Information Mirages an experimentellen Wertpapiermärkten
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Zitiervorschau

Patrick L. Kugler Information Mirages an experimentellen Wertpapiermärkten

GABLER EDITION WISSENSCHAFT

Patrick L. Kugler

Information Mirages an experimentellen Wertpapiermärkten Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Wolfgang Gerke

Deutscher Universitäts-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Universität Erlangen-Nürnberg, 2006

1. Auflage Juni 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Brich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, Scheßlitz Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0377-1 ISBN-13 978-3-8350-0377-4

V

Geleitwort

Der Handel an den Wertpapierbörsen wird nachhaltig durch heterogen verteilte und heterogen interpretierte Informationen beeinflusst. Die neoklassische Kapitalmarkttheorie ist nur beschränkt geeignet, mit Hilfsgrößen wie z.B. dem Noise-Trading, Marktunvollkommenheiten in ihren Ansatz zu integrieren. Ansätze der Behavioral-Finance-Forschung zeigen zwar die Grenzen der Aussagekraft des CAPM und der APT auf, sie bieten aber kaum geschlossene Lösungsansätze. Große Bedeutung zur Beschreibung der Wirkungsweise von Börsenmärkten erhält die empirische Kapitalmarktforschung. In Teilbereichen kann diese durch Kapitalmarktexperimente ergänzt werden. Die vorliegende Arbeit bedient sich bei der Analyse von Information Mirages eines in der experimentellen Kapitalmarktforschung relativ selten verfolgten Experimentdesigns. Dabei werden Entscheidungssituationen bewusst in ein realitätsnahes Umfeld eingebettet. Der Vorteil dieses Ansatzes liegt für die Experimentteilnehmer im Vorfinden einer gewohnten Umwelt. Der Nachteil gegenüber strengen c.p. Experimentdesigns liegt in dem Auftreten von umfangreichem „Rauschen“. Mit Hilfe statistischer Verfahren lässt sich dieses analog zur empirischen Kapitalmarktforschung teilweise eliminieren. Der Autor untersucht experimentell die Wirkung non-affektiver Informationen. Dabei werden nachhaltige Dividendenveränderungen analysiert, die den Handelsteilnehmern in unterschiedlichem Umfang privat bekannt gegeben werden. Der Autor bereichert nicht nur die experimentelle Kapitalmarktforschung, sondern liefert auch wichtige Informationen zur mangelnden Aggregationseffizienz für Informationen in komplexen Märkten.

Prof. Dr. Wolfgang Gerke

VII

Vorwort

Die Gültigkeit der Markteffizienzhypothese wird insbesondere von den Anhängern der Behavioral Finance vielfach in Frage gestellt. Im Gegensatz zur neoklassischen Auffassung unterliegen Individuen in der Behavioral Finance begrenzter Rationalität. Aktuelle psychologische und neurowissenschaftliche Untersuchungen bestätigen die Vermutung, dass Menschen nicht im Sinne des „homo oeconomicus“ rational agieren, sondern deren Entscheidungsverhalten durch Heuristiken und Emotionen beeinflusst werden kann. Diese Thematik greift vorliegende Dissertation auf und zeigt, dass selbst in einer Welt mit geringem Komplexitätsgrad menschliches Handeln in bestimmten Umweltkonstellationen wesentlich durch heuristisches und emotionales Verhalten geprägt und nicht mit der Markteffizienzhypothese vereinbar ist. Während meiner Forschungstätigkeit habe ich eine Vielzahl von Höhen und Tiefen erlebt. Im Nachhinein kann ich resümieren, dass anscheinend unüberwindliche Fragen die geistige Kreativität beflügeln und neue innovative Wege öffnen, die sich mir vorher nicht zeigten. Gerade diese Erfahrungen führten in mir zu einer unglaublichen Motivation. Die innere Freude, eine vermeidlich ausweglose Situation zu meistern, gehörte zu den schönsten Erfahrungen meiner wissenschaftlichen Tätigkeit. Für den fachlichen Beistand bedanke ich mich insbesondere bei meinem Doktorvater Professor Dr. Wolfgang Gerke und meinem Co-Referenten Professor Dr. Ingo Klein. Insbesondere danke ich Professor Dr. Wolfgang Gerke, dass er mir bei der Gestaltung und Umsetzung meines Dissertationsvorhabens extreme Freiräume zusprach. Rückblickend wirkte sich diese Form der Führung sehr positiv auf meinen Werdegang aus. Ebenso danke ich Professor Dr. Matthias Bank für die Möglichkeit, meine Forschungstätigkeit im Rahmen von Doktorandenseminaren an der Universität Innsbruck zur Diskussion zu stellen. Matthias Fischer möchte ich für die intensiven statistischen Fachgespräche meinen Dank zusprechen. Meine Begeisterung zur experimentellen Kapitalmarkforschung verdanke ich meinem Diplomarbeitsbetreuer Stefan Arneth. Meinen Lehrstuhlkollegen an der Universität Erlangen-Nürnberg Carlo Beck, Felix Breuer, Jörg Fleischer, Gabriele Herbst, Ferdinand Mager, Daniela Maruhn, Daniel Schäffner, Timo Reinschmidt, Alexander Röhrs und Marcus

VIII

Vorwort

Wimmer danke ich für die gemeinsame Zeit. Insbesondere möchte ich Daniel Bovelet, Jörg Fleischer, Ferdinand Mager, Daniela Maruhn und Alexander Röhrs meinen Dank zusprechen, die in intensiven fachlichen Diskussionen mir stets als Gesprächspartner zur Verfügung standen. In meinem privaten Umfeld danke ich insbesondere meinen Eltern für die aufgebrachte Geduld und die permanente Unterstützung und Ermutigung. Ihnen habe ich es zu verdanken, dass ich meine bisherigen Lebensziele erreichen konnte. Meinem Bruder Elliot Kugler sowie meiner „besten“ Freundin Nadine Raad danke ich, dass sie immer wussten, wann es an der Zeit war, meine wissenschaftlichen Gedankenspielen zu unterbrechen. Ebenso danke ich meiner Schwester Catherina Canzler für gemeinsame Erlebnisse. Der ARGE-Speleo und insbesondere Ralf Weglehner danke ich für die unvergesslichen Höhlenbefahrungen während meines Promotionsstudiums. Mit großer Freude denke ich an die „Motivationsgruppe“ zurück, der Daniela Maruhn, „Grillmeister“ Max Maruhn und Alexander Röhrs angehörten. Nicht zuletzt möchte ich mich für die Unterstützung bei all meinen Freunden bedanken.

Dr. Patrick L. Kugler

IX

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis...........................................................................................IX Abbildungsverzeichnis ................................................................................XIII Tabellenverzeichnis...................................................................................... XV Abkürzungsverzeichnis .............................................................................. XIX Variablenverzeichnis ................................................................................. XXIII 1

2

Einleitung ................................................................................................... 1 1.1

Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung ...................................... 1

1.2

Aufbau der Arbeit................................................................................ 4

Preisbildung an Aktienmärkten ............................................................... 7 2.1

Fundamentalwert ................................................................................ 7 2.1.1

Markteffizienzhypothese ......................................................... 7 2.1.1.1 Rationale Erwartungen ............................................. 7 2.1.1.2 Partikulärer Lösungsraum ........................................ 9 2.1.1.2.1 Effizienzstufen ......................................... 9 2.1.1.2.2 Bewertungsmodell................................. 11 2.1.1.3 No-Trade-Theorem................................................. 15

2.1.2

Noise-Trader-Hypothese ...................................................... 16 2.1.2.1 Lösung des Informationsparadoxons ..................... 16 2.1.2.2 Effizienz des Arbitrageprozesses ........................... 18

2.2

Rationale Information Mirages.......................................................... 23 2.2.1

Informationskaskaden – Informational Bubbles.................... 23

2.2.2

Rationale Bubbles................................................................. 29 2.2.2.1 Universaler Lösungsraum....................................... 29 2.2.2.2 Ausprägungsformen ............................................... 32

X

Inhaltsverzeichnis

2.2.2.2.1 Extrinsische Bubbles ............................. 32 2.2.2.2.2 Agency-Bubbles .................................... 38 2.2.2.2.3 Intrinsische Bubbles .............................. 39 2.2.2.3 Evaluation............................................................... 41 2.3

Begrenzt rationale Information Mirages............................................ 43 2.3.1

Sunspots ............................................................................... 43

2.3.2

PAD-Reaktionen ................................................................... 45 2.3.2.1 Informationsasymmetrien ....................................... 45 2.3.2.2 Extreme Ereignisse ................................................ 46

2.3.3 2.4 3

4

Zusammenfassung der modelltheoretischen Ansätze...................... 54

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages ................................................................................... 57 3.1

PAD-Reaktionen ............................................................................... 57

3.2

Momentum und Reversal.................................................................. 62

3.3

Zusammenfassung bestehender empirischer Studien ..................... 64

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen .............. 67 4.1

Informationskaskaden....................................................................... 67

4.2

PAD-Reaktionen, Momentum und Reversal..................................... 68

4.3

Spekulative Bubbles ......................................................................... 71

4.4 5

Momentum und Reversal...................................................... 51

4.3.1

Basisdesign........................................................................... 71

4.3.2

Prognosemodelle .................................................................. 74

4.3.3

Robustheit............................................................................. 77

4.3.4

Bewertung: Rationalität oder Irrationalität............................. 83

Zusammenfassung bestehender experimenteller Studien ............... 87

Methodik zur Analyse von Information Mirages an der Computerbörse CAT ................................................................................................ 89 5.1

Die experimentelle Computerbörse CAT.......................................... 89

Inhaltsverzeichnis

5.2

XI

5.1.1

Marktorganisation ................................................................. 89

5.1.2

Informationen ........................................................................ 95

5.1.3

Ablauforganisation ................................................................ 98

Datenbasis...................................................................................... 100 5.2.1

Marktdesign ........................................................................ 100

5.2.2

Selektionsprozess der Marktklassifikationen ...................... 103

5.2.3

Stichprobe........................................................................... 107

5.3

Definitionen..................................................................................... 117

5.4

Hypothesen..................................................................................... 119

5.5

Statistische Methodik...................................................................... 124 5.5.1

Lagetests ............................................................................ 124 5.5.1.1 Beschreibung........................................................ 124 5.5.1.2 Visualisierung der Ergebnisse .............................. 128

5.5.2 6

Binäre logistische Regression ............................................ 131

Spezifikation der Information Mirages an der Computerbörse CAT ......................................................................................................... 135 6.1

Dividendenveränderung als Determinante einer Information Mirage................................................................................................. 135 6.1.1

Berechnung der Dividendenveränderung und methodisches Vorgehen ............................................................... 135

6.1.2

Prognose einer Information Mirage auf Experimentebene . 139 6.1.2.1 Richtung der Dividendenveränderung.................. 139 6.1.2.2 Extreme Dividendenveränderung......................... 142

6.1.3 6.2 7

Prognose einer Information Mirage auf Rundenebene....... 146

Zusammenfassung der Ergebnisse................................................ 152

Die Wirkung von Information Mirages an der Computerbörse CAT ......................................................................................................... 153 7.1

Individualverhalten.......................................................................... 154

XII

Inhaltsverzeichnis

7.2

7.1.1

Order- und Transaktionsaktivität......................................... 154

7.1.2

Unsicherheit ........................................................................ 155

7.1.3

Conservatism ...................................................................... 159

Herdenverhalten ............................................................................. 164 7.2.1

Vorgehensweise ................................................................. 164

7.2.2

Hauptphase......................................................................... 165 7.2.2.1 Orderaktivität ........................................................ 165 7.2.2.2 Transaktionsaktivität............................................. 169

7.2.3 7.3

7.4 8

Strategiedispersion ............................................................. 174

Marktwirkung .................................................................................. 179 7.3.1

Marktliquidität und Preisvolatilität ....................................... 179

7.3.2

Aggregationseffizienz.......................................................... 189

Zusammenfassung der Ergebnisse................................................ 200

Schlussbetrachtung.............................................................................. 203 8.1

Zusammenfassung ......................................................................... 203

8.2

Ausblick .......................................................................................... 206

Anhang ......................................................................................................... 207 Literaturverzeichnis..................................................................................... 221

XIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 2-1:

Rationale Bubbles ................................................................ 32

Abbildung 2-2:

Verlauf deterministischer Bubbles in Abhängigkeit des Zinssatzes ............................................................................ 34

Abbildung 2-3:

Periodisch kollabierende stochastische Bubbles ................. 37

Abbildung 2-4:

Fads mit unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten.......... 49

Abbildung 4-1:

Experimentelles Basisdesign für spekulative Bubbles......... 72

Abbildung 4-2:

Bubbles in Experimenten ..................................................... 74

Abbildung 5-1:

Einflussfaktoren im Marktprozess ........................................ 90

Abbildung 5-2:

Handelsbildschirm der Computerbörse CAT ....................... 93

Abbildung 5-3:

Menüstruktur der Computerbörse CAT................................ 94

Abbildung 5-4:

Beispiel für eine positive Titelphase................................... 104

Abbildung 5-5:

Beinahe rationale Marktphasen – Exp-gr. 1 (Teil 1) .......... 110

Abbildung 5-6:

Beinahe rationale Marktphasen – Exp.-gr. 1 (Teil 2) ......... 111

Abbildung 5-7:

Positive Information Mirages.............................................. 112

Abbildung 5-8:

Beinahe rationale Marktphasen – Exp.-gr. 2 (Teil 1) ......... 114

Abbildung 5-9:

Beinahe rationale Marktphasen – Exp.-gr. 2 (Teil 2) ......... 115

Abbildung 5-10: Negative Information Mirages ............................................ 116 Abbildung 5-11: Aktivitätsphasen auf Titelebene während einer Handelsrunde .................................................................................. 118 Abbildung 6-1:

Vorgehensweise zur Spezifikation einer Information Mirage .................................................................................... 138

Abbildung 7-1:

Zeitgewichtete Geld-Brief-Spanne während einer Marktklassifikation pro Zeitintervall in % ..................................... 186

Abbildung 7-2:

Prozentuale empirische Preisvolatilität während einer Marktklassifikation pro Zeitintervall .................................... 188

XIV

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 7-3:

Volumengewichtete durchschnittliche Fehlbewertung während einer Marktklassifikation pro Zeitintervall in % (Hayek-Hypothese) ............................................................ 194

Abbildung 7-4:

Volumengewichtete durchschnittliche Abweichung des Zeitintervall-Durchschnittskurses von der maximalen Informationspartition während einer Marktklassifikation in % (Anker-Hypothese)......................................................... 196

Abbildung 7-5:

Volumengewichtete durchschnittliche Abweichung des Zeitintervall-Durchschnittskurses vom Runden-Durchschnittskurs während einer Marktklassifikation in % (Private-Information-Hypothese)........................................ 198

XV

Tabellenverzeichnis

Tabelle 5-1:

Datenpool........................................................................... 102

Tabelle 5-2:

Anzahl der Runden nach Marktklassifikationen ................. 107

Tabelle 5-3:

Marktklassifikationen.......................................................... 117

Tabelle 5-4:

Informationsgruppen auf Mikroebene pro Titel .................. 119

Tabelle 5-5:

Visualisierung der Ergebnisse – n-Stichprobenfall (AllPair-Vergleich) ................................................................... 129

Tabelle 5-6:

Visualisierung der Ergebnisse – n-Stichprobenfall (Control-vs.-Treatment-Vergleich) ............................................. 129

Tabelle 5-7:

Visualisierung der Ergebnisse – Einstichprobenfall ........... 130

Tabelle 5-8:

Visualisierung der Ergebnisse – Zweistichprobenfall......... 130

Tabelle 6-1:

Richtung der Dividendenveränderung i.e.S. zwischen den Marktklassifikationen in %........................................... 139

Tabelle 6-2:

Richtung der Dividendenveränderung i.e.S. während einer Marktklassifikation in %............................................. 140

Tabelle 6-3:

Richtung der Dividendenveränderung i.w.S. zwischen den Marktklassifikationen in %........................................... 141

Tabelle 6-4:

Richtung der Dividendenveränderungen i.w.S. während einer Marktklassifikation in %............................................. 142

Tabelle 6-5:

Durchschnittliches 90 %-iges Konfidenzintervall der Dividendenveränderung i.w.S. pro Experiment........................ 143

Tabelle 6-6:

Extreme Dividendenveränderung i.w.S. zwischen den Marktklassifikationen in %.................................................. 144

Tabelle 6-7:

Extreme Dividendenveränderung i.w.S. während einer Marktklassifikation in %...................................................... 145

Tabelle 6-8:

Binäre logistische Regression (Exp.-gr. 1)......................... 147

Tabelle 6-9:

Binäre logistische Regression (Exp.-gr. 2)......................... 148

Tabelle 6-10:

Klassifizierungstabelle........................................................ 149

XVI

Tabellenverzeichnis

Tabelle 6-11:

Binäre logistische Regression - Kreuzvalidierung (Exp.gr. 1)................................................................................... 150

Tabelle 6-12:

Binäre logistische Regression - Kreuzvalidierung (Exp.gr. 2)................................................................................... 150

Tabelle 6-13:

Klassifizierungstabelle für Subsample ............................... 151

Tabelle 7-1:

Orderverhalten zwischen Marktklassifikationen pro Teilnehmer ............................................................................... 155

Tabelle 7-2:

Limit-Order zu Market-Order während einer Marktklassifikation pro Teilnehmer und Zeitintervall ......................... 157

Tabelle 7-3:

Limit-Order zu Market-Order zwischen Marktklassifikationen pro Teilnehmer und Zeitintervall ..................... 158

Tabelle 7-4:

Betragsmäßige Dividendenveränderung i.w.S. zwischen den Marktklassifikationen................................................... 159

Tabelle 7-5:

Verteilung der Eröffnungstransaktion zwischen Marktklassifikationen pro Aktivitätskategorie in % ...................... 161

Tabelle 7-6:

Verteilung der Eröffnungstransaktion während einer Marktklassifikation pro Aktivitätskategorie in % ................. 162

Tabelle 7-7:

Verteilung der Eröffnungstransaktion als Haupterklärungsfaktor während einer Marktklassifikation in %........... 163

Tabelle 7-8:

Orderaktivität zwischen Marktklassifikationen pro Aktivitätsphase und Teilnehmer ................................................. 166

Tabelle 7-9:

Orderaktivität während einer Marktklassifikation pro Aktivitätsphase und Teilnehmer ............................................. 167

Tabelle 7-10:

Identifikation der Hauptphase auf Basis der Orderaktivität................................................................................... 168

Tabelle 7-11:

Orderaktivität pro Hauptphase einer Marktklassifikation und Teilnehmer .................................................................. 169

Tabelle 7-12:

Transaktionsaktivität zwischen Marktklassifikationen pro Aktivitätsphase und Teilnehmer......................................... 170

Tabelle 7-13:

Transaktionsaktivität während einer Marktklassifikation pro Aktivitätsphase und Teilnehmer................................... 171

Tabellenverzeichnis

XVII

Tabelle 7-14:

Identifikation der Hauptphase auf Basis der Transaktionsaktivität ....................................................................... 172

Tabelle 7-15:

Transaktionsaktivität pro Hauptphasen einer Marktklassifikation und Teilnehmer ................................................... 173

Tabelle 7-16:

Transaktionsverhalten pro Handelsrunde, Informationsgruppe, Hauptphase und Präferenz während einer beinahe rationalen Marktphase.......................................... 175

Tabelle 7-17:

Transaktionsverhalten pro Handelsrunde, Informationsgruppe, Hauptphase und Präferenz während einer Information Mirage ............................................................. 176

Tabelle 7-18:

Transaktionsverhalten pro Handelsrunde, Zeitintervall, Informationsgruppe, Hauptphase und Präferenz während einer beinahe rationalen Marktphase ........................ 177

Tabelle 7-19:

Transaktionsverhalten pro Handelsrunde, Zeitintervall, Informationsgruppe, Hauptphase und Präferenz während einer Information Mirage............................................ 178

Tabelle 7-20:

Vergangenheitsorientierte Liquiditätskennzahlen auf Basis ausgeführter Aufträge pro Marktklassifikation .............. 182

Tabelle 7-21:

Indirekte Liquiditätskennziffern pro Marktklassifikation...... 184

Tabelle 7-22:

Zeitgewichtete Geld-Brief-Spanne zwischen den Marktklassifikationen pro Zeitintervall in % ................................. 185

Tabelle 7-23:

Volumengewichtete durchschnittliche Fehlbewertung zwischen den Marktklassifikationen pro Zeitintervall in % . 190

Tabelle 7-24:

Differenz aus volumengewichteter durchschnittlicher Fehlbewertung und Informationspartitionsspread pro Marktklassifikation und Zeitintervall in % ........................... 192

XIX

Abkürzungsverzeichnis

Abw.

Abweichung

AG

Aktiengesellschaft

AIMR

Association for Investment Management and Research

APT

Arbitrage Pricing Theory

B

Benchmark

Bd.

Band

Bed.

Bedingung

brM

beinahe rationale Marktphase

bzw.

beziehungsweise

CAPM

Capital Asset Pricing Model

CAT

Computerized Asset Trading

DAX

Deutscher Aktienindex

DFG

Deutsche Forschungsgemeinschaft

Diss.

Dissertation

Div.

Dividende

DM

Deutsche Mark

Dr.

Doktor

d.h.

das heißt

Egd

Experimentgruppendurchschnitt

ERM

European Exchange Rate Mechanism

et al.

et alii

etc.

et cetera

EUREX

European Exchange

Exp.

Experiment

f.

folgende

XX

Abkürzungsverzeichnis

FAU

Friedrich-Alexander-Universität

GE

Geldeinheiten

Gr.

Gruppe

h

hours

Hrsg.

Herausgeber

i.e.S.

im engeren Sinne

IG

Informationsgruppe

IID

independent and identical distrubution

IM

Information Mirage

Imax

Informationsgruppe mit maximaler privater Information

Imin

Informationsgruppe mit minimaler privater Information

Imit

Informationsgruppe mit mittlerer privater Information

INID

independent and not identical distribution

i.w.S.

im weiteren Sinne

Jr.

Junior

Koeff.

Koeffizient

KOP

Kostenprivileg

KP

kein Privileg

LB

Landesbank

max.

maximal

Max-Kon-Min

Maximal-Konstant-Minimal

MBA

Master of Business Administration

min.

minimal

Min.

Minute

MIT

Massachuset Institute of Technology

mod.

moderat

NBER

National Bureau of Economic Research

neg.

negativ

Abkürzungsverzeichnis

XXI

nIM

negative Information Mirage

Nr.

Nummer

NYSE

New York Stock Exchange

OBI

Orderbuchinsider

Ordervol.

Ordervolumen

PAD

Post Announcement Drift

pIM

positive Information Mirage

pos.

positiv

pr.

Privat

Prof.

Professor

RE

Rational-Expectations

RLE

Rational-Learning-Expectations

RW1

Random-Walk 1

RW2

Random-Walk 2

RW3

Random-Walk 3

S&P

Standard & Poors

S.

Seite

SARS

Severe Acute Respiratory Syndrome

sig.

signifikant

Sp.

Spalte

St.

Sankt

TGE

tausend Geldeinheiten

Tr.

Transaktion

Transaktionsvol. Transaktionsvolumen US

United States

v.

von

VAR

Varianz

vgl.

Vergleiche

XXII

Abkürzungsverzeichnis

Vol.

Volumen / Volume

vs.

versus

WA

Walrasian Adjustment

z.B.

zum Beispiel

zit.

zitiert

XXIII

Variablenverzeichnis

Į

Diskontierungsfaktor

ȕ

Regressionskoeffizient

į

Konstante

Ȝ

beliebiger stochastischer Prozess

ȝ

White-Noise-Term

Ȟ

stationäre Komponente

ʌ

Eintrittswahrscheinlichkeit

ı

Standardabweichung

Abw

Abweichung

B

Bubble-Komponente

D

Dividende

e

eulersche Zahl

E(x)

Erwartungswert

E[xt+1|xt]

bedingter Erwartungswert

F

Fundamentalwert

FB

Fehlbewertung

I

Informationspartition

KK

Kaufkurs

KW

Kapitalwert

N

Stichprobenumfang

P

Marktpreis

P

Durchschnittspreis

r

risikoadjustierter Zins

R

Rendite

t

Periode t

XXIV

Variablenverzeichnis

T

Anzahl der Perioden t

x

unabhängige Variable



geschätzte abhängige Variable

1

1 1.1

Einleitung Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung

“Wall Street […] people learn nothing and […] forget everything.” (BENJAMIN GRAHAM, 1894 - 1976)

Das Konzept rationaler Erwartungen ist nach BENJAMIN GRAHAM nicht auf reale Gegebenheiten übertragbar. Dieser Schwachpunkt der neoklassischen Kapitalmarkttheorie wird durch die verhaltensorientierte Kapitalmarkttheorie aufgegriffen. Dabei unterstellt die Behavioral Finance den Individuen eine begrenzte Rationalität. 1 Im Kontext der Behavioral Finance nimmt die neoklassische Kapitalmarkttheorie die Rolle einer Benchmark ein, um die Effizienz verhaltensorientierter Ansätze einer objektiven Bewertung unterziehen zu können. Dabei kritisiert die Behavioral Finance insbesondere die Markteffizienzhypothese und erklärt die Entstehung von „Information Mirages“ 2 (Fehlbewertungen) auf Basis verhaltensorientierter Ansätze. Eine in der verhaltensorientierten Kapitalmarktforschung bisher kaum beachtete Thematik ist die ineffiziente Verarbeitung extremer Informationen. Psychologische Studien belegen, dass Individuen in Abhängigkeit ihrer affektiven Aktivierung extreme Informationen unterschiedlich bewerten. Diese Unterschiede lassen sich beispielsweise durch affektives Framing extremer Informationen erklären. So resultiert aus einer non-affektiven, extremen Information ein anderes Entscheidungsmuster als aus einer affektiven, extremen Information. Nach der Mood-as-Information-Theorie sollten Individuen auf non-affektive,

1 2

Vgl. GERKE / SCHÄFFNER (forthcoming). Vgl. BOSSAERTS (2001) oder CAMERER / WEIGELT (1991).

2

Einleitung

extreme Informationen Conservatism und auf affektive, extreme Informationen panisches oder euphorisches Verhalten zeigen. 3 Werden die psychologischen Erkenntnisse auf kapitalmarktrelevante Informationen übertragen, sollten Individuen auf non-affektive, extreme Nachrichten eine Post-Announcement-Drift-(PAD)-Unterreaktion und auf affektive, extreme Nachrichten eine PAD-Überreaktion zeigen. In der empirischen Kapitalmarktforschung besteht weitgehend Konsens darüber, dass non-affektive, extreme Informationen eine PAD-Unterreaktion auslösen et vice versa. Nicht nur Affektivität in Form von Angst oder Hoffnung, sondern auch die Stimmungslage der Marktteilnehmer führen zu einer PAD-Überreaktion. So kann beispielsweise an sonnigen Tagen eine Überrendite erzielt werden, da bei schönem Wetter Individuen positiv gestimmt sein sollten und umgekehrt. 4 Die experimentelle Literatur konzentriert sich im Rahmen der Analyse von Information Mirages vorwiegend auf spekulative Preisblasen, Informationskaskaden sowie Momentum- und Reversal-Strategien. PAD-Reaktionen werden lediglich im Kontext von Informationsasymmetrien und der Informationsqualität betrachtet. Das affektive Framing von extremen Informationen und dessen Wirkung auf den Preisbildungsprozess wurde in der experimentellen Kapitalmarktforschung bisher nicht untersucht. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in traditionellen Kapitalmarktexperimenten ein Stimulus, der Angst und Hoffnung unter den Individuen hervorruft, nicht integriert werden kann, da nur ein symbolischer Geldbetrag von diesen investiert werden muss. 5 Aus diesem Grund wird im Rahmen der vorliegenden experimentellen Untersuchung ausschließlich die Wirkung non-affektiver Informationen betrachtet. Dabei wird eine Informationsstruktur mit Informationspartitionen modelliert. Im Kontext dieser Untersuchung wird von einer Information Mirage gesprochen, falls der Durchschnittskurs einer Handelsperiode für alle risikobehafteten Wertpapiere jeweils außerhalb des Informationspartitionsspreads liegt. Als Benchmark dient eine Marktphase, in der der Durchschnittskurs aller risikobehafteter Wertpapiere jeweils innerhalb des Informationspartitionsspreads ist. Dabei wird von einer extremen Information gesprochen, falls eine Dividenden3

4 5

Affekte bzw. Gefühle umfassen sowohl Emotionen und Stimmungen. Emotionen sind kurzfristiger Natur und objektgebunden. Im Gegensatz zu Emotionen dauern Stimmungen länger, sind nicht objektgebunden und weniger intensiv. Vgl. OATLEY / JENKINS (1996). Vgl. HIRSHLEIFER / SHUMWAY (2003). Vgl. HOLT / LAURY (2005).

Untersuchungsgegenstand und Zielsetzung

3

veränderung systematisch von der durchschnittlichen Dividendenveränderung des Experiments abweicht. Ob eine Information Mirage aus einer Unterreaktion resultiert, wird auf Experimentebene mit nichtparametrischen Testverfahren und auf Rundenebene mit einer logistischen Regression bestimmt. Die Analyse des Entscheidungsverhaltens während der spezifizierten Information Mirage dient als Basis zur Beurteilung begrenzt rationalen Verhaltens. Es ist davon auszugehen, dass eine non-affektive, extreme Information unter den Marktteilnehmern insbesondere zum Zeitpunkt der Ankündigung eine erhöhte Unsicherheit erzeugt, da ein Teil dieser begrenzt rationalen Verhaltensweisen unterliegt. Dieses Verhalten sollte sich auf Conservatism zurückführen lassen. Die Unsicherheit wird an Hand des Verhältnisses von Limit-Order zu MarketOrder gemessen. Ob die Marktteilnehmer zum Zeitpunkt der Ankündigung der Informationspartitionen Conservatism unterliegen, bestimmt sich aus der Eröffnungsaktivität. Die zu Beginn einer Information Mirage erhöhte Unsicherheit unter den Marktteilnehmern sollte im Zeitablauf durch Herdenverhalten reduziert werden. Dies begründet sich daraus, dass Individuen, die eine übermäßige Unsicherheit erfahren, ein Sicherheitsgefühl in der Masse des Kollektivs suchen. Um Herdenverhalten nachweisen zu können, wird daher die Strategiedispersion zwischen den Informationsgruppen betrachtet. Die Strategiedispersion wird an den Kauf- und Verkaufsaktivitäten der Informationsgruppen gemessen. Die Wechselbeziehung von Unsicherheit und Herdenverhalten sollte sich unmittelbar auf Marktebene widerspiegeln. So sollte der durch Unsicherheit hervorgerufene Herdentrieb während einer Information Mirage Einfluss auf die Marktliquidität ausüben. Die Marktliquidität wird dabei mit vergangenheitsorientierten und indirekten Liquiditätsmaßen geschätzt. Die Marktvolatilität sollte mit den Ergebnissen der Individualebene korrespondieren und wird durch die empirische Volatilität dargestellt. Welche Informationen die Marktteilnehmer in den jeweiligen Marktphasen dominant berücksichtigen, wird an Hand der Hayek-Hypothese, der Private-Information-Hypothese sowie der Anker-Hypothese bestimmt. Die Aggregationseffizienz von non-affektiven Informationspartitionen wird dabei auf allokative und statistische Effizienz getestet.

4

Einleitung

Neben der wissenschaftlichen Relevanz liefern die Ergebnisse auch einen ökonomischen Wert. Falls Information Mirages durch non-affektive, extreme Informationen verursacht werden können, bietet sich insbesondere für Hedge Fonds eine innovative Möglichkeit Marktineffizienzen profitabel auszunutzen. Die große Herausforderung zur Umsetzung einer profitablen Anlagestrategie würde primär in der Kategorisierung des Affektivitätsgrads einer extremen Information liegen. Da affektives Framing vorwiegend durch die Medien initiiert ist, können die Ergebnisse dieser Studie zusätzlich Hinweise geben, wie die Presse mit Kapitalmarktinformationen umgehen sollte. Insbesondere sind die Medien auf eine verantwortungsvolle Berichterstattung zu sensibilisieren. 6

1.2

Aufbau der Arbeit

Als Ausgangspunkt der Untersuchung werden in Kapitel 2 modelltheoretische Ansätze, die den Preisbildungsprozess an Kapitalmärkten beschreiben, dargestellt. Im Mittelpunkt stehen dabei die Informations- und Aggregationseffizienz sowie die Grenzen einer effizienten Informationsverarbeitung. Ineffizienzen werden auf Basis rationaler und begrenzt rationaler Erklärungsmodelle beschrieben. Sie können durch Noise, mathematische Konstrukte oder heuristische Verhaltensweisen modelliert werden. Die diskutierten Modelle dienen als Grundlage zur Spezifikation potentieller Informations- und Aggregationsineffizienzen (Information Mirages) im Rahmen der experimentellen Untersuchung. Kapitel 3 umfasst empirische Studien zu Information Mirages, die nach PostAnnouncement-Drift (PAD), Momentum und Reversal differenziert werden. Dabei zeichnen sich die ausgewählten Information Mirages durch eine hohe Robustheit aus und lassen sich auf begrenzt rationales Verhalten zurückführen. PAD-Reaktionen werden insbesondere im Kontext affektiven Framings diskutiert. In Kapitel 4 werden experimentelle Studien zu Information Mirages vorgestellt. Dem Leser wird ein Überblick der relevanten experimentellen Literatur zu Information Mirages gegeben. Es werden Informationskaskaden, spekulative Preisblasen, PAD-Reaktionen sowie Momentum und Reversal diskutiert. Die 6

Vgl. GERKE (2000).

Aufbau der Arbeit

5

Literaturrecherche zeigt, dass Unter- und Überreaktionen auf extreme Informationspartitionen bisher nicht Untersuchungsgegenstand der experimentellen Kapitalmarktforschung waren. Die Ausgestaltung der Computerbörse CAT sowie das experimentelle Design und dessen Implikationen sind Gegenstand von Kapitel 5. Dazu gehört die Beschreibung des Datenpools sowie des Selektionsprozesses zur systematischen Identifikation von Information Mirages. Neben der statistischen Methodik werden in diesem Kapitel die Hypothesen formuliert. Die Hypothesen zur Spezifikation der Information Mirages verdeutlichen, dass auf Basis des experimentellen Designs lediglich Unterreaktionen auf non-affektive, extreme Informationspartitionen modelltheoretisch erklärt werden können. Infolgedessen beziehen sich die Hypothesen zum Teilnehmerverhalten und deren Marktwirkung ausschließlich auf Unterreaktionen. In Kapitel 6 werden die aus dem Selektionsprozess resultierenden Information Mirages definiert. Im Vordergrund steht hierbei die Frage, ob die Information Mirages in Form einer Unterreaktion auf non-affektive, extreme Informationspartitionen modelltheoretisch durch das experimentelle Design erklärt und systematisch prognostiziert werden können. Die Wirkung dieser Information Mirages wird in Kapitel 7 sowohl auf Individual- als auch auf Marktebene näher analysiert. Dazu wird das Teilnehmerverhalten während einer Information Mirage mit dem eines beinahe rationalen Marktes sowie dem des Experimentdurchschnitts verglichen. Dabei stehen sowohl das Individualverhalten als auch das Gruppenverhalten während einer Information Mirage im Vordergrund der Untersuchung. Die Auswirkung des Teilnehmerverhaltens auf Marktebene wird auf Basis der Marktliquidität und Marktvolatilität betrachtet. Im Anschluss wird der Informationsaggregationsprozess der einzelnen Marktklassifikationen näher betrachtet. Dazu wird die Hayek-Hypothese gegen die Private-Information-Hypothese und die AnkerHypothese gestestet. Die wichtigsten Ergebnisse werden in Kapitel 8 zusammengefasst. Die Arbeit endet mit einem Ausblick und gibt neue Denkanstöße für zukünftige experimentelle Forschungsschwerpunkte.

7

2

Preisbildung an Aktienmärkten

In diesem Kapitel werden modelltheoretische Ansätze zur Erklärung der Preisbildung an Aktienmärkten diskutiert. Dabei wird der Preisbildungsprozess nach rationalen und begrenzt rationalen Erwartungen differenziert. Rationale Modelle umfassen die Markteffizienzhypothese, Informationskaskaden und rationale Bubbles. Modelle begrenzter Rationalität erklären die Preisdynamik an Aktienmärkten im Wesentlichen durch Momentum- und Reversal-Strategien sowie durch PAD-Reaktionen. Die angeführten theoretischen Modelle dienen insbesondere dazu, die Art der Information Mirages zu bestimmen, die das gewählte experimentelle Design unterstützt.

2.1

Fundamentalwert

2.1.1 2.1.1.1

Markteffizienzhypothese Rationale Erwartungen

Erwartungen sind ein wichtiger Bestandteil bei der Generierung menschlicher Entscheidungen. Daher dürfen bei der Berechnung von Gleichgewichtspreisen nach MUTH (1961) individuelle Erwartungen nicht unberücksichtigt bleiben. Rationale Erwartungen entsprechen dem Konzept bedingter bzw. bayesianischer Erwartungen. 7 Erwartungen über die Entwicklung einer Variablen werden als rational betrachtet, wenn alle potentiellen Informationen, die aus Sicht des Entscheiders als relevant zu quantifizieren sind, optimal genutzt werden. 8 Damit Individuen rationale Erwartungen bilden können ist es notwendig, dass sämtliche relevanten endogenen und exogenen Informationen seit Beginn einer Zeitreihe ohne Verlust zur Verfügung stehen. 9 Diese Eigenschaft führt unmittelbar dazu, dass sich die Informationsmenge im Zeitablauf sukzessive er-

7 8 9

Vgl. SHEFFRIN (1996) oder BEGG (1982b). Vgl. SINHA (1988), S. 346-347. SALGE (1997) spricht von „no loss of memory“. Vgl. SALGE (1997), S. 12.

8

Preisbildung an Aktienmärkten

höht („Law-of-iterated-Expectations“ 10). Zukünftige Ausprägungen der Variablen bewirken eine ständige Verifizierung des Bewertungsmodells. 11 Sind die das Modell beschreibenden Variablen bekannt, maximieren Individuen auf Basis rationaler Erwartungen ihren Nutzen. Die Entscheidungen werden durch die Allgemeingültigkeit des Modells rationalisiert. Rationalität in diesem Sinne fordert intelligente Individuen, die das der ökonomischen Variable zugrunde liegende Modell vollständig durchdringen. Außerdem müssen alle Individuen von der Gültigkeit des Modells überzeugt sein. Beispielsweise können aufgrund der Koexistenz der keynesianischen und monetaristischen Lehre keine rationalen Erwartungen unter den Agenten gebildet werden. Da allen Marktteilnehmern sämtliche relevante Informationen zur Verfügung stehen und sich ökonomische Prozesse durch ein allgemeingültiges Modell beschreiben lassen, bilden Individuen Common-Knowledge. 12 CommonKnowlege ermöglicht letztendlich rationale Erwartungen, falls unter den Individuen homogene Erwartungen vorliegen. Dadurch entspricht die subjektive Wahrscheinlichkeitsverteilung zukünftiger Ereignisse der objektiven Wahrscheinlichkeitsverteilung des aus dem Modell resultierenden Zustandes. 13 Im Durchschnitt erlaubt die Theorie rationaler Erwartungen eine korrekte Prognose zukünftiger Umweltsituationen. Dabei bilden Agenten rationale Erwartungen durch Forward-Looking. Diese müssen aber nicht zwingend der tatsächlich eintretenden zukünftigen Realisation entsprechen. Potentielle Vorhersagefehler sind aufgrund ihrer Unabhängigkeit zufälliger Natur, 14 d.h. Prognosefehler folgen keinem systematischen Muster und sind nicht vorhersagbar. 15 Somit entspricht nach dem Gesetz iterativer Erwartungen der heutige Preis einem unverzerrten Schätzer des erwarteten Preises. 16 Der Preisprozess folgt demzufolge einem Random-Walk. Rationale Erwartungen führen im

10 11 12

13 14 15 16

SALGE (1997), S. 15. Vgl. BAUMOL / BLINDER (1985), S. 323. Als relevant werden diejenigen Informationen angesehen, die das unterstellte ökonomische Modell beschreiben. Vgl. DIBA / GROSSMAN (1988b), S. 748. Vgl. MUTH (1961), S. 316. Vgl. BEGG (1982a), S. 29 oder SHEFFRIN (1996), S. 6. Vgl. SHAW (1984), S. 36. Vgl. CHOW / TEICHER (1988), S. 208.

Fundamentalwert

9

Vergleich zu anderen Erwartungsmodellen zu einer ex post pareto effizienten Lösung, da die Varianz des Vorhersagefehlers die geringste Variation aufweist. 17

2.1.1.2 2.1.1.2.1

Partikulärer Lösungsraum Effizienzstufen

Unabhängig welche Random-Walk-Eigenschaft zugrundegelegt wird, folgt der heutige Marktpreis grundsätzlich einem Zufallsprozess. 18 Ein Random-Walk ohne Drift entspricht insofern einem Martingal und ist nach SAMUELSON (1965) als Nullsummenspiel zu interpretieren. Somit ist der gegenwärtige Preis des Assets der beste Schätzer für den Zukünftigen. 19 Folgen die Preise einem Random-Walk mit Drift, so kann die Martingal-Hypothese nicht mehr aufrechterhalten werden, da der heutige Preis plus die Driftkomponente den besten Schätzer für den zukünftigen Preis darstellt. Somit kann nicht mehr von einem Nullsummenspiel gesprochen werden, da eine systematische Rendite von Periode zu Periode realisiert wird. Folglich entspricht nicht jeder Martingal einem Random-Walk. Damit die Preise einem Random-Walk folgen können, muss die den Preis bestimmende Größe ebenfalls einem Random-Walk-Prozess folgen. Der den Informationsprozess beschreibende Random-Walk determiniert somit den Random-Walk des Preisprozesses. Nach FAMA (1970, 1976, 1991) müssen sich 17 18

19

Vgl. MALLIARIS / BROCK (1999), S. 15 oder FRIEDMAN (1979), S. 24. Man unterscheidet Random-Walk 1 (RW1), Random-Walk 2 (RW2) und Random-Walk 3 (RW3). RW1 fordert unabhängiges, identisch verteiltes Noise (IID), RW2 unabhängiges, nicht identisch verteiltes Noise (INID) und RW3 abhängiges, unkorreliertes Noise. Unterstellt man dem Noise-Term des RW1 eine Normalverteilung, entspricht der RW1 einer arithmetischen Braunschen Bewegung. Die Annahme einer Normalverteilung führt zu der Problematik, dass eine positive Wahrscheinlichkeit für einen negativen Aktienkurs existiert. Aus diesem Grund werden die Aktienkurse im Allgemeinen logarithmiert. Der logarithmierte Preis folgt einem Random-Walk mit normalverteiltem NoiseTerm. RW2 ermöglicht Heteroskedastizität zu berücksichtigen. RW3 setzt die geringsten Voraussetzungen an den Noise-Term. Vgl. CAMPBELL / LO / MACKINLAY (1997), S. 31-33. Dies entspricht einer Differenzialgleichung, denn sie enthält Werte einer Variablen in verschiedenen Zeitpunkten. Genau genommen handelt es sich um eine Differenzialgleichung 1. Ordnung, da die abhängige Variable ausschließlich von der Vorperiode abhängt.

10

Preisbildung an Aktienmärkten

sämtliche neue bewertungsrelevante Informationen unverzüglich in den Kursen bzw. Preisen widerspiegeln. Ein vollkommener Polypolmarkt bzw. Markt der vollständigen Konkurrenz ist demnach Grundvoraussetzung für die Existenz informationseffizienter Märkte.20 Da in der modelltheoretischen Welt FAMAS (1970, 1976, 1991) die Informationssuche ohne zeitlichen bzw. monetären Aufwand mit unendlich schneller Reaktionsgeschwindigkeit erfolgt, gilt die Markteffizienzhypothese auch in einer Welt mit heterogen informierten Agenten (diverse information). 21 Dies führt zu Common-Knowledge unter den Individuen, wodurch die eigentliche heterogene Informationswelt homogenisiert wird. Die aus den Annahmen resultierende homogene Informationsstruktur impliziert, dass die den Entscheidungen der Marktteilnehmer zugrunde liegenden Informationen gleicher Qualität und Güte sind. 22 Diese Eigenschaft führt nach AUMANN (1976) zu homogenen Erwartungen, die eine Existenz informationseffizienter Märkte erst ermöglicht. Alle Marktteilnehmer interpretieren den Informationsgehalt einer neuen Information gleich. Die Annahmen des vollkommenen Marktes führen nach SUNDER (1995) zur allokativen Effizienz. Von einem allokativ effizienten Markt wird gesprochen, wenn der Marktpreis dem Fundamentalwert des Assets entspricht. Somit ist ein allokativ effizienter Markt gleichzeitig statistisch effizient, d.h. mit einer Buy-and-Hold-Strategie kann keine systematische Überrendite erzielt werden. 23 FAMA (1970, 1976, 1991) quantifiziert den Grad der Informationseffizienz an Hand der unterschiedlichen Anpassungsprozesse an neue Informationen in Abhängigkeit von der Reaktionsgeschwindigkeit des Kapitalmarktes. Als Benchmark dient ein Markt, der alle relevanten Informationssignale in einer logischen Sekunde verarbeitet. Diese strenge Form der Informationseffizienz ermöglicht selbst Insidern aus ihrem Informationsvorsprung keine systematischen Überrenditen zu erzielen. Lediglich die dem Risiko des Investments 20

21 22

23

Auf beiden Marktseiten existieren eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern für ein spezifisches homogenes Gut. Vgl. NEUMANN (1995), S. 27-28. Vgl. WALLACE (1984), S. 410. Dies ist mit einem Full Communication Equilibrium vergleichbar. Sind alle verfügbaren fundamentalen Informationen öffentlich bekannt, liegt die strenge Form der Informationseffizienz vor. Vgl. BRUNNERMEIER (2001), S. 25. Ist dagegen statistische Effizienz gegeben kann nicht zwangsläufig auf eine allokative Effizienz des Marktes geschlossen werden. So ist es denkbar, dass ein Markt zwar statistisch effizient ist, dennoch aber eine Fehlbewertung vorliegt, die von den Händlern nicht erkannt wird. Vgl. SUNDER (1995), S. 446. In diesem Fall wäre nach FAMA (1970, 1976, 1991) die Markteffizienz verletzt.

Fundamentalwert

11

entsprechende Gleichgewichtsrendite wird in einem streng informationseffizienten Markt entlohnt. Neben dieser Form der strengen Informationseffizienz formuliert FAMA (1991) zwei weniger restriktive Formen der Informationseffizienz, die mittelstrenge und die schwache. Mittelstreng informationseffiziente Märkte sind dadurch gekennzeichnet, dass lediglich Insider aus ihrem Informationsvorsprung einen monetären Vorteil realisieren können. Dagegen kann in schwach informationseffizienten Märkten sowohl mit der Fundamentalanalyse als auch mit Insiderinformationen eine höhere systematische Überrendite erzielt werden. Strategien, die auf historischen Daten basieren, sind in schwach informationseffizienten Märkten wertlos.

2.1.1.2.2

Bewertungsmodell

Die formale Herleitung der fundamentalen Bewertung relevanter Informationen basiert in ihren Grundzügen auf SUMMERS (1986). Es wird vorausgesetzt, dass die Markteffizienzhypothese gilt, d.h. ein vollkommener Markt existiert.

(1)

Pt

>

@

>

D E t Pt  1  D E t D t  1

@

mit: Pt

= Marktpreis zum Zeitpunkt t,

Į

= Diskontierungsfaktor,

Et[Pt+1]

= erwarteter Marktpreis zum Zeitpunkt t+1 auf Basis aller bis zum Zeitpunkt t vergügbaren Informationen,

Et[Dt+1]

= erwartete Dividende zum Zeitpunkt t+1 auf Basis aller bis zum Zeitpunkt t vergügbaren Informationen.

Annahme: Į=

1 1 r

12

Preisbildung an Aktienmärkten

Das Modell impliziert, dass sämtliche Unternehmensgewinne vollständig an die Aktionäre ausgeschüttet werden. Unter der Annahme, dass die Agenten den erwarteten Preis eines Assets im Sinne von Forward-Looking bestimmen, muss das Law-of-iterated-Expectations gelten. Darunter wird verstanden, dass die Investoren keine relevanten Informationen vergessen. Somit wird die Informationsmenge im Laufe der Zeit nie kleiner, d.h. frühere Informationen sind in späteren enthalten. 24

(2)

Pt

1 ­ 1 ½ E t  1 Pt  2  D t  2  D t  1 ¾ Et ® 1  r ¯1  r ¿





Wird das Law-of-Iterated-Expectations n-1-mal wiederholt, erhält man Gleichung 3. 25

I

(3)

Pt

§ 1 ·

i

§ 1 ·

I

¦ ¨© 1  r ¸¹ E t >D t i @  ¨© 1  r ¸¹ E t >Pt  I @ i 1

mit: r

= risikoadjustierter Zins.

Annahme: Iof.

Gleichung 3 weist zunächst einen unendlichen Lösungsraum auf, da ein Wertpapier mit unendlicher Laufzeit durch keinen exakten Endwert determiniert werden kann. 26 Unter der Annahme, dass beim Forward-Looking die Transversalitätsbedingung gilt, d.h. |1/1+r|Pt  I @ 0 Iof © 1 r ¹

Der Preis eines Assets muss somit alle zukünftigen erwarteten periodenspezifischen Dividendenzahlungen des Investments widerspiegeln und entspricht dem Fundamentalwert des Assets. Aufgrund des Zeitwertes von Geld sind zukünftige Dividenden in der Gegenwart weniger werthaltig. Zur Berücksichtigung des Zeitwertes werden unter der Annahme risikoaverser Investoren die zukünftig zu erwartenden periodenspezifischen Zahlungskomponenten mit Hilfe des periodenspezifischen Diskontierungsfaktors, der aus dem CAPM abgeleitet wird, abdiskontiert. 33 Bei Risikoneutralität entsprechen dagegen alle erwarteten Renditen dem risikolosen Zinssatz. 34 Die resultierende Summe aller abgezinsten Zahlungsströme entspricht dem fundamentalen Wert des Assets

27

28 29

30

31 32

33 34

Diese Eigenschaft wird in der Literatur als Transversalität bezeichnet. Vgl. MAGILL / QUINZII (2002), S. 92. Vgl. MAS-COLELL / WHINSTON / GREEN (1995), S. 740 f. Die Grenzkosten des Konsums müssen dem Grenznutzen des Konsums entsprechen. Der vermehrte Konsum erhöht einerseits den Nutzen, führt aber andererseits zu einer verringerten Kapitalakkumulation, die zukünftige Nutzenminderungen nach sich zieht. Im Optimum müssen sich beide Effekte ausbalancieren. Die Transversalitätsbedingung schließt die Entstehung rationaler Bubbles aus. Vgl. SUMMERS (1986), S. 593. Vgl. KÖDDERMANN (1993), S. 140. In einer vollkommenen Modellwelt ist eine Unterscheidung zwischen ex ante pareto Effizienz und ex post pareto Effizienz nicht notwendig. Vgl. STOWE ET AL. (2002), S. 40 und S. 47. Vgl. KÖDDERMANN (1993), S. 118.

14

Preisbildung an Aktienmärkten

Ft in Gestalt des Barwertes der zukünftigen Zahlungsüberschüsse. 35 Nach Gleichung 5 kann ein Agent seinen erwarteten Nutzen im Gleichgewicht nicht durch eine Strategie steigern, mit der dieser zum Zeitpunkt t ein Asset kauft bzw. verkauft und plant dieses in t+i zu verkaufen bzw. kaufen. 36

I

(5)

Pt

Ft

§ 1 ·

i

¦ ¨© 1  r ¸¹ E t >D t i @ i 1

mit: = Fundamentalwert zum Zeitpunkt t.

Ft

Bei konstanter Diskontierungsrate und konstanten Dividenden kann Gleichung 3 in eine unendliche Annuität umgewandelt werden. 37 Eine unendliche Annuität wird formal wie folgt dargestellt.

(6)

Pt

Ft

Dt r

Sind die erwarteten zukünftigen Dividenden hoch bzw. die erwarteten Renditen niedrig, so ist gemäß Gleichung (5) bzw. (6) der erwartete Aktienkurs hoch. Nicht fundamentale Komponenten, die wie bei rationalen Bubbles zu längerfristigen Abweichungen vom fundamentalen Aktienkurs führen, spielen daher für die Aktienkursentwicklung keine Rolle. Dadurch ist eine eindeutige Lösung für den Aktienkurs sichergestellt. Das der Markteffizienzhypothese zugrunde liegende Bewertungsmodell betrachtet ausschließlich die Entwick-

35

36 37

Besitzen Agenten heterogene Informationen oder haben diese bei homogener Informationsstruktur heterogene Erwartungen, kann der Fundamentalwert eines Assets nicht präzise ermittel werden. Vgl. HARRISON / KREPS (1978), S. 325 f. In der Realität ist es extrem schwierig den fundamentalen Wert eines Assets von dessen beobachtbarem Preis zu entkoppeln. Vgl. CAMERER (1989), S. 31. Vgl. DIBA / GROSSMAN (1988b), S. 749. Vgl. GEKRE / BANK (2005), S. 9.

Fundamentalwert

15

lung zukünftiger fundamentaler Daten bzw. die abdiskontierten zukünftigen Dividenden. 38

2.1.1.3

No-Trade-Theorem

Informationseffiziente Märkte, die alle verfügbaren relevanten Informationen perfekt in den Preisen aggregieren, haben in einem vollkommenen Markt nach MILGROM / STOKEY (1982) die Eigenschaft, dass neu eintreffende bewertungsrelevante Informationssignale keinen Handel unter den Individuen auslösen, sofern die Ausgangssituation der zu verteilenden Assets eine ex ante pareto optimal Lösung darstellt, keine exogene Liquidität das Marktgleichgewicht stört oder spekulative Verhaltensmuster einen Handel determinieren. 39 Sind die Agenten risikoneutral eingestellt, ist grundsätzlich jede potentielle Vermögensverteilung ex ante pareto optimal. Bei homogenen Informationssignalen bleibt die marginale Substitutionsrate zwischen den Vermögensgegenständen über die Zeit unverändert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass aufgrund homogener Erwartungen unter den Agenten neue bewertungsrelevante Informationen die marginale Substitutionsrate verändern, die Veränderungsrate aber für alle Individuen identischer Natur ist. Unter diesen Gegebenheiten kann ein rationales Individuum auf Basis neuer Informationen keine Gewinne realisieren. 40 Eine nicht ex ante pareto effiziente Ausgangssituation führt unter der Annahme eines vollkommenen Marktes mit unendlicher Laufzeit und ohne exogene Schocks bereits nach der ersten Periode zu einem ex post pareto effizienten Wettbewerbsgleichgewicht. In den Folgerunden findet daraufhin kein weiterer Handel mehr statt, da eine ex ante pareto optimale Verteilung der Assets unter den Individuen bereits existiert. 41 Das Fehlen eines Preisbildungsprozesses führt letztendlich dazu, dass Informationssignale unberücksichtigt bleiben und 38 39

40 41

Vgl. AZARIADIS (1986), S. 725. Vgl. BRUNNERMEIER (2001), S. 30-31. Bubbles werden im Wesentlichen durch Spekulation hervorgerufen. Daher gilt für den Fall einer Bubble das No-Trade-Theorem nicht. Dies wird insbesondere auf heterogene Erwartungen unter den Agenten zurückgeführt. Für den Fall rationaler Bubbles werden spezifische Anforderungen an die Population gestellt, damit ein Handel auch nach der ersten Periode stattfindet. Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2.2.2.3. Vgl. BRUNNERMEIER (2001), S. 48. Vgl. MILGROM / STOCKEY (1982), TIROLE (1985) und TIROLE (1982) bezeichnen diese Eigenschaft eines informationseffizienten Marktes als No-Trade-Theorem.

16

Preisbildung an Aktienmärkten

der Markt aufgrund der fehlenden Tauschmöglichkeiten seine Funktion nicht mehr erfüllen kann.

2.1.2 2.1.2.1

Noise-Trader-Hypothese Lösung des Informationsparadoxons

Nach ROSS (1989) können informationseffiziente Märkte das auf realen Märkten nachweisbare Handelsvolumen nicht erklären. Die restriktive Form eines informationseffizienten Marktes, dessen Preisprozess alle potenziell verfügbaren Informationen sofort repräsentiert, wird den realen Marktgegebenheiten nicht gerecht. 42 Um Handel auf neue Informationssignale begründen zu können, müssen nach herrschender Meinung unvollkommene Märkte existieren. 43 Die Theorie als Entdeckungsverfahren beschäftigt sich mit der Verarbeitung von Informationspartitionen (heterogener Informationen) und hebt die Annahme der unendlichen Reaktionsgeschwindigkeit auf. Die Wirkung des Wettbewerbs führt zu einem Informationszuwachs und beeinflusst die Erwartungsbildung der Individuen. HAYEK (1994) unterstellt, dass Wettbewerb grundsätzlich ex post pareto effiziente Preise generiert, auch wenn private Informationspartitionen unter den Agenten gestreut sind, da unter den Händlern ein „nicht autoritärer Prozess sozialer Kontrolle“ 44 existiert. Das Wettbewerbsgleichgewicht reflektiert nach SMITH (1776) „the invisible hand“ des Marktprozesses. SMITH (1982) bezeichnet einen effizienten Informationsaggregationsprozess als hayeksche Informationsverarbeitung (Hayek-Hypothese). Orderbuchinformationen entsprechen nach GROSSMAN (1976a, b, 1977, 1978) einem Informationsträger, der private Informationspartitionen anderen Marktteilnehmern offen legt. Daher sollte ein rationales Individuum Orderbuchinformationen in seinen Entscheidungsprozess integrieren. 45 In diesem Sinne nä42 43 44 45

Vgl. FAMA (1991), S. 1575. Vgl. BLACK (1986). SCHMIDTCHEN (1978), S. 173. „We must look at the price system as … as mechanism for communicating information if we want to understand its real function … The most significant fact about this system is the economy of Knowledge with which it operates, or how little the individual participants need to know in order to be able to take the right action … by a kind of symbol, only the most essential information is passed on …”. HAYEK (1945), S. 527.

Fundamentalwert

17

hert sich der Kurs approximativ dem Fundamentalwert des Assets an. Somit stellt sich im Zeitablauf eine 100 %-ige Informationsaggregation ein. Dieser Prozess endet in einem ex post pareto Optimum. 46 In einem Mehrperiodenmodell würde demzufolge bereits zu Beginn der Folgeperiode eine ex ante effiziente Lösung vorhanden sein und kein Handel unter den Individuen mehr zustande kommen. GROSSMANN (1976a, b) kritisiert den Ansatz von FAMA (1970) darüber hinaus, dass Informationssuche grundsätzlich Kosten impliziert. Die Informationskosten können sowohl zeitlicher als auch monetärer Natur sein. Aus Sicht eines Agenten reduzieren die mit der Informationssuche verbundenen Kosten dessen Nutzenniveau, da die erkauften Informationen bereits im Preis eingearbeitet sind und somit keinen zusätzlichen Nutzen stiften. Um eine ex post pareto ineffiziente Lösung zu vermeiden, haben rationale Agenten keinen Anreiz, Kosten für die Informationssuche aufzuwenden, da der Wert eines Assets bereits sämtliche Informationen widerspiegelt. Sucht allerdings kein Individuum Informationen, kann der Preis auch nicht informationseffizient sein. Ist der Preis eines Assets nicht informationseffizient, würde sich theoretisch eine mit Kosten verbundene Informationssuche lohnen. Allerdings legen die Marktpreise den Informationsstand der durch die Informationssuche besser Informierten offen. Unter der Annahme, dass Marktpreise kostenlos verfügbar sind, weisen die Marktpreise die Eigenschaften eines öffentlichen Gutes auf. Dies führt aus Sicht der besser informierten Marktteilnehmer zu einer Trittbrettfahrerei der schlechter informierten Marktteilnehmer. Folglich wird ein rationaler Händler nicht bereit sein, Kosten für die Informationssuche aufzuwenden. In diesem Fall ist ein Markt als hochgradig informationsineffizient einzustufen, da die Marktpreise rein zufällig ohne fundamentalen Bezug zustande kommen. Diese Konstellation führt letztendlich zu einem Marktversagen. Die Lösung des Informationsparadoxons wird dadurch erreicht, dass weitere Unvollkommenheiten in Form von Noise-Tradern den Markt beeinflussen. Nach BLACK (1986) handeln Noise-Trader auf Basis von Gefühlen, Intuitionen etc. In Märkten mit Noise-Tradern werden rationale Agent daher bereit sein Kosten für die Informationssuche aufzunehmen. Ein rationales Individuum stellt jedoch den monetären Aufwand der Informationssuche dem Nutzenge46

Im Gegensatz zur Markteffizienzhypothese von FAMA (1970) weicht der Durchschnittskurs einer Handelsperiode aufgrund der verzögerten Reaktionsgeschwindigkeit vom Fundamentalwert des Assets ab.

18

Preisbildung an Aktienmärkten

winn gegenüber. Somit bezieht ein bayesianischer Händler in seinem Bewertungsprozess zwangsläufig Noise-Signale ein, da diese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit fundamentale Informationen enthalten, die der rationale Agent trotz Informationssuche nicht berücksichtigt. Ein rationaler Händler kann trotz Informationssuche niemals den fairen Wert des Assets kennen. Nach GROSSMAN (1976a) korreliert in einer von Noise-Tradern geprägten Umwelt die Überrendite positiv mit dem Umfang der Informationssuche. Die erzielte Überrendite vermindert sich um die mit der Informationssuche verbundenen Kosten. Dementsprechend können die Preise eines Assets den Informationsstand der informationssuchenden Händler nicht perfekt widerspiegeln. In einer Welt mit Noise-Tradern lohnt sich demnach die Informationssuche. Gleichzeitig kann das No-Trade-Theorem gelöst werden. Die Berücksichtigung von Informationskosten in Verbindung mit Noise-Tradern führt somit zu einer milderen Auslegung der Informationseffizienz.

2.1.2.2

Effizienz des Arbitrageprozesses

Nach FAMA (1965) und FRIEDMAN (1953) sollte Noise keinen systematischen Einfluss auf den Preisbildungsprozess haben. Rationale Individuen kennen entweder den tatsächlichen oder den erwarteten fairen Wert des Assets. Somit können rationale Marktteilnehmer die Rolle eines Arbitrageures einnehmen.47 Solange Arbitragestrategien risikolos sind, gehen Arbitrageure unbegrenzte Arbitragepositionen ein und führen den Marktpreis zum Fundamentalwert zurück, falls perfekte Substitute existieren. 48 Die von den Arbitrageuren erzielten Gewinne entsprechen dabei den Verlusten der Noise-Trader. 49 Die begrenzte 47

48

49

SHLEIFER / SUMMERS (1990) bezeichnen Arbitrageure als „smart money“ oder „rationale Spekulanten“. Ihr Verhalten basiert auf rationalen Erwartungen. Vgl. SHLEIFER / SUMMERS (1990), S. 20. Liegt der Preis des Assets unter dem seines perfekten Substituts, werden Arbitrageure das Substitut verkaufen und gleichzeitig das unterbewertete Asset kaufen et vice versa. Diese Strategie wird so lange verfolgt, bis der Wert des Assets dem des Substituts gleicht. Vgl. ABREU / BRUNNERMEIER (2002), S. 342. Noise-Trader handeln insbesondere aus psychologischen Gründen. Ihr Verhalten wird wesentlich von Heuristiken determiniert. Vgl. VON HEYL (1995), S. 55 oder DE LONG ET AL. (1989), S. 681. Eine ausführliche Diskussion begrenzt rationaler Agenten findet sich bei RUSSEL / THALER (1985). Von begrenzter Rationalität wird gesprochen, falls Marktteilnehmer heuristischen Verhaltensweisen folgen.

Fundamentalwert

19

Vermögensausstattung der Noise-Trader bewirkt, dass diese langfristig aus dem Markt gedrängt werden. Andererseits ist es durchaus denkbar, dass Noise-Trader einem Lernprozess unterliegen und sich deren Verhalten im Zeitverlauf dem rationaler Marktteilnehmer angleicht. 50 Unabhängig welcher Argumentation gefolgt wird sollten langfristig nur rationale Agenten in den Märkten überleben. Allerdings sind die Schlussfolgerungen nicht zwingend auf reale Kapitalmärkte übertragbar. Nach BAGEHOT (1971) ist es denkbar, dass rationale Individuen Noise bewirken, falls diese nicht nur informationsinduziert, sondern auch aus „Liquiditätsgründen“ 51 oder aufgrund „vertraglicher Friktionen“ 52 handeln müssen. Ebenso werden an realen Märkten Noise-Trader kaum aussterben, da permanent neue Generationen das Marktgeschehen beeinflussen. Schätzen Noise-Trader die Varianz des Fundamentalwertprozesses zu hoch ein, können diese nach DE LONG ET AL. (1991) sogar eine höhere Rendite als Arbitrageure erzielen. Außerdem ist Arbitrage in unvollkommenen Märkten nach LEROY (2004) und De LONG ET AL. (1990a) mit erheblichen Risiken verbunden. Folglich meiden risikoaverse Arbitrageure größere Arbitragepositionen. 53 Die mit Arbitrage verbundenen Risiken setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen, die in 50 51

52

53

Vgl. SHLEIFER / SUMMERS (1990), S. 24. Liquidity-Trader handeln nicht auf Basis fundamentaler Signale, sondern aus Liquiditätsgründen. Vgl. SHLEIFER / SUMMERS (1990), S. 20. Ein unerwarteter Zufluss an monetären Mitteln veranlasst Liquidity-Trader sich in Aktien zu engagieren, ohne primär auf fundamentale Daten zu achten et vice versa. So sind beispielsweise Manager eines offenen Fonds bei starker Nachfrage ihrer Anteile dazu gezwungen, die zugeflossenen Gelder in Assets anzulegen. Da der Anteil offener Fonds deutlich höher als der geschlossener ist, darf der von diesen ausgehende Liquiditätseffekt nicht unterschätzt werden. Vgl. STEIN (2004). BLUME / SIEGEL (1992) weisen darauf hin, dass LiquidityTrader nicht rationalen Erwartungen folgen, allerdings nutzenmaximierendes Verhalten zeigen, d.h. aus ökonomischer Sicht rational sind. Portfoliomanager passiver Fonds (Indexfonds) sind in der Regel vertraglich verpflichtet ihr Portfolio bei Indexveränderungen umzuschichten. Demnach kommt es zu Transaktionen, ohne dass zu diesem Zeitpunkt neue bewertungsrelevante Informationen vorliegen, denn die Kriterien für eine Indexanpassung sind im Vorfeld öffentlich bekannt. Die Informationen sollten bereits vor der Indexanpassung in den Preis eingearbeitet sein. Auf realen Kapitalmärkten treten neben den genannten Risikokomponenten weitere Restriktionen auf, die eine hemmende Wirkung gegenüber Arbitrage zeigen. Beispielsweise können Leerverkäufe nur in sehr liquiden Titeln durchgeführt werden, unterliegen bestimmte institutionelle Investoren, wie Pension Funds und Mutual Funds, Leerverkaufsbeschränkungen oder -verboten, stehen Arbitrageuren nur begrenzte Kreditlinien zur Verfügung und existieren nur in liquiden Titeln derivative Finanzinstrumente. Vgl. LEROY (2004), S. 796; JONES / LAMONT (2002), S. 210; SHLEIFER (2002), S. 47 oder HOUGE ET AL. (2001), S. 6.

20

Preisbildung an Aktienmärkten

der Regel kumulativ wirken und somit ein für den Arbitrageur erhebliches Risiko darstellen. 54 Zu diesen Risiken zählen insbesondere das Synchronistations-, Fundamental- und das Noise-Trader-Risiko. Mangelnde Synchronisation unter den Arbitrageuren bzw. isolierte Aktivitäten einzelner Arbitrageure führen im Allgemeinen zu informationsineffizienten Märkten. 55 ABREU / BRUNNERMEIER (2002) zeigen, dass erst ab einer kritischen Masse an rationalen Spekulanten Arbitrage den gewünschten Effekt zeigt. Das Ordervolumen der Arbitrageure muss dabei mindestens das der Noise-Trader übersteigen. Je größer deren Ordervolumen, desto schneller werden Fehlbewertungen beseitigt. Das aus dem Synchronisationsrisiko resultierende verzögerte Koordinationsverhalten führt in Verbindung mit Transaktionskosten zu nicht streng informationseffizienten Märkten. Dieser Effekt wird auf MutualKnowledge unter den Arbitrageuren zurückgeführt. Neben dem Synchronisationsrisiko müssen Arbitrageure im Rahmen ihrer Anlagestrategie das Fundamentalrisiko des Assets berücksichtigen. So kann eine Arbitrageposition aus gegenwärtiger Sicht gerechtfertigt sein. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich der fundamentale Wert des Assets zukünftig zu Lasten des Arbitrageurs verändert und dieser einen Verlust erleidet. 56 Nach DE LONG ET AL. (1990b) unterliegen Arbitrageure einer dritten Risikokomponente, dem so genannten Noise-Trader-Risiko. Korrelieren die Entscheidungen der Noise-Trader positiv untereinander, können längerfristige Fehlbewertungen bzw. spekulative Preisblasen auftreten. Preisstabilisierende Spekulanten zeigen in einem derartigen Marktumfeld aufgrund ihres kurzfristigen Anlagehorizonts nur eine begrenzte Bereitschaft Arbitragepositionen

54

55

56

Dies bedeutet, dass die Nachfragekurve der Arbitrageure nicht mehr perfekt elastisch ist. ABREU / BRUNNERMEIER (2002) sprechen in diesem Zusammenhang vom Synchronisationsrisiko, d.h. es besteht unter den Arbitrageuren Unsicherheit hinsichtlich des Zeitpunktes der Preiskorrektur. Vgl. ABREU / BRUNNERMEIER (2002), S. 342. Existiert ein perfektes Substitut, kann das Fundamentalrisiko vollständig vernichtet werden. Dies setzt voraus, dass keine Transaktionskosten bei der Durchführung der Hedgingstrategie anfallen. Vgl. ABREU / BRUNNERMEIER (2002), S. 344. Weiterhin besteht das Recall-Risiko, d.h. der Entleiher des perfekten Substituts fordert frühzeitig das Asset zurück. Vgl. JONES / LAMONT (2002), S. 208.

Fundamentalwert

21

aufzubauen. 57 Gehen dennoch kurzfristig orientierte Arbitrageure Arbitragepositionen ein, können diese aufgrund des Performancedrucks gezwungen werden, die Arbitragepositionen frühzeitig verlustbringend glattzustellen. Trotz aktiver Arbitrage kann dies eine kontraproduktive Wirkung zeigen und sogar Fehlbewertungen verstärken, da durch die Glattstellung der Arbitrageposition Noise-Trader eine Bestätigung ihrer Handelsstrategie erfahren. 58 Nach SMITH / SORENSEN (2000) und SHLEIFER / SUMMERS (1990) weichen mit steigendem Anteil an Noise-Trader die Erwartungen der Arbitrageure mehr und mehr von den Markterwartungen ab, falls das Verhalten der Noise-Trader korreliert ist. Arbitrageure werden in einem derartigen Marktumfeld in Abhängigkeit ihres Anlagehorizonts unterschiedliche Erwartungen bilden. Insbesondere kurzfristig orientierte Arbitrageure werden zu trendverstärkendem Verhalten tendieren und das Verhalten der Noise-Trader imitieren. Im Gegensatz zu den Arbitrageuren bei DE LONG ET AL. (1990b) handeln diese rational. 59 Kurzfristig orientierte Arbitrageure nutzen gezielt Momentum-Strategien zur Steigerung ihrer Performance, während Arbitrageure ohne Friktionen langfristige Arbitragepositionen eingehen, die stabilisierend auf den Markt wirken. 60 Die durch Noise-Trader verursachte zunehmende Heterogenität der Erwartungen zeigt einen positiven Liquiditätseffekt, falls langfristig orientierte Arbitrageure ohne Restriktionen im Markt existieren. 61 Unterliegen langfristig ausgerichtete Arbitrageure jedoch gewissen Restriktionen (z.B. Budgetrestriktionen), sinkt

57

58

59 60 61

Institutionelle Arbitrageure handeln im Namen ihrer Anleger. Somit bestehen potentielle Interessenkonflikte zwischen den beiden Gruppen im Sinne der Agency-Theorie. Damit das Fondsmanagement die Anlegerinteressen optimal vertritt, wird deren Performance mit einer geeigneten Benchmark (z.B. Aktienindex) verglichen. Das Fondsmanagement ist somit bestrebt die Benchmark zu schlagen. Da Anleger ihre Entscheidungen auf Basis der kurzfristigen Performance eines Fonds treffen, geht ein Fondsmanager aus Reputationsgründen kaum Arbitragepositionen ein. Vgl. SHLEIFER / VISHNEY (1997), S. 37. Je länger der Anlagehorizont der Arbitrageure ist, desto aggressiver gehen diese Arbitragepositionen ein und desto effizienter ist der Markt. Vgl. LEROY (2004), S. 796. Das Modell abstrahiert von möglichen Fundamentalrisiken. Heterogene Erwartungen fördern Spekulation und somit die Marktliquidität. Vgl. WU / GUO (2003) und O’HARA (2004). Heterogene Erwartungen dürfen nicht mit Unsicherheit gleichgesetzt werden. Unsicherheit in Märkten mindert vielmehr deren Liquidität, falls Agenten diese nicht durch gleichgerichtetes Verhalten versuchen zu reduzieren. Unsicherheit kann durch Informationsasymmetrien (z.B. Insider oder heterogene Informationen) hervorgerufen werden. Vgl. LELAND (1992) und GLOSTEN (1989).

22

Preisbildung an Aktienmärkten

aufgrund des zunehmenden Risikos eines Marktversagens die Marktliquidität, falls eine kritische Masse der Noise-Trader überschritten wird. 62 ROSS (1976) zeigt in einem hypothetischen Markt mit ausschließlich irrationalen Agenten, dass sich die Erwartungen der Noise-Trader homogenisieren und dadurch die Marktliquidität reduziert wird. Noise-Trading in dieser Extremform führt schließlich zum Marktversagen. Treten dagegen neue Generationen von Noise-Tradern in einen ausschließlich durch Noise-Trader charakterisierten Markt ein, liefern nach XU (2004) diese wieder einen zusätzlichen Liquiditätseffekt, der ein Marktversagen verhindert. Zusammenfassend kann gezeigt werden, dass risikolose Arbitrage rasch zu informationseffizienten Märkten führt, unabhängig davon, ob Noise-Trader in den Märkten überleben oder nicht. Somit hat die Spekulation der Arbitrageure einen stabilisierenden Einfluss auf den Preisbildungsprozess. 63 Sind jedoch mit Arbitrage Risiken verbunden, ist eine differenzierte Argumentation notwendig. So lange Noise-Trader untereinander ein unkorreliertes Verhalten zeigen, können diese kaum die Marktpreise beeinflussen. Korreliert allerdings das Verhalten der Noise-Trader, können unter gewissen Umständen die Aktivitäten der Arbitrageure trendverstärkend wirken. Das Verhalten der Arbitrageure ist in diesem Zusammenhang nicht zwingend durch eine stabilisierende Wirkung auf den Preisbildungsprozess gekennzeichnet. Vielmehr kann das Zusammenspiel von Noise-Tradern und Arbitrageuren zu systematischen und längerfristigen Fehlbewertungen führen. Die Diskussion hat gezeigt, dass Märkte grundsätzlich einen gewissen Anteil an Noise aufweisen. Bis zu einem gewissen Grad stellen diese zusätzliche Liquidität zur Verfügung und sind notwendig, um Agenten einen Anreiz zur Informationssuche zu bieten. Übersteigt der Anteil der Noise-Trader einekritische Masse, führt dies zum Marktversagen, falls keine neuen Noise-Trader in den Markt eintreten.

62 63

Vgl. DE LONG ET AL. (1989). FRIEDMAN (1953) spricht in diesem Zusammenhang auch von rationalen Spekulanten.

Rationale Information Mirages

2.2

23

Rationale Information Mirages

2.2.1

Informationskaskaden – Informational Bubbles

Eine Informationskaskade liegt vor, falls rationale Marktteilnehmer diskrete Informationen nicht im Sinne der Informationsökonomik verarbeiten, sondern ihre Entscheidung an der ihres Vorgängers ausrichten. 64 Im Folgenden wird das Phänomen der Informationskaskade modelltheoretisch diskutiert. Bei BANERJEE (1992) erhält lediglich der erste Entscheider eine Information über die Investitionsmöglichkeit. Die zukünftigen Erträge werden aus einer Binomialverteilung gezogen, deren Zustände entweder einen niedrigen oder hohen Kapitalwert repräsentieren. In diesem Zusammenhang wird von Signalsicherheit gesprochen, da das Informationssignal perfekt positiv mit dem Liquidationswert korreliert. Die verbleibenden n-1 Agenten schließen aus der Entscheidung ihres unmittelbaren Vorgängers auf den Erfolg bzw. Misserfolg der Investition. Je nach Investortyp sind die Opportunitätskosten eines Agenten niedrig (Null) bzw. hoch. 65 Investor 1 trifft in Abhängigkeit seines exklusiven Informationssignals und seiner Opportunitätskostenfunktion eine Entscheidung. Sind dessen Opportunitätskosten Null, wird sich dieser für das Engagement entscheiden. Sind dessen Opportunitätskosten hoch, entscheidet sich Investor 1 nur für den Kauf des Assets, falls der erwartete Gewinn aus der Investition hoch ist. Die verbleibenden Investoren folgen gundsätzlich der Entscheidung des Agenten 1. Die Informationsübermittlung ist daher ohne Störung und der Informationsgehalt ändert sich im Zeitablauf nicht. Unabhängig von t ist die Informationskaskade daher richtig. Ex ante ist die Wahrscheinlichkeit einer richtigen und falschen Informationskaskade gleich. 66 BANERJEE (1992) erweitert das ursprüngliche Modell, in dem jedem Investor ein privates binomialverteiltes Signal zugewiesen wird. Das private Signal besitzt eine Varianz von Null bzw. zwischen privatem Signal und Liquidationswert besteht eine perfekte positive Korrelation. Der tatsächliche Investitionswert ergibt sich aus dem Anteilsverhältnis der N binomialverteilten Signale. Dieses ist ex ante den Marktteilnehmern unbekannt. Dieses Design führt zu einer sukzessiven Verschlechterung der Informationseffizienz im Zeitablauf. Die 64 65 66

Vgl. CAO / HIRSHLEIFER (2002), S. 1. Vgl. BANERJEE (1992). Vgl. BANERJEE (1992).

24

Preisbildung an Aktienmärkten

Entscheidungsfindung des Investors 1 entspricht im Gegensatz zu Investor 2 dem des Basismodells. Hat Investor 2 hohe Opportunitätskosten, interessiert sich dieser nur für die Investitionsgelegenheit, falls Agent 2 die Investitionschance als hoch einstuft bzw. Investor 1 eine Investition getätigt hat. Sind die Opportunitätskosten des Investors 2 niedrig, entscheidet sich dieser unabhängig von der Entscheidung seines Vorgängers grundsätzlich für das Anlageobjekt. Investor 3 folgt grundsätzlich der Entscheidung seines Vorgängers. Letztere Situation transferiert keine weiteren Informationen an die folgenden Investoren. Dennoch schließen sich diese der Entscheidung ihres Vorgängers an, da sie sich in derselben Entscheidungssituation wie Investor 3 befinden und demnach auch gleich handeln. Je mehr Investoren bereits eine Entscheidung getroffen haben, desto ineffizienter ist die Informationsverarbeitung. Die Wahrscheinlichkeit einer falschen Informationskaskade geht mit zunehmenden t gegen eins. BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1992, 1998) untersuchen die Wirkung des Entscheidungsverhaltens bei Signalunsicherheit auf den Informationsaggregationsprozess. 67 Zwischen privater Information und Liquidationswert besteht somit kein perfekt positiver Zusammenhang. 68 Unter der Voraussetzung widersprechender Entscheidungen der beiden Vorgänger, trifft Investor 3 eine Entscheidung ausschließlich auf Basis seines privaten Signals. Tritt diese Situation ein, entspricht dessen Verhalten dem des Investors 1. Somit besteht ex ante die Chance, dass eine größere Menge an Informationssignalen verarbeitet wird. Geht t gegen unendlich, nähert sich die Wahrscheinlichkeit einer Informationskaskade approximativ an eins an. Eine einmal entstandene Informationskaskade bleibt somit ewig bestehen, während bei BANERJEE (1992) lediglich korrekte Informationskaskaden diese Eigenschaft aufweisen. Ex ante ist die Wahrscheinlichkeit einer richtigen und falschen Informationskaskade gleich. Die bisherigen Ansätze erklären allerdings nicht, warum bereits ein geringer externer Schock einen massenpsychologischen Effekt unterbricht. Die Einführung öffentlicher Informationssignale und die zeitliche Variation der Fundamentalinformationen soll über die Robustheit einer Informationskaskade Aufschluss geben. Die Wirkung eines öffentlichen Informationssignals auf eine Informationskaskade wird wesentlich von der Qualität und dem Zeitpunkt der 67 68

Die bedingte Signalwahrscheinlichkeit beträgt ʌ>0,5. Der Korrelationskoeffizient muss folglich im Intervall ]0,1[ liegen.

Rationale Information Mirages

25

Bekanntgabe beeinflusst. 69 Nach BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1992, 1998) führt die Verteilung einer minderwertigen, öffentlichen Information zum Zeitpunkt t=0 in der Regel zu einer falschen Informationskaskade. Je länger eine falsche Informationskaskade besteht, desto positiver ist die Wirkung eines öffentlichen Signals, unabhängig von dessen Qualität. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Informationskaskaden den Informationsaggregationsprozess in einer sehr frühen Phase beenden. Daher sind Investoren über jedes noch so minimale Informationssignal dankbar, um ihre Unsicherheit über die Art der Informationskaskade zu reduzieren. Mit zunehmender Lebensdauer nimmt die Robustheit einer Informationskaskade rapide ab. Werden mehrere öffentliche Informationssignale sequentiell zur Verfügung gestellt, steigt erwartungsgemäß die Wahrscheinlichkeit, dass eine richtige Informationskaskade entsteht. Die Umkehr einer Informationskaskade verbessert somit das Entscheidungsverhalten, da mehr Informationen aggregiert werden als bei einer einfachen Informationskaskade. Werden neue private Informationen nach einer bestimmten Zeit zur Verfügung gestellt bzw. ändert sich der Fundamentalwert geringfügig, führt dies zu einem sofortigen Ende der bisherigen Informationskaskade, jedoch folgt auf diese wiederum eine Neue. 70 CAPLIN / LEAHY (1994) weisen nach, dass eine Informationskaskade rein auf Basis von Vermutungen beendet werden kann. Die zeitliche Veränderung individueller Erwartungen kann theoretisch eine Informationskaskade zerstören. 71 In den klassischen Modellen zu Informationskaskaden kann ein Agent ausschließlich die Entscheidungen der Vorgänger beobachten, aber nicht deren private Informationssignale oder tatsächlichen Auszahlungen. Da der kostenfreie Austausch n-privater Signale theoretisch die Entstehung einer Informationskaskade vollständig verhindert, 72 sollte der verbalen Kommunikation zwischen Agenten eine positive Wirkung zugesprochen werden. Nach COA / HIRSHLEIFER (2002) ist die Annahme einer perfekten Kommunikation aufgrund von Kommunikationsbarrieren als relativ unrealistisch einzustufen. Deshalb erhalten die Investoren lediglich einen Teil der potentiellen Informationstypen. Überraschenderweise verbessert der Informationsgewinn aus dem privaten 69 70

71

72

Vgl. BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1992, 1998). Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen MOSCARINI / OTTAVIANI / SMITH (1998) oder PERKTOLD (1996). Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1992, 1998). N steht in diesem Zusammenhang für die Größe der Population.

26

Preisbildung an Aktienmärkten

Signal des unmittelbaren Vorgängers die Informationseffizienz kaum. CAO / HIRSHLEIFER (2002) und ELLISON / FUDENBERG (1995) kommen zu dem Ergebnis, dass eine sukzessive Steigerung der zu kommunizierenden privaten Signale die Wahrscheinlichkeit einer Informationskaskade erheblich reduziert. HIRSHLEIFER / WELCH (2002) analysieren in diesem Zusammenhang die Wirkung der Repräsentativität auf den Marktprozess. Das Ausmaß des Erinnerungsvermögens bestimmt dabei wesentlich die beiden heuristischen Verhaltensweisen. Mit zunehmender Fähigkeit vergangene Informationen aufzuarbeiten, neutralisiert sich ein auf Repräsentativität basierendes Entscheidungsverhalten. Dieses wird damit begründet, dass Investoren versuchen, kurze Zeitreihen durch Muster zu erklären. Die Studie zeigt, dass während einer stabilen Phase Investoren dazu neigen Informationskaskaden zu bilden, während diese in Marktphasen mit hoher Volatilität überraschenderweise Informationen effizienter verarbeiten. Sind mit der Informationsgewinnung Kosten verbunden, wird nach BURGUET / VIVES (2000) ein Händler nicht bereit sein zusätzliche Informationen zu erwerben, da der daraus resultierende Nutzen anderen Investoren zugute kommt. Informationskosten führen somit zu einer sozialen Ineffizienz. 73 Wird anstelle eines diskreten Modells mit zwei Zuständen ein diskretes Modell mit n-Zuständen gewählt, lassen sich weiterhin Informationskaskaden nachweisen. 74 Je mehr Zustandsalternativen jedoch existieren, desto länger benötigt eine Informationskaskade sich zu bilden. Eine Erhöhung der möglichen Zustände aggregiert ceteris paribus mehr Informationssignale und steigert die Informationseffizienz eines Marktes. 75 Liegt dagegen ein kontinuierlicher Zustandsraum vor, besitzt die private Information für einen Agenten grundsätzlich einen Informationsgehalt. Eine Informationskaskade ist unter der Annahme stetiger Aktivitäten nach HIRSHLEIFER / TEOH (2003) und VIVES (1993) nicht möglich. In den bisher beschriebenen Modellen erhalten die Agenten Informationssignale in einer bestimmten zeitlichen Reihenfolge. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass der Informationsaggregationsprozess wesentlich vom Grad der Informa73 74

75

Vgl. CAO / HIRSHLEIFER (2002), S. 22. Diese Annahme ist für viele Sachverhalte plausibel. So wird man sich im Rahmen einer Investitonsentscheidung für oder gegen die Investition entscheiden und nicht für den gewichteten Durchschnitt der jeweiligen Zustände. Vgl. BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1998), S. 159.

Rationale Information Mirages

27

tionsasymmetrien bestimmt wird. Informationsasymmetrien wirken sich einerseits negativ auf die Marktliquidität aus, andererseits tragen sie gleichzeitig zu einer schnelleren Informationsaggregation bei. In den Modellen zu Informationskaskaden werden Informationsasymmetrien wie folgt berücksichtigt: BANERJEE (1992) verwendet ein Modelldesign, das Informationsasymmetrien auf Basis informierter und uninformierter Händler abbildet. Informierten Investoren wird der Liquidationswert des Assets zu Periodenbeginn mitgeteilt. Ist der Liquidationswert hoch, entscheiden sich die Informierten unabhängig von den Opportunitätskosten frühzeitig für die Investitionsmöglichkeit. Ist der Liquidationswert niedrig, investieren nur die Informierten mit geringen Opportunitätskosten. In diesem Fall legen die informierten Agenten mit hohen Opportunitätskosten relativ spät ihre Präferenzen offen. Uninformierte Händler mit geringen Opportunitätskosten reagieren grundsätzlich so bald wie möglich auf das Gerücht. Mit zunehmendem t nähert sich somit die Wahrscheinlichkeit für eine richtige Informationskaskade dem Wert eins an, da eine hohe Signalqualität grundsätzlich hohe Wartekosten impliziert. Der Wert des Signals nimmt bei HOLDEN / SUBRAHMANYAM (1992) im Zeitablauf aufgrund des Wettbewerbs unter den Informierten sukzessive ab. Besser informierte Agenten werden daher ihre Information relativ frühzeitig offen legen. 76 Ein realitätsnäherer Ansatz, um Informationsasymmetrien zu modellieren, erfolgt über die Verteilung N qualitativ unterschiedlicher Signale. 77 Eine hohe Signalqualität impliziert hohe Wartekosten, da mit zunehmender Informationsverarbeitung der Wert des Signals abnimmt. Agenten mit der qualitativ hochwertigsten Information werden sich sehr rasch für oder gegen die Investitionsmöglichkeit entscheiden. 78 Daher folgen bei ZHANG (1997) alle Marktteilnehmer der Entscheidung des ersten Agenten. Dazu wird eine Situation modelliert, in der Investoren private Informationen nicht nur über die Projektqualität erhalten, sondern auch über die Genauigkeit dieses Signals. Die Qualität des Signals unterscheidet sich dabei für alle Agenten. Die daraus resultierende richtige Informationskaskade kann als Extremform aufgefasst werden, da bereits nach Investor 1 der Informationsverarbeitungsprozess vollständig beendet ist. Der Zeitpunkt der Investition enthüllt somit zusätzliche Informationen über die relative Qualität des Signals. Überschätzt ein Agent die Qualität sei76 77 78

Vgl. ZHANG (1997); GALE (1996); GUL / LUNDHOLM (1995) oder CHAMLEY / GALE (1994). N entspricht der Anzahl der Agenten. Vgl. ZHANG (1997); GALE (1996); GUL / LUNDHOLM (1995) oder CHAMLEY / GALE (1994).

28

Preisbildung an Aktienmärkten

ner privaten Information tritt der spiegelbildliche Effekt ein, 79 d.h. aufgrund der vermeintlich hohen Informationsqualität schätzt dieser seine Wartekosten hoch ein und wird daher bestrebt sein, als erster aktiv zu werden. 80 Dies führt unmittelbar zu einer falschen Informationskaskade. Letztere Situation ist im Vergleich zu einer mit objektiv hoher Informationsqualität deutlich ineffizienter. Da das qualitativ hochwertigste objektive Signal ebenfalls in einer Informationskaskade kumuliert, ist auch deren Informationsaggregationsprozess als suboptimal anzusehen. ZHANG (1997) und CHAMLEY / GALE (1994) erlauben den Austausch privater Informationen. Eine Verbesserung der Informationseffizienz ist nicht nachweisbar, da der informationssuchende Investor aufgrund der bestehenden Informationsasymmetrien keine monetären Vorteile daraus erzielen kann. Eine effiziente Informationsverarbeitung setzt nach BIKHCHANDANI / HIRSHLEIFER / WELCH (1992) somit eine negative Korrelation der beiden Variablen „objektive Signalqualität“ und „Populationsgröße“ voraus. 81 Den bisherigen Modellen liegt die Annahme irreversibler Entscheidungen zugrunde. Eine einmal getroffene Entscheidung kann nicht mehr revidiert werden. Jedoch ist eine derartige Vereinfachung der Realität für viele Situationen wenig plausibel. Zur Lösung des Problems lässt MEWIS (1998) in seinem Modell eine einmalige Entscheidungsreversibilität zu. Jeder Agent erhält nach seiner ersten Entscheidung für die folgenden Perioden ein neues privates Informationssignal, das über den Erfolg bzw. Misserfolg der ursprünglichen Entscheidung Auskunft gibt. Folgendes Beispiel soll den Realititätsbezug hervorheben. Angenommen n-Manager stehen zum Zeitpunkt t=0 vor der Entscheidung entweder in Technologie A (alt) oder Technologie N (neu) zu investieren. In t=0 entscheiden sich alle Manager für eine der beiden Technologien. In den Folgeperioden erhalten diese jeweils ein individuelles Informationssignal über die Zukunftsträchtigkeit der jeweiligen Technologie. Daher werden in der Realität Ausstiegsoptionen eingesetzt, um bei einem Scheitern der gewählten Strategie gegebenenfalls auf die Alternative zu wechseln. Schwenkt ein Teil der Manager beispielsweise in t>0 auf die Technologie A um, wird der einzelne Manager dies als ein Scheitern der Technologie N interpretieren. Hat dieser 79

80

81

In der Literatur wird dieser Effekt unter dem Begriff „illusion of control“ subsumiert. Vgl. LANGER (1975, 1982). Dieses Verhalten können HEATH / TVERSKY (1991) in einer experimentellen Studie belegen. Eine Erhöhung der Populationsgröße führt zu einem exponentiellen Anstieg der Wahrscheinlichkeitsmasse einer Informationskaskade vice versa.

Rationale Information Mirages

29

sich in t=0 für Technologie N entschieden, wird er folglich sein Verhalten dem der anderen anpassen. Erkennt dagegen ein Manager eine erhöhte Revidierung für Technologie A, legt dieser einen gesteigerten Optimismus zu Tage und gewichtet seine persönlichen schlechten Erfahrungen mit der Technologie N weniger. Die Ergebnisse widersprechen der bisherigen Literatur zu Informationskaskaden in zwei Punkten. Zum einen ist der Informationsaggregationsprozess wesentlich effizienter, 82 zum anderen sinkt die Wahrscheinlichkeit der Fragilität einer Informationskaskade mit der Dauer ihres Bestehens. 83 Kurzfristige Ineffizienzen können weiterhin auftreten. 84 Informationskaskaden integrieren Herdenverhalten unter dem Paradigma der Rationalität und stellen eine Extremform von unvollständigen sozialem Lernen dar. 85 Bereits unbedeutende Ereignisse können eine Informationskaskade zerstören, da mit zunehmender Lebensdauer unter den Marktteilnehmern die Unsicherheit steigt. 86 Die Verteilung öffentlicher Informationen, eine intensive Kommunikation unter den Agenten sowie die Möglichkeit eine einmal getroffene Entscheidung revidieren zu können, erhöhen die Chance einer richtigen Informationskaskade. Die beschriebenen Modelle zu Informationskaskaden zeigen, dass Marktteilnehmer ihrem privaten Informationssignal mehr vertrauen und ihr Verhalten weniger an dem ihrer Vorgänger ausrichten, wenn der Zustandsraum wächst. Durch die Verarbeitung einer größeren Informationsmenge wird letztendlich die Markteffizienz gesteigert.

2.2.2 2.2.2.1

Rationale Bubbles Universaler Lösungsraum

Ökonomen gehen unter der Annahme rationaler Erwartungen davon aus, dass bei Gültigkeit der Transversalitätsbedingung der Preis eines Assets dessen

82

83 84 85 86

Ein Vergleich mit den Modellen, die den Informationsaggregationsprozess bei hoher Informationsqualität analysieren, ist nicht möglich. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen CHARI / KEHOE (2000). Vgl. HIRSHLEIFER / WELCH (2002). Vgl. HOFFMANN (2001), S. 69. Die rationalen Agenten sind sich grundsätzlich der Gefahr einer Informationskaskade bewusst. Je länger der Markt bereits eröffnet ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit einer Informationskaskade.

30

Preisbildung an Aktienmärkten

Fundamentalwert widerspiegelt. 87 Restriktiert man das Barwertmodell mit der Transversalitätsbedingung, weist dieses eine eindeutige (partikuläre) Lösung auf. 88 Liegt ein eindeutiges, stabiles Gleichgewicht vor, ist der Wert der Einheitswurzel kleiner als eins, d.h. der Prozess ist stationär. Demnach hängt der Preis eines Assets ausschließlich von den gegenwärtigen und zukünftigen fundamentalen Erträgen ab. Systematische Abweichungen von dessen Fundamentalwert fasst FAMA (1970, 1976, 1991) grundsätzlich als Beweis für irrationales Verhalten auf. Eine Bubble ist nach dieser engen Definition von rationalem Verhalten nicht mit der Markteffizienzhypothese erklärbar. 89 Wird jedoch von der Transversalitätsbedingung abstrahiert, weist das Bewertungsmodell eines dividendenzahlenden Assets theoretisch unendlich viele Lösungen auf, 90 d.h. rationale Bubbles können entstehen.91 OBSTFELD / ROGOFF (1983, 2002) sprechen in diesem Zusammenhang auch von multiplen Gleichgewichten. 92 Die Indeterminiertheit der lokalen intertemporalen Gleichgewichte erlaubt es Fehlbewertungen zu erklären. 93 Da Investoren eine risikoadjustierte Entlohnung während einer rationalen Bubble erhalten, liegt aus ökonomischer Sicht rationales Verhalten vor. 94 Der erste Term der Gleichung 7 repräsentiert den Fundamentalwert des Assets Ft, während der zweite Term die rationale Bubble Bt widerspiegelt. Die exakte funktionale Form einer rationalen Bubble hängt von der BubbleKomponente ab. Damit von einer rationalen Bubble gesprochen werden darf, muss der Bubble-Term Bt rationalen Erwartungen entsprechen. 95 Der Barwert des Assets verkörpert weiterhin den zukünftig erwarteten Wert des Vermögensgegenstands, jedoch nicht die fundamentale Wertsteigerung des Unternehmens. Der erwartete Preis ist vom Fundamentalwert abgekoppelt.

87 88 89 90 91 92

93 94 95

Vgl. SUMMERS (1986), S. 593. Vgl. Kapitel 2.1.1.2.2. Vgl. ACKLEY (1983), S. 6 oder SHILLER (1988), S. 61. Vgl. z.B. BLANCHARD (1979) oder BLANCHARD / WATSON (1982). Vgl. COCHRAN (1991), S. 469. Falls es ein multiples Gleichgewicht gibt, bleibt ex post unklar, welches sich tatsächlich einstellt. Vgl. LUBIK / SCHORFHEIDE (2003), S. 274. Vgl. BROOKS / KATSARIS (2003), S. 320. Vgl. MALEVERGNE / SORNETTE (2001), S. 533.

Rationale Information Mirages

(7)

Pt

Ft  B t

Bt

§ 1 · B t 1 ¨ ¸ © 1 r ¹

31

mit: Pt

= Marktpreis zum Zeitpunkt t,

Ft

= Fundamentalwert zum Zeitpunk t,

Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

r

= risikoadjustierter Zins.

Die rationale Bubble Bt kann entweder von einer irrelevanten Variablen (z.B. animal spirits oder Marktpsychologie) 96 oder von der Dividende Dt abhängen. Der erste Fall beschreibt eine extrinsische Bubble oder Agency-Bubble, der zweite eine intrinsische Bubble. 97 Abbildung 2-1 klassifiziert rationale Bubbles nach dessen spezifischen Eigenschaften.

96 97

Vgl. CASS / SHELL (1983), S. 193 oder CASS (1992), S. 341. Vgl. CASS / SHELL (1983), S. 196 oder EVANS (1991), S. 923.

32

Preisbildung an Aktienmärkten

Abbildung 2-1: Rationale Bubbles

Rationale Bubble

Extrinsische bzw. spekulative Bubble

Deterministische Bubble

Stochastische bzw. Markov Bubble

Kollabierende Bubble

Periodisch kollabierende Bubble

Agency Bubble

Intrinsische Bubble

2.2.2.2 2.2.2.2.1

Ausprägungsformen Extrinsische Bubbles

Extrinsische Bubbles spiegeln bewertungsirrelevante Informationen wider. Extrinsische Bubbles gehören zur Klasse spekulativer Bubbles. 98 Im Folgenden werden die verschiedenen modelltheoretischen Ansätze extrinsischer Bubbles und deren Implikationen auf den Bubble-Prozess diskutiert.

98

Vgl. BROOKS / KATSARIS (2003), S. 322. CAMERER (1989) bezeichnet extrinsische Bubbles als „rational growing bubbles“. Vgl. CAMERER (1989), S. 4-6.

Rationale Information Mirages

33

Die einfachste Art einer extrinsischen Bubble verkörpert nach BLANCHARD / WATSON (1982) eine deterministische Bubble.

(8)

B t 1

B t 1  r

mit: Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

r

= risikoadjustierter Zins.

Die deterministische Bubble spiegelt sich nur im Preis des Assets wider, falls in der Folgerunde der Wert Bt*(1+r) von den Agenten erwartet wird. Die Entscheidung eines Agenten hängt somit ausschließlich von der kurzfristigen Preiserwartung in t=1 ab und nicht von der in t>1. 99 Die Bubble-Komponente verändert sich somit im Zeitverlauf exponentiell. In diesem Zusammenhang wird auch von explosiven Bubbles gesprochen, d.h. der Aktienkurs entfernt sich sukzessive vom fundamentalen Wert des Assets.100 Eine deterministische Bubble wächst mit einer konstanten Rate r unendlich an, ohne dass auf diese ein Crash folgt. 101 Deterministische Bubbles können sowohl positiver als auch negativer Natur sein. DIBA / GROSSMAN (1988a) und BLANCHARD / WATSON (1982) argumentieren jedoch, dass aufgrund der explosiven Natur einer deterministischen Bubble keine negative Bubble plausibel erklärbar ist. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Aktienkurs aufgrund der Haftungsbegrenzung des Eigenkapitals nicht unter den Wert Null fallen kann.

99 100 101

Vgl. KOHN (1978), S. 1065. Vgl. DIBA / GROSSMAN (1988a). Da der Bubble-Term niemals Dividenden zahlt, müssen alle Erträge akkumuliert werden. Der Bubble-Term entspricht somit einem unendlich laufenden Zero Bond. Die Fundamentalkomponente zahlt dagegen pro Periode Dividenden. Risikoaverse Investoren verlangen daher für den Bubble-Term eine höhere Verzinsung als für die Fundamentalkomponente eines dividendenzahlenden Assets. Ein risikoneutraler Investor fordert für das höhere Risiko des Bubble-Terms keine höhere Rendite. Vgl. KÖDDERMANN (1993), S. 143.

34

Preisbildung an Aktienmärkten

Nimmt in Gleichung 8 die Variable Bt in t=0 den Wert Null an, kann eine deterministische Bubble in den Folgeperioden nicht mehr resultieren, d.h. der Preis des Assets entspricht grundsätzlich dessen Fundamentalwert. Falls zu einem beliebigen Zeitpunkt t>0 eine deterministische Bubble existiert, so kann ein Agent mit Sicherheit davon ausgehen, dass diese ihren Ursprung in t=0 hatte. In Abhängigkeit der Verzinsung steigt die Bubble früher oder später exponentiell an. Abbildung 2-2 verdeutlicht den Verlauf einer deterministischen Bubble für verschiedene Zinssätze. Dabei wird angenommen, dass zum Zeitpunkt t=0 der Bubble-Term den Wert 1 aufweist. Je niedriger die Verzinsung r, desto geringer ist die Steigung einer deterministischen Bubble.

Abbildung 2-2: Verlauf deterministischer Bubbles in Abhängigkeit des Zinssatzes 35,0 Bubble Term

30,0 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 1

10 19 28 37 46 55 64 73 82 91 100 109 118 r=3%

r=5%

r=7%

r=10%

DIBA / GROSSMAN (1988a) erweitern Gleichung 8 um einen iid verteilten WhiteNoise-Prozess. 102 Die Aufnahme des Störterms erlaubt vom Idealbild vollkommener Märkte zu abstrahieren. 103 Unter der Restriktion, dass der Störterm ausschließlich positive Werte annehmen darf, entspricht der Kurspfad einer unendlich explosiv wachsenden Bubble. 104 DIBA / GROSSMAN (1988a) sprechen in diesem Zusammenhang von einer stochastischen Bubble.

102 103

104

Der White-Noise-Prozess entspricht einem Sunspot. Vgl. Kapitel 2.3.1. Unabhängig davon, ob die Transversalitätsbedingung gilt, liegt ein vollkommener Markt vor, falls dessen Annahmen erfüllt werden. Der Störterm wird durch einen Erwartungswert von Null und einer positiven Varianz bestimmt. Vgl. EVANS (1991), S. 924.

Rationale Information Mirages

(9)

Bt 1

35

B t 1  r  P t  1

mit: Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

r

= risikoadjustierter Zins,

ȝt+1

= White-Noise-Prozess zum Zeitpunkt t+1.

Annahmen: P t 1 ~ iid , P t 1 t 0 .

Eine Erhöhung der Varianz des Noise-Terms führt ceteris paribus zu einer höheren Amplitute der Bubble-Komponente. Der Zufallsprozess ermöglicht unter Berücksichtigung der dem Modell zugrunde gelegten Annahmen, dass eine stochastische Bubble nicht zwingend zu Beginn einer Simulation existieren muss. Um die unrealistische Annahme einer unendlich wachsenden Abweichung vom Fundamentalwert zu vermeiden, schlagen BLANCHARD (1979), BLANCHARD / WATSON (1982) und DIBA / GROSSMAN (1988b) ein Modell vor, das ein Platzen der stochastischen Bubble ermöglicht. Dazu wird Gleichung 8 um die Wahrscheinlichkeit ʌ erweitert, die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Bubble-Komponente in der Folgeperiode weiter wächst bzw. einen Wert von Null annimmt. 105 Ist die Wahrscheinlichkeit ʌ Eins, handelt es sich um den Spezialfall einer deterministischen Bubble.

105

Vgl. EVANS (1991), S. 924. SCHWERT (1989) bezeichnet diese Modellart auch als Regime-Switching-Modell.

36

(10)

Preisbildung an Aktienmärkten

B t 1

§ 1 r · Bt ¨ ¸ © S ¹

mit: Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

r

= risikoadjustierter Zins,

ʌ

= Eintrittswahrscheinlichkeit einer Bubble.

Annahme: 0  S d 1.

Die Agenten gehen mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit davon aus, dass die Preisblase zukünftig zwangsläufig platzt. Da mit zunehmendem Zeithorizont die Wahrscheinlichkeit eines Crashs wächst, fordern Investoren für eine Investition in eine stochastische Bubble eine um 1/ʌ höhere Rendite, als für eine in eine deterministische Bubble. Der Kursverlauf einer stochastischen Bubble folgt daher einem explosiven Pfad. Kollabiert eine Preisblase, nimmt der Bubble-Term den Wert Null an. Da ein Noise-Term fehlt, kann eine neue Bubble nach DIBA / GROSSMANN (1988b) nicht mehr entstehen, d.h. die Bubble-Komponente muss bereits zum Zeitpunkt t=0 vorhanden sein. Eine Bubble entspricht unter den gesetzten Annahmen einem flüchtigen Phänomen, das eine begrenzte Lebenszeit von ʌ/(1-ʌ) aufweist. Da eine einmal geplatzte stochastische Bubble niemals wieder zu einer neuen Bubble führen kann, steht diese Annahme im Widerspruch zu den auf Aktienmärkten beobachteten Kursverläufen. EVANS (1991) modelliert periodisch kollabierende stochastische Preisblasen. Dazu folgt die stochastische Bubble einem White-Noise-Prozess mit konstanter Varianz. 106

106

Der White-Noise-Prozess entspricht einem Sunspot-Modell.

Rationale Information Mirages

(11)

37

§ 1 r · Bt ¨ ¸  P t 1 © S ¹

B t 1

mit: Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

r

= risikoadjustierter Zins,

ʌ

= Eintrittswahrscheinlichkeit einer Bubble,

ȝt+1

= White-Noise-Prozess zum Zeitpunkt t+1.

Annahmen: 0  S d 1, P t 1 ~ iid , P t 1 t 0 .

Abbildung 2-3: Periodisch kollabierende stochastische Bubbles 160

120

80

40

0 1

14

27 40

53

66 79

92 105 118 131 144 157 170 183 196

BLANCHARD / WATSON (1982) weisen modelltheoretisch nach, dass sich eine stochastische Bubble negativ auf die Realwirtschaft auswirkt, da die Resour-

38

Preisbildung an Aktienmärkten

cenallokation ineffizient ist. 107 Kennen die Investoren den Zeitpunkt des Crashs einer stochastischen Bubble, trennen sich diese nach STIGLITZ (1990) eine Periode vor dem eigentlichen Crash von den überbewerteten Assets. Common-Knowledge unter rationalen Investoren impliziert, dass der Crash einer stochastischen Bubble zunehmend eher eintritt. Eine Preisblase könnte in dieser Modellumgebung nie entstehen.

2.2.2.2.2

Agency-Bubbles

Informationsasymmetrien können zwischen Principal und Agent zur so genannten Agency-Problematik führen. ALLEN / GORTON (1993) greifen diesen Aspekt auf und können rationale Bubbles, die als Agency-Bubbles bezeichnet werden, identifizieren. Das Modell basiert auf der Annahme, dass Agenten Gelder Dritter verwalten. Der Gewinn der Vermögensverwalter hängt von der Renditeentwicklung des verwalteten Portfolios ab. Da Portfoliomanager ausschließlich an der Gewinnentwicklung des zugrundegelegten Portfolios partizipieren (upside-risk), 108 gehen sie zu Lasten der Anteilseigner verstärkt Risiken ein (risk-shifting), um ihren erwarteten privaten Gewinn zu steigern. 109 Eine höhere Volatilität des Portfolios steigert ceteris paribus den erwarteten Gewinn des Portfoliomanagers. 110 In einem Modell mit endlich lebenden Agenten und einem endlich existierenden Asset, das in T einen Wert von Null aufweist, kann durch eine fundamental nicht begründete erhöhte Nachfrage nach riskanten Assets somit eine rationale Preisblase entstehen, wenn den Investoren der Zeitpunkt t ihres Markteintritts unbekannt ist. Dies impliziert, dass alle Portfoliomanager ex ante bereit sind, einen fundamental nicht gerechtfertigten Preis für ein Asset zu zahlen. Da der letzte Portfoliomanager keinen Käufer mehr finden kann, fällt der Wert des Assets in T auf den fundamentalen Wert 107 108

109

110

Vgl. KÖDDERMANN (1993), S. 121 oder FRIEDMAN (1984). Die Gewinnchancen eines Fondsmanagers entsprechen einem Long Call. Vgl. ALLEN / GORTON (1993), S. 817. Diese Form der Vergütung ist Standard in der Investmentbranche. Vgl. z.B. ELTON / GRUBER / BLAKE (2003), S. 783; RECORD JR. / TYNAN (1987), S. 39 oder KRITZMAN (1987), S. 21. Watermarks verstärken tendenziell risk shifting, da der Fondsmanager nach einer negativen Performance die vergangenen Verluste überkompensieren muss, damit er einen Bonus erhält. Vgl. GOETZMANN / INGERSOLL / ROSS (2003), S. 1686. In diesem Zusammenhang sprechen DAVANZO / NESBITT (1987) von „gaming the fee“. Vgl. DAVANZO / NESBITT (1987), S. 18-19. Vgl. ALLEN / GALE (2000), S. 252 oder ALLEN / GALE (1999), S. 12.

Rationale Information Mirages

39

zurück. Bis auf den letzten Agenten haben nach ALLEN / GORTON (1993) alle anderen Kapitalgewinne realisiert. Nach ALLEN / GALE (2000, 2003) korreliert das Ausmaß einer Agency-Bubble dabei positiv mit der Höhe des einem Investmentfonds zur Verfügung gestellten Kreditlimits. Dementsprechend sollte eine Zentralbank eine moderate Geldpolitik verfolgen, um die Amplitude einer Agency-Bubble so gering wie möglich zu halten. Schränkt die Zentralbank während einer Agency-Bubble unerwartet zum Zeitpunkt t das Kreditvolumen ein, ist ein Erwerb neuer Assets über eine Kreditfinanzierung nicht möglich. Auslaufende Kredite können nicht mehr in dem erforderlichen Umfang refinanziert werden. Portfoliomanager sind gezwungen einen Teil der verwalteten Assets zu veräußern, um die bestehenden Kreditverbindlichkeiten zu begleichen. Die Agency-Bubble kollabiert zum Zeitpunkt t0 impliziert, dass der Bubble-Term positiv mit der Dividendenentwicklung korreliert. Ist į=0, entspricht der Aktienkurs dem Fundamentalwert. Grundsätzlich kann į2 um, bewegen sich die Aktienkurse wieder Richtung Fundamentalwert zurück. Der gesamte Zyklus zeichnet sich demzufolge durch eine negative Autokorrelation aus.

2.3.2.2

Extreme Ereignisse

MANZAN / WESTERHOFF (2005) erklären mit Hilfe eines dynamischen Modells die PAD-Reaktion von Individuen auf seltene, extreme und seltene, moderate Informationen durch Conservatism. 140 Von einer seltenen, extremen Information wird gesprochen, falls auf eine Phase moderater, informationsinduzierter Volatilität eine extreme Information folgt. Eine seltene, moderate Information 138

139

140

Diese Sichtweise einer Überreaktion entspricht dem Grundkonzept von BARBERIS / SHLEIFER / VISHNY (1998). Weist das auf Periode t=1 folgende öffentliche Signal ein entgegengesetztes Vorzeichen auf, bleibt der Noise-Term konstant. Vgl. DANIEL / HIRSHLEIFER / SUBRAHMANYAM (1998), S. 1856. Von Conservatism spricht EDWARDS (1968), falls Marktteilnehmer ihre Erwartungen im Vergleich zur bayesianischen Erwartungsbildung zu langsam anpassen. Conservatism führt dazu, dass Wahrnehmer die Basisrate überschätzen und die Repräsentativität des Ereignisses unterschätzen. Im Gegensatz dazu klassifizieren nach TVERSKY / KAHNEMAN (1974) Individuen Sachverhalte auf Basis der Repräsentativität, falls identische Merkmale zu Kategorien zusammengefasst werden können. In diesem Fall überschätzen Händler die Eintrittswahrscheinlichkeit der Kategorie und unterschätzen die Basisrate. BRAV / HEATON (2002) sehen in Conservatism das Gegenteil von Repräsentativität.

Begrenzt rationale Information Mirages

47

liegt vor, falls im Vorfeld eine Phase hoher informationsinduzierter Volatilität nachzuweisen ist. Nach MANZAN / WESTERHOFF (2005) hängt die Art der PADReaktion auf seltene, extreme bzw. selten, moderate Nachrichten insbesondere von den Erfahrungen der Akteure ab, falls die Investoren unvollständige Informationen über die Ränder der Verteilung besitzen. Auf Basis der gesammelten Erfahrungen entscheiden Individuen, ob das erhaltene Informationssignal für die Dividendenentwicklung in t+1 als repräsentativ einzustufen ist oder nicht. Dabei erhalten jüngste Erinnerungen ein größeres Gewicht als länger zurückliegende. Wird das Informationssignal für die Dividendenentwicklung in t+1 als nicht repräsentativ angesehen, sollten die Händler auf die erhaltene Information mit Conservatism reagieren. Conservatism führt in Abhängigkeit der historischen Kurszeitreihe entweder zu einer PAD-Unter- oder einer PAD-Überreaktion. Sind in der Vergangenheit beispielsweise kaum seltene, extreme Nachrichten eingetreten, werden die Ränder der Verteilung von den Händlern untergewichtet. In diesem Fall würden diese auf eine seltene, extreme Information unterreagieren. Sind dagegen in der Vergangenheit häufig extreme Signale eingetreten, führt Conservatism zu einer Übergewichtung der Verteilungsränder. Marktteilnehmer sprechen in dieser Situation extremen Informationen eine fundamental nicht begründbare, höhere Eintrittswahrscheinlichkeit zu. Dagegen basiert der statische Modellansatz von SUMMERS (1986) auf der Annahme, dass Marktteilnehmer auf seltene, extreme Nachrichten – in diesem Zusammenhang wird von Modeerscheinungen bzw. Fads gesprochen – eine PAD-Überreaktion zeigen. Einen schlüssigen Erklärungsansatz für die Entstehung einer PAD-Unterreaktion kann dieser Modellansatz allerdings nicht liefern. Stattdessen sollen die auf Aktienmärkten kurzfristigen Preisschwankungen analytisch modelliert werden. Die PAD-Überreaktion auf eine seltene, extreme Information wird somit als langsam abklingende stationäre Preiskomponente beschrieben. 141 Das Abklingen dieser Komponente verkörpert ein MeanReversion der Aktienpreise bzw. eine positive Autokorrelation der Renditen. 142 Das Modell von CUTLER / POTERBA / SUMMERS (1991) verdeutlicht die Struktur einer Fad.

141

142

Die Prognostizierbarheit der Renditen kann jedoch auch ihren Ursprung in der zeitlichen Variation der geforderten Renditen haben. Vgl. FAMA (1991), FAMA / FRENCH(1988) oder POTERBA / SUMMERS (1998). Vgl. CAMPELL / LO / MACKINLAY (1997), S. 56.

48

Preisbildung an Aktienmärkten

(14)

B t 1

B t  Q t 1

(15)

Q t 1

EQ t  P t  1

mit: Bt

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t,

Bt+1

= Bubble-Komponente zum Zeitpunkt t+1,

Ȟt

= stationäre Komponente des Assets zum Zeitpunkt t,

Ȟt+1

= stationäre Komponente des Assets zum Zeitpunkt t+1,

ȕ

= Regressionskoeffizient,

ȝt+1

= White-Noise-Prozess zum Zeitpunkt t+1.

Annahme: 0  E  1, P t 1 ~ iid .

Der Regressionskoeffizient ȡ aus Gleichung 15 muss dabei Werte zwischen Null und Eins annehmen, damit ȝt einem stationären Prozess entspricht. Nimmt der Koeffizient ȡ dagegen einen Wert von Null an, besteht eine Fad lediglich eine Periode, d.h. eine positive Autokorrelation der Renditen liegt nicht vor. Ist der Koeffizient ȡ in Form von (1+r)t explosiv, entspricht die Fad einer rationalen Bubble. 143 Im Falle einer rationalen Bubble ist ȝt+1 jedoch durch einen nicht stationären Prozess charakterisiert. Ein stationärer Prozess impliziert allerdings, dass die Bubble-Komponente keinem explosiven Prozess oder einem Random-Walk folgt. Letztere können zu Sunspots führen. Da die Fad-Komponente bis auf den Sonderfall der rationalen Bubble nicht risikoadjustiert verzinst wird, dürfen diese Modelle nicht als rational qualifiziert werden. Je näher der Wert des Regressionskoeffizienten ȡ bei Eins liegt, desto lang-

143

Eine rationale Bubble stellt einen Sonderfall des Fad-Modells dar.

Begrenzt rationale Information Mirages

49

samer nähert sich der Marktpreis des Assets seinem Fundamentalwert an. 144 Abbildung 2-4 verdeutlicht dies für unterschiedliche Koeffizienten ȡ.

Abbildung 2-4: Fads mit unterschiedlichen Korrelationskoeffizienten 1,20

Fads

0,80 0,40 0,00 1

51

101

151

201

251

301

351

401

451

Handelsperioden p=1 p=0,5

p=0,999 p=0

p=0,99

p=0,9

Die sich auf den ersten Blick widersprechenden Theorien von MANZAN / WESTERHOFF (2005) und SUMMERS (1986) im Hinblick auf die PAD-Reaktion auf extreme Informationen, kann SCHWARZ / CLORE (2003) auf Basis der Cognitive-Experiental-Self-Theorie von EPSTEIN (1994) konsistent erklären. Nach der Cognitive-Experiental-Self-Theorie von EPSTEIN (1994) wird das menschliche Entscheidungverhalten von zwei miteinander verbundenen Systemen kontrolliert. Das analytische System verwendet Algorithmen und normative Regeln. Es ist relativ langsam und erfordert eine bewusste Wahrnehmung. Dagegen basiert das affektive System auf Intuitionen, die meist im Unterbewusstsein des Individums ablaufen. Dieses ist wesentlich bei der Beurteilung von Risiken beteiligt. Dabei vertraut das affektive System dominant auf Emotionen. 145 Die Kooperation beider Systeme führt nach DAMASIO (2000) zu einer effizienten Entscheidungsfindung. Dabei verifiziert das analytische System permanant die Reaktion des affektiven Systems. In diesem Zusammenhang 144

145

Der Regressionskoeffizient aus Gleichung 16 misst die Abnutzung der „Stimmung“. Vgl. BANK / GERKE (2005), S. 566. CAHILL ET AL. (1996); CHRISTIANSON ET AL. (1991); IRWIN ET AL. (1996); MORRIS ET AL. (1996); LANE ET AL. (1997a, b) und WHALEN ET AL. (1998) zeigen in Neuroexperimenten, dass unterschiedliche Gehirnregionen auf neutrale und affektive Stimuli reagieren. Insbesondere führen affektive Stimuli zu einem erhöhten Blutdruck und Erregung bei den Probanden.

50

Preisbildung an Aktienmärkten

spricht FINUCANE ET AL. (2003) von „the dance of affect and reason“. Die begrenzte kognitive und affektive Fähigkeit des menschlichen Gehirns bleibt in diesem Modell jedoch vollständig unbeachtet.146 SCHWARZ / CLORE (2003) berücksichtigen dagegen die begrenzte Kapazität des menschlichen Gehirns in Form so genannter Mood-Misattribution auf Basis der Mood-as-Information-Theorie. Die Mood-Misattribution setzt eine affektive Aktivierung des affektiven Systems voraus. Eine affektive Aktivierung kann durch die Darstellung der Information oder durch die Information selbst erfolgen. Demnach kann auch eine non-affektive Information Affektivität hervorrufen. Darüber hinaus dürfen sich die Individuen nicht der affektiven Wirkung der Information bewusst sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann MoodMisattribution zu einer fehlerhaften Informationsverarbeitung führen. Demnach sollten Individuen auf positive (negative) affektive, extreme Informationen mit Euphorie (Panik) reagieren. 147 Non-affektive, extreme Informationen werden dagegen primär im analytischen System verarbeitet und auf Basis der Repräsentativität beurteilt. Kann eine non-affektive, extreme Information nicht als repräsentativ eingestuft werden, unterliegen Individuen dem Conservatism. Werden beispielsweise gleiche Informationen einem affektivem Framing unterzogen, sollten diese demzufolge unterschiedlich bewertet werden. 148 Eine ineffiziente Beurteilung extremer Ereignisse beruht somit auf Fehlern in beiden Systemen. 149 Zusammenfassend ist zu konstatieren, dass die PAD-Reaktionsrichtung der Marktteilnehmer auf extreme Ereignisse wesentlich vom affektiven Framing

146

147

148

149

Insbesondere extreme affektive Ereignisse erhöhen nach KAUFMAN (1999) die Wahrscheinlichkeit, dass Individuen Entscheidungen auf Basis begrenzter Rationalität treffen. BUCK (1988) und YATES (1990) belegen, dass bei extremer emotionaler Intensität Personen ihre psychische Selbstkontrolle verlieren. Unter Framing versteht man, dass eine Information X den Wahrnehmern in unterschiedlicher Weise dargestellt wird. Affektives Framing bedeutet in diesem Zusammenhang, dass beispielsweise Information X dem einen Individuum ohne affektiven Stimulus zugewiesen wird, während dem andern Individuum diese mit affektivem Stimulus übermittelt wird. Die Wirkung eines affektiven Stimulus, der Angst und Hoffnung unter den Probanden hervorrufen kann, ist nach HOLT / LAURY (2005) jedoch in traditionellen experimentellen Kapitalmärkten kaum integriebar. Nach SHEFRIN (2002) sind Angst und Hoffnung die dominaten Affekte, die das Handeln an Aktienmärkten beeinflussen. Die Entwicklung eines experimentellen Designs in Verbindung mit OnlineRollenspielen könnte die Wirkung von Affektivität in der Form von Angst und Hoffnung auf den Bewertungsprozess analysierbar machen. Vgl. LEE (2002). Vgl. KAHNEMAN (2002), S. 471.

Begrenzt rationale Information Mirages

51

der Informationen abhängt. So werden non-affektive, extreme Informationen in der Regel unterschätzt und affektive, extreme Informationen eher überschätzt.

2.3.3

Momentum und Reversal

Das dynamische Modell von BARBERIS / SHLEIFER / VISHNY (1998) führt Momentum auf Conservatism und Reversal auf Repräsentativität zurück. Der dem Modell von BARBERIS / SHLEIFER / VISHNY (1998) zugrunde liegende Dividendenprozess folgt einem Random-Walk. Somit stellt die letzte Dividendenzahlung zum Zeitpunkt t den besten Schätzer für die zukünftige Dividendenausschüttung in t+1 dar, da keine weiteren Informationen über die zukünftige Dividendenentwicklung zur Verfügung gestellt werden. Allerdings wird den Händlern der Gruppe A und B die Entwicklung des tatsächlichen Dividendenprozesses vorenthalten. Stattdessen gehen die Händler der Gruppe A davon aus, dass der Dividendenprozess eine Driftkomponente beinhaltet. Im Gegensatz dazu wird Gruppe B unterrichtet, dass der Dividendenprozess einem Mean-Reversion folgt. Erkennt nun Gruppe A einen Trend, so interpretiert sie diesen als repräsentativ und wird dazu neigen, diesen in die Zukunft zu extrapolieren. Infolgedessen kommt es zu einem Momentum. Die Händler der Gruppe B werden in einer solchen Situation mit Conservatism reagieren, da diese davon ausgehen, dass sich zukünftig die Kurse wieder an den langfristigen Mittelwert annähern werden. Da der Kurstrend für Gruppe B nicht repräsentativ ist, wird die Stichprobe untergewichtet. Konkret bedeutet dies, dass die Individuen die Information des Mean-Reversion-Prozesses in den Vordergrund ihrer Entscheidung stellen. Conservatism kann somit Reversal erklären. Der dynamische Ansatz von HONG / STEIN (1999) modelliert Momentum und Reversal nicht auf Basis psychologischer Effekte, sondern stellt die Interaktion heterogener Agenten in den Vordergrund. Dabei wird zwischen folgenden Investorengruppen differenziert: News-Watcher und Momentum-Trader. 150 Sowohl News-Watcher als auch Momentum-Trader zeichnen sich durch begrenzt 150

Keiner der beiden Typen handelt rational im Sinne des „homo oeconomicus“. Vielmehr entspricht deren Verhalten einer begrenzt rationalen Sichtweise. Vgl. HONG / STEIN (1999), S. 2144. Der Homo Oeconomicus ist als ein Individuum definierbar, das in allem, was es tut, seinen größten Nutzen anstrebt. Der Begriff des Nutzenmaximierers ist in diesem Sinne ein Synonym für den Homo Oeconomicus, vgl. FROMLET (2001), S. 64.

52

Preisbildung an Aktienmärkten

rationale Verhaltensweisen aus. 151 News-Watcher werden in n-gleiche Gruppen untergliedert. Die n-Gruppen unterscheiden sich durch heterogene Informationssignale. Innerhalb einer Gruppe existieren homogene Informationen. Die Summe der Signale entspricht dem wahren Wert des Assets. NewsWatcher orientieren sich ausschließlich an ihren privaten Informationen und berücksichtigen in ihrem Entscheidungsverhalten keine vergangenen und gegenwärtigen Preise. Alle News-Watcher betreten gleichzeitig zum Zeitpunkt t=0 den Markt und handeln bis zur Liquidation des Assets. Die Informationsübermittlung unter den News-Watcher-Gruppen erfolgt sequentiell, d.h. in jeder Folgeperiode erhalten die News-Watcher-Gruppen ein privates Informationssignal einer anderen News-Watcher-Gruppe. Existieren n-News-WatcherGruppen, so haben nach n-1-Perioden alle denselben Informationsstand und kennen den Fundamentalwert des Assets. Somit sind in Handelsrunde n-1 die privaten Signale in der Gruppe der News-Watcher öffentliche Informationen. Im Gegensatz zu den News-Watchern bestimmen Momentum-Trader zukünftige Aktienkurse rein univariat aus vergangenen Daten. Die Lebensdauer der Momentum-Trader ist in dem modelltheoretischen Ansatz von HONG / STEIN (1999) auf eine bestimmte Periodenanzahl begrenzt. Um ein Aussterben der Momentum-Trader zu verhindern, betritt jede Periode eine neue Generation von Momentum-Trader den Markt. Im Basismodell von HONG / STEIN (1999) agieren ausschließlich NewsWatcher. Aufgrund der Informationsstruktur resultiert in dieser Modellsituation grundsätzlich eine PAD-Unterreaktion. PAD-Überreaktionen können nicht entstehen. Je mehr News-Watcher-Gruppen existieren bzw. je mehr private Signale in einem Markt verteilt sind, desto ausgeprägter ist die PADUnterreaktion. Wird das Basismodell von HONG / STEIN (1999) um MomentumTrader erweitert, fassen News-Watcher deren Aktivitäten als nicht fundamental begründete Liquiditätsschocks auf. Dies resultiert daraus, dass News-Watcher sowohl vergangene als auch gegenwärtige Preisinformationen im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung vernachlässigen. Somit agieren Momentum-Trader als Arbitrageure, d.h. die verzögerte Informationsverarbeitung wird drastisch verkürzt. Die aus dem Momentum-Trading resultierende überhöhte Marktdynamik führt schließlich zu Aktienkursen, die den Fundamentalwert schneiden. Das daraus resultierende Momentum lässt schließlich Momentum-Trader zu 151

Dies impliziert, dass dieses Modell nicht zur Gruppe der Noise-Trader-Modelle zugeordnet werden darf.

Begrenzt rationale Information Mirages

53

Spekulanten werden. Die Interaktionen zwischen den Investorentypen führen zu oszillierenden Schwankungen mit abnehmender Amplitude um den Fundamentalwert. Langfristig nähern sich die Marktpreise approximativ dem Fundamentalwert des Assets an. Die Variation der drei Parameter Lebensdauer und Risikotoleranz der Momentum-Trader sowie die Streuung der News-Watcher-Gruppen, soll die Sensitivität des Momentums und des Reversals operationalisieren. Das Ausmaß des Momentums wird dabei wesentlich von der Lebensdauer der MomentumTrader bestimmt. Aufgrund des Trade-offs zwischen der Lebensdauer und dem mit einer Momentum-Strategie verbundenen Risiko, kann bei geeigneter Parameterwahl der Momentum-Effekt maximiert werden. 152 Wird dagegen die Risikotoleranz der Momentum-Trader erhöht, verkürzt sich erwartungsgemäß die PAD-Phase. Die mit einer Verkürzung der PAD-Phase einhergehende Verstärkung der Marktdynamik erhöht wiederum die Amplitude des Momentums. Die Ausdehnung der Anzahl der News-Watcher-Gruppen verschlechtert die Informationseffizienz des Marktes und wirkt sich positiv auf den Momentum-Effekt aus. 153 Ebenso wie HONG / STEIN (1999) basiert das Modell von SCHEINKMAN / XIONG (2003) auf heterogenen Teilnehmererwartungen. 154 Dies wird dadurch erreicht, dass zwei Händlergruppen definiert werden, die jeweils ein privates Informationssignal erhalten. Dabei überschätzen die Händler beider Gruppen den Informationsgehalt des privaten Signals, da sie fälschlicherweise eine positive Korrelation zwischen ihrem privaten Signal und der zukünftigen Dividende unterstellen. Obwohl jede Händlergruppe das private Informationssignal der anderen Gruppe kennt, wird diesem keine Bedeutung zugesprochen. Unter der Voraussetzung eines Leerverkaufsverbots hat ein Händler die Möglichkeit, ein 152

153

154

Je länger die Lebensdauer eines Momentum-Traders, desto mehr Generationen von Momentum-Trader existieren pro Zeitpunkt. Die hieraus resultierende Verschiebung des Anteilsverhältnisses zu Gunsten der Momentum-Trader sollte theoretisch den Momentum-Effekt verstärken. Diesem wird jedoch dadurch entgegengewirkt, dass sich Momentum-Trader dem mit dem Momentum verbundenen Verlustrisiko bewusst sind und daher weniger aggressiv handeln. Somit ist die Entstehung eines „unendlichen“ Momentum-Effekts ausgeschlossen. Auf Basis eines katastrophentheoretischen Ansatzes kann ZEEMAN (1974) eine positive Korrelation zwischen Mean-Reversion und dem Marktanteil der Spekulanten nachweisen. Das Modell von SCHEINKMAN / XIONG (2003) gehört nicht wie das von HONG / STEIN (1999) zur Gruppe der Noise-Trader-Modelle, sondern ist der Gruppe der begrenzt rationalen Ansätze zuzuordnen.

54

Preisbildung an Aktienmärkten

Asset an ein anderes Individuum zu einem höheren Preis zu veräußern,155 falls letzteres optimistischer eingestellt ist. Die Option der Weiterveräußerung an einen optimistischer eingestellten Händler führt dazu, dass der Verkäufer den Wert der Option höher einstuft als sein privates Signal impliziert. Dies führt schließlich zu einem Momentum. Je heterogener die Erwartungen, desto ausgeprägter ist dieser Effekt. Ein Momentum, das auf Overconfidence in Kombination mit Self-fulfilling beruht, kann somit zu spekulativen Preisblasen führen. Der Kursverlauf würde einem Mean-Reversion entsprechen. Im Gegensatz zu rationalen Bubbles agieren die Händler bei SCHEINKMAN / XIONG (2003) jedoch auf Basis begrenzt rationaler Erwartungen.

2.4

Zusammenfassung der modelltheoretischen Ansätze

Kapitel 2 diskutiert auf Basis modelltheoretischer Ansätze die Preisbildung an Aktienmärkten. Dabei wird die Preisbildung zum einen unter der Annahme rationaler Händler und zum anderen unter der begrenzt rationaler Händler betrachtet. Dabei steht insbesondere die modelltheoretische Erklärung von Information Mirages im Vordergrund. In einer idealisierten Welt ohne Restriktionen sind die Märkte informationseffizient. Alle bewertungsrelevanten Informationen spiegeln sich sofort in den Aktienkursen wider. Aus modelltheoretischer Sicht wird die Markteffizienzhypothese mehrfach kritisiert. So dürfte nach dem No-Trade-Theorem kein Handel in informationseffizienten Märkten stattfinden. Informationseffiziente Märkte führen zum so genannten Informationsparadoxon. In einem informationseffizienten Markt sind per Definition sämtliche Informationen verarbeitet. Folglich

155

MILLER (1997) argumentiert für den Fall eines statischen Modells, dass Leerverkaufsbeschränkungen in Kombination mit heterogenen Erwartungen dazu führen können, dass Assets überbewertet werden. In einer derartigen Marktsituation spiegeln die Marktpreise tendenziell die Erwartungen der Optimisten wider, da die Pessimisten ihre Erwartungshaltung nicht offen legen können. HARRISON / KREPS (1978) führen spekulative Aktivitäten in einem dynamischen Modell auf Self Fulfilling zurück. Im Gegensatz dazu handeln in einem Modell mit Leerverkaufsbeschränkungen Agenten bei DIAMOND / VERRECCHIA (1987) auf Basis rationaler Erwartungen. Rationale Erwartungen implizieren, dass Investoren die aus der Leerverkaufsbeschränkung resultierende positive Preisverzerrung vollständig in ihrem Entscheidungsverhalten berücksichtigen. Dies führt dazu, dass die Marktpreise auch in Märkten mit Leerverkaufsbeschränkungen dem Fundamentalwert des Assets entsprechen.

Zusammenfassung der modelltheoretischen Ansätze

55

werden Marktteilnehmer keine Informationen suchen. Suchen diese keine Informationen, kann der Markt auch nicht informationseffizient sein. Das No-Trade-Theorem sowie das Informationsparadoxon lassen sich durch die Integration von Noise-Tradern lösen. Die Aktivität der Noise-Trader ist meist nicht informationsinduziert. Noise-Trader werden durch Arbitrageure aus dem Markt gedrängt, falls keine neuen Noise-Trader folgen. Allerdings unterliegen Arbitrageure erheblichen Risiken. Zu diesen zählen das Fundamental-, das Synchronisations- und das Noise-Trader-Risiko. In der Regel wirken diese Risiken kumulativ und schränken die Arbitragepräferenzen der Arbitrageure ein. Rationale Investoren mit kurzfristigem Anlagehorizont imitieren sogar Noise-Trader, falls deren Verhalten korreliert ist. Die Existenz von Noise-Tradern kann somit das an realen Kapitalmärkten auftretende Handelsvolumen erklären. Märkte deren Informationsaggregation keiner unendlich schnellen Reaktionsgeschwindigkeit unterliegen, verarbeiten Informationen bayesianisch. Werden heterogene Informationspartitionen verarbeitet, nähert sich der Kurs im Zeitablauf dem Fundamentalwert des Assets an. In diesem Sinne wird auch von der Hayek-Hypothese gesprochen. Im Falle diskreter Informationspartitionen treten Informationskaskaden ein. Da der Informationsverarbeitungsprozess nach kurzer Zeit abgebrochen wird, können falsche Informationskaskaden entstehen. Informationskaskaden können bereits durch einen minimalen Schock beendet werden. Im Allgemeinen fördern öffentliche Signale, Kommunikation unter den Händlern und eine hohe Informationsqualität die Entstehung einer richtigen Informationskaskade. Mit zunehmender Anzahl an Zustandsalternativen reduziert sich jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Informationskaskade. Neben falschen Informationskaskaden gehören auch rationale Bubbles zu den rationalen Information Mirages. Wird die Transversalitätsbedingung aufgehoben, können rationale Bubbles entstehen, falls die Population stetig wächst und das Asset eine unendliche Lebensdauer aufweist. Die Aufhebung der Transversalitätsbedingung verletzt jedoch das Optimalitätskriterium. Daher kann in einer Welt mit risikoaversen Investoren keine rationale Bubble entstehen. Werden dagegen die Märkte von Investoren dominiert, die verstärkt Risiken (risk-shifting) eingehen, können rationale Bubbles trotz Budgetrestriktion erscheinen. Somit können rationale Bubbles in Assets nachgewiesen werden, in denen vorwiegend Vermögensverwalter Gelder Dritter investieren.

56

Preisbildung an Aktienmärkten

Rationale Information Mirages können nur eingeschränkt Information Mirages an Kapitalmärkten erklären. Einen höheren Erklärungsbeitrag leisten verhaltensorientierte Modelle. So lassen sich auf Basis von Overconfidence und affektivem Framing PAD-Reaktionen modellieren. Bei der Ankündigung einer öffentlichen Information resultiert bedingt durch die vorgelagerte Überreaktion auf eine private Information eine PAD-Unterreaktion. Auf eine öffentliche, extreme Information kann sowohl eine PAD-Unterreaktion als auch eine PADÜberreaktion folgen. Die Richtung der PAD-Reaktion wird durch affektives Framing bestimmt. Auf eine non-affektive Information zeigen die Marktteilnehmer ein durch Conservatism geprägtes Verhalten. Eine affektive Information führt dagegen zu panischen oder euphorischen Verhalten. Den modelltheoretischen Ansatz liefert die Mood-as-Information-Theorie. Momentum- und Reversal-Strategien können ebenfalls auf Basis heuristischer Verhaltensweisen erklärt werden. Sehen die Marktteilnehmer eine Kurszeitreihe als repräsentativ an, folgen diese einer Momentum-Strategie. Bezweifeln Investoren die Repräsentativität einer Kursreihe, werden diese zu einer Reversal-Strategie neigen. Momentum lässt sich auf die Repräsentativitätsheuristik zurückführen, Reversal auf Conservatism. Die Koexistenz von MomentumTradern und Arbitrageuren kann ebenfalls Momentum und Reversal verursachen. Ebenso liefern heterogene Erwartungen eine Erklärung für Momentum und Reversal. Aufgrund heterogener Erwartungen kann Self-fulfilling entstehen und eine spekulative Preisblasen initiieren.

57

3

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

In diesem Kapitel werden empirische Ergebnisse zu Information Mirages diskutiert. Dabei liegt der Fokus auf Untersuchungen, die sich durch eine relativ hohe Robustheit auszeichnen und auf begrenzt rationales Verhalten zurückgeführt werden können. Da insbesondere spekulative Bubbles eine geringe Robustheit aufweisen wird auf diese nicht näher eingegangen. Infolgedessen werden ausschließlich PAD-Reaktionen sowie Momentum- und ReversalStrategien betrachtet.

3.1

PAD-Reaktionen

Eine Vielzahl empirischer Untersuchungen kann ein systematisches Muster in den Renditen in Form einer PAD-Reaktion nachweisen. Der PAD wird durch eine öffentliche Nachricht ausgelöst und kann entweder zu einer PADUnterreaktion oder einer PAD-Überreaktion führen. FAMA (1998) spricht in diesem Zusammenhang auch von einer Anomalie „above suspicion“. 156 BALL / BROWN (1968) erwähnen erstmals für den US-amerikanischen Aktienmarkt im Zeitraum von 1946 bis 1966 eine PAD-Unterreaktion nach der öffentlichen Ankündigung der Dividenden. Unterschiede zwischen positiven und negativen Nachrichten können im PAD nicht identifiziert werden. GERKE / OERKE / SENTNER (1997) replizieren die Studie für den deutschen Aktienmarkt. Dazu werden 600 Ankündigungen von 89 deutschen Unternehmen für den Zeitraum von 1987 bis 1994 betrachtet. Die PAD-Unterreaktion kann nur für Dividendensenkungen und Dividendenausfälle bestätigt werden. Nach Dividendenerhöhungen kann dagegen keine PAD-Unterreaktion identifiziert werden. Das asymmetrische abnormale kumulierte Renditemuster nach der Ankündigung der Dividendenveränderung führen die Autoren auf den geringen Stichprobenumfang zurück. 157 Für den Fall von Dividendensenkungen treten in

156 157

FAMA (1998), S. 304. CHAN (2003) führt die Asymmetrie der PAD-Unterreaktion auf Leerverkaufsbeschränkungen zurück. Vgl. CHAN (2003), S. 252.

58

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

den beiden Tagen nach der Ankündigung signifikante negative Renditen auf. Bei Dividendenausfällen kann dagegen nur an dem Tag nach der Ankündigung eine systematisch negative Rendite nachgewiesen werden. Ein Zusammenhang zwischen der Höhe der Reaktion und der kumulierten abnormalen Rendite kann nicht nachgewiesen werden. ZHANG (forthcoming) untersucht die Wirkung von Unsicherheit bei der Einarbeitung neuer Nachrichten. Nach ZHANG (forthcoming) ist die PADUnterreaktion umso ausgeprägter, desto höher die Unsicherheit unter den Marktteilnehmern ist. Um die Unsicherheit zu messen, werden die folgenden Parameter verwendet: Unternehmensgröße, Unternehmensalter, Analysten Coverage, Renditevolatilität und Cash Flow Volatilität. Für sämtliche Parameter kann nachgewiesen werden, dass die durch eine gute (schlechte) Nachricht verursachte Unsicherheit zu höheren (niedrigeren) Renditen führt. Unsicherheit hemmt folglich den Informationsverarbeitungsprozess. Möglicherweise lässt sich die PAD-Unterreaktion mit dem Größeneffekt erklären, da kleinere Firmen ein höheres Risiko aufweisen. Daher integriert ZHANG (forthcoming) die PAD-Unterreaktion als zusätzliche unabhängige Variable in das APTModell von FAMA / FRENCH (1996). Die Ergebnisse zeigen, dass sich die PADUnterreaktion durch den Größeneffekt erklären lässt. Somit wirken sich das erhöhte Geschäfts- und Finanzierungsrisiko kleinerer Firmen negativ auf die Marktliquidität aus. Die Risiken führen zu höheren Transaktionskosten, die eine Ausnutzung von Arbitragegewinnen einschränken. BHUSHAN (1994) bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse. FOSTER / OLSEN / SHEVLIN (1984) analysieren in einem Zeitraum von 1974 bis 1981 die PAD-Unterreaktion auf Basis von Quartalszahlen für unerwartete Gewinnveränderungen. Die Ergebnisse basieren auf einer Stichprobe von 56.000 Beobachtungen. Zunächst wird die Existenz der PAD-Unterreaktion ohne Kontrolle des Größeneffekts für unerwartet extreme Gewinnveränderungen betrachtet. In einem Zeitfenster von 60 Tagen nach der Ankündigung des unerwarteten Ereignisses kann eine systematische PAD-Unterreaktion nachgewiesen werden. Dabei kann knapp 80 % der Variation in den kumulierten Überrenditen durch das Vorzeichen und das Ausmaß der unerwarteten Gewinnveränderung erklärt werden. Je positiver (negativer) die unerwartete Gewinnveränderung ausfällt, desto positiver (negativer) sind die kumulierten Überrenditen der PAD-Unterreaktion. Unter Berücksichtigung des Größeneffekts können ca. 65 % der kumulierten Überrenditen der PAD-Unterreaktion erklärt

PAD-Reaktionen

59

werden. Demnach fällt die PAD-Unterreaktion umso geringer aus, desto größer das Unternehmen ist. Allerdings kann auch nach Kontrolle des Größeneffekts für eine unerwartet extreme Gewinnveränderung eine PAD-Unterreaktion identifiziert werden. Zusammen können die beiden Größen 85 % der PADUnterreaktion erklären. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen BERNARD / THOMAS (1989, 1990), SPYROU / KASSIMATIS / GALARIOTIS (2005) und KE / RAMALINGEGOWDA (2005). Insgesamt zeigt sich, dass die PAD-Unterreaktion auf Basis von Quartalszahlen für Gewinnveränderungen deutlich ausgeprägter ausfällt als die auf Basis von Jahresabschlusszahlen. ABARBANELL / BERNARD (1992) untersuchen für den US-amerikanischen Aktienmarkt die Reaktion von Analysten und Investoren auf Gewinnveränderungen. Dazu analysieren die Autoren die Gewinnankündigungen von 178 Unternehmen in einem Zeitraum von 1976 bis 1986 auf Quartalsbasis. Sowohl Analysten als auch Investoren unterliegen einer PAD-Unterreaktion. Allerdings neigen im Vergleich zu Analysten Investoren zu einer deutlich ausgeprägteren PAD-Unterreaktion. Die PAD-Unterreaktion wird somit nicht primär durch die Meinungen der Analysten determiniert. Die Prognose der Analysten ist somit effizienter als die der Investoren. Die Autoren führen die stärkere PADUnterreaktion des Marktes darauf zurück, dass der Markt auf die Prognose der Analysten mit einer weiteren Unterreaktion reagiert. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen für den Zeitraum von 1977 bis 1986 SHANE / BROUS (2001) auf Basis von Value-Line-Daten. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass eine PAD-Unterreaktion auf Ad-hocMeldungen (z.B. Quartalsberichte, Jahresabschlüsse) folgt. Der Markt unterliegt Conservatism, da die Medien derartige Informationen in der Regel nicht durch affektives Framing manipulieren. Allerdings bleibt ungeklärt, ob in spekulativen Phasen die Medien durch affektives Framing PAD-Überreaktionen verursachen können. Aufgrund der starken Nachfrage nach Finanzmarktinformationen während spekulativer Phasen, nutzen die Medien affektives Framing, um ihre Einschaltquoten bzw. Auflagezahlen zu erhöhen. Affektives Framing kann nach SHEFRIN (2002) an Finanzmärkten Angst und Hoffnung stimulieren und somit panisches oder euphorisches Verhalten hervorrufen. Daher werden als Indiz für die Wirkung affektiven Framings Weltereignissen betrachtet.

60

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

NIEDERHOFFER (1971) setzt Weltereignisse in Beziehung zu extremen Kursbewegungen am US-amerikanischen Aktienmarkt. Insbesondere für extreme Weltereignisse kann eine PAD-Überreaktion nachgewiesen werden. Dabei fällt die PAD-Überreaktion umso ausgeprägter aus, je häufiger bzw. intensiver das jeweilige extreme Ereignis in der Presse behandelt wird. Dagegen untersuchen CUTLER / POTERBA / SUMMERS (1989) für den Zeitraum von 1941 bis 1987 die 50 extremsten Kursreaktionen des S&P 500 Index auf ihren fundamentalen Bezug. Überraschenderweise traten viele der größten US-amerikanischen Marktbewegungen an Tagen auf, an denen es keine großen Nachrichtenereignisse gab. Somit lassen sich PAD-Überreaktionen ohne fundamental gerechtfertigte Faktoren nachweisen. Eine mögliche Erklärung könnte nach ROLL (1988) die Wirkung affektiver, endogener Informationen sein, die zu panischem oder euphorischem Verhalten führen. Die Erkenntnisse von CUTLER / POTERBA / SUMMERS (1989) sind allerdings unter Vorbehalt zu interpretieren, da innerhalb eines Tages (24 h) mehrere Ereignisse eintreten können und dadurch die Kursreaktion auf Basis von Tagesdaten unter Umständen verzerrt sein kann. Aus diesem Grund untersucht FAIR (2002) die Kursreaktion von 69 extremen Ereignissen für den US-amerikanischen Aktienmarkt für den Zeitraum von 1982 bis 1999 auf Basis von Tickdaten. Dabei wird ausschließlich die Kursreaktion in den auf das Ereignis folgenden ersten fünf Minuten betrachtet. FAIR (2002) kann im Wesentlichen die Ergebnisse von CUTLER / POTERBA / SUMMERS (1989) bestätigen. Nicht nur Angst und Hoffnung beeinflussen das Entscheidungsverhalten an Finanzmärkten, sondern auch die Stimmungslage der Händler. 158 So schätzen Individuen mit einer positiven Grundeinstellung ein Ereignis positiver ein et vice versa. 159 Beispielsweise können psychologische Studien einen direkten Einfluss des Wetters auf die Stimmung von Individuen nachweisen. 160 SAUNDERS (1993) untersucht erstmals für den US-amerikanischen Aktienmarkt die Auswirkungen des Bedeckungsgrades auf die Aktienrendite über einen Zeitraum von 1927 bis 1989. Unter dem Bedeckungsgrad wird im Allgemeinen die Dichte der Bewölkung subsumiert. 161 Je höher der Bedeckungsgrad, desto stärker ist die Bewölkung. Die Ergebnisse deuten nach Kontrolle des Januar158 159 160 161

Vgl. LOEWENSTEIN (2000), S. 426. Vgl. MACKIE / WORTH (1991). Vgl. CUNNINGHAM (1979) und HOWARTH / HOFFMAN (1984). Der Bedeckungsgrad wird kategorial gemessen.

PAD-Reaktionen

61

und Montagseffekts darauf hin, dass im Vergleich zum Durchschnitt an Tagen mit einem Bedeckungsgrad von weniger als 20 % eine systematische Überrendite erzielbar ist et vice versa. Ebenso können GOETZMAN / ZHU (forthcoming) und LOUGHRAN / SCHULZ (2004) für den US-amerikanischen Aktienmarkt einen Wettereffekt in den Jahren von 1991 bis 1996 bzw. in denen von 1984 bis 1997 nachweisen. DOWLING / LUCEY (2005) bestätigen die Ergebnisse für den irischen Aktienmarkt für den Zeitraum von 1988 bis 2001. Dagegen kann TROMBLEY (1997) für den US-amerikanischen Aktienmarkt während des Zeitraums von 1927 bis 1992 keine Korrelation zwischen Bedeckungsgrad und Aktienrendite nachweisen. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommen KRÄMER / RUNDE (1997) für den deutschen Aktienmarkt und PARDO / VALOR (2003) für den spanischen Aktienmarkt. Aufgrund der divergierenden nationalen Ergebnisse wiederholen HIRSHLEIFER / SHUMWAY (2003) Saunder’s Studie mit Daten von 26 internationalen Börsenplätzen. Dabei umfasst die Stichprobe einen Zeitraum von 1982 bis 1997. Um sicherzustellen, dass der Effekt nicht auf Saisonalitäten zurückzuführen ist, substrahieren diese den durchschnittlichen Bedeckungsgrad jeder Stadt von den jeweiligen Datenpunkten. In 18 von 26 Märkten weist die OLS-Regression einen systematisch negativen Koeffizienten für den bereinigten Bedeckungsgrad auf. Ebenso kann für 25 von 26 Märkten auf Basis einer Logit-Regression für den bereinigten Bedeckungsgrad eine höhere Wahrscheinlichkeit einer positiven Überrendite nachgewiesen werden. Eine gepoolte Regression zeigt, dass zwischen den beiden polaren Kategorien des Bedeckungsgrades ein Renditeunterschied von 9 Basispunkten existiert. Auch nach Berücksichtigung von Transaktionskosten ist der Wettereffekt ökonomisch relevant. „Exotischere“ Studien unterstellen, dass Mondphasen und Sonneneruptionen eine affektive Komponente besitzen. So weisen DICHEV / JANES (2003) für 25 internationale Aktienplätze den so genannten Mondeffekt über einen Zeitraum von 1896 bis 1999 nach. Die Aktienrenditen um Neumond sind demnach knapp doppelt so hoch wie um Vollmond. Ein systematischer Einfluss auf die Volatilität und das Handelsvolumen kann erwartungsgemäß nicht identifiziert werden. Somit treten keine Unterschiede im Heterogenitätsgrad der Erwartungshaltung auf. Die Ergebnisse können YUAN / ZHENG / ZHU (forthcoming) für 48 internationale Börsenplätze bestätigen. Die Wirkung affektiver Ereignisse

62

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

kann auch mittels des Sonnensturmeffekts erklärt werden. So können nach Kontrolle von Saisonalitäten und anderen Umwelteinflüssen KRIVELYOVA / ROBOTTI (2003) für den US-amerikanischen Aktienmarkt sowohl eine statistisch als auch ökonomisch relevante negative Korrelation zwischen dem Ausmaß der Sonneneruption und der Aktienrendite nachweisen. 162

3.2

Momentum und Reversal

a) Momentum-Strategie JEGADEESH / TITMAN (1993) untersuchen den Erfolg der Momentum-Strategie für den US-amerikanischen Aktienmarkt. Für die Umsetzung dieser Strategie werden die Aktien auf Basis ihrer Renditeentwicklung (der vergangenen Quartale eins, zwei, drei oder vier) in aufsteigender Reihenfolge zehn gleich gewichteten Portfolios zugeordnet. Um den Bid/Ask-Fehler zu vermeiden, wird eine Woche zwischen der Formations- und Halteperiode ausgelassen. Zur „Power“-Erhöhung der Tests verwenden JEGADEESH / TITMAN (1993) überlappende Untersuchungsreihen. Die Aktienrenditen müssen mindestens über die j-monatige (j = 3, 6, 9, 12) Formationsperiode vorhanden sein. Das erste Portfolio mit den niedrigsten Aktienrenditen wird als Verlierer und das zehnte als Gewinnerportefeuille bezeichnet. Zu jedem Zeitpunkt t wird das Gewinnerportefeuille gekauft und das Verliererportefeuille verkauft. Diese Position wird über die k-monatige (k = 3, 6, 9, 12) Halteperiode beibehalten. Die Strategie, die Portefeuilles anhand der realisierten Rendite der vergangenen j Monate auswählt und über die nachfolgenden k Monate halten lässt, wird als j/k Strategie bezeichnet. JEGADEESH / TITMAN (1993) zeigen, dass die serielle Autokorrelation der kurzfristigen Rendite zeitweise signifikant positiv sein kann, was Momentum impliziert, wenn davon ausgegangen wird, dass diese Renditemuster nicht auf Datenprobleme oder eine Fehlspezifikation des Modells zurückzuführen sind. JEGADEESH / TITMAN (2001) und JEGADEESH (2002) ergänzen ihre Untersuchung und nehmen einige Kritikansätze auf. Sie unterteilen die Stichprobe nach Größe (Marktkapitalisierung) der Unternehmen, um den Größeneffekt kontrollieren zu können. Momentum wird nicht, wie zumindest bei Aktientiteln 162

KAY (1994) zeigt, dass Sonnenstürme zu Depressionen führen können.

Momentum und Reversal

63

hoher Marktkapitalisierung zu erwarten wäre, aufgrund niedriger Transaktionskosten durch Arbitragemechanismen beseitigt. Dies ist insofern überraschend, da anzunehmen gewesen wäre, dass das Momentum-Phänomen mit der Zeit verschwinden würde. Seit 1993 sind die signifikanten Überrenditen und das negative CAPM-Beta Common-Knowledge und sollten Arbitragemotive aktivieren. 163 LEE / SWAMINATHAN (2000) kommen für den US-amerikanischen Markt zu einem vergleichbaren Ergebnis. Demnach lässt sich Momentum insbesondere in Titeln mit hohem Handelsvolumen nachweisen. Im Gegensatz dazu sind nach LESMOND / SCHILL / ZHOU (2002) für den USamerikanischen Aktienmarkt insbesondere Aktien mit hohen Transaktionskosten für Momentum verantwortlich. Nur durch die Einbeziehung durchschnittlicher Transaktionskosten kann für weniger liquide Titel eine gewinnträchtige Handelsstrategie nachgewiesen werden. Dagegen können unter Berücksichtigung adäquater Transaktionskosten KORAJCZYK / SADJA (2004) für den USamerikanischen Aktienmarkt die Profitabilität der Momentum-Strategie auch für weniger liquide Titel nachweisen. CONRAD / KAUL (1998) erklären den Erfolg der Momentum-Strategie auf Basis rationaler Modelle. Sie führen Momentum nicht auf eine zeitliche Variation der Aktienkursrenditen zurück, sondern auf eine querschnittliche Variation der erwarteten Renditen. Die Ergebnisse von JEGADEESH / TITMAN (2001) und JEDADEESH (2002) lehnen allerdings die Argumentation von CONRAD / KAUL (1998) ab und führen Momentum eher auf verhaltensorientierte Ansätze zurück. CHORDIA / SHIVAKUMAR (2002) zeigen, dass makroökonomische Variablen Momentum erklären können, während COOPER / GUTIERREZ JR. / HAMEED (2004) dieses Modell ablehnen.

b) Reversal-Strategie Der Erfolg der Reversal-Strategie ist durch die Untersuchung von DE BONDT / THALER (1985) in den Blickpunkt gerückt worden. Sie erklären den Erfolg der 163

ROUWENHORST (1998) kann für 11 von 12 europäischen Akteinmärkten die Profitabilität der Momentum-Strategie nachweisen. LEE / SWAMINATHAN (2000) bestätigen die Momentum-Strategie für den britischen Aktienmarkt. SCHIERECK / DE BONDT / WEBER (1999) und LIU / STONG / XU (1999) identifizieren für den deutschen Aktienmarkt den Momentum-Effekt. Rouwenhorst (1999) untersucht den Momentum-Effekt für 20 Emerging Aktienmärkte in Lateinamerika, Asien, Europa, Afrika und den Mittleren Osten und kann diesen nur für 6 Märkte bestätigen. Allerdings ist der Momentum-Effekt für den Fall einer gepoolten Analyse signifikant. HAMEED / YUANTO (2002) finden einen Nachweis für die Existenz des Momentum-Effekts für den asiatischen Aktienmarkt unter Ausschluss Japans.

64

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

auf Umkehrung der Aktienrenditen basierenden Strategie mit der Übergewichtung (Untergewichtung) aktueller (fundamentaler) Informationen. Die Periodenlängen variieren zwischen 12, 24, 36 und 60 Monaten. Zu den Formationszeitpunkten werden diejenigen Aktien mit der höchsten (niedrigsten) erzielten kumulierten marktadjustierten Überrendite zu Portfolios zusammengefasst. Die Unterschiede in den Renditen werden durch den Kauf des Verliererportefeuilles und den Verkauf des Gewinnerportefeuilles ausgenutzt. Für den Zeitraum von drei bzw. fünf Jahren berechnen DE BONDT / THALER (1985) eine Überrendite von 24,6 % bzw. 31,9 %. Die Ergebnisse sprechen eindeutig für Reversal. Für einen Zeitraum von zwei Jahren erhalten sie keine signifikanten Ergebnisse. Im Gegensatz zu einer längeren Periodendauer ist bei einem Untersuchungszeitraum von einem Jahr Momentum im Sinne von JEGADEESH / TITMAN (2001) nachweisbar. DE BONDT / THALER (1987) versuchen den Erfolg der langfristigen ReversalStrategie mit dem Januareffekt, dem Größeneffekt, der Variation des BetaRisikos und dem Kurs-/ Gewinnverhältnis zu erklären. Jedoch lässt sich auch nach Kontrolle dieser Faktoren die Reversal-Strategie nicht durch eine Veränderung des systematischen Risikos begründen. MEYER (1994) bestätigt im Wesentlichen die Ergebnisse von DE BONDT / THALER (1987) für den deutschen Aktienmarkt. 164

3.3

Zusammenfassung bestehender empirischer Studien

Kapitel 3 fasst empirische Studien zu Information Mirages zusammen. Dabei werden ausschließlich Information Mirages betrachtet, die sich durch einen hohen Robustheitsgrad auszeichnen und auf begrenzt rationales Verhalten zurückzuführen sind. Zu diesen zählen insbesondere PAD-Reaktionen, Momentum- und Reversal-Strategien. 164

MUN / VASCONCELLOS / KISH (1999) können die Reversal-Strategie für den deutschen und französischen Aktienmarkt ebenso bestätigen, SCHIERECK / WEBER (1995) für den deutschen Aktienmarkt. ANTONIOU / GALARIOTIS / SPYROU (2005) können den Überre aktionseffekt für den griechischen Aktienmarkt nachweisen. CHOPRA / LAKONISHOK / RITTER (1992) und ZAROWIN (1989, 1990) dokumentieren eine langfristige Überreaktion für den amerikanischen Aktienmarkt. ZAROWIN (1989, 1990) begründet jedoch die Exis tenz des Überreaktioneffekts mit dem Größeneffekt. Für den kanadischen Aktienmarkt kann nach MUN / VASCONCELLOS / KISH (2000) ebenfalls die Reversal-Strategie profita bel umgesetzt werden.

Zusammenfassung bestehender empirischer Studien

65

Eine PAD-Unterreaktion wird aufgrund der erhöhten Unsicherheit bei der Ankündigung einer Information verursacht. Infolgedessen neigen Investoren zu Conservatism. Zwischen Unsicherheit und PAD-Unterreaktion besteht eine positive Korrelation. Unterschiede zwischen positiven und negativen Informationen lassen sich nicht feststellen. Die Aufnahme der PAD-Unterreaktion in das APT-Modell zeigt, dass diese durch den Größeneffekt erklärbar ist. Im Gegensatz dazu kann die PAD-Unterreaktion, die auf eine extreme Information folgt, nur teilweise mit dem Größeneffekt erklärt werden. Der PAD-Unterreaktion unterliegen sowohl Analysten als auch Investoren. Insgesamt ist die Prognose der Analysten jedoch effizienter als die der Investoren. Eine PAD-Unterreaktion basiert dabei auf einer Information, die keinem affektiven Framing unterzogen wurde und somit weder panisches noch euphorisches Verhalten an Kapitalmärkten stimuliert. Es ist davon auszugehen, dass insbesondere während nicht spekulativer Marktphasen PAD-Unterreaktionen auf Ad-hoc-Meldungen eintreten, da die Nachfrage nach Finanzmarktinformationen weniger ausgeprägt ist. Dagegen werden während spekulativen Marktphasen seitens der Medien Informationen durch affektives Framing zur Steigerung der Einschaltquoten bzw. Auflagezahlen manipuliert. Die Wirkung affektiven Framings wird in der empirischen Kapitalmarktforschung an Hand von Weltereignissen betrachtet. Extreme Weltereignisse führen in der Regel zu einer PAD-Überreaktion, da die Medien dazu neigen derartige Informationen affektiv darzustellen. Dadurch werden Affekte wie Angst oder Hoffnung stimuliert. Affektivität in Form von Angst oder Hoffnung kann jedoch auch durch endogene Schocks ausgelöst werden. Ein endogener Schock ist grundsätzlich mit einer PAD-Überreaktion vergleichbar. Nicht nur Angst oder Hoffnung, sondern auch die Stimmungslage der Marktteilnehmer wirkt auf deren Entscheidungsverhalten. So beeinflussen Wetter, Mondphasen und Sonneneruptionen das Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer. Somit leistet der Affektivitätsgrad einer Information einen Beitrag die Richtung einer PAD-Reaktion verstehen zu können. Extreme Informationen mit geringem Affektivitätsgrad werden untergewichtet et vice versa. Momentum- und Reversal-Strategien sind ebenfalls relativ robuste Verhaltensanomalien. Momentum-Strategien nutzen die positive Autokorrelation kurzfristiger Renditen. Der Erfolg einer Reversal-Strategie basiert auf der An-

66

Ausgewählte empirische Untersuchungen zur Erklärung von Information Mirages

nahme negativ autokorrelierter langfristiger Renditen. Weder Momentum noch Reversal können vollständig durch die Risk-Change-Hypothese und den Größeneffekt erklärt werden. Anhänger verhaltensorientierter Modelle führen Momentum und Reversal auf kognitive Fehlleistungen bei der Informationsverarbeitung zurück. Dennoch gibt es Beiträge, die eine Verwerfung rationaler Modelle ablehnen und die erzielbare Überrendite insbesondere bei der Momentum-Strategie als eine Kompensation des Risikos sehen.

67

4

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

Im Rahmen dieses Kapitels werden experimentelle Studien zu unterschiedlichen Arten von Information Mirages behandelt. Die experimentelle Literatur zu Information Mirages konzentriert sich dabei vorwiegend auf spekulative Preisblasen. Dabei wird insbesondere die Robustheit spekulativer Bubbles sowie deren Preisdynamik hervorgehoben. Ergänzend werden experimentelle Untersuchungen zu Informationskaskaden, PAD-Reaktionen sowie Momentum und Reversal diskutiert.

4.1

Informationskaskaden

Von einer Informationskaskade wird gesprochen, wenn sich die Marktpreise in einer Umwelt mit diskreter Informationstruktur einem Informationssignal annähern. ANDERSON / HOLT (1996, 1997) untersuchen erstmals Informationskaskaden in einer experimentellen Umgebung, deren Zustände einer diskreten Verteilung unterliegen. Dazu wird folgendes experimentelle Design gewählt: Urne A beinhaltet zwei rote Kugeln und eine blaue Kugel. In Urne B befinden sich eine rote Kugel und zwei blaue Kugeln. Aus welcher Urne der Inhalt entnommen wird ist den Agenten unbekannt und wird durch einen Münzwurf bestimmt. Der Inhalt der selektierten Urne wird schließlich in Urne C transferiert. Im Anschluss ziehen die Teilnehmer geheim eine Kugel aus Urne C. Jeder Teilnehmer muss daraufhin öffentlich einschätzen, ob die Kugel aus Urne A oder Urne B stammt. Wird beispielsweise eine rote Kugel gezogen, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese aus Urne A stammt höher als für Urne B. 165 Ein rationales Individuum sollte sich demnach für Urne A entscheiden. Diesem Prozedere müssen sich alle Teilnehmer unterziehen. Die Ergebnisse zeigen, dass nach der zweiten Einschätzung die Teilnehmer tendenziell die Farbe ihrer Kugel nicht mehr beachten. Die experimentelle Untersuchung führt sowohl zu richtigen als auch falschen Informationskaskaden. Letztere sind allerdings

165

ANDERSON / HOLT (1996, 1997) sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem symmetrischen Design, da die Wahrscheinlichkeit der in Urne A und B hinterlegten Kugeln gleich ist. Folglich besitzen alle Signale das gleiche Informationsniveau.

68

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

deutlich weniger wahrscheinlich. Die Informationsaggregation muss bei falschen Informationskaskaden als ineffizient eingestuft werden. In Experimenten mit asymmetrischem Design treten nach ANDERSON / HOLT (1997) deutlich mehr falsche Informationskaskaden auf. Nach BOGACHAN / SHACHAR (2004) entstehen Informationskaskaden auch bei stetig nominal verteilten Informationssignalen. Allerdings treten bei stetig nominal verteilten Signalen in der Regel keine falschen Informationskaskaden auf. HUANG / PLOTT (2001) können die Ergebnisse von ANDERSON / HOLT (1996, 1997) auf Basis der Bayes Regel im Wesentlichen bestätigen. Darüber hinaus untersuchen die Autoren, welchen Einfluss unterschiedliche Entscheidungsregeln auf Informationskaskaden haben. Folgen die Agenten der Mehrheitsregel sinkt die Wahrscheinlichkeit einer Informationskaskade, 166 während die Wahrscheinlichkeit für Informationskaskaden für den Fall der Konformitätsregel ansteigt. 167 Die Ergebnisse können im Wesentlichen die modelltheoretischen Überlegungen bestätigen.

4.2

PAD-Reaktionen, Momentum und Reversal

a) PAD-Reaktionen BLOOMFIELD / LIBBY / NELSON (2000) und BLOOMFIELD (1996b) analysieren den Einfluss der Informationsqualität an Hand der Stärke und des Gewichts der Information auf den Bewertungsprozess. 168 Die Stärke eines Informationssignals bestimmt sich aus dessen subjektiven Wert, während das Gewicht eines Informationssignals dessen tatsächliche statistische Wirkung repräsentiert. Um den Grad der Stärke und des Gewichts eines Informationssignals zu modellieren, werden den Agenten ein präzises und ein weniger präzises Informationssignal zur Verfügung gestellt. Da im Vergleich zu einer unpräzisen Information eine präzise ein weniger starkes, jedoch bedeutungsvolles Signal repräsentiert, zeigen nach GRIFFIN / TVERSKY (1992) die Teilnehmer auf deutliche In166 167

168

Die Ergebnisse entsprechen denen von GUARNASCHELLI / MCKELVEY / PALFREY (2000). Unter der Mehrheitsregel wird verstanden, dass pro Periode über die Entscheidungen der Agenten abgestimmt wird. Die Agenten müssen daraufhin geschlossen der Ent scheidung folgen, die die Mehrheit der Stimmen erhalten hat. Die Konformitätsregel besagt, dass alle Agenten ein Verhalten zeigen müssen, das dem vergangenen Ver halten der Agenten entspricht. Vgl. GRIFFIN / TVERSKY (1992).

PAD-Reaktionen, Momentum und Reversal

69

formationen eine PAD-Unterreaktion et vice versa. Das Ausmaß der PADUnterreaktion korreliert dabei positiv mit dem Informationsniveau des Signals und umgekehrt. Darüber hinaus wurden Experimente mit erfahrenen Teilnehmern wiederholt. Entgegen der Rational-Learning-Expectations-Hypothese (RLE-Hypothese) unterliegen auch erfahrene Agenten weiterhin dieser Anomalie. Somit sind PAD-Unter- und PAD-Überreaktionen im Vergleich zu spekulativen Bubbles gegenüber Lerneffekten deutlich robuster. 169 BLOOMFIELD (1996a) analysiert die Wirkung von Informationsasymmetrien, um PAD-Unterreaktionen erklären zu können. Dabei spielen insbesondere der Grad der Markteffizienz sowie der Ermessensspielraum unternehmerischer Berichterstattung hinsichtlich der Bewertung öffentlicher Signale eine dominante Rolle. Es wird unterstellt, dass in weniger effizienten Märkten durch das Management verbreitete öffentliche Signale einen höheren Informationsgehalt aufweisen als private Signale, da diese nur unzureichend verarbeitet werden können. Insbesondere in ineffizienten Märkten kann das Management den Wert des Unternehmens somit über öffentliche Informationen wesentlich steuern. Aufgrund bilanzpolitischer Wahlrechte bzw. Ermessensspielräume neigt das Management dazu, öffentliche Signale legal zu manipulieren. Rationale Teilnehmer sollten dies bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen. Um die Rationalität der Teilnehmer analysieren zu können, wählt BLOOMFIELD (1996a) folgendes experimentelle Design: Als Marktmodell dient ein CallMarkt, in dem ein Orderbuchinsider (Spezialist) den Marktpreis im Sinne einer Einheitskursfeststellung setzt. Die Teilnehmer erhalten ein öffentliches und ein privates Signal. Nach der ersten Handelsrunde wird den Teilnehmern für die Folgerunde der Status eines Managers zugewiesen, d.h. sie können gegen Entgelt die öffentliche Information manipulieren. Eine Manipulation der öffentlichen Information muss allerdings gleichzeitig zu einer Veränderung der privaten Signale führen. Dies ist zwingend notwendig, da das Management nicht den tatsächlichen Wert des Unternehmens verändern kann. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in Märkten mit geringerer Informationseffizienz Manager öffentliche Signale mit höherem Informationsgehalt verbreiten, um den Marktpreis des Unternehmens zu steigern. Da unter den Investoren Unsicherheit über das Ausmaß der Ermessensspielräume herrscht, überschätzen sie den Effekt der bilanzpolitischen Verschiebung von Aufwendungen und Erträ169

Die Wirkung von Lerneffekten im Experiment auf spekulative Bubbles wird in Kapitel 4.3.4 behandelt.

70

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

gen. Investoren sehen den Ausweis abnormaler Gewinne als Instrument der kurzfristigen Bilanzverschönerung bzw. betrachten einen überdurchschnittlichen Verlust als Steuersparinstrument. Investoren reagieren auf diese Signale aufgrund ihrer Unsicherheit mit einer systematischen Unterreaktion. Dieses Verhalten beruht insbesondere auf Conservatism. Infolgedessen ist das Management bestrebt die Unternehmensgewinne in geglätteter Form auszuweisen, um die durch die PAD-Unterreaktion hervorgerufenen negativen Effekte zu vermeiden.

b) Momentum und Reversal BLOOMFIELD / HALES (2002) versuchen auf Basis von Individualexperimenten Momentum und Reversal nachzuweisen. Dazu werden den Teilnehmern acht unterschiedliche Kurscharts mit jeweils acht Ergebnissen (up und down) vorgelegt. Die Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Kurszeitreihen einem Random-Walk folgen. Der Experimentator fordert diese auf, den erwarteten Preis für Periode neun zu prognostizieren. Die Autoren können zeigen, dass Individuen der vergangenen Performanceentwicklung im Rahmen ihrer Entscheidungsfindung ein nicht gerechtfertigtes Gewicht beimessen. So neigen Agenten zu einer Reversion-Strategie, falls Kurscharts häufig abwechselnd positive und negative Preisänderungen aufweisen. Dagegen folgen sie einer Momentum-Strategie, falls gleichgerichtete Kursveränderungen in der Vergangenheit aufgetreten sind. Insgesamt sind Unterreaktionen seltener als Überreaktionen. 170 Reversal führen die Autoren auf Conservatism, Momentum auf die Repräsentativität zurück. 171 ASPAROUHOVA / HERTZEL / LEMMON (2004) zeigen, dass die Ergebnisse von BLOOMFIELD / HALES (2002) durch das experimentelle Design erzwungen werden. Zum einen resultiert Reversal aufgrund einer deutlich geringeren Anzahl an Reversion-Kurszeitreihen im Vergleich zu Trend-Kurszeitreihen. Zum anderen entsprechen die gewählten Kurscharts bei BLOOMFIELD / HALES (2002) keinem tatsächlichen Random-Walk, da Ereignisse überproportional häufig auftreten. Rückschlüsse auf die Rationalität der Agenten sind nach ASPAROUHOVA / HERTZEL / LEMMON (2004) nicht möglich, da die Teilnehmer die experimentel-

170 171

Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt BLOOMFIELD (2003). Vgl. den modelltheoretischen Ansatz von BARBERIS / SHLEIFER / VISHNEY (1998).

Spekulative Bubbles

71

le Fragestellung durchschaut haben könnten. Infolgedessen wird den Kurszeitreihen bei ASPAROUHOVA / HERTZEL / LEMMON (2004) nicht wie bei BLOOMFIELD / HALES (2002) fiktiv ein Random-Walk unterstellt, sondern sie werden tatsächlich aus einem Random-Walk generiert. Um darüber hinaus extremen Kursverläufen eine geringere Wahrscheinlichkeit zuzuordnen, stellen die Autoren den Teilnehmern anstatt 8 unterschiedlicher Kurscharts 50 zur Verfügung. Im Gegensatz zu BLOOMFIELD / HALES (2002) deuten die Ergebnisse darauf hin, dass Agenten auf gleichgerichtete Preisveränderungen eher mit einer ReversalStrategie antworten als mit einer Momentum-Strategie. Dies führen die Autoren auf die Gambler’s Fallacy zurück. Somit stehen die Ergebnisse der Individualexperimente im Widerspruch zum modelltheroetischen Ansatz von BARBERIS / SHLEIFER / VISHNEY (1998).

4.3

Spekulative Bubbles

4.3.1

Basisdesign

Die Untersuchung von SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) stellt die erste Studie dar, in der Bubble-Crash-Formationen in Experimenten beobachtet werden können. Das im Rahmen dieser Studie entwickelte Design liefert die Ausgangsbasis zur Analyse spekulativen Verhaltens in mehrperiodischen Kapitalmarktexperimenten. Als Marktorganisation wird eine fortlaufende zweiseitige Auktion verwendet. Die Teilnehmer können ein fiktives Wertpapier handeln und den gesamten Handelsverlauf am Computerbildschirm verfolgen. Sowohl der Kauf als auch der Verkauf von Wertpapieren ist gestattet. Dabei fallen prinzipiell keine Transaktionskosten an. Durch diese Rahmenbedingungen wird ein geschlossener Markt gebildet, dessen Kursentwicklung allein durch die Transaktionen zwischen den einzelnen Subjekten bestimmt wird (endogene Kursbildung). 172 Die Experimente haben eine Länge von 15 Handelsperioden. Am Ende jeder Periode zahlt das Asset dem Besitzer eine Dividende. Die tatsächliche Höhe der Auszahlung ist sicher. Die Dividendenzahlungen sind voneinander unab172

Die Wertpapierbestände und Kurse werden von Periode zu Periode fortgeschrieben, d.h. es findet keine Reinitialisierung des Marktes (unter Verwendung neuer Bedingungen) statt.

72

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

hängig. Unter der Voraussetzung risikoneutraler Investoren entspricht der Fundamentalwert zu Beginn eines Experiments der Summe der pro Periode gezahlten Dividenden, d.h. der Fundamentalwert sinkt pro Periode um die jeweilige Dividendenzahlung. Am Ende eines Experiments ist das Asset wertlos. Die ausgezahlte Dividende ist für jeden Agenten gleich. Formal berechnet sich der Fundamentalwert Ft einer Handelsrunde wie folgt:

(16)

T

¦t

Ft

T  t  1 D t

Dt

1

mit: Ft

= Fundamentalwert zum Zeitpunkt t,

Dt

= Dividende zum Zeitpunkt t.

Abbildung 4-1 zeigt die Dividendenentwicklung am Beispiel einer periodischen Dividendenzahlung von 0,24 GE.

Abbildung 4-1: Experimentelles Basisdesign für spekulative Bubbles

Fundamentalwert

4,00 3,00 2,00 1,00 0,00 0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

Handelsrunde Fundamentalwert

Der Dividendenprozess ist unter den Teilnehmern Common-Knowledge. Die Probanden erhalten zu Beginn eines Experiments eine bestimmte Anfangsausstattung an Wertpapieren und Kassenbestand. Das Anfangskapital ändert sich im Handelsverlauf durch die akkumulierten Dividendenerträge und durch

Spekulative Bubbles

73

die möglichen Kapitalgewinne bzw. -verluste bei aktiver Teilnahme am Marktgeschehen. Bei Betrachtung der Rational-Expectation-Hypothese (RE-Hypothese) sollte der Marktpreis des Assets dem Fundamentalwert entsprechen. 173 Risikoneutrale Investoren mit rationalen Erwartungen haben keinen Anreiz in einer solchen Experimentumgebung zu handeln. Eine Buy-and-Hold-Strategie hat in einem solchen Fall den gleichen erwarteten Nutzen wie das Beibehalten der jeweiligen Cashposition, d.h. jede Situation entspricht einem pareto Optimum und aktives Handeln wird irrelevant. Entgegen dem No-Trade-Theorem können SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) unter den risikoneutralen Agenten einen intensiven Handel nachweisen, den die Autoren rein auf spekulativ getriebenes Verhalten zurückführen. Der Handelsablauf ist im Allgemeinen durch eine Boomphase geprägt, die zu erheblichen Bewertungsdivergenzen führt. Der spekulative Preisanstieg endet infolge eines unerwarteten Crashs, wodurch der Marktpreis wieder zum Fundamentalwert des Assets zurückfällt. Die durch Self-fulfilling geprägte Phase zeichnet sich im Vergleich zu rationalen Marktphasen durch überdurchschnittlich viele Transaktionen aus. Das Ende der Boomphase sowie der darauf folgende Crash sind durch einen sukzessiv abnehmenden Handel geprägt. Abbildung 4-2 zeigt den dynamischen Preisbildungsprozess einer Bubble am Beispiel von drei Experimenten. Diejenigen Experimente, deren Preispfad die Kreise verbindet, weisen das oben beschriebene typische Muster einer spekulativen Bubble auf. Die restlichen drei Experimente aus Abbildung 4-2, deren Preispfad die Rauten verbindet, sind dagegen nicht durch einen dynamischen Bubbleprozess beschreibbar. 174 Die von rechts nach links fallende gerade Linie repräsentiert den Fundamentalwert des Assets. Diese Linie fällt über einen Zeitraum von 15 Handelsperioden linear von 3,60 GE auf 0,24 GE.

173

174

Diese Aussage wird im Allgemeinen noch erweitert um die Aspekte der Risikoadjustierung und Diskontierung bei Berücksichtigung von Opportunitätskosten. In Kapitel 4.3.3 werden diejenigen Parameter diskutiert, die das Entstehen einer Bubble fördern bzw. hemmen.

74

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

Abbildung 4-2: Bubbles in Experimenten 175

4.3.2

Prognosemodelle

Um die Erwartungsbildung der Agenten quantifizieren zu können, fragen SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) am Ende jeder Periode den durchschnittlich erwarteten Marktpreis der Folgeperiode ab. 176 Die Kursprognosen erfolgen privat, so dass die Probanden nur ihre eigene Prognose kennen und nicht die anderer Marktteilnehmer. Während der Erwartungsabfrage können die Teilnehmer die gesamte Historie ihrer Kursprognosen mit den tatsächlich realisierten Marktpreisen und dem zugehörigen Prognosefehler einsehen. 177 Insgesamt repräsentieren die durchschnittlichen Erwartungen der Agenten einen guten Indikator für den tatsächlichen Kursverlauf. Allerdings ist zwischen der Boom- und Crashphase eine gewisse Asymmetrie in der Erwartungshaltung der Marktteilnehmer zu erkennen. Während des Booms tendieren diese den Durchschnittspreis der Folgeperiode systematisch zu unterschätzen et 175 176

177

Vgl. CAGINALP / PORTER / SMITH (2001), S. 86. Der Teilnehmer mit dem geringsten kumulierten Prognosefehler über alle Handelsperioden erhält als Anreiz einen Dollar, damit dieser eine gewissenhafte Antwort gibt. Das Design der bei SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) verwendeten Erwartungsabfrage wurde zuvor bei WILLIAMS (1987) entwickelt und gewährleistet eine seriöse Abgabe der Kursprognosen seitens der Teilnehmer. Die Testergebnisse der jeweiligen experimentellen Untersuchungen der Erwartungsbildung bei WILLIAMS (1987) sind im Einklang mit denen von SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988).

Spekulative Bubbles

75

vice versa. Die Durchschnittserwartungen der Probanden dienen nicht als Indikator für eine Trendwende bzw. größere Preissprünge. In einem weiteren Schritt analysieren SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) das Orderverhalten als potentiellen Prognoseindikator. Grundsätzlich unterscheidet sich das Orderverhalten während einer Boomphase signifikant von der während einer Crashphase. Das Kollabieren einer Bubble ist bereits am Ende der Boomphase in Form eines systematischen Rückgangs des Anteils der Kauforders zu dem der Verkaufsorders in der Periode bzw. den Perioden unmittelbar vor einem Crash zu erkennen. Nach einem Crash erfolgt eine Stabilisierung der Preise. Dies impliziert die Zunahme der Kauforders relativ zu den Verkaufsorders. Um den Einfluss des Orderverhaltens auf das Preisanpassungsverhalten zu systematisieren, führen die Autoren die Walrasian-Adjustment-Hypothese (WA-Hypothese) an. Dabei wird unterstellt, dass Preisbewegungen durch ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage resultieren. 178 Im Kontext eines Doppelauktionsmarktes wird dabei die Annahme getroffen, dass eine Überschussnachfrage linear positiv mit einem Überschuss an Kauforders korreliert. Folglich impliziert die Überschussnachfrage zukünftig steigende Kurse et vice versa. Nach SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) hat die Relation zwischen Kauf- und Verkaufsaufträgen in Bubble-Crash-Experimenten einen signifikanten Einfluss auf die Kursbildung. Dementsprechend kann anhand eines Überschusses an Kaufaufträgen im Vergleich zu Verkaufsaufträgen eine Überschussnachfrage und positive Preisanpassung in der Folgeperiode prognostiziert werden. Dagegen spielt der Angebots- bzw. Nachfrageüberschuss in Märkten, die schnell zum rationalen Gleichgewicht im Sinne der REHypothese konvergieren, eine eher untergeordnete Rolle. Bei einer Interpretation der Experimentverläufe mit Bubble-Crash-Formationen ist demnach die dynamische Struktur des Verhältnisses von Kauf- zu Verkaufsorders von zentraler Bedeutung. In der Boomphase können aufgrund von Überschüssen an Kaufaufträgen in den einzelnen Perioden nicht alle Kaufaufträge ausgeführt werden. Deshalb haben Teilnehmer, deren Kaufaufträge nicht akzeptiert wurden, eine größere Bereitschaft zur Erhöhung der Orderlimitierung in der Folgeperiode. Dieses Verhalten ist insbesondere zu Beginn ei178

Nach FAMA (1979, 1991) sollte eine Preisfluktuation dagegen einzig und allein durch das Eintreffen neuer bewertungsrelevanter Informationen erfolgen.

76

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

nes Experiments nachweisbar, wenn der Marktpreis der Wertpapiere unterhalb ihres Dividendenwerts liegt. Mit zunehmender Fehlbewertung nimmt jedoch die Bereitschaft der Teilnehmer ab weitere Kaufaufträge aufzugeben. Dadurch reduziert sich das Verhältnis von Kauf- zu Verkaufsorders sukzessive und führt in der kritischen Phase zu einer Umkehr, da die Verkaufsorders im Markt mit der Zeit überwiegen. In der Crashphase haben die Marktteilnehmer, die Wertpapierbestände abbauen möchten, wiederum einen Anreiz, zu niedrigeren Kursen zu verkaufen, falls ihre Orders bei höheren Limitierungen abgelehnt werden. CAGINALP / BALENOVICH (1994) verwenden ein Momentum-Modell, in dem die Agenten das Verhalten anderer berücksichtigen. Ausgehend von einer anfänglichen Unterbewertung kaufen sie zunächst auf Basis fundamentaler Aspekte Aktien. Es etabliert sich ein robuster Trend, der eine nicht fundamental gerechtfertigte Preisdynamik erzeugt. Je ausgeprägter die Amplitude der Bubble, desto geringer wird der Anteil des Kassenbestands, wodurch eine Umkehr des Kursverlaufes eingeleitet wird. Dementsprechend orientiert sich das Modell wie die WA-Hypothese primär an dem Orderverhalten in den Experimenten und betrachtet das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Die Gesamtnachfrage an Wertpapieren ist abhängig vom Kassenbestand der Marktteilnehmer und dem Anteil, den sie bereit sind in Wertpapiere zu investieren. Im Laufe dieses Prozesses verschieben sich dann aber die relativen Anteile zwischen Kassen- und Wertpapierbestand. Ab einem gewissen Punkt überwiegt das Angebot an Wertpapieren aufgrund des zunehmenden Verkaufdrucks bei einer Ausweitung der Überbewertung und des sukzessive abnehmenden Kassenbestands. Dies führt zu einer Umkehr in dem Modell, wodurch der Preis langfristig zum fairen Wert konvergiert. Um das Momentum-Modell auf seine Effizienz zu testen, müssen aus einer Stichprobe von Experimenten zunächst die Sentimentparameter geschätzt werden. Durch die vom Experimentdesign festgelegten Parameter des Fundamentalwertprozesses und des Gesamtangebots an Kassenbestand und Wertpapieren, wird ein Preispfad zur Prognose des Handelsverlaufs generiert. Die Effizienz des Modells testen die Autoren schließlich an Hand einer Out-ofSample-Stichprobe. Die Vorhersagegenauigkeit des Momentum-Modells ist statistisch nicht signifikant, jedoch können qualitative Aussagen zur Entwick-

Spekulative Bubbles

77

lung strategischen Handelns genutzt werden. Zwischen „bullischen“ und „bearischen“ Phasen ist eine Asymmetrie in der Prognosegenauigkeit des Momentum-Modells feststellbar. Das Momentum-Modell unterschätzt somit während der Boomphase den Preisanstieg und überschätzt die Kurse während des Crashs. Sind die prognostizierten Kurse niedriger als die tatsächlich realisierten Kurse, kann ein Agent durch die Platzierung von Kauforders eine Überschussrendite realisieren et vice versa. Es ist nicht verwunderlich, wenn die vorhergesagten Werte nicht präzise dem gesamten tatsächlichen Preispfad entsprechen, da das Momentum-Modell 15 Perioden im Voraus prognostiziert. Um die Prognosegenauigkeit zu verbessern, modifizieren die Autoren das Momentum-Modell, indem zusätzlich Informationen vergangener Perioden berücksichtigt werden. Die Untersuchungen zeigen, dass die Prognosen der Marktteilnehmer, die WA-Hypothese und das Momemtum-Modell, die Preisanpassungsdynamik wesentlich besser erklären kann als die RE-Hypothese. So eignet sich das Überschussnachfragemodell besser zur kurzfristigen Prognose, während das Momentum-Modell eine höhere Effizienz bei längerfristigen Prognosen aufweist. CAGINALP / PORTER / SMITH (2000a, b) widerlegen in ihren Experimenten somit die schwache Informationseffizienz.

4.3.3

Robustheit

a) Leerverkäufe ACKERT ET AL. (2002) und KING ET AL. (1993) untersuchen die Auswirkungen von Leerverkaufsmöglichkeiten in den Experimenten. Bei der Einführung von Leerverkäufen wird den Teilnehmern die Möglichkeit geboten von den Experimentleitern Wertpapiere zu leihen, die sie dann unmittelbar veräußern können. Am Ende der einzelnen Handelsperioden müssen Leerverkäufer die Dividendenzahlungen der Wertpapiere an die Experimentleiter abführen. Da die Wertpapiere zum Ende wertlos sind und im Nachfolgenden keine Dividenden mehr gezahlt werden, müssen diese am Ende auch nicht zurückerstattet werden. Die Marktteilnehmer sind somit in der Lage bei Abweichungen vom Dividendenwert Arbitragestrategien zu nutzen und von Ungleichgewichten zu profitieren. Im Allgemeinen wird an realen Kapitalmärkten davon ausgegangen, dass

78

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

aufgrund der potentiellen Arbitragestrategien eine Leerverkaufsmöglichkeit die Preisbildung in Richtung des Fundamentalwertprozesses beeinflussen kann und dementsprechend zu effizienteren Märkten führt.179 Die Nutzung von Leerverkäufen ist allerdings auch mit einem größeren Risiko verbunden, so dass nicht jeder Marktteilnehmer diese Möglichkeit in Betracht zieht. Die Experimente zeigen, dass die Einführung von Leerverkäufen die Amplitude der Bubble-Crash-Formationen signifikant reduzieren kann. Dadurch entsteht ein erhöhter Verkaufsdruck während des Bubbleprozesses, der die Ausprägung der Boomphase reduziert. Der Kurs wird dann in Richtung des REGleichgewichtskurses gedrückt. Die Leerverkäufe können aber letztendlich nicht die Preisblasenentwicklung verhindern, sondern nur reduzieren. In den meisten Experimenten haben die Marktteilnehmer, die auch die Leerverkaufsmöglichkeit in ihren Strategien mit berücksichtigt haben, die größten Profite erzielt. Das Transaktionsvolumen erhöht sich im Vergleich zu den Basisexperimenten, da die Probanden zusätzliche Handelsmöglichkeiten erhalten.

b) Kreditaufnahme KING ET AL. (1993) und ACKERT ET AL. (2002) untersuchen die Auswirkung eines Kreditlimits auf die Bubble-Crash-Formation. Durch die Kreditgewährung können die Agenten neben ihrer Anfangsausstattung zusätzliche Mittel aufnehmen, um den Kauf von Wertpapieren zu finanzieren. Das während des Handelsverlaufs geliehene Geld muss am Ende eines Experiments zurückerstattet werden. Aus einer theoretischen Sichtweise heraus kann dieses Design in Analogie zu dem Experimentdesign mit Leerverkäufen betrachtet werden. Die Teilnehmer können durch die Kreditaufnahme Arbitragegelegenheiten ausnutzen. Die Ergebnisse deuten aber darauf hin, dass die Möglichkeit der Kreditaufnahme einen destabilisierenden Einfluss auf den Bewertungsprozess ausübt. Insbesondere unerfahrene Marktteilnehmer neigen dazu, die zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit zur vermehrten Spekulation zu nutzen und tendieren zu einer größeren Kaufbereitschaft. Die Teilnehmer weisen aufgrund der erwarteten Kapitalgewinne in den Anfangsperioden eine hohe Risikobereitschaft auf. Die Amplitude der Bubble-Crash-Formationen wird dadurch vergrößert 179

Vgl. DIAMOND / VERRECCHIA (1987), S. 277 f.

Spekulative Bubbles

79

und die resultierenden Abweichungen vom Dividendenwert erhöhen sich. Des Weiteren nimmt das durchschnittliche Transaktionsvolumen im Rahmen der Experimente zu, da die Marktteilnehmer mehr Liquidität zum Kauf von Wertpapieren zur Verfügung haben.

c) Liquidität Die neoklassiche Kapitalmarkttheorie impliziert, dass alle Probanden die gleichen Informationen besitzen und somit für sie der gleiche Fundamentalwert gilt. Konsequenterweise sollte die Nachfrage nach Wertpapieren nicht durch Liquiditätseffekte beeinflusst werden. Allerdings zeigen empirische Studien, dass Händler, die einen großen Nachfrage-/Angebotsdruck im Markt erzeugen, einen systematisch fundamental nicht gerechtfertigten langfristigen Effekt auf die Kurse ausüben. Daher untersuchen SMITH / VAN BOENING / WELLFORD (2000), NOUSSAIR / ROBIN / RUFFIEUX (2001) sowie CAGINALP / PORTER / SMITH (2001) den Einfluss der Liquidität auf die Amplitude einer Bubble. Dabei werden die Höhe der Anfangsausstattung einzelner Marktteilnehmer und der Zeitpunkt der Dividendenauszahlungen betrachtet. Insgesamt stellt die Liquiditätsstruktur in einem Experiment einen maßgeblichen Einflussfaktor auf die Größenordnung der zu beobachteten Bewertungsdivergenzen dar. Je mehr Liquidität zur Verfügung steht, desto größer sind die Auswirkungen der Momentum-Strategien der Probanden, da mehr Kapital in dem Gesamtsystem vorhanden ist. Ein gegensätzlicher Effekt ist bei einer verzögerten Auszahlung der Dividenden zu beobachten. Dabei werden die Dividendenrealisationen erst zum Ende eines Experiments ausgezahlt. In diesen Experimenten verringert sich die Größenordnung der Bubbles, da weniger Kapital zur Spekulation zur Verfügung steht.

d) Future-Märkte PORTER / SMITH (1995) untersuchen den Einfluss eines Future-Marktes auf die Amplitude der Bubble-Crash-Formation. Jeder Investor hat die Möglichkeit Assets und Future-Kontrakte zu handeln. Die Future-Kontrakte sind in der achten Handelsperiode fällig und werden daraufhin in ein Wertpapier konvertiert. Somit muss der Marktpreis des Futures dem Fundamentalwert des Underlyings entsprechen. An Hand des Future-Marktes kann in den Perioden vor dessen

80

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

Fälligkeit der erwartete Preis des Assets in der Mitte des Experiments bestimmt werden. Die Ergebnisse zeigen, dass die Future-Kontrakte bereits nach einer kurzen Anpassungszeit rational bewertet sind. In diesem Fall ist die wichtige Funktion des Future-Marktes, die individuelle Unsicherheit über das Verhalten und der Erwartungen anderer Marktteilnehmer zu reduzieren. Infolgedessen mindert die Einführung eines Future-Marktes die Amplitude der Bubble-CrashFormationen ohne sie grundsätzlich verhindern zu können.

e) Orderbuchtransparenz Je nach Art des Orderbuchzugriffs können Marktteilnehmer mehr oder weniger Informationen hinsichtlich der Erwartungsbildung anderer Händler selektieren. Um potenzielle Auswirkungen des Orderbuchzugriffs auf die Amplitude einer Bubble quantifizieren zu können, werden die Extrempositionen der Orderbuchtransparenz betrachtet. Im Vergleich zu einem geschlossenen Orderbuch korreliert zwar das Vorzeichen der Regression für den Fall eines offenen Orderbuches negativ mit der Amplitude einer Bubble, jedoch ist das Ergebnis nicht statistisch signifikant. 180

f) Preiskorridor und Curcuit Breaker CAGINALP / PORTER / SMITH (2000a, b) versuchen mit Hilfe verschiedener Preiskorridore der Frage nachzugehen, ob zwischen der anfänglichen Unterbewertung und der Amplitude einer Bubble eine positive Korrelation existiert. Es wird impliziert, dass die Unterbewertung der ersten Handelsrunde die Erwartungen der Agenten für einen zukünftigen Preistrend erheblich beeinflussen. Dazu wird der Eröffnungspreis durch einen Preiskorridor fixiert. Die Preiskorridore sind derart gestaffelt, dass sie eine mehr oder weniger ausgeprägte Unterbewertung in der ersten Handelsrunde bewirken. Je ausgeprägter die durch den Preiskorridor erzwungene Unterbewertung, desto aggressiver werden Momentum-Trader den Marktpreis vom Fundamentalwert wegführen, da die Spekulationsgewinne während dieser Marktphase die Dividendenerträge um ein Vielfaches übersteigen. Demzufolge determiniert das Verhalten der

180

Vgl. CAGINALP / PORTER / SMITH (2001).

Spekulative Bubbles

81

Agenten während der Anfangsperioden eines Experiments den gesamten Handelsverlauf (Speculative-Hypothesis). 181 Um den auf die Boomphase folgenden panikartigen Verkaufsdruck zu verhindern, führen KING ET AL. (1993) Curcuit Breakers ein. Der pro Handelsperiode mögliche Crash wird somit nach unten hin begrenzt. Allerdings führen Curcuit Breakers zu einer systematischen Erhöhung der Amplitude der Bubble, da den Agenten die Möglichkeit eines kontrollierten Verkaufs gegeben wird. Folglich kommt es zu einem Crash in Raten.

g) Tobin Steuer LEI / NOUSSAIR / PLOTT (2002) untersuchen, inwieweit sich eine Steuer auf Kapitalgewinne (Tobin Steuer) auf das Entstehen und Amplitude einer Bubble auswirkt. Grundsätzlich sollte die Besteuerung von Kapitalgewinnen Spekulation unattraktiver machen und somit hemmend auf die Preisdynamik einer Bubble wirken. Die Ergebnisse können die Hypothese allerdings nicht bestätigen. Stattdessen könnten irrationale Verhaltensweisen im Sinne der „ActiveParticipation-Hypothesis“ 182 für die Ergebnisse verantwortlich sein.

h) Handelsmodell VAN BOENING / WILLIAMS / LAMASTER (1993) analysieren, ob die Art der Marktorganisation einen Einfluss auf den Preisbildungsprozess hat. Dazu vergleichen die Autoren die aus einem zweiseitigen Doppelauktionsmechanismus resultierende Preisdynamik mit der aus einem Call-Markt. Die Preisfindung in den Call-Märkten erfolgt nach dem Meistausführungsprinzip. 183 Daher sollten Call-Märkte einen hemmenden Einfluss auf die Entstehung einer Bubble ha181 182

183

Vgl. PORTER / SMITH (1995), S. 509 f. Nach der Active-Participation-Hypothese zeigen Individuen Verhaltensmuster, die der rationalen Erwartungstheorie widersprechen. Die Probanden könnten denken, dass sie nur zum Zweck des Handelns akquiriert worden wären und nicht um gegebenenfalls untätig zu sein. Falls dies so wäre, würde ein Individuum eine verlustbringende Transaktion eher tätigen als nichts zu tun. Dazu werden in jeder Handelsrunde sämtliche Kauf- und Verkaufsaufträge, die am Ende der jeweiligen Periode im Orderbuch vorliegen, zu einer diskreten Nachfragebzw. Angebotsfunktion zusammengeführt. Der Schnittpunkt beider Funktionen repräsentiert den Kauf- bzw. Verkaufspreis zum entsprechenden Volumen. Übersteigt das nachgefragte Volumen das aus der Angebots- und Nachfragefunktion ermittelte, so wird per Zufallsmechanismus gezogen. Schneiden sich die beiden Funktionen nicht, so beträgt das in dieser Periode umgesetzte Handelsvolumen Null.

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Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

ben, da die Marktteilnehmer einen potentiellen Nachfrageüberhang nicht erkennen und somit die intraperiodische Spekulation reduziert werden sollte. Allerdings unterscheiden sich die Ergebnisse nicht systematisch voneinander. Das Handelsmodell hat demnach einen eher marginalen Einfluss auf die Preisdynamik einer Bubble.

i) Identische Anfangsausstattung Eine unterschiedliche Portfolioausstattung bzw. Risikoaversion unter den Teilnehmern führt dazu, dass insbesondere in den ersten Perioden eine Portfolioanpassung stattfindet. Somit fragen in den ersten Perioden Individuen mit einem geringeren Portfolioanteil an Wertpapieren verstärkt Wertpapiere nach et vice versa. Dieses Verhaltensmuster entspricht dem Paradigma der traditionellen Nutzentheorie, da risikoaverse Investoren bestrebt sind ausgeglichene Portfolioanteile zu halten. Falls die Unterbewertung in der ersten Handelsperiode auf den Diversifikationseffekt zurückzuführen ist, sollte eine identische Anfangsausstattung unter den Teilnehmern einen hemmenden Einfluss auf die Preisdynamik einer Bubble haben. Jedoch zeigen die Experimente von KING ET AL. (1992), dass eine identische Anfangsausstattung keine systematische Reduktion der Amplitude einer Bubble bewirkt. Die Vermutung, dass ein Ungleichgewicht in der Anfangsausstattung die Unterbewertung in den ersten Perioden initiiert und dadurch Erwartungen auf weitere Kurssteigerungen hervorgerufen werden, lässt sich nicht bestätigen.

j) Dividendenprozess Die Einführung anderer Fundamentalwertprozesse kann im Allgemeinen die Etablierung von Bubble-Crash-Formationen in den experimentellen Märkten nicht verhindern. NOUSSAIR / ROBIN / RUFFIEUX (2001) gestalten Experimente mit einem über den Handelsverlauf konstanten fairen Wert des gehandelten Assets. In diesen Experimenten müssen dementsprechend die Evolution der Erwartungen und die Kursbildung nur zu einem Referenzpunkt konvergieren, damit sich ein rationales Gleichgewicht einstellt. Danach sind theoretisch keine Anpassungsprozesse von Periode zu Periode nötig und größere Dynamiken sollten nicht mehr auftreten. Dennoch sind in diesem Design Boom- und

Spekulative Bubbles

83

Crashphasen zu beobachten, wenngleich die Bewertungsdivergenzen nicht so groß sind wie die im Basisdesign.

4.3.4

Bewertung: Rationalität oder Irrationalität

Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob Agenten in den Experimenten mit Preisblasen rein aus spekulativen Gründen handeln oder andere möglicherweise irrationale Verhaltensweisen die Erwartungsbildung beeinflussen. Zu Beginn eines Experiments haben die Teilnehmer keinerlei Vorkenntnisse oder Erfahrungen bezüglich dieser Handelsumgebung. Obwohl allen Teilnehmern der Dividendenprozess vor Experimentbeginn erläutert wird und somit Common-Knowledge ist, bilden die Probanden keine rationalen Erwartungen im Sinne der RE-Hypothese. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass unter den Individuen in der Anfangsphase eines Experiments eine erhebliche Unsicherheit über das Verhalten der anderen besteht. Somit ist unter den Individuen rationales Verhalten nicht Common-Knowledge. Daher zeigen die Marktteilnehmer während der Anfangsphase eines Experiments ein risikoaverseres Verhalten. Während dieser Phase liegt der Marktpreis des Assets in der Regel unter dessen Fundamentalwert. Der Marktpreis des unterbewerteten Assets spiegelt seinerseits wiederum Informationen für andere hinsichtlich der Markterwartungen wider. 184 Die in den Marktpreisen enthaltenen Informationssignale finden bei zukünftigen Entscheidungen der Agenten Berücksichtigung. Dies führt zu einem Reversal im Sinne von HONG / STEIN (1999). Basiert das Verhalten der Individuen auf selbsterfüllenden Erwartungen, tätigt ein rationaler Agent auch Käufe zu fundamental nicht gerechtfertigten Marktpreisen, falls dieser erwartet, zu einem späteren Zeitpunkt das Asset an einen anderen Investor gewinnbringend weiterveräußern zu können. 185 Die Vorstellung selbsterfüllender Erwartungen fördert die subjektive Erwartungshaltung Gewinne durch aktives Handeln generieren zu können. Dies ist darauf zurückzuführen, dass rationales Verhalten im Sinne von MUTH (1961) unter den Teilnehmern nicht Common-Knowledge ist. Stattdessen gehen rationale Individu184 185

Vgl. GROSSMAN (1976a, b). Vgl. LEI / NOUSSAIR / PLOTT (2001), S. 832.

84

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

en davon aus, dass andere Händler irrationale Verhaltensweisen zeigen, indem sie Käufe zu fundamental nicht gerechtfertigten Preisen tätigen. Folglich ist auch ein rationaler Händler bereit ein überbewertetes Asset zu kaufen, falls dieser erwartet, das Asset zu einem späteren Zeitpunkt zu einem höheren Preis an einen irrationalen oder rationalen Händler zu veräußern. Letzterer muss allerdings wiederum der Erwartung unterliegen, dass er das Asset zu einem höheren Preis weiterveräußern kann. Es ist nicht zwingend notwendig, dass in einem Markt irrationale Individuen agieren. Allein der Glaube der Marktteilnehmer an die Existenz irrationaler Subjekte kann positive Abweichungen vom fairen Wert erklären, ohne dass tatsächlich irrationale Agenten den Markt beeinflussen. 186 Self-fulfilling unter den Agenten führt dazu, dass bei der Bewertung des gehandelten Assets nicht nur der Dividendenwert, sondern auch potentielle Kapitalgewinne berücksichtigt werden. Unter der Voraussetzung, dass Self-fulfilling Common-Knowledge ist, kann dieses nur als rational eingestuft werden, falls das Asset eine unendliche Laufzeit aufweist, die Population einem stetigen Wachstum unterliegt und theoretisch unbegrenzt Barmittel zur Verfügung stehen. Alle Voraussetzungen werden weder vom Basisdesign noch deren Modifikationen erfüllt. In diesem Zusammenhang sind die selbsterfüllenden Erwartungen durchaus als irrational einzustufen bzw. durch Spieltrieb zu erklären. Insbesondere aufgrund der begrenzten Zeitdauer von 15 Handelsperioden können die Kapitalgewinnerwartungen und das spekulative Verhalten nicht permanent bestehen. Spätestens in der letzten Handelsperiode, wenn die Spekulationsstrategie an Bedeutung verliert, muss der Preis zum Dividendenwert konvergieren. 187 Dadurch, dass unter den Agenten der spätest mögliche Crash Zeitpunkt Common-Knowledge ist, kann nach STIGLITZ (1990) eine rationale Bubble nie durch selbstbestätigende Erwartungen resultieren. LEI / NOUSSAIR / PLOTT (2001) zeigen, dass für die Entstehung spekulativer Preisblasen nicht Self-fulfilling, sondern auch nicht näher determinierbare irrationale Verhaltensmuster verantwortlich sind. Dazu wird den Marktteilnehmern die Möglichkeit zur Spekulation genommen, indem die eine Hälfte der Teilnehmer nur Wertpapiere kaufen und die andere nur verkaufen kann. In diesem Rahmen kann ein Marktteilnehmer zwar Wertpapiere kaufen, aber es besteht keine Wiederverkaufsmöglichkeit. Trotzdem können Bubble-Crash186 187

Vgl. LEI / NOUSSAIR / PLOTT (2001), S. 833-834. Vgl. NOUSSAIR / ROBIN / RUFFIEUX (2001), S. 98.

Spekulative Bubbles

85

Formationen in diesen Experimenten beobachtet werden. Dementsprechend ist Spekulation nicht der einzige Hintergrund des Bubble-Phänomens. Neben Spekulation, die vor allem auf Spieltrieb unter den Marktteilnehmern zurückzuführen ist, tragen weitere nicht näher beschreibbare irrationale Verhaltensmuster zur Bildung einer Bubble bei. Die Tatsache, dass Bubbles in Experimenten auftreten, deren Design dies verhindern sollte, bestätigt die ActiveParticipation-Hypothese. Häufig wird von Kritikern die experimentelle Methodik in Frage gestellt, weil die meisten theoretischen Modelle „erfahrene Marktteilnehmer“ 188 unterstellen, die experimentelle Datenbasis aber in der Regel mit Hilfe studentischer Teilnehmer (Naive Individuen) generiert wird. Das während einer spekulativen Preisblase auftretende irrationale Verhalten könnte somit möglicherweise auf die Unerfahrenheit der Probanden zurückgeführt werden. Dementsprechend sollte die Teilnahme professioneller Händler zu einer Minderung der Amplitude einer Bubble führen. Um den Einfluss erfahrener Agenten zu analysieren, führen CAGINALP / PORTER / SMITH (2000a, b) mit MBA Studenten Experimente durch und vergleichen deren Verhalten mit dem studentischer Probanden. Auch für den Fall erfahrener Agenten kann der typische Bubble Crash Verlauf nachgewiesen werden. Dies zeigt, dass auch professionelle Händler Self-fulfilling und irrationalen Verhaltensmustern unterliegen. In einigen Experimenten sind diese Effekte unter professionellen Teilnehmern sogar ausgeprägter als die unter studentischen Agenten. Fasst man rationales Verhalten als Lernprozess auf, könnten Experimente mit Bubble-Crash-Formation der RLE-Hypothese entsprechen. Somit sollte durch Wiederholung mit denselben Teilnehmern die Unsicherheit hinsichtlich des Verhaltens der Agenten reduziert werden und ein besseres Verständnis für den Dividendenprozess resultieren. SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988) und VAN BOENING / WILLIAMS / LAMASTER (1993) zeigen, dass sich durch Wiederholungen der Experimente mit den gleichen Teilnehmern Irrationalität reduzieren lässt. Der Lernprozess aus dem ersten Experiment setzt sich bei einer Wiederholung fort, wobei die Unsicherheit über das Verhalten anderer Marktteilnehmer stetig geringer wird. In einer ersten Wiederholung sind zwar ebenfalls Bubble-Crash-Formationen nachweisbar, aber die Zeitdauer der systemati188

In diesem Zusammenhang wird von repräsentativen Marktteilnehmern gesprochen.

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Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

schen Bewertungsdivergenzen ist deutlich geringer. Da die Marktteilnehmer in dem ersten Experiment in der Regel die Erfahrung eines Crashs gemacht haben, tendieren sie zu einem vorsichtigeren Verhalten in Bezug auf beobachtete Bewertungsabweichungen und beachten bei ihren Entscheidungen im Wesentlichen die Entwicklung des Dividendenwerts. Bei einer zweiten Wiederholung eines Experimentdurchlaufs sind kaum noch Bewertungsdivergenzen zu beobachten. Im Rahmen dieses Lernprozesses nehmen sowohl die mittlere Abweichung als auch die Varianz der Erwartungen relativ zum Dividendenwert stetig ab, d.h. die zukünftigen Erwartungen werden zunehmend homogener. Aufgrund der steigenden Homogenität in den Erwartungen der Agenten sinkt entsprechend mit zunehmender Wiederholung ceteris paribus das Handelsvolumen. Dies führt zu einer tendenziellen rationalen Bewertung der Assets im Sinne der RLE-Hypothese und zu einer stabilen Entwicklung der Marktpreise. CAGINALP / PORTER / SMITH (2000a, b) führen zusätzlich Experimente mit Probanden durch, die sich im Vorfeld mit spieltheoretischen Fragen auseinandergesetzt haben, bis dato aber noch an keinem Experiment teilgenommen haben. Diese zeigen in den Experimenten bereits beim ersten Durchgang ein annährend rationales Verhalten. Werden zu erfahrenen Probanden Unerfahrene beigemischt, so korreliert die Amplitude der Bubblepositiv mit der Anzahl der unerfahrenen Händler. Je mehr Noise im Markt ist, desto wahrscheinlicher und ausgeprägter ist eine Bubble-Crash-Formation. Betrachtet man Marktteilnehmer, die ihre Erfahrungen in einer Sequenz von „single-periode asset trading markets“ sammeln, in denen die Ausstattung jedes Händlers zu Beginn einer jeden Periode wieder auf das Ausgangsniveau zurückgesetzt wird, können diese keine Strategie verfolgen, die auf eine mehrperiodische Spekulation ausgerichtet ist. Handeln diese Agenten im Anschluss in mehrperiodischen Experimenten ohne Reinitialisierung, lassen sich keine Lerneffekte nachweisen, die zu einer Reduktion der Amplitude einer Bubble beitragen. 189 Insgesamt kann festgestellt werden, dass die Existenz von Bubbles in mehrperiodischen Experimenten ohne Reinitialisierung vorwiegend auf Self-fulfilling

189

Vgl. SMITH / SUCHANEK / WILLIAMS (1988), S. 1133.

Zusammenfassung bestehender experimenteller Studien

87

basiert. Neben Spekulation, die durch Self-fulfilling verursacht zu sein scheint, treten weitere nicht näher qualifizierbare irrationale Verhaltenstendenzen auf. Erst durch mehrmalige Wiederholung tritt unter den Agenten ein Lernprozess ein, der Bubbles annährend vollständig eliminiert. Langfristig entspricht der Preisbildungsprozess rationalen Erwartungen. In diesem Sinn liegt ein RLEGleichgewicht vor.

4.4

Zusammenfassung bestehender experimenteller Studien

In Kapitel 4 werden experimentelle Studien zu Information Mirages diskutiert. Im Folgenden werden die Ergebnisse dieses Kapitels kurz zusammengefasst. Informationskaskaden können nur in einer experimentellen Umgebung mit nominalen Informationen entstehen. Falsche Informationskaskaden treten mit einer deutlich niedrigeren Eintrittswahrscheinlichkeit auf. Allerdings tritt eine falsche Informationskaskade in einem asymmetrischen Design häufiger ein als in einem symmetrischen Design. Ebenso wird die Eintrittswahrscheinlichkeit einer falschen Informationskaskade von den individuellen Entscheidungsregeln determiniert. Experimentelle Studien zu PAD-Reaktionen zeigen, dass die Richtung dieser durch die Informationsqualität erklärt werden kann. Informationen hoher Qualität werden in der Regel übergewichtet und umgekehrt. In informationsineffizienten Märkten mit Informationsasymmetrien dreht sich dieser Effekt jedoch um, da bedingt durch vergangene Erfahrungen Informationen höherer Qualität als weniger repräsentativ angesehen werden. Psychologische Studien bestimmen die Richtung einer PAD-Reaktion auch durch affektives Framing extremer Informationen. Dieser Tatbestand ist bisher in der experimentellen Literatur zu Information Mirages nicht näher analysiert worden. In Individualexperimenten lässt sich Reversal auf Gambler’s Fallacy zurückführen. Allerdings können Individualexperimente Momentum nicht erklären. Marktexperimente führen Momentum auf Self-fulfilling zurück. Self-fulfilling entsteht insbesondere durch Überschussnachfrage. Je länger eine durch Momentum geprägte Phase andauert, desto leichter löst eine unerfüllte Erwartung Reversal aus. In Marktexperimenten kann ein Reversal als Crash bezeichnet werden. Die Kombination aus Momentum und Reversal führt in

88

Information Mirages an experimentellen Wertpapierbörsen

Marktexperimenten zu spekulativen Preisblasen. Die in den Experimenten identifizierten spekulativen Preisblasen lassen sich jedoch nicht ausschließlich durch spekulative Erwartungen erklären. Die Entstehung spekulativer Bubbles ist auf eine anfängliche Unterbewertung zurückzuführen. Je ausgeprägter die anfängliche Unterbewertung, desto höher ist die Amplitude der spekulativen Preisblase. Die Unterbewertung ist nicht auf unterschiedliche Risikoaversionsparameter unter den Marktteilnehmern zurückzuführen. Somit bleibt weiterhin ungeklärt, wie es zu der anfänglichen Unterbewertung kommen kann. Das Ausmaß einer spekulativen Bubble lässt sich durch Future-Märkte, Liquiditätsrestriktionen und Lerneffekte reduzieren. Dagegen können Leerverkäufe und Kreditlinien die Amplitude einer spekulativen Bubble nicht verringern. Ebenso wirken sich der Grad der Orderbuchtransparenz sowie das Handelsmodell kaum auf den Bubble-Prozess aus. Mit der Einführung von Curcuit Breaker sind sogar negative Effekte verbunden. So verzögert sich während einer Preisblase die Preisanpassung. Ein Crash in Raten ist die Folge.

89

5

Methodik zur Analyse von Information Mirages an der Computerbörse CAT

Dieses Kapitel erläutert die Funktionsweise der experimentellen Computerbörse CAT sowie die methodische Vorgehensweise zur Selektion und Analyse von Information Mirages aus den herangezogenen Experimentserien. Im Rahmen der methodischen Vorgehensweise werden die im Fortgang der Untersuchung zu analysierenden Marktklassifikationen, die auf Basis des experimentellen Designs modelltheoretische Begründung der Information Mirages sowie die verwendete statistische Methodik vorgestellt.

5.1

Die experimentelle Computerbörse CAT

5.1.1

Marktorganisation

Die Computerbörse CAT (Computerized Asset Trading) wurde mit Unterstützung der DFG (Deutschen Forschungsgemeinschaft) am Lehrstuhl für Bankund Börsenwesen der Universität Erlangen-Nürnberg (Prof. Dr. Wolfgang Gerke) 1989 entwickelt, um Fragen im Bereich der Marktmikrostruktur zu erörtern. 190 Die experimentelle Methode sowie die verschiedenen Variationsmöglichkeiten der Handelsusancen an der Computerbörse CAT ermöglichen detailliertere Aussagen auf Mikroebene zum Entscheidungsverhalten der Teilnehmer und lassen präzisere Vergleiche auf Makroebene zur Preisbildung und Markteffizienz zu als es die empirische Kapitalmarktforschung erlaubt. 191 Die Marktorganisationsparameter der experimentellen Börse CAT üben somit 190 191

Vgl. GERKE / BIENERT (1994), S. 586. Eine ausführliche Diskussion der Computerbörse CAT ist bei GERKE / BIENERT (1991); oder GERKE / BIENERT (1999) zu finden. Bisherige Untersuchungen im Rahmen der experimentellen Kapitalmarktforschung an der Computerbörse CAT setzten sich mit Themen aus dem Bereich Behavioral Finance (Lerneffekte, Dispositionseffekt bzw. „endowment effect“), dem Insider Handel, dem Market-Making, der Orderbuchtransparenz, dem Orderbuchprivileg sowie dem Kostenprivileg auseinander. Zum Dispositionseffekt siehe GERKE / BIENERT (1993) und SCHROEDER-WILDBERG (1998), zum Insiderhandel siehe GERKE / ARNETH (1997) und ARNETH (2001), zum Market Making siehe GERKE / ARNETH / BOSCH (2000), BOSCH (2001) und GERKE / ARNETH / KUGLER (2002), zur Orderbuchtransparenz siehe GERKE / BIENERT / SCHROEDER-WILDBERG (1995), SYHA (1999) und GERKE / ARNETH / KUGLER (2002), zu Orderbuchinsidern siehe GERKE / ARNETH / SYHA (2000) GERKE / BIENERT / SYHA (2001) und GERKE / ARNETH / KUGLER (2002) und zum Kostenprivileg siehe GERKE / ARNETH / KUGLER (2002).

90

Methodik zur Analyse von Information Mirages an der Computerbörse CAT

einen direkten Einfluss auf das individuelle Entscheidungsverhalten der Marktteilnehmer aus, wodurch indirekt das Zustandekommen von Kursen und Umsätzen beeinflusst wird. 192 Abbildung 5-1: Einflussfaktoren im Marktprozess 193 Kurse, Umsätze

Entscheidungsverhalten Informationen

Marktorganisation

Kursbildung

Informationsverarbeitung

-

Handelstechnik

-

Handelsregeln

-

Anlageobjekte

-

Marktinformation

Zielsetzung

a) Anlageobjekte Es befinden sich 6400 Aktien pro Unternehmen über alle Handelsrunden im Umlauf, die zu Beginn jedes Experiments gleich auf die Teilnehmer verteilt werden. Auf Basis des Ausgangsportfolios erhält jeder Teilnehmer in Abhängigkeit vom allgemeinen Liquiditätsfaktor einen gewissen Anteil des Depotbestands, bewertet zum Nennwert in bar auf sein Konto gutgeschrieben. 194 Somit beginnen alle Akteure mit der gleichen Höhe und Struktur des Anfangsvermögens. In diesem Zusammenhang wird von einer homogenen Anfangsausstattung gesprochen. Die Teilnehmer handeln die Titel zweier fiktiver Unternehmen (risikobehaftete Assets). 195 Die Geschäftsentwicklung beider Unternehmen ist voneinander unabhängig. Wird eine Transaktion ausgeführt, fallen fixe Transaktionsgebühren von 5 GE sowie variable Transaktionskosten in Höhe von 0,4 % des Transaktionswertes an. Leerverkäufe sind ohne Zeitbeschränkung möglich.196 192 193 194

195

196

Vgl. SMITH (1987), S. 245 und DAVIS / HOLT (1993), S. 7. Vgl. GERKE / BIENERT (1994), S. 574 oder GERKE / BIENERT (1999), S. 2. Der Fundamentalwert beider Titel beträgt zu Beginn der ersten Handelsperiode eines Experiments jeweils 200 GE. Durch die Beschränkung des Handels auf Aktien zweier fiktiver Unternehmen wird der Forderung einer adäquaten Komplexitätsreduktion zur Identifikation von Kausalbeziehungen für experimentelle Modelle Rechnung getragen. Vgl. TIETZ (1986), S. 3. Im Fall negativer Bestände werden dem Händler die Dividendenzahlungen für leerverkaufte Aktien von seinem Konto abgebucht.

Die experimentelle Computerbörse CAT

91

Aktienbestände eines Titels können nur bis zu 33 % der im Umlauf befindlichen Aktien aufgebaut werden. 197 Die Beteiligungsgrenze soll sicherstellen, dass ein Mindestmaß an Wettbewerb zwischen den potenziellen Verkäufern einer Aktie gewahrt bleibt. Am Ende einer jeden Handelsrunde wird der erzielte Unternehmensgewinn vollständig in Form einer Dividende anteilig auf die Aktionäre ausgeschüttet (Vollausschüttung). Im Verlustfall wird keine Dividende ausgeschüttet. Verluste werden auf neue Rechnung vorgetragen und aus späteren Gewinnen getilgt. Erreicht der Verlustvortrag den Nennwert, so meldet das Unternehmen Konkurs an. Die verbleibenden Runden bleibt das Unternehmen vom Handel ausgeschlossen. Alternativ besteht die Möglichkeit Kassenbestände als Festgeld zu einem Zinssatz von 10 % pro Handelsperiode risikolos anzulegen (risikoloses Asset). Festgeld muss mindestens über eine volle Periode angelegt werden und kann nicht vorzeitig gekündigt werden. Unabhängig vom Anlagehorizont bleibt der Zinssatz für Festgeld konstant (flache Zinsstruktur). Das angelegte Festgeld wird unterjährig verzinst. Anfallende Zinsen werden am Ende jeder Handelsperiode dem ursprünglich in Festgeld angelegten Betrag gutgeschrieben und bis zur Fälligkeit verzinst (Zinseszinseffekt). Der Kassenbestand wird dagegen nicht verzinst. Innerhalb des Kreditlimits kann formlos Kredit zu einem Zinssatz von 14 % pro Handelsrunde aufgenommen werden. 198 Das Kreditlimit berechnet sich aus der Hälfte des Depotwertes zuzüglich 50 % des Kassenbestandes sowie aus 100 % des Wertes der gehaltenen Festgeldpositionen. 199 Am Ende jeder Handelsrunde werden dem Konto des jeweiligen Teilnehmers Dividendenzahlungen sowie Festgeldzinsen gutgeschrieben bzw. Kreditzinsen und Dividendenzahlungen leer verkaufter Aktien abgezogen. Das Gesamtvermögen am Ende einer Handelsperiode kann als Ausgangsvermögen der Folgeperiode interpretiert werden. Die daraus resultierende „historische Abhän-

197

198

199

Für den Fall leerverkaufter Aktien ist ebenfalls eine „negative“ Besitzgrenze installiert. Über den Anfangsbestand der zu Experimentbeginn vorhandenen Aktien eines Titels können maximal 33 % leerverkauft werden. Ist der Wert der gekauften Aktien höher als der Kassenbestand, so wird automatisch ein Kredit innerhalb des Kreditlimits aufgenommen. Der Kassenbestand zeigt folglich einen negativen Betrag in Höhe des aufgenommenen Kredits auf. Wird das Kreditlimit überzogen, können keine Käufe mehr getätigt werden. Formel zur Berechnung des Kreditlimits: (Kontostand + Kurswert der Aktien) / 2 + Festgeldbestand.

92

Methodik zur Analyse von Information Mirages an der Computerbörse CAT

gigkeit“ 200 ermöglicht, realitätsnähere Daten aus mehrperiodischen Experimenten zu gewinnen.201 Dadurch gelingt es, die Vorteile dynamischer Experimente auch in mehrperiodischen Experimenten nutzbar zu machen. 202

b) Kontinuierliche zweiseitige Auktion Die Händler zeigen ihr Interesse an einer Transaktion, indem sie eine „LimitOrder“ 203 in das Orderbuch setzen, zu der sie bereit sind eine Transaktion zu tätigen. Darüber hinaus geben die Händler die Stückzahl an, die sie bereit sind zu kaufen bzw. zu verkaufen. Falls eine passende Gegenorder im Orderbuch existiert, wird die abgegebene Order sofort ausgeführt. 204 Das Zusammenführen (matching) zweier Orders wird dabei durch die Handelsbedingungen PreisZeit-Priorität geregelt. Überlappen sich Limits, so erfolgt die Transaktion zum Preis der zeitlich älteren Order. 205 Sind mehrere gleich limitierte Gebote auf einer Marktseite an der Orderbuchspitze eingereiht, erhält die zuerst erteilte Order Vorrang (Zeitpriorität). Kann die gewünschte Orderstückzahl eines Händlers bei einer Transaktion nicht vollständig ausgeführt werden (Teilausführung), so verbleibt die offene Stückzahl der Order zum ursprünglich spezifizierten Limitpreis im Orderbuch bestehen. Ein nicht sofort ausgeführter Auftrag wird in das Orderbuch eingereiht. Unausgeführte Orders verbleiben solange im Orderbuch bis entweder die aktuelle Handelsperiode endet (Ultimo-Orders), die Order durch eine Gegenorder ausgeführt oder durch den Teilnehmer wieder gelöscht wird. 200

201

202

203

204

205

Historische Unabhängigkeit bedeutet, dass die Ausgangsposition für neue Entscheidungen von den vorher getroffenen Entscheidungen abhängt. Vgl. GERKE / BIENERT (1994), S. 583-584. Mehrperiodische Experimente, die unter gleichen Startbedingungen mehrfach wiederholt werden, erlauben den Akteuren die Regeln des Marktes zu erlernen, ihre Strategien anzupassen und sich einem informationseffizienten, statischen Gleichgewicht anzunähern. Vgl. GERKE / BIENERT (1994), S. 583. Teilnehmer an dynamischen Experimenten zeigen ein risikoaverseres Verhalten, da ihnen im Vergleich zu Experimenten mit mehreren aufeinander folgenden Handelsperioden zwischen denen keine historischen Abhängigkeiten vorliegen die Chance verwehrt bleibt, immer wieder bei Punkt „Null“ anzufangen. Vgl. EICHENBERGER (1992), S. 50-51. Eine Limit-Order hat den Charakter einer kostenlosen Option (free trading option), d.h. es besteht die Gefahr mit einem limitierten Auftrag auf ein umfangreiches, informationsinduziertes Gebot zu treffen. Vgl. STOLL (1992), S. 84. Beim Handel eines Marktteilnehmers mit sich selbst (self crossing) kommt kein Kurs zustande, jedoch werden diesem die Transaktionskosten berechnet. Beispiel: Besteht bereits eine Kauforder mit dem Limit 270 GE und erteilt ein anderer Teilnehmer im Verlauf der Handelsperiode eine Verkaufsorder zu 260 GE, so erfolgt eine Transaktion zum Transaktionspreis von 270 GE.

Die experimentelle Computerbörse CAT

93

Aus der symmetrischen Heterogenität der privaten Informationen (3 Informationspartitionen) innerhalb einer Handelsrunde resultieren selbst unter der Annahme rational agierender Probanden unterschiedliche Angebots- und Nachfragepräferenzen über die zukünftige Gewinnentwicklung der Unternehmen. Dadurch bildet sich der Kurs eines Titels endogen, d.h. der Aktienkurs wird durch das Verhalten und die persönlichen Erwartungen über die zukünftige unsichere Gewinnentwicklung des Unternehmens bestimmt. 206

c) Markt- und Handelsinformationen (endogene Informationen) Die Bedienung der Handelsbildschirme erfolgt menügesteuert über die Funktionstasten. In den durchgeführten Experimentserien sehen die Handelsteilnehmer folgenden Handelsterminal:

Abbildung 5-2: Handelsbildschirm der Computerbörse CAT

ComputerizedAssetTrading

TN: 8

Nr. Titelname

Stück

Kurs

1. Kreis AG 2. Kugel AG

520 610

210 305

Kontostand: Kreditlimit:

> > > > > >

Kauf Verkauf Stornierung Festgeld anlegen Informationen abrufen Buchhaltung

2/ 8:

Kurs Stck 210 305

100 140

Minute 7

Kurs Stck 205 310

120 160

Kurs Stck 200 307

200 110

30105.15 EURO Historische Kurse 175816.95 EURO Abrufzeit: 2 : 1 Hauptmenü