert entzieht sich aus Gründen mangelnder Objektivierbarkeit (bislang) grds. einer bilanziellen Berücksichti1639 gung. Im BilMoG-RefE und in der Neufassung von IFRS 3 (rev. 2008) ist ebenfalls eine 1640 Beibehaltung des Aktivierungsverbots für den originären Goodwill vorgesehen. Zugleich ist eine überschneidungsfreie Zuordnung von derivativen und originären Bestandteilen des Geschäfts- oder Firmenwerts in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden bzw. aufgrund der vielfältigen Interdependenzen lediglich pauschal möglich. 1633 1634 1635

1636 1637

1638

1639

1640

In Anlehnung an AKIW 2001, S. 991. Vgl. ausführlich zu dieser Forderung Dritter Hauptteil, Abschn. III.A und B. Vgl. hierzu im Einzelnen die Zerlegung nach dem Komponentenansatz in Abschn. III.A des Dritten Hauptteils. Vgl. Abschn. I.E.2-4 dieses Hauptteils. Entsprechendes gilt für die US-GAAP, die im Rahmen dieser Untersuchung lediglich am Rande Erwähnung finden. Vgl. stellvertretend Busse von Colbe 2000, S. 668. Eine moderatere Sichtweise vertritt Siegel 2004, S. 314 („[…] Angaben über den vermuteten originären Goodwill sollten allenfalls für den Anhang diskutiert werden“); vgl. weiterführend die empirischen Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.p) des Dritten Hauptteils. Vgl. u. a. Bruns/Zeimes/Thuy 2004, S. 255. Eine Ausnahme stellt hierbei die Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs dar, welche handelsrechtlich noch möglich ist; vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.E.5 dieses Hauptteils. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 93.

Bilanzierung und Erstbewertung

199

Dies trifft insbesondere im Zeitablauf für die Folgebewertung des derivativen Geschäfts1641 oder Firmenwerts zu. 1642

Auch zwischen dem Goodwill und den Intangible Assets bestehen Abgrenzungsdefizite. Die abstrakte und konkrete Ansatzfähigkeit von Vermögensposten, welche durch die Zwecke und Zielsetzungen des Financial Accounting determiniert werden, nimmt einen maß1643 geblichen Einfluss auf die Abgrenzung zwischen Intangible Assets und dem Goodwill. Dies wurde primär an den restriktiven Vorgaben der statischen und auch der dynamischen 1644 Accounting Theory verdeutlicht. Im Zuge der Kaufpreisallokation bei einem Unternehmenserwerb werden die strengen Ob1645 jektivierungsanforderungen jedoch zum Teil aufgehoben. Durch den vereinbarten Kaufpreis für das Gesamtunternehmen bzw. für die Beteiligung wird eine „Marktobjektivierung“ fingiert, so dass ein ggf. vorhandener originärer Goodwill des Akquisitionsobjekts 1646 nach der Übernahme beim Erwerber - vereinfachend - den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert darstellen könnte. Die Kaufpreisallokation soll allerdings zu einer Abspaltung identifizierbarer Intangible Assets führen; die auch nach erfolgter Kaufpreisallokation nicht identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte gehen weiterhin in der Residualgrö1647 ße Goodwill auf. Die Posten der immateriellen Vermögenswerte und des Goodwill verfügen somit hinsichtlich der nicht identifizierbaren Werte über eine gemeinsame Schnitt1648 menge. Die Berichterstattung wird insofern wesentlich beeinträchtigt, als eine eindeutige Grenzziehung zwischen identifizierbaren und nicht identifizierbaren Werttreibern in der 1649 Unternehmenspraxis im Allgemeinen nicht möglich ist. Daher würde es sich im Folgenden anbieten, im Intangible Asset Report die nicht identifizierbaren immateriellen Vermö1650 genswerte, welche zugleich Bestandteil des Goodwill sind, zu kennzeichnen. In diesem Kontext ist die Vorgehensweise des BFH anzuführen, welcher ebenfalls für eine strikte Trennung in den derivativen Goodwill und separat zu aktivierende immaterielle

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Vgl. hierzu die kritischen Anmerkungen zum IOA nach IFRS von Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1748 sowie weiterführend Abschn. III.A.2.a) dieses Hauptteils. Diese Sichtweise einer fehlenden Separierbarkeit geht auf die steuerrechtliche Einheitstheorie zurück; vgl. detailliert Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. „Der Ansatzpunkt der Abgrenzung ist die schwierige Frage, wann sich bloße Hoffnungen und Erwartungen so weit verdichtet haben, daß sie als etwas (wirtschaftlich) Selbständiges [...] zu erfassen sind. Arnold 1997, S. 47. Vgl. auch Schmidt 2007b, S. 49; grundlegend Abschn. I.A.1. und 2 dieses Hauptteils. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2 und 3. Vgl. zur (konkreten) Aktivierbarkeit von Intangible Assets nach IFRS Abschn. I.A.2.b) dieses Hauptteils sowie zur Kaufpreisallokation aus Sicht der Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.1. Unterstellt wird hierbei, dass keine Bewertungsfehler bzw. Abfindungen für lästige Mitbewerber vorliegen, welche die Aussagekraft des Core Goodwill beeinträchtigen; vgl. auch insbesondere die Ausführungen in Abschn. III.A des Dritten Hauptteils. Vgl. zum Goodwill als „Sammelbecken“ sämtlicher nicht identifizierbarer immaterieller Vermögenswerte Stapf 1968, S. 8. Vgl. hierzu insbesondere Abbildung 20. Vgl. bereits Catlett/Olson 1968, S. 9. Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. V.B. und D.

200

Zweiter Hauptteil 1651

Wirtschaftsgüter eintritt. Während der derivative Goodwill im Kern auf das Gesamtunternehmen abstellt, lassen sich Einzelwirtschaftsgüter unterscheiden, die ggf. einer planmäßigen oder nicht planmäßigen Abschreibung unterliegen. Darunter fallen u. a. Patente, Verlags-, Lizenz- oder Vertriebsrechte. Die Entscheidung, inwieweit eine begrenzte Nutzungsdauer dieser Vermögensgüter in Betracht kommt, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Durch die Abspaltung immaterieller abnutzbarer Vermögensgüter von der Residualgröße Goodwill kann ggf. zusätzliches Abschreibungspotenzial geschaffen werden. Das (damalige) Bestreben von RFH und BFH, die Höhe des vormals nicht abnutzbaren deriva1652 tiven Geschäfts- oder Firmenwerts zu minimieren, ist zwar unter Informationsgesichtspunkten als positiv zu beurteilen. Allerdings ist die ehemals geschaffene Terminologie der 1653 sog. firmenwertähnlichen Wirtschaftsgüter , die zwar separat zu bilanzieren, aber aufgrund ihrer inhaltlichen Nähe zum Goodwill ebenfalls keiner regulären Abschreibung zu1654 1655 gänglich waren, kritisch zu sehen. Zudem gelingt es nicht, den Geschäfts- oder Firmenwert vollständig in eigenständige immaterielle Wirtschaftsgüter zu zerlegen und diese 1656 zu aktivieren. Das Bestreben der Unternehmensleitung, i. R. d. Value Based Manage1657 ment die Entscheidungsrelevanz des Financial Accounting durch eine Aufspaltung der „Restgröße“ Goodwill zu erhöhen, wird durch die Grenzen der Konzeption des Reinvermögenszeitwerts determiniert. Die nachfolgende Tabelle 2 zeigt eine beispielhafte Auflis-

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1657

Vgl. u. a. die nachfolgende Ausführung des BFH 1970a, S. 175: „Der Ansatz eines erworbenen Geschäftswerts kommt immer dann in Betracht, wenn der Kaufpreis nicht nachweislich für bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter bezahlt wurde. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den objektiven Gegebenheiten, nicht nach der bloßen äußerlichen Bezeichnung durch die Vertragspartner sowie weiterführend Stengel 2000, S. 60; vgl. hierzu auch Velte 2006b, S. 55-58. Bereits Becker forderte eine weite Auslegung des Begriffs „gesondert auszuweisendes Wirtschaftsgut“, um die Aktivierung etwaiger Geschäftswerte lediglich auf den „reinen“ Geschäftswert zu beschränken. Becker 1927, Sp. 79-100 sowie vgl. hieran anknüpfend Beekes 1960, S. 471. Vgl. stellvertretend BFH 1956, S. 149; BFH 1993a, S. 224 sowie hierzu auch Vangerow 1966, S. 654; Wiesner 2006, S. 225-227. Darunter fallen sämtliche Rechtspositionen oder faktische Verhältnisse, die - ähnlich wie der Goodwill - mit dem Unternehmen und seinen Erfolgschancen unmittelbar verknüpft sind; vgl. Stengel 2000, S. 97 f. Als Beispiele für firmenwertähnliche Wirtschaftsgüter können Marken-, Urheber-, Verlags- Gebrauchsmuster-, Kartell-, Belieferungsrechte, Wettbewerbsverbote oder der Kundenstamm angeführt werden; vgl. hierzu auch BFH 1970b, S. 804; BFH 1989b, S. 442 sowie hierzu im Einzelnen Hoffmann 2005a, S. 17 f. und Piltz 1981, S. 13 m. w. N. Vgl. ebenfalls Pfeiffer 1982, S. 34 f.; Velte 2006b, S. 57. Die Fiktion des RFH/BFH, wonach sämtliche firmenwertähnlichen Wirtschaftsgüter ebenfalls keiner periodischen Abnutzbarkeit unterliegen, diente insbesondere fiskalpolitischen Zielsetzungen. Angesichts der Tatsache, dass sowohl der Goodwill als auch jene Wirtschaftsgüter grds. mit einem gleich bleibenden Betrag in der Bilanz ausgewiesen wurden, konnten diese Beträge jährlich in unverändertem Umfang der Besteuerung unterzogen werden; vgl. zur „fiskalisch willkommenen Vorgehensweise“ Haaker/Paarz 2004, S. 689. Vgl. zur praktischen Unmöglichkeit u. a. Küting 2002a, S. 3. Die aus dem angloamerikanischen Rechtsraum stammende Verschleierungsstrategie (Hidden Asset Theory) verfolgt eine synonyme Strategie, weil der Goodwill als Vielzahl immaterieller Vermögenspositionen dargestellt wird. Bei einem Wegfall der Ansatzrestriktionen könnte eine vollständige Aufspaltung auf immaterielle Vermögenswerte vorgenommen werden, so dass der Bilanzsammelposten Goodwill gedanklich eliminiert wird; vgl. zur theoretischen Konzeption Colley/Volcan 1988, S. 36 sowie Richter 2004a, S. 28 und Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. zur Implementierung eines Value Based Management ausführlich Erster Hauptteil, Abschn. II.B.1.a).

Bilanzierung und Erstbewertung

201 1658

tung identifizierbarer immaterieller Vermögenswerte nach IFRS 3 (rev. 2008), Zuge der Kaufpreisallokation vom derivativen Goodwill abzuspalten sind. Bereich Vertriebsbezug (Marketing Related) Kundenbezug (Customer Related) künstlerischer Bereich (Artistic Related)

Vertragsbezug (Contract Based) Technologiebezug (Technology Based)

Tabelle 2:

die im

Beispiele Internet Domains, Marken, Dienstleistungen und Zertifikate, ggf. Verpackungsdesign, Wettbewerbsverbote, Titelblattdesign bei Zeitungen Kundenlisten, Auftragsbestände, Kundenbeziehungen Theaterstücke, Opern, Ballette, Bücher, Musikwerke, Bilder und Fotos, Filme, Videos, Fernsehprogramme Tantieme, Lizenzen, Baurechte, Konzessionen, Nutzungsrechte, Unterlassungsrechte, Werbeverträge, Leasingvereinbarungen, Baugenehmigungen Software, patentierte Technologien, Datenbanken, Betriebsgeheimnisse

Beispiele für mögliche identifizierbare immaterielle Vermögenswerte

1659

Sofern keine Kaufpreisallokation erfolgt, stehen dieser Identifizierung allerdings die bereits dargelegten einzelfallabhängigen Bilanzierungsverbote für gewisse (originäre) Intan1660 gible Assets entgegen.

c)

Wertmäßige Bedeutung des derivativen Goodwill

Infolge zunehmender Unternehmensaufkäufe und -übernahmen während der Hochphase der „New Economy“ zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist der in den Geschäftsberichten deutscher kapitalmarktorientierter Konzerne ausgewiesene (derivative) Geschäfts- oder Firmenwert erheblich gestiegen und übertrifft vielfach das bilanzielle Eigenkapital. Eine Studie von Küting, welche auf die Geschäftsberichte der DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen des Geschäftsjahres 2006 abstellte, ergab, dass bei 93, 5 % der un1661 tersuchten Gesellschaften ein derivativer Goodwill zum Ansatz gelangte. Dabei nahmen 1662 die ausgewiesenen Beträge im DAX einen Wert von bis zu 21 Mrd. Euro an. Ferner wurde konstatiert, dass die Mehrzahl der nach internationalen Rechnungslegungsstandards

1658 1659 1660 1661

1662

Vgl. IFRS 3.IE16-IE44 (rev. 2008); hierauf abstellend ebenfalls IDW S 5.13. In Anlehnung an Kuhner 2007, S. 21-23. Vgl. die Ausführungen in Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. Küting 2007b, S. 2027; zu vorangegangenen empirischen Untersuchungen Fockenbrock 2005b, S. 14, der kritisch von „Hoffnungswerten“ spricht, sowie Küting 2005c, S. 2757-2765; Küting 2006b, S. 1667; Küting 2006d, S. 166-177; Küting 2007a, S. 226; Küting/Koch 2003, S. 52 f. Vgl. Küting 2007b, S. 2027; Küting 2007a, S. 224. Der höchste jemals in Deutschland ermittelte derivative Geschäfts- oder Firmenwert betrug beim Unternehmenszusammenschluss Vodafone und Mannesmann ca. 140 Mrd. Euro; vgl. Küting 2007b, S. 2027.

202

Zweiter Hauptteil

bilanzierenden Konzerne keine Wertkorrektur vorgenommen hat, d. h. die Höhe des deri1663 vativen Goodwill blieb gegenüber dem Vorjahr konstant. Eine ähnliche Studie der Universität Oldenburg stellte auf die Geschäftsberichte der DAXUnternehmen zum 31.12.2003 ab und ermittelte die jeweiligen Goodwill-Eigenkapital1664 Relationen der Unternehmen. Bei den Unternehmen RWE und TUI konnten mit Ergebnissen von jeweils 221 % und 153 % die höchsten Verhältnisse des derivativen Geschäfts1665 oder Firmenwerts zum bilanziellen Eigenkapital konstatiert werden. Eine jüngere Unter1666 suchung von PwC, welche in Kooperation mit der Universität Gießen erfolgte, ergab, dass auf europäischer Ebene im Jahre 2005 vielfach mehr als die Hälfte der Anschaffungskosten, die auf einen Akquisitionsvorgang entfielen, als derivativer Geschäfts- oder Fir1667 menwert deklariert wurden. In der Medien- und Unterhaltungsbranche entspricht dieser 1668 fast vollständig dem bilanziellen Eigenkapital. Die vorstehend genannten empirischen Untersuchungen verdeutlichen den hohen betragsmäßigen Stellenwert des derivativen Goodwill i. R. d. Value Based Management und der Kapitalmarktanalyse. Hinzu kommt, dass die Wertrelevanzforschung den positiven Zusammenhang zwischen dem Unternehmens- und dem derivativen Geschäfts- oder Firmenwert sowohl auf nationaler als auch auf 1669 internationaler Ebene empirisch nachgewiesen hat.

2.

Handelsrecht

Während für den originären Geschäfts- oder Firmenwert de lege lata und de lege ferenda in Übereinstimmung mit den Ausführungen von Schmalenbach ein striktes Ansatzverbot zu 1670 beachten ist, kodifiziert das Handelsrecht für den Jahresabschluss bislang ein Ansatz-

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Lediglich 21 % der untersuchten Unternehmen haben eine außerplanmäßige Abschreibung auf den derivativen Goodwill vorgenommen; vgl. Küting 2007b, S. 2028; zu früheren Erhebungen Küting 2006b, S. 1669; Küting 2007a, S. 228. Vgl. hierzu ausführlich Schürmann 2004, S. 110 f. Die Studie von Küting ergibt eine jeweilige Relation bei den Unternehmen Karstadt Quelle, Gfk und Wincor Nixdorf von 266,6 %, 172,5 % und 141,8 %; vgl. Küting 2006b, S. 1668; Küting 2007a, S. 225. Vgl. Schürmann 2004, S. 110. Da die der Studie zugrunde liegenden börsennotierten Unternehmen i. d. R. ihr Financial Accounting auf IFRS umgestellt haben bzw. umstellen, kann ein hoher ausgewiesener Goodwill immer dann eine Gefahr darstellen, wenn der Impairment Test nach IFRS diesem keine Werthaltigkeit bescheinigt und dieser daher außerplanmäßig abgeschrieben werden muss; vgl. ausführlich zum IOA bei der IFRS-Folgebewertung des Goodwill und dessen Auswirkungen auf das Earnings Management Abschn. II.B.3.a) und III.A.3 dieses Hauptteils. Vgl. PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007. Vgl. PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 36 f. Vgl. o. V. 2007a, S. 21; PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 42. Vgl. Jennings et al. 1996, S. 513-533; Krämling 1998; Vincent 1997, S. 5-19 und hieran anknüpfend Mölls/Strauß 2007a, S. 972; grundlegend zur Relevanzforschung Erster Hauptteil, Abschn. I.A.2. Das Aktivierungsverbot wurde erstmalig mit der Aktienrechtsverordnung 1931 in § 264 Nr. 4 Satz 1 HGB a. F. eingefügt. Unwesentlich modifiziert wurde es i. R. d. Aktienrechtsreform 1937 (vgl. § 133 Nr. 5 Satz 1 AktG a. F.) und 1965 (vgl. § 153 Abs. 5 Satz 1 AktG a. F.) übernommen. Das jetzige Aktivierungsverbot in § 248 Abs. 2 HGB resultiert aus dem Vorsichtsprinzip; vgl. hierzu Adler/ Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 257 zu § 255 HGB, S. 416. Hierunter fällt ebenfalls der von Schmalenbach titulierte „Goodwill Nr. 1“, der keiner bilanziellen Erfassung zugänglich sein soll; vgl. hierzu Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3.

Bilanzierung und Erstbewertung

203

1671

wahlrecht für den Unterschiedsbetrag, „um den die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung den Wert der einzelnen Vermögensgegenstände des Unter1672 nehmens abzüglich der Schulden im Zeitpunkt der Übernahme übersteigt“ . Dieser Un1673 terschiedsbetrag wird mit dem derivativen Geschäfts- oder Firmenwert gleichgesetzt. Allerdings sind - wie bereits ausgeführt - nicht alle Komponenten des überhöhten Kauf1674 preises dem ökonomischen Wesen nach Bestandteile des Goodwill. Denkbar ist z. B. ein Zuschlag auf den Erwerbspreis für die Abfindung eines „lästigen Konkurrenten“ (à fonds perdu). Die im Handelsrecht vorgenommene Gleichsetzung von derivativem Geschäfts1675 oder Firmenwert und Differenzbetrag ist daher ungenau. Als Voraussetzungen für die Aktivierung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts werden die Existenz einer Unternehmensübernahme sowie einer positiven Differenz zwischen der Gegenleistung und dem Wert der einzelnen Vermögensgegenstände abzüglich der Schulden im Übernahme1676 zeitpunkt angeführt. Die Ausführungen verdeutlichen, dass eine separate Erstbewertung 1677 des derivativen Goodwill nicht erfolgt; vielmehr wird der Vermögensposten als rechentechnischer Unterschiedsbetrag ermittelt. Der bilanzielle Charakter des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtli1678 chen Jahresabschluss galt seither als strittig. Diskutiert wurde die Einordnung als Bilan-

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1677 1678

Das Ansatzwahlrecht geht zurück ein Urteil des Reichsgerichts (RG) aus dem Jahre 1901, in dem die Aktivierung des derivativen Goodwill erlaubt wurde; vgl. RG 1901, S. 653. Durch die Aktienrechtsreform 1931 räumte der Gesetzgeber den Unternehmen erstmalig ein Wahlrecht ein. § 255 Abs. 4 HGB. Dagegen forderte § 153 Abs. 5 AktG in der Fassung von 1965: „Für den Geschäfts- oder Firmenwert darf kein Aktivposten eingesetzt werden. Übersteigt jedoch die für die Übernahme eines Unternehmens bewirkte Gegenleistung die Werte der einzelnen Vermögensgegenstände des Unternehmens im Zeitpunkt der Übernahme, so darf der Unterschied unter die Posten des Anlagevermögens aufgenommen werden.“ Die ehemalige Regelung hatte die durch das BiRiLiG eingeführte faktische Gleichsetzung von positivem Unterschiedsbetrag und derivativem Geschäfts- oder Firmenwert gem. § 255 Abs. 4 HGB in der Fassung von 1986 nicht vorgenommen. § 153 Abs. 5 Satz 2 AktG brachte im Vergleich zu § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB zum Ausdruck, dass für die konkrete Ansatzentscheidung lediglich der positive Unterschiedsbetrag maßgebend ist und nicht die tatsächliche Existenz eines Geschäfts- oder Firmenwerts. In dieser Hinsicht kann ein positiver Differenzbetrag resultieren, der dem regulären Aktivierungswahlrecht unterliegt, obwohl ggf. überhaupt kein Goodwill im Sinne zukünftiger Ertragschancen vorhanden ist; vgl. hierzu Arnold 1997, S. 99 f.; Ludz 1997, S. 91. Rohling spricht in diesem Zusammenhang von einer „gesetzgeberischen Fiktion“, Rohling 1984, S. 1165. Lediglich im Falle eines Asset Deal kann nach § 255 Abs. 4 HGB ein derivativer Geschäftsoder Firmenwert entstehen. Auf den derivativen Goodwill ist nach h. M. handelsrechtlich keine Steuerabgrenzung zu bilden; vgl. Busse von Colbe 2002c, Sp. 890. Vgl. Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils sowie detailliert zur Aufteilung des Goodwill in seine einzelnen Komponenten Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. zur Einordnung als „bilanzrechtlichen Grenzposten“ Moxter 1993a, S. 853 und hierzu auch Hommel 2001b, S. 804. Vgl. weiterführend zur Konkretisierung jener Voraussetzungen Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 260-270 zu § 255 HGB, S. 417-420. Vgl. Lutz-Ingold 2005, S. 205. Vgl. für eine überblicksartige Darstellung Schmidt 2007b, S. 73.

204

Zweiter Hauptteil 1679

1680

1681

zierungshilfe, Vermögensgegenstand, aktiver Rechnungsabgrenzungsposten, Wert1682 1683 1684 berichtigungsposten oder Wert eigener Art (sui generis oder aliud) . Diese im Schrifttum heterogene Auffassung über das Wesen des derivativen Goodwill ließ sich darauf zurückzuführen, dass dieser in der betrieblichen Praxis einen individuellen, nicht exakt konkretisierbaren, Bilanzposten darstellt und der handelsrechtliche Gesetzgeber bislang 1685 im Gegenzug zum IASB - keine Zerlegung in seine Komponenten fordert. 1686

Die Einordnung als Bilanzierungshilfe lässt sich bislang u. a. mit dem Ansatzwahlrecht, 1687 der Möglichkeit einer pauschalen Abschreibung sowie mit der fehlenden Einzelver1688 1689 kehrsfähigkeit begründen. Dagegen sprechen die nicht enthaltene Normierung des derivativen Goodwill als Bilanzierungshilfe und die - für eine derartige Einordnung typische 1690 - nicht enthaltene gesetzliche Ausschüttungssperre. Ferner zeichnen sich Bilanzierungshilfen dadurch aus, dass diese lediglich von Kapitalgesellschaften und ihnen gesetzlich gleichgestellten Unternehmen in Anspruch genommen werden können. Das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert gilt hingegen 1691 nach h. M. für sämtliche Unternehmen. Die Klassifizierung des derivativen Goodwill als immaterieller Vermögensgegenstand des Anlagevermögens wurde seither u. a. mit der Möglichkeit der planmäßigen Abschreibung 1692 über die voraussichtliche Nutzungsdauer und mit der Gliederungsvorschrift gerechtfer1693 tigt. Die Regelung beinhaltet, dass der bilanzierte Geschäfts- oder Firmenwert unter dem

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Vgl. zustimmend Kleindiek 2002, Rn. 41 zu § 255 HGB, S. 560; Moxter 1979a, S. 747; Mujkanovic 1994a, S. 895; Pfeiffer 1984, S. 326; Schneider 1971c, S. 607; Weber/Zündorf 1989, S. 334; Wichmann 1994, S. 1673; Wöhe 1980, S. 96. Vgl. stellvertretend Bauer 1989, S. 1053; Mutter 1994, S. 473; Zeitler 1988, S. 304. Im Folgenden wird auf diese Art der Goodwill-Klassifizierung nicht näher eingegangen. Vgl. Deubner 1971, S. 39 f.; Hörstmann 1963, S. 169. Vgl. u. a. Chmielewicz 1969, S. 113; Kosiol 1976, S. 329. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 272 zu § 255 HGB, S. 421; Ludz 1997, S. 292; Möhrle 1999b, S. 17 und 20 sowie Zimmerer 1961, S. 296. Mutter verwendet hierbei den Terminus „Chamäleon“, Mutter 1994, S. 473. Vgl. hierzu im Einzelnen Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB. Vgl. § 255 Abs. 4 Satz 2 HGB. Vgl. zur abstrakten Ansatzfähigkeit von Vermögensgütern im Handelsrecht Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Der Geschäfts- oder Firmenwert kann nach h. M. lediglich zusammen mit dem Unternehmen übertragen werden. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 271 zu § 255 HGB, S. 421. Vgl. § 255 Abs. 4 HGB; entsprechend die ausdrücklichen Bezeichnungen bei den Ingangsetzungsund Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs (§ 269 HGB) und bei den aktivischen latenten Steuern (§ 274 Abs. 2 HGB). Vgl. hierzu im Einzelnen Müller-Dahl 1981, S. 279; Veit 1989, S. 1096; anderer Ansicht scheinbar Ludz 1997, S. 75; Watermeyer 1991, S. 82 f. Vgl. § 255 Abs. 4 Satz 3 HGB. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A.I.2 HGB; daneben die Ausführungen von Krolak 2000, S. 10; Zeitler 1988, S. 304.

Bilanzierung und Erstbewertung

205 1694

Posten immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens aufzuführen ist. Es bleibt anzumerken, dass die Einhaltung des Vorsichts- und Realisationsprinzips im Allgemeinen gegen eine Einstufung des derivativen Goodwill als immaterieller Vermögensge1695 genstand spricht, weil dieser auf unrealisierten Ertragserwartungen beruht. Zudem ist darauf zu verweisen, dass seine Komponenten zumindest teilweise keine Vermögensge1696 genstände darstellen. Die im Schrifttum vereinzelt vorgenommene Klassifizierung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten ist mit der Aussage verbunden, dass der derivative Geschäfts- oder Firmen1697 wert anknüpfend an die dynamische Accounting Theory nach Schmalenbach Ausgaben für zukünftige Mehrerträge widerspiegelt, die auf Vorleistungen des Verkäufers basieren 1698 und vom Erwerber noch nicht realisiert wurden. Unter besonderer Berücksichtigung der Tatsache, dass diese künftigen Übergewinne innerhalb einer bestimmten Wirkungsdauer 1699 eintreten, liegt der Fall eines transitorischen Rechnungsabgrenzungspostens vor. Die vorstehend genannten Ausführungen, den derivativen Goodwill als Bilanzierungshilfe, Vermögensgegenstand oder Rechnungsabgrenzungsposten einzuordnen, können indes nicht überzeugen. Vielmehr ist der nachfolgenden Untersuchung unter Rückgriff auf die 1700 Ausführungen von Schmalenbach der Terminus „Wert eigener Art“ zugrunde zu le1701 gen. Demnach stellt der derivative Goodwill im Ganzen gesehen keinen immateriellen Vermögensgegenstand dar, lediglich einzelne Komponenten, die nicht identifizierbaren immateriellen Vermögensgegenstände, fallen hierunter. Diese Heterogenität erfordert in 1702 Übereinstimmung mit der Auffassung von Kosiol eine exponierte Stellung in der Bilanz. 1694

1695 1696 1697

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Im Schrifttum wird vereinzelt von einem Vermögensgegenstand „kraft Gesetzes“ ausgegangen; vgl. u. a. Reuleaux 1987, S. 98 f.; Söffing 1988, S. 600; Zeitler 1988, S. 304. Dieser augenscheinliche Beleg für die Qualifizierung des Goodwill als Vermögensgegenstand ist jedoch zu entkräften. Anzumerken ist, dass das Gliederungsschema des HGB lediglich deklaratorischen Charakter besitzt und aufgrund seiner Platzierung im zweiten Abschnitt des Dritten Buchs lediglich für Kapitalgesellschaften und ihnen gesetzlich gleichgestellte Unternehmen zwingend zu befolgen ist. Somit ist Förschle/Kropp zustimmen, dass mit der Gliederungsvorschrift „keine Aussage über die Qualifizierung des Postens, sondern lediglich über seine Stellung im Gliederungsschema“ getroffen wird, Förschle/Kropp 1986, S. 155. Vgl. Förschle/Kropp 1986, S. 156. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. zum „Gooodwill Nr. 1“ und „Goodwill Nr. 2“ die Ausführungen in Abschn. I.C.3 des Ersten Hauptteils. Vgl. Deubner 1971, S. 39 f.; Hörstmann 1963, S. 169; Krolak 2000, S. 14; Ludz 1997, S. 81; MüllerDahl 1981, S. 281. Nach Einschätzung von Müller-Dahl erfüllt der derivative Goodwill das „Periodisierungsbedürfnis; vgl. Müller-Dahl 1981, S. 282 und ebenso zustimmend Deubner 1971, S. 39 f.; Müller 1961, S. 440; Raben 1962, S. 28; Voss 1958, S. 426. Die genaue Festlegung einer voraussichtlichen Nutzungsdauer bereitet jedoch in der Unternehmenspraxis Schwierigkeiten. Außerdem ist nicht garantiert, ob die Mehrerträge tatsächlich in der Zukunft bzw. „in einer bestimmten Zeit“ gem. § 250 Abs. 1 in Verbindung mit § 298 Abs. 1 HGB realisiert werden; vgl. Ludz 1997, S. 82. Vgl. hierzu Abschn. I.C.3 des Ersten Hauptteils. Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 272 zu § 255 HGB, S. 421; Krolak 2000, S. 16; Küppers 1986, S. 1635; Ludz 1997, S. 84 f. Vgl. Kosiol 1976, S. 329 sowie zur Bezeichnung „verfahrensbedingter, also technischer Differenzbetrag“ Moxter 1979a, S. 743.

206

Zweiter Hauptteil

Wenngleich die Unternehmensleitung im Zuge der Kaufpreisallokation und des Reporting bestrebt sein könnte, die identifizierbaren immateriellen Vermögenswerte vom Goodwill zu trennen und eine außerbilanzielle Differenzierung der verbleibenden Komponenten in1703 nerhalb des (nicht) prüfungspflichtigen Bereichs des Geschäftsberichts vorzunehmen, ist die exponierte Bilanzierung als Sonderposten beizubehalten. Zur Reformierung des HGB wurde - nicht zuletzt aufgrund der hohen wertmäßigen Bedeu1704 tung des Bilanzpostens in der Unternehmenspraxis - im BilMoG-RefE implementiert, das bestehende handelsrechtliche Ansatzwahlrecht in ein Aktivierungsgebot umzuwandeln und § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB dahingehend zu modifizieren, dass der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände inklusive eines aus der Unternehmensübernahme resul1705 tierenden derivativen Geschäfts- oder Firmenwert zu enthalten hat. Dies zieht eine syn1706 onyme Streichung von § 255 Abs. 4 HGB nach sich. Der derivative Goodwill wird nunmehr „im Wege einer Fiktion zum Vermögensgegenstand erhoben und damit ansatzpflich1707 tig“ . Durch diese Formulierung zeigt sich, dass der nationale Gesetzgeber von seiner Vermögensgegenstandseigenschaft scheinbar immer noch nicht überzeugt ist. Unter besonderer Berücksichtigung dieser Tatsache wird in der vorliegenden Analyse an der Klassifizierung als „Wert eigener Art“ festgehalten. Das handelsrechtliche Bilanzgliederungs1708 schema sollte dieser Erkenntnis Rechnung tragen und eine Modifizierung erfahren. Unter dem Aspekt der Annäherung an die IFRS sowie an das Steuerrecht ist ein zukünftiges handelsrechtliches Aktivierungsgebot vorteilhaft. In diesem Sinne können die Kosten der Abschlusserstellung durch eine einheitliche Bilanzierung gesenkt werden, da - wie im Folgenden gezeigt wird - das Steuerrecht den derivativen Goodwill bereits vor dem Bil1709 MoG-RefE als aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut angesehen hat. Zudem ergeben sich vordergründig positive Auswirkungen auf die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Abschlüsse. Diesem stehen mögliche negative Implikationen der verpflichtenden Auflösung stiller Reserven auf das Innenfinanzierungspotenzial der Unternehmen im Zuge einer generellen Aktivierung des derivativen Goodwill entgegen. Ein Absinken der betrieblichen Haftungsmasse wäre eine potenzielle Konsequenz, da - wie eingangs erwähnt - im Gegensatz zu den originären immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens keine gesetzliche Ausschüttungssperre für den derivativen Geschäfts- oder Firmen1710 wert im BilMoG-RefE vorgesehen ist. Wenngleich die o. g. Bedenken aus Sicht des Gläubigerschutzes schwer wiegen, wird das Erfolgspotenzial einer Unternehmung in hohem Maße durch die Höhe des derivativen Goodwill determiniert. Zumindest die entgelt-

1703 1704 1705

1706 1707 1708 1709 1710

Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. ausführlich Abschn. I.E.1.c) dieses Hauptteils. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 93; stellvertretend zur Einführung einer Ansatzpflicht im handelsrechtlichen Jahresabschluss Schmidt 2002b, S. 143. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 93. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 93. Vgl. § 266 Abs. 2 Posten A.I.2 HGB. Vgl. Abschn. I.E.3 dieses Hauptteils. Vgl. zur vorgesehenen gesetzlichen Ausschüttungssperre für das aktivierte originäre immaterielle Anlagevermögen nach dem BilMoG-RefE Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

207 1711

lich erworbenen Werttreiber sind unter Beachtung des Vollständigkeitsgebots sowie einer am Shareholder Value orientierten Unternehmenspolitik konsequenterweise zum Ansatz zu bringen. Angesichts der Tatsache, dass der derivative Goodwill durch den Markt bereits „bestätigt“ wurde, dürften sich in einer Gesamtschau - im Vergleich zum originären Vermögen - keine fundamentalen Objektivierungsdefizite bei der Wertfindung ergeben. Unter diesem Gesichtspunkt ist ein künftiges Aktivierungsgebot im handelsrechtlichen Jahresabschluss nach dem BilMoG-RefE zu begrüßen. Zudem ergab die jüngere empirische Untersuchung von Köhler, Marten und Schlereth, dass bereits 57,5 % der befragten Unternehmen von dem bisherigen Wahlrecht einer Aktivierung des derivativen Goodwill 1712 im handelsrechtlichen Jahresabschluss Gebrauch machen. Für einen derivativen Goodwill aus der Kapitalkonsolidierung, welcher Bestandteil eines 1713 aktivischen positiven Unterschiedsbetrags ist, besteht im handelsrechtlichen Konzernab1714 schluss de lege lata ebenfalls ein (faktisches) Ansatzwahlrecht. Dieses resultiert einerseits aus der Option zur Verrechnung positiver und negativer Unterschiedsbeträge unter 1715 Angabe der verrechneten Beträge im Konzernanhang. Andererseits besteht - unter Berücksichtigung der benannten Voraussetzungen - (noch) ein bedingtes Wahlrecht zur An1716 1717 wendung der Interessenzusammenführungsmethode, die neben der Erwerbsmethode zur Anwendung kommen kann. Bei der Interessenzusammenführung wird keine Neubewertung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden durchgeführt und gedanklich 1718 kein Kaufpreis entrichtet. Stattdessen erfolgt im Zuge eines Anteilstauschs eine erfolgsneutrale Aufrechnung des Beteiligungsbuchwerts gegen das gezeichnete Kapital des Ziel1719 unternehmens, so dass kein derivativer Goodwill entsteht. Die Erwerbsmethode hingegen unterstellt einen regulären Beteiligungserwerb, welcher eine stichtagsbezogene Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden des Unternehmens bedingt. Die aufgedeckten stillen Reserven und Lasten werden bei der Kaufpreisallokation auf die übernommenen Vermögensgegenstände und Schulden verteilt, ein

1711 1712 1713

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Vgl. § 246 Abs. 1 HGB. Vgl. Köhler/Marten/Schlereth 2007, S. 2730. Weitere mögliche Ursachen für einen positiven Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung stellen Differenzen zwischen den Buch- und Zeitwerten der Vermögens- und Schuldposten beim Zielunternehmen dar, wenn diese im Kaufpreis der Beteiligung abgegolten wurden. Vgl. allerdings § 301 Abs. 3 in Verbindung mit 309 Abs. 1 Satz 1 HGB, welche zu Missinterpretationen führen kann. Vgl. § 301 Abs. 3 Satz 3 HGB. Vgl. § 302 HGB. Die Erwerbsmethode lässt sich wiederum in die Buchwert- und in die Neubewertungsmethode unterteilen; vgl. hierzu ausführlich Lopatta 2000, S. 355. Vgl. ausführlich zur informationstheoretischen Analyse der Pooling of Interest Method Stanke 2003, S. 34. Der Interessenzusammenführungsmethode liegt die Annahme einer quasi gleichberechtigten Unternehmensfusion zugrunde. Vgl. u. a. Wulf 2001, S. 208 f. Die Anwendung der Pooling of Interest Method ist sowohl nach IFRS als auch nach US-GAAP im Jahre 2001 bzw. 2004 untersagt worden. Das IASB und das FASB gehen davon aus, dass lediglich die Purchase Method im Sinne eines True and Fair View dem Informationsinteresse der Adressaten gerecht wird und einen Einblick in die Performance des Unternehmens gewährleistet; vgl. ebenfalls die Ausführungen in Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils.

208

Zweiter Hauptteil

verbleibender Differenzbetrag zwischen Kaufpreis und bilanziellem Eigenkapital des Un1720 ternehmens ist als derivativer Geschäfts- oder Firmenwert zu interpretieren. Dieser ver1721 steht sich somit als konsolidierungstechnische Residualgröße. Der Unterschied zwischen der Buch- und Neubewertungsmethode besteht darin, dass im Kaufpreis berücksichtigte stille Reserven und Lasten bei der Buchwertmethode lediglich in Höhe der Beteiligungsquote des die Kapitalkonsolidierung durchführenden Mutterunternehmens berücksichtigt werden. Bei Beteiligungen von weniger als 100 % führen Buchwert- und Neubewertungsmethode somit zu abweichenden Ergebnissen und stehen dem Vergleichbarkeitsgrundsatz entgegen. Eine Hochrechnung des derivativen Goodwill um die Minderheiten-Anteile einschließlich eines Bilanzansatzes (Full Goodwill) ist hingegen auch bei der Neubewer1722 tungsmethode unzulässig. 1723

Der DSR, welcher die Interessenzusammenführungsmethode nicht behandelt, untersagt hingegen die o. g. Verrechnungsmöglichkeit positiver und negativer Unterschiedsbeträge und folgt einer gesonderten Ausweispflicht für den derivativen Goodwill bei Anwendung 1724 der Neubewertungsmethode. In Übereinstimmung zum handelsrechtlichen Jahresabschluss wird eine Aktivierung des originären Goodwill abgelehnt, da dieser einen nicht identifizierbaren, durch das Unternehmen kontrollierten Vermögenswert darstellt, dessen 1725 Herstellungskosten nicht verlässlich ermittelt werden können. Der BilMoG-RefE trägt durch die Implementierung eines künftigen Verbots zur Anwen1726 dung der Interessenzusammenführungsmethode und eines Gebots zur Einhaltung der 1727 Neubewertungsmethode jenen Abweichungen Rechnung und schafft hiermit die notwendige Rechtsklarheit. Zudem fordert der Gesetzgeber im BilMoG-RefE - im Gleichschritt zu DRS 4 - nunmehr einen gesonderten Bilanzausweis eines positiven Goodwill aus der Kapitalkonsolidierung, so dass die Möglichkeit einer Verrechnung aktiver und passiver 1728 Unterschiedsbeträge in Zukunft entfällt. Die Stärkung der Informationsfunktion des handelsrechtlichen Konzernabschlusses durch den BilMoG-RefE ist zu begrüßen. Zudem ist positiv zu beurteilen, dass die bisherigen Abweichungen zwischen dem HGB und den DRS abgebaut werden, so dass sich ein positiver Einfluss auf die Rechtsklarheit ergibt.

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1724 1725 1726

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Vgl. Lachnit/Müller 2003, S. 542. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 7 zu § 309 HGB, S. 696. Vgl. zu den Änderungen infolge des IFRS (rev. 2008) Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils. Vgl. DRS 4.8. Dies impliziert, dass das DRSC die Anwendung der Interessenzusammenführungsmethode im handelsrechtlichen Konzernabschluss unter Berücksichtigung der Tatbestandskriterien weiterhin als zulässig ansieht. Vgl. DRS 4.27. Vgl. DRS 12.A5. Vgl. zur Streichung von § 302 Abs. 1 HGB BilMoG-BegrRefE zu Nummer 43 (§ 302 HGB), S. 167 f. Die theoretischen Prämissen zeichnen sich durch eine geringe Verlässlichkeit der Kapitalkonsolidierung aus. Vgl. § 301 Abs. 1 Satz 2 HGB-E. Vgl. § 301 Abs. 3 Satz 1 HGB-E.

Bilanzierung und Erstbewertung

3.

209

Steuerrecht

In Übereinstimmung zum Handelsrecht lehnt die steuerliche Rechtsprechung eine Aktivie1729 rung des originären Goodwill aus Objektivierungsgesichtspunkten ab. Ein Ansatzverbot lässt sich zudem anhand der Negativabgrenzung des § 5 Abs. 2 EStG ableiten. Bezüglich der Behandlung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts bei Unternehmenserwer1730 ben ist auf ein Urteil des Preußischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) aus dem Jahre 1731 1902 hinzuweisen, welches erstmalig die Aktivierung gestattete. RFH-Senatspräsident Becker sprach sich in diesem Kontext für eine Aktivierungspflicht aus, die später durch 1732 den BFH fortgeführt wurde. Eine entsprechende explizite Ansatzvorschrift im Einkommensteuergesetz für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert als „Gesamtwirtschafts1733 1734 gut“ liegt nicht vor. Lediglich in § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG erfolgt der Hinweis, dass die1735 ser innerhalb von fünfzehn Jahren zwingend linear abzuschreiben ist. Eine Begründung für ein entsprechendes Ansatzgebot ist zum einen aus § 5 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG abzuleiten, wonach entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlage1736 vermögens zwingend mit ihren Anschaffungskosten zu bilanzieren sind. Zum anderen 1737 1738 wird auf das Maßgeblichkeitsprinzip abgestellt. Diese Argumentation scheitert jedoch in jenen Fällen, sofern der derivative Geschäfts- oder Firmenwert im Vorwege handels1739 rechtlich als Bilanzierungshilfe klassifiziert wird, da eine steuerrechtliche Ansatzfähig1740 keit derartiger Vermögensposten nicht vorliegt. Zudem kann nur im Falle einer handels-

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Vgl. zu den Grundsatzurteilen („jenes unfaßbare Etwas“) RFH 1930c, S. 290; RFH 1931a, Sp. 1680. Die Sichtweise wurde durch den BFH seither nicht angetastet; vgl. u. a. zur mangelnden Objektivierbarkeit sowie zur Verletzung des Einzelbewertungsgrundsatzes BFH 1971, S. 678; BFH 2002, S. 389. Demnach hält es der BFH infolge „der Unsicherheit der Wertbestimmung“ für unerlässlich, „auf eine objektiv feststellbare Gegenleistung durch den Markt“ zu bestehen. Beide Zitate BFH 1976c, S. 472; vgl. hierzu auch Hommel 1998, S. 238 sowie zur abweichenden Behandlung bei Einbringungsfällen nach dem Umwandlungssteuergesetz und bei „verdeckten Einlagen“ Rux 2005b, S. 8. Dabei können nicht nur „ganze“ Unternehmen, sondern ebenfalls „Teilbetriebe“ einen Geschäfts- oder Firmenwert enthalten. BFH 1986a, S. 455. Vgl. OVG 1902, S. 309 f. Vgl. Becker 1931, S. 1410; hierauf eingehend Schmidt 2007b, S. 69. BFH 1967a, S. 200. Somit folgt der derivative Goodwill einer Gesamtbewertungsbetrachtung. Vgl. zum Goodwill als unbestimmten Rechtsbegriff Flohr 1984, S. 341. Vgl. zur steuerrechtlichen Bewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts ausführlich Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. Vgl. weiterführend Breker 2004, S. 11; Mandler 2004, S. 56; Schulze-Osterloh 1991, S. 288. Becker weist allerdings darauf hin, dass Situationen eintreten können, bei denen ein derivativer Goodwill steuerrechtlich „ausnahmsweise“ nicht bilanziert werden dürfe, sofern der Erwerber „übervorteilt“ wurde. Insofern ist der tatsächlich entrichtete Kaufpreis kein generelles verlässliches Kriterium für die Existenz eines Mehrwerts im Hinblick auf die Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, vgl. Becker 1925, Rn. 55 zu § 13 und daran anknüpfend Piltz 1981, S. 28. Vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG und hierzu im Einzelnen u. a. Arnold 1997, S. 178 sowie für eine Analyse zur Zukunft des Maßgeblichkeitsprinzips Abschn. III.B.3.a) dieses Hauptteils. Allerdings weist ebenfalls der BFH auf die mit der Bilanzierung des derivativen Goodwill verbundenen Objektivierungsdefizite hin, da dieser „Ausdruck der Gewinnchancen eines Unternehmens“ ist, die lediglich „gewährleistet erscheinen“, BFH 2001, S. 772. Vgl. hierzu die Ausführungen zu Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. detailliert Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 1 zu § 269 HGB, S. 250; Breker 2004, S. 10.

210

Zweiter Hauptteil

rechtlichen Ausübung des Aktivierungswahlrechts eine einheitliche Bilanzierung nach Handels- und Steuerrecht erzielt werden, so dass eine Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips festzustellen ist. In der vorliegenden Untersuchung wurde bereits auf die weniger restriktiven abstrakten Ansatzkriterien für das Vorliegen eines steuerrechtlichen Wirtschaftsguts im Vergleich 1741 Da eine selbstständige zum handelsrechtlichen Vermögensgegenstand eingegangen. Bewertbarkeit und keine Verkehrsfähigkeit im Vergleich zum Handelsrecht im Fokus steht, wird der (positive) derivative Geschäfts- oder Firmenwert vom BFH als steuerrecht1742 liches immaterielles Wirtschaftsgut angesehen, welcher einer konkreten Ansatzpflicht unterliegt. Dieser soll nach Einschätzung des BFH generell gemeinsam mit dem Unter1743 nehmen übertragbar und auch einer selbstständigen Bewertung zugänglich sein. Insofern legt die steuerrechtliche Rechtsprechung ebenfalls eine Fiktion wie der handelsrechtliche 1744 Gesetzgeber nach dem BilMoG-RefE zugrunde. Diese Fiktionen negieren den heterogenen Charakter des derivativen Goodwill, der sich - wie vorstehend ausgeführt - aus nicht identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten sowie dem Kapitalisierungsmehrwert 1745 und weiteren Komponenten, die keine Vermögenswerte repräsentieren, zusammen1746 setzt.

4.

IFRS

Das IFRS sehen in Übereinstimmung zum Handels- und Steuerrecht ebenfalls ein Ansatz1747 verbot für den originären Goodwill vor. Demnach fehle es an der Identifizierbarkeit, der 1748 zuverlässigen Bewertbarkeit und der Verfügungsmacht durch das Unternehmen. Die Bilanzierung (und Bewertung) des derivativen Goodwill richtete sich bislang nach dem am 31.03.2004 veröffentlichten IFRS 3. Dieser wurde zwischenzeitlich überarbeitet [IFRS 3

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Vgl. Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. zu dieser Einschätzung bereits BFH 1979a, S. 369. Im Schrifttum wird zum Teil eine gegensätzliche Ansicht vertreten. Die Tatsache, dass der Goodwill beim Unternehmenskauf in bilanzrechtlicher Betrachtung als Saldo oder Differenzbetrag zwischen Ertrags- und Substanzwert in Erscheinung tritt, würde nicht ausreichen, ihm die Eigenschaft eines Wirtschaftsguts zuzusprechen; vgl. zu jener Auffassung u. a. Schneider 1971a, S. 340; Wagner 1980, S. 479 und die Nachweise von Deubner 1971, S. 27 f.; Müller-Dahl 1981, S. 277 f. und Piltz 1981, S. 10 f. Vgl. BFH 1989c, S. 16; BFH 1993b, S. 446 m. w. N. Vgl. zur Einordnung im handelsrechtlichen Jahresabschluss Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Ein sog. „Lästigenzuschlag“ soll allerdings nicht im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert Berücksichtigung finden, sondern steuerlich als Betriebsausgabe behandelt werden; vgl. BFH 1960, S. 509 sowie eine Ausdehnung auf die Zahlung eines „Liebhaberzuschlags“ befürwortend Söffing 1988, S. 596. Vgl. Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils. Müller vergleicht die fragwürdige steuerrechtliche Theorie von der wirtschaftlichen Realität des derivativen Goodwill mit dem „Schaum auf dem Biere“, da zukünftige (unrealisierte) Unternehmenserträge, die sich im Kapitalisierungsmehrwert widerspiegeln, vorweggenommen werden; vgl. Müller 1961, S. 443. Bereits bei der Verabschiedung des IASB Rahmenkonzepts im Jahre 1989 wurden die Objektivierungsdefizite des originären Goodwill implementiert: „although most enterprises generate goodwill internally over time, it is usually difficult to identify or measure that goodwill reliably“; IASB Rahmenkonzept F. 34. Das Ansatzverbot für den originären Goodwill ist in IAS 38.48 kodifiziert. Vgl. weiterführend zur Ansatzfähigkeit I.A.2 dieses Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

211 1749

(rev. 2008)] und am 10.01.2008 durch das IASB verabschiedet. Das FASB hingegen hatte bereits am 04.12.2007 die überarbeitete Fassung von SFAS 141 (rev. 2007) veröffentlicht, der - bis auf einige Ausnahmen - mit der aktualisierten Version von IFRS 3 (rev. 2008) nach Maßgabe des beschlossenen Konvergenzprojekts übereinstimmt. Ein derivativer Goodwill entsteht im Zuge der bilanziellen Behandlung von Unternehmenszusammenschlüssen (Business Combinations), worin bisher eine Zusammenführung von separaten Unternehmen oder Geschäftsbetrieben in ein Bericht erstattendes Unterneh1750 men verstanden wurde. Nach IFRS 3 (rev. 2008) stellen Business Combinations Transaktionen oder Ereignisse dar, bei denen der Erwerber die Kontrolle über ein oder mehrere 1751 Bündel von Aktivitäten oder Vermögenswerte ausübt, die zukünftige Erfolge generieren. 1752 Hierin zeigt sich die Dominanz des Control-Konzepts. Die vor dem 31.03.2004 optionale Anwendung der Interessenzusammenführungsmethode 1753 wurde i. R. d. Abschaffung von IAS 22 durch die Erwerbsmethode ersetzt. Das FASB und das IASB haben im Zuge der Aktualisierung von SFAS 141 (rev. 2007) bzw. IFRS 3 (rev. 2008) eine terminologische Änderung der Bezeichnung Erwerbs- in Akquisitionsme1754 thode vorgenommen. Nach der Erwerbsmethode waren nach der Identifizierung des Er1755 werbers die Kosten des Unternehmenszusammenschlusses zu ermitteln und diese auf die 1756 übernommenen Vermögenswerte und Schulden zu verteilen. Dieser Vorgang beschreibt 1757 die Kaufpreisallokation. Nach der nunmehr anzuwendenden Akquisitionsmethode folgt nach der Identifizierung des Erwerbers die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts und daran

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Der Standard ist für Geschäftsjahre ab dem 01.07.2009 zwingend anzuwenden, eine frühere Befolgung wird empfohlen. Daher stellt die nachfolgende Analyse bereits auf den IFRS 3 (rev. 2008) ab. Vgl. IFRS 3.4 sowie hierzu im Einzelnen Andrejewski/Kühn 2005, S. 222; Hachmeister 2005d, S. 7; Kühne/Schwedler 2005, S. 330; Rohatschek 2006, S. 179; abweichend zur Neudefinition nach USGAAP SFAS 141.A4 (rev. 2007). Vgl. zum Control-Kriterium IFRS 3.A (rev. 2008) in Verbindung mit SFAS 141.3 e. (rev. 2007). Hiermit wird die Möglichkeit verbunden, die Geschäftspolitik des erwerbenden Unternehmens zu bestimmen; vgl. hierzu Kunath 2005, S. 110. Vgl. zu dieser Erkenntnis ebenfalls Beyhs/Wagner 2008, S. 73 sowie grundlegend Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IFRS 3.14 f. Dies impliziert, dass die Kaufpreisallokation aus der Perspektive des Erwerbers unter der Annahme eines Einzelerwerbs sämtlicher identifizierbarer Vermögenswerte und Verbindlichkeiten vorgenommen wird; vgl. hierzu Hachmeister 2005d, S. 11. Vgl. IFRS 3.4 (rev. 2008); SFAS 141.6 (rev. 2007); zu den Änderungen hinsichtlich der Durchführung der Kaufpreisallokation SFAS 141.B80 (rev. 2007). Dabei ist es unerheblich, ob genau ein Erwerber oder mehrere identifiziert werden. Der Anwendungsbereich des IFRS 3 erfährt eine Erweiterung um Unternehmenszusammenschlüsse, bei denen zwei oder mehrere Gegenseitigkeitsunternehmen (Mutual Entities) beteiligt sind sowie bei denen die Kontrollerlangung lediglich auf vertraglicher Basis erfolgt. Liegt der Fall eines True Merger vor, d. h. findet ein Zusammenschluss gleichberechtigter Vertragsparteien statt, ohne dass einer Partei eindeutig die Kontrolle über das Unternehmen hält, ist trotzdem gem. IFRS 3 die Erwerbsmethode anzuwenden. Dies wird in IFRS 3.A (rev. 2008) und SFAS 141.3 e. (rev. 2007) explizit herausgestellt. Vgl. IFRS 3.16. Vgl. grundlegend zur Kaufpreisallokation nach IFRS („Brückenschlag zwischen Bilanzrecht und Unternehmensbewertung“) Beine/Lopatta 2008, S. 451-474; Rohatschek 2006, S. 183 f.; Zelger 2005, S. 99-123 sowie bezogen auf die Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.1.

212

Zweiter Hauptteil

anknüpfend die Bestimmung und Bewertung identifizierbarer Vermögenswerte und Schul1758 den, eines Minderheitenanteils sowie eines positiven und negativen Goodwill. 1759

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Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert als aktivierungspflichtiges „indefinite li1761 ved Asset“ stellte bislang den Unterschiedsbetrag aus den Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses und dem anteiligen saldierten Fair Value der identifizier1762 baren Vermögenswerte, Schulden und Eventualverbindlichkeiten dar. Nunmehr misst 1763 der derivative Goodwill die Summe aus dem Fair Value der „Consideration transferred“ und dem Fair Value bzw. dem Betrag der Minderheitsanteile abzüglich des saldierten Be1764 trags der identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden. Der heterogene Charakter des derivativen Goodwill wird in der Aussage berücksichtigt, wonach dieser eine Zahlung darstellt, die der Erwerber u. a. in der Erwartung künftigen Nutzens aus einem Konglomerat 1765 von immateriellen Vermögenswerten, die nicht einzeln identifizierbar sind, geleistet hat. Eine Klassifizierung als „Intangible“ Assets wird hierbei allerdings ausgespart. Das IASB ist sich der Tatsache bewusst, dass nicht alle Komponenten des derivativen Geschäfts- o1766 der Firmenwerts der Definition eines Vermögenswerts entsprechen. Dies trifft lediglich

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Vgl. IFRS 3.5 (rev. 2008); SFAS 141.7 (rev. 2007). Die bisherige Schlussfolgerung, wonach die Existenz eines Goodwill das Vorliegen eines Geschäftsbetriebs implizierte, erwies sich als Zirkulationsproblem; vgl. hierzu ausführlich Hachmeister 2005d, S. 8. Während IAS 22.19 (1983) noch ein Ansatzwahlrecht für den derivativen Goodwill vorsah, wurde in IAS 22.40 (rev. 1993) erstmalig eine Aktivierungsverpflichtung implementiert; vgl. zu einer überblicksartigen Darstellung Schmidt 2007b, S. 108. Das ausdrückliche Verbot einer (passiven) latenten Steuerabgrenzung sowohl bei der Erst- als auch bei der Folgebewertung bei einer steuerlichen Nichtabsetzbarkeit des Goodwill stellt einen Widerspruch zur Asset-Klassifizierung des IASB dar, der im Schrifttum kritisch gewürdigt wird; vgl. IAS 12.15 a) sowie hierzu Busse von Colbe 2004b, S. I; Knorr 2000, S. 31; weiterführend zur Steuerabgrenzung auf den Goodwill Pawelzik 2006a, S. 13-19; Rohatschek 2006, S. 189 f.; von Eitzen/Dahlke/Kromer 2005, S. 509-513. Zwischenzeitlich plant das IASB allerdings i. R. d. Short Term Convergence Project, das bestehende Einbeziehungsverbot aufzuheben; vgl. hierzu Lienau/Zülch 2006b, S. 265. Vgl. IFRS 3.51 (b). Dabei setzt sich der Goodwill aus dem Kapitalisierungsmehrwert des erworbenen Unternehmens einerseits und aus den Synergieeffekten beim erwerbenden Unternehmen andererseits zusammen; vgl. IFRS 3.B130 a). Demnach wird von „Fair Value of the Going Concern Element of the Acquiree“ gesprochen. Dieser stellt nach Ansicht des IASB u. a. den Core Goodwill dar; vgl. zum Komponentenansatz Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Der Übergang von den Anschaffungskosten zum Fair Value geht mit einer erstmaligen Nichteinbeziehung von Anschaffungsnebenkosten einher; vgl. IFRS 3.53 (rev. 2008). Vgl. IFRS 3.32 (rev. 2008); abweichend SFAS 141.34 (rev. 2007). Bezogen auf den Fair Value legt das FASB bereits die geänderte Definition nach SFAS 157 zugrunde, während das IASB noch der vorangegangenen Fassung folgt; vgl. zum Fair Value-Verständnis im Einzelnen Abschn. III.A.1.a) dieses Hauptteils. Die Situation eines „stufenweisen“ Unternehmenszusammenschlusses wird im Folgenden nicht fokussiert. Vgl. IFRS 3.A (rev. 2008); SFAS 141.3 j. (rev. 2007); weiterführend Kühne/Schwedler 2005, S. 335; Zelger 2005, S. 121. Vgl. ebenfalls Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

213

1767

für den Core Goodwill zu. Da eine Separierung und Quantifizierung der einzelnen Komponenten wenig verlässlich ist, erfolgt ein Gesamtausweis. In diesem Zusammenhang ist erneut auf die Zielsetzung des IASB zu verweisen, die Höhe des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts zu minimieren, weil sein Residualcharakter 1768 die Entscheidungsnützlichkeit des Financial Accounting beeinträchtigt. Diesbezüglich 1769 sind - wie bereits angesprochen - die Anforderungen an separat vom Geschäfts- oder Firmenwert zu bilanzierende immaterielle Vermögenswerte weniger restriktiv ausgefallen. Das IASB unterstellt hierbei, dass das Ansatzkriterium des wahrscheinlichen Nutzenzuflusses bei identifizierbaren Intangible Assets im Zuge von Business Combinations erfüllt ist, unabhängig davon, ob das übernommene Unternehmen seinerseits die jeweiligen Vermö1770 genswerte separat vom Goodwill bilanziert hatte. Dies entspricht der Theorie des sog. Push Down Accounting, wonach die einzelnen Vermögensposten gedanklich in den Abschluss des Akquisitionsobjekts „hinunter gedrückt“ werden und dieser zu diesem Zeit1771 punkt einer Effektivvermögensbilanz gleichkommt. Ein separater Bilanzausweis des derivativen Goodwill von den „sonstigen“ immateriellen Vermögenswerten wird zwar in IAS 1772 1.54 (rev. 2007) nicht gefordert, allerdings in IAS 1.IG6 (rev. 2007) empfohlen. Aus Gründen der Rechtsklarheit und Vergleichbarkeit der Abschlüsse sollte die Ausweisemp1773 fehlung in eine Verpflichtung transformiert werden. 1774

Faktoren, die zu einem überhöhten Kaufpreis (Overpayments) führen, gehen ebenso im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert auf und müssen bilanziert werden. Dabei wäre im Sinne eines entscheidungsrelevanten Financial Accounting eine erfolgswirksame Berücksichtigung zielführender, wenn bereits zum Akquisitionsstichtag ersichtlich ist, dass ein

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Vgl. IFRS 3.BC312-314 (rev. 2008); SFAS 141.B312-314 (rev. 2007); weiterführend Freidank/Velte 2007, S. 769; Pottgießer 2006c, S. 364 sowie Dritter Hauptteil, Abschn. III.A. Vgl. IFRS 3.BC157-160 (rev. 2008); zur Entscheidungsnützlichkeit des Financial Accounting Erster Hauptteil, Abschn. I.A.2. Zum Residualcharakter des derivativen Goodwill äußert sich das IASB in IFRS 3.BC328 (rev. 2008). Vgl. Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IFRS 3.BC130 (rev. 2008); SFAS 141.B173 (rev. 2007); ergänzend Kühne/Schwedler 2005, S. 333; vgl. zu ausgewählten separat zu bilanzierenden Intangible Assets die Ausführungen in Abschn. I.E.1.b) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch Duhr 2006, S. 34. Eine Erwähnung des Push Down Accounting ist bislang (noch) nicht im IFRS-Regelwerk enthalten, wenngleich im Schrifttum dafür plädiert wird, sich durch „organisatorische Gestaltungen“ diesem Verfahren anzunähern; vgl. Hachmeister 2005d, S. 45 und Pellens/ Crasselt/Schremper 2002, S. 123; Wirth 2005a, S. 173 f. Vgl. hierzu auch von Keitz 2007, S. 327. Die durch von Keitz durchgeführte länderspezifische Untersuchung der IFRS-Konzernabschlüsse für das Geschäftsjahr 2005 bzw. 2004/2005 führte zu dem Ergebnis, dass lediglich 35 % der deutschen Unternehmen eine separate Bilanzposition für den derivativen Goodwill getrennt von den sonstigen immateriellen Vermögenswerten vornehmen; vgl. von Keitz 2007, S. 350. Vgl. zum abweichenden Ausweis des derivativen Goodwill im Handelsrecht Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch die Ausführungen in Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils. Zu bemängeln ist in diesem Zusammenhang das inkonsistente Vorgehen des IASB bei der Existenz positiver und negativer Geschäfts- oder Firmenwerte; vgl. zur bilanziellen Berücksichtigung des negativen Goodwill Abschn. I.F.3 dieses Hauptteils.

214

Zweiter Hauptteil

gewisser Aufschlag im Kaufpreis u. a. für lästige Konkurrenten oder abzufindende Gesell1775 schafter entrichtet wurde. 1776

Durch die Verabschiedung von IFRS 3 (rev. 2008) sind weitere wesentliche Modifikati1777 onen zu konstatieren. Hält das erwerbende Mutterunternehmen weniger als 100 % der Stimmrechte, stellt sich die Frage, ob ein quotaler Goodwill im Anteil der tatsächlichen 1778 Beteiligungsverhältnisse - wie nach dem Handelsrecht - oder ein vollständiger Ausweis 1779 des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts (Full Goodwill) zu erfolgen hat. Eine Fundierung erfolgt im angloamerikanischen Schrifttum mittels der Basic Theories of Accoun1780 ting, welche die Zielträger des Financial Accounting in den Vordergrund rückt. Dabei wird vorwiegend auf die Unterscheidung in Einheits- und Interessentheorie nach Bores als 1781 Ausflüsse der Konzernabschlusstheorien abgestellt. Die Interessentheorie (Parent Com1782 pany Theory) fasst den Konzernabschluss als erweiterten Abschluss des Mutterunternehmens unter Berücksichtigung der Minderheitsgesellschafter auf, wobei diese lediglich 1783 einen begrenzten Einfluss auf die Geschäftspolitik des Konzerns ausüben. Ein aus der Konsolidierung resultierender Ansatz eines positiven Geschäfts- oder Firmenwerts war bislang auf den Kaufpreis der Beteiligung des Mutterunternehmens beschränkt. Dieses Vorgehen des Ausweises eines beteiligungsproportionalen derivativen Geschäfts- oder

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Vgl. zu dieser Einschätzung ebenfalls Kühne/Schwedler 2005. Die Standardsetter sind der Ansicht, dass ein überhöhter Kaufpreis bei der Durchführung des ersten Goodwill Impairment Test entsprechend erfolgswirksam berücksichtigt wird; vgl. IFRS 3.BC382 (rev. 2008). Allerdings wäre eine sofortige erfolgswirksame Antizipation am Bewertungsstichtag einer verzögerten Berücksichtigung bei der Folgebewertung theoretisch vorzuziehen. Vgl. die gleichzeitige Verabschiedung von IAS 27 (rev. 2008); eine Verabschiedung des ED IAS 37 (rev. 2005) wird nicht vor 2009 erwartet. Weitere wesentliche Neuerungen, auf die im Folgenden nicht näher eingegangen wird, bestehen in einer Erweiterung der in den Anwendungsbereich fallenden Unternehmenszusammenschlüsse, u. a. bei Gemeinschaftsunternehmen (Mutual Entities) und bei der Bildung von Dual Listed Companies (Business Combinations by Contract alone). Hierunter zählen u. a. Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit; vgl. Andrejewski/Fladung/Kühn 2006, S. 80; Zülch/Fischer 2005, S. 1054 sowie für eine tabellarische Auflistung ausgewählter Änderungen Hayn 2005, S. 429; Hayn/Hayn 2006, S. 75. Vgl. Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. anhand eines Zahlenbeispiels Haaker 2006b, S. 23 f. sowie Hayn 2006, S. 230; Pawelzik 2004, S. 682. Vgl. weitergehend Haller 1994b, S. 106 f. Vgl. Bores 1935, S. 129 f.; hierzu auch die Anmerkungen von Ebeling/Gassmann 2005, S. 109; Hahn 2007a, S. 676 f.; Hendler 2007, S. 249-251; Hendler/Zülch 2005, S. 1155 f. Als weitere Subtheorien sind die Fondstheorie (Fund Theory) und die Managementtheorie (Commander Theory) zu nennen; vgl. Jacobi 2003, S. 31. Die ebenfalls unter die Interessentheorie fallenden Proprietary- und Parent Company ExtensionKonzepte werden im Folgenden nicht thematisiert; vgl. hierzu detailliert Baxter/Spinney 1975, S. 3236; Hayn 2005, S. 431 f.; Hendler 2007, S. 250; Hendler/Zülch 2005, S. 1156. Daher werden die Minderheitsgesellschafter als Fremdkapitalgeber eingestuft, die grds. gegensätzliche Ziele im Vergleich zu den Anteilseignern des Mutterunternehmens verfolgen; vgl. hierzu Haaker 2006d, S. 451 f.; Hendler/Zülch 2005, S. 1155; Hinz 2004, S. 283; Pellens/Neuhaus/Nölte 2005, S. 34.

Bilanzierung und Erstbewertung

215

Firmenwerts (Purchased Goodwill Approach) entstammte der bisherigen Bilanzierungs1784 praxis. 1785

Die Einheitstheorie (Economic Unit- bzw. Entity Theory) hingegen unterstellt, dass der 1786 Konzern- einen gedanklichen Einzelabschluss sämtlicher Eigenkapitalgeber des Kon1787 zerns darstellt („Quasi-Einzelabschluss“ ), wobei eine Interessenkongruenz zwischen den Anteilseignern des Mutterunternehmens und den Minderheitsgesellschaftern der Töchter 1788 unterstellt wird. Dies hat zur Folge, dass das neubewertete Reinvermögen der Töchtergesellschaften unabhängig von ihrem tatsächlichen Beteiligungsbuchwert vollständig im 1789 Konzernabschluss zu berücksichtigen ist (Vollkonsolidierung). Auch ein positiver Goodwill aus der Kapitalkonsolidierung umfasst demnach nicht nur den durch das Konzernunternehmen erworbenen, sondern ebenfalls den auf die Minderheitsgesellschafter ent1790 1791 fallenden Teil (Full Goodwill Approach inklusive der Non Controlling Interests). Während in ED IFRS 3.49 (rev. 2005) noch ein zwingender Bilanzansatz des Full Good1792 will implementiert war, hat das IASB letztlich den zahlreichen kritischen Stellungnahmen aus Theorie und Praxis Rechnung getragen und lediglich ein Unternehmenswahlrecht 1793 implementiert. Das FASB hat sich diesem Vorgehen nicht angeschlossen und führte ein 1794 Ansatzgebot für „Noncontrolling Interests“ bei. Demnach müssen (US-GAAP) bzw. dürfen (IFRS) im Zuge der Kaufpreisallokation die stillen Reserven und Lasten nicht nur in Höhe der Beteiligung, sondern vollständig aufgelöst und angesetzt werden. Die Anschaffungskosten als Obergrenze für die Bilanzierung von Unternehmenszusammenschlüssen sowie das Ansatzverbot für den originären Goodwill werden in diesem Kontext durch-

1784 1785 1786

1787 1788

1789 1790

1791

1792

1793 1794

Vgl. grafisch Küting/Wirth 2007, S. 462. Vgl. ausführlich Lutter/Rimmelspacher 1992, S. 489 f.; Pellens/Neuhaus/Nölte 2005, S. 33. Aufgrund der Interessenharmonie werden die Minderheitsgesellschafter grds. als Eigenkapitalgeber betrachtet; vgl. hierzu (kritisch) Lutter/Rimmelspacher 1992, S. 485; Pellens/Sellhorn/ Amshoff 2005, S. 1749; Wirth 2005a, S. 100-103. Ebeling/Gassmann 2005, S. 109. Vgl. Haaker 2006d, S. 452; Pawelzik 2004, S. 677; Schmidt 2005g, S. 163. Es gilt hierbei die Annahme, dass das Mutterunternehmen die eigenen Interessen gegenüber ihren Töchtergesellschaften durchsetzt; vgl. Bores 1935, S. 136. Vgl. Andrejewski/Fladung/Kühn 2006, S. 82; Hendler 2007, S. 251; Pawelzik 2004, S. 677. Vgl. IFRS 3.32 (a)(ii) (rev. 2008); SFAS 141.34 a.(2) (rev. 2007); des Weiteren Busse von Colbe 2004c, S. 47; Hahn 2007b, S. 409; Pellens/Sellhorn 2003, S. 403. IAS 27.26 a. F. sah lediglich vor, Minderheitsanteile (Minority Interests) gesondert von den Verbindlichkeiten und dem Eigenkapital der Anteilseigner des Mutterunternehmens auszuweisen; vgl. ebenso Brücks/ Richter 2005, S. 408. Vgl. hierzu im Einzelnen auch Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 70; Freidank/Velte 2007, S. 769; Haaker 2006b, S. 22; Hayn 2006, S. 230; Pellens/Sellhorn 2003, S. 403; Pellens/Basche/Sellhorn 2003, S. 1; Pellens/Crasselt/ Ruhwedel 2005, S. 24 sowie zu den Auswirkungen auf ausgewählte Bilanzkennzahlen Erdmann/Wünsch/Meyer 2006, S. 387. Vgl. u. a. Amshoff/Sellhorn 2005, S. 89; Erdmann/Wünsch/Meyer 2006, S. 386; Pellens/Sellhorn/ Amshoff 2005, S. 1750; Lopatta 2006, S. 69. Vgl. IFRS 3.B44 (rev. 2008) sowie hierzu ebenfalls Beyhs/Wagner 2008, S. 81. Vgl. SFAS 141.34 a)(2) (rev. 2007).

216

Zweiter Hauptteil 1795

brochen, da der auf die Minderheitengesellschafter entfallende Geschäfts- oder Firmen1796 1797 wert „nicht wirklich“ entgeltlich erworben wurde. Eine Abhilfe könnte darin bestehen, auch eine Aktivierung des originären Geschäfts- oder 1798 Firmenwerts auf Ebene des Gesamtunternehmens zuzulassen. Dies wurde in der Ver1799 1800 gangenheit u. a. von Hax und Käfer diskutiert. Aus informationstheoretischer Sicht würde eine Aktivierung des originären Goodwill zu einer Stärkung der Entscheidungsrelevanz des Financial Accounting führen und theoretisch einen bilanziellen Ausweis des Zu1801 kunftserfolgswerts möglich erscheinen lassen. Dieses Vorgehen muss aus Verlässlichkeitsgesichtspunkten abgelehnt werden, da eine Substitution der Einzel- durch eine Gesamtbewertung erfolgen würde. Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Analyse ein außerbilanzielles Goodwill Reporting unter Beibehaltung des Ansatzverbots für den o1802 riginären Geschäfts- oder Firmenwert plädiert. Eine handelsrechtliche Übernahme des Full Goodwill Approach ist ebenfalls nicht zu befürworten. Zur Ableitung des Full Goodwill waren nach ED IFRS 3 (rev. 2005) sowohl die direkte als 1803 auch die indirekte Methode vorgesehen. Erstere sollte nicht auf die beizulegenden Zeitwert der Beteiligung, sondern auf den des gesamten Akquisitionsobjekts („Fair Value of 1804 the Acquiree as a whole“ ) abstellen. Nach Abzug des neubewerteten Reinvermögens

1795

1796 1797 1798

1799 1800 1801 1802 1803

1804

Vgl. Hachmeister 2005d, S. 24 f.; Streim et al. 2007, S. 19. Das IASB begründet das Vorgehen mit einer hierdurch resultierenden Erhöhung der Entscheidungsrelevanz der Unternehmensinformationen; vgl. ED IFRS 3.IN7 (rev. 2005) sowie weiterführend Kühne/Schwedler 2005, S. 331; Schmidt 2005g, S. 167; Schwedler 2006, S. 413. Haaker konstatiert, dass die Aktivierung des Minderheiten-Goodwill „nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist“, da angesichts des Mixed Model Accounting und des Aktivierungsverbots für den originären Goodwill kein wesentlicher Abbau der Informationslücke zu erzielen ist, Haaker 2006d, S. 458. Schruff/Haaker 2006, S. 338. Vgl. zur „fiktiven 100 %-Beteiligung“ auch Haaker 2006d, S. 451. Vgl. hierzu auch Bieker 2006, S. 23; Haaker 2007, S. 332; Kaiser 2006, S. 145 f.; Mujkanovic 2002, S. 284 und 336. Vgl. Hax 1964, S. 650. Vgl. Käfer 1976, S. 23 f. Vgl. Mujkanovic 2002, S. 284. Vgl. Abschn. A.3.d) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu u. a. Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 70; Busse von Colbe/Falkenhahn 2005, S. 13 sowie den Erwerb der ProSiebenSat.1 Media AG durch die Axel Springer AG und die bilanziellen Auswirkungen bei der Berücksichtigung von IFRS 3 und ED IFRS 3 (rev. 2005) bei Amshoff/Sellhorn 2005, S. 92. ED IFRS 3.19 und 3.49 (rev. 2005) sowie vgl. hierzu ebenso Freidank/Velte 2007, S. 769; Oser/Bischof/Hettich 2006, S. 2169. Allerdings galt die widerlegbare Vermutung, dass die hingegebene Leistung (=Kaufpreis) als geeigneter Indikator für den Fair Value des erworbenen Unternehmens anzusehen ist; vgl. ED IFRS 3.20 (rev. 2005) sowie ebenfalls Brücks/Richter 2005, S. 409; kritisch Streim et al. 2007, S. 27. Als Vergleichsmaßstab sollten daneben Marktpreise oder beobachtbare Preise vergleichbarer Unternehmen herangezogen werden [Market Approach nach ED IFRS 3.A20 f. (rev. 2005)]. Kommt eine derartige Anwendung nicht in Betracht, sollten anerkannte Verfahren der Unternehmensbewertung (Income Approach) Verwendung finden; vgl. ED IFRS 3.A22 f. (rev. 2005) sowie hierzu im Einzelnen Brücks/Richter 2005, S. 408 f.; Busse von Colbe 2004c, S. 47; Hachmeister 2005d, S. 25. Hierunter fallen u. a. das DCF-Verfahren oder Residualeinkommenskonzepte; vgl. Streim et al. 2007, S. 21.

Bilanzierung und Erstbewertung

217

hätte sich als rechentechnischer Differenzbetrag der Full Goodwill ergeben. In diesem Zusammenhang wurde im Schrifttum kritisch gewürdigt, dass bei der Ermittlung des Gesamt1805 Fair Value originäre Bestandteile des Goodwill Berücksichtigung finden würden und der tatsächlich geleistete Erwerbspreis bestenfalls als Orientierungshilfe dient. Nach der indirekten Methode war eine lineare Hochrechnung bzw. Extrapolation des betei1806 ligungsproportionalen Goodwill in ED IFRS 3 (rev. 2005) vorgesehen. Allerdings hätte bei Anwendung der indirekten Methode eine Kontrollprämie im Goodwill keine Berücksichtigung gefunden, die das Mutterunternehmen für die Ausübung der einheitlichen Lei1807 tung bei der Beteiligungsakquisition zusätzlich vergütet. Durch die Veröffentlichung von IFRS 3 (rev. 2008) wurde die vorstehend genannte Vorgehensweise wiederum modifiziert. Die geplante Konzeption der Ermittlung des Fair Va1808 lue des Akquisitionsobjekts wurde aufgegeben. Der derivative Geschäfts- oder Firmenwert bestimmt sich als Unterschiedsbetrag aus dem Fair Value der gewährten Gegenleis1809 tung für den Erwerb des Nettovermögens und dem des neubewerteten Nettovermögens. Bei einer Optierung zum Fair Value Approach ist zusätzlich der beizulegende Zeitwert des Anteils der nicht kontrollierenden Gesellschafter zu berechnen. Über die angewendete Methode und - sofern der Full Goodwill Approach gewählt wird - über den Fair Value des Minderheiten-Goodwill einschließlich der Bewertungstechnik und der wesentlichen Para1810 meter bei der Fair Value-Schätzung hat das Unternehmen nunmehr zu berichten. Die h. M. geht unter Zugrundelegung der vorstehend genannten Ausführungen von einer sinkenden Verlässlichkeit bei gleichzeitigem Anstieg der Entscheidungsrelevanz der Goodwill-Bilanzierung durch die modifizierten Regelwerke und die damit zusammenhängende optionale (IFRS) bzw. zwingende (US-GAAP) Befolgung des Full Goodwill Appro1811 ach aus. Aus Vereinfachungsgründen wird in den weiteren Ausführungen zur Folgebe-

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Vgl. statt vieler Oser/Bischof/Hettich 2006, S. 2169. In der vorliegenden Untersuchung wird gesondert auf Ermessens- und Gestaltungsspielräume durch die Berücksichtigung originärer Bestandteile des Geschäfts- oder Firmenwerts bei der Durchführung des Impairment Tests eingegangen. Die bei der Ableitung des Full Goodwill existierenden Freiheitsgrade sind ähnlicher Natur; vgl. Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. u. a. Ebeling/Gassmann 2005, S. 113; Siener/Gröner 2005, S. 346. Insofern „besteht weiterhin eine Art Anschaffungskostenprinzip“, Haaker 2006b, S. 23 bzw. eine „pagatorische Obergrenze“, Pellens/Sellhorn/Amshoff 2005, S. 1753. Vgl. zur Kontrollprämie (Control Premium bzw. Overpayment) auch Hahn 2007b, S. 410. Die Entrichtung einer Kontrollprämie stellt in der unternehmerischen Praxis allerdings den Regelfall dar, so dass der Anwendungskreis der indirekten Methode eingeschränkt ist; vgl. Brücks/Richter 2005, S. 409 sowie Richter 2004a, S. 166 f. Vgl. zu den Gründen der geänderten Ermittlungsmethodik IFRS 3.BC330 f. (rev. 2008) sowie hierauf abstellend Küting/Wirth 2007, S. 464. Dieser entspricht im Allgemeinen den Anschaffungskosten der Beteiligung; vgl. Küting/Wirth 2007, S. 462. Vgl. SFAS 141.68 p. (rev. 2007). Vgl. stellvertretend die Kritik einiger IASB-Mitglieder in ED IFRS 3.AV3 f. (rev. 2005) sowie weiterführend Brücks/Richter 2005, S. 410; Hahn 2007b, S. 415 f. Teitler-Feinberg sieht in dem Minderheiten-Goodwill einen Teil des originären Geschäfts- oder Firmenwerts; vgl. Teitler-Feinberg 2003, S. 629.

218

Zweiter Hauptteil

wertung angenommen, dass die in Rede stehende börsennotierte Publikumsgesellschaft 100 % der Stimmrechte an dem Akquisitionsobjekt hält.

5.

Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs als Bestandteile des Goodwill

Die Überlegung zur Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs folgt zum einen der dynamischen Bilanzauffassung von Schmalenbach, wonach eine Periodisierung einmaliger, grds. nicht selbstständig aktivierungsfähiger Aus1812 gaben gestattet ist. Zum anderen lässt sich eine bilanzielle Berücksichtigung ebenfalls wie eingangs ausgeführt - mit der organischen Accounting Theory nach Schmidt vereinba1813 1814 ren. Dabei können jene Aufwendungen wesentlich zur zukünftigen Schaffung und Stärkung betrieblicher Werttreiber beitragen, die mangels Abgrenzbarkeit im originären 1815 Goodwill aufgehen. Die Erkenntnis, wonach Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs Bestandteile des Goodwill darstellen, zeigt sich aus handelsrechtlicher Sicht darin, dass die übernommenen Posten bei einem Unternehmenserwerb nicht separat aktiviert werden dürfen, sondern im derivativen Geschäfts- oder Firmenwert 1816 des erwerbenden Unternehmens aufgehen müssen. Die betreffenden Aufwendungen stellen, „soweit sie nicht bilanzierungsfähig sind“, de le1817 ge lata eine Bilanzierungshilfe und keinen immateriellen Vermögensgegenstand dar. Eine Legaldefinition oder eine abschließende Aufzählung, was unter derartigen Aufwendungen zu verstehen ist, unterbleibt. Als Beispiele für Ingangsetzungsaufwendungen lassen sich Investitionen in die Personalauswahl und -schulung, in den Aufbau von Beschaffungsund Absatzwegen, Marktstudien oder Aufwendungen für Organisationsberatung anfüh1818 1819 ren. Erweiterungsaufwendungen können u. a. für spezielle Produktprogramme, die

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1816 1817

1818

Vgl. Beater 2001, Rn. 1 zu § 269 HGB, S. 333; Selchert 1986, S. 980 sowie hierzu Kudert 1992, S. 437 f.; Lindheim/Lindheim 1986, S. 2346; Ordelheide/Hartle 1986, S. 15 sowie grundlegend zur dynamischen Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.3. Bertl konstatiert eine „Überbetonung des Realisationsprinzips“, Bertl 2006, S. 124. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1. Den in Rede stehenden Aufwendungen muss allerdings nicht zwingend ein zukünftig verwirklichendes Ertrags- oder Nutzenpotenzial innewohnen; vgl. Beater 2001, Rn. 3 zu § 269 HGB, S. 334. Vgl. Baetge/von Keitz 2006, Rn. 54 zu IAS 38, S. 27; Schmidt 2002b, S. 140 f.; Schmidt 2007b, S. 60; sowie Schreiber 2005e, S. 459. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 269 zu § 255 HGB, S. 420. Vgl. § 269 Abs. 1 HGB; zur „Billigkeitsmaßnahme“ des Gesetzgebers u. a. Commandeur 1986, S. 23; Hüttemann 2002, Rn. 3 zu § 269 HGB, S. 721; Veit 1984, S. 65 und die grafische Übersicht zur Klassifizierung von Bilanzierungshilfen bei Veit 1992a, S. 102. Bereits das ROHG hatte den Betriebsingangsetzungsaufwendungen eine Vermögensgegenstandseigenschaft abgesprochen; vgl. ROHG 1876, S. 207. Während mit der Aktienrechtsnovelle 1884 in Art. 185 a Nr. 4 AktG a. F. erstmalig ein Aktivierungsverbot für Organisations- und Verwaltungskosten implementiert wurde, erfolgte mit der Aktienrechtsreform 1937 eine wesentliche Änderung im Hinblick auf die Einfügung eines Ansatzwahlrechts für Betriebseinrichtungskosten (§ 133 Nr. 4 Satz 2 AktG a. F.); vgl. ebenfalls Schmidt 2007b, S. 66. Vgl. u. a. die Anmerkungen von Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 12 zu § 269 HGB, S. 254 f.; Hüttemann 2002, Rn. 9 zu § 269 HGB, S. 723; Köhler 1996, S. 256.

Bilanzierung und Erstbewertung

219 1820

Erschließung neuer Absatzmärkte oder Kapazitätserweiterungen anfallen. Zur Sicherstellung der Verlässlichkeit des Financial Accounting und zur Wahrung des Vorsichtsprinzips fordert der handelsrechtliche Gesetzgeber, die Entwicklung des Postens im Anlage1821 spiegel sowie im Anhang zu erläutern und eine Abschreibung zu mind. 25 % pauschal 1822 ab dem folgenden Geschäftsjahr vorzunehmen. Ferner wird in Höhe des aktivierten Be1823 trags eine gesetzliche Ausschüttungssperre errichtet, die auf den Überlegungen der organischen Accounting Theory nach Schmidt beruht, wonach - wie vorstehend ausgeführt unter besonderer Berücksichtigung des institutionellen Gläubigerschutzes eine Ausschüt1824 tung von „Scheingewinnen“ unterbleibt. Der Verpflichtung, bei Inanspruchnahme der Bilanzierungshilfe einen handelsrechtlichen Ausweis als ersten Posten vor dem Anlagevermögen vorzunehmen, wird im Schrifttum ei1825 ne Warnfunktion zugesprochen. Demnach ist zu unterstellen, dass eine Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs im Allgemeinen für die Adressaten des Financial Accounting mit einem negativen Signalling verbunden 1826 sein kann. Sollte das betreffende Unternehmen von der Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen Gebrauch machen, um das Periodenergebnis kurzfristig zu steigern, liegt c. p. der begründete Verdacht vor, dass nachhaltige Schwächen im finanzwirtschaftlichen Bereich vorliegen und diese durch die Inanspruchnahme der Bilan1827 zierungshilfe kompensiert werden sollen. Allerdings verdeutlichte die jüngere empirische Untersuchung von Köhler, Marten und Schlereth, dass noch ca. 39,1 % der befragten

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1827

Ein Ansatz von Erweiterungsaufwendungen ist seit Inkrafttreten des BiRiLiG zulässig; vgl. stellvertretend Köhler 1996, S. 255; Richter 1990b, S. 43; Veit 1984, S. 65. Die Vierte EG-Richtlinie sieht ein Mitgliedstaatenwahlrecht zur Aktivierung von Aufwendungen für die Errichtung und Erweiterung des Unternehmens vor; vgl. Art. 9 Aktiva B in Verbindung mit Art. 34 Vierte EG-Richtlinie sowie hierzu ebenfalls Kudert 1992, S. 437; Richter 1990b, S. 42. Vgl. die Auflistung von Köhler 1996, S. 256. Der Begriff ist im Zweifelsfall eng auszulegen; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 15 zu § 269 HGB, S. 256. Vgl. § 269 Satz 1 2. Halbsatz HGB sowie hierzu auch Wotschofsky/Topp 2004, S. 386. Hierbei sind Angaben für die Art der aktivierten Aufwendungen und Bezug zur Ingangsetzungs- und Erweiterungstätigkeit erforderlich, wobei konkrete Nennungen unterbleiben können; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 20 zu § 269 HGB, S. 259. Vgl. zur Abschreibung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen auch detailliert Hüttemann 2002, Rn. 1-10 zu § 282 HGB, S. 840 f. Vgl. § 269 Satz 2 HGB. Vgl. grundlegend zur organischen Ausprägung der Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1. Die Bildung einer besonderen Gewinnrücklage wird jedoch nicht gefordert; vgl. Hüttemann 2002, Rn. 17 zu § 269 HGB, S. 725 f.; vgl. zur Beurteilung einer Einhaltung der o. g. institutionellen Elemente des Gläubigerschutzes bei einer Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen durch den Abschlussprüfer Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.3. Vgl. zum „Verlustvermeidungsinstrument“ Köhler 1996, S. 254 und zur „Manipulationsgefahr“ Veit 1984, S. 66 m. w. N. Vgl. Littkemann 1994, S. 213 sowie zur Signalling-Theory die Ausführungen in Abschn. I.B.1 des Ersten Hauptteils. Vgl. Littkemann 1994, S. 213; Veit 1995, S. 2130.

220

Zweiter Hauptteil

Unternehmen von einer Aktivierung derartiger Aufwendungen anstelle einer aufwandsmä1828 ßigen Verbuchung Gebrauch machen. Der BilMoG-RefE sieht eine Streichung von § 269 HGB und damit ein Aktivierungsverbot 1829 für Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs vor. Damit lässt sich - wie noch zu zeigen ist - ein Gleichschritt zu den steuerrechtlichen Vorschriften und zu den IFRS erzielen. Zugleich kann durch die Abschaffung der Bilanzierungshilfe vordergründig die Rechnungslegungspolitik eingeschränkt werden, welches sich auch po1830 sitiv auf die Abschlussprüfung auswirken könnte. Unverständlicherweise begründet der nationale Gesetzgeber die vorgesehene Abschaffung jener Bilanzierungshilfe im BilMoGRefE nicht explizit mit den weitreichenden Abgrenzungsproblemen zu nicht aktivierungsfähigen Gründungsaufwendungen oder Aufwendungen zur Eigenkapitalbeschaffung sowie 1831 für den laufenden Geschäftsbetrieb. Vielmehr erfolgt der Hinweis, dass künftig die Vermeidung der Überschuldungssituation in der Gründungsphase durch die zwingende Akti1832 vierung selbst geschaffener immaterieller Anlagegüter „besser“ erreicht werden kann. Diese Argumentation überzeugt nicht, da die Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen dem originären Goodwill subsumiert werden, der auch nach dem BilMoG-RefE keiner bilanziellen Erfassung zugänglich ist. Zudem ist der Entwicklungsphase - wie vorstehend bereits angedeutet - ein langwieriger Forschungszeitraum vorangestellt, dessen Aufwendungen auch zukünftig keiner bilanziellen Erfassung zugänglich sind. Vor diesem Hintergrund ist nicht sichergestellt, dass Unternehmen generell bei ihrer Ingangsetzung die Forschungsphase eines Produkts bereits überwunden haben. In einer Gesamtschau ist dem handelsrechtlichen Reformvorschlag zuzustimmen, da das bestehende Ansatzwahlrecht aufgrund des herausgehobenen Bilanzausweises im Rahmen der externen Analyse des Financial Accounting als „wirtschaftliche Schwäche“ des Unternehmens bewertet werden kann und die Zielsetzungen der Investor Relations-Politik kon1833 terkariert. Eine steuerlich zulässige Aktivierung von Ingangsetzungs- und Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs würde voraussetzen, dass durch sie ein Wirtschaftsgut geschaf1834 fen wird, was die h. M. allerdings verneint. Der Nutzen derartiger Aufwendungen ist 1835 durch eine mangelnde Konkretisierung gekennzeichnet, weil die einzelnen Komponenten des § 269 HGB vom Gesetzgeber nicht eindeutig abgegrenzt werden. Angesichts der Tatsache, dass Bilanzierungshilfen keine steuerliche Berücksichtigung finden, leitet sich

1828 1829 1830 1831 1832 1833

1834

1835

Vgl. Köhler/Marten/Schlereth 2007, S. 2730. Vgl. hierzu auch BilMoG-BegrRefE zu Nummer 22 (§ 269 HGB), S. 133 f. Vgl. weiterführend Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.3. Vgl. hierzu im Einzelnen Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.3. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 22 (§ 269 HGB), S. 133. Vgl. zur Vertrauensstärkung durch die Investor Relations-Politik Abschn. II.C.3 des Ersten Hauptteils. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 1 zu § 269 HGB, S. 250; Buchholz/Weis 2002, S. 516; Commandeur 2003a, Rn. 60 zu § 269 HGB, S. 19; Jacobs 2002, Sp. 2506; Köhler 1996, S. 254; Mandler 2004, S. 54. Vgl. zur abstrakten Ansatzfähigkeit im Steuerrecht Abschn. I.A.1 dieses Hauptteils.

Bilanzierung und Erstbewertung

221

nach Einschätzung des BFH ein Aktivierungsverbot für sämtliche Ingangsetzungs- und 1836 Erweiterungsaufwendungen des Geschäftsbetriebs ab. Die sofortige Erfassung als Betriebsausgaben führt häufig dazu, dass in der Steuerbilanz während der Anlauf- und Erweiterungsphase des Unternehmens ein Verlust entsteht und im Vergleich zur Handelsbilanz 1837 ein temporärer Steuerentlastungseffekt zu konstatieren ist, sofern eine Aktivierung erfolgt. Das IFRS-Regelwerk schließt in IASB Rahmenkonzept F. 53-59 die Asset-Eigenschaft für Gründungs- und Anlaufkosten (Start up Costs) aus, welche mit den handelsrechtlichen In1838 gangsetzungsaufwendungen vergleichbar sind, da diese insbesondere das geforderte Kriterium der Identifizierbarkeit nicht erfüllen und ergo im nicht ansatzfähigen originären 1839 Goodwill aufgehen. Bilanzierungshilfen sind in Abgrenzung zum bisherigen Handelsund in Übereinstimmung zum Steuerrecht und BilMoG-RefE in der IFRSRechnungslegung nicht existent, weil ihre Inanspruchnahme zu einer wesentlichen (negativen) Beeinflussung der Informationsfunktion des Abschlusses führt und die Interessen 1840 der Anspruchsgruppen gefährdet. Zur Klarstellung erfolgt in IAS 38.69 (a) die Kodifizierung eines Ansatzverbots für jegliche Art von Start up Costs, das sich ebenfalls auf den 1841 Bereich der Erweiterungsaufwendungen erstreckt. Dies gilt u. a. für Aufwendungen zur Eröffnung neuer Produktionsstätten oder Unternehmensteile, zur Einführung neuer Produkte oder Prozesse, Mitarbeiterschulungen, Werbung und Verkaufsförderungsmaßnahmen sowie zur Reorganisation oder Standortverlagerungen und sonstige Aufwendungen. Auch diese genannten Posten sind dem originären Goodwill subsumiert.

F.

Negativer Goodwill (Badwill und Lucky Buy)

1.

Ursachen und Bedeutung

Das Phänomen eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts wurde in der Vergangenheit 1842 im Schrifttum tendenziell unterrepräsentiert behandelt. Dies scheint auf den ersten Blick 1836

1837 1838 1839 1840 1841 1842

Vgl. BFH 1954, S. 109. Eine abweichende Auffassung vertrat der RFH-Senatspräsident Becker, der eine Aktivierung besonderer Ausgaben zum Aufbau oder zur Erweiterung eines originären Goodwill befürwortete; vgl. Becker 1931, Sp. 1413-1418; hierauf abstellend Schmidt 2007b, S. 68. Zudem hatte der RFH in einigen nachfolgenden Urteilen eine Aktivierung von außerordentlichen Werbeaufwendungen zur Kundenkreiserweiterung nicht nur stattgegeben, sondern sogar eine Einbeziehung gefordert; vgl. RFH 1934, Sp. 1604. Dieser erfährt jedoch durch die latente Steuerabgrenzung gem. § 274 HGB eine Minderung. Vgl. hierzu auch Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 77 zu Abschn. 8, S. 40. Vgl. Dechant 2004, S. 1507 sowie zur Identifizierbarkeit nach IFRS Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. Pottgießer 2006c, S. 366 f.; Steiner/Gross 2004, S. 558; Zwirner/Boecker/Reuter 2004, S. 219. Vgl. weiterführend Grund 2005, S. 108; Schreiber 2005e, S. 459; Streim/Esser 2003a, S. 738. Im Gegensatz zu den Forschungsschwerpunkten zum positiven Geschäfts- oder Firmenwert (Handelsund Steuerrecht, IFRS und US-GAAP) existieren bis dato lediglich zwei Monografien, die sich mit der Thematik des negativen Goodwill auseinander setzen. Dies sind zum einen die auf das deutsche Handels- und Steuerrecht fokussierte Analyse von Gießler und die an IFRS 3 angelehnte Monografie von Qin; vgl. Gießler 1996b sowie Qin 2005. Die Unterrepräsentanz der Stellungnahmen zum negativen Goodwill lässt sich u. a. darauf zurückführen, dass nach h. M. deren Ursache „kaum in ihrer Existenz nachweisbar und ökonomisch sinnvoll begründbar ist“, Mujkanovic 2001, S. 817 sowie hierzu ebenfalls Hommel 2001b, S. 804.

222

Zweiter Hauptteil

verständlich, weil nach dem Handels- und Steuerrecht (im Jahresabschluss) dieser Sach1843 verhalt keine explizite gesetzliche Erwähnung findet. Aus diesem Grund ist ein separater Bilanzansatz, auf den im Folgenden abgestellt wird, im HGB-Jahresabschluss sowie in der 1844 Steuerbilanz weiterhin als strittig zu bewerten. Der negative Goodwill stellt allgemein einen Minderwert dar, der einem Unternehmen unter dem Wert der Summe der Wirtschaftsgüter zu Eigen ist, d. h. dieser verkörpert zukünftige Verluste oder Gewinne unter1845 Infolgedessen, dass der (Steuer-) halb der Normalverzinsung („Untergewinne“). Gesetzgeber auf Einzelabschlussebene keine Regelung zur bilanziellen Behandlung eines negativen Goodwill vorgibt, könnte die Vermutung entstehen, dieser Thematik sei lediglich eine unwesentliche praktische Bedeutung beizumessen. Dieser Ansicht ist jedoch zu widersprechen, da zumindest ein derivativer negativer Geschäfts- oder Firmenwert eine erhebliche praktische Relevanz besitzt. Die Verabschiedung von IFRS 3 ist - vergleichbar mit den Ausführungen zum positiven Geschäfts- oder Firmenwert - ebenso mit einem tief greifenden Wechsel bei der bilanziellen Berücksichtigung eines negativen Goodwill verbunden und wird daher in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls gesondert themati1846 siert. 1847

Das theoretische Konstrukt eines originären negativen Goodwill wird aus ökonomischen Gründen ausgeklammert. Eine am Shareholder Value-Prinzip orientierte Unternehmenspolitik geht mit der Vermeidung eines negativen originären Goodwill einher, da dieses Ver1848 halten eine Strategie der Wertvernichtung implizieren würde. Ein negativer derivativer Geschäfts- oder Firmenwert entsteht, wenn ein Unternehmen zu 1849 einem unter dem Substanzwert liegenden Kaufpreis veräußert wird. Im Schrifttum erfolgt bezüglich seiner ökonomischen Interpretation eine Unterteilung in einen Badwill und 1850 1851 1852 einen Lucky Buy („Glückskauf“) . Letzterer resultiert aus dem Verhandlungsgewinn

1843

1844

1845 1846 1847 1848

1849

1850

Die Normierungen in § 255 Abs. 4 HGB sowie § 7 Abs. 1 EStG unterstellen jeweils einen positiven Geschäfts- oder Firmenwert; vgl. ebenfalls Bachem 1993a, S. 967; Ernsting 1998, S. 416; Siegel/Bareis 1993, S. 1477; Siegel/Bareis 1994, S. 317. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Liquidationswert die Untergrenze des Unternehmenswerts bildet und die Existenz eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts zu verneinen ist; vgl. Möhrle 1999a, S. 1417; Siegel/Bareis 1993, S. 1479; vgl. bereits die zögerlichen Ausführungen der Steuerreformkommission 1971, S. 489 f. Im Schrifttum wird konstatiert, dass sich das Auftreten negativer Geschäfts- oder Firmenwert auf Ausnahmesituationen beschränkt; vgl. etwa Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 294 zu § 255 HGB, S. 427. Vgl. Piltz 1981, S. 30 sowie weiterführend Pickhardt 1997, S. 1096. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.F.3 dieses Hauptteils. Vgl. auf jenes Konstrukt eingehend Schmidt 2002b, S. 158 f. Vgl. ausführlich zur monistischen Zielsetzung einer Steigerung des Investorvermögens Erster Hauptteil, Abschn. II.C.1. Denkbar sind Situationen, in denen das Management von der Konkurrenz beauftragt wird, eine Strategie der Wertvernichtung zu betreiben, um den Preis für eine mögliche künftige „feindliche Übernahme“ zu minimieren. Allerdings wird i. R. d. Analyse eine Kopplung zwischen Unternehmenswertsteigerung und Managementvergütung (Anreizsystem) unterstellt, so dass die vorstehend genannten Handlungen als unwahrscheinlich gedeutet werden können; vgl. grundlegend Erster Hauptteil, Abschn. I.B.1. Vgl. zur Definition und zu den Inhalten des Substanzwerts die Ausführungen zum positiven Goodwill in Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. Hoffmann 1994, S. 1763, der den Begriff „Reibach“ verwendet.

Bilanzierung und Erstbewertung

223

bzw. besonderen -geschick des Erwerbers, der zukünftige finanzielle Vorteile hinsichtlich 1853 des Akquisitionsobjekts antizipiert. Dabei gilt die Annahme, dass das Prinzip der Unter1854 nehmensfortführung erfüllt ist. Der potenzielle Erwerber wird somit von der Annahme geleitet, die übergehenden Vermögensgüter in Zukunft gewinnbringend zu nutzen, so dass 1855 ggf. ein positiver originärer Goodwill entsteht. Aus den vorstehend genannten Gründen besitzt der Lucky Buy eigenkapitalähnlichen Charakter. Ein Badwill liegt hingegen vor, wenn aus dem Unternehmenserwerb künftige konkretisierte negative Erfolgsbeiträge (Verluste), unzureichende Rentabilitäten, eine mangelnde Or1856 ganisation und Erfahrung zu erwarten sind. Als weitere Ursachen für die Existenz eines Badwill gelten u. a. drohende Sanierungs- und umfassende Restrukturierungsaufwendun1857 gen sowie ein unvermeidbarer, aber noch nicht beschlossener Personalabbau. Diese negative Differenz zwischen Kaufpreis und Substanzwert des Unternehmens ist als „Zuschuss zur Verbesserung der Ertragslage oder als Dispositionsreserve für Folgeperio1858 den“ anzusehen und besitzt daher fremdkapitalähnlichen Charakter. Ein negativer Geschäfts- oder Firmenwert ist vor allen Dingen in Zeiten rückläufiger wirtschaftlicher Konjunktur oder in krisenbehafteten Unternehmensbranchen (u. a. im Steinkohlebergbau) bzw. in bestimmten Regionen von praktischer Bedeutung. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Planwirtschaft in den neuen Bundesländern wurde die deutsche Treuhandanstalt in den Jahren nach der Wiedervereinigung mit dem Verkauf der ehemals volkseigenen Betriebe betraut. Oftmals wurden marode Unternehmen lediglich zu einem „Symbolpreis“ von 1 DM veräußert, da die notwendigen Instandhaltungs- und Sanierungsaufwendungen bereits in den Kaufverhandlungen Berücksichtigung fanden und dementsprechend den Kaufpreis so weit minderten, dass der Substanzwert unterschritten 1859 wurde. Ein ähnliches Akquisitionsverhalten konnte nach dem Zusammenbruch der New Economy zu Beginn des 21. Jahrhunderts beobachtet werden. Durch hohe Verkäufe von 1851 1852

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1854

1855

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1857 1858 1859

Vgl. zu weiteren Entstehungsursachen Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 673. Vgl. hierzu auch Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 673; Wagner 1980, S. 479. Siegel spricht in diesem Zusammenhang vom „Ergebnis guter Verhandlungen“, Siegel 1995, S. 390. Pickhardt weist allerdings darauf hin, dass der Verkäufer auch aufgrund einer Zwangslage dazu genötigt werden kann, das Unternehmen „unter Wert“ zu veräußern; vgl. Pickhardt 1997, S. 1096 sowie bereits Greve 1976, S. 1252. Vgl. Hofians 2006, S. 154. Dies impliziert, dass der Erwerber einen geringeren Geldbetrag für das Unternehmen entrichtet, als dieser maximal bereit gewesen ist zu zahlen; vgl. zustimmend Möhrle 1999a, S. 1415; Möhrle 1999b, S. 36; Siegel 1995, S. 390. Breidert weist darauf hin, dass ein „gut gehender Betrieb unter Wert“ veräußert wird. Breidert 1994, S. 198; vgl. grundlegend zum Stellenwert des Grundsatzes der Unternehmensfortführung im Handelsrecht Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 23 zu § 252 HGB, S. 33 f. Vgl. Ballwieser 2001d, Rn. 9 zu § 309 HGB, S. 991. Dabei muss ausgeschlossen sein, dass der künftige Vorteil nicht durch latente Verbindlichkeiten überkompensiert wird; vgl. Hartung 1997, S. 241; Möhrle 1999a, S. 1415. Vgl. auch Rux 2005b, S. 3 und grundlegend Bachem 1993a, S. 969; Heurung 1995, S. 385; Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 673; Qin 2005, S. 2. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 67 zu § 309 HGB, S. 710. Baetge 1997a, S. 357. Vgl. Kleindiek 2002, Rn. 52 zu § 255 HGB, S. 563; Qin 2005, S. 2 und des Weiteren Ernsting 1998, S. 405; Gießler 1996a, S. 1759; Gießler 1996b, S. 55 f.

224

Zweiter Hauptteil

Aktienpaketen ist der Börsenwert vieler Unternehmen kurzfristig ebenfalls erheblich gesunken. Für das Management von Unternehmen, die eine Zielsetzung des externen Wachstums verfolgten, hat sich vielfach eine lukrative Gelegenheit geboten, stark unterbewertete, aber dennoch zukunftsfähige Gesellschaften kostengünstig zu erwerben. Der vorangegangene Abschnitt machte deutlich, dass der bilanzielle Charakter des positiven Geschäfts- oder Firmenwerts im Schrifttum im handelsrechtlichen Jahresabschluss 1860 strittig ist. Dies trifft in noch höherem Maße - wie vorstehend angeführt - für den nega1861 tiven Goodwill zu. Neben der h. M., die sich für eine Abstockung der Vermögens- bzw. 1862 1863 Aufstockung der Schuldposten ausspricht, wird daneben eine Passivierung ohne vor1864 herige Abstockung und ggf. eine (spätere) Ertragsvereinnahmung diskutiert. Es empfiehlt sich - im Gegensatz zum positiven Goodwill - eine zusammenhängende Darstellung der Jahres- und Konzernabschlussvorschriften sowie der handels- und steuerrechtlichen Regelungen.

2.

Handels- und Steuerrecht

Angesichts der Tatsache, dass die Vereinbarung eines Minderkaufpreises im Regelfall auf 1865 eine Überbewertung der Aktiva des übernommenen Unternehmens zurückzuführen ist, lehnt die h. M. einen separaten Ansatz auf der Passivseite der Bilanz oder eine sofortige er1866 folgswirksame Behandlung des negativen Unterschiedsbetrags ab. Ein Ansatz des negativen Goodwill in der Ausprägung eines Badwill widerspricht mithin dem Anschaffungs1867 kostenprinzip . Hinsichtlich der Abstockung bedarf es einer Entscheidung, ob lediglich 1868 1869 die langlebigen Vermögensposten, d. h. das Anlagevermögen, oder sämtliche Aktiva 1870 einbezogen werden sollen. Der BFH fordert - mit Ausnahme des Bargeldbestands und 1860 1861 1862

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1864

1865 1866

1867 1868 1869

1870

Vgl. Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. § 255 Abs. 4 HGB und § 7 Abs. 1 EStG, die lediglich auf den positiven Goodwill abstellen. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 294 f. zu § 255 HGB, S. 428. Eine Aufstockung der Passivposten wird als i. d. R. nicht mit den GoB vereinbar angesehen; vgl. hierzu u. a. Gießler 1996a, S. 1759; Gießler 1996b, S. 105; Groh 1994, S. 825; Siegel/Bareis 1993, S. 1477; Söffing 1988, S. 596 sowie bereits Brauns 1928, S. 67, der die damalige h. M. wiedergibt, wonach es sich weitgehend „erübrige, auf den Geschäftsminderwert näher einzugehen, da dieser eine zum mindesten anormale Erscheinung darstellt.“ Vgl. zustimmend zur Aufstockungslösung jedoch Schuhmann 1999, S. 209. „Die Passiva stellen Nebenleistungen der Unternehmung dar. Entweder ist sie bei diesen Posten mit einer Leistung […] im Rückstande, oder sie ist mit dem Aufwande in Vorschuß“, Schmalenbach 1925, S. 93. „Auch die Notwendigkeit, die Unternehmung auf ihren vollen Wertstand zu bringen, stellt eine Nachleistungsnotwendigkeit dar, die folglich durch einen besonderen Passivposten - unser Geschäftsminderwertkonto - ihren bilanzmäßigen Ausdruck finden muß“, Brauns 1928, S. 72. Vgl. grds. zustimmend Breidert 1994, S. 198; Pusecker/Schruff 1996, S. 736 sowie ablehnend Möhrle 1999a, S. 1418. Vgl. Mujkanovic 1994b, S. 523; Schuhmann 1997, S. 130. Vgl. diese Auffassung teilend Groh 1994, S. 826; Küppers 1986, S. 1636; Maas 1976, S. 554; Ossadnik 1994, S. 749; Schuhmann 1997, S. 128, Siegel/Bareis 1993, S. 1479; Siegel/Bareis 1994, S. 322. Vgl. § 253 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Vgl. zu dieser Einschätzung bereits RFH 1938, S. 640. Vgl. noch zustimmend für eine Abstockung sämtlicher Aktiva FG Düsseldorf 1963, S. 320 und BFH 1973b, S. 51; BFH 1974, S. 417; BFH 1981, S. 731. Vgl. u. a. Maas 1976, S. 554; Söffing 1988, S. 596.

Bilanzierung und Erstbewertung

225

der Bankguthaben - eine Abstockung der Buchwerte sämtlicher Aktiva im Verhältnis ihrer 1871 jeweiligen Teilwerte. Allerdings ergeben sich für die „Abstockungslösung“ dann Schwierigkeiten, wenn der negative Unterschiedsbetrag höher als die abstockbaren Ver1872 mögensgegenstände oder Wirtschaftsgüter ausfällt. 1873

In dem BFH-Urteil vom 21.04.1994 wurde der Frage nachgegangen, wie ein - nach Ab1874 stockung der Aktiva - verbleibender Restbetrag zu behandeln ist. Der BFH sah im Einzelfall einen Bilanzansatz als „passivischen Ausgleichsposten“, der gegen spätere Verlustanteile sowie spätestens bei Beendigung der Unternehmensbeteiligung erfolgswirksam auf1875 zulösen ist, als zielführende Lösung an. Eine nähere Konkretisierung der Terminologie 1876 des „Ausgleichspostens“ unterblieb. Allerdings wies die höchstrichterliche Rechtsprechung zugleich darauf hin, dass der Passivierung eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts im Allgemeinen nicht gefolgt werden kann, weil lediglich in konkreten Ausnahmefällen, d. h. bei einem bei Abstockung der Aktiva verbleibenden Differenzbetrag, ein der1877 artiger Ausweis in Betracht zu ziehen ist. Eine abweichende Sichtweise vertrat der BFH in jüngerer Zeit, sofern bei einem Unternehmenserwerb eine Zuzahlung des Verkäufers ge1878 leistet wird („negativer Kaufpreis“). In dem betrachteten BFH-Urteil vom 26.04.2006 wurde der Bildung eines passiven Ausgleichspostens in Höhe der Zuzahlung ohne vorherige Abstockung der Aktiva zugestimmt, wenngleich wiederum der Einzelfallcharakter der 1879 Entscheidung verdeutlicht wurde. Neben der Bildung eines Ausgleichspostens auf der Passivseite diskutiert das Schrifttum ebenfalls einen Ansatz als negativen Geschäfts- oder Firmenwert unter jener Bezeichnung ohne eine vorherige Abstockung. Ein wesentliches Argument stellt die Befolgung der Ge1880 neralnorm des True and Fair View dar. Lediglich ein separater Ansatz des negativen Geschäfts- oder Firmenwerts auf der Passivseite der Bilanz würde der Informationsfunktion 1871

1872 1873

1874

1875

1876 1877

1878

1879 1880

Vgl. BFH 1996a, S. 180 sowie hierzu auch Hofians 2006, S. 154; zur Teilwertkonzeption ebenfalls Abschn. II.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. auch Gießler 1996b, S. 81, der sich gegen eine Abstockung ausspricht. Vgl. BFH 1994, S. 745 und hierzu im Einzelnen u. a. Ernsting 1998, S. 406; Gießler 1995, S. 699 und Gießler 1996a, S. 1762; Heurung 1995, S. 385; Ossadnik 1995a, S. 1527. Vgl. zur Passivierung eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts bereits RFH 1924, S. 7 und RFH 1930a, S. 254 sowie weiterführend Auler 1927, S. 843; Brauns 1928, S. 68. Vgl. hierzu auch FG Niedersachsen 1991, S. 15, das eine Passivierung befürwortet, um „den wirtschaftlichen Gegebenheiten gerecht zu werden“ sowie ablehnend Heurung 1995, S. 385; Ossadnik 1994, S. 748; Siegel/Bareis 1993, S. 1482. Zustimmend zu einer Passivierung nach erfolgter Abstockung äußern sich u. a. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 295 zu § 255 HGB, S. 428; Ballwieser 2001a, Rn. 114 zu § 255 HGB, S. 218; Clemm 1997, S. 610; Kleindiek 2002, Rn. 54 zu § 255 HGB, S. 565. Vgl. kritisch Ernsting 2007, S. 137; Gießler 1995, S. 701. Bereits Müller bemängelte die fehlende Kongruenz des BFH, auf einer generellen Aktivierungspflicht für den positiven Goodwill („Aktiveritis“) zu bestehen, aber einer Passivierungspflicht für den negativen Geschäfts- oder Firmenwert („Passiveritis“) nicht zu folgen; vgl. Müller 1961, S. 443. Vgl. BFH 2006a, S. 1957 sowie zu einer ersten kritischen Würdigung Ernsting 2007, S. 135 f.; Rätke 2006, S. 638; Schulze-Osterloh 2006, S. 1955. Vgl. Ernsting 2007, S. 136. Vgl. § 264 Abs. 2 in Verbindung mit § 243 Abs. 1 und § 238 Abs. 1 HGB; hierzu Hofians 2006, S. 155.

226

Zweiter Hauptteil 1881

des Abschlusses Rechnung tragen. Zudem lässt das Handelsrecht Raum für zusätzliche Bilanzposten, wie einen negativen Goodwill, sofern dieser ansatzfähig und nicht bereits 1882 durch einen vorgeschriebenen Posten der Bilanz berücksichtigt ist. Eine Abstockung der Vermögensposten lässt sich zwar mit dem True and Fair View noch vereinbaren, wenn der negative Goodwill den Charakter eines Badwill besitzt und die negativen Erfolgsaussichten bereits im Übernahmezeitpunkt imparitätisch Berücksichtigung finden. Resultiert der negative Unterschiedsbetrag jedoch aus dem besonderen Verhandlungsgeschick des Erwerbers, d. h. liegt ein Lucky Buy vor, würde eine Abstockung der Vermögensposten die tatsächliche wirtschaftliche Lage des Unternehmens verzerrt darstellen. Hiernach ist eine sofortige Ertragsvereinnahmung in Erwägung zu ziehen, die sich jedoch nicht mit dem tra1883 ditionellen Verständnis des Vorsichtsprinzips und des Gläubigerschutzes vereinbaren 1884 lässt. Das Realisationsprinzip verbietet (bislang) einen Ausweis unrealisierter Gewinne, 1885 da anderenfalls die Kapitalerhaltungsfunktion des Jahresabschlusses konterkariert wird. 1886

Hartung diskutiert - bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen - die handelsrechtliche Berücksichtigung eines im Rahmen von Unternehmenserwerben resultierenden Badwill als 1887 Drohverlustrückstellung. Beim Abschluss des Kaufvertrags, der ein schwebendes Ge1888 schäft darstellt, ist bei Befolgung des Imparitätsprinzips eine Antizipation zukünftiger 1889 Verluste notwendig. Bei Ausschluss eines Lucky Buy liegt seiner Einschätzung nach aus bilanzrechtlicher Sicht ein realisierter Verlust vor, der entsprechend zum Akquisitionszeitpunkt berücksichtigt wird. Ein Verstoß gegen das Anschaffungskostenprinzip sieht Hartung nicht gegeben, da „neben den Vermögensgegenständen, Schulden und Rechnungsab-

1881

1882 1883

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Vgl. ebenfalls Gießler 1996b, S. 107, der dem negativen Goodwill eine „besondere Aussagekraft“ und „Warnfunktion“ attestiert. Vgl. § 265 Abs. 5 Satz 2 HGB; zögerlich Groh 1994, S. 819. Vgl. grundlegend zum Vorsichtsprinzip Moxter 1997d, S. 353; Schulze-Osterloh 1996, S. 128 f. sowie zu einer modellgestützten Analyse Wagenhofer 1996a, S. 1051. Bigus weist in diesem Kontext allerdings nach, dass das handelsrechtliche Vorsichtsprinzip zum Teil uninformierte Gläubigergruppen nicht schützt; vgl. Bigus 2007, S. 584. Der generelle Gleichklang von Vorsichtsprinzip und Gläubigerschutz ist nach h. M. allerdings nicht herstellbar; vgl. Ballwieser 1996, S. 10 f.; Böcking 2002, S. 925 f.; Böcking/Lopatta/ Rausch 2005b, S. 93. Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 HGB; erläuternd Kußmaul 2000b, S. 383. Eine Ausschüttung noch nicht realisierter Gewinne führt langfristig zu einer Aufzehrung des betrieblichen Haftungspotenzials. Angeführt wird hierbei eine Verpflichtung zur Fortführung des Geschäftsbetriebs oder eine fehlende Möglichkeit zur Beendigung der Geschäftstätigkeit; vgl. Hartung 1997, S. 235 sowie hieran anknüpfend Flies 1997, S. 663. Vgl. § 249 Abs. 1 HGB; hierauf eingehend Hartung 1997, S. 235 sowie ebenso Bachem 1993a, S. 969; Bachem 1993b, S. 1978, der auf eine fehlende Richtlinienkonformität des § 249 HGB hinweist und ablehnend hierzu Ernsting 1998, S. 415; Pusecker/Schruff 1996, S. 738; Siegel 1995, S. 398. Vgl. zur Funktion der Verlustantizipation u. a. Euler 1991, S. 192 f. In diesem Sinne wird der Unternehmenskauf als Fehlmaßnahme klassifiziert, die sich im Badwill widerspiegelt. Allerdings bleibt unklar, welche Belastungen durch die Drohverlustrückstellung abgedeckt werden. Die Berücksichtigung des allgemeinen Geschäftsrisikos ist dagegen nicht zulässig; vgl. auch Hartung 1997, S. 237. Clemm konstatiert, dass i. R. d. Akquisitionsvorgangs die negativen Erfolgsbeiträge sich bereits in dem Umsatzakt konkretisiert hätten; vgl. Clemm 1997, S. 615 sowie ebenfalls Bachem 1993a, S. 969 und Moxter 1993a, S. 853.

Bilanzierung und Erstbewertung

227

grenzungsposten auch die Verlustrückstellung als negativer Firmenwert angeschafft wur1890 de“ . Eine steuerliche Berücksichtigung eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts als 1891 Drohverlustrückstellung ist unzulässig, d. h. der Zielsetzung einer Einheitsbilanzierung kann in diesem Fall nicht entsprochen werden. Die mögliche Berücksichtigung eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts als passiver Rechnungsabgrenzungsposten lehnt das 1892 Schrifttum dagegen mehrheitlich ab. Im Rahmen dieser Untersuchung wird der „Passivierungslösung“ ohne vorherige Abstockung gefolgt, da sowohl das Prinzip der Einzelbewertung als auch das Imparitäts- und True and Fair View-Prinzip Berücksichtigung finden. Dieses Vorgehen harmoniert zudem mit der entsprechenden handelsrechtlichen Regelung im Konzernabschluss, wonach ein negativer Geschäfts- oder Firmenwert bei Anwendung der Erwerbsmethode unter der Be1893 zeichnung „Unterschiedsbetrag aus der Kapitalkonsolidierung“ auszuweisen ist. Eine gesetzliche Regelung, unter welchen Bilanzposten der Ausweis zu erfolgen hat, liegt dage1894 gen nicht vor. Angesichts der Tatsache, dass der Badwill Fremdkapitalcharakter besitzt, spricht sich die h. M. für einen gesonderten Ausweis unter den Konzernrückstellungen 1895 aus. Einem Lucky Buy hingegen wird ein Eigenkapitalcharakter zuerkannt und ein Aus1896 weis unter den Konzernrücklagen in einem gesonderten Posten für zweckmäßig erachtet. Bei mehreren Ursachen ist eine Aufteilung des Unterschiedsbetrags vorzunehmen. Eine nachträgliche Umwandlung eines Badwill in einen Lucky Buy und eine damit verbundene Umgliederung in die Kapitalrücklagen des Mutterunternehmens ist ebenfalls nicht ab1897 schließend geklärt. Die sachliche Trennung in Badwill und Lucky Buy ist allerdings optional. Es reicht hierbei nach Auffassung von Adler, Düring und Schmaltz aus, den Unterschiedsbetrag „ohne Rücksicht auf seinen bilanziellen Charakter auch insgesamt zwischen 1898 dem Eigenkapital und den Rückstellungen“ auszuweisen. Dieses Vorgehen soll allerdings mit einer Erläuterung des Charakters des negativen Goodwill im Konzernanhang einhergehen. Im Umkehrschluss sind bei einer sachlichen Abgrenzung keine weiterführenden Erläuterungen gefordert. Jenes Informationsdefizit soll - wie im weiteren Verlauf der Un1899 tersuchung zu zeigen ist - durch das Goodwill Reporting kompensiert werden.

1890 1891 1892 1893

1894

1895 1896 1897 1898 1899

Hartung 1997, S. 247. Vgl. § 5 Abs. 4 a) EStG. Vgl. Pickhardt 1997, S. 1098 m. w. N. Vgl. § 301 Abs. 3 Satz 1 HGB. Die Verrechnungsmöglichkeit mit einem positiven Unterschiedsbetrag wird im Folgenden vernachlässigt; vgl. weiterführend die grundlegenden Ausführungen zum positiven Goodwill in Abschn. I.D.2.b) dieses Hauptteils sowie zum weitergehenden Verständnis des passivischen Unterschiedsbetrags gegenüber dem negativen Geschäfts- oder Firmenwert Gießler 1996b, S. 151. Vgl. ebenso die fehlende Konkretisierung in Art. 19 Abs. 1 c) Siebente EG-Richtlinie sowie hierzu ebenfalls Baetge 1997a, S. 354; Hofmann/Triltzsch 2003b, S. 729. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 130 zu § 301 HGB, S. 427; Baetge 1997a, S. 356. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 131 zu § 301 HGB, S. 428; Baetge 1997a, S. 357. Vgl. stellvertretend Hofmann/Triltzsch 2003b, S. 731 m. w. N. Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 133 zu § 301 HGB, S. 428. Vgl. Dritter Hauptteil, Abschn. V.C.

228

Zweiter Hauptteil

Die Entscheidungsnützlichkeit des negativen Goodwill Accounting wird im handelsrecht1900 lichen Konzernabschluss - in Analogie zum positiven Geschäfts- oder Firmenwert durch die Möglichkeit einer Saldierung mit dem positiven Unterschiedsbetrag zusätzlich 1901 beeinträchtigt. Des Weiteren führt die Anwendung der Interessenzusammenführungsmethode zur Nichtexistenz eines negativen Goodwill. Im BilMoG-RefE ist zur Erhöhung der Informationsfunktion des Abschlusses eine explizite Ausweispflicht vorgesehen, da die Interessenzusammenführungsmethode sowie die Verrechnung positiver und negativer Unter1902 schiedsbeträge entfallen sollen. Der Reformvorschlag des Gesetzgebers, den Ausweis eines negativen Goodwill explizit nicht an seinen bilanziellen Charakter (Badwill oder Lu1903 cky Buy) zu knüpfen, kann nicht überzeugen. 1904

Der DSR nimmt in diesem Kontext ebenfalls eine sachliche Konkretisierung vor. Sofern der negative Unterschiedsbetrag auf erwarteten künftigen Verlusten bzw. Aufwendungen basiert, d. h. dieser einen Badwill repräsentiert, ist eine Passivierung zwingend. Von einem ggf. ausgewiesenen positiven Goodwill aus anderen Unternehmenserwerben ist dieser of1905 fen abzusetzen. Die entsprechende rudimentäre Angabeverpflichtung im (Konzern-) 1906 Anhang für einen negativen Unterschiedsbetrag ist in Tabelle 26 dargelegt. Die für den handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss diskutierte „Abstockungslösung“ kommt somit im Konzernabschluss nicht zum Tragen. Bezüglich der (erfolgswirksamen) Auflösung eines passivierten negativen Geschäfts- oder Firmenwerts bestehen unterschiedliche Auffassungen in Rechtsprechung und Schrifttum. Zum einen kann diese bei einem Badwill an den Eintritt oder Wegfall der zugrunde liegen1907 den negativen Erwartungen gebunden sein. Zum anderen wird eine Fortführung bis zur 1908 Liquidation oder Veräußerung der Unternehmung diskutiert. Die letztgenannte Vorgehensweise impliziert, dass zu jenem Zeitpunkt der Unternehmenswert endgültig realisiert und die zur Entstehung des negativen Geschäfts- oder Firmenwerts führenden Ursachen 1909 entfallen sind. Dem steht allerdings entgegen, dass nach dem tatsächlichen Eintritt der negativen Erfolgsbeiträge bis zur Liquidation oder Veräußerung die Beibehaltung eines Bilanzansatzes für den negativen Geschäfts- oder Firmenwert gegen die Generalnorm des

1900 1901

1902 1903 1904 1905 1906 1907

1908

1909

Vgl. hierzu Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. weiterführend die Darlegungen zur Prüfung eines negativen Goodwill Vierter Hauptteil, Abschn. II.E. Vgl. ebenfalls Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 42 (§ 301 HGB), S. 166. Vgl. DRS 4.38-41. Vgl. DRS 4.39. Vgl. DRS 4.58. Vgl. auch BFH 1994, S. 747 sowie diese Vorgehensweise befürwortend Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 295 zu § 255 HGB, S. 428; Mujkanovic 1994b, S. 527. Kritisch hierzu äußert sich Ernsting, da der negative Goodwill hierbei „wie ein Puffer [Anm. des Verf.: wirke], der die realisierten Verluste neutralisiert.“ Ernsting 2007, S. 138. Vgl. BFH 1994, S. 747 sowie weiterführend Ernsting 2007, S. 138; Flies 1997, S. 665; Mujkanovic 1994b, S. 527. Diese Methode würde einen Steuerstundungseffekt beinhalten, da die Ertragsrealisation erst mit der Liquidation oder Veräußerung des Unternehmens erfolgt. Aus fiskalpolitischen Gründen stellt sie sich als unattraktiv dar. Vgl. etwa Gießler 1996b, S. 148.

Bilanzierung und Erstbewertung

229

1910

True and Fair View verstößt. Es zeigt sich, dass die Frage der Auflösung eines passivierten negativen Geschäfts- oder Firmenwerts durch ein Spannungsverhältnis zwischen dem 1911 Realisationsprinzip und dem True and Fair View-Gebot determiniert ist. Während die Auflösung des negativen Geschäfts- oder Firmenwerts auf Einzelabschlussebene - wie vorstehend genannt - nicht abschließend geklärt ist, ist im handelsrechtlichen Konzernabschluss die Auflösung eines Badwill vorzunehmen, wenn die erwartete negative 1912 Entwicklung der Ertragslage eingetreten ist. Die in Rede stehenden Aufwendungen oder Verluste haben jedoch nach h. M. den Tatbestand einer hinreichenden Identifizierung und 1913 Bestimmbarkeit zu erfüllen. Liegt hingegen ein Lucky Buy vor, ist seine Auflösung an die Existenz eines realisierten Gewinns zum Abschlussstichtag gebunden. Im Zweifel ist das Realisationsprinzip streng auszulegen, d. h. die Auflösung des Lucky Buy erfolgt erst 1914 im Zeitpunkt der Unternehmensveräußerung oder -einstellung. Gegen eine Übertragung der entsprechenden handelsrechtlichen Konzernabschlussregelungen auf den Jahresabschluss sind keine Einwände zu erheben. 1915

Der DSR schließt sich den Vorgaben des außer Kraft befindlichen IAS 22 an, wonach derjenige Teil des negativen Unterschiedsbetrags, welcher einen Badwill darstellt, eben1916 falls im Eintrittszeitpunkt erfolgswirksam aufzulösen ist. Derjenige Betrag, der die erworbenen nicht monetären Vermögenswerte nicht übersteigt, ist planmäßig über die durchschnittliche Restnutzungsdauer der abnutzbaren Vermögenswerte aufzulösen. Ein den erworbenen nicht monetären Vermögenswerten übersteigender Betrag ist zum Zeitpunkt der 1917 Erstkonsolidierung erfolgswirksam zu vereinnahmen. Infolge der Zielsetzung einer Annäherung des HGB an die internationalen Rechnungslegungsstandards bleibt abzuwarten, ob der DSR eine Anpassung von DRS 4 an den IFRS 3, der IAS 22 abgelöst hat, vornimmt. Neben den vorstehend genannten Auflösungsverfahren wird in Analogie zum positiven Goodwill im handels- und steuerrechtlichen Jahresabschluss vereinzelt eine planmäßige 1918 oder pauschale Abschreibung diskutiert. Diese Vorgehensweise findet allerdings im Schrifttum mehrheitlich keine Zustimmung, so dass eine diesbezügliche weiterführende

1910 1911

1912 1913 1914 1915 1916 1917 1918

Vgl. ebenso Gießler 1996b, S. 148. Vgl. insbesondere zur Abwägung zwischen der Befolgung des Realisationsprinzips und des True and Fair View-Prinzips bei der Langfristfertigung die Darstellung von Velte 2006c, S. 223-228. Vgl. § 309 Abs. 2 Nr. 1 HGB sowie hierzu auch Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 677. Vgl. Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 677. Vgl. kritisch hierzu Sauthoff 1996, S. 212. Bei der Verabschiedung des DRS 4 am 29.08.2000 war der IAS 22 noch gültig. Vgl. DRS 4.40. Vgl. DRS 4.41. Vgl. hierzu u. a. Clemm 1997, S. 618; Ernsting 1998, S. 419; Möhrle 1999a, S. 1420; Pusecker/ Schruff 1996, S. 742 sowie bereits Sauer 1974, S. 128, da dieser seinem Wesen nach nichts Weiteres als ein Korrelat zum Goodwill darstellt. Anderer Ansicht sind scheinbar Bachem 1995, S. 352; Gießler 1996a, S. 1762.

230

Zweiter Hauptteil

Erörterung zur Folgebewertung in Entsprechung zum positiven Geschäfts- oder Firmen1919 wert entfällt.

3.

IFRS

Vor dem 31.03.2004 bestand ein Ansatzgebot für den gesamten negativen Geschäfts- oder 1920 Firmenwert. Hierbei war ein aktivischer Ausweis als Abzug von den Vermögenswerten des Erwerbers innerhalb desselben Bilanzpostens wie der des positiven Geschäfts- oder Firmenwerts vorgesehen. Eine vorherige Abstockung nichtmonetärer Vermögenswerte, die in der Vorgängerregelung des IAS 22 (rev. 1993) als alternativ zulässige Methode gestattet 1921 war, galt seither als unzulässig. Das IASB legt nicht den Begriff des Badwill oder Lucky Buy, sondern die Bezeichnung 1922 1923 1924 Excess (de lege lata) bzw. Bargain Purchase (de lege ferenda) zugrunde und geht von der Betrachtungsweise aus, dass hauptsächlich Ansatz- und Bewertungsfehler den re1925 sultierenden negativen Unterschiedsbetrag verantworten. Diese Fehler können u. a. aus einer Überbewertung der identifizierbaren Vermögenswerte, eines Nichtansatzes oder einer Unterbewertung von Verbindlichkeiten oder aus einer zu geringen Bemessung der An1926 schaffungskosten des Unternehmenserwerbs resultieren. Insofern bedarf es einer noch1927 maligen Überprüfung (Reassessment) der o. g. Wertansätze. Aufgrund der Tatsache, dass ein negativer Goodwill nach Auffassung des IASB in erster Linie auf Bewertungsfeh-

1919

1920

1921 1922

1923 1924 1925

1926 1927

Vgl. im Ergebnis auch Ernsting 2007, S. 138 m. w. N.Als Begründung wird hierbei der Verstoß gegen das Imparitätsprinzip angeführt, da die Abschreibung eines negativen Geschäfts- oder Firmenwerts mit der Substitution eines originären positiven Goodwill einhergeht; vgl. Heinze/Roolf 1976, S. 217. Die neben dem Badwill bzw. einem Lucky Buy denkbaren Ursachen für einen passivischen Unterschiedsbetrag werden im Folgenden ausgeklammert; vgl. zu einer vollständigen synoptischen Betrachtung Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 673 f. Vgl. IAS 22.59 und 22.64 (rev. 1998); hierzu auch Watrin/Strohm/Struffert 2004, S. 1459. Dabei ist der gesamte Überschuss der beizulegenden Zeitwerte der identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden über die Anschaffungskosten des Unternehmenserwerbes als „negativer Geschäfts- oder Firmenwert“ definiert worden. Vgl. Hofmann/Triltzsch 2003a, S. 678. Die vollständige Terminologie lautet gem. IFRS 3.56 f.: „Excess of acquirer’s interest in the net fair value of acquiree’s identifiable assets, liabilites and contingent liabilities over cost“. Die autorisierte deutsche Übersetzung des IFRS 3 verwendet die Bezeichnung „Überschuss des Anteils des Erwerbers an der Summe der beizulegenden Zeitwerte der identifizierbaren Vermögenswerte, Schulden und Eventualverbindlichkeiten des erworbenen Unternehmens über die Anschaffungskosten des Unternehmenszusammenschlusses“. Im Schrifttum wird auch der Begriff des Underpayment verwendet; vgl. hierzu Kühne/Schwedler 2005, S. 335. Vgl. IFRS 3.34 (rev. 2008). Eine autorisierte deutsche Übersetzung steht noch aus. Vgl. ebenfalls Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 72 f. Vgl. IFRS 3.BC372-374 (rev. 2008); ebenfalls Küting/Wirth 2006, S. 144; Watrin/Strohm/Struffert 2004, S. 1459. Daher besitzt dieser Posten lediglich vorläufigen Charakter. Als Ursachen für die Existenz eines negativen Goodwill können ebenfalls Zwangsverkäufe („Forced Sales“) nach dem Ausscheiden oder Ableben von Mitgliedern von Top Managements angegeben werden, „in which the seller is acting under compulsion“; IFRS 3.35 und 3.BC371 (rev. 2008); SFAS 141.37 (rev. 2007). Vgl. auch Qin 2005, S. 27. Vgl. IFRS 3.36 (rev. 2008); SFAS 141.38 (rev. 2007); hieran anknüpfend Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 73; Dobler 2005, S. 26; Küting/Wirth 2006, S. 144.

Bilanzierung und Erstbewertung

231

lern basiert, sind die Unternehmen verpflichtet, bei der Überprüfung der Wertansätze den Differenzbetrag weitgehend zu eliminieren und wertaufhellende Informationen entspre1928 chend zu antizipieren. Diese offensive Abstockung, welche der h. M. im Handels- und Steuerrecht entspricht, erfolgt auf Basis der Anschaffungskosten der Beteiligung und nicht zum Fair Value. Sollte nach erfolgreicher Durchführung des Reassessment ein negativer 1929 Restbetrag verbleiben, ist dieser erfolgswirksam zu erfassen. Zuvor bedarf es einer (vollständigen) Verrechnung eines positiven Geschäfts- oder Firmenwerts mit dem Excess, 1930 bevor schließlich eine erfolgswirksame Behandlung erfolgt. Jenes Residuum, verstanden 1931 als Bargain Purchase, kann dann auf ein günstiges Kaufgeschäft (Lucky Buy) ungleich1932 berechtigter Vertragsparteien zurückgeführt werden. Allerdings wird das ökonomische 1933 Phänomen eines Badwill nicht in die Abschlusserfassung einbezogen. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zur vorstehend ausgeführten Argumentation einer Passivierung eines negativen Goodwill im Handels- und Steuerrecht, welcher im Rahmen der Untersuchung 1934 gefolgt wird. Die weiteren angegebenen Gründe für die Existenz eines Excess bzw. Bargain Purchase sind wenig aussagekräftig. Das IASB führt Bewertungsfehler an, die beim Reassessment 1935 hätten aufgedeckt und entsprechend korrigiert werden müssen. Eine weitere Ursache ist in der Ausnahmeregelung zu sehen, wenn die identifizierbaren Vermögenswerte und Schulden bei der Kaufpreisallokation nicht mit dem Fair Value angesetzt werden, z. B. bei der bisherigen Bewertung latenter Steuern mit einem undiskontierten Betrag nach IAS

1928

1929

1930 1931

1932 1933

1934 1935

Im Schrifttum wird darauf hingewiesen, dass bei Unternehmenserwerben eine erhöhte Anfälligkeit für Ansatz- und Bewertungsfehler zu konstatieren ist. Diese Anfälligkeit resultiert aus einem nicht unerheblichen Zeitdruck, den der Kapitalmarkt bei der Erstellung der Eröffnungsbilanz ausübt. Ein Fast Close wird ggf. von den Marktteilnehmern durch geringere Kapitalkosten honoriert; vgl. grundlegend zur Bedeutung eines Fast Close u. a. Eggemann/ Petry 2002, S. 1635-1639; Erlach/Liedtke 2006, S. 304 f.; Ernst 2002, S. 188; Petersen/Zwirner 2007, S. 7 f. sowie zum Fast Close des WellaKonzerns detailliert Scheja 2005, S. 306 f. Dies geht mit einer wachsenden Bedeutung der permanenten Prüfung (Continuous Auditing) einher; vgl. hierzu Lichtenberg 2007, S. 280-281. Vgl. hierzu auch Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 73; Bucher/Boller/Wildberger 2003, S. 130; Oser/ Müller 2006, S. 2129. Diese Ausprägung des Bargain Purchase besitzt dann endgültigen Charakter; vgl. hierzu im Einzelnen Dobler 2005, S. 26; Qin 2005, S. 56. Vgl. hierzu Schwedler 2006, S. 413 sowie anhand eines Zahlenbeispiels Gros 2005, S. 1959 f. Vgl. zur inhaltlichen Abgrenzung IFRS 3.BC374-382 (rev. 2008) sowie ebenfalls Küting/Wirth 2006, S. 144. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Erwerber ein günstiges Geschäft tätigt, wird allerdings als gering eingestuft, da grds. auf eine vollkommene Informationseffizienz abgestellt wird; vgl. hierzu auch Weber 2006, S. 508. Vgl. IFRS 3.B64 (n) (rev. 2008). Vgl. ebenfalls Hachmeister 2005d, S. 54. Das FASB und das IASB stufen die Existenz eines Badwill in der Unternehmenspraxis als unwahrscheinlich („remote possibility“) ein. Hiernach würde eine „Careful Application“ der Kaufpreisallokation einschließlich der Fair Value-Bewertung einen Badwill verhindern; vgl. IFRS 3.BC379-381 (rev. 2008); SFAS 141.B79-381 (rev. 2007). Durch die terminologische Änderung von „Excess“ in „Bargain Purchase“ wird verdeutlicht, dass ein negativer Goodwill lediglich den Charakter eines Lucky Buy nach IFRS bzw. US-GAAP besitzt. Das Auftreten eines Badwill kann allerdings auch durch das Verbot einer Passivierung von Restrukturierungsrückstellungen und durch die Nichteinbeziehung von vorhersehbaren künftigen Verlusten nach ED IFRS 3 nicht verhindert werden; vgl. hierzu Schmidt 2007b, S. 121. Vgl. Abschn. I.F.2 dieses Hauptteils. Vgl. IFRS 3.34 (rev. 2008); hierzu im Einzelnen Qin 2005, S. 42 f.

232

Zweiter Hauptteil

1936

12. Das Unternehmen hat über die Art des Excess (de lege lata) bzw. die Faktoren, die 1937 zum einem Bargain Purchase (de lege ferenda) führten, zu berichten. Die Beeinträchtigung der Informationsfunktion des IFRS-Abschlusses, die sich aus der expliziten Ausklammerung der ökonomischen Existenz eines Badwill ergibt, bedarf einer Kompensation 1938 durch ein negatives Goodwill Reporting. Im Vergleich mit der entsprechenden bilanziellen Behandlung eines derivativen positiven Geschäfts- oder Firmenwerts lässt sich bei der Existenz eines Excess bzw. Bargain Purchase ein uneinheitliches Vorgehen des IASB konstatieren. Während beim positiven Goodwill ebenfalls kaufpreiserhöhende Faktoren, die auf Bewertungsfehler oder Abfindungen lästi1939 ger Konkurrenten oder Gesellschafter zurückzuführen sind, Berücksichtigung finden, geht der internationale Standardsetter bei einem negativen Geschäfts- oder Firmenwert generell von einer mangelnden Werthaltigkeit der kaufpreismindernden Faktoren aus. Vielmehr ist ein Bilanzansatz auf der Passivseite untersagt und eine „Korrektur“ der Bilanzan1940 sätze der Vermögenswerte und Schulden vorzunehmen.

1936

1937 1938 1939 1940

Vgl. zur bilanziellen Berücksichtigung von Steuerlatenzen nach IAS 12 ausführlich, zum Teil gestützt auf empirische Untersuchungen Baetge/Lienau 2007, S. 15-22; Dahlke 2006, S. 579-589; Eisele/ Mühlberger 2004, S. 401-426; Ernsting/Loitz 2004, S. 1053-1060; Gens/Wahle 2003, S. 288. Vgl. IFRS 3.B64 (n) (rev. 2008) sowie Tabelle 27 im Anhang. Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. V.C. Vgl. Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils. Vgl. Baetge/Hayn/Ströher 2006, S. 73.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

II.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

A.

Identifizierbare Intangible Assets

1.

Handelsrecht

233

Die zahlreichen Objektivierungsdefizite, die mit einer bilanziellen Berücksichtigung von identifizierbaren immateriellen Vermögenswerten im Jahres- und Konzernabschluss verbunden sind, erfordern nach dem bislang gläubigerschutzdominierten Handelsrecht eine strikte Einhaltung des Anschaffungs- und Herstellungskosten- sowie Niederstwertprin1941 zips. Bei der Folgebewertung darf nicht über die fortgeführten (bei abnutzbaren Anlagegütern) bzw. ursprünglichen (bei nicht abnutzbaren Anlagegütern) Anschaffungs- und Herstellungskosten zugeschrieben werden, so dass eine imparitätische Berücksichtigung von 1942 Wertänderungen vorliegt. Die EU-Modernisierungs-Richtlinie gestattet hingegen für sämtliche Anlagegüter eine 1943 Durchbrechung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips. Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Kapitalerhaltung, von dem die Ausschüttungs- und Steuerbemessung ausgeht, ist auch durch den BilMoG-RefE auf Konzern- und Einzelabschlussebene keine paritätische Zeitwertbilanzierung für das immaterielle Vermögen vorgesehen. Eine Durchbrechung des Anschaffungskostenprinzips im Hinblick auf eine erfolgswirksame Zuschreibung auf den höheren beizulegenden Zeitwert soll künftig lediglich für zu Han1944 delszwecken gehaltene Finanzinstrumente zulässig sein. Angesichts ihrer eingeschränkten verlässlichen Bewertbarkeit ist die Beibehaltung des Anschaffungskostenprinzips für das nichtfinanzielle Vermögen auf Jahresabschlussebene durch den BilMoG-RefE gerechtfertigt. Störend wirkt hier die fehlende Implementierung einer entsprechenden „Zeitrücklage“ für die positiven Wertdifferenzen zwischen beizulegendem Zeit- und Buchwert bei Finanzinstrumenten des Handelsbestands, da ein Ausweis unrealisierter Gewinne erfolgt und 1945 jene ebenfalls zur Zahlungsbemessung herangezogen werden können bzw. sollen. Im handelsrechtlichen Konzernabschluss dagegen wäre eine paritätische erfolgswirksame Zeitwertbilanzierung für das gesamte Vermögen noch vertretbar, da dieser lediglich eine Informationsfunktion erfüllt.

1941

1942

1943 1944 1945

Vgl. zur statischen Ausprägung der Accounting Theory grundlegend Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2. Das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch (AHGB) von 1861 hingegen sah bis zum Inkrafttreten der Aktienrechtsnovelle von 1884 die paritätische Bewertung „sämtlicher Vermögenstücke und Forderungen“ zum beizulegenden Wert vor. Dieser wurde einhellig als aktueller Marktpreis bzw. als Fair Value interpretiert; vgl. ausführlich Blaufus 2005, S. 43 f.; Schildbach 2004c, S. 858 f; Schildbach 2006a, S. 9. Vgl. zum imparitätischen Fair Value Accounting des Handels- und Steuerrechts u. a. Baetge/Zülch 2001, S. 546; Baetge/Matena/Zülch 2002, S. 79; Baetge/Zülch/Matena 2002, S. 367; Diedrich/Rohde 2005, S. 705; Gleich/Kieninger/Kämmler 2005, S. 662; Kümmel 2002, S. 69; Wagner 2006a, S. 55. Vgl. Art. 42 e) und f) EU-Modernisierungs-Richtlinie und hierzu u. a. Pottgießer 2008, S. 166. Vgl. § 253 Abs. 1 Satz 3 HGB-E. Vgl. zur künftigen Steuerbemessung BilMoG-BegrRefE zu Nummer 10 (§§ 253 und 254 HGB), S. 106.

234

Zweiter Hauptteil

Zur Kompensation des durch die Beibehaltung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips im Jahresabschluss verbundenen Informationsdefizits für das immaterielle Vermögen bietet es sich an, in Analogie zu § 285 Nr. 18 und 19 HGB eine verpflichtende Anhangangabe zu den jeweiligen (höheren) Zeitwerten zu implementieren. Zumindest sollten die immateriellen Vermögenswerte in dem außerbilanziellen Intangible Asset Report auf 1946 Basis ihrer beizulegenden Zeitwerte bestimmt werden, um zum Abbau der Informationslücke beizutragen. Die handelsrechtliche Abnutzbarkeit eines immateriellen Vermögensgegenstands des Anlagevermögens ist danach zu beurteilen, ob unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten eine zeitlich begrenzte Nutzung vorliegt. Hierbei muss der in Rede stehende Vermögensgegenstand innerhalb einer bestimmten oder bestimmbaren Zeit erschöpft 1947 sein. Infolge der Betonung des Vorsichtsprinzips stellen nicht abnutzbare immaterielle 1948 Anlagegüter handelsrechtlich die Ausnahme dar, so dass diese im Allgemeinen planmä1949 1950 ßig abzuschreiben sind; die Abschreibungsmethode ist frei wählbar. Dies gilt im Besonderen für Konzessionen, gewerbliche Schutzrechte und ähnliche Rechte und Werte so1951 wie Lizenzen an derartigen Rechten und Werten. Neben der linearen Abschreibung kann nach h. M. ebenfalls z. B. die degressive oder leistungsbezogene Abschreibung Anwendung finden. Im Schrifttum wird allerdings angesichts der schnellen Flüchtigkeit immate1952 rieller Vermögenswerte die Anwendung der degressiven Abschreibung präferiert. Dies steht - wie noch dargestellt wird - im Widerspruch zur steuerrechtlichen Rechtsprechung und zu den Verlautbarungen des IASB. Die Berücksichtigung eines Restwerts nach Ende 1953 der Nutzungsdauer scheidet nach h. M. grds. aus. Die handelsrechtlichen Pflichtangaben zeichnen sich durch eine mangelnde Konkretisierung aus. So sind im (Konzern-) Anhang zumindest die zugrunde gelegten Bilanzierungs1954 und Bewertungsmethoden sowie deren Abweichungen im Zeitablauf anzugeben. Daneben werden „zusätzliche Angaben“ zur Vermittlung eines True and Fair View einge1955 fordert. In jüngerer Zeit ist verstärkt die Auffassung im Schrifttum vorzufinden, bei spezifischen immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens pauschal eine unbegrenzte Nutzungsdauer zu unterstellen, so dass eine planmäßige Abschreibung - in Kongruenz zu

1946 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955

Vgl. weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. V.B. und C. Vgl. Schoor 2007, S. 5008. Vgl. zu dieser Auffassung ebenfalls Schoor 2007, S. 5008. Vgl. § 253 Abs. 2 HGB. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 384 zu § 253 HGB, S. 218. Vgl. hierzu auch Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 356 zu § 253 HGB, S. 208. Vgl. stellvertretend Fasselt/Brinkmann 2004a, S. 65 m. w. N. Vgl. u. a. Graumann 2007, S. 301. Vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 in Verbindung mit § 313 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3 HGB. Vgl. § 264 Abs. 2 Satz 2 HGB; zur Publizitätspflicht zusätzlicher Angaben im (Konzern-) Anhang u. a. Lange 1991, S. 369.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

235

1956

IAS 38 - ausscheidet. Die h. M. geht allerdings (noch immer) davon aus, dass im Regelfall - unter Betonung des Vorsichtsprinzips - eine zeitlich begrenzte Nutzbarkeit immate1957 rieller Vermögensgegenstände zu unterstellen ist. Der DSR hingegen widersetzt sich der Dominanz des Gläubigerschutzprinzips und nimmt eine grundlegende Unterscheidung in immaterielle Vermögenswerte mit zeitlich begrenz1958 ter und unbegrenzter Nutzungsdauer vor, ohne eine Präferenz auszusprechen. Sofern eine zeitlich begrenzte Nutzungsdauer vorliegt, kommt eine planmäßige Abschreibung in Betracht, wobei die voraussichtliche betriebsindividuelle Nutzbarkeit des immateriellen 1959 Vermögenswerts als Indikator für die Schätzung der Nutzungsdauer dient. Als Restriktion erfolgt in diesem Kontext die widerlegbare Vermutung des DSR, dass eine Abschreibung über einen höheren Zeitraum als zwanzig Jahre grds. nicht den tatsächlichen Werte1960 verzehr des Vermögensguts widerspiegelt und daher abzulehnen ist. Die Überschreitung der Nutzungsdauer von zwanzig Jahren bedarf einer Begründung im (Konzern-) An1961 hang; ferner sind die Kriterien anzugeben, die bei der Ermittlung der Nutzungsdauer 1962 „eine wesentliche Rolle gespielt haben“ . Angaben zu der angewandten Abschreibungsmethode sowie weiterführende Angabepflichten im (Konzern-) Anhang sind in DRS 1963 12.24-31 aufgeführt. Eine ausschließlich lineare Abschreibung ist immer dann notwen1964 dig, wenn der Nutzenverlauf nicht verlässlich ermittelbar ist. Bei sämtlichen immateriellen Vermögenswerten mit unbegrenzter Nutzungsdauer kommt lediglich eine außerplan1965 mäßige Abschreibung in Betracht. 1966

Neben der planmäßigen Abschreibung sind außerplanmäßige Abschreibungen auf den niederen Wert zu tätigen (Niederstwerttest), welcher den Vermögensgegenständen am Ab1967 schlussstichtag beizulegen ist, sofern die Wertminderung dauerhafter Natur ist. Für immaterielle Vermögensgegenstände ist das gemilderte Niederstwertprinzip, welches sich in 1956

1957 1958 1959

1960 1961 1962 1963 1964 1965 1966

1967

Vgl. zu dieser Auffassung stellvertretend AKIW 2004, S. 238. Die BFH-Rechtsprechung führt aus, dass eine Nichtabnutzbarkeit des immateriellen Anlagevermögens dann in Betracht zu ziehen ist, „wenn es dem Unternehmen in seinem Bestand und seinem Wert bei normalem Geschäftsverlauf und auf Grund objektiv erkennbarer Umstände voraussichtlich für die Dauer seines Bestehens erhalten bleiben und diesem nur bei Eintritt außergewöhnlicher Ereignisse verloren geht“, BFH 1968, S. 66. Vgl. Richter 1990a, S. 40 m. w. N. Vgl. DRS 12.21. Vgl. DRS 12.14 f.; hierzu ebenfalls Schmidbauer 2004, S. 1446. Diese kann von den tatsächlichen rechtlichen Gegebenheiten ggf. differieren. Vgl. DRS 12.18. Dies entspricht der (ehemaligen) Vorgehensweise in IAS 38.82 (rev. 1998). Vgl. DRS 12.29. DRS 12.29. Vgl. die Auflistung in Tabelle 25 im Anhang. Vgl. DRS 12.19 sowie hierzu Schmidbauer 2004, S. 1446. Vgl. ausdrücklich DRS 12.20. Kühnberger verweist darauf, dass die außerplanmäßigen im Gegensatz zu den planmäßigen Abschreibungen keine Informationsfunktion erfüllen, sondern lediglich Gläubigerschutzgedanken Rechnung tragen; vgl. Kühnberger 1997a, S. 88 sowie hierzu ebenso Eberle 2000b, S. 154 f. Vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB. Ein entsprechendes Abwertungswahlrecht ergibt sich bei einer voraussichtlich vorübergehenden Wertminderung (gemildertes Niederstwertprinzip), das allerdings seit Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) steuerrechtlich unzulässig ist. Im Folgenden wird grds. auf eine dauerhafte Wertminderung abgestellt.

236

Zweiter Hauptteil

einem Abschreibungswahlrecht bei einer voraussichtlich vorübergehenden Wertminderung manifestiert, bei der der Untersuchung zugrunde liegenden Kapitalgesellschaft nicht an1968 wendbar. Der DSR fordert im handelsrechtlichen Konzernabschluss unabhängig von der Dauer der Wertminderung eine Überprüfung zum Ende jeder Berichtsperiode, ob der beizulegende 1969 Zeitwert den Buchwert des immateriellen Vermögenswerts unterschreitet. Zudem besteht ein rechtsformunabhängiges Zuschreibungsgebot, wobei die um planmäßige Abschreibungen gekürzten Anschaffungskosten die Obergrenze der Wertaufholung darstel1970 len. Im Zuge des BilMoG-RefE wird ein rechtsformunabhängiges handelsrechtliches Verbot der außerplanmäßigen Abschreibung für Anlagegüter bei voraussichtlich vorübergehender Wertminderung (exklusive für Finanzanlagen) eingeführt, da in der Praxis die Abgrenzung zwischen einer voraussichtlich vorübergehenden und einer dauerhaften Wertminderung 1971 nicht hinreichend objektivierbar ist. Eine Abschaffung jenes Abschreibungswahlrechts scheint angemessen, da sich vorübergehende Wertminderungen im Zeitablauf wieder auflösen und keine dauerhaften aufwandsmäßigen Belastungen darstellen. Als Gegenargument lässt sich anführen, dass vorübergehende Wertminderungen im Anlagevermögen regelmäßig auf externen Einflussfaktoren, z. B. sinkende Absatzpreise am Markt, basieren, die weitgehend nicht durch die Unternehmensleitung beeinflussbar sind. Daher bietet das 1972 jetzige Wahlrecht den Unternehmen Flexibilität, um durch die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung auf derartige unvorhergesehene Situationen gewinndämpfend reagieren zu können. Die rechtsformunabhängige Abschaffung des gemilderten Niederstwertprinzips im Anlagevermögen führt allerdings - wie im weiteren Verlauf verdeutlicht wird - zu einem Gleichschritt zur steuerrechtlichen Teilwertabschreibung. Allerdings müsste das gemilderte Niederstwertprinzip ebenfalls für das Finanzanlagevermögen entfallen. Ferner wird durch den BilMoG-RefE der Einzelbewertungsgrundsatz zugunsten einer Zusammenfassung von Vermögensgegenständen, die notwendigerweise nur zusammen genutzt werden können, durchbrochen. In jenen Fällen ist künftig ein Gebot zur Bildung eines bewertungstechnisch einheitlichen Vermögensgegenstands vorgesehen, der Analogien 1973 zur noch darzustellenden IFRS-Vorgehensweise besitzt. Da keine konkretisierenden Vorgaben an eine Bildung von Bewertungseinheiten innerhalb des BilMoG-RefE existieren, können sich erhebliche Ermessens- und Gestaltungsspielräume ergeben, die unter besonderer Berücksichtigung der Zielsetzung des Gesetzgebers hinsichtlich einer Einschränkung der Rechnungslegungspolitik abzulehnen sind. Der Terminus des „niedrigeren beizulegenden (Zeit-) Werts“ als Vergleichsmaßstab der fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten stellt einen unbestimmten Rechtsbe-

1968 1969 1970 1971

1972 1973

Vgl. zur Restriktion auf das Finanzanlagevermögen § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB. Vgl. DRS 12.22. Vgl. DRS 12.23. Vgl. § 253 Abs. 3 Satz 4 HGB-E sowie BilMoG-BegrRefE zu Nummer 10 (§§ 253 und 254 HGB), S. 110. Vgl. § 252 Abs. 2 Satz 3 HGB. Vgl. § 253 Abs. 3 Satz 5 HGB-E.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

237

1974

griff im Handelsrecht dar; zudem ist dessen Ableitung im Gesetz nicht konkretisiert. Im Schrifttum wird der beizulegende Wert mitunter als „deutsches Pendant zum Fair Va1975 1976 lue“ angesehen. Küting, Trappmann und Ranker konkretisieren den beizulegenden Wert als „objektivierten, die betriebsindividuellen Nutzungsmöglichkeiten reflektierenden 1977 Stichtagsverwendungswert“ . Allerdings fungiert der niedrigere beizulegende Wert bislang lediglich als sekundäre Richtgröße im Sinne eines Korrekturmaßstabs. Das Abstellen auf einen Börsen- oder Marktpreis muss angesichts der Tatsache, dass für einen Großteil 1978 der immateriellen Vermögensgegenstände kein aktiver Markt vorliegt, verworfen werden. Nach h. M. bleiben jedoch die Verhältnisse am Käufermarkt maßgebend, so dass vor1979 rangig auf die Wiederbeschaffungswerte abzustellen ist (Entry Value); anderenfalls können Reproduktionskosten, Einzelveräußerungs- oder Ertragswerte als Hilfsgrößen hin1980 zugezogen werden. Während die Wiederbeschaffungskosten die Bandbreite des beizulegenden Werts nach oben begrenzen, bilden die Einzelveräußerungspreise die Untergren1981 ze. Da für viele immaterielle Anlagewerte Wiederbeschaffungswerte am Markt nicht vorliegen, ist ein Rückgriff auf die Unternehmensbewertungsverfahren nach IDW RS HFA 1982 1983 10 notwendig. Bei außerplanmäßigen Abschreibungen hat eine gesonderte (Konzern-) 1984 Anhangangabe zu erfolgen. Infolge des BilMoG-RefE ist eine terminologische Änderung in „beizulegender Zeitwert“ nach Maßgabe der deutschen Übersetzung der IFRS geplant, welcher nach § 255 Abs. 4 Satz 1 HGB-E dem Marktpreis entsprechen soll. Bei Nichtexistenz aktiver Märkte, ist die1985 ser mithilfe „allgemein anerkannter Bewertungsmethoden“ zu bestimmen. Die vordergründig aufgehobenen Konkretisierungslücken durch den Zusatz „Zeit-“Wert bleiben allerdings aufgrund der noch darzustellenden Ermessens- und Gestaltungsspielräume bei der 1986 Schätzung von Fair Values bestehen.

1974

1975 1976 1977 1978 1979 1980

1981 1982

1983 1984 1985 1986

Vgl. u. a. Dyckerhoff/Lüdenbach/Schulz 2003, S. 39 sowie ebenfalls Groh 1985, S. 1851, der den Begriff als “geheimnisvoll” und “dringend erklärungsbedürftig” bezeichnet. Adler/Düring/ Schmaltz fordern ein Abstellen auf denjenigen Wert, der „nach dem Zweck der Bestimmung und unter Berücksichtigung der Verhältnisse des Einzelfalles der sinnvollste ist“, Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 455 zu § 253 HGB, S. 241. Bieker 2006, S. 122. Vgl. allerdings die Abgrenzungen von Küting/Trappmann/Ranker 2007, S. 1709-1716. Küting/Trappmann/Ranker 2007, S. 1711. Vgl. entsprechend die Fiktion des IASB in Abschn. II.A.3 dieses Hauptteils. Vgl. Dyckerhoff/Lüdenbach/Schulz 2003, S. 39; Küting/Dawo 2003a, S. 229. Vgl. Bieker 2006, S. 124 f. Karrenbauer/Döring/Buchholz 2003, Rn. 158 zu § 253 HGB, S. 69 sowie Küting 2005b, S. 1124. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 457 und 463 zu § 253 HGB, S. 242 f. Vgl. ausführlich zu IDW RS HFA 10 Dörschell/Franken/Schulte 2006, S. 1060-1069; Esser/Hackenberger 2004b, S. 627-634; Hayn/Ehsen 2003, S. 205-213; Laas 2006, S. 457-464; Rosenbaum/Gorny 2003, S. 837-843; Wenzel/Hoffmann 2006, S. 6915-6928. Vgl. Schulte 2005, S. 64. Vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 und § 277 Abs. 3 Satz 1 HGB. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 11 (§ 255 HGB), S. 123 f. Vgl. Abschn. III.A.1.a) dieses Hauptteils.

238

2.

Zweiter Hauptteil

Steuerrecht

Das Steuerrecht unterscheidet sich insofern von der handelsrechtlichen Bewertungspraxis, als die Anschaffungskosten von immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens 1987 ausschließlich linear abzuschreiben sind, d. h. eine degressive Absetzung für Abnutzung 1988 (AfA) scheidet aus. Dieses Vorgehen entstammt der steuerlichen Fiktion, wonach immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens keiner körperlichen Abnutzung unterliegen und daher ein gleichmäßiger Entwertungsverlauf über die gesamte Nutzungsdauer zu un1989 terstellen ist. Zugleich plädiert das Schrifttum für eine möglichst kurze Nutzungsdauer, da immaterielle Werte im Allgemeinen schwer schätzbar sind und „sich schnell verflüchti1990 gen“ . Dabei entspricht es der allgemeinen Bewertungspraxis, als Obergrenze einen Zeitraum von fünf Jahren zu unterstellen. Den Nachweis für eine abweichende Behandlung hat der Steuerpflichtige zu erbringen und ausführlich im Vorhinein zu dokumentieren. Eine Ausstrahlungswirkung der steuerlichen Literaturmeinung zur schnellen Abnutzbarkeit immaterieller Wirtschaftsgüter auf die handelsrechtliche Abschreibung wird vielfach unter1991 stellt. Angesichts der Tatsache, dass die steuerlichen AfA-Tabellen der Finanzverwaltung nicht auf die Nutzungsdauer ausgewählter immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens eingehen, müssen individuelle Schätzungen vorgenommen werden. Das Steuerrecht verwendet den Terminus der Abschreibung auf den niedrigeren Teil1992 1993 wert , der den Effektivvermögensbeitrag darstellt, „den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; 1994 dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.“ Die von der BFH1995 Rechtsprechung aufgestellten Teilwertvermutungen , wonach bei abnutzbaren immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens der Teilwert den fortgeführten Anschaffungskosten entspricht, können durch den Steuerpflichtigen widerlegt werden, sofern ein nachhaltiges Absinken der Wiederbeschaffungswerte oder eine nachhaltige Unrentierlichkeit des gesamten Betriebs vorliegt bzw. ersichtlich ist, dass sich der Erwerb des immate1996 1997 riellen Wirtschaftsguts als Fehlmaßnahme erwiesen hat. Moxter unterscheidet hierbei

1987

1988

1989 1990 1991

1992 1993 1994

1995 1996

Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EStG. Im Zugangsjahr muss steuerlich zwingend zeitanteilig (pro rata temporis) abgeschrieben werden; vgl. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG. Dagegen ist es handelsrechtlich möglich, die ehemalige steuerliche AfA-Vereinfachungsregelung (vgl. R 44 Abs. 2 EStR 2003) anzuwenden. Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG) wurde die Möglichkeit einer degressiven Abschreibung für sämtliche abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach dem 01.01.2008 beschafft werden, abgeschafft; vgl. § 52 Abs. 21 a Satz 3 EStG. Vgl. Schoor 2007, S. 5009 m. w. N. GEFIU (Hrsg.) 1987, S. 5 f. sowie vgl. Richter 1990a, S. 45. Der Fünfjahreszeitraum stellt damit grds. die maximale Nutzungsdauer dar, deren Überschreitung lediglich auf Ausnahmen beschränkt ist; vgl. Fasselt/Brinkmann 2004a, S. 64. Vgl. zu den Ursprüngen der Teilwertkonzeption Blaufus 2005, S. 64 f.; Kadel 2005, S. 141. Euler 1991, S. 204. § 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG; vgl. zur Einzelbewertung nach dem Teilwertkonzept u. a. Tolls 1987, S. 142. Vgl. hierzu grundlegend Beiser 2002, S. 1780; Kadel 2005, S. 162-165. Ist der Erwerber im Kaufzeitpunkt hinreichend über mögliche negative Eigenschaften und Risiken des betreffenden Wirtschaftsguts informiert, besteht die Gefahr, dass eine nachträgliche Teilwertabschrei(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

239

zwei Grundkonzeptionen des Teilwerts: den Teilwert als Vermögenswertanteil, welcher sich in den Wiederbeschaffungskosten ausdrückt, und den Teilwert als Verlustmaßstab, 1998 welcher durch die Nettoveräußerungserlöse repräsentiert wird. Demnach lassen sich wesentliche Übereinstimmungen zwischen dem Teilwertverständnis und der handelsrechtli1999 chen Konzeption des niedrigeren beizulegenden (Zeit-) Werts feststellen. Im Gegensatz zum gemilderten handelsrechtlichen Niederstwertprinzip ist, wie auch mit Ausnahme des Finanzanlagevermögens durch den BilMoG-RefE vorgesehen, steuerrechtlich rechtsformübergreifend lediglich eine Teilwertabschreibung bei einer dauerhaften 2000 Wertminderung zulässig bzw. zwingend. Letztere liegt nach Ansicht des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) dann vor, wenn „der Wert des jeweiligen Wirtschaftsguts zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Rest2001 buchwert liegt“ . Das FG Münster führt diesbezüglich aus, dass die „kaufmännische Vorsicht und das Imparitätsprinzip einen Prognosezeitraum erfordern, der fünf Jahre nicht überschreitet, da ohne Beachtung der Art des Wirtschaftsguts nicht stets unbesehen auf die 2002 Hälfte der Restnutzungsdauer abgestellt werden könne“ . Demnach ist eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung zu unterstellen, wenn während eines Zeitraums von fünf Jahren der Teilwert unter dem planmäßig abgeschriebenen Buchwert liegt. Die Sichtweise des FG Münster kann insbesondere - wie noch weiter ausgeführt wird - bei der außerplanmäßigen Abschreibung des Geschäfts- oder Firmenwerts einen zentralen Stellenwert er2003 langen. Sofern die betreffenden immateriellen Wirtschaftsgüter keiner begrenzten Abnutzung unterliegen, „sind zur Vermeidung von Überbewertungen strengere Maßstäbe an die außerplanmäßige Abschreibung zu legen, da sich kein Ausgleich durch die Verrech2004 nung planmäßiger Abschreibungen einstellt“ . Neben der Dauer der Wertminderung steht hierbei im Besonderen das Verhältnis zwischen Wertminderung und Buchwert im Fokus, um eine Beurteilung der Abschreibungsnotwendigkeit vorzunehmen. Ferner sind steuerrechtliche Absetzungen für außergewöhnliche technische und wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) zulässig, sofern Ereignisse eingetreten sind, die eine Korrektur 2005 der geschätzten Nutzungsdauer rechtfertigen. Bei immateriellen Wirtschaftsgütern lassen sich hierfür u. a. Neuerfindungen der Konkurrenz (Patente) oder veränderte Kundenpräferenzen anführen, die eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung rechtfertigen. Zwischen der Teilwertabschreibung und der AfaA bestehen Interdependenzen, da eine

1997 1998 1999

2000 2001

2002 2003 2004 2005

bung mit dem Argument der Fehlmaßnahme steuerlich nicht anerkannt wird; vgl. Küting 2005b, S. 1127. Vgl. detailliert Karrenbauer/Döring/Buchholz 2003, Rn. 163 zu § 253 HGB, S. 71. Vgl. Moxter 1994, S. 839. Im Schrifttum wird vereinzelt sogar eine Gleichsetzung vorgenommen; vgl. Euler 1991, S. 210; Schildbach 1991, S. 42. Vgl. hierzu die Fallbeispiele von Frye 2002, S. 244 f. BMF 2000, S. 372. Diese Sichtweise wurde zwischenzeitlich ebenfalls durch das BFH bestätigt; vgl. BFH 2006b, S. 666 sowie hierzu ebenfalls Kölpin 2006, S. 840; Teschke 2006, S. 661. FG Münster 2005, S. 617 sowie vgl. hieran anknüpfend Küting 2005b, S. 1121. Vgl. hierzu Abschn. II.A.1 dieses Hauptteils. Karrenbauer/Döring/Buchholz 2003, Rn. 167 zu § 253 HGB, S. 73. Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 5 EStG.

240

Zweiter Hauptteil

Verringerung der ursprünglich geschätzten Nutzungsdauer im Allgemeinen ebenfalls einen geringeren Teilwert impliziert. Allerdings ist die Vornahme der AfaA nicht von der Dauerhaftigkeit der Wertminderung abhängig. Die AfaA hat zudem Vorrang vor der Teilwert2006 abschreibung, d. h. der Teilwert darf erst dann zum Ansatz kommen, wenn dieser niedriger als der Wert ausfällt, der sich bei Vornahme einer AfaA ergäbe. Für die in Rede stehende börsennotierte Publikumsgesellschaft ist seit Inkrafttreten des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 (StEntlG) ein strenges Wertaufholungsgebot zu 2007 befolgen, welches das Beibehaltungswahlrecht des § 253 Abs. 5 HGB außer Kraft 2008 setzt. Durch den BilMoG-RefE soll ein rechtsformunabhängiges Zuschreibungsgebot 2009 2010 (ausgenommen beim derivativen Geschäfts- oder Firmenwert) erfolgen. Eine entsprechende Anwendung erfolgt bereits bei der Erstellung der Steuerbilanz, allerdings inklusive 2011 des derivativen Goodwill. Demnach ist eine Zuschreibung vorzunehmen, sofern der Grund für die außerplanmäßige Abschreibung bzw. Teilwertabschreibung entfällt. Eine Wertaufholung über die (fortgeführten) Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten hinaus ist 2012 hingegen aufgrund des Imparitäts- und Realisationsprinzips nicht zulässig.

3.

IFRS

Nach den IFRS sind diejenigen Intangible Assets mit begrenzter Nutzungsdauer - sofern keine Neubewertung stattfindet - ebenso höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten abzüglich der planmäßigen Abschreibung und außerordentlichen Wertminde2013 rungen zu bewerten. Eine planmäßige Abschreibung scheidet - im Gegensatz zur handels- und steuerrechtlichen Bewertungspraxis - aufgrund der fehlenden physischen Ab2014 nutzbarkeit grds. aus. Allerdings kann im Einzelfall durch Gesetz, Vertrag oder durch das wirtschaftliche Umfeld eine zeitlich begrenzte Nutzbarkeit der Intangible Assets unterstellt werden, der im Allgemeinen durch eine lineare Abschreibung Rechnung zu tragen 2015 ist. Die Anwendung sonstiger Abschreibungsverfahren, z. B. der degressiven oder der

2006 2007 2008 2009

2010 2011

2012 2013

2014 2015

Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG. Vgl. § 280 Abs. 1 HGB. Vgl. stellvertretend Lutz-Ingold 2005, S. 117 sowie Fischer/Wenzel 2001, S. 599. Vgl. zum handelsrechtlichen Zuschreibungsverbot für den derivativen Goodwill Abschn. II.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. § 253 Abs. 5 Satz 1 HGB-E. Vgl. zum steuerrechtlichen Zuschreibungsgebot für den derivativen Goodwill Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. Vgl. Fischer/Wenzel 2001, S. 600. Vgl. IAS 38.74 sowie hierzu auch Hommel 2005, S. 293; vgl. zur Durchführung des Goodwill Impairment Tests auch Abschn. II.B.3 dieses Hauptteils. Vgl. u. a. Freiberg 2006a, S. 119. Vgl. IAS 38.97 sowie hierzu ebenfalls Brinkmann 2006, S. 191; Fasselt/Brinkmann 2004a, S. 67; Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 175. Die Abschreibung nach Maßgabe der Leistung würde nach Einschätzung von Leibfried den Werteverlauf von Intangible Assets am Geeignetsten wiedergeben, wobei auf Grund „praktischer Probleme bei der Umsetzung“ die lineare Methode zu befolgen ist; vgl. Leibfried 2003, S. 221.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

241

leistungsabhängigen Methode, ist lediglich bei begründeten Anhaltspunkten gerechtfer2016 tigt. Angesichts der mangelnden Objektivierbarkeit, die der Bestimmung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von immateriellen Vermögenswerten zugrunde liegt, hat der Bilanzersteller jährlich eine Überprüfung der Nutzungsdauerschätzung vorzunehmen und ggf. den Abschreibungsplan anzupassen. Im Gegenzug zu den steuerlichen AfA-Tabellen, welche lediglich das materielle Anlagevermögen fokussieren, hat die Bilanzierungspraxis Regelvermutungen für die Abschreibungsdauern ausgewählter immaterieller Vermögenswer2017 te nach IFRS festgelegt. Auffällig ist, dass sich das IASB angesichts der schnelllebigen technologischen Entwicklung - in Übereinstimmung mit dem handelsrechtlichen Schrift2018 tum - für eine möglichst kurze Nutzungsdauer ausspricht. Die Berücksichtigung eines Restwerts ist lediglich dann zulässig, wenn eine Verpflichtung eines Dritten, den immateriellen Vermögenswert am Ende der Nutzungsdauer zu erwerben, oder ein aktiver Markt 2019 existiert. Sofern das Unternehmen eine unbestimmbare Nutzungsdauer unterstellt, ist der in Rede stehende immaterielle Vermögenswert keiner planmäßigen Abschreibung zu un2020 terziehen. Neben der planmäßigen Abschreibung ist - vergleichbar mit dem handelsrechtlichen Niederstwerttest - ein Wertminderungstest (Impairment Test) nach IFRS zur Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung vorgesehen. Dieser kommt bei immateriellen Vermögenswerten, die einer begrenzten Nutzung unterliegen, lediglich bei Vorliegen eines oder 2021 mehrerer Anhaltspunkte für eine Wertminderung am Bewertungsstichtag in Betracht. Immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmbarer Nutzungsdauer, dies gilt auch für den 2022 derivativen Goodwill, sind jährlich auf Werthaltigkeit zu prüfen, unabhängig davon, ob 2023 Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorliegen. Vergleichbar mit den handelsrechtlichen GoB ist die Einhaltung des Einzelbewertungsgrundsatzes auch nach IFRS im Regelfall maßgebend. Eine Durchbrechung ist allerdings immer dann erforderlich, sofern die Schätzung des erzielbaren Betrags für den einzelnen Vermögenswert nicht möglich ist; in diesen Fällen gemeinschaftlicher Vermögenswerte (Corporate Assets) ist der erzielbare 2024 Betrag der zahlungsmittelgenerierenden Einheit (Cash Generating Unit) zu bestimmen.

2016

2017 2018 2019 2020

2021 2022 2023

2024

Vgl. IAS 38.98 sowie hierzu ebenfalls Freiberg 2006a, S. 119; anderer Ansicht scheinbar Husmann 2005, S. 682, der ein unbeschränktes Methodenwahlrecht unterstellt. In der jüngeren Vergangenheit haben sich branchenspezifische Verfahren herausgebildet, z. B. die Befolgung der sog. Individual Film Forecast Method bei Medienunternehmen oder die Lebenszyklusmethode bei Pharmazieunternehmen; vgl. Hüttche/Moser 2008, S. 380. Vgl. u. a. Reilly/Schweihs 1998, S. 205 f. Vgl. IAS 38.92 sowie hierzu auch Brinkmann 2006, S. 192. Vgl. IAS 38.100 sowie hierzu ebenfalls Heyd/Lutz-Ingold 2005b, S. 100; Husmann 2005, S. 682. Hiervon ist gem. IAS 38.88 dann auszugehen, wenn alle der Beurteilung der Nutzungsdauer zugrunde liegenden Faktoren kein Ende der Nettozahlungszuflüsse aus dem Asset erkennen lassen. Vgl. IAS 36.9 sowie IDW RS HFA 16.77. Vgl. weiterführend Abschn. II.B.3.b) dieses Hauptteils. Vgl. IAS 36.10 sowie IDW RS HFA 16.77. Diese Verpflichtung gilt daneben für diejenigen immateriellen Vermögenswerte, welche für die betriebliche Nutzung noch nicht fertig gestellt sind. Vgl. IAS 36.66 und die weiterführenden Ausführungen zum Goodwill Impairment Test in Abschn. II.B.3.b)(1) dieses Hauptteils.

242

Zweiter Hauptteil

Ähnliche Überlegungen stellt ebenfalls - wie vorstehend ausgeführt - der handelsrechtliche Gesetzgeber im BilMoG-RefE an. Die Durchführung des Impairment Tests zielt nach IFRS auf einen Vergleich zwischen dem Buchwert (Carrying Amount) und dem erzielbaren Be2025 trag (Recoverable Amount) ab. Letzterer misst den höheren Betrag aus dem Nutzungswert (Value in Use) und dem beizulegenden Zeitwert abzüglich Verkaufskosten (Fair Value less Costs to Sell). Die genannten Wertkonzeptionen nach IFRS lassen sich hierbei mit dem handels- und steuerrechtlichen Verständnis vergleichen. Im Gegensatz zum Handelsund Steuerrecht verfolgt das IFRS hingegen einen reinen indikatorgestützten Ansatz unabhängig von der Dauerhaftigkeit der Wertminderung. Da die Wertminderungsindikatoren sowohl dauerhafter als auch vorübergehender Natur sein können, geht das Schrifttum da2026 von aus, dass eine Wertminderung nach IFRS tendenziell häufiger auftritt. Übersteigt der Buchwert den erzielbaren Betrag, stellt der Unterschiedsbetrag den Wertminderungsaufwand dar, welcher in die GuV eingeht. Bezüglich der weiteren Vorgehensweise bei der Durchführung eines Impairment Test erfolgt ein Verweis auf die nachfolgenden Ausfüh2027 rungen zur Folgebewertung des derivativen Goodwill. Bei Wegfall der Gründe einer außerplanmäßigen Abschreibung ist eine Zuschreibung des 2028 Buchwerts auf seinen (aktuellen) erzielbaren Betrag vorzunehmen. Allerdings darf derjenige (fiktive) Buchwert abzüglich der planmäßigen Abschreibung nicht überschritten werden, welcher aus der Nichtvornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung resultieren 2029 würde. Die Zuschreibung erfolgt in Analogie zur außerplanmäßigen Abschreibung nach einem Wertsteigerungstest und impliziert eine Erhöhung der Leistungsfähigkeit der betreffenden Intangible Assets, die seit der letztmaligen Verbuchung eines Impairment Loss ein2030 getreten ist. Als wesentliche Einflussfaktoren auf die Leistungsfähigkeit fungieren dabei Änderungen hinsichtlich der Marktpreise, der Transaktionskosten oder des Diskontie2031 rungszinssatzes. Bei Intangible Assets mit bestimmbarer Nutzungsdauer ist zu überprü2032 fen, ob bestimmte Anhaltspunkte auf eine Werterholung hinweisen. Immaterielle Vermögenswerte, die eine unbestimmbare Nutzungsdauer vorweisen, müssen hingegen unabhängig von der Existenz von Wertsteigerungsindikatoren den erzielbaren Betrag ermitteln. Eine Wertaufholung bei immateriellen Vermögenswerten, die einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit zugewiesen wurden, hat anteilig auf Basis des Buchwerts der Vermögens2033 werte dieser Einheit zu erfolgen. Diese generelle Zuschreibungspflicht für Intangible Assets nach IFRS wird allerdings - wie im weiteren Verlauf der Analyse zu zeigen ist 2034 beim derivativen Geschäfts- oder Firmenwert durchbrochen.

2025 2026 2027 2028

2029 2030 2031 2032 2033 2034

Vgl. IAS 36.8. Vgl. Kirsch 2007c, S. 516. Vgl. Abschn. II.B.3.b) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch IAS 36.114. Der Ansatz von Interimswerten ist nicht vorgesehen; vgl. auch Hüttche/ Moser 2008, S. 382. Vgl. IAS 36.117. Vgl. weiterführend Lutz-Ingold 2005, S. 235. Vgl. IAS 36.115 f. Vgl. IAS 36.111. Vgl. hierzu IAS 36.122. Vgl. Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

243

Im Vergleich zu den handelsrechtlichen Vorschriften steht nach den IFRS das sog. Full 2035 2036 Disclosure Principle , welches detaillierte Angabepflichten im (Konzern-) Anhang impliziert, im Vordergrund. Durch dieses Vorgehen soll der Informationsfunktion des Ab2037 schlusses Rechnung getragen werden. Neben der Erstellung einer Überleitungsrechnung, 2038 die im Wesentlichen dem handelsrechtlichen Anlagegitter gleichkommt, sind die essentiellen Gründe darzulegen, die zur Annahme einer unbestimmten Nutzungsdauer des jewei2039 2040 ligen Intangible Asset geführt haben. Bei Zugrundelegung des Neubewertungsmodells bedarf es ebenfalls einer Angabe des fiktiven Buchwerts, welcher sich nach der strikten Befolgung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips ergeben hätte. Daneben besteht ein Unternehmenswahlrecht zur Angabe derjenigen Intangible Assets, die bereits vollständig abgeschrieben, aber immer noch betrieblich genutzt werden und derjenigen immateriellen Vermögensgüter, die sich zwar in der Verfügungsmacht des betreffenden 2041 Unternehmens befinden, jedoch die Ansatzkriterien des IAS 38 nicht erfüllen. Diese Angabe stellt einen wesentlichen Ausgangspunkt für das Intangible Asset Reporting dar, weil sie einen - wenngleich minimalen - Beitrag zur Erklärung der Informationslücke zwi2042 schen Unternehmen und Kapitalmarkt leistet. Allerdings ist kritisch zu beurteilen, dass den vorstehend genannten Angaben in der betrieblichen Praxis häufig nicht vollständig nachgekommen wird. Dies verdeutlichte die empirische Untersuchung von Hager und Hitz, die für die DAX-, MDAX- und TecDAX-Unternehmen eine hohe „Nichterfüllungs2043 quote“ konstatierten. In einer Gesamtschau ist dem Financial Accounting nach dem HGB und den IFRS im Hinblick auf die Folgebewertung immaterieller Vermögenswerte ein Informationsdefizit zuzusprechen. Dies gilt insbesondere für die Darlegung der Schätzungen und Prognosen durch das Management. Diese Aussage belegt wiederum die Notwendigkeit der Installierung ei2044 nes Intangible Asset Reporting. 2045

Neben dem vorstehend ausgeführten Kostenmodell (Cost Model) besteht ein bedingtes 2046 Wahlrecht nach IFRS zur Anwendung der Neubewertungsmethode (Revaluation Mo-

2035 2036

2037 2038 2039 2040 2041 2042

2043 2044

2045

Vgl. hierzu Lorson 2005a, S. 18. Vgl. IAS 38.118 bis 38.122 und hierzu auch die Auflistung von Lutz-Ingold 2005, S. 237-239. Im Schrifttum wird jedoch regelmäßig davon ausgegangen, dass eine vollständige Aufdeckung der ausgeübten Ermessens- und Gestaltungsparameter durch die detaillierten Pflichtangaben auch nach IFRS nicht möglich ist; vgl. stellvertretend Hayn/Hold-Paetsch 2005, S. 63. Vgl. IAS 38.118. Vgl. § 268 Abs. 2 HGB. Vgl. Wagenhofer/Moitzi 2006, S. 176. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. II.A.3 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.128. Eine zusammenfassende Übersicht der wesentlichen Angabeverpflichtungen nach IFRS enthält Tabelle 27 im Anhang. Vgl. die grafische Übersicht von Hager/Hitz 2007, S. 211. Vgl. ebenfalls zur Prognosepublizität als Bestandteil des Goodwill Reporting Dritter Hauptteil, Abschn. III.B, weiterführend zur Normierung des Reporting Dritter Hauptteil, Abschn. V. Vgl. Schmidt/Seidel 2006, S. 596. Die weiterhin hohe Bedeutung des Anschaffungskostenprinzips in der IFRS-Rechnungslegung wird mit der „awareness of the danger of distributing any resulting unrealized holding gains“ (Berndt 2003, S. 827) begründet.

244

Zweiter Hauptteil 2047

del). Ein bedeutsames Gestaltungsfeld stellt hingegen die bereits in der organischen Ac2048 counting Theory von Schmidt benannte Möglichkeit einer Neubewertung dar. Wie im Ersten Hauptteil bereits dargelegt, steht die Zuschreibung auf den höheren beizulegenden Zeitwert im Widerspruch zur bisherigen handels- und steuerrechtlichen Betonung des fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips, das sowohl auf die statische als auch auf die dynamische Accounting Theory nach Simon und Schmalenbach zurück2049 geht. Eine Neubewertung des immateriellen Vermögens ist auch nach Inkrafttreten des BilMoG-RefE nicht vorgesehen. Das Neubewertungsmodell nach IFRS sieht den Bilanzansatz zum Neubewertungsbetrag vor, der dem beizulegenden Zeitwert (Fair Value) am Bewertungsstichtag abzüglich späterer kumulierter planmäßiger Abschreibungen und Wertminderungsaufwendungen ent2050 spricht. Insofern gelten die im vorherigen Unterabschnitt enthaltenen Ausführungen zur 2051 Durchführung planmäßiger und außerplanmäßiger Abschreibungen analog. Die Anwendung der Neubewertungsmethode erkennt das IASB lediglich in den Fällen an, 2052 wenn die Voraussetzung eines aktiven Sekundärmarkts erfüllt ist. Dieser Markt zeichnet sich dadurch aus, dass die zugrunde liegenden immateriellen Vermögenswerte homogener 2053 2054 Natur, jederzeit vertragswillige Käufer und Verkäufer auffindbar und die Preise öf2055 fentlich zugänglich sind. Ausreichend ist hierbei die Publizität der Marktpreise, z. B. in 2056 einer entsprechenden Tageszeitung. Die Neubewertung ist dabei jeweils für die gesamte

2046

2047

2048 2049 2050

2051 2052

2053 2054 2055

2056

Das Neubewertungswahlrecht gilt überdies für das Sachanlagevermögen. Vgl. u. a. detailliert zur Vorgehensweise nach IAS 16 Antonakopoulos 2005, S. 104; Hoffmann/Lüdenbach 2003, S. 565; Lüdenbach/Hoffmann 2003c, S. 145; Padberg 2004, S. 1094. Vgl. stellvertretend Bieg et al. 2006b, S. 133; Schmidt/Seidel 2006, S. 596; Teitler-Feinberg 2006, S. 15 f. und zu den Auswirkungen auf bilanzanalytische Kennzahlen Kirsch 2006b, S. 88. Die frühere Unterscheidung in bevorzugte Methode und alternativ zulässige Methode wurde im Zuge des Improvement Project aufgegeben. Obwohl das IASB vormals betonte, dass beide Methoden gleichwertig einander gegenüberstehen, sorgte die damalige Unterscheidung in der Unternehmenspraxis für Missverständnisse. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. I.C.1 des Ersten Hauptteils. Vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2-3. Vgl. IAS 38.75 sowie hierzu im Einzelnen Hommel 2005, S. 293. Durch die EU-ModernisierungsRichtlinie ist die Implementierung eines Wahlrechts zur Neubewertung des gesamten Anlagevermögens (d. h. auch des immateriellen Vermögens) erfolgt; vgl. Art. 33 Abs. 1 c) Vierte EG-Richtlinie in Verbindung mit Art. 29 Siebente EG-Richtlinie sowie hierzu Böcking 2004a, S. 114; Böcking/Herold/Wiederhold 2003, S. 400, die konstatieren, das „eine vormals verursachte Nachlässigkeit korrigiert“ worden ist; Pottgießer 2008, S. 166. Vgl. Abschn. II.A.1 dieses Hauptteils. Vgl. zur äußerst geringen Anwendung in der Unternehmenspraxis Padberg 2004, S. 1095, der ihnen lediglich ein „Schattendasein“ attestiert. Gleicher Ansicht sind Küting/Dawo 2002, S. 1207; Küting/ Zwirner/Reuter 2007, S. 503. Demnach wendet keines der untersuchten Unternehmen die Neubewertungsmethode im Bereich der immateriellen Vermögenswerte an. Vgl. IAS 38.8 (a). Vgl. IAS 38.8 (b). Diese Forderung soll dem Grundsatz der Fungibilität Rechnung tragen. Vgl. IAS 38.8 (c). Das IASB unterstellt idealtypischerweise einen Kapitalmarkt nach der Neoklassik; vgl. hierzu Erster Hauptteil, Abschn. I.A.1. Vgl. auch Baetge/von Keitz 2006, Rn. 110-114 zu IAS 38, S. 52 f.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

245

2057

Gruppe der immateriellen Vermögenswerte durchzuführen, so dass eine „selektive Neubewertung“ und die daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf den Grundsatz der 2058 Vergleichbarkeit verhindert werden sollen. Als Beispiele für eine Gruppierung fungieren u. a. Marken, Drucktitel und Verlagsrechte, Computersoftware, Lizenzen, Patente und 2059 Konzessionen sowie Prototypen und Geheimverfahren. Das IASB trifft die generelle Annahme, dass bei Intangible Assets mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Rückgriff auf das Cost Model erfolgt, da ein aktiver Markt zur Neubewertung 2060 nur in Ausnahmefällen existiert. Ausgeschlossen ist die Existenz aktiver Sekundärmärk2061 te für Marken , Drucktitel bei Zeitungen, Musik- und Filmverlagsrechte, Patente oder 2062 Warenzeichen. Kritisch zu beurteilen ist, dass z. B. Marken, Drucktitel und Patente - wie oben ausgeführt - als Beispiele für eine Gruppierung angegeben werden, obgleich ein Sekundärmarkt und somit die Möglichkeit einer Neubewertung nahezu ausgeschlossen wird. Das IASB ist aufgefordert, diesen Zirkelschluss zu beheben. Die genannten Beispiele stellen gleichwohl zentrale immaterielle Werttreiber des Unternehmens dar. Ein Ausschluss von der Möglichkeit einer Neubewertung begründet das IASB indirekt mit Objektivierungserfordernissen der statischen Accounting Theory nach 2063 Simon. Dieses Vorgehen steht im Widerspruch zu der generellen Auffassung des internationalen Standardsetters, wonach die Fair Value-Bilanzierung gegenüber der Einhaltung des Anschaffungs- und Herstellungskostenprinzips hinsichtlich der Entscheidungsnütz2064 lichkeit überlegen ist. Ebenso lässt sich die Neubewertungsrestriktion für immaterielle Werte nicht mit dem noch darzustellenden Stufen-Modell vereinbaren, welches dem 2065 Wertminderungstest zugrunde liegt. Hiernach ist ein Rückgriff auf die Verfahren der Unternehmensbewertung geboten, sofern kein aktiver Markt oder ein Markt für vergleichbare Vermögenswerte existieren. Bezogen auf die Häufigkeit der Neubewertung sind die Verlautbarungen hingegen weniger 2066 restriktiv als beim Wertminderungstest nach IFRS, da erstere nicht zwingend einmal pro

2057

2058 2059 2060

2061

2062 2063

2064 2065 2066

Eine Gruppe immaterieller Vermögenswerte stellt gem. IAS 38.73 eine Zusammenfassung von Vermögenswerten dar, die hinsichtlich ihrer Art und ihres Verwendungszwecks innerhalb des Unternehmens ähnlich sind. Vgl. hierzu mit Angabe von Anwendungsbeispielen Hommel 2005, S. 294. Vgl. IAS 38.119; hierzu auch Heyd/Lutz-Ingold 2005b, S. 101. Das IASB führt als Beispiele frei übertragbare Taxi- und Fischereilizenzen sowie Produktionsquoten an; vgl. IAS 38.78. Vgl. auch das Ansatzverbot für bestimmte selbsterstellte Intangible Assets in Abschn. I.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.78 sowie hierzu im Einzelnen Hommel 2005, S. 294. Angesichts der „Einzigartigkeit dieser Vermögenswerte“ ist von einer Bewertung zum beizulegenden Zeitwert abzusehen; vgl. IAS 38.78 sowie grundlegend zur statischen Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.2. Vgl. daneben die kritischen Anmerkungen in Abschn. III.A.1.b) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu im Einzelnen Abschn. II.B.3.b)(2) und Abschn. III.A.1.a) dieses Hauptteils. Vgl. allerdings daneben die Erleichterungsvorschriften bei der Ermittlung des erzielbaren Betrags in Abschn. III.A.2.c) dieses Hauptteils.

246

Zweiter Hauptteil 2067

Jahr durchzuführen ist. Wenn mit „hinreichender Regelmäßigkeit“ sichergestellt wird, dass der neue Buchwert unwesentlich vom Neubewertungsbetrag abweicht, bleibt der 2068 Wertansatz konstant und eine weitere Neubewertung unterbleibt (vorerst). Vielmehr hängt die Häufigkeit der Neubewertung von der Volatilität der beizulegenden Zeitwerte ab. Es lassen sich hingegen immaterielle Vermögenswerte annehmen, deren Fair Value starken Schwankungen unterliegen und daher eine jährliche Neubewertung rechtfertigen. Weiterführende Beispiele werden allerdings nicht vom IASB aufgeführt, so dass dem Management ein wesentlicher Ermessens- und Gestaltungsspielraum verbleibt. Das Konzept der Neubewertung entstammt - wie bereits eingangs erwähnt - der organischen Accounting Theory nach Schmidt, wonach Zuschreibungen über die fortgeführten Anschaffungskosten hinaus grds. erfolgsneutral in ein Unterkonto des Eigenkapitals, die 2069 Neubewertungsrücklage, einzustellen sind. Eine erfolgswirksame Erfassung erfolgt lediglich in den Fällen, in denen eine ehemals vorgenommene (ergebniswirksame) außer2070 planmäßige Abschreibung rückgängig gemacht wird. Bei Gewinnrealisation, spätestens bei Beendigung der Nutzung oder Veräußerung der neubewerteten immateriellen Vermö2071 2072 genswerte, sind die Überschüsse in die Gewinnrücklagen einzustellen. Es besteht jedoch ein Unternehmenswahlrecht zwischen einer vollständigen Umbuchung am Ende der Nutzungsdauer oder einer ratierlichen Ausbuchung im Ausmaß der Differenz zwischen der Abschreibung auf den neubewerteten Buchwert und der Abschreibung auf die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten, so dass der Grundsatz der Vergleichbarkeit der 2073 Abschlüsse zusätzlich beeinträchtigt wird.

2067

2068

2069

2070

2071 2072 2073

Unter Rückgriff auf die Verlautbarungen in IAS 16.32 wird eine durchschnittliche Neubewertungsfrequenz von drei bis fünf Jahren empfohlen, sofern die Fair Values der Intangible Assets keinen starken Schwankungen unterlegen; vgl. hierzu auch Baetge/von Keitz 2006, Rn. 116 zu IAS 38, S. 54. Aus Kostengesichtspunkten ist diese Erleichterungsvorschrift zu begrüßen, allerdings ergeben sich aufgrund des unbestimmten Rechtsbegriffs „unwesentliche Abweichung“ wesentliche Ermessensspielräume der Unternehmensleitung, die den Grundsatz der Verlässlichkeit konterkarieren; vgl. ebenfalls zum Postulat der Wesentlichkeit i. R. d. Business Risk Auditing und zu den Auswirkungen auf die Prüfungsqualität Vierter Hauptteil, Abschn. I.B. Vgl. IAS 38.85 sowie zur Bilanzverlängerung Schmidt/Seidel 2006, S. 597 und zur latenten Steuerabgrenzung nach IAS 12 u. a. Antonakopoulos 2005, S. 106; Hoffmann/Lüdenbach 2003, S. 567. Schmidt forderte i. R. d. organischen Accounting Theory, Scheingewinne aus Objektivierungserfordernissen bis zur endgültigen Realisation aus der Erfolgsrechnung (GuV) fernzuhalten; vgl. Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1 sowie Abschn. III.B.2.a) dieses Hauptteils. Die Anwendung der Neubewertungsmethode führt regelmäßig zu einem Anstieg des betrieblichen Abschreibungspotenzials, sofern der Fair Value die (fortgeführten) Anschaffungskosten übersteigt; vgl. Wiemer 2005, S. 350. Vgl. Schmidt/Seidel 2006, S. 597. Bei einer festgestellten Wertminderung erfolgt ebenso zuerst eine (erfolgsneutrale) Neutralisation der noch auf dem Neubewertungskonto befindlichen ehemaligen Zuschreibungen. Erst bei vollständigem Ausgleich der Rücklage wird der überschießende Betrag erfolgswirksam berücksichtigt; vgl. hierzu die grafische Darstellung von Kisser 2004, S. 169 f. Eine gegensätzliche Vorgehensweise ergibt sich, sofern i. R. d. Neubewertung der Fair Value geringer ausfällt als die fortgeführten Anschaffungskosten. Dieser Fall wird im Folgenden vernachlässigt. Vgl. anhand eines Rechenbeispiels Antonakopoulos 2005, S. 108. Vgl. IAS 38.87 sowie hieran anknüpfend Kirsch 2005a, S. 73. Vgl. IAS 38.87 sowie hierzu im Einzelnen Baetge/von Keitz 2006, Rn. 120 zu IAS 38, S. 55 f.; Langecker/Mühlberger 2003b, S. 120 f.; Schmidt/Seidel 2006, S. 598.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

247

Die bisherige Formulierung des Folgebewertungswahlrechts wird im Schrifttum kritisch gewürdigt. Hepers schlägt vor, bei Vorliegen eines aktiven Markts ein Gebot zur Anwendung des Neubewertungsmodells zu implementieren und in den anderen Fällen das Cost 2074 Model verpflichtend vorzuschreiben. Dem steht entgegen, dass Gaeremynck und Veuge2075 lers unter Berücksichtigung eines Neubewertungswahlrechts bei Unternehmen „mit einer guten Performance“ modellgestützt eine freiwillige Beibehaltung des Anschaffungsund Herstellungskostenprinzips nachweisen. Nach Maßgabe der Signalling Theory verdeutlicht das Unternehmen mit der vorstehenden Strategie den Investoren, dass infolge der 2076 positiven Erfolgslage auf eine „Bilanzschönung“ in Form der Zuschreibung auf den höheren Fair Value verzichtet wird. Insofern ist eine Selbstregulierung durch den Kapital2077 markt im Hinblick auf die Einhaltung des Cost Model zu vermuten. Des Weiteren ließe sich eine vollständige Abschaffung der Neubewertung zugunsten des Cost Model rechtfertigen, um die strenge Einhaltung des noch darzustellenden Preinreich/ 2078 Lücke-Theorems zu garantieren. Angesichts der Tatsache, dass der Fair Value der in Rede stehenden immateriellen Vermögenswerte auch außerbilanziell, z. B. im (Konzern-) Anhang bereitgestellt werden kann, ist einer Abschaffung der Neubewertungsmethode nach IAS 38 zuzustimmen.

B.

Goodwill

1.

Handelsrecht 2079

Die bisherige oben angeführte Uneinigkeit bezüglich des bilanzrechtlichen Charakters des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtlichen Jahresabschluss basiert 2080 u. a. auf dem kodifizierten Wahlrecht zwischen planmäßiger und pauschaler Abschrei2081 bung. Angesichts der Tatsache, dass für den derivativen Goodwill de lege lata ein Ansatzwahlrecht besteht, kommt ebenfalls eine Sofortabschreibung im Jahr der Aktivierung in Betracht. Die Sichtweise, den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert „durch angemessene Abschreibungen zu tilgen“, geht zurück auf die Reichspräsidenten-Verordnung vom 2082 19.09.1931 , die auch während der Versagung der planmäßigen Abschreibung in der

2074 2075 2076 2077 2078 2079 2080

2081 2082

Vgl. Hepers 2005, S. 326. Vgl. Gaeremynck/Veugelers 1999, S. 123-138. Moitzi 2007, S. 51. Vgl. zur Signalling Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.B.1. Vgl. hierzu Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.1.a). Vgl. Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Diese Form der Abschreibung wird als pauschal bezeichnet, da sie keinem geregelten Abschreibungsplan folgt und somit keine zukünftige Planungssicherheit für die Adressaten impliziert. Zwingmann legt den Terminus der „beschleunigten Abschreibung“ zugrunde; vgl. Zwingmann 1994, S. 2314. Vgl. § 255 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB. Verordnung des Reichspräsidenten 1931, S. 493-508 sowie vgl. § 261 Nr. 4 HGB in der Fassung von 1931. § 153 Abs. 5 Satz 3 AktG in der Fassung von 1965 beinhaltete die jährliche Abschreibung des derivativen Goodwill zu mindestens einem Fünftel (pauschale Abschreibung). Eine planmäßige Abschreibung ist dagegen nicht vorgesehen gewesen; vgl. ebenso die Anmerkungen bei Söffing 1988, S. 606. Die mögliche Erhöhung des Abschreibungssatzes ist Ausfluss der Vierten EG-Richtlinie; vgl. (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

248

Zweiter Hauptteil

Steuerbilanz ihre handelsrechtliche Bedeutung beibehielt. Die durch das Bilanzrichtlinien2083 Gesetz (BiRiLiG) eingeführte Option einer planmäßigen Abschreibung des derivativen 2084 Goodwill ohne Nennung einer festgelegten Nutzungsdauer zielte auf die Wahrung der Einheitsbilanzierung ab, d. h. einer Anknüpfung an die Bewertungsvorschriften des § 7 2085 EStG. Eine ökonomische Begründung hatte der Gesetzgeber dagegen ausgespart. Bei der Erstellung des Abschreibungsplans, welcher dem „tatsächlichen Entwertungsverlauf“ des derivativen Goodwill Rechnung trägt, sind ebenfalls keine Indikatoren explizit angegeben, die bei der Schätzung der Nutzungsdauer heranzuziehen sind. Im Schrifttum werden als Leitfäden u. a. geplante Stilllegungstermine oder Produktlebenszyklen, Restlaufzeiten von Lieferverträgen oder die verbleibende Dienstzeit von Mitgliedern des Leitungsor2086 gans angeführt. Der BilMoG-RefE sieht in Kombination mit der zukünftigen Ansatzpflicht durch die Strei2087 chung von § 255 Abs. 4 HGB eine zwingende planmäßige Abschreibung des derivativen 2088 Goodwill und mithin ein Verbot zur pauschalen Abschreibung vor. Durch dieses Vorgehen wird - wie weiterführend beschrieben - eine tendenzielle Annäherung an das Steuer2089 recht erzielt. Eine Kongruenz zu den IFRS lässt sich im Rahmen der Folgebewertung des derivativen Goodwill hierdurch nicht herstellen und ist auch nicht durch den Gesetzge2090 Eine ausschließlich außerplanmäßige Abschreibung auf Basis von ber beabsichtigt. Werthaltigkeitstests wird abgelehnt, da die Verlässlichkeit in Frage steht. Wie die weiteren 2091 Ausführungen zum IOA nach den IFRS belegen, ist dieses Vorgehen gerechtfertigt. Die Abschaffung der pauschalen Abschreibung des derivativen Goodwill infolge des BilMoGRefE führt zu einem eingeschränkten rechnungslegungspolitischen Gestaltungspotenzial

2083

2084

2085 2086

2087 2088 2089 2090

2091

Art. 37 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Art. 34 Abs. 1 a Vierte EG-Richtlinie sowie hierzu im Einzelnen Kloos 1993, S. 213; Meyer 1991, S. 13. Vgl. BiRiLiG, S. 2355 sowie grundlegend zu den Inhalten Busse von Colbe 1985, S. 761-782; Busse von Colbe 1987, S. 191-205; Eierle 2004b, S. 145-150; Schulze-Osterloh 1986, S. 532-569; Stein 1985, S. 752-760; von Wysocki 1985, S. 735-751. Eine Obergrenze für die Abschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts sieht der Gesetzgeber im Gegensatz zu IAS 22.44 (rev. 1998) nicht vor. Letzterer beinhaltete die widerlegbare Vermutung, dass die Überschreitung einer Abschreibungsgrenze von zwanzig Jahren nur in wenigen Fällen („in rare cases“) zu rechtfertigen ist; vgl. u. a. Hornung 2002, S. 32; Pellens/Fülbier 2000b, S. 52. Dabei hatte der Bilanzersteller überzeugendes Beweismaterial (Persuasive Evidance) beizubringen; vgl. hierzu ausführlich Lüdenbach/Hoffmann 2003c, S. 150. Im Schrifttum wird eine maximale Nutzungsdauer von fünfzehn bis vierzig Jahren diskutiert; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 21 zu § 309 HGB, S. 699; AKEU 1999, S. 34; Zielke 1995, S. 837. Vgl. BiRiLiG-BegrRegE, S. 101. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 20 zu § 309 HGB, S. 699 sowie hierzu ebenfalls Krolak 2000, S. 67. Als Anhaltspunkte können ebenfalls die ehemaligen Verlautbarungen des IASB zu IAS 22.48 (rev. 1998) herangezogen werden, die u. a. die Stabilität und Vorhersehbarkeit der Lebensdauer des Industriezweigs, die Höhe der Instandhaltungsaufwendungen oder den Kontrollzeitraum über das erworbene Unternehmen anführen; vgl. detailliert Krolak 2000, S. 76. Vgl. hierzu Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB-E sowie BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 94. Vgl. detailliert Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 4 (§ 246 HGB), S. 94 f. sowie zum IOA nach den IFRS Abschn. II.B.3 dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. III.A.2 dieses Hauptteils.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

249

bzw. fördert die zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit der Abschlüsse und ist daher zu begrüßen. Die allgemeinen Angabeverpflichtungen im Anhang sehen eine Darlegung der Bilanzie2092 rungs- und Bewertungsmethoden vor; dies schließt die Behandlung eines derivativen 2093 Geschäfts- oder Firmenwerts ein. Wird von der Möglichkeit einer Aktivierung des derivativen Goodwill Gebrauch gemacht, sind de lege lata im Anhang die Gründe für die Akti2094 2095 vierung und die Auswahl der planmäßigen Abschreibungsmethode anzugeben. Die 2096 Neufassung von § 285 Nr. 13 HGB-E infolge des BilMoG-RefE sieht die Darlegung der Gründe, welche die Annahme einer betrieblichen Nutzungsdauer von mehr als fünf Jahren rechtfertigen, vor. Der Verweis auf die entsprechende steuerrechtliche Abschreibungsdauer reicht nach Auffassung des Gesetzgebers als Begründung nicht aus, weil letztere fiskalpolitischer Natur ist und nicht zwingend der tatsächlichen Nutzungsdauer des derivativen Ge2097 schäfts- oder Firmenwerts entspricht. Die Formulierung der neugefassten Anhangangabe ist unglücklich gewählt, da die Orientierung an einer fünfjährigen Nutzungsdauer, welche auf die Vierte EG-Richtlinie zurückgeht, ebenfalls nicht generell dem True and Fair ViewPrinzip entsprechen dürfte. Vielmehr sollten unabhängig von der Länge der Nutzungsdauer (auch bei weniger als fünf Jahren) die Gründe durch die Unternehmensleitung angegeben werden. 2098

Zusätzlich müssen die in Rede stehenden börsennotierten Kapitalgesellschaften einen 2099 Anlagespiegel für immaterielle Vermögensgegenstände und den derivativen Goodwill 2100 („Firmenwertspiegel“) erstellen. Die nachfolgende Abbildung 21 zeigt den Aufbau eines handelsrechtlichen Anlagespiegels. Es besteht hierbei ein Ausweiswahlrecht innerhalb der Bilanz oder im Anhang. Die Bedeutung der Goodwill-Angaben für die handelsrechtliche 2101 Jahresabschlussanalyse wird jedoch im Schrifttum als wenig aussagekräftig erachtet. Bei der Festlegung des Zugangs- und Abgangszeitpunkts ergeben sich bei den immateriellen

2092 2093 2094 2095

2096

2097

2098

2099 2100

2101

Vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 288 zu § 255 HGB, S. 426. Vgl. § 255 Abs. 4 Satz 3 HGB. Vgl. § 285 Nr. 13 HGB; weiterführend auch Art. 37 Abs. 2 Satz 2 Vierte EG-Richtlinie und Adler/ Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 244 f. zu § 285 HGB, S. 146; Duhr 2003, S. 976. Eine entsprechende Angabeverpflichtung ist gem. § 314 Abs. 1 Nr. 18 HGB-E für den Konzernabschluss vorgesehen. Vgl. zur Darlegung von Anhaltspunkten, die für eine längere als vier Jahre dauernde Nutzung sprechen, Wotschofsky/Topp 2004, S. 390. Die Verpflichtung erstreckt sich auf mittelgroße und große Kapitalgesellschaften im Sinne des § 267 Abs. 2 und Abs. 3 HGB. Vgl. Freidank/Velte 2007, S. 570. Vgl. § 268 Abs. 2 HGB; grundlegend zur Erstellung eines Anlagespiegels Adler/Düring/ Schmaltz 1997, Rn. 43 bis 68 zu § 268 HGB, S. 214-224; Kraft 2002, Rn. 17 zu § 309 HGB, S. 1433; Veit 1995, S. 2130; Wagner 2006a, S. 70 sowie zu einer empirischen Untersuchung zum Offenlegungsverhalten Focken/Plawky 2004, S. 298-307. Vgl. u. a. Ludz 1997, S. 339.

250

Zweiter Hauptteil

Vermögensgegenständen besondere Abgrenzungsdefizite, so dass ein Rückgriff auf „Zu2102 gangs- und Abgangsfiktionen“ erforderlich ist. (1)

(2)

(3)

(4)

(5)

AK/HK 1.1.t0

Zugänge

Abgänge

Umbuchungen

Zuschreibungen

Abbildung 21:

(6)  Abschreibungen

(7)

(8)

31.12. t0

31.12. t-1

Struktur des handelsrechtlichen Anlagespiegels

(9) Abschreibungen t0

2103

Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit bei der Nutzungsdauerschätzung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts ist die Durchführung einer empirischen Untersuchung zur Bil2104 dung branchenbezogener Bandbreitenwerte anzuregen. Sofern ein bestimmtes Unternehmen von diesen zu ermittelnden Benchmarks bei der planmäßigen GoodwillAbschreibung abweicht, sollte de lege ferenda zumindest eine zusätzliche Begründung im (Konzern-) Anhang einzufordern sein. Der handelsrechtliche Niederstwerttest erlangt auch dann Gültigkeit, wenn der derivative 2105 2106 klassifiziert wird. DemGoodwill - wie vorstehend ausgeführt - als Wert eigener Art nach ist eine außerplanmäßige Abschreibung auf den niedrigeren beizulegenden Wert bei 2107 einer voraussichtlich dauernden Buchwertminderung geboten. Indikatoren, die zu einer außerplanmäßigen Goodwill-Abschreibung führen, können u. a. eine nachhaltig schlechte Ertragslage, das Ausscheiden wichtiger Know How-Träger aus dem erworbenen Unter2108 nehmen sowie der Nichteintritt von geplanten Synergieeffekten sein. Die Zuschreibung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtlichen Jahresabschluss wurde in der Vergangenheit kontrovers diskutiert. Das für die in Rede ste2109 hende börsennotierte Kapitalgesellschaft zwingend zu befolgende Wertaufholungsgebot 2110 findet nach h. M. keine Anwendung für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert. So wird argumentiert, dass das handelsrechtlich dominierende Vorsichtsprinzip und das Aktivierungswahlrecht des § 255 Abs. 4 HGB sowie die Möglichkeit der pauschalen Abschrei2102 2103 2104

2105

2106 2107

2108

2109 2110

Adler/Düring/Schmaltz 1997, Rn. 73 zu § 268 HGB, S. 225. Modifiziert entnommen von Freidank/Velte 2007, S. 571. Bis dato liegen lediglich Vorgaben für den US-amerikanischen Kapitalmarkt vor; vgl. zu einer Brancheneinteilung in freie Berufe (fünf Jahre), Dienstleistungsunternehmen (zehn Jahre) und Industrieunternehmen (fünfzehn Jahre) Heckler 1997, S. 17; hierauf Bezug nehmend und übertragend auf das Handelsrecht Schmidt 2007b, S. 270 f. Vgl. zur handelsrechtlichen Einordnung des derivativen Goodwill im Jahresabschluss Abschn. I.E.2 dieses Hauptteils. Vgl. § 253 Abs. 2 Satz 3 HGB. Vgl. zustimmend Krolak 2000, S. 120 und Fasselt/Brinkmann 2004b, S. 60, die auf die Probleme bei der Ermittlung des beizulegenden Zeitwerts des Goodwill hinweisen. Gemäß § 253 Abs. 2 Satz 3 und § 279 Abs. 1 Satz 2 HGB ist das Abschreibungswahlrecht des Goodwill bei einer voraussichtlich vorübergehenden Wertminderung für die in Rede stehenden Kapitalgesellschaften nicht zulässig. Vgl. ausführlich Adler/Düring/Schmaltz 1996, Rn. 25 zu § 309 HGB, S. 700 sowie zu den Analogien zu den IFRS Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils. Vgl. § 280 Abs. 1 HGB. Vgl. AKEU 2003, S. 1587; Heyd 2004, S. 275 sowie Pellens/Sellhorn 2001b, S. 714 m. w. N.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

251

bung auf eine vom Gesetzgeber präferierte möglichst schnelle bilanzielle Ausbuchung des derivativen Goodwill hindeutet, die mit einer Zuschreibungspflicht nicht in Einklang ste2111 hen. Ferner wird auf die Gefahr der Nachaktivierung originärer Bestandteile des Ge2112 schäfts- oder Firmenwerts hingewiesen. Die fehlende Zuschreibungsmöglichkeit des derivativen Goodwill im handelsrechtlichen Jahresabschlusses stützt sich mithin auf die eingangs erwähnte Klassifizierung als „Wert eigener Art“ anstelle einer Einordnung als Vermögensgegenstand. Durch den BilMoG-RefE folgt der Gesetzgeber der h. M. bezüglich der Wertaufholung 2113 und zugleich dem Grundsatz der Rechtsklarheit. Eine Zuschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts soll künftig explizit unterbunden werden, da das Risiko einer 2114 Nachaktivierung originärer Bestandteile besteht. Den Reformvorschlägen des Gesetzgebers ist zuzustimmen, da die bisherige Regelungslücke zu einer erheblichen Verwirrung aufseiten der Adressaten geführt hat. Allerdings enthält der BilMoG-RefE einen wesentlichen Widerspruch, da das nunmehr rechtsformunabhängige Zuschreibungsgebot bei Vermögensgegenständen (einschließlich einer Nichtanwendung beim derivativen Goodwill) gleichzeitig mit einer „Vermögensgegenstandsfiktion“ des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts einhergeht. Im handelsrechtlichen Konzernabschluss besteht de lege lata ein Wahlrecht zwischen erfolgswirksamer und -neutraler Folgebewertung des aus dem positiven Unterschiedsbetrag 2115 aus der Kapitalkonsolidierung abgeleiteten derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts. Die auf Einzelabschlussebene bereits dargelegten Möglichkeiten einer planmäßigen Abschreibung des derivativen Goodwill über seine voraussichtliche Nutzungsdauer sowie die pauschale Abschreibung zu mindestens einem Viertel sind bisher ebenfalls bei der Kapi2116 talkonsolidierung zulässig. Allerdings erfolgt der Hinweis, dass objektive Anhaltspunkte für eine verlässliche Schätzung der Nutzungsdauer i. d. R. nicht vorliegen, weil der Good2117 will durch eine Heterogenität und Individualität determiniert wird. Eine erfolgsneutrale Behandlung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts ist bislang ebenso möglich, wonach zumindest eine (vollständige) „offene“ Verrechnung mit den Rücklagen gestattet 2118 ist. Das Schrifttum diskutiert überdies kontrovers die Möglichkeit einer ratierlichen Ver2119 rechnung. Ferner werden eine Kombination aus erfolgswirksamer und erfolgsneutraler 2111

2112 2113 2114 2115

2116

2117

2118 2119

Vgl. zu dieser Auffassung Adler/Düring/Schmaltz 1995a, Rn. 287 zu § 255 HGB, S. 425 und ders. 1996, Rn. 28 zu § 309 HGB, S. 700 sowie Krolak 2000, S. 94. Vgl. zur weitgehend deckungsgleichen Argumentation des IASB Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils. Vgl. § 253 Abs. 5 Satz 2 HGB-E. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 10 (§§ 253 und 254 HGB), S. 115. Vgl. § 301 Abs. 3 Satz 1 HGB sowie ausführlich zu den Bewertungsoptionen u. a. Weber/Zündorf 1989, S. 334-338. Vgl. § 309 Abs. 1 Satz 1, 2 HGB; hierzu auch Kraft 2002, Rn. 20 zu § 309 HGB, S. 1434 f. sowie Zielke 1995, S. 836 f, der von einer maximalen Dauer von zwanzig Jahren ausgeht; vgl. ebenfalls Kommission 1985, S. 274. Vgl. die Ausführungen in Abschn. I.E.1.a) dieses Hauptteils sowie weiterführend Adler/Düring/ Schmaltz 1995a, Rn. 283 zu § 255 HGB, S. 424; Moxter 1993a, S. 853-861. Vgl. § 309 Abs. 1 Satz 3 HGB. Vgl. zustimmend Kraft 2002, Rn. 1 zu § 309 HGB, S. 1431; Küting 1995, S. 193, der auf die fehlende Konkretisierung des Gesetzgebers hinweist. Gegen die erfolgsneutrale Rücklagenverrechnung wird (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

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Zweiter Hauptteil 2120

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Behandlung sowie eine Saldierung mit dem negativen Goodwill als zulässig erachtet. Eine von der C & L Deutsche Revision durchgeführte empirische Untersuchung handelsrechtlicher Konzernabschlüsse in den 1990er Jahren gelangte zu dem Ergebnis, dass die planmäßige Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer und die erfolgsneutrale Rücklagenverrechnung des Goodwill die in der deutschen Unternehmenspraxis am Häu2122 figsten vorkommenden Bewertungsverfahren darstellten. Angesichts der Tatsache, dass auch eine jederzeitige Vollabschreibung des derivativen Goodwill möglich ist, wird das 2123 Wertaufholungsgebot faktisch außer Kraft gesetzt. In Übereinstimmung zur bilanziellen Behandlung im handelsrechtlichen Jahresabschluss lehnt das Schrifttum mehrheitlich auch 2124 eine Wertaufholung des konsolidierten Goodwill ab. Angesichts dieser weitreichenden Ermessens- und Gestaltungsspielräume, welche den Grundsatz der Vergleichbarkeit der Abschlüsse negativ beeinflussen, schränkt der DSR die oben dargestellten Bewertungswahlrechte des HGB erheblich ein. Eine (vollständige und ratierliche) erfolgsneutrale Verrechnung des derivativen Goodwill mit dem Konzerneigen2125 kapital wird abgelehnt. Zudem ist das handelsrechtliche Wahlrecht zwischen pauschaler und planmäßiger Abschreibung zugunsten einer planmäßigen (linearen) Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer aufgehoben, die lediglich in begründeten Ausnah2126 mefällen einen Zeitraum von zwanzig Jahren übersteigen darf. Als Anhaltspunkte für die Schätzung der Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts sind u. a. die Stabilität der Branche, das erwartete Verhalten der Konkurrenz oder der Umfang von 2127 Erhaltungsaufwendungen angegeben. Eine ausreichende Objektivierung kann jedoch

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vorgebracht, dass ein wesentlicher Verstoß gegen das Kongruenzprinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB zu konstatieren ist; vgl. Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 45 zu § 309 HGB, S. 705; Baetge/Siefke 1999, S. 686 und 691; Kahle 2003b, S. 779; weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.1.a). Eine aussagekräftige ökonomische Begründung für die erfolgsneutrale Folgebewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts liegt nicht vor. Stattdessen wird die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Konzernabschlusses in erheblichem Maße beeinträchtigt; vgl. u. a. Oser 1995, S. 267 und 275. Das Wahlrecht geht auf Art. 30 Abs. 2 Siebente EG-Richtlinie zurück, das als Ausfluss des damaligen Bilanzierungsverhaltens in einzelnen EU-Staaten zu erachten ist und als Kompromiss in der Richtlinie Einklang gefunden hat. Vgl. u. a. Heyd 2004, S. 275; Küting 2000c, S. 97; Lachnit et al. 1999, S. 680; Lewicki 2002, S. 56; Pellens/Sellhorn 2001b, S. 714; Weber/Zündorf 1989, S. 337 f; vgl. in diesem Zusammenhang auch die grafische Darstellung von Küting/Hayn 1996, S. 57. Vgl. ausführlich Klein 2000, S. 790 f. Vgl. C & L (Hrsg.) 1997, S. 65 sowie zu einer älteren empirischen Untersuchung Rammert/Wilhelm 1991, S. 131-136. Vgl. § 298 Abs. 1 und § 280 Abs. 1 HGB; erläuternd Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 27 zu § 309 HGB, S. 700. Vgl. § 309 HGB sowie hierzu im Einzelnen Adler/Düring/Schmaltz 1995b, Rn. 27 zu § 309 HGB, S. 700 m. w. N. Vgl. DRS 4.28 f. Vgl. DRS 4.31 sowie weiterführend Ballwieser 2001d, Rn. 21 zu § 309 HGB, S. 993 f.; Böcking/ Klein/Lopatta 2000, S. 436; Fülbier 2000, S. 1344; Peemöller/Geiger 2001, S. 286 Vgl. DRS 4.33.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

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angesichts der fehlenden Konkretisierung der o. g. Kriterien nicht attestiert werden. Liegen „überzeugende“ Gründe vor, dass anstelle der linearen Methode ein anderes Abschreibungsverfahren (z. B. die pauschale Abschreibung) den tatsächlichen Werteverzehr des derivativen Goodwill zutreffender darstellt, besteht nach Ansicht des DSR die Möglichkeit 2129 einer Änderung des Abschreibungsplans. Analog zur Aufteilung des derivativen Good2130 will auf Cash Generating Units nach IFRS ist dieser auf die betreffenden Geschäftsfel2131 der des Unternehmens zu verteilen. Allerdings unterbleiben konkrete Angaben oder Hinweise zur Aufteilung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts, so dass von einem erheblichen Ermessens- und Gestaltungsspielraum der Unternehmensleitung auszugehen ist. Zusätzlich ist der Posten einem jährlichen Werthaltigkeitstest zu unterziehen, wobei ein potenzieller Wertminderungsbedarf sowie die verbleibende Restnutzungsdauer jeweils ü2132 berprüft werden. Wenn die Gründe für die außerplanmäßige Abschreibung entfallen, erfordert dies im Gegensatz zur handelsrechtlichen Rechtsprechung eine zwingende Wert2133 aufholung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts. Die von Gebhardt und Heilmann durchgeführte empirische Studie konstatierte allerdings eine auffallend hohe Quote von börsennotierten Kapitalgesellschaften, die bei der Erstellung des handelsrechtlichen Konzernabschlusses die diesbezüglichen Verlautbarungen des 2134 DSR „missachten“. Im (Konzern-) Anhang sind die in Tabelle 26 enthaltenen Spezialvorschriften des DSR zu 2135 beachten. Zu betonen ist insbesondere die Angabe der Abschreibungsdauer des derivati-

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Vgl. diese Einschätzung teilend Peemöller/Geiger 2001, S. 285; Peemöller/Beckmann/Geiger 2000, S. 1083 f., die allenfalls von einer „Tendenzaussage“ ausgehen. Mujkanovic kritisiert die „fehlende Griffigkeit der genannten Kriterien“; vgl. Mujkanovic 2000, S. 644. Vgl. DRS 4.36. Vgl. hierzu Abschn. II.B.3.b)(1) dieses Hauptteils. Vgl. DRS 4.30. Vgl. DRS 4.34. Auffällig ist auch in diesem Fall die Anlehnung an die entsprechenden Bilanzierungsvorschriften der IFRS vor Inkrafttreten des Business Combinations Project Phase I [IAS 22 (rev. 1998)]; vgl. u. a. die kritische Würdigung bei Mujkanovic 2000, S. 647. Vgl. DRS 4.36. In DRS E4.A5 plädierte der DSR hingegen für ein künftiges strenges Zuschreibungsverbot und eine entsprechende Änderung der konzernrechtlichen Vorschriften des HGB; vgl. Böcking/ Klein/Lopatta 2000, S. 436; Fülbier 2000, S. 1344. Vgl. ausführlich Gebhardt/Heilmann 2004, S. 113. So wird u. a. die nach DRS 4.28 unzulässige erfolgsneutrale Verrechnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts mit den Rücklagen weiterhin vorgenommen. Diese Strategie ist jedoch mit erheblichen Risiken verbunden, da i. R. d. Abschlussprüfung ggf. eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks sowie eine Sanktionierung durch die Enforcement-Institution zu erwarten ist; vgl. zur Bedeutung des Enforcements grundlegend Erster Hauptteil, Abschn. IV.C. Vgl. DRS 4.57; erläuternd Böcking/Klein/Lopatta 2000, S. 439. Die im Gegensatz zu den handelsrechtlichen Vorgaben weitergehenden Anhangpflichten werden im Schrifttum als entscheidungsrelevant interpretiert, um den Investoren eine verbesserte Ausgangssituation für die Beurteilung der Unternehmensakquisition bereitzustellen; vgl. die Einschätzung von Peemöller/Beckmann/ Geiger 2000, S. 1085.

254

Zweiter Hauptteil

ven Goodwill sowie eine Begründung des Managements, sofern eine längere Abschreibung 2136 als zwanzig Jahre erfolgen soll. Der abweichenden Vorgehensweise zwischen dem HGB und den DRS bei der Behandlung eines derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts auf Konzernebene und der scheinbaren Missachtung der Verlautbarungen des DSR in der Unternehmenspraxis wurde durch den BilMoG-RefE begegnet. Zunächst soll künftig eine erfolgsneutrale Verrechnung des deri2137 vativen Goodwill mit den Rücklagen nicht mehr gestattet sein. Ferner soll ein Gleichschritt zur handelsbilanziellen Behandlung im Jahresabschluss erzielt werden, wodurch 2138 sich ein Gebot zur planmäßigen Abschreibung ergibt. Von der Möglichkeit einer Annäherung an die IFRS infolge einer Einführung des IOA will der nationale Gesetzgeber auch auf Konzernebene bewusst keinen Gebrauch machen, da - wie bereits angedeutet - die Verlässlichkeit des IOA kritisch beurteilt wird. Zusammenfassend gilt, dass die handels- und steuerrechtlichen Vorschriften sowie die Verlautbarungen des DSR ein Kombinationsmodell aus planmäßiger (bzw. pauschaler) und außerplanmäßiger Abschreibung bei der Bewertung des derivativen Goodwill zugrunde legen. Die Ausnahme einer erfolgsneutralen Verrechnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts im handelsrechtlichen Konzernabschluss mag in der Unternehmenspraxis zwar noch einen gewissen Stellenwert besitzen. Gleichwohl verletzt diese Strategie den Grundsatz der Entscheidungsrelevanz, weil der Einblick in die wirtschaftliche Lage des Unternehmens verzerrt dargestellt wird. Vor dem Hintergrund einer wertorientierten Unternehmenssteuerung kann eine derartige „Verschleierungspolitik“ im Hinblick auf den derivativen Goodwill mit Misstrauen aufseiten des Kapitalmarkts verbunden sein. Die Novellierungen der handelsrechtlichen Kapitalkonsolidierung sowie die geänderten Regelungen 2139 zur Folgebewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts durch den BilMoGRefE stärken die Informationsfunktion des handelsrechtlichen Konzernabschlusses durch eine Einschränkung von Ermessens- und Gestaltungsspielräume der Unternehmensleitung 2140 und gehen daneben mit positiven Auswirkungen auf die Abschlussprüfung einher.

2.

Steuerrecht

Die Sichtweise, wonach der derivative Geschäfts- oder Firmenwert als nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens zu klassifizieren ist, geht zurück auf 2141 die Ausführungen des RFH-Senatspräsidenten Becker . Diese fanden bereits im Jahre

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Der Aufwand aus der Goodwill-Abschreibung ist dabei in der GuV gesondert auszuweisen; vgl. DRS 4.45 sowie hierzu im Einzelnen Böcking/Klein/Lopatta 2000, S. 436; Wagner 2006a, S. 71. Dies betrifft sämtliche Verrechnungsformen; vgl. § 309 Abs. 1 HGB-E und BilMoG-BegrRefE zu Nummer 47 (§ 309 HGB), S. 172. Vgl. BilMoG-BegrRefE zu Nummer 47 (§ 309 HGB), S. 172. Auch der AKEU hatte sich ehemals für eine Abschaffung der handelsrechtlichen Bewertungswahlrechte ausgesprochen; vgl. AKEU 1999, S. 30. Vgl. weiterführend zu den vergleichsweise erhöhten Anforderungen bei der Prüfung des derivativen Goodwill nach den IFRS Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.2. Vgl. Becker 1925, Rn. 18 zu § 12 und Rn. 55 zu § 13 sowie hierzu im Einzelnen Doralt 1976, S. 57, der darauf hinweist, dass der erworbene (d. h. der derivative) und der erneuerte, d. h. der neu geschaffene (originäre) Goodwill, sich „durchdringen und eine Einheit bilden. Man kann nicht sagen, dass (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

255 2142

1934 ihren Eingang in das Einkommensteuerrecht und waren bis zum BiRiLiG und des 2143 2144 zeitgleich in Kraft getretenen Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) kodifiziert. Die 2145 ehemalige steuerrechtliche Einheitstheorie fasste den gesamten positiven Goodwill als einheitliches Wirtschaftsgut auf, „das nicht zerlegt werden kann, auch wenn die Umstände, 2146 2147 auf denen er beruht, im Laufe der Zeit wechseln“ . Hierbei wurde zwar angenommen, dass sich der derivative Goodwill in den Folgeperioden verflüchtigen und durch den originären ersetzt werden kann, sich beide aber „zu einer neuen [untrennbaren] Einheit verbin2148 den“ , dem Gesamt-Goodwill. Eine planmäßige oder pauschale Abschreibung ließ sich nicht mit dem Wesen dieses Gesamt-Goodwill vereinbaren, da sich dieser „nicht mit einer 2149 gewissen Regelmäßigkeit innerhalb einer ungefähr bestimmten Zeit erschöpft“ . Vielmehr kann einem Werteverzehr durch Erhaltungsinvestitionen im Zeitablauf entgegengewirkt werden, so dass der ursprünglich ermittelte Wertansatz über die Zeit konstant bleiben 2150 kann. In diesem Sinne würde eine fiktive planmäßige oder pauschale Abschreibung die tatsächliche Entwicklung dieses immateriellen Wirtschaftsguts verzerrt darstellen. Die Tätigung von Erhaltungsinvestitionen impliziert allerdings einen im Zeitablauf stattfindenden

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der alte Goodwill des früheren Inhabers in wenigen Jahren dahinschwinde und ein neuer Goodwill des Erwerbers an seine Stelle trete. Der neue (originäre) Goodwill wurzelt im alten, entwickelt sich aus dem alten und wäre ohne ihn nicht da, wie er in Wirklichkeit da ist“, Becker konstatiert daher, dass eine „Abschreibung auf die für den Goodwill aufgewendeten und aktivierten Summen wegen Entwertung dieses Postens nur dann zuzulassen ist, wenn anzunehmen ist, daß der Gewerbetreibende bei Veräußerung des Unternehmens im ganzen weniger erhielte“, Becker 1926, Sp. 217. Vgl. Verordnung des Reichspräsidenten 1931, S. 493-508 sowie hierzu ebenfalls Meyer 1991, S. 4. Vgl. StBereinG, S. 2436-2460. Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG a. F.; hierzu auch Kahle 2002d, S. 857. Die Ablehnung einer planmäßigen oder pauschalen Abschreibung des „miterworbenen Firmenwerts“ - ohne eine theoretische Begründung anzuführen - geht zurück auf ein Urteil des Preußischen OVG; vgl. ausführlich OVG 1902, S. 309 sowie Doralt 1976, S. 52; Stengel 2000, S. 32. Auch die damalige britische Rechtsprechung verneinte eine regelmäßige Abschreibbarkeit des derivativen Goodwill, da dieser als dauernder Wert (Permanent Value) angesehen wurde; vgl. Brauns 1928, S. 77 m. w. N.Die englische Steuerbehörde hatte sich dieser Meinung angeschlossen und die Abzugsfähigkeit der Goodwill-Abschreibung von dem zu versteuernden Jahreseinkommen untersagt; vgl. Dicksee 1902, S. 209. Im Schrifttum werden ebenso die Bezeichnungen „Durchdringungs-, Erneuerungs- oder Auswechselungstheorie“ verwendet; vgl. Gräber 1971, S. 432. Es wird darauf hingewiesen, dass die steuerrechtliche Einheitstheorie strikt von der konzernrechtlichen Einheitstheorie zu trennen ist, die bei der Einbeziehung des Minderheiten-Goodwill i. R. d. Full Goodwill Accounting eine wesentliche Bedeutung erlangt; vgl. die Ausführungen zu Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils. Das handelsrechtliche und nach Inkrafttreten des BiRiLiG gültige steuerrechtliche Kombinationsmodell aus planmäßiger und/oder außerplanmäßiger Abschreibung/Teilwert-AfA wird auch als Trennungsmodell - aufgrund einer inhaltlichen Trennung von derivativem und originärem Goodwill - gekennzeichnet; vgl. u. a. Duhr 2006, S. 165. BFH 1958, S. 330 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Gräber 1971, S. 432; Wöhe 1980, S. 104. Vgl. detailliert zur Einheitstheorie Blencke 1972, S. 455; Borggreve 1986, S. 146; Freericks 1974, S. 157; Gräber 1971, S. 432 f.; Heuer 1964, S. 509; Kolbe 1969, S. 845; Raben 1962, S. 29; Spitaler 1959, S. 444 f.; Velte 2006b, S. 56 f.; Wagner/Schomaker 1987, S. 1367. BFH 1972, S. 381. RFH 1927, S. 49; RFH 1930b, S. 321. Vangerow bezeichnet den Goodwill in diesem Zusammenhang als „Dauerwert“, Vangerow 1966, S. 653. Unter fiskalpolitischen Gesichtspunkten ist der im Zeitablauf gleich bleibende Bilanzausweis des Goodwill als überaus positiv zu bewerten, da er jährlich als steuerpflichtiger Ertrag vereinnahmt wurde; vgl. bereits Beekes 1960, S. 469 und Schuhmann 1983, S. 428.

256

Zweiter Hauptteil 2151

Austausch des erworbenen durch den selbst geschaffenen Goodwill (Austauschtheorie) und somit die theoretische Möglichkeit einer Abgrenzung, welche die steuerrechtliche Rechtsprechung ehemals vehement verneinte. Die Einheitstheorie hatte sich ebenfalls bei der Frage nach einer außerplanmäßigen Ab2152 schreibung auf den niedrigeren Teilwert ausgewirkt. Der RFH und BFH akzeptierten le2153 diglich unter restriktiven Voraussetzungen die Widerlegung der Teilwertvermutung für 2154 Der Steuerpflichtige hatte die konkrete Beweislast zu den Goodwill im Zeitablauf. erbringen, dass der Gesamt-Geschäfts- oder Firmenwert in der betreffenden Geschäftsperi2155 ode gesunken war. Eine Teilwertabschreibung im Jahr der Aktivierung war lediglich dann gestattet, wenn sich der Unternehmens- bzw. Beteiligungserwerb insgesamt als 2156 „Fehlmaßnahme“ erwiesen hatte und der Geschäfts- oder Firmenwert zwischenzeitlich 2157 unter die Anschaffungskosten gesunken war. Die Umstände, die zu jenem Fehlurteil 2158 führten, mussten sich dabei auf den Gewinn wesentlich auswirken. Angesichts dieser damaligen strengen Voraussetzungen an die Vornahme einer Teilwertabschreibung kam 2159 diese Regelung faktisch einem „totalen Abschreibungsverbot“ gleich. Eine Teilwertab2160 schreibung wurde primär im Jahr der Anschaffung, in begründeten Ausnahmefällen 2161 auch in späteren Perioden, für zulässig erachtet.

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Vgl. die Ausführungen von Flohr 1984, S. 343. Vgl. ausführlich Velte 2006b, S. 56 f. Die Teilwertvermutungen lauten: a) der Teilwert eines neu hergestellten oder angeschafften Wirtschaftsguts des Anlagevermögens entspricht seinen Herstellungs- oder Anschaffungskosten; b) zu einem späteren Zeitpunkt entspricht der Teilwert eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens seinem Wiederbeschaffungswert. Handelt es sich hierbei um ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut, entspricht dessen Teilwert auch zu späteren Bewertungsstichtagen seinen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn der Wiederbeschaffungswert nicht feststellbar sein sollte, BFH 1982, S. 758 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Moxter 1994, S. 835 f.; Stengel 2000, S. 147 und kritisch zu den Teilwertvermutungen Schildbach 1991, S. 39. Demnach stellen der Einzelveräußerungspreis die Untergrenze und die Wiederbeschaffungskosten die Obergrenze des Teilwerts dar. Vgl. Meyer 1991, S. 19. Vgl. BFH 1977, S. 412 sowie hierzu ausführlich Moxter 1979a, S. 745; Stanke 2003, S. 48. BFH 1972, S. 381 sowie vgl. ausführlich zur inhaltlichen Fundierung Csik 1984, S. 492. Vgl. BFH 1967a, S. 334; BFH 1977, S. 412 und weiterführend Piltz 1981, S. 40 und auch Maasen 1977, S. 466; Meyer 1991, S. 20 f.; Velte 2006b, S. 56 f. Vgl. Moxter 1979a, S. 745, der von „Gewinndeterminanten mit deutlich erkennbarem Gewicht bei den Kaufpreisverhandlungen“ spricht. Der BFH führt hierzu aus, dass zum Zeitpunkt des Unternehmenserwerbs erkennbar von bestimmten in der Zukunft zu erwartenden Gewinnen auszugehen ist und sich diese Erwartungen im Nachhinein nicht erfüllen; vgl. BFH 1977, S. 412 sowie hieran anknüpfend Moxter 1998, S. 479; Piltz 1981, S. 40; vgl. auch zur Fiktion eines Irrtums des Steuerpflichtigen i. R. d. Unternehmenstransaktion BFH 1991, S. 595. Wöhe 1980, S. 105; vgl. auch die Anmerkungen des BFH 1967a, S. 334, wonach die Teilwertabschreibung des Goodwill i. d. R. „erhebliche praktische Schwierigkeiten“ bereitete. „Dies sei deswegen notwendig, weil in späteren Jahren wegen der Einheitlichkeit des Geschäftswerts die Ermittlung des maßgeblichen derivativen Geschäftswerts durch Abzug des seit Erwerb gebildeten originären Goodwill nicht möglich sei“, BFH 1976a, S. 73; BFH 1977, S. 412 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Stengel 2000, S. 152. Eine Beurteilung, ob der Unternehmenskauf sich als Fehlmaßnahme erwiesen hat, konnte vielfach erst zu späterer Zeit vorgenommen werden, wenn der Bilanzersteller die Ertragschancen des erworbe(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

257

Im Gegenzug fiel das Bestreben von RFH und BFH auf, „den Rahmen des nicht abset2162 zungsfähigen Geschäftswerts möglichst eng zu ziehen“ , damit der Bilanzersteller verstärkt identifizierbare immaterielle Wirtschaftsgüter vom Goodwill trennt. Diese waren angesichts der angenommenen inhaltlichen Nähe zum Geschäfts- oder Firmenwert eben2163 falls keiner planmäßigen Abschreibung zugänglich. Durch diese Strategie wurden primär fiskalpolitische Interessen verfolgt, da der Goodwill sowie die firmenwertähnlichen Wirtschaftsgüter - sofern keine Teilwertabschreibungen durch den Steuerpflichtigen belegt werden konnten - jährlich in unveränderter Höhe der Besteuerung unterlagen. Der Annahme, dass sich der derivative Geschäfts- oder Firmenwert im Zeitablauf verflüchtigen und durch originäre Bestandteile ersetzt werden kann, kam in der betrieblichen Praxis eine zentrale Bedeutung zu. Allerdings verstieß die Einheitstheorie gleichwohl gegen die bilanz- und steuerrechtlichen Vorschriften, die bereits damals ein striktes Aktivie2164 rungsverbot für den originären Geschäfts- oder Firmenwert kodifizierten. Ferner lag ein Verstoß gegen das Realisationsprinzip vor, wonach der originäre Geschäfts- oder Firmenwert vor der Veräußerung des Unternehmens unrealisierte Gewinne repräsentiert und somit das Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung verletzte. Die Aufrechterhaltung der Einheitstheorie von RFH und BFH über einen Zeitraum von annähernd fünfzig Jahren konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass im Schrifttum die faktische Nichtabnutzbarkeit des Geschäfts- oder Firmenwerts kontrovers diskutiert 2165 wurde und sich die Mehrheit für eine Aufgabe der Einheitstheorie ausgesprochen hatte. Der schwerwiegendste Kritikpunkt betraf die Ungleichbehandlung der bilanziellen Darstel2166 lung des Goodwill und des Praxiswerts. Der Praxiswert als der über den Teilwert des Betriebsvermögens hinausgehende Betrag des Gesamtwerts einer freiberuflichen Praxis 2167 weist hierbei eine konzeptionelle Nähe zum Geschäfts- oder Firmenwert auf. Allerdings hielten der RFH und BFH eine planmäßige Abschreibung des Praxiswerts - bereits vor Aufgabe der Einheitstheorie - für geboten, da dieser „eine rein personenbezogene Vermö2168 2169 gensposition“ darstellt und sich „rasch verflüchtigt“ . Dabei wurde in der Finanzverwaltung eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von drei bis fünf (Einzelpraxis) bzw.

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nen Unternehmens genauer analysiert hatte; vgl. ebenso BFH 1973a, S. 846. Dabei hatte der Steuerpflichtige sämtliche Umstände zu berücksichtigen, die den Goodwill beeinflussen konnten. BFH 1982, S. 758 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Schuhmann 1983, S. 425. Vgl. Abschn. I.E.1.b) dieses Hauptteils. Vgl. hierzu auch Abschn. I.E.2 und 3 dieses Hauptteils. Vgl. zur Kritik an der Aufrechterhaltung der Einheitstheorie Blencke 1972, S. 455; Borggreve 1986, S. 146 f.; Gräber 1971, S. 435; Hasenack 1958, S. 300; Moxter 1979a, S. 745; Rohling 1982, S. 2007; Wagner/Schomaker 1987, S. 1367; Wichmann 1983, S. 137. Vgl. bereits die Darlegungen von Großmann 1933a, S. 467 f.; Schmidt-Liebig 1984, S. 126; Wagner 1989, S. 348. Vgl. stellvertretend zur inhaltlichen Abgrenzung Borst 1986, S. 2171; Flohr 1984, S. 343 f.; Schoor 1998, S. 305; Schoor 2000, S. 671 f.; Schoor 2002, S. 738 f.; von Wallis 1978, S. 99. BFH 1958, S. 330 sowie vgl. weiterführend Wagner 1989, S. 349. RFH 1929a, S. 326; BFH 1958, S. 331 sowie vgl. hierzu im Einzelnen Brandenberg 1986, S. 1791; George 1995, S. 897; Schoor 1998, S. 305; Schoor 2000, S. 672; Schoor 2002, S. 740; Schuhmann 1994b, S. 201 f.; von Wallis 1978, S. 99; Wagner 1989, S. 348 f.

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Zweiter Hauptteil 2170

sechs bis zehn Jahren (Sozietät) zugrunde gelegt. Die aufrechterhaltende Einheitstheorie zum Goodwill konnte allerdings nicht überzeugen und wurde von den Finanzgerichten in 2171 zunehmendem Maße unterlaufen. 2172

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Bei der Verabschiedung des BiRiLiG als nationale Umsetzung der Vierten und Sie2174 benten EG-Richtlinie erfuhren nicht nur die handelsrechtlichen Vorschriften eine weitreichende Änderung, sondern dies löste ebenfalls eine Aufgabe oder zumindest eine Durchbrechung der steuerrechtlichen Einheitstheorie unter besonderer Berücksichtigung 2175 des StBereinG aus. Für Geschäftsjahre nach dem 31.12.1986 stellt der derivative Geschäfts- oder Firmenwert seither ein abnutzbares Wirtschaftsgut dar, welches planmäßig 2176 (linear) über eine Nutzungsdauer von fünfzehn Jahren zwingend abzuschreiben ist. Bei der Festlegung der Nutzungsdauer standen allerdings weniger ökonomische als vielmehr 2177 fiskalpolitische Gesichtspunkte im Vordergrund. Die Einschätzung, dass durch die Aufgabe der Einheitstheorie eine zutreffende Abbildung des tatsächlichen Abnutzungspotenzials des derivativen Goodwill im Sinne eines True and Fair View erfolgte, ist zu verneinen, weil die gesetzliche Nutzungsdauer lediglich eine fingierte „Kompromisslösung“ für die Steuerbemessung darstellt.

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Vgl. stellvertretend BMF 1995, S. 14, zur vormaligen Fassung BMF 1986, S. 532 sowie hierzu im Einzelnen Fasold 1987, S. 100 f.; Schoor 2007, S. 5013; Schuhmann 1995, S. 42; Söffing 1987, S. 1753. Vgl. zur Zulassung einer planmäßigen bzw. pauschalen Abschreibung des Goodwill und zur Durchbrechung der Einheitstheorie u. a. FG Baden-Württemberg 1968, S. 400; FG Berlin 1971, S. 226 und FG Berlin 1974, S. 196; FG Hamburg 1962, S. 105; FG Münster 1970, S. 169; FG Rheinland-Pfalz 1969, S. 115. Vgl. BiRiLiG, S. 2355. Vgl. Vierte EG-Richtlinie, S. 11-31. Vgl. Siebente EG-Richtlinie, S. 1-17. Vgl. ausdrücklich BFH 1998, S. 776 sowie die Verweise von Borst 1986, S. 2170 („Tod der Einheitstheorie?“); Breidenbach 1987, S. 2161 („der Einheitstheorie […] das Grab geschaufelt“); Breidenbach 1989, S. 137; Dücker 1999, S. 289-291 und Duhr 2006, S. 167, wonach „Folgewerte eines erworbenen Geschäftswerts nur sehr schwer unabhängig vom anwachsenden originären Geschäftswert trennbar sind“ und diese Erkenntnis der steuerrechtlichen Einheitstheorie ihre ideologische Fundierung genommen hat. Vgl. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG. „Dabei soll allerdings für steuerrechtliche Zwecke, nicht zuletzt auch wegen der mit dieser Abschreibung verbundenen Steuereinnahmen die künftig eintreten werden, eine Nutzungsdauer und damit ein Abschreibungszeitraum von fünfzehn Jahren vorgesehen werden“, BiRiLiG-BegrRegE, S. 146 f. sowie vgl. hierzu ebenfalls Borst 1986, S. 2171; Schoor 1987, S. 106. Die fünfzehnjährige Nutzungsdauer stellt eine unwiderleglich vermutete Zeitspanne dar; vgl. u. a. Breker 2004, S. 16. Die Abschreibung darf auch dann nicht nach einer kürzeren Nutzungsdauer erfolgen, wenn im konkreten Einzelfall Erkenntnisse vorliegen, dass die tatsächliche Nutzungsdauer niedriger oder höher ausfällt; vgl. BMF 1986, S. 532. Eine Ausnahme sieht der BFH jedoch in den Fällen vor, wenn die Abschreibung über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren zu einer „offensichtlich unzutreffenden Besteuerung“ führt. BFH 1993c, S. 449. Der BFH gibt allerdings keine konkretisierenden Hinweise; vgl. hierzu im Einzelnen Schoor 1998, S. 303; Schoor 2000, S. 669; Schoor 2002, S. 735. Vgl. stellvertretend Breidenbach 1987, S. 2161; Döring 1993, Sp. 817 („[…] im Interesse ungeschmälerter Gewinnsteuereinnahmen wünscht das Steuerrecht eine langsame Abschreibung […].) Die abweichende Argumentation des BFH, wonach der Praxiswert in einem wesentlichen kürzeren Zeitraum als fünfzehn Jahren (i. d. R. fünf bis acht Jahre) abzuschreiben ist, da er „viel stärker an den Inhaber selbst gebunden ist“, kann dagegen nicht überzeugen.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

259

Die Frage nach der Zulässigkeit einer Teilwertabschreibung des derivativen Geschäftsoder Firmenwerts wird seit der Durchbrechung der Einheitstheorie tendenziell durch die Rechtsprechung weniger restriktiv ausgelegt, obgleich die Vorlage eines entsprechenden 2178 Nachweises des Managements weiterhin erforderlich ist. Fällt am Bilanzstichtag der 2179 Goodwill-Teilwert aufgrund einer voraussichtlich dauerhaften Wertminderung niedriger 2180 als die fortgeführten Anschaffungskosten aus, ist auf diesen abzustellen. Allerdings muss nach h. M. nicht mehr der Gesamt-Goodwill, sondern lediglich der derivative Be2181 standteil in seinem Wert gesunken sein, so dass eine außerplanmäßige Abschreibung 2182 häufiger in der Unternehmenspraxis vorkommen kann. Der BFH hält u. a. die Begründung, dass der derivative Goodwill nach einem Unternehmenserwerb infolge der wirtschaftlichen Entwicklung (z. B. die Verminderung der Rentabilität, Stagnation oder der Rückgang der Umsatzentwicklung) gesunken oder ggf. nicht mehr vorhanden ist, für zu2183 lässig. Ferner leitet sich - in Abgrenzung zum HGB und zu den IFRS sowie in Kongruenz zu den DRS - ein striktes Zuschreibungsgebot aus § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG ab, falls die Gründe für die vorangegangene Teilwertabschreibung zu einem späteren Bewertungsstichtag entfallen sind. Begründet wird dies mit der Überlagerung des handelsrechtlichen Vorsichtsprinzips durch das Leistungsfähigkeitsprinzip im Steuerrecht. Die Obergrenze für die Wertaufholung bilden dabei die fortgeführten Anschaffungskosten. Da der derivative Goodwill als abnutzbares Wirtschaftsgut im Steuerrecht klassifiziert ist und daher die handelsrechtliche Sichtweise (Ansatzwahlrecht) keine Berücksichtigung findet, weichen Handels- und Steuerbilanz in diesem Falle fundamental voneinander ab. Abzuwarten ist, inwieweit das explizite Zuschreibungsverbot für den derivativen Goodwill nach dem BilMoG-RefE eine steuerrechtliche Anpassung des bestehenden Wertaufholungsgebots für den derivativen Goodwill nach sich ziehen wird. Infolge des erhöhten Risikos einer Nachaktivierung originärer Bestandteile wäre dieses steuerrechtliche Reformvorhaben 2184 ausdrücklich zu begrüßen. Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die unterstellte Nutzungsdauer von fünfzehn Jahren für den derivativen Goodwill gegen das Gebot der Entscheidungsrelevanz verstößt, da unternehmensspezifische Gegebenheiten keine Berücksichtigung finden und das True and Fair View-Prinzip eine Beeinträchtigung erfährt. Die steuerrechtliche Normierung des § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG erzielt jedoch zugleich eine hohe Verlässlichkeit und zeitliche bzw.

2178 2179 2180 2181

2182

2183

2184

Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG; R 6 EStR sowie weiterführend Schulze-Osterloh 1991, S. 290. Vgl. zur historischen Entwicklung der Teilwerts i. R. d. RFH-Rechtsprechung Stengel 2000, S. 143. Vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG sowie hierzu Schoor 2004, S. 4606. Vgl. BFH 1998, S. 775 und zustimmend Schoor 2004, S. 4607; Zeitler 1988, S. 303 f. Eine abweichende Auffassung vertritt allerdings in jüngerer Zeit das FG Köln, welches immer noch der restriktiveren Anforderungen an die Vornahme einer Teilwertabschreibung nach Maßgabe der Einheitstheorie folgt; vgl. FG Köln 2006, S. 202. Im vorliegenden Fall wurde einer Teilwertabschreibung auf den Geschäfts- oder Firmenwert einer Apotheke nicht stattgegeben. Die Theorie des Big Bath Accounting geht allerdings im Allgemeinen von einer negativen Signalwirkung der außerplanmäßigen Goodwill-Abschreibung aus, so dass das Management bestrebt sein dürfte, in den Folgejahren möglichst keine Wertminderung zu konstatieren; vgl. die Anmerkungen in Abschn. III.A.2.a) dieses Hauptteils. Vgl. BFH 1990b, S. 226 sowie hierzu ausführlich Schoor 2004, S. 4606; zu den Indikatoren nach IFRS Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils. Vgl. Abschn. II.B.1 und Abschn. II.B.3 dieses Hauptteils.

260

Zweiter Hauptteil

zwischenbetriebliche Vergleichbarkeit, da der Unternehmensleitung kein Ermessensspielraum bei der Abschätzung der voraussichtlichen Nutzungsdauer verbleibt. Die Vornahme einer Teilwertabschreibung hingegen ist insofern als entscheidungsrelevant zu erachten, weil auf die aktuelle Situation am Bilanzstichtag (Kriterium der Momentaufnahme) abgestellt wird. Allerdings liegt trotz des eingeforderten Nachweises des Bilanzerstellers eine mangelnde Verlässlichkeit vor, die sich aus der schwierigen Nachprüfbarkeit der Wertminderungsprüfung angesichts der fehlenden Konkretisierung des (Bilanzsteuer-) Gesetzgebers ergibt.

3.

IFRS

a)

Impairment Only Approach

Mit Inkrafttreten von IFRS 3 ließen sich fundamentale Änderungen hinsichtlich der Folgebewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts sowie Abweichungen zur handelsund steuerrechtlichen Vorgehensweise konstatieren. Das vor dem 31.03.2004 gültige 2185 Kombinationsmodell aus plan- und außerplanmäßiger Abschreibung, welches - wie vorstehend erläutert - ebenfalls im Handels- und Steuerrecht Anwendung findet, ist seither 2186 unzulässig. Der aus einem Unternehmenserwerb resultierende derivative Goodwill ist nicht mehr planmäßig über die voraussichtliche Nutzungsdauer abzuschreiben (Non Amor2187 tization Approach), sondern stattdessen mindestens einmal pro Jahr einem Werthaltig2188 keitstest zu unterziehen. 2189

Neben einem jährlichen bedarf es eines unterjährigen Wertminderungstests, wenn An2190 haltspunkte vorliegen, die eine zwischenzeitliche Wertminderung vermuten lassen. In IAS 36.12 werden beispielhafte - nicht abschließende - in- und externe Indizien kodifi-

2185 2186

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2190

Vgl. IAS 22 (rev. 1998). IAS 22.44 (rev. 1998) kodifizierte eine Nutzungsdauer des Goodwill von zwanzig Jahren, die allerdings – im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht – durch den Bilanzersteller widerlegt werden konnte; vgl. hierzu Eberle 2000b, S. 148 sowie weiterführend zum IOA Velte 2006e, S. 3-5. Dieses Vorgehen entspricht dem Economic Concept of Profit; vgl. ausführlich hierzu Koedijk 1995, S. 317. Küting/Wirth bezeichnen die Einführung des IOA als „Paradigmenwechsel“, Küting/Wirth 2005a, S. 18; vgl. ebenfalls die Ausführungen von Kümpel 2002d, S. 20. Dem IOA kommt ebenfalls im handelsrechtlichen Abschluss, z. B. bei der Bewertung von Beteiligungen, eine Bedeutung zu; vgl. hierzu IDW RS HFA 10 sowie Dörschell/Franken/Schulte 2006, S. 1061 f. Vgl. die Bestimmungen in IAS 36.12 und IAS 36.10 (b). Diese Vorgehensweise erfolgt ebenfalls bei Intangible Assets, denen eine unbestimmbare Nutzungsdauer zugeordnet wird; vgl. IAS 36.10 (a) sowie die Ausführungen in Abschn. II.B.3.a) dieses Hauptteils. Empirische Untersuchungen für die europäischen Kapitalmärkte belegen, dass der jährliche Impairment Test häufig kurz vor dem bzw. zum Bilanzstichtag erfolgt; vgl. PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 51 sowie weiterführend zur Durchführung nach Abschluss der Mittelfristplanung PwC/ Heintges/Herre (Hrsg.) 2007, S. 30. Vgl. hierzu IAS 36.12 sowie hierzu im Einzelnen Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 18 zu IAS 36, S. 7; Kümpel 2002e, S. 983.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

261

2191

ziert, die ggf. ebenfalls als Auslegungshilfe bei der Vornahme von außerplanmäßigen Abschreibungen im Handelsrecht bzw. Teilwertabschreibungen im Steuerrecht dienen 2192 können. Externe Informationsquellen für eine Wertminderung stellen u. a. ein überdurchschnittlich starkes Absinken des Marktwerts der Cash Generating Units (CGU) wäh2193 2194 rend der Berichtsperiode, das Vorliegen signifikanter Veränderungen mit negativen 2195 2196 Auswirkungen für das Unternehmen, eine Erhöhung der Marktzinssätze oder ein Ansteigen des Buchwerts des betrieblichen Reinvermögens über den Marktwert der gehandel2197 ten Eigenkapitaltitel dar. Bei der Identifizierung einer möglichen Wertminderung ist, wie aus den o. g. Indizien abgeleitet werden kann, der Grundsatz der Wesentlichkeit zu be2198 achten, d. h. der zu beurteilende Sachverhalt muss auf das Entscheidungsverhalten der 2199 Adressaten Einfluss nehmen. Interne Anhaltspunkte, die eine Wertminderung rechtfertigen, sind u. a. substanzielle Hin2200 weise für eine Überalterung oder eines physischen Schadens , Planungen für die Einstel2201 lung oder Restrukturierung der CGU oder eine wesentliche Verschlechterung der Er2202 tragskraft der Vermögenswerte. Überdies können weitere in- und externe Indizien die Durchführung eines Impairment Test begründen, die nicht in der Katalogvorschrift des

2191

2192 2193

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2200

2201 2202

Baetge/Krolak/Thiele bezeichnen den Katalog als „Minimalliste“, Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 18 zu IAS 36, S. 7; vgl. weiterführend ebenfalls Brücks/Wiederhold 2003b, S. 223; Keller 2002, S. 111; Meyer 2005b, S. 319 f. Vgl. zur Beurteilung i. R. d. Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.2. Vgl. IAS 36.12 (a) und hierzu ausführlich Budde 2005, S. 2571 sowie Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 22 zu IAS 36, S. 10, die darauf hinweisen, dass zukünftige Erwartungen für sich genommen noch keine Wertminderung rechtfertigen. Vgl. zum Konzept der „schwachen Signale“ (Weak Signals) u. a. Krystek/Müller 1998, S. 253. Vgl. IAS 36.12 (b). Die nachteiligen Folgen müssen dabei aus dem technischen, marktbezogenen, ökonomischen oder gesetzlichen Umfeld resultieren; vgl. hierzu die Five Forces Analysis nach Porter [vgl. Porter 1985] sowie die SWOT-Analyse; vgl. Beyhs 2002, S. 81. Als Beispiele können der technische Fortschritt, ein verändertes Konsumentenverhalten oder Exportbeschränkungen infolge eines Regierungswechsels angeführt werden; vgl. entsprechend die Ausführungen bei Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 23 zu IAS 36, S. 10. In diesem Zusammenhang wird auf die Bedeutung eines effizienten Risikomanagementsystems als strategisches Früherkennungsverfahren hingewiesen; vgl. Budde 2005, S. 2571. Vgl. IAS 36.12 (c), wobei eine Erhöhung der kurzfristigen Marktzinssätze ggf. nicht mit gravierenden Änderungen hinsichtlich der Werthaltigkeit der Goodwill-CGU verbunden sein muss. Vgl. IAS 36.12 (d). Dieser Anhaltspunkt besitzt vor allen Dingen eine hohe praktische Relevanz nach einem Kursverfall am Aktienmarkt; vgl. zu der eingeschränkten Anwendungsmöglichkeit nicht kapitalmarktorientierter Unternehmen Budde 2005, S. 2572. Vgl. detailliert zum Grundsatz der Wesentlichkeit im Financial Accounting Löcke 1999, S. 307-310; Ossadnik 1993a, S. 1763-1767; Ossadnik 1993b, S. 617-629; Ossadnik 1995b, S. 33-42 sowie weiterführend aus Sicht der Abschlussprüfung Vierter Hauptteil, Abschn. I.B und Abschn. II.D. Vgl. IASB Rahmenkonzept F. 30 und IAS 1.29 f. (rev. 2007). Auffallend ist die inhaltliche Übereinstimmung des Wesentlichkeitsgrundsatzes mit den Anforderungen an das Postulat der Entscheidungsrelevanz des Financial Accounting gem. IASB Rahmenkonzept F. 26. Vgl. IAS 36.12 (e) sowie hierzu im Einzelnen Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 27 zu IAS 36, S. 12. Der „physische Schaden“ ist vor allen Dingen auf verschleißbedingte Abschreibungen zurückzuführen. Vgl. IAS 36.12 (f) sowie hierzu ausführlich Meyer 2005b, S. 320. Vgl. IAS 36.12 (g).

262

Zweiter Hauptteil

IAS 36.12 vorkommen. Angesichts der individuellen Verhältnisse unterbleibt eine nähere Konkretisierung der Wesentlichkeit, so dass der Rechnungslegungspolitik ein erheblicher 2203 Aktionsraum verbleibt, einen Wertminderungstest durchzuführen oder nicht. Das IASB näherte sich mit der Einführung des IOA der Bilanzierungspraxis der US-GAAP 2204 an, die ebenfalls eine planmäßige oder pauschale Abschreibung des derivativen Good2205 will ablehnen. Mit jener Änderung sollte augenscheinlich die Vergleichbarkeit der inter2206 nationalen Abschlüsse erhöht werden. Die modifizierte Sichtweise des IASB lässt sich darauf zurückführen, dass eine verlässliche Schätzung der Nutzungsdauer in der Unter2207 nehmenspraxis erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Eine planmäßige Abschreibung über 2208 eine willkürlich bemessene Nutzungsdauer spiegelt demnach den tatsächlichen Werteverzehr des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts unzutreffend wieder und verstößt ge2209 gen das Gebot der Entscheidungsnützlichkeit. Allerdings führt die Ablehnung einer planmäßigen Abschreibung des Goodwill nicht zwangsweise dazu, stattdessen eine unendliche Nutzungsdauer anzunehmen. Vielmehr wurde der Terminus einer unbestimmbaren

2203 2204

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Vgl. die weiteren Ausführungen in Abschn. III.A.2 dieses Hauptteils. Vgl. zur Rechnungslegung nach SFAS 141 und 142 am Beispiel SAP Hütten/Ohlgart 2005, S. 271295 sowie zur Umstellung von US-GAAP auf IFRS Kuhlewind 2005, S. 299-321. Hintergrund dieses Konvergenzprojekts (Convergence Project) ist das Norwalk Agreement; vgl. IASB/FASB 2002, S. 1, welches darauf abzielt, Unterschiede in der Abbildung von Unternehmenszusammenschlüssen im US-GAAP und IFRS-Regelwerk zu beseitigen; vgl. zu einer synoptischen Gegenüberstellung der Unterschiede sowie des Umsetzungsstands u. a. Berndt/Hommel 2005, S. 408 f.; Zelger 2005, S. 122 f. Vgl. stellvertretend Spartmann/Theile 2005, S. 16 sowie zur Vergleichbarkeit als Motiv für die Umstellung der Rechnungslegung auf IFRS Köhler/Marten 2005, S. 12 f. Die Vergleichbarkeit der Rechnungslegungsdaten wird allerdings aufgrund der Ermessens- und Gestaltungsspielräume des IFRSRegelwerks im Besonderen beeinträchtigt; vgl. u. a. Küting 2004a, S. I und ausführlich Abschn. III.A.2 dieses Hauptteils. Ebenso wird im Schrifttum angemerkt, dass die Einführung des IOA eine „politische Konzession an die durch die Abschaffung der pooling-Methode schon stark gebeutelten bilanzierenden Unternehmen“ repräsentiert, Pellens/Sellhorn 2001b, S. 713 und vgl. ebenfalls Busse von Colbe 2001b, S. 877; Gall 2003, S. 80; Hense/Kleinbielen/Witthaus 2005, S. 634; Kuhner 2005a, S. 18; Lopatta 2006, S. 51 f.; Lopatta/Müßig 2007, S. 15-20. Vgl. zu dieser Einschätzung basierend auf der handelsrechtlichen Bewertungspraxis ebenfalls Küting 1997b, S. 451 sowie Abschn. II.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. stellvertretend Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1749 m. w. N. „The Board observed that the useful life of acquired goodwill and the pattern in which it dimishes generally are not possible to predict, yet its amortisation depends on such predictions. As a result, the amount amortised in any given period can at best be described as an aribitrary estimate of consumption of acquired goodwill during that period, IFRS 3.B140. Angesichts der Tatsache, dass häufig unzureichende oder überhaupt keine Erfahrungswerte bezüglich des unternehmerischen Investitionsverhaltens in geschäftswertbildende Faktoren vorliegen, ist die Aussagekraft von Relevanzuntersuchungen planmäßiger, pauschaler und/oder außerplanmäßiger Goodwill-Abschreibungen eingeschränkt; vgl. hierzu Hitz/Kuhner 2002, S. 282; Kirsch 2003d, S. 567, wobei der Hinweis erfolgt, dass geschäftswertbildende Faktoren i. d. R. einem unregelmäßigen Werteverzehr unterliegen (Theorie des „Investitionsschubs“). Das FASB argumentiert entsprechend: „Straight-line amortization of goodwill over an arbitrary period does not reflect economic reality and thus does not provide useful information“, SFAS 142.B79 sowie vgl. hieran anknüpfend Saelzle/Kronner 2004, S. S157 und 160; vgl. ebenfalls Hommel 2001b, S. 805; Wüstemann/Duhr 2003, S. 252.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

263 2210

bzw. undefinierbaren Nutzungsdauer geschaffen. Mithin ist bei der Tätigung ausreichender Erhaltungsinvestitionen ein vollständiger Werterhalt des Geschäfts- oder Firmen2211 werts denkbar, sodass eine planmäßige Abschreibung obsolet erscheint. Das IASB weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein tatsächlicher Werteverfall des derivativen 2212 Goodwill durch den Aufbau originärer Bestandteile kompensiert werden kann. Diese Berücksichtigung eines originären Goodwill i. R. d. Folgebewertung ist sowohl aus rech2213 nungslegungspolitischer als auch bilanzrechtlicher Sicht kritisch zu würdigen, da wie vorstehend genannt - in Übereinstimmung zum Handels- und Steuerrecht ein striktes An2214 satzverbot für den originären Geschäfts- oder Firmenwert besteht. Dies schließt ein Einbeziehungsverbot bei der Folgebewertung ein. Folgerichtig ist in IAS 36.124 ein Zuschreibungsverbot für den derivativen Goodwill implementiert. Allerdings kann die bestrebte Nichtberücksichtigung originärer Bestandteile, wie im weiteren Verlauf der Analyse noch 2215 zu zeigen ist, angesichts verbleibender Ermessens- und Gestaltungsspielräume des IOA unterlaufen werden. Die bei der Folgebewertung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts einschlägigen 2216 (Konzern-) Anhangangaben betreffen im Kern Informationen, durch die Investoren eine 2217 Beurteilung von Buchwertänderungen während der Berichtsperiode vornehmen können. Dabei ist in Analogie zum Handelsrecht ebenfalls die Erstellung eines Goodwill-Spiegels 2218 verpflichtend, welcher den Bruttobetrag zu Beginn und am Ende der Berichtsperiode, die kumulierten Wertminderungsaufwendungen zu Beginn und Ende der Periode sowie die Zugänge enthält. Ferner sind diejenigen Faktoren, die zum Wertansatz des derivativen Goodwill geführt haben, und die nicht separat vom Geschäfts- oder Firmenwert bilanzier2219 ten Intangible Assets zu erläutern. In IFRS 3.B64 (e) (rev. 2008) erfolgt der Zusatz einer qualitativen Beschreibung der Faktoren am Beispiel von erwarteten Synergieeffekten aus 2210

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Vgl. IAS 38.88; hierzu auch Hoffmann 2005a, S. 18 sowie die Anmerkung des FASB in SFAS 142.B45, wonach der Zeitraum, über den der Goodwill künftige Cash Flows des Unternehmens generiert, einen „absehbaren Zeitraum überschreitet und nicht zuverlässig bestimmt werden kann”. Demnach basiert der IOA nicht auf der Fiktion einer unendlichen Nutzungsdauer des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts, wenngleich faktisch in der bilanziellen Behandlung keine Unterschiede zur unbestimmbaren Nutzungsdauer bestehen; vgl. hierzu die Ausführungen von Richter 2004a, S. 36. Vgl. Kieso/Weygandt/Warfield 2002, S. 610; Stanke 2003, S. 53 sowie Hitz/Kuhner 2002, S. 282, die davon ausgehen, dass die planmäßige Abschreibung des derivativen Goodwill nur dann eine informationstheoretische Funktion erfüllt, sofern keine Erhaltungsinvestitionen vorgenommen werden. „…in some sense it must be true that goodwill acquired in a business combination is being consumed and replaced by internally generated goodwill“, IFRS 3.B140. Vgl. detailliert Abschn. III.A.2.d) dieses Hauptteils. Vgl. IAS 38.48; grundlegend Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils; zur Berücksichtigung nach der organischen, dynamischen und statischen Accounting Theory Erster Hauptteil, Abschn. I.C.1-3. Vgl. Abschn. III.A.3.d) dieses Hauptteils. Vgl. IFRS 3.B64-67 (rev. 2008); die grafische Darstellung von Zelger 2005, S. 132; zur erhöhten Informationsqualität gegenüber der handelsrechtlichen Bilanzierung Duhr 2003, S. 963 sowie die Tabelle 27 im Anhang. Vgl. IFRS 3.B67 (d) (rev. 2008). Vgl. auch Grüner 2006, S. 86 sowie zur handelsrechtlichen Erstellung eines Anlagespiegels Abschn. II.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. IFRS 3.67 (h).

264

Zweiter Hauptteil

dem Unternehmenszusammenschluss. Der Detaillierungsgrad der verpflichtenden (Konzern-) Anhangangaben für den derivativen Geschäfts- oder Firmenwert mithin wesentlich höher als nach den handelsrechtlichen Normen und stärkt die Informationsfunktion des 2220 IFRS-Abschlusses. Obwohl der IOA durch das Endorsement in supranationales Recht transformiert wurde, gilt sein Einklang mit der Vierten und Siebenten EG-Richtlinie weiterhin als strittig, da diese grds. eine typisierte Abschreibung des derivativen Goodwill innerhalb von spätestens fünf 2221 2222 Jahren vorsehen. Der zwischenzeitlich außer Kraft gesetzte DRS 1 a, welcher bei der vormaligen befreienden Erstellung eines IFRS- und US-GAAP-Konzernabschlusses nach dem ehemaligen § 292 a HGB Berücksichtigung fand, befasste sich mit der Richtlinienkonformität des IOA. Die Ansicht, wonach der derivative Goodwill einer begrenzten Nutzungsdauer unterliegt, „sei Ausdruck des seinerzeitigen Verständnisses des Richtlinienge2223 bers“ gewesen. Nach „neuerem“ Verständnis sollte dieser Sichtweise nicht länger ge2224 folgt werden. Diese Argumentation kann allerdings vor dem Hintergrund des BilMoGRefE nicht überzeugen, da der Gesetzgeber an der planmäßigen Abschreibung festhalten will. In diesem Kontext empfiehlt sich ein Vergleich der bereits vorgestellten ehemaligen 2225 Rechtsprechung von RFH und BFH zur steuerrechtlichen Einheitstheorie und der IASBVerlautbarungen, die eine planmäßige oder pauschale Abschreibung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts ablehn(t)en, da dieses Verfahren im Widerspruch zum ökonomi2226 schen Wesen des Goodwill stehen würde. Stattdessen wird bzw. wurde übereinstimmend der Auffassung gefolgt, dass einem tatsächlichen Werteverzehr des Goodwill lediglich mit der Vornahme außerplanmäßiger Abschreibungen (Teilwertabschreibungen bzw. Impairment Test) zu begegnen ist. Der IOA stellt vor dem Hintergrund der ehemaligen

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Ein Goodwill Reporting ist allerdings nicht obsolet; vgl. die weiterführenden Darlegungen in Abschn. A und B des Dritten Hauptteils. Vgl. Art. 30 Abs. 1 Siebente EG-Richtlinie in Verbindung mit Art. 37 Abs. 2 und Art. 34 Abs. 1 a) Vierte EG-Richtlinie sowie daran anknüpfend Kloos 1993, S. 213; Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1748. Es besteht ein Mitgliedstaatenwahlrecht, eine planmäßige Abschreibung über einen längeren Zeitraum als fünf Jahre unter Angabe von Gründen im Anhang zuzulassen. Vgl. Deutscher Rechnungslegungs Änderungsstandard (DRÄS) 2. DRS 1 a.10 sowie vgl. zu einer kritischen Würdigung zum Richtlinieneinklang des IOA u. a. Altenburger 2002, S. 809; Arbeitsgruppe 2002b, S. 880 f.; Busse von Colbe 2001b, S. 877; Fasselt/Brinkmann 2004b, S. 72; Henselmann 2002, S. 283; Kleindiek 2001, S. 2574; Krawitz 2002, S. 147; Pellens/Sellhorn 2002, S. 113; Siegel 2002, S. 749; Zimmermann 2002b, S. 385 sowie Moxter 2002b, S. I mit der Titulierung „Deutscher Standardisierungsrat auf Irrwegen“. Pfeil/Vater merken hierbei kritisch an, dass der Eindruck erweckt wird, als versuche der DSR auf die Schnelle die Problematik des Richtlinieneinklangs des IOA „hinzubiegen“, allerdings mit „fahlem Beigeschmack“, Pfeil/Vater 2002c, S. 74. Vgl. DRS 1 a.10 sowie weiterführend zur Beurteilung einer möglichen Übernahme des IOA in das nationale Handelsrecht die Ergebnisse in Abschn. IV.C.2.n) des Dritten Hauptteils. Vgl. Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. Duhr nimmt eine grundsätzliche materielle Gleichsetzung des IOA und der Einheitstheorie unter Rückgriff auf IFRS 3.B134 („goodwill acquired in a business combination and goodwill generated after that business combination cannot be separately identified, because they contribute jointly to the same cash flows“) vor; vgl. Duhr 2006, S. 190. Vgl. zu den Parallelen ebenso Focken 2006, S. 108 f.; Haaker/Paarz 2004, S. 689.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

265 2227

steuerrechtlichen Rechtsprechung „alter Wein in neuen Schläuchen“ dar. Eine planmäßige Abschreibung über die voraussichtliche Nutzungsdauer sowie die Festsetzung einer pauschalen Abschreibungshöhe pro Geschäftsjahr lassen sich dieser Auslegung folgend als Willkür der Unternehmensleitung interpretieren, da sich der Goodwill durch unternehmensspezifische Eigenschaften und einen heterogenen Charakter (Sammelgröße verschiedener firmenwertbildender Faktoren) auszeichnet. Eine außerplanmäßige Abschreibung ist lediglich dann als zulässig anzusehen, wenn dem Goodwill in seiner Gesamtheit bzw. den firmenwerttragenden CGU keine Werthaltigkeit mehr zu attestieren ist. Festzustellen ist ebenfalls, dass das IASB sowie der RFH und BFH eine Minderung der Höhe des bilanzierten Goodwill durch eine Separierung immaterieller Wirtschaftsgüter bzw. Vermögenswerte befürworten. Dieses Verhalten lässt sich darauf zurückführen, dass die Institutionen die Aussagekraft des Vermögenspostens Goodwill als mangelhaft beurteilen und mit dieser dargelegten „Identifizierungsstrategie“ die Aussagekraft des Abschlus2228 ses fördern, allerdings mit abweichenden Motiven. Während für das IASB die Erhöhung der Entscheidungsnützlichkeit für die Investoren im Blickpunkt steht, sind der RFH und der BFH an einer bilanziellen Transparenz für Steuerbemessungszwecke interessiert (gewesen). Für die Unternehmensleitung kann die Identifizierung von Intangible Assets u. a. dann von Vorteil sein, wenn eine Einordnung als abnutzbarer Vermögenswert erfolgt und das hieraus resultierende künftige Aufwandspotenzial überhöhte Ausschüttungsforderun2229 gen der Anteilseigner mindern könnte. In den Zeiten der Einheitstheorie waren dieser Strategie jedoch durch die Terminologie der firmenwertähnlichen Wirtschaftsgüter faktische Grenzen gesetzt, denen trotz ihrer eigenständigen Aktivierungsfähigkeit eine inhaltliche Nähe zum Goodwill attestiert wurde und die demnach ebenfalls keiner planmäßigen 2230 oder pauschalen Abschreibung zugänglich waren. Eine vergleichbare Regelung sehen die IFRS nicht vor. 2231

b)

Aufbau und Ablauf des Impairment Test

(1)

Bildung zahlungsmittelgenerierender Einheiten

Nach Ansicht des IASB stellt der derivative Goodwill einen immateriellen Vermögenswert dar, welcher lediglich in Kombination mit anderen Assets unabhängige und identifizierba-

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2231

Arnsfeld/Schremper 2005, S. 498. Vgl. weiterführend die empirischen Untersuchungsergebnisse in Abschn. IV.C.2.l) des Dritten Hauptteils. Dieses Vorgehen ist in der Hinsicht kritisch zu würdigen, als „wirtschaftlich sehr nahe beieinander liegende Sachverhalte völlig unterschiedlich behandelt werden“, Hense 2006, S. 255 sowie vgl. ebenso Hense/Kleinbielen/Witthaus 2005, S. 636. Vgl. zu den firmenwertähnlichen Wirtschaftsgütern im Einzelnen Rux 2005b, S. 5 sowie die Ausführungen in Abschn. II.B.2 dieses Hauptteils. Der Wertminderungstest bei gemeinschaftlichen immateriellen Vermögenswerten (Corporate Assets) erfolgt in Kongruenz zum Goodwill Impairment Test ebenfalls auf Basis von CGU; vgl. ausführlich zur Vorgehensweise Hepers 2005, S. 274. Die vorliegenden Ausführungen gehen auf jenen Spezialfall nicht näher ein.

266

Zweiter Hauptteil 2232

re Cash Flows erzielt. Angesichts dieses Charakteristikums ist der derivative Geschäftsoder Firmenwert auf zahlungsmittelgenerierende Einheiten (CGU) aufzuteilen und der 2233 Grundsatz der Einzelbewertung zu vernachlässigen. Dieses Vorgehen widerspricht der bisherigen handels- und steuerrechtlichen Vorgehensweise, die auf die Betonung des Ein2234 zelbewertungsgrundsatzes abstellt. Eine CGU ist als kleinste identifizierbare Gruppe 2235 von Vermögenswerten definiert, die Cash Flows erzeugt, welche weitgehend unabhän2236 gig von denen anderer Vermögenswerte oder Vermögenswertgruppen ist. Dabei stellt die Größe des Segments nach dem Bottom up Approach die Obergrenze für die Abgren2237 zung der CGU dar. Das IASB weist nachdrücklich darauf hin, dass die Ebene der Seg2232

2233

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Vgl. IAS 36.81 und hierzu im Einzelnen Fladt/Feige 2003, S. 254; Watrin/Strohm/Struffert 2004, S. 1456; Wirth 2005a, S. 198. Vgl. Wirth 2005a, S. 181. Die Durchführung des Goodwill Impairment Tests auf Unternehmensebene wird allerdings aus Informationsgesichtspunkten ebenfalls als unzulässig erachtet; vgl. im Einzelnen Pisoke 2005, S. 102; Schmidbauer 2003a, S. 2040. Von einer CGU-Aufteilung ist abzusehen, sofern die Höhe des derivativen Goodwill zum Bewertungsstichtag nicht abschließend bestimmt werden kann; vgl. IAS 36.85 sowie Klingels 2006, S. 276. Vgl. zu den geplanten Änderungen infolge des BilMoG-RefE Abschn. II.B.1 dieses Hauptteils. Vgl. hierzu ausführlich Kümpel/Döbel 2005, S. 23. Vgl. IAS 36.80 und ausführlich Kümpel/Döbel 2005, S. 25 f.; Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1749. Das FASB schreibt in SFAS 142 die Aufteilung des Goodwill auf Reporting Units vor; vgl. weiterführend etwa Davis 2002, S. 699. Eine Reporting Unit wird dabei als operatives Segment im Sinne von SFAS 131 oder eine Ebene darunter definiert (vgl. SFAS 142.30). Im Gegensatz zu IAS 36 sind somit sowohl eine Höchst- als auch eine Untergrenze (Component Level) für die Abgrenzung der Berichtseinheiten vorgegeben; vgl. detailliert Hachmeister 2005d, S. 61; Kuhner 2005a, S. 21; Lüdenbach/Hoffmann 2004a, S. 1072. Klingelhöfer und Olbrich dagegen sind der Ansicht, dass eine Abgrenzung voneinander unabhängiger CGU angesichts der vielfältigen Kombinationseffekte in praxi nahezu unmöglich und daher ein wertorientiertes Controlling auf Basis von CGU nicht zweckmäßig ist; vgl. Klingelhöfer 2006, S. 595-597; Olbrich 2006a, S. 43; Olbrich 2006b, S. 685 f.; anderer Ansicht ist Haaker 2006a, S. 45; Haaker 2006c, S. 695. Diese Problematik wird durch die Forderung des IASB nach einer weitgehenden und nicht vollständigen Unabhängigkeit abgemildert; vgl. hierzu Beyhs 2002, S. 105. Die Segmentberichterstattung ist gem. IFRS 8 in Verbindung mit § 315 a Abs. 1 bis 2 HGB lediglich für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen verbindlich. Gemäß § 297 Abs. 1 Satz 2 HGB in Verbindung mit § 315 a Abs. 3 HGB besteht ein Wahlrecht zur Erstellung eines Segmentberichts für alle sonstigen Unternehmen; vgl. weiterführend Müller/Peskes 2006a, S. 819; Müller/Peskes 2006b, S. 33. Die handelsrechtliche Segmentpflicht erstreckt sich gem. § 285 Nr. 4 HGB für große Kapitalgesellschaften lediglich auf eine Umsatzaufgliederung nach Tätigkeitsbereichen und geografischen Märkten ohne eine Berücksichtigung intersegmentärer Umsätze; vgl. hierzu Böcking 1998, S. 46 f. Mit der Festlegung einer Höchstgrenze der CGU-Abgrenzung will das IASB verhindern, dass die Werthaltigkeit des Goodwill auf Gesamtunternehmensebene getestet wird; vgl. IAS 36.80 (b) in Verbindung mit IAS 36.B139 und hierzu im Einzelnen Bieker/Esser 2004, S. 453; Kümpel 2003, S. 1492; Küting/ Wirth 2005b, S. 201. Das FASB hingegen legt in SFAS Nr. 141 und 142 den Begriff der Reporting Unit zugrunde, deren Abgrenzung nach dem Top Down Approach erfolgt. Hiernach wird grds. auf das Operating Segment gem. SFAS Nr. 131.10 abgestellt. Allerdings muss (als Ausnahmetatbestand) die Segmentberichtsebene verlassen werden, wenn eine oder mehrere Komponente(n) des Segments ihrerseits ein Business darstellen, Finanzinformationen bereitgestellt werden können und eine Überprüfung des Betriebsergebnisses der Segmentkomponente gewährleistet ist; vgl. detailliert anhand einer grafischen Darstellung Wirth 2005a, S. 204; Wirth 2006, S. 185 und zur Annäherung von IAS 14 und SFAS 131 durch IFRS 8 Alvarez/Büttner 2006, S. 307; Fink/Ulbrich 2006, S. 233; Fink/Ulbrich 2007a, S. 1; Fink/Ulbrich 2007b, S. 981; Müller/Peskes 2006a, S. 821 f.; Schween 2006, S. 516 f. Die wesentliche Neuerung stellt die verstärkte Anlehnung an den Management Approach dar; vgl. u. a. Müller/Peskes 2006b, S. 35 sowie Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.2. und III.C.3.b). Der ehemalige (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

267

mentberichterstattung immer dann keine Gültigkeit für die Goodwill-Allokation auf eine oder mehrere CGU besitzt, wenn die interne Berichtsstruktur und die Goodwill2238 Überwachung des Managements auf einer niedrigeren Ebene anzusiedeln sind. Diese Konzeption wird im Schrifttum unter der Bezeichnung Management Approach geführt, welcher im weiteren Verlauf der Untersuchung einer kritischen Würdigung unterzogen 2239 wird. Der Management Approach impliziert, dass die durch die internen Planungsrechnungen bereitgestellten Informationen zugleich einen Entscheidungsnutzen für die Adres2240 saten entfalten und unter diesem Aspekt die Basis für das externe Reporting darstellen. Dabei sind Konvergenzpotenziale zwischen in- und externem Rechnungswesen aufzudecken und die Steuerungs-, Planungs- und Kontrollabläufe des Unternehmens entsprechend 2241 anzupassen. Die empirische Untersuchung von Deloitte et al. verdeutlichte, dass die Mehrzahl der un2242 tersuchten Unternehmen die CGU-Abgrenzung auf Basis der Segmentberichterstattung 2243 vornehmen. Erst nachrangig finden die Abgrenzungskriterien Produktlinien, Regionen, 2244 Bilanzsumme oder Umsatz Berücksichtigung. Die Studie von PwC und der Universität Gießen betonte, dass auf europäischer Ebene am Häufigsten Produktlinien zur Bestim2245 mung von CGU herangezogen werden. Daneben erfolgt die Abgrenzung nach Maßgabe

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Risk and Reward Approach wurde von der Divergenztheorie geleitet, wonach grds. entscheidungsnützliche Investorinformationen nicht denen der Unternehmensleitung entsprechen; vgl. auch die grafische Übersicht bei Küting/Lorson 1999, S. 53. Vgl. IAS 36.80 (a) in Verbindung mit IAS 36.B138-140 sowie hierzu im Einzelnen Bartelheimer/Kückelhaus/Wohltat 2004, S. 24; Bieker/Esser 2004, S. 454. Im Umkehrschluss wird eine Orientierung an der kleinstmöglichen CGU ebenfalls nicht als zulässig erachtet, sofern diese nicht in Einklang mit der Berichts- und Überwachungsstruktur des internen Rechnungswesens steht; vgl. zu dieser Erkenntnis ebenfalls Küting/Wirth 2004a, S. 167; Schmidbauer 2005, S. 121. Vgl. zur Implementierung des Management Approach i. R. d. Business Reporting Dritter Hauptteil, Abschn. I.B.1, der im Schrifttum auch als „Prinzip der gläsernen Taschen“ bezeichnet wird, stellvertretend Böcking 1998, S. 49. Im Geschäftsbericht des Schering-Konzerns aus dem Jahre 2004 wird angegeben: „Die Überprüfung der Geschäftswerte erfolgt auf Ebene der geografischen Segmente als primärem Berichtsformat unserer Segmentberichterstattung“, Dobler 2005, S. 27, zitiert nach Schering (Hrsg.) 2004, S. 94. Das IASB stellt fest, dass für den Goodwill Impairment Test kein neues zusätzliches Monitoring- und Reporting System zu implementieren ist; vgl. IAS 36.82 sowie Brücks/Kerkhoff/Richter 2005, S. 2. Die Befolgung des Management Approach wirkt sich ebenfalls auf die Abschlussprüfung nachhaltig aus; vgl. hierzu Vierter Hauptteil, Abschn. II.D.2. Vgl. u. a. Adler/Düring/Schmaltz International 2007, Rn. 111 zu Abschn. 9, S. 50. Vgl. die Ausführungen zu den Möglichkeiten und Grenzen einer Konvergenz des in- und externen Rechnungswesens Dritter Hauptteil, Abschn. I.B; anhand eines ausführlichen Rechenbeispiels Klingels 2006, S. 277 f. Befragt wurden sämtliche am 20.09.2004 im Prime Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse notierten Unternehmen, wobei die Rücklaufquote von 20,31 % als überdurchschnittlich zu klassifizieren ist; vgl. Deloitte et al. 2005, S. 11 f. Vgl. Deloitte et al. 2005, S. 12 sowie weiterführend Dritter Hauptteil, Abschn. III.C.2. Vgl. Deloitte et al. 2005, S. 12. Ausgewählt wurden 357 Unternehmen aus 17 europäischen Staaten, die für das Geschäftsjahr 2005 an einer nationalen Börse gelistet waren; vgl. PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 50.

268

Zweiter Hauptteil

geografischer oder rechtlicher Kriterien oder aus einer Kombination der vorstehend ge2246 nannten Faktoren. Die Implementierung des Goodwill Impairment Tests erfordert allerdings nicht die Schaf2247 fung eigener Berichtsstrukturen. In der betrieblichen Praxis können die abgegrenzten 2248 strategischen Geschäftseinheiten einen wichtigen Anhaltspunkt für die CGU-Allokation darstellen. Angesichts der Individualität der unternehmerischen Steuerungs- und Reporting-Module unterbleibt eine weitergehende Präzisierung der CGU durch das IASB. Daher unterliegt die CGU-Zuordnung des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts erheblichen Ermessens- und Gestaltungsspielräumen, die als ein wesentliches rechnungslegungspoliti2249 sches Instrumentarium fungieren. Die Diversifizierung und Heterogenität der jeweiligen Geschäftsfelder sowie die Unternehmensorganisation und die verwendeten Berichts- und Steuerungseinheiten lassen sich abschließend als zentrale Einflussfaktoren der CGU2250 Zuordnung zusammenfassen.

(2)

Ermittlung des erzielbaren Betrags und Verteilung des Wertminderungsaufwands

Nach erfolgter Aufteilung des derivativen Goodwill auf eine oder mehrere CGU bedarf es 2251 eines Vergleichs zwischen dem Buchwert und dem erzielbaren Betrag. Übersteigt der Buchwert den erzielbaren Betrag, stellt die Differenz den Wertminderungsaufwand dar, welche in der GuV zu berücksichtigen ist. Anderenfalls lässt sich eine Werthaltigkeit des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts zum Betrachtungszeitpunkt feststellen. Das IASB 2252 folgt dabei im Gegensatz zu den US-GAAP und zum vorausgegangenen ED IAS 36 2253 (rev. 2003) dem Single Step Approach, da die in Auftrag gegebenen Feldstudien einen

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Vgl. PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 50. Aus Kostengründen wird auf diese Tatsache hingewiesen: „the proposals relating to the level of the goodwill impairment test should not cause entities to allocate goodwill arbitrariliy to cash-generatingunits. Nor should they create the need for entitites to develop new or additional reporting systems“, IAS 36.B140. Vgl. ebenfalls Wirth 2005a, S. 202. Strategische Geschäftseinheiten lassen sich als organisatorische Subsysteme des Unternehmens kennzeichnen, die u. a. für die Konkretisierung und Ausführung spezifischer durch das Management beschlossener Strategien zuständig sind. Sie erfüllen in diesem Sinne eine wesentliche „Zuliefererfunktion“ im Entscheidungs- und Steuerungsprozess der Geschäftsführung. Vgl. die nachfolgenden Ausführungen zu den Ermessens- und Gestaltungsspielräumen bei der CGUZuordnung Abschn. III.A.2.b) dieses Hauptteils. Vgl. weiterführend auch Hachmeister 2005c, S. 200. Vgl. IAS 36.8. Das IASB folgt demnach dem Konzept des Rationalkalküls der Unternehmensleitung, wonach die jeweils beste Verwendungsmöglichkeit (Verkauf oder weitere interne Nutzung) gewählt wird; vgl. IAS 36.BZ9 sowie hierzu u. a. Lienau/Zülch 2006a, S. 320. Eine werttheoretische Fundierung des Recoverable Amount kann jedoch nicht konstatiert werden; vgl. ebenfalls zu dieser Einschätzung IDW RS HFA 16.8. Vgl. stellvertretend Kirsch 2003f, S. 1775. Vgl. hierzu ausführlich Kümpel 2003, S. 1491-1494; Küting/Wirth 2003b, S. 1848; Küting/Dawo/ Wirth 2003, S. 177.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

269

erheblichen Mehraufwand für die betreffenden Unternehmen prognostizierten, ohne einen 2254 wesentlichen Mehrnutzen aufzuzeigen. Während die Ermittlung des CGU-spezifischen Buchwerts unproblematisch ist, fällt die Bestimmung des erzielbaren Betrags wesentlich kosten- und zeitintensiver aus. Die IFRS sehen vor, den höheren Wert aus beizulegendem Zeitwert abzüglich Verkaufskosten (Fair 2255 Value less Costs to Sell) und internem Nutzungswert (Value in Use) als erzielbaren Be2256 trag heranzuziehen. Diese Vorgehensweise basiert auf zwei denkbaren Strategien des Unternehmens. Entweder kann die Goodwill-CGU weiterhin betrieblich genutzt werden (Value in Use) oder es ist eine gedankliche Veräußerung angezeigt (Fair Value less Costs to Sell). Dabei gilt es als unerheblich, ob eine weitere Nutzung oder ein Verkauf tatsäch2257 lich durch das Management beabsichtigt ist. Ein nach dem Shareholder Value-Prinzip geführtes Unternehmen wählt jeweils diejenige Handlungsalternative aus, welche die Interessen der Anteilseigner im Sinne einer Erhöhung des Shareholder Value am Besten reprä2258 sentiert. Unterschreitet der Nutzungswert den beizulegenden Zeitwert, ist ein Verkauf 2259 der CGU in Erwägung zu ziehen und vice versa. Eine ähnliche Sichtweise dürfte ebenfalls bei der Schätzung des niedrigeren beizulegenden (Zeit-) Werts im Handelsrecht vor2260 liegen. Der Fair Value less Costs to Sell als Referenzgröße zur Ermittlung des erzielbaren Betrag stellt auf den Verkauf eines Vermögenswerts oder einer zahlungsmittelgenerierenden Ein-

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Vgl. ED IAS 36.85 (rev. 2003) und IFRS 3.B166-170 sowie hierzu stellvertretend Bieker/Esser 2004, S. 453; Protzek 2003, S. 496 f. Nach SFAS 142.19 wird zunächst der Buchwert mit dem Fair Value der Reporting Unit verglichen, der die Wertminderung dem Grunde nach angibt (Erste Stufe). Auf der zweiten Stufe ist der Implied Goodwill zum Zeitpunkt des Impairment Tests zu ermitteln, welcher den Unterschiedsbetrag aus dem Fair Value der Reporting Unit und dem Fair Value des Reinvermögens darstellt und somit die Wertminderung der Höhe nach widerspiegelt; vgl. hierzu die grafische Übersicht von Frohwein/Lüdenbach 2003a, S. 65; Weißenberger 2007a, S. 137 und zur praktischen Ermittlung des Implied Goodwill u. a. Lüdenbach/Frohwein 2003, S. 222. Im Schrifttum wird diesbezüglich das „Sum of the parts-Problem“ nach SFAS 142 angesprochen. Dieses Problem tritt immer dann auf, wenn die Summe der für den Impairment Test geschätzten Fair Values der abgegrenzten Reporting Units die aktuelle Marktkapitalisierung des Konzerns übersteigt, der Abschlussprüfer jedoch gleichzeitig die Plausibilität der einzelnen Fair Values als zutreffend beurteilt hat; vgl. zu dieser Thematik ausführlich Frohwein/Lüdenbach 2003b, S. 261; Lüdenbach/Freiberg 2006, S. 443. Die vormalige Bezeichnung Net Selling Price wurde im Zuge des Improvement Project aufgegeben; vgl. hierzu Bartelheimer/Kückelhaus/Wohltat 2004, S. 24; Eberle 2000a, S. 288; Kümpel 2002e, S. 984. Vgl. IAS 36.18 sowie weiterführend Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1749. Damit stellt das IASB eine Verbindung zwischen in- und externem Rechnungswesen her; vgl. Eberle 2000b, S. 83. Vgl. u. a. Krolak 2000, S. 150 und Wirth 2005a, S. 22. Begründet wird dieses Vorgehen mit dem kaufmännischen Rationalitätsprinzip; vgl. Knorr 2000, S. 28 und weiterführend Beyhs 2002, S. 88. Das IASB unterstellt eine ähnliche Einstellung der Unternehmensleitung; vgl. IAS 36.BZ9 in Verbindung mit IAS 36.BZ22 (a) und IAS 36.B58. Sind die Veräußerungsabsichten des Managements als hinreichend konkret einzustufen, kommt ggf. eine Umklassifizierung der CGU in die Position Held for Sale gem. IFRS 5 in Betracht. Eine Anwendung von IAS 36 ist danach unzulässig; vgl. IAS 36.2 (i) sowie hierzu im Einzelnen Wirth 2005a, S. 333 f. Vgl. grundlegend Abschn. II.A.1 dieses Hauptteils.

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Zweiter Hauptteil 2261

heit in einer Transaktion zu Marktbedingungen nach Abzug der Veräußerungskosten ab. Mithin ist dieser als Exit Price anzusehen und unter marktähnlichen Bedingungen (at arm’s 2262 length transaction) zu ermitteln. Die Vorgehensweise erfolgt unter Berücksichtigung des 2263 Stufenmodells. Neben den marktpreis- und kapitalwertorientierten Bewertungsverfahren ist ein Rückgriff auf kostenorientierte Verfahren bei der Durchführung der Kaufpreisallokation möglich. Bei der Ableitung des Fair Value less Costs to Sell können de lege lata le2264 diglich marktpreis- und kapitalwertorientierte Verfahren zum Einsatz gelangen. 2265

Liegt bereits ein bindender Kaufvertrag „zwischen unabhängigen Geschäftspartnern“ vor, stellt der fixierte Preis den Fair Value less Costs to Sell dar, weil dieser auf einer objektivierten externen Bewertungsbasis ermittelt wurde und die Verlässlichkeit der Daten2266 basis gewährleistet ist. Bei fehlender Existenz eines Kaufvertrags ist auf einen aktiven 2267 2268 Markt abzustellen und der aktuelle Angebotspreis anzusetzen. Diese Situation ist jedoch bei der Bewertung der Goodwill-CGU in der betrieblichen Praxis häufig nicht vorzu2269 finden; die Goodwill-tragenden CGU sind vielmehr als Konglomerat aus derivativem 2270 Geschäfts- oder Firmenwert und sonstigen (immateriellen und materiellen ) Vermögenswerten anzusehen, die von den Synergien des Goodwill profitieren. Aufgrund der Hetero-

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Vgl. IAS 36.6. Diese Einordnung entstammt der allgemeinen Definition des beizulegenden Zeitwerts (Fair Value); vgl. ebenso IAS 38.8 sowie zum Fair Value Accounting ausführlich Abschn. III.A.1 dieses Hauptteils. Der Unterschied besteht in der Berücksichtigung von Veräußerungskosten (u. a. Gerichts- und Notarkosten sowie Börsenumsatzsteuern); vgl. hierzu IAS 36.28. Dabei sollen die Markterwartungen bezüglich zukünftiger Cash Flows der CGU sowie die damit verbundenen Risiken und der Zeitwert des Geldes Berücksichtigung finden. Allerdings ist die tatsächliche Existenz eines aktiven Markts nicht zwingend vorgegeben, wie das im Folgenden darzulegende „Stufenmodell“ belegt; vgl. Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 40 zu IAS 36, S. 16. Vgl. Böcking/Lopatta/Rausch 2005, S. 95 sowie zur hierarchischen Anordnung ebenfalls Heyd/LutzIngold 2005b, S. 96. Vgl. IAS 36.BZ29 sowie IDW RS HFA 16.20. Begründet wird dies mit der mangelnden Entscheidungsrelevanz des Cost Approach, da der Fair Value durch marktfremde Surrogate approximiert wird; vgl. u. a. Jäger/Himmel 2003, S. 426. In SFAS 157.19 wird jedoch die Anwendung kostenorientierter Verfahren (Cost Approach) als Hilfsmethoden zur Bestimmung des Fair Value generell als zulässig erachtet. Hierbei ist insbesondere eine Bewertung zu Wiederbeschaffungskosten (Current Replacement Costs) in Betracht zu ziehen, wenngleich dieses Vorgehen gegen das absatzmarktorientierte Fair Value-Verständnis verstößt; vgl. hierzu auch Hitz 2006b, S. 362. IAS 36.25 sowie vgl. hierzu detailliert Meyer 2005b, S. 322. Vgl. hierzu ausführlich Brücks/Kerkhoff/Richter 2005, S. 3. Vgl. zur Definition des aktiven Markts die entsprechenden Anforderungen für die Inanspruchnahme der Neubewertungsmethode bei immateriellen Vermögenswerten nach IFRS Abschn. II.A.3 dieses Hauptteils. Dabei wird im Allgemeinen auf den Börsenwert der Anteile, ggf. ergänzt um eine Kontrollprämie (Control Premium), abgestellt; vgl. IAS 36.26 sowie zur Berücksichtigung von Kontrollprämien bei der Bestimmung des Goodwill nach IFRS 3 (rev. 2008) Abschn. I.E.4 dieses Hauptteils. Vgl. IDW RS HFA 16.46 und zustimmend Fladt/Feige 2003, S. 255. Es ist davon auszugehen, dass ein aktiver Markt eher bei materiellen Vermögenswerten im Allgemeinen vorliegt. Allerdings bedarf es einer detaillierten Zerlegung der CGU in ihre einzelnen Bestandteile, die nur dann zu aussagekräftigen Ergebnissen führt, wenn ein entsprechend effizientes und effektives internes Steuerungs- und Reporting-System vorliegt.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

271 2271

genität und Individualität der CGU erfolgt nach der Analogiemethode ein Rückgriff auf Surrogate, welche die Bildung eines Schätzwerts jüngerer vergleichbarer Transaktionen 2272 2273 auf der „Grundlage der besten verfügbaren Informationen“ vorsehen. Sofern diese 2274 nicht anwendbar sind, bedarf es eines Einsatzes kapitalwertorientierter Verfahren, u. a. 2275 der Ertragswert- oder der DCF-Methode. Führt auch die Anwendung jener Verfahren zu keiner verlässlichen Aussage, sind diejenigen Kosten heranzuziehen, die notwendig sind, um ein exaktes Duplikat des Vermögenswerts zu erwerben (Wieder- bzw. Ersatzbeschaf2276 fungskosten). 2277

Als Ausnahmetatbestand fungiert das Unternehmenswahlrecht, auf die Ermittlung des Fair Value less Costs to Sell zu verzichten und stattdessen den Value in Use als erzielbaren Betrag anzusetzen, wenn eine verlässliche Schätzung immer noch nicht gegeben ist. Auf die Voraussetzungen, die gegen eine verlässliche Prognose sprechen, geht das IASB aller2278 dings nicht weiter ein. Die nachfolgende Abbildung 22 gibt einen Überblick über mögli2279 che Bewertungsverfahren nach IFRS.

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Den Analogieverfahren sind die Similar Public Company Method, die Recent Acquisition Method sowie die Initial Public Offering Method zu subsumieren, wobei nach h. M. lediglich die erstgenannte Konzeption bei der Fair Value-Bewertung nach IFRS anzuwenden ist; vgl. Küting/Hayn 2006, S. 1213. IAS 36.27 und vgl. hierzu im Einzelnen Pottgießer/Velte/Weber 2005b, S. 1751. Vgl. hierzu IDW RS HFA 16.21-23 sowie weiterführend Beyer 2005, S. 154 f. Vgl. IDW RS HFA 16.24-34. Für finanzielle Vermögensposten ist der Einsatz von Verfahren der Optionsbewertung (z. B. des Black Scholes Model) angezeigt; vgl. Hitz 2006a, S. 111. Vgl. IDW RS HFA 16.39-42 sowie hierzu im Einzelnen Beyer 2005, S. 164 f.; Rux 2005b, S. 57. Dabei wird der Fair Value häufig durch den bilanziellen Buchwert der Vermögenswerte approximiert, sofern keine starken Preisschwankungen vorliegen oder sonstige bewertungsrelevante Ereignisse eingetreten sind; vgl. Baetge/Kümmel 2003, S. 10. Vgl. IAS 36.20. Vgl. zu den diesbezüglichen Ermessensspielräumen des Managements Abschn. III.A.2.c) dieses Hauptteils. Vgl. insbesondere die Darlegungen von Siegrist/Stucker 2006, S. 249 f.

272

Zweiter Hauptteil

Bewertungsverfahren

Market Approach

Income Approach

Cost Approach

aktive Marktpreise

Methode der unmittelbaren Cash Flow-Progrnose

Reproduktionskostenmethode

Analogieverfahren

Lizenzpreisanalogiemethode

Wiederbeschaffungskostenmethode

Residualwertmethode

Mehrgewinnmethode

Abbildung 22: Übersicht über mögliche Bewertungsverfahren nach den IFRS

2280

Der Value in Use als zweite Wertkomponente bei der Ableitung des erzielbaren Betrags stellt den Barwert der künftigen Cash Flows bei unterstellter zukünftiger Nutzung im Un2281 ternehmen dar, die voraussichtlich aus der CGU abgeleitet werden. Bei der Berechnung 2282 sind etwaige Erwartungen im Hinblick auf künftige Veränderungen der Cash Flows , der 2283 2284 risikolose Zinssatz des aktuellen Markts (Zinseffekt) und das Unsicherheitsrisiko zu 2285 antizipieren. Die Cash Flow-Schätzung hat auf der Grundlage „vernünftiger und vertretbarer Annahmen“ zu erfolgen, welche „die beste vom Management vorgenommene Ein2286 und sich an den schätzung der ökonomischen Rahmenbedingungen repräsentieren“ 2280 2281

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2285

2286

In Anlehnung an IDW S 5.18. Vgl. IAS 36.6. Inhaltlich entspricht diese Vorgehensweise der Ableitung des Nettoveräußerungswerts auf der dritten Stufe. Das Schrifttum spricht dabei von einer „kleinen Unternehmensbewertung“, Lüdenbach/Hoffmann 2004a, S. 1075; Pfeil/Vater 2002c, S. 66. Vgl. IAS 36.30 (b) sowie zum Stellenwert des Controllings bei der Cash Flow-Planung Kirsch 2005b, S. 1157. Vgl. IAS 36.30 (c). Vgl. IAS 36.30 (d). Ferner können sonstige Faktoren, wie z. B. die Illiquidität, Berücksichtigung finden; vgl. IAS 36.30 (e). Kritisch zu beurteilen ist das uneinheitliche Vorgehen bei der Ermittlung des Value in Use. Während die Schätzung der künftigen Cash Flows gänzlich aus unternehmensinterner Sicht vorgenommen wird, erfolgt die Bestimmung des Diskontierungszinssatzes aus unternehmensexterner (Markt-) Perspektive; vgl. hierzu IAS 36.B60 sowie zur Begründung des IASB zur objektivierten Zinsermittlung („such a rate could not be verified objectively“) IAS 36.BZ54 sowie hierzu auch Freiberg/Lüdenbach 2005, S. 481. Beide Zitate IAS 36.33 (a) sowie vgl. hierzu ebenfalls Freiberg/Lüdenbach 2005, S. 480. Dabei spielen u. a. auch immaterielle Einflussfaktoren, wie z. B. das Know How der Mitarbeiter, eine zentrale Rolle; vgl. Lienau/Zülch 2006a, S. 320. Hoffmann führt kritisch an, dass das IASB „Grundsätze hoff(Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

273

2287

„jüngsten genehmigten Finanzplänen“ ausrichten (Phase I). Für über die Finanzpläne 2288 (Phase II) des Managements hinausgehende Betrachtungszeiträume bedarf es einer Ext2289 rapolation unter Anwendung einer konstanten oder rückläufigen Wachstumsrate. Eine 2290 Orientierung an den internen Verrechnungspreisen ist hingegen nicht zulässig. Bei der Ermittlung des Value in Use der Goodwill-CGU wird somit implizit unterstellt, dass der 2291 derivative Geschäfts- oder Firmenwert dem „Barwert einer ewigen Rente“ entspricht. In Anlehnung an Abbildung 22 ist bei der Ermittlung des Value in Use lediglich der Income 2292 Approach zulässig. Das IASB stellt mit dem Traditional- und Expected Cash Flow Ap2293 proach zwei unterschiedliche Barwertverfahren zur Auswahl. Ersteres nimmt eine Diskontierung vertraglich vereinbarter Zahlungsströme bzw. des wahrscheinlichsten Zah2294 lungsstroms mittels eines risikoangepassten Zinses auf den Erwerbszeitpunkt vor. Angesichts der Tatsache, dass Risikoprämien am Kapitalmarkt häufig nicht direkt messbar sind, 2295 stellt das IASB u. a. die Anwendung des WACC-Verfahrens zur Disposition. Im Gegensatz hierzu basiert der Expected Cash Flow Approach nicht auf dem wahrscheinlichsten

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nungsfroher Bilanzierung“ geschaffen hat und diese dem Postulat der Verlässlichkeit entgegenstehen, Hoffmann 2004, S. I. IAS 36.33 (b) sowie vgl. weiterführend Budde 2005, S. 2570. Die Laufzeit der Finanzpläne wird danach grds. auf fünf Jahre beschränkt; vgl. hierzu im Einzelnen Dyckerhoff/Lüdenbach/Schulz 2003, S. 47 sowie empirisch PwC/Universität Gießen (Hrsg.) 2007, S. 55. Die Begrenzung wird mit dem Grundsatz der Verlässlichkeit der Informationen, die mit steigender Zukunftsorientierung abnimmt, begründet. Eine über einen Zeitraum von fünf Jahren hinausgehende Vorhersage ist ausnahmsweise dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nachfragestruktur als „relativ stabil und vorsehbar“ einzuordnen ist, eine verlässliche Prognose gewährleistet werden kann oder der jeweilige Lebenszyklus des Produkts dies erfordert; vgl. IAS 36.35 f. Dabei ist eine Einzelfallprüfung und detaillierte Darlegung der genaueren Umstände erforderlich; vgl. Baetge/Krolak/Thiele 2002, Rn. 51 zu IAS 36, S. 21. Die Ermittlungsmethodik des Nutzungswerts entspricht dem „klassischen“ Phasen-Modell der Unternehmensbewertung. Die „Detail-Planungsphase“ (Phase I) legt für einen abgegrenzten Zeitraum (i. d. R. drei bis fünf Jahre) die konkreten Finanzpläne der Geschäftsführung zugrunde, während die „Fortschreibungs“- bzw. „Extrapolationsphase“ angesichts der steigenden Unsicherheit der Vorhersagen eine konstante oder sinkende Wachstumsrate unterstellt; vgl. zur Beachtung des Going ConcernPrinzips Bartelheimer/Kückelhaus/Wohltat 2004, S. 25. Vgl. IAS 36.33 (c) sowie hierzu im Einzelnen Budde 2005, S. 2570; Lüdenbach/Hoffmann 2004a, S. 1075. Die Unterstellung einer steigenden Wachstumsrate hingegen muss gesondert dargelegt und begründet werden. Die Höchstgrenze stellt dabei die durchschnittliche Wachstumsrate für Produkte, Branchen oder Regionen, in denen das Unternehmen tätig ist, dar. Vgl. Hachmeister 2005c, S. 199. Vgl. hierzu u. a. Protzek 2003, S. 497 sowie zu einer kritischen Würdigung Abschn. III.A.2.c) dieses Hauptteils. Insofern enthält der Value in Use aufgrund seiner unternehmensinternen Sichtweise Elemente des originären Goodwill; vgl. hierzu auch Hitz 2006a, S. 110. Vgl. IDW RS HFA 16.20 sowie zur „Überlegenheit“ des Income- gegenüber dem Cost Approach Creutzmann 2005, S. 38. Vgl. IAS 36.A4 bis A14. Vgl. ausführlich Heidemann 2005, S. 203; Lopatta/Wiechen 2004, S. 539. Vgl. IAS 36.BZ55 in Verbindung mit IAS 36.A17 sowie zum WACC-Verfahren Erster Hauptteil, Abschn. II.C.1. Dieses Verfahren gelangt in der betrieblichen Praxis am Häufigsten zur Anwendung; vgl. anhand einer empirischen Befragung Deloitte et al. 2005, S. 15. Nach Maßgabe der empirischen Untersuchung von PwC/Heintges/Herre beträgt der durchschnittliche Diskontierungssatz 8,3 %; vgl. exemplarisch PwC/Heintges/Herre (Hrsg.) 2007, S. 25.

274

Zweiter Hauptteil 2296

Schätzwert, sondern auf dem Erwartungswert der künftigen Cash Flows. Um der intersubjektive Nachprüfbarkeit der Ableitung des erzielbaren Betrags Rechnung zu tragen, sind zahlreiche Anhangangaben aufgeführt, u. a. zu wesentlichen Prämissen, die bei der 2297 Ermittlung der Cash Flows und des Diskontierungsfaktors zugrunde gelegt wurden. Eine weiterführende Begründung vonseiten des Managements bezüglich der unterstellten Prämissen wird allerdings nicht gefordert, so dass ein wesentlicher Freiheitsgrad verbleibt, 2298 aufgedeckt werden welcher nur unzureichend durch eine Jahresabschlussanalyse 2299 kann. Im Schrifttum überwiegen in einer Gesamtschau die kritischen Ausführungen zu 2300 den „Widersprüchen und Unstimmigkeiten“ der dargelegten Barwertverfahren nach IAS 2301 36. Die vorliegenden Darlegungen zur Ermittlung des erzielbaren Betrags verdeutlichen allerdings auch die Notwendigkeit einer Kapitalflussrechnung zur Durchführung eines Im2302 pairment Tests nach IFRS, die aus nationaler Sicht in der Vergangenheit eher stiefmüt2303 terlich betrachtet wurde. Die nachfolgende Abbildung 23 fasst die Vorgehensweise des Goodwill Impairment Tests nach IFRS zusammen.

2296

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Dieser Ansatz wurde erst mit dem Business Combinations Project Phase I als gleichwertiges Verfahren gegenüber dem traditionellen Ansatz implementiert; vgl. Heidemann 2005, S. 207. Sie bietet sich für die Bewertung sämtlicher Intangible Assets an, die nicht regelmäßig am Markt gehandelt werden und für die es keine vergleichbaren am Markt gehandelten Assets gibt; vgl. IAS 36.A7-14. Dabei kann die Risikoprämie für die Unsicherheit der Cash Flows sowohl durch einen Risikozuschlag auf den Diskontierungszins (Risikozuschlagsmethode) als auch durch einen Abschlag vom Erwartungswert der Zahlungsströme (Sicherheitsäquivalenzmethode) Berücksichtigung finden; vgl. hierzu grundlegend Schwetzler 2000, S. 469-486 und daneben Baetge/Niemeyer/Kümmel 2002, Rn. 379; Kirsch 2005c, S. 16. Vgl. IAS 36.134 f. sowie hierzu im Einzelnen Tabelle 28. Vgl. grundlegend zur Analyse von IFRS-Abschlüssen Baetge/Beermann 2000, S. 2088-2094; Beermann 2001a, S. 578-582; Beermann 2001b; Burger/Fröhlich/Ulbrich 2004, S. 353-366; Hüttche 2005a, S. 147-151; Kerkhoff 2006, S. 114-128; Lachnit 2003, S. 160-198; Melcher 2005, S. 70-89. Eine weiterführende Erläuterung der zugrunde liegenden Prämissen wird allerdings i. R. d. Goodwill Reporting nachdrücklich befürwortet; vgl. hierzu Dritter Hauptteil, Abschn. III.B sowie zur Fortentwicklung der Unternehmensanalyse Ranker/Wohlgemuth/Zwirner 2001, S. 278. Ballwieser 2008, S. 357. Vgl. u. a. Ballwieser 2006a, S. 277-279; Beyhs 2002, S. 199-272; Hachmeister 2005c, S. 213-222; Mandl 2005, S. 148-156. Zur „zwingenden Aufstellung und fortlaufenden Pflege“ Buhleier 2008, S. 475. Scheffler tituliert die Kapitalflussrechnung (noch) als „Stiefkind in der deutschen Rechnungslegung“, Scheffler 2002a, S. 295.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

275

Stufe 1: ja

nein

Indikatoren für ein Impairment

Ende Stufe 2: Maximum aus ... erzielbarer Betrag = ...Value in Use

…Fair Value less Costs to Sell

Abgrenzung des Buchwerts der CGU ja Differenz = Wertminderung

Buchwert übersteigt erzielbaren Betrag

nein Ende

Goodwill Impairment proportionale Abstockung der sonstigen Vermögenswerte

Abbildung 23:

Ablauf des Goodwill Impairment Tests nach den IFRS

2304

Ein bei der Durchführung des Goodwill Impairment Tests festgestellter Wertminderungsaufwand als positive Differenz zwischen Buchwert und erzielbarem Betrag ist nach einer 2305 zweistufigen Hierarchieabfolge in der GuV zu erfassen. Zunächst erfolgt eine Minderung des Wertansatzes des derivativen Goodwill, der bei der Kaufpreisallokation einer oder mehreren CGU zugeordnet wurde (Stufe 1). Übersteigt der Wertminderungsaufwand den ursprünglichen Betrag des derivativen Geschäfts- oder Firmenwerts, d. h. ist dieser bereits vollständig abgeschrieben, sind die Wertansätze der sonstigen Vermögenswerte der 2306 betrachteten CGU anteilig auf Basis der jeweiligen Buchwerte abzusenken (Stufe 2). Dabei stellt der höhere Wert aus null und dem erzielbaren Betrag die absolute Untergrenze 2307 bei der Erfassung des Wertminderungsaufwands dar. Ein nach der Durchführung des Zwei-Stufen-Konzepts verbleibender Wertminderungsaufwand muss ggf. als Verbindlich2308 keit passiviert werden, wenn ein anderer Standard dies erfordert. Kann der erzielbare Betrag der CGU allerdings keiner verlässlichen Ermittlung zugeführt werden, kommt keine proportionale Verteilung, sondern eine „willkürliche Zuordnung des Wertminderungsauf-

2304 2305 2306 2307

2308

In Anlehnung an Wirth 2005a, S. 212. Vgl. IAS 36.104 sowie die Anmerkungen und das Buchungsbeispiel bei Dobler 2005, S. 27. Vgl. hierzu detailliert u. a. Kümpel 2002e, S. 985. Vgl. IAS 36.105. Bestimmte Vermögenspositionen, wie z. B. das Vorratsvermögen, Finanzinstrumente oder liquide Mittel sind allerdings im Regelfall von einer Abstockung ausgenommen; vgl. hierzu IAS 36.2. Vgl. IAS 36.108.

276

Zweiter Hauptteil 2309

2310

wands auf die Vermögenswerte abseits des Goodwill“ in Betracht. Aufgrund der in diesem Zusammenhang zu konstatierenden mangelnden Konkretisierungen des IASB zum Ablauf des Goodwill Impairment Tests sowie zur Verteilung eines ermittelten Wertminderungsaufwands liegt auch in diesem Fall eine zentrale Konkretisierungslücke vor, die sich negativ auf den Grundsatz der Entscheidungsnützlichkeit der Unternehmensdaten aus2311 wirkt.

c)

Inkonsistenzen beim Einsatz von Unternehmensbewertungsverfahren aus nationaler und internationaler Sicht

Die Durchführung des Goodwill Impairment Tests nach IFRS erfordert hinsichtlich der Ermittlung des erzielbaren Betrags - wie vorstehend ausgeführt - im Allgemeinen den Ein2312 satz von Unternehmensbewertungsverfahren. Allerdings ergeben sich wesentliche Divergenzen zwischen den Verlautbarungen des IASB und des IDW, die in der nachfolgenden Tabelle 3 synoptisch dargestellt werden.

Verfahren Bewertungsziel Subjektbezogenheit Tax Shield Steuererfassung Cash Flow-Prognose Unsicherheit Zinsen und Tilgung

IDW S 1/IDW ES 1

IAS 36

Flow to Equity/WACC Wert nach Finanzierung

nur WACC Wert vor Finanzierung hypothetische Markttransaktionen nein nein (Ergebnis vor Steuern) Marktorientierung Regelungslücken vor Zins und Tilgung nein (Ausnahme: Maßnahmen, zu denen sich das Unternehmen bereits verpflichtete) nein (Ausnahme: bereits eingeleitete und nicht mehr rückgängig zu machende Maßnahmen)

Erfassung von subjektiven Einflüssen ja ja (Ergebnis nach Steuern) Eigentümerorientierung breiter Konsens je nach Verfahren unterschiedlich

Berücksichtigung von Restrukturierungsmaßnahmen

ja

Berücksichtigung von Erweiterungs- und Desinvestitionen

ja

Berücksichtigung von Ersatzinvestitionen

ja

Tabelle 3:

2309 2310 2311 2312

2313

ja

Synoptische Darstellung der Unternehmensbewertung nach den Ver2313 lautbarungen nationaler und internationaler Standardsetter

Dobler 2005, S. 27. Vgl. IAS 36.106. Vgl. die Konklusion in Abschn. III.A.2.c) dieses Hauptteils. Vgl. die Titulierung „Unternehmensbewertung für Bilanzierungszwecke“ von Lüdenbach/Schulz 2002, S 489. Modifiziert entnommen von Trützschler et al. 2005, S. 403.

Folgebewertung und (Konzern-) Anhangangaben

277

Das IASB trifft keine Präferenzaussage bezüglich der Anwendung einer bestimmten Unter2314 nehmensbewertungsmethode (insbesondere das DCF-Verfahren). Allerdings ist dasjenige Modell zugrunde zu legen, das den Grundsätzen der Risiko-, Kaufkraft- und Währungs2315 äquivalenz genügt. Grundlegend gilt, dass infolge der spezifischen Definition des Fair Value less Costs to Sell als hypothetischer Wertmaßstab unter marktähnlichen Bedingungen eine hohe Zeitnähe des Wertminderungstests angestrebt wird. Die durch das IASB erhoffte Erhöhung der Entscheidungsnützlichkeit der Unternehmensinformationen kehrt sich allerdings durch die Ermessensspielräume des Managements, welche den Grundsatz der 2316 Verlässlichkeit konterkariert, um. Die Ausführungen des IDW dagegen weisen ebenfalls darauf hin, dass die Prognose der Cash Flows und des Diskontierungszinssatzes aus Sicht des individuellen Käufers inklusive sämtlicher wertsteigernder Maßnahmen erfolgt, so dass ebenso ein erhebliches Ermessens- und Gestaltungspotenzial durch den Entschei2317 dungsträger zu konstatieren ist. Die Schätzung der zukünftigen Cash Flows des Unternehmens geht , wie Tabelle 3 veranschaulicht, nach den IFRS mit einer wenig realitätsnahen Vollausschüttungshypothese ein2318 2319 her, da sowohl Finanzierungs- und Kapitalstruktureffekte unberücksichtigt bleiben sowie Erweiterungs- oder Desinvestitionen lediglich dann im Bewertungskalkül Berücksichtigung finden, wenn diese bereits eingeleitet wurden und demzufolge nicht mehr rück2320 gängig zu machen sind. Ersatzinvestitionen sind in die Cash Flow-Planung zu integrieren, Restrukturierungsaufwendungen, zu denen das Unternehmen noch nicht verpflichtet 2321 ist, dagegen nicht. Die Vollausschüttungshypothese des IASB impliziert ferner, dass der 2322 anzusetzende Kalkulationszins weder Steuer- noch Zins- oder Tilgungseffekte enthält. Diese Annahme steht im Widerspruch zu IDW S 1, der eine Nichtberücksichtigung von 2323 2324 Steuereffekten in der Unternehmensbewertung als unzulässig klassifiziert. Je nach in2314 2315 2316 2317 2318 2319 2320

2321

2322

2323

Vgl. IAS 36.30. Vgl. zum Äquivalenzprinzip u. a. Ballwieser 2006a, S. 275. Vgl. Abschn. III.A.1.a) und b) dieses Hauptteils. Vgl. Trützschler et al. 2005, S. 388 f. Vgl. detailliert ebenso Hachmeister 2005c, S. 218 f. Vgl. IAS 36.50 sowie hierzu auch Schmusch/Laas 2006, S. 1053. Dem Entscheidungsträger wird ebenfalls eine Einbeziehung strategischer Investitionsoptionen nach IAS 36 verwehrt; vgl. ebenso Trützschler et al. 2005, S. 397. Eine Einbeziehung von Erhaltungsinvestitionen (Day to Day Service Costs) ist allerdings möglich; vgl. IAS 36.41 sowie Schmusch/Laas 2006, S. 1053. Vgl. IAS 36.45 sowie hierzu im Einzelnen Budde 2005, S. 2570. Nicht zuletzt durch die Durchbrechung des Einzelbewertungsgrundsatzes infolge einer Aufteilung auf Goodwill-tragende CGU betont das IASB, dass Synergieeffekte im Bewertungskalkül einbezogen werden müssen; vgl. auch Trützschler et al. 2005, S. 397. Vgl. weiterführend Schmusch/Laas 2006, S. 1053 f. Das Abstellen auf einen Pre Tax Diskont wird mit der Umgehung eines Zirkulationsproblems begründet. Da eine außerplanmäßige Abschreibung des derivativen Goodwill nach IFRS i. d. R. ebenfalls eine steuerliche Teilwertabschreibung impliziert, würde der Value in Use durch die geringere Ertragsteuerbelastung ansteigen. Die damit einhergehende geringere steuerliche Abschreibung würde den Value in Use verringern lassen u. s. w.; vgl. Lienau/Zülch 2006a, S. 321 und stellvertretend zur Kritik an der Vorgehensweise des IASB Haring 2004, S. 223-246. Die Berücksichtigung von Steuereffekten im Rahmen eines Tax Controllings mithilfe von entscheidungsrelevanten Kennzahlen, z. B. der Konzernsteuerquote, und einem damit einhergehenden in- und (Fortsetzung der Fußnote auf der nächsten Seite)

278

Zweiter Hauptteil

dividueller Unternehmensform sind zum einen die Ertragsteuern des Unternehmens sowie 2325 des Unternehmenseigners bzw. persönliche Ertragsteuern zu berücksichtigen. Das Abstellen auf eine Nach-Steuer-Betrachtung ist ökonomisch notwendig, weil die künftige Steuerbelastung bei der Investitionsentscheidung einen zentralen Einflussfaktor dar2326 2327 stellt. Das in IDW S 1 implementierte Wahlrecht zur Ableitung der Eigenkapitalkos2328 ten des Unternehmens mittels des Tax CAPM als erweiterte Form des CAPM weist auf den herausragenden Stellenwert persönlicher Ertragsteuereffekte hin, die im Standardmo2329 dell bis dato prämissengemäß ausgeschlossen wurden. Vor diesem Hintergrund ist hinsichtlich einer zukünftigen Reformierung von IAS 36 zumindest die Einführung einer Nachsteuerbetrachtung zu fordern. Der Zusatz, wonach der Zinssatz für Neukredite des Unternehmens und sonstige marktübliche Fremdkapitalsätze als Referenzgröße für die Bestimmung der gewogenen Kapitalkos2330 ten dient, grenzt die Wahlfreiheit bei der Anwendung von Unternehmensbewertungsverfahren zur Durchführung des Goodwill Impairment Tests ein, da das IASB implizit den 2331 WACC-Approach der Analyse zugrunde legt und den Nettoansatz vernachlässigt. Diese Inkonsistenz in den Verlautbarungen ist hinsichtlich ihrer negativen Auswirkungen auf den Grundsatz der Rechtsklarheit kritisch zu beurteilen, weil sie sowohl bei der Unternehmens2332 führung als auch bei den Adressaten Unsicherheit stiften kann. Die Eingrenzung des IASB steht indes im Widerspruch zur Auffassung des IDW, neben der Anwendung der

2324

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externen Tax Reporting dient als zentraler Bestandteil des Value Based Management; vgl. grundlegend zum Tax Controlling und -Accounting Kröner 2006, S. 282; Schlager 2005, S. 613-659 sowie zur Bedeutung der Konzernsteuerquote für das Performance Measurement u. a. Becker/Fuest/Spengel 2006, S. 730-742; Dempfle 2006; Herzig 2003a, S. S80; Herzig 2003b, S. 429; Herzig/Dempfle 2002, S. 1; Mammen 2007, S. 105-110; Müller 2002, S. 1684. Für eine grundlegende Abhandlung bezüglich der internationalen Steuerplanung mit immateriellen Vermögenswerten wird verwiesen auf Marti/Ledergerber 2005, S. 187 f. Die Verlautbarungen des IASB „ignorieren grundlegende, bereits Jahrzehnte alte Erkenntnisse der Investitionstheorie“, Olbrich 2006a, S. 43 m. w. N.; vgl. hierzu auch die Anmerkungen von Haaker 2006a, S. 46 sowie grundlegend Breitenstein/Hänni 2005, S. 650 f.; Freiberg/Lüdenbach 2005, S. 479 f.; Moxter 1983c, S. 177 f. Vgl. IDW S 1.37 f.; IDW ES 1.38. Bei der nach IAS 36 geforderten Transformation des Nach-SteuerZinses in einen Vor-Steuer-Zins ist die Methode des Hochschleusens (Grossing Up) grds. unzulässig, obwohl dieses Vorgehen in der Praxis häufig zu beobachten ist; vgl. hierzu Beys 2002, S. 144; Freiberg/Lüdenbach 2005, S. 485. Vgl. den Hinweis von Bucher/Wildberger 2004, S. 611, dass die Verwendung von Plandaten ohne Steuereffekte nicht der herrschenden internen Unternehmensrechnungspraxis