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German Pages 326 Year 2007
Ingmar Geiger Industrielle Verhandlungen
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Business-to Business-Marketing Herausgeber: Professor Dr. Dr. h.c. Werner Hans Engelhardt, Ruhr-Universität Bochum, Professor Dr. Mario Rese, Ruhr-Universität Bochum (schriftführend) Herausgeberbeirat: Professor Dr. Dr. h.c. Klaus Backhaus, Universität Münster, Professor Dr. Joachim Büschken, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, Professorin Dr. Sabine Fließ, Fernuniversität Hagen, Professor Dr. Jörg Freiling, Universität Bremen, Professor Dr. Bernd Günter, Universität Düsseldorf, Professor Dr. Frank Jacob, ESCP-EAP Europäische Wirtschaftshochschule Berlin, Professor Dr. Michael Kleinaltenkamp, Freie Universität Berlin, Professor Dr. Wulff Plinke, Humboldt-Universität zu Berlin, Professor Dr. Martin Reckenfelderbäumer, Wissenschaftliche Hochschule Lahr/AKAD Hochschule für Berufstätige, Lahr/Schwarzwald, Professor Dr. Albrecht Söllner, Europa-Universität Viadrina Frankfurt/Oder, Professor Dr. Markus Voeth, Universität Hohenheim, Professor Dr. Rolf Weiber, Universität Trier
Das Business-to-Business-Marketing ist ein noch relativ junger Forschungszweig, der in Wissenschaft und Praxis ständig an Bedeutung gewinnt. Die Schriftenreihe möchte dieser Entwicklung Rechnung tragen und ein Forum für wissenschaftliche Beiträge aus dem Businessto-Business-Bereich schaffen. In der Reihe sollen aktuelle Forschungsergebnisse präsentiert und zur Diskussion gestellt werden.
Ingmar Geiger
Industrielle Verhandlungen Empirische Untersuchung von Verhandlungsmacht und -interaktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dr. h. c. Klaus Backhaus
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Berlin, 2007 D 83
1. Auflage Oktober 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Frauke Schindler / Sabine Schöller Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de www.b-to-b-group.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0940-0
Geleitwort
V
Geleitwort Anbieter von Industriegütern vermarkten ihre Leistungen häufig in direkten Interaktionen mit dem Nachfrager. Die wichtigste Interaktionsform stellt dabei die Vermarktungsverhandlung dar, in der die technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Details einer Transaktion vereinbart werden. Der Ausgang der Verhandlung ist für beide Seiten unsicher, beeinflusst aber sowohl die Profitabilität und das Risiko der Transaktion als auch die Beziehung zwischen den Marktpartnern. Für den Anbieter gehören daher unsicherheitsreduzierende Maßnahmen vor der Verhandlung zu den wichtigsten Handlungen der Verhandlungsvorbereitung. Entsprechend den Erkenntnissen der Verhandlungsanalyse und der Industriegütermarketingforschung bieten sich für einen Anbieter insbesondere zwei Strategien zur Reduzierung seiner Unsicherheit und zur Steigerung seines individuellen Gewinns aus der Verhandlung an: die Entwicklung einer guten Alternative zur betrachteten Verhandlung, die der Anbieter nutzen kann, wenn die betrachteten Verhandlungen scheitern, sowie der Aufbau einer längerfristigen Geschäftsbeziehung. Bei beiden Strategien handelt es sich um Kontextgrößen der Verhandlung, die mittels der Verhandlungsinteraktion eine Wirkung auf die Verhandlungsergebnisse erwarten lassen. Die Wirkung beider Strategien in der Verhandlung und auf die Verhandlungsergebnisse ist trotz ihrer Bedeutung bislang nur unzureichend untersucht worden. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass es sich der Verfasser dieser Arbeit zur Aufgabe gemacht hat, der zentralen Frage nachzugehen, wie sich die zwei Kontextvariablen Verhandlungsmacht und Geschäftsbeziehung mittels der Verhandlungsinteraktion auf die Verhandlungsergebnisse auswirken. Die vorliegende Arbeit liefert zunächst einen in sich schlüssigen wissenschaftlichen Zugang zum Untersuchungsobjekt Vermarktungsverhandlung. Nach der zeitlichen Einordnung von Verhandlungen in den Vermarktungsprozess eines Industriegutes und der Darstellung organisationaler und inhaltlicher Charakteristika von Vermarktungsverhandlungen wählt der Verfasser eine verhaltenswissenschaftlich-verhandlungsanalytische Untersuchungsperspektive. Deren aktuell gebräuchliche Modelle und theoretische Fundierung werden erstmals umfassend in deutscher Sprache vorgestellt.
Geleitwort
VI
Darauf aufbauend entwickelt der Verfasser ein in sich geschlossenes Hypothesengerüst zur Erklärung von Verhandlungsergebnissen in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung bei unterschiedlichen Verhandlungsmachtkonstellationen. Als einer der wenigen Forscher bezieht er in dieses Modell auch Variablen des Verhandlungsprozesses ein, die in einem Großteil der bisherigen Forschung aus wissenschaftsökonomischen Gründen vernachlässigt wurden. Es gelingt ihm dabei, wichtige theoretisch-konzeptionelle Lücken zu schließen. Zur anschließenden empirischen Überprüfung der theoretisch erwarteten Wirkungszusammenhänge bedient sich der Verfasser eines umfangreichen Methodenarsenals. Aufgrund der Schwierigkeit, valide Daten in ausreichender Stichprobengröße im Feld zu erhalten, wird ein experimentelles Vorgehen gewählt. Allerdings verwendet der Verfasser hierzu keines der gängigen, zum Teil deutlich von der Realität entfernten Verhandlungsspiele, sondern entwickelt eine signifikant aufwändigere und realitätsnähere Rollenspiel-Simulation, die er anschließend zum Einsatz bringt. Auch bei der Erhebung der Interaktionsvariablen scheut er keine Mühe und entwickelt ein Kodierungssystem, mit dem er eine Inhaltsanalyse der Verhandlungskommunikation durchführt, um die Nachteile einer reaktiven Befragung zu umgehen. Bei der zweistufigen statistischen Auswertung der erzeugten Daten mittels MANOVA und PLS orientiert er sich am State-of-the-Art und kann die allermeisten seiner Hypothesen empirisch untermauern. Insbesondere der Verhandlungsinteraktion kommt somit eine tragende Rolle zu, um Verhandlungsergebnisse besser zu verstehen. Insgesamt liefert die vorliegende Arbeit einen wertvollen Beitrag zum besseren Verständnis von Ergebnissen in Vermarktungsverhandlungen. Sie weist einerseits die Einflüsse des Verhandlungskontextes, andererseits die Bedeutung der Verhandlungsinteraktion für die Verhandlungsergebnisse nach. Durch die Entwicklung der verwendeten RollenspielSimulation sowie des Kodierungssystems zur Inhaltsanalyse legt sie außerdem den methodischen Grundstein für weitere Forschungsvorhaben auf diesem Gebiet. Die Arbeit liefert damit sowohl einen wertvollen Beitrag für die Industriegütermarketingforschung als auch für die Verhandlungsanalyse. Ich wünsche dieser theoretisch-konzeptionell, empirisch und methodisch anspruchsvollen Arbeit die ihr zustehende weite Verbreitung in Forschung und Praxis. Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Backhaus
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bereich Strategisches Management der Technischen Universität Berlin entstanden. Sie ist im Juli 2007 von der Fakultät für Wirtschaft und Management als Dissertation angenommen worden. Zum erfolgreichen Abschluss dieser Arbeit haben zahlreiche Personen beigetragen. Mein herzlicher Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Backhaus für die Möglichkeit, bei ihm arbeiten, lernen und promovieren zu können. Er war mir nicht nur ein hervorragender akademischer Lehrer, sondern auch in vielerlei professioneller Hinsicht ein echtes Vorbild mit sehr menschlichen Zügen. Herrn Prof. Dr. Hans-Georg Gemünden für die Erstellung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Michael Mirow für die Übernahme des Prüfungsvorsitzes. Herrn Prof. Dr. Robert Wilken für die andauernde kollegial-freundschaftliche Unterstützung bei der Durchführung meines Forschungsvorhabens: inhaltliche und methodische, stets kritische Diskussionen bei der Planung und Konzeption der Arbeit sowie unermüdliche Durchsicht und zahlreiche Verbesserungsvorschläge des Manuskriptes beim Niederschreiben der Forschungsergebnisse. Herrn Dipl.-Psych. Martin Schilling, PhD für das Entfachen meiner Begeisterung für das Themenfeld Verhandlungen, zahlreiche fachliche Diskussionen und die Durchsicht des Manuskriptes. Herrn Dipl.-Ing. Christian Landau, MBA für die gründliche Durchsicht des vollständigen Manuskriptes und eine Vielzahl von fachlichen Diskussionen. Herrn cand.-Ing. Martin Gruchow für die großartige Hilfe bei der sehr zeitintensiven Durchführung der Inhaltsanalyse sowie für die unermüdliche Bereitstellung von Literatur. Herrn Dipl.-Kfm. Maik Eisenbeiß, MBA, Herrn Dipl.-Kfm. Matthias Vieth und Herrn DiplKfm. Matthias Weddeling für die Unterstützung bei der Experimentdurchführung. Herrn Dipl. Wirt.-Inform. Christoph Wünnemann für die softwaretechnische Umsetzung des Experimentes.
Vorwort
VIII
Zahlreichen Studentinnen und Studenten an der TU Berlin für ihre Bereitschaft, als Versuchspersonen zur Simulationsentwicklung zur Verfügung zu stehen. Meinen anderen nicht namentlich genannten Berliner und Münsteraner Kollegen für die fachliche und menschliche Unterstützung während meiner Promotionszeit. Meinen Freundinnen und Freunden für viele schöne Momente, die für Ablenkung und Abwechslung vom Wissenschaftsbetrieb sorgten. Meiner Familie, ohne die mein Lebensweg nicht an dieser Stelle angelangt wäre. Ingmar Geiger
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltverzeichnis Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................XIII Tabellenverzeichnis.............................................................................................................. XV Abkürzungsverzeichnis..................................................................................................... XVII 1
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing ..................................... 1 1.1
2
Verhandlungen als zentrales Element bei der Vermarktung von Industriegütern. 1
1.2
Unsicherheitsreduzierende Strategien für Vermarktungsverhandlungen .............. 5
1.3
Zielsetzung und Gang der Arbeit ............................................................................ 11
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung ............................................. 15 2.1
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing ......................................................................................... 15
2.1.1 Verhandlungen als interdependeter Entscheidungsprozess zum Ausgleich konfliktärer Interessen ......................................................................................... 15 2.1.2 Verhandlungen im Ablauf des Vermarktungsprozesses von Industriegütern...... 18 2.1.3 Organisationaler Charakter von Vermarktungsverhandlungen............................ 22 2.1.4 Inhaltliche Charakteristika von Vermarktungsverhandlungen............................. 24 2.2
Wahl einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungsperspektive ...................................................................................... 26
2.3
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung ............ 29
2.3.1 Operationalisierung konfliktärer und problemlösungsbezogener Verhandlungselemente......................................................................................... 30 2.3.2 Distributive Verhandlungen und ihre Modellierung im Verhandlungszonenmodell .................................................................................................................. 32 2.3.3 Integrative Mehrthemen-Verhandlungen und ihre Modellierung ........................ 34 2.3.3.1 2.3.3.2 2.3.3.3
Quellen von integrativem Potenzial in Verhandlungen ................................ 34 Messung der Verhandlungseffizienz............................................................. 37 Möglichkeiten zur Erreichung effizienter Verträge ...................................... 38
2.3.4 Erfolgsmaße der Verhandlungsanalyse................................................................ 39 2.4
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung .......................................................................................................... 41
2.4.1 Kontextvariablen der Verhandlung ...................................................................... 44 2.4.1.1 2.4.1.2
Strukturelle Faktoren..................................................................................... 44 Parteien als Kontext ...................................................................................... 46
2.4.2 Dynamische Variablen der Verhandlung ............................................................. 48
Inhaltsverzeichnis
X
2.4.2.1 2.4.2.2 2.5 3
Verhandlungsinteraktion ............................................................................... 48 Kognitionen der Verhandelnden ................................................................... 49
Zwischenfazit und Implikationen für die weitere Untersuchung.......................... 53
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells .............. 55 3.1
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung ..................................................................................... 55
3.1.1 Determinanten des Zustandekommens von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung ............................................................................................. 57 3.1.2 Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung als Kontextfaktor der Verhandlung. 62 3.1.3 Relevante Merkmale von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung in Bezug auf die Vermarktungsverhandlung....................................................................... 64 3.1.3.1 3.1.3.2 3.1.3.3
Vertrauen....................................................................................................... 64 Commitment.................................................................................................. 68 Wissen ........................................................................................................... 72
3.1.4 Wirkung verschiedener Beziehungsarten auf Verhandlungsprozess und -ergebnis............................................................................................................... 75 3.1.5 Zwischenfazit und Hypothese: Die Wirkung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung auf die Verhandlungseffizienz ............................................ 79 3.2
Macht in Vermarktungsverhandlungen ................................................................. 80
3.2.1 Die Macht-Abhängigkeitsrelation und ihre Wirkungen....................................... 80 3.2.1.1 3.2.1.2
Macht als eine einer Beziehung innewohnende latente Kraft ....................... 81 Erlangung, Anwendung und Wirkungen von Macht .................................... 85
3.2.2 Verhandlungsmacht als Kontextfaktor der Vermarktungsverhandlung............... 88 3.2.2.1 3.2.2.2 3.2.2.3
Elemente von Verhandlungsmacht ............................................................... 89 Operationalisierung von Verhandlungsmacht............................................... 91 Kritische Würdigung der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zur Untersuchung von Verhandlungsmacht ........................................................ 94
3.2.3 Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zur Wirkung von Verhandlungsmacht ............................................................................................. 97 3.2.4 Zwischenfazit und Hypothesen: Verhandlungsmachtasymmetrie und Interaktionen von Verhandlungsmacht und Art der Marktpartnerschaft ........... 104 3.3
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion......................... 106
3.3.1 Kognitive und Interaktionsprozesse als dynamische Faktoren der Vermarktungsverhandlung................................................................................. 108 3.3.2 Erklärungsrelevante kognitive Größen und Prozesse in Verhandlungen und bisherige Erkenntnisse ....................................................................................... 110 3.3.2.1
Verhandlungsziele....................................................................................... 110
Inhaltsverzeichnis
3.3.2.2 3.3.2.3
XI
Erstangebote................................................................................................ 113 Zufriedenheitsbildung in Verhandlungen ................................................... 117
3.3.3 Verhandlungsinteraktion und bisherige Erkenntnisse........................................ 120 3.3.3.1 Distributives Verhalten ............................................................................... 121 3.3.3.1.1 Informationsaustausch über Positionen, Präferenzen und wichtige Fakten ..................................................................................................... 121 3.3.3.1.2 Einzelofferten und Forderungen von Angeboten ................................... 123 3.3.3.1.3 Kompetitives Verhalten.......................................................................... 125 3.3.3.2 Integratives Verhalten ................................................................................. 132 3.3.3.2.1 Informationsaustausch über Prioritäten.................................................. 133 3.3.3.2.2 Paketofferten .......................................................................................... 135 3.3.3.2.3 Prozessmanagement ............................................................................... 137 3.4
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung - das Hypothesengerüst ....................................................... 140
3.4.1 Einfluss der Kontextvariablen auf die dynamischen Variablen der Verhandlung .................................................................................................................... 140 3.4.1.1 3.4.1.2
Art der Marktpartnerschaft und Verhandlungsinteraktion.......................... 140 Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion..................................... 142
3.4.2 Einfluss der dynamischen Variablen der Verhandlung auf die Verhandlungsergebnisse .................................................................................... 144 3.4.2.1 3.4.2.2 3.4.2.3
Determinanten der Verhandlungseffizienz ................................................. 144 Determinanten des individuellen Verhandlungsgewinns............................ 145 Determinanten der Verhandlungszufriedenheit .......................................... 147
3.4.3 Zusammenfassung: Das Gesamtmodell ............................................................. 148 4
Forschungsmethodik und Ergebnisse......................................................................... 149 4.1
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung ............... 150
4.1.1 Die Laborforschung in der Verhandlungsanalyse.............................................. 150 4.1.2 Die Simulation ALUVAN 2006......................................................................... 154 4.1.2.1 4.1.2.2 4.1.2.3 4.1.2.4 4.2
Aufbau und Rahmenhandlung der Simulation............................................ 155 Experimentelle Manipulationen .................................................................. 160 Materialien, Teilnehmer und Umsetzung des Experimentes ...................... 162 Interne und externe Validität von ALUVAN 2006..................................... 166
Kodierung des Verhandlungsverhaltens............................................................... 171
4.2.1 Entwicklung eines geeigneten Kodierungssystems............................................ 171 4.2.1.1 4.2.1.2
Anforderungen an ein Kodierungssystem................................................... 172 Vorgehen im Rahmen der Entwicklung des Kodierungssystems ............... 175
Inhaltsverzeichnis
XII
4.2.2 Festlegung der Kodiereinheiten und Kodierung ................................................ 178 4.2.3 Reliabilität und Validität der Kodierung............................................................ 179 4.3
Ergebnisse und Hypothesenprüfung .................................................................... 183
4.3.1 Darstellung der ökonomischen Verhandlungsergebnisse anhand deskriptiver Statistiken........................................................................................................... 183 4.3.2 Gruppenunterschiede bezüglich der ökonomischen Verhandlungsergebnisse .. 187 4.3.2.1 4.3.2.2
Wahl der MANOVA als geeignetes Prüfverfahren und Prüfung ihrer Anwendungsvoraussetzungen ..................................................................... 187 Ergebnisse der Hypothesenprüfung ............................................................ 191
4.3.3 Überprüfung der Gesamtzusammenhänge in einem PLS-Pfadmodell............... 193 4.3.3.1 Überlegungen zur Wahl eines geeigneten Schätzverfahrens ...................... 193 4.3.3.1.1 Kovarianzstrukturanalyse und die Partial-Least-Squares-Methode zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen.......................................... 194 4.3.3.1.2 Wahl der PLS-Methode zur Schätzung des erklärenden Gesamtmodells ................................................................................................... 198 4.3.3.2 Modellbeurteilung ....................................................................................... 200 4.3.3.2.1 Beurteilung des reflektiven Messmodells der Verhandlungszufriedenheit.......................................................................................................... 201 4.3.3.2.2 Beurteilung der formativen Messmodelle von integrativem und distributivem Verhandlungsverhalten .................................................... 203 4.3.3.2.3 Beurteilung des Strukturmodells............................................................ 212 4.3.3.2.4 Gesamtbetrachtung des Pfadmodells - Erkenntnisse und Grenzen........ 222 5
Fazit und Ausblick ....................................................................................................... 225 5.1
Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse......................... 225
5.2
Grenzen der Untersuchung und Ansatzpunkte weiterführender Forschung ..... 232
Anhangverzeichnis ............................................................................................................... 237 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 293
Abbildungsverzeichnis
XIII
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Aufbau der Arbeit. .........................................................................................13 Abbildung 2: Verhandlungsphase in ausgewählten Phasenmodellen des Vermarktungsprozesses von Industriegütern.................................................18 Abbildung 3: Verhandlungshierarchie bei Vermarktungsverhandlungen. ..........................23 Abbildung 4: Das Verhandlungszonen-Modell von RAIFFA..............................................32 Abbildung 5: Struktur des integrativen Verhandlungsmodells von PRUITT/LEWIS..........36 Abbildung 6: Das verhaltenswissenschaftliche Verhandlungsmodell nach NEALE/NORTHCRAFT.................................................................................42 Abbildung 7: Zustandekommen von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung. .............61 Abbildung 8: Art der Marktpartnerschaft als Kontextfaktor im Modell von NEALE/NORTHCRAFT.................................................................................63 Abbildung 9: Bestandteile des Vertrauens von A in B und seine Bedeutung für die Verhandlung. .................................................................................................67 Abbildung 10: Komponenten des Commitment von A zur GB mit B und erwartete Wirkung auf die Verhandlung. ............................................................................71 Abbildung 11: Abhängigkeit und Fate Control in der Macht-Abhängigkeitsbeziehung zwischen A und B..........................................................................................84 Abbildung 12: Machterlangung, -einsatz und -wirkung. .......................................................86 Abbildung 13: Macht-Abhängigkeitsbeziehung als struktureller Kontextfaktor im Modell von NEALE/NORTHCRAFT..........................................................................88 Abbildung 14: Vergleich von Wirkungsweise der Machtanwendung, prozessualer Darstellung einer Verhandlung und genereller mediierter Wirkungsbeziehung. 95 Abbildung 15: Wirkungen von Machtasymmetrie und Höhe der gegenseitigen Abhängigkeit auf Verhandlungsprozess und -ergebnisse..............................................102 Abbildung 16: Dynamische Variablen in der Konkretisierung des Modells von NEALE/ NORTHCRAFT. .............................................................................................109 Abbildung 17: Die Wirkung eines hohen Erstangebots auf den individuellen Verhandlungsgewinn. ....................................................................................116 Abbildung 18: Zufriedenheitsbildung in Verhandlungen nach dem E-D-Paradigma. ..........118 Abbildung 19: Die Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells von NEALE/NORTHCRAFT in einem Pfadmodell..........................148 Abbildung 20: Berechnung der Supply Chain übergreifend optimalen Absatzmenge im Monopol.........................................................................................................157 Abbildung 21: Verhandlungsgegenstände im Geschäftsjahr 2007........................................159 Abbildung 22: Beispielhafte Berechnung der Verhandlungsgewinne bei einem effizienten Vertrag. ..........................................................................................................160
XIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 23: Grafische Oberfläche des Verhandlungschats im Internet. ...........................163 Abbildung 24: Ablaufschritte der Experimentdurchführung.................................................165 Abbildung 25: Vorgehensschritte bei der Entwicklung des Kodierungssystems ..................175 Abbildung 26: Vorgehensschritte der Verhandlungskodierung. ...........................................179 Abbildung 27: Individueller Gewinn des Anbieters bei geringer und hoher BATNA. .........185 Abbildung 28: Verteilung von individuellen Gewinnen und Verhandlungseffizienz in der Einzeltransaktion. ..........................................................................................186 Abbildung 29: Überprüfung der externen Validität der formativen Messmodelle durch Überprüfung eines bekannten Einflusses auf ein reflektiv operationalisiertes Konstrukt. ...........................................................................................211 Abbildung 30: Pfadgewichte, Signifikanzen und erklärte Varianzanteile im Strukturmodell. ...........................................................................................................213
Tabellenverzeichnis
XV
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Verhandlungsphase im Vermarktungsprozess von Industriegütern. .............20
Tabelle 2:
Typologie der Interaktionsansätze im Industriegütermarketing. ...................26
Tabelle 3:
Kriterien zur Wahrung der internen Validität eines Experiments. ................151
Tabelle 4:
Aufteilung der Verhandlungspaare auf die experimentellen Bedingungen...163
Tabelle 5:
Getroffene Maßnahmen zur Erfüllung der internen Validitätsanforderungen an ALUVAN 2006. ..................................................................................167
Tabelle 6:
Kategorien des verwendeten Kodierungssystems. ........................................177
Tabelle 7:
ț-Werte pro Kategorie ...................................................................................181
Tabelle 8:
Vergleich der ț-Werte pro Kategorie in verschiedenen Studien mit diesen Angaben.........................................................................................................181
Tabelle 9:
Einigungen und Nichteinigungen in den unterschiedlichen Versuchsgruppen. .........................................................................................................183
Tabelle 10:
Effizienz und individueller Gewinn des Anbieters in allen experimentellen Gruppen. ........................................................................................................184
Tabelle 11:
Ergebnisse der Prämissenprüfung der MANOVA im Überblick. .................189
Tabelle 12:
Ergebnisse der MANOVA zum Gruppenvergleich.......................................191
Tabelle 13:
Ergebnisse der Follow-Up-ANOVAs............................................................192
Tabelle 14:
Gütemaße zur Beurteilung der Messmodelle reflektiv operationalisierter Konstrukte......................................................................................................201
Tabelle 15:
Verwendete Indikatoren zur Messung der Verhandlungszufriedenheit. .......202
Tabelle 16:
Gütekriterien des reflektiven Messmodells der Verhandlungszufriedenheit.202
Tabelle 17:
Vorgehensweise zur Validierung formativer Konstrukte. .............................204
Tabelle 18:
Indikatorgewichte und Signifikanzniveaus der formativen Messmodelle von distributivem und integrativem Verhandlungsverhalten. .......................208
Tabelle 19:
Multikollinearitätsdiagnose der Indikatoren von distributivem und integrativem Verhandlungsverhalten.............................................................209
Tabelle 20:
Pfadkoeffizienten und Signifikanzen der ausgelassenen direkten Pfade zwischen Kontext- und Ergebnisvariablen der Verhandlung. .......................216
Tabelle 21:
Übersicht der Ergebnisse der Hypothesenprüfung. .......................................219
Abkürzungsverzeichnis
XVII
Abkürzungsverzeichnis AMOS
Analysis of Moment Structures
ANOVA
Analysis of Variance
Aufl.
Auflage
AVE
Average Variance Extracted (durchschnittlich erfasste Varianz)
BATNA
Best Alternative To a Negotiated Agreement
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
bspw.
beispielsweise
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
CLalt
Comparison Level of the Alternative
c.p.
ceteris paribus
DB
Deckungsbeitrag
d.h.
das heißt
df
Degrees of Freedom (Freiheitsgrade)
E-D-Paradigma
Expectancy-Disconfirmation-Paradigma
Eds.
Editors
ET
Einzeltransaktion
et al.
et alii (und andere)
etc.
et cetera
f.
folgende (Seiten)
ff.
fortfolgende (Seiten)
GB
Geschäftsbeziehung
ggü.
gegenüber
H
Hypothese
Hrsg.
Herausgeber(in)
i.d.R.
in der Regel
i.V.m.
in Verbindung mit
Jrg.
Jahrgang
K
Käufer
LISREL
Linear Structural Relationships
MANOVA
Multivariate Analysis of Variance
Abkürzungsverzeichnis
XVIII
MIMIC
Multiple Indicators Multiple Causes Model
Mio.
Million(en)
No.
Number
n.s.
nicht signifikant
p
Probability (Irrtumswahrscheinlichkeit für Į-Fehler)
pp.
Pages
PAF
Preisabsatzfunktion
PLS
Partial Least Squares
RP
Reservationspunkt
s.
siehe
S.
Seite
SD
Standard Deviation (Standardabweichung)
Sp.
Spalte
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
U
Umsatz
u.a.
unter anderem
usw.
und so weiter
u.U.
unter Umständen
V
Verkäufer
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
vs.
versus
z.B.
zum Beispiel
z.T.
zum Teil
Verhandlungen als zentrales Element bei der Vermarktung von Industriegütern
1 1.1
1
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing Verhandlungen als zentrales Element bei der Vermarktung von Industriegütern
Ein wesentliches Merkmal von Transaktionen auf Industriegütermärkten besteht darin, dass Anbieter und Verwender in vielen Fällen vor dem Kauf einer Leistung miteinander interagieren.1 Zentraler Bestandteil dieser Interaktionen sind Verhandlungen über die Konditionen des Leistungsaustausches.2 Je nachdem wie groß Umfang und Ausmaß der zu verhandelnden Themenkomplexe sind, weisen Verhandlungen auf der Anbieterseite Interdependenzen mit vielen relevanten Entscheidungsfeldern des Marketings auf: Verhandlungen stellen einen zentralen Aspekt der Vertriebspolitik aller Industriegüteranbieter dar, die ihre Leistungen nicht auf anonymen Märkten verkaufen. Insbesondere die Auswahl des Vertriebspersonals anhand persönlicher Verhandlungsfähigkeiten3 und die Besetzung von Verhandlungsteams4 werden als wichtige Erfolgsfaktoren für den Verhandlungserfolg einer konkreten Transaktion gesehen. Bei Industriegütern, deren Erstellung zum Zeitpunkt der Verhandlungen noch nicht abgeschlossen ist, spielen Verhandlungen für die Produktpolitik eine entscheidende Rolle: In den Verhandlungen kann ein Anbieter konkret auf die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden eingehen und ggf. erst gemeinsam mit dem Nachfrager das eigentliche Produkt spezifizieren.5 Schließlich spielen Verhandlungen vor allem für die Preispolitik eines Industriegüteranbieters eine
1 2 3 4
5
Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.12. Vgl. Backhaus, K./Günter, B. (1976), S.256ff.; Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.1ff. Vgl. Bonoma, T.V./Johnston, W.J. (1978), S.221f. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.377. Bei der Besetzung von Verhandlungsteams können bspw. Rollenerwartungen und Status der Beteiligten eine Rolle spielen. Zur Bedeutung von Rollenerwartungen vgl. Schoch, R. (1969), S.309ff.; von Status vgl. Backhaus, K. (1974), S.93f. Dieser Fall spielt insbesondere im Anlagengeschäft eine Rolle, in dem der Vermarktungsprozess i.d.R. vor der Produkterstellung liegt. Vgl. Backhaus, K. (2003), S.481.
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
2
zentrale Rolle. Verhandlungen über den Preis finden sich in allen Geschäftstypen:6 Während sie im Anlagen- und Zuliefergeschäft den Regelfall darstellen, da die Leistungen dort kundenindividuell erstellt werden und folglich Marktpreise zur Preisfindung i.d.R. nicht herangezogen werden können, treten sie auch im System- und Produktgeschäft auf. Zwar hält der Anbieter dort Listenpreise vor; diese dienen jedoch häufig nur als Grundlage für Preisverhandlungen.7 Aufgrund der weitreichenden Bedeutung von Verhandlungen für das Industriegütermarketing gehen manche Autoren gar soweit, dass sie von Negotiation Marketing sprechen.8 In Verhandlungen werden die technischen, ökonomischen und rechtlichen Merkmale einer Transaktion zwischen Anbieter und Nachfrager abschließend festgelegt.9 Dazu gehören u.a. Regelungen10 im Hinblick auf x
die hardware- und softwaremäßige technologische Ausgestaltung der Leistung,
x
den Umfang der Nebenleistungen,
x
zu erbringende Teilleistungen der Vertragsparteien, wie gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen oder Kommunikationskampagnen,
6
7 8
9 10
BACKHAUS/VOETH unterscheiden nach transaktionskostenökonomischen Überlegungen die vier Geschäftstypen Produktgeschäft, Anlagengeschäft, Systemgeschäft und Zuliefergeschäft. Das Unterscheidungsmerkmal der vier Geschäftstypen ist in diesem Ansatz das Auftreten einer Quasirente. Eine Quasirente entsteht, wenn ein Marktakteur eine spezifische Investition in einen Marktpartner tätigt. Die Höhe der Quasirente bestimmt sich danach, inwieweit der Nutzen der spezifischen Investition ausschließlich in der Beziehung mit dem jeweiligen Marktpartner realisiert werden kann. Liegt keine Quasirente vor, so bewegen sich die Transaktionspartner im Produktgeschäft. Liegt eine Quasirente auf Anbieterseite vor, so handelt es sich um das Anlagengeschäft. Bei einer Quasirente auf Nachfragerseite bewegt sich der Anbieter im Systemgeschäft, und wenn eine beidseitige Quasirente vorliegt, so sprechen die Autoren vom Zuliefergeschäft. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.195ff. Vgl. Voeth, M./Rabe, C. (2004), S.1017. Vgl. Bonoma, T.V./Johnston, W.J. (1978), S.221. Ähnlich argumentieren Backhaus, K./Koch, F.-K. (1983), die das Investitionsgütermarketing als „Verhandeln statt Verkaufen“ bezeichnen. Vgl. auch Alexander, J.F./Schul, P.L./McCorkle, D.E. (1994), S.25; Eliashberg, J./Lilien, G.L./Kim, N. (1995), S.G51; Pullins, E.B. et al. (2000), S.466. Vgl. Koch, F.-K. (1987), S.2. Zu den einzelnen Verhandlungsgegenständen in Vermarktungsverhandlungen vgl. Kutschker, M./ Kirsch, W. (1978), S.53; Gemünden, H.-G. (1981), S.1; Graham, J.L. (1986), S.549; Koch, F.-K. (1987), S.2; Perdue, B.C. (1988), S.1; Perdue, B.C./Summers, J.O. (1991), S.176ff; Alexander, J.F./Schul, P.L./McCorkle, D.E. (1994), S.25. Zu weiteren Verhandlungsgegenständen in Vermarktungsverhandlungen im Konsumgüterbereich vgl. Pennington, A.L. (1969), S.257; zu Verhandlungen im Vertriebskanal vgl. Eliashberg, J. et al. (1986), S.101.
Verhandlungen als zentrales Element bei der Vermarktung von Industriegütern
x
Logistikarrangements und die Aufrechterhaltung von Lagerbeständen,
x
Haftungsumfang, Nachbesserung und Garantien,
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Zahlungsbedingungen und nicht zuletzt
x
der zu zahlende Preis.
3
Je nach Art und Umfang der Verhandlung spielen einzelne dieser und weitere Aspekte unterschiedlich große Rollen.11 Eine besondere Bedeutung kommt aus Anbietersicht in jedem Fall dem verhandelten Preis zu, da dieser einen direkten Einfluss auf die Profitabilität der angestrebten Transaktion ausübt.12 Die Ergebnisse einer Vermarktungsverhandlung haben für einen Industriegüteranbieter somit grundsätzliche Bedeutung: In Bezug auf das einzelne Geschäft determinieren die objektiven technischen, ökonomischen und rechtlichen Vereinbarungen die Profitabilität sowie das Risiko der Transaktion.13 Daneben besitzt die subjektive Wahrnehmung der Ergebnisse und der Fairness der Verhandlungsführung eine wichtige Funktion: Die Zufriedenheit der Akteure mit einer Verhandlung und ihren objektiven Ergebnissen beeinflusst die Implementierung des vereinbarten Abkommens.14 Strategisch betrachtet wirkt sich das Ergebnis einer Vermarktungsverhandlung auf die zukünftige Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern aus: Zufriedenheit mit der Verhandlung und der Transaktion wirkt sich positiv auf die Neigung aus, in der Zukunft
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So berichtet KOCH von einer Verhandlung über die Lieferung eines Stahlwerks nach China, zu dessen Vermarktung eine Verhandlung nötig war, die über 250 Tage dauerte. Vgl. Koch, F.-K. (1987), S.1. Alle anderen Verhandlungsgegenstände sind nur indirekt über die mit ihnen verbundenen Kosten profitrelevant. Eine bedeutende Rolle spielt dabei insbesondere die Zurechenbarkeit der Gemeinkosten zu einzelnen Teilleistungen, die in einer Verhandlung vereinbart werden. Vgl. hierzu Backhaus, K./Plinke, W. (1978), S.1ff. Der in einer Verhandlung vereinbarte Preis hingegen ist direkt gewinnwirksam. So ist es nicht verwunderlich, dass sich der Preis in der Felderhebung von KUTSCHKER/KIRSCH als das Verhandlungsthema mit der höchsten Konfliktträchtigkeit herausstellte (vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.53). Vgl. Clopton, S.W. (1984), S.39; Unterschütz, A. (2004), S.103. Insbesondere im Anlagengeschäft, in dem die Vermarktung der Leistung vor deren Erstellung stattfindet, spielt die Risikoverteilung bei Änderungen der vereinbarten Leistung zwischen Anbieter und Nachfrager eine entscheidende Rolle in den Vertragsverhandlungen. Vgl. Backhaus, K. (2003), S.592ff. Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.106; Koch, F.-K. (1987), S.3f.; Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.253f.; Thompson, L. (1995), S.514; Gillespie, J.J./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2000), S.791.
4
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
weitere Geschäfte mit dem Verhandlungspartner abzuschließen,15 während ein als unfair und hart wahrgenommenes Verhandlungsverhalten für zukünftige Interaktionen eher schädlich ist.16
15 16
Vgl. Koch, F.-K. (1987), S.5; Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.253f. Vgl. Schoch, R. (1969), S.290; McGinn, K.L. (2006), S.136.
Unsicherheitsreduzierende Strategien für Vermarktungverhandlungen
1.2
5
Unsicherheitsreduzierende Strategien für Vermarktungsverhandlungen
Für einen Industriegüteranbieter stellen Verhandlungen als Transaktionsmechanismus Chance und Risiko zugleich dar: Einerseits kann er durch geschicktes Verhandeln vorteilhafte Verträge erreichen, die in einem hohen Gewinn aus der Transaktion resultieren. Andererseits ist allen Verhandlungssituationen ein hohes Maß an Unsicherheit immanent, das die Planbarkeit der Ergebnisse einer Transaktion stark reduziert.17 Diese Unsicherheit ergibt sich in erster Linie aus den konkreten Interessen, Positionen, Alternativen und dem Verhandlungsverhalten der Gegenpartei.18 Die Unsicherheit führt für den Anbieter zu einem Dilemma:19 x
Fordert er für ein Leistungspaket, das in den Verhandlungen konkretisiert wird, einen hohen Preis, den der Nachfrager akzeptiert, so kann er einen hohen Auftragsgewinn realisieren.
x
Ist der vom Anbieter geforderte Preis dem Nachfrager beim konkreten verhandelten Leistungsangebot zu hoch, so verliert der Anbieter den möglichen Auftrag. Je nach Notwendigkeit des Auftragserhalts für den Anbieter wird er in gewissem Maße bereit sein, dem Preisdruck des Nachfragers nachzugeben.
Angesichts dieser Unsicherheit und ihrer Bedeutung für den wirtschaftlichen Erfolg einer Transaktion ist es für den Anbieter von großer Bedeutung, vor einer Verhandlung Strategien zu entwickeln, um den Verhandlungsprozess besser kontrollieren zu können und den Preisdruck durch den Nachfrager zu reduzieren.20 Dazu versprechen insbesondere zwei Strategien Erfolg: der Auf- und Ausbau einer längerfristigen Geschäftsbeziehung mit dem Nachfrager
17 18 19 20
Vgl. Voeth, M./Rabe, C. (2004), S.1018. Vgl. Neale, M.A./Fragale, A.R. (2006), S.28. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.58ff. Vgl. Voeth, M./Rabe, C. (2004), S.1018.
6
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
sowie die Entwicklung einer BATNA – Best Alternative To a Negotiated Agreement, um alternative Vermarktungsmöglichkeiten zur Verfügung zu haben.21 Mit einer Geschäftsbeziehung werden u.a. erhöhtes Vertrauen zum Geschäftspartner, ein stärkeres Commitment zum Geschäftspartner sowie größeres Wissen über seine Ziele, Bedürfnisse und Prioritäten verbunden.22 Insbesondere das Vertrauen, das in einer Geschäftsbeziehung entsteht, trägt zur Reduzierung der Verhaltensunsicherheit der Gegenpartei bei, wie sie in Verhandlungen in besonderem Maße besteht. Kann der Anbieter dem Nachfrager vertrauen, so minimiert dies seine wahrgenommene Unsicherheit hinsichtlich des Wahrheitsgehalts und der Vollständigkeit der übermittelten Informationen und senkt seine Befürchtungen, opportunistisch ausgenutzt oder manipuliert zu werden.23 Das in Geschäftsbeziehungen vorhandene Commitment trägt dazu bei, dass beide Seiten Anstrengungen unternehmen, die Geschäftsbeziehung aufrecht zu erhalten, und dafür auch bereit sein können, kurzfristig Nachteile in Kauf zu nehmen.24 In einer Geschäftsbeziehung angehäuftes Wissen über den Geschäftspartner ermöglicht es dem Anbieter, in den Verhandlungen Lösungen zu entwickeln, die für beide Parteien besser sind als Standardangebote anderer Anbieter.25 Solche Abkommen werden als effizienter als andere bezeichnet.26 Geschäftsbeziehungen
21
22
23 24
25
26
Insbesondere in der Marketingforschung wird auf die unsicherheitsreduzierende Wirkung von Geschäftsbeziehungen hingewiesen (Vgl. bspw. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.14; Diller, H./Kusterer, M. (1988), S.212; Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.12; Utikal, H. (2001), S.19f.), während in der Verhandlungsforschung die Bedeutung der BATNA als wichtigstem, unsicherheitsmindernden Vorbereitungsschritt für Verhandlungen thematisiert wird. Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.104; Thompson, L. (2005), S.15ff. Vgl. Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29ff.; Swan, J.E./Trawik, I.F./Silva, D.W. (1985), S.211; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.44f.; Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.312; Andaleeb, S.S. (1996), S.87 und Jung, S. (1999), S.203. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.3; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.36. Vgl. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.19; Wilson, D.T. (1995), S.337; Wren, B.M./Simpson, J.T. (1996), S.74f.; Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.228f.; Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.22. Vgl. das Beispiel bei Miller, R.B./Heiman, S.E. (1989), S.21ff., sowie Utikal, H. (2001), S.19. Wenn Verhandlungen mehrere Themenkomplexe zum Gegenstand haben, zeichnen sie sich in der Regel dadurch aus, dass es Abschlüsse gibt, die beide Verhandlungsparteien ggü. anderen Verträgen besser stellen. Vgl. ausführlich Abschnitt 2.3.3. Zum Begriff der Verhandlungseffizienz vgl. Raiffa, H. (1982), S.139, sowie Abschnitt 2.3.3.2.
Unsicherheitsreduzierende Strategien für Vermarktungverhandlungen
7
werden darüber hinaus mit geringeren Kosten der Kundenbindung gegenüber der Kundenneugewinnung sowie mit höheren Gewinnen mit bestehenden Kunden verbunden.27 Während eine Geschäftsbeziehung in erster Linie erwarten lässt, dass die Verhandlungspartner ihren gemeinsamen Verhandlungsstil weniger konfrontativ gestalten, den Zielen der Gegenpartei neben den eigenen Zielen ebenfalls Aufmerksamkeit schenken und somit erreicht wird, dass es zu ausgewogeneren Abschlüssen kommt, dient die Entwicklung einer guten Alternative einem Anbieter dazu, seinen eigenen Verhandlungsspielraum nach unten hin zu begrenzen.28 Hat er für seine Leistungen andere Nachfrager in Aussicht, so senkt dies die Notwendigkeit übermäßiger Konzessionen, um den Auftrag von seinem Verhandlungspartner zu erhalten. Stellt sich heraus, dass der Verhandlungspartner nicht bereit ist, einem Vertrag zuzustimmen, der für den Anbieter einen ähnlichen Wert besitzt wie seine Alternativen, so kann der Anbieter die Alternativen wahrnehmen. Durch eine gute BATNA steigert ein Anbieter demnach seine Verhandlungsmacht.29 Somit bietet eine gute Alternative für den Anbieter die Chance, seinen individuellen Gewinn aus der betrachteten Kundenverhandlung gegenüber einer schlechteren Alternative zu erhöhen.30 Allerdings erfordern beide Strategien Handlungen, die vor der Verhandlung für ein bestimmtes Geschäft vorgenommen werden müssen, damit sie für die Verhandlung und ihre Ergebnisse Wirkung zeigen. Eine Geschäftsbeziehung kann sich nur über einen längeren Geschäftskontakt zwischen Unternehmen etablieren.31 Die Suche nach Alternativen sollte nach THOMPSON die wichtigste Tätigkeit der Verhandlungsparteien in der Verhandlungsvorbereitung sein, muss jedoch vor der Verhandlung abgeschlossen sein.32 Da beide Strategien der Verhandlung zeitlich vorgelagert sind, determinieren sie die Ergebnisse der
27
28
29 30
31 32
Vgl. Reichheld, F.F./Sasser, W.E. (1990), S.105ff. Ihre Untersuchung betrachtet verschiedene Branchen im Konsum- und Industriegüterbereich. Vgl. auch Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.363. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.45; Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.48ff.; Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.104. Vgl. Thompson, L. (2005), S.152f. Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.110; McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986), S.234. Vgl. Plinke, W. (2000), S.41f. Vgl. Thompson, L. (2005), S.13ff. Weiter gibt sie die 80-20 Daumenregel aus: 80% der Arbeit für eine Verhandlung sollten in die Verhandlungsvorbereitung fließen, während die eigentlichen Verhandlungsanstrengungen nur 20% des zeitlichen Aufwandes darstellen.
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
8
Verhandlung nur indirekt: Sie stellen damit Rahmenparameter bzw. Kontextvariablen der eigentlichen Verhandlung dar. Inwieweit beide Strategien zu einem positiven ökonomischen Ergebnis des Anbieters beitragen und damit die Verhandlungen immanente Unsicherheit reduzieren, ist bislang nur unzureichend untersucht worden. Während zahlreiche Studien zu den Determinanten einer erfolgreichen Geschäftsbeziehung vorliegen, wurde die Wirkung einer Geschäftsbeziehung auf eine konkrete Transaktionsepisode zwischen Anbietern und Nachfragern von Industriegütern bisher nur selten betrachtet.33 Welchen grundsätzlichen Einfluss Geschäftsbeziehungen auf den Verlauf und das Ergebnis von Interaktionen zwischen den Geschäftspartnern ausüben, bleibt darüber hinaus unklar, wie die unterschiedlichen Ergebnisse von KAPITZA, KERN und THEILE in Bezug auf die Abschlusswahrscheinlichkeit der Interaktion zwischen einem Hersteller von Werkzeugmaschinen und seinen Kunden illustrieren.34 Studien zum Einfluss einer Geschäftsbeziehung gegenüber einer Einzeltransaktion auf die konkreten Verhandlungen einer Transaktionsepisode fehlen bislang vollständig.35 Dies gilt sowohl für die Auswirkungen einer Geschäftsbeziehung auf die Einigungswahrscheinlichkeit einer Verhandlung als auch auf den individuellen Gewinn des Anbieters, die Verhandlungszufriedenheit sowie die Verhandlungseffizienz.36 Ebenso liegen bisher keine Erkenntnisse darüber vor, wie eine Geschäftsbeziehung den Verhandlungsprozess an sich beeinflusst, ob sie also wirklich dazu führt, dass die Geschäftspartner kooperativer verhandeln, wie dies aufgrund der Eigenschaften von Geschäftsbeziehungen zu erwarten wäre.37 Die Betrachtung der Wirkung einer Geschäftsbeziehung (GB) gegenüber einer Einzeltransaktion (ET) auf Verhandlungsprozess und ergebnisse stellt somit eine grundlegende Frage zum Verständnis von Vermarktungsverhandlungen auf Industriegütermärkten dar.
33
34
35
36 37
Vgl. Backhaus, K./Büschken, J. (1997), S.23ff. Der Begriff der Transaktionsepisode schließt allerdings mehr ein als die Verhandlungen, die zu einem Abschluss führen, vgl. Abschnitt 2.1.2. Vgl. Kapitza, R. (1987), S.150ff.; Kern, E. (1990), S.192ff.; Theile, G. (2004), S.208ff. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.113. Im Ansatz von KUTSCHKER/KIRSCH (1978) wird zwar der Einfluss der organisationalen Transaktionserfahrung auf beschreibende Variablen des Verhandlungsprozesses untersucht, allerdings sollte dieses Konstrukt aufgrund der dort verwendeten Stichprobe nicht wie bspw. bei Theile, G. (2004), S.69, geschehen als Geschäftsbeziehung im hier gemeinten Sinne verstanden werden. Vgl. zum Begriff der Verhandlungseffizienz ausführlich 2.3.3. Vgl. Schurr, P.H./Ozanne, J.I. (1985), S.950.
Unsicherheitsreduzierende Strategien für Vermarktungverhandlungen
9
Die Wirkung einer guten BATNA auf die Verhandlungsergebnisse ist hingegen besser dokumentiert: Die Rolle der Verhandlungsmacht wurde bereits in zahlreichen Studien untersucht.38 Insbesondere ihre positive Wirkung auf den individuellen Gewinn der mit einer guten Alternative ausgestatteten Partei steht damit außer Frage. Allerdings ist auch hinsichtlich der Verhandlungsmacht weiterhin fraglich, wodurch diese im Verhandlungsprozess umgesetzt wird, wie also die Transformation des Machtvorteils in einen Ergebnisvorteil vonstatten geht. Die Umsetzung eines Machtvorteils in bessere Resultate stellt keinesfalls eine Selbstverständlichkeit dar, sondern muss sich ebenfalls im Verhandlungsprozess niederschlagen.39 Dabei ist zu beachten, dass die Anwendung von Machtpotenzialen häufig nicht nur die gewünschten Effekte nach sich zieht. Insbesondere ein erhöhtes Maß an Konflikt kann dabei ein unerwünschtes Nebenprodukt darstellen.40 Ob dieser Effekt auch in Verhandlungen auftritt, ist bislang umstritten: Während manche Untersuchungen anhand einer geringeren Verhandlungseffizienz bei Machtasymmetrien zwischen den Verhandlungsparteien eine solche Wirkung nachweisen, kommen andere Untersuchungen zum gegenteiligen Ergebnis.41 Neben der unzureichenden Auseinandersetzung der Industriegütermarketing-Forschung mit Strategien zur Senkung der verhandlungsimmanenten Unsicherheit vor der Verhandlung stehen auch die Untersuchung und das Verständnis der eigentlichen Verhandlungsinteraktion noch am Anfang: Zwar bilden die Kontextgrößen den Rahmen einer Verhandlungssituation, doch entscheidend für den Erfolg der Verhandlung ist die Interaktion „am Verhandlungstisch“ selbst.42 Nur wenn die Wirkungsweise bestimmter Verhaltens- und Interaktionsmuster in der Verhandlung besser verstanden wird, können Verhandelnde ihr eigenes Verhandlungs-
38
39 40 41
42
Vgl. bspw. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981); Komorita, S.S./Lapworth, C.W./Tumonis, T.M. (1981); Johnston, W.J./Bonoma, T.V. (1984); McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986); Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991); Olekalns, M. (1991); Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993); Mannix, E.A. (1993); Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994); White, S.B. et al. (1994); Pinkley, R.L. (1995); Kim, P.H. (1997); Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998); Arunachalam, Y. et al. (1998); Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000); Zwick, R./Weg, E. (2000); Kim, P.H. (1997). Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.105. Vgl. Frazier, G.L./Summers, J.O. (1986), S.175; Jung, S. (1999), S.162f. Vgl. McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986), S.235; Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.125, und Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.267. Dort wird eine geringere Verhandlungseffizienz bei Machtasymmetrie nachgewiesen, während das Gegenteil bei Roloff, M.E./Dailey, W.O. (1987), zitiert in Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.6, berichtet wird. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.176f.
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
10
verhalten verschiedenen Interaktionsverläufen flexibel anpassen, um die verfolgten Verhandlungs- und Unternehmensziele zu erreichen. Verhaltenswissenschaftliche Ansätze aus der Sozialpsychologie, der Soziologie und der Kommunikationswissenschaft greifen dieses Defizit der Untersuchung von Verhandlungen im Marketingbereich teilweise auf: Anhand von Inhaltsanalysen der Verhandlungsinteraktion konnten Verhaltensweisen der Verhandlungsteilnehmer identifiziert werden, die effiziente Verträge fördern oder behindern. Allerdings liegen bisher kaum Arbeiten vor, die untersuchen, wie bestimmte Kontextparameter – z.B. das Vorhandensein einer GB oder eine gute BATNA – durch die Verhandlungsinteraktion in die jeweiligen Verhandlungsergebnisse transformiert werden.43 Insbesondere Untersuchungen zur Frage, wie sich Kontextvariablen mittels der Verhandlungsinteraktion auf den individuellen Gewinn einer Partei auswirken, fehlen für den einfachsten Fall einer dyadischen Verhandlung bislang praktischvöllig.44 Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Wirkungen zweier wichtiger Strategien zur Reduzierung der Unsicherheit und der Verbesserung der eigenen Verhandlungsergebnisse von Verhandlungen auf Industriegütermärkten, der Auf- und Ausbau von GBen sowie das Entwickeln von Alternativen, bislang unzureichend untersucht wurden. Aufgrund ihrer Bedeutung für den Verhandlungsprozess und damit indirekt für die Verhandlungsgewinne und die Verhandlungszufriedenheit der Geschäftspartner muss ihre nähere Untersuchung als dringend geboten angesehen werden. Darüber hinaus kann nur die Analyse der Verhandlungsinteraktion weitere Hinweise liefern, welche Strategien und Verhaltensmuster in einer Verhandlung dazu beitragen, Vermarktungsverhandlungen zu einem positiven Abschluss zu führen.
43
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Am häufigsten wurde die soziale Orientierung von Verhandelnden (egoistisch vs. kooperativ) als eine solche Kontextvariable betrachtet. Vgl. Anhang 2. Vgl. den Überblick in Anhang 2. Nur in der Untersuchung von Kern, M.C./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2005) wurde der Einfluss der sozialen Orientierung auf die individuellen Gewinne einer Mehrparteienverhandlung untersucht.
Zielsetzung und Gang der Arbeit
1.3
11
Zielsetzung und Gang der Arbeit
Trotz der Bedeutung von Verhandlungen als der zentralen Interaktionsform zwischen Anbietern und Nachfragern von Industriegütern ist deutlich geworden, dass die Untersuchung von unsicherheitsreduzierenden Strategien vor Verhandlungsbeginn sowie die Analyse der tatsächlichen Interaktion in Vermarktungsverhandlungen erheblichen Forschungsbedarf aufweist. In dieser Untersuchung soll folglich der zentralen Frage nachgegangen werden, wie sich die zwei Kontextvariablen Verhandlungsmacht und GB mittels der Verhandlungsinteraktion auf die Verhandlungsergebnisse auswirken. Dazu bieten sich zwei Vergleiche an: Einerseits soll eine gute mit einer schlechten Alternative des Anbieters verglichen werden, andererseits Verhandlungen, die in einer ET bzw. einer GB stattfinden. Den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit stellen somit die Verhandlungsaktivitäten zwischen Anbietern und Nachfragern von Industriegütern dar. Die Untersuchung grenzt sich folglich einerseits von den Interaktionsmodellen mit einem weiteren Fokus ab, der auf die gesamte Transaktionsepisode oder gar mehrere Episoden einer GB gerichtet ist.45 Andererseits handelt es sich bei der vorliegenden Arbeit nicht um eine kontextunabhängige Untersuchung im Sinne der sozialpsychologischen bzw. soziologischen Verhandlungsforschung. Trotz des zentralen Untersuchungsgegenstandes Vermarktungsverhandlung soll die Betrachtung der Größe GB vs. ET und ihres Einflusses auf die Verhandlung auch einen Beitrag zur Geschäftsbeziehungsforschung leisten. Diese Betrachtung soll der Forderung von BACKHAUS/VOETH nachkommen, zu ergründen, „welche Grundsatzwirkung Geschäftsbeziehungen im Zusammenhang mit Interaktionsprozessen entfalten.“46 Ebenso verspricht die Untersuchung der Verhandlungsinteraktion und ihres Einflusses auf die Verhandlungsergebnisse einen Beitrag zur verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung zu leisten, der auch in Kontexten außerhalb des Industriegütermarketings von Bedeutung ist. Die simultane Betrachtung von Kontextvariablen, die den Rahmen einer Vermarktungsverhandlung bilden, und dynamischer Größen der Verhandlungsinteraktion hat zum Ziel, einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis des Zustandekommens von Verhandlungs-
45 46
Vgl. zu solchen Interaktionsmodellen im Überblick Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.105ff. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.113.
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
12
ergebnissen zu leisten. Bisher sind Verhandlungen von wissenschaftlicher Seite allzu oft als „Black Box“ behandelt worden, so dass zwar Wirkungen von Kontextgrößen auf Verhandlungsergebnisse festgestellt werden konnten, die Frage nach dem „Wie?“ jedoch zu einem großen Teil unbeantwortet geblieben ist.47 Mit dem zu ergründenden Verständnis für die Mechanismen, die Rahmenbedingungen in Verhandlungsergebnisse umsetzen, sollen im Anschluss konkrete Gestaltungsmöglichkeiten für die Verhandlungsinteraktion in der unternehmerischen Praxis abgeleitet werden. Das wissenschaftstheoretische Hauptaugemerk dieser Arbeit liegt folglich auf der Erklärungsdimension.48 Mithilfe von theoretischen Vorüberlegungen, die auch eine Beschreibung der wichtigsten Merkmale von Verhandlungen im Industriegütermarketing beinhalten, sollen Hypothesen über die vermuteten Wirkzusammenhänge gebildet und empirisch getestet werden. Die Arbeit ist also in erster Linie auf die Theorieprüfung hin ausgerichtet und hat somit konfirmatorischen Charakter. Die sich anschließende normative Zielsetzung liegt darin, aus den gefundenen Zusammenhängen Handlungsempfehlungen für Verhandlungspraktiker abzuleiten. Aus der Zielsetzung der Arbeit ergibt sich der in Abbildung 1 dargestellte Aufbau. Im Anschluss an diese Einleitung wird in Kapitel 2 der Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung konkretisiert. Als ein erster Schritt ist dazu nach der grundlegenden und kontextunabhängigen Charakterisierung einer Verhandlungssituation die Beschreibung von Vermarktungsverhandlungen hinsichtlich ihrer zeitlichen Einbettung in den Vermarktungsprozess, der beteiligten Organisationen und ihrer inhaltlicher Charakteristika notwendig. Mit der Wahl einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungsperspektive kann in einem zweiten Schritt das Untersuchungsvorgehen vorgestellt werden. Insbesondere wird dazu die Modellierung von Verhandlungssituationen erörtert und in einem dritten Schritt ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell vorgestellt, das als Bezugrahmen der eigenen Untersuchung dient.
47
48
Vgl. Putnam, L.L./Roloff, M.E. (1992), S.8. Vgl. auch Rinehart, L.M./Page, T.J.J. (1992), S.28; Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.57; Graham, J.L. (1986), S.561; und Graham, J.L. (1985), S.143. Zielsetzungen in den analytischen Wissenschaften lassen sich in deskriptive, explikative und normative Aussagen unterteilen. Vgl. zum Begriff der „analytical science“ und dessen Abgrenzung zum Begriff der „design science“ Klabbers, J.H.G. (2006), S.155ff.
Zielsetzung und Gang der Arbeit
13
Kapitel 1
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing 1.1 Verhandlungen als zentraler Schritt bei der Vermarktung von Industriegütern 1.2 Relevanz der Verhandlungsinteraktion zum Verständnis der Wirkung von Kontextgrößen auf Verhandlungsergebnisse 1.3 Zielsetzung und Gang der Arbeit Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
Kapitel 2
2.1 Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing 2.2 Wahl einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungsperspektive 2.3 Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung 2.4 Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung 2.5 Zwischenfazit und Implikationen für die weitere Untersuchung
Kapitel 3
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells 3.1 Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
3.2 Macht in Vermarktungsverhandlungen
3.3 Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
3.4 Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung - das Hypothesengerüst
Kapitel 4
Forschungsmethodik und Ergebnisse 4.1 Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung 4.2 Kodierung des Verhandlungsverhaltens 4.3 Ergebnisse und Hypothesenprüfung
Kapitel 5
Fazit und Ausblick 5.1 Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse aus wissenschaftlicher und praktischer Perspektive 5.2 Ansatzpunkte weiterführender Forschung
Abbildung 1:
Aufbau der Arbeit.
Dieses Verhandlungsmodell wird in Kapitel 3 auf die hier verfolgte Fragestellung angepasst: In Abschnitt 3.1 wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die Art der Marktpartnerschaft (ET vs. GB) auf den Verhandlungsprozess und die Verhandlungs-
14
Bedeutung von Verhandlungen im Industriegütermarketing
ergebnisse erwarten lässt. Anschließend wird als zweiter Kontextfaktor die MachtAbhängigkeitsrelation zwischen den Parteien betrachtet, die sich in Verhandlungen in erster Linie durch die respektiven BATNAs der Parteien konstituiert. Mit der Erörterung von kognitiven Prozessen der Verhandelnden und der Betrachtung der Verhandlungsinteraktion in Abschnitt 3.3 sind alle Grundlagen vorhanden, um im darauf folgenden Unterkapitel 3.4 die gesamten theoretisch erwarteten Wirkungsbeziehungen zur Erklärung der Verhandlungsergebnisse zu formulieren. Die darin gebildeten Hypothesen werden in Kapitel 4 empirisch überprüft. Da Verhandlungsprozesse in der Realität nicht in ausreichender Anzahl der Analyse zugänglich sind, wird ein experimentelles Verfahren als Untersuchungsmethode gewählt. Dessen Kernstück, die Rollenspiel-Simulation ALUVAN 2006, wird in Abschnitt 4.1 dargestellt. Zur Analyse der Verhandlungsinteraktion wird eine Inhaltsanalyse eingesetzt, deren Methodik und Durchführung Gegenstand des darauf folgenden Unterkapitels ist. Den Auswertungs- und Ergebnisteil bildet Abschnitt 4.3: Nach einer deskriptiven Analyse der Simulationsergebnisse erfolgt in einem zweiten Schritt die varianzanalytische Untersuchung der Effekte von experimentell manipulierten Kontextgrößen auf die Verhandlungsergebnisse. Ein PLSPfadmodell bildet den zentralen Erkenntnisteil der Arbeit: Zum ersten Mal werden Kontextgrößen (Verhandlungsmacht, ET und GB), dynamische Größen der Verhandlung (Kognitionen und Interaktionen) und die wichtigsten Ergebnisvariablen von Verhandlungen (individuelle Verhandlungsgewinne, Effizienz und Zufriedenheit) in einem holistischen Modell untersucht. Das abschließende fünfte Kapitel fasst die Ergebnisse und Grenzen der Untersuchung und ihre Bedeutung aus wissenschaftlicher und praktischer Sicht zusammen und diskutiert Ansatzpunkte für weiterführende Forschungsfragestellungen.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
2
15
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
2.1
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im
Industriegütermarketing Anders als im Konsumgüterbereich kommt es bei der Vermarktung der meisten Industriegüter zu einer Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager, die sich nicht ausschließlich in der Dichotomie Kauf vs. Nichtkauf bei feststehenden Angebotsmerkmalen (Preis und Produkt) äußert. Somit stellen Verhandlungen zwischen Anbieter und Nachfrager einen der wichtigsten Transaktionsmechanismen bei der Vermarktung von Industriegütern dar.49 Um Verhandlungsprozess und -ergebnis solcher Vermarktungsverhandlungen besser erklären zu können, wie es dem Ziel dieser Arbeit entspricht, ist die Abgrenzung und Präzisierung des Untersuchungsobjektes „Vermarktungsverhandlung“ notwendig. Es bietet sich dazu an, ausgehend von den grundlegenden Eigenschaften einer Verhandlung Vermarktungsverhandlungen hinsichtlich ihrer zeitlichen Einordnung in den Vermarktungsprozess, den daran beteiligten Parteien und den behandelten Inhalten zu charakterisieren. 2.1.1
Verhandlungen als interdependeter Entscheidungsprozess zum Ausgleich konfliktärer Interessen
Obgleich es in der Literatur unterschiedliche Auffassungen gibt, was genau unter einer Verhandlung zu verstehen ist,
50
haben die meisten Definitionen einen gemeinsamen Kern.
Nach RUBIN/BROWN sind Verhandlungen „(...) the process whereby two or more parties attempt to settle what each shall give and take, or perform and receive, in a transaction between them.”51 RAIFFA fügt diesem Verständnis hinzu, dass die an einer Verhandlung 49
50
51
Vgl. Voeth, M./Rabe, C. (2004), S.1017. Daneben werden als Transaktionsmechanismen für Industriegüter auch Kataloge, Auktionen und Börsen genannt, mit deren Hilfe ein feststehendes Kernprodukt vermarktet wird, und die insbesondere mit der zunehmenden Nutzung des Internets an Bedeutung gewonnen haben. Vgl. Backhaus, K. (2003), S.30ff. Im Englischen werden die Begriffe negotiation oder bargaining verwendet. Die englischen Bezeichnungen seien an dieser Stelle explizit genannt, da der weitaus größte Teil der Verhandlungsforschung in englischer Sprache publiziert wurde. Die meisten Autoren verwenden die Begriffe negotiation und bargaining synonym, wenngleich dem Begriff negotiation eher die Konnotation eines formalen Prozesses zur Lösung eines Konflikts zwischen sozialen Gruppen anhängt, während bargaining eher mit dem Feilschen bspw. beim Gebrauchtwagenkauf oder auf einem Flohmarkt verbunden wird. Vgl. dazu Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.3 sowie Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.2. Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.2.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
16
beteiligten Parteien erkennen, „that differences of interest and values exist among them.“52 Dieser Auffassung folgen auch LAX/SEBENIUS, die Verhandlungen als „a process of potentially opportunistic interaction by which two or more parties, with some apparent conflict, seek to do better through jointly decided action than they could otherwise”53 sehen. Deutlich wird hierbei die Erwartung einer Besserstellung beider Parteien durch die Verhandlungen gegenüber einem getrennten Vorgehen, bei dem die Parteien ihre Alternativen wahrnehmen müssten, sowie ihre gegenseitige Beeinflussung. Die Definition von PRUITT/ CARNEVALE integriert die Ziele und die Kommunikation der Verhandlungsparteien: „Negotiation [...] can be defined as a discussion between two or more parties aimed at resolving incompatible goals.“54 Die Beziehung zur unabhängigen Entscheidungsfindung stellt THOMPSON her: „Negotiation is an interpersonal decision-making process necessary whenever we cannot achieve our objectives single-handedly.“55 Folgende grundlegende Merkmale zeichnen eine Verhandlung demnach aus: x
Zu einer Verhandlung werden mindestens zwei Parteien benötigt. Es handelt sich also je nach Zusammensetzung der Verhandlungsparteien um einen interpersonalen oder Intergruppenprozess.56
x
Die Parteien sind in einer Verhandlung voneinander abhängig oder interdepedent. Die Möglichkeit des Alleingangs einer Partei bei ähnlichen erwarteten Kosten oder Erträgen ist somit eingeschränkt.57 Keine Partei kann sich ohne die andere wirksam für ein bestimmtes Abkommen entscheiden.
x
In den wenigsten Fällen müssen Parteien miteinander verhandeln. Handelt es sich um freiwillige Verhandlungen, so erwarten die beteiligten Parteien, dass die Möglichkeit besteht, sich durch die Verhandlungen und deren Ergebnis besser zu stellen als ohne sie.58
52 53 54 55 56 57 58
Raiffa, H. (1982), S.7. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.11. Pruitt, D.G./Carnevale, P.J.D. (1993), S.xv. Thompson, L. (2005), S.2. Vgl. Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.6; Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.4. Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.7; Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.7. Vgl. Kutschker, M. (1972), S.237; Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.7.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
x
17
Verhandlungen sind dann notwendig, wenn zwischen den Parteien ein Interessenskonflikt besteht.59 Würde kein wahrgenommener Interessenskonflikt zwischen den Parteien bestehen und beide verfolgten die gleichen Interessen, wäre keine Verhandlung notwendig, sondern ausschließlich die Koordination der gemeinsamen Interessen.60
x
Eine Verhandlung besteht zur Herbeiführung eines Abkommens, also einer einvernehmlichen, interdependenten Entscheidung, aus Forderungen und Angeboten, die beide Parteien machen, um den wahrgenommenen Interessenskonflikt zu lösen.61 Dabei werden von beiden Seiten Konzessionen erwartet, um zu einem Interessenausgleich und somit zu einem für beide Seiten akzeptablen Abkommen zu gelangen.62
x
Verhandlungen werden geführt, um den eigenen Nutzen aus den Konsequenzen eines möglichen Abkommens zu maximieren.63 Daher ist in Verhandlungen mit gegenseitigen Beeinflussungsversuchen und opportunistischer Interaktion zu rechnen.64 Die Parteien versuchen also, durch die Verhandlung die jeweils andere Partei in einer Weise zu beeinflussen, dass diese mehr zu geben bereit ist, als sie das freiwillig wäre.65
Für den weiteren Verlauf der Arbeit sei eine Verhandlung wie folgt definiert: Eine Verhandlung ist eine Interaktion zwischen mindestens zwei Parteien, die im Rahmen einer gemeinsamen Entscheidungsfindung durch den Austausch von Angeboten und Informationen versuchen, zu einem gegenseitigen Abkommen über den Ausgleich gegensätzlicher Interessen zu gelangen, von dem sie erwarten, dass es gegenüber ihren jeweiligen Alternativen einen größeren Nutzen bringt.
59
60 61 62 63
64
65
Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.8; Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.6; Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.4; Pruitt, D.G./Carnevale, P.J.D. (1993), S.2. Vgl. Koch, F.-K. (1987), S.87. Vgl. Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S.14. Vgl. Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.5. Von Scheinverhandlungen, die den Abbruch der Verhandlungen durch eine Partei zum Ziel haben, sei an dieser Stelle abgesehen. Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.10. Die Autoren verstehen darunter strategisches Verhalten im spieltheoretischen Sinne. Jede Partei bezieht bis zu einem gewissen Grad die Handlungen der anderen in ihr eigenes Kalkül mit ein und geht davon aus, dass die andere Partei dasselbe tut. Dies muss nicht die Form von Ablenkungs- und Täuschungsmanövern annehmen, kann sich aber bspw. in Form von Informationszurückhaltung äußern. Vgl. auch Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.81. Vgl. Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.4.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
18
2.1.2
Verhandlungen im Ablauf des Vermarktungsprozesses von Industriegütern
Zur Eingrenzung des Untersuchungsobjektes „Vermarktungsverhandlung“ reicht die formale Definition einer Verhandlung nicht aus. Neben der inhaltlichen und organisationalen Charakterisierung bedarf es einer zeitlichen Konkretisierung der Vermarktungsverhandlung und somit einer Einordnung in den Vermarktungsprozess von Industriegütern. Berücksichtigt man die konstituierenden Kriterien einer Verhandlung, so zeigt sich, dass die Verhandlungsphase bestehender Phasenmodelle des Vermarktungsprozesses von Industriegütern nicht ausreichend ist,66 um sämtliche Merkmale einer Verhandlung zu erfassen. Unter dem Gesichtspunkt der konstituierenden Charakteristika einer Verhandlung, wie sie im vorherigen Abschnitt dargestellt wurden, muss bei einer Abgrenzung der Verhandlungssituation von anderen Prozessschritten im Vermarktungsprozess der Beginn der Verhandlungssituation gegenüber den bestehenden Phasenmodellen von BACKHAUS/GÜNTER, KOCH und UTIKAL früher im Prozess festgelegt werden, wie in Abbildung 2 dargestellt.
Backhaus/ Günter (1976)
Koch (1987)
Voranfragephase / Problemerkennung
Angebotsstellungsphase
Kundenverhandlungsphase
Abwicklungsphase
endet mit Vorstudie
endet mit Angebot
endet mit Vertrag
endet mit Abnahme
Voranfragephase
Angebotserstellungsphase endet mit Angebotsabgabe
Kundenverhandlungsphase endet mit Auftragseingang
endet mit Anfrage / Ausschreibung
Anbahnungsphase Utikal (2001) endet mit Angebotsabgabe
Geiger (2007)
Voranfrage- und Anbahnungsphase endet mit Problemdefinition
Kundenverhandlungsphase endet mit Auftragseingang
Verhandlungsphase endet mit Vertragsabschluss bzw. Verhandlungsabbruch
Gewährleistungsphase endet mit Ende Gewährleistungsfrist
Projektabwicklungs- und Gewährleistungsphase endet mit Ende Gewährleistungsfrist Abwicklungsphase endet mit Vertragserfüllung Abwicklungs- und Gewährleistungsphase endet mit Vertragserfüllung
Zeit
Abbildung 2:
66
Verhandlungsphase in ausgewählten Phasenmodellen des Vermarktungsprozesses von Industriegütern.
Zu einer Übersicht von Phasenmodellen der Vermarktung von Industriegütern vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.45.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
19
In diesen Modellen beginnt die Verhandlungsphase mit dem Angebotseingang des Anbieters beim Nachfrager.67 Diese temporale Definition hat zwar den Vorteil, dass eine klare Abgrenzbarkeit der einzelnen Phasen gegeben ist; aus einer Verhandlungsperspektive übergeht sie allerdings, dass viele Aktivitäten vor der Angebotsabgabe durch den Anbieter bereits den Charakteristika einer Verhandlung entsprechen: Der Informationsaustausch zwischen Anbieter und Nachfrager über die zu erstellende Problemlösung ist nicht frei von Beeinflussungsversuchen; Forderungen nach bestimmten technologischen oder kommerziellen Spezifikationen des Austauschgegenstandes stellen aus einer Verhandlungsperspektive bereits Angebote dar, die die weitere Verhandlungsinteraktion beeinflussen.68 Daher ergibt sich für den weiteren Verlauf der Arbeit die in Tabelle 1 dargestellte zeitliche Einordnung der Verhandlungsphase im Vermarktungsprozess. Eine Transaktionsepisode beginnt mit der Voranfrage- und Anbahnungsphase. Sie fängt mit der Kontaktaufnahme zwischen beiden Parteien an und endet mit der Definition des Kundenproblems.69 Auf Anbieterseite fokussieren sich die Aktivitäten in dieser Phase auf die Kundenakquisition, die sich in der Kontaktaufnahme, der Kundenberatung und der Erfassung des Kundenproblems manifestiert. Beim Nachfrager steht die Bedarfsermittlung im Fokus der Aktivitäten, die sich aus der Problemerkennung sowie der Prüfung grundsätzlicher Realisierungsmöglichkeiten konstituiert.70 Die Interaktionen der Parteien beschränken sich auf den Informationsaustausch zur Definition des Kundenproblems. Die Kontaktaufnahme kann von beiden Seiten erfolgen. Hingewiesen sei an dieser Stelle darauf, dass i.d.R. sowohl Anbieter als auch Nachfrager diese Aktivitäten mit jeweils mehreren anderen Anbietern und Nachfrager durchlaufen, obwohl hier zur vereinfachten Darstellung nur eine AnbieterNachfrager-Interaktion betrachtet wird.
67
68
69
70
Vgl. Backhaus, K./Günter, B. (1976), S.257ff.; Koch, F.-K. (1987), S.56ff.; Utikal, H. (2001), S.42f. Zu einer weiteren Darstellung des industriellen Vermarktungsprozesses vgl. Unterschütz, A. (2004), S.18; Lichtenau, T. (2005), S.11ff. Zum Bedeutungsinhalt des Begriffs „Angebot“ aus verhandlungsanalytischer Perspektive vgl. Abschnitt 3.3.3.1.2. Sie entspricht damit der Voranfragephase bei Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.46, und Koch, F.-K. (1987), S.56. Zu den Aktivitäten in dieser Phase vgl. Robinson, P.J./Faris, C.W./Wind, Y. (1967), S.13ff.; Backhaus, K./Günter, B. (1976), S.265f.; Gemünden, H.-G. (1981), S.30f.; Koch, F.-K. (1987), S.57; Kern, E. (1990), S.63ff.; Utikal, H. (2001), S.41.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
20
Anbieteraktivitäten
Unternehmensübergreifende Interaktionen
Nachfrageraktivitäten
Voranfrage- und Anbahnungsphase (bis zur Problemdefinition) Kundenakquisition • Kontaktaufnahme • Kundenberatung/Vorstudie • Erfassung des Kundenproblems
Informationsaustausch zur Definition des Kundenproblems
Bedarfsermittlung • Problemerkennung • Prüfung grundsätzlicher Realisierungsmöglichkeiten
Verhandlungsphase (bis zum Vertragsabschluss bzw. Verhandlungsabbruch) Anfragenselektion Angebotserstellung • Konzeption eines zur Problemlösung geeigneten Gesamtpakets (technische Konzeption, Produkt begleitende Dienstleistungen) • Kaufmännische und rechtliche Angebotserstellung • Lieferzeitplanung Vertragsaushandlung
Formulierung der Anfrage Klärung von Rückfragen bei Angebotserstellung Einigung oder Nichteinigung über • Technische Leistungsmerkmale und Umfang des Gesamtpakets • Auftragsmodalitäten (ökonomische und rechtliche Konditionen)
Erstellung von Anfragen Anbietervorauswahl • Angebotsbeurteilung • Angebotsvergleich
Vertragsaushandlung
Abwicklungs- und Gewährleistungsphase (bis zur Vertragserfüllung) Auftragsbearbeitung Technische und kaufmännische Konkretisierung und Umsetzung der Problemlösung Auslieferung, Installation, Montage After-Sales-Betreuung
Tabelle 1:
Informationsaustausch zur Abstimmung der Anbieter- und Nachfrager-Aktivitäten im Rahmen der • Leistungserstellung • Lieferung/Montage • Qualifizierung/Abnahme • Abwicklung von Gewährleistungsansprüchen • mögliche Nachverhandlungen
Ggf. Unterstützung der Leistungserstellung des Anbieters Nutzung der Leistung
Verhandlungsphase im Vermarktungsprozess von Industriegütern.71
Hat der Anbieter das Kundenproblem erkannt und der Nachfrager den Eindruck, dass der Anbieter zur Lösung seines Problems in Frage kommt, so beginnt die Verhandlungsphase. Häufig erstellt der Nachfrager dazu eine offizielle Anfrage, die der Anbieter mit anderen Anfragen, die ihm vorliegen, vergleicht und die vielversprechendsten weiter verfolgt.72 Erachtet er die vorliegende Anfrage als interessant, so formuliert er in Rücksprache mit dem
71 72
Darstellung in Anlehnung an Utikal, H. (2001), S.42. Diese Anfrage des Nachfragers kann im verhandlungsanalytischen Sinn bereits ein Angebot darstellen, da darin bereits Vorschläge zur konkreten Lösung des Kundenproblems enthalten sind. Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 3.3.3.1.2.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
21
Nachfrager ein formelles Angebot, das sowohl technische als auch ökonomische Aspekte beinhaltet. Sowohl bezüglich der genauen Formulierung der Anfrage als auch hinsichtlich der Ausgestaltung des Angebots kommt es je nach den situativen Rahmenbedingungen, wie etwa der technischen Komplexität der Leistung oder ihrem Individualisierungsgrad, zu einem mehr oder weniger intensiven unternehmensübergreifenden Abstimmungsprozess.73 Nach der Abgabe des Angebots durch den Anbieter erfolgt eine Angebotsbeurteilung durch den Nachfrager, an die sich im Falle der positiven Evaluation des Angebots die Vertragsaushandlung anschließt. In dieser intensiveren Phase der Verhandlung (in den Phasenmodellen von BACKHAUS/GÜNTER, KOCH und UTIKAL wird nur diese Phase als Verhandlungsphase bezeichnet) werden auf Basis des formellen Angebots die von beiden Parteien zu erbringenden Leistungen und Gegenleistungen konkretisiert und bei einer Einigung darüber häufig formaljuristisch festgehalten.74 Damit ist die Verhandlungsphase beendet. Können sich die Parteien nicht einigen, so ist die Verhandlungsphase ebenfalls beendet; es kommt jedoch zu keiner Transaktion.75 Bei einer Einigung wird in der Abwicklungs- und Gewährleistungsphase die vereinbarte Leistung durch den Anbieter erbracht, indem die Leistung technisch konkretisiert, d.h. geliefert, installiert oder montiert wird. Teilweise muss der Nachfrager ihn dabei unterstützen, etwa bei der Erstellung großer Industrieanlagen, bei denen der Auftraggeber Mitwirkungspflichten zu erfüllen hat.76 Im Rahmen der Abwicklung des Geschäfts finden ebenfalls Abstimmungen zwischen den Parteien statt; sie dienen nun allerdings der Implementierung der geschlossenen Vereinbarung. Bei unvorhergesehenen Ereignissen oder bei kontingenten Verträgen,77 die bei
73
74
75 76
77
Vgl. Utikal, H. (2001), S.41. Diese Abstimmungsprozesse zählen aus einer verhandlungsanalytischen Perspektive zum Informationsaustausch über Positionen und Präferenzen sowie zum Informationsaustausch über Prioritäten. Vgl. Abschnitte 3.3.3.1.1 und 3.3.3.2.1. In andauernden GBen muss dies nicht immer der Fall sein. Vgl. bspw. die Fallstudien bei Seidel, J.-M. (2006), S.39ff. Vgl. Koch, F.-K. (1987), S.58. Es kann sich dabei u.a. um die Erledigung von Genehmigungsverfahren oder den Ausbau der zur Erstellung der Anlage erforderlichen Infrastruktur handeln. Unter einem kontingenten Vertrag wird ein Vertrag verstanden, der nicht alle vorzunehmenden Handlungen determiniert, sondern Bedingungen aufführt, deren Eintreffen gewisse Konsequenzen nach sich zieht. Vgl. Thompson, L. (2005), S.182ff.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
22
zunehmender technischer Komplexität der Leistung zu erwarten sind, kann es auch zu Nachverhandlungen über die Implementierung des eigentlichen Vertrages kommen.78 Der hier dargestellte Phasenablauf des Vermarktungsprozesses eines Industriegutes stellt ein generisches Modell dar, das auf viele Vermarktungssituationen Anwendung finden kann. Es weist hingegen keinen umfassenden Allgemeingültigkeitsanspruch auf, da die Vermarktungsprozesse von Industriegütern zu heterogen sind.79 Hinsichtlich der zeitlichen Dimension der Vermarktungsprozesse unterschiedlicher Industriegüter schlägt sich diese Heterogenität unter der hier betrachteten Zielsetzung insbesondere in der Dauer, Intensität und Ausgestaltung der Verhandlungsphase nieder.80 2.1.3
Organisationaler Charakter von Vermarktungsverhandlungen
Neben der zeitlichen Dimension unterscheiden sich Vermarktungsverhandlungen auch hinsichtlich der daran beteiligten Parteien. Je nach Art der Leistung können auf Anbieter- und Kundenseite mehrere Organisationen an den Verhandlungen beteiligt sein, so dass neben den Verhandlungen zwischen Anbieter- und Kundenseite (Kundenverhandlungen) auch Verhandlungen zwischen den anbietenden bzw. nachfragenden Organisationen und innerhalb der jeweiligen Organisationen auftreten, die wiederum die Kundenverhandlung beeinflussen können. Eine solche Verhandlungshierarchie wird von KOCH thematisiert und in Abbildung 3 dargestellt. Neben den anbietenden und nachfragenden Unternehmen können insbesondere bei der Vermarktung von industriellen Großanlagen Beratungsunternehmen (etwa beratende Ingenieursgesellschaften), Finanz- und Versicherungsinstitutionen sowie staatliche Behörden an den anbieter- und nachfragerinternen Verhandlungen teilnehmen.81 Unternehmensinterne Verhandlungen über die Vermarktung bzw. die Beschaffung von Industriegütern finden zwischen unterschiedlichen Abteilungen und Personen der an den Vermarktungsverhandlungen beteiligten Unternehmen statt. Diese Interaktionen sind in Studien zum Buying
78 79 80
81
Diese Nachverhandlungen sind in dieser Arbeit jedoch nicht Gegenstand der Analyse. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.181. Zur Ausgestaltung der Verhandlungsinteraktion vgl. das Beispiel bei Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.384. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.307ff.; Koch, F.-K. (1987), S.62ff; Engelhardt, W.H./Günter, B. (1981), S.109ff.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
23
und Selling Center bereits vielfach untersucht worden.82 Sie finden statt, da unterschiedliche Abteilungen und Funktionsträger eines Unternehmens teilweise unterschiedliche Ziele verfolgen und ihr Auftreten nach außen hin abstimmen müssen. Anbieterseite
Nachfragerseite Anbieter 2
Anbieter 1 P
P
P
P
P
P
UiV
Beratungsunternehmen
Nachfrager P
P
P
UiV
P
P
UiV
P
P
UiV
Staatliche Behörde
Beratungsunternehmen P
P
P
P
P
UiV
Anbieterinterne Verhandlungen
UiV
Nachfragerinterne Verhandlungen
Kundenverhandlungen P
Einzelne Personen
Abbildung 3:
UiV : Unternehmensinterne Verhandlungen
Verhandlungshierarchie bei Vermarktungsverhandlungen.83
Sowohl die anbieter- und nachfragerseitigen Verhandlungen zwischen beteiligten Unternehmen als auch die jeweils unternehmensinternen Verhandlungen, die mit zunehmender Komplexität des Industriegutes notwendig werden, lassen einen Einfluss auf die Verhandlung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite erwarten. Ob die Kundenverhandlungen dadurch jedoch eher konfliktträchtiger oder eher unproblematischer werden, ist nicht ohne Weiteres zu klären.84 Da in dieser Arbeit die Kundenverhandlungen im Zentrum des Interesses stehen, wird diese Problematik im weiteren Verlauf ausgeblendet. Wenn somit nachfolgend vom Anbieter bzw. Nachfrager die Rede ist, so wird darunter eine anbieter- und
82
83 84
Vgl. bspw. die Arbeiten von Johnston, W.J./Bonoma, T.V. (1981); Hutt, M.D./Johnston, W.J./Ronchetto, J. (1985) und Venkatesh, R./Kohli, A.K./Zaltman, G. (1995). Zu einer Übersicht von Buying Center-Konzepten vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.46ff. In Anlehnung an Koch, F.-K. (1987), S.62. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.12. Es ist einerseits denkbar, dass der erwartete Verlauf einer Kundenverhandlung eine disziplinierende Wirkung auf anbieterseitige Verhandlungen besitzt, da sie die Anbieter-Parteien dazu bringt, nach außen hin an einem Strang zu ziehen, um gegenüber möglichen Wettbewerbern zu bestehen. Vgl. Voeth, M./Rabe, C. (2004), S.1017. Andererseits können jedoch auch anbieter- oder nachfragerinterne Konflikte die Konfliktträchtigkeit der Kundenverhandlungen erhöhen.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
24
nachfragerseitige Personengruppe verstanden, die mit ihrem Wissen und ihren Befugnissen in der Lage ist, die Transaktion zu beschließen, unabhängig davon, ob sich dahinter im Einzelfall eine personal-dyadische oder eine multiorganisational-dyadische Kundenverhandlung verbirgt. 2.1.4
Inhaltliche Charakteristika von Vermarktungsverhandlungen
Vermarktungsverhandlungen zeichnen sich neben der zeitlichen und organisationalen auch durch eine inhaltliche Vielfalt aus. Während bei routinemäßigen Zulieferverhandlungen möglicherweise nur der Preis und die Menge einer genau definierten Zulieferleistung verhandelt werden, sind die Freiheitsgrade, also die nicht von vornherein festgelegten und damit frei gestaltbaren technologischen, kaufmännischen und juristischen Optionen, bei der Verhandlung eines Anlagenvertrags für ein Großkraftwerk nahezu unbegrenzt. Dennoch ist eine Verhandlung zur Vermarktung eines Industriegutes grundsätzlich dadurch geprägt, dass Leistung und Gegenleistung verhandelt werden. In den meisten Fällen spielt daher der Preis einer Leistung als zu erbringender monetärer Gegenwert eine dominante Rolle in einer Vermarktungsverhandlung.85 Doch auch die Liefermenge, Liefertermine, die technologische Gestaltung von Produkten, Garantien, Umfänge von Nebenleistungen, Haftungsumfang, Vertragsgestaltung, Nachbesserung, Zahlungsbedingungen, Verpackungen, Logistikarrangements oder Lagerbestände treten als Themenkomplexe in Vermarktungsverhandlungen auf Industriegütermärkten in Erscheinung.86 Eine von Überlegungen der technologischen Freiheitsgrade der Leistung geleitete Einteilung von Vermarktungsverhandlungen nimmt KOCH durch die Konkretisierung der Überlegungen von MINTZBERG/RAISINGHANI/THÉORÊT vor.87 Er unterscheidet folgende Situationen:
85
86
87
In der Felderhebung von Kutschker, M./Kirsch, W. (1978) stellte sich der Preis als das Verhandlungsthema mit der höchsten Konfliktträchtigkeit heraus (S.53). Vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.53; Perdue, B.C. (1988), S.1; Perdue, B.C./Summers, J.O. (1991), S.176ff; Alexander, J.F./Schul, P.L./McCorkle, D.E. (1994), S.25. Zu weiteren Verhandlungsgegenständen in Vermarktungsverhandlungen im Konsumgüterbereich vgl. Pennington, A.L. (1969), S.257; zu Verhandlungen im Vertriebskanal vgl. Eliashberg, J. et al. (1986), S.101. Vgl. Mintzberg, H./Raisinghani, D./Théorêt, A. (1976), S.251; Koch, F.-K. (1987), S.86; auch Gemünden, H.-G. (1981), S.37.
Vermarktungsverhandlungen als Transaktionsmechanismus im Industriegütermarketing
x
25
In „solution given“-Verhandlungen steht die technologische Lösung des Kundenproblems bereits fest. Dadurch besteht die Verhandlung in der Hauptsache aus der Festlegung des Kaufpreises sowie der Bestimmung der Liefer-, Service- und Finanzierungskonditionen.
x
Von „solution ready-made“-Verhandlungen spricht KOCH dann, wenn die technologische Konzeption der kundenspezifischen Problemlösung zum größten Teil Gegenstand der Verhandlung ist.
x
„Solution modified“-Verhandlungen sind zwischen den beiden erstgenannten Situationen anzusiedeln und kommen in der Realität am häufigsten vor. In ihnen werden bestimmte vorhandene Technologien und Leistungen den kundenspezifischen Erfordernissen angepasst, so dass neben dem Preis sowohl die technologische Ausgestaltung der Leistung als auch begleitende Vertragspunkte wichtige Verhandlungsgegenstände darstellen.
Mit der Anzahl der Freiheitsgrade bezüglich der technologischen Realisierung des zu lösenden Nachfragerproblems steigt die prinzipielle Möglichkeit der Parteien, gegenüber einer eher distributiv geprägten „solution given“ -Verhandlung integratives Potenzial zu erschließen.88 Da die Begriffe der distributiven und integrativen Verhandlung für die verhandlungsanalytische Betrachtung einer Vermarktungssituation zwischen Anbieter und Nachfrager von herausragender Bedeutung sind, wird im Abschnitt 1.1 ausführlich auf diese Begrifflichkeiten und ihre konkrete Ausprägungen eingegangen.
88
Eine distributive Verhandlung liegt vor, wenn es sich um ein reines Nullsummenspiel handelt, bei der die Parteien nur über die Aufteilung der Verhandlungsmasse verhandeln. Liegt hingegen integratives Potenzial vor, so können die Parteien durch einen intelligenten Interessenausgleich die Verhandlungsmasse vergrößern. Vgl. zum Begriff des integrativen Potenzials ausführlich Abschnitt 2.3.3.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
26
2.2
Wahl einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen
Untersuchungsperspektive In der Marketing-Forschung sind bisher zwei Klassen von Ansätzen verfolgt worden, um Vermarktungsverhandlungen zwischen Anbietern und Nachfragern zu beschreiben und zu erklären. KUTSCHKER/KIRSCH bezeichnen diese Herangehensweisen als makroskopischholistische und mikroskopisch-individualistische Ansätze.89 Die makroskopisch-holistischen Ansätze betrachten Verhandlungen aus der Vogelperspektive als Teil einer längeren Interaktionssequenz und werden daher auch als Interaktionsansätze bezeichnet.90 Abhängig von der Anzahl der beteiligten Personen und Organisationen haben sich die vier in Tabelle 2 dargestellten Typen von Interaktionsansätzen herausgebildet.91 Manche Autoren unterscheiden weiterhin eine episodenbezogene und eine episodenübergreifende Perspektive, wenn Interaktionen in andauernden GBen untersucht werden.92 Art der Beteiligten
Anzahl der Beteiligten Tabelle 2:
Personen
Organisationen
2
Dyadisch-personale Interaktionsansätze
Dyadisch-organisationale Interaktionsansätze
>2
Multipersonale Interaktionsansätze
Multiorganisationale Interaktionsansätze
Typologie der Interaktionsansätze im Industriegütermarketing.93
In Bezug auf die einzelne Verhandlung, die zur Vereinbarung einer Transaktion führt, haben die dyadisch-personalen, die multipersonalen und die dyadisch-organisationalen Ansätze wichtige Erkenntnisse geliefert.94
89 90 91
92 93 94
Vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.19. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.105ff. Diese Typologisierung bzw. Abwandlungen davon wird u.a. verwendet bei Backhaus, K. (2003), S.141; Kapitza, R. (1987), S.24; Kern, E. (1990), S.16ff.; Theile, G. (2004), S.47. Vgl. bspw. Kern, E. (1990), S.16ff.; Rauscher, C. (2002), S.136ff.; Theile, G. (2004), S.46f. Darstellung in Anlehnung an Kern, E. (1990), S.18. Eine Übersicht der wichtigsten untersuchten Einflussvariablen und ihrer Wirkungen auf verschiedene Interaktionsparameter innerhalb dieser Modellklassen findet sich bei Kern, E. (1990), Kap. 2.1. Vgl. auch die neuere Übersicht bei Theile, G. (2004), S.48ff.
Wahl einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen Untersuchungsperspektive
27
Bereits an der Art der verwendeten Klassifizierung wird deutlich, dass Erklärungsbeiträge für den Ausgang von Interaktionsvorgängen (und damit implizit auch den darin enthaltenen Verhandlungen) vor allem in den Rahmenparametern gesucht werden. So konnte der Einfluss bestimmter Persönlichkeits- und Organisationsmerkmale auf den Interaktionserfolg nachgewiesen werden. Als Einflussvariablen wurden bspw. die Ähnlichkeit zwischen den verhandelnden Personen, Rollen und Rollenerwartungen, Status und Alter der Beteiligten, Größen des organisationalen Kontextes und organisationale Transaktionserfahrung identifiziert. 95 Zwei miteinander zusammenhängende Charakteristika dieser Interaktionsansätze sind hinsichtlich ihrer Erkenntnisbeiträge in Bezug auf die einzelne Verhandlung problematisch: Erstens ist das Konstrukt des Interaktionserfolgs in den meisten Studien unterschiedlich konzeptualisiert und operationalisiert.96 Zweitens hängt mit der Konzeptualisierung des Interaktionserfolgs und seiner Determinanten eine jeweils unterschiedliche Terminologie zusammen.97 Die Studien stehen daher oftmals nebeneinander und bauen selten aufeinander auf.98 Eine Vergleichbarkeit und Integration der einzelnen Untersuchungsergebnisse ist demnach problematisch. Zur Verfolgung des Ziels dieser Arbeit, Prozess und Ergebnisse von Vermarktungsverhandlungen unter Betrachtung bestimmter Einflussfaktoren besser zu erklären, sind die vorgenannten Interaktionsansätze daher nur bedingt geeignet. Als erklärende Variablen verwenden sie vor allem organisationale und personenbezogene Rahmenparameter, während die eigentliche Interaktion in Form gegenseitiger Beeinflussungsversuche abstrahiert bzw. nicht
95
96
97
98
Zu Ähnlichkeit vgl. Evans, F.B. (1963), S.78f.; zu Rollen (Macht- und Fachpromotoren) vgl. Gemünden, H.-G. (1981), S.437; zu Rollenerwartungen vgl. Schoch, R. (1969), S.309ff.; zu Status vgl. Backhaus, K. (1974), S.93f.; zu organisationalen Größen vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.259. Bspw. untersuchen KUTSCHKER/KIRSCH die Verhandlungsdauer, die Konfliktträchtigkeit und die Verhandlungsintensität als Erfolgsgrößen (Vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.185ff.). GEMÜNDEN (1980/1981) untersucht die Effizienz der Anbieter-Nachfrager-Interaktion als eine allumfassende Erfolgsgröße (Vgl. Gemünden, H.-G. (1980), S.22ff.; Gemünden, H.-G. (1981), S.162ff.). KAPITZA und KERN verwenden die Verhandlungsdauer und die Einigung als Erfolgsgrößen, THEILE untersucht darüber hinaus Anzahl und Art der Kontakte (Vgl. Kapitza, R. (1987), S.61f.; Kern, E. (1990), S.194ff.; Theile, G. (2004), S.155). Bspw. versteht GEMÜNDEN (1980/1981) unter einer effizienten Interaktion etwas völlig anderes als allgemein in der Verhandlungsforschung darunter verstanden wird. Vgl. Gemünden, H.-G. (1980), S. 22ff.; Gemünden, H.-G. (1981), S. 166ff.; Raiffa, H. (1982), S.139. Eine Ausnahme bilden hier die Untersuchungen von KAPITZA, KERN und THEILE.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
28
betrachtet wird.99 Ihr Fokus ist außerdem auf die gesamte Interaktion zwischen Anbieter und Nachfrager gerichtet, nicht ausschließlich auf die Verhandlung. Hier wird daher ein Ansatz benötigt, der das Untersuchungsobjekt „Verhandlung“ in den Mittelpunkt rückt und die Verhandlungsinteraktion berücksichtigt. Einen solchen Ansatz stellt die mikroskopisch-individualistische Betrachtungsweise dar, deren Untersuchungsobjekt ausdrücklich die einzelne Verhandlung ist. Neben formalen spieltheoretischen Herangehensweisen100 bietet sich im Marketing vor allem eine verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftliche Untersuchungsperspektive an.101 Mit ihr wird sowohl die Betrachtung von Rahmenparametern oder strukturellen Determinanten, die eine Verhandlung beeinflussen, als auch der Einbezug der tatsächlichen Interaktion in die Analyse möglich. Als Erklärung für bestimmte Interaktionsmuster und Verhandlungsergebnisse dienen insbesondere Theorien aus den Verhaltenswissenschaften der Sozialpsychologie, der Soziologie und der Kommunikationswissenschaft.102 Gegenüber den makroskopischen Interaktionsansätzen hat der mikroskopische verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftliche Ansatz außerdem den Vorteil, eine einheitliche Terminologie zu verwenden, die bspw. eine klare Verständlichkeit der individuellen und dyadischen Erfolgsmaße einer Verhandlung mit sich bringt.103 Die für unsere Analyse benötigten Begrifflichkeiten sowie ein konzeptioneller Rahmen der eigenen Untersuchung werden daher in den folgenden Abschnitten 1.1 und 1.1 vorgestellt.
99
100
101
102 103
Vgl. Kutschker, M./Kirsch, W. (1978), S.20. Diese Ausklammerung der eigentlichen Interaktion spiegelt jedoch auch ein Datengewinnungsproblem wider. Vgl. dazu Abschnitt 1.1. Zu den grundlegenden Werken der spieltheoretischen Analyse von Verhandlungen gehören die Arbeiten von von Neumann, J./Morgenstern, O. (1944), Nash, J.F. (1950), Nash, J.F. (1953), Luce, R.D./Raiffa, H. (1957), Schelling, T.C. (1960), Rubinstein, A. (1982), Rubinstein, A. (1985). Den Begriff der „Verhandlungsanalyse“ prägte RAIFFA, der darunter die Analyse von Verhandlungen und die Analyse für Verhandlungen versteht. Vgl. Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.12. Vgl. Backhaus, K./Geiger, I./Wilken, R. (2006), S.3. Vgl. Thompson, L.L. (2006), S.2.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
2.3
29
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
Je nach Anzahl der technologischen Freiheitsgrade der Anbieterleistung und somit der Art der verhandelten Inhalte in einer Vermarktungsverhandlung variiert das Ausmaß ihrer konfliktären Elemente. Stehen in einer „solution given“-Verhandlung die zu erbringende Leistung sowie alle Lieferund Servicekonditionen fest und verhandeln die Parteien einzig und allein über den Preis der Leistung, so liegt eine rein konfliktäre oder distributive Verhandlung vor: Der Anbieter bevorzugt einen hohen Preis, der Nachfrager einen geringen. Ihre Präferenzen sind demnach exakt entgegengesetzt. Jedes Nachgeben des Anbieters in seiner Preisforderung bedeutet für ihn einen Verlust, der sich direkt in monetären Größen widerspiegelt, und einen Gewinn (im Sinne eingesparter Kosten) in derselben Höhe für den Nachfrager. Handelt es sich aus inhaltlicher Perspektive um eine „solution ready-made“-Verhandlung oder um eine „solution modified“-Verhandlung, so verhandeln Anbieter und Nachfrager über mehr Themenkomplexe als nur den Preis für eine feststehende Leistung. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass jede Seite den verschiedenen Verhandlungsgegenständen zumindest teilweise unterschiedliche Wichtigkeiten bzw. Prioritäten beimisst, auch wenn die Präferenzen bzgl. der einzelnen Gegenstände weiterhin entgegengesetzt sind. Vorstellbar ist auch, dass beide Seiten bzgl. einzelner Gegenstände dieselben Präferenzen besitzen, so dass hinsichtlich dieses Gegenstandes Interessenkompatibilität vorliegt. Beispielsweise ist denkbar, dass ein Nachfragerunternehmen, das vor Ablauf eines Budgetjahrs ein Investitionsgut bestellt, aufgrund großer Budgetüberschüsse ebenso eine frühe Rechnungsstellung und kurze Zahlungsfrist wünscht wie der Anbieter. Bei solchen Prioritätsunterschieden und dem Vorhandensein von interessenkompatiblen Verhandlungsgegenständen wird das konfliktäre Element der Verhandlung um ein Problemlösungselement erweitert: Selbst wenn beide Parteien in jedem Verhandlungsgegenstand unterschiedliche Präferenzen besitzen, so kann durch die Beachtung der Prioritätsunterschiede zwischen den Parteien ein Vertrag ausgehandelt werden, der beide Seiten gegenüber einem Kompromiss bezüglich jedes Verhandlungsgegenstandes besser stellt. Durch das Erkennen interessenkompatibler Gegenstände kann die Verhandlungsmasse ebenfalls für beide Parteien vergrößert werden. Es handelt sich im Fall einer variablen Verhandlungsmasse um eine integrative Verhandlung.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
30
2.3.1
Operationalisierung konfliktärer und problemlösungsbezogener Verhandlungselemente
Die Argumentation über die gleichzeitig konfliktäre und problemlösungsbezogene Struktur einer Vermarktungsverhandlung muss für Untersuchungszwecke operationalisiert werden. Dazu hat sich in der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung eine Modellierung der Bedeutung einzelner Verhandlungsgegenstände in Form von Nutzeneinheiten durchgesetzt, die den Wert einzelner Ausprägungen der Verhandlungsgegenstände für eine Partei darstellen.104 Ein Einwand gegen dieses Vorgehen besteht darin, dass an Vermarktungsverhandlungen beteiligte Manager nicht in Nutzeneinheiten, sondern in monetären Größen denken. Zwei Hauptargumente sprechen dennoch dafür, bei der Untersuchung von Vermarktungsverhandlungen nicht mit rein monetären Größen zu operieren.105 (1) Neben monetär relativ leicht zu bewertenden Verhandlungsgegenständen, wie etwa dem Preis einer Leistung oder dem technologischen Umfang der Leistung, werden besonders bei umfangreicheren Verhandlungen wie im Falle von industriellen Großanlagen Sachverhalte zum Gegenstand der Verhandlung, deren monetäre Wertbestimmung deutlich schwieriger wird, die aber von mindestens einer Seite als sehr wichtig erachtet werden. Ein solcher Gegenstand ist bei der Verhandlung über die Erstellung einer industriellen Großanlage bspw. die Vereinbarung und Ausgestaltung einer Schiedsklausel, deren Wichtigkeit für die Anbieterseite unbestreitbar ist,106 die sich aber monetär schlecht bewerten lässt. Um dennoch eine Vergleichbarkeit von monetär einfach und schwerer zu bewertenden Gegenständen zu ermöglichen, bietet sich die Abstraktion auf ein Nutzeneinheitenschema an.
104
105
106
Zur Umsetzung einer Modellierung von Verhandlungen in Nutzenpunkteschemata vgl. ausführlich Raiffa, H. (1982), S.133ff. und Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.195ff. Ihren Niederschlag in der empirischen Forschung fand diese Modellierung insbesondere mit der Einführung des Modells einer einfachen integrativen Verhandlung anhand eines solchen Schemas durch Pruitt, D.G./ Lewis, S.A. (1975). Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 2.3.3. Inwieweit in den tatsächlichen Untersuchungen dennoch der Verhandlungserfolg in Euro oder Dollar angegeben ist, spielt für diese Argumentation nur eine untergeordnete Rolle. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.393.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
31
(2) Zu verhandelnde Abkommen haben immer einen Zukunftsbezug. Bei der Bewertung von zukünftig zu erbringenden Leistungen im Rahmen der Implementierung des Vertrags, bei der Nutzung der Leistung durch den Nachfrager sowie bei den Modalitäten der Zahlung des vereinbarten Preises durch den Nachfrager können Risiken auftreten, die die beteiligten Verhandlungsparteien in ihre Entscheidungsfindung, ob sie einem bestimmten Abkommen zustimmen oder nicht, einbeziehen müssen. Es hat sich gezeigt, dass sich Manager in solchen mit unterschiedlich hoher Unsicherheit behafteten Entscheidungssituationen keineswegs immer nach rein monetären Kriterien entscheiden, indem sie sich risikoneutral verhalten und sich für die Handlungsalternative mit dem höchsten erwarteten monetären Gewinn entscheiden.107 Vielmehr beziehen sie die Unsicherheit in ihre Entscheidungsfindung ein und handeln unterschiedlich risikobewusst, je nachdem, ob es sich um eine Entscheidung handelt, mit der ein zusätzlicher Gewinn erwirtschaftet werden soll, oder um eine Entscheidung zur Abwendung eines drohenden Verlustes, keineswegs jedoch risikoneutral. Im Falle des zusätzlich erwarteten Gewinns zeigen sie eher eine Risikoaversion, während in der Situation des drohenden Verlusts eher risikofreudiges Verhalten zu beobachten ist.108 Diese Problematik der unterschiedlichen Risikoneigungen versucht die Nutzentheorie zu modellieren, indem sie der Entscheidungsfindung Nutzeneinheiten zugrunde legt, in denen die Risikoneigung der jeweiligen Entscheider bereits ihren Niederschlag gefunden hat.109 Beide Überlegungen – die notwendige Vergleichbarkeit verschiedener Verhandlungsgegenstände sowie das Einbeziehen von Risiko – haben dazu geführt, dass in der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsanalyse Verhandlungen vor allem mithilfe von Nutzeneinheitenschemata modelliert werden, auch wenn die Nutzeneinheiten im Einzelfall mit monetären Einheiten versehen sind. Wir schließen uns diesen Überlegungen zur Abstraktion der Vermarktungsverhandlungssituation an und stellen im Folgenden die damit verbundenen konkreten Modellierungen vor.
107 108
109
Vgl. March, J.G./Shapira, Z. (1987), S.1410ff. Vgl. March, J.G./Shapira, Z. (1987), S.1409. Dieses Verhalten erklären KAHNEMAN und TVERSKY mit ihrer Prospect Theory. Vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1981), S.453ff.; Tversky, A./Kahneman, D. (1986), S.S254ff. Vgl. Raiffa, H. (1973), S.71ff.; Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.20ff.; Bazerman, M.H. (2002), S.42ff.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
32
2.3.2
Distributive Verhandlungen und ihre Modellierung im Verhandlungszonenmodell
Der einfachste Fall einer Verhandlung kann dargestellt werden als die zu verhandelnde einmalige Transaktion eines Gutes zwischen einem Käufer und einem Verkäufer. Anhand des von RAIFFA erstmals explizit aufgeschriebenen Verhandlungszonen-Modells lassen sich die meistverwendeten Begriffe der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung erläutern.110 Die Darstellung des Modells findet sich in Abbildung 4. Verhandlungszone / Einigungszone
Verkäufer Verhandlungsgewinn des Verkäufers
RPV
Käufer Verhandlungsgewinn des Käufers
Verhandlungsrichtung des Käufers Verhandlungsrichtung des Verkäufers
RPK
Verhandelter Kaufpreis RPV: Reservationspunkt des Verkäufers RPK: Reservationspunkt des Käufers
Abbildung 4:
Das Verhandlungszonen-Modell von RAIFFA.111
Nach dem Verhandlungszonen-Modell hängt die Bereitschaft, einem bestimmten Abkommen zuzustimmen, davon ab, welchen Nutzen eine Partei aus ihrer besten Alternative zu der betrachteten Verhandlung erwarten kann. Ob ein Verhandlungsabkommen als gewinnbringend empfunden wird, hängt von der jeweils alternativen Lösung für das Problem jeder Partei ab, das die Parteien mithilfe der Verhandlung zu lösen versuchen.112 Aufgrund der fundamentalen Bedeutung der besten Alternative für eine Verhandlung setzte sich das erstmals von FISHER/URY eingeführte Akronym BATNA schnell als ein Grundbegriff der
110
111 112
Von BLOUNT/THOMAS-HUNT/NEALE wird das Verhandlungszonenmodell als das Fundament der modernen Verhandlungsforschung bezeichnet: „The bargaining zone model forms the bedrock of modern negotiation theory.“ Blount, S./Thomas-Hunt, M.C./Neale, M.A. (1996), S.1. Adaptierte Darstellung nach Raiffa, H. (1982), S.45. Die Betrachtung der Alternative zur Bestimmung der Vorteilhaftigkeit einer Verhandlungslösung weist damit genau die Überlegungen auf, die THIBAUT/KELLEY für den allgemeinen sozialen Austausch angestellt haben. Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.21ff.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
33
Verhandlungsforschung durch.113 Während die BATNA die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten im Falle eines Scheiterns der betrachteten Verhandlung114 darstellt, so wird deren ökonomischer Wert (häufig in Nutzeneinheiten) als Reservationspunkt bezeichnet.115 Wenn der Reservationspunkt des Käufers einen größeren Wert besitzt als der des Verkäufers (man spricht auch von überlappenden Reservationspunkten), dann existiert eine positive Einigungszone.116 Würden sich die Reservationspunkte nicht überlappen, so wäre es für beide Verhandlungsparteien besser, ihre Alternativen wahrzunehmen. Es gäbe in diesem Falle keine Einigungszone. In einer reinen Preisverhandlung stellt demnach der niedrigste Verkaufspreis, den ein Verkäufer gerade noch bereit wäre zu akzeptieren, seinen Reservationspunkt (RPv) dar, während der höchste Kaufpreis, den der Käufer bereit wäre zu bezahlen, dessen Reservationspunkt (RPk) bildet. Bei einer Einigung innerhalb einer positiven Einigungszone stellt die Tatsache, dass bei Parteien zu einem Abkommen gelangt sind, ein erstes Erfolgsmaß dar: Beide Seiten stellen sich gegenüber der Nichteinigung besser. Als Verhandlungsgewinn einer Partei bezeichnet RAIFFA die Differenz zwischen ihrem Reservationspunkt und dem Wert des verhandelten Abkommens. Der Verhandlungsgewinn einer Partei stellt in einer Verkaufsverhandlung somit die Differenz zwischen gerade noch akzeptablem und tatsächlichem Kaufpreis dar.
113
114
115
116
Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.104. Die erste Auflage dieses Werks wurde von den beiden ersten Autoren 1981 veröffentlicht. Die Definition einer BATNA variiert abhängig von den Autoren. Während FISHER/URY/PATTON eine einzige und beste Alternative darunter verstehen (Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.104ff.), vertreten RAIFFA und LAX/SEBENIUS die Auffassung, dass unter diesem Begriff alle, möglicherweise auch mit Unsicherheit behafteten Alternativen verstanden werden sollen (Vgl. Raiffa, H. (1982), S.66ff.; Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.51). Sie tun dies vor dem Hintergrund, dass sie mit ihrer asymmetrisch deskriptiv-präskriptiven Perspektive den Blickwinkel einer Verhandlungspartei einnehmen und dieser raten, unsichere Alternativen mit den Instrumenten der formalen Entscheidungstheorie, wie sie in RAIFFA (1973) dargestellt wird, zu behandeln. Daher müssen ihrer Argumentation nach auch zur Bestimmung der BATNA alle alternativen Handlungsmöglichkeiten betrachtet werden. Vgl. dazu auch ausführlicher Abschnitt 3.2.2.2. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.45. Ob es sich beim Reservationspunkt um einen monetären Wert oder einen Nutzenwert handelt, hat prinzipiell keine Bedeutung. Bei einer unsicheren BATNA ist er jedoch immer ein Erwartungswert. RAIFFA nennt die Einigungszone „Zone Of Possible Agreements – ZOPA“ (Vgl. Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.110), während sein Modell als „Bargaining Zone Model“ bezeichnet wird (Vgl. Blount, S./Thomas-Hunt, M.C./Neale, M.A. (1996), S.1). An diesen englischen Begriffen orientieren sich die hier verwendeten deutschen Übersetzungen.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
34
Im einfachen Verhandlungszonen-Modell wird nur ein Verhandlungsgegenstand betrachtet, über dessen Aufteilung sich die Verhandlungsparteien einigen müssen. Somit ist eine Zunahme des Verhandlungsgewinns einer Partei nur durch die Minderung des Verhandlungsgewinns der anderen Partei möglich: Es handelt sich folglich bei einer solchen Verhandlung um ein Nullsummenspiel. Aufgrund dessen, dass in Verhandlungen, die durch das einfache Verhandlungszonen-Modell dargestellt werden können, nur die Aufteilung der Verhandlungsmasse zur Verhandlung steht, wird diese Art von Verhandlung auch als distributive Verhandlung bezeichnet.117 Die Aufgabe der Verhandelnden besteht nur darin, die Verhandlungsmasse untereinander aufzuteilen, so dass die Art der Aufgabe als rein konfliktär anzusehen ist. 2.3.3
Integrative Mehrthemen-Verhandlungen und ihre Modellierung
Vermarktungsverhandlungen von Industriegütern beinhalten in den meisten Fällen mehr als einen Verhandlungsgegenstand. Da die Präferenzen und Prioritäten der Verhandlungsparteien für mehrere zu verhandelnde Themenkomplexe in den seltensten Fällen symmetrisch entgegengesetzt sind, gibt es in solchen Verhandlungen Abschlüsse, die beide Parteien gegenüber anderen Verträgen besser stellen. Durch geschicktes Verhandeln können die Parteien zu kreativen Lösungen kommen, die die Interessen beider Parteien zumindest zu einem Teil in einem gegenseitig nutzbringenden Abkommen integrieren.118 Aus diesem Grund werden solche Verhandlungen als integrativ bezeichnet.119 2.3.3.1 Quellen von integrativem Potenzial in Verhandlungen Eine solche Vergrößerung der Verhandlungsmasse ist prinzipiell möglich, wenn die Parteien Unterschiede hinsichtlich folgender Punkte aufweisen:120 x
Priorität der einzelnen Verhandlungsgegenstände
x
Zukunftserwartungen über Eintrittswahrscheinlichkeiten bedeutender Ereignisse
117
118 119
120
Der Begriff der distributiven Verhandlung geht auf WALTON/McKERSIE zurück. Vgl. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.11ff. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.621. Der Begriff „integrative Verhandlung“ geht mit der bereits im Text formulierten Begründung auf FOLLETT zurück. Vgl. Follett, M.P. (1940), S.31ff.; Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.128. Vgl. Thompson, L. (2005), S.84f.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
x
Risikoneigungen
x
Ressourcen und Fähigkeiten bezüglich der zu erbringenden Leistung
x
Zeitliche Präferenzen
35
Darüber hinaus kann die Verhandlungsmasse vergrößert werden, wenn die Parteien Themenkomplexe identifizieren können, bei denen sie dieselben Interessen aufweisen,121 oder ein Abkommen schließen, mit dem sie gemeinsam positive Verbundeffekte realisieren können.122 Diese Möglichkeiten, die Verhandlungsmasse zu vergrößern, können auch als Quellen von integrativem Potenzial bezeichnet werden. Wie integrative Verträge aufgrund der vorgenannten Unterschiede geschlossen werden können, lässt sich an Abbildung 5 illustrieren. Es handelt sich bei diesem Beispiel einer integrativen Verhandlung um das in der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung meistverwendete Modell, das auf PRUITT/LEWIS zurückgeht.123
121
122
123
Es hat sich gezeigt, dass Verhandlungsparteien keineswegs immer in der Lage sind, gleiche Präferenzen bezüglich einzelner Themenkomplexe zu entdecken. Vgl. die Meta-Studie von Thompson, L./Hrebec, D. (1996), S.403f. Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.114f. LAX/SEBENIUS zeigen auch, dass es neben den hier aufgeführten Möglichkeiten keine weitere gibt, die in einer Verhandlung zu integrativeren Abkommen führen können. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.623. Manche Autoren schreiben dieses Modell fälschlicherweise Kelley, H.H. (1966) zu (vgl. Graham, J.L. (1985), S.144).
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
36
Vertragsraum
Verhandlungsgewinn Verkäufer
8000
6000
4000
2000
0 0
2000
4000
6000
8000
Ve rhandlungsge winn Käufe r Thema
Lieferzeit
Rabatte
Finanzierung
Niveau Gewinn V Gewinn K Gewinn V Gewinn K Gewinn V Gewinn K A B C D E F G H I
0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600
Abbildung 5:
4000 3500 3000 2500 2000 1500 1000 500 0
0 300 600 900 1200 1500 1800 2100 2400
2400 2100 1800 1500 1200 900 600 300 0
0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000
Additives Nutzenpunkte-Schema und Vertragsraum des meistverwendeten Verhandlungsmodells in der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung, eingeführt durch PRUITT/LEWIS (1975). Jeder Punkt im Vertragsraum stellt eine mögliche Ressourcenverteilung dar.
1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0
Struktur des integrativen Verhandlungsmodells von PRUITT/LEWIS.124
Wie am additiven Nutzenpunkte-Schema zu erkennen ist, besitzt der Verhandlungsgegenstand „Lieferzeit“ für den Käufer (K) oberste Priorität – er kann dort am meisten Gewinn erzielen –, während für den Verkäufer (V) die Finanzierung am wichtigsten ist. Beim Themenkomplex „Rabatte“ haben beide Verhandlungsparteien entgegengesetzte Präferenzen, so dass dieser Verhandlungsgegenstand als rein distributiv bezeichnet werden kann. Würden sich beide Parteien auf einen Kompromiss hinsichtlich aller Themenkomplexe einigen, also einen
124
In Anlehnung an Backhaus, K./Geiger, I./Wilken, R. (2006), S.4.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
37
Vertrag mit den Ausprägungen E-E-E schließen, so würden beide Verhandlungspartner genau einen Gewinn von 4000 realisieren. Ein solcher Vertrag wäre aber nicht effizient, da andere Verträge beiden Parteien einen größeren Gewinn bringen würden. Bspw. würde der Vertrag A-E-I (d.h. Lieferzeit so, wie es der Käufer wünscht, und Finanzierung vollständig zugunsten des Verkäufers) beiden Parteien einen Verhandlungsgewinn von 5200 einbringen. Als paretoeffizient oder vollständig integrativ gilt ein Vertrag dann, wenn es keinen anderen Vertrag gibt, der mindestens eine Partei besser stellen kann, ohne die andere schlechter zu stellen.125 Daher werden die Vertragspunkte am oberen rechten Rand des Vertragsraums in Abbildung 5 auch als effizienter Rand bezeichnet.126 2.3.3.2 Messung der Verhandlungseffizienz Um auf dyadischer Ebene von Vermarktungsverhandlungen beurteilen zu können, wie erfolgreich die Verhandlungen waren, ist der Erreichungsgrad von effizienten Abkommen eine wichtige Größe. Da eine Modellierung realer Verhandlungsprozesse mithilfe der hier eingeführten Abstraktion und Methodik nur fallweise möglich ist,127 werden in der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung häufig vereinfachte Verhandlungssituationen wie das Modell von PRUITT/LEWIS zur experimentellen Untersuchung von Verhandlungen verwendet. Die Messung der Verhandlungseffizienz geschieht in den meisten dieser verhaltenswissenschaftlich-experimentellen Studien anhand des gemeinsamen Verhandlungsgewinns (Joint Gain), also der Addition der Verhandlungsgewinne beider Parteien. Nachteil dieses Maßes ist, dass effiziente Verträge, die eine Partei stark bevorzugen (in dem hier dargestellten Beispiel alle effizienten Verträge, bei der die Partei mit dem geringeren Verhandlungsgewinn einen kleineren Gewinn als 4000 erzielt), als weniger effizient gemessen werden, als solche, die eher ausgeglichen sind (im Beispiel: alle effizienten Verträge, bei denen beide Parteien mindestens einen Gewinn von 4000 erreichen). Allerdings lässt sich der gemeinsame Gewinn
125 126 127
Vgl. Raiffa, H. (1982), S.158. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.160ff. Zu einer solchermaßen modellierten Tarifverhandlung vgl. Schilling, M.S./Mulford, M.A./Geiger, I.R. (2006). Das Beispiel einer internationaler Multiparteienverhandlung zwischen Ländern der europäischen Union, die anhand einer solchen Modellierung überhaupt erst zum Abschluss geführt werden konnte, findet sich bei Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.492ff.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
38
leicht errechnen, und es konnte gezeigt werden, dass es kein Maß geben kann, das für eine beliebige integrative Verhandlung ein unverzerrtes Effizienzmaß darstellt.128 Da im Experiment, das in der vorliegenden Untersuchung verwendet wurde, der effiziente Rand durch eine monoton fallende Gerade gebildet wird, bietet sich in diesem Falle der gemeinsame Gewinn als unverzerrtes Effizienzmaß an.129 2.3.3.3 Möglichkeiten zur Erreichung effizienter Verträge Eine Darstellung von distributiven und integrativen Verhandlungen wäre unvollständig, wenn nicht die Möglichkeiten beschrieben würden, wie Verhandlungsparteien integrative Verträge erreichen können. Die erste umfassende Darstellung dieser Methoden geht auf PRUITT zurück.130 Drei grundlegende Prinzipien können unterschieden werden. x
Die im Beispiel dargestellte Methode zur Effizienzsteigerung besteht im so genannten Logrolling.131 Ausgehend von den Maximalforderungen jeder Partei könnte K dem V anbieten, ihm bei der Finanzierung entgegen zu kommen für ein Zugeständnis des V bei der Lieferzeit. So ist für beide der Verlust durch die eigene Konzession geringer als der Gewinn durch das Zugeständnis der Gegenpartei.
x
Eine weitere Möglichkeit, die Verhandlungsmasse zu vergrößern, besteht darin, die Differenzen zwischen beiden Parteien zu vergrößern, um damit Prioritätsunterschiede ausnutzen zu können. Dies kann geschehen, indem ein komplexerer Verhandlungsgegenstand in mehrere kleinere Themenkomplexe aufgespaltet wird, hinsichtlich derer die Prioritätsunterschiede der Parteien größer sind als bezüglich des komplexeren Verhandlungsgegenstands.132 In die gleiche Richtung geht die Möglichkeit, Zusatzgeschäfte
128 129 130 131
132
Vgl. Clyman, D.R. (1995), S.41ff. Vgl. Abschnitt 4.1.2 dieser Arbeit. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.141ff. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.153f. Woher der Begriff Logrolling ursprünglich kommt, ist nicht völlig geklärt. Eingang in die Verhandlungsforschung fand er über seinen Gebrauch im amerikanischen Kongress. Abgeordnete versprachen Kollegen ihre Stimme für ein dem Kollegen besonders wichtiges Gesetzesvorhaben, um im Gegenzug deren Stimme für eine Initiative zu erhalten, die ihnen besonders am Herzen liegt. Vgl. Thompson, L. (2005), S.80f.
Darstellung von Verhandlungen zwischen Konflikt und Problemlösung
39
abzuschließen (side deals), die mit den eigentlichen Verhandlungsgegenständen a priori nichts zu tun haben.133 x
Die letzte Möglichkeit, die sich vor allem bei Verhandlungen zur Beilegung eines Disputs anbietet, nennt PRUITT Bridging. Er versteht darunter den Vorschlag einer völlig anderen Lösung als derjenigen, die bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt zur Verhandlung standen, und nennt den Bau der Berliner Mauer als eine solche Lösung, um die zweite Berlin-Krise Anfang der 1960er Jahre zu lösen.134 Diese Methode, zu integrativeren Verträgen zu gelangen, dürfte für Vermarktungsverhandlungen im Industriegütermarketing gegenüber den anderen beiden praktisch bedeutungslos sein.
Bei allen aufgezeigten prinzipiellen Möglichkeiten, integrativere Verträge zu schließen, darf nicht übersehen werden, dass mit der Vergrößerung der Verhandlungsmasse gleichzeitig immer über deren Verteilung entschieden wird. Denn nur einzelne, spezifische Verträge optimieren die insgesamt zu verteilende Verhandlungsmasse, so dass durch den jeweiligen Vertrag bereits festgelegt wird, wie groß die Anteile jeder Partei an der Verhandlungsmasse sind. Diese nicht zu vermeidende Verbindung konfliktärer und Problem lösender Elemente in einer integrativen Verhandlung wird daher auch als Dilemma des Verhandelnden (negotiator’s dilemma) bezeichnet.135 Möglichkeiten des Umgangs mit diesem Dilemma nehmen in der Verhandlungsforschung, besonders der eher normativ orientierten, eine besonders prominente Stellung ein und werden im Abschnitt 3.3.3.2 dieser Arbeit ausführlicher diskutiert. 2.3.4 Erfolgsmaße der Verhandlungsanalyse Die Diskussion der Operationalisierung von konfliktären und problemlösungsbezogenen Elementen der Vermarktungsverhandlung sowie die Darstellung ihrer Modellierung in der Verhandlungsanalyse haben bereits drei Maße für die Beurteilung des Erfolgs einer Verhandlung hervorgebracht: Als ein grundlegendes, dichotomes Maß gilt bei Vorhandensein einer positiven Verhandlungszone eine Einigung zwischen den Parteien. Quantifiziert wird der Verhandlungserfolg einerseits durch den individuellen Verhandlungsgewinn einer Partei als 133
134 135
Vgl. Thompson, L. (2005), S.71f. PRUITT unterscheidet noch einmal zwischen cost cutting und compensation, vom Prinzip her deckt sich seine Auffassung jedoch mit der von THOMPSON. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.142ff. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.154. Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.29ff.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
40
individuelles Erfolgsmaß für diese Partei. Andererseits zeigt die Verhandlungseffizienz an, wie erfolgreich eine Verhandlung aus dyadischer Perspektive war. Beide Maße haben sich aufgrund ihrer Einfachheit als sehr gut geeignet erwiesen, um experimentell Faktoren zu identifizieren, die eine positive oder negative Wirkung auf diese Maße ausüben und damit den objektiven ökonomischen Erfolg einer Verhandlung erklären.136 Aus der Diskussion der Modellierung von Vermarktungsverhandlungen wurde jedoch auch deutlich, dass von der konkreten Vermarktungsverhandlung im Einzelfall zur allgemeinen Darstellung einer Vermarktungsverhandlung eine gewisse Abstraktionsleistung notwendig ist. Diese beinhaltet insbesondere die explizite Modellierung von Präferenzstrukturen auf beiden Seiten. Da eine solche Modellierung in den wenigsten praktischen Fällen angewandt wird,137 wirft selbst eine genaue Kalkulation des individuellen Verhandlungsgewinns einer Partei in der Realität Schwierigkeiten auf. Eine Messung der tatsächlichen Verhandlungseffizienz einer Vermarktungsverhandlung scheint nur in historisch dokumentierten Einzelfällen möglich, bei denen einem neutralen Beobachter die tatsächlichen Präferenzstrukturen beider Parteien zugänglich gemacht wurden. Hingegen findet auch in realen Verhandlungen bei den beteiligten Parteien die Bildung von Zufriedenheit statt, die ein subjektiv wahrgenommenes Maß des Verhandlungserfolgs darstellt. Da die Verhandlungszufriedenheit für die Qualität der Implementierung eines verhandelten Abkommens ebenso bedeutend ist wie für die Neigung, mit dem Verhandlungspartner weitere Geschäfte zu tätigen,138 muss sie als Ergebnismaß von Vermarktungsverhandlungen neben den ökonomischen Größen des individuellen Verhandlungserfolgs und der Verhandlungseffizienz in einer verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlicher Untersuchung von Vermarktungsverhandlungen berücksichtigt werden.
136
137
138
Zur Bedeutung von ökonomischen Erfolgsgrößen ggü. und i.V.m. Perzeptionsgrößen allgemein vgl. Diller, H. (2006), S.616. Uns ist aus den Recherchearbeiten zum Aufsatz Schilling, M.S./Mulford, M.A./Geiger, I.R. (2006) bekannt, dass Tarifparteien im Bahngewerbe in Deutschland vor ihren Tarifverhandlungen teilweise solche Modellierungen vornehmen. Inwieweit dies auch bei der Vermarktung von Industriegütern erfolgt, können wir nicht beurteilen. Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.106; Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.253f.; Thompson, L. (1995), S.514; Gillespie, J.J./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2000), S.791.
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
2.4
41
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der
Untersuchung Bei der in dieser Arbeit verfolgten Zielsetzung der Untersuchung des Einflusses von Verhandlungsmacht in Form einer guten BATNA und der Form der Marktpartnerschaft (ET vs. GB) auf Verhandlungsprozess und -ergebnisse von dyadischen Vermarktungsverhandlungen liegt der wissenschaftstheoretische Fokus auf der Erklärungsdimension. Als ein geeigneter Untersuchungsrahmen bietet sich zur Verfolgung dieser explikativen Zielsetzung, aufbauend auf die im Abschnitt 1.1 eingeführte Operationalisierung und Modellierung von Vermarktungsverhandlungen,
das
NORTHCRAFT an.
verhaltenswissenschaftliche
Verhandlungsmodell
von
NEALE/
139
Das Modell unterscheidet drei Ebenen: Kontextvariablen der Verhandlung, dynamische Variablen der Verhandelnden sowie die Verhandlungsergebnisse. Die Kontextvariablen werden als statisch angesehen und können den in Abschnitt 2.4.1 erläuterten Kategorien „strukturelle Kontextfaktoren“ sowie „Parteien als Kontext“ zugeordnet werden. Unter den dynamischen Variablen der Verhandelnden werden einerseits Variablen verstanden, die die einzelne Verhandlungspartei betreffen, insbesondere die Kognitionen der Verhandelnden. Andererseits gehören dazu die dyadischen Größen der Verhandlungsinteraktion. Als Verhandlungsergebnisse kommen die ökonomischen Größen Einigung bzw. Nichteinigung, individueller Verhandlungsgewinn und Verhandlungseffizienz sowie verhaltenswissenschaftliche Größen wie die Verhandlungszufriedenheit oder die zukünftige Verhandlungsneigung in Betracht.140 Abbildung 6 zeigt das Modell.
139
140
Im englischen Original sprechen die Autoren von einer „Behavioral Negotiation Theory“. Das deutsche Wort „Modell“ trifft den Bedeutungsinhalt allerdings besser als der Begriff „Theorie“. Das Vorgehen von NEALE/NORTHCRAFT zur Formulierung des Modells ist induktiv. Es handelt sich im Kern um das Zusammentragen von empirischen Erkenntnissen über Verhandlungen, die in einem Modell integriert werden, nicht um die abstrakte Darstellung und deduktive Erklärung bestimmter beobachtbarer Phänomene in einem einzigen, in sich geschlossenen theoretischen Rahmen wie etwa bei EMERSON (1962). Welche Art der Verhandlungsergebnisse die Autoren in ihrem Modell betrachten, machen sie nicht explizit deutlich. In ihren Ausführungen zur Entwicklung des Modells führen sie in erster Linie die ökonomischen Größen an. Verhaltenswissenschaftliche Größen schließen sie hingegen nicht aus. Aufgrund der Bedeutung der verhaltenswissenschaftlichen Größen in realen Verhandlungen werden sie in die Darstellung des Modells in dieser Arbeit aufgenommen.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
42
Kognitionen Partei A
Strukturelle Kontextfaktoren
-Planung -Informationsverarbeitung -Affekt -Persönlichkeitsvariablen
-Macht -Zeitbegrenzungen -Integratives Potenzial
Verhandlungsinteraktion
Ergebnis
-Taktiken der Einflussnahme -Kommunikationstaktiken
-Einigung -Individueller Gewinn -Effizienz -Zufriedenheit
Parteien als Kontext -Agenten -Drittparteien
Kognitionen Partei B -Planung -Informationsverarbeitung -Affekt -Persönlichkeitsvariablen
Kontext (statisch) Abbildung 6:
Verhandelnde (dynamisch)
Das verhaltenswissenschaftliche Verhandlungsmodell nach NEALE/NORTHCRAFT.141
Die Pfeile im Modell stellen die prinzipiellen Wirkungszusammenhänge zwischen den Variablenkategorien dar, nicht jedoch spezifische Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen einzelnen Variablen.142 Nach dem Modell bilden die Kontextvariablen die statischen Rahmenbedingungen der betrachteten Verhandlung. Sie beeinflussen die Kognitionen der Verhandelnden sowie die Verhandlungsinteraktion zwischen beiden Parteien, haben aber nur einen indirekten Einfluss auf die Ergebnisse der Verhandlung. Letztere werden ausschließlich als Resultat der eigentlichen Verhandlungsinteraktion betrachtet.143
141 142 143
Abbildung in Anlehnung an Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.177. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.176. Dies ist vergleichbar mit einem Fußballspiel: Die Mannschaftsaufstellungen, das Stadion und die Zuschauer, die Schiedsrichter, usw. bilden den Rahmen des Spiels. Das Ergebnis wird allerdings durch das Spiel selbst, also die Interaktion zwischen den Mannschaften bestimmt. Diese wird zwar von den Rahmenbedingungen beeinflusst, entwickelt häufig aber auch eine Eigendynamik. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.176f.
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
43
Die besondere Eignung des Modells zur Erklärung von Verhandlungen ergibt sich aus dreierlei Gründen: (1) Das Modell umfasst alle bisher für wichtig befundenen und speziell die in dieser Arbeit betrachteten Erklärungsvariablen. Dies gilt insbesondere für die dynamischen Variablen der eigentlichen Verhandlung, denen in der Vergangenheit gegenüber den Kontextvariablen zu wenig Beachtung geschenkt worden ist. Häufig wurde die eigentliche Verhandlung als Black Box behandelt, und Interaktionsprozesse wurden ausgeblendet.144 (2) Da das Modell keine strikten Kausalitäten vorgibt, ist es flexibel genug, um situationsspezifische Einschränkungen und Erweiterungen zu integrieren.145 Es eignet sich insbesondere dazu, konkrete Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen einzelnen Variablen zu untersuchen. Sämtliche in dieser Arbeit als relevant erachteten Variablen können somit problemlos in das Modell aufgenommen werden. (3) Das Modell vereinigt Einflussfaktoren von Verhandlungen und deren Erklärungsgehalt, die in unterschiedlichen Forschungsrichtungen untersucht wurden. Gegenüber der Beschränkung auf eine Forschungstradition, wie etwa auf spieltheoretische Verhandlungsmodelle, führt dies zu einer insgesamt höheren Erklärungskraft für reale Verhandlungsprozesse und -ergebnisse.146
144
145
146
Vgl. Alexander, J.F./Schul, P.L./Babakus, E. (1991), S.129; Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.161. Die Autoren sprechen von der „evolving nature of the framework“. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.149. Es soll mit dieser Aussage keineswegs ein unkontrollierter Theorienpluralismus propagiert werden. Allerdings ist aufgrund der Komplexität von Verhandlungen (dyadische Betrachtungsweise, Interaktion, Rahmenparameter) keine Theorie alleine in der Lage, befriedigende Erklärungen für das allgemeine Zustandekommen bestimmter Verhandlungsprozesse und -ergebnisse zu liefern, vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.148. Die Erkenntnisbeiträge der im Modell aufgegriffenen Theorien sind jedoch alle verhaltenswissenschaftlich experimentell abgesichert, so dass sich das Modell wie auch die Untersuchung dieser Arbeit in einem verhaltenswissenschaftlichen Rahmen bewegt.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
44
2.4.1
Kontextvariablen der Verhandlung
Der Kontext einer Verhandlung bildet die Situation ab, in der sich Verhandelnde befinden, wenn sie eine Verhandlung beginnen. Daher müssen die Kontextfaktoren für die jeweilige Situation als gegeben betrachtet werden. Im Modell von NEALE/NORTHCRAFT werden strukturelle Faktoren und Parteien als Kontext unterschieden.147 Beide Variablenkategorien üben Einflüsse auf die Verhandlung aus und tragen damit zur Erklärung der Verhandlungsinteraktion und -ergebnisse bei. Die Darstellung der Kontexteinflüsse im Modell beruht größtenteils auf den Ergebnissen empirischer Studien, die häufig nur deren Wirkung auf die Verhandlungsergebnisse untersucht haben. Da das Modell nur indirekte Einflüsse des Kontextes auf das Verhandlungsergebnis zulässt, liefert es zwar Anhaltspunkte für die direkten Wirkungen der Kontextvariablen auf die Verhandlungsinteraktion; deren empirische Überprüfung in einem Gesamtzusammenhang ist jedoch keineswegs abgeschlossen. 2.4.1.1 Strukturelle Faktoren Zu den strukturellen Faktoren gehören solche Größen, die das grundlegende Gefüge einer bestimmten Verhandlung bestimmen und somit in abstrakten spieltheoretischen Modellen abgebildet werden können. Obwohl diese formalisierten Modelle nur einen sehr begrenzten Erklärungsgehalt tatsächlicher Verhandlungen aufweisen, liefern sie einerseits ein Optimalitätskriterium, an dem sich Verhandlungsergebnisse messen lassen.148 Andererseits hat erst die empirische Überprüfung der spieltheoretischen Modelle zur Entwicklung einer verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung geführt,149 die die streng rationalen Annahmen und Überlegungen der Spieltheorie teilweise ersetzt und um Erklärungen des beobachteten Verhaltens erweitert hat. Vor diesem Hintergrund ist eine Außerachtlassung formaler Erklärungen aus der Spieltheorie auch in einem verhaltenswissenschaftlichen Kontext nicht gerechtfertigt.
147
148 149
Die Autoren weisen allerdings selbst darauf hin, dass dies zwar eine, jedoch keineswegs die einzig sinnvolle Kategorisierung von Einfluss- und Erklärungsvariablen von Verhandlungen darstellt. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.148. Vgl. Nash, J.F. (1950), S.156ff. Vgl. Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981), S.1.
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
45
NEALE/NORTHCRAFT unterscheiden drei strukturelle Faktoren: (1) Macht als eine der Beziehung zwischen zwei Subjekten innewohnende Kraft tritt in Verhandlungen einerseits in Form eines bestimmten Macht-Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Verhandlungsparteien und andererseits als das Vorhandensein von positiven und negativen Sanktionspotenzialen auf.150 Als erklärende Variable für Verhandlungsverhalten und -ergebnis ist dabei insbesondere die Betrachtung einer Machtasymmetrie zugunsten einer Partei von Bedeutung: Sie führt einerseits zu einem höheren individuellen Gewinn der mächtigeren Partei. Andererseits dient sie über die Zunahme distributiver und der Abnahme integrativen Verhandlungsverhaltens auch als Begründung für eine geringere Verhandlungseffizienz gegenüber einer Verhandlung unter ausgeglichenen Machtverhältnissen.151 (2) In einigen Arten von Verhandlungen, bspw. Tarifverhandlungen, spielen Zeitbegrenzungen eine entscheidende Rolle, um die Verhandlung überhaupt zu einem Abschluss zu führen.152 Erklärt wird dies damit, dass Zeitbeschränkungen die Wahrnehmung der Bedeutung eines Abschlusses erhöhen, die Ziele der Verhandlungsparteien verringern und damit die Konzessionsbereitschaft erhöhen, aber auch den Informationsaustausch blockieren und somit die Anzahl der möglichen Verträge einschränken.153 Mit diesen Wirkungen von Zeitbeschränkungen auf die Verhandlung werden sowohl eine höhere Einigungswahrscheinlichkeit (bezogen auf eine bestimmte Verhandlungszeit) als auch weniger effiziente Abkommen erklärt.
150 151
152 153
Vgl. Kim, P.H./Fragale, A.R. (2005), S.373ff.; Lawler, E.J. (1992), S.22ff. Die ausführliche Diskussion der Einflüsse der Machtrelation auf Verhandlungen findet sich in Abschnitt 3.2.2. Vgl. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.232f., sowie Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.106. Vgl. Pruitt, D.G./Drews, J.L. (1969), S.50ff.; Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.153; Moore, D.A. (2004), S.121ff. Moderiert werden die Effekte von Zeitbeschränkungen in Verhandlungen durch die Art der sozialen Orientierung (individualistisch vs. kooperativ), vgl. Carnevale, P.J.D./Lawler, E.J. (1986), S.653ff.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
46
(3) Als integratives Potenzial von Verhandlungen wird die Möglichkeit bezeichnet, die Interessen beider Parteien zu einem gewissen Grad zu integrieren.154 Diese Möglichkeit ist immer dann vorhanden, wenn die Präferenzen und Prioritäten beider Parteien nicht symmetrisch entgegengesetzt sind. Integratives Potenzial verändert den Einigungsraum für ein Abkommen zwischen den Parteien, indem die Anzahl der möglichen Verträge erhöht wird. Da die meisten realen Verhandlungen integratives Potenzial besitzen, wird dieses häufig als Eigenschaft der Verhandlung betrachtet. Erst durch diese Eigenschaft wird die Verhandlung zur sogenannten Mischmotivsituation,155 in der das Vergrößern der Verhandlungsmasse und ihre Aufteilung unabdingbar miteinander verknüpft sind. Als ein weiterer struktureller Faktor neben den von NEALE/NORTHCRAFT genannten spielen Opportunitätskosten der Zeit156 zur Erklärung von Verhandlungsprozessen eine Rolle. 2.4.1.2 Parteien als Kontext Neben den strukturellen Faktoren schreiben NEALE/NORTHCRAFT auch Eigenschaften der an einer Verhandlung beteiligten Parteien dem Kontext zu. Sie unterscheiden dabei den Einfluss von Agenten und Drittparteien. (1) Von Agenten wird dann gesprochen, wenn die Partei, für die eine bestimmte Verhandlung geführt wird, von wenigen Personen „am Verhandlungstisch“ vertreten wird. In Vermarktungsverhandlungen auf Industriegütermärkten verhandelt häufig ein Vertriebsmitarbeiter (mit den entsprechenden Befugnissen) mit dem Einkäufer des Käuferunternehmens; in Tarifverhandlungen vertreten die Verhandlungskommissionen die beteiligte Gewerkschaft bzw. den Arbeitgeberverband. Aufgrund des Prinzipal-AgentenVerhältnisses spielt die Anreizstruktur des Agenten für die Verhandlung eine zusätzliche
154 155
156
Vgl. ausführlich Abschnitt 2.3.3. Vgl. Clyman, D.R. (1995), S.38. Eine solche Mischmotivsituation stellt in abstrakter Weise auch das am häufigsten untersuchte Setting in der Spieltheorie, das Gefangenendilemma, dar. Opportunitätskosten der Zeit spielen bei Vermarktungsverhandlungen bspw. dann eine Rolle, wenn durch Verzögerung der Verhandlung einer Seite ein Lieferengpass in Verbindung mit fällig werdenden Konventionalstrafen oder Produktionsausfälle entstehen. In Tarifverhandlungen stellt jeder Streiktag, in Friedensverhandlungen jeder zusätzliche Kriegstag Opportunitätskosten der Zeit dar. Sie wurden daher häufig – vor allem in der experimentellen Spieltheorie – untersucht. Vgl. zur Wirkung von Opportunitätskosten der Zeit die Studie von Mosterd, I./Rutte, C.G. (2000) sowie die Übersicht von Stuhlmacher, A.F./Gillespie, T.L./Champagne, M.V. (1998).
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
47
Rolle zu den Präferenzen der vertretenen Parteien.157 Als erklärungsrelevant für das beobachtete häufigere Scheitern von Verhandlungen zwischen Agenten, aber auch bessere individuelle Verhandlungsergebnisse einer durch einen Agenten vertretenen Partei hat sich speziell die Rechenschaftspflicht des Agenten über den Grad seiner Zielerreichung gegenüber seinem Prinzipal herausgestellt.158 (2) In die Kategorie der Drittparteien fallen insbesondere Mediatoren und Schlichter bzw. Schiedsrichter.159 Die Möglichkeit oder der Zwang, diese bei einem Scheitern der Verhandlung einzubeziehen, üben einen positiven Einfluss auf die Einigungswahrscheinlichkeit aus und tragen somit zum Verständnis der Verhandlung bei. Diese Wirkung wird auf die erwarteten Kosten der Schiedsgerichtsbarkeit und die Ergebnisunsicherheit des Schiedsspruches zurückgeführt.160 Da unter dem Begriff des Verhandlungskontextes solche Variablen verstanden werden, die für die konkrete Verhandlungssituation als gegeben betrachtet werden, spielen neben den von NEALE/NORTHCRAFT vorgeschlagenen Variablen „Agenten“ und „Drittparteien“ auch die Parteien selbst eine wichtige Rolle als Kontextfaktor. Insbesondere das bisherige Verhältnis der Parteien zueinander, in der hier vorliegenden Untersuchung also die Frage, ob die Parteien innerhalb einer Geschäftsbeziehung oder ET miteinander verhandeln, kann somit im hier dargelegten Modell der Kategorie „Parteien als Kontext“ zugeordnet werden.
157 158 159
160
Vgl. Schelling, T.C. (1960), S.142f. Vgl. Bazerman, M.H. et al. (1992), S.62ff. Ein Mediator versucht, die Kommunikation und das Verständnis zwischen den Parteien zu verbessern. Dazu kann er auch Lösungsvorschläge für mögliche Abkommen machen. Er hat aber keine Kontrolle darüber, ob diese Vorschläge angenommen werden. Ein Schiedsrichter hingegen fällt nach Anhörung der Parteien Urteile für die Beilegung eines Disputs, der durch die Verhandlung nicht gelöst werden konnte. Diese Urteile sind für beide Verhandlungsparteien bindend. Je nach Art der Schiedsgerichtsbarkeit ist der Schiedsrichter dabei an die Angebote der Parteien gebunden (final offer arbitration, vgl. Raiffa, H. (1982), S.110f.), oder er kann frei zu einer Lösung kommen (conventional arbitration). Diese Überlegungen spielen auf Industriegütermärkten vor allem im Anlagengeschäft eine Rolle, wenn ein Schiedsgerichtsverfahren bei auftretenden Streitigkeiten zwischen den Verhandlungspartnern vorgesehen ist. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.393.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
48
2.4.2
Dynamische Variablen der Verhandlung
Die dynamischen Variablen der Verhandelung bilden die eigentlichen Geschehnisse „am Verhandlungstisch“ ab und beleuchten die Black Box, als die der eigentliche Verhandlungsprozess in vielen Untersuchungen behandelt wird. Von Bedeutung sind dabei einerseits die Interaktionsprozesse zwischen den beiden Verhandlungsparteien, andererseits Kognitionsprozesse jeder Verhandlungspartei. Insbesondere Sozialpsychologen und Kommunikationswissenschaftler haben sich dem Studium dieser Größen gewidmet und die beobachteten Ergebnisse häufig mit Partialtheorien erklärt. Diese sind in der Mehrheit der verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie zuzurechnen. 2.4.2.1 Verhandlungsinteraktion Die Variablen der Verhandlungsinteraktion versuchen zu erklären, was sich zwischen den beiden Verhandlungsparteien abspielt. Es handelt sich also um ein Inter-Parteien-Phänomen. NEALE/NORTHCRAFT wählen bei der Beschreibung der beobachtbaren Effekte eine hierarchische Einteilung mit zwei Ebenen: Sie unterscheiden Taktiken der sozialen Einflussnahme, die sich aus mehreren Kommunikationssequenzen zusammensetzen, und konkreten Kommunikationstaktiken. (1) Durch den Einsatz von Taktiken der sozialen Einflussnahme versucht eine Partei, eine andere dazu zu bringen, etwas zu tun, das sie ansonsten nicht tun würde. Es kann sich dabei sowohl um bestimmte, andernfalls unterbliebene Aktionen handeln, aber auch um Änderungen von Einschätzungen oder Meinungen. Im verhaltenswissenschaftlichen Modell von NEALE/NORTHCRAFT können die Taktiken der sozialen Einflussnahme den drei
induktiv
gewonnenen
Kategorien
„Behauptungen“ 161
Argumentation“ und „Manipulation“ zugerechnet werden.
(assertion),
„rationale
Deren empirische Über-
prüfung in einem Verhandlungskontext ist seit dem Zeitpunkt der Modellformulierung vorangeschritten.162
161
162
Eine deduktive Klassifizierung von Taktiken der Einflussnahme, wie die drei Wege zur Meinungsänderung (attitude change) von KELMAN (Vgl. Kelman, H.C. (1958), S.53ff.) oder die fünf Arten sozialer Machteinflüsse von FRENCH/RAVEN (Vgl. French, J.R.P./Raven, B. (1959), S.156ff.), hat sich zur Erklärung der Verhandlungsinteraktion nicht durchgesetzt, da diese empirisch nicht bestätigt werden konnten. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.161. Bspw. liefern HILTY/CARNEVALE den Nachweis der erfolgreichen Manipulation mithilfe einer so genannten Black-Hat/White-Hat-Strategie. Vgl. Hilty, J.A./Carnevale, P.J.D. (1993).
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
49
(2) Kommunikationstaktiken bilden die Mikrobestandteile der Einflussnahme. Zur Erklärung von Verhandlungsprozessen werden sie herangezogen, indem einerseits ihre Wirkung und andererseits ihre Ursachen betrachtet werden. Dies entspricht modelltheoretisch ihrer Behandlung als Mediatoren. Beispielsweise erklärt ein häufiges Auftreten von kompetitivem Verhalten (Beleidigungen, Drohungen) eine Verringerung der Verhandlungseffizienz.163 Positiv gestimmte Verhandelnde wiederum verhandeln weniger kompetitiv.164 Eine ausführliche Diskussion der Kommunikationstaktiken findet in Abschnitt 3.3.3 statt, da diese den zentralen instrumentellen Prozess der Verhandlungsinteraktion darstellen.165 2.4.2.2 Kognitionen der Verhandelnden Als Kognition der Verhandelnden werden die intrapersonellen psychischen Prozesse bezeichnet, die sich während der Verhandlung bei beiden Parteien abspielen. Es handelt sich also um Intra-Parteien-Phänomene. NEALE/NORTHCRAFT stellen besonders die kognitiven Prozesse der Informationsverarbeitung sowie des Affektes heraus. Daneben subsumieren sie in ihrer Variablenkategorie „Kognitionen der Verhandelnden“ auch die Verhandlungsplanung sowie Variablen der Persönlichkeit. (1) Eine der wichtigsten Rollen zur Erklärung von Verhandlungsprozessen und -ergebnissen hat die Betrachtung von Prozessen der Informationsverarbeitung der Verhandelnden eingenommen.166 Die Verarbeitung von Informationen aus der Umwelt zum Zweck der Sinnbildung und Entscheidungsfindung geschieht, evolutorisch bedingt, häufig anhand von Heuristiken, die wie kognitive Abkürzungen funktionieren.167 In den meisten Situationen spart der Mensch dadurch Zeit, die er ansonsten brauchen würde, um die
163 164 165 166
167
Vgl. stellvertretend Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.626; Weingart, L.R. et al. (1990), S.21ff.. Vgl. Carnevale, P.J.D./Isen, A.M. (1986), S.7. Vgl. Lewicki, R.J./Litterer, J.A. (1985), S.157. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass viele Sozialpsychologen, die sich der Verhandlungsanalyse widmen, eine Entscheidungspsychologie-Perspektive einnehmen und Verhandlungen als eine Spezialform von Entscheidungen betrachten (vgl. stellvertretend Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.148; Bazerman, M.H. (2002), S.112ff.; Thompson, L. (2005), S.2; Bazerman, M.H./Chugh, D. (2006), S.7ff.). Die Informationsverarbeitung wiederum bildet einen Schwerpunkt der psychologischen Entscheidungsforschung. Vgl. dazu stellvertretend die Arbeiten von Tversky, A./Kahneman, D. (1974); Tversky, A./Kahneman, D. (1981); Bazerman, M.H. (2002). Vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1974), S.1124.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
50
aufgenommenen Informationen in einen Sinnzusammenhang zu stellen. In wenigen anderen Situationen, speziell in solchen, die wie Verhandlungen durch eine erhöhte Unsicherheit gekennzeichnet sind, können solche Heuristiken jedoch zu Wahrnehmungsverzerrungen (cognitive biases) führen. Diese üben einen entscheidenden Einfluss auf den Verhandlungsverlauf aus. NEALE/NORTHCRAFT nennen explizit die folgenden Wahrnehmungsverzerrungen: x
Framing: Unterschiedliche Wahrnehmung von Gewinnen und Verlusten führt zu unterschiedlicher Risikobereitschaft.168
x
Anchoring and Adjustment: Willkürliche Referenzpunkte wie Ziele oder Erstangebote verzerren die Wahrnehmung geschätzter Größen wie die Lage der Einigungszone.169
x
Availability: In der Einschätzung der Verhandlungssituation spielen besonders präsente Erinnerungen eine übergroße Rolle.
x
Overconfidence: Verhandelnde überschätzen regelmäßig ihr eigenes Einschätzungsvermögen.
x
Reactive Devaluation: Verhandelnde überschätzen die Bedeutung eigener Argumente und Konzession und unterschätzen die Bedeutung von Argumenten und Konzessionen der Gegenpartei.
x
Fixed-Pie Assumption: Verhandelnde weisen auch in integrativen Verhandlungen eine Nullsummenwahrnehmung auf: Damit die andere Partei etwas hinzugewinnt, muss man selbst ebensoviel verlieren.170
168
169 170
Framing wird bspw. als eine Erklärung für die Beobachtung verwendet, dass in Kaufverhandlungen meistens der Käufer einen höheren Verhandlungsgewinn erzielt als der Verkäufer. Da der Verkäufer jede zusätzliche ausgehandelte Geldeinheit über seinem Reservationspreis als Gewinn sieht, während das Aufbringen des Kaufpreises für den Käufer immer ein Opfer darstellt, weisen beide unterschiedliche Risikoneigungen auf, die den Käufer insgesamt besser stellen. Vgl. Neale, M.A./Huber, V.L./Northcraft, G.B. (1987), S.231. Vgl. Bazerman, M.H./Chugh, D. (2006), S.8. Die Beobachtung eines Fixed-Pie Bias dient als Begründung, warum es Verhandelnden häufig nicht gelingt, das vollständige integrative Potenzial einer Verhandlung auszuschöpfen. Vgl. Harinck, F./De Dreu, C.K.W./Van Vianen, A.E.M. (2000), S.331f.; Pinkley, R./Griffith, T.L./Northcraft, G.B. (1995), S.101.
Ein verhaltenswissenschaftliches Verhandlungsmodell als Bezugsrahmen der Untersuchung
51
Weitere Prozesse der Informationsverarbeitung, die in einem Verhandlungskontext Relevanz erlangen, von NEALE/NORTHCRAFT aber nicht explizit genannt werden, sind das Expectancy-Discofirmation-Paradigma zur Erklärung der Zufriedenheitsbildung171 sowie weitere Heuristiken, die zu kognitiven Verzerrungen führen können.172 Die in dieser Arbeit benötigten kognitiven Prozesse werden in Abschnitt 3.3.2 aufgegriffen und erläutert. (2) Während die Informationsverarbeitung einen „kalten“ kognitiven Prozess darstellt, wird das Zustandekommen von Affekt als „heißer“ kognitiver Prozess verstanden.173 Unter Affekt werden Gefühle, Launen und emotionale Zustände eines Individuums verstanden, die sich häufig als eine unbewusste Reaktion auf eine bestimmte Situation einstellen.174 Affekt kann negativ (bspw. in Form von Ärger, Angst oder schlechter Laune) und positiv (bspw. Freude, Zuversicht oder gute Laune) ausgeprägt sein. In Verhandlungen weisen die Parteien zu Beginn jeder Verhandlung eine bestimmte Art von Affekt auf, die Ausprägung des Affektes wird allerdings auch von der Verhandlungsinteraktion beeinflusst.175 Positiver Affekt hat sich bei den bisher noch seltenen Untersuchungen des Konstruktes als eine Erklärung für weniger kompetitive Interaktion und effizientere Abkommen herausgestellt.176 (3) Die Verhandlungsplanung und -vorbereitung gilt für den Erfolg der einzelnen Partei in der
Praxis
als
wichtigster
beeinflussbarer
Teil
der
Verhandlung.177
NEALE/
NORTHCRAFT verstehen darunter den Plan einer Verhandlungspartei mit seinen strategischen und taktischen Elementen, inklusive der Alternativen zur Reaktion auf die Aktionen der Gegenpartei und Möglichkeiten der Planveränderung. Die empirische
171 172 173 174 175 176 177
Vgl. dazu stellvertretend Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994). Vgl. zu weiteren Wahrnehmungsverzerrungen Bazerman, M.H./Carroll, J.S. (1987), S.253ff. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.165. Vgl. Barry, B./Oliver, R.L. (1996), S.128. Vgl. Gruchow, M. (2006), S.31f. Vgl. Carnevale, P.J.D./Isen, A.M. (1986), S.9f. Vgl. Lewicki, R.J./Litterer, J.A. (1985), S.47; Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.195; Thompson, L. (2005), S.13.
52
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
Überprüfung, wie die Verhandlungsplanung die Verhandlungsinteraktion und -ergebnisse beeinflusst, steht zu größten Teilen jedoch noch aus.178 (4) Die letzte im Modell von NEALE/NORTHCRAFT wichtige Erklärungsdimension stellen die Persönlichkeitsvariablen der Verhandelnden dar. Ein hoher Grad an Machiavellismus hat sich als ein positiver Einfluss auf den individuellen Gewinn derjenigen Partei erwiesen,179 während die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel einerseits höhere Einigungswahrscheinlichkeiten erklärt, andererseits aber auch zu einer Zunahme der Selbstüberschätzung (overconfidence) führt. Ein hohes Maß an pro-sozialer motivationaler Orientierung ist neueren Untersuchungen zufolge für ein integrativeres Verhandlungsverhalten und eine höhere Verhandlungseffizienz verantwortlich.180
178
179
180
Eine Ausnahme bildet die Untersuchung der Taktik von Good Cop/Bad Cop in Verhandlungen. Vgl. Brodt, S.E./Marla, T. (2000). Unter Machiavellismus werden die Eigenschaften einer Person subsumiert, andere Menschen eher zynisch zu sehen, sich häufig anders zu verhalten, als es sozial erwünscht wäre, auf den eigenen Vorteil bedacht zu sein und ihre Meinung auch unter sozialem Druck nicht zu ändern. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.173. Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.244ff.; Beersma, B./De Dreu, C.K.W. (1999), S.394. Prosoziale motivationale Orientierung (pro social motivational orientation) bzw. soziale Wertorientierung (social value orientation) werden zwar von NEALE/NORTHCRAFT nicht explizit erwähnt, sind aber zu den erklärungsrelevanten Persönlichkeitsvariablen zu zählen.
Zwischenfazit und Implikationen für die weitere Untersuchung
2.5
53
Zwischenfazit und Implikationen für die weitere Untersuchung
Zur Vermarktung von Industriegütern stellen Verhandlungen den wichtigsten Transaktionsmechanismus dar. Grundsätzlich wird unter einer Verhandlung ein interdependenter Entscheidungsprozess zur Lösung konfliktärer Interessen verstanden, bei dem zwei oder mehr Parteien versuchen, durch den Austausch von Informationen und Angeboten einander so zu beeinflussen, dass beide einem Abkommen zustimmen können, das sie gegenüber ihren respektiven Alternativen besser stellt. Aufgrund dieser Charakteristika wurde eine temporale Eingrenzung der Verhandlungssituation im gesamten Vermarktungsprozess aus verhandlungsanalytischer Sicht vorgenommen, die mit der Definition des Kundenproblems beginnt und mit einem Vertragabschluss oder einem Abbruch der Verhandlungen endet. Je nach Umfang der von der Anbieterseite zu erstellenden Leistung, die Gegenstand des Vermarktungsvorgangs ist, variiert die Anzahl und Struktur der an der Kundenverhandlung direkt und indirekt beteiligten Parteien und Organisationen, so dass ein generisches Modell von Vermarktungsverhandlungen verschiedene Verhandlungsebenen vorsehen muss. Aufgrund der uneindeutigen Einflüsse, die marktseiteninterne Verhandlungen auf die Anbieter-Nachfrager-Verhandlungen ausüben können, haben wir uns jedoch entschieden, ausschließlich die Ebene der Kundenverhandlung zu untersuchen und mögliche innerparteiliche Verhandlungsaktivitäten auszublenden. Von der Komplexität der zu vermarktenden Leistung hängen ebenfalls die Inhalte der Verhandlung ab. Sind die inhaltlichen Freiheitsgrade gering, so ist die Verhandlung auf wenige Gegenstände beschränkt und besitzt einen vornehmlich konfliktären, distributiven Charakter, während bei steigender Anzahl der Themenkomplexe die Möglichkeiten für einen integrativeren Interessensausgleich steigen. Anhand der Betrachtung verschiedener Arten von Interaktionsansätzen aus dem Industriegütermarketing wurde deutlich, dass für die Untersuchung der konkreten Verhandlungssituation ein anderer Ansatz vonnöten ist. Mit der verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftlichen Perspektive wurde ein solcher Ansatz identifiziert. Ihm ist zu eigen, dass damit Verhandlungssituationen zu einem gewissen Maße abstrahiert werden, um so insbesondere objektiv messbare Größen des Verhandlungserfolgs und Phänomene der konkreten Verhandlungsinteraktion untersuchen zu können. Daneben bietet die Abstraktion auch den Vorteil einer einheitlichen Terminologie, die vielen Interaktionsansätzen fehlt.
Untersuchungsgegenstand Vermarktungsverhandlung
54
Anhand des Verhandlungszonenmodells zur Modellierung von distributiven Verhandlungen, die Nullsummenspiele darstellen, und mithilfe der Darstellung einer einfachen Modellierung integrativer Verhandlungen, die auf PRUITT/LEWIS zurückgeht, wurde diese Terminologie eingeführt. Als besonders wichtiges Konstrukt wurde die BATNA einer Partei herausgearbeitet, deren Bewertung (RP) den Vergleichsmaßstab zu Annahme oder Ablehnung von möglichen Abkommen durch eine Partei darstellen sollte, um sich mit einem Abschluss besser zu stellen. Der wertmäßige Unterschied zwischen Abschluss und RP stellt für eine Partei ihren individuellen Verhandlungsgewinn dar. Die Verhandlungseffizienz in einer integrativen Verhandlung stellt hingegen ein dyadisches Maß für den Erfolg einer Verhandlung dar: Eine Verhandlung ist dann effizient, wenn es keinen anderen Vertrag als den abgeschlossenen gibt, der mindestens eine Partei besser stellen kann, ohne die andere schlechter zu stellen. Aufgrund ihrer zukunftsbezogenen Wirkungen wurde auch die Verhandlungszufriedenheit der Parteien als ein wichtiges Ergebnismaß von Vermarktungsverhandlungen identifiziert. Als Untersuchungsrahmen für die Verfolgung der eigenen Zielsetzung soll im weiteren Verlauf
das
zuletzt
eingeführte
verhaltenswissenschaftliche
Modell
von
NEALE/
NORTHCRAFT dienen, das neben Kontextfaktoren, die entweder dem strukturellen Kontext oder den Parteien als Kontext zuzuordnen sind, dynamische Variablen der Verhandlung beinhaltet, um Verhandlungsergebnisse zu erklären. Die Konkretisierung dieses Modells stellt im Folgenden die konzeptionelle und empirische Aufgabe dieser Untersuchung dar.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
3
55
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen
Verhandlungsmodells Das Hauptverdienst des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells von NEALE/ NORTHCRAFT ist aus einer explikativen wissenschaftstheoretischen Perspektive darin zu sehen, dass es eine Vielzahl der erklärenden Determinanten von Verhandlungen konzeptionell integriert. Insbesondere aus diesem Grund bietet es sich als Untersuchungsrahmen an, den Einfluss der Art der Marktpartnerschaft zwischen Anbieter und Nachfrager von Industriegütern (ET vs. GB), der Verhandlungsmacht (Höhe der BATNAs) sowie der Verhandlungsinteraktion zu analysieren. In ihrer Modellformulierung gehen die Autoren hingegen nicht über eine prinzipielle Angabe von Kausalitäten der einzelnen Modellbestandteile hinaus: Sie postulieren nur, dass die Kontextvariablen einen Einfluss auf die dynamischen Variablen der Verhandlung ausüben und diese wiederum die Verhandlungsergebnisse beeinflussen. Im Folgenden ist es daher Aufgabe, die mit den betrachteten Kontextvariablen „Art der Marktpartnerschaft“ und „Verhandlungsmacht“ verbundenen vermuteten Wirkungen auf die dynamischen Variablen der Verhandlung und die Verhandlungsergebnisse zu explizieren. Es bietet sich dazu an, einerseits die theoretischen Fundamente der beiden Kontextgrößen heranzuziehen und andererseits empirische Erkenntnisse zu diesen bzw. verwandten Größen zu verarbeiten. In einem zweiten Schritt sollen dann die dynamischen Variablen der Verhandlung genauer untersucht und schließlich ein vollständiges Hypothesen- und Wirkungsgerüst innerhalb des Untersuchungsrahmens von NEALE/NORTHCRAFT formuliert werden. 3.1
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die
Vermarktungsverhandlung Verhandlungen stellen auf Industriegütermärkten einen Transaktionsmechanismus dar, dessen Ausgang mit einem erhöhten Maß von Unsicherheit verbunden ist. In der Industriegütermarketing-Forschung hat sich insbesondere der Auf- und Ausbau von GBen als unsicherheitsmindernd herausgestellt. Von einer GB spricht PLINKE dann, wenn zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager von Industriegütern mehrere Transaktionsepisoden stattfinden, die in
56
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
einem inneren Zusammenhang zueinander stehen. 181 Mit der Entwicklung einer GB wird die Entstehung von Vertrauen, Commitment, Kooperation und relationalen Normen zwischen den Geschäftspartnern verbunden,182 die es ihnen erlauben, teilweise auf vertragliche Regelungen zu verzichten und somit Transaktionskosten zu sparen.183 Aufgrund der hohen Bedeutung von GBen für die Marketing-Praxis hat sich in den letzten 25 Jahren eine rege Forschungstätigkeit im Bereich des Relationship Marketing entwickelt. BACKHAUS/BÜSCHKEN unterscheiden in ihrer Zusammenstellung des damaligen Wissensstandes drei grundsätzliche Kategorien von Untersuchungen: (1) Studien über Transaktionsepisoden innerhalb von GBen, (2) Studien über den Einfluss der GB auf eine Transaktionsepisode sowie (3) Untersuchungen von GBen über Transaktionsepisoden hinweg.184 Erstaunlich ist, dass in der Synopse von BACKHAUS/BÜSCHKEN in der Kategorie (2) nur vier Untersuchungen auftauchen. Keine dieser Untersuchungen beschäftigt sich mit dem Einfluss der GB auf Prozess und Ergebnis einer konkreten Verhandlung,185 obwohl die GB und ihre Eigenschaften eine maßgebliche Wirkung auf die konkrete Verhandlung im Rahmen einer Transaktionsepisode vermuten lassen.
181
182 183 184 185
Vgl. Plinke, W. (1997), S.23. Vgl. auch Narayandas, D./Rangan, V.K. (2004), S.64.; Anderson, J.C. (1995), S.347; Ganesan, S. (1993), S.187f.; Unterschütz, A. (2004), S.29ff.; Lichtenau, T. (2005), S.13ff. Kontaktaufnahme und Anbahnung, Verhandlung und Einigung sowie der Austausch von Leistung und Gegenleistung bilden eine Transaktionsepisode. Zum Begriff der Transaktionsepisode vgl. Abschnitt 2.1.2 sowie Utikal, H. (2001), S.13; zu einer weiteren Darstellung auch Anderson, J.C. (1995), S.347. Vgl. stellvertretend Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.21ff. Vgl. Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1992), 492ff. Vgl. Backhaus, K./Büschken, J. (1997), S.16. Auch seit dem Überblicksaufsatz von BACKHAUS/BÜSCHKEN ist uns keine Untersuchung bekannt, die sich dieser Fragestellung angenommen hat. Lediglich in einem konzeptionellen Beitrag wird ein Einfluss der GB auf die konkrete Verhandlung thematisiert, vgl. Dabholkar, P.A./Johnston, W.J./Cathey, A.S. (1994), S.137.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
3.1.1
57
Determinanten des Zustandekommens von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
Um die Wirkung einer GB auf die konkrete Verhandlung einer Transaktionsepisode im Gegensatz zur Verhandlung einer isolierten Transaktion, der ET, untersuchen zu können, müssen zu Beginn die Determinanten betrachtet werden, die über die Art der Marktpartnerschaft entscheiden. Unter der Art der Marktpartnerschaft soll im Folgenden die Unterscheidung verstanden werden, ob Anbieter und Nachfrager in einer dauerhaften GB oder auf einer ad-hoc Basis in Form von ETen miteinander kontrahieren.186 Die Erklärung des Zustandekommens von GB oder ET kann nur durch eine dyadische Betrachtung der Vorteilhaftigkeit einer GB gegenüber der ET erfolgen.187 Nur wenn sich sowohl Anbieter als auch Nachfrager Vorteile aus einer GB versprechen, kann sich diese entwickeln. Der Saldo aus erwarteten Vor- und Nachteilen des Eingehens einer GB wird im Folgenden als Bindungswilligkeit von Anbieter und Nachfrager bezeichnet. Sie wird von Effektivitäts- und Effizienzgesichtspunkten beeinflusst.188 Auf Anbieterseite sprechen insbesondere Effizienzkriterien für das Eingehen einer GB:189 So sind die häufig geringeren Kosten der Kundenbindung gegenüber den Kosten der Kundenneugewinnung ein Argument für das Eingehen einer GB. Außerdem erwirtschaften Unternehmen mit vorhandenen Kunden höhere Gewinne als mit Neukunden.190 Auch Effektivitätsvorteile können aus Anbietersicht Argumente für das Eingehen von GBen liefern: Die Qualität des Kundenfeedbacks ist in GBen höher. Dies kann der Anbieter zu einer
186
187
188 189
190
Zu einer ausführlichen Diskussion der Begriffe von ET und GB vgl. Utikal, H. (2001), S.7ff.; Gawantka, A. (2006), S.21ff., sowie Zimmer, P. (1999), S.7ff. Vgl. Backhaus, K. (1997), S.23; Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.363. Autoren, die anhand der Transaktionskostentheorie argumentieren, unterschlagen diese dyadische Betrachtungsweise zugunsten eines höheren Abstraktionsniveaus häufig und erklären unterschiedliche Formen der Marktpartnerschaft (sie sprechen diesbezüglich vom institutionellen Arrangement) mithilfe des allgemeinen Risikos des Austausches, vgl. bspw. Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1992), S.487ff.; Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1994), S.92ff. Vgl. Backhaus, K. (1997), S.22. BACKHAUS spricht zwar auch von Effektivitätsvorteilen auf Seiten des Anbieters, die seine Bindungswilligkeit erhöhen, konkretisiert diese aber nicht. Vgl. Backhaus, K. (1997), S.22ff. Vgl. Reichheld, F.F./Sasser, W.E. (1990), S.105ff. Ihre Untersuchung betrachtet verschiedene Branchen im Konsum- und Industriegüterbereich. Vgl. auch Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.363.
58
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
effektiveren Marktbearbeitung durch entsprechende Leistungsangebote nutzen.191 Ein weiterer Effektivitätsvorteil einer GB für einen Anbieter kann darin bestehen, dass die GB mit einem bestimmten Kunden als Referenz für Geschäfte mit anderen Nachfragern dienen kann, die ansonsten nicht zustande kommen würden.192 Während aus der Anbieterperspektive wenig gegen und vieles für das Eingehen einer GB spricht, stellt sich die Situation aus Nachfragersicht differenzierter dar. Unter Effizienzgesichtspunkten hat der Nachfrager grundsätzlich die Entscheidung zwischen zwei Alternativen zu treffen: „In an adversarial model, buyers pit suppliers against each other to achieve lower costs. In a cooperative model, both parties achieve lower costs by working together to lower both buyer’s and seller’s operating costs.”193 Die geringeren operativen Kosten im Falle der ET ergeben sich für den Nachfrager daraus, dass sich die möglichen Anbieter gegenseitig unterbieten und der Nachfrager das für ihn günstigste Angebot auswählen kann.194 Damit ein solcher für den Nachfrager effizienter Lieferantenwettbewerb möglich ist, dürfen weder das operative Risiko aufgrund von Qualitätsmängeln oder Lieferzeitschwierigkeiten noch die Kosten eines Lieferantenwechsels für den Nachfrager zu groß sein.195 Kostenvorteile aus einer GB gegenüber einer ET sind für den Nachfrager dann zu erwarten, wenn durch die langfristige Zusammenarbeit zwischen beiden Marktpartnern unterstützende Vorgänge wie das Bestell-, Inventar oder Liefermanagement automatisiert werden können.196 Auch die geringeren Such- und Informationsbeschaffungskosten in einer GB gegenüber der Beschaffung in verschiedenen ETen sprechen für Effizienzvorteile aus Nachfragersicht.197 Unter Effektivitätsgesichtspunkten aus der Nachfragerperspektive lässt sich die Bewahrung der Unabhängigkeit und Flexibilität als Argument für die Beschaffung in ETen anführen.198 191 192 193 194 195 196
197 198
Vgl. Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.497. Vgl. Möller, K.K./Wilson, D.T. (1995), S.39, sowie zu einem praktischen Beispiel Streitz, M. (2005). Wilson, D.T. (1995), S.336. Vgl. Sheth, J.N./Parvatiyar, A. (1995), S.399. Vgl. Wilson, D.T. (1995), S.336; Dabholkar, P.A./Johnston, W.J./Cathey, A.S. (1994), S.140. Vgl. Berry, L.L. (1995), S.241; Wilson, D.T. (1995), S.336 sowie das Praxisbeispiel in Garber, T. (2006). Vgl. Backhaus, K. (1997), S.25; Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.497. Vgl. Sheth, J.N./Parvatiyar, A. (1995), S.399.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
59
Das Flexibilitätsargument ist besonders in wenig konsolidierten Märkten zutreffend, die einem raschen technologischen Wandel unterworfen sind. Die Beschaffung innerhalb von GBen ist für den Nachfrager aus Effektivitätssicht dann sinnvoll, wenn dadurch die Qualität der eigenen Leistungen gesteigert oder die Time-to-market verkürzt werden kann.199 Die Erfahrung und die Zufriedenheit mit Zulieferleistungen eines Anbieters innerhalb einer GB reduziert außerdem, insbesondere bei Erfahrungs- und Vertrauensgütern, das vor dem Kauf bestehende Risiko einer Fehlentscheidung, wie es bei der Beschaffung in ETen gegeben ist.200 Auch wenn die Nutzenentfaltung einer Leistung nur über einen längeren Zeitraum möglich ist, etwa bei industriellen Dienstleistungen, spricht dies unter Effektivitätsgesichtspunkten für das Eingehen einer GB.201 Eine rollenunabhängige Begründung für das Zustandekommen unterschiedlicher Arten der Marktpartnerschaft liefert die Betrachtung der wahrgenommenen Höhe des mit einer Transaktion verbundenen Risikos und die Neigung der Parteien, sich auf Vertrauen zur Risikoreduktion zu verlassen. Dieses Vertrauen hat in erster Linie die Reduzierung der wahrgenommenen Verhaltensunsicherheit der Gegenpartei zur Folge: Wer vertraut, befürchtet nicht, dass sich die Gegenpartei opportunistisch verhält.202 Nach dieser Argumentation kann eine GB nur entstehen, wenn Anbieter und Nachfrager bereit sind, sich auf Vertrauen zur Risikoreduktion zu verlassen.203 GB und ET, wie sie bisher diskutiert wurden, stellen Extreme dar, während in der Praxis häufig Mischformen zu beobachten sind. Demnach können GBen hinsichtlich ihrer Intensität unterschieden werden, wobei die Intensität sowohl sachlich, als auch zeitlich bedingt sein
199 200 201 202
203
Vgl. Wilson, D.T. (1995), S.336; Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.363. Vgl. Backhaus, K. (1997), S.23; Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.497. Vgl. Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.497. Dass es die Notwendigkeit von Vertrauen zur Entwicklung einer GB beidseitig sein muss, zeigt die Betrachtung von spezifischen Investitionen, die häufig beide Seiten in einer GB tätigen: Sind sie einmal getätigt, besteht sowohl für den Anbieter als auch für den Nachfrager ein gewisser Spielraum für opportunistisches Verhalten. Vgl. Backhaus, K. (2003), S.316ff. Vgl. Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1992), S.490. Das Konstrukt des Vertrauens spielt daher nicht nur als Folge, sondern auch als Voraussetzung von GBen einen zentralen Stellenwert in Praxis und Forschung. Vgl. Andaleeb, S.S. (1995), S.158ff.; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.36ff.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
60
kann.204 Manche Autoren gehen sogar so weit, dass sie das Auftreten von ETen generell bestreiten. Ihrer Argumentation nach handelt es sich bei jedem Austausch zwischen Anbieter und Nachfrager um eine unterschiedlich intensive GB.205 Diese Begründung ist insofern nachvollziehbar, als jede GB mit einer ersten Transaktion zwischen Marktpartnern beginnt. Dennoch ist in vielen Arbeiten der Marketingforschung eine Dichotomie von ET und GB zu finden, wobei selten dieselben Kriterien verwendet wurden, um eine Unterscheidung von ET und GB zu rechtfertigen.206 Aufgrund der Vielschichtigkeit des Begriffs der GB sowie ihrer Intensität bleibt die Trennung zwischen ET und GB zu einem gewissen Grad willkürlich und wird häufig vom konkreten Untersuchungsziel und dem zugrunde liegenden Theoriegebäude geleitet.207 In dieser Arbeit soll der Einfluss einer GB auf Verhandlungsprozess und -ergebnis innerhalb einer Transaktionsepisode gegenüber einer Verhandlung im Rahmen einer ET untersucht werden. Die Entscheidung, welche Beziehungsintensität zwischen zwei Marktpartnern eine ET und welche eine GB konstituiert, richtet sich daher nach den Merkmalen, die einen besonderen Einfluss auf die Verhandlung erwarten lassen.208 Dies sind im Folgenden Vertrauen, Commitment und Wissen. Alle drei Merkmale sind in besonderem Maße dazu geeignet, die einer Verhandlungssituation inhärenten Unsicherheit über die Ausgangssituation der jeweils anderen Partei (Interessen, Präferenzen, Prioritäten, Bedürfnisse) sowie ihrer Verhaltensintentionen zu verringern. Ihre jeweiligen Einflüsse auf eine Vermarktungsverhandlung werden daher in den folgenden Abschnitten ausführlich diskutiert. 204
205
206
207
208
Vgl. zur sachlichen Intensität von GBen Berry, L.L. (1995), S.240f. ; Backhaus, K. (1997), S.26f. sowie Lichtenau, T. (2005), S.15. Die zeitlich bedingte Intensität einer GB wird in den dynamischen GBModellen aufgegriffen. Vgl. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.15ff.; Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.498ff.; Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1994); Storbacka, K./Strandvik, T./Grönroos, C. (1994), S.23ff. und Madhok, A./Tallman, S.B. (1998), S.332ff. Vgl. Engelhardt, W.H./Freiling, J. (1995), S.37. Andere Autoren sprechen von „transactional relationships“ und umgehen somit eine deutlichere Formulierung, vgl. Anderson, J.C./Narus, J.A. (1991), S.96. Bspw. verwenden RING/VAN DE VEN die Merkmale „risk of the deal“ und „reliance upon trust among the parties“; DABHOLKAR/JOHNSTON/CATHEY verwenden “time perspective” und “gain perspective” und WILSON benutzt die Dimensionen “amount of operating risk“ und “value added to the buyer’s product by the seller”, um die GB von der ET abzugrenzen. Vgl. Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1992), S.490; Dabholkar, P.A./Johnston, W.J./Cathey, A.S. (1994), S.141 und Wilson, D.T. (1995), S.336. Vgl. zu den unterschiedlichen Sichtweisen von GBen und Relationship Marketing Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.360f. Eine Übersicht der Merkmale, die zur Beschreibung einer GB in der Marketing-Wissenschaft verwendet wurden, findet sich bei Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.362.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
61
Sind diese Merkmale im Sinne des multidimensionalen Konstrukts der GB-Intensität eher stark ausgeprägt, so wird im Folgenden von einer GB die Rede sein. Sind sie hingegen schwach ausgeprägt, wird von einer ET gesprochen. Obwohl es sich bei Vertrauen, Wissen und Commitment um verschiedene Konstrukte handelt, so wurde gezeigt, dass diese sich in GBen gegenseitig positiv beeinflussen,209 so dass nicht befürchtet werden muss, eine Vielzahl von Fällen mit der hier verwendeten Dichotomie zu unterschlagen. Die Bindungswilligkeit als Saldo von Effizienz- und Effektivitätsargumenten auf Seiten von Anbieter und Nachfrager sowie die resultierende Art der Marktpartnerschaft fasst Abbildung 7 zusammen. Anbietersicht
Nachfragersicht
Effizienzgesichtspunkte -Kundenbindung oft günstiger als Neukundengewinnung -Höherer Umsatz und Gewinn mit loyalen Kunden Effektivitätsgesichtspunkte -Besseres Kundenfeedback bei GB -GB dient als Referenz für andere Kunden -Verlass auf Vertrauen zur Risikoreduktion Bindungswilligkeit Anbieter
(+) (+) (+) (+) (+/–) (+/–)
Effizienzgesichtspunkte -Geringere Kosten durch Lieferantenwettbewerb -Geringere Kosten durch Automatisierung von Routinevorgängen -Geringere Such- und Informationskosten Effektivitätsgesichtspunkte -Bewahrung der Unabhängigkeit/Flexibilität -Steigerung der Qualität der eigenen Leistung -Reduzierung der Time-to-market -Erfahrung senkt Fehlentscheidungsrisiko -Verlass auf Vertrauen zur Risikoreduktion Bindungswilligkeit Nachfrager
nein
Beidseitige Bindungswilligkeit vorhanden?
(–) (+) (+) (–) (+) (+) (+) (+/–) (+/–)
ja
Vertrauen
Einzeltransaktion
-
Commitment
+
Geschäftsbeziehung
Wissen
Abbildung 7:
209
210
Zustandekommen von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung.210
Vgl. Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29ff.; Unterschütz, A. (2004), S.76f. Wissen in unserem Sinne kann in dieser Untersuchung als negative Unsicherheit verstanden werden, vgl. die Operationalisierung des Konstruktes „Unsicherheit“ im Anhang, ebenda S.35. Zur Beziehung von Wissen/Kompetenz und Vertrauen vgl. Swan, J.E./Trawik, I.F./Silva, D.W. (1985), S.211; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.44f. Der Zusammenhang von Vertrauen und Commitment wurde nachgewiesen bei Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.312; Andaleeb, S.S. (1996), S.87 und Jung, S. (1999), S.203. Eigene Darstellung.
62
3.1.2
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung als Kontextfaktor der Verhandlung
Die Betrachtung des Einflusses von ET und GB auf Verhandlungsprozess und -ergebnisse folgt dem Ziel dieser Arbeit, Verhandlungen auf Industriegütermärkten unter Berücksichtigung bestimmter Variablen zu erklären. Als Untersuchungsrahmen dient das in Abschnitt 1.1 eingeführte verhaltenswissenschaftliche Modell von NEALE/NORTHCRAFT.211 Das Modell unterscheidet zur Erklärung von Verhandlungsergebnissen statische Variablen des Verhandlungskontextes und dynamische Variablen der Verhandlung. Die Art der Marktpartnerschaft ist den Kontextvariablen zuzuordnen: Vor der einzelnen Verhandlung, die den Gegenstand der Untersuchung ausmacht, steht bereits fest, ob sich die Verhandlungsparteien in einer andauernden GB oder in einer isolierten ET befinden. Zwar besitzen auch die betrachtete Verhandlung und ihre Ergebnisse längerfristig einen Einfluss auf die Fortsetzung der GB oder den Ausbau einer ET zu einer GB; doch diese Frage liegt nicht im Fokus der vorliegenden Untersuchung. Innerhalb der statischen Kontextvariablen fällt die Art der Marktpartnerschaft im Modell von NEALE/NORTHCRAFT in die Kategorie „Parteien als Kontext“. Dies ergibt sich aus dem Erklärungsgehalt der Art der Marktpartnerschaft für die Verhandlung. Verschiedene Eigenschaften von ET und GB, die den Parteien und ihrer Beziehung zueinander zuzuschreiben sind, machen diesen Erklärungsgehalt aus. Während in einer ET jede Partei individuelle Ziele verfolgt, kann eine GB ohne gemeinsame Ziele nicht langfristig erfolgreich sein. Somit ist in jeder GB ein gewisses Commitment und Verständnis für die Ziele und das Wohlergehen (concern) des Verhandlungspartners vorhanden.212 Nach dem Dual-Concern-Modell von PRUITT/CARNEVALE213 stellt dies eine Voraussetzung für das Erreichen von effizienten Verträgen dar. Durch eine gemeinsame „Geschichte“ hat sich außerdem in jeder GB ein bestimmtes Maß an Vertrauen eingestellt. Dieses Vertrauen ist bei den Verhandlungsparteien einer ET nicht unbedingt gleichermaßen vorhanden, beeinflusst aber den Informationsaustausch während der Verhandlung. Ebenfalls durch die Vergangenheit bedingt, kommt es in GBen zu einem Zuwachs an Wissen über die
211 212 213
Vgl. dazu ausführlich Abschnitt 1.1. Vgl. McGinn, K.L. (2006), S.135. Vgl. Pruitt, D.G./Carnevale, P.J.D. (1993), S.104ff.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
63
Fähigkeiten und Ressourcen, Bedürfnisse und Präferenzen des Geschäftspartners als auch über bestimmte Methoden, die zu erfolgreichen Abschlüssen geführt haben. Dieses Wissen ist bei den Parteien einer ET nicht existent.
Parteien als Kontext • Agenten • Drittparteien
Vertrauen: Glaubwürdigkeit, Wohlwollen Commitment: instrumentell und attitudinal
-
Wissen: Fakten- und Methodenwissen
Abbildung 8:
+
Geschäftsbeziehung
Einzeltransaktion
• Beziehung der Parteien zueinander
Kontext (statisch)
Verhandelnde (dynamisch)
Art der Marktpartnerschaft als Kontextfaktor im Modell von NEALE/NORTHCRAFT.214
Um die Wirkung des Kontextfaktors „Art der Marktpartnerschaft“ und damit seinen Erklärungsgehalt für die Verhandlung zu klären, sind zwei Vorgehensschritte zweckmäßig. Einerseits sollten die Eigenschaften von ET und GB und ihre Wirkung auf die Verhandlung hin untersucht werden, andererseits bietet es sich an, vorhandene Untersuchungen über den Einfluss anderer Arten von Beziehungen (Freundschaft, kollegiale Beziehungen, etc.) auf Verhandlungen zu analysieren und mögliche Parallelen zur Art der Marktpartnerschaft aufzudecken.
214
Eigene Darstellung.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
64
3.1.3
Relevante Merkmale von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung in Bezug auf die Vermarktungsverhandlung
3.1.3.1 Vertrauen Jede Transaktion zwischen Marktpartnern birgt für beide Partner einen gewissen Grad an Unsicherheit, unabhängig davon, ob es sich um eine ET oder eine Episode im Rahmen einer GB handelt. Sachlich besteht Unsicherheit hinsichtlich des zukünftigen Verhaltens der anderen Seite (Verhaltensunsicherheit) sowie in Bezug auf unvorhergesehene Ereignisse in der Umwelt (Umweltunsicherheit). Zeitlich können bei der Betrachtung einer Transaktion auf Industriegütermärkten einerseits die Unsicherheit während des Verhandlungsprozesses, andererseits die Unsicherheit bei der Implementierung des verhandelten Abkommens unterschieden werden.215 Die von beiden Verhandlungspartnern wahrgenommene Verhaltensunsicherheit des Verhandlungsprozesses setzt sich zusammen aus dem Nichtwissen über Korrektheit und Vollständigkeit des Informationsflusses der jeweils anderen Partei sowie der Ungewissheit über die Intentionen der Gegenseite in der Verhandlung.216 Die grundsätzlich bestehende Verhaltensunsicherheit kann durch Vertrauen einer Partei in die andere in subjektive Sicherheit für die vertrauende Partei umgewandelt werden.217 Dies ist für die bessere Kooperation zwischen beiden Partnern notwendig.218 Obwohl aufgrund der Multidimensionalität des Vertrauenskonstruktes und seiner umfassenden Bedeutung in allen sozialen Beziehungen keine einheitliche Definition von Vertrauen möglich ist,219 hat sich besonders in Untersuchungen zu Vertrauen zwischen Anbietern und 215
216
217
218
219
Die Unsicherheit über die Implementierung des Abkommens wird hier nicht weiter betrachtet, vgl. Abschnitt 2.1.2. Diese Dichotomie entspricht den zwei Vertrauensaspekten, die die jeweilige Unsicherheit beheben helfen können: Glaubwürdigkeit (credibility) und Wohlwollen (benevolence). Wird die andere Partei als glaubwürdig wahrgenommen, besteht eine deutlich geringere Unsicherheit bezüglich des Wahrheitsgehalts und der Vollständigkeit des Informationsaustausches. Gilt sie als wohlwollend, werden weniger manipulative oder opportunistische Intentionen befürchtet. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.3; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.36. Vgl. Bierhoff, H.W. (1995), Sp.2149. Andere Autoren weisen darauf hin, dass Vertrauen nur dann notwendig ist, wenn Verhaltensunsicherheit besteht, vgl. Young, L.C./Wilkinson, I.F. (1989), S.112; Mayer, R.C./Davis, J.H./Schoorman, F.D. (1995), S.711; Bigley, G.G./Pearce, J.L. (1998), S.407. Vgl. Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.22ff. Dies gilt insbesondere, wenn keiner der beiden Partner in besonderem Maße abhängig vom anderen ist, vgl. Young, L.C./Wilkinson, I.F. (1989), S.117; Andaleeb, S.S. (1995), S.160ff. Vgl. Mayer, R.C./Davis, J.H./Schoorman, F.D. (1995), S.709.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
65
Nachfragern auf Industriegütermärkten eine Zweidimensionalität des Vertrauenskonstruktes durchgesetzt. In diesen Arbeiten setzt das Vertrauen der Partei A in Partei B aus wahrgenommener Glaubwürdigkeit (credibility) und Wohlwollen (benevolence) von B zusammen.220 Die Glaubwürdigkeit von B beruht in erster Linie auf positiven Vergangenheitserfahrungen von A mit B und auf Wissen, das A aufgrund gemeinsamer Erfahrungen über B besitzt. Die positiven Vergangenheitserfahrungen resultieren aus der Erfüllung von Zusicherungen, so dass der Partner als verlässlich wahrgenommen wird.221 Das Wissen kann sich sowohl darauf beziehen, dass B in der Lage ist, gegebene Zusagen einhalten zu können, als auch darauf, dass für B die erwarteten Kosten eines Vertrauensbruchs größer sind als die erwarteten Vorteile.222 Wohlwollen kann hingegen von Vergangenheitserfahrungen unabhängig sein. Es entsteht dann, wenn A keine Gefahr sieht, von B manipuliert oder übervorteilt zu werden, sondern vielmehr der Ansicht ist, dass B aufrichtig nicht nur um sein eigenes Wohl, sondern auch um das Wohl des Geschäftspartners bemüht ist.223 Während wahrgenommene Glaubwürdigkeit also einer Vergangenheit bedarf, kann Wohlwollen auch im Sinne eines Vertrauensvorschusses entgegen gebracht werden. Bei der Betrachtung von Vertrauen zwischen zwei Marktpartnern spielt neben der konkreten Ausprägung von Vertrauen auch das Bezugobjekt eine entscheidende Rolle. Während manche Autoren Vertrauen nur zwischen zwei Personen für möglich halten, vertreten andere den Standpunkt, dass Vertrauen auch zwischen einer Person und einer Organisation bzw. zwischen zwei Organisationen vorhanden sein kann.224 Bei der Betrachtung von Vertrauen zwischen einem anbietenden und einem nachfragenden Unternehmen hat sich die Sichtweise durchgesetzt, dass Vertrauen eines oder vieler Mitarbeiter von A sich sowohl auf das
220
221 222 223 224
Vgl. Ganesan, S. (1994), S.3; Andaleeb, S.S. (1995), S.159; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.36; auch Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.23; Unterschütz, A. (2004), S.73f. Die vier Facetten des Vertrauens, die bei LINDSKOLD und BIERHOFF auftauchen, lassen sich ebenfalls den beiden Dimensionen Glaubwürdigkeit und Wohlwollen zuordnen. Vgl. Lindskold, S. (1978), S.773; Bierhoff, H.W. (1995), Sp.2149. Vgl. Hakansson, H./Wootz, B. (1979), S.30f.; Palmer, A./Bejou, D. (1994), S.499. Vgl. Bierhoff, H.W. (1995), Sp.2149; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.37. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.3; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.36. Vgl. Mayer, R.C./Davis, J.H./Schoorman, F.D. (1995), S.715ff.; Nicholson, C.Y./Compeau, L.D./Sethi, R. (2001), S.3
66
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Unternehmen B als auch auf die Mitarbeiter von B beziehen kann.225 Dies impliziert, dass auch bei einem Wechsel des Verkaufs- oder Einkaufspersonals ein Vertrauensverhältnis zwischen zwei Unternehmen nicht vollständig neu aufgebaut werden muss.226 Aufgrund der Eigenschaften von Vertrauen wird deutlich, warum das Vertrauen zwischen Marktpartnern in ETen und GBen unterschiedlich ausgeprägt ist. Die vergangenheitsbezogene Glaubwürdigkeit der jeweils anderen Partei kann nur in GBen stark ausgeprägt sein. Nur dort liegen reichhaltige Erfahrungen mit dem Partner vor, die, wenn sie positiv sind, die Glaubwürdigkeit erhöhen.227 Liegen vorwiegend negative Erfahrungen, aber keine einseitige oder gegenseitige hohe Abhängigkeit vor, würde die GB über kurz oder lang aufgelöst werden.228 In einer ET kann Glaubwürdigkeit hingegen nur in kleinen reziproken Schritten entstehen, wenn beide Geschäftspartner mehr Wissen übereinander erlangen.229 Auch in Bezug auf das Wohlwollen, das die Partner sich gegenseitig entgegen bringen, sind Unterschiede zwischen ET und GB festzustellen. Wohlwollen in GBen kann neben Erwartungen, von der anderen Partei zukünftig nicht übervorteilt zu werden, auch darauf beruhen, dass diese sich in der Vergangenheit nicht opportunistisch, sondern zum Wohle von beiden Geschäftspartnern verhalten hat. Daneben lässt die Zukunftserwartung von gemeinsamen Geschäften, verbunden mit gemeinsam zu erreichenden Zielen, in GBen ein höheres Wohlwollen beider Parteien füreinander erwarten, als dies in ETen der Fall ist.230 Dort müssen beide Parteien davon ausgehen, dass die jeweils andere Seite zuerst am eigenen Nutzen interessiert ist und gemeinsame Ziele, falls überhaupt vorhanden, von nachrangigem Interesse sind. Es bleibt demnach festzuhalten, dass das Vertrauen zwischen Marktpartnern in GBen i.d.R. deutlich stärker ausgeprägt ist als in ETen.231
225 226 227
228
229 230 231
Vgl. Swan, J.E./Nolan, J.J. (1985), S.46; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.37. Vgl. Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.37. Vgl. Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.320; Nicholson, C.Y./Compeau, L.D./Sethi, R. (2001), S.4;Ring, P.S./Van de Ven, A.H. (1992), S.489. Die letztgenannten Autoren weisen darauf hin, dass positive Erfahrungen den Informationsaustausch zwischen den Parteien erhöhen. Dieses Argument wird unterstützt durch die nachgewiesenen Einflüsse von Glaubwürdigkeit und Abhängigkeit auf die long term orientation von Geschäftspartnern. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.9. Vgl. Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.21. Vgl. Wilson, D.T. (1995), S.337. Für BERRY stellt Vertrauen eine notwendige Bedingung für eine GB dar: „Relationship marketing is built on the foundation of trust.“, Berry, L.L. (1995), S.242.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
67
Abbildung 9 zeigt die Bestandteile von Vertrauen von A in B und seine Bedeutung für die Verhandlung. Das Vertrauen von B in A ergibt sich analog. Positive Erfahrung des A wegen Erfüllung der von B getätigten Zusagen Wissen von A über B: -Fähigkeit von B, seine Zusagen zu erfüllen -Negativer Nutzensaldo von B bei Vertrauensbruch
Glaubwürdigkeit von B
Vertrauen von A in B B ist in den Augen von A auch an dessen Wohl gelegen. A befürchtet keine Manipulation oder Opportunismus
Abbildung 9:
Problem lösendes Verhalten von A in der Verhandlung einer Transaktionsepisode
Wohlwollen von B
Bestandteile des Vertrauens von A in B und seine Bedeutung für die Verhandlung.232
Für die Erklärung von Verhandlungsprozess und -ergebnis bei unterschiedlicher Art der Marktpartnerschaft hat dies Konsequenzen. Allgemein ist zu erwarten, dass ein höheres Niveau von Vertrauen einen positiven Einfluss auf die Kooperation und Kommunikation zwischen den Verhandlungsparteien ausübt.233 Während in manchen Studien dieser Nachweis auf einer von der einzelnen Verhandlung abstrahierenden Ebene geführt wird, zeigen andere Untersuchungen, dass größeres Vertrauen auch in der konkreten Verhandlung zu mehr
232 233
Eigene Darstellung nach Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997). Vgl. Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.319; Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.26. Andere Autoren weisen darauf hin, dass Kooperation zum Zeitpunkt to wiederum Vertrauen in t1 bedingt. Vgl. Anderson, J.C./Narus, J.A. (1990), S.50ff. Daneben konnte auch der positive Einfluss von Vertrauen auf die Zufriedenheit der Geschäftspartner, auf ihre Zukunftserwartungen und ihr Commitment zur GB sowie auf die Reduzierung von Unsicherheit, opportunistischem Verhalten, Konflikt und Kontrolle nachgewiesen werden. Vgl. Swan, J.E./Trawik, I.F./Silva, D.W. (1985), S.203; Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.319; Anderson, J.C./Narus, J.A. (1990), S.50ff.; Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.26; Ganesan, S. (1994), S.9; Andaleeb, S.S. (1995), S.160ff.; Andaleeb, S.S. (1996), S.81f.; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.45.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
68
Problem lösendem bzw. integrativerem und zu weniger distributivem Verhalten führt.234 Auch eine hohe Verhandlungseffizienz konnte mit größerem Vertrauen begründet werden.235 Das vermehrte Auftreten von Problem lösendem Verhalten in Verhandlungen bei größerem Vertrauen zwischen den Parteien wird damit begründet, dass Parteien mit höherem Vertrauen eher ihre wahren Prioritäten und Präferenzen enthüllen, also vermehrt zur Effizienzsteigerung notwendige Informationen austauschen, da sie weniger fürchten, opportunistisch ausgenutzt zu werden.236 3.1.3.2 Commitment Das Konstrukt des Commitment stellt in der Geschäftsbeziehungsforschung die am häufigsten verwendete abhängige Variable dar und bildet gleichzeitig ein wichtiges Kriterium zur Unterscheidung von GB und ET.237 Unter dem Commitment eines Marktakteurs ist seine innere Verpflichtung zur GB und damit seine empfundene Bindung an den Geschäftspartner zu verstehen.238 Commitment zeichnet sich demnach dadurch aus, dass ein Akteur, der sich seinem Geschäftspartner verpflichtet fühlt, das Anliegen hat, die GB aufrecht zu erhalten. Er ist dafür bereit, Anstrengungen zu unternehmen,239 und zeigt die Bereitschaft, kurzfristig auch Nachteile in Kauf zu nehmen, um die GB dauerhaft zum Erfolg zu führen.240 Commitment zu einer GB besitzt folglich einen langfristigen Charakter und ist eng verwandt mit Konstrukten wie Langfristorientierung (long term orientation) und Beziehungskontinuität.241
234
235 236 237 238
239
240 241
Vgl. Schurr, P.H./Ozanne, J.I. (1985), S.950; Beersma, B./De Dreu, C.K.W. (1999), S.388ff.; MintuWimsatt, A./Garci, R./Calantone, R. (2005), S.56. Bei MINTU-WIMSATT/GRAHAM konnte der Zusammenhang nicht bestätigt werden, während er bei KIMMEL et al. nur nachgewiesen wurde, wenn die Verhandlungsparteien neben großem Vertrauen auch ambitionierte Verhandlungsziele verfolgten. Vgl. Mintu-Wimsatt, A./Graham, J.L. (2004), S.352; Kimmel, M.J. et al. (1980), S.14. Vgl. Beersma, B./De Dreu, C.K.W. (1999), S.388ff. Vgl. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.141ff.; Beersma, B./De Dreu, C.K.W. (1999), S.388f. Vgl. Wilson, D.T. (1995), S.337. Vgl. Diller, H./Kusterer, M. (1988), S.218; Söllner, A. (1993), S.5; Plinke, W./Söllner, A. (1998), S.65; Zimmer, P. (1999), S.14ff.; Unterschütz, A. (2004), S.75. Vgl. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.19; Wilson, D.T. (1995), S.337; Wren, B.M./Simpson, J.T. (1996), S.74f.; Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.22. Vgl. Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.228f. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.2ff.; Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.311ff.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
69
In der Literatur wird häufig für eine mehrdimensionale Konzeptualisierung des Konstruktes Commitment plädiert.242 GUNDLACH/ACHROL/MENTZER unterscheiden neben der Langfristigkeit von Commitment zwei weitere Komponenten des Konstruktes: (1) Die instrumentelle Komponente ist vergangenheitsbezogen und sagt aus, welche Inputs eine Partei über bloße Versprechen hinaus geleistet hat, um das eigene Interesse an der GB zu erhöhen.243 Sind diese Inputs einmal getätigt, können sie nur schwer oder gar nicht in einer anderen Austauschbeziehung verwendet werden.244 Durch das Einbringen solcher Inputs macht sich eine Partei zu einem gewissen Grad bewusst verwundbar, sollte sich die andere Partei opportunistisch verhalten. Die Inputs können einerseits ökonomischer Natur sein, also spezifische Investitionen einer Partei in die GB darstellen. Andererseits kann es sich aber auch um sozial-relationale Größen handeln.245 Zur Entfaltung ihrer Bindungswirkung ist es unerheblich, ob diese Inputs willentlich getätigt wurden oder über die Zeit entstanden sind. Neben spezifischen Investitionen246 wurden in der Marketingwissenschaft vor allem sozial-relationale Größen zur Erklärung des Zustandekommens von Commitment untersucht. Viele dieser Größen sind den vergangenheitsbezogenen Inputs zuzurechnen. Zu ihnen zählen Vertrauen,247 der Verzicht auf explizite Verträge zugunsten relationaler Normen248 sowie Offenheit in der Kommunikation und der Austausch vertraulicher Informationen.249 Auch die erhöhte Abhängigkeit einer Partei von ihrem Geschäftspartner wirkt wie ein Input zu höherem Commitment.250
242
243
244 245 246 247
248 249 250
Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.79; Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.19; Söllner, A. (1993), S.109ff.; Plinke, W./Söllner, A. (1998), S.66. Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.79. Diese Input-Komponente entspricht dem Commitment im SCHELLING’schen Sinne. Vgl. Schelling, T.C. (1960), S.24ff. sowie das Beispiel in Fußnote 469. Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.79. Vgl. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.19; Plinke, W./Söllner, A. (1998), S.66. Vgl. Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.235. Vgl. Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29; Geyskens, I./Steenkamp, J.-B.E.M./Kumar, N. (1999), S.232; Andaleeb, S.S. (1996), S.86; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.45; Anderson, E./Weitz, B. (1989), S.319. In den beiden letztgenannten Arbeiten sprechen die Autoren jedoch nicht vom Einfluss von Vertrauen auf Commitment, sondern auf Beziehungskontinuität bzw. die Erwartung zukünftiger Interaktion. Vgl. Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.237. Vgl. Diller, H./Kusterer, M. (1988), S.218; Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.79. Vgl. Ganesan, S. (1994), S.9; Andaleeb, S.S. (1996), S.86.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
70
(2) Die attitudinale Komponente des Commitment wird auch als affektives Commitment oder psychologische Bindung bezeichnet und ist gegenwarts- und zukunftsbezogen. Zu ihr gehören gemeinsame Werte und Ziele der Geschäftspartner sowie die Intention, auch in der Zukunft zusammen zu arbeiten.251 Gemeinsame Werte sowie der Wille zur zukünftigen Zusammenarbeit wirken zwar gegenwarts- und zukunftsbezogen, speisen sich aber auch aus vergangenen positiven Erfahrungen mit dem Geschäftspartner.252 Für die Wirkung von Commitment auf eine Transaktion ist vor allem die attitudinale Komponente von Bedeutung. Mehr noch als Vertrauen ist das Zustandekommen von Commitment an eine langfristige GB zwischen zwei Marktpartnern gebunden. Dies liegt zuvorderst an seiner langfristigen Natur: Damit eine Partei Commitment zu einer GB aufbauen kann, benötigt sie Zeit.253 Des Weiteren erfordert das Entstehen von Commitment den Willen, sich zu binden. Dieser Wille fehlt in einer ET aber mindestens einer Partei,254 so dass diese Partei keine spezifischen Investitionen vornehmen wird. Die möglichen sozialen Inputs zur Commitmenterzeugung, wie Vertrauen und der Austausch vertraulicher Informationen, sind in ETen ebenfalls wesentlich weniger zu erwarten als in GBen. Auch kann in ETen nicht von einer Commitment steigernden hohen Abhängigkeit der Parteien ausgegangen werden, sonst würde es sich nicht um eine ET handeln. Die Unterscheidung von ET und GB wird auch hinsichtlich der attitudinalen Komponente von Commitment deutlich. Während sich eine GB durch gemeinsame Werte und Ziele ebenso auszeichnet wie durch die Erwartung der zukünftigen Fortsetzung der GB, trifft dies für eine ET i.d.R. nicht zu. Obwohl Commitment in GBen unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann, so ist doch ein Mindestmaß an Commitment vonnöten, um die Vorteile einer GB zum Tragen zu bringen.255
251
252
253 254 255
Vgl. Dwyer, F.R./Schurr, P.H./Oh, S. (1987), S.19; Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29; Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.80. Vgl. Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.22; Plinke, W./Söllner, A. (1998), S.68; Diller, H./Kusterer, M. (1988), S.218. Die letztgenannten Autoren weisen auch auf die Bedeutung positiver gemeinsamer Erfahrungen ggü. Dritten hin. Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.87. Vgl. Abschnitt 3.1.1. Vgl. Madhok, A./Tallman, S.B. (1998), S.332.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
71
Instrumentelle Komponente von Commitment Aktiv eingebrachte Inputs von A zur Anzeige von Commitment zur GB mit B: -Spezifische Investitionen in GB mit B -Offenlegen vertraulicher Informationen Über die Zeit entstandene Inputs: -Vertrauen zu B -Verzicht auf explizite zugunsten relationaler Verträge -Hohe absolute Abhängigkeit des A von B Attitudinale Komponente von Commitment
Commitment von A zur GB mit B
Mehr integratives Verhalten (Kooperation) und weniger distributives Verhalten (Konflikt) in der Verhandlung in einer GB ggü. einer ET
-gemeinsame Werte und Ziele der Geschäftspartner -Intention der zukünftigen Zusammenarbeit
Abbildung 10: Komponenten des Commitment von A zur GB mit B und erwartete Wirkung auf die Verhandlung.256
Ein Erklärungsbeitrag von Commitment als Eigenschaft einer GB für die Verhandlung in einer Transaktionsepisode lässt in erster Linie die attitudinale Komponente von Commitment erwarten. Aufgrund der Intention zur Fortführung der GB und in Annahme zukünftiger gemeinsamer Geschäfte wird angenommen,257 dass sich keine Partei über die Maßen opportunistisch verhält, indem sie in der Verhandlung bspw. wichtige Informationen zurückhält oder verfälscht, um den eigenen kurzfristigen Nutzen zu steigern. Vielmehr wird sie sich kooperativ verhalten,258 um auch in Zukunft den Nutzen der GB realisieren zu können. Auch ist bei höherem Commitment ein geringeres Maß an Konflikt zu erwarten, der sich in Verhandlungen in distributivem Verhalten niederschlägt.259 Allerdings führt Commitment auch zur Einschränkung der Suche nach Alternativen, für die konkrete Verhandlung also nach einer BATNA, sowie zu einer positiven Wahrnehmung der Leistung des Geschäftspartners.260
256 257
258
259 260
Eigene Darstellung. Vgl. Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.22; Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29; Roering, K.J. (1977), S.15f.; Ben-Yoav, O./Pruitt, D.G. (1984), S.325; Thompson, L. (1989), S.376. Vgl. Lambe, C.J./Wittmann, C.M./Spekman, R.E. (2001), S.22; Morgan, R.M./Hunt, S.D. (1994), S.29; Clyman, D.R./Tripp, T.M. (2000), S.257; Ganesan, S. (1993), S.186. Vgl. Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.239. Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995), S.79; Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.239.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
72
In einer GB mit unterschiedlich starkem Commitment beider Parteien ist dies ein Hinweis auf mögliche Vorteile der Partei mit einem geringeren Commitment in der betrachteten Verhandlung.261 Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Commitment als eine wichtige Eigenschaft einer GB, die in ETen höchstens in geringem Maße auftritt, hinsichtlich der konkreten Verhandlung erwarten lässt, dass Marktpartner in GBen mehr integrativ und weniger distributiv verhandeln als solche in ETen.262 3.1.3.3 Wissen Während Vertrauen und Commitment zwischen Marktpartnern keine notwendigen Voraussetzungen darstellen, um eine Transaktion durchzuführen, kann dies von Wissen nicht gesagt werden. Die Marktpartner müssen Wissen über den Gegenstand des Austausches erlangen, um entscheiden zu können, ob sie die Transaktion vollziehen wollen oder nicht. Je mehr Wissen sie hinsichtlich der Transaktion und ihrer Bedingungen besitzen, desto eher wird diese erfolgreich sein.263 Wissensträger können sowohl die an der Transaktion beteiligten Unternehmen als auch die direkt involvierten Personen sein. Für Transaktionen auf Industriegütermärkten, die durch die Interaktion von Verkaufs- und Einkaufspersonal gekennzeichnet sind, bietet es sich an, das Konstrukt des Wissens in zwei Bestandteilen zu betrachten: Faktenwissen und Methodenwissen.264 Einerseits ist für beide Marktpartner das Wissen über die Fakten der angestrebten Transaktion wichtig, also das
261
262
263 264
Die negative Wirkung einer schlechten BATNA bei eingeschränkter Suche nach Alternativen wird in Abschnitt 1.1 ausführlich diskutiert. Die negative Wahrnehmung der eigenen Leistung durch den Verhandlungspartner, wie sie bei geringerem Commitment auf dessen Seite zu erwarten ist, kann sich über seine Argumentation negativ auf den eigenen individuellen Verhandlungserfolg auswirken: Die Leistung wird schlechter wahrgenommen, als sie ist. Dies wird als Argument verwendet, um die Gegenleistung ebenfalls zu senken. Vgl. dazu auch Abschnitt 3.3.3.1.1. Beide hier skizzierten Effekte sind zwar theoretisch begründbar, es scheint aber plausibel, sie als marginal anzunehmen. Neben den bereits genannten Einflüssen von Commitment auf die relevanten Größen einer Verhandlung wurde auch nachgewiesen, dass Commitment von Partei A zum Zeitpunkt t0 positiv auf die Anwendung relationaler Normen und die Vornahme spezifischer Investitionen durch A in t1 sowie auf die Zufriedenheit der Partei B in t0 wirkt. Vgl. Gundlach, G.T./Achrol, R.S./Mentzer, J.T. (1995); S.78; Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.239. Vgl. Wren, B.M./Simpson, J.T. (1996), S.69. Diese Dichotomie findet sich auch in vielen Arbeiten zum Wissen des Verkaufspersonals. Vgl. Weitz, B.A./Sujan, H./Sujan, M. (1986), S.178; Sujan, H./Sujan, M./Bettman, J.R. (1988), S.82; Leigh, T.W./McGraw, P.F. (1989), S.17; Wren, B.M./Simpson, J.T. (1996), S.69.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
73
Verständnis der eigenen Bedürfnisse und deren Wertigkeit zueinander, Informationen über die Fähigkeiten, Ressourcen und Prioritäten des Marktpartners sowie über die Alternativen beider Parteien (jeweils Nutzen- und Kostendimension).265 Andererseits benötigen die Parteien ein Mindestmaß an Methodenwissen, um die Transaktion verhandeln und durchführen zu können. Beim Methodenwissen handelt es sich um gelernte und abgespeicherte Heuristiken oder Skripte, die das Verhalten der Interaktionspartner je nach Situation leiten.266 In der Marketing-Forschung ist die Bedeutung von Wissen für den Erfolg einer Transaktion vor allem als Wissen des Verkaufspersonals betrachtet worden. Diese Sichtweise greift bei der Betrachtung von Verkaufsverhandlungen zwischen Unternehmen jedoch zu kurz. Denn auch bei Wissen handelt es sich um eine Eigenschaft, die in einer Transaktion zwischen Marktpartnern erst dann ihren vollen Effekt entfalten kann, wenn sie auf beiden Seiten vorliegt. Betrachtet man das Entstehen von Fakten- und Methodenwissen, so kommen prinzipiell zwei Möglichkeiten in Frage. Wissen kann einerseits über den Weg der Erfahrung erworben werden,267 andererseits zumindest teilweise willentlich übertragen und erworben werden. So gilt insbesondere die Schulung des Einkaufs- und Verkaufspersonals als Möglichkeit, Methodenwissen bei den handelnden Personen zu erzeugen.268 Auch Faktenwissen, das für eine Transaktion notwendig ist, kann zu einem gewissen Maße ohne Erfahrung, etwa durch Marktforschungsaktivitäten, bereitgestellt werden. Dennoch muss davon ausgegangen werden, dass durch Erfahrung entstandenes Wissen, das für die Transaktion mit einem bestimmten Marktpartner notwendig ist, deutlich umfangreicher ist als solches, das ohne Erfahrung auskommen muss. Das trifft einerseits auf Faktenwissen zu, also bspw. die konkreten Ressourcen und Fähigkeiten des Anbieters oder die genauen, möglicherweise latenten Kundenwünsche des Nachfragers, andererseits auf das Methodenwissen.
265 266 267 268
Vgl. zum Faktenwissen über den Geschäftspartner Weitz, B. (1978), S.505. Vgl. Leigh, T.W./McGraw, P.F. (1989), S.17. Vgl. Utikal, H. (2001), S.19. Vgl. Leigh, T.W./McGraw, P.F. (1989), S.17; Utikal, H. (2001), S.19.
74
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Die zu erwartenden Verhaltensweisen der handelnden Personen bei Verhandlung und Implementierung eines Abkommens würden bspw. darunter fallen.269 Wissen wird daher auch von manchen Autoren als Determinante der Vertrauensbildung genannt.270 Anhand dieser Argumentation lässt sich erkennen, dass der Grad des Fakten- und Methodenwissens bei Marktpartnern in ETen und GBen unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In ETen fehlt insbesondere der Teil des Wissens, der auf Erfahrung gründet.271 In erfolgreichen GBen stellt sich hingegen ein umfassendes Verständnis der Bedürfnisse und Charakteristika des jeweiligen Partners ein,272 so dass davon ausgegangen werden darf, dass das gegenseitige Wissen in GBen deutlich höher ausgebildet ist als in ETen. Für die Erklärung von Verhandlungsinteraktion und -ergebnis spielen sowohl das Methodenwissen als auch das Faktenwissen eine Rolle. Zum Methodenwissen sind Strategien und Taktiken zu zählen, die einen erfolgreichen Abschluss der Verhandlung begünstigen, und zwar sowohl im Hinblick auf die Höhe des individuellen Verhandlungsgewinns als auch hinsichtlich der Verhandlungseffizienz. Als grundsätzlich wichtig für das Erreichen von effizienten Abkommen hat sich die Vermeidung einer Nullsummenwahrnehmung, also das Wissen über das Vorhandensein von unterschiedlichen Prioritäten der Verhandlungsparteien, herausgestellt.273 Wissen über bestimmte integrative Verhaltensweisen, die in einer Verhandlungsdyade erfolgreich sind,274 erleichtern den Abschluss von effizienten Abkommen in dieser Verhandlungsdyade.275
269
270
271 272 273
274
275
Zur Bedeutung von situationsspezifischem Methodenwissen in Verhandlungen vgl. Loewenstein, J./Thompson, L.L. (2006), S.81f.; McGinn, K.L. (2006), S.133ff. Vgl. Swan, J.E./Trawik, I.F./Silva, D.W. (1985), S.211; Doney, P.M./Cannon, J.P. (1997), S.44f. Die Autoren sprechen zwar von Kompetenz bzw. Expertise des Verkaufspersonals, jedoch liegt beiden Konstrukten der Begriff des Wissens zugrunde. Vgl. Johnston, R./Lawrence, P.R. (1988), S.98. Vgl. Morris, M./Brunyee, J./Page, M. (1998), S.360. Vgl. Pinkley, R./Griffith, T.L./Northcraft, G.B. (1995), S.101. Dieses Wissen kann in ETen ebenso vorhanden sein wie in GBen, da es sich um verhandlungsspezifisches Methodenwissen handelt, das somit nicht an eine bestimmte Verhandlungsdyade gebunden ist. Es ist keineswegs so, dass dieselben integrativen Verhaltensweisen (vgl. dazu Abschnitt 3.3.3.2) in jeder Verhandlungsdyade gleichermaßen zu effizienten Verhandlungsergebnissen führen. Vgl. Okumura, T. (2005), S.13f. Vgl. Mintu-Wimsatt, A./Graham, J.L. (2004), S.352.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
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Exaktes Wissen über die Kundenwünsche bzw. das Kennen der Ressourcen und Fähigkeiten des Anbieters sowie die relative Bedeutung der einzelnen Bedürfnisse bilden das Faktenwissen, das für eine hohe Verhandlungseffizienz vonnöten ist. Ist dieses Wissen vorhanden, können die Interessen der beiden Parteien durch logrolling teilweise integriert werden.276 Einseitiges Wissen über die Alternativen des Verhandlungspartners kann den individuellen Verhandlungsgewinn beeinflussen; es ist allerdings nicht abschließend geklärt, in welche Richtung dies geschieht.277 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in GBen mit höherem Fakten- und Methodenwissen mit Relevanz für die Verhandlung zweier Marktpartner zu rechnen ist als in ETen. Dort fehlen die Wissensbestandteile, die nur durch Erfahrung mit dem Marktpartner erworben werden können. Die Bedeutung von verhandlungsrelevantem Fakten- und Methodenwissen für das Erreichen effizienter Verträge sowie das unterschiedliche Vorhandensein von verhandlungsrelevantem Wissen in GBen und ETen lassen erwarten, dass in GBen effizientere Verträge erreicht werden als in ETen. 3.1.4
Wirkung verschiedener Beziehungsarten auf Verhandlungsprozess und -ergebnis
Neben der Betrachtung und Diskussion von Charaktereigenschaften von ET und GB, die einen Einfluss auf die Verhandlung erwarten lassen, bietet es sich zur Erörterung der Wirkung von ET und GB auch an, Analogien zum Einfluss anderer Beziehungsarten auf Verhandlungen abzuleiten.278 Jedoch fällt auch deren Analyse in der Verhandlungsforschung spärlich aus. Zusätzlich sind die betrachteten Arten von Beziehung teilweise sehr unterschiedlich. Dazu zählen die Ehe279, Liebesbeziehungen,280 Freundschaft,281 kollegiale
276
277
278 279 280 281
Vgl. Valley, K.L./Neale, M.A./Mannix, E.A. (1995), S.86. In einer Studie führte das korrekte Wissen über den Verhandlungspartner auch zu einem höheren individuellen Gewinn, vgl. Clopton, S.W. (1984) S.49. Für einen positiven Einfluss spricht die Tatsache, dass eine Partei mit dem Wissen über die BATNA der anderen nur geringfügige Konzessionen machen muss, damit es sich für die Gegenpartei lohnt, zu einem Abschluss zu kommen. Gegenargumente stützen sich auf den negativen Effekt, den eine bekannte BATNA der Gegenpartei auf die eigenen Ziele haben kann, die positiv auf den eigenen Gewinn wirken. Vgl. zu dieser Diskussion Stuhlmacher, A.F./Champagne, M.V. (2000), S.486f. Vgl. zu einem Überblick McGinn, K.L. (2006), S.130ff. Vgl. Valley, K.L./Neale, M.A./Mannix, E.A. (1995), S.73f. Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983). Vgl. Thompson, L./DeHarpport, T. (1998); Greenhalgh, L./Chapman, D.I. (1998).
76
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Beziehungen282 sowie Zuliefer- und Konkurrenzbeziehungen.283 Ein einheitliches Bild über die Wirkung der Größe „Beziehung“ auf eine Verhandlung konnte sich daher nicht einstellen, was auch den verwendeten Untersuchungsmethoden geschuldet sein kann.284 Dennoch erscheint eine überblicksartige Darstellung der empirischen Befunde zur Aufdeckung von Parallelen zwischen den Einflüssen bereits untersuchter Beziehungsarten auf eine Verhandlung und den aus der bisherigen Diskussion erwarteten Einflüssen einer GB im Hinblick auf Verhandlungsinteraktion und -ergebnisse sinnvoll zu sein. In ihrer Untersuchung über Unterschiede in Verhandlungen zwischen Fremden und Liebespaaren (keine Ehepaare) weisen FRY/FIRESTONE/WILLIAMS für Liebespaare eine geringere Vertragseffizienz nach.285 Dies wird damit erklärt, dass Liebespaare aufgrund ihrer Sorge um die Aufrechterhaltung der Beziehung geringere Zielpunkte286 für die Verhandlung aufweisen und damit weniger intensiv nach integrativeren Lösungen suchen.287 VALLEY/NEALE/MANNIX berichten von einer unveröffentlichten Studie der ersten beiden Autorinnen, in der Freunde effizientere Abkommen erzielten als Fremde und Ehepartner, und erwarten daher einen U-förmigen Verlauf des Einflusses von Beziehungsintensität auf die Effizienz eines Abkommens. Sie begründen dies damit, dass zwar Freunde und Ehepartner gegenüber Fremden ein größeres Wissen über die Präferenzen der Gegenpartei besitzen, dies aber bei Ehepartnern aufgrund einer größeren Besorgnis, der Beziehung zu schaden, zur Vermeidung statt zur Lösung von Interessensunterschieden führt.288 Auch das Dual Concern
282 283
284
285
286
287 288
Vgl. Valley, K.L./Neale, M.A./Mannix, E.A. (1995). Vgl. Sondak, H./Moore, D.A. (1993). In dieser Studie wurde jedoch ein Gefangenendilemma verwendet und nur die Bezeichnung der Spieler vertauscht, so dass bezüglich dieser Arten von Beziehung in jedem Falle weiterer Forschungsbedarf besteht. Diese Differenzen beziehen sich einerseits auf die Verhandlungsaufgabe (Gefangenendilemma als Mehrrundenspiel vs. integrative Verhandlungsaufgabe mit additivem Nutzenschema), andererseits auf die Abbildung von „Beziehung“ (Messung von Beziehungsstärke vs. Beziehung/keine Beziehung; echt vorhandene Beziehung vs. simulierte, induzierte Beziehung). Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.11. Je romantischer die Liebespaare veranlagt waren, desto mehr ging die Vertragseffizienz zurück (S.12f.). Thompson, L./DeHarpport, T. (1998), S.37f. kamen zu einem ähnlichen Ergebnis. Sie fragten bei ihrer Studie mit Freunden die erwarteten Gewinne vor der Verhandlung ab. Diese waren bei Freunden signifikant niedriger als bei Fremden. Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.14. Vgl. Valley, K.L./Neale, M.A./Mannix, E.A. (1995), S.73f.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
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Model von PRUITT/CARNEVALE289 liefert einen Erklärungsansatz für dieses Ergebnis: Freunde (mittlere Beziehungsintensität) tragen große Sorge (concern) für das eigene wie für das Ergebnis des Partners und neigen daher eher zu Problem lösendem, kooperativem Verhalten, das zu effizienteren Verträgen führt. Für Fremde hingegen zählt nur ihr eigenes Ergebnis. Von ihnen wird eher kompetitives Verhalten (competition) erwartet, welches ebenso zu ineffizienteren Lösungen führt wie sehr entgegenkommendes Verhalten (accommodation). Letzteres ist nach dem Dual Concern Model zu erwarten, wenn die Sorge für das Ergebnis des anderen die für das eigene übertrifft, was in sehr engen Beziehungen wie einer Ehe am wahrscheinlichsten auftritt.290 Weiterhin spielt bei der Wirkung einer Beziehung auf das Verhandlungsergebnis auch der erwartete Zeithorizont eine Rolle. So resultierte in einer Studie, die ein Gefangenendilemma als Aufgabe hatte, bei längerem Zeithorizont eine größere Häufigkeit von kooperativem Verhalten und führte damit zu größeren Gewinnen, wenn der Spielpartner als Kollege, Kunde oder Lieferant bezeichnet wurde. War der Zeithorizont kurz, verhielten sich die Spieler hingegen nur kooperativ, wenn der Gegenspieler als Kollege bezeichnet wurde.291 Unabhängig von der vorherigen Beziehung der Verhandlungspartner konnte in einer anderen Studie gezeigt werden, dass die Erwartungen einer zukünftigen, kooperativen Interaktion zwischen den Verhandlungspartnern zu integrativerem Verhalten und höherer Effizienz führt, wenn beide Partner eine geringe Neigung zum Nachgeben (resistance to yielding) aufweisen.292 THOMPSON/DEHARPPORT kamen in ihrer Untersuchung zu dem Ergebnis, dass Freunde, die miteinander verhandeln, geringere Ergebniserwartungen (expectations) haben als Fremde, aber häufiger einen möglichst großen Gewinn erzielen wollen (wants).293 Freunde, die die Verhandlung als Problemlösungsaufgabe und nicht als Feilschen ansehen sowie große Sorge für ihr eigenes und das Ergebnis des Freundes tragen (high communal orientation), entdecken am ehesten kompatible Verhandlungsgegenstände, bei denen beide Parteien das gleiche Interesse haben, während diese Fähigkeit bei egoistisch motivierten Freunden niedriger
289 290 291 292 293
Vgl. Pruitt, D.G./Carnevale, P.J.D. (1993), S.104ff. Vgl. Valley, K.L./Neale, M.A./Mannix, E.A. (1995), S.74. Vgl. Sondak, H./Moore, D.A. (1993), S.110. Vgl. Ben-Yoav, O./Pruitt, D.G. (1984), S.331. Vgl. Thompson, L./DeHarpport, T. (1998), S.38.
78
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
ausgeprägt ist.294 Bei ersteren wurde außerdem eine wesentlich ausgeglichenere Verteilung der Verhandlungsmasse festgestellt als bei letzteren. Einen ganzheitlichen Ansatz zur Wirkung von Beziehung auf die Verhandlung wählen GREENHALGH/CHAPMAN. Mit einer aufwändig entwickelten und ihrer Ansicht nach alle Facetten von Beziehung umfassenden Skala zur Messung von Beziehungsstärke finden sie einen positiven Einfluss von Beziehung auf den Informationsaustausch und einen negativen Einfluss auf die Anwendung von kompetitiven Taktiken (coercive tactics). Der Informationsaustausch als Variable des Verhandlungsprozesses295 mediiert in ihrem Modell den positiven Einfluss von Beziehung auf die Vertragseffizienz. Darüber hinaus können sie eine negative Wirkung der Anwendung kompetitiver Taktiken auf die Beziehungskontinuität und einen positiven Einfluss auf das Auftreten negativer Emotionen nachweisen.296 Vergleicht man diese Erkenntnisse zum Einfluss verschiedener Beziehungstypen mit der erwarteten Wirkung einer GB auf eine Verhandlung, so ergibt sich ein durchaus stimmiges Bild. Von den betrachteten Beziehungstypen ähnelt eine GB am ehesten einer Freundschaft: beide Partner verfolgen das Ziel, die Beziehung aufrecht zu erhalten, verzichten aber keineswegs auf eigene instrumentelle Ziele. Dies ist in einer romantischen Beziehung anders; hier kann davon ausgegangen werden, dass den Partnern die Beziehung zum Partner wichtiger sein kann als eigene andere Ziele und sie daher vermeiden, die Beziehung durch ein erhöhtes Maß an (konstruktivem) Konflikt zu beschädigen. Sie neigen eher dazu nachzugeben. Da bei Verhandlungen zwischen Freunden effizientere Abkommen beobachtet wurden, kann dies auch für Verhandlungen in GBen angenommen werden.
294
295
296
Vgl. Thompson, L./DeHarpport, T. (1998), S.39. Warum keine Angaben für die Vertragseffizienz gemacht werden, wird in diesem Artikel nicht klar. Immerhin ist jedoch das Entdecken von kompatiblen Interessen ein guter Indikator, ob das Abkommen eher effizient oder eher ineffizient ist. Diese Variablen wurden allerdings in Form von nachträglichen Abfragen erhoben. Die damit verbunden Verzerrungsproblematik wird in Abschnitt 1.1 ausführlicher thematisiert. Vgl. zu diesem Abschnitt Greenhalgh, L./Chapman, D.I. (1998), S.480ff.
Bedeutung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung für die Vermarktungsverhandlung
3.1.5
79
Zwischenfazit und Hypothese: Die Wirkung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung auf die Verhandlungseffizienz
Die Unterscheidung, ob eine Transaktion zwischen Marktpartnern in einer ET oder einer GB stattfindet, hängt von der Bindungswilligkeit von Anbieter und Nachfrager ab. Diese bestimmt sich nach Effizienz- und Effektivitätsgesichtspunkten. Liegt bei beiden Marktpartnern Bindungswilligkeit vor, so ist die Voraussetzung zum Eingehen einer GB gegeben. Die Entwicklung und Intensivierung einer GB ist verbunden mit dem Entstehen von Vertrauen zwischen den Partnern, Commitment zur GB mit dem Partner und einem wachsenden Wissen über den Partner. In einer ET können diese Eigenschaften hingegen nur bedingt entstehen. Größeres Vertrauen in den Geschäftspartner wie auch ein höheres Commitment zur GB senkt das wahrgenommene Risiko von opportunistischem Verhalten des Partners und trägt somit zu besserer Kooperation und weniger Konflikt der beiden Partner bei. Fakten- und Methodenwissen erleichtern die Kooperation, indem sie eine informationale und prozessuale Grundlage für einen effizienten Interessenausgleich in der Verhandlung schaffen. Die Betrachtung von Untersuchungsergebnissen der Wirkung anderer Beziehungsarten auf Verhandlungsprozess und -ergebnis ergibt ein differenziertes Bild. Während bei Verhandlungen in romantischen Beziehungen weniger effiziente Verträge erreicht wurden, erzielten Freunde integrativere Ergebnisse als Fremde. Aufgrund der Diskussion der Eigenschaften Vertrauen, Commitment und Wissen und deren jeweilige Ausprägung in ET und GB wie auch durch die Betrachtung der Wirkung anderer Beziehungen auf eine Verhandlung lässt sich folgende Hypothese formulieren: H1:
In einer Verhandlung, die in einer GB stattfindet, wird ein effizienteres Verhandlungsergebnis erzielt als in der Verhandlung einer ET.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
80
3.2
Macht in Vermarktungsverhandlungen
Unabhängig von der Art der Marktpartnerschaft zwischen zwei Transaktionspartnern auf Industriegütermärkten stellt die Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen den beteiligten Unternehmen einen wichtigen Erklärungsbeitrag für Prozess und Ergebnis von Vermarktungsverhandlungen dar. Sie bestimmt sich in erster Linie daraus, wie stark die Unternehmen auf die Transaktion mit dem Marktpartner angewiesen sind, um die eigenen Unternehmensziele zu erreichen. Eine geringe Abhängigkeit der Partei A von B ist dann gegeben, wenn A über eine gute Alternative zu einem Verhandlungsabschluss mit B besitzt, also eine attraktive BATNA. Eine solche gilt als Hauptquelle von Verhandlungsmacht. Trotz zahlreicher Untersuchungen zu Verhandlungsmacht liegen keine durchweg einheitlichen Ergebnisse und Erklärungen ihrer Wirkungsweise auf die Verhandlung vor. Uneinigkeit herrscht einerseits bezüglich der mediierenden Variablen des Machteinsatzes, andererseits hinsichtlich der Machtwirkung auf die Verhandlungseffizienz. Auch mögliche Interaktionseffekte zwischen Verhandlungsmacht und Art der Marktpartnerschaft sind bisher nicht untersucht worden. 3.2.1
Die Macht-Abhängigkeitsrelation und ihre Wirkungen
Zum Verständnis des Wesens und der Wirkung von Verhandlungsmacht ist es notwendig, einen eindeutigen Machtbegriff einzuführen, da sich Autoren in den verschiedensten sozialund wirtschaftswissenschaftlichen Disziplinen seit langer Zeit mit dem Begriff der Macht auseinandersetzen, diesen aber keineswegs in derselben Bedeutung verwenden.297 Der hier verwendete Machtbegriff geht auf verhaltenswissenschaftliche Arbeiten zurück, die Macht als eine latente, relationale Größe konzeptualisieren, die sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit zweier Parteien bestimmt und zur Entfaltung einer Wirkung bewusst angewendet werden
297
Zu den wichtigsten konzeptionellen Beiträgen gehören Weber, M. (1947), Bierstedt, R. (1950), Emerson, R.M. (1962), Blau, P.M. (1964); Wrong, D.H. (1968) und Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981) in der Soziologie, Kelman, H.C. (1958), French, J.R.P./Raven, B. (1959), Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), Deutsch, M. (1973), Raven, B.H. (1974) in der Sozialpsychologie, Mintzberg, H. (1983); Simon, H.A. (1953) in den Wirtschaftswissenschaften, March, J.G. (1955), Dahl, R.A. (1957) in den Politikwissenschaften, Frost, P.J. (1987) in der Kommunikationswissenschaft, Kotter, J.P. (1977), Salancik, G.R./Pfeffer, J. (1977), Astley, W.G./Sachdeva, P.S. (1984) auf dem Gebiet des Organizational Behavior und El-Ansary, A./Stern, L. (1972), Kasulis, J./Spekman, R. (1980), Lusch, R./Brown, J. (1982) und Diamantopoulos, A. (1987) in der Marketing-Forschung.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
81
muss. Er unterscheidet sich folglich vom häufig in der Marketingforschung verwendeten Machtbegriff von FRENCH/RAVEN, die Macht als Einfluss betrachten und Einfluss in Form von psychologischer Veränderung definieren.298 3.2.1.1 Macht als eine einer Beziehung innewohnende latente Kraft Eine der ersten grundlegenden verhaltenswissenschaftlichen Arbeiten zum Begriff der Macht stammt von DAHL, der folgende Konzeptualisierung wählt: „A has power over B to the extent that he can get B something to do that B would otherwise not do.“299 Zwei kennzeichnende Merkmale werden daraus deutlich: Macht wohnt einer Beziehung zwischen (mindestens) zwei Parteien inne und ist nicht die Eigenschaft einer Partei. Es handelt sich folglich um ein relationales Konzept.300 Außerdem ist diese Definition auf die Wirkung von Macht gerichtet: Macht verändert das Verhalten der Partei, auf die Macht ausgeübt wird. Weiterhin unterscheidet DAHL Machtquellen, die vor allem die Gestalt von Ressourcen annehmen, Machtmittel, dargestellt bspw. durch Droh- oder Belohnungskapazitäten, sowie Höhe und Reichweite der Macht.301 Die Reichweite der Macht beschreibt den Teilbereich einer Beziehung, in dem die Machtrelation gültig ist.302 Die Höhe der Macht von A über B wird definiert als die Änderung der Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Verhaltens von B, wenn A ein bestimmtes Machtmittel, bspw. eine Drohung, anwendet, gegenüber dem Verhalten von B in der speziellen Situation, wenn A dieses Machtmittel nicht anwendet.303 Die Höhe der Macht bezieht sich immer auf eine einzige, bestimmte Verhaltenssituation. Andernfalls wäre keine Vergleichbarkeit gegeben, um einen Saldo der Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen zwei Parteien zu bilden. In welcher Höhe eine bestimmte Macht-Abhängigkeitsrelation ausgeprägt ist, thematisiert EMERSON, der Macht und Abhängigkeit als zwei Seiten einer Medaille charakterisiert. Demnach nimmt die Abhängigkeit der Partei B von A in dem Maße zu, wie ihr die Ziele
298 299 300
301 302 303
Vgl. French, J.R.P./Raven, B. (1959), S.150. Dahl, R.A. (1957), S.202f. Vgl. Deutsch, M. (1973), S.84. Zwar gibt es auch Autoren (Frost, P.J. (1987), House, R.J. (1988), vgl. Wolfe, R.J./McGinn, K.L. (2005), S.4f.), die Macht einer Person oder Partei als Eigenschaft zuschreiben, dies spiegelt aber eher den umgangssprachlichen Duktus wider. Vgl. Dahl, R.A. (1957), S.203. Vgl. dazu auch Fußnote 305. Vgl. Dahl, R.A. (1957), S.203ff.
82
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
wichtig sind, die sie durch A erreichen kann. Stehen Möglichkeiten außerhalb der Beziehung mit A zur Erreichung dieser Ziele zur Verfügung, so nimmt die Abhängigkeit ab, je günstiger diese Möglichkeiten sind.304 Ein Machtvorteil für A über B ist insofern vorhanden, als die Abhängigkeit der Partei B von A größer ist als die Abhängigkeit in anderer Richtung.305 Allerdings heben sich hohe gegenseitige Abhängigkeiten nicht auf, sondern führen zu einem großen Zusammenhalt (cohesion) der Beziehung,306 da beide Parteien in diesem Falle in absolutem Maße stark voneinander abhängig sind. Diese Operationalisierung der Höhe der Macht – genau genommen der Machtdifferenz – durch die gegenseitige Abhängigkeit zweier Parteien hat sich gegenüber der DAHL’schen Definition durchgesetzt und auch in der empirischen Marketing-Forschung niedergeschlagen.307 Worauf EMERSON nicht eingeht, ist die Art der Wirkung von Macht auf das Verhalten der unter Machteinfluss stehenden Partei. Die Herbeiführung einer solchen Verhaltensänderung lässt sich mit den Überlegungen von THIBAUT/KELLEY308 zum Konstrukt Macht klären. Ihre Definition von Macht309 ähnelt der von DAHL. Allerdings erläutern sie im Anschluss daran, wie eine Verhaltensänderung der Partei B durch Partei A herbeigeführt werden kann. Voraussetzung für eine Verhaltensänderung von B ist, dass A entweder über Fate Control oder Behavior Control über Partei B verfügt.310 Fate Control bedeutet, dass A Möglichkeiten
304 305
306 307
308 309
310
Vgl. Emerson, R.M. (1962), S.32. Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.107f. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass auch die gegenseitige Abhängigkeit sich immer auf einen Teilbereich, die power range, (bei Unabhängigkeit der Entscheidungen innerhalb dieses Teilbereiches: eine Entscheidungssituation) der Beziehung zwischen den Parteien bezieht. Bspw. ist der Schüler im Klassenzimmer wesentlich stärker von seiner Lehrerin abhängig als sie von ihm, so dass hier eine Abhängigkeitsdifferenz bezüglich des Teilbereiches Schule besteht. Sind darüber hinaus beide Personen normales Mitglied im gleichen Sportverein, so erstreckt sich die Abhängigkeitsdifferenz in der Schule jedoch nicht auf diesen Teilbereich der Beziehung; hier herrscht keine Machtdifferenz. Vgl. Emerson, R.M. (1962), S.34; Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.114. Vgl. bspw. Etgar, M. (1976), S.257; Butaney, G./Wortzel, L.H. (1988), S.54ff.; Frazier, G.L./Gill, J.D./Kale, S.H. (1989), S.59ff.; Keith, J.E./Jackson, D.W./Crosby, L.A. (1990), S.34; Frazier, G.L./Rody, R.C. (1991), S.66; Hallén, L./Johanson, J./Seyed-Mohemed, N. (1991), S.32f.; Lusch, R.F./Brown, J.R. (1996), S.35 und Kumar, N./Scheer, L.K./Steenkamp, J.-B.E.M. (1998), S.233. Vgl. zur nachfolgenden Diskussion Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), Kapitel 7, S.100-125. „Generally, we can say that the power of A over B increases with A’s ability to affect the outcomes attained by B.”, Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.101. Aufgrund der sperrigen deutschen Übersetzungen dieser Begriffe (‚fate control’ wäre im Deutschen ‚Schicksalskontrolle’ und ‚behavior control’ ‚Verhaltenskontrolle’) werden hier die Originaltermini verwendet.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
83
besitzt, den Nutzen311 von B aus der Beziehung zwischen A und B zu beeinflussen, unabhängig vom Verhalten von B. Das größtmögliche Ausmaß an Fate Control von A über B bestimmt sich aus der Differenz zwischen dem erwarteten Nutzen von B aus der Beziehung mit A und dem erwarteten Nutzen der besten B zur Verfügung stehenden Alternative. Fate Control kann aber erst dann sinnvoll angewendet werden, wenn die Kosten der Anwendung für A deutlich geringer sind als die Veränderung des Nutzens von B. Behavior Control von A über B liegt dann vor, wenn A durch die Veränderung seines eigenen Verhaltens es für Partei B erstrebenswert macht, ihr Verhalten ebenfalls zu ändern. Durch die von A vorgenommene Ankündigung der Anwendung von Fate Control unter bestimmten Umständen, bspw. durch das Versprechen einer Belohnung bei einem bestimmten Verhalten, verwandelt sich diese ebenfalls in eine Art der Behavior Control312 und trägt so zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit eines erwünschten Verhaltens von B bei. Der Grund der Wirkung von Behavior Control auf das Verhalten von B ist darin zu sehen, dass A durch ein bestimmtes eigenes Verhalten313 die Nutzenfunktion von B dahingehend verändert, dass es für Partei B nun erstrebenswert wird, etwas zu tun, das sie sonst nicht getan hätte. Die Einführung von Behavior Control und Fate Control bietet einerseits eine gute Erklärung, wie Verhaltensänderungen unter Machteinfluss herbeigeführt werden. Andererseits wird deutlich, dass Fate Control, also die Möglichkeit von A, unabhängig von B’s Verhalten deren Nutzen zu beeinflussen, über die Operationalisierung von Macht durch Abhängigkeit in EMERSONs Theorie hinausgeht. Während sich das Vorhandensein von Behavior Control auf die gegenseitige Abhängigkeit der Parteien A und B zurückführen lässt, führt Fate Control ein weiteres Element von Macht ein, das durch die Abhängigkeit nicht erfasst werden kann: eine Bestrafungs- oder Belohnungskapazität (Sanktionspotenzial),314 deren Möglichkeit der Anwendung zwar eine Abhängigkeit der beiden Parteien voraussetzt, die aber selbst
311
312
313 314
Im Englischen Originaltext wird der Begriff ‚Outcomes’ verwendet. Als deutsche Übersetzung mit derselben Konnotation ist jedoch eher ‚Nutzen’ anstelle von ‚Ergebnis’ geeignet. Die Autoren verwenden dafür den Terminus ‚Converted Fate Control’. Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.104ff. Im Falle der Converted Fate Control ist dies häufig eine Drohung oder ein Versprechen. Blau, P.M. (1964), S.116, würde nur die Bestrafungskapazität als Bestandteil der Macht zulassen. Dieser Sichtweise wird hier nicht gefolgt, da Bestrafung und Belohnung in ihrer Wirkung auf das Verhalten der damit konfrontierten Partei ähnlich sind und eine vorenthaltene Belohnung wie eine Bestrafung wirken kann und vice versa, je nach Standpunkt des Betrachters.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
84
unabhängig vom Gegenstand (Teilbereich der Beziehung) der gegenseitigen Abhängigkeit der Parteien ist.315 Wie Abhängigkeit und Fate Control in der Machtrelationen zwischen A und B
Zusätzlicher Nutzen, den A für B über den Erwarteten Nutzen von B stiften kann
Nutzen
zusammenwirken, zeigt Abbildung 11.
max. mögliche Belohnungskapazität (2)
A
~
Saldo Behavior Control
max. mögliche Drohkapazität
max. mögliche Belohnungskapazität (2)
Abhängigkeit (1) A von B
Nutzennullpunkt A, determiniert durch CLalt A
Abhängigkeit (1) B von A
max. mögliches Ausmaß der gesamten Fate Control A über B (2)
max. mögliche Drohkapazität
Abhängigkeitsdifferenz zu Gunsten von A
max. mögliches Ausmaß Fate Control B über A (2)
B
Nutzennullpunkt B, determiniert durch CLalt B
(1) Höhe bestimmt sich aus dem Erwartungswert des Nutzens aus der Beziehung / Interaktion mit der anderen Partei und der Differenz zum erwarteten Nutzen aus der besten Alternative (CLalt). (2) Maximales Ausmaß der nutzbaren Sanktionskapazität ist dann gegeben, wenn für den Anwender keine Kosten der Anwendung anfallen.
Abbildung 11: Abhängigkeit und Fate Control in der Macht-Abhängigkeitsbeziehung zwischen A und B.316
Aus den bisherigen Ausführungen wird außerdem deutlich, dass es sich bei Macht um ein Potenzial handelt, Macht also latent ist.317 Dies zeigt sich sowohl in der Differenzierung
315
316 317
Diese Dichotomie der Machtkomponenten, also Abhängigkeit und Bestrafungs- bzw. Belohnungskapazität, wird auch in späteren Beiträgen aufgegriffen. Vgl. bspw. Lawler, E.J./Bacharach, S.B. (1987). Eigene Darstellung. Vgl. Bierstedt, R. (1950), S.733: “Power is the predisposition or prior capacity which makes the application of force possible.”; Dahl, R.A. (1957), S.203, der von power base spricht; French, J.R.P./ Raven, B. (1959), S.152: “power is potential influence”; Emerson, R.M. (1962), S.34; Blau, P.M. (1964), S.117: “[power] is the ability of persons or groups to impose their will on others (…)”; Wrong, D.H. (1968), S.677: “Power is usually a capacity to control others.”, vgl. auch Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.133.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
85
DAHLs zwischen Machtquellen und Machtmitteln als auch in der Formulierung von THIBAUT/KELLEY, die Fate Control und Behavior Control als Möglichkeit zur Herbeiführung einer Verhaltensänderung betrachten. Erst durch den Einsatz von Macht entfaltet sie ihre Wirkung in Form einer wahrscheinlichen Verhaltensänderung.318 Die Machtanwendung durch den Einsatz von Machtmitteln kann dabei implizit oder explizit erfolgen.319 Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass es sich bei Macht um eine einer Beziehung innewohnende latente Kraft handelt, deren Einsatz durch die mächtigere320 Partei zu einer wahrscheinlichen Änderung des Verhaltens der weniger mächtigen Partei führt. 3.2.1.2 Erlangung, Anwendung und Wirkungen von Macht Der Aufbau einer Machtposition ist dann sinnvoll, wenn sie dazu dient, die eigenen Ziele besser verwirklichen zu können. In einer Beziehung zwischen zwei Parteien A und B ist das dann der Fall, wenn eine anwendbare Machtdifferenz321 zugunsten einer Partei besteht und diese Partei gewillt ist, die Machtdifferenz durch Behavior Control anzuwenden. Auf der anderen Seite muss natürlich berücksichtigt werden, welchen Aufwand dieser Aufbau verursacht. Diese Kosten wiederum wirken sich auf Wille und Möglichkeit des Aufbaus aus. Damit Partei A eine Machtdifferenz gegenüber der Partei B zu den eigenen Gunsten aufbauen kann, müssen der Wille und die Möglichkeit dazu bei A vorhanden sein.322
318 319
320
321
322
Vgl. dazu auch Deutsch, M. (1973), S.90 Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.105. Beispielsweise könnte ein Autohersteller von einem Zulieferer, der einseitig stark vom Autohersteller abhängig ist, eine Lieferart verlangen, die der Zulieferer sonst nicht präferieren würde. Die Machtanwendung wäre explizit, wenn der Autohersteller seine Forderung mit einer Drohung verbindet, im Falle des Nichtnachkommens etwa das Geschäftsvolumen mit diesem Zulieferer einzuschränken. Implizit wäre die Machtanwendung, wenn sich der Hersteller darauf verlässt, dass der Zulieferer um seine Abhängigkeit weiß und sich mögliche Konsequenzen selbst vorstellen kann, sollte er die Forderung nicht erfüllen. Aus Vereinfachungsgründen wird hier von der ‚mächtigeren Partei’ gesprochen. Im Rahmen der hier geführten Diskussion müsste man eigentlich von der ‚mit einer Machtdifferenz zu den eigenen Gunsten ausgestatteten Partei’ sprechen. Nach Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.107, gilt: “Power is not usable to the degree that its use penalizes the possessor, either directly or because of counterpower held by the other person.” Bei einer vorhandenen gegenseitigen Abhängigkeit würde A’s Möglichkeit, B zu schaden (Fate Control, durch eine ernst gemeinten Drohung zu Behavior Control umgewandelt) nur dann sinnvoll angewendet werden können, wenn A’s Kosten der Bestrafung geringer sind als die von B. Vgl. Deutsch, M. (1973), S.89f. Vgl. zu den unterschiedlichen Möglichkeiten zum Aufbau einer positiven Machtdifferenz Blau, P.M. (1964), S.118f.; Emerson, R.M. (1962), S.35ff.; Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.119ff.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
86
Besteht eine positive Machtdifferenz zugunsten von A, dann beeinflussen Motivation und Fähigkeit, diese Machtdifferenz einzusetzen, den tatsächlichen Machteinsatz in Form der Behavioral Control.323 Die Ausübung der Behavioral Control kann sowohl Verhalten im Sinne eingeschlagener Handlungen324 durch Partei A bedeuten als auch eine verbale Forderung verbunden mit einer impliziten oder expliziten kontingenten Kommunikation, also einem Versprechen oder einer Drohung, und zwar immer so, dass B sein Verhalten danach in der von A gewünschten Weise ändert. Schematische Darstellung von Machterlangung, -einsatz und -wirkung * Sekundäreffekte
Wille und Möglichkeiten zum Aufbau einer positiven Machtdifferenz
Kosten des Aufbaus
Sekundäreffekte
Macht
Machteinsatz
im Teilbereich der Beziehung zwischen A und B
durch Anwendung der Machtmittel
- in Form von Abhängigkeitsdifferenz - Droh- / Belohnungskapazitäten
Einsatz von (converted) Behavior Control in Form von verbalen Forderungen oder non-verbalem Verhalten evtl. verbunden mit expliziten Drohungen/ Versprechen
Machtwirkung
Gewünschtes Verhalten der unter Machteinfluss und -anwendung stehenden Partei, dadurch gewünschtes Ergebnis für die Machtausübende Partei
Wille und Fähigkeit zur Anwendung
* Einfacher Fall, in dem nur die mit einer positiven Machtdifferenz ausgestattete Partei mit Erfolg Macht ausübt
Abbildung 12: Machterlangung, -einsatz und -wirkung.325
Bei gelungener Machtanwendung verhält sich Partei B tatsächlich so, wie es durch Aufbau der Machtposition und Einsatz der Machtmittel von A intendiert war. B hat also sein Verhalten angepasst; dies wäre ohne die Machtanwendung durch A nicht geschehen. Das
323
324
325
Vgl. Deutsch, M. (1973), S.90. Zum Bereich der Fähigkeit des Machteinsatzes kann bspw. das Selbstbewusstsein eines Akteurs angeführt werden, das negativ auf den Machteinsatz (im Sinne des hier verwendeten Machtbegriffes) wirkt; vgl. Goodstadt, B.E./Hjelle, L.A. (1973), S.193. Die Motivation des Machteinsatzes kann hingegen bspw. von den damit verfolgten Zielen abhängen, und ob es eventuell andere Möglichkeiten gibt, diese Ziele zu erreichen; vgl. Wilkinson, I./Kipnis, D. (1978), S.316ff. Solche Aktionen können bspw. die Form eines Commitments annehmen, wie es bei Schelling, T.C. (1960), S.24ff., beschrieben wird. Eigene Darstellung.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
87
Zusammenspiel von Macht als Potenzial, Machteinsatz und Machtwirkung verdeutlicht Abbildung 12.326 Damit Macht als Potenzial und im Anschluss durch ihren Einsatz eine Wirkung erzielen kann, muss sie von den Parteien A und B, bei Machtanwendung von A jedoch vor allem von B, wahrgenommen werden.327 Es kann zwischen den Verhältnissen einer Machtrelation zwischen A und B, wie sie durch eine Analyse aus der Vogelperspektive erkennbar wäre, und der Wahrnehmung der Machtrelation durch A oder B durchaus ein Unterschied bestehen. Weiterhin weisen verschiedene Autoren darauf hin, dass die Machtrelation zwischen A und B eine gewisse zeitliche Stabilität aufweisen muss, um ihre Wirkungen überhaupt entfalten zu können.328 Andernfalls müsste die weniger machtvolle Partei B nur warten, bis sich die Machtrelation zu ihren Gunsten wandelt. Eine durch A intendierte Veränderung ihres Verhaltens würde dann nicht stattfinden. Die notwendige zeitliche Stabilität ist allerdings relativ in Bezug auf die Dauer der Machtrelation zwischen A und B zu sehen. Hat die Machtrelation zwischen A und B eine Aneinanderreihung von untereinander verknüpften Entscheidungssituationen zum Gegenstand (Reichweite der Macht), wie etwa die fortwährende Koordination eines Franchise-Systems, so bedeutet zeitliche Stabilität etwas anderes als in einer Machtrelation, die sich auf eine konkrete und relativ unabhängige Entscheidung bezieht, wie etwa die Verhandlungen über den Verkauf einer Werkzeugmaschine. Vor diesem Hintergrund erscheint die Betrachtung von Verhandlungsmacht als Macht in einer zeitlich begrenzten Situation, der Verhandlung, besonders erstrebenswert, da sie den einfacheren Fall der Machtrelation darstellt.329
326
327
328 329
Vgl. auch Lawler, E.J. (1992), S.20, zu der hier dargestellten Dreiteilung in Machtpotenzial, Machtanwendung und Machtwirkung. Vgl. Thibaut, J./Kelley, H.H. (1959), S.101. Auch French, J.R.P./Raven, B. (1959) gehen in ihrer Diskussion implizit von wahrgenommener Macht aus. Vgl. French, J.R.P./Raven, B. (1959), S.152; Blau, P.M. (1964), S.117. Eine solche Differenzierung des Konstruktes Macht nach einem zeitlichen Kriterium vorzunehmen, erscheint auch deshalb sinnvoll, da dies für andere Konstrukte, wie etwa Zufriedenheit, bereits gemacht und empirisch unterlegt wurde und einen Erkenntniszuwachs gegenüber einer zeitindifferenten Betrachtungsweise liefern konnte. Vgl. Olsen, L.L./Johnson, M.D. (2003), S.192; Homburg, C./Koschate, N./Hoyer, W.D. (2005), S.92.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
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3.2.2
Verhandlungsmacht als Kontextfaktor der Vermarktungsverhandlung
Die Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen A und B bildet wie die Art der Marktpartnerschaft einen Kontextfaktor im verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodell von NEALE/NORTHCRAFT. Die Autoren des Modells ordnen die Machtrelation zwischen A und B den strukturellen Kontextvariablen zu.330 Diese Zuordnung ergibt sich aus der notwendigen zeitlichen Stabilität der Machtrelation, die mindestens bis zum Abschluss der Verhandlung bestehen bleiben muss, um in der Verhandlung eine Wirkung entfalten zu können. Die Einordnung der Macht-Abhängkeitsrelation zwischen A und B in das Modell von NEALE/ NORTHCRAFT zeigt Abbildung 13. Die Darstellung der Macht-Abhängigkeitsrelation mithilfe der Argumentation von DAHL, THIBAUT/KELLEY und EMERSON erlaubt ihre Konkretisierung als Verhandlungsmacht im Modell von NEALE/NORTHCRAFT in idealer Weise: Wie die BATNAs der Parteien A und B die Machtrelation als Potenzial darstellen, bilden die dynamischen Variablen der Verhandelnden die Machtanwendung ab. Sie konkretisieren demnach die Anwendung von Behavior Control.
Struktureller Kontext • Zeitbeschränkungen • Integratives Potenzial • Macht-Abhängigkeitsbeziehung
Partei A
Abhängigkeit A von B
Absolute Abhängigkeit der Parteien
Abhängigkeit B von A
Macht-Abhängigkeitsdifferenz
Kontext (statisch)
Verhandelnde (dynamisch)
Partei B
Abbildung 13: Macht-Abhängigkeitsbeziehung als struktureller Kontextfaktor im Modell von NEALE/NORTHCRAFT.331
330 331
Vgl. Abschnitt 2.4.1.1. Eigene Darstellung.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
89
Während die Art der Marktpartnerschaft als Kontextfaktor einer Verhandlung bislang nicht untersucht wurde, kann dies von der Größe „Verhandlungsmacht“ nicht behauptet werden. Allerdings variiert in den bekannten Studien der Bedeutungsinhalt von Verhandlungsmacht, so dass eine genaue Abgrenzung vonnöten ist, was in dieser Arbeit unter Verhandlungsmacht verstanden werden soll. Daneben ist die Analyse der Funktionsweise der Machtanwendung über die mediierenden dynamischen Variablen der Verhandlung bislang weitestgehend unterblieben. Die Untersuchung der Anwendung von Behavior Control im konkreten Fall der Verhandlungsmacht steht also noch aus. 3.2.2.1 Elemente von Verhandlungsmacht Um die Argumentation in diesem Abschnitt zu vereinfachen, sei darauf hingewiesen, dass die folgenden Aussagen aus der Perspektive einer Verhandlungspartei A getroffen werden, die mit B in Verhandlungen steht. Natürlich bedeutet Verhandlungsmacht von A auch hier, dass es sich um eine Differenz der Machtkapazitäten beider Parteien zugunsten von A handelt. Als größte Quelle von Verhandlungsmacht einer Partei gilt eine möglichst gute BATNA, also eine beste Alternative, falls ein Vertrag mit der anderen Verhandlungspartei nicht zustande kommen sollte.332 Eine Partei A, die eine gute BATNA besitzt, kann im Falle des Scheiterns der Verhandlungen mit Partei B diese gute Alternative wahrnehmen, die ihr einen etwas – im besten Falle nur geringfügig – geringeren Nutzen verspricht als ein mögliches Abkommen mit B. Eine hohe BATNA, die A zur Verfügung steht, bedeutet für A also eine geringe Abhängigkeit von einem Abkommen mit B. Spiegelbildlich bilden Ressourcen, die eine Partei A besitzt und auf die Partei B angewiesen ist, eine weitere wichtige Quelle von Verhandlungsmacht.333 LEWICKI/SAUNDERS/MINTON nennen beispielhaft für mögliche Ressourcen, die in einem organisationalen Rahmen von Bedeutung sind, Finanzmittel, Zulieferteile, Personal, Zeit, Ausrüstung, kritische Dienstleistungen und zwischenmenschliche Unterstützung.334 Die Tatsache, dass diese Ressourcen
332 333
334
Vgl. Thompson, L. (2005), S.152; Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.106. Vgl. Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.137f.; Kim, P.H./Pinkley, R.L./Fragale, A.R. (2005), S.806. In einer der sehr seltenen empirischen Feldstudien sieht Kloyer, M. (2004), S.356, die Kontrolle von Ressourcen, die die Gegenpartei benötigt, als wirksamste Determinante von vorvertraglicher Verhandlungsmacht in F&E-Lieferbeziehungen. Vgl. Lewicki, R.J./Saunders, D.M./Minton, J.W. (2001), S.137.
90
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
als Quelle von Verhandlungsmacht für Partei A wirken können, beruht darauf, dass Partei B, die diese Ressourcen benötigt, in dieser Situation keine gute BATNA besitzt, um ihre Ziele bei einem Scheitern der Verhandlung anderweitig zu erreichen. B ist also relativ stark von A abhängig. Besitzt B hingegen eine brauchbare Alternative zu einer Einigung mit A, verlieren A’s Ressourcen ihren Wert als Quelle von Verhandlungsmacht. Die jeweiligen BATNAs der Parteien A und B stellen im Sinne der in Abschnitt 3.2.1.1 dargestellten Ausführungen zum Begriff Macht also die Abhängigkeitsdimension der Machtrelation dar. Wie der Wert von A’s BATNA nun Behavioral Control über B darstellt, verdeutlicht der Vergleich einer hohen und niedrigen BATNA von A.335 Es sei angenommen, dass in beiden Fällen eine positive Einigungszone für die Verhandlung besteht: Beide Parteien können sich durch einen Vertrag besser stellen als ohne ein Abkommen. Besitzt A eine niedrige BATNA und B verhandelt sehr geschickt, so kann B maximal einen Vertrag aushandeln, der B zwar den gesamten Verhandlungsgewinn, A aber mindestens den Wert seiner BATNA verspricht. Andernfalls würde A wohl die Alternative zu einem Vertrag mit B vorziehen. Hätte A hingegen eine bessere BATNA, so würde er B dazu bewegen können, zu einem für A absolut günstigeren Vertrag zuzustimmen, egal wie geschickt B verhandelt. Wie darüber hinaus die BATNA der Gegenpartei B zum Gegenstand eines Bestrafungspotenzials von A werden kann, beschreibt SHELL. Besitzt die Partei A die Möglichkeit, die BATNA der Partei B negativ zu beeinflussen (der Autor nennt dies negative336 leverage), so steigert dies die Verhandlungsmacht von A.337 Bei Aufrechterhaltung dieser Möglichkeit ist A
335
336
337
Es sei an dieser Stelle angenommen, dass die Verhandlungsakteure zumindest beschränkt rational handeln. Shell spricht von negative leverage, da die Einflussnahme der Partei A auf die Alternativen der Partei B mit negativen Drohungen verbunden ist und in vielen Fällen einen Eingriff in das soziale Netzwerk der Partei B darstellt und daher als ethisch bedenklich eingestuft wird. Vgl. Thompson, L. (2005), S.168. Vgl. Shell, G.R. (1999), S.101ff. Für Shell stellt der negative leverage sogar die größte Quelle von Verhandlungsmacht dar, da unter Heranziehung der Prospect Theory (vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1981), S.454) mögliche Verluste in der menschlichen Wahrnehmung schwerer ins Gewicht fallen als mögliche Gewinne. Vgl. dazu auch Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.55. Kim, P.H./Pinkley, R.L./ Fragale, A.R. (2005), S.810, ordnen die Beeinträchtigung der BATNA der Gegenpartei den Taktiken zur Veränderung des Machtgefüges (power-change tactics) zu.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
91
eine Drohkapazität (und damit eine Art der Fate Control) entstanden, die seine Verhandlungsmacht gegenüber B erhöht.338 Neben
einer
in
Verhandlungen
möglichen
Bestrafungskapazität
ist
auch
eine
Belohnungskapazität denkbar: Beispielsweise ist es vorstellbar, dass A der Verhandlung mit B neue Gegenstände mit großem Nutzen für B und geringen Kosten für A hinzufügen könnte, die A dadurch als Belohnungskapazität (andere Art der Fate Control) einsetzen kann.339 Auf die Bedeutung der Wahrnehmung von Verhandlungsmacht durch die eigene und die Gegenpartei weisen WOLFE/MCGINN hin.340 Zu dieser Wahrnehmung kann einerseits strukturelle tatsächliche Verhandlungsmacht einer Partei, also eine positive Differenz der gegenseitigen Abhängigkeiten und Sanktionspotenziale, führen,341 aber auch ein bestimmtes Verhandlungsverhalten einer Partei, wie etwa häufige Drohungen.342 3.2.2.2 Operationalisierung von Verhandlungsmacht Wie aus den vorherigen Überlegungen deutlich wurde, spielen die BATNAs der Verhandlungsparteien für die Betrachtung ihrer Machtrelation eine zentrale Rolle. Diese Bedeutung schlägt sich in der Operationalisierung von Verhandlungsmacht durch verschiedene Arten der Manipulation und der Variation der BATNAs in der empirischen Verhandlungsforschung nieder: Nur in wenigen Studien wird Verhandlungsmacht anders manipuliert als durch die BATNAs. Dazu gehören einerseits Untersuchungen, die mit spieltheoretischen Rahmen arbeiten, andererseits solche, die explizit das Sanktionspotenzial der Parteien, 338
339
340
341 342
Weiterhin wäre vorstellbar, dass im Rahmen einer Verhandlung, deren Abschluss sich innerhalb eines Rahmenvertragswerkes bewegt, in diesem Rahmenvertrag gewisse Rechte der Vertragsparteien und bei Eintreten bestimmter Ereignisse entsprechende Sanktionen, bspw. in Form von Konventionalstrafen, festgelegt sind. Die Fähigkeit und Androhung der Herbeiführung solcher Ereignisse würde eine weitere Drohkapazität darstellen. Vgl. dazu Kim, P.H./Fragale, A.R. (2005), S.374f., die diese Belohnungskapazität contribution nennen. Dort wird allerdings der Spezialfall einer Joint-Venture-Verhandlung betrachtet, in der beide Parteien zu Beginn des gemeinsamen Unterfangens unterschiedliche Beiträge (contributions) leisten, um das gemeinsame Projekt zum Erfolg zu führen. Auch in den Untersuchungen über Dreiparteienverhandlungen bei Mannix, E.A. (1993) und Kim, P.H. (1997) werden die Machtunterschiede zwischen den Parteien durch den unterschiedlichen Wert modelliert, den eine Partei durch ihren Beitritt zu einer Koalition zusätzlich stiften kann. Vgl. Wolfe, R.J./McGinn, K.L. (2005), S.7ff. Auch in der Konzeption von Verhandlungsmacht durch Kim, P.H./Pinkley, R.L./Fragale, A.R. (2005) nimmt wahrgenommene Macht einen wichtigen Platz zwischen potenzieller Macht und ausgeübter Macht ein (S. 801ff.). Vgl. Pinkley, R.L. (1995), S.413. Vgl. Shapiro, D.L./Bies, R.L. (1994), S.26.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
92
entweder in Form von Bestrafungskapazitäten oder als Belohnungskapazitäten, in den Vordergrund stellen.343 Die Darstellung der BATNAs geschieht in verschiedenen Studien unterschiedlich.344 Dies führte neben der Betrachtung der Wirkungen bestimmter Machtverhältnisse auch zu Untersuchungen und Diskussionen über den Zusammenhang verschiedener, teilweise synonym benutzter Termini. Die damit verbundenen Überlegungen sollen an dieser Stelle knapp wiedergegeben werden, um eine unzweideutige Ausgangsbasis für die eigene empirische Studie zu legen. Dass die beste Alternative außerhalb der aktuellen Verhandlung eine wichtige Rolle bei der Entscheidung spielen sollte, ein letztes Angebot der Gegenpartei abzulehnen oder anzunehmen, sind sich die meisten Autoren einig.345 Wie genau der Wert zu bestimmen und zu nennen sei, an dem sich eine Partei indifferent gegenüber Annahme oder Ablehnung eines letzten Angebots der Gegenpartei verhält, ist jedoch strittig. FISHER/URY/PATTON, die den Begriff BATNA prägten und darunter die eine, beste Alternative von mehreren möglichen Alternativen sehen,346 raten, jedes Angebot gegenüber dieser BATNA auf seine Akzeptanz hin zu beurteilen, geben aber nicht an, wie dies geschehen kann. Nur die Orientierung an der BATNA und nicht etwa an einer beliebig festgelegten Untergrenze (bottom line) kann den Autoren nach zu einer sinnvollen Entscheidung über Annahme oder Ablehnung eines letzten Angebotes führen.347 PINKLEY/NEALE/BENNETT weisen darauf hin, dass bis 1994 noch kein empirischer Hinweis für den Zusammenhang einer BATNA (im Sinne von FISHER/URY/PATTON) und
343
344
345
346 347
Zu den hier betrachteten und relevanten Studien, die einen spieltheoretischen Rahmen verwenden, gehören Dwyer, F.R. (1984); Srivastava, J./Chakravarti, D./Rapoport, A. (2000). Sanktionskapazitäten werden betrachtet in Lawler, E.J./Bacharach, S.B. (1987); Mannix, E.A. (1993); Kim, P.H. (1997). Neben der eindeutigen Angabe für die Verhandlungsakteure, dass bei Nichtabschluss der gegenwärtigen Verhandlung eine Alternative mit einem bestimmten Wert zur Verfügung steht, werden BATNAs auch durch unterschiedliche Wahrscheinlichkeiten für bestimmte festgelegte Alternativen, durch tatsächliche alternative Verhandlungspartner oder andere Restriktionen bei Nichtabschluss der Verhandlungen dargestellt und entsprechend manipuliert. Vgl. stellvertretend Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.104; Raiffa, H. (1982), S.36ff.; Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.46ff. Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.109. Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.102ff.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
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einem gerade noch akzeptablen Abkommen (minimally acceptable agreement) vorlag.348 Der wert- bzw. nutzenmäßige Unterschied zwischen der BATNA und dem gerade noch akzeptablen Abkommen drücke sich einerseits durch Transaktionskosten aus, die durch einen Abbruch der Verhandlungen und das Wahrnehmen der Alternative anfallen würden, sowie andererseits durch den psychologischen Nutzen, den der Abschluss eines Abkommens an sich mit sich bringt.349 Den Wert dieses gerade noch akzeptablen Abkommens nennen sie Resistenzpunkt bzw. Reservationspreis. RAIFFA sowie LAX/SEBENIUS sehen prinzipiell alle Alternativen zu einem möglichen Abkommen als relevant an, gerade wenn sie unsicher und zeitlich variabel sind. Um ihren Wert zu bestimmen, schlagen sie die Verwendung von Instrumenten der Entscheidungsanalyse unter Rückgriff auf subjektive Wahrscheinlichkeiten und die Nutzentheorie vor. Der erwartete Wert dieser Alternativen, der sämtliche Transaktionskosten und Nutzenkomponenten beinhaltet, stellt dann den Reservationspunkt dar, der über Annahme oder Ablehnung eines letzten Angebots entscheiden sollte.350 In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund des Forschungsfokus’ im weiteren Verlauf das weiter gefasste RAIFFA’sche Verständnis der BATNA gebraucht. Die Operationalisierung von Verhandlungsmacht im experimentellen Teil dieser Arbeit geschieht durch die verbale Beschreibung der Alternativen der Verhandlungsparteien sowie die explizite Angabe eines Reservationspunktes.351
348 349 350
351
Vgl. Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.99. Vgl. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.41ff; Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.99. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.37ff, 45ff.; Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.50ff. Aus der gewählten Formulierung geht bereits implizit hervor, dass diese Autoren einen präskriptiv/deskriptiven Ansatz der Verhandlungsanalyse verfolgen, der unter Annahme beschränkter Information und Rationalität der Verhandlungsparteien einer Partei Handlungsstrategien zu einer möglichst optimalen Problemlösung vorschlägt. Dies dürfte ein Grund dafür sein, dass ihr Verständnis der Alternativen zu einem Abkommen sowie deren erwarteter Wert bereits die Kosten- und Nutzenüberlegungen der sozialpsychologischen Sichtweise enthalten. Vgl. Abschnitt 4.1.2.2 dieser Arbeit.
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Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
3.2.2.3 Kritische Würdigung der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zur Untersuchung von Verhandlungsmacht Trotz der Vielzahl der Studien zur Wirkung von Verhandlungsmacht auf Verhandlungsergebnisse steht der Nachweis, wie ein Machtvorteil mittels der Verhandlungsinteraktion in einen Ergebnisvorteil transformiert wird noch aus. Die folgende Diskussion der Herangehensweise bisheriger Untersuchungen verdeutlicht die Problematik. Die vorherrschenden Untersuchungsdesigns zur Analyse von Verhandlungsmacht sind einerseits Verhandlungsdyaden mit vorgegebener Machtvariation in Form unterschiedlich hoher BATNAs der Parteien und andererseits Märkte,352 in denen die Alternativen eines Verhandelnden durch die anderen Marktteilnehmer dargestellt sind.353 Von der Art des Untersuchungsdesigns hängt teilweise die Art der Variation der Verhandlungsmacht ab. Die Alternativen einer Verhandlungspartei sind entweder auf einem bestimmten Niveau extern vorgegeben (bspw. niedrig, mittel, hoch), sie ergeben sich durch die Anzahl der möglichen anderen Transaktionspartner auf einem Markt, oder sie werden durch eine maximale Transaktionsanzahl auf Märkten manipuliert. Meist wird die Variation der Verhandlungsmacht bei beiden Verhandlungsrollen durchgeführt, so dass sowohl Verhandlungen mit gleich mächtigen Partnern als auch mit Machtasymmetrien betrachtet werden. Die meistgebrauchten abhängigen Variablen sind der individuelle Verhandlungserfolg, in Märkten auch differenziert nach durchschnittlichem Verhandlungserfolg pro Transaktion und individuellem kumulierten Verhandlungserfolg über die Gesamtdauer des Marktes hinweg, und die Verhandlungseffizienz, zumeist gemessen im Gesamtverhandlungserfolg (joint gain). In manchen Studien wird als subjektives Ergebnismaß die Zufriedenheit der Verhandlungsakteure betrachtet. Je nach Art der Untersuchung werden weitere abhängige Variablen betrachtet. Zu den zusätzlich zur Verhandlungsmacht untersuchten unabhängigen Variablen zählen Zeitdruck (deadline), Zähigkeit des Gegenübers (opponent’s toughness), Rolle, Gruppengröße, Art der Gruppenkoordination und Verteilungsgrundsätze in Mehrparteienverhandlungen, Marktpreise, Einzig-
352
353
Die Verhandlungssimulation anhand eines Marktes wurde eingeführt von BAZERMAN/MAGLIOZZI/ NEALE (1985). Innerhalb eines bestimmten Zeitraums können kaufende und verkaufende Händler miteinander Verträge verhandeln. I.d.R. darf jeder Verkäufer maximal einen Vertrag mit jedem Käufer schließen. Somit ist für die Probanden sowohl der Gewinn pro Transaktion als auch die Gesamtzahl der Transaktionen interessant. Vgl. Bazerman, M.H./Magliozzi, T./Neale, M.A. (1985), S.299ff. Ein Überblick über die relevanten und hier betrachteten Untersuchungen findet sich in Anhang 1.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
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artigkeit des Verhandlungsgegenstandes, Wissen über die BATNA, motivationale Orientierung und die Größe der Einigungszone. Zu den weiteren abhängigen Variablen, die im Zusammenhang mit Verhandlungsmacht untersucht wurden, zählen Erstangebote, Reservationspunkte, Zielpunkte (aspiration levels), Gewinnerwartungen, Konzessionen sowie verschiedene Arten des Verhandlungsverhaltens wie Drohungen oder Problem lösendes Verhalten. Der Umgang mit diesen abhängigen Variablen stellt den Hauptkritikpunkt an den bisher veröffentlichten Studien dar. Obwohl sie zwar abhängige Variablen in Bezug auf die untersuchten unabhängigen, manipulierten Größen darstellen, so müssen sie aus Plausibilitätsüberlegungen heraus in jedem Fall als Einflussgrößen auf die Verhandlungsergebnisse in Betracht gezogen werden. Außerdem stellt sich die Frage, wie eine vorteilhafte Machtposition einen direkten Einfluss auf die Verhandlungsergebnisse aufweisen kann: Dieser Einfluss kann nur indirekt über die Variablen des Verhandlungsprozesses wirken. Abbildung 14 verdeutlicht die Problematik:
Wirkungsweise der Machtanwendung
Verhaltenswissenschaftliuches Verhandlungsmodell von NEALE/ NORTHCRAFT
Mediierte Wirkungsbeziehung
(1)
(2)
(3)
Macht
Machteinsatz
Machtwirkung
Kontextfaktoren der Verhandlung
Dynamische Variablen der Verhandlung
Verhandlungsergebnis
Struktureller Kontext Parteien als Kontext
(a) Unabhängige Variable
individueller VerhandlungsGewinn, Effizienz, Zufriedenheit
Verhandlungsinteraktion und -kognitionen
Mediator (c)
(b) Ergebnisvariable
Abbildung 14: Vergleich von Wirkungsweise der Machtanwendung, prozessualer Darstellung einer Verhandlung und genereller mediierter Wirkungsbeziehung.354
354
Darstellung der mediierten Wirkungsbeziehung in Anlehnung an Baron, R.M./Kenney, D.A. (1986), S.1176. Darstellung der Wirkungsweise der Machtanwendung in Anlehnung an Abbildung 12 dieser Arbeit. Prozessuale Darstellung des Verhandlungsprozesses: eigene Abbildung.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
96
In Abschnitt 3.2.1.2 wurde aufbauend auf den grundlegenden verhaltenswissenschaftlichen Arbeiten zur Erlangung und Anwendung von Macht ein Modell der Wirkungsweise von Machtanwendung eingeführt. Dieses gilt auch für die Wirkungsweise von Verhandlungsmacht: Nur wenn Verhandlungsmacht, die a priori ein Potenzial darstellt, auch angewendet wird, stellt sich anschließend die beabsichtigte Machtwirkung in Form des Verhandlungsergebnisses ein. Es ist hingegen nicht vorstellbar, dass nur das Vorhandensein von Verhandlungsmacht vor der Verhandlung das Verhandlungsergebnis beeinflusst, ohne Auswirkungen auf die Verhandlung zu haben. Denn das Verhandlungsergebnis wird ausschließlich in der und durch die Verhandlung festgelegt. Das Modell von NEALE/ NORTHCRAFT verdeutlicht die Argumentation. Aus ihr wird klar, dass es sich hinsichtlich des Einflusses der Kontextvariablen auf die Verhandlungsergebnisse notwendigerweise um eine mediierte Beziehung handelt. Der Vergleich mit der prinzipiellen Darstellung einer mediierten Wirkungsbeziehung zwischen einer unabhängigen und einer Ergebnisvariablen verdeutlicht die Schwäche der bisherigen Untersuchungen, die sich mit der Wirkung von Verhandlungsmacht auf das Verhandlungsergebnis beschäftigt haben: obwohl Verhandlungsmacht als Potenzial keine direkte Wirkung auf die Verhandlungsergebnisse (Pfad c im Mediationsmodell) aufweisen kann, wurde dies bisher fast ausschließlich so modelliert.355 Die teilweise mitbetrachteten Auswirkungen von Verhandlungsmacht auf verschiedene Variablen des Verhandlungsprozesses stellen im Mediatoren-Modell den Pfad (a) dar. Der zur Erklärung der Wirkungsweise von Verhandlungsmacht auf das Verhandlungsergebnis notwendige Pfad (b) wird hingegen nicht untersucht. Die Frage, wie Verhandlungsmacht (über Mediatoren) auf das Verhandlungsergebnis wirkt, ist somit bisher noch nicht beantwortet. Um die tatsächliche Wirkungsweise von Verhandlungsmacht auf das Verhandlungsergebnis zu erklären, ohne die dynamischen Größen der Verhandlung zu unterschlagen, ist die Suche nach erklärenden mediierenden Variablen notwendig. Dies wird in den Ausführungen von BARON/KENNEY deutlich, die
355
Die einzige Ausnahme stellt die Untersuchung von Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000) dar, die forcing behaviour und problem solving behaviour explizit als Mediatoren behandeln (S.267), konnten aber nur für das zweite Konstrukt eine Mediationsbeziehung nachweisen.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
97
argumentieren, dass in einem nachgewiesen mediierten Wirkungsmodell weitere Mediatoren gesucht werden müssen, bis der Pfad (c) verschwindet.356 3.2.3
Erkenntnisse der verhaltenswissenschaftlichen Forschung zur Wirkung von Verhandlungsmacht
Aus den im vorhergehenden Abschnitt diskutierten Herangehensweisen an die Untersuchung von Verhandlungsmacht ergeben sich zwei verschiedene Betrachtungsebenen der Wirkung einer Macht-Abhängigkeitsbeziehung zwischen den Verhandlungsparteien auf die Verhandlung und ihre Ergebnisse.357 Einerseits wird intensiv die Wirkung einer Machtasymmetrie zugunsten der Partei A gegenüber der Partei B untersucht, andererseits bildet auch die Wirkung der Höhe der absoluten Abhängigkeit zwischen den Parteien einen Betrachtungsschwerpunkt. Unbestritten ist die positive Wirkung des Machtvorteils der Partei A auf ihren individuellen Verhandlungserfolg.358 In Märkten wurde diese Wirkung sowohl auf den durchschnittlichen individuellen Verhandlungserfolg pro Transaktion als auch auf den kumulierten individuellen Verhandlungserfolg nachgewiesen.359 Eine ähnliche Wirkung konnte für Verhandlungsparteien in spieltheoretisch-experimentellen Verhandlungsaufgaben gezeigt werden, deren Pay-Off-Struktur sie mit mehr Macht ausstattete.360 Als moderierende Variablen, die bei einer Machtdifferenz deren positive Wirkung auf den individuellen Verhandlungsgewinn der mächtigeren Partei verstärken, werden das Wissen
356 357 358
359
360
Vgl. Baron, R.M./Kenney, D.A. (1986), S.1176. Vgl. dazu Abschnitt 3.2.1.1 sowie Emerson, R.M. (1962), S.32ff. Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.110; Komorita, S.S./Lapworth, C.W./Tumonis, T.M. (1981), S.530ff.; Johnston, W.J./Bonoma, T.V. (1984), S.173; McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986), S.234; Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.16; Olekalns, M. (1991), S.1024; Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.124; Mannix, E.A. (1993), S.14; Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.107f.; White, S.B. et al. (1994), S.437; Pinkley, R.L. (1995), S.408; Kim, P.H. (1997), S.276; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.15; Arunachalam, Y. et al. (1998), S.91; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.264; Zwick, R./Weg, E. (2000), S.192ff.; Kim, P.H. (1997), S.379. Vgl. McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986), S.234. Vgl. zum individuellen Gewinn in Märkten auch Olekalns, M. (1991), S.1024; Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.124. Vgl. Dwyer, F.R. (1984), S.690.
98
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
beider Parteien über die (genaue) Machtdifferenz361 sowie eine individualistische Motivation der mächtigeren Partei362 identifiziert. Uneindeutig fallen hingegen die Untersuchungsergebnisse bezüglich der Wirkung der Machtasymmetrie auf die Verhandlungseffizienz aus. Während einige Autoren einen signifikant negativen Einfluss einer Machtasymmetrie auf die Effizienz feststellen,363 argumentieren andere Autoren dagegen und können dies auch teilweise nachweisen.364 Die Begründung für eine höhere Effizienz bei Machtsymmetrie sehen MCALISTER/ BAZERMAN/FADER darin, dass bei den meisten Verhandelnden a priori eine Nullsummenwahrnehmung (fixed-pie perception)365 vorherrschend ist. Bei Vorhandensein von möglichen Effizienzgewinnen fällt es ihnen schwer, gleichzeitig das integrative Potenzial der Verhandlung zu nutzen und den eigenen individuellen Verhandlungsgewinn zu maximieren. Die Autoren spekulieren, dass dies mit einer fehlenden kognitiven Fähigkeit der meisten Individuen zu tun hat. Sind Verhandelnde zusätzlich zu integrativem Potenzial einer Machtasymmetrie ausgesetzt, so verstärkt sich ihr distributiver Fokus: Die mächtigere Seite versucht, ihre Macht einzusetzen, um den eigenen Verhandlungsgewinn zu erhöhen; die weniger mächtige Seite versucht, sich gegen die Machtanwendung zu verteidigen. Beide werden so davon abgelenkt, nach Effizienzgewinnen zu suchen.366
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362 363
364
365 366
Vgl. Pinkley, R.L. (1995), S.408. Einschränkend muss zu diesem Ergebnis angemerkt werden, dass die absolute Höhe der BATNA der mächtigeren Partei so groß war, dass die Machtdifferenz von beiden Parteien wahrgenommen werden musste. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.15. Vgl. McAlister, L./Bazerman, M.H./Fader, P. (1986), S.235. Zu diesem Ergebnis kommen auch Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.125, und Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.267, wobei in dieser Studie der Effekt der Machtsymmetrie auf die Effizienz durch Problem lösendes Verhalten mediiert wird. Auch für eine wahrgenommene Machtasymmetrie konnte die negative Wirkung auf die Effizienz nachgewiesen werden. Vgl. Shapiro, D.L./Bies, R.L. (1994), S.27; Wolfe, R.J./ McGinn, K.L. (2005), S.6f. u. 13. Vgl. die unveröffentlichte Studie von Roloff, M.E./Dailey, W.O. (1987), zitiert in Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.6. Die Resultate der Studien von SONDAK/BAZERMAN (1991) sowie PINKLEY/NEALE/BENNETT (1994) gehen zwar in die Richtung einer höhere Effizienz bei Machtasymmetrie, sind jedoch statistisch nicht signifikant. Vgl. Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.19; Vgl. Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.109. Vgl. Bazerman, M.H./Magliozzi, T./Neale, M.A. (1985), S.309. Vgl. auch Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.121 sowie Wolfe, R.J./McGinn, K.L. (2005), S.6f. u. 13.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
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Die Argumentation für eine höhere Effizienz bei Machtasymmetrie zwischen den Parteien stützt sich in erster Linie auf die Rolle der schwächeren Partei: Diese sollte nach den Überlegungen von SONDAK/BAZERMAN versuchen, möglichst alle Effizienzgewinne aufzudecken, um überhaupt zu einer positiven Einigungszone und damit zu einem machbaren Abkommen gelangen zu können.367 MANNIX/NEALE zeigen, dass die schwächere Partei bei Machtasymmetrie die Verhandlungseffizienz steigert: Weist die schwächere Partei hohe Ziele auf, so erreicht die Dyade eine integrativere Lösung, als wenn sie ein niedriges Verhandlungsziel besitzt.368 Die gegensätzlichen Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung einer Machtasymmetrie auf die Verhandlungseffizienz zeigen deutlich, dass weiterer Erkenntnisbedarf besteht, unter welchen Umständen es bei ungleicher Machtverteilung in Verhandlungen zu unterschiedlich effizienten Verträgen kommt. Während die meisten Studien zur Wirkung von Verhandlungsmacht den individuellen Verhandlungserfolg und die Verhandlungseffizienz betrachten, fällt die Betrachtung verhaltenswissenschaftlicher Ergebnismaße deutlich spärlicher aus. Eine Erkenntnis, die sich in mehreren Studien wieder findet, besteht darin, dass bei der mächtigeren Partei eine höhere Zufriedenheit mit der Verhandlung und dem Verhandlungsergebnis festgestellt wird als bei der weniger mächtigen Partei.369 Neben den untersuchten Effekten von Verhandlungsmacht-Asymmetrien auf die Ergebnismaße einer Verhandlung widmen sich einige Untersuchungen auch den Auswirkungen der Asymmetrie auf Prozessvariablen der Verhandlung. Dies entspricht im Mediatoren-Modell aus Abbildung 14 dem Pfad (a).
367
368 369
Vgl. Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.6; ähnlich argumentieren auch Perdue, B.C./Summers, J.O. (1991), um einen negativ vermuteten, aber gefundenen positiven Einfluss des Wettbewerbs unter Zulieferern auf das Problem lösende Verhalten des Kunden zu erklären. Auch Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.264, weisen vermehrtes Problem lösendes Verhalten der Partei ohne BATNA nach, besonders wenn diese eine pro-soziale Motivation hat. Vgl. Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.125. Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.110f.; Lawler, E.J./Yoon, J. (1993), S.476; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.16. Kognitionen der Verhandlungsakteure als weitere verhaltenswissenschaftliche Maße betrachtet PINKLEY (1995): Sie stellt fest, dass beide Akteure in dem Fall, in dem einer Partei eine gute BATNA besitzt, die Partei mit BATNA als größeren Verhandlungsexperten und mächtiger wahrnehmen und beide einem gemeinsamen Abschluss einen höheren Wert (commodity worth) zumessen. Vgl. Pinkley, R.L. (1995), S.412f.
100
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Einen positiven Effekt des Machtvorteils einer Partei auf deren Erstgebot berichten DWYER/ WALKER und MANNIX/NEALE.370 Auch der positive Effekt eines Machtvorteils auf das eigene Verhandlungsziel (aspiration level), den erwarteten Verhandlungsgewinn und den Reservationspunkt konnte nachgewiesen werden.371 Andere Studien zeigen, dass der Einfluss des Machtvorteils auf die Konzessionsrate der mächtigeren Partei negativ ist.372 Widersprüchliche Ergebnisse liefern Studien hinsichtlich des Einflusses der Machtasymmetrie auf den Einsatz Problem lösenden Verhaltens. Während GIEBELS/DE DREU/VAN DE VLIERT einen negativen Effekt feststellen,373 finden PERDUE/SUMMERS entgegen ihrer Hypothesen in einer Feldstudie zum Verhandlungsverhalten von Einkaufsmanagern einen
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373
Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.108. Ein Machtvorteil führte auch zu durchschnittlich weniger Angeboten während der gesamten Verhandlungsdauer (S.110). Vgl. auch Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.125. In der Studie von Komorita, S.S./Lapworth, C.W./Tumonis, T.M. (1981), die u.a. sichere und unsichere Alternativen untersuchen, steigt das Erstgebot bei gleichem Erwartungswert der Alternative mit steigendem Wert der unsicheren Alternative und entsprechend sinkender Eintrittswahrscheinlichkeit (S.533). Auch in dieser Studie führt ein höherer Wert der Alternative zu einem höheren Erstangebot. Vgl. Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.107; Arunachalam, Y. et al. (1998), S.90; Pinkley, R.L. (1995), S.408. Angemerkt sei hierbei, dass unter dem Terminus ‚Reservationspunkt’ in diesen Studien nicht der gleiche Begriff gemeint ist wie der in dieser Arbeit verwendete, sondern der von den Verhandlungsakteuren abgefragte subjektive Reservationspunkt vor der Verhandlung. In den beiden erstgenannten Studie waren Zielpunkte, erwarteter Gewinn und Reservationspunkt mit dem tatsächlichen Verhandlungsgewinn signifikant korreliert (S.91). Zu einem differenzierteren Ergebnis kommen White, S.B. et al. (1994): Bei ihrer Untersuchung über die Wirkung von Reservationspunkten (die Autoren verwenden das Raifffa’sche Verständnis des Reservationspreises als Wiedergabe des Wertes der BATNA einer Verhandlungspartei), Zielpunkten und Marktpreisen als mögliche Referenzpunkte zur Vorhersage des Einigungspreises bei einer distributiven Preisverhandlung weisen sie einen signifikanten Effekt nur für die Reservationspreise der Verhandlungsparteien nach (S.437f.). In einer weiteren Studie wird diese Erkenntnis relativiert: Bei ausreichend großem Verhandlungsspielraum konnte in einer distributiven Preisverhandlung auch der Einfluss des Marktpreises auf den Einigungspreis nachgewiesen werden, wenn es sich bei dem zu veräußernden Gut um ein einfach erhältliches und leicht zu vergleichendes Gut (commodity) handelt (Vgl. Blount, S./Thomas-Hunt, M.C./Neale, M.A. (1996), S.5ff.). Vgl. Dwyer, F.R./Walker, O.C. (1981), S.109; Smith, D.L./Pruitt, D.G./Carnevale, P.J. (1982), S.881; Lawler, E.J./Yoon, J. (1993), S.473. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.268.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
101
positiven Effekt der Intensität des Wettbewerbs unter den möglichen Zulieferern (supplier competition) auf die Anwendung eines Problem lösenden Verhandlungsverhaltens.374 Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten theoretisch dargelegt, wurde auch empirisch nachgewiesen, dass ein Machtvorteil einer Partei zu mehr konkreten Drohungen dieser Partei, die Verhandlung platzen zu lassen, führt.375 Individualistische Verhandlungsakteure, die einen Machtvorteil besitzen, neigen außerdem dazu, die Argumentation der Gegenseite häufiger zurückzuweisen (putdowns).376 All diese Prozessvariablen, die nach den Überlegungen des vorhergehenden Abschnitts mediierende Variablen darstellen müssten, werden in den hier zitierten Studien nicht als solche in die Analyse einbezogen. Die einzige Ausnahme bildet die Untersuchung von GIEBELS/DE DREU/VAN DE VLIERT, in der nachgewiesen wird, dass das Problem lösende Verhalten den Einfluss der Machtasymmetrie auf die Verhandlungseffizienz mediiert.377 Eine weitere Studie bestätigte den mediierenden Charakter des Konstrukts der „negotiator influence“ bei der Betrachtung des Einflusses einer wahrgenommenen Machtasymmetrie auf den wahrgenommenen Verhandlungserfolg.
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376
377
Vgl. Perdue, B.C./Summers, J.O. (1991), S.186. Obwohl eine hohe Intensität des Wettbewerbs unter den Zulieferern keine gute BATNA und eine Machtasymmetrie zugunsten des Käufers darstellen muss, ist dies durchaus plausibel. Die Autoren der zitierten Studie argumentieren post hoc, dass der signifikant positive Pfadkoeffizient zwischen supplier competition und problem solving dadurch erklärt werden könnte, dass Zulieferer, die in starkem Wettbewerb stehen, besonders offen für kreative Lösungen sein könnten. Sie würden also selbst ein Problem lösendes Verhandlungsverhalten an den Tag legen, was sich wiederum positiv auf die Verwendung dieser Strategie durch den Kunden auswirken könnte (S.187). Einen positiven Einfluss von höherer wahrgenommener Macht eines Einkäufers auf dessen Anwendung Problem lösenden Verhaltens findet auch Ganesan, S. (1993), S.194. Vgl. Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981), S.227; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998); S.14 (wenn sie eine individualistische Motivation haben); Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.263. Hingegen finden die Autoren der beiden letztgenannten Studien allgemeine Drohungen häufiger bei der weniger mächtigen Partei, während die Häufigkeit der Verwendung von allgemeinen Überzeugsargumenten (persuasive behavior) in den beiden Studien unterschiedlich ausfällt. Auch Alexander, J.F./Schul, P.L./Babakus, E. (1991), S.137, spekulieren allgemein, dass die mächtigere Partei zu mehr distributivem Verhalten neigt. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998); S.14; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.265f. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.267.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
102
Aufgrund methodischer Schwächen ist die Aussagekraft dieser Studie jedoch in Zweifel zu ziehen.378 Höhe des Erstangebots von A
Machtasymmetrie zugunsten der Partei A
+* +* +* -*
Höhe des Verhandlungsziel/ erwarteten Gewinns von A Anzahl der Drohungen von A Konzessionsrate von A
+*
Individueller VerhandlungsGewinn von A
+*
-*/+*
Zufriedenheit von A
-*/+ +* Höhe der gegenseitigen Abhängigkeit
Problem lösendes Verhalten beider Parteien
+* -*
+*
Verhandlungseffizienz
Konzessionsrate beider Parteinen + positiver Einfluss; - negativer Einfluss; * identifizierte Einflüsse signifikant
Abbildung 15: Wirkungen von Machtasymmetrie und Höhe der gegenseitigen Abhängigkeit auf Verhandlungsprozess und -ergebnisse.
Weit weniger zahlreich als die Untersuchungen zur Wirkung von Machtasymmetrien sind die Resultate von Untersuchungen zur Wirkung der Höhe der gegenseitigen Abhängigkeit zwischen den Verhandlungsparteien. Da die gegenseitige Abhängigkeit eine dyadische Variable darstellt, sind uns nur Studien bekannt, die ihren Einfluss auf die Verhandlungseffizienz untersuchen. Eine geringe gegenseitige Abhängigkeit, also gute BATNAs beider Parteien
378
Vgl. Rinehart, L.M./Page, T.J.J. (1992), S.24ff. Dies stellt unter den betrachteten Studien die einzige dar, die ein Gesamtmodell der Wirkung von Verhandlungsmacht via Mediatoren auf den individuellen Verhandlungserfolg betrachtet. Problematisch ist an diesem Ergebnis jedoch, dass es der Darstellung einer früheren Publikation, die auf demselben Datensatz basiert, widerspricht. Vgl. Rinehart, L.M./Closs, D.J. (1991), S.138ff. Dort konnte kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Machtvorteil einer Partei und ihrem wahrgenommenen bzw. tatsächlichen Ergebnis nachgewiesen werden, weder direkt noch über eine mediierte Beziehung. In einem weiteren Aufsatz des Erstautors wird derselbe Datensatz zur Überprüfung eines weiteren alternativen Modells verwendet, allerdings wird darin nicht mehr von Macht, sondern von Abhängigkeit gesprochen, wobei die Operationalisierung des Konstruktes identisch ist. Dort findet sich wieder ein signifikanter Einfluss von Abhängigkeit über ein mediierendes Konstrukt (customer confidence) zum wahrgenommenen Verhandlungserfolg. Vgl. Rinehart, L.M./Zou, S. (1992), S.40ff.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
103
führt in diesen Untersuchungen zu einer höheren Verhandlungseffizienz. 379 Dies wird damit begründet, dass ein Effizienz fördernder Interessenausgleich stattfinden muss, damit Parteien mit hohen Reservationspunkten überhaupt zu einem Abschluss kommen können. Hingegen neigen Parteien mit schlechten Alternativen dazu, sich mit einem machbaren, aber ineffizienten Vertrag zufrieden zu geben, anstelle weitere Möglichkeiten der Effizienzsteigerung zu suchen.380 Selten sind auch die untersuchten Auswirkungen der Höhe gegenseitiger Abhängigkeit auf Prozessvariablen der Verhandlung. Die einzigen beiden empirisch bestätigten Zusammenhänge betreffen die positive Auswirkung hoher gegenseitiger Abhängigkeit auf die Konzessionsrate381 sowie auf die Anwendung von Problem lösendem Verhalten.382 Die Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse zur Wirkung von Verhandlungsmacht liefert Abbildung 15. Insbesondere wird daraus deutlich, dass dem mediierenden Charakter der Prozessvariablen in den bisherigen Untersuchungen kaum Rechnung getragen wurde.
379 380 381
382
Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.622ff.; Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.110. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.622ff.; Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.102f. Vgl. Lawler, E.J./Bacharach, S.B. (1987), S.456. Dieses Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur geringeren Effizienz bei Parteien mit ähnlich geringer BATNA: Da sie jeweils eine schlechte BATNA haben, ist ihr Verhandlungsspielraum groß, sie können also mehr Konzessionen machen als bei einer höheren BATNA und geringerem Verhandlungsspielraum. Vgl. Nauta, A./Sanders, K. (2000), S.148. Dieses Ergebnis deckt sich nicht mit der geringeren Verhandlungseffizienz bei Parteien mit geringer BATNA. Relativierend muss zu dieser Studie gesagt werden, dass als unabhängige Variable nicht die tatsächliche gegenseitige Abhängigkeit, ausgedrückt durch geringe BATNAs, sondern die wahrgenommene Höhe der Interdependenz untersucht wurde. Außerdem wurde das Konstrukt „Problem lösendes Verhalten“ anhand eines Fragebogens erhoben. Die Problematik dieser Form der Datenerhebung von Variablen des Verhandlungsprozesses wird ausführlicher in Abschnitt 1.1 diskutiert.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
104
3.2.4 Zwischenfazit und Hypothesen: Verhandlungsmachtasymmetrie und Interaktionen von Verhandlungsmacht und Art der Marktpartnerschaft In
einer
Verhandlung
konstituiert
sich
die
Macht-Abhängigkeitsrelation
beider
Verhandlungspartner aus ihren BATNAs. Da hier der weiter gefasste BATNA-Begriff nach RAIFFA verwendet wird, ist darunter die Gesamtheit der Alternativen im Falle eines Scheiterns der Verhandlung zu betrachten. In der Verhandlung einer ET wird die BATNA des Anbieters in erster Linie dargestellt durch alternative Vermarktungsmöglichkeiten seiner Leistung, sofern diese schon hergestellt ist, oder durch den Nichtanfall weiterer Kosten, sofern die Leistung erst erstellt werden müsste. Die BATNA des Nachfragers in einer ET bilden Angebote anderer Unternehmen, die er nutzen kann, um sein Problem zu lösen. In einer GB muss neben den transaktionsspezifischen Nutzenüberlegungen zur Bewertung der BATNAs auch der zukünftige Wert der GB bedacht werden, wenn die Parteien ihre BATNA bestimmen: Durch das Scheitern einer Verhandlung in einer GB und das Wahrnehmen der jeweiligen BATNAs durch die Geschäftspartner kann u. U. die GB Schaden nehmen, da das Scheitern der Verhandlungen auch das Scheitern des Transaktionsepisode bedeutet.383 Für rational Handelnde determiniert ihre BATNA den Reservationspunkt, also das ultimative Kriterium, ob ein letztes Angebot der Gegenpartei angenommen oder abgelehnt werden sollte. In einer Verhandlung zwischen Marktpartnern stellt eine gute gegenüber einer schlechteren BATNA der Partei A ein Mittel für A dar, die Partei B dazu zu bewegen, einem absolut betrachtet besseren Vertrag für A zuzustimmen, solange es eine positive Einigungszone gibt und beide Parteien rational handeln. In diesem Falle bestünde eine Machtdifferenz zugunsten von A. Da bezüglich der Entscheidung des Annehmens bzw. Ablehnens eines letzten Angebotes davon ausgegangen wird, dass Marktpartner auf Industriegütermärkten weitgehend rational handeln, gelangen wir zu folgender Hypothese: H2: Eine Partei A mit einer attraktiven BATNA erreicht in der Verhandlung mit Partei B einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn als eine Partei A mit einer weniger attraktiven BATNA.
383
Dies ist allerdings keine Notwendigkeit: In manchen GBen sieht der Nachfrager explizit mehrere parallele Anbieter vor, mit denen er in einer GB steht. Diese Beschaffungsstrategie wird als dual sourcing bzw. multiple sourcing bezeichnet. Vgl. Günter, B./Kuhl, M. (2000), S.401ff.; Blindow, F./Böhmcker, A./Felix, R. (1997), S.113.
Macht in Vermarktungsverhandlungen
105
Neben der erwarteten positiven Wirkung einer guten (gegenüber einer schlechten) BATNA von A auf deren individuellen Verhandlungsgewinn bei konstanter BATNA von B verkleinert sich bei einer guten BATNA von A die Einigungszone. Die Parteien müssen in diesem Fall c.p. integrativer verhandeln, um eine positive Einigungszone zu erreichen. Verhandeln sie durchschnittlich gleich integrativ wie im Falle der geringeren BATNA von A, so ist zu erwarten, dass es zu einer geringeren Einigungswahrscheinlichkeit kommt, da die Wahrscheinlichkeit zunimmt, keine positive Einigungszone zu finden und es somit für mindestens eine der Partei nicht sinnvoll wäre, zu einem Abschluss zu kommen. Zusammengenommen mit der Argumentation von MCALISTER/BAZERMAN/FADER, die eine geringere Verhandlungseffizienz bei einer Machtasymmetrie erklären,384 formulieren wir die folgende Hypothese: H3: Eine Dyade, in der eine Machtasymmetrie zugunsten einer Partei A besteht, erreicht weniger effiziente Abkommen als eine Dyade ohne Machtasymmetrie. Betrachtet man den Einfluss der Art der Marktpartnerschaft und der Macht-Abhängigkeitsrelation gemeinsam, so ist festzustellen, dass sowohl der strukturelle Kontextfaktor „Verhandlungsmacht“ als auch der Parteien-als-Kontext-Faktor „Art der Marktpartnerschaft“ einen Haupteffekt auf die Verhandlungseffizienz erwarten lassen. Hingegen legt die bisherige Diskussion neben den beiden erwarteten Haupteffekten keinen Interaktionseffekt der beiden Kontextfaktoren nahe.385
384 385
Vgl. Abschnitt 3.2.3. Bei Vorhandensein von Haupteffekten der Verhandlungsmacht(a)symmetrie und der Art der Marktpartnerschaft bezüglich der Verhandlungseffizienz wäre ein Interaktionseffekt dann gegeben, wenn es abhängig von der Art der Marktpartnerschaft zu signifikanten Unterschieden der Unterschiede der Verhandlungseffizienz bei Machtsymmetrie bzw. Machtasymmetrie käme. Man spricht in diesem Fall von ordinaler Interaktion. Vgl. Bortz, J./Döring, N. (2003), S.534. Zu Interaktionseffekten allgemein vgl. Baron, R.M./Kenney, D.A. (1986), S.1174ff.; Venkatraman, N. (1989), S.424ff.; Huber, F./ Heitmann, M./Herrmann, A. (2006), S.696ff.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
106
3.3
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
In den beiden vorangehenden Abschnitten 3.1 und 1.1 wurden die Kontextvariablen „Art der Marktpartnerschaft“ und „Verhandlungsmacht“ hinsichtlich ihrer Einflüsse auf eine Verhandlung untersucht und Hypothesen zu ihrer Wirkung auf die ökonomischen Verhandlungsergebnisse abgeleitet. Es handelte sich dabei um die Diskussion, welche Wirkungen diese Kontextfaktoren auf die Verhandlungsergebnisse erwarten lassen. Nun stellt eine Verhandlung allerdings keine deterministische Interaktion zwischen zwei Partnern dar, die ausschließlich durch die jeweiligen Rahmenparameter bestimmt ist. Vielmehr muss angenommen werden, dass die Kontextfaktoren nur die Ausgangsbasis für die eigentliche Verhandlung bilden. Die Verhandlungsinteraktion kann sich allerdings in eine ganz andere Richtung entwickeln, als durch die Ausprägung der Kontextfaktoren erwartetet worden wäre. Somit müssen die dynamischen Variablen der Verhandlung ein Kernbestandteil eines verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells sein, das zur besseren Erklärung von Vermarktungsverhandlungen auf Industriegütermärkten beitragen soll. Die dynamischen Variablen der Verhandlung sollen somit eine Erklärung dafür liefern, wie die Kontextfaktoren die Verhandlungsergebnisse beeinflussen, und außerdem aufzeigen, welche Wirkungen aus der Verhandlung selbst auf die Ergebnisse bestehen, auch unabhängig vom jeweiligen Kontext. Trotz der Einsicht, dass erklärende Verhandlungsmodelle ohne die dynamischen Variablen der eigentlichen Verhandlung einen wichtigen Erklärungsbestandteil unterschlagen, verzichten die meisten Arbeiten der verhaltenswissenschaftlichen Forschung auf deren Betrachtung. Vielmehr stellen sich die meisten Untersuchungen zum Einfluss von Kontextfaktoren auf Ergebnisgrößen von Verhandlungen als Black-Box-Modelle dar.386 Sie betrachten, dass bestimmte Ergebnisse zustande kommen, jedoch nicht, wie dies durch den Verhandlungsprozess geschieht. Die Rolle kognitiver Prozesse sowie insbesondere der Verhandlungsinteraktion und damit in der Hauptsache der Kommunikation in Verhandlungen wird dabei ausgeblendet.387
386 387
Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.160f. Vgl. Alexander, J.F./Schul, P.L./Babakus, E. (1991), S.129.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
107
Die Kritik, „[that they] treat communication as a mysterious ‘black box’ (…)”,388 ist also völlig berechtigt. Aus forschungsökonomischer Perspektive ist die überwiegende Verwendung von Black-BoxModellen verständlich: Insbesondere die Datenerhebung von dynamischen Variablen der Verhandlungsinteraktion und der Kognition der Verhandelnden stellt sich als sehr aufwändig heraus. Nachträgliche Abfragen des globalen, wahrgenommenen Verhandlungsverhaltens haben sich als wenig valide Messinstrumente der tatsächlichen Verhandlungsinteraktion erwiesen, da die Befragten i.d.R. einem großen self-report bias unterliegen.389 Die Aufzeichnung von Verhandlungen durch Videokamera, Tonband oder Internetprotokolle, ihre Transkribierung und Kodierung umgehen dieses Problem, bedeuten für den Forscher jedoch einen immensen Datengewinnungsaufwand. Aus diesem Grund ist die Anzahl der Studien überschaubar, in denen ein solches Vorgehen gewählt wurde. Die uns bekannten und in dieser Arbeit berücksichtigten Untersuchungen finden sich überblicksartig in Anhang 2. Dabei ist festzustellen, dass die meisten Studien bei der Analyse der Verhandlungsinteraktion nur die Verhandlungseffizienz als abhängige Variable betrachten. In prinzipiell integrativen Verhandlungen auf Industriegütermärkten sind jedoch die Zufriedenheit der Verhandlungspartner und ihre individuellen Gewinne von ebenso großer Bedeutung. Deren Erklärung durch die dynamischen Variablen der Verhandlung steht
388
389
Putnam, L.L./Roloff, M.E. (1992), S.8. Vgl. auch Rinehart, L.M./Page, T.J.J. (1992), S.28; Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.57; Graham, J.L. (1986), S.561; und Graham, J.L. (1985), S.143. Vgl. Graham, J.L. (1985), der bezüglich dieser Problematik feststellt (S.143): “Perhaps the most important limitation is that the reliability and validity of the process measures depend entirely upon the participants’ memory and impression of events.” Vgl. auch Poole, M.S./Folger, J.P./Hewes, D.E. (1987), S.226: “Too often [researchers] have measured subjects’ impressions of cooperativeness or dominance, carefully defining the limitations of their measures in their Procedures section, but then have ventured claims such as ‘these results suggest subjects behaved more competitively’ in their Discussion section. Such claims are unwarranted, because they have no measures of behavior, only measures of global impressions.” Vgl. auch die ausführliche Diskussion bei Neu, J./Graham, J.L. (1994), S.139ff., die Fragebogendaten und Daten einer Inhaltsanalyse miteinander verglichen und große Unterschiede feststellten.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
108
hingegen noch weitestgehend aus.390 Somit soll die vorliegende Untersuchung nicht nur die Wirkungsweise der Kontextfaktoren „Art der Partnerschaft“ und „Verhandlungsmacht“ mittels der dynamischen Variablen der Verhandlung auf die Verhandlungsergebnisse analysieren, sondern gleichzeitig einen Erklärungsbeitrag dazu leisten, wie der individuelle Gewinn einer Partei und ihre Zufriedenheit durch die dynamischen Variablen der Verhandlung zustande kommen. 3.3.1
Kognitive und Interaktionsprozesse als dynamische Faktoren der Vermarktungsverhandlung
Verhandlungen zwischen zwei Marktpartnern dienen in erster Linie dem Ziel, eine Transaktion zwischen beiden herbeizuführen, also die Bedingungen eines Austausches festzulegen, denen beide Geschäftspartner zustimmen können. In der Festlegung der Bedingungen sind die Verhandlungspartner frei, anders etwa als bei einer Transaktion, deren Abschluss durch ein erfolgreiches Gebot bei einer Auktion besiegelt wurde. Durch die Verhandlungsinteraktion versuchen die Marktpartner daher, ihr jeweiliges Gegenüber so zu beeinflussen, dass dieses Bedingungen zustimmt, die für sie selbst besonders günstig sind. Die Verhandlungsinteraktion stellt somit permanente, gegenseitige Beeinflussungsversuche dar. Dieser Tatsache muss ein erklärendes Modell von Vermarktungsverhandlungen Rechnung tragen. Aufgrund der Schwierigkeit, klar abgrenzbare, allgemeine Strategien der sozialen Beeinflussung zu identifizieren,391 ist es sinnvoll, die Einflusstaktiken, die sich in den Kommunikationsbestandteilen der Verhandlungsinteraktion manifestieren, zur Erklärung von Verhandlungsergebnissen zu verwenden. Im Folgenden werden daher in Abschnitt 3.3.3 verschiedene, distinkte Einflusstaktiken näher betrachtet und anhand ihrer Wirkung in den beiden Konstrukten „integratives Verhandlungsverhalten“ und „distributives Verhandlungsverhalten“ zusammengefasst.
390
391
Den individuellen Verhandlungsgewinn einer Partei als Ergebnis von Variablen der Verhandlungsinteraktion untersuchten nur Neu, J./Graham, J.L. (1994). Zufriedenheit als Maß des Verhandlungserfolges, dessen Ausprägung von der Verhandlungsinteraktion abhängt, wurde betrachtet von Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988); Alexander, J.F./Schul, P.L./McCorkle, D.E. (1994) und Neu, J./Graham, J.L. (1994). Die Betrachtung des Einflusses der Verhandlungsinteraktion auf den individuellen Verhandlungserfolg des Verkäufers, die Zufriedenheit des Käufers und die Verhandlungseffizienz als formative Indikatoren des Konstruktes „Negotiation Outcomes“ bei Roemer, C. et al. (1999) lässt hingegen keine sinnvolle Interpretation zu. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1991), S.161, sowie Abschnitt 2.4.2.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
109
Da es sich bei Kommunikation nicht um die fehlerfreie Datenübertragung von einem Informationsträger zu einem anderen handelt, sondern um einen Prozess, bei dem ein Sender zu übertragende Informationen anhand einer Kommunikationsbotschaft übermittelt, die der Empfänger entschlüsseln muss,392 spielen die kognitiven Prozesse der Interaktionspartner eine entscheidende Rolle für den Ablauf von Kommunikation und somit für die Verhandlung. Als besonders relevant für die Erklärung verschiedener Verhandlungsergebnisse haben sich kognitive Verzerrungen herausgestellt, die die Wahrnehmung und Informationsverarbeitung bestimmter Größen durch die Verhandelnden beeinflussen. Sie dienen als Erklärung für die Ergebnisse bestimmter Interaktionen und werden, soweit sie in der Konkretisierung des Verhandlungsmodells von NEALE/NORTHCRAFT als relevant erachtet werden, im folgenden Abschnitt 3.3.2 erörtert. Im Einzelnen sind sie wichtig für die Erklärung der Wirkung von Verhandlungszielen und Erstangeboten sowie für die Bildung von Zufriedenheit.
Kognitionen der Verhandelnden • Verhandlungsziele • Erstangebote • Zufriedenheitsbildung
Verhandlungsinteraktion Integratives Verhalten • Informationsaustausch über Prioritäten • Paketofferten • Prozessmanagement
Distributives Verhalten • Informationsaustausch über Positionen • Einzelofferten und Forderung von Angeboten • Kompetitives Verhalten
Kontext (statisch)
Verhandelnde (dynamisch)
Abbildung 16: Dynamische Variablen in der Konkretisierung des Modells von NEALE/NORTHCRAFT.393
392
393
Vgl. Schulz von Thun, F. (1981), S.30; Unterschütz, A. (2004), S.80f.; Putnam, L.L./Roloff, M.E. (1992), S.9. Eigene Abbildung.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
110
Die Einordnung der dynamischen Variablen der Verhandlung in das Modell von NEALE/ NORTHCRAFT zeigt Abbildung 16. 3.3.2
Erklärungsrelevante kognitive Größen und Prozesse in Verhandlungen und bisherige Erkenntnisse
Wie aus der Einordnung der Kognitionen der Verhandelnden im Modell von NEALE/ NORTHCRAFT deutlich wird, handelt es sich beim Bezugsobjekt der erklärungsrelevanten kognitiven Größen und Prozesse um die einzelne Verhandlungspartei. Zur Erklärung der Wirkung von Verhandlungsmacht auf den individuellen Gewinn einer Partei erscheinen insbesondere Verhandlungsziel und Erstangebot und die damit verbundenen kognitiven Prozesse wichtig. Beide Größen sind einerseits von der Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen den Verhandlungsparteien abhängig, die durch die respektiven BATNAs determiniert ist. Andererseits sind sie mitverantwortlich für das Zustandekommen bestimmter Ausprägungen des individuellen Verhandlungsgewinns der jeweiligen Partei. Erklärt wird ihre Wirkung anhand von Prozessen der Informationsaufnahme und -verarbeitung, die zu kognitiven Verzerrungen führen können und daher das Verhalten der Verhandlungsparteien beeinflussen. Die Verhandlungszufriedenheit stellt ebenfalls eine parteienspezifische Ergebnisgröße dar, deren Entstehen eng mit einem bestimmten kognitiven Prozess verbunden ist, der so genannten expectancy disconfirmation. 3.3.2.1 Verhandlungsziele Unter einem Verhandlungsziel wird der Nutzen oder Wert eines Abschlusses verstanden, den eine Verhandlungspartei erreichen will. In den meisten Untersuchungen wird das Verhandlungsziel als eine spezifische Zahl dargestellt, nur in wenigen Studien werden auch unspezifische Ziele untersucht (do your best goals). Diese werden hier nicht weiter betrachtet.394 Wie der Reservationspunkt, der sich für jede Partei aus ihrer respektiven BATNA ableiten lässt, stellt das Verhandlungsziel einen kognitiven Referenzpunkt für die Verhandlungspartei
394
In den meisten Verhandlungen verhandeln die Parteien, weil sie sich gegenüber einem alleinigen Vorgehen besser stellen möchten. Diese Motivation, überhaupt zu verhandeln, stellt bereits ein unspezifisches Ziel dar. Zu untersuchen, warum Marktpartner miteinander verhandeln, ist jedoch nicht Gegenstand dieser Arbeit. Somit würde die Betrachtung von unspezifischen Zielen hier keinen zusätzlichen Erkenntnisfortschritt bedeuten.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
111
dar,395 an dem sie ihre Entscheidung festmachen kann, ein vorliegendes Angebot anzunehmen oder abzulehnen. Ob es sich beim Verhandlungsziel um einen Wert handelt, der ein gutes, aber gleichzeitig wahrscheinliches Verhandlungsergebnis darstellt, oder um einen Wert, der das positivste, aber gerade noch realistische Verhandlungsergebnis ausdrückt, ist Gegenstand der Diskussion.396 Von Vertretern der letzteren Sichtweise wird die Distanz zwischen dem Reservationspunkt einer Partei und ihrem Verhandlungsziel in Anlehnung an das Verhandlungszonenmodell auch als Zielzone (aspiration zone) bezeichnet.397 Für die Wirkung von Verhandlungszielen und ihrer Erklärung spielt diese definitorische Feinheit jedoch keine Rolle. Andere Autoren weisen darauf hin, dass Verhandlungsziele extern vorgegeben werden können, etwa wenn ein Unternehmen seine Einkäufer dazu anhält, in einer Verhandlung bestimmte Einsparungen ggü. dem Vorjahreseinkauf durchzusetzen, oder das Resultat eines internen Zielsetzungsprozesses der Verhandelnden darstellen.398 Eine solche interne Zielsetzung findet bspw. in Abhängigkeit der allgemeinen Ziele einer Organisation oder der Job spezifischen Anreizsetzung399 des Verkaufs- bzw. Einkaufspersonals statt. Die interne Zielsetzung wird laut Untersuchungen zur Wirkung von Verhandlungsmacht auch von der Höher der BATNA positiv beeinflusst.400 Zur Erklärung von Verhandlungsergebnissen tragen Verhandlungsziele als kognitive Referenzpunkte bei. In den Untersuchungen zur Wirkung von Verhandlungszielen auf den individuellen Verhandlungsgewinn einer Partei konnte gezeigt werden, dass höhere Verhand-
395 396
397 398
399
400
Vgl. White, S.B. et al. (1994), 431ff. Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.258f. Der ersten Sichtweise folgen Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), Kimmel, M.J. et al. (1980) und Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), während White, S.B./Neale, M.A. (1994), White, S.B. et al. (1994) und Thompson, L. (1995) unter Verhandlungszielen das beste, gerade noch als realistisch erachtete Verhandlungsergebnis verstehen. Vgl. White, S.B./Neale, M.A. (1994), S.305f.; Thompson, L. (1995), S.514. Vgl. Neale, M.A./Bazerman, M.H. (1985), S.21. Laut den Autoren unterscheiden sich extern vorgegebene und intern formulierte Ziele in ihrer Wirkung hingegen nicht. Unter der Job spezifische Anreizsetzung soll hier verstanden werden, dass Ziele über einen gewissen Zeitraum hinweg erreicht werden sollen, nicht in einer spezifischen Transaktion. Vgl. Pinkley, R./Neale, M.A./Bennett, R.J. (1994), S.107; Arunachalam, Y. et al. (1998), S.90.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
112
lungsziele zu höheren individuellen Verhandlungsgewinnen führen.401 Dieser Effekt kann damit erklärt werden, dass Parteien mit einem höheren Verhandlungsziel höhere Erstangebote machen und weniger schnell zu Konzessionen bereit sind.402 Weitere Begründungen für diesen Effekt liefern der overconfidence bias und framing, die beide eine Art von kognitiven Verzerrungen darstellen. Weist ein Verhandelnder hinsichtlich seines Verhandlungsziels einen overconfidence bias auf, d.h. dass sein Verhandlungsziel höher ist, als es objektiv sein könnte, so hält er im Verlauf der Verhandlung länger daran fest, da er selbst es für realistisch hält, und macht wenige oder keine Konzessionen.403 Dadurch versucht er, möglichst nahe an seinem Verhandlungsziel zu bleiben.404 Eine Erklärung anhand von framing liefert die Betrachtung des Verhandlungsziels als Referenzpunkt für einen gain frame bei geringem Ziel (jeder zusätzliche Nutzen oberhalb des Verhandlungsziels wird als Gewinn wahrgenommen) und einem loss frame bei hohem Verhandlungsziel (jeder geringere Nutzen unterhalb des Verhandlungsziels wird als Verlust wahrgenommen). Nach der prospect theory werden Verluste stärker wahrgenommen als Gewinne, woraus eine höhere Risikobereitschaft resultiert, den Verlust abzuwenden, als den Gewinn zu vergrößern. In Verhandlungen lässt diese Risikobereitschaft einen höheren individuellen Gewinn erwarten.405 Höhere Verhandlungsziele werden von einigen Autoren auch als Erklärung einer höheren Verhandlungseffizienz herangezogen. Die genaue Betrachtung der zitierten Studien ergibt jedoch kein klares Bild: In manchen Untersuchungen sind die Ergebnisse nicht signifikant, in anderen nur bei Interaktionen mit anderen Variablen, und in weiteren Studien gilt der positive 401
402
403 404 405
Vgl. Neale, M.A./Bazerman, M.H. (1985), S.27; Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1986), S.315; Huber, V.L./Neale, M.A. (1987), S.201; Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.265; White, S.B./Neale, M.A. (1994), S.311; White, S.B. et al. (1994), S.438. Zur positiven Wirkung von Verhandlungszielen auf die Höhe der Erstangebote vgl. Kimmel, M.J. et al. (1980), S.14; Weingart, L.R. et al. (1990), S.10; White, S.B./Neale, M.A. (1994), S.306; Galinsky, A.D./Mussweiler, T./Medvec, V.H. (2002), S.1135. Die positive Wirkung von Erstangeboten wird in Abschnitt 3.3.2.2 diskutiert. Vgl. Neale, M.A./Bazerman, M.H. (1985), S.45. Vgl. White, S.B. et al. (1994), S.434. Vgl. Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1986), S.307. Zur prospect theory vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1981); Tversky, A./Kahneman, D. (1986). Vgl. allgemein zu kognitiven Verzerrungen mit Relevanz für die Erklärung von Verhandlungen Abschnitt 2.4.2.2.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
113
Zusammenhang zwischen Höhe des Verhandlungsziels und Verhandlungseffizienz nur bis zu einer mittleren Zielhöhe (moderate goals).406 Im Gegensatz zu den ökonomischen Verhandlungsergebnissen ist die Wirkung von Verhandlungszielen auf die Verhandlungszufriedenheit negativ. Dieser Zusammenhang konnte mehrfach empirisch nachgewiesen werden.407 Begründet werden diese Ergebnisse damit, dass Verhandlungsziele als Maßstab dienen, der zur Zufriedenheitsbildung mit dem individuellen ökonomischen Verhandlungsgewinn abgeglichen wird. Bei einem positiven Abgleich, der bei geringeren Zielen wahrscheinlicher ist, stellt sich Zufriedenheit ein, bei einem negativen Abgleich Unzufriedenheit.408 3.3.2.2 Erstangebote Unter einem Angebot (offer, proposal) wird in der Verhandlungsforschung jegliche Kommunikation verstanden, die einen konkreten Vorschlag zur Lösung eines oder mehrerer verhandelter Themenkomplexe darstellt. Somit umfasst der hier gebrauchte Begriff des Angebotes im Verhandlungskontext auch Aussagen, die umgangssprachlich als Forderung bezeichnet würden.409 Angeboten kommt in Verhandlungen eine besondere Bedeutung zu, weil nur sie konkrete Vorschläge eines möglichen Vertragsabschlusses darstellen.
406
407
408 409
PRUITT/LEWIS, auf die sich die nachfolgenden Autoren mit ihrer Argumentation beziehen, weisen eine höhere Verhandlungseffizienz nur nach, wenn es sich bei den Verhandlungsparteien um solche mit einer Problemlösungsorientierung handelt. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.625. KIMMEL et al. können keinen signifikanten Effekt der Verhandlungsziele auf die Effizienz nachweisen, vgl. Kimmel, M.J. et al. (1980), S.15. Einen positiven Effekt des Vorhandenseins von Verhandlungszielen auf die Effizienz zeigen Neale, M.A./Northcraft, G.B. (1986), S.315; während ein positiver Einfluss der Höhe der Verhandlungsziele gezeigt wurde bei Neale, M.A./Bazerman, M.H. (1985), S.27, und Huber, V.L./ Neale, M.A. (1986), S.354. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass dieser Zusammenhang nur bis zu einer bestimmten Höhe der Verhandlungsziele gilt und die Effizienz bei höheren Zielen wieder abnimmt, vgl. Huber, V.L./Neale, M.A. (1987), S.201. Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.267; Thompson, L. (1995), S.517ff. ; Galinsky, A.D./Mussweiler, T./Medvec, V.H. (2002), S.1134ff. Vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 3.3.2.3. Beispiele hierfür wären folgende umgangssprachlich als Forderung bezeichnete Aussagen: Verkaufsverhandlung: „Geben Sie uns den Preis von 900 EURO pro Stück, dann kaufen wir bei den soeben ausgehandelten Konditionen bei Ihnen.“ Tarifverhandlung: „Wir fordern 5 % mehr Lohn- und Gehalt, die Beibehaltung der Arbeitszeit von 37,5 Stunden pro Woche und 3 Fortbildungstage pro Mitarbeiter im Jahr.“ Vgl. hierzu auch die zeitliche Abgrenzung der Verhandlung im Vermarktungsprozess von Industriegütern, Abschnitt 2.1.2.
114
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Das Erstangebot in einer Verhandlung stellt den ersten konkreten Lösungsvorschlag einer Partei für das mit der Verhandlung zu lösende Problem dar. Was genau unter dem Erstangebot in einer Vermarktungsverhandlung zu verstehen ist, bedarf trotz der Einfachheit des Konzepts einer kurzen Diskussion, da mit dem Erstangebot zwei unterschiedliche Wirkungen verbunden sind: Einerseits beeinflusst die Tatsache, welche Partei das allererste Angebot vorgelegt hat, die Verhandlungsinteraktion, andererseits spielen die Höhe des ersten Angebots und des ersten Gegengebots eine Rolle für das Verhandlungsergebnis. In rein distributiven Verhandlungen stellt die Identifizierung des Erstangebotes und des ersten Gegenangebotes keine große Schwierigkeit dar. In Mehrthemenverhandlungen kommt es hingegen häufig vor, dass anfangs nicht alle Verhandlungsgegenstände auf einmal verhandelt werden. Somit ist zu fragen, was unter dem Erstangebot verstanden werden soll. Gemäß den beiden Bedeutungen des Erstangebots wurde in dieser Arbeit ein zweistufiges Vorgehen gewählt. Die Frage, wer das erste Angebot vorlegt, beantworten wir mit der Betrachtung des ersten Einzelangebots. Wer das erste Angebot zu mindestens einem Verhandlungsgegenstand macht, legt das allererste Angebot vor. Um die Höhe bzw. den Wert des Erstangebots und des ersten Gegenangebots zu bestimmen, werden hier so lange Teilangebote jeder Partei zusammengefasst, bis zum ersten Mal ein vollständiges Angebot für alle Verhandlungsgegenstände jeder Partei vorliegt.410 Die Wirkung von Erstangeboten ist in der Verhandlungsforschung gut dokumentiert.411 Ein hohes, aber nicht übertrieben hohes412 Erstangebot führt bei Verhandlungen zu einem hohen individuellen Verhandlungsgewinn derjenigen Partei, die das erste Angebot vorlegt,413 wenn
410
411 412
413
Dieses realitätsnähere Vorgehen unterscheidet sich von der simplistischeren Vorgehensweise bei WEINGART et al., die als Erstangebote nur vollständige Angebote zu allen (drei) Verhandlungsgegenständen zählen und damit ihren Datensatz um Verhandlungsdyaden bereinigen müssen, die keine Paketofferten (vgl. Abschnitt 3.3.3.2.2) verwenden. Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.18. Vgl. bspw. Galinsky, A.D./Mussweiler, T. (2001); Weingart, L.R. et al. (1990), S.9f. Ein übertrieben hohes Erstangebot kann zu einem Gesichtsverlust der anbietenden bzw. fordernden Partei führen und die andere Partei dazu veranlassen, die Verhandlung zu verlassen. Vgl. Galinsky, A.D. (2004), S.4. Außerdem wiesen Weingart, L.R. et al. (1990), S.18ff., auch empirisch nach, dass es ein optimales Niveau der Angebotshöhe gibt. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.47ff; Weingart, L.R. et al. (1990), S.26; Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.127.; Galinsky, A.D./Mussweiler, T. (2001) S.661; Galinsky, A.D./Mussweiler, T./Medvec, V.H. (2002), S.1135.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
115
keine der Parteien über einen großen Informationsvorsprung über die Verhandlungsgegenstände und ihre (objektive) Wertigkeit besitzt.414 Die meistgebräuchliche Erklärung für diese Wirkung liegt in der Urteilsheuristik des psychologischen Ankerns und der unzureichenden Anpassung (anchoring and adjustment). Sie stellt eine der kognitiven Verzerrungen dar, die die menschliche Urteils- und Entscheidungsfähigkeit negativ beeinflussen und in Abschnitt 2.4.2.2 bereits vorgestellt wurden.415 Unter einem kognitiven Anker wird eine Information verstanden, auf die Menschen ihre zukünftigen Urteile (bewusst oder unbewusst) stützen.416 In Verhandlungen bildet die Einschätzung einer realistischen Einigungszone ein solches Urteil, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch ihrer Lage. Die gedankliche Anpassung des Urteils von diesem Anker weg ist dabei meist unzureichend,417 woraus die kognitive Verzerrung entsteht. Wie ein hohes gegenüber einem weniger hohen Erstangebot in Verhandlungen wirkt, zeigt Abbildung 17.418 Es sei davon ausgegangen, dass beide Parteien keine genaue Kenntnis über die Lage der Einigungszone besitzen, die von den Reservationspunkten beider Parteien bestimmt wird. Macht die Partei A im Fall 1 ein geringes Erstangebot (1), so könnte B ein entsprechendes Gegenangebot (2) unterbreiten.419 Da das Erstangebot und das erste Gegenangebot empirisch als gute Prädikatoren des späteren Verhandlungsabschlusses bestätigt wurden,420 einigen sich beide im Fall 1 genau in der Mitte zwischen den beiden ersten Angeboten und teilen sich die Verhandlungsmasse gleichmäßig (3). Im Fall 2 macht A ein hohes Erstangebot (1) und setzt damit bei B einen kognitiven Anker. Da B die Lage der Einigungszone nicht kennt, passt er gegenüber Fall 1 sein Gegenangebot entsprechend an
414 415 416 417
418
419
420
Vgl. Galinsky, A.D. (2004), S.4. Vgl. Bazerman, M.H. (2002), S.27ff. Vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1974), S.1128. Vgl. Tversky, A./Kahneman, D. (1974), S.1128. Diese kognitive Verzerrung konnte wiederholt auch für Expertenurteile nachgewiesen werden. Vgl. dazu Northcraft, G.B./Neale, M.A. (1987), S.95f.; Mussweiler, T./Strack, F./Pfeiffer, T. (2000), S.1146. Aus Anschaulichkeitsgründen wurde hierfür der einfachere Fall der distributiven Verhandlung gewählt. Der Effekt höherer Erstangebote auf den individuellen Verhandlungsgewinn wurde bei ausschließlicher Betrachtung von Paketofferten als Erstangeboten auch für integrative Verhandlungen nachgewiesen. Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.18. Dieser Fall ist aus Anschauungszwecken symmetrisch konzipiert. Das Erstangebot von A liegt genauso weit entfernt vom Reservationspunkt von B wie B’s erstes Gegenangebot vom Reservationspunkt von A. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.47.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
116
(2).421 Treffen sich beide wieder in der Mitte zwischen den beiden ersten Angeboten (3), so hat A auf B’s Kosten seinen Verhandlungsgewinn deutlich erhöht. Fall 1: Geringes Erstangebot von Partei A, entsprechendes Gegengebot von Partei B
(2) Erstes Gegenangebot B
(3) Einigung zwischen den ersten Angeboten
(1) Geringes Erstangebot A
Fall 1
Reservationspunkt A
Verhandlungsgewinn A
Verhandlungsgewinn B
Fall 2 (2) Erstes Gegenangebot B
(3) Einigung zwischen den ersten Angeboten
Reservationspunkt B
(1) Hohes Erstangebot A
Fall 2: Hohes Erstangebot von Partei A, entsprechend angepasstes Gegengebot von Partei B
Abbildung 17: Die Wirkung eines hohen Erstangebots auf den individuellen Verhandlungsgewinn.422
Aus der Illustration wird deutlich, dass zwei Faktoren die Wirkung von Erstangeboten auf den individuellen Verhandlungsgewinn beeinflussen: erstens, welche Partei das Erstangebot vorlegt, und zweitens, welche Höhe das Erstangebot und das erste Gegenangebot besitzen. Beeinflusst wird die Höhe des Erstangebotes und des ersten Gegengebotes durch die Verhandlungsziele der Parteien.423 Auch konnte ein positiver Zusammenhang zwischen dem Wert der BATNA und der Höhe des Erstangebotes nachgewiesen werden.424 Da ein solcher Zusammenhang in derselben Untersuchung auch zwischen dem Wert der BATNA und der Höhe der Verhandlungsziele gefunden wurde, ist es im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf
421
422 423 424
Die Distanz zwischen Erstangebot und erstem Gegenangebot wird aus Anschauungsgründen in beiden Fällen konstant gehalten. Eigene Darstellung. Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.10. Vgl. Mannix, E.A./Neale, M.A. (1993), S.125ff.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
117
einer Verhandlung plausibler anzunehmen, dass der Wert der BATNA einen positiven Einfluss auf das Verhandlungsziel besitzt, das wiederum die Höhe des Erstangebots beeinflusst.425 3.3.2.3 Zufriedenheitsbildung in Verhandlungen Neben ihrer Bedeutung für das Zustandekommen der ökonomischen Verhandlungsergebnisse spielen kognitive Prozesse der Verhandelnden auch eine entscheidende Rolle für die subjektive Bewertung einer Verhandlung. Das Konstrukt der Zufriedenheit in Verhandlungen ist dafür aus verschiedenen Gründen besonders wichtig. Ein Grund ist darin zu sehen, dass Zufriedenheit eine Wirkung auf die Implementierung des verhandelten Abkommens426 sowie auf zukünftige Verhandlungen427 ausübt. Dies gilt insbesondere, wenn die Verhandlungspartner in einer GB zueinander stehen. Die positive Wirkung von Zufriedenheit auf die Langzeitorientierung einer GB wurde wiederholt nachgewiesen.428 Die Zufriedenheit in Verhandlungen beschreibt die positive affektive komparative Evaluierung429 des Bezugsobjektes „Verhandlung“ durch den Verhandelnden. Die Entstehung von Verhandlungszufriedenheit kann wie auch in der Organisationentheorie und im Marketing mit dem Expectancy-Disconfirmation-Paradigma (E-D-Paradigma) erklärt werden.430 Für das Zustandekommen von Zufriedenheit sind demnach zwei Prozesse notwendig: die Bildung von Erwartungen (expectancy) bezüglich des relevanten Objektes, die als Bewertungsmaßstab fungieren, und die positive oder negative Abweichung von der Erwartung (disconfirmation) im Rahmen eines Soll/Ist-Vergleiches.
425 426 427 428 429 430
Vgl. Oesch, J.G., Adam (2003), S.9. Vgl. Thompson, L. (1995), S.514; Gillespie, J.J./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2000), S.791. Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.253f.; Thompson, L. (1995), S.514 Vgl. Ganesan, S. (1994), S.9; Mohr, J./Spekman, R. (1994), S.144ff.; Jung, S. (1999), S.201. Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.253; Ganesan, S. (1994), S.4. Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.255; Gawantka, A. (2006), S.39ff.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
118
Verhandlungsziele
-
-
Abweichung (disconfirmation) +
+
Verhandlungszufriedenheit
+
Verhandlungsgewinn Bildung der Verhandlungszufriedenheit bei den meisten Autoren
Bildung der Verhandlungszufriedenheit bei Oliver/Balakrishnan/Barry (1994)
Abbildung 18: Zufriedenheitsbildung in Verhandlungen nach dem E-D-Paradigma.431
Als Bewertungsmaßstab für die Zufriedenheitsbildung bezüglich des Verhandlungserfolgs kommen prinzipiell zwei wichtige intrapersonelle Größen in Frage: der Reservationspunkt (minimum goal) und das Verhandlungsziel (aspirations).432 Der Einfluss auf die Zufriedenheitsbildung konnte für beide Größen nachgewiesen werden, jedoch war er für das Verhandlungsziel größer als für den Reservationspunkt.433 Prinzipiell kommen in Verhandlungen als dyadischer Interaktion auch interpersonelle Größen als Maßstab zur Zufriedenheitsbildung in Betracht, diese sollen hier allerdings nicht weiter behandelt werden.434 Abbildung 18 zeigt den Mechanismus der Bildung von Verhandlungszufriedenheit. Ob dabei das vollständig mediierende Konstrukt der Abweichung (disconfirmation) als alleiniger Prädikator der Verhandlungszufriedenheit separat betrachtet wird, wie bei OLIVER/BALAKRISHNAN/ BARRY geschehen, oder ob man den direkten negativen Einfluss der Verhandlungsziele und den direkten positiven Einfluss auf die Verhandlungszufriedenheit betrachtet, wie dies die meisten anderen Autoren tun, ist für die Erklärung des Zustandekommens der Verhandlungszufriedenheit von nachrangiger Bedeutung. OLIVER/BALAKRISHNAN/BARRY weisen
431 432 433
434
Eigene Darstellung in Anlehnung an Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.270. Vgl. Neale, M.A./Fragale, A.R. (2006), S.41. Vgl. zu minimum goals und aspirations als Vergleichsmaßstab zur subjektiven Erfolgsbewertung (feelings of success) Thompson, L. (1995), S.516ff. Dieser Maßstab kann einerseits der Verhandlungsgewinn des Gegenübers sein, vgl. Loewenstein, G./ Thompson, L./Bazerman, M.H. (1989), S.427; Galinsky, A.D./Mussweiler, T./Medvec, V.H. (2002), S.1133. Andererseits wird der interpersonale Vergleich anhand sozialer Hinweise (social cues), wie etwa der Zufriedenheit des Gegenübers, umso wichtiger, je weniger deutlich ein objektiver Vergleichsmaßstab erscheint, da in Verhandlungen der einzelne Verhandelnde i.d.R. nur unvollständige Informationen besitzt. Vgl. Thompson, L./Valley, K.L./Kramer, R.M. (1995), S.469.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
119
die Korrektheit ihres Modells nach, während in anderen Studien das Modell ohne das mediierende Konstrukt empirisch überprüft und bestätigt wurde.435 Von höherer Bedeutung ist in jedem Falle die häufige Entkopplung des objektiven ökonomischen Ergebnisses und der Verhandlungszufriedenheit: Zufriedene Verhandelnde müssen keineswegs ein ökonomisch gutes Ergebnis erreicht haben, wenn ihre Erwartungen entsprechend niedriger waren.436 Neben dem Verhandlungsergebnis spielt auch der Verhandlungsprozess eine Rolle für die Entstehung von Verhandlungszufriedenheit, so dass in manchen Fällen Verhandelnde einen emotional zufrieden stellenden Prozess mit einem geringeren Verhandlungsgewinn einem höheren Ergebnis bei emotional enttäuschendem Verhandlungsprozess vorziehen.437 Einen positiven Einfluss der Prozessvariablen „Informationsaustausch“ und „wiederholte Paketofferten“ sowie einen negativen Einfluss der „wahrgenommenen Kompetitivität“ auf die empfundene Zufriedenheit fanden TUTZAUER/ROLOFF.438 Die positive Wirkung der Anwendung von Problem lösendem Verhalten des Gegenübers auf die Zufriedenheit des Verhandelnden konnte ebenfalls nachgewiesen werden.439 Auch in einigen Feldstudien konnte die
435
436 437
438
439
Vgl. Thompson, L. (1995), S.517ff.; Galinsky, A.D./Mussweiler, T./Medvec, V.H. (2002), S.1134ff. Einen ähnlichen Fall von Unzufriedenheit trotz tatsächlich guten Ergebnisses beobachten Galinsky, A.D. et al. (2002), wenn das erste Angebot einer Partei vom Gegenüber sofort akzeptiert wurde. Die Begründung für die Unzufriedenheit liegt in diesem Falle jedoch nicht darin, dass das Verhandlungsziel als möglicher Bewertungsmaßstab nicht erreicht wurde, sondern dass der Bewertungsmaßstab durch kontrafaktisches Schließen (counterfactual thinking) nachträglich überhöht wird. Dies konnte auch empirisch nachgewiesen werden. Vgl. Galinsky, A.D. et al. (2002), S.274. Den positiven Einfluss des ökonomischen Verhandlungsergebnisses auf die Verhandlungszufriedenheit weisen auch Gillespie, J.J./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2000), S.788ff., nach. Einschränkend ist zu dieser Studie allerdings zu sagen, dass sie nicht auf die Beziehungen zwischen Zielpunkten (Erwartungen), Verhandlungsgewinn und Zufriedenheit eingeht, sondern annimmt, dass höhere Ergebnisse unabhängig vom intrapersonellen Bewertungsmaßstab zu besseren Bewertungen führen. Diese Kritik bringen die Autoren in allgemeiner Form auch selbst an (S.791). Vgl. Neale, M.A./Fragale, A.R. (2006), S.41. Vgl. Clyman, D.R./Tripp, T.M. (2000), S.255. Vgl. allgemein zum Einfluss von Fairnessaspekten als einem emotional zufrieden stellenden Konstrukt auf den Verhandlungsverlauf und das Verhandlungsergebnis Tripp, T.M./Sondak, H./Bies, R.J. (1995). Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.373ff. Diese Erkenntnis deckt sich mit dem Ergebnis von Graham, J.L. (1986), der den positiven Einfluss eines Problem lösenden Ansatzes auf die Ergebniszufriedenheit nachweisen konnte (S.556ff.). Vgl. auch Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.56, die bei nur bei deutschen und US-amerikanischen, nicht jedoch bei französischen und englischen Verhandelnden einen signifikanten Zusammenhang feststellten. Vgl. Graham, J.L. (1985), S.141; Graham, J.L. (1986), S.556; Adler, N.J./Graham, J.L./Schwarz Gehrke, T. (1987), S.421; Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.56; Alexander, J.F./Schul, P.L./McCorkle, D.E. (1994), S.37;
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
120
positive Wirkung der Anwendung eines Problem lösenden Verhaltens auf die Verhandlungszufriedenheit gezeigt werden.440 3.3.3
Verhandlungsinteraktion und bisherige Erkenntnisse
Das Verhandlungsverhalten der beiden Parteien stellt die eigentliche Interaktion der Verhandlung dar. Um zu einem Verhandlungsergebnis, also einer gemeinsamen, interdependenten Entscheidung zu gelangen, tauschen sie Angebote und Informationen aus, um einerseits selbst einen möglichst hohen individuellen Verhandlungsgewinn zu erzielen (Aufteilung der Verhandlungsmasse) und andererseits zu einer gemeinsamen Problemlösung beizutragen, indem ein effizienter Interessenausgleich angestrebt wird (Vergrößerung der Verhandlungsmasse). Problematisch bei der Verfolgung beider Ziele durch die Parteien ist jedoch, dass sich die Verfolgung der Ziele nicht entkoppeln lässt: Ein konkreter Vorschlag zur Aufteilung der Verhandlungsmasse einer integrativen Verhandlung legt gleichzeitig fest, wie effizient ein solches Abkommen ist.441 In den meisten Fällen ist den Verhandlungsparteien ein hoher eigener Verhandlungsgewinn wichtiger als eine effiziente Problemlösung, so dass in der Mehrzahl der Verhandlungen Verhaltensweisen überwiegen, die einer Partei dazu geeignet erscheinen, den jeweils individuellen Gewinn zu erhöhen. Dazu gehören u.a. Argumente zur Begründung des eigenen Angebots, das Einnehmen von Positionen, aber auch Warnungen oder Drohungen. Diese Verhaltensweisen werden in der neueren Verhandlungsforschung als distributives Verhalten bezeichnet. Problematisch für die intendierte Wirkung von distributivem Verhalten der Partei A ist jedoch, dass dieses i.d.R. durch distributives Verhalten der Partei B beantwortet wird, so dass ein möglicher Vorteil für A sofort von B konterkariert wird und beide anfangen, um die Aufteilung der Verhandlungsmasse zu feilschen. Dabei gerät ein möglicherweise effizienterer Interessenausgleich in den Hintergrund. Dieser könnte erreicht werden, wenn beide Parteien Verständnis für die Interessen ihres Gegenübers entwickeln, etwa durch den Austausch von Informationen über Verhandlungsprioritäten oder durch den Vergleich unterschiedlicher Angebote. Diese Verhaltensweisen
440 441
Vgl. Ganesan, S. (1993), S.195ff.; Mintu-Wimsatt, A./Graham, J.L. (2004), S.352. Diese Tatsache wird daher auch als negotiator’s dilemma bezeichnet, vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.38.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
121
werden dem integrativen Verhalten zugerechnet, da sie die Integration der Interessen beider Verhandlungspartner unterstützen. Da es sich bei der Verhandlungsinteraktion immer um eine dyadische Betrachtung handelt, stellen auch die Verhaltensweisen der Verhandlungspartner dyadische Größen dar, die sich in erster Linie auf das dyadische Verhandlungsergebnis, die Effizienz auswirken. Zwar könnten sich theoretisch beide Partner völlig unabhängig voneinander verhalten, doch hat sich gezeigt, dass Verhandlungsinteraktion von einer starken Reziprozität geprägt ist,442 d.h. ähnliche Verhaltensweisen immer bei beiden Parteien beobachtet werden. Aus diesem Grund werden die im Folgenden näher betrachteten Verhaltensweisen der Verhandlungsinteraktion in der Konkretisierung des Modells von NEALE/NORTHCRAFT mit einer Ausnahme, der Täuschung und Lüge, als Einflüsse auf die Verhandlungseffizienz, nicht jedoch direkt auf den individuellen Verhandlungsgewinn einer Partei betrachtet. 3.3.3.1 Distributives Verhalten 3.3.3.1.1 Informationsaustausch über Positionen, Präferenzen und wichtige Fakten Viele Verhandlungen bleiben ineffizient, weil die Verhandelnden es nicht schaffen, über Interessen und Bedürfnisse zu verhandeln, sondern über Positionen debattieren.443 Eine Position hängt eng mit dem Verhandlungsziel einer Verhandlungspartei zusammen und stellt sich als eine geäußerte Forderung (stated demand) dieser Partei dar.444 Die Einnahme einer Position dient dieser Partei dazu, ein oder mehrere tiefer liegende Interessen zu befriedigen. Eine dazu mögliche Lösung (von möglicherweise vielen) stellt die geäußerte Position dar, die meistens ein Angebot enthält,445 aber nicht notwendigerweise enthalten muss.446 Die Angebote einer Partei werden häufig von unterstützenden Argumenten begleitet, oftmals von einer Fairness-Norm, die zu dieser Position beiträgt. Auch die von dieser Partei dargestellten Fakten des Verhandlungskontextes können in solch unterstützender Art verwendet werden.
442 443 444 445 446
Vgl. Putnam, L.L./Jones, T.S. (1982), S.181ff.; Weingart, L.R. et al. (1990), S.22ff. Vgl. Fisher, R./Ury, W./Patton, B. (1992), S.41ff. Vgl. Thompson, L. (2005), S.78. Vgl. bspw. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.241. Denkbar wäre bspw. die Position einer Partei, dass sie nur ein Abkommen akzeptieren wird, das gewissen Prinzipien gehorcht, die jedoch nur mittelbar mit der Befriedigung ihrer tiefer liegenden Interessen zu tun haben.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
122
Zu den Fakten des Verhandlungskontextes ist auch eine eventuelle Vorgeschichte zwischen den Verhandlungspartnern zu zählen, die die Verhandlungen betrifft. Zuschreibungen von Schuld bzw. Verantwortung447 für einen bestimmten Verlauf der Vorgeschichte zählen daher ebenfalls zum Informationsaustausch über Positionen. Positionen und der Austausch von Informationen über Positionen dienen in Verhandlungen vor allem der Aufteilung, nicht der Vergrößerung der Verhandlungsmasse. Wer konsistente und der anderen Partei vernünftig erscheinende Positionen vorbringt und diese mit Argumenten und einem (egozentrisch gewählten) Fairness-Standard untermauert hat, besitzt bessere Chancen, einen größeren Teil der Verhandlungsmasse für sich zu beanspruchen.448 Der Austausch und die Rechtfertigung von Positionen in einer Verhandlung erhöhen jedoch die Gefahr, andere und effizientere Möglichkeiten der Interessensbefriedigung der Parteien als die diskutierten Positionen zu verdrängen, da bei positionsbezogenem Verhandeln versucht wird, Mittel (also Positionen) und nicht Ziele oder Interessen im Rahmen einer Verhandlungslösung in Einklang zu bringen. Empirisch konnte die positive Wirkung des Informationsaustausches über Positionen auf den individuellen Verhandlungserfolg bisher kaum nachgewiesen werden.449 Bei der Untersuchung einer distributiven Verhandlung kommt DONOHUE zu dem Ergebnis, dass relative Gewinner und Verlierer der Verhandlung Schuldzuschreibungen – als eine Art der positionsbezogenen Argumentation – gleich oft verwenden. Die Gewinner weisen jedoch Schuldzuschreibungen der anderen Partei wesentlich häufiger als ungültig zurück als die Verlierer.450 Relativ eindeutig fällt die Überprüfung der negativen Wirkung auf die Verhandlungseffizienz aus. FRY/FIRESTONE/WILLIAMS finden in ihrer Studie einen hohen negativen Einfluss von Positionen stützenden Argumenten (patter) auf die Verhandlungseffizienz.451 WEINGART/
447
448 449
450 451
Vgl. Donohue, W.A. (1981), S.279; Donohue, W.A. (1981), S.113; Alexander, J.F./Schul, P.L./Babakus, E. (1991), S.133. Vgl. Angelmar, R./Stern, L.W. (1978), S.95f.; Thompson, L. (2005), S.51f. Eine leicht positive Wirkung des Informationsaustausches über Positionen auf den individuellen Verhandlungserfolg stellen Kern, M.C./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2005), S.32, fest. Vgl. Donohue, W.A. (1981), S. 115f. Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.12. Zu diesem Ergebnis kommen auch Olekalns, M./Smith, P.L. (2000), S.541 sowie Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211, und Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.186f., die dieses Verhalten jedoch substantiation nennen.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
123
BENNETT/BRETT kommen in ihrer explorativen Studie zu dem Ergebnis, dass die Position stützende Argumente (substantiation) in über 50% der Fälle von ebensolchen Gegenargumenten gefolgt wurden und damit den Informationsaustausch über Prioritäten und Präferenzen behinderte.452 OLEKALNS/SMITH/WALSH weisen bei ineffizienten Abkommen eine wesentlich größere Häufigkeit der Verwendung von Informationsaustausch über Positionen nach als bei integrativeren Verträgen. Ebenso können sie zeigen, dass im Verhandlungsverlauf bei pareto-effizienten Verträgen der Gebrauch von Informationen über Positionen eher abnimmt, während er bei leicht ineffizienten Abkommen eher steigt. Über alle betrachteten Verhandlungen hinweg ist der Informationsaustausch über Positionen in der zeitlichen Mitte der Verhandlungen am häufigsten.453 OLEKALNS/SMITH (2003a,b) erwarten – konträr zur hier geschilderten Argumentation – dass der Informationsaustausch über Positionen bei egoistisch motivierten Parteien das Verständnis für die jeweiligen Interessen besser transportieren würde als andere distributive Taktiken und somit zu einer Steigerung der Vertragseffizienz beitragen würde.454 Sie können dies jedoch nur in einer ihrer beiden Untersuchungen nachweisen.455 HYDER/PRIETULA/WEINGART erklären die negative Wirkung von substantiation auf die Vertragseffizienz damit, dass dieses positionsbezogene Argumentieren nicht nur eine sehr häufig auftretende Verhaltensweise in Verhandlungen ist, sondern in Echtzeit auch sehr viele kognitive Ressourcen in Anspruch nimmt. Dies führt dazu, dass Verhandelnde sich vor allem auf das Unterziel der Aufteilung der Verhandlungsmasse konzentrieren und daher weniger kognitive Ressourcen auf deren Vergrößerung verwenden können.456 In ihrer Untersuchung können sie diese Argumentation auch empirisch deutlich stützen.457
452 453 454 455 456 457
Vgl. Weingart, L.R./Bennett, R.J./Brett, J.M. (1993), S.513. Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L./Walsh, T. (1996), S.74f. Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.238. Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110. Vgl. Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.175. Vgl. Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.187ff. Die Autoren manipulieren die Häufigkeit des positionsbezogenen Argumentierens dadurch, dass sie die in Weingart, L.R./Hyder, E.B./ Prietula, M.J. (1996) verwendete Verhandlungsaufgabe, die vielfältige Hintergrundinformationen liefert, mit einer Verhandlung derselben Punktstruktur, aber bar jeglicher Kontextinformationen vergleichen.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
124
3.3.3.1.2 Einzelofferten und Forderungen von Angeboten Wird in einer Verhandlung mehr als ein Gegenstand verhandelt, so stehen den Parteien prinzipiell die Möglichkeiten offen, sich bezüglich jedes Verhandlungsgegenstands einzeln zu einigen, einige, aber nicht alle Themenkomplexe zusammen oder alle Verhandlungsgegenstände gemeinsam zu behandeln. Das Angebot einer Partei, welches sich in einer solchen Mehrthemenverhandlung nur auf einen Verhandlungsgegenstand bezieht, wird daher als Einzelofferte bezeichnet, während Angebote, die sich auf mehrere Verhandlungsgegenstände beziehen, Paketofferten genannt werden. Diese Unterscheidung ist vor allem bezüglich der Wirkung auf die Effizienz eines Abkommens von entscheidender Bedeutung. Legen beide Parteien in einer Mehrthemenverhandlung immer nur Einzelofferten vor und schließen am Ende einen Vertrag, dann hat dies häufig zur Folge, dass es bei jedem Themenkomplex zu einem Kompromiss kommt. Ein Interessensausgleich nach Präferenzen und Prioritäten über Themenkomplexe hinweg, bei dem eine Partei Konzessionen in einem für sie weniger wichtigen Themenkomplex einräumt und dafür eine Konzession in einem für sie wichtigeren Verhandlungsgegenstand erhält (logrolling), kann nicht stattfinden. Das Abkommen bleibt dann i.d.R. ineffizient. Die Aufforderung der Partei A an B, ein Angebot vorzulegen, dient in erster Linie der Aufteilung der Verhandlungsmasse:
458
Die Forderung eines Angebots ist zumindest implizit
immer als Forderung einer Konzession zu verstehen und verbessert damit A’s Verhandlungsposition, wenn die Forderung von A erfolgreich war, d.h. B tatsächlich ein neues Angebot vorlegt. Allerdings hat die Forderung eines Angebots prinzipiell dieselbe Wirkung wie eine Einzelofferte: Wenn Partei B der Aufforderung von A nachkommt, verhandeln beide weiter über einzelne Gegenstände und kommen höchstens zu einem Kompromiss, nicht jedoch zu einem effizienteren Interessenausgleich über Verhandlungsgegenstände hinweg. Einzelofferten können auch keine indirekten Informationen über Prioritäten einer Partei bzgl. der Wichtigkeit bestimmter Verhandlungsgegenstände transportieren, was eine weitere Erklärung dafür darstellt, dass Einzelofferten nicht zur Steigerung der Vertragseffizienz geeignet 458
Die Forderung eines Angebots muss von dem Vorschlag unterschieden werden, Paketofferten vorzulegen: Obwohl die Forderung von Paketofferten ebenfalls als Forderung eines Angebots verstanden werden könnte, muss sie aufgrund der integrativen Wirkung von Paketofferten dem integrativen Verhalten zugeordnet werden.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
125
sind.459 Auch empirisch wurde der negative Zusammenhang zwischen dem vermehrten Gebrauch von Einzelofferten und der Vertragseffizienz wiederholt nachgewiesen.460 3.3.3.1.3 Kompetitives Verhalten Neben Angeboten und Informationsaustausch kommt zur Aufteilung der Verhandlungsmasse vor allem kompetitives Verhalten zur Anwendung.461 Als kompetitives Verhalten im engeren Sinne oder contention werden im Folgenden die Verhandlungstaktiken von Drohungen, Commitments und Bluffs, negativer Reaktion und Ignoranz sowie Täuschung und Lügen betrachtet. Empirisch konnte in Untersuchungen, die diese Unterscheidung nicht vornahmen, gezeigt werden, dass sich kompetitives Verhalten negativ auf die Einigungswahrscheinlichkeit, die Verhandlungseffizienz und die Verhandlungszufriedenheit auswirkt.462
459 460
461
462
Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.12. Vgl. bspw. Weingart, L.R. et al. (1990), S.27; Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.238 u. 248; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110f. Der Begriff des kompetitiven Verhaltens stellt leider nur eine Kompromiss-Übersetzung der englischen Begriffe contention (wörtlich: Auseinandersetzung, Behauptung, Konkurrenzsituation, Streit, Wettbewerb) bzw. coercive tactics (coercive wörtlich: zwangsweise, zwingend) dar. Wenn im Folgenden von kompetitivem Verhalten die Rede ist, dann immer im Sinne des englischen contention. Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.375; Olekalns, M./Smith, P.L. (2000), S.541ff.
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Drohungen, Commitments und Bluffs Unter einer Drohung463 wird in Verhandlungen eine Wenn-Dann-Aussage einer Partei verstanden: Sie enthält einerseits eine Aufforderung zu einer bestimmten Handlung oder Unterlassung464 und andererseits die Versicherung, bei Nichtbeachtung dieser Aufforderung der anderen Partei eine Handlung zuzufügen, die für diese mit negativen Konsequenzen verbunden ist.465 Die Drohung besteht damit aus den beiden Elementen der Aufforderung und der Bestrafung bei Nichtbeachtung der Aufforderung. Die Konsequenz für beide Parteien bei Ausführung der Bestrafung ist in summa grundsätzlich schlechter, als wenn die Drohung nicht ausgesprochen worden oder die bedrohte Partei der Aufforderung nachgekommen wäre. Zu den kompetitiven Taktiken ist sie außerdem zu zählen, da sie grundsätzlich den Handlungsspielraum beider Parteien einschränkt: Die beiden wahrscheinlichsten Reaktionsweisen der bedrohten Partei bestehen darin, entweder der Aufforderung nachzukommen oder ihr zu widerstehen und die Konsequenzen zu akzeptieren. Die drohende Partei wiederum macht ihr Verhalten von der Reaktion der bedrohten Partei abhängig: Kommt die bedrohte Partei der Aufforderung nach, unternimmt die drohende Partei nichts weiter, tut erstere dies nicht, muss die drohende Partei die Bestrafung ausführen oder die Drohung zurückziehen. Zieht sie die Drohung zurück, weil sie die Bestrafung nicht ausführen kann oder will, spricht man von einem Bluff: Der nicht nachgekommenen Aufforderung folgt nicht die angekündigte Konsequenz, sondern nur ein Rückzug. Ein Bluff ist demzufolge eine Drohung ohne Substanz.466
463
464
465
466
Vgl. allgemein zu Drohungen in Verhandlungen, ihren strukturellen Elementen und möglichen Wirkungen als Taktik Schelling, T.C. (1960), S.35ff.; Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981), S.109ff. Eine differenziertere Betrachtung nehmen Angelmar, R./Stern, L.W. (1978), S.95 vor. Sie unterscheiden Drohungen (threats) von Warnungen (warnings), wobei der Unterschied in der Art der angedrohten Bestrafung liegt. Bei der Drohung könnte der Drohende die Bestrafung selbst durchführen (lassen), während bei der Warnung die Wahrscheinlichkeit der Bestrafung durch Dritte steigt, sie der Warnende aber nicht in der Hand hat. Die so verstandene Warnung entspricht somit in etwa der probabilistischen Drohung bei Schelling, T.C. (1960), S.187ff. Schelling unterscheidet bei Drohungen die beiden Aufforderungen zur Unterlassung oder zur Durchführung einer Handlung. Vgl. Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981), S.113. Vgl. Schelling, T.C. (1960), S.123. Von der Taktik des Versprechens unterscheidet sich die Drohung nur darin, dass die vorhergesagte Konsequenz für die andere Partei negativ ausfällt; strukturell sind beide Taktiken zwei Seiten derselben Medaille (Vgl. Schelling, T.C. (1960), S.134). Vgl. Shapiro, D.L./Bies, R.L. (1994), S.15.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
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Drohungen und Bluffs werden als Taktiken grundsätzlich zur Aufteilung von Ressourcen eingesetzt. Ihre Wirkung ergibt sich daraus, dass sie geglaubt werden, die bedrohte Partei der Aufforderung nachkommt und die drohende Partei die Bedrohung nicht ausführen muss. Zwei verschiedene Wahrnehmungen der bedrohten Partei spielen für die Wirksamkeit dieser Taktiken eine Rolle: einerseits die wahrgenommene Fähigkeit der drohenden Partei zur Bestrafung, andererseits die Wahrscheinlichkeit bzw. Glaubwürdigkeit, dass die Bestrafung auch durchgeführt wird.467 Die Glaubwürdigkeit der Durchführung der Bestrafung hängt eng mit dem Eingehen eines Commitments im Schelling’schen Sinne468 zusammen. Ein solches Commitment (in seiner Reinform) stellt eine Handlung dar, die die drohende Partei vornimmt, um den eigenen Entscheidungsspielraum so einzuschränken, dass die Ausführung der Bestrafung bei Nichtbeachtung der Aufforderung durch die bedrohte Partei in jedem Fall die dann günstigste Handlungsalternative für die drohende Partei darstellt.469 Die erwarteten Wirkungen von Drohungen und Bluffs in Verhandlungen sind vielfältig empirisch dokumentiert. SHAPIRO/BIES untersuchen u.a. den Unterschied von Verhandlungen, in denen eine Partei häufig und wiederholt Drohungen ausspricht, mit solchen, in denen dies nicht geschieht. Die wahrgenommene Verhandlungsmacht der drohenden Partei ist dabei höher, die wahrgenommene Kooperativität niedriger, der individuelle Verhandlungsgewinn nicht verschieden und die Effizienz des Abkommens niedriger als in Dyaden, in denen keine Partei vermehrt Drohungen benutzt.470 In der Studie von WEINGART et al. zur Wirkung verschiedener Verhandlungstaktiken und -verhaltensweisen auf das Verhandlungsergebnis ist der Gebrauch von Drohungen negativ mit der Häufigkeit der Informationsnachfrage der bedrohten Partei und positiv mit der Häufigkeit einer negativen Reaktion der bedrohten Partei
467 468 469
470
Vgl. Bacharach, S.B./Lawler, E.J. (1981), S.116. Vgl. Schelling, T.C. (1960), S.121ff. Ein anschauliches Beispiel zu Commitment und Drohung kommt aus der Kriegsführung. Wenn eine vorrückende Armee den Feind auffordert, das umkämpfte Territorium kampflos zu übergeben, da die vorrückende Armee ansonsten mit aller ihr zur Verfügung stehenden Härte kämpfen würde, dann verleiht ihr das Commitment, alle Brücken hinter sich abgerissen zu haben, die nötige Glaubwürdigkeit, denn ein Zurück ist ab diesem Moment unmöglich. Vgl. Shapiro, D.L./Bies, R.L. (1994), S.26f. Eine signifikante negative Korrelation zwischen dem Gebrauch von Drohungen und der Verhandlungseffizienz bei sich fremden Verhandlungspaaren (nicht jedoch bei Liebespaaren) fanden auch Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.12.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
128
korreliert.471 SINACEUR/NEALE stellen in ihrer Studie über eine Vertriebskanalverhandlung fest, dass die Wirkung von Drohungen davon abhängt, ob sie eine implizite oder explizite Bestrafung ankündigen und wann sie im Verhandlungsverlauf gemacht werden. Nur implizite, frühe und explizite, späte Drohungen führen gegenüber keinen Drohungen zu einem besseren individuellen Verhandlungsergebnis für die drohende Partei. Explizite, frühe und implizite, späte Drohungen resultieren hingegen nicht in einem besseren Ergebnis, außerdem werden diese beiden Drohungen von der bedrohten Partei auch als am aggressivsten wahrgenommen.472 GIEBELS/DE DREU/VAN DE VLIERT können zeigen, dass Verhandelnde mit einer [sinnvollen] Alternative mehr konkrete Abbruchdrohungen (exit threats) verwenden, während solche ohne [sinnvolle] BATNA zu geringfügig mehr allgemeinen Drohungen neigen.473 Negative Reaktion und Ignoranz Als negative Reaktion kann in Verhandlungen eine Äußerung bezeichnet werden, die gegenüber der Gegenpartei negativen Affekt ausdrückt, wie etwa Beleidigungen, Spott oder Ignoranz der Person. Ignoranz der Sache in Verhandlungen beschreibt den Sachverhalt, dass eine Partei den Inhalt der Kommunikation der anderen explizit oder implizit als ungültig zurückweist. Dies kann sich sowohl auf Argumente als auch auf Fakten des Kontextes beziehen, die die andere Partei vorgebracht hat.474 Im Gegensatz zur Drohung stellt die negative Reaktion keine Taktik dar, mit der eine Partei regelmäßig475 bewusst versucht, die Aufteilung der Verhandlungsmasse zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen.
471 472 473
474 475
Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.20. Vgl. Sinaceur, M./Neale, M.A. (2005), S.77f. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.14; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.263. Die Parteien mit einer [sinnvollen] BATNA erreichen in diesen Studien auch einen höheren individuellen Verhandlungserfolg. Inwieweit dieser allerdings durch Drohungen mediiert wird, untersuchen die Autoren nicht. Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.7. Zu einer anekdotischen Ausnahme vgl. Walder, F. (1958), S.100ff. Auch von Tarifverhandlungsexperten werden von Zeit zu Zeit bewusst negative Reaktionen etwa in Form eines Wutausbruches eingesetzt, um festgefahrene Verhandlungen eventuell wieder in Gang zu bringen, wie uns in den Arbeiten zu Schilling, M.S./Mulford, M.A./Geiger, I.R. (2006) von Tarifverhandlungsexperten berichtet wurde.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
129
Die Ignoranz von Argumenten der Gegenpartei kann hingegen dazu dienen, den eigenen Verhandlungsgewinn zu vergrößern, indem der Gegenpartei keine oder wenige Argumentationsgrundlagen gelassen werden, auf denen sie ihre Angebote gründen könnte. Dies kann damit erklärt werden, dass Angebote ein größeres Gewicht haben, wenn sie mit einem von der jeweiligen Gegenseite prinzipiell akzeptierten Argument fundiert sind, und die Gegenseite entsprechend eher zu Konzessionen bereit ist.476 Werden diese Argumente als ungültig zurückgewiesen, so hat auch das damit verbundene Angebot der Gegenpartei weniger Gewicht. In einer der wenigen Studien, die negative Reaktion und Zurückweisung (putdowns) betrachten, weisen FRY/FIRESTONE/WILLIAMS bei Fremden unterschiedlichen Geschlechts (nicht jedoch für Liebespaare) einen marginal signifikanten, negativen Einfluss von Ignoranz auf die Verhandlungseffizienz nach.477 Hingegen gelangt DONOHUE zu dem Ergebnis, dass die Zurückweisung einer Schuldzuschreibung und damit die Ignoranz der Sache von relativen Gewinnern einer distributiven Verhandlung häufiger praktiziert wird als von Verlierern. Ebenso ignorieren Gewinner die Argumente der Gegenpartei implizit wesentlich häufiger, indem sie mit einem Themenwechsel reagieren.478 GIEBELS/DE DREU/VAN DE VLIERT stellen fest, dass Verhandlungsakteure mit eine [sinnvollen] Alternative mehr Zurückweisungen (putdowns) verwenden, besonders wenn sie egoistisch motiviert sind.479 Ein negativer Zusammenhang zwischen negativen Reaktionen und der Verhandlungszufriedenheit kann ebenfalls nachgewiesen werden.480
476 477 478 479
480
Vgl. Abschnitt 3.3.3.1.1 sowie Thompson, L. (2005), S.51f. Vgl. Fry, W.R./Firestone, I.J./Williams, D.L. (1983), S.12. Vgl. Donohue, W.A. (1981), S.116ff. Vgl. Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.14; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.265. Die Parteien mit einer [sinnvollen] BATNA erreichen in diesen Studien auch einen höheren individuellen Verhandlungserfolg. Inwieweit dieser allerdings durch Zurückweisungen mediiert wird, untersuchen die Autoren nicht. Vgl. Neu, J./Graham, J.L./Gilly, M.C. (1988), S.444.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
130
Täuschung und Lügen Die letzte hier betrachtete kompetitive Verhaltensweise in Verhandlungen stellen die Täuschung und das Lügen dar. Mehr als jede andere Taktik wird das Lügen als unethisch betrachtet.481 Rein rechtlich betrachtet stellt eine Täuschung das Erregen, Bestärken oder Unterhalten eines Irrtums über eine Tatsache, nicht jedoch über ein Werturteil, dar.482 Eine Täuschung kann auch durch Unterlassung einer Handlung geschehen, wenn eine Aufklärungspflicht besteht.483 Eine Täuschung benötigt Vorsatz, sie stellt damit eine wissentliche und willentliche Handlung des Täuschenden dar, die darauf gerichtet ist, den Getäuschten zur Abgabe einer Willenserklärung zu bewegen. Aufgrund der ökonomischen und sozialpsychologischen Wirkungen einer Täuschung in Verhandlungen soll im Folgenden jedoch auch das Hervorrufen eines Irrtums über Werturteile, nicht nur über Tatsachen, als Täuschung betrachtet werden. Eine wichtige Unterscheidung stellt die Differenzierung zwischen passiver und aktiver Täuschung dar.484 Bei der passiven Täuschung verheimlicht die Partei A Informationen, die der Partei B zugute kommen könnten, da die Partei B nicht nach diesen Informationen fragt oder die Partei A der Frage ausweicht. Die passive Täuschung wird i.d.R. nicht als Lüge bezeichnet und rechtlich auch nicht als eine Täuschung betrachtet, es sei denn, es besteht eine Aufklärungspflicht über eine Tatsache. Die aktive Täuschung, bei der eine Partei bewusst wahrheitswidrige Angaben macht, stellt hingegen eine Lüge dar. Bezieht sich die Lüge in Form einer Übertreibung auf den eigenen Reservationspunkt und ist der Verhandlungsspielraum relativ klein, so kann das Festhalten an einer Lüge dazu führen, dass es zu keinem Verhandlungsabschluss kommt, obwohl ein solcher für beide Parteien mehr Nutzen gebracht hätte als keiner.485 Ist einer Partei jedoch die mögliche Spanne bekannt, in
481 482
483
484 485
Vgl. Thompson, L. (2005), S.166. Vgl. BGB §§ 119, 123. Zu den Tatsachen können in Verhandlungen die BATNA sowie wichtige Fakten des Kontextes gehören, zu den Werturteilen gehören hingegen insbesondere Positionen, Prioritäten und Präferenzen sowie Reservationspunkte. Vgl. Thompson, L. (2005), S.167f. Welche Aufklärungspflichten in bestimmten Arten von Vertragsverhandlungen bestehen, unterliegt den jeweils für diesen Anwendungsbereich gültigen gesetzlichen Regelungen. Bspw. bestünde bei einer Verhandlung über einen Gebrauchtwagenkauf die Aufklärungspflicht des Verkäufers über die Unfallgeschichte des Wagens. Vgl. O'Connor, K.M./Carnevale, P.J. (1997), S.505; Thompson, L. (2005), S.167. Vgl. Raiffa, H. (1982), S.60f.; Thompson, L. (2005), S.171.
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der der Reservationspunkt der Gegenpartei liegt, so kann eine maßvolle Übertreibung des eigenen Reservationspunktes (also eine Lüge) den eigenen Verhandlungsgewinn erhöhen.486 In Vermarktungsverhandlungen, in der die Preisbildung für eine Leistung vorrangig kostengetrieben stattfindet, kann sich ein Anbieter durch die Übertreibung seiner Kosten einen Vorteil verschaffen, der der Wirkung eines übertriebenen Reservationspunktes entspricht. Eine weitere Situation, in der eine Lüge einer Verhandlungspartei einen Vorteil verschaffen kann, betrifft interessenkompatible Verhandlungsgegenstände, bei denen beide Verhandlungsparteien gleiche Präferenzen haben (im Englischen: common value issues oder compatible issues), dies jedoch nicht bzw. nur teilweise wissen. Gibt Partei A fälschlicherweise vor, bezüglich eines solchen Verhandlungsgegenstandes das genaue Gegenteil von Partei B zu wollen, kann sie durch eine scheinbare Konzession bei diesem Themenkomplex eine echte Konzession von B bei einem anderen Verhandlungsgegenstand erreichen, solange B glaubt, dass bezüglich des common value issues eine Interessendivergenz besteht. Durch eine solche Taktik würde sich A demnach doppelt besser stellen.487 Die empirischen Untersuchungen der Wirkung von Täuschung und Lügen geben eine differenziertes Bild ab: PRUITT/LEWIS finden in der ersten Studie ihres Beitrags einerseits eine negative Korrelation der Häufigkeit von Lügen und Effizienz (diese ist jedoch nicht signifikant),488 andererseits erhalten sie in ihrer zweiten Studie eine positive und signifikante Korrelation von wahrheitsgemäßer Kommunikation und Effizienz.489 Die Wirkung von Täuschungen bzgl. eines interessenkompatiblen Verhandlungsgegenstandes untersuchen O'CONNOR/CARNEVALE. In ihrer Studie kommen sie zu dem Ergebnis,490 dass
486 487
488 489 490
Vgl. Raiffa, H. (1982), S.56ff.; Angelmar, R./Stern, L.W. (1978), S.96. Vgl. zu common value issues und dem diesbezüglichen taktischen Einsatz von Lügen Raiffa, H. (1982), S.142ff.; O'Connor, K.M./Carnevale, P.J. (1997), S.504ff. Wie Thompson, L./Hrebec, D. (1996), S.400ff., in einer Metaanalyse zeigen, werden interessenkompatible Verhandlungsgegenstände jedoch in vielen Fällen von den Parteien gar nicht erkannt. Das Wissen über solche Themenkomplexe ist aber eine Voraussetzung für ihren taktischen Einsatz durch Täuschung. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.626. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.630. Vgl. O'Connor, K.M./Carnevale, P.J. (1997), S.509ff.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
132
x
wesentlich häufiger passiv als aktiv getäuscht wird,
x
weniger Versuche der Täuschung unternommen werden, wenn beide Parteien um die Interessenkompatibilität des Themenkomplexes wissen,
x
der Gebrauch von Lügen mit dem Einsatz anderer kompetitiver Taktiken korreliert ist,
x
individualistisch motivierte Parteien häufiger zum Lügen neigen als kooperative,
x
Lügen bzgl. des interessenkompatiblen Verhandlungsgegenstandes den eigenen Verhandlungsgewinn und – unerwarteterweise – die Verhandlungseffizienz steigert.
Die unterschiedliche Wirkung von Lügen gegenüber den anderen distributiven Verhaltensweisen auf den individuellen Gewinn einer Partei kann damit erklärt werden, dass eine Partei, die bezüglich ihres Reservationspunktes, ihrer Kosten oder eines interessenkompatiblen Verhandlungsgegenstandes glaubwürdig lügt, keine entsprechende Gegenreaktion hervorruft, wie dies bei den anderen distributiven Verhaltensweisen häufig der Fall ist. Das reziproke Auftreten von solchen distributiven Verhaltensweisen verhindert integrativere Verträge, da die Verhandlungspartner zu sehr mit dem Feilschen um die Aufteilung der Verhandlungsmasse beschäftigt sind. Glaubt hingegen Partei B eine Lüge von A, so stellt dies für B keinen Grund dar, mit einer distributiven Verhaltensweise zu antworten und somit womöglich eine Sequenz von reziprokem distributivem Verhalten einzuleiten, die ein integrativeres Ergebnis behindert. Eine geglaubte Lüge wird allerdings dann zum Problem, wenn sich dadurch aus Sicht der belogenen Partei B eine wahrgenommene negative Einigungszone ergibt, es also für sie besser wäre, die Verhandlung ohne Einigung zu beenden. Bleibt A bei ihrer Lüge, würde die Verhandlung ohne Ergebnis abgebrochen, obwohl ein möglicher Abschluss für beide Parteien tatsächlich besser gewesen wäre. 3.3.3.2 Integratives Verhalten Als effektive Verhandlungstaktiken zur Steigerung der Verhandlungseffizienz wurden besonders drei unterschiedliche Verhaltensweisen identifiziert, deren positive Wirkung im Einzelnen diskutiert wird. Sie werden nachfolgend als integratives Verhalten bezeichnet. Es handelt sich dabei um den Informationsaustausch über Prioritäten, Paketofferten und Prozessmanagement. In vielen Untersuchungen werden diese Verhaltensweisen nicht unterschieden,
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
133
sondern unter dem Konstrukt des problem solving approach zusammengefasst, obwohl ihre Wirkungsweisen für das Erreichen effizienter Verträge unterschiedlich sind. In besagten Studien konnte der positive Einfluss des Problem lösenden Ansatzes auf die Verhandlungszufriedenheit wiederholt nachgewiesen werden.491 Auch die positive Wirkung von integrativem Verhalten auf die Einigungswahrscheinlichkeit konnte gezeigt werden.492 3.3.3.2.1 Informationsaustausch über Prioritäten Wenn es sich bei einer Verhandlung um eine Mehrthemenverhandlung handelt, dann ergibt sich deren integratives Potenzial aus Unterschieden hinsichtlich x
der Präferenzen und Prioritäten bezüglich einzelner Themenkomplexe und deren zeitlicher Wirkung,
x
der verfügbaren Ressourcen,
x
der Risikoneigungen und
x
der Zukunftserwartungen
der Parteien.493 Um dieses integrative Potenzial aufzudecken, müssen die Parteien ein Verständnis für die Prioritäten der anderen Partei entwickeln. Am einfachsten kann dies durch den direkten Austausch von Informationen über Prioritäten und Bedürfnisse (priority information exchange) geschehen.494 Nur anhand des Verständnisses der Präferenz- und Prioritätenlage der jeweils anderen Partei können Verhandlungspartner integrative Verträge schließen, die nicht zufällig zustande gekommen sind. Die Bedeutung des aktiven Informationsaustausches über Prioritäten zur Erzielung von effizienten Abkommen ist daher als sehr groß zu betrachten, da Menschen dazu tendieren, den Informationsstand ihres
491
492 493 494
Vgl. Graham, J.L. (1985), S.141; Graham, J.L. (1986), S.556ff; Adler, N.J./Graham, J.L./Schwarz Gehrke, T. (1987), S.421; Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.56; Ganesan, S. (1993), S.195; MintuWimsatt, A./Graham, J.L. (2004), S.352. Einschränkend muss zu diesen Studien jedoch gesagt werden, dass Operationalisierung und Messung des Konstruktes „problem-solving approach“ durch nachträgliche Abfrage geschieht und damit möglicherweise einem self-response bias ausgesetzt ist. Die Ergebnisse dieser Studien sind daher als weniger aussagekräftig zu betrachten als die Untersuchungen mit Aufzeichnung und Kodierung des tatsächlichen Verhandlungsverhaltens. Vgl. Koeszegi, S.T./Srnka, K.J./Pesendorfer, E.-M. (2006), S.459. Vgl. Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.90ff.; Thompson, L. (2005), S.84f. Vgl. Walton, R.E./McKersie, R.B. (1965), S.140; Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.361f.; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (1998), S.11; Thompson, L. (2005), S.77.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
134
Gegenübers zu überschätzen.495 Allerdings kann die einseitige Preisgabe dieser Art von Information auch dazu führen, dass die mitteilsamere Partei von der anderen ausgebeutet wird.496 Die positive Wirkung des Informationsaustausches über Prioritäten auf das Zustandekommen integrativer Verträge wurde empirisch mehrfach nachgewiesen.
497
Auf die Frage nach der
Reziprozität dieser Art des Informationsaustausches wurde in den meisten zitierten Studien jedoch nicht eingegangen, lediglich WEINGART et al. bemerken, dass „(…) the difference between the amount of information provided by each party did not impact the distribution of resources.”498 Dieses Ergebnis unterscheidet sich von dem von TUTZAUER/ROLOFF. In Zusammenwirken mit einer erhöhten interpersonalen Orientierung499 und hohen Zielpunkten können sie eine positive Wirkung der Nachfrage nach, nicht jedoch der Übermittlung von Informationen über Prioritäten – jeweils mediiert durch den Einblick in die Präferenzstruktur der anderen Partei – auf die Verhandlungseffizienz und in der Folge auf die Verhandlungszufriedenheit feststellen.500 Sie erklären dies damit, dass die Nachfrage nach Informationen
495
496
497
498
499
500
Dies kann auf die kognitive Verzerrung der übergroßen Zuversicht (overconfidence bias) zurückgeführt werden, deren Auftretenswahrscheinlichkeit besonders groß ist, wenn das Wissen einer Person über einen bestimmten Sachverhalt – also hier den Informationsstand der anderen Seite – limitiert ist. Vgl. Bazerman, M.H. (2002), S.141. Vgl. Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.299f. Ansatzweise konnte dies auch empirisch nachgewiesen werden, vgl. Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.56. Zu einem gegenteiligen Ergebnis bzgl. der Wirkung von exakten Informationen über Präferenzen des Gegenübers kommen Stuhlmacher, A.F./Champagne, M.V. (2000), S.482ff., die feststellen, dass diese Informationen zu geringeren eigenen Verhandlungszielen, geringeren Erstangeboten und größeren Konzessionen führen als im Fall, wenn diese Informationen fehlen. Sie erklären dies mit einem „social convention“-Effekt, der eine faire Verteilung der Verhandlungsmasse bei Wissen über die Präferenzen der Gegenpartei bereits berücksichtigt. Vgl.; Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.630; Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.372f.; Weingart, L.R. et al. (1990), S.25; Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211; Olekalns, M./Smith, P.L./Walsh, T. (1996), S.74; Greenhalgh, L./Chapman, D.I. (1998), S.481; Olekalns, M./Smith, P.L. (2000), S.541; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.189; Giebels, E./De Dreu, C.W./Van de Vliert, E. (2000), S.267; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.244; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110. Weingart, L.R. et al. (1990), S.28. Einschränkend ist zu dieser Studie allerdings zu sagen, dass die Autoren nicht zwischen priority und positional information sharing unterscheiden, was sie zu einem späteren Zeitpunkt als nötig erachten. Vgl. Weingart, L.R./Olekalns, M./Smith, P.L. (2004), S.443. Nach Rubin, J.Z./Brown, B.R. (1975), S. 199 ist darunter „the extent to which bargainers are sensitive to interpersonal aspects of their relationship with one another” zu verstehen. Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.373.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
135
eine höhere Kooperationsbereitschaft signalisiert und im Gegensatz zur Preisgabe von Information keine falschen oder irrelevanten Angaben machen kann.501 In den uns bekannten Studien wird die Wirkung des Informationsaustausches über Prioritäten und Präferenzen auf den individuellen Verhandlungserfolg nur von KERN/BRETT/ WEINGART untersucht. In ihrer Betrachtung einer Vierparteienverhandlung stellen sie eine positive Wirkung des Informationsaustausches über Prioritäten auf den individuellen Verhandlungserfolg für Verhandelnde mit kooperativer, nicht jedoch mit individualistischer Motivation fest.502 3.3.3.2.2 Paketofferten Paketofferten ermöglichen integrativere Verträge durch zweierlei Mechanismen: Sie erlauben einerseits logrolling, also die Konzession von Partei A in einem für sie weniger wichtigen, aber für B bedeutenden Verhandlungsgegenstand für eine Konzession von B in einem Verhandlungsgegenstand mit hohem Wert für A und geringerer Wichtigkeit für B. Andererseits können mit Paketofferten auch indirekt Informationen über Prioritäten ausgetauscht werden.503 Dies sei an einem kleinen Beispiel verdeutlicht.504 Beinhaltet die Paketofferte 1a der Partei A mehrere Themenkomplexe, denen beide Parteien unterschiedliche Prioritäten beimessen, und Partei B hat ein Gegenangebot 1b vorgelegt, so könnte A das nächste Angebot 2a so wählen, dass dieses B verglichen mit dem Angebot 1a einen möglichst großen Nutzenzuwachs verspricht, während es zu keiner Nutzenminderung für A kommt. Kommt es zu einer Reihe von solch reziproken Paketofferten, können beide Parteien Informationen über Prioritäten und Präferenzen von sich selbst indirekt preisgeben und über die andere Partei gewinnen.505 Mit diesen Informationen fällt es Partei A dann leichter, in einem für B besonders wichtigen Themenkomplex stark nachzugeben und dafür große Zugeständnisse in einem für sie selbst priorisierten Verhandlungsgegenstand zu erlangen. Statt zu einem Kompromiss kommt es zu
501 502 503 504 505
Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.377. Vgl. Kern, M.C./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2005), S.31. Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.363. Vgl. zu Illustrationszwecken auch Raiffa, H. (1982), S.158. Zu diesem auch als heuristic trial and error process bezeichneten Verhalten vgl. auch Kelley, H.H. (1966), S.69ff.; Kelley, H.H./Schenitzky, D.P. (1972), S.319ff.
136
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
einem effizienteren Interessensausgleich. Besonders wichtig wird die indirekte Informationsaustauschfunktion der Paketofferten dann, wenn sich der direkte Austausch von Informationen über Prioritäten schwierig gestaltet, bspw. wenn sich beide Parteien zu wenig vertrauen und Angst haben, bei der direkten Preisgabe von Informationen über Prioritäten von der anderen Partei opportunistisch ausgenutzt zu werden. Als eine extreme Form der Paketofferte, die in Mehrthemenverhandlungen sowohl den eigenen Verhandlungsgewinn als auch die Vertragseffizienz positiv beeinflussen kann, nennt THOMPSON die Strategie der simultanen, multiplen Paketofferten. Bei dieser Strategie präsentiert eine Partei A der Partei B zu einem bestimmten Zeitpunkt während der Verhandlung mehrere, verschiedene Angebote mit Lösungsvorschlägen für alle Verhandlungsgegenstände, die für A alle denselben relativ hohen Nutzen besitzen. Wählt B nun eines dieser Angebote als weitere Verhandlungsgrundlage aus, dann wird dies das für B beste, also das insgesamt effizienteste Angebot sein.506 Die Ergebnisse der empirischen Überprüfungen der positiven Wirkung von Paketofferten auf die Effizienz eines Abkommens sind gemischt. Die Mehrzahl der Studien konnte die positive Wirkung von vermehrten Paketofferten auf die Effizienz nachweisen.507 WEINGART et al. kommen hingegen zu einem anderen Ergebnis: In ihrer Studie führen vermehrte Paketofferten vor allem dazu, dass weniger direkte Informationen über Präferenzen und Prioritäten ausgetauscht werden, und ineffizientere Verhandlungsergebnisse die Folge sind.508
506
507
508
Vgl. dazu Thompson, L. (2005), S.81ff. Der Erfolg der Strategie der simultanen, multiplen Paketofferten für die anwendende Partei liegt darin begründet, dass 1.) ein aggressiver kognitiver Anker zu den eigenen Gunsten gesetzt werden kann, 2.) Informationen sowohl gut transportiert als auch gewonnen werden können, 3.) durch die Auswahlmöglichkeit der Gegenpartei das eigene Beharrungsvermögen steigt und 4.) dadurch gleichzeitig die Aversion vor Konzessionen der Gegenpartei gemindert wird. Vgl. auch Bazerman, M.H. (2002), S.130. Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.626; Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.374; Weingart, L.R./Bennett, R.J./Brett, J.M. (1993), S.509; Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.189; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.239 u. 248; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110ff. In der letzten Untersuchung waren vermehrte Paketofferten vor allem in Dyaden mit individualistisch motivierten Verhandelnden das Mittel, um zu effizienten Verträgen zu gelangen, während kooperative Verhandelnde mit einem effizienten Verhandlungsergebnis weniger Paketofferten verwendeten als erwartet. Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.27.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
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TUTZAUER/ROLOFF finden außerdem Unterstützung für ihre Hypothese, dass Paketofferten bei hohen Zielpunkten der Verhandlungspartner durch die höhere Effizienz auch zu mehr Ergebniszufriedenheit führen.509 In einer 4-Parteien-Verhandlung führen Paketofferten neben höherer Effizienz auch zu wesentlich höheren Einigungshäufigkeiten.510 3.3.3.2.3 Prozessmanagement Unter Prozessmanagement werden in Verhandlungen die Handlungen und die Kommunikation verstanden, die als direktes Ziel nicht den Abschluss eines Vertrages haben, sondern die positive Beeinflussung des Verhandlungsprozesses und der Verhandlungsatmosphäre. Typisches Prozessmanagement kann den Vorschlag und die Annahme von Grundsätzen (Gerechtigkeitsprinzipien, Kommunikationsregeln, etc.) zu einer Verhandlung beinhalten oder den Vorschlag, von einem Teilbereich der Verhandlung, wenn diese ins Stocken gerät, zu einem anderen Teilbereich zu wechseln. Da es sich beim Prozessmanagement größtenteils um Verhaltensweisen handelt, die darauf zielen, die Verhandlung einem Abschluss näher zu bringen, wird es u.a. angewandt, um x
aus einem Teufelskreis von Sequenzen distributiver Taktiken zu entkommen,511
x
in einer anfänglich als sehr schwierig erscheinenden Verhandlung wenigstens ein Übereinkommen über gewisse Regeln treffen zu können, wenn schon ein Abkommen über die Substanz in weiter Ferne scheint,512
x
ein drohendes Scheitern von Verhandlungen zu verhindern, wenn eine Partei durch die andere in eine Situation des „take it or leave it“ gebracht wurde,513
Dennoch sind die einzelnen Elemente des Prozessmanagements dahingehend zu unterscheiden, ob sie den Abschluss effizienter Verträge eher fördern oder behindern. Einer integrativen Grundorientierung sind die folgenden Elemente des Prozessmanagements zuzuordnen: 509 510 511 512 513
Vgl. Tutzauer, F./Roloff, M.E. (1988), S.374. Vgl. Weingart, L.R./Bennett, R.J./Brett, J.M. (1993), S.510. Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.248. Vgl. Thompson, L. (2005), S.87; Gillespie, J.J./Bazerman, M.H. (1998), S.150ff. Vgl. die Beispiele bei Thompson, L. (2005), S.55.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
138
x
Vorschlag, mehrere Themenkomplexe einer Verhandlung gemeinsam zu behandeln.514 Die Behandlung mehrerer Verhandlungsgegenstände auf einmal erlaubt logrolling, also gleichzeitige gegenseitige Konzessionen, die dem jeweils konzedierenden Partner weniger Verlust zufügen, als sie der anderen Partei Gewinn bringen.
x
Vorschlag der verzögerten Reziprozität, bei der eine Partei eine Konzession anbietet, um die Zusage zu einem späteren, noch nicht definierten Entgegenkommen der Gegenpartei zu erreichen.515 Verzögerte Reziprozität macht ebenfalls logrolling möglich, allerdings zeitlich entkoppelt.
x
Vorschlag des Prinzips „Nothing is agreed until everything is agreed“.516 Wird für einzelne Teilbereiche der Verhandlung vorzeitig eine Einigung erzielt, so kann das Einfrieren dieses Teilbereich dazu führen, dass integratives Potenzial ungenutzt bleibt. Es wäre dann möglich, dass nicht die gesamten Prioritätsunterschiede bzgl. aller Themenbereiche zwischen den Parteien zu einem effizienten Interessenausgleich genutzt werden, da einfache, d.h. wenig Nutzen mindernde Konzessionen, die eine Partei innerhalb des bereits geklärten Teilbereichs anbieten könnte, nicht mehr möglich sind.
Hingegen werden auf den Prozess gerichtete Äußerungen einer Partei, die sich auf einen einzelnen Themenkomplex beziehen, einer distributiven Grundorientierung zugeschrieben.517 Dazu gehören die Vorschläge, jeden Themenkomplex einzeln zu verhandeln und sich auf einen Kompromiss bezüglich einzelner Verhandlungsgegenstände zu einigen.518 Solche Verhaltensweisen werden daher nicht unter dem Begriff des Prozessmanagements subsumiert.
514
515
516 517
518
Vgl. Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1210; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.183. Vgl. Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1210; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.183. Raiffa, H./Richardson, J./Metcalfe, D. (2002), S.290. Vgl. Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1210; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.185; Kern, M.C./Brett, J.M./Weingart, L.R. (2005), S.29. Vgl. Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1210; Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.183, sowie Abschnitt 3.3.3.1.2.
Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion
139
Die Wirkung der Anwendung des Prozessmanagements wurde auch empirisch überprüft. Der angenommene positive Einfluss auf die Verhandlungseffizienz konnte dabei bestätigt werden.519
519
Vgl. Pruitt, D.G./Lewis, S.A. (1975), S.626, deren Prozessvariable „proposes general approach“ dem hier beschriebenen Prozessmanagement zugeordnet werden kann. Vgl. auch Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110, die zeigen, dass kooperativ motivierte Verhandelnde, die effiziente Verträge abschließen, mehr Prozessmanagement verwenden, als zufällig erwartet würde.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
140
3.4
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und
Geschäftsbeziehung - das Hypothesengerüst Mit der Einführung und Diskussion aller für die Erklärung von Verhandlungsverhalten und Verhandlungsergebnissen als notwendig erachteten Variablen kann im Folgenden das verhaltenswissenschaftliche Verhandlungsmodell von NEALE/NORTHCRAFT vollends konkretisiert und in Hypothesenform gebracht werden. Wie bei der Diskussion der dynamischen Variablen der Verhandlung deutlich wurde, müssen in das Modell sowohl dyadische Größen Eingang finden, als auch solche, die sich auf jeweils eine Partei beziehen. Da ein Ziel der Arbeit darin besteht, die Wirkung unterschiedlich guter BATNAs und damit unterschiedliche Verhandlungsmacht auf der Anbieterseite zu untersuchen, beschränken wir uns in der Konkretisierung des Modells auf die Anbieterseite, wenn die Verhandlungszufriedenheit und der individuelle Verhandlungsgewinn und ihre Determinanten betrachtet werden.520 3.4.1
Einfluss der Kontextvariablen auf die dynamischen Variablen der Verhandlung
3.4.1.1 Art der Marktpartnerschaft und Verhandlungsinteraktion Interaktionen zwischen Marktpartnern, die sich entweder in einer ET oder in einer andauernden GB gegenüberstehen, werden von der Art der Marktpartnerschaft beeinflusst. Hinsichtlich der konkreten Verhandlung spielen besonders die Ausprägungen des Vertrauens, Commitments und Wissens in ET und GB eine Rolle. Vertrauen von A in B bestimmt sich aus der Glaubwürdigkeit und dem Wohlwollen von B. Aufgrund der vergangenheitsbezogenen Aspekte beider Vertrauensdimensionen ist das Vertrauen in GBen i.d.R. stärker ausgeprägt als in ETen. Vertrauen reduziert die wahrgenommene Unsicherheit von A, dass B sich opportunistisch verhalten könnte. Opportunismus ist in Verhandlungen vorrangig bzgl. des Informationsaustausches über Prioritäten möglich,521 indem die opportunistisch handelnde
520
521
Bei der von uns gewählten Auswertungsmethode für das Gesamtmodell, der Schätzung eines Strukturgleichungsmodells mit PLS, würde die simultane Betrachtung der individuellen Größen beider Parteien dazu führen, dass alle dyadischen Größen doppelt in die Analyse eingehen müssten, was aufgrund der statistischen Abhängigkeit zu falschen Schätzergebnissen führen könnte. Bei einem oder mehreren interessenkompatiblen Verhandlungsgegenständen kommt auch die Verschleierung der wahren Präferenzen als opportunistisches Verhalten einer Partei in Frage, vgl. O'Connor, K.M./Carnevale, P.J. (1997), S.504ff.
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
141
Partei die Prioritäten der offeneren Partei wahrheitsgemäß erfährt, die eigenen Prioritäten aber derart verschleiert, dass sie aus einem folgenden, scheinbaren Interessenausgleich durch logrolling einen höheren individuellen Gewinn erzielt als dies bei wahrheitsgemäßer Angabe der eigenen Prioritäten möglich gewesen wäre. Es kann daher vermutet werden, dass sich das höhere Vertrauen in GBen positiv auf den Informationsaustausch über Prioritäten auswirkt. Die Erkenntnisse von Untersuchungen zur Wirkung von Vertrauen in Verhandlungen legen nahe, dass Vertrauen allgemein einen positiven Effekt auf die Anwendung integrativen Verhaltens und einen negativen Effekt auf die Anwendung distributiven Verhaltens besitzt.522 Die Entstehung von Commitment ist an eine GB gebunden. Die vergangenheitsbezogene instrumentelle Komponente von Commitment drückt die Bindung an den Geschäftspartner aus und wird bestimmt durch die materiellen und immateriellen Werte, die nur in dieser GB ihren Nutzen entfalten können. Die gegenwarts- und zukunftsbezogene attitudinale Komponente von Commitment manifestiert sich in gemeinsamen Werten und Zielen der Geschäftspartner und wirkt somit Opportunismus mindernd. Die Vermeidung von Konflikt, der sich in Verhandlungen zuvorderst durch übermäßiges distributives Verhalten ausdrückt, sowie ein höheres Maß an Kooperation, in Verhandlungen also integratives Verhalten, lassen sich folglich aus der attitudinalen Komponente des Commitments in GBen ableiten.523 Weiterhin wird erwartet, dass sich das Wissen, das sich in GBen auf beiden Seiten über den Partner und die bisherigen Interaktionen angesammelt hat, auf die Verhandlungsinteraktion auswirkt. Faktenwissen über Prioritäten, Ressourcen und Fähigkeiten des Geschäftspartners stellt bereits einen besseren Einblick in seine Präferenzstruktur dar. Somit müssen während der Verhandlung möglicherweise weniger Informationen ausgetauscht werden; die Parteien können durch vermehrtes logrolling schneller zu einem effizienten Verhandlungsergebnis gelangen. Das Methodenwissen der Geschäftspartner in einer GB bezieht sich auf Vorgehensweisen in der Verhandlung, die in der Vergangenheit erfolgreich waren. Sollte die Verhandlung nicht so verlaufen wie erhofft, indem sich die Verhandlungspartner bspw. in einer Sequenz von distributiven Verhaltensweisen verfangen, dann ist aufgrund des
522 523
Vgl. Fußnote 234. Vgl. Abschnitt 3.1.3.2.
142
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
Methodenwissens in GBen eher damit zu rechnen, dass die Parteien Prozessmanagement anwenden, um wieder einen erfolgreicheren Verhandlungsverlauf herbeizuführen. Aufgrund der unterschiedlichen Ausprägungen von Vertrauen, Commitment und Wissen in GBen und ihren erwarteten Effekten auf die dynamischen Größen der Verhandlungsinteraktion gelangen wir zu folgenden Hypothesen: H4a: Marktpartner in Geschäftsbeziehungen wenden mehr integratives Verhalten an als solche in Einzeltransaktionen. H4b: Marktpartner in Geschäftsbeziehungen wenden weniger distributives Verhalten an als solche in Einzeltransaktionen. 3.4.1.2 Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion Die Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen zwei Verhandlungspartnern stellt einen weiteren wichtigen Einflussfaktor auf die Verhandlungsinteraktion dar. Für die konkrete Verhandlung determinieren die BATNAs der Parteien die jeweilige Abhängigkeit vom Geschäftspartner: Eine gute BATNA des Anbieters macht ihn weniger abhängig vom Nachfrager als eine schlechte, er ist demnach bei konstanter BATNA des Nachfragers mit relativ mehr Verhandlungsmacht ausgestattet.524 Betrachtet man außerdem die schlechte BATNA des Anbieters bei weiterhin konstanter BATNA des Nachfragers als Referenz für eine ausgeglichene Macht-Abhängigkeitsrelation zwischen den Parteien, so verursacht eine gute BATNA des Anbieters eine Machtasymmetrie. Sowohl der Verhandlungsmachtvorteil des Anbieters mit einer guten BATNA als auch die daraus entstehende Verhandlungsmachtasymmetrie lassen einen Einfluss auf die Verhandlungsinteraktion erwarten. Der Verhandlungsmachtvorteil des Anbieters stellt eine individuelle Größe dar und wurde in vielen Untersuchungen als Erklärung für einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn bestätigt.525 Bisher ist allerdings empirisch noch nicht nachgewiesen worden, welche dynamischen Variablen der Verhandlung den Verhandlungsmachtvorteil in einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn transformieren. Als Prädikatoren für einen hohen
524
525
Dasselbe gilt für den Nachfrager: Hat dieser eine gute BATNA, so ist er weniger abhängig vom Anbieter als bei einer schlechten BATNA. Vgl. Fußnote 358.
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
143
individuellen Verhandlungsgewinn wurden in Abschnitt 3.3.2 die dynamischen Variablen Verhandlungsziele und Erstangebote diskutiert. In den uns bekannten Untersuchungen wurden positive Korrelationen zwischen einem Verhandlungsmachtvorteil und Verhandlungszielen und Erstangeboten nachgewiesen. Aufgrund von Überlegungen hinsichtlich des zeitlichen Ablaufs einer Verhandlung ist jedoch zu erwarten, dass ein Verhandlungsmachtvorteil die Verhandlungsziele positiv beeinflusst, während diese wiederum zu einem hohen Erstangebot führen.526 Daher formulieren wir folgende Hypothese: H5: Eine hohe BATNA des Anbieters führt gegenüber einer geringeren BATNA zu einem höheren Verhandlungsziel. Die Verhandlungsmachtasymmetrie spiegelt eine dyadische Größe wider, die das Kräfteverhältnis zwischen den Verhandlungspartnern beschreibt. Aufgrund des Machtvorteils zugunsten des Anbieters ist zu erwarten, dass dieser den Machtvorteil durch Machtanwendung in einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn umzusetzen versucht. Neben hohen Verhandlungszielen und einem hohen Erstangebot dient dazu das distributive Verhalten, insbesondere das kompetitive Verhalten. Wie in Abschnitt 3.3.3 diskutiert wurde, wird insbesondere distributives Verhalten einer Partei von der anderen häufig reziprok beantwortet. Somit ist anzunehmen, dass vermehrtes distributives Verhalten eines Anbieters mit einer guten BATNA beim Nachfrager ebenso vermehrtes distributives Verhalten hervorruft, während ein Anbieter mit einer schlechten BATNA gegenüber dem Nachfrager c.p. keinen Machtvorteil besitzt und ihn somit auch nicht anzuwenden versucht. Aus dieser Argumentation ergibt sich die folgende Hypothese: H6: In einer Dyade mit Verhandlungsmachtasymmetrie (Anbieter mit guter BATNA) tritt
mehr
distributives
Verhalten
auf
als
in
einer
Dyade
mit
Verhandlungsmachtsymmetrie (Anbieter mit schlechter BATNA).
526
Dieser Überlegung wurde auch in der empirischen Untersuchung Rechnung getragen: Die Verhandelnden mussten vor Beginn der Verhandlung ihr Verhandlungsziel angeben. Vgl. Abschnitt 4.1.2.3.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
144
3.4.2
Einfluss der dynamischen Variablen der Verhandlung auf die Verhandlungsergebnisse
3.4.2.1 Determinanten der Verhandlungseffizienz In Verhandlungen mit mehreren Verhandlungsgegenständen besteht bei unterschiedlicher Wichtigkeit der einzelnen Gegenstände für die Verhandlungspartner die Möglichkeit, die jeweiligen Interessen in einem gewissen Maße zu integrieren. Um zu einem integrativen Interessenausgleich zu gelangen, müssen die Parteien ein Verständnis für die Interessen des Partners entwickeln, die sich in vielen Verhandlungen hinter den geäußerten Positionen einer Partei verbergen. Dazu können die Parteien den expliziten Austausch von Informationen über ihre jeweiligen Prioritäten ebenso verwenden wie das Verhandeln von Paketofferten oder das Vereinbaren bestimmter Verhandlungsprinzipien, das in Abschnitt 3.3.3.2.3 als Prozessmanagement bezeichnet wurde. Diese Verhaltensweisen ermöglichen auf unterschiedliche Art und Weise einen Interessenausgleich, der einen effizienten Vertrag darstellt. Gemeinsam bilden sie das integrative Verhandlungsverhalten, das für effiziente Verträge verantwortlich gemacht wird: H7: Integratives Verhandlungsverhalten steigert die Verhandlungseffizienz. Demgegenüber steht das so genannte distributive Verhandlungsverhalten. Es wird als solches bezeichnet, weil eine Partei durch seine Anwendung versucht, die Aufteilung der Verhandlungsmasse zu den eigenen Gunsten zu beeinflussen. Dies soll dadurch geschehen, dass die andere Partei die eigenen Beeinflussungsversuche als solche erkennt und akzeptiert und daraufhin zu einer Konzession bereit ist.527 Häufig geschieht das allerdings nicht, sondern sie antwortet ebenfalls mit distributivem Verhalten. Über solche Sequenzen des distributiven Verhaltens, die nur die Aufteilung der Verhandlungsmasse zum Ziel haben, beanspruchen die Verhandelnden so viele kognitive Kapazitäten, dass sie weniger darauf achten, durch kreative Problemlösung einen integrativeren Interessenausgleich zu suchen.528 In Übereinstimmung
527
528
Von den in Abschnitt 3.3.3.1 diskutierten Verhaltensweisen müssen die Täuschung und Lüge hier ausgenommen werden. Wenn eine Lüge von A durch B geglaubt wird, dann erkennt B nicht den Beeinflussungsversuch von A und hat daher auch keinen Grund mit einer distributiven Verhaltensweise zu antworten. Vgl. Fußnote 366.
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
145
mit den bisherigen Erkenntnissen zu distributiven Verhaltensweisen gelangen wir zu folgender Hypothese: H8: Distributives Verhandlungsverhalten mindert die Verhandlungseffizienz. 3.4.2.2 Determinanten des individuellen Verhandlungsgewinns Aufgrund der Betrachtung unterschiedlich guter BATNAs auf Anbieterseite beschränken wir uns bei der Erklärung des individuellen Verhandlungsgewinns ebenfalls auf den Anbieter. Drei prinzipielle Mechanismen werden aufgrund der Betrachtung der dynamischen Variablen der Verhandlung für das Zustandekommen eines hohen individuellen Verhandlungsgewinns verantwortlich erachtet: Das Zusammenwirken von Verhandlungszielen und Erstangeboten, Täuschung und Lüge sowie die erreichte Verhandlungseffizienz. Erstens ist damit zu rechnen, dass sich ein hohes Verhandlungsziel des Anbieters positiv auf seinen individuellen Verhandlungserfolg auswirkt. Parteien mit einem hohen Verhandlungsziel legen höhere Erstangebote vor und neigen weniger schnell zu Konzessionen. Wie bereits diskutiert, muss sich ein solches Verhandlungsziel auch in der Verhandlungsinteraktion niederschlagen, so dass wir folgende Zusammenhänge erwarten:529 H9a: Die Höhe des Verhandlungsziels des Anbieters beeinflusst die Höhe seines ersten Angebots positiv. H9b: Die Höhe des Verhandlungsziels des Nachfragers beeinflusst die Höhe seines ersten Angebots positiv. Um weitere Aussagen über die Determinanten des individuellen Gewinns des Anbieters zu treffen, muss auch betrachtet werden, welche Partei das allererste Angebot vorlegt. Die Partei, die das erste Angebot in einer Verhandlung macht, setzt damit einen kognitiven Anker und beeinflusst die Höhe des ersten Gegenangebots.530 Da in distributiven Verhandlungen mehrfach gezeigt werden konnte, dass sich Parteien häufig in der Mitte zwischen dem Erstangebot und dem ersten Gegenangebot einigen, kommen wir zu folgenden Hypothesen, die das Zusammenwirken von Erstangebot und erstem Gegenangebot als direkte Determinanten des individuellen Gewinns des Anbieters ausdrücken:
529 530
Vgl. dazu auch Carnevale, P.J./De Dreu, C.K.W. (2006), S.59. Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
146
H10a: Macht der Anbieter das erste Angebot in der Verhandlung, so hat dies eine negative Wirkung auf die Höhe des ersten Gegenangebots des Nachfragers. H10b: Macht der Nachfrager das erste Angebot in der Verhandlung, so hat dies eine negative Wirkung auf die Höhe des ersten Gegenangebots des Anbieters. H11a: Die Höhe des ersten Angebotes des Anbieters wirkt positiv auf seinen individuellen Gewinn. H11b: Die Höhe des ersten Angebotes des Nachfragers wirkt negativ auf den individuellen Gewinn des Anbieters. Ein zweiter Weg, den eigenen Verhandlungsgewinn zu steigern, besteht für den Anbieter darin, den Nachfrager bezüglich der eigenen Kostenstruktur oder den eigenen Prioritäten glaubhaft zu täuschen, insbesondere wenn das Verhandlungsergebnis bezüglich des vom Nachfrager zu zahlenden Preises für ein bestimmtes Leistungspaket stark kostengetrieben ist. Zwar können Lügen, wenn die Täuschung entdeckt wird, zu einem Gesichtsverlust der jeweiligen Partei und entsprechenden Nachteilen in der Verhandlung führen,531 doch lässt sich bei gezielten (d.h. insgesamt wenigen) und maßvollen Übertreibungen des Anbieters eher ein positiver Effekt der Täuschung auf seinen individuellen Gewinn erwarten. H12: Maßvolle und gezielte Täuschungen des Anbieters wirken positiv auf seinen individuellen Verhandlungsgewinn. Der dritte Weg zur Steigerung des individuellen Verhandlungsgewinns des Anbieters ist ein probabilistischer: Wenn beide Parteien dazu beitragen, den gemeinsamen Gewinn zu maximieren, also alle Effizienzpotenziale der Verhandlung zu nutzen, dann wird die Verhandlungsmasse insgesamt vergrößert. Eine insgesamt größere Verhandlungsmasse bedeutet c.p., dass beide Parteien einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn erwarten können. Aus Anbietersicht stellt sich diese Wahrscheinlichkeitsüberlegung folgendermaßen dar: H13: Die Verhandlungseffizienz wirkt positiv auf den individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters.
531
Vgl. Thompson, L. (2005), S.47.
Verhandlungsmacht und Verhandlungsinteraktion in Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung
147
3.4.2.3 Determinanten der Verhandlungszufriedenheit Die Verhandlungszufriedenheit stellt wie der individuelle Verhandlungsgewinn des Anbieters eine Individualgröße dar. Ihr Zustandekommen kann auch in Verhandlungen mit dem Expectancy-Disconfirmation-Paradigma erklärt werden. Ausgehend von bestimmten Erwartungen, die in einer Verhandlung in erster Linie durch das Verhandlungsziel gegeben sind, gleicht der Verhandelnde diese mit dem tatsächlichen Verhandlungsergebnis ab. Bei einer positiven Abweichung, wenn also die Erwartungen übererfüllt werden, stellt sich Zufriedenheit ein; ist die Abweichung negativ, ist der Verhandelnde eher unzufrieden. Wir erwarten daher folgenden Zusammenhang von Verhandlungszielen, individuellem Verhandlungsgewinn des Anbieters und seiner Verhandlungszufriedenheit: H14: Die Höhe des Verhandlungsziels des Anbieters wirkt negativ auf seine Zufriedenheit. H15: Die Höhe des individuellen Verhandlungsgewinns des Anbieters wirkt positiv auf seine Zufriedenheit. Die Verhandlungszufriedenheit lässt sich allerdings nicht allein mit den Erwartungen und dem individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters erklären. Da es sich bei der Verhandlungszufriedenheit um eine affektive Evaluierung des Bezugsobjektes Verhandlung handelt, muss auch der Effekt betrachtet werden, den die Verhandlungsinteraktion vermuten lässt: Während vermehrtes integratives Verhalten zur Problemlösung beiträgt und daher von den Verhandlungspartnern als angenehm empfunden wird, spiegelt das distributive Verhalten Konflikt wider und wird folglich als unangenehm empfunden. Wir erwarten daher folgende Einflüsse der Verhandlungsinteraktion auf die Zufriedenheit des Anbieters: H16a:
Vermehrtes
integratives
Verhalten
beider
Parteien
steigert
die
Verhandlungszufriedenheit des Anbieters. H16b: Vermehrtes distributives Verhalten beider Parteien wirkt sich negativ auf die Verhandlungszufriedenheit des Anbieters aus.
Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells
148
3.4.3
Zusammenfassung: Das Gesamtmodell
Um die Verständlichkeit der als erklärungsrelevant betrachteten Hypothesen in einem Gesamtzusammenhang zu erhöhen, bietet es sich an, die einzelnen erwarteten Wirkungen in einem Gesamtmodell zusammenzufassen. Abbildung 19 zeigt daher die Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen
Verhandlungsmodells
von
NEALE/NORTHCRAFT
unter
besonderer Berücksichtigung des strukturellen Kontextfaktors „Verhandlungsmacht“ sowie des Parteien-als-Kontext-Faktors „Art der Marktpartnerschaft“.
Art der Marktpartnerschaft
Integratives Verhandlungsverhalten beider Parteien
H4a
H7 H16a
H4b
Einzeltransaktion: 1 Geschäftsbeziehung: 2
Distributives Verhandlungsverhalten beider Parteien
Verhandlungseffizienz
H8
H13 H16b
H6
Schlechte BATNA: 1 Gute BATNA: 2 (jeweils des Anbieters, BATNA des Nachfragers konstant)
Verhandlungszufriedenheit des Anbieters
H14
Verhandlungsmacht H5
Verhandlungsziel des Anbieters
Allererstes Angebot Anbieter: 1 Nachfrager: 0 Verhandlungsziel des Nachfragers
Höhe des Erstangebots des Anbieters
H9a
H9b
H10b
H15 H11a
H10a
Individueller Verhandlungsgewinn des Anbieters
H11b Höhe des Erstangebots des Nachfragers
H12
Täuschung des Anbieters
Kontext (statisch)
Dynamische Variablen der Verhandlung
positiver erwarteter Einfluss
Verhandlungsergebnisse
negativer erwarteter Einfluss
Abbildung 19: Die Konkretisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells von NEALE/NORTHCRAFT in einem Pfadmodell.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
4
149
Forschungsmethodik und Ergebnisse
Die Überprüfung der theoretisch diskutierten Zusammenhänge zwischen Kontextfaktoren, dynamischen Variablen und Ergebnissen der Verhandlung in Form der abgeleiteten Hypothesen macht ein Forschungsvorgehen notwendig, das einen ausreichend großen und umfangreichen Datensatz bereitstellen und verarbeiten kann. Um eine ausreichend große Fallzahl zu erreichen, ist zur Verhandlungsanalyse der Rückgriff auf ein experimentelles Vorgehen unumgänglich. Zur Untersuchung der hier aufgeworfenen Fragestellung war dazu die Entwicklung einer Rollenspiel-Simulation nötig, mithilfe derer erstmals die experimentelle Manipulation GB vs. ET in einer Verhandlungsstudie möglich wurde. Aufgrund des experimentellen Vorgehens konnten außerdem unerwünschte Störeffekte ausgeblendet und insbesondere die gesamte Verhandlungsinteraktion aufgezeichnet werden. Um dem Teilziel dieser Arbeit nachzukommen, die dynamischen Variablen der Verhandlung in die Analyse einzubeziehen, musste die gesamte Verhandlungsinteraktion mit einem geeigneten Instrument quantifiziert werden.532 Da sich eine fragebogengestützte nachträgliche Abfrage des wahrgenommenen Verhandlungsverhaltens aufgrund der zu erwartenden starken self report biases verbot, wurde dazu ein Kategoriensystem zur Verhandlungskodierung entwickelt und eine Inhaltsanalyse durchgeführt. Die so aufbereiteten Daten aus dem Experiment und der Inhaltanalyse konnten dann zur empirischen Überprüfung der aufgestellten Hypothesen verwendet werden. Dazu bot sich ein zweistufiges Verfahren an: Während die vermutete Wirkung der Kontextvariablen auf die ökonomischen Verhandlungsergebnisse mithilfe einer MANOVA533 überprüft wurden (H1 – H3), wurde zur Untersuchung der vermuteten Gesamtzusammenhänge von Kontextvariablen, dynamischen Variablen der Verhandlung und Verhandlungsergebnissen (H4 – H16b) ein Strukturgleichungsmodell mithilfe des PLS-Algorithmus534 geschätzt.
532
533 534
Vgl. allgemein zur Quantifizierung qualitativer Daten in der betriebswirtschaftlichen Forschung Srnka, K.J./Koeszegi, S.T. (2007)., S.34ff. MANOVA steht für Multivariate ANalysis Of VAriance, vgl. ausführlich Abschnitt 4.3.2.1. PLS steht für Partial Least Squares, vgl. ausführlich Abschnitt 4.3.3.1.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
150
4.1
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
4.1.1
Die Laborforschung in der Verhandlungsanalyse
Die Forschungsmethodik im Rahmen dieser Arbeit ist in erster Linie durch das Untersuchungsobjekt „Verhandlung“ determiniert. Folgende Einflussfaktoren spielen für die Wahl der Forschungsmethodik eine entscheidende Rolle: (1) Verhandlungen finden zwischen mindestens zwei Parteien statt. Dies macht eine dyadische Betrachtungsweise notwendig. (2) Empirisches Material über die wichtigsten ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Größen realer Verhandlungen liegt kaum vor, so dass sich eine Sekundäranalyse verschließt. (3) Der Zugang des Forschers zu realen Verhandlungen ist sehr stark beschränkt.535 (4) Die Untersuchung realer Verhandlungsprozesse und -ergebnisse ist aufgrund des Zugangs höchstens anhand von kleinsten Stichprobenumfängen möglich. Aus diesen Gründen wurde eine experimentelle Vorgehensweise gewählt, in der Versuchspersonen in einem Rollenspiel eine reale Verhandlung simulieren. Wir bewegen uns damit in der Tradition der verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsforschung.536 Der größte Vorteil des experimentellen Vorgehens liegt darin, dass Kausalzusammenhänge zwischen Variablen besonders gut untersucht werden können.537 Einerseits können durch Manipulationen
535
536
537
Backhaus, K. (2003) stellt dies mit konkretem Bezug auf Transaktionen auf Industriegütermärkten fest (S.154): „Verhandlungsprozesse in der betrieblichen Praxis sind für den Forscher nur schwer zugänglich. Es liegen keine in allen Punkten überzeugenden Datenerhebungsmethoden vor.“ Die einzige uns bekannte quantitative Untersuchung einer realen Verhandlung findet sich bei Donohue, W.A./Diez, M.E./Hamilton, M. (1984). Als zweite grundsätzliche Methode der Verhandlungsforschung neben der experimentellen Laborforschung gilt die Feldforschung anhand von Fallstudien, wobei die Anzahl der verhaltenswissenschaftlichen Veröffentlichungen, die auf Experimente zurückgreift, bei weitem überwiegt. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.10; De Dreu, C.K.W./Carnevale, P.J. (2005), S.198. Vgl. Kotler, P./Bliemel, F.W. (2006), S.210. Daneben gilt als ein weiterer Vorteil von Experimenten, dass sie geringere Kosten verursachen als andere Methoden zur Untersuchung von Kausalzusammenhängen – hierbei gilt natürlich, dass eine gesteigerte Realitätstreue innerhalb eines Experiments grundsätzlich zu höherem Zeitaufwand und höheren Kosten führt – und einen „sicheren Ort“ bieten, um Theorien zu überprüfen. Vgl. Pruitt, D.G. (1981), S.12; Carnevale, P.J./De Dreu, C.K.W. (2005), S.62.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
151
bestimmter Variablen direkt beeinflusst werden, andererseits erlaubt das experimentelle Vorgehen das Ausblenden von unerwünschten Störfaktoren. 538 Kriterium /Gefahr Mögliche Probleme Experimentelle Unklarheit über Manipulationen. Gruppen Experimentelle Gruppen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der sie bildenden MaEineindeutige nipulation, sondern auch bezüglich anderer Manipulation Variablen. Überlagerung der Effekte.
Externe Störfaktoren
Wirksamkeit der Manipulation
Repräsentativität
Experimenter Bias
Participant Bias
Tabelle 3:
Beeinflussung der Messung durch (1) History: Ereignisse zwischen zwei Messungen, (2) Maturation: Vom Experiment unabhängige Reifeprozesse der Versuchspersonen, (3) Testing: Ungewollte Effekte der Messungen selbst. Nicht die vorgenommene Manipulation, sondern ein anderer Einfluss ist für die Untersuchungsergebnisse verantwortlich. (1) Systematische Verzerrung durch Teilnehmeraufteilung auf experimentelle Gruppen. (2) Vorzeitiger Ausstieg von Versuchsteilnehmern. (3) Selektive Fallauswahl. Experimentleiter behandelt Teilnehmer unterschiedlicher experimenteller Gruppen unterschiedlich. Teilnehmer verhalten sich wegen Beobachtung anders als normal oder erraten die zu untersuchenden Hypothesen und verhalten sich entsprechend.
Soll-Ausprägung / Problemumgehung Einrichten einer experimentellen Gruppe als Kontrollgruppe. Vermeiden möglicher paralleler Mehrfachunterscheidungen unabhängiger Variablen. Auftreten externer Störfaktoren kontrollieren. Bei Auftreten externer Störfaktoren Untersuchungsergebnisse entsprechend interpretieren. Bei Nichtgefährdung der Repräsentativität Fallauswahl. Überprüfung der Wirksamkeit der Manipulation unabhängig von den Ausprägungen der abhängigen Variablen anhand eines Manipulation Checks. Verteilen der Teilnehmer auf die Experimentalgruppen nach dem Zufallsprinzip. Keine Fallauswahl.
Automatisieren der Prozeduren im Experiment soweit möglich. Tarnung der zu überprüfenden Hypothesen, bspw. durch unverdächtige Kontexte.
Kriterien zur Wahrung der internen Validität eines Experiments.539
Um diese Vorteile zum Tragen zu bringen, muss die Bedingung der internen Validität des Experiments erfüllt sein. Unter interner Validität versteht man „the degree to which an
538
539
Vgl. Wilkenfeld, J. (2004), S.430; De Dreu, C.K.W./Carnevale, P.J. (2005), S.194; Pruitt, D.G. (1981), S.11. Vgl. zu den einzelnen Aussagen Levine, G./Parkinson, S. (1994), S.29ff; Carnevale, P.J./De Dreu, C.K.W. (2005), S.53ff.; Klabbers, J.H.G. (2006), S.161; Hager, W./Spies, K./Heise, E. (2001), S.43; Goodwin, C.J. (2002), S.151ff.; Campbell, D.T./Stanley, J.C. (1966), S.5ff.; Backhaus, K./Blechschmidt, B./Eisenbeiß, M. (2006), S.714.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
152
experiment is methodologically sound and confound-free.“540 Die wichtigsten Anforderungen an die interne Validität sind in Tabelle 3 zusammengefasst. Die Vorteile des experimentellen Vorgehens werden allerdings durch Einschränkungen der externen Validität erkauft,541 also der Übertragbarkeit der im Labor erzielten Ergebnisse auf die Realität. Probleme der Übertragbarkeit bestehen hinsichtlich der Population (studentische Experimentteilnehmer vs. reale Verhandelnde), der Umgebung (Labor vs. reale Verhandlungssituation) sowie des Zeitpunkts (Zeitpunkt des Experiments vs. Zeitpunkt der realen Verhandlung).542 Diese Einschränkungen sind bei der Interpretation der Untersuchungsergebnisse zu beachten. Grundvoraussetzung externer Validität ist das Vorliegen von interner Validität. Für die Wahrung eines Mindestmaßes an externer Validität und mögliche Maßnahmen zu ihrer Verbesserung haben sich darüber hinaus einige Regeln herausgebildet. Entscheidend für die Realitätstreue eines Experimentes ist nicht, dass das Experiment die Realität so genau wie möglich abbildet (mundane realism), sondern dass „[the experiment] has an impact on the subjects, forces them to take matters seriously, and involves them in the procedures“543 (experimental realism). Bedeutend für die Frage, inwieweit ein experimenteller Realismus gelingt, ist der Aspekt des Kontext- und Inhaltsreichtums (content richness).544 Mehr Kontextinformationen führen prinzipiell zu einer höheren externen Validität, da die Versuchspersonen zu Verhaltensweisen angeregt werden, die eher in der Realität zu finden sind.545 Dennoch gilt, „that a model should be detailed enough to represent the important aspects of the reality it is meant to represent, but not so detailed as to overwhelm the participant with information.”546 Problematisch ist bei der Forderung nach interner und externer Validität eines Experimentes, dass sich beide Forderungen ab einem bestimmten Punkt entgegenstehen. 540 541 542 543 544 545 546 547
547
Goodwin, C.J. (2002), S.164. Vgl. Campbell, D.T./Stanley, J.C. (1966), S.5; Inbar, M./Stoll, C.S. (1972), S.278. Vgl. Goodwin, C.J. (2002), S.160ff. Goodwin, C.J. (2002), S.73; vgl. dazu auch Gundlach, G./Cadotte, E.R. (1994), S.520. Vgl. Hyder, E.B./Prietula, M.J./Weingart, L.R. (2000), S.199. Vgl. Croson, R. (2005), S.137. Wilkenfeld, J. (2004), S.435f.; vgl. dazu auch Inbar, M./Stoll, C.S. (1972), S.280f. Vgl. Klabbers, J.H.G. (2006), S.160f.
Sehr stark
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
153
kontrollierte Versuchsbedingungen kreieren unrealistische Labor-Szenarien,548 während weniger Kontrolle die interne Validität gefährdet.549 Die Notwendigkeit einer ausführlichen Diskussion von interner und externer Validität an dieser Stelle sowie deren Überprüfung im durchgeführten Experiment ergibt sich aus dem Ziel, den Einfluss von ET und GB auf Verhandlungsprozess und -ergebnis zu untersuchen. Der Untersuchungsgegenstand „Art der Marktpartnerschaft“ und sein Einfluss auf Verhandlungsprozess und -ergebnis bei der Vermarktung von Industriegütern stellt eine deutlich weniger abstrakte Fragestellung dar als bspw. die Untersuchung des Einflusses von Agenten auf eine Verhandlung, die im verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodell von NEALE/NORTHCRAFT ebenfalls in die Einflusskategorie „Parteien als Kontext“ fällt.550 Um diesem geringeren Abstraktionsgrad, also der größeren Realitätsnähe des Untersuchungsgegenstandes „Art der Marktpartnerschaft“, gerecht zu werden, verbietet sich die Verwendung eines der klassischen Verhandlungsexperimente.551 Aufgrund der damit häufig untersuchten abstrakten Fragestellungen liegt deren Fokus in erster Linie auf der internen Validität. Die Beurteilung der externen Validität und somit der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf eine bestimmte reale Verhandlungssituation bleibt unbeantwortet. Die hier relevante Fragestellung kann ohne ein Mindestmaß an externer Übertragbarkeit der Laborergebnisse auf die relevante Realität hingegen nicht beantwortet werden. Daher
548
549 550 551
Dies wird bspw. von Frazier, G.L./Summers, J.O. (1986), S.170, vorgebracht, die positive Kausalzusammenhänge von Macht und Bestrafung in Vertriebskanälen auf die zu restriktiven Bedingungen der Laborversuche zurückführen, in denen diese Zusammenhänge gefunden wurden. Vgl. Croson, R. (2005), S.136: „Context adds variance to the data.“ Vgl. Abschnitt 2.4.1.2. Ein klassisches Verhandlungsexperiment bildet eine Verhandlungssituation schematisch ab, ohne zu versuchen, eine bestimmte Verhandlungssituation möglichst realitätsnah nachzubilden. Die Verhandlungszeit ist auf eine kurze Dauer beschränkt (häufig 30 Minuten), die Rolleninformationen für die Versuchspersonen sind sehr kurz gehalten. Bei Mehrthemenverhandlungen sind die Präferenzstrukturen der Verhandlungsparteien sehr konstruiert, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass dieselben additiven Nutzenpunktesysteme in Versuchen mit völlig unterschiedlichen Kontexten verwendet werden. Ein weiteres Merkmal der gängigen Verhandlungsexperimente ist deren Einperiodigkeit. Vgl. bspw. das in Abschnitt 2.3.3 vorgestellte Modell von PRUITT/LEWIS. Eine Übersicht der in den Verhaltenswissenschaften gebräuchlichen Verhandlungsexperimente findet sich bei Carnevale, P.J./De Dreu, C.K.W. (2005), S.54ff.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
154
verwenden wir eine Rollenspiel-Simulation552 als kontextreichere Form des Laborexperimentes, deren Grundzüge im Folgenden dargestellt werden.553 Insbesondere zum Verständnis der Manipulation von ET und GB ist eine ausführlichere Darstellung des Kontextes in der Simulation gegenüber einem klassischen Verhandlungsexperiment notwendig. 4.1.2
Die Simulation ALUVAN 2006
ALUVAN 2006 ist als eine zweiperiodige, integrative Verhandlungssimulation mit zwei Verhandlungsparteien konzipiert, einem Lieferanten und einem weiterverarbeitenden Nachfrager. In jeder Periode werden mehrere, aber unterschiedliche Themenkomplexe verhandelt, wobei die Parteien zu einem Abschluss kommen können, aber nicht müssen. Damit können alle in Abschnitt 2.3.4 als relevant erachteten Maße des Verhandlungsergebnisses untersucht werden.554 Die Analyse des Einflusses der Kontextfaktoren „Art der Marktpartnerschaft“ und „Verhandlungsmacht in Form einer guten BATNA“ wurde durch Manipulation und Gruppenbildung in einem 2x2-Design ermöglicht. Der Aufbau der Simulation als mehrperiodiges Rollenspiel ist dabei insbesondere an der Manipulation ET vs. GB orientiert. Die Integration einer BATNA für beide Verhandlungsparteien machte eine bestimmte Storyline notwendig, in der das Ausweichen auf einen alternativen Geschäftspartner bei einem Scheitern der Verhandlung für beide Rollen plausibel ist. Die untersuchungsrelevanten dynamischen Variablen der Verhandlung – Verhandlungsinteraktion und Kognitionen der Verhandelnden – wurden nicht mit der Konzeption der Simulation, sondern mithilfe ihrer Durchführung berücksichtigt: Durch die Verwendung eines internetbasierten Verhandlungschats konnte die gesamte
552
553
554
Die Begriffe Rollenspiel und Simulation werden im Folgenden synonym verwendet. Der hier verwendete Begriff Rollenspiel-Simulation kommt dem englischen gaming simulation am nächsten, der für solcherart Spiele verwendet wird, vgl. bspw. Sandole, D.J.D. (2003), S.251; Kriz, W.C./Hense, J.U. (2006), S.270. Zu einer ausführlicheren Diskussion der Vorteile einer Rollenspiel-Simulation ggü. den herkömmlichen Laborexperimenten vgl. auch Inbar, M./Stoll, C.S. (1972), S.256ff. Die teilweise detaillierte Darstellung der Simulation dient zweierlei Zielen: Erstens kann nur aufgrund der Details der Simulation die zur Untersuchung der Fragestellung notwendige Manipulation der Marktpartnerschaft dargestellt werden. Zweitens soll sich der Leser selbst ein Bild über die Einhaltung der vorgenannten Validitätsüberlegungen und das experimentelle Forschungsvorgehen machen können. Dies ist zwar in den meisten, jedoch keineswegs in allen Aufsätzen der Verhandlungsanalyse der Fall. Dies sind die ökonomischen Größen Einigung bzw. Nichteinigung, individueller Verhandlungsgewinn jeder Partei und Verhandlungseffizienz sowie die verhaltenswissenschaftliche Größe der Verhandlungszufriedenheit.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
155
Verhandlungsinteraktion in Form von Protokollen festgehalten werden. Dadurch konnten neben den verschiedenen Arten des Verhandlungsverhaltens die Erstangebote anhand einer Inhaltsanalyse gewonnen werden. Die anderen erklärungsrelevanten Kognitionen der Verhandelnden „Verhandlungsziel“ und „Verhandlungszufriedenheit“ wurden unmittelbar vor bzw. nach der Verhandlung abgefragt. 4.1.2.1 Aufbau und Rahmenhandlung der Simulation Die verhandelnden Parteien in ALUVAN 2006 sind die Fera GmbH, ein Hersteller von Fenstern, und die Laten AG, Lieferant von Lösungen im Bereich der Elektrochemie. Der Entwicklungsabteilung der Fera GmbH ist es gelungen, PVC-Fensterprofile durch Galvanisierung mit Aluminium zu beschichten. Die Fera GmbH benötigt zur produktionstechnischen Umsetzung der Produktinnovation ALUVAN einen Wertschöpfungspartner. Diese neuartigen Fenster sollen zuerst auf dem deutschen Markt vertrieben werden. Für die Periode eins der Simulation, das Geschäftsjahr 2006, verhandeln beide Parteien über die Lieferung einer Galvanisierstraße, Preis und Menge der zur Galvanisierung benötigten Aluminium-Lösung sowie begleitende Vertragspunkte. Ziel jeder Partei sollte es sein, einen möglichst gewinnbringenden Vertrag zu verhandeln. Der Gewinn des Lieferanten aus der Verhandlung und dem folgenden Geschäftsjahr errechnet sich aus den Verkaufserlösen der Aluminiumlösung abzüglich der bei den anderen Verhandlungsgegenständen anfallenden Kosten sowie der Herstellkosten der Lösung. Beim Fensterhersteller ergibt sich ein Gewinn für das Geschäftsjahr über den Verkauf der produzierten Fenster. Da es sich bei dem Fenster ALUVAN um eine patentierte Produktneuheit handelt, kann die Fera GmbH auf ihrem Absatzmarkt einen monopolistischen Preisspielraum abschöpfen.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
156
Der Absatzmarkt wird in ALUVAN 2006 durch eine Preisabsatzfunktion (PAF) abgebildet.555 Das gibt den Parteien bei optimaler Koordination die Möglichkeit, die Zahlungsbereitschaft maximal gewinnbringend abzuschöpfen und so zusätzliche Effizienzgewinne zu realisieren,556 die Verhandlungsmasse also auch auf andere Art als durch Logrolling zu vergrößern. Dies geschieht durch die Vereinbarung einer Supply Chain übergreifend gewinnoptimalen Liefermenge, die der Zulieferer dem Hersteller verkauft und dieser in Form der fertigen Fenster an den Absatzmarkt weitergibt.557 Wie sich die gewinnoptimale Absatzmenge berechnet, zeigt Abbildung 20 beispielhaft für das Geschäftsjahr 2007. (Vgl. auch die gesamte Fallstudie in Anhang 3)
555
556
557
Der Einbezug einer Preisabsatzfunktion stellt eine Neuerung in der Laborforschung zu Marketingverhandlungen dar, wie sie teilweise in vergangenen Studien gefordert wurde. Vgl. Sondak, H./Bazerman, M.H. (1991), S.19f., die als eine Limitierung ihrer Studie sehen, dass sie nur die Möglichkeit des Logrolling zur Schaffung von effizienten Verträgen vorsieht. Von zusätzlichen Effizienzgewinnen wird hier gesprochen, da in den bisherigen Experimenten zur Verhandlungsforschung eine Effizienzsteigerung fast ausschließlich über Logrolling zwischen für die beiden Parteien unterschiedlich wichtigen Verhandlungsgegenständen möglich war. Der Einbezug einer PAF stellt hingegen die von LAX/SEBENIUS aufgezeigte Möglichkeit dar, die Verhandlungsmasse zwischen zwei Parteien zu vergrößern, indem andere Parteien, wie hier der Markt, hinzugezogen werden. Die Autoren nennen diese Möglichkeit, die Verhandlungsmasse zu vergrößern, Economies of Scale. Vgl. dazu Lax, D.A./Sebenius, J.K. (1986), S.111f. sowie Abschnitt 2.3.3.3 dieser Arbeit. Vgl. zur Gewinnoptimierung im Monopol bspw. Meffert, H. (2000), S.514ff.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
157
Durch die Verwendung einer PAF wird außerdem die in Abschnitt 2.3.3.2 beschriebene Problematik der verzerrenden Messung der Verhandlungseffizienz bei sehr einseitigen Verteilungen der Verhandlungsmasse umgangen – die Messung der Verhandlungseffizienz ist durch diese Ausgestaltung der Simulation verzerrungsfrei.558 Herleitung der optimalen Absatzmenge Annahme: Die Beteiligten legen ihre Kosten offen und optimieren den gemeinsamen Deckungsbeitrag vor dem Hintergrund der gesamten variablen Stückkosten. Preisabsatzfunktion
x
1 . 165 . 000 3 . 645 p
gemeinsame var. Stückkosten
k v gesamt
Gemeinsamer Deckungsbeitrag (Umsatz – relevante Kosten)
mit
Umsatz (Preis x Menge)
U
70 165
235
DB U Kv x p
1.165.000 3645 p p
1.1165.000 p 3645 p2
Relevante Kosten (variable Stückkosten x Menge)
Kv
Optimierung
DB
kvgesamt x 235 1.165.000 3645 p
273.775.000 856.575 p w DB wp
2 .021 .575 p 3645 p 2 273 .775 .000 !
2 .021 .575 7290 p 0
Optimaler Marktpreis
popt = 277,31
Optimale Absatzmenge
xopt = 154.213
Abbildung 20: Berechnung der Supply Chain übergreifend optimalen Absatzmenge im Monopol.
Die beiden Parteien sollen sich in ihrer Verhandlung auf einen Vertrag über alle im Spiel vorgegebenen Themen einigen, sie müssen dies aber nicht tun. Für den Fall der Nichteinigung
558
Die Verhandlungseffizienz wird hier durch den Supply Chain Gewinn (Joint Gain) gemessen. Vollständig effizient ist ein Vertrag zwischen den beiden Parteien in ALUVAN 2006 dann, wenn die Verhandlungsgegenstände mit diskreten Ausprägungen Supply Chain übergreifend optimal und die Monopolmenge der PAF vereinbart wurden. Durch eine solche Vereinbarung ist der Supply Chain Gewinn vollständig festgelegt. Wie dieser mithilfe des Preises für die zu liefernde Aluminiumlösung zwischen den Parteien aufgeteilt wird, beeinträchtigt ihn nicht mehr. Aufteilung der Verhandlungsmasse und Effizienz sind in unserer Simulation somit unabhängig.
158
Forschungsmethodik und Ergebnisse
haben beide Parteien eine BATNA: Für die Fera GmbH stehen andere, jedoch weniger lukrative Geschäftspartner zur Verfügung. Der Laten AG würden aus einem Scheitern der Verhandlungen keine zusätzlichen Kosten entstehen. In jedem Falle entscheiden die Verhandlungsergebnisse über den Geschäftserfolg beider Firmen im Geschäftsjahr 2006. Unabhängig vom Verhandlungsergebnis der ersten Periode ist der Verkauf des Fensters ALUVAN auf dem Absatzmarkt ein Erfolg, der die Fera GmbH dazu veranlasst, ihr Produkt künftig auf dem gesamten mitteleuropäischen Markt zu verkaufen sowie zusätzlich zu den bestehenden Produktvarianten ein ALUVAN-Fenster mit Eloxaloberfläche anzubieten. Dafür verhandelt sie für das Geschäftsjahr 2007 mit der Laten AG über neue Konditionen (Preis, Menge) für die Aluminiumlösung, den Bau einer Eloxierstraße sowie weitere wichtige Vertragspunkte. Die inhalts- und wertmäßige Ausgestaltung der Verhandlungsgegenstände im Geschäftsjahr 2007 zeigt Abbildung 21. Wie darin deutlich wird, haben die Verhandlungspartner unterschiedliche Stärken und können so verschiedene Vertragspunkte günstiger oder weniger günstig erfüllen als die Gegenpartei. Durch geschicktes Aufteilen der Aufgaben – bspw. durch Logrolling – kann somit die Verhandlungsmasse für beide vergrößert werden.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
159
Allgemeine Information:
x
Preisabsatzfunktion für die Fenster auf dem Absatzmarkt:
1 .165 .000 3 .645 p
Vertrauliche Informationen der beiden Parteien: Themenkomplex
Zulieferer
Kosten
Hersteller
Kosten
Entscheidungsrelevante Kosten beider Parteien Variable Stückkosten
Herstellung der Alulösung pro Fenster
70 €
PVC-Rahmen, Beschläge und sonstige Stückkosten
165 €
Variable Gemeinkosten
Nicht näher spezifiziert
1.100.000€
Nicht näher spezifiziert
510.000 €
Verhandlungsgegenstände und damit verbundene vertrauliche Kosten für jeder Partei (ohne Preis u. Menge der Alulösung, die frei verhandelbar sind)
Leistungsumfang der Eloxierstraße
Mit ISO 9001Zertifizierung Mit umweltrechtlichem Genehmigungsverfahren Mit Mietchemikalien
45.000 € 20.000 €
Übernahme der Investitionskosten
Vollständige Übernahme durch Zulieferer
Schulung des Bedienpersonals
Komplett durch Zulieferer Nur Schichtführer Keine Schulung durch Zulieferer
Lieferhäufigkeit der Alulösung (1-12 Mal pro Monat)
Jede Lieferung kostet Kosten bei 12 Lieferungen
Ohne ISO 9001Zertifizierung Ohne umweltrechtlichem Genehmigungsverfahren Ohne Mietchemikalien
175.000 € 90.000 €
500.000 €
Vollständige Übernahme durch Hersteller
500.000 €
100.000 € 60.000 € 0€
Komplett durch Zulieferer Nur Schichtführer Keine Schulung durch Zulieferer
0€ 100.000 € 250.000 €
Jede Lieferung weniger kostet
4.545 €
35.000 €
29.167 € 320.833 €
135.000 €
50.000 € Kosten bei 1 Lieferung
Abbildung 21: Verhandlungsgegenstände im Geschäftsjahr 2007.
Die Gewinne der Parteien berechnen sich synonym zum Geschäftsjahr 2006. Beispielhaft für einen effizienten Vertrag ist dies in Abbildung 22 vorgeführt.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
160
Berechnung der Verhandlungsgewinne bei einem vollständig effizienten Vertrag Vertragsinhalte: - Preis für Aluminiumlösung pro Fenster: - Menge Aluminiumlösung (Fenster): - Leistungsumfang Eloxieranlage: - Investitionskosten Eloxieranlage: - Schulungen des Bedienpersonals: - Anzahl der Lieferungen pro Monat: Kosten- und Erlöspositionen
92 Euro 154.213 Zulieferer übernimmt kompletten Umfang wird von beiden Parteien zur Hälfte übernommen Zulieferer übernimmt die kompletten Schulungen Es findet 1 Lieferung pro Monat statt Zulieferer
Hersteller
Erlöse (jeweiliger Preis pro Stück mal Absatzmenge)
92 € x 154.213 = 14.187.596 €
277,31 € x 154.213 = 42.764.807 €
- Gesamte Stückkosten (jeweilige variable Stückkosten mal Absatzmenge)
- 70 € x 154.213 = -10.794.910 €
-(165 € + 92 €) x 154.213 = -39.632.741€
- Gemeinkosten
-1.100.000 €
-510.000 €
- Kosten Leistungsumfang Eloxieranlage
-100.000 €
-0 €
- Investitionskosten Eloxieranlage
-250.000 €
-250.000 €
- Kosten durch Schulungen
-100.000 €
0€
- Kosten durch Lieferhäufigkeit Verhandlungsgewinn
-29.167 €
-50.000 €
1.813.519 €
2.322.066 €
Abbildung 22: Beispielhafte Berechnung der Verhandlungsgewinne bei einem effizienten Vertrag.
Zu erkennen ist dabei, dass dem Verhandlungsgegenstand von Preis und Menge der Aluminiumlösung für beide Parteien die weitaus größte Bedeutung zukommt.559 4.1.2.2 Experimentelle Manipulationen Die Manipulationen des Experimentes folgen einem 2x2-Design, wobei sich die Analyse der Simulation nur auf die Verhandlungen in der Periode zwei bezog. Die Mehrperiodigkeit des Spiels wurde in erster Linie eingesetzt, um die nachfolgend beschriebene Manipulation von ET und GB zu realisieren. Die Verhandlungsmacht des Zulieferers wurde dadurch manipuliert, dass die Zulieferer im Geschäftsjahr 2007 in einer Versuchsbedingung eine BATNA mit einem Wert von 200.000 EURO erhielten, während die Zulieferer in der anderen Bedingung eine BATNA im Wert von
559
Dies stellt im Gegensatz zu den klassischen Verhandlungsexperimenten mit mehreren Vertragsgegenständen eine deutlich realitätsnähere Annahme dar.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
161
1 Mio. EURO zur Verfügung hatten. In der Simulation wurde die BATNA des Zulieferers inhaltlich durch einen alternativen Kundenauftrag für das Zulieferunternehmen dargestellt, der sämtliche Kapazitäten binden würde und mit einem erwarteten Gewinn in Höhe der jeweiligen Versuchsbedingung verbunden wäre. Umfangreicher gestaltete sich die experimentelle Trennung der beiden institutionellen Arrangements ET und GB. Folgende Manipulationen wurden dafür vorgenommen:560 x
Während die rollenspezifischen Informationen für die GB die Gemeinsamkeiten beider Verhandlungsparteien betonen, gemeinsame Ziele ausgeben und auf ein bestehendes Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Unternehmen des Spiels hinweisen, deuten die entsprechenden Textpassagen für die ET auf die Kompetitivität der Verhandlung, individuelle Ziele und möglichen Opportunismus der anderen Partei hin. Die Gegenüberstellung der unterschiedlichen Textpassagen findet sich in Anhang 4. Auch in den Business Reports, die die Parteien nach Abschluss der ersten Verhandlung bekamen, wurden diese Differenzen wiederholt.
x
Um die Bildung von Vertrauen, einem wichtigen Merkmal von GBen,561 in der ET zu unterbinden, wurden die fiktiven und tatsächlichen Verhandlungspartner in der Periode 2 getauscht, während die Probanden in der GB mit denselben Partnern verhandelten.
x
Die Zukunftserwartungen gemeinsamer Geschäfte, die mit einer GB verbunden sind,562 wurden durch die Mehrperiodigkeit der Simulation manipuliert.563 Gegenüber den tatsächlich simulierten zwei Geschäftsjahren wurde den Versuchspersonen vor dem Experiment mitgeteilt, dass sie insgesamt drei Geschäftsjahre verhandeln würden. Um eine EndGame-Strategie in der letzten Periode zu verhindern,564 wurde das Spiel nach zwei Runden beendet. Somit verhandelten die Versuchspersonen in der Gruppe GB mit der Vorstellung, eine Woche später wieder mit denselben Partnern zu verhandeln. Den
560
561 562 563
564
Dieses Vorgehen folgt der Forderung von Carnevale, P.J./De Dreu, C.K.W. (2005), S.59: „We are on much stronger theoretical ground if we manipulate variables in more than one way.“ Vgl. ausführlich Abschnitt 3.1.3.1 Vgl. ausführlich Abschnitt 3.1.3.2. Nach Croson, R. (2005), S.132, ist die Mehrperiodigkeit für die Abbildung einer GB eine zwingende Voraussetzung der internen Validität des Experimentes. Zur Verhinderung einer End-Game-Strategie in Verhandlungsexperimenten vgl. Inbar, M./Stoll, C.S. (1972), S.272; Lawler, E.J./Yoon, J. (1993), S.470; Arunachalam, Y. et al. (1998), S.89.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
162
Versuchspersonen in der Bedingung ET war hingegen klar, dass sie in jedem Geschäftsjahr mit anderen Partnern verhandeln würden.565 x
Ein weiteres Charakteristikum von Geschäftsbeziehungen stellt der Aufbau von Wissen über den Geschäftspartner und seine Präferenzen, Ressourcen, Ziele etc. dar.566 Dieses Wissen fehlt in ETen. In ALUVAN 2006 wurde dieser Tatsache durch die Ausgestaltung der Verhandlungspräferenzen in der Periode 1 Rechnung getragen, indem in der Bedingung ET die Verhandlungspräferenzen der Parteien symmetrisch entgegengesetzt waren und sich somit eine rein distributive Verhandlung ergab.567 In der Geschäftsbeziehungsbedingung hatten die Parteien auch in Periode 1 unterschiedlich starke Präferenzen bezüglich der diskreten Verhandlungsgegenstände, so dass durch Logrolling die Verhandlungsmasse vergrößert werden konnte. Über die Business Reports nach den ersten Verhandlungen wurde dieses Wissen den beiden Verhandlungsparteien zugänglich gemacht, indem unterschiedliche Präferenzstärken bezüglich der einzelnen Themenkomplexe -konsistent mit der Gesamthandlung der Simulation- aufgedeckt wurden.
4.1.2.3 Materialien, Teilnehmer und Umsetzung des Experimentes Die Analyse der dynamischen Verhandlungsvariablen in der großen Fallzahl wurde ermöglicht durch die Verwendung einer internetbasierten Verhandlungsplattform. Durch die Speicherung der kompletten Verhandlungsinteraktion in Verhandlungsprotokollen konnte das tatsächliche Verhandlungsverhalten ohne den Schritt der Transkribierung, wie er bei aufgezeichneten Face-to-Face-Verhandlungen notwendig ist, mithilfe einer Inhaltsanalyse kodiert und der Analyse zugänglich gemacht werden. Um eine Verhandlung zu beginnen, mussten sich die Versuchspersonen zu einem vorgegebenen Zeitpunkt in den Verhandlungschat einloggen und trafen dort auf ihren Verhandlungspartner. Durch die Benutzung eines Verhandlungschats konnte einerseits überhaupt erst die große Anzahl der Versuchspersonen einbezogen werden, da sie zur Teilnahme am Experiment nicht an einem Ort sein mussten. Andererseits konnte wiederum nur die damit
565 566 567
Vgl. zu diesem Vorgehen Thompson, L. (1989), S.377. Vgl. ausführlich Abschnitt 3.1.3.3. Dies bezieht sich nicht auf die Menge an Aluminiumlösung, deren Variierung den Supply-Chain-Gewinn, der über den Absatzmarkt des Herstellers erzielbar ist, und damit auch die Verhandlungsmasse verändert.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
163
ermöglichte örtliche Trennung der miteinander verhandelnden Probanden ausschließen, dass eine Interaktion zwischen Verhandlungspartnern auch außerhalb des Experiments stattfinden konnte. Die Oberfläche des Verhandlungschats zeigt Abbildung 23.
Abbildung 23: Grafische Oberfläche des Verhandlungschats im Internet.
Als Versuchspersonen standen Studentinnen und Studenten eines ABWL-Hauptseminars zur Verfügung, für die die Teilnahme am Experiment einen Bestandteil ihrer Seminarnote darstellte. Das Seminar wurde im Sommersemester 2006 als Kooperationsveranstaltung des Instituts für Anlagen- und Systemtechnologien an der Universität Münster (Prof. Backhaus), des Lehrstuhls für Marketing an der Universität Hohenheim (Prof. Voeth) und des Seminars für Supply Chain Management an der Universität Köln (Prof. Thonemann) durchgeführt. Insgesamt nahmen 683 Studenten in 292 Teams à zwei bzw. drei Personen am Experiment teil. Die Aufteilung der Verhandlungspaare auf die experimentellen Bedingungen zeigt Tabelle 4. BATNA \ Art der Marktpartnerschaft
Einzeltransaktion
Geschäftsbeziehung
gering
36
36
gut
38
36
Tabelle 4:
Aufteilung der Verhandlungspaare auf die experimentellen Bedingungen.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
164
Vor Beginn des Experimentes mussten sich alle teilnehmenden Gruppen online in der Verhandlungsdatenbank anmelden. Über ein E-Mail-Programm, das von den Simulationsadministratoren bedient wurde, bekamen die einzelnen Gruppen jeweils die benötigten Spielmaterialien. Daneben erhielten alle Teilnehmer eine ausführliche Spielbeschreibung, um die gängigsten Fragen abzudecken.568 Dies waren in jeder Periode der Simulation allgemeine Informationen zum Fall (Umfang neun Seiten) sowie rollenspezifische Informationen mit vertraulichen Informationen für jede Partei, in denen sich auch die Bewertung der einzelnen Verhandlungsgegenstände sowie die Alternative bei Scheitern der Verhandlung befanden (Umfang acht Seiten). Daneben bekamen alle Gruppen eine bedienungsfreundliche Excel-Tabelle, mithilfe derer sie den erwarteten Gewinn möglicher Vertragsabschlüsse leicht errechnen konnten (Vgl. Anhang 5). Somit wurde die einfache Vergleichbarkeit einzelner Vertragsvarianten ermöglicht, so dass die Ablenkung der Teilnehmer von der Verhandlung durch eine manuelle Vertragswertberechnung weitestgehend vermieden werden konnte. Nach Abschluss der Verhandlungen erhielten alle Teilnehmer einen individuellen Business Report, der die erzielten Ergebnisse aufgriff.569 Die Durchführung des gesamten Experiments ohne die Anmeldung der Gruppen erstreckte sich über einen Zeitraum von vier Wochen in den Monaten Mai und Juni 2006. Die einzelnen Ablaufschritte zeigt Abbildung 24.
568
569
Dies ist eine der Regeln zur guten Durchführung einer Simulation, die Asakawa, T./Gilbert, N. (2003), S.15, aufstellen. Zur Bedeutung zum Lernen durch Feedback vgl. Loewenstein, J./Thompson, L.L. (2006), S.83ff.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
Woche 1
165
Versenden der allgemeinen Informationen zu Periode 1 sowie des ersten Teils der vertraulichen rollenspezifischen Informationen zu Periode 1 durch die Spieladministratoren. Vorbereitung der teilnehmenden Gruppen: Ausarbeitung und Abgabe einer Verhandlungsstrategie, Teilnahme an einer indirekten Präferenzmessung der Verhandlungspräferenzen. Versenden der restlichen vertraulichen rollenspezifischen Informationen zu Periode 1 sowie der ExcelTabellen zur Vertragberechnung durch die Spieladministratoren
Woche 2
146 Verhandlungen an 4 Tagen,
Eingabe des Zielgewinns bei Einloggen in den Verhandlungschat Verhandlung, Dauer: 2 Stunden Verhandlungsabschluss, Weiterleitung an Verhandlungsfragebogen
maximal 12 parallel
Ausfüllen des Verhandlungsfragebogens
Versenden der individualisierten Business-Reports für Periode 1, der allgemeinen Informationen und Teil 1 der vertraulichen rollenspezifischen Informationen für Periode 2 durch die Spieladministratoren. Woche 3
Vorbereitung der teilnehmenden Gruppen und Teilnahme an einer indirekten Präferenzmessung der Verhandlungspräferenzen. Versenden der restlichen vertraulichen rollenspezifischen Informationen zu Periode 2 sowie der ExcelTabellen zur Vertragberechnung durch die Spieladministratoren
Woche 4
146 Verhandlungen an 4 Tagen, analog zu Woche 2 / Periode 1.
Versenden der individualisierten Business-Reports für Periode 2, Abbruch des Spiels durch die Spieladministratoren.
Abbildung 24: Ablaufschritte der Experimentdurchführung
Wie aus Abbildung 24 deutlich wird, mussten die Versuchspersonen nicht nur an den eigentlichen Verhandlungen teilnehmen, sondern insbesondere vor den Verhandlungen eine Präferenzmessung durchführen570 und vor dem Zugang zum Verhandlungschat einen Zielgewinn angeben, den sie in der anstehenden Verhandlung erreichen wollten. Die Verhandlungen jeder Dyade fanden in vorher festgelegten Zeiträumen statt. Die einwandfreie Funktionsweise des Chats wurde von den Spieladministratoren in Echtzeit überprüft. Mit der Technik verbundene kleinere Schwierigkeiten konnten somit direkt gelöst werden.571 Nach Abschluss jeder 570
571
Diese Präferenzmessung diente einerseits dazu, das Engagement der Versuchsteilnehmer in die Simulation zu fördern und eine ausreichende Verhandlungsvorbereitung zu gewährleisten. Andererseits wurden die damit gewonnenen Daten in einem anderen Forschungsprojekt verwendet. Diese Vorgehensweise wird für Simulationen allgemein (vgl. Barton, R.F. (1970), S.61) und auch speziell für solche über das Internet empfohlen, vgl. Asakawa, T./Gilbert, N. (2003), S.13. Ebenso erhielten die Versuchpersonen, wie von den letztgenannten Autoren weiterhin empfohlen, ein ausführliches Markblatt zur Funktionsweise des Spiels und des Verhandlungschats.
166
Forschungsmethodik und Ergebnisse
Verhandlung wurden die Teilnehmer vom Verhandlungschat an eine Online-Umfrage mit den Items der Manipulationschecks sowie der Zufriedenheitsmessung weitergeleitet. Eine Nachbesprechung des Experimentes und seiner grundlegender Ergebnisse fand in den auf das Experiment folgenden beiden Wochen im Rahmen der per Videokonferenz gestalteten Abschlussveranstaltungen zum Seminar statt. Auch die Spieladministratoren standen nach Beendigung des Spiels für Auskunftswünsche der Versuchsteilnehmer zur Verfügung. 4.1.2.4 Interne und externe Validität von ALUVAN 2006 Eine notwendige Bedingung, dass die mit der Simulation ALUVAN 2006 erhobenen Größen zur Erklärung von Verhandlungsverhalten und -ergebnissen herangezogen werden dürfen, liegt in der internen Validität des Experiments. Sie ist gegeben, wenn seine Durchführung methodisch sauber war und mögliche Störungen vermieden werden konnten. Welche Maßnahmen dazu bei der Umsetzung von ALUVAN 2006 getroffen wurden und inwieweit diese den Kriterien zur Beurteilung der internen Validität eines Experimentes genügen, zeigt Tabelle 5.
Die Simulation ALUVAN 2006 zur experimentellen Laborforschung
Kriterium / Gefahr Experimentelle Gruppen
Eineindeutige Manipulation
Mögliche Probleme Unklarheit über Manipulationen.
Experimentelle Gruppen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich der sie bildenden Manipulation, sondern auch bezüglich anderer Variablen. Überlagerung der Effekte. Beeinflussung der Messung durch (1) History: Ereignisse zwischen zwei Messungen, (2) Maturation: Vom Experiment unabhängige Reifeprozesse der Versuchspersonen, (3) Testing: Ungewollte Effekte der Messungen selbst.
167
Getroffene Maßnahmen •2x2-Design der Untersuchung (BATNA x GB vs. ET) •Keine natürliche Kontrollgruppe möglich, untersucht wird ein relativer Vergleich •BATNA-Manipulation unproblematisch •Manipulation ET vs. GB beruht auf mehreren realen Unterschieden, die sich in der Manipulation wieder finden. Problem in diesem Falle nicht relevant.
allgemein •Überprüfung der Sinnhaftigkeit, Verständlichkeit und Fehlerfreiheit der Simulationsunterlagen und des Verhandlungschats in etlichen Testläufen. Externe •Ermittlung der benötigten Verhandlungszeit in Tests. Störfaktoren speziell •Gedankenaustausch zwischen Versuchspersonen an einem Standort zwischen Periode 1 und 2 möglich, jedoch keine Hinweise auf Messverzerrungen durch History-, Maturation- oder Testing-Effekte. •Manipulationscheck für BATNA-Manipulation nicht Nicht die vorgenommene Manipulation, sondern ein anderer notwendig. Wirksamkeit der Einfluss ist für die •Manipulationschecks für ET und GB erfolgreich. Manipulation Untersuchungsergebnisse (Diskriminanzanalyse mit je 5 Items, ET: Ȥ²=277,9; verantwortlich. df=5; p 20
Ja
Prüfung der Toleranz
Ja
Multivariate Normalverteilung
KolmogorovSmirnov-Test
Ja
Varianz- und Kovarianzhomogenität
Levene-Test, Box-Test
Ja
Keine Multikollinearität zwischen abhängigen Variablen
Tabelle 11:
Eliminierung
Ja Signifikanzprüfung über Pearsons R
Korrelation zwischen abhängigen Variablen
Verletzung heilbar über
Ergebnisse der Prämissenprüfung der MANOVA im Überblick.626
Eine Problematik der MANOVA liegt in ihrer Sensitivität gegenüber Ausreißern.627 In unserem Fall stellen die Nichteinigungen univariate Ausreißer hinsichtlich der Verhandlungseffizienz dar, wie unschwer an Abbildung 28 zu erkennen ist. Hingegen zeigt Abbildung 27, dass bezüglich des individuellen Gewinns des Anbieters keine Ausreißer vorliegen. Wenn es sich bei Ausreißern um solche Datenpunkte handelt, die nicht aus derselben Population stammen wie die restliche Stichprobe, oder wenn sie zwar aus derselben Population stammen und darauf hindeuten, dass die Grundgesamtheit nicht normalverteilt ist, so schlagen TABACHNICK/FIDELL zwei verschiedene Vorgehensweisen vor, um mit diesen Ausreißern umzugehen: Entweder können ihre Werte verändert werden, oder sie werden eliminiert.628 Aufgrund der Tatsache, dass die Ausreißer bezüglich der Verhandlungseffizienz in den einzelnen Zellen des experimentellen Designs konform zu den Hypothesen H1 und H3 auftreten, führt ihre Eliminierung gegenüber einer Werteänderung zu konservativeren
626
627 628
Zu den einzelnen Prämissen vgl. Glaser, W.R. (1978), S.102ff.; Bray, J.H./Maxwell, S.E. (1985), S.32f.; Stevens, J. (1986), S.199ff.; Tabachnick, B.G./Fidell, L.S. (1996), S.380ff.; Fahrmeir, L./Hamerle, A./Nagl, W. (1996), S.228f.; Litz, P. (2000), S.136ff.;Bortz, J. (2005), S.597; Backhaus, K. et al. (2006), S.89ff. Die Werte der Überprüfungen der einzelnen Bedingungen finden sich in Anhang 7. Vgl. Tabachnick, B.G./Fidell, L.S. (1996), S.381. Vgl. Tabachnick, B.G./Fidell, L.S. (1996), S.69.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
190
Signifikanzniveaus der MANOVA. Die sechs Nichteinigungsfälle wurden daher zur Durchführung der MANOVA eliminiert, anstatt sie durch möglicherweise plausible, aber dennoch willkürliche Werte zu ersetzen.629 Die Multinormalität der abhängigen Variablen in jeder Zelle stellt eine weitere zentrale Anwendungsvoraussetzung der MANOVA dar.630 Ist sie verletzt, so wird speziell im Fall von Ausreißern die Auftretenswahrscheinlichkeit eines Į-Fehlers unterschätzt. Problematisch ist die Überprüfung dieser Prämisse jedoch aus forschungspraktischer Sicht: Bisher ist in den üblichen Statistik-Software-Programmen kein Test auf Multinormalverteilung integriert. Es kommen daher je zwei univariate Kolmogorov-Smirnov-Tests zur Überprüfung einer univariaten Normalverteilungsannahme in jeder Zelle zur Anwendung, obwohl die univariate Normalverteilung der abhängigen Variablen nur eine notwendige, jedoch keine hinreichende Bedingung für eine multivariate Normalverteilung darstellt.631 Der Kolmogorov-SmirnovTest prüft die Nullhypothese, dass es sich bei der untersuchten um eine (in diesem Falle) normalverteilte Stichprobe handelt.632 Ein Blick auf die Werte der einzelnen Testergebnisse in Anhang 7 zeigt, dass die Nullhypothese in jeder Zelle nur mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit zwischen p = 0,14 und p = 0,98 abgelehnt werden kann, so dass für alle Zellen die jeweils univariate Normalverteilungsannahme beibehalten wird.633 Die Prämisse der Varianzhomogenität besagt, dass die Varianzen der einzelnen abhängigen Variablen in den Zellen gleich sein müssen. Geprüft werden kann diese Prämisse mit dem Levene-Test, dessen Nullhypothese Varianzgleichheit annimmt.634 In unserem Falle betrugen die Irrtumswahrscheinlichkeiten des Levene-Tests für den individuellen Gewinn des Anbieters p = 0,19, für die Verhandlungseffizienz p = 0,69, so dass von Varianzhomogenität ausgegangen wird. Die Homogenität der Kovarianzmatrizen über die einzelnen Zellen hinweg
629
630 631 632 633
634
Dieses Vorgehen besitzt außerdem den Vorteil, dass die nachfolgende Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen wesentlich problemloser verläuft und im bereinigten Datensatz die entsprechenden Prämissen erfüllt sind. Vgl. Stevens, J. (1986), S.205; Tabachnick, B.G./Fidell, L.S. (1996), S.381. Vgl. Bray, J.H./Maxwell, S.E. (1985), S.32. Vgl. Janssen, J./Laatz, W. (2005), S.535f. Nach BRAY/MAXWELL stellt die Erfüllung der univariaten Normalverteilungsannahme in der praktischen Anwendung der MANOVA eine ausreichende Prämissenerfüllung dar. Vgl. Bray, J.H./Maxwell, S.E. (1985), S.32. Vgl. Janssen, J./Laatz, W. (2005), S.237f.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
191
kann mit einem Box-Test überprüft werden.635 Voraussetzung seiner störungsfreien Anwendung ist die Multinormalverteilung,636 von der hier ausgegangen wird. Bei einer erreichten Irrtumswahrscheinlichkeit von p = 0,62 zur Ablehnung der Nullhypothese kann auch die Annahme der Kovarianzhomogenität beibehalten werden. 4.3.2.2 Ergebnisse der Hypothesenprüfung Die Ergebnisse der MANOVA zum Vergleich der Gruppen, die durch die Faktoren „Art der Marktpartnerschaft“ und „Höhe der BATNA“ bestimmt sind, zeigt Tabelle 12. Effekt Haupteffekt Interaktionseffekt
Tabelle 12:
Faktor
WilksLambda
F-Wert
Signifikanz
Eta-Quadrat
Marktpartnerschaft
0,94
4,11
0,02
5,7 %
BATNA-Höhe
0,96
2,75
0,07
3,9 %
Marktpartnerschaft x BATNA-Höhe
0,99
0,40
0,69
0,6 %
Ergebnisse der MANOVA zum Gruppenvergleich.
Beide Haupteffekte sind signifikant, wenn auch der Effekt der BATNA-Höhe nur als marginal signifikant gelten darf.637 Der mögliche Interaktionseffekt ist hingegen wie in Abschnitt 3.2.4 erwartet nicht signifikant. Zur Überprüfung der Hypothesen H1 – H3 reicht die MANOVA allerdings nicht aus, da sie noch keine Aussage darüber machen kann, welcher Faktor die Unterschiede der abhängigen Variablen verantwortet. Darüber geben die im Anschluss durchgeführten ANOVAs Auskunft.638 Die Ergebnisse der Follow-Up-ANOVAs zeigt Tabelle 13.
635 636 637
638
In diesem Fall steht in der Nullhypothese die Annahmen der Kovarianzgleichheit zwischen den Zellen. Vgl. Stevens, J. (1986), S.220. Die Trennschärfe für die abhängige Variable „Verhandlungseffizienz“ beträgt 0,72 bzw. 0,81 (für Kontrolle des Į-Fehler auf dem Niveau p = 0,05 bzw. p = 0,1), für die Variable „individueller Gewinn des Anbieters“ beträgt sie 0,54 bzw. 0,66. Vgl. Bray, J.H./Maxwell, S.E. (1985), S.40.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
192
Faktor
Abhängige Variable
F-Wert
Signifikanz
Eta-Quadrat
Trennschärfe*
Marktpartnerschaft
Effizienz
6,88
0,01
4,8 %
0,74 / 0,83
Ind. Gewinn Anbieter
2,38
0,12
1,7 %
0,34 / 0,46
Effizienz
0,311
0,58
0,2 %
0,09 / 0,15
Ind. Gewinn Anbieter
5,48
0,02
3,9 %
0,64 / 0,75
BATNAHöhe
* Trennschärfe für Signifikanzniveau bei p = 0,05 / p = 0,1
Tabelle 13:
Ergebnisse der Follow-Up-ANOVAs.
Da das hier verwendete experimentelle Design nur zwei Faktoren mit jeweils zwei Faktorstufen vorsieht, können die Follow-Up-ANOVAs zusammen mit den Mittelwerten der abhängigen Variablen in den einzelnen Untersuchungszellen bereits zur Interpretation herangezogen werden. Ein paarweise durchgeführter post-hoc Mittelwertsvergleich, der bei mehr als zwei Faktorstufen zur Prüfung von Unterschiedlichkeitshypothesen einzelner Zellen benötigt wird,639 ist hier nicht notwendig, da die Follow-Up-ANOVA den Vergleich der Zellenmittelwerte bereits liefert. Inhaltlich kann somit konstatiert werden, dass die Art der Marktpartnerschaft einen signifikanten Einfluss auf die Verhandlungseffizienz ausübt: In einer GB werden effizientere Abkommen erreicht als in einer ET. H1 kann demnach bestätigt werden. H2 nahm an, dass die gute BATNA eines Anbieters eine positive Wirkung auf seinen individuellen Verhandlungsgewinn entfaltet. Auch diese Vermutung konnte durch die MANOVA und die Follow-UpANOVA untermauert werden. Hingegen muss Hypothese 3 verworfen werden, die besagte, dass eine Machtasymmetrie zwischen den Verhandlungspartnern, dargestellt durch eine gute BATNA des Anbieters, einen signifikanten negativen Effekt auf die Verhandlungseffizienz ausüben würde. Eine solche Wirkung wurde durch die Follow-Up-ANOVAs nicht bestätigt. H3 muss folglich abgelehnt werden. Trotz der signifikanten Gruppenunterschiede sind die Ergebnisse nicht ohne Vorsicht zu interpretieren. Dies ist insbesondere auf die geringen univariaten Effektgrößen der Gruppen
639
Vgl. Eschweiler, M. (2006), S.176.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
193
zurückzuführen,640 die eine entsprechende Wirkung auf Eta-Quadrat (Ș²), also die durch die Gruppenzugehörigkeit erklärte Varianz der abhängigen Variablen, als auch auf die Trennschärfe der univariaten Tests entfalten. Es kann demnach festgestellt werden, dass sowohl die Art der Marktpartnerschaft einen Einfluss auf die Verhandlungseffizienz ausübt, als auch ein Effekt der Höhe der BATNA des Anbieters auf seinen individuellen Verhandlungsgewinn besteht. Allerdings erklären beide Faktoren nur einen geringen Anteil der Varianz beider abhängigen Variablen. Inwieweit das Einbeziehen der dynamischen Variablen der Verhandlung diesen Erklärungsanteil erhöht, ist Gegenstand des folgenden Abschnitts. 4.3.3
Überprüfung der Gesamtzusammenhänge in einem PLS-Pfadmodell
4.3.3.1 Überlegungen zur Wahl eines geeigneten Schätzverfahrens Neben der Untersuchung einer grundsätzlichen Wirkungsrichtung der Kontextvariablen „Art der Marktpartnerschaft“ und „Macht-Abhängigkeitsrelation“ auf die ökonomischen Ergebnisse einer Vermarktungsverhandlung besteht das vorrangige Ziel dieser Arbeit darin, das Zustandekommen der Verhandlungsergebnisse mithilfe der dynamischen Variablen der Verhandlung zu erklären. Zur Untersuchung solcher multikausaler Zusammenhänge zwischen teils manifesten Variablen, teils latenten Konstrukten bietet sich die Modellierung der erwarteten Zusammenhänge in Strukturgleichungsmodellen an. Diese können mithilfe zweier verschiedener Verfahren geschätzt werden: der Kovarianzstrukturanalyse und der PartialLeast-Squares-Methode (PLS). Beiden Verfahren ist gemein, dass sie nicht direkt messbare, hypothetische Konstrukte mittels manifester Indikatorvariablen operationalisieren und damit empirisch greifbar machen.
640
Die Effektgröße bei einem univariaten t-Test berechnet sich als Differenz der Mittelwerte zweier Gruppen geteilt durch deren gemeinsame Standardabweichung und ist ein Maß dafür, wie stark die Gruppenbildung auf die abhängige Variable wirkt. In unserem Falle beträgt die Effektgröße für die Verhandlungseffizienz in Abhängigkeit der Marktpartnerschaft 0,44. Für den individuellen Gewinn des Anbieters in Abhängigkeit der Höhe seiner BATNA liegt sie bei 0,35. Somit sind die Effektgrößen als klein bis mittelgroß anzusehen. Vgl. Stevens, J. (1986), S.138.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
194
4.3.3.1.1 Kovarianzstrukturanalyse und die Partial-Least-Squares-Methode zur Schätzung von Strukturgleichungsmodellen In der empirischen betriebswirtschaftlichen Forschung werden zumeist kovarianzbasierte Verfahren verwendet,641 die softwaretechnisch bspw. in den Programmpaketen LISREL (LInear Structural RELationships) und AMOS (Analysis of MOment Structures) umgesetzt worden sind. Die Kovarianzstrukturanalyse ist ein parameterorientiertes Verfahren und hat zum Ziel, die Kovarianzmatrix der manifesten Variablen durch Parameterschätzzungen möglichst gut zu reproduzieren.642 Bisher wesentlich weniger zur Anwendung gekommen ist das PLS-Verfahren,643 das die Parameter eines spezifizierten Kausalmodells varianzbasiert so schätzt, dass die Erklärungskraft des Strukturmodells maximiert wird.644 Der PLS-Ansatz wird daher auch als prognoseorientiertes Verfahren bezeichnet.645 Bei der Wahl eines dieser beiden Verfahren spielen sowohl messtheoretische als auch statistische Überlegungen eine Rolle, die im Folgenden kurz diskutiert werden sollen.646 Zur Messung latenter Konstrukte stehen prinzipiell die Möglichkeiten der reflektiven und der formativen Messung zur Verfügung:647
641
642 643
644
645 646
647
Vgl. Fassott, G. (2006), S.68. Die kovarianzbasierten Verfahren werden häufig auch als Kausalanalyse bezeichnet, obwohl die Frage der Kausalität eine inhaltlich-theoretische und keine methodisch-empirische ist. Deshalb ist die korrekte Bezeichnung auch Kovarianzstrukturanalyse. Vgl. Homburg, C./Pflesser, C. (2000), S.635. Vgl. Backhaus, K. et al. (2006), S.368. Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.35. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass entsprechende benutzerfreundliche Software lange Zeit nicht erhältlich war und sich erst in den letzten Jahren verbreitet. Dies geschieht durch die Minimierung der Residualvarianzen aller abhängigen Variablen. Vgl. Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.721. Vgl. Schultz, C. (2006), S.170. Vgl. zu einer knappen Übersicht Homburg, C./Klarmann, M. (2006), S.735, sowie Gawantka, A. (2006), S.115. Zu einem anschaulichen Beispiel vgl. Albers, S./Hildebrandt, L. (2006), S.11ff. Um für ein zu untersuchendes Konstrukt zu ermitteln, ob eine reflektive oder eine formative Operationalisierung angebracht ist, vgl. den Kriterienkatalog bei Jarvis, C.B./Mackenzie, S.B./ Podsakoff, P.M. (2003), S.201f.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
x
195
Im Falle der reflektiven Messung verursacht der Wert des latenten Konstruktes die Ausprägungen der zugehörigen Indikatoren, weswegen im Englischen auch von effect indicators gesprochen wird.648 Da alle Indikatoren (sofern die Messung reliabel und valide ist) die Ausprägung des Konstruktes widerspiegeln (reflektieren), müssen sie hoch miteinander korreliert sein. Der Wert des Konstruktes wird bei reflektiver Messung als Faktorwert der Indikatoren gewonnen, da das reflektive Messmodell nichts anderes als ein faktoranalytisches Modell darstellt.649 Die Notwendigkeit hoher Korrelationen der Indikatoren eines reflektiven Messmodells wird daher auch verwendet, um neue Skalen für bisher nicht operationalisierte Konstrukte zu konstruieren: Mögliche Indikatoren zur Messung des Konstruktes, die nicht mit den übrigen hoch korrelieren, werden entfernt.650 Dadurch wird die Messung des Konstruktwertes nur unwesentlich beeinflusst.
x
Bei der formativen Konstruktmessung ist die Wirkungsrichtung zwischen Indikatoren und Konstrukt umgekehrt: Die Ausprägungen der formativen Indikatoren verursachen den Wert des Konstruktes; die Indikatoren bilden das Konstrukt.651 Anders als beim reflektiven Messmodell wird der Konstruktwert daher auch nicht mittels einer konfirmatorischen Faktoranalyse, sondern durch multiple Regression der Indikatoren auf das Konstrukt gewonnen.652 Damit besitzt eine formative Konstruktmessung andere Eigenschaften als eine reflektive: Während in einem reflektiven Messmodell geeignete Indikatoren hoch miteinander korrelieren, ist dies in einem formativen Messmodell nicht notwendigerweise so.653 Folglich dürfen aus methodisch-statistischen Gründen in einem formativen Messmodell grundsätzliche keine Indikatoren entfernt werden, da die Elimi-
648 649 650 651
652 653
Vgl. Bollen, K./Lennox, R. (1991), S.305f. Vgl. Backhaus, K. et al. (2006), S.351. Vgl. Churchill, G.A. (1979), S.68f.; Homburg, C./Giering, A. (1996), S.12. Diamantopoulos, A. (1999), S.445; Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.269. Formative Indikatoren werden im Englischen daher auch als „cause indicators“ bezeichnet. Vgl. Bollen, K./Lennox, R. (1991), S.305f. Vgl. Fassott, G./Eggert, A. (2005), S.38; Eberl, M. (2006), S.652. Vgl. Albers, S./Hildebrandt, L. (2006), S. 12. Als Beispiel dient das Konstrukt des sozio-ökonomischen Status, das u.a. durch Indikatoren Einkommen, Bildung, Beruf und Wohnsitz formativ operationalisiert wird. Zwar können diese Indikatoren hoch korrelieren, sie müssen es aber nicht. Vgl. Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.270.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
196
nierung eines Indikators eine Veränderung der wissenschaftstheoretischen Bedeutung des Konstruktes nach sich ziehen würde.654 Die Art der Messung ist für die Wahl des Schätzverfahrens wichtig, da in den kovarianzbasierten Verfahren die reflektive Konstruktmessung den Normalfall darstellt, der in den gängigen Softwarepaketen standardmäßig implementiert ist.655 Formativ gemessene Konstrukte können in Kovarianzstrukturanalysen nur unter bestimmten Voraussetzungen eingebunden werden.656 PLS ist dagegen in der Lage, sowohl reflektive als auch formative Messmodelle zu integrieren.657 Weitere wichtige Unterschiede bestehen zwischen der Kovarianzstrukturanalyse und PLS hinsichtlich folgender Punkte:658 x
Erforderliche Stichprobengröße: Während die Kovarianzstrukturanalyse schon für kleine Modelle eine große Zahl an Beobachtungen benötigt,659 sind die Anforderungen an die Fallzahl bei PLS geringer. Die Anzahl der Beobachtungen sollte dort mindestens zehnmal so groß sein wie die Anzahl der Indikatoren des komplexesten formativ gemessenen
654
655
656 657 658
659
Die Indikatoren eines formativen Messmodells werden als Regressoren einer multiplen Regression zur Berechnung des Konstruktwertes verwendet. Nur bei hoher Multikollinearität zwischen den Indikatoren eines formativen Messmodells sollte die Abwägung getroffen werden, ob eine Indikatoreliminierung zur Erhöhung der Robustheit der Schätzung der Regressionsgewichte im formativen Messmodell vorgenommen wird. Vgl. Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.272; Eberl, M. (2006), S.652. Vgl. Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.718; Fassott, G. (2006), S.69; Diller, H. (2006), S.614. Aufgrund der Dominanz der erhältlichen Softwarepakete LISREL und AMOS und der unkritischen Auseinandersetzung mit der Art des Messmodells ist es in der betriebswirtschaftlichen Forschung zu einer Vielzahl von reflektiven Fehlspezifizierungen formativ zu messender Konstrukte gekommen. Vgl. Jarvis, C.B./Mackenzie, S.B./Podsakoff, P.M. (2003), S.206f.; Fassott, G. (2006), S.76; Albers, S./Götz, O. (2006), S.670. Vgl. MacCallum, R.C./Browne, M.W. (1993), S.534; Homburg, C./Klarmann, M. (2006), S.732f. Vgl. Fassott, G. (2006), S.69. Zu Unterschieden zwischen der Kovarianzstrukturanalyse und PLS vgl. allgemein Götz, O./LiehrGobbers, K. (2004), S.720ff.; Bliemel, F.W. et al. (2005), S.10f.; Herrmann, A./Huber, F./ Kressmann, F. (2006), S.38ff. Die Angaben in der Literatur sind dazu unterschiedlich: Die Anzahl der Fälle (n) sollte je nach Autor n 100, n 200 oder n 5·q sein, wobei q die Anzahl der zu schätzenden Parameter darstellt. Vgl. Backhaus, K. et al. (2006), S.370; Bliemel, F.W. et al. (2005), S.11; Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.733 (Endnote 40); Homburg, C./Klarmann, M. (2006), S.733f.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
197
Konstrukts bzw. zehnmal so groß wie die Anzahl von endogenen Konstrukten, die auf ein exogenes Konstrukt laden.660 x
Verteilungsannahmen: PLS ist ein nichtparametrisches Verfahren, das keine Verteilungsannahmen der Indikatorvariablen voraussetzt, so dass zur Gütebeurteilung ResamplingMethoden wie Jackknifing und Bootstrapping eingesetzt werden müssen.661 Hingegen setzt die Kovarianzstrukturanalyse für die Schätzung anhand der Maximum-LikelihoodMethode und der Methode der Generalized Least Squares multinormalverteilte Indikatorvariablen voraus.662
x
Konsistenz der Parameterschätzer: Bei kovarianzbasierten Verfahren liefern die Parameterschätzer konsistente Ergebnisse, sofern der Stichprobenumfang ausreichend groß ist,663 während bei PLS darüber hinaus bei reflektiven Messmodellen die Anzahl der Indikatoren hoch sein muss, um auf Konstruktebene eine so genannte consistency at large zu erreichen.664 Hingegen unterschätzt PLS die Pfadgewichte zwischen den Konstrukten, was einer konservativeren Schätzung des theoretisch hergeleiteten Strukturmodells gleichkommt.665
x
Gesamtgütemaße des Modells: Während für Strukturgleichungsmodelle, die anhand kovarianzbasierter Verfahren geschätzt wurden, Gütemaße für die Anpassung des Gesamtmodells an die empirische Kovarianzmatrix vorhanden sind,666 gilt dies für PLS nicht.667 Aufgrund der Prognoseorientierung von PLS bieten sich jedoch Gütemaße für
660 661
662
663 664
665 666 667
Vgl. Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.721. Vgl. Chin, W.W. (1998), S.316; Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.721; Scholderer, J./Balderjahn, I. (2006), S.62. Vgl. Scholderer, J./Balderjahn, I. (2006), S.62; Backhaus, K. et al. (2006), S.369f.; Backhaus, K./Blechschmidt, B./Eisenbeiß, M. (2006), S.714. Es stehen auch parameterfreie Schätzmethoden zur Verfügung, die dann allerdings einen deutlich größeren Stichprobenumfang benötigen. Vgl. Babakus, E./Ferguson, C.E./Jöreskog, K.G. (1987), S.224ff. Vgl. Chin, W.W./Marcolin, B.L./Newsted, P.R. (2003), S.205. Die Autoren konnten für ein reflektives Messmodell zeigen, dass die Faktorladungen der einzelnen Indikatoren bei einem Messmodell mit zwei bzw. vier reflektiven Indikatoren um über 10% überschätzt wurden. Hingegen unterschätzt PLS die Pfadgewichte zwischen den Konstrukten, was einer konservativeren Schätzung eines theoretischen Modells gleichkommt. Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.41; Scholderer, J./Balderjahn, I. (2006), S.61. Vgl. Backhaus, K. et al. (2006), S.397ff. Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.42f.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
198
Teilbereiche des Modells an (Anpassungsgüte R² für jede abhängige Variable sowie zusätzlich die Prognoserelevanz Q² für alle reflektiv operationalisierten latenten Konstrukte).668 Die Entscheidung für eines der beiden Schätzverfahren richtet sich damit sowohl nach wissenschaftstheoretischen als auch nach forschungspraktischen Gründen. Während die Untermauerung einer bestehenden und näher zu ergründenden Theorie eher die Verwendung der Kovarianzstrukturanalyse nahe legt, können die Operationalisierungen der latenten Konstrukte, die Stichprobengröße und die empirische Verteilung der Stichprobendaten auch dann die Verwendung von PLS notwendig machen. 4.3.3.1.2 Wahl der PLS-Methode zur Schätzung des erklärenden Gesamtmodells In unserem Fall sprechen insbesondere die Überlegungen zum Messmodell der verwendeten Konstrukte, die erforderlichen Verteilungsannahmen sowie die Größe der Stichprobe für die Wahl von PLS. Neben den manifesten Variablen des zu überprüfenden Gesamtmodells stellen das integrative und distributive Verhandlungsverhalten sowie die Verhandlungszufriedenheit latente Konstrukte dar. Zur Messung der Verhandlungszufriedenheit konnte auf die bestehende reflektive Operationalisierung von GRAHAM zurückgegriffen werden.669 Hingegen müssen die Konstrukte des distributiven und des integrativen Verhaltens bei unserem Vorgehen der Datengewinnung formativ operationalisiert werden:670 Verschiedene Verhandlungstaktiken, die anhand der Inhaltsanalyse gewonnen wurden, ergeben zusammen das distributive bzw. integrative Verhandlungsverhalten. Die Indikatoren bilden also das Konstrukt. So setzt sich das integrative Verhandlungsverhalten aus den Verhandlungstaktiken Paketofferten, Informationsaustausch über Prioritäten und Prozessmanagement zusammen,
668
669
670
Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.58f.; Chin, W.W. (1998), S.317f. Die Prognoserelevanz wird mithilfe der Blindfolding-Technik berechnet. Ein Teil der Daten wird ausgelassen und das Modell ohne die ausgelassenen Daten geschätzt. Anhand der Parameterschätzungen des Modells werden dann die ausgelassenen Datenpunkte geschätzt. Dies wird solange wiederholt, bis alle Datenpunkte einmal ausgelassen und geschätzt wurden. Dadurch können ein Maß der Kreuzvalidierung sowie durch Jackknifing gewonnene Standardabweichungen der Parameterschätzungen erhalten werden. Diese Skala wurde u.a. verwendet von Graham, J.L. (1985), S.144; Graham, J.L. (1986), S.564; Campbell, N.C.G. et al. (1988), S.60; Graham, J.L./Mintu, A.T./Rodgers, W. (1994), S.92. Vgl. Alexander, J.F./Schul, P.L./Babakus, E. (1991), S.130.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
199
während das distributive Verhandlungsverhalten von den Taktiken der Einzelofferten, des Informationsaustausches über Positionen und des kompetitiven Verhaltens gebildet wird. Die einzelnen Verhaltenskategorien der Inhaltsanalyse werden hier als Indikatorvariablen der beiden Konstrukte modelliert. Möglichkeiten der reflektiven Modellierung der Konstrukte des (tatsächlichen) integrativen bzw. distributiven Verhandlungsverhaltens sind aufgrund der Verzerrungsproblematik bei nachträglichen Abfragen des Verhandlungsverhaltens nicht gegeben.671 Die Notwendigkeit der formativen Modellierung des integrativen und distributiven Verhandlungsverhaltens spricht somit für die Verwendung von PLS. In unserem Modell sollen neben den drei soeben diskutierten latenten Konstrukten zehn manifeste Variablen untersucht werden. Dazu steht ein Datensatz von 146 Fällen zur Verfügung. Damit werden die Anforderungen an die Mindestgröße der Stichprobe in PLS problemlos erreicht, während dieser Datensatz für die Verwendung in einer Kovarianzstrukturanalyse zu klein wäre.672 Zuletzt spricht für die Verwendung von PLS, dass bei der Schätzung eines erklärenden Gesamtmodells von Verhandlungskontext, -interaktion und -ergebnissen der vollständige Datensatz verwendet werden soll. Da die sechs Nichteinigungen im Experiment Extremwerte bezüglich der ökonomischen Ergebnisvariable der Verhandlungseffizienz darstellen, kann bei der Verwendung dieser Fälle im Gesamtkontext keine Multinormalverteilung mehr angenommen werden. Einer Schätzung des Gesamtmodells mithilfe von PLS steht dies nicht entgegen; die Anwendung der Kovarianzstrukturanalyse bei gegebener Fallzahl wird dadurch hingegen verhindert.
671 672
Vgl. dazu Abschnitt 1.1. Bei Verwendung aller Datenpunkte, wie es den experimentellen Regeln entspricht (vgl. Abschnitt 4.1.2.4), bilden die Nichteinigungen statistisch gesehen Ausreißer, die die Normalverteilungsannahme der gängigeren Schätzverfahren der Kovarianzstrukturanalyse nicht mehr haltbar werden lassen. Die Verwendung asymptotisch verteilungsfreier Schätzverfahren benötigt aber deutlich mehr Datenpunkte als die hier vorhandenen. Vgl. Backhaus, K. et al. (2006), S.370.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
200
4.3.3.2 Modellbeurteilung Die Beurteilung eines mit PLS geschätzten Strukturgleichungsmodells erfolgt in zwei Schritten: Zunächst müssen die Reliabilität und die Validität der Messmodelle der latenten Konstrukte beurteilt werden. In einem zweiten Schritt kann dann das Strukturmodell begutachtet werden.673 Zur Schätzung des Gesamtmodells kommt hier die Software SmartPLS in der Version 2.0 M3 zum Einsatz. Gemäß den formulierten Hypothesen finden sowohl manifeste als auch latente Variablen Eingang in das Modell. Die Variablen „Art der Marktpartnerschaft“, „Verhandlungsmacht“ sowie „allererstes Angebot“ stellen Dummy-Variablen dar.674 Die Variablen „Verhandlungsziel des Anbieters“, „Verhandlungsziel des Nachfragers“, „Höhe des Erstangebots des Anbieters“, „Höhe des Erstangebots des Nachfragers“, „Täuschung des Anbieters“, „Verhandlungseffizienz“ und „individueller Verhandlungsgewinn des Anbieters“ sind manifeste Variablen,675 während es sich bei der Verhandlungszufriedenheit sowie dem integrativen und distributiven Verhandlungsverhalten um latente Konstrukte handelt, die mithilfe von Indikatoren operationalisiert wurden. Die Beurteilung ihrer Messmodelle muss daher vor der Betrachtung des Strukturmodells geschehen.
673 674
675
Vgl. Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.727; Schultz, C. (2006), S.177. Welche Bedeutung eine hohe bzw. niedrige Ausprägung besitzt, ist bei der Darstellung des Strukturmodells angegeben. Dummy-Variablen in PLS-Modellen wurden auch verwendet in Backhaus, K./van Doorn, J./Wilken, R. (2005), S.4. Die Verhandlungsziele von Anbieter und Nachfrager wurden vor der Verhandlung in einer dem Verhandlungschat vorgeschalteten Maske abgefragt. Bei Durchsicht der Werte fiel auf, dass insgesamt 10 von 292 Werten um eine oder mehrere Zehnerpotenzen aus dem Rahmen fielen. Bei fünf Werten handelte es sich offenbar um Tippfehler bei der Anzahl der Zehnerpotenzen, die mithilfe der Betrachtung der Zielwerte aus Periode 1 der entsprechenden Experimentteilnehmer identifiziert wurden. Sie wurden durch den Angleich der Zehnerpotenz entsprechend bereinigt. Fünf Werte wiederum stellten solch große Ausreißer nach oben hin dar, dass sie mit einem Wert von 5 Mio. €, der noch immer ein nicht realisierbares Verhandlungsziel darstellt, belegt wurden. Vgl. zu diesem Vorgehen die Hinweise bei Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.58 sowie Tabachnick, B.G./Fidell, L.S. (1996), S.67f. Die Höhe der Erstangebote wurde aus den Verhandlungsprotokollen entnommen; Täuschungen des Anbieters sind ein Ergebnis der Inhaltsanalyse. Die Verhandlungseffizienz und der individuelle Verhandlungsgewinn des Anbieters wurden aus der wertmäßigen Struktur der Simulation ALUVAN 2006 berechnet.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
201
4.3.3.2.1 Beurteilung des reflektiven Messmodells der Verhandlungszufriedenheit Zur Gütebeurteilung eines reflektiv operationalisierten Konstruktes in PLS werden die in Tabelle 14 folgenden Kriterien vorgeschlagen:676 Art der Güte
Bedeutung
Inhaltsvalidität
Indikatoren gehören dem inhaltlichsemantischen Bereich des Konstrukts an.
Indikatorreliabilität
Anteil der durch das zugrunde liegende Konstrukt erklärten Varianz eines Indikators
Konstruktvalidität
Güte der Messung des Konstruktes durch die ihm zugeordneten Indikatoren
Diskriminanzvalidität
Ausmaß der Unterscheidung der Operationalisierung eines Konstruktes von anderen Konstrukten im selben Modell
Messgröße
Grenzwert
-
-
Item-to-TotalKorrelationen
1
Faktorladung Ȝ
> 0,4 – 0,7 2
Interne Konsistenz
> 0,6 - 0,7
durchschnittlich erklärte Varianz (AVE)
> 0,5
Cronbachs Alpha
> 0,7
AVE
> als quadrierte Korrelationen mit allen anderen Konstrukten im Modell
1
Item-to-total-Korrelationen dienen vorrangig als Hinweis zur Indikatorelimination bei unzureichender Konstruktvalidität. 2 Indikatoren mit Faktorladungen von kleiner 0,4 sollten entfernt werden, da sie die Erklärungskraft des Modells nur geringfügig erhöhen und die Schätzungen der Pfadkoeffizienten im Strukturmodell verzerren.
Tabelle 14:
Gütemaße zur Beurteilung der Messmodelle reflektiv operationalisierter Konstrukte.
In der hier vorliegenden Untersuchung wird auf eine vorhandene Operationalisierung des Konstruktes der Verhandlungszufriedenheit zurückgegriffen.677 Die Inhaltsvalidität der Indikatoren darf daher als gegeben angesehen werden. Die einzelnen Indikatoren der Operationalisierung zeigt Tabelle 15.
676
677
Vgl. im Einzelnen Fornell, C./Larcker, D.F. (1981), S.45f.; Fornell, C./Cha, J. (1994), S.69; Homburg, C./Giering, A. (1996), S.7ff.; Chin, W.W. (1998), S.316ff.; Hulland, J. (1999), S.198; Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.727ff.; Krafft, M./Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2005), S.72ff.; Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.56f.; Hildebrandt, L./Temme, D. (2006), S.619ff. Vgl. Fußnote 669 sowie allgemein zur Wiederverwendung etablierter Skalen Hildebrandt, L./Temme, D. (2006), S.619.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
202
Indikatorbezeichnung
Wortlaut des Indikators (7 Skalenpunkte von „sehr unzufrieden“ bis „sehr zufrieden“)
Zufr_1
Wie zufrieden waren Sie mit dem Abschluss der Verhandlung?
Zufr_2
Wie zufrieden waren Sie mit Ihrer Verhandlungsleistung während der Simulation?
Zufr_3
Wie zufrieden waren Sie mit Ihrem individuellen Gewinn?
Zufr_4
Wie zufrieden waren Sie mit dem Abschluss gemessen an Ihren Erwartungen vor der Verhandlung?
Tabelle 15:
Verwendete Indikatoren zur Messung der Verhandlungszufriedenheit.
Die Ergebnisse der Prüfung von Indikatorreliabilität und Konstruktvalidität sind in Tabelle 16 zusammengefasst. Faktorladungen, Interne Konsistenz, AVE und Cronbachs Alpha wurden mithilfe von SmartPLS berechnet, die Item-to-Total-Korrelation mit SPSS.678 Indikatorreliabilität Indikator
Item-to-TotalKorrelationen
Faktorladungen
Zufr_1
0,88
0,95
Zufr_2
0,60
0,67
Zufr_3
0,86
0,94
Zufr_4
0,84
0,93
Tabelle 16:
Konstruktvalidität (auf Konstruktebene)
Interne Konsistenz: 0,93 AVE: 0,77 Cronbachs Alpha: 0,90
Gütekriterien des reflektiven Messmodells der Verhandlungszufriedenheit.
Alle Werte zur Bestimmung der Indikatorreliabilität (Faktorladungen) liegen über den empfohlenen Grenzwerten,679 mit Ausnahme des Indikators Zufr_2. Da seine Faktorladung nur knapp unter dem diskutierten Grenzwert von 0,7, jedoch deutlich über dem Eliminierungswert von 0,4 liegt, wird vom Ausschluss des Indikators abgesehen.680 Die Gütemaße
678
679 680
Die Angabe der Item-to-Total-Korrelationen sowie von Cronbachs Alpha dienen in erster Linie der Vergleichbarkeit der erhaltenen Messwerte. Vgl. auch Fußnote 681. Die Faktorladungen sind signifikant auf dem Niveau p 0,01. Zieht man die Item-to-Total-Korrelation zur Skalenbereinigung heran, dann liegt der Wert für Zufr_2 deutlich über dem vorgeschlagenen Grenzwert von 0,5. Vgl. Schultz, C. (2006), S.234; Churchill, G.A. (1979), S.68f.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
203
auf Konstruktebene sind dagegen alle hoch ausgeprägt, so dass von der Konstrukt- bzw. Konvergenzvalidität des Konstruktes ausgegangen werden darf.681 Zur Überprüfung der Diskriminanzvalidität wird das Fornell-Larcker-Kriterium benutzt, wonach die durchschnittlich erklärte Varianz AVE (Average Variance Extracted) des betrachteten Konstruktes größer sein sollte als die quadrierten Korrelationen des Konstruktes mit den anderen latenten Konstrukten. Die quadrierte Korrelation der Verhandlungszufriedenheit mit dem distributiven Verhandlungsverhalten beträgt 0,22, mit dem integrativen Verhandlungsverhalten 0,04. Bei einer AVE von 0,77 darf somit auch die Diskriminanzvalidität als gegeben angesehen werden. 4.3.3.2.2 Beurteilung der formativen Messmodelle von integrativem und distributivem Verhandlungsverhalten Im Gegensatz zur reflektiven Konstruktmessung ist die Wirkungsrichtung zwischen Indikatoren und latentem Konstrukt bei formativen Messmodellen umgekehrt: Die Indikatoren verursachen das Konstrukt. Folglich kann die Beurteilung von formativen Messmodellen nicht anhand der statistischen Kriterien zur Begutachtung eines reflektiven Messmodells erfolgen.682 Insbesondere würde die Eliminierung eines Indikators aufgrund geringer Korrelation mit den anderen Indikatoren dazu führen, dass das Konstrukt selbst verändert wird.683 Als erster Anhaltspunkt zur Einschätzung der Reliabilität eines formativen Messmodells können die Höhe und Signifikanz der Indikatorgewichte dienen.684 Allerdings dürfen nicht automatisch alle Indikatoren mit nicht signifikanten Pfadgewichten entfernt werden, da ihre Entfernung möglicherweise das Konstrukt selbst verändern würde.685
681
682 683 684
685
In den ursprünglichen Arbeiten von GRAHAM wurden Werte von 0,76 bzw. 0,80 für Cronbachs Alpha erreicht. Vgl. Graham, J.L. (1985), S.136; Graham, J.L. (1986), S.555. Bezüglich der Faktorladungen der einzelnen Indikatoren erreichte GRAHAM (1986) für die Werte 0,99 für Zufr_1; 0,54 für Zufr_2; kein Wert für Zufr_3 wegen missing data und 0,79 für Zufr_4. Vgl. Graham, J.L. (1986), S.558. Vgl. Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.728. Vgl. Bollen, K./Lennox, R. (1991), S.308. Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2004), S.25; Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.57. Vgl. Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.272.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
204
Aufgrund der wenigen überprüfbaren Reliabilitätsaspekte einer formativen Operationalisierung eines Konstruktes686 schlagen DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER eine Verfahrensweise zur Validierung eines formativen Messmodells vor, die die in Tabelle 17 zusammengestellten Schritte beinhaltet. Schritt
Ausgestaltung
Inhalts- und Indikatorspezifikation
• Festlegung der konzeptionellen Breite des Konstrukts und schriftliche Definition aufgrund einer Literaturdurchsicht bzw. einer Vorstudie. • Generierung der formativen Indikatoren, so dass alle Facetten des Konstruktes abgedeckt sind.
Überprüfung möglicher Indikatorkollinearität
• Messung der Multikollinearität eines Indikators mit den restlichen Indikatoren des formativen Messmodells anhand der Toleranz. • Bei Toleranzen < 0,1 Überprüfung, ob der entsprechende Indikator eine Linearkombination der anderen Indikatoren darstellt und inhaltlich entbehrlich ist. • Evtl. Indikatorelimination
Überprüfung der externen Validität
Drei Möglichkeiten (1) Verwendung eines das Gesamtkonstrukt bestmöglich repräsentierenden Einzelindikators, mit dem alle formativen Indikatoren des Konstruktes signifikant korrelieren sollten. Nicht signifikante Indikatorgewichte können darauf hindeuten, dass der Indikator entfernt werden kann, sofern dem keine inhaltlichen Gründe entgegenstehen. (2) Benutzung eines MIMIC-Modells, das zur Überprüfung der formativen Operationalisierung des Konstruktes eine reflektive Operationalisierung desselben Konstruktes verwendet. Bei einer guten Modellanpassung können die formativen Indikatoren mit nichtsignifikanten Indikatorgewichten entfernt werden, sofern dies den Konstruktinhalt nicht stark beschränkt. (3) Betrachtung des Einflusses des Konstrukts auf andere Konstrukte. Gibt es empirisch belegte Zusammenhänge zwischen dem formativ zu operationalisierenden Konstrukt und einem abhängigen Konstrukt, so kann diese Beziehung dazu verwendet werden, die formative Operationalisierung des unabhängigen Konstrukts zu überprüfen. Diese darf als gelungen gelten, wenn das Pfadgewicht zwischen den beiden Konstrukten das vermutete Vorzeichen besitzt und signifikant ist.
Tabelle 17:
686 687
Vorgehensweise zur Validierung formativer Konstrukte.687
Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2004), S.25. Diese Vorgehensweise geht auf DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER zurück. Es sei darauf hingewiesen, dass die Autoren selbst die Vorgehensweisen zur Überprüfung der externen Konstruktvalidität als vorläufige Vorschläge betrachten. Vgl. Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.271ff.; sowie zu einzelnen Aspekten Fassott, G./Eggert, A. (2005), S.40; Bollen, K./Lennox, R. (1991), S.306; Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.728ff.; Schultz, C. (2006), S.182f.; Eberl, M. (2006), S.655ff. MIMIC-Modell steht für Multiple Indicators MultIple Causes model.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
205
In unserem Fall sollen die beiden Konstrukte des distributiven und des integrativen Verhandlungsverhaltens formativ operationalisiert werden. Die formative Operationalisierung ergibt sich eindeutig aus der Wirkungsrichtung zwischen Indikatoren und Konstrukt: Die einzelnen Verhandlungstaktiken bilden gemeinsam ein bestimmtes Verhandlungsverhalten. Sie müssen daher keineswegs stark korrelieren. Bspw. kann eine Verhandlungspartei in ihrem integrativen Verhandlungsverhalten vollständig auf Prozessmanagement verzichten und sich auf den Informationsaustausch über Prioritäten konzentrieren. Beide Taktiken sind jedoch Indikatoren des integrativen Verhandlungsverhaltens.688 Gemessen werden die Indikatoren über die Ergebnisse der Inhaltsanalyse: Der Wert eines Indikators ergibt sich als relative Auftretenshäufigkeit der zugehörigen Verhaltenskategorie, wie sie im Kategoriensystem der Inhaltsanalyse festgelegt wurde.689 Es wird dabei nicht zwischen Verhaltensweisen der jeweiligen Parteien unterschieden, sondern jeweils die Auftretenshäufigkeit einer bestimmten Verhaltenskategorie über beide Parteien hinweg betrachtet.690 Dies entspricht der Vorgehensweise aller uns bekannten Arbeiten, die die Theoriebildung zu den beiden Konstrukten empirisch vorangebracht haben.691 Eine inhaltliche Definition der Konstrukte des distributiven Verhandlungsverhaltens und des integrativen Verhandlungsverhaltens wurde in den Abschnitten 3.3.3.1 und 3.3.3.2 vorgenommen (Inhalts- und Indikatorspezifikation). Es wurde dabei deutlich, dass beide Konstrukte sowohl hinsichtlich ihres Ziels in Bezug auf die ökonomischen Verhandlungsergebnisse als auch bezüglich ihrer empirischen Wirkung darauf definiert wurden. Die folgenden Indikatoren wurden mithilfe der Inhaltsanalyse gewonnen und dienen nun der Operationalisierung der beiden Konstrukte, so dass jeweils alle Facetten der beiden Konstrukte abgedeckt werden. Das distributive Verhandlungsverhalten jeder Partei hat zum Ziel,
688 689
690
691
Vgl. dazu auch Abschnitte 3.3.3.2.1 und 3.3.3.2.3. Die Verwendung solcher aggregierter Daten spricht ebenfalls für die Verwendung von PLS gegenüber der Kovarianzstrukturanalyse, da diese nicht den Annahmen der klassischen psychometrischen Messfehlertheorie entsprechen. Vgl. Scholderer, J./Balderjahn, I. (2005), S.97. Haben bspw. in einer Verhandlung, in der insgesamt 100 Einheiten kodiert wurden, beide Parteien gemeinsam insgesamt 20 Mal die Argumente und Angebote der jeweils anderen Partei zurückgewiesen, so würde für diese Verhandlung der Wert der Kategorie 9 „Zurückweisung und negative Reaktion“ 20/100 = 0,2 betragen. Vgl. Anhang 2.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
206
die Verhandlungsmasse zwischen beiden Parteien aufzuteilen. Dazu verwenden die Parteien Argumente für die eigenen Positionen, um die Gegenpartei davon zu überzeugen, diese Argumente als gültig zu akzeptieren und sie entsprechend bei ihrer Angebotsformulierung in Form einer Konzession zu berücksichtigen. Diese Verhaltensweise wird in unserer Arbeit durch den Indikator „Informationsaustausch über Präferenzen, Positionen und wichtige Fakten“ (Kategorie 7 des zur Inhaltsanalyse verwendeten Kategoriensystems) berücksichtigt. Neben Argumenten dienen Commitments, Warnungen, Drohungen und Bluffs zu den Verhaltensweisen, die die andere Partei dazu bewegen sollen, Konzessionen zu machen. Zur Abdeckung dieser Facette des distributiven Verhandlungsverhaltens wird der Indikator „Drohungen, Warnungen, Commitments und Bluffs“ (Kategorie 8) benutzt. Weiterhin dient die Ablehnung einer Argumentation bzw. eines Angebots durch eine Partei dazu, die Verteilung der Verhandlungsmasse zu beeinflussen, indem einer eigenen Konzession die mögliche argumentative Grundlage genommen wird. Dieser Aspekt wird von uns durch den Indikator „Zurückweisung und negative Reaktion“ abgebildet (Kategorie 9). Neben diesen drei Aspekten des distributiven Verhandlungsverhaltens werden damit auch die Verhaltensweisen der Einzelofferten sowie der Forderung von Angeboten verbunden. Die Begründung für diese Zuordnung stammt jedoch nicht in erster Linie aus inhaltlichen Überlegungen zum Ziel distributiven Verhandlungsverhaltens, nämlich der Aufteilung der Verhandlungsmasse, sondern beruht auf der Wirkung dieser Verhaltensweisen. In den bisherigen Untersuchungen zur Verhandlungsinteraktion wurde gezeigt, dass distributives Verhalten zwar dazu benutzt werden soll, die Verhandlungsmasse aufzuteilen, jedoch den Effekt besitzt, sie insgesamt zu verkleinern. Distributives Verhalten wurde folglich als ein Grund für weniger effiziente Abkommen identifiziert.692 Da dieser Effekt auch für die Verhaltensweisen der Einzelofferten und der Forderung von Angeboten nachgewiesen wurde,693 wurden auch diese Verhaltensweisen in der nachfolgenden Theoriebildung dem
692 693
Vgl. Abschnitt 3.3.3.1. Vgl. bspw. Weingart, L.R. et al. (1990), S.27; Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.238 u. 248; Olekalns, M./Smith, P.L. (2003), S.110f.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
207
Konstrukt des distributiven Verhaltens zugeordnet.694 Dieser Argumentation wird hier gefolgt; daher werden die Indikatoren „Einzelofferte“ (Kategorie 1) und „Forderung eines Angebots“ (Kategorie 3) ebenfalls zur Operationalisierung des distributiven Verhandlungsverhaltens verwendet. Somit wird das distributive Verhandlungsverhalten durch die fünf formativen Indikatoren „Informationsaustausch über Präferenzen, Positionen und wichtige Fakten“, „Drohungen, Warnungen, Commitments und Bluffs“, „Zurückweisung und negative Reaktion“, „Einzelofferten“ sowie „Forderung eines Angebots“ operationalisiert. Im Kategoriensystem der Inhaltsanalyse entspricht dies den Kategorien 7, 8, 9, 1 und 3. Unter dem Konstrukt des integrativen Verhandlungsverhaltens werden die Verhandlungstaktiken subsumiert, die dazu dienen sollen, die Verhandlungsmasse insgesamt zu vergrößern. Wie im Abschnitt 3.3.3.2 erörtert wurde, handelt es sich dabei um die Verhaltensweisen der Paketofferten (Kategorie 2), um den Informationsaustausch über Prioritäten und variable Kosten (Kategorie 4) sowie das Prozessmanagement (Kategorie 12). Deren positiver Einfluss auf die Verhandlungseffizienz wurde wiederholt nachgewiesen.695 Allerdings unterscheiden sich diese Verhaltensweisen dahingehend, wie sie das Zustandekommen von effizienten Abkommen im Einzelnen positiv beeinflussen. Paketofferten machen im Gegensatz zu Einzelofferten logrolling möglich, um mit aufeinander folgenden Angeboten die zu verteilende Verhandlungsmasse zu vergrößern.696 Außerdem können Sequenzen von Paketofferten dazu dienen, implizit Informationen über Prioritäten hinsichtlich der einzelnen Verhandlungsgegenstände zu transportieren. Der Informationsaustausch über Prioritäten und variable Kosten dient den Parteien dazu, einen besseren Einblick in die Präferenzstruktur der Gegenpartei zu bekommen und diesen in Form von Angeboten zu berücksichtigen, die eher zu einem effizienten Interessenausgleich und nicht zu einem Kompromiss führen. Prozessmanagement hilft den Parteien, aus Sequenzen reziproken distributiven Verhaltens auszubrechen und somit wieder interessen- und nicht positionsbasiert zu verhandeln. Die drei
694
695 696
Vgl. Weingart, L.R. et al. (1990), S.21; Weingart, L.R./Hyder, E.B./Prietula, M.J. (1996), S.1211. Einschränkend muss zur ersten Studie gesagt werden, dass die Operationalisierung der verschiedenen Konstrukte nachträglich anhand einer explorativen Faktoranalyse vorgenommen wurde und damit eine Fehlspezifizierung des eigentlich formativen Messmodells vorliegt. Vgl. Abschnitt 3.3.3.2. Vgl. Abschnitt 3.3.3.2.2.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
208
verwendeten Indikatoren bilden folglich nicht dieselben Facetten des integrativen Verhaltens ab, was auch hier für eine formative Operationalisierung des Konstruktes spricht. Alle Indikatoren sowie die beiden Konstrukte selbst wurden wie in der Literatur gefordert theoriegestützt hergeleitet und entsprechend definiert. Die eindeutige inhaltliche Definition der einzelnen Indikatoren ergibt sich aus der Definition der Kategorien im Kodierhandbuch der durchgeführten Inhaltsanalyse in Verbindung mit den bei der Kodierung erreichten Reliabilitäten.697 Indikatorgewicht
t-Wert
Signifikanz (einseitiger Test)
VV_1: Einzelofferten
-0,05
0,44
n.s.
Indikator Distributives Verhandlungsverhalten
VV_3: Forderung eines Angebots
-0,01
0,10
n.s.
VV_7: Informationsaustausch über Präferenzen, Positionen und wichtige Fakten
-0,21
1,84
p < 0,05
VV_8: Drohungen, Warnungen, Commitments und Bluffs
0,49
3,11
p < 0,01
VV_9: Zurückweisung und negative Reaktion
0,61
3,98
p < 0,01
VV_2: Paketofferten
0,17
0,52
n.s.
VV_4: Informationsaustausch über Prioritäten und variable Kosten
0,71
1,90
p < 0,05
VV_12: Prozessmanagement
0,48
1,31
p < 0,1
Integratives Verhandlungsverhalten
Tabelle 18:
Indikatorgewichte und Signifikanzniveaus der formativen Messmodelle von distributivem und integrativem Verhandlungsverhalten.
Die Indikatorgewichte der beiden Messmodelle sowie die zugehörigen Signifikanzniveaus, die mithilfe des Bootstrapping-Verfahrens bei einer Stichprobengröße von 500 Ziehungen mit je 146 Fällen gewonnen wurden, zeigt Tabelle 18. Es handelt sich dabei um die Indikator-
697
Vgl. Abschnitt 4.2.3.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
209
gewichte und Signifikanzen der beiden Messmodelle, die sich bei der Schätzung des kompletten Strukturmodells ergeben.698 Während die Indikatorgewichte des integrativen Verhandlungsverhaltens alle positiv sind, treten im Messmodell des distributiven Verhandlungsverhaltens auch negative Indikatorgewichte auf. Die Betrachtung der Toleranz der einzelnen Indikatoren in Tabelle 19 zeigt, dass Multikollinearität als mögliche Störquelle für unzuverlässige Schätzer der Indikatorgewichte nicht in Frage kommt, da alle Toleranzwerte weit über dem problematischen Wert von 0,1 liegen. Distributives Verhandlungsverhalten
Integratives Verhandlungsverhalten
Indikator
Toleranz
Indikator
Toleranz
VV_1
0,96
VV_2
0,91
VV_3
0,92
VV_4
0,77
VV_7
0,96
VV_12
0,77
VV_8
0,70
VV_9
0,70
Tabelle 19:
Multikollinearitätsdiagnose der Indikatoren von distributivem und integrativem Verhandlungsverhalten.
Aufgrund inhaltlicher Überlegungen sollten trotz teilweise nicht gegebener Signifikanzen der Indikatorgewichte keine Indikatoren entfernt werden, da dadurch sowohl beim distributiven als auch beim integrativen Verhandlungsverhalten eine Facette des Konstruktes entfernt würde.699 Die negativen Vorzeichen der Indikatoren VV_1 und VV_3 sind aufgrund der nicht gegebenen Signifikanzen sowie der geringen Indikatorgewichte nicht problematisch. Das
698
699
Es muss beachtet werden, dass sich die Indikatorgewichte eines formativ operationalisierten Konstruktes im kompletten Strukturmodell dann von solchen in einem Teilmodell deutlich unterscheiden können, wenn das Konstrukt im Gesamtmodell sowohl eine abhängige als auch eine erklärende Variable darstellt, während es im Teilmodell, das üblicherweise zur Validierung des Messmodells verwendet wird, nur als erklärende Variable auftritt. Dies lässt sich mithilfe der Funktionsweise des PLS-Algorithmus erklären: Sein Zielkriterium ist die lokale Optimierung der erklärten Varianz aller abhängigen Variablen, also auch der Variablen, die selbst noch erklärende Variablen sind. Vgl. Scholderer, J./Balderjahn, I. (2005), S.90. Vgl. Krafft, M./Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2005), S.78.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
210
negative Vorzeichen des signifikanten Indikatorgewichts des Indikators VV_7 muss hingegen inhaltlich im Gesamtzusammenhang des Strukturmodells interpretiert werden.700 Als Möglichkeit der Überprüfung der externen Validität der Messmodelle schlagen DIAMANTOPOULOS/WINKLHOFER vor, jeden Indikator mit einem zusätzlich zu erhebenden Indikator zu korrelieren, der das Gesamtkonstrukt bestmöglich repräsentiert, oder besser noch ein MIMIC-Modell zu verwenden, indem das Konstrukt zusätzlich zur formativen Operationalisierung noch einmal reflektiv operationalisiert wird. Aufgrund der Problematik der self-report biases, die eine nachträgliche Abfrage des Verhandlungsverhaltens deutlich verzerren, verschließt sich hier dieser Weg.701 Es bleibt allerdings die Möglichkeit der Überprüfung der externen Validität der Messmodelle mithilfe eines reflektiv operationalisierten Konstruktes, zu dem eine theoretisch und empirisch fundierte Beziehung bestehen sollte.702 Hier kann dafür die Verhandlungszufriedenheit verwendet werden. Im Falle des distributiven Verhandlungsverhaltens ist eine negative Beziehung zu erwarten, im Falle des integrativen Verhandlungsverhaltens ein positiver Zusammenhang. Ergeben sich die erwarteten signifikanten Zusammenhänge zwischen formativ und reflektiv operationalisierten Konstrukten, so ist dies ein Hinweis für die nomologische Validität des formativ operationalisierten Konstruktes.703 Dabei ergibt sich folgendes Bild:
700 701 702 703
Vgl. dazu Abschnitt 4.3.3.2.3. Vgl. dazu Abschnitt 1.1. Vgl. Diamantopoulos, A./Winklhofer, H.M. (2001), S.273. Vgl. Krafft, M./Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2005), S.82.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
211
Indikatorgewichte
VV_2 VV_4
Pfadgewichte
Indikatorladungen
0,32 0,95*** 0,14
0,95***
Integratives Verhandlungsverhalten
0,20***
Verhandlungszufriedenheit
0,93***
VV_1
0,05
VV_3
-0,24** 0,03 0,39***
VV_8
0,95***
Distributives Verhandlungsverhalten
-0,49***
Verhandlungszufriedenheit
0,69***
Zufr_1 Zufr_2
0,93***
0,93*** *** p
Zufr_4
Zufr_3
0,75***
VV_9
Zufr_2
0,91***
Zufr_3
VV_12
VV_7
0,72***
Zufr_1
< 0,01
** p
Zufr_4
< 0,05
Abbildung 29: Überprüfung der externen Validität der formativen Messmodelle durch Überprüfung eines bekannten Einflusses auf ein reflektiv operationalisiertes Konstrukt.
Wie sich in Abbildung 29 zeigt, weisen die Pfadgewichte beider formativ operationalisierten Konstrukte auf die Verhandlungszufriedenheit das erwartete Vorzeichen auf und sind signifikant. Dies dient als weiterer Hinweis für die korrekte formative Spezifikation der Konstrukte des distributiven und integrativen Verhandlungsverhaltens, wie sie sich aus inhaltlichen Überlegungen heraus ergibt.704 Insgesamt kann also von der Validität der formativen Messmodelle ausgegangen werden. Die Indikatoren wurden theoriegestützt hergeleitet und bilden die Konstrukte distributives Verhandlungsverhalten und integratives Verhandlungsverhalten vollständig ab. Trotz teilweise negativer und nicht signifikanter Indikatorgewichte ist eine Eliminierung von Indikatoren aus inhaltlichen Überlegungen heraus nicht gerechtfertigt. Der Beleg der nomologischen Validität der Konstrukte bestätigt dieses Vorgehen.
704
Vgl. Krafft, M./Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2005), S.82.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
212
4.3.3.2.3 Beurteilung des Strukturmodells Im Gegensatz zur Kovarianzstrukturanalyse gibt es für Strukturgleichungsmodelle, die mithilfe des PLS-Algorithmus geschätzt wurden, keine globalen Gütemaße.705 Dies liegt darin begründet, dass der PLS-Algorithmus keine Annahmen hinsichtlich der Verteilung und Unabhängigkeit der einzelnen Beobachtungen unterstellt, um die Parameter des Strukturgleichungsmodells zu schätzen, so dass folglich auch keine parametrischen Signifikanztests möglich sind.706 Stattdessen werden die schon erwähnten Resampling-Methoden des Jackknifing oder Bootstrapping verwendet, um Aussagen über die Signifikanzen der einzelnen Pfadkoeffizienten treffen zu können. Aufgrund des Zielkriteriums des PLS-Algorithmus’, für jede endogene Variable die erklärte Varianz (R²) zu maximieren, bieten sich einerseits Richtung, Höhe und Signifikanz der Pfadgewichte und andererseits die erklärte Varianz der endogenen Variablen als Kriterien zur Gütebeurteilung des Strukturmodells an.707 Für reflektiv operationalisierte endogene Konstrukte kann außerdem die Prognoserelevanz Q² als Gütemaß zur Anwendung kommen.708 Die Gütemaße zur Beurteilung des Strukturmodells im Überblick zeigt Abbildung 30.709
705 706 707 708
709
Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.58. Vgl. Chin, W.W. (1998), S.316. Vgl. Krafft, M./Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2005), S.83. Die Prognoserelevanz Q² eines reflektiv operationalisierten endogenen Konstruktes wird in PLS mithilfe der Blindfolding-Methode ermittelt. Über alle Fälle und Indikatoren des Konstrukts werden einzelne Datenpunkte im Abstand einer Primzahl D ausgelassen und mithilfe der restlichen Daten geschätzt. Dies wird D mal widerholt, bis alle Datenpunkte einmal ausgelassen wurden. Die Prognoserelevanz untersucht nun, ob die Schätzung der ausgelassenen Datenpunkte mithilfe der restlichen Daten im Strukturmodell besser gelingt als eine triviale Schätzung durch den Mittelwert der jeweiligen Indikatoren des Konstruktes. Dazu wird für jede der D Blindfolding-Runden die Summe der quadrierten Fehlerterme der Schätzung mithilfe der restlichen Daten berechnet (E). Dasselbe wird für die triviale Schätzung durchgeführt, so dass man ebenfalls für jede Blindfolding-Runde die Summe dieser quadrierten Fehlerterme erhält (O). Summiert man E und O jeweils über alle D Blindfolding-Runden auf, so ergibt sich Q² = 1 – (ȈDED/ȈDOD). Ist Q² positiv, so besitzt das Strukturmodell Prognoserelevanz in Bezug auf das betrachtete endogene, reflektiv operationalisierte Konstrukt. Vgl. Chin, W.W. (1998), S.317f. Die Signifikanzniveaus wurden bestimmt durch die Ziehung von 500 Bootstrap-Stichproben mit jeweils 146 Fällen.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
Art der Marktpartnerschaft
213
Integratives Verhandlungsverhalten beider Parteien
0,13*
0,32***
-0,41***
Verhandlungszufriedenheit des Anbieters
-0,31***
Verhandlungsmacht Schlechte BATNA: 1 Gute BATNA: 2 (jeweils des Anbieters, BATNA des Nachfragers konstant)
R² = 0,18
Distributives Verhandlungsverhalten beider Parteien R² = 0,14
0,12*
Verhandlungseffizienz
-0,46***
R² = 0,02
-0,35***
Einzeltransaktion: 1 Geschäftsbeziehung: 2
-0,07 -0,06
0,16**
Verhandlungsziel des Anbieters R² = 0,03
0,37***
Allererstes Angebot Anbieter: 1 Nachfrager: 0 Verhandlungsziel des Nachfragers
0,31***
Höhe des Erstangebots des Anbieters R² = 0,17 0,16*** 0,31***
-0,11*
R² = 0,31 0,24***
Individueller Verhandlungsgewinn des Anbieters
-0,31***
Höhe des Erstangebots des Nachfragers R² = 0,12
0,12**
R² = 0,31
Täuschung des Anbieters
Kontext (statisch)
Verhandlungsergebnisse
Dynamische Variablen der Verhandlung
positiver erwarteter Einfluss
negativer erwarteter Einfluss
***
p < 0,01; ** p < 0,05; * p < 0,1
Abbildung 30: Pfadgewichte, Signifikanzen und erklärte Varianzanteile im Strukturmodell.
Als erste Beobachtung ist festzustellen, dass alle Vorzeichen der Pfadgewichte mit zwei Ausnahmen die vorhergesagte Richtung aufweisen. Die Ausnahmen betreffen die Pfade vom integrativen Verhandlungsverhalten zur Verhandlungszufriedenheit und zur Verhandlungseffizienz, die in der Modellschätzung schwach negativ sind. Da sie außerdem nicht signifikant sind, müssen die damit verbundenen Hypothesen H7, die einen positiven Einfluss des integrativen Verhandlungsverhalten auf die Verhandlungseffizienz prognostizierte, sowie H16a, die einen positiven Einfluss des integrativen Verhandlungsverhaltens auf die Verhandlungszufriedenheit vorhersagte, im Gesamtkontext der theoriegeleiteten Modellspezifikation verworfen werden. Vergleicht man Abbildung 29, in der für die isolierte Betrachtung von integrativem Verhandlungsverhalten und Verhandlungszufriedenheit eine signifikante positive Beziehung nachgewiesen werden konnte, mit der Schätzung des Gesamtmodells in Abbildung 30, so wird eine Schwäche des PLS-Algorithmus’ deutlich: Durch die Optimierung der erklärten Varianz R²
Forschungsmethodik und Ergebnisse
214
jeder endogenen Variable verändern sich die Indikatorgewichte und die Pfadgewichte von formativ operationalisierten Konstrukten je nach Einschluss oder Ausschluss bestimmter Prädikatorvariablen und Pfade teilweise erheblich.710 In diesem Falle deutet dies darauf hin, dass bei gemeinsamer Betrachtung der Wirkung von integrativem und distributivem Verhandlungsverhalten auf die Verhandlungszufriedenheit und die Verhandlungseffizienz das distributive Verhalten eine deutlich größere erklärende Rolle spielt, wie die negativen und hochsignifikanten Pfadgewichte vom distributiven Verhandlungsverhalten zur Verhandlungszufriedenheit und -effizienz deutlich machen. Da die Werte der einzelnen Verhaltensindikatoren, die das integrative und distributive Verhandlungsverhalten messen, über die relativen Auftretenshäufigkeiten der einzelnen Verhaltensweisen in einer Verhandlung bestimmt wurden, ist dieses Ergebnis nicht verwunderlich: Insgesamt wurden deutlich häufiger distributive als integrative Verhaltensweisen beobachtet.711 Betrachtet man weiterhin die Indikatorgewichte im formativen Messmodell des distributiven Verhandlungsverhaltens (Tabelle 18), so ist festzustellen, dass insbesondere die Indikatorgewichte der Indikatoren „Drohungen, Warnungen, Commitments und Bluffs“ (VV_8) sowie „Zurückweisungen und negative Reaktion“ (VV_9) deutlich positiv und hochsignifikant sind. Sie sind demnach hauptsächlich für die Ausprägung des distributiven Verhandlungsverhaltens in dem postulierten Wirkungszusammenhang verantwortlich.712 Hingegen ist der Indikator „Informationsaustausch über Präferenzen, Positionen und wichtige Fakten“ (VV_7) im Gesamtmodell negativ, aber signifikant. Auch dies lässt sich aus dem Gesamtkontext erklären: Während die beiden Indikatoren VV_8 und VV_9 ein aggressives distributives Verhalten darstellen, wird mit VV_7 das sachliche Argumentieren der Parteien für die eigene Sache abgebildet. Betrachtet man die jeweils negativen und hochsignifikanten Pfadgewichte vom distributiven Verhandlungsverhalten zur Verhandlungszufriedenheit und
710
711
712
Betrachtet man nur die Teilmodelle, in denen die Wirkung des integrativen Verhaltens bzw. des distributive Verhaltens auf die Verhandlungseffizienz separat untersucht werden, dann treten auch hier signifikante Pfade mit dem erwarteten Vorzeichen auf. Vgl. Anhang 8. Betrachtet man alle distributiven und alle integrativen Verhaltensweisen jeweils gemeinsam, so liegt der Mittelwert der Auftretenshäufigkeit der summierten distributiven Verhaltensweisen bei 54,1% (SD = 12,7 %), während die integrativen Verhaltensweisen in Summe nur 22,2 % (SD = 10,2 %) der Verhandlung ausmachen. Vgl. Herrmann, A./Huber, F./Kressmann, F. (2006), S.60; Diller, H. (2006), S.614.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
215
zur Verhandlungseffizienz, so ist dies dahingehend zu interpretieren, dass die mit dem Indikator VV_7 abgebildeten Verhaltensweisen zur Aufteilung der Verhandlungsmasse geeignet sind, ohne dabei die Verhandlungszufriedenheit oder die Verhandlungseffizienz negativ zu beeinflussen. Diese Argumentation wird auch gestützt durch das in Abbildung 29 verwendete Teilmodell zur Validierung des formativ operationalisierten distributiven Verhandlungsverhaltens, in dem das Indikatorgewicht von VV_7 schwach positiv, aber nicht signifikant ist. Alle weiteren Pfadkoeffizienten besitzen das erwartete Vorzeichen und sind signifikant. Vor der Interpretation der einzelnen Pfade sollte allerdings überprüft werden, ob es zwischen den Kontextvariablen und den Ergebnisvariablen der Verhandlung außer den im Modell angenommenen indirekten Effekten auch noch theoretisch plausible und signifikante direkte Effekte gibt, die anhand der dynamischen Variablen der Verhandlung nicht erklärt werden. Nur wenn es keine direkten, signifikanten Pfade gibt, kann von einer vollständigen Mediation ausgegangen werden, wie sie theoretisch plausibel wäre.713 Sind in einem Mediationsmodell sowohl die indirekten Pfade als auch der direkte Pfad signifikant, so deutet dies darauf hin, dass neben den im Modell betrachteten Mediatoren noch weitere Mediatoren die Ausprägung der Ergebnisvariablen erklären.714 Den Überblick über die Untersuchung aller direkten Pfade von den Kontextvariablen zu den Ergebnisvariablen gibt Tabelle 20. Wie zu erkennen ist, sind bis auf den direkten Pfad von der Verhandlungsmacht zum individuellen Gewinn des Anbieters alle direkten Pfade zwischen Kontext- und Ergebnisvariablen der Verhandlung nicht signifikant. Nur der signifikante Pfad von der Verhandlungsmacht auf den individuellen Verhandlungserfolg macht deutlich, dass zur Erklärung des individuellen Verhandlungserfolgs neben den bereits betrachteten noch weitere Mediatoren gesucht werden müssen. Durch die Aufnahme des direkten Pfads in das Modell würde sich außerdem die erklärte Varianz des individuellen Verhandlungserfolg von R² = 0,31 auf R² = 0,35 erhöhen.
713 714
Vgl. Abschnitt 3.2.2.3. Vgl. Baron, R.M./Kenney, D.A. (1986), S.1176; Venkatraman, N. (1989), S.429f.; Scholderer, J./Balderjahn, I. (2006), S.64; Homburg, C./Klarmann, M. (2006), S.730.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
216
Mögliche direkte Pfade zwischen Kontextund Ergebnisvariablen
Pfadkoeffizient
t-Wert
Signifikanz (einseitiger Test)
Art der Marktpartnerschaft Æ Verhandlungseffizienz
0,08
1,21
n.s.
Art der Marktpartnerschaft Æ individueller Verhandlungsgewinn Anbieter
0,03
0,27
n.s.
Art der Marktpartnerschaft Æ Verhandlungszufriedenheit
-0,07
0,96
n.s.
Verhandlungsmacht Æ Verhandlungseffizienz
0,04
0,51
n.s.
Verhandlungsmacht Æ individueller Verhandlungsgewinn Anbieter
0,21
3,17
p < 0,01
Verhandlungsmacht Æ Verhandlungszufriedenheit
0,00
0,07
n.s.
Tabelle 20:
Pfadkoeffizienten und Signifikanzen der ausgelassenen direkten Pfade zwischen Kontextund Ergebnisvariablen der Verhandlung.
Die Betrachtung der einzelnen Pfade im Strukturmodell zeigt die Richtung und Stärke der jeweiligen Einflüsse zwischen erklärenden und abhängigen Variablen. Hinsichtlich des Einflusses der Art der Marktpartnerschaft ist zu beobachten, dass ein großer Unterschied zwischen ET und GB besteht, was die Anwendungshäufigkeit des distributiven Verhaltens anbelangt: In ETen wird deutlich distributiver verhandelt als in GBen (H4a). Ein Unterschied bezüglich der integrativen Verhaltensweisen liegt in entgegen gesetzter Richtung vor und ist weniger stark ausgeprägt (H4b). Diese Ergebnisse können als Hinweis auf die deutlicheren Verteilungskonflikte in einer ET gegenüber einer GB interpretiert werden. In einer GB können kurzfristige Ungleichverteilungen der Gewinne aus einer Transaktion durch zukünftige Transaktionen ausgeglichen werden, so dass für beide Parteien einer GB eine geringere Notwendigkeit besteht, in der betrachteten Episode mit allen Mitteln um eine möglichst günstige Aufteilung der Verhandlungsmasse zu den eigenen Gunsten zu kämpfen.715 Diese Argumentation wird durch die Auftretenshäufigkeiten der Verhaltensweisen in ET und GB unterstützt.716 Signifikante Unterschiede beim distributiven Verhalten zeigen sich besonders bei den Verhaltensweisen
715 716
Vgl. Jap, S.D./Ganesan, S. (2000), S.228f. Vgl. Anhang 9.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
217
VV_7 (vermehrtes Auftreten in GBen) sowie VV_3, VV_8 und VV_9 (vermehrtes Auftreten in ET). In GBen wird also stärker sachlich argumentiert als in ETen, während in ETen deutlich häufiger Forderungen von Angeboten, Drohungen und Warnungen sowie Zurückweisungen zu beobachten sind. Die Einflüsse der Verhandlungsmacht auf das distributive Verhandlungsverhalten (H6) sowie auf das Verhandlungsziel des Anbieters (H5) sind beide relativ schwach ausgeprägt. Möglicherweise liegt die Erklärung hierfür in der experimentell fixierten absoluten Höhe der BATNA des Anbieters: Im Falle der geringen BATNA liegt sie bei einem Wert von 200.000 €, im Fall der hohen BATNA bei 1 Mio. €. Da besonders bei den Verhandlungszielen des Anbieters z.T. deutlich höhere Werte bei einer insgesamt großen Varianz zu beobachten sind,717 liegt die Vermutung nahe, dass eine stärkere Differenzierung von geringer und guter BATNA in der Gestaltung des Experiments auch einen deutlicheren Effekt hervorgerufen hätte. Betrachtet man den Teil des Strukturmodells, der das Zusammenspiel von Verhandlungszielen und Erstangeboten der beiden Parteien abbildet, so ist festzustellen, dass der Einfluss des Verhandlungsziels auf die Höhe des Erstangebots beim Anbieter ähnlich stark ausgeprägt ist wie beim Nachfrager (H9a, H9b). Dasselbe gilt für den Effekt, der dadurch entsteht, ob der Anbieter oder Nachfrager das allererste Angebot vorlegt (H10a, H10b).718 Der Effekt der Höhe der beiden Erstangebote auf den Verhandlungsgewinn des Nachfragers ist sogar gleich groß (H11a, H11b). Die Feststellung vieler Untersuchungen, dass ein Abkommen häufig in der Mitte zwischen dem ersten Angebot und dem ersten Gegenangebot getroffen wird,719 kann mit den hier vorliegenden Ergebnissen folglich bestätigt werden.
717
718
719
Der Mittelwert des Verhandlungsziels bei einer geringen BATNA lag bei 1.696.741 € (SD = 1.092.800 €), bei einer hohen BATNA betrug er 2.024.124 € (SD = 903.239 €). Der Gruppenunterschied ist auf dem Signifikanzniveau von p < 0,1 signifikant (einfaktorielle ANOVA). Pfade von Verhandlungsziel auf Höhe des Erstangebotes : Pfadkoeffizient Anbieter = 0,37 vs. Pfadkoeffizient Nachfrager = 0,31. Pfade von Allererstes Angebot auf Höhe des Erstangebots: Pfadkoeffizient Anbieter = 0,16 vs. Pfadkoeffizient Nachfrager = -0,11. Das negative Vorzeichen rührt daher, dass es sich bei der Variable „Allererstes Angebot“ um eine Dummy-Variable handelt: Hat der Nachfrager das erste Angebot gemacht, so nimmt die Variable den Wert 0 an, beim ersten Angebot durch den Anbieter hat sie den Wert 1. Vgl. bspw. Raiffa, H. (1982), S.47.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
218
Täuschungen des Anbieters haben wie vermutet einen positiven Einfluss auf seinen individuellen Verhandlungsgewinn, auch wenn dieser schwach ausfällt (H12). Allerdings muss bei diesem Effekt beachtet werden, dass die Anbieterseite ihr Gegenüber nur in insgesamt 36 Fällen (von 146 Verhandlungen) aktiv getäuscht hat. Neben der Höhe der Erstangebote beider Parteien sowie den Täuschungen des Anbieters wird die Höhe des individuellen Gewinns auch durch die Verhandlungseffizienz beeinflusst. Anhand des mittelstarken Pfadkoeffizienten (0,32) kann bestätigt werden, dass eine größere Verhandlungsmasse auch den individuellen Verhandlungsgewinn einer Seite (in diesem Fall den des Anbieters) signifikant positiv beeinflusst (H13). Das Zustandekommen der Verhandlungszufriedenheit kann neben dem Einfluss des Verhandlungsverhaltens beider Parteien maßgeblich durch das Expectancy-DisconfirmationParadigma erklärt werden:720 Während das Verhandlungsziel des Anbieters einen deutlichen und hochsignifikant negativen Einfluss auf die Zufriedenheit ausübt (H14), ist der Einfluss seines individuellen Verhandlungsgewinns auf die Zufriedenheit positiv (H15). Bei entsprechend hohen Zielvorstellungen kann es also vorkommen, dass eine Verhandlungspartei trotz objektiv betrachtet hoher individueller Verhandlungsgewinne nicht mit der Verhandlung zufrieden ist. Die Ergebnisse der Überprüfung aller Hypothesen sind überblicksartig in Tabelle 21 dargestellt. Wie zu erkennen ist, liefern die Daten in großen Teilen eine Bestätigung der Theorie: Außer der Vermutung, dass sich eine Machtasymmetrie negativ auf die Verhandlungseffizienz auswirken könnte, sowie der prognostizierten Wirkung des integrativen Verhandlungsverhaltens konnten alle Hypothesen bestätigten werden.
720
Vgl. Oliver, R.L./Balakrishnan, P.V.S./Barry, B. (1994), S.255.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
Hypothese
219
Aussage
Ergebnis
H1
In einer Verhandlung, die in einer GB stattfindet, wird ein effizienteres Verhandlungsergebnis erzielt als in der Verhandlung einer ET.
vorläufig bestätigt
H2
Eine Partei A mit einer attraktiven BATNA erreicht in der Verhandlung mit Partei B einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn als eine Partei A mit einer weniger attraktiven BATNA.
vorläufig bestätigt
H3
Eine Dyade, in der eine Machtasymmetrie zugunsten einer Partei A besteht, erreicht weniger effiziente Abkommen als eine Dyade ohne Machtasymmetrie.
verworfen
H4a
Marktpartner in Geschäftsbeziehungen wenden mehr integratives Verhalten an als solche in Einzeltransaktionen.
vorläufig bestätigt
H4b
Marktpartner in Geschäftsbeziehungen wenden weniger distributives Verhalten an als solche in Einzeltransaktionen.
vorläufig bestätigt
H5
Eine hohe BATNA des Anbieters führt gegenüber einer geringeren BATNA zu einem höheren Verhandlungsziel.
vorläufig bestätigt
H6
In einer Dyade mit Verhandlungsmachtasymmetrie (Anbieter mit guter BATNA) tritt mehr distributives Verhalten auf als in einer Dyade mit Verhandlungsmachtsymmetrie (Anbieter mit schlechter BATNA).
vorläufig bestätigt
H7
Integratives Verhandlungsverhalten steigert die Verhandlungseffizienz.
verworfen
H8
Distributives Verhandlungsverhalten mindert die Verhandlungseffizienz.
vorläufig bestätigt
H9a
Die Höhe des Verhandlungsziels des Anbieters beeinflusst die Höhe seines ersten Angebots positiv.
vorläufig bestätigt
H9b
Die Höhe des Verhandlungsziels des Nachfragers beeinflusst die Höhe seines ersten Angebots positiv.
vorläufig bestätigt
H10a
Macht der Anbieter das erste Angebot in der Verhandlung, so hat dies eine negative Wirkung auf die Höhe des ersten Gegenangebots des Nachfragers.
vorläufig bestätigt
H10b
Macht der Nachfrager das erste Angebot in der Verhandlung, so hat dies eine negative Wirkung auf die Höhe des ersten Gegenangebots des Anbieters.
vorläufig bestätigt
H11a
Die Höhe des ersten Angebotes des Anbieters wirkt positiv auf seinen individuellen Gewinn.
vorläufig bestätigt
H11b
Die Höhe des ersten Angebotes des Nachfragers wirkt negativ auf den individuellen Gewinn des Anbieters.
vorläufig bestätigt
H12
Maßvolle und gezielte Täuschungen des Anbieters wirken positiv auf seinen individuellen Verhandlungsgewinn.
vorläufig bestätigt
H13
Die Verhandlungseffizienz wirkt positiv auf den individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters.
vorläufig bestätigt
H14
Die Höhe des Verhandlungsziels des Anbieters wirkt negativ auf seine Zufriedenheit.
vorläufig bestätigt
H15
Die Höhe des individuellen Verhandlungsgewinns des Anbieters wirkt positiv auf seine Zufriedenheit.
vorläufig bestätigt
H16a
Vermehrtes integratives Verhalten beider Parteien steigert die Verhandlungszufriedenheit des Anbieters.
verworfen
H16b
Vermehrtes distributives Verhalten beider Parteien wirkt sich negativ auf die Verhandlungszufriedenheit des Anbieters aus.
vorläufig bestätigt
Tabelle 21:
Übersicht der Ergebnisse der Hypothesenprüfung.
Forschungsmethodik und Ergebnisse
220
Gegenüber der Interpretation der Pfadgewichte und -signifikanzen im Strukturmodell gestaltet sich die Beurteilung der erklärten Varianz (R²) der einzelnen abhängigen Variablen deutlich schwieriger. Allgemein gültige Grenzwerte, ab denen eine erklärte Varianz als mittelmäßig, gut oder sehr gut gelten kann, sind prinzipiell problematisch. Sie berücksichtigen bspw. nicht, wie viele Einflüsse auf eine abhängige Variable wirken und lassen außerdem den theoretischen Hintergrund eines bestimmten, empirisch abgebildeten Sachverhalts außer acht. In einem Untersuchungsgebiet mit großen Schwankungen der Zufallsvariablen kann ein bestimmtes R² eine völlig andere Qualität des entsprechenden Modells bedeuten als in einem Untersuchungsfeld mit kleinen Schwankungen. Zur Gütebeurteilung eines Modells anhand des R² kommt in PLS hinzu, dass es aufgrund des Schätzmechanismus’ einen Unterschied macht, ob eine Variable vor allem von manifesten Größen oder latenten Konstrukten erklärt wird:721 Handelt es sich bei den erklärenden Größen um manifeste Variable, so kann PLS nur das Strukturmodell schätzen, da manifeste Variable kein Messmodell benötigen. Die gesamte nicht erklärte Varianz liegt somit im Strukturmodell. Wird dieselbe abhängige Variable hingegen anhand von latenten Konstrukten abgebildet, so werden in einem iterativen Verfahren zuerst die Konstruktwerte der erklärenden Konstrukte und dann die Pfadkoeffizienten des Strukturmodells zur Erklärung der endogenen Variable geschätzt, bis sich die Koeffizienten nicht mehr ändern. Somit verteilt sich ein Teil der gesamten Varianz auf die Messmodelle der erklärenden Konstrukte, während der restliche Teil im Strukturmodell verbleibt und damit einen entsprechenden höheren Wert des R² für die endogene Variable erzeugt. Damit bietet sich zur Beurteilung der jeweils erklärten Varianzen der endogenen Variablen in unserem PLS-Pfadmodell nur der Vergleich zur Untersuchung der Gruppenunterschiede im Hinblick auf die ökonomischen Verhandlungsergebnisse in Abschnitt 4.3.2 sowie zu anderen Untersuchungen mit einem ähnlichem theoretischen Hintergrund und denselben Analyseverfahren an.
721
Vgl. zur Funktionsweise des PLS-Schätzalgorithmus und insbesondere von innerer und äußerer Schätzung Chin, W.W. (1998), S.298ff.; Götz, O./Liehr-Gobbers, K. (2004), S.722ff.; Betzin, J./Henseler, J. (2005), S.54ff.
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
221
Bei der Betrachtung der ökonomischen Verhandlungsergebnisse in Abhängigkeit von der experimentellen Gruppe in Abschnitt 4.3.2.2 konnte für den individuellen Gewinn des Anbieters eine Varianzaufklärung von Ș² = 3,9 % nachgewiesen werden. Die Gruppenunterschiede erklärten außerdem Ș² = 5,7 % der Varianz der Verhandlungseffizienz. Demnach erzeugt das PLS-Pfadmodell gegenüber dem ausschließlichen Einfluss der experimentellen Gruppen einen beträchtlichen Zuwachs der erklärten Streuung. Sie steigt durch das PLSPfadmodell für den individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters auf 35% (einschließlich des direkten Einflusses der Verhandlungsmacht), für die Verhandlungseffizienz auf 18%. Gegenüber einer vergleichbaren Studie sind diese Anteile erklärter Varianz besser: BACKHAUS/VAN DOORN/WILKEN berichten für die Verhandlungseffizienz ein R² von 8,9% und R² = 14,1% für den individuellen Verhandlungserfolg, obwohl beide endogenen Größen von deutlich mehr erklärenden Variablen beeinflusst werden als in unserem Modell.722 Der Vergleich der erklärten Streuung der Verhandlungszufriedenheit in unserer Studie mit anderen Ergebnissen fällt hingegen uneindeutig aus: Während BACKHAUS/VAN DOORN/ WILKEN ein R² von 50,7% bei 10 erklärenden Variablen berichten, liegen die Werte der Verhandlungszufriedenheit bei MINTU-WIMSATT/GRAHAM bei R² = 7% bzw. 8%.723 Letztere Autoren verwendeten dabei ein Modell mit zwei Einflussfaktoren der Verhandlungszufriedenheit. Damit scheint der hier erreichte Wert der erklärten Streuung der Verhandlungszufriedenheit von R² = 31% bei vier erklärenden Variablen insgesamt ordentlich zu sein. Die Prognoserelevanz Q² kann in unserem Modell nur für die Verhandlungszufriedenheit als einzigem reflektiv operationalisiertem Konstrukt berechnet werden. Sie liegt bei Verwendung der kreuzvalidierten Redundanzen bei Q² = 0,23 und ist somit größer als null.724 Das Modell besitzt damit Prognoserelevanz hinsichtlich der Verhandlungszufriedenheit.
722 723 724
Vgl. Backhaus, K./van Doorn, J./Wilken, R. (2005), S.4; Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.110. Vgl. Backhaus, K./Voeth, M. (2007), S.4; Mintu-Wimsatt, A./Graham, J.L. (2004), S.352. Vgl. Chin, W.W. (1998), S.318: „A cross-validated communality Q² is obtained if prediction of the data points is made by the underlying latent variable score, whereas a cross-validated redundancy Q² is obtained if prediction is made by those latent variables that predict the [indicator] block in question. One would use the cross-validated redundancy to examine the predictive relevance of one’s theoretical/structural model.”
Forschungsmethodik und Ergebnisse
222
4.3.3.2.4 Gesamtbetrachtung des Pfadmodells - Erkenntnisse und Grenzen Betrachtet man das Gesamtmodell aus der Vogelperspektive, so ist festzustellen, dass die vorhergesagten Zusammenhänge bis auf die diskutierten Pfade vom integrativen Verhandlungsverhalten zur Verhandlungseffizienz und -zufriedenheit untermauert werden können. Somit kann zum ersten Mal eine umfassende Operationalisierung des verhaltenswissenschaftlichen Verhandlungsmodells von NEALE/NORTHCRAFT auch empirisch unterlegt werden. Insbesondere wird damit der mediierende Einfluss der dynamischen Variablen der Verhandlung auf die relevanten Ergebnisgrößen Effizienz, individueller Gewinn und Zufriedenheit gezeigt. Dabei stellt sich sowohl die Integration der Verhandlungsziele und Erstangebote, getrennt nach den Parteien, als auch der Einbezug der dyadischen Größen des Verhandlungsverhaltens in das Modell als erklärungsrelevante Größen als vorteilhaft heraus. Die Betrachtung der erklärten Varianzen der Ergebnisvariablen macht allerdings deutlich, dass eine weitere Verfeinerung des Modells durchaus Sinn ergibt. Eine solche wäre bspw. bei der Operationalisierung des Verhandlungsverhaltens möglich: Während in unserem Modell nur die Auftretenshäufigkeiten der einzelnen Verhaltensweisen integriert ist, kann in anderen Untersuchungen mit einer kleineren Gesamtanzahl an Variablen bereits gezeigt werden, dass nicht nur die Auftretenshäufigkeit bestimmter Verhaltensweisen die ökonomischen Verhandlungsergebnisse beeinflusst, sondern auch bestimmte Sequenzen von Verhaltensweisen.725 Dies würde zwar eine andere Operationalisierung der Konstrukte des Verhandlungsverhaltens notwendig machen, möglicherweise aber noch bessere Erklärungsbeiträge für die Verhandlungsergebnisse liefern. Weiterhin wäre zu überlegen, ob anstelle des tatsächlichen Verhandlungsverhaltens, wie es in dieser Untersuchung durch die Inhaltsanalyse zugänglich gemacht wurde, das wahrgenommene Verhandlungsverhalten besser geeignet ist, um die Verhandlungszufriedenheit zu erklären. Dies könnte ein möglicher Schluss aus dem Vergleich der erklärten Streuung in dieser Arbeit und im Beitrag von BACKHAUS/VAN DOORN/WILKEN sein. In letzterer Studie wurde die Verhandlungszufriedenheit in erster Linie durch das wahrgenommene
725
Vgl. Olekalns, M./Smith, P.L. (2003); Olekalns, M./Smith, P.L. (2003).
Ergebnisse und Hypothesenprüfung
223
Verhandlungsverhalten erklärt, wobei das erreichte R² = 50,7 % betrug und damit höher war als die hier erklärte Varianz von R² = 31 %. Der direkte signifikante Pfad von der Kontextvariable Verhandlungsmacht zum individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters signalisiert darüber hinaus, dass es außer den betrachteten Mediatoren noch weitere Größen gibt, die einen Verhandlungsmachtvorteil des Anbieters in einen höheren individuellen Verhandlungsgewinn transformieren. Möglicherweise würde die Integration der Variable der Konzessionsbereitschaft diesen Pfad verschwinden lassen und damit die Wirkung des Verhandlungsmachtvorteils noch besser erklären. Insgesamt liefert das in dieser Arbeit entwickelte Modell einen ganzheitlichen Ansatz zum Verständnis von Verhandlungen auf Industriegütermärkten. Insbesondere ist es in der Lage, die indirekten Ergebniswirkungen der Kontextvariablen, wie sie vor jeder Verhandlung bestehen, mithilfe der dynamischen Variablen der Verhandlung zu erklären. Es wurde deutlich, dass sowohl die Kontextvariablen, als auch die dynamischen Variablen der Verhandlung die Verhandlungsergebnisse maßgeblich beeinflussen. Das hier entwickelte Modell kann damit als gute Ausgangsbasis für weitere Untersuchungen dienen, die Verhandlungsinteraktion auf Industriegütermärkten ganzheitlich zu betrachten und erklären suchen. Die Betrachtung der hier erhaltenen erklärten Varianzen legt die weitere Analyse von Verhandlungsinteraktion zum besseren Verständnis des Zustandekommens von Verhandlungsergebnissen nahe.
Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse
5 5.1
225
Fazit und Ausblick Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse
Verhandlungen stellen auf vielen Industriegütermärkten den zentralen Transaktionsmechanismus dar. In Verhandlungen legen Anbieter und Nachfrager in einem Prozess des Informationsaustausches und der gegenseitigen Beeinflussung die technischen, ökonomischen und juristischen Details einer Transaktion fest. Die objektiven Ergebnisse der Verhandlung determinieren für den Anbieter direkt die Profitabilität und das Risiko der Transaktion. Die Zufriedenheit der Marktpartner mit der Verhandlung beeinflusst die Implementierung der Vereinbarung und beeinflusst zudem ihre Neigung, zukünftig wieder Geschäfte miteinander abzuschließen. Für den Anbieter der Leistung spielt aufgrund seiner direkten Gewinnwirkung insbesondere der zu verhandelnde Preis eine dominante Rolle. Der Anbieter steht dabei häufig vor einem Dilemma: Fordert er für ein bestimmtes Leistungspaket einen hohen Preis und stimmt der Nachfrager dem zu, so kann er mit der Transaktion einen hohen Gewinn verbuchen. Andererseits hat er ein Interesse daran, den Auftrag zu erhalten und muss daher in gewissem Maße bereit sein, seine Preisforderungen zu senken, falls der Nachfrager nicht bereit ist, den geforderten Preis zu zahlen. Für den Anbieter ist folglich jede neue Verhandlungssituation mit einem hohen Maß an gewinnrelevanter Unsicherheit behaftet. Zwei Strategien werden einerseits in der Marketingforschung, andererseits in der Verhandlungsanalyse in besonderem Maße mit der Reduktion solcher Art von Unsicherheit in Verbindung gebracht: der Auf- und Ausbau von längerfristigen GBen sowie das Entwickeln von guten Alternativen zu einem Verhandlungsabschluss, der sogenannten BATNA. Diese gilt als größte Quelle von Verhandlungsmacht. Allerdings ist der Einfluss einer GB auf die konkrete Verhandlungssituation und ihre Ergebnisse in der bisherigen Forschung nicht untersucht worden. Während unumstritten ist, dass eine gute BATNA einer Partei eine positive Wirkung auf ihr individuelles Verhandlungsergebnis ausübt, so ist bisher ebenfalls nicht untersucht worden, wie dies im Verlauf der Verhandlung geschieht. Da beide Größen, ET vs. GB und die Verhandlungsmacht, Kontextvariablen der Verhandlung darstellen, können sie die Ergebnisse einer Verhandlung nur mittelbar beeinflussen. Für das Verständnis ihrer Wirkung muss folglich der Analyse der Verhandlungsinteraktion zentrale Bedeutung zukommen. Aus diesem Grunde wurde in der vorliegenden Arbeit der Frage
226
Fazit und Ausblick
nachgegangen, wie sich einerseits eine GB im Gegensatz zu einer ET und andererseits eine gute gegenüber einer schlechten BATNA auf die Interaktion und die Ergebnisse in industriellen Vermarktungsverhandlungen auswirken. Zu diesem Zweck wurde das Untersuchungsobjekt „Verhandlungssituation“ hinsichtlich seiner grundlegenden und kontextunabhängigen Eigenschaften, seiner zeitlichen und organisatorischen Einordnung in den Vermarktungsprozess von Industriegütern sowie seiner inhaltlichen Charakteristika konkretisiert. Darauf aufbauend wurde eine verhandlungsanalytisch-verhaltenswissenschaftliche Untersuchungsperspektive gewählt, die sich insbesondere durch einheitliche und damit vergleichbare Erfolgsmaße auszeichnet und über eine speziell auf die Verhandlungssituation zugeschnittene und damit eindeutige Terminologie verfügt. Nach der Einführung der grundlegenden Verhandlungsmodellierungen und der Diskussion der damit verbundenen Begriffe konnte das theoretische Modell von NEALE/NORTHCRAFT als Rahmen der eigenen empirischen Untersuchung vorgestellt werden. Seine besondere Eignung ergibt sich durch die Berücksichtigung von Variablen des Verhandlungskontextes und der Integration der dynamischen Variablen der Verhandlung, insbesondere der Interaktion und der Kognitionen der Verhandelnden, zur Erklärung von Verhandlungsergebnissen. Die konkrete theoretische Ausgestaltung des Modells stellte den konzeptionellen Hauptteil der Arbeit dar, das mithilfe eines experimentellen Vorgehens empirisch überprüft wurde. Dabei wurde ein Großteil des bisher in der Verhandlungsanalyse genutzten Instrumentariums verwendet und an geeigneten Stellen erweitert. Die Rollenspiel-Simulation ALUVAN 2006 stellte eine deutliche Verbesserung hinsichtlich der externen Validität der in der Verhandlungsforschung bislang üblichen Experimente dar. Dies ist insbesondere auf den größeren Kontextreichtum der Rollenspiel-Simulation, ihren mehrperiodigen Charakter sowie die realitätsnähere Ausgestaltung der Verhandlungsgegenstände zurückzuführen. Weiterhin wurde mithilfe eines speziell entwickelten Kategoriensystems eine Inhaltsanalyse der Verhandlungsinteraktion durchgeführt, um das tatsächliche und nicht das wahrgenommene und später berichtete Verhandlungsverhalten der Parteien abzubilden. Die Nutzung einer internetbasierten Verhandlungsplattform, die ein geringes Maß an media richness aufweist, stellte sicher, dass die bei anderen Medien möglichen nonverbalen Kommunikationsanteile in der Inhaltsanalyse nicht übersehen werden konnten. Zur Analyse der so gewonnenen Daten wurde
Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse
227
in einem ersten Schritt eine MANOVA zur Untersuchung der Effekte der Kontextgrößen Verhandlungsmacht und ET vs. GB auf die ökonomischen Größen der Verhandlung durchgeführt. Die theoretisch vermuteten Gesamtzusammenhänge wurden schließlich in einem PLS-Pfadmodell analysiert, das sowohl die Kontextgrößen als auch die dynamischen Variablen der Verhandlung umfasste und anhand dessen simultan das Zusammenwirken dieser Größen
auf
die
relevanten
Ergebnisgrößen
individueller
Verhandlungsgewinn,
Verhandlungseffizienz und Verhandlungszufriedenheit untersucht wurde. Sowohl die Berücksichtigung der Konstrukte des distributiven und integrativen Verhandlungsverhaltens mittels formativer Indikatoren, die mithilfe der Inhaltsanalyse gewonnen werden konnten, als auch die simultane Betrachtung verschiedener Kontextgrößen, dynamischer Variablen und Ergebnismaße von Verhandlungen stellen ein Novum der Verhandlungsforschung dar. Folgende Erkenntnisbeiträge konnten mit dieser Vorgehensweise theoretisch-konzeptionell und empirisch-experimentell hinsichtlich der Wirkung der Kontextvariablen „Art der Marktpartnerschaft“ und „Verhandlungsmacht“ sowie der dynamischen Variablen der Verhandlung – Kognitionen der Verhandelnden und Verhandlungsinteraktion – gewonnen werden: x
Mithilfe von verhaltenswissenschaftlichen Theorien, die in die Geschäftsbeziehungsforschung Eingang gefunden haben, wurde argumentiert, dass eine GB gegenüber einer ET vor allem ein verstärkt integratives und weniger distributives Verhandlungsverhalten der Parteien erwarten lässt, und zu vermuten ist, dass in einer GB effizientere Verhandlungsergebnisse resultieren als in einer ET. Diese theoretisch abgeleiteten Hypothesen konnten empirisch bestätigt werden: Neben einer höheren Effizienz in GBen gegenüber ETen wurde dort auch eine höhere Einigungsneigung festgestellt. Die Annahme der unsicherheitsreduzierenden Wirkung einer GB für die Verhandlungssituation kann damit als vorläufig bestätigt gelten. Hinsichtlich des konkreten Verhandlungsverhaltens tauschen die Verhandlungspartner in GBen insbesondere mehr Informationen über Bedürfnisse und Prioritäten aus, die als besonders wichtig für effiziente Abkommen gelten. Außerdem versuchen Verhandlungspartner in GBen die Aufteilung der Verhandlungsmasse eher mit Argumenten und der Verteidigung von Positionen zu beeinflussen, anstellen von Drohungen, Warnungen und Zurückweisungen, wie sie in ETen häufiger
Fazit und Ausblick
228
aufgetreten sind. Die Verhandlungsatmosphäre in GBen zeichnete sich demnach durch eine größere Sachlichkeit und weniger aggressive Beeinflussungsversuche aus. x
Die BATNAs der Verhandelungsparteien beeinflussen deren Macht-Abhängigkeitsrelation. Eine relativ gute ggü. einer schlechten BATNA des Anbieters verschiebt diese Relation zu seinen Gunsten. Allerdings wurde deutlich, dass eine solche Position der erhöhten Verhandlungsmacht erst durch die Interaktion im Verhandlungsprozess in ein besseres Ergebnis umgesetzt werden kann. Zur Untersuchung dieser Zusammenhänge waren zwei Schritte notwendig: Mittels der MANOVA konnten die Ergebnisse früherer Untersuchungen bestätigt werden, die die positive Wirkung einer guten BATNA auf den individuellen Verhandlungserfolg nachgewiesen hatten. Mithilfe des PLS-Pfadmodells konnte anschließend ein Wirkungsmechanismus bestätigt werden, der diese Ergebnisse erklärt: Eine gute BATNA des Anbieters führt zu höheren Verhandlungszielen, die sich in höheren Erstangeboten niederschlagen. Die Höhe des Erstangebots und des ersten Gegenangebots des Nachfragers beeinflussen wiederum maßgeblich den individuellen Verhandlungserfolg des Anbieters. Allerdings deutet der signifikante direkte Pfad zwischen der Höhe der BATNA und dem individuellen Verhandlungsgewinn des Anbieters im PLSPfadmodell darauf hin, dass mit dem hier diskutierten und nachgewiesenen Wirkungsmechanismus noch nicht alle dynamischen Variablen der Verhandlung beschrieben sind, die den Effekt der BATNA auf den individuellen Verhandlungserfolg erklären. Die vermutete negative Wirkung einer Machtasymmetrie, die sich bei einer guten BATNA des Anbieters ergeben hatte, konnte nur bedingt nachgewiesen werden. Zwar führte sie zu einem vermehrt distributiven Verhalten, doch konnte ein negativer Effekt auf die Verhandlungseffizienz nicht nachgewiesen werden, wie dies in einigen anderen Studien berichtet wird.
x
Mittels theoretischer Überlegungen aus der Kommunikationswissenschaft und der Wahrnehmungspsychologie, insbesondere zu kognitiven Verzerrungen, wurden relevante Größen der Verhandlungsinteraktion sowie der Kognitionen der Verhandelnden identifiziert und ihre Bedeutung für den Verhandlungsprozess untersucht. Als wichtige Determinante des individuellen Verhandlungserfolgs des Anbieters stellte sich dabei die Höhe der Erstangebote heraus, die von den jeweiligen Verhandlungszielen der Parteien beeinflusst werden: Der Verhandlungsabschluss liegt häufig in der Mitte zwischen den beiden Erst-
Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse
229
angeboten. Anhand des hier untersuchten Datenmaterials konnte dieser Zusammenhang bestätigt werden, wie die gleichstarken Einflüsse der Höhe des Erstangebots des Anbieters und der Höhe des Erstangebots des Nachfragers verdeutlichen. Weiterhin konnte in einer integrativen Mehrthemenverhandlung bestätigt werden, was für distributive Einthemenverhandlungen bereits häufig festgestellt wurde: Diejenige Partei, die das allererste Angebot vorlegt, beeinflusst damit die Höhe des ersten Gegenangebots. Von großer Bedeutung ist bei diesem Ergebnis, dass die hier betrachteten Erstangebote keineswegs immer vollständige Angebote über alle zu verhandelnden Themenkomplexe darstellten, sondern auch zeitversetzt stückweise zusammengesetzt sein konnten. Dieser Möglichkeit war bereits bei der Definition der zeitlichen Länge der Verhandlungssituation im Vermarktungsprozess Rechnung getragen worden: Die hier verwendete Konzeptualisierung der Verhandlungsphase weicht von bestehenden Phasenmodellen zugunsten eines früheren Startzeitpunktes der Verhandlungsphase ab. Die im Vergleich betrachteten Phasenmodelle sehen den Beginn der Verhandlungsphase erst zu dem Zeitpunkt, wenn der Anbieter ein komplettes Angebot vorgelegt hat. Dass eine solche Betrachtung der Verhandlungsphase in der Praxis Schwierigkeiten mit sich bringen kann, zeigen die hier erzielten Ergebnisse: Bereits mit den ersten konkreten Anfragen des Nachfragers bzw. Vorstudien des Anbieters, die technische Rahmenparameter einer Transaktion bestimmen, werden kognitive Anker gesetzt, die die Wahrnehmung der Parteien über den Verhandlungsspielraum der Transaktion beeinflussen und das Ergebnis teilweise determinieren. x
Hinsichtlich der Verhandlungsinteraktion konnten bei der Literaturdurchsicht bestimmte Verhaltensweisen identifiziert werden, die ein effizientes Abkommen fördern oder behindern. In Bezug auf die gesamte Häufigkeit von konfliktärem distributivem und problemlösungsorientiertem integrativem Verhalten konnte gezeigt werden, dass distributives Verhalten insgesamt deutlich stärker auftrat. Als besonders hinderlich für effiziente Abkommen stellten sich in unserer Untersuchung die Verhaltensweisen der Zurückweisungen und negativen Reaktion sowie Drohungen, Warnungen, Commitments und Bluffs heraus. Sachliches Argumentieren, das ebenfalls der Aufteilung der Verhandlungsmasse dient, beeinträchtigt die Verhandlungseffizienz nach den hier erzielten Ergebnissen jedoch nicht. Inwieweit die integrativen Verhaltensweisen des Informationsaustausches über Prioritäten und Bedürfnisse, Paketofferten und Prozessmanagement zu effizienteren
Fazit und Ausblick
230
Abkommen beitragen, konnte nicht abschließend geklärt werden: Im Gesamtmodell konnte kein Einfluss des integrativen Verhandlungsverhaltens auf die Effizienz nachgewiesen werden, während dieser in einem Teilmodell vorhanden war. In diesem Teilmodell zeigte sich außerdem, dass weniger die Paketofferten, sondern nur das Prozessmanagement und insbesondere der Informationsaustausch über Prioritäten und Bedürfnisse auf die Verhandlungseffizienz wirken. Dies kann ein Hinweis dafür sein, dass die mittels sehr einfacher Verhandlungsmodelle726 ermittelte positive Wirkung von Paketofferten auf die Verhandlungseffizienz möglicherweise ein Artefakt der Laborforschung darstellt. Laut vorherrschender
Meinung
können
die
Verhandlungsparteien
aus 727
Paketofferten implizit die Prioritäten der anderen Partei herauslesen.
verschiedenen
In der Realität ist
die Bewertung und Interpretation unterschiedlicher Paketofferten jedoch weitaus schwieriger und zeitaufwändiger als in den Verhandlungsmodellen mit drei Verhandlungsgegenständen und einem einfachen Nutzenpunkteschema. Die mit der realitätsnäher gestalteten Rollenspiel-Simulation ALUVAN 2006 erzielten Ergebnisse lassen vermuten, dass sich die unterschiedlichen Prioritäten der Verhandlungsparteien, die die Grundlage von effizienten Abkommen bilden, in der Realität weniger einfach aus unterschiedlichen Paketofferten ablesen lassen als in einfachen Laboraufgaben. Vielmehr ist dafür nach den hier erzielten Ergebnissen der explizite Informationsaustausch über Prioritäten und Bedürfnisse notwendig. x
Weiterhin konnte gezeigt werden, dass gezielte und maßvolle Täuschungen bspw. über eigene Kostenpositionen einen leicht positiven Effekt auf den eigenen Verhandlungsgewinn haben. Da diese Verhaltensweisen jedoch insgesamt nur sehr selten auftraten, ist dieses Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren. Insbesondere konnte in der experimentellen Umgebung von ALUVAN 2006 auch nicht nachgeprüft werden, inwieweit die getätigten Äußerungen der Wahrheit entsprachen oder nicht. Bei länger andauernden Verhandlungen in der Realität müssen allerdings die negativen Begleiterscheinungen einer entlarvten Täuschung unbedingt ins Kalkül der jeweiligen Verhandlungsparteien einbezogen werden.
726 727
Vgl. das Modell von PRUITT/LEWIS in Abbildung 5. Vgl. Thompson, L. (2005), S.81f.
Zusammenfassende Beurteilung der Untersuchungsergebnisse
x
231
Mit der Betrachtung der Verhandlungszufriedenheit wurde ein weiterer Schritt zur ganzheitlichen Betrachtung des Verhandlungserfolgs unternommen. In einem Gesamtkontext konnte so gezeigt werden, dass die Verhandlungszufriedenheit sowohl von den vor der Verhandlung existierenden Erwartungen, als auch dem tatsächlichen Verhandlungsverhalten sowie dem individuellen Verhandlungsgewinn abhängig ist. Das für die Erklärung der Zufriedenheitsbildung häufig verwendet Expectancy-DisconfirmationParadigma konnte demnach auch in diesem Zusammenhang bestätigt werden. Den hier erzielten Ergebnissen zufolge wird die Verhandlungszufriedenheit von den eigenen Erwartungen und dem Ausmaß distributiven Verhandlungsverhaltens negativ beeinflusst, während ein höherer individueller Verhandlungsgewinn zu einer höheren Zufriedenheit führt. Für die Praxis ist dies von großer Bedeutung, denn dieses Ergebnis zeigt, dass der ökonomische Gewinn und die subjektive Bewertung einer Verhandlung erheblich auseinander fallen können.
Fazit und Ausblick
232
5.2
Grenzen der Untersuchung und Ansatzpunkte weiterführender Forschung
Die hier vorliegende Untersuchung bedient sich zur Bearbeitung der aufgeworfenen Fragestellung eines experimentellen Vorgehens, wie es für die empirische Verhandlungsforschung typisch ist. Mit dieser Vorgehensweise sind neben den Vorteilen des quantitativ-empirischen Zugriffs auf Verhandlungen und der Isolation bestimmter zu untersuchender Effekte allerdings auch einige Grenzen der Untersuchung verbunden. Insbesondere gilt dies bezüglich der folgenden Punkte: x
Obwohl durch die Verwendung einer Rollenspiel-Simulation die externe Validität des experimentellen Vorgehens gegenüber den klassischen Verhandlungsexperimenten gesteigert werden konnte, stellt eine Simulation von Vermarktungsverhandlungen in einer bestimmten Geschäftssituation nur eine partielle und vereinfachende Abbildung der Realität dar. Insbesondere der Druck für Verhandlungsakteure, einen Auftrag zu erhalten, und die damit einhergehenden weitreichenden Konsequenzen können in einer Simulation nicht abgebildet werden. Auch der Einsatz von studentischen Experimentteilnehmern ohne industrielle Verhandlungserfahrung muss diesbezüglich als Manko aufgefasst werden, wenngleich ein Probelauf der Simulation im Rahmen eines berufsbegleitenden MBAStudiengangs mit verhandlungserfahrenen Teilnehmern keine nennenswerten Ergebnisunterschiede lieferte.
x
Die in der Simulation vorgenommenen Manipulationen für beide untersuchten Variablen, die Art der Marktpartnerschaft sowie die Höhe der BATNA, wurden nur für zwei Faktorstufen vorgenommen, obwohl es sich bei den Ausprägungen beider Größen in der Realität keineswegs um eine Dichotomie handelt. Insbesondere vertreten manche Autoren die Ansicht, dass es ETen überhaupt nicht gibt, sondern nur eine unterschiedliche Intensität von GBen, während hier von einer Dualität ausgegangen wurde.
x
Die Verwendung einer internetbasierten Verhandlungsplattform führte zu einer Reduzierung der Kommunikationsmöglichkeiten auf schriftlich ausgetauschte Nachrichten. Dies stellte zwar einen Vorteil für die vollständige Erfassung der Verhandlungsinteraktion mittels der Inhaltsanalyse dar, spiegelt die Realität aber nur unzureichend wider: Damit können in realen Verhandlungen auftretende Aspekte der nonverbalen Kommunikation
Grenzen der Untersuchung und Ansatzpunkte weiterführender Forschung
233
nicht erfasst werden, die aber ebenfalls einen Einfluss auf den Verlauf einer Verhandlung ausüben. x
In der Simulation wurde nur die Verhandlung abgebildet, während die Implementierung der Abkommen im Sinne der Durchführung der vereinbarten Geschäfte ausgeblendet wurde. Verhandlungsergebnisse sind aber i.d.R. zukunftsbezogen, sie müssen durch entsprechende Handlungen der Geschäftspartner mit Leben erfüllt werden. Erst durch die Umsetzung eines Abkommens materialisiert sich der Gewinn des Anbieters sowie die gesuchte Problemlösung des Nachfragers. Inwieweit der Verlauf einer Verhandlung und ihre Ergebnisse diese Implementierung und damit die technische und wirtschaftliche Umsetzung des vereinbarten Geschäfts beeinflussen, konnte hier nicht betrachtet werden, obwohl nicht davon auszugehen ist, dass verhandelte Verträge vollständig wie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses beabsichtigt umgesetzt werden.
Neben den angesprochenen Grenzen des experimentellen Vorgehens dieser Untersuchung weisen auch die Ergebnisse der statistischen Analysen einen beschränkten Erklärungsgehalt auf. Insbesondere die Anteile der erklärten Streuung der betrachteten abhängigen Variablen zeugen davon, dass das Zustandekommen der betrachteten Verhandlungsergebnisse keineswegs vollständig erklärt ist. Zwar konnten wichtige Einflussfaktoren identifiziert bzw. bestätigt werden; doch für eine vollständigere Erklärung der Verhandlungsergebnisse werden weitere Größen benötigt. Die vorliegende Arbeit hat Vermarktungsverhandlungen in dem Sinne ganzheitlich untersucht, dass sowohl Kontextfaktoren als auch dynamische Variablen der Verhandlung betrachtet wurden, um Verhandlungsergebnisse zu erklären. Wie bei der Vorstellung des verhaltenswissenschaftlichen Modells von NEALE/NORTHCRAFT deutlich wurde, sind neben den hier betrachteten Kontextvariablen viele andere Parameter von Bedeutung für den Verlauf und das Ergebnis einer Verhandlung. Insbesondere die hier vorgenommene vereinfachte Betrachtung im Hinblick auf die Verhandlungsparteien könnte in zukünftigen Arbeiten in verschiedene Richtungen hin aufgehoben werden und damit der Tradition der Interaktionsansätze im Industriegütermarketing folgen. Folgende wichtige Richtungen sind dabei denkbar:
Fazit und Ausblick
234
x
Bei Vermarktungsverhandlungen schließen zwar rechtlich gesehen Organisationen Verträge, es verhandeln aber immer Menschen miteinander, die ihre Organisation vertreten. Inwieweit diese Vertreter, die als Agenten der Organisation auftreten, tatsächlich vollständig die Ziele der Organisation verfolgen, wurde hier nicht weiter betrachtet. Es ist hingegen anzunehmen, dass ihr Verhandlungsverhalten nicht ausschließlich die Interessen der Organisation widerspiegelt. Die Untersuchung des Einflusses von Agenten auf Vermarktungsverhandlungen in Abhängigkeit ihrer Anreizsetzung und ihre Informationsstandes würde daher einen wichtigen Beitrag zu Kriterien der Delegation von Verhandlungsaufgaben liefern.
x
Ein weiterer Aspekt, der in dieser Arbeit ausgeblendet wurde, stellt die Frage dar, welchen Einfluss unterschiedliche Einflussgruppen innerhalb einer Organisation, also das Buying Center und das Selling Center, auf Verlauf und Ergebnis der Verhandlung besitzen. In der Verhandlungsforschung stellt sich diese Frage als Betrachtung nicht-monolithischer Parteien. Soweit uns bekannt ist, wurde diesen Fragen nur ansatzweise in den Arbeiten von ALEXANDER/SCHUL/BABAKUS und ALEXANDER/SCHUL/MCCORKLE nachgegangen. Eine solche Untersuchung könnte durch die entsprechende Umgestaltung vorhandener Rollenspiel-Simulationen mit vertretbarem Mehraufwand auch empirisch experimentell unternommen werden.
x
In der vorliegenden Arbeit wurden nur zwei Parteien betrachtet, die miteinander verhandeln. Gerade bei Verhandlungen über Großprojekte im Anlagengeschäft sind aber mehr als zwei Organisationen mit jeweiligen Partialinteressen an Vermarktungsverhandlungen beteiligt. Die nähere Untersuchung solcher Mehrparteienverhandlungen in einem Industriegütermarketingkontext stellt somit ein weiteres Untersuchungsfeld dar.
x
Neben Fragen zur Zusammensetzung der Parteien (Agenten, nicht-monolithische Parteien, mehrere Parteien) wurden auch Persönlichkeitsvariablen der Verhandelnden in dieser Arbeit nicht untersucht. Ihre Berücksichtigung im hier entwickelten Modell könnte dazu beitragen, das Zustandekommen der Verhandlungsergebnisse besser zu erklären.
x
In dieselbe Richtung zielt die Behandlung der Verhandlungsinteraktion in einer Weise, die neben der Auftretenshäufigkeit bestimmter Verhaltensweisen ihre Abfolge in Form
Grenzen der Untersuchung und Ansatzpunkte weiterführender Forschung
235
bestimmter Sequenzen betrachtet. Auch eine solche zusätzliche Analyse lässt eine möglicherweise bessere Erklärung der Verhandlungsergebnisse erwarten. Diese beispielhaft aufgeführten Ansatzpunkte für die weiterführende Untersuchung von Vermarktungsverhandlungen machen deutlich, dass das Verständnis für Verhandlungen und die Determinanten ihrer Ergebnisse keineswegs vollständig ist. Die vorliegende Arbeit hat zum besseren Verständnis von Verhandlungen auf Industriegütermärkten einen Baustein geliefert, doch muss die weiterführende Forschung zu Vermarktungsverhandlungen sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus praktischer Perspektive als hochrelevant angesehen werden.
Anhang
237
Anhangverzeichnis Anhang 1:
Übersicht der bisherigen Untersuchungen zu Verhandlungsmacht...............238
Anhang 2:
Übersicht der bisherigen Untersuchungen zu Verhandlungsinteraktion .......240
Anhang 3:
Fallstudie ALUVAN 2006.............................................................................244
Anhang 4:
Semantische Unterscheidung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung in ALUVAN 2006 .........................................................................................283
Anhang 5:
Excel-Berechnungshilfen in der Simulation ALUVAN 2006 .......................286
Anhang 6:
Manipulation Checks .....................................................................................287
Anhang 7:
Prämissenprüfung der MANOVA .................................................................289
Anhang 8:
Wirkung des integrativen und distributiven Verhandlungsverhaltens auf die Verhandlungseffizienz – Partialmodelle........................................................290
Anhang 9:
Gruppenunterschiede zwischen ET und GB beim distributiven und integrativen Verhandlungsverhalten..............................................................291
Anhang
238
Anhang 1:
Unabhängige Variable außer Macht
Abhängige Prozessvariable (sachlogisch mediierend)
Effizienz
Verhandlungsaufgabe
BATNA/MachtManipulation
ind. Erfolg
Studie
Übersicht der bisherigen Untersuchungen zu Verhandlungsmacht
ja
ja
Zusätzliche abhängige Variable
Dwyer/Walker (1981)
Integrative HerstellerHändler-Verhandlung; Dyade
ein Hersteller hat entweder 1 oder 2 Händler als Verhandlungspartner
keine
Erstangebot, nachgebendes Verhalten, Anzahl Angebote, Kommunikationshäufigkeit, Kommunikationsinhalt
Komorita/ Lapworth/ Tumonis (1981)
Distributive, Kontext freie Verhandlung; Triade
Starke Mehrheit (2 Starke, 1 Schwacher); Schwache Mehrheit (2 Schwache, 1 Starker); Stark-Mittel-Schwach
Eintrittswahrscheinlichkeit BATNA
Erstangebote
Abkommen ja/nein; Erklärungsgüte versch. nein nein Verteilungsnormen:
Erstangebote
nein nein Konzessionsrate
Distributive, Kontext freie Verhandlung; Smith/Pruitt/ Carnevale (1982) Dyade
Dwyer (1984)
absolute niedriges, mittleres und Zeitbegrenzung; hohes Limit (BATNA) Zähigkeit des Gegners
threat vulnerable game, 20 Runden; Dyade Pay-Off-Struktur
Gruppengröße
Kommunikation: Drohungen, Versprechen, Anzahl Nachrichten
ja1
Aspirationsniveau; Rolle
keine
ja1
ja
Einstellung zum Gewinn, Partner, zur eigenen Leistung
Einstellung zum Spiel, Gegner, Selbst und zur Aufgabe
Integrative McAlister/ Bazerman/Fader Kaufverhandlung; Markt (1986)
a) Anzahl Käufer/ Verkäufer b) Anzahl Verkaufs/Kaufvolumen
Distributive, Kontext freie Verhandlung; Lawler/ Bacharach (1987) Dyade
a) Abhängigkeit, b) Bestrafungskapazität, jeweils hoch vs. niedrig und gleich vs. ungleich keine
keine
integrative Verhandlungs- und Matching-Aufgabe; Sondak/ Bazerman (1991) Quasi-Markt
a) Gültigkeitsdauer eines anderen Angebots b) private BATNA Rolle
keine
ja1
ja
Markteffizienz
Olekalns (1991)
Integrative Kaufverhandlung; Markt
a) Anzahl Käufer/Verkäufer (2:3 bzw. 3:2) b) Anzahl zul. Verträge Rolle, Zeitsegmente
keine
ja1
ja
keine
Mannix/Neale (1993)
Integrative Verhandlung; Markt
Anzahl der Transaktionspartner
Erstangebot, letztes Angebot
ja
ja
keine
Mannix (1993)
integrative RessourcenArt der Gruppenaufteilung; koordination; Triade durch Pay-Off-Struktur Verteilungsnorm
keine
ja
Lawler/Yoon (1993)
10 Runden integrative/ distributive Verhandlung; Dyade
gleich vs. ungleich, totale Macht immer gleich, unterschiedliche integrative und Eintrittswahrscheinlich- distributive keit der BATNA Verhandlung
gegenseitige Konzessionen
ja1
ja1
Abschlusshäufigkeit, affektive Reaktionen, Bleibeverhalten, Geschenk-Einsatz
Pinkley/Neale/ Bennett (1994)
Integrative Bewerberverhandlung; Dyade
BATNA: keine vs. niedrige vs. hohe
Rolle
Reservationspunkt, Zielpunkt, Gewinnerwartung
ja
ja
Häufigkeit des Scheiterns
White/Valley/ distributive Bazerman/Neale/ Preisverhandlung; Peck (1994) Dyade
zwei Niveaus der Einigungszone
Zielpunkte, Marktpreis
keine
ja1
nein keine
Blount/ThomasHunt/Neale (1995)
distributive Preisverhandlung; Dyade
BATNA: hoch vs. niedrig
Marktpreis, Commodity vs. Einzelstück keine
ja1
nein keine
Pinkley (1995)
Integrative Bewerberverhandlung; Dyade
BATNA (Akteur) vs. kein Wissen/Wissen keine BATNA (Gegner) über BATNA
Kim (1997)
durch Pay-Off-Struktur, integrative Ressourcen- größerer Mehrwert Zeitraum der aufteilung; durch Beitritt zu einer Beteiligung an der Triade Koalition Verhandlung
1 Die
Aspirations- Niveau
nein Anzahl der Verträge
Abkommen ja/nein; nein nein Konzessionsrate;
nein keine
Reservationspunkt
ja
ja
keine
keine
ja1
ja
keine
Ergebnismaße liegen nicht explizit vor, können aber berechnet bzw. nachvollzogen werden.
Anhang
Unabhängige Variable außer Macht
Abhängige Prozessvariable (sachlogisch mediierend)
ja
ja
Abschluss ja/nein; Zufriedenheit
ja
ja
keine
ja
ja1 Einigungspreis
ja
ja
Zusätzliche abhängige Variable
Giebels/ De Dreu/ Van de Vliert (1998)
integrative Verkaufsverhandlung; Dyade
nur für eine Seite: Möglichkeit einer alternativen Verhandlung
Arunachalam et al. (1998)
integrative Verkaufsverhand-lung; Dyade
BATNA-Variation bei beiden Parteien: keine vs. geringe vs. hohe
keine
Srivastava/ Chakravarti/ Rapoport (2000)
distributive, sequenzielle Verhandlung; Dyade
zufällige Variation des RP nur für den Käufer, Variations-Zone bekannt
Opportunitätskosten der Zeit, Unsicherheit über den Reservationspunkt Erstangebote, des Käufers Verhandlungsdauer
Giebels/De Dreu/Van de Vliert (2000)
integrative Verhandlung; Dyade
keine vs. nur für eine Seite vs. für beide Seiten: Möglichkeit einer alternativen Verhandlung
Motivationale Orientierung
Zwick/Weg (2000)
distributive Preisverhandlung; Dyade
Opportunitätskosten der BATNAs: immer asymmetrisch, hoch und Zeit, Rolle, Anzahl der keine Spielrunden niedrig
ja1
nein keine
Kim/Fragale (2005)
distributive JointVenture Verhandlung; Dyade
BATNA: gleich vs. ungleich; Nutzenbeitrag: gleich vs. ungleich
Größe der Einigungszone
keine
ja1
Verteilung der nein Gewinne
Wolfe/McGinn (2005)
Integrative Verhandlung; Dyade
BATNA hoch vs. niedrig
Zielpunkte, wahrgenommene relative Macht
keine
ja
1 Die 2
Motivationale Orientierung; Deutlichkeit der kompetitives und Information über die Problem lösendes Alternative Verhalten
Effizienz
Verhandlungsaufgabe
BATNA/MachtManipulation
ind. Erfolg
Studie
239
Reservationspunkt, Zielpunkt, Erwartete Gewinne
kompetitives und Problem lösendes Verhalten 2
Ergebnismaße liegen nicht explizit vor, können aber berechnet bzw. nachvollzogen werden. Die abhängigen Prozessvariablen wurden auch in der statistischen Analyse als Mediatoren behandelt.
ja
Wahrgenommene Abhängigkeit
Totale wahrgenommene Macht
keine
Role: Management vs. Labor; Gender
Dating Couples vs. Stranger Couples
Response Codes: Attacking (Topic Change, Initiation); Defending (Conditional Other Support, Nonsupport, Answer); Regressing (Other Support, Disconfirmation, Other). Cue Codes: Attacking (Charge Fault, Threaten/Promise, Offer, Charge and Deny); Defending (Deny Fault, Self-support); Regressing (Concession, Other)
Response Codes: Attacking (Topic Change, Initiation); Defending (Conditional Other Support, Nonsupport); Regressing (Other Support, Disconfirmation, Other). Cue Codes: Attacking (Charge fault, Threaten, Offer); Defending (Deny Fault, Selfsupport); Regressing (Concession, Other)
Substantive Behaviors (Initiations, Acceptances, Rejections, Retractions); Strategic Behavior (Commitments, Threats, Promises, Demands); Persuasive Behavior (Selfsupporting Arguments [Statistical, Example, Analogy, Causal], Other-supporting Arguments, Attacking Arguments); Task Behavior (Requests Information, Provides Information, Requests Reaction, Provides Reaction, Clarification, Exploratory Problem Solving); Affective Behavior (Positive Affect, Negative Affect); Procedural Behavior
Heuristic Trial and Error Processes (Many Offers, Larger Concessions on Issues of Lower Priority, Systematic Concession Making, Requesting Other's Reaction); Information Exchange (6 Information Types along Three Axis: Numerical/Priority, Ask/Give, Truthful/False), Distributional Tactics (Threats, Put-downs, Commitments, Vigorous Rejections, Patter, Persuasive arguments)
Donohue (1981a) Dyade, distributiv
Fry/ Firestone/ Williams (1983) Dyade, integrativ
Dyade, Putnam/ Aufgabe ohne Jones (1982) vorgegebene Verhandlungsgegenstände
Dyade, distributiv
keine
Explicit Information Exchange (Requesting, Giving), Heuristic Trial and Error (4 Subcategories, nicht genannt), Distributive Behavior (Threats, Heavy Commitments, Put-downs, Arguments), Implicit Information Exchange (Statements of Preference Between Offers, Directional Information); (kein vollständiges Kategoriensystem angegeben)
Kimmel/ Pruitt/ Magenau/ KonarGoldband/ Carnevale Dyade, (1980) integrativ
Donohue (1981b)
Aspirations, Trust
Promises and Threats; Warnings and Recommodations; Rewards and Punishments; Positive and Negative Normative Appeals; Commitments; Self-disclosures; Questions; Commands
dyadische GruppenAngelmar/ verhandlung, Stern (1978) Menge und Preis
Video
nein ja
keine
keine
Zusätzliche abhängige Maße
Prozentuale Übereinstimmung 0,76-0,94 je Kategorie Prozentuale Übereinstimmung 0,76
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten
Reliabilität Kodierung (Cohens Kappa)
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten
Reliabilität Unitizing (Guetzkows U)
keine Angabe
Tonband
Tonband
Tonband
Tonband
0,05-0,07
Prozentuale Übereinstimmung: 0,91, syntaktische Festlegung
nein ja
keine
Scotts Pi für 6 Hauptkategorien: 0,75 – 0,88, Median 0,8
Guetzkows P: 0,73-0,75; unit-by-unit reliabilities
0,73-0,75
Prozentuale Übereinstimmung: 0,87-1,0, Median: 0,97
keine keine Angabe Angabe
Einigung, Reziprozität der VerhaltensKeine Angabe nein nein weisen
Regelbefolgung durch Gewinner ja, und rela0,06 tiv nein Verlierer
ja, relativ nein keine
nein ja
geringster individueller Verhandlungsgewinn
Maße zur Reliabilität/ Validität des Conflict: Very High, schriftlich, Kodierungs- 0,034; unit-byunit 0,69 0,62-0,65 High, Low) Memos nein nein systems
Ask/Give Truthful Information; In-role Patter; Make a Positional Commitment; Threat; Request Reaction to Own Proposal; Multi-issue Offers; Systematic Concessions (nur diese stellten sich von 18 Kategorien als brauchbar heraus)
nein ja
Ind. Gewinn
Limits: High vs. Low; Cognitive Complexity: High vs. Low
Effizienz
Pruitt/ Lewis (1975) (2.Studie) Dyade, integrativ
Dyade, integrativ
Erhebung Verhandlungsinteraktion
Orientation: Problem Solving vs. Individualistic; Limits (RP): High Ask/Give Truthful Information; Give False Information; Call for Concession; Use Pressure vs. Low; CommuniTactics; Propose General Approach; Show Concern; Propose Coordination; Multi-issue cation Freedom: Offers; Systematic Concessions Free vs. Truthful Video
Variablen der Verhandlungsinteraktion
Unabhängige Variablen außer Verhandlungsinteraktion
Anhang 2:
Pruitt/Lewis (1975) (1.Studie)
Studie
Verhandlungs -aufgabe
240 Anhang
Übersicht der bisherigen Untersuchungen zu Verhandlungsinteraktion
Verhandlungs -aufgabe
Video
1 als
abhängige Variable betrachtet, jedoch ohne Berücksichtigung der Verhandlungsinteraktion (Studie 1).
Alexander/ Schul/ McCorkle dyadische (1994) Gruppenverhandlung, integrativ
Cueing Tactics: Attacking (Nonconcessional Offer, Charge Fault, Derogation, Threat/Promise, Procedural Change); Defending (Position Support, Deny/Question Information); Integrating: (Offer Concession, Additional Information, Flexibility, Question, Opening, Other/Unclassifiable); Responding Tactics: Attacking (Topic Change, Assert Wants, Personal Rejection), Defending (Offer Rejection, Point Rejection, Support/Rejection), Integrating (Approve Offer, Other Support, Extension Question, Information Provision, Other/Unclassifiable)
Age, Income, Education, Experience; Generalized Self Esteem, Task Specific Self Esteem; Personal Relationship Orientation Video
Zusätzliche abhängige Maße
keine
Zufriedenheit, nein nein Einigung
keine
Reciprocity of Cueing and Responding Tactics, Reliabilitätsund nein nein Validitätsmaße
nein ja
Zufriedenheit
Zufriedenheit nein des Käufers
nein ja
ja1
nein nein keine
keine (1.Studie); Motivational Orientation: Prosocial Video (2.Studie) nein ja vs. Egoistic
keine
Cueing: Attacking (Nonconcessional Offers, Charge Fault, Derogation, Promises and Threats, Procedural Change), Defending (Position Support, Deny/Question Information), Integrating (Offer Concessions, Additional Information, Flexibility, Questions, Opening), Other; Responding: Attacking (Topic Change, Assert Wants, Personal Rejection), Defending (Offer Rejection, Point Rejection, Support/Rejection), Integrating (Approve Offer, Other Support, Extension Question, Information Provision); Other
Alexander/ Schul/ Babakus dyadische (1991) Gruppenverhandlung, integrativ
Simultaneous vs. Sequential Offers (1. und 2.Studie); Single Issue Offers, Multiple Issue Weingart/ Offers; Preference Information, Priority Information; Substantiation of Position; Bennett/ Vier-Parteien- Understanding of Other Parties Level Preference, Priorities, Positions; Delayed Reciprocity Brett (1993) Verhandlung, Suggested; Mutuality of Concerncs; Procedural Comments; Questions; Agreement (2 Studien) integrativ Disagreement
Video
Opening Offers; Reciprocity or Complementarity of Tactics (Single Issue Offer, Multiple Issue Offer, Trade-off Suggestion, Asking for Information, Providing Information, Recognition/Awareness/Concern for the Other, Negative Reaction, Positive Reaction to Other's keine Statement, Threats or Warnings); Progression of Offers
Giving Information, Seeking Information, Pressure Tactics, Miscellaneous, Simultaneous Offers (=Multi Issue Offers); Concession Toughness
Tonband
Limits (High vs. Low); Interpersonal Orientation (Metric Scale) Tonband
Questions (Clarifications, Information, Initiation); Self-disclosures (in Response, Unsolicited); Admonitions; Commitments; Prescriptions; Hedges (Approximations, Shields); Use of "we" Gender (Inclusive, Exclusive); Reacions (Positive, Negative); Presumptive "you"
Real vs. Simulated keine Collective Bargaining Angabe
Weingart/ Thompson/ Bazerman/ Carroll Dyade, (1990) integrativ
Tutzauer/ Dyade, Roloff (1988) integrativ
Neu/Graham/ Gilly (1988); Neu/Graham (1994) (selber Dyade, Datensatz) integrativ
Variablen der Verhandlungsinteraktion
Erhebung Verhandlungsinteraktion Ind. Gewinn
Responding Tactics: Attacking (Deny Fault with Personal Rejection; Topic Change, Assert Rights/Needs), Defending (Reject Proposal, Reject Rationale/Utterance, Extension), Integrating (Proposal Other Support, Rationale/Utterance Other Support, Extension Question, et ceterea); Cueing Tactics: Attacking (Assert Proposal/Offer, Charge Fault/Responsibility, Decision), Defending (Substantiation, Clarification Request, Deny Relevance), Integrating (Offer Concession, Information Concession, Conciliation/Flexibility, et cetera)
Unabhängige Variablen außer Verhandlungsinteraktion Effizienz
Donohue/ Diez/ Hamilton (1984) dyadische Gruppenverhandlung, integrativ
Studie
0,54-0,88 für jede Kategorie
marginale Reliabilität (Guetzkows U?): 0-0,67; Median: 0,10
Guetzkows P: 0,82-0,92
Reliabilität Kodierung (Cohens Kappa)
0,75-0,76, außerdem unit-by-unit reliabilities
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten
80% marginale Übereinstimmung, Kappa 0,74
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten 0,88
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten
0, syntaktische Festlegung der Kodiereinheiten 0,89
0,01
keine Angabe
0,05
Reliabilität Unitizing (Guetzkows U)
Anhang 241
Dyade, integrativ
Verhandlungs -aufgabe
Video
nein
Feelings of Dependence
Zufriedenheit2
Zufriedenheit1
Incompatibility Error Score
keine
keine
Zusätzliche abhängige Maße
Reliabilität Kodierung (Cohens Kappa)
0,09
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
keine Angabe
0,09
0,75-0,89
0,79-0,89
Korrelationen der Häufigkeit der Kategorien: 0,9
keine Angabe
0,89
0,75-0,89 für jede Kategorie
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten 0,74-0,75
Reliabilität Unitizing (Guetzkows U)
abhängige Variable betrachtet, jedoch ohne Berücksichtigung der Verhandlungsinteraktion. 2 Ergebnisse nicht interpretierbar, da nur gemeinsam als Indikatoren für Ergebniskonstrukt verwendet.
Knowledge About Negotiation Tactics; High Content/ Low Content
nein ja
1 als
Hyder/ Prietula/ Weingart (2000) Dyade, integrativ
ja
ja1
Distributive: Single Issue Offers, Give/Seek Preference Information & Substantiation, Process Comments Referring to 1 Issue; Integrative: Multi-Issue Offers, Give/Seek Priority Information, Process Comments Referring to Multiple Issues, Delayed Reciprocity; Neutral: Positive Reaction, Miscellaneous
ja2
ja
ja2
ja1
ja
Motivational Orientation: Prosocial vs. Forcing Behavior: Persuasive Arguments, Exit Threats, General Threats, Putdowns; Egoistic; Alternative Problem Solving Behavior: Giving and Seeking Information About Preferences and Priorities; Negotiator: One-sided, (Behandlung dieser Variablen als Ergebnis-, nicht mediierende Variable) Two-sided, None Tonband
ja1
Motivational Orientation: Prosocial vs. Egoistic; Alternative Negotiator: Yes vs No; Potency Information About Alternative Negotiator Tonband
Giebels/ De Dreu/ Van de Vliert Dyade, (2000) integrativ
Forcing Behavior: Persuasive Arguments, Exit Threats, General Threats, Putdowns; Problem Solving Behavior: Seeking Information about Preferences and Priorities (Behandlung dieser Variablen als Ergebnis-, nicht mediierende Variable)
Give Numerical Information, Give Priority Information, Request Information, Make Threats, Make Positional Commitments, Give Warnings, Make an Offer, Reject an Offer, Misrepresentation by Commission, Misrepresentation by Omission
Questions (4 Subcategories), Informational Statements (4 Subcategories), Commitments, Commands/Requests, Conditionals (4 Subcategories), Consistency Appeals (3 Subcategories), Culture: American vs. Psychological Tools (3 Subcategories), Garrulous Behaviors Soviet Tonband
Dyade, integrativ
Dyade, integrativ
nein ja
Roemer/ Garb/Neu/ Graham Dyade, (1999) integrativ
Giebels/ De Dreu/ Van de Vliert (1998)
O'Connor/ Carnevale (1997)
Video
nein ja
Ind. Gewinn
Individualistic vs. Cooperative Motive; Information Symmetry With vs. Without Knowledge of Common Value Issue vs. Asymmetric Information Regarding Common-value Issue Tonband
Video
Distributive: Single Issue Offers, Give/Seek Preference Information & Substantiation, Process Comments Referring to 1 Issue; Integrative: Multi-Issue Offers, Give/Seek Priority Information, Process Comments Referring to Multiple Issues; Knowledge About Neutral: Positive Reaction, Miscellaneous Negotiation Tactics
Variablen der Verhandlungsinteraktion
Erhebung Verhandlungsinteraktion
Cues: Positional Information (Deny Relevance, Give Positional Information, Initial Offers, Threats/Promises, Find Fault), Restructuring (Restructuring Openings, Seek Positional Information), Priority Information (Seek/Give Priority Information, Indicate Flexibility), Concessions (Request Acceptance, Offer Concession); Responses: Positional Information (Give/Seek Positional Information, Reject Argument, Continue Discussion, Personal Insult, Topic Change), Priority Information (Give/Seek Priority Information, Accept Offer), Rejection (Reject Offer, Assert Wants), Accept Argument keine
Unabhängige Variablen außer Verhandlungsinteraktion Effizienz
Weingart/ Hyder/ Prietula (1996) Dyade, integrativ
Olekalns/ Smith/Walsh (1996)
Studie
242 Anhang
Verhandlungs -aufgabe Variablen der Verhandlungsinteraktion
Dyade, integrativ
Dyade, integrativ
Video
Koeszegi/ Srnka/ Pesendorfer (2006)
Dyade, integrativ
Content: Substantive Negotiation Behavior (5 Subcategories), Task-oriented Behavior (4 Subcategories), Persuasive Argumentation (3 Subcategories), Tactical Behavior (5 Subcategories); Relationship: Affective Behavior (4 Subcategories), Private Communication (5 Subcategories); Process: Procedural Communication (3 Subcategories), Communication Protocol (7 2 Different Subcategories), Text Specific Communication Units (4 Subcategories); Negotiation Support Systems (Nachträgliche Faktoranalyse in distributives, integratives und relationales Verhalten)
ja
Perception Accuracy
keine
nein keine
nein ja
nein ja
nein ja
Number of Impasses
nein nein Einigung
Zusätzliche abhängige Maße
schriftlich, InternetProtokolle nein nein Einigung
Video
Video
Demands (4 Subcategories), Priority Information (3 Subcategories), Positional Information (6 Subcategories), Process Management (4 Subcategories), Multi-issue Offers (2 Subcategories), Proposal Modification (5 Subcategories), Substantiation (4 Subcategories) (Oberkategorien erhalten durch Korrespondenzanalyse) Social Value Orientation: Cooperative, Individualistic
Video
Social Value Orientation: Proself, Prosocial, Mixed Contention (8 Subcategories), Priority Information (3 Subcategories), Positional Information (6 Dyads; Context: Subcategories), Process Management (4 Subcategories), Multi-Issue Offers (2 Subcategories), Recruitment Proposal Modification (5 Subcategories); Negotiation vs. Trade Reciprocity and Complementarity of Tactics/Sequences Agreement Negotiation (Oberkategorien erhalten durch Korrespondenzanalyse)
Integrative Information Sharing (5 Subcategories), Value Creation (8 Subcategories), Kern/ Brett/ Distributive Information Sharing (7 Subcategories), Value Claiming (7 Subcategories), Push to Social Motives: Weingart Vier-Parteien- Closure (2 Subcategories), Process Management (3 Subcategories). Individualistic vs. (2005) Verhandlung, integrativ (Oberkategorien erhalten durch Korrespondenzanalyse) Cooperative
Olekalns/ Smith (2003b) Dyade, integrativ
Olekalns/ Smith (2003a)
Olekalns/ Smith (2000)
Cues: Contending (Deny Relevance, Make and Repeat Offers, Threats/Promises, Attribute Bad Faith), Positional Information (Make Open-ended Statements, Give and Seek Arguments), Priority Information (Propose New Way of Proceeding, Seek/Give Priority Information, Propose Trade-off), Conciliation (Propose Modification, Offer Concession); Response: Positional Information (Give/Seek/Reject), Priority Information (Request/Provide Priority Information, Accept Offer), Contending (Reject Offer, Reject Offer and Insult, Contingent Compliance Statement), Constructive Exploration (Continue Discussion, Introduce Time (First Half vs. New Topic, Accept Point of View but not Offer) Second Half)
Video
Erhebung Verhandlungsinteraktion Ind. Gewinn
Time-pressure (Time Related Costs), Accountability to Constituents
Unabhängige Variablen außer Verhandlungsinteraktion Effizienz
Competitiveness (allgemein); Negotiation Strategies: Discuss Procedure, Inaction, Problem Solving, Contending (Offensively Claiming the High Amount; Defensively Claiming the High Mosterd/ Amount, Begging and Persuading) Rutte (2000) Dyade, Chicken Game (Behandlung dieser Variablen als Ergebnis-, nicht mediierende Variable)
Studie
0,82
Reliabilität Kodierung (Cohens Kappa)
>0,8 für alle Kategorien
0 nach einer zweiten Unitizing-Runde 0,84
0,06
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten 0,74
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten 0,74
fehlt wegen syntaktischer Festlegung der Kodiereinheiten 0,74-0,75
keine Angabe
Reliabilität Unitizing (Guetzkows U)
Anhang 243
Anhang
244
Anhang 3:
Fallstudie ALUVAN 2006
Allgemeine Informationen Periode 1 „Du siehst also, Doris, die Pollmann-Söhne scheinen inzwischen wirklich erwachsen geworden zu sein“, schloss Herr Dobre seinen obligatorischen Tagesbericht. Bei den Dobres war es seit langer Zeit üblich, dass sich Doris und Gerhard Dobre abends mindestens eine Stunde Zeit nahmen, um den zurückliegenden Tag Revue passieren zu lassen. Und heute hatte Herr Dobre seiner Frau ausführlich beschrieben, dass die vor einiger Zeit initiierten Projektgruppen unter der Leitung von Stefan und Harry Pollmann gute Arbeit verrichtet hatten. „Aber dann gibt es doch eigentlich keinen Grund mehr, Gerhard, dass du weiterhin in der Firma allein die Verantwortung schulterst. Wäre es nicht an der Zeit, endlich Stefan und Harry die Geschäftsführung zu überlassen?“ Auf diese Frage seiner Frau war Gerhard Dobre nicht gefasst gewesen. Aber wenn er es so recht bedachte, dann hatte sie eigentlich Recht. Nur (und dies konnte und wollte er seiner Frau so nicht sagen): Was sollte er mit der freien Zeit anfangen? Er hatte zwei oder drei Freunde aus der Studienzeit und das war’s auch schon. Deshalb stand eines fest: Er würde die Firma erst dann verlassen, wenn er zuvor eine sinnvolle Alternative gefunden hatte, den lieben langen Tag zu füllen. Wie schnell sich tatsächlich eine Alternative zur Tätigkeit bei Pollmann ergeben würde, hätte sich Herr Dobre an diesem Abend nicht träumen lassen. Denn als er seine Situation einige Tage später beiläufig dem Familienanwalt der Pollmann-Firma, Dr. jur. Justus Fest, schilderte, hatte ihm dieser sofort eine Offerte gemacht: „Schauen Sie, Herr Dobre“, hatte der Anwalt gemeint, „Einer meiner anderen langjährigen Klienten hat sich in den letzten Jahren zu einem Patienten entwickelt. Die FERA GmbH ist ein mittelständischer Fensterbauer hier in der Region. Das Unternehmen lief bis vor einigen Jahren prächtig. Das Übel begann aber, als der geschäftsführende Gründerenkel Otto Hilden vor einigen Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Sein Sohn, der Daniel, war damals erst 22 Jahre alt und noch mitten im BWL-Studium. Na ja, und der daher berufene Geschäftsführer hatte irgendwie kein Glück. Auf jeden Fall steht die Firma zurzeit nicht sonderlich gut da. Nicht, dass da Gefahr im Verzug ist! Aber die Produkte sind überaltert, die Firma bräuchte etwas frischen Wind.“ „Das hört sich ja ganz interessant an, Dr. Fest, aber ich suche eigentlich kein neuerliches Engagement als Geschäftsführer“, entgegnete ihm Herr Dobre stirnrunzelnd. „Nein, Herr Dobre, so war das nicht gemeint. Schauen Sie, die Sache ist die: Der Daniel ist jetzt bald mit seinem Studium fertig. Aber da kann er natürlich noch keinen 800-Mann-Betrieb sanieren. Ich dachte eher, dass Sie ihm den Weg in die Firma ebnen könnten. Erst ein bisschen sanieren und ihm dann als ‚Business Angel’ in der Geschäftsführung zur Seite stehen.“ Lange brauchte Herr Dobre über das Angebot von Dr. Fest nicht nachzudenken. Denn dies war genau das, was er sich vorgestellt hatte: zwei oder drei Jahre noch volles Engagement und dann schrittweise abbauen. Also griff er die für ihn einmalige Gelegenheit beim Schopf. Er informierte die Gesellschafterversammlung von Pollmann, schaffte es tatsächlich, dass die Pollmann-Brüder zu Geschäftsführern berufen wurden, unterschrieb einen Dreijahresvertrag bei der Firma FERA GmbH und stürzte sich gleich mit vollem Eifer in das Geschäft. Schnell stellte er fest, dass der Anwalt die Firma recht zutreffend beschrieben hatte: Eigentlich sah es ganz gut aus, nur mit dem Produktprogramm war man nicht gerade auf dem neuesten Stand. Hier schien es Dobre so, als hätte man die Entwicklung ein wenig verschlafen. „Was wir unbedingt brauchen, ist eine Marktstudie, die die neuesten Trends im Fenstermarkt zum Inhalt hat und Ideen liefert, was wir verändern können“, sagte er sich. Er erinnerte sich seines alten Studienfreundes Arnim, der seit vielen Jahren Professor an der Universität Bayreuth war, und Dobre schon einmal mit einer Marktstudie – damals noch für die Firma Pollmann – geholfen hatte. Fast eine seiner ersten „Amtshandlungen“ war es daher, bei Prof. Arnim eine Marktstudie zum Thema „Neue Strategien im Fenstermarkt“ in Auftrag zu geben. Bereits nach wenigen Wochen lag die Marktstudie vor, in die sich Dobre umgehend vertiefte …
Anhang
245
Marktstudie "Neue Strategien im Fenstermarkt" im Auftrag der FERA GmbH, Kerkwiede durchgeführt vom Walter W. Wilhelms Marktforschungsinstitut der Bauwirtschaft an der Universität Bayreuth (WWW-Marktforschung) Direktor: Prof. Dr. Hugo Arnim Projektleitung: Dr. Erwin Schröder Bayreuth, im September 2005 I. Der Markt Der Gesamtmarkt der Fenster- und Fassadenbranche umfasst alle Produkte, die im Außenbereich von Gebäuden benötigt werden. Im Einzelnen lassen sich Fenster, Türen, Markisen, Jalousien und spezielle Fassadenkonstruktionen unterscheiden. Die beschriebenen Produkte werden zum Teil von spezialisierten Herstellern produziert. Es gibt aber auch Hersteller, die einen großen Teil der gesamten Produktpalette selbst erstellen. Die gesamte Fensterbranche hängt stark von den konjunkturellen Entwicklungen in der Baubranche ab, wie der Verband der Fenster- und Fassadenhersteller e.V. (VFF) in einer Meldung vom 12. August 2005 bestätigt: Fensterbranche im Sog der Baukonjunktur Leipzig. Der VFF zeigt sich im Hinblick auf die deutsche Baukonjunktur besorgt. Im Sog der Baukrise hat sich der Fensterabsatz im letzten Jahr um 7,2 Prozent verringert. Der ostdeutsche Fenstermarkt ging mit minus 12,5 Prozent überdurchschnittlich stark zurück. Auch in diesem Jahr erwartet die baunahe Fenster- und Fassadenbranche mit ihren knapp 70.000 Beschäftigten einen Rückgang um 10,8 Prozent und eine weitere Zunahme von Insolvenzen. Bestimmend für die negative Entwicklung des Gesamtmarktes ist der Wohnungsbau. Er wird in diesem Jahr nochmals um 14 Prozent zurückgehen, wobei der Rückgang in Ostdeutschland 16,5 und in Westdeutschland 12,8 Prozent beträgt. Der Wohnungsbau wird erst in 2008 seinen vorläufigen Tiefpunkt erreichen.
Vor diesem Hintergrund stellen sich die Entwicklungen und Strukturen im hier fokussierten Markt für Fenster folgendermaßen dar: Als Marktsegmente im Fenstermarkt lassen sich der „Neubau“ und die „Renovierung“ unterscheiden. Eine weitere Einteilung ist nach „Individualbau“ und „Objektbau“ möglich. Der „Individualbau“ umfasst einerseits das sogenannte Architektenhaus, das vom Bauherrn privatfinanziert und zum Eigenbedarf bzw. zur Selbstnutzung gebaut wird.
246
Anhang
Des Weiteren ist das Mehrfamilienhaus bzw. die Wohnanlage zu nennen, das mehrgeschossig und in städtischer Bauweise errichtet wird. Im Bereich „Objektbau“ gibt es grundsätzlich drei Bautypen. Von einer Siedlung spricht man bei Reihenhäusern, d.h. sich wiederholenden Haustypen in Randlagen von Großstädten. Als zweiter und dritter Typus sind zum Einen die Verwaltungsbauten von Unternehmen und zum Anderen die Großgebäude der öffentlichen Hand aufzuführen. Fenster und Türen werden in verschiedenen Werkstoffen angeboten. Insbesondere Kunststoff (PVC) und Aluminium erfreuen sich bei Bauherren großer Beliebtheit. Im Individualbau konnte sich in letzter Zeit aufgrund der größeren Exklusivität gegenüber PVC der Werkstoff Holz wieder etablieren. Die wesentlichen Eigenschaften, in deren Ausprägung sich die einzelnen Produkte unterscheiden, bestehen neben dem Design und der farblichen Gestaltung vornehmlich in den Nutzungsanforderungen, der Haltbarkeit, der Formstabilität bei Belastungen, dem Pflegeverhalten, der Schall- und Wärmedämmung, den Gewährleistungsbedingungen sowie den Einbauvoraussetzungen. All diese Kriterien werden maßgeblich durch den verwendeten Werkstoff beeinflusst. Hierbei zeigen sich erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Werkstoffen. Diese werden im Folgenden exemplarisch beschrieben: Der Werkstoff Kunststoff/PVC Polyvinylchlorid (PVC) ist eine chemische Verbindung aus Chlor, Kohlenstoff und Wasserstoff. PVC-Bestandteile stammen aus den natürlichen Rohstoffen Erdöl oder Erdgas und Kochsalz. Erstmals 1835 im Labor erzeugt, wird PVC seit rund 75 Jahren industriell hergestellt und in großen Mengen eingesetzt. Materialeigenschaften Durch seine Grundbestandteile in Verbindung mit dem Herstellungsprozess vereinigt modernes Hart-PVC verschiedene Vorteile. Es ist langlebiger als Holz, unverrottbar, schlagzäh und innerhalb der Temperaturen des üblichen Anwendungsbereiches relativ formbeständig. Darüber hinaus ist es unter hohen Temperaturen wiederverformbar und damit recyclingfähig. Hart-PVC-Rezeptierung für Fensterprofilsysteme Für Fensterprofilsysteme ist das reine PVC noch nicht geeignet. Es sind noch Stabilisatoren und Zuschlagstoffe erforderlich, die von Hersteller zu Hersteller geringfügig unterschiedlich sein können. Als Rezepturbestandteil zur Stabilisierung sind Schwermetalle erforderlich, um die notwendige Langzeitstabilität zu erreichen. Sie werden bei der Herstellung fest in die Materialmatrix des Hart-PVC eingebunden und beim Normalgebrauch nicht mehr freigesetzt. Moderne Rezepturen verzichten inzwischen auf Cadmium als Stabilisator. Zur weiteren Verbesserung der Rezepturen wird zurzeit daran gearbeitet, Blei als Stabilisator durch Calcium/Zink zu ersetzen. Hart-PVC enthält keine Weichmacheranteile. Im Falle eines Schadfeuers ist die zusätzliche Gefährdung durch Mitverbrennen von Hart-PVCFensterprofilen moderat: Es werden wie bei jeder Verbrennung Kohlenmonoxide freigesetzt, die den für den Menschen gefährlichsten Zersetzungsstoff darstellen. Zusätzlich wird Chlorwasserstoff frei, der jedoch aufgrund seines stechenden Geruchs auch bereits bei ungefährlichen Konzentrationen eher Warnfunktion hat. Chlorwasserstoff in Verbindung mit Löschwasser bildet Salzsäure, deren Konzentration jedoch so unwesentlich ist, dass sie weder die Standfestigkeit der Gebäudekonstruktion angreift noch ein wesentliches zusätzliches Gefährdungspotenzial für den Menschen darstellt. Daneben wird, wie bei anderen Bränden auch, eine Zahl weiterer Zersetzungsprodukte gebildet, die aber nur geringfügig zur Toxizität der Verbrennungsgase beiträgt.
Anhang
247
Der Werkstoff Aluminium Aluminium ist neben Sauerstoff und Silizium das dritthäufigste Element der Erdkruste und mit 8,1 % an ihrem Aufbau beteiligt. Es ist Bestandteil fast aller Gesteine und Böden. Aluminium kommt wegen seiner starken Neigung, mit Nichtmetallen, vor allem mit Sauerstoff, zu reagieren, nicht in metallischer Form, sondern nur in Verbindungen in der Natur vor. Der Rohstoff für die Aluminiumerzeugung ist Bauxit, ein Verwitterungsprodukt aus Kalk und Silikatgestein, das über 50 % Aluminiumoxid enthält. Einsatzbereiche von Aluminium in Deutschland Überall, wo Gewichtsersparnis, Schutzfunktion, Stabilität, Korrosionsbeständigkeit und Langlebigkeit erfordert werden, wird Aluminium eingesetzt. Durch seine Korrosionsbeständigkeit ist Aluminium ein Werkstoff mit unbegrenzter Lebensdauer. Aluminium lässt sich sehr gut verarbeiten. Besonders die Strangpressung bietet viele Variationsmöglichkeiten bei der Herstellung von Aluminiumprofilen. Daher sind auch den architektonischen Gestaltungsmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Eine variable Farbgebung ist durch verschiedene Methoden der Oberflächenbehandlung wie anodische Oxidation oder Farbbeschichtung möglich. Aluminium ist auch nach langjährigem Einsatz formstabil. Es unterliegt weder einem Alterungs- noch einem Verrottungsprozess und wird nicht von UV-Strahlen beeinträchtigt. Auch ein Verziehen oder eine Abnutzung des Werkstoffs gibt es nicht. Aluminium für Fenster und Fassaden Durchgesetzt hat sich der Einsatz von Aluminium in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts im Schaufensterbereich. Das Anwendungsgebiet erweiterte sich später auf Fensterrahmen und Türen im Individual- und insbesondere Objektbau. Zuerst dem Stahlfenster nachempfunden, eroberte das Aluminiumfenster durch kontinuierliche technische Weiterentwicklung eine eigene Position im Fenstermarkt. Das geringe Gewicht bei gleichzeitig hohen statischen Werten reduziert den Materialeinsatz bei Fenstern und Fassaden gegenüber anderen Werkstoffen erheblich. Bei der Fenster- und Fassadenherstellung wird überwiegend die Legierung AIMgSi 0,5 verwendet, die sich besonders gut zum Strangpressen eignet. Dadurch können Querschnitte für mehrere Funktionen in einem Arbeitsgang gestaltet werden: z. B. Profilierungen für die Aufnahme von Dichtungen, Beschlägen, Dämmstegen und Schraubkanälen sowie Hohlräume für Eckverbinder. Aluminium ist ein Werkstoff von geringem Gewicht. Deshalb können auch große Einheiten komplett in der Werkstatt gefertigt und problemlos zur Baustelle transportiert werden. Die Werkstattfertigung garantiert ein Höchstmaß an Genauigkeit der Konstruktion und macht zusätzliche Bearbeitungsschritte auf der Baustelle nahezu überflüssig. Das durch die Fertigungsgenauigkeit bedingte hohe Qualitätsniveau von Aluminiumfenstern und -fassadenkonstruktionen gewährleistet einen geringen Wartungsaufwand und eine lange Nutzungsdauer. Die gegenwärtige Architektur wird geprägt von großflächigen Verglasungen. Dank der hohen Festigkeit von Aluminium kann diese Bauweise mit immer weniger Rahmenmaterial realisiert werden. Die vermehrte Sonneneinstrahlung in Verbindung mit der entsprechenden Auslegung der Gebäudetechnik führt zudem zu einer Reduzierung der Heizenergie. Auf der Aluminiumoberfläche bildet sich mit dem Sauerstoff der Luft eine Oxidhaut. Diese natürliche Oxidschicht hat eine relativ geringe Dicke von 0,01 Pm. Diese Dicke reicht jedoch aus, um das darunter liegende Material vor weiterer Oxidation zu schützen.
Da jedoch alle verwendeten Werkstoffe in verschiedenen Bereichen Vor- und Nachteile besitzen, ist letztendlich die Wahrnehmung der einzelnen Werkstoffe wesentlich für die Beurteilung der Zukunftsaussichten eines Werkstoffs. Allgemein lässt sich sagen, dass für PVC eher monetäre und für Aluminium eher funktionale Argumente von den Bauherren genannt werden. Zu beachten ist, dass sich die Kundengruppen bei den einzelnen Werkstoffen deutlich voneinander unterscheiden. Wird Kunststoff vor allem im Segment Individualbau nachgefragt, werden in Objektbauten nachhaltig Aluminium-Fenster eingebaut. Gerade im Verwaltungsbau und bei öffentlichen Gebäuden nimmt Aluminium eine exponierte Marktstellung ein.
Anhang
248
In einer Längsschnittanalyse des WWW-Instituts im Segment Objektbau fand sich diese Vermutung bestätigt (vgl. Abbildung 1). Es fällt auf, dass es in jüngerer Zeit sogar eine Tendenz hin zu neuen Werkstoffen gibt. In diesem Fall ist die Kombination der Werkstoffe Holz und Aluminium zu nennen. 2003
2000
2004
13%
15%
8%
3%
20% 23% 27%
58% 64%
Aluminium
Kunstoff
indifferent
69%
anderer W erkstoff
Abbildung 1 – Werkstoffpräferenzen im Objektbau
Der Markt für Fenster und Türen lässt neben der eher technischen auch eine preislich orientierte Unterteilung bei den Werkstoffen Kunststoff, Aluminium und Holz zu. So zeigt sich, dass Kunststofffenster eher als Massenware zu betrachten sind und Aluminium- bzw. Holz-Fenster aufgrund des höheren Preises ein exklusiveres Marktsegment abdecken. Der höhere Preis für Aluminium-Fenster kommt durch die deutlich höheren Rohstoffkosten für Aluminium gegenüber PVC zustande. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich der Fenstermarkt in den letzten Jahren durch einen starken Preisverfall auszeichnet. So waren sowohl Kunststoff- als auch Aluminium-Fenster im Jahr 2004 um 30 % günstiger als noch 1994. Dies ist umso bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, dass die Rohstoffkosten im selben Zeitraum gestiegen sind. Gründe für diesen Preisverfall sind zum Einen die von den Fensterherstellern eingeleiteten enormen Rationalisierungsmaßnahmen. Zum Anderen ist der Markt durch erhebliche Überkapazitäten gekennzeichnet. Die durchschnittliche Kapazitätsauslastung betrug 2004 gerade noch 80 %. Besonders im Individualbau ist dabei mit einem außerordentlich starken Schrumpfen des Marktes zu rechnen. Ausgelöst durch die fortdauernde gesamtwirtschaftliche Misere war bereits im Frühjahr dieses Jahres ein deutlicher Rückgang bei Baugenehmigungen zu erkennen. Seitdem hat sich diese Entwicklung verstärkt und wird besonders im Ein- und Zweifamilienhausbau auch 2007 noch anhalten. Im Mehrfamilienhausbau setzt sich der langjährige Abwärtstrend ebenfalls fort. Im Objektbau konnte sich der Markt zumindest stabilisieren, d.h. das Marktvolumen stagnierte 2004 auf dem Niveau des Vorjahres. Dennoch sind auch hier negative Signale zu vernehmen. Der von der öffentlichen Hand eingeschlagene Sparkurs lässt die Vermutung zu, dass die Bautätigkeit des größten Auftraggebers im Bereich des Objektbaus weiter nachlassen wird. Eine zunehmende Wettbewerbsintensivierung ist damit wahrscheinlich.
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249
Abschließend ist in der Wertschöpfungskette zu beachten, dass Fensterhersteller – insbesondere im Objektbau – ihre fertig montierten Fenster direkt an die Bauunternehmungen absetzen. II. Das Projekt "Aluvan" A. Herstellerunternehmen Bis Anfang der 1970er Jahre stellte die FERA GmbH sowohl hinsichtlich Größe als auch bezüglich Innovationskraft das führende Unternehmen im Markt dar. Seit Anfang der 1970er Jahre hat sich mit der Einführung bzw. Wiederentdeckung des Werkstoffs Aluminium der Fenstermarkt jedoch grundlegend verändert. Technologisch deutlich einfachere, erheblich weniger (fix-)kostenintensive Produktionsverfahren als im Kunststofffenster-Bereich öffneten den Markt für eine Vielzahl neuer Hersteller. Die FERA GmbH konzentrierte sich daher einerseits zunehmend auf preiswerte Kunststoffmodelle sowie andererseits auf zeitlos modernes Design, weitere Verbesserungen in der PVCFensterproduktionstechnologie und der Produktqualität. Aufgrund dieser Bemühungen verfügt FERA heute über die modernste KunststofffensterProduktionstechnologie weltweit. Trotz der Bedrohung durch die Aluminiumfensterhersteller gelang es FERA, als Marktführer im Bereich der PVC-Fenster (ca. 55 % Marktanteil), bis Mitte der 1990er Jahre einen relativ großen Anteil des gesamten Fenstermarktes zu halten. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistete neben design- und produktionstechnologiebezogenen Verbesserungen die Akquisition des konkurrierenden Fensterherstellers DOHLE im Jahre 1994. Die DOHLE-Produkte wurden weiterhin unter dem alten Firmennamen angeboten und qualitativ sowie preislich etwas niedriger als FERA-Fenster positioniert. Trotz aller Anstrengungen wurde die Marktsituation ab Mitte der 1990er Jahre für FERA zunehmend schwieriger. Zum Einen ist hierfür der tragische Tod des geschäftsführenden Gründerenkels Otto Hilden verantwortlich. Zum Anderen sorgte die Baukrise für ein Schrumpfen des Gesamtmarktvolumens. Zusätzlich sorgte der zunehmende Marktanteilsverlust des Kunststofffenster-Segments dafür, dass FERA unter starken Wettbewerbsdruck geriet. Verantwortlich war dafür in erster Linie die Tatsache, dass sich der Individualbau, in dem sich das Kunststofffenster aufgrund seines relativ geringen Preises großer Beliebtheit erfreut, seit einiger Zeit in einer rückläufigen Phase befindet. Das vor allem im Objektbau eingesetzte Aluminium-Fenster hingegen konnte seinen Marktanteil ausbauen, da sich der Objektbau in seiner Entwicklung eher behaupten konnte. B. Der neue Fensterrahmen "ALUVAN„ Die Ergebnisse zu Endgebraucherpräferenzen für verschiedene Werkstoffe im attraktiveren Segment Objektbau unterstreichen den für FERA bestehenden Handlungsbedarf.
250
Anhang
Aluminium-Fans bevorzugen im Objektbau dieses wertvolle Material, das Modernität und Eleganz verkörpert. Aluminiumfenster sind leicht und stabil zugleich und in allen Farben – lackiert oder eloxiert – und Formen erhältlich. Sie sind langlebig, wert- und witterungsbeständig sowie nahezu wartungsfrei. Sie trotzen in geradezu idealer Weise den zunehmenden Umweltverschmutzungen, denen gerade großflächige Fassaden im Objektbau häufig ausgesetzt sind. Ausgehend von einem Kunststoff-Käufersegment, das zu Beginn der 1990er Jahre noch doppelt so groß wie das Segment der reinen Aluminium-Käufer war, ist das Segment der Aluminium-Käufer zu Lasten des Kunststoffsegments in der Zwischenzeit stetig angewachsen. Damit ist heute bereits etwa ein Viertel aller Endgebraucher überhaupt nicht mehr an einem Kunststofffenster interessiert. Hieraus ergibt sich unmittelbar, dass FERA eine neue Strategie benötigt, um wieder eine höhere Zahl von Endgebrauchern zu erreichen. xFERA muss die zunehmende Aluminium-Dominanz im Objektbau durchbrechen. xFERA muss Aluminium-Käufer wieder erreichen. xFERA muss von der reinen Kunststoff-Strategie abkehren. Die Lösung - eine revolutionäre Produktinnovation: Das Kunststofffenster mit Aluminium-Oberfläche! Da der Name FERA durchaus einmal Synonym für wegweisende Pionierarbeit im Fenstermarkt gewesen ist, fügt sich die Empfehlung, ein Fenster zu erstellen, das die Vorteile beider Werkstoffe Kunststoff und Aluminium vereint, nahtlos in die Unternehmenshistorie ein. Der neue Werkstoff sollte es dem Unternehmen ermöglichen, eine solide und zukunftsträchtige Position im künftigen Wettbewerb zu sichern. Zahlreiche Experteninterviews haben ergeben, dass die Realisierung eines solchen Fensters eine relativ komplexe Produktionstechnologie erfordert. Hiermit besteht zugleich ein Schutz vor Imitation durch den Wettbewerb, insbesondere durch Aluminiumfenster-Hersteller. Die außerordentliche Qualität sowie die komplexe Produktionstechnologie sind den Bauunternehmungen explizit zu verdeutlichen, um die einzigartige Position des neuen Fensters herauszuheben (vgl. folgenden Vorschlag für eine Kommunikationskampagne): Die Entwicklung des "besseren Kunststofffensters für den Aluminium-Käufer" erwies sich als äußerst anspruchsvoll und wurde in enger Kooperation mit dem Herrnhoferinstitut für Elektrochemie in Paderborn durchgeführt. Unser Ziel war es, ein günstiges Kunststofffenster mit einer resistenten Aluminium-Oberfläche für den Rahmen zu versehen. Das Aufbringen des Aluminiums erforderte dabei den Einsatz eines ganz speziellen Galvanisierungsverfahrens, um eine flüssige Aluminiumlösung auf den fertigen Kunststoffrahmen aufzutragen. Zur Erläuterung sei erwähnt, dass man unter Galvanisierung die Abscheidung von Metallen auf einem Trägermaterial versteht, indem der Träger in eine Lösung mit Ionen des gewünschten Überzugmetalls getaucht und eine Spannung angelegt wird. Die Verschiedenheit der beiden Werkstoffe Aluminium und PVC stellt sehr hohe Anforderungen an die Galvanisierung.
Anhang
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So gilt es, die Verträglichkeit der Werkstoffe, die Haftung, ein optimales Reibverhalten, eine große Beständigkeit, eine geringe Rissempfindlichkeit sowie einen hohen Korrosionsschutz sicherzustellen. Zu beachten ist, dass sich die beiden Materialien PVC und Aluminium bei Wärmeeinwirkung aufgrund der unterschiedlichen Dichtekoeffizienten verschieden stark ausdehnen. Durch das Eintauchen des fertigen Kunststofffensterrahmens in das Aluminium-Galvanobad wird erreicht, dass die beiden Werkstoffe nicht im Laufe der Zeit auseinander platzen. Trotz intensiver Forschungskooperation mit dem Herrnhoferinstitut dauerte es, bis wir endlich eine produktionsfähige Galvanisierungstechnik entwickelt hatten, die tatsächlich eine dauerhafte und stabile Verbindung der Werkstoffe gewährleistet. Dieser spezielle Fensterrahmen aus dem mit Aluminium galvanisierten Grundwerkstoff PVC wurde unter dem Namen „ALUVAN“ patentgeschützt. Zeitgleich wurde in der Kooperation ein Prüfverfahren entwickelt, mittels dessen sich eine gleichmäßige Dicke der Verbindungsschicht über die gesamte Rahmenfläche hin garantieren lässt. Auch die produktionstechnologische Umsetzung des ALUVAN-Herstellungsprozesses erwies sich als sehr komplex und bedingte unter anderem die Neuanschaffung von Maschinen mit einem erheblichen Investitionsvolumen.
Aufgrund der komplexen Produktionstechnologie sollten ALUVAN-Fenster insbesondere im Objektbau angeboten werden. Um die Markteinführung des neuen Fensters „ALUVAN“ zu überprüfen, wurde eine umfangreiche empirische Untersuchung zur Ermittlung tendenzieller Preisbereitschaften im Objektbau durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden repräsentativ für den deutschen Markt Bauunternehmungen befragt. Mit Hilfe umfangreichen Demonstrationsmaterials wurden gestützte Befragungen auf Basis standardisierter Fragebögen durchgeführt. Insgesamt wurden 100 Bauunternehmungen befragt, welche Mengen des neuen Fensters sie innerhalb eines Jahres bei alternativen Preisen abnehmen würden. Als methodische Grundlage dient das Konzept der Preis-Absatz-Funktion. Diese ist zwar in der Praxis mit Einschränkungen behaftet, da es in der Realität nie vollständig gelingt, die komplexen Zusammenhänge zwischen Preis und Absatzmenge in einer funktionalen Beziehung zu erfassen. Eine Vielzahl von Einflussfaktoren, wie beispielsweise spezifische Produktcharakteristika, lässt sich so oft nur ungenügend abbilden. Dennoch liefern empirisch ermittelte PreisAbsatz-Funktionen wichtige Hinweise auf die Zahlungsbereitschaft der Kunden. Die für ALUVAN ermittelte Preis-Absatz-Funktion für ein Jahr (bezogen auf den deutschen Markt im Objekt-Bau) lautet:
x 820000 2450 p [mit x=Menge, p=Preis]
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Das Ergebnis macht deutlich, dass tatsächlich eine ausreichende Zahlungsbereitschaft für das neue Fenster besteht. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen jedoch, dass der Steigungsfaktor um 5% nach oben () oder nach unten () abweichen kann. Bei möglichen Preisberechnungen sollte man sich daher eines gewissen Risikos bewusst sein. Angesichts der Zahlungsbereitschaften ist davon auszugehen, dass sich das Projekt realisieren lässt. Erste Recherchen und Fachgespräche haben ergeben, dass sich die variablen Gesamtkosten für die Herstellung des ALUVAN-Fensters zwischen 230 und 275 € pro Fenster bewegen würden. Damit ergeben sich trotz der zur Fertigung benötigten Produktionsanlage Margen, die das Projekt für alle Beteiligten attraktiv werden lassen. Ende der Marktstudie
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Rollenspezifische Informationen Anbieter, Periode 1 (GB) „Wenn´s knifflig wird, kommen die Kunden doch am liebsten zu uns!“ dachte Herr Dr. Schmidt, Vertriebschef der Galvanoprodukte-Abteilung der LATEN AG, zufrieden. Nicht in allen Bereichen ging es dem traditionsreichen Konzern allerdings zurzeit so rosig. Gut sah es gegenüber dem Gesamtunternehmen jedoch in der GalvanoprodukteAbteilung aus. Hier verbuchte das Unternehmen immerhin jährliche Umsatzzuwächse in Größenordnungen von 4 bis 5 %. Und auch die Renditen hatten sich in den vergangenen Jahren, die für die chemische Industrie insgesamt nicht ganz einfach gewesen waren, sehr positiv entwickelt. Als europäischer Marktführer für Galvanisierungen von Metallen und Kunststoffen gehörte LATEN in dieser Branche auch auf dem Weltmarkt zu den führenden Unternehmen. Was LATEN im Bereich der Galvanoprodukte von seinen europäischen Konkurrenten unterschied, war in erster Linie das Produktspektrum: LATEN lieferte nicht nur die Galvanolösungen, sondern entwickelte und baute auf Wunsch auch die entsprechenden Galvanisierstraßen für die Kunden und übernahm deren Wartung und Instandhaltung, falls dies gewünscht wurde. Ein unschätzbarer Vorteil, denn so konnten Kunden, die bisher in ihrer Produktion noch keine Galvanisierung eingesetzt hatten, alles aus einer Hand bekommen. Ihren guten Ruf in der Branche verdankte der Bereich vor allem einer hervorragenden Forschungs- und Entwicklungsarbeit - und natürlich dem von Herrn Dr. Schmidt geleiteten Vertrieb. Was allerdings den vorliegenden Fall betraf, war sich Herr Dr. Schmidt nicht ganz sicher, ob er sich über die Anfrage der FERA GmbH wirklich freuen sollte. Herr Dobre, der neue Geschäftsführer der FERA GmbH, hatte an diesem Morgen angerufen, und sich nach einer speziellen Galvanisierungslösung erkundigt, die FERA für ein in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Herrnhoferinstituts für Elektrochemie in Paderborn entwickeltes Galvanisierungsverfahren bräuchte. Daneben wäre FERA sehr daran interessiert, die für die Produktion benötigte Galvanisierstraße von LATEN bauen zu lassen – würde alles aus einer Hand kommen, so hatte Herr Dobre gesagt, stelle das für FERA einen Vorteil dar, zumal die LATEN AG und die FERA GmbH in ihren traditionsreichen Firmengeschichte häufig sehr erfolgreich zusammengearbeitet hatten. Die FERA GmbH war früher ein überaus profitabler Hersteller von Fenstern aus PVC gewesen. FERA war sogar Marktführer in diesem Bereich. Dass FERA die zunehmende Konkurrenz durch Hersteller von Fenstern aus dem konkurrierenden Werkstoff Aluminium Sorgen machte, war Herr Schmidt schon des Öfteren zu Ohren gekommen. Jetzt aber wollte FERA offenbar nicht weiter hinnehmen, dass die vorwiegend im Objektbau eingesetzten Aluminium-Fenster immer beliebter wurden. Man wollte Kunden mit Aluminium-Neigung zukünftig eine echte Alternative bieten: ein Fenster, das aus beiden Werkstoffen, also aus PVC und Aluminium bestand, und das die Vorteile beider Werkstoffe verband.
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Ein PVC-Fenster sollte hierzu als Basis für eine aufgesetzte Aluminiumoberfläche dienen. „ALUVAN“ - so lautete der Name des neuen „Hybridrahmens“. Herr Dr. Schmidt war skeptisch, ob sich die beiden Materialien so leicht verbinden ließen. Die unterschiedlichen Dichte-Koeffizienten von PVC und Aluminium führten zu unterschiedlichem Ausdehnungsverhalten bei Erwärmung. Dies musste offensichtlich durch die Art der Galvanisierung ausgeglichen werden. Auch wenn Herr Schmidt wusste, dass sein Unternehmen bisher noch keine Galvanolösungen für diesen Galvanisiervorgang angeboten hatte, wollte er sich gerne mit seiner Kollegin, Frau Dr.-Ing. Wilmer, der Leiterin der F&EAbteilung, in Verbindung setzen, um sich nach der Realisierbarkeit des Vorhabens zu erkundigen. Da die Realisierung dieses Projektes vor allem viel technischen Fachverstand erfordern würde, wäre sie ohnehin die geeignete Projektleiterin. Was allerdings den Markterfolg der ALUVAN-Fenster anbelangte, hatte Herr Schmidt so seine Bedenken. Den Einwand, ob ein solches Material, nicht Fisch nicht Fleisch, beim letztlich entscheidenden Fenster-Käufer denn überhaupt ankommen werde, hatte Herr Dobre kurzerhand mit den Worten „Ich schicke Ihnen mal unsere neueste Marktstudie zu; das wird auch Sie für ALUVAN begeistern! Sie werden sehen, das wird ein echter Dauerbrenner!“ vom Tisch gewischt. Offensichtlich setzte die FERA GmbH wirklich große Hoffnungen in das neue Produkt und in die LATEN AG, die man als Zulieferer und bereits bekannter Geschäftspartner für dieses neue Fenster ins Boot holen wollte, eventuell auch auf längere Frist. Die Zeit bis zur Ankunft der versprochenen Unterlagen beschloss Herr Dr. Schmidt zu nutzen, um sich von Frau Dr.-Ing. Wilmer Informationen zu besorgen, ob die FERA-Vorstellungen überhaupt umsetzbar waren. Schließlich würde er Herrn Dobre gegenüber, falls er den Auftrag ablehnen sollte, begründen müssen, warum die Herstellung des Galvanobads nicht bzw. nicht zu vertretbaren Kosten möglich sei. Denn er wollte sich FERA natürlich nicht verprellen. Andererseits wenn die Fenster wirklich so toll waren - vielleicht konnte man dann auch einen guten Preis dafür verlangen, was wiederum für alle Beteiligten schöne Margen bringen würde! So griff er zum Hörer und wählte die Nummer von Frau Wilmer. „Ja, guten Morgen Frau Wilmer, Schmidt hier. Ich habe mal wieder eine Anfrage für ein spezielles Galvanisierungsverfahren von einem Kunden, der FERA GmbH. Deren Entwicklungsabteilung hat zusammen mit Forschern des Herrnhoferinstituts für Elektrochemie in Paderborn ein Verfahren entwickelt, durch das PVC-Fenster mit einer Galvanoschicht aus Aluminium überzogen werden sollen. Es geht um Fenster, also müssten Sie das Ausdehnungsverhalten bei Wärme, die Wärmeleitfähigkeit bzw. die Wärmedämmung sowie Schalldämmung und die unebene, geschwungene Form von Kunststoffprofilen besonders berücksichtigen. Kann ich Ihnen gleich mal eine Mail schicken, mit den technischen Details, die der Kunde mir genannt hat?“„Sicher, gerne. Ich denke allerdings, dass wir Ihnen nicht vor nächsten Donnerstag sagen können, ob und mit welchem Aufwand wir diesen Auftrag annehmen können.
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So wie sich das anhört, müssen wir ja wahrscheinlich erst die technischen Produktspezifikationen prüfen und vielleicht ein paar Versuche machen, und unsere halbe Abteilung liegt derzeit mit Grippe zuhause.“ Das würde dennoch reichen, dachte Herr Dr. Schmidt, auf die paar Tage konnte es Herrn Dobre nun auch nicht ankommen. „Vielen Dank, Frau Wilmer, das ist großartig! Ach, und könnten Sie sich vielleicht auch noch mit Herrn Wolf aus dem Controlling kurz schließen, und mir zusammen mit den Produktinformationen auch gleich die Kosteninformationen zuschicken? Das wäre perfekt!“ fiel ihm gerade noch ein. „Das dauert dann aber sicher noch einen oder zwei Tage länger“, wandte Frau Wilmer ein. „Gut, das lässt sich dann wohl nicht ändern. Aber ohne die Kosten kann ich schließlich nicht entscheiden, ob sich der Auftrag für uns rechnet“, entschied Herr Dr. Schmidt, und bedankte sich und leitete – wie besprochen – die Mail mit den Produktspezifika und den Kontaktdaten der zuständigen Ansprechpersonen auf Seiten von FERA weiter. „Gar nicht schlecht. Wirklich. Das könnte tatsächlich ein gutes Geschäft werden!“ Zwei Tage nach dem Telefonat mit Herrn Dobre hatte Herr Dr. Schmidt die versprochene Marktstudie zu ALUVAN (vgl. Basic Case) bereits in seiner Postmappe vorgefunden und sich sofort an die Lektüre gemacht. Wenn die Situation im Fenstermarkt tatsächlich so aussah, wie das Marktforschungsinstitut in seiner Studie schrieb, dann war ALUVAN vielleicht wirklich das richtige Produkt zum richtigen Zeitpunkt. Unruhig wartete er nun auf die Produktions- und Kosteninformationen aus der F&E-Abteilung. Drei Tage später fand er morgens ein als „VERTRAULICH“ gekennzeichnetes Schreiben von Frau Wilmer auf seinem Schreibtisch. Darin las er:
14.10.2005 „Lieber Herr Dr. Schmidt, anbei die gewünschten Informationen zum Alu-Galvanobad zur PVC-Beschichtung nach den weiteren Projekt-Spezifikationen von FERA. Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist es uns gelungen, eine stabile Verbindung herzustellen. Wir haben sie Polyalu genannt. Auf dem beigefügten Blatt sehen sie die detaillierten Komponentenkosten der Polyalu-Lösung pro Fenster (4 kg Lösung/Fenster). Unsere variablen Kosten belaufen sich dabei auf 72 Euro pro Fenster. Außerdem habe ich von unserem Chef-Controller die Information bekommen, dass wir mit jährlichen produktionsnahen, periodenvariablen Gemeinkosten von 1.000.000 Euro rechnen müssen, sollten wir diesen Auftrag annehmen. In den Vorgesprächen haben wir FERA klar gemacht, dass eine reibungslose Großserienproduktion von ALUVAN-Fenstern erst mit unserem Know-How und der neuartigen Polyalu-Lösung möglich wird. Daher haben wir darauf bestanden, dass unser Beitrag auch in Form eines Ingredient Branding entsprechend gewürdigt wird. Damit dieses auch langfristig zu einer deutlichen Steigerung unseres Markenwertes und einer Verbesserung unseres Images führt, müssten wir flankierend eine entsprechende Kommunikationskampagne starten.
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Eine Möglichkeit wäre es, die Kampagne selbst bei einer Agentur in Auftrag zu geben, das wäre allerdings mit Kosten i.H.v. 250.000 Euro verbunden. Am besten wäre natürlich, wir könnten FERA dazu bewegen, unsere Kampagne in die Markteinführungskampagne für ALUVAN-Fenster zu integrieren, und uns selbst dabei finanziell schadlos zu halten. Eine teilweise Integration in die FERA-Kampagne würde uns noch immer 150.000 Euro kosten. Für die Erstellung der Galvanostraße auf dem Werksgelände von FERA würden bei uns Kosten von 0,6 Mio Euro anfallen. Normalerweise müsste die FERA natürlich diese Kosten tragen, doch bestanden sie darauf, die Verteilung dieser Kosten auch auf die Agenda zu nehmen; wir würden ja schließlich über den Verkauf der GalvanoLösung ebenfalls an dem Projekt mitverdienen. Die Kosten der Anlage würden sich allerdings steigern, müssten wir die Anlage innerhalb von weniger als 6 Monaten, d.h. vor dem 1.5.2006, fertig stellen. Dieser Lieferzeitpunkt wäre für uns optimal. Bei dem für uns frühest möglichen Fertigstellungstermin (dieser wäre in 2 Monaten, also am 1.1.2006) müssten wir Mehrkosten – aufgrund von gesteigerten Personalkosten – in Höhe von 250.000 Euro in Kauf nehmen. Andere Fertigstellungszeitpunkte dazwischen würden proportionale Mehrkosten verursachen. Der genaue Fertigstellungszeitpunkt ist also auch zu vereinbaren. Aufgrund der gesetzlichen Auflagen (Umwelt und Sicherheit) und der Qualitätsbestrebungen der FERA GmbH müssen wir außerdem darauf vorbereitet sein, dass die FERA GmbH eine umfassende Inklusivwartung im Rahmen eines Gesamtpakets von uns erwarten wird. Die Übernahme des kompletten Services für ein Jahr würde uns ca. zusätzliche 100.000 Euro kosten. Ein Basispaket hingegen (was jedoch höchstens die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt) würde bei uns immerhin noch Kosten von 55.000 Euro verursachen. In Anbetracht der Vorgespräche mit FERA und mit unseren internen Controllern, habe ich – trotz der Vielzahl der zu beachtenden Punkte – ein gutes Gefühl, was unseren Einstieg in dieses Projekt angeht. Für Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich jederzeit zur Verfügung. Mit besten Grüßen, Helga Wilmer“
„Wunderbar“, entfuhr es Herrn Schmidt. Da hatte Frau Wilmer ja mal wieder ganze Arbeit geleistet. Mit den vorliegenden Informationen konnte nun ein Termin für die Verhandlung ausgemacht werden. Seine Sekretärin informierte ihn nur wenig später, dass die Verhandlungen für den übernächsten Tag angesetzt wurden. Herr Schmidt blickte diesen entspannt entgegen. So könnte das Projekt durchaus ein lukratives Geschäft darstellen. Und wenn es nicht zustande käme, würden dadurch zumindest keine Mehrkosten entstehen. Allerdings wäre in Anbetracht des zu erwartenden Erfolgs sowie der Langfristigkeit des ALUVANFensters das Projekt sehr verlockend, da es den Einstieg in eine strategische Geschäftsbeziehung darstellen könnte. In den bereits geführten Telefonaten mit Dobre hatte dieser diese Möglichkeit explizit angsprochen und auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Unternehmen bei früheren Projekten hingewiesen.
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Schmidt konnte sich noch gut an diese für LATEN ertragreichen Zeiten erinnern. Eine kurzfristige, einseitige Gewinnmaximierung könnte den Bestrebungen zum Aufbau einer erneuten engen Verbindung jedoch stark zuwider laufen und sollten daher in den Verhandlungen vermieden werden, um den Gesamtwert des Projektes nicht zu gefährden. Ihre Aufgabe: Im Folgenden ist es nun Ihre Aufgabe, mit der FERA GmbH einen Vertrag für das kommende Geschäftsjahr zu verhandeln. Dabei sollten Sie darauf achten, dass neben dem Verkaufspreis und der Menge der Galvanolösung auch die Übernahme der Kosten und der Zeitpunkt der Fertigstellung der Galvanoanlage, der Umfang eines möglichen Wartungsservice sowie die Übernahme der Kommunikationskampagne verhandelt werden. Ein Vertrag mit Ihrem Gegenüber kommt nur zustande, wenn Sie sich für alle Verhandlungsgegenstände auf eine gemeinsame Option einigen können. Darüber hinausgehende Abmachungen haben keine Gültigkeit. Ihr Chef, der Vorstandsvorsitzende der LATEN AG, der Sie mit dieser Verhandlungsaufgabe betraut hat, ist fest der Meinung, dass Sie in der Lage sein werden, einen für LATEN guten Vertrag im Hinblick auf eine Optimierung des Jahresgewinns 2006 auszuhandeln, und wünscht Ihnen dafür viel Erfolg.
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Anhang Spezial-Galvanobad „Polyalu“ - Produkt- und Kostendaten Polyalu ist ein hochkonzentriertes zweikomponentiges Alu-Galvanobad (LATENAluminium-Komponente Nr. 345a (A) und LATEN-Isocyanat-Komponente 62 (B)) unter Zusatz eines speziellen Sulfonats als Emulgator (C)). Die Verbindung gewährleistet die Erfüllung der technischen Spezifikationen, insbesondere den Ausgleich der Dichtekoeffizienten, bis -150 °C bzw. bis + 320 °C. Im Einzelnen zeichnet sich Polyalu insbesondere durch folgende Eigenschaften aus: 2,7 g/cm3 xDichte xEta-Schicht (K) < 0,2% Aluminium xZeta-Schicht ([) 5,8 – 6,2% Aluminium 7 - 12% Aluminium xDelta-1-Schicht (G1) (wegen ihrer Struktur auch Palisadenschicht genannt) xGroß-Gamma-Schicht (*) 21 - 28% Aluminium Es handelt sich um ein Galvanobad, das als schwach silberne, viskose Flüssigkeit in herkömmlichen Rollsickenfässern oder Tankcontainern geliefert werden kann. Es stellt allerdings einen Gefahrstoff im Sinne des deutschen Chemikaliengesetzes und der entsprechenden EU-Richtlinien dar und ist deshalb kennzeichnungspflichtig. Die Weiterverarbeitung im Kundenunternehmen erfordert hinsichtlich des Dispersionsdrucks außergewöhnlich hohe Werte, so dass hierfür u. U. der Einsatz einer Spezialanode im Kundenunternehmen erforderlich wird. Produktion Die Produktion erfolgt in einem One-Shot-Prozess bei 23 °C auf Basis gering viskoser Ausgangskomponenten. Die hochgradig exotherme Reaktion ist nach 12 Minuten abgeschlossen. Die endgültigen Materialeigenschaften sind nach 33 Stunden voll ausgebildet. Das Galvanobad basiert auf einem festen Einsatzverhältnis der drei Komponenten A, B, C, das nicht veränderlich ist, sondern 3 : 2 : 5 betragen muss. Unsere Fertigungsstraße 43 kann für alle Verfahrensschritte zur Herstellung des flüssigen Galvanobads eingesetzt werden. Kosten Unter der Annahme einer kundenindividuellen Produktion von Polyalu (von mehr als 4 t pro Jahr - ansonsten bitte Rücksprache nehmen) ergibt sich folgende Kostenkalkulation: Preis pro kg Komponente A: 13,50 € Preis pro kg Komponente B: 17,30 € Preis pro kg Komponente C: 12,40 € Des Weiteren fallen auf unserer Fertigungsstraße 43 (hier bestanden in den vergangenen Monaten erhebliche freie Kapazitäten) Kosten für Betriebsstoffe (z. B. Energieverbrauch, Schmierstoffe etc.) an. Diese führen zu einem variablen Gemeinkostenzusatz in Höhe von 17,16 € pro 4 kg Polyalu-Lösung. Die Kosten von 4 kg Lösung (Menge Lösung pro Fenster beim Kunden) betragen damit 72 €.
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Rollenspezifische Informationen Nachfrager, Periode 1 (GB) "Ja, das könnte passen!", dachte sich Herrn Dobre beim Lesen der adaptierten Marktstudie, die er in dieser Fassung an seinen möglichen Zulieferer, die LATEN AG versendet hatte. Im Frühsommer des Jahres 2005 hatte er die Studie zu den aktuellen Trends im Fenstermarkt bei seinem Studienfreund, Prof. Arnim, in Auftrag gegeben. Während der Erstellung der Studie hatte er in engem Kontakt mit Prof. Arnim gestanden, der ihm gegenüber schon bald die Vermutung geäußert hatte, dass FERA dringend etwas an seinem Produktportfolio tun müsse, um in einem schrumpfenden Markt seine Stellung behaupten zu können. Wie es der Zufall wollte, war Herr Dobre zwei Tage später über einen Artikel in den vdi-Nachrichten gestolpert, in dem berichtet worden war, wie Forscher des Herrnhoferinstituts für Elektrochemie in Paderborn es geschafft hatten, PVC durch Galvanisierung mit Aluminium zu beschichten, und nun für diese Technologie Industriepartner suchten, um weiter forschen zu können. Nach Rücksprache mit dem Entwicklungsleiter der FERA GmbH, Herrn Berger, und dem Vertriebschef, Herrn Porther, die beide der Idee aufgeschlossen gegenüber standen, wendete sich Herr Dobre nur wenige Tage später an den geschäftsführenden Direktor des Herrnhoferinstituts, um ihm eine Forschungskooperation vorzuschlagen. Diese sah vor, den Galvanisierungsprozess für PVC in einer Testanlage auf dem Gelände der FERA GmbH in Kerkwiede soweit weiterzuentwickeln, dass bis zum Beginn des Jahres 2006 die ersten ALUVAN-Fenster in Kleinserienproduktion gefertigt werden konnten. Da alle Fensterarmaturen vor dem Galvanisierungsprozess schon montiert sein mussten, waren bis zur Prozessfähigkeit der Anlage noch einige Probleme zu lösen, die mittlerweile aber soweit behoben waren, dass an den Bau einer größeren Galvanisierungsanlage gedacht werden konnte, um die ALUVAN-Produkte möglichst bald auf den Markt zu bringen. Für die Produktionstechnologie sowie das ALUVAN-Fenster wurden in den vergangenen Wochen Patentanträge gestellt. Mit der Patenterteilung könnte laut Aussagen der Patentspezialisten des Herrnhoferinstituts in nicht allzu langer Zeit gerechnet werden. Nach den erfolgreichen Anstrengungen zur Entwicklung des ALUVAN-Fensters sowie der zugehörigen Produktionstechnologie konnte sich Herr Dobre nur sagen: Das hatte sich ja gelohnt. Eine in seinen Augen bahnbrechende Neuerung in der Produktpalette der FERA GmbH, eines Herstellers von Fenstern aus PVC, schien da realistische Formen anzunehmen.
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Seit der Gründung im Jahr 1920 durch Hieronymus Hilden hatte sich die FERA GmbH vom kleinen Vier-Mann-Handwerksbetrieb zum Marktführer für Fenster aus PVC mit heute insgesamt 800 Mitarbeitern und einer täglichen Fensterproduktionsmenge zwischen 3.000 und 5.000 Stück entwickelt. Der Ausbau der Produktpalette in den 1920er Jahren bedingte einen konstanten Anstieg der Mitarbeiterzahl. 1936 entstand das erste - größtenteils handgearbeitete - PVC-Fenster. Ende der 1930er Jahre gelang es FERA mit einer neuartigen Maschine als erstem Hersteller, ein Fenster "in einem Schritt" zu fertigen, indem die Profile zusammen mit den Gläsern, Beschlägen und Dichtungen in einem Arbeitsgang miteinander verarbeitet wurden. Damit konnte das Unternehmen nicht nur seinen Ruf als qualitätsbewusster Hersteller festigen, sondern auch ein innovationsorientiertes Image begründen, das es im Laufe der folgenden Jahrzehnte weiter ausgebaut hatte. Im zweiten Weltkrieg erlebte das Unternehmen zwar drastische Einschränkungen und eine erhebliche Zerstörung von Produktionsanlagen, doch nach Kriegsende folgte aufgrund des hohen Bedarfs im Wiederaufbau Deutschlands ein rascher Aufschwung, so dass die FERA GmbH 1950 bereits 420 Mitarbeiter beschäftigte. Ende der 1950er Jahre kam schließlich eine erneute "Revolution" in der Fensterherstellung aus dem Hause FERA: Der erste „Wärmeschutzrahmen“ eine Verbindung zweier PVC-Schichten - ging 1958 vom Band der FERA GmbH. Der Erfolg dieser neuen Technik war so durchschlagend, dass die bisher von einer Reihe anderer Hersteller angebotenen traditionellen einschichtigen PVCFensterrahmen ab Ende der 1960er Jahre vollständig der Vergangenheit angehörten. Der Pionier FERA setzte in den folgenden Jahren seine Expansion im Fensterbereich mit Ausweitungen des Sortiments und mit Produktinnovationen (z.B. Einführung einer Standardrahmendicke von 3,5 cm für alle Fensterrahmen) konsequent und erfolgreich fort. Anfang der 1970er Jahre kam jedoch mit einer erneuten "Revolution" namens "Aluminium" Bewegung in den deutschen Fenstermarkt – und diesmal war FERA nicht als Pionier dabei. Technologisch deutlich verbesserte und zudem erheblich effizientere Produktionsverfahren für die Herstellung von AluminiumFensterrahmen öffneten den Markt für neue Hersteller. Die Verwendung von Aluminium ermöglichte die Produktion sehr wirtschaftlicher, belastbarer und witterungsresistenter Fenster. Diese Leistungen konnten in der komplexen PVCFenstererstellung nicht zu vergleichbaren Kosten erreicht werden. Gerade der Objektbau forderte jedoch immer stärker den Einsatz von widerstandsfähigen Aluminiumfenstern. FERA konnte (und wollte) sich aufgrund der finanziellen Situation des Unternehmens allerdings keine zusätzlichen AluminiumProduktionsanlagen leisten und konzentrierte sich daher zunehmend auf Verbesserungen in der PVC-Fenster-Produktionstechnologie und der Produktqualität. Schließlich geriet das Unternehmen durch den plötzlichen Tod von Otto Hilden in bedenkliche Schieflage, die nur durch massive Unterstützung der Hausbanken abgefedert werden konnte.
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Vor diesem Hintergrund wies die Idee des ALUVAN-Fensters tatsächlich einen Ausweg aus der Krise. Nach der ersten Studie der WWW-Marktforschung (Teil I der unter dem Namen „Neue Strategien im Fenstermarkt“ an die LATEN AG versandten Marktstudie, siehe Basis Case) hatte Herr Dobre im Hinblick auf die Marktchancen eines PVC-Aluminium-Composite-Fensters eine zweite Studie bei Prof. Arnim in Auftrag gegeben, die ganz konkret die Preis-Absatz-Funktion für diesen Fenstertypus ermitteln sollte (wiedergegeben im Teil II der Studie „Neue Strategien im Fenstermarkt“). Erste Prototypen waren dem Marktforschungsteam von Prof. Arnim dafür zur Verfügung gestellt worden. Das Ergebnis dieser zweiten Studie hatte Herrn Dobre zuversichtlich gestimmt: Anscheinend gab es ein über Jahre hohes, im Objektbau sogar wachsendes Absatzpotenzial für diesen neuartigen Fenstertyp! Mit seinen engsten Mitarbeitern, Herrn Berger, Herrn Porther und dem Produktionsleiter, Herrn Wartburg, hatte sich Herr Dobre unterdessen über das weitere Vorgehen abgestimmt. Das größte technologische Problem, nämlich dass die unterschiedlichen Dichte-Koeffizienten von PVC und Aluminium zu einem unterschiedlichen Ausdehnungsverhalten bei Temperaturveränderungen durch Erwärmung oder Abkühlung führen könnten, konnte bei der Anwendung der Forschungsergebnisse des Herrnhoferinstituts auf das Produkt ALUVAN-Fenster überwunden werden. Die Verbindung durfte nicht dazu führen, dass die Außentemperatur aus der oberen Aluminiumschicht an die PVC-Schicht weitergegeben werden konnte. Anhand einer ausführlichen Testreihe, in der die Prototypen der Fenster durch große Temperaturdifferenzen belastet wurden, konnte die Überwindung dieses Problems nachgewiesen werden. Zwar hatten die FERA-Entwicklungsingenieure in Zusammenarbeit mit den Forschern des Herrnhoferinstituts damit gute Arbeit geleistet, und das ALUVANFenster stand praktisch vor der Produktionsreife, doch war bisher noch keine eigene Galvanostraße mit den benötigten größeren Galvanobädern gebaut worden. Damit war das größte Problem angesprochen: Dies war die Bestimmung eines geeigneten Lieferanten: Hier lag für die Herren auf der Hand, zunächst die LATEN AG, ein wohlbekanntes Unternehmen im Markt für Galvanisierung als Zulieferer zu gewinnen. Vorteil der Laten AG war, dass diese neben der Herstellung und Belieferung von Galvanolösungen auch erhebliche Erfahrung im Bau von entsprechenden Galvanisierungsanlagen besaß, was sie von ihren Wettbewerbern deutlich unterschied. Darüber hinaus hatten die beiden Unternehmen in der Vergangenheit bereits einige erfolgreiche Geschäfte miteinander getätigt. Die LATEN AG war den damals auf FERA-Seite Beteiligten noch in guter Erinnerung. Die Zusammenarbeit war fruchtbar und zuverlässig gewesen. Auch im Falle des ALUVAN-Fensters sollte eine strategische Geschäftsbeziehung explizit bedacht und angestrebt werden.
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Herr Dobre beschloss daher, Herrn Dr. Schmidt, dem Vertriebschef von LATEN, bezüglich der Innovation ALUVAN zu kontaktieren. Nach einigen Diskussionen über Sinn und Unsinn des ALUVAN-Projektes versprach Herr Dobre, Herrn Dr. Schmidt schnellstmöglich die Marktstudie zukommen zu lassen. Dr. Schmidt versprach im Gegenzug, mögliche Details bezüglich der Leistungsspezifikationen der benötigten Galvanoanlage bei sich im Unternehmen zu ermitteln. Dobre und Schmidt kamen überein, Projektverantwortliche auf beiden Seiten zu bestimmen, die sich kurzfristig über die notwendigen Projektspezifikationen austauschen sollten, damit möglichst zeitnah konkrete Verhandlungen über das gemeinsam zu tätigende Kooperationsprojekt „ALUVAN“ geführt werden könnten. Nach dem Telefonat, in dem beide Seiten ihr prinzipielles Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert hatten, kontaktierte Dobre umgehend seinen Produktionsleiter Wartburg. Dieser sollte zunächst mit den Projektverantwortlichen auf Seiten der LATEN AG Kontakt aufnehmen, um spezifische Projektanforderungen zu konkretisieren. Hierauf galt es, im eigenen Unternehmen die notwendigen Informationen bezüglich der anfallenden Kosten, bestehenden Ressourcen als auch potenziellen Erlöse zusammenzutragen. Bereits einige Tage später erhielt Dobre eine E-Mail von Wartburg, der für FERA die Vorgespräche übernommen hatte. Kerkwiede, den 15.10.2005 „Sehr geehrter Herr Dobre! In der angehängten Datei finden Sie alle erhobenen Kostendaten zum Fenster ALUVAN. Hier wird erläutert, wie ein komplettes ALUVAN-Fenster hergestellt wird (siehe Anlage 1). Insgesamt ergibt sich aus Anlage 1, dass unsere variablen Kosten pro Fenster (ohne die noch von einem Zulieferer zu beziehende Galvanolösung) 168 Euro ausmachen. Außerdem wies das Controlling uns darauf hin, dass für die Fertigung der ALUVAN-Fenster produktionsnahe, periodenvariable Gemeinkosten in Höhe von insgesamt 270.000 Euro pro Jahr (unabhängig von der Ausbringungsmenge) anfallen werden. Für die Galvanisierung der Fenster ist – wie bereits bekannt – eine neue Galvanostraße für die Serienproduktion notwendig. Diese können wir wie bereits besprochen in unserer Halle 3 aufbauen lassen. Die Investitionskosten einer solchen Anlage belaufen sich nach Angaben der LATEN AG auf 600.000 Euro. Wir sollten in jedem Falle klären, inwieweit sich die LATEN AG an diesen Kosten beteiligt, denn immerhin wollen sie ja durch den Verkauf ihrer Polyalu-Lösung an der Innovation ALUVAN mitverdienen. Aus unserer Sicht sollte die Fertigstellung der Galvanostraße für die Serienfertigung möglichst schnell geschehen, damit wir möglichst bald Rückflüsse durch den Verkauf von ALUVAN-Fenstern erhalten. Nur so können wir eventuelle Liquiditätsengpässe umgehen. Nach Informationen der LATEN AG ist die Fertigstellung der Galvanostraße frühestens innerhalb von 2 Monaten, d.h. bis zum 1.1.2006 möglich. Allerdings könnte es passieren, dass sich der Lieferzeitpunkt um einige Monate, aufgrund mangelnder personeller Ressourcen, hinauszögert. Jedoch könnten wir, bis zum endgültigen Lieferzeitpunkt, weiterhin auf der gemeinsam mit den Herrnhofer-Leuten aufgebauten kleinen Anlage galvanisieren. Unabhängig von der produzierten Menge an ALUVAN-Fenstern würden uns hierfür wöchentliche Mehrkosten (Mietnutzung und zusätzliche Personalkosten) in Höhe von 32.000 Euro entstehen.
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Um den gesetzlich geforderten Sicherheits- und Umweltstandards für den Serienbetrieb einer Galvanostraße gerecht zu werden, benötigen wir dringend einen zuverlässigen Wartungsservice. Dieser ist außerdem für eine durchgehend hohe Produktqualität notwendig. Hier sollten wir die LATEN AG fragen, inwieweit sie sich – quasi als Experte der Anlage - dazu bereit erklären, den kompletten Service ohne weitere Kosten für uns auszuführen. Bei externer Vergabe des Wartungsvertrages würden Mehrkosten in Höhe von 200.000 Euro pro Jahr anfallen. In diesem Zusammenhang könnte allerdings mit der LATEN AG diskutiert werden, inwiefern sie zumindest die Basis-Servicearbeiten übernimmt, sodass uns nur mehr ca. 100.000 Euro Mehrkosten entstehen würden. Da es sich beim ALUVAN-Fenster um eine technologisch interessante Neuheit handelt, haben die Marketing-Fachleute der LATEN AG in den Vorgesprächen darauf bestanden, dass sie in Form eines Ingredient Brandings auf den ALUVAN-Fenstern vertreten sein wollen. Schließlich seien diese nur durch ihr Galvanisierungs-Know-How in großindustrieller Fertigung möglich geworden. Damit das Ingredient Branding für sie zum gewünschten Nutzen führt, wiesen sie auf die Notwendigkeit einer Kommunikationskampagne hin und fragten an, ob wir diese nicht in die bestehende Markteinführungskampagne der ALUVAN-Fenster aufnehmen könnten. Dies würde uns jedoch vermutlich 50.000 Euro mehr kosten. Eine teilweise Beteiligung von LATEN an unserer Kampagne würde diese Summe vermutlich halbieren. Dennoch denke ich eigentlich, dass es trotz einer langfristigen gemeinsamen Geschäftsperspektive deren eigene Angelegenheit ist. Wir sollten aber auch diesen Punkt in den anstehenden Verhandlungen diskutieren. Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen, Wartburg."
Die von Herrn Wartburg übermittelten Informationen klangen sehr vielversprechend. Dennoch blickte Herr Dobre den Verhandlungen relativ entspannt entgegen. Denn sollte die LATEN AG kein Interesse an einer Zusammenarbeit haben, so würde FERA vermutlich trotzdem nicht mit leeren Händen dastehen: Auch bei der Galvanelox GmbH lief eine Anfrage zur Belieferung mit einer Galvanolösung, die FERA zur Galvanisierung der Fenster würde einsetzen können. Das Angebot der Galvanelox GmbH wurde dabei schon seit mehreren Tagen erwartet. Die Galvanoanlage zur Serienproduktion der Fenster müsste in diesem Fall von einem anderen Unternehmen erstellt werden. Eine Anfrage bei der EICHE AG, die vor allem verfahrenstechnische Großanlagen erstellt, wollte dabei noch ein Angebot für die gewünschte Produktionsanlage liefern. Herr Dobre war sich praktisch sicher, dass FERA mit Herrn Dr. Schmidt von der LATEN AG einen Vertrag würde aushandeln können, der beiden Seiten einen größeren Nutzen verschaffen würde als die Angebote von Galvanelox GmbH und EICHE AG für FERA bedeuteten. Darüber hinaus wäre in Anbetracht des zu erwartenden Erfolgs sowie der unbestrittenen Kompetenz der LATEN AG das Projekt ein sehr verlockende Möglichkeit für eine strategische Geschäftsbeziehung. Eine kurzfristige, einseitige Gewinnmaximierung würde diesen Bestrebungen daher stark zuwider laufen und sollte in den Verhandlungen vermieden werden, um das Gesamtprojekt über die Dauer einer einer möglichen Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Denn auch die vergangenen Geschäfte waren mit gegenseitiger Rücksicht auf den Geschäftspartner getätigt worden.
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Was die Vermarktung der ALUVAN-Fenster anbelangte, machte sich Dobre keine Sorgen. Da in der Marktstudie die Preisbereitschaften für ALUVAN-Fenster unter Berücksichtigung der Fenster aus Konkurrenzmaterialien ermittelt worden waren und ALUVAN eine echte Neuheit darstellen würde, könnte man sogar einen monopolistischen Preisspielraum nutzen. Dies würde sich für beide Partner der Wertschöpfungskette auszahlen. Ihre Aufgabe: Im Folgenden ist es nun Ihre Aufgabe, mit der LATEN AG einen Vertrag für das nächste Geschäftsjahr zu verhandeln. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Sie neben dem Verkaufspreis und der abzunehmenden Menge für die Galvanolösung auch die Übernahme der Kosten der Anlage, den Zeitpunkt ihrer Fertigstellung, Umfang und Leistungserstellung des Wartungsservices als auch die Übernahme der Kommunikationskampagne aushandeln. Ein Vertrag kommt dabei nur zustande, wenn Sie sich für alle Verhandlungsgegenstände auf eine gemeinsame Option einigen können. Darüber hinausgehende Abmachungen haben keine Gültigkeit. Herr Dobre, der Sie mit dieser Verhandlungsaufgabe betraut hat, ist der festen Meinung, dass Sie in der Lage sein werden, für FERA einen guten Vertrag im Hinblick auf die Optimierung des Jahresgewinns 2006 auszuhandeln. Bitte legen Sie daher im Abschluss der Verhandlungen noch den Marktpreis fest, den Sie bei den Bauunternehmungen für ein ALUVAN-Fenster verlangen werden.
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Anlage 1 ALUVAN-Produktion in Kerkwiede Unter der Voraussetzung, ein den spezifischen Anforderungen entsprechendes Aluminium-Galvanobad zu verwenden, kann die ALUVAN-Produktion in Kerkwiede durchgeführt werden. In der folgenden Abbildung wird das Produktionsverfahren skizziert.
PVC
+
ALUVAN
GALVANOBAD
-
Ein Fenster besteht aus 10 kg PVC-Grundstoff. Für das Aluminium, das wir bei einem unserer Lieferanten kaufen, setzen wir ein Gewicht in Höhe von 4 kg an. Den PVC-Grundstoff beziehen wir für rund 920 € je Tonne. Gläser, Griffe, Beschläge und Dichtungen können wir aufgrund unseres erst kürzlich ausgehandelten Vertrages mit einem Zulieferer weiterhin aus einer Hand für insgesamt 45 € je Fenster beziehen. Für das Aluminium kann noch keine endgültige Angabe gemacht werden, da aktuell Verhandlungen mit der LATEN AG geführt werden. Für das Zuschneiden und Aufbereiten der PVC-Rahmenteile arbeiten wir in unserer traditionellen Produktion mit 83 € je Fenster-Einheit. Das Beschlagen mit Griffen und die Abdichtung kann durch ein kostengünstiges automatisches Verfahren erreicht werden. Für die seit vielen Jahren verwendete Maschine kann für diesen Vorgang mit variablen Kosten i.H.v. 4,50 € je Fenster-Einheit gerechnet werden. Dabei gehen wir von einer Tagesproduktionsmenge von bis zu 2000 Fenstern aus. Die Bedienung der Galvanisierungsstraße zur Verbindung des Aluminiums mit dem PVC, bei der 10 Fenster zeitgleich bearbeitet werden können, erfordert den Einsatz eines Mitarbeiters über einen Zeitraum von einer halben Stunde, der Kosten in Höhe von 40 € pro Stunde verursacht. Da die ALUVAN-Fenster generell auch in den Farben unserer PVC-Fenster angeboten werden sollen, fallen für die Heißaufbringungen farbiger Acrylfolie pro Fenster 8 € variabler Kosten an. Für den Vertrieb bzw. die Ausgangslogistik jedes Fensters müssen folgende Kosten beachtet werden: x Verpackung: 3,60 €, x Fracht: 10 €, x (zusätzlich einzustellender) Vertriebsmitarbeiter/Ausgangslogistik mit anteiligen Personalkosten in Höhe von 2,70 €. Pro ALUVAN-Fenster ergeben sich so also gesamte variable Kosten in Höhe von 168 €.
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Anlage 2 Lieber Herr Dobre, wie erwartet haben wir von der Galvanelox GmbH ein Angebot für eine Galvano-Lösung erhalten, die wir einsetzen könnten. Sie verlangen dafür einen Preis von 105 Euro für 4 kg – also für ein fertiges Fenster – und ließen sich auch auf keine Rabatte ein. Bezüglich der Erstellung einer Galvanostraße durch die Eiche AG müssten wir, eingerechnet einer verspäteten Erstellung und geforderter Eigenleistungen mit Kosten i.H.v. 1,2 Mio. Euro rechnen. Offenbar ist die Eiche AG an solch kleineren Aufträgen – gemessen an ihren sonstigen Projektvolumina - nicht mehr wirklich interessiert. Ich sehe daher gute Chancen, mit der LATEN AG einen Vertrag zu erzielen, der wesentlich besser für uns wäre. Beste Grüße, Ihr Wartburg.
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Business Report Anbieter (Beispiel) in Periode 1 (GB) Geschäftsreport LATEN AG 2006 (....) Neue Zusammenarbeit mit dem Fensterbauer FERA GmbH Die LATEN AG lieferte im zu Ende gehenden Geschäftsjahr 2006 neben einer kompletten Galvanostraße auch zum ersten Mal eine neuartige Galvanolösung, Polyalu, an die FERA GmbH, einen führenden Fensterbauer in Deutschland. Mit Polyalu kann auf PVC Aluminium aufgalvanisiert werden. Die FERA GmbH nutzt diese Galvanolösung, um PVC-Fensterrahmen zu Aluminium-PVC-Composite-Fenstern, genannt ALUVAN-Fenstern, weiterzubauen, eine Weltneuheit auf dem Fenstermarkt. Diese Fenster werden von FERA an deutsche Bauunternehmungen vertrieben, wobei der Endgebraucherpreis mit 285,71 € deutlich niedriger lag als der Preis vergleichbarer Aluminiumfenster. Die Vorhersagen über eine bestimmte Beziehung zwischen verkaufter Fenstermenge und dem Endgebraucherpreis erwiesen sich damit für die ersten drei Quartale des Jahres 2006 als ziemlich genau. Auch für das letzte Quartal rechneten beide Geschäftspartner mit einem konstant hohen Absatz der Fenster. Damit würden im Jahr 2006 120.000 Fenster verkauft werden. Die LATEN AG profitierte von diesem Absatz durch den Verkauf der benötigten Polyalulösung an die FERA GmbH. Der Preis von 88 € für 4 kg Polyalulösung, die für die Herstellung eines ALUVAN-Fensters benötigt werden, lag mit 16 € über den variablen Kosten zur Herstellung der Lösung im Hause LATEN. Die zur Galvanisierung benötigte Anlage wurde ebenfalls von der LATEN AG erstellt. Die Erstellungskosten in Höhe von 600.000 Euro wurden dabei zu weiten Teilen von der FERA GmbH übernommen Die Galvanisierungsstraße ging am 1.2.2006 in der Halle 3 der FERA GmbH in Kerkwiede in Betrieb. Aufgrund des früher als geplanten Fertigstellungstermins – LATEN hatte planmäßig den 1.Mai 2006 ins Auge gefasst – musste LATEN zur Beschleunigung der Erstellung der Anlage zusätzliches technisches Personal von einer Zeitarbeitsfirma einkaufen. Dieser Zusatzaufwand für LATEN stellte sich für die gesamte Beziehung jedoch als sehr vorteilhaft heraus. Wie bei den Aufbauarbeiten der Anlage in Kerkwiede bei FERA deutlich wurde, fielen FERA für die Benutzung der kleineren Anlage auf ihrem Gelände nämlich hohe Mietkosten an das Herrnhoferinstitut sowie zusätzliche Personalkosten für Zusatzschichten an. Durch die frühere Fertigstellung der Galvanoanlage von LATEN konnte FERA sehr viel mehr Kosten einsparen, als bei LATEN durch die Beschleunigung entstanden, so dass LATEN an anderer Stelle von diesen Einsparungen profitieren konnte. Die Wartung und Inspektion der Anlage übernahm FERA komplett auf eigene Rechnung. Wie sich während verschiedener Gespräche mit FERA-Mitarbeitern im vergangenen Quartal zeigte, war dies keine kluge vertragliche Regelung gewesen: LATEN kostete die Wartung viel weniger als FERA, die bisher mit Galvanisierstraßen keine Erfahrung hatten. Die Vermarktung der ALUVAN-Fenster wird mit einer großen Kommunikationskampagne unterstützt. Da die LATEN AG als kompetenter Zulieferer für Galvanolösungen gilt, räumte FERA ihr das Recht der Markierung der Fenster mit ihrem Firmennamen ein (Ingredient Branding). Die von LATEN geforderte Kampagne für ihren Beitrag wurde mit geringen Mehrkosten für FERA in die bereits geplante ALUVANKampagne integriert. Im Nachhinein stellte sich das als geschickter Schachzug dar, denn für LATEN wäre eine eigene Kampagne deutlich teurer geworden. So hatte man gemeinsam Kosten sparen können. Alles in allem stellt die Geschäftsverbindung mit der FERA GmbH eine gute Investition in die Zukunft dar: Allein im Jahr 2006 kann mit einem Gewinn aus dieser Beziehung von 634.584 € gerechnet werden.
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Business Report Nachfrager (Beispiel) in Periode 1 (GB) Geschäftsreport FERA GmbH 2006 (....) ALUVAN-Fenster werden zum neuen Zugpferd Die in Zusammenarbeit mit dem Herrnhoferinstitut für Elektrochemie in Paderborn entwickelte neue Fensterreihe ALUVAN wurde im Laufe des aktuellen Geschäftsjahres 2006 zum neuen Zugpferd für die FERA GmbH. Diese Fenster werden seit Beginn des Jahres direkt von FERA an Bauunternehmungen vertrieben, die sie vorrangig im Objektbau einsetzen. Aufgrund der technologischen Einzigartigkeit konnte FERA pro Fenster durchschnittlich einen Preis von 285,71 € verlangen und lag damit noch immer deutlich niedriger als der Preis vergleichbarer Aluminiumfenster. Die FERA GmbH rechnet für das gesamte Geschäftsjahr 2006 mit einem Absatz 120.000 Fenstereinheiten. Die Vorhersage über den Zusammenhang zwischen Endgebraucherpreis und verkaufbarer Menge hatte sich damit für die ersten drei Quartale als erstaunlich genau herausgestellt. Auch für das letzte Quartal war nicht mit einem Umsatzeinbruch zu rechnen. Bezüglich der Zusammenarbeit mit dem Zulieferer der Galvanisierstraße und der verwendeten Galvanolösung „Polyalu“, der LATEN AG, kann stichpunktartig folgendes berichtet werden: Der Preis von 88 € für 4 kg Polyalulösung, die für die Herstellung eines ALUVAN-Fensters benötigt werden, lag mit 17 € unter dem Preis des nächstbesten Angebots für eine vergleichbare Galvanisierlösung. Die zur Galvanisierung benötigte Anlage wurde ebenfalls von der LATEN AG erstellt. Die Erstellungskosten in Höhe von 600.000 Euro wurden dabei zu weiten Teilen von der FERA GmbH übernommen Die Galvanisierungsstraße ging am 1.2.2006 in der Halle 3 der FERA GmbH in Kerkwiede in Betrieb. Aufgrund des späteren Fertigstellungstermins – gegenüber FERAs Wunschtermin am 1. Januar 2006 – musste von Jahresbeginn bis zur Fertigstellung der LATEN-Anlage auf der kleinen Galvanoanlage des Herrnhofer-Instituts produziert werden. Dennoch gelang es FERA, die ursprünglich von LATEN anvisierte Fertigstellung der Anlage zum 1. Mai diesen Jahres massiv nach vorne zu verlegen. Dadurch konnten ganz erhebliche Miet- und Personalkosten, die bei weiterer Benutzung der kleinen Herrnhofer-Anlage angefallen wären, eingespart werden. Die Wartung und Inspektion der Anlage übernahm FERA komplett auf eigene Rechnung. Wie sich während verschiedener Gespräche mit LATEN-Mitarbeitern im vergangenen Quartal zeigte, war dies keine kluge vertragliche Regelung gewesen: LATEN kostete die Wartung viel weniger als FERA, die bisher mit Galvanisierstraßen keine Erfahrung hatten. Die Vermarktung der ALUVAN-Fenster wird mit einer großen Kommunikationskampagne unterstützt. Da die LATEN AG als kompetenter Zulieferer für Galvanolösungen gilt, wurde ihr das Recht der Markierung der Fenster mit ihrem Firmennamen gestattet (Ingredient Branding). Die von ihr geforderte Kampagne für ihren Beitrag wurde mit geringen Mehrkosten für FERA in die bereits geplante ALUVAN-Kampagne integriert. Im Nachhinein stellte sich das als geschickter Schachzug dar, denn für LATEN wäre eine eigene Kampagne deutlich teurer geworden. So hatte man gemeinsam Kosten sparen können. Insgesamt hat sich die Zusammenarbeit der FERA GmbH mit der LATEN AG als sehr interessant herausgestellt. Wenn die Absatzzahlen für ALUVAN-Fenster auch im vierten Quartal so stabil bleiben wie erwartet, dann erwirtschaftet die FERA GmbH in diesem Geschäftsjahr durch die Zusammenarbeit mit LATEN einen Gewinn von 2.404.000 Euro. Eine solche Entwicklung war vor gut einem Jahr nicht abzusehen gewesen.
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Allgemeine Informationen Periode 2 Am 26.10.2006 erschien folgende Meldung in den „Westfälischen Neuesten Nachrichten“:
FERA GmbH mit neuer Fensterreihe ALUVAN sehr erfolgreich
von unserem Korrespondenten Thilo Kleinschmidt, zur Zeit Nürnberg. Nürnberg/Kerkwiede. Der traditionsreiche Fensterbauer FERA GmbH aus Kerkwiede befindet sich seit einem guten dreiviertel Jahr wieder auf dem aufsteigenden Ast. Zu dieser Feststellung kam der Geschäftsführer des Unternehmens, Karl-Heinz Dobre, anlässlich der Messe Fensterbau Frontale in diesen Tagen in Nürnberg. „Sowohl die Verkaufszahlen unserer neuen Fensterserie ALUVAN, die von der FERA GmbH seit einiger Zeit auf dem deutschen Fenstermarkt angeboten wird, wie auch das enorm gestiegene Interesse auf der diesjährigen Fensterbau Frontale belegen dies“, sagte Dobre im Gespräch mit den Westfälischen Neuesten Nachrichten. Die FERA GmbH ist in Kerkwiede der größte Arbeitgeber und war lange Zeit einer der profitabelsten Fensterbauer in Deutschland. Mit der Rezession in der Bauwirtschaft in Deutschland während der letzten Jahre hatte jedoch auch FERA zu kämpfen gehabt, was sich zuletzt unter anderem daran erkennen ließ, dass in Teilen der Produktion auf Kurzarbeit umgestellt werden musste. Doch wie Dobre nicht ohne Stolz erklärte, „sind diese Zeiten vorerst vorbei.“ Schlüssel zum neuerlichen Aufschwung des Traditionsunternehmens sei eine technologische Revolution in der Herstellung der Fenster gewesen, die alle Vorteile eines teureren Aluminiumfensters mit dem günstigen Preis eines Kunststofffensters verbunden habe. Zusammen mit Forschern des Herrnhoferinstituts für Elektrochemie in Paderborn entwickelten die Ingenieure von FERA den Fenstertypus ALUVAN, der die erste industrielle Anwendung der Aluminium-Galvanisierung von PVC darstellt. „Damit sind wir um einiges billiger als die reinen Aluminiumfensterhersteller, bringen aber trotzdem alle Vorteile von Aluminiumfenstern mit. Durch die Patentierung des Herstellungsverfahrens und der einzelnen Produkte haben wir auf absehbare Zeit einen nicht einholbaren Wettbewerbsvorsprung“, so Dobre weiter. Da im Rahmen der Messe in Nürnberg auch aus den angrenzenden Ländern der Bundesrepublik, vor allem aus der Schweiz, Österreich, Belgien und den Niederlanden, großes Interesse an ALUVAN-Fenstern bestünde, sei man mit Expansionsplänen schon weit fortgeschritten. Weiterhin plane man, neben den bereits erhältlichen farbigen Oberflächen für die ALUVAN-Reihe auch Eloxaloberflächen anzubieten, wie dies für Aluminiumfenster bereits seit langem Standard ist. Dafür seien weitere Investitionen in den Produktionsanlagen von FERA in Kerkwiede notwendig. Die Frage dieser Zeitung, ob dies zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führe, konnte Dobre jedoch nicht eindeutig beantworten. Fest stünde hingegen, dass die gesamte ALUVAN-Produktion noch in diesem Geschäftsjahr nach der Qualitätsnorm ISO 9001 zertifiziert werden solle, um die hohen Standards der Prozess- und Produktqualität zu dokumentieren. Wie von Messebesuchern am Stand von FERA zu erfahren war, sollte dies vor allem die Bedenken gegenüber der Qualität des neuen Produktes und seiner KunststoffAluminium-Verbindung in noch nicht erreichten Käuferschichten beseitigen.
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Die von der FERA GmbH beim WWW-Marktforschungsinstitut im September 2006 aufgrund der erfolgreichen Markteinführung in Deutschlang in Auftrag gegebene Marktstudie über die Absatzchancen von ALUVAN-Fenstern in gesamt Mitteleuropa (Deutschland, Schweiz, Österreich und die Beneluxländer) begann wie folgt:
Marktstudie Absatz von ALUVAN-Fenstern in Mitteleuropa (D, CH, A, B, NL, L)“ im Auftrag der FERA GmbH, Kerkwiede durchgeführt vom Walter W. Wilhelms Marktforschungsinstitut der Bauwirtschaft an der Universität Bayreuth (WWW-Marktforschung) Stand: 24.10.2006 Executive Summary Ziel der Studie war es, die Absatzchancen von ALUVAN-Fenstern auch in den Nachbarländern Deutschlands, speziell in Österreich, der Schweiz sowie den Beneluxstaaten zu untersuchen. Hauptuntersuchungsgegenstand war daher der Objektbau. Prinzipiell liegen die Unterschiede dieser Märkte eher im Detail. Für das Geschäftsjahr 2007 wird die Größe des Kernmarktes Deutschlands gleich bleiben, die des Benelux-Marktes leicht steigen und die des Marktes der Alpenländer ebenfalls konstant bleiben. Aufgrund von beobachteten Preissenkungen für Aluminiumfenster in Deutschland im dritten Quartal 2006 musste eine neue Preis-AbsatzFunktion (PAF) für die ALUVAN-Reihe für alle betrachteten Länder ermittelt werden. Folgender funktionaler Zusammenhang konnte nachgewiesen werden: 3645 p x 1165000 [mit x=Menge, p=Preis]
Aufgrund der Transparenz der betrachteten Regionalmärkte erscheint eine regionale Preisdifferenzierung nicht sinnvoll.
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Rollenspezifische Informationen Anbieter, Periode 2 (GB) „Da hatte die FERA GmbH ja einen für sie sehr positiven Auftritt auf dieser Fensterbaumesse in Nürnberg“, dachte sich Herr Schmidt, der Vertriebschef von LATEN, als er den Zeitungsartikel aus den Westfälischen Neuesten Nachrichten las, den ihm seine Assistentin, Frau Störmer, hinterlassen hatte. „Und sie scheinen schon neue Pläne zu haben, bei denen wir ihnen behilflich sein können“, murmelte er vor sich hin, als er die Passage über die Eloxierpläne von Herrn Dobre für die Fensterreihe ALUVAN las. Wie gut, dass die LATEN AG vor gut einem Jahr die Gelegenheit einer engen Kooperation mit der FERA GmbH ergriffen hatte! So konnte man mit Sicherheit in Zukunft auch den eigenen Absatz an Galvanolösungen an die FERA GmbH durch deren Expansionsbemühungen steigern. Tatsächlich hatte sich Schmidt nicht getäuscht, denn einige Tage später rief ihn Herr Wartburg, der Produktionsleiter von FERA an. Dieser informierte ihn über die Expansionspläne, die einen neu auszuhandelnden Vertrag bezüglich der Galvanolösung für das nächste Geschäftsjahr notwendig machten. Hierzu wolle man der FERA GmbH die neue Marktstudie bald möglichst zukommen lassen. Darüber hinaus erzählte Wartburg, dass die FERA zusätzlich ein Angebot für eine Eloxieranlage benötige, die sich an die Galvanisierstraße bei FERA in Zukunft anschließen sollte. Bestenfalls wäre dieses Angebot auch mit Angaben über ein benötigtes umweltrechtliches Genehmigungsverfahren sowie der ISO 9001-Zertifizierung versehen „Tja, die Kunden werden auch immer anspruchsvoller“, dachte sich Schmidt während des Telefonats, als er von diesem Anliegen erfuhr, „aber wenn sie denn entsprechend dafür bezahlen, dann können wir das auch machen.“ Auch nach Schulungen für das Bedienpersonal der Galvanisierungs- und Eloxieranlage erkundigte sich Wartburg. Nicht ohne Stolz dachte Schmidt bei diesen Anfragen, dass LATEN, wie vom Vorstand gewünscht, tatsächlich immer mehr als Problemlöser von seinen Kunden wahrgenommen wurde. Am Ende des Telefonats versprach ihm Wartburg, ihm per Mail nochmals die benötigten Spezifikationen für die Pläne der FERA GmbH zuzuschicken. In der Zwischenzeit beauftragte Schmidt schon einmal vorsorglich Frau Dr. Wilmer, ihm wie im vergangenen Jahr, die benötigten internen Kostengrößen und Projektinformationen bezüglich der von Wartburg angesprochenen Punkte zusammenzustellen. Da sie bereits über Expertise im Fall ALUVAN verfügte, bot er ihr auch für das nächste Geschäftsjahr – falls die neuerliche Zusammenarbeit denn kommen sollte – die Projektverantwortung an. Bereits nach wenigen Tagen erhielt er eine Mail von Frau Wilmer:
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Lieber Herr Schmidt, anbei habe ich Ihnen die benötigten Informationen für die anstehenden Verhandlungen mit der FERA GmbH zusammengestellt. Natürlich sind wir wieder an einem Auftrag mit FERA interessiert, allerdings stehen wir ja, wie Sie wissen, mit einem weiteren Kunden, nämlich der ALU-Bau AG, in Verhandlungen, deren erfolgreicher Abschluss die meisten personellen und technischen Kapazitäten in unserem Unternehmen binden würde. Die genauen erwarteten Kosten und Erlöse für den möglichen Auftrag der ALU-Bau werde ich Ihnen schnellst möglich zukommen lassen. Vorab erhalten Sie bereits die Projektspezifika für den Folgeauftrag der FERA GmbH. Bitte bedenken Sie, dass wir leider aufgrund unserer Kapazitäten nur einen der beiden Aufträge annehmen können. Durch die gewonnene Erfahrung in der Herstellung von Polyalu konnten wir im Laufe des Jahres die uns entstehenden variablen Kosten der Polyalu-Lösung für ein ALUVAN-Fenster (4 kg Lösung/Fenster) auf 70 Euro pro Fenster reduzieren. Hingegen müssen wir mit gesteigerten produktionsnahen, periodenvariablen Gemeinkosten von 1.100.000 Euro rechnen, da von einer größeren Menge verkaufter ALUVAN-Fenster im kommenden Geschäftsjahr auszugehen ist. Wie bereits im vergangenen Jahr mit dem Aufbau einer Galvanostraße geschehen, fordert die FERA GmbH auch diese Mal, dass wir uns – sollten wir wieder am hohen Gewinnpotenzial der ALUVAN-Fenster teilhaben wollen – auch an den Erstellungskosten für eine Eloxierstraße beteiligen. Die Erstellung einer solchen Anlage würde vermutlich 500.000 Euro kosten. Wir müssen außerdem davon ausgehen, dass die FERA GmbH neben der reinen Erstellung der Anlage zumindest auf deren ISO 9001-Zertifizierung bestehen wird. Es kann allerdings sein, dass sie sogar das „Full-Service-Paket“ bezüglich der Anlage erhalten wollen, das neben der ISOZertifizierung auch noch die Übernahme der Umweltverträglichkeitsprüfung als auch die Bereitstellung von Mietchemikalien für die Eloxierbäder enthält. Aufgrund unserer Produktionsengpässe wären wir natürlich tendenziell eher an einem geringen Leistungsumfang interessiert. Die genauen Kosten pro zusätzlicher Leistungsspezifikation werde ich Ihnen so schnell wie möglich nachreichen. Aufgrund der gesetzlichen Änderungen über den Transport von Gefahrgütern haben sich auch die Haftungsregeln im Falle eines Transportunglücks verschärft. Dies schlägt sich bereits in dramatisch gestiegenen Prämien für Transportversicherungen nieder. Außerdem ist davon auszugehen, dass sich – durch die verstärkte mediale Präsenz - auch die Widerstände und Imagerisiken, die in der Regel mit einem Gefahrguttransport verbunden sind, in der Öffentlichkeit verstärken werden. Ich würde daher dringend von einer Beibehaltung der JIT-Lieferung der Galvanolösung an die FERA GmbH (3 Lieferungen/Woche bzw. 12 Lieferungen/Monat) abraten. Vielleicht könnte die FERA GmbH alternativ bei sich im Hause Tankvorrichtungen aufstellen, so dass wir bspw. nur mehr wöchentlich oder aber – was für die Qualitätssicherung der Lösung gerade noch möglich wäre – einmal pro Monat liefern. Würden wir uns mit der FERA auf diese letzte Option einigen können, so könnten wir 350.000 Euro gegenüber der JIT-Lieferung an Transport- und Versicherungskosten einsparen, von der Risikominimierung ganz zu schweigen. Jeder eingesparte Transport würde dabei unsere Kosten proportional verringern.
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Um mögliche Produktionsausfälle aufgrund unsachgemäßer Anlagenbedienung (man bedenke, dass die Komplexität des Verfahrens durch die Eloxierung noch einmal deutlich erhöht wird) ist der FERA GmbH an einem Schulungspaket des Bedienpersonals, wie Sie ja bereits wissen, sehr gelegen. Da die Durchführung eines umfangreichen Schulungsprogramms für das gesamte Bedienpersonal uns ungefähr zusätzliche Kosten in Höhe von 100.000 Euro verursachen würde, sollten wir versuchen, wenn möglich eine abgespeckte Schulungsvariante (bspw. nur für die jeweiligen Schichtführer – Kosten ca. 40.000 Euro) oder aber gar keine Inklusivschulung vertraglich zu gewähren. Falls Sie noch weitere Informationen benötigen, können Sie sich, wie immer, jederzeit an mich wenden. Die noch ausstehenden Informationen werde ich wie besprochen noch liefern. Mit besten Grüßen, Helga Wilmer „Na dann kann es ja bald losgehen mit den Verhandlungen“, sagte Schmidt vor sich hin. „Das klingt ja mal wieder mehr als spannend.“ Am liebsten wäre ihm, auch in diesem Geschäftsjahr ein umfangreiches Geschäft mit der FERA GmbH abzuschließen. So hatte sich doch der Einstieg in das Projekt ALUVAN für beide Seiten im letzten Jahr mehr als gelohnt. Außerdem versprach es auch in der Zukunft interessante Aussichten für beide Partner. Daher sollten auch in diesem Jahr beide Partner vom Verkaufserfolg der ALUVAN-Fenster profitieren. Ihre Aufgabe: Im Folgenden ist es nun Ihre Aufgabe, mit FERA einen Vertrag für das kommende Geschäftsjahr zu verhandeln. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Sie neben dem Verkaufspreis und der abzunehmende Menge für die Galvanolösung auch den Preis und Leistungsumfang der Eloxier-Anlage sowie die Frage des Transports und der von FERA benötigten Schulungen zu verhandeln. Ein Vertrag kommt dabei nur zustande, wenn Sie sich für alle Verhandlungsgegenstände auf eine gemeinsame Option einigen können. Darüber hinausgehende Abmachungen haben keine Gültigkeit. Der Vorstand der LATEN AG, der Sie mit dieser Verhandlungsaufgabe betraut hat, ist der festen Meinung, dass Sie in der Lage sein werden, für die LATEN AG einen guten Vertrag im Hinblick auf die Gewinnoptimierung auszuhandeln.
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Anhang 1 Lieber Herr Schmidt, wie versprochen sende ich Ihnen hiermit die noch ausstehenden detaillierten Informationen zu den kommenden Verhandlungen mit FERA. Sollten die FERA GmbH darauf bestehen, dass wir neben einer Beteiligung an den Kosten der Eloxierstraße auch noch zusätzliche Leistungen neben ihrer Erstellung ausführen, dann würde uns das ungefähr folgende Beträge kosten: ISO-Zertifizierung: Umweltrechtliche Genehmigung: Mietchemikalien zur Eloxierung
45.000 Euro 20.000 Euro 35.000 Euro
Eine Übernahme dieser Leistungen durch uns, auch teilweise, müsste daher vermutlich an anderer Stelle ausgeglichen werden. Insgesamt sieht das von der FERA vorgeschlagene Geschäft dennoch lukrativ aus, zumal man mit den Herren dort wirklich gut zusammenarbeiten kann. Bedenken Sie aber bitte, dass wir nur einen Vertrag schließen sollten, der uns mindestens einen Gewinn von 1 Mio. Euro beschert. Andernfalls sollten wir besser den Auftrag der Alu-Bau AG annehmen, der uns einen Gewinn in der angegebenen Höhe verspricht. Beide Aufträge kriegen wir aus Kapazitätsgründen beim besten Willen nicht hin. Beste Grüße, Ihre Dr. Wilmer
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Rollenspezifische Informationen Nachfrager, Periode 2 (GB) „Endlich mal wieder positive Nachrichten in der Lokalpresse, nachdem in den letzten Jahren immer wieder negative Schlagzeilen die Berichterstattung über FERA dominiert hatten“, dachte sich Dobre, als er den Artikel über FERA und den Auftritt auf der Messe Fensterbau Frontale in Nürnberg gelesen hatte. Tatsächlich hatte sich ALUVAN zu dem entwickelt, was der Geschäftsführer von FERA sich vorgestellt hatte: zu einem echten Schlager. Einige Tage nach dem erfolgreichen Messeauftritt der FERA-GmbH hatte Dobre seine wichtigsten Mitarbeiter, den Produktionsleiter Herrn Wartburg, der als Projektleiter für das operative Gelingen der ALUVAN-Neuheit im letzten Jahr verantwortlich gewesen war, zu einer Lagebesprechung in sein Büro eingeladen. Neben einer ersten Bilanz über das bald zu Ende gehende erste Jahr mit ALUVAN galt es nämlich, neue Initiativen zu besprechen. „Guten Morgen, Herr Wartburg“, begrüßte Dobre einen seiner engsten Mitarbeiter. „Alles in allem können wir wohl ziemlich zufrieden sein mit unserem Auftritt auf der Fensterbau Frontale in Nürnberg, denken Sie nicht? Soviel Interesse hat FERA wohl lange nicht mehr geweckt.“ „Ja, da bin ich ganz Ihrer Meinung“, entgegnete Wartburg. „Unsere Vertriebskollegen haben kaum eine Pause bekommen, ständig war etwas los. Aber lieber so, als wenn sich keiner für uns interessiert. Außerdem hatte ich nach dem Auftritt das Gefühl, dass wir das Ende der Fahnenstange mit ALUVAN noch lange nicht erreicht haben. Besonders Bauherren aus unseren Nachbarstaaten sprachen uns immer wieder an, wann ALUVAN auch dort erhältlich sei. Ich denke, wir sollten uns dringend darüber Gedanken machen, wann wir diese Märkte bearbeiten wollen.“ „Sie haben recht“, sagte Dobre, „daher bin ich doch, wie Sie bereits wissen, nach der Messe in Nürnberg bei meinem alten Studienfreund, Prof. Arnim, in Bayreuth vorbeigefahren. Da die beiden von seinem Institut erstellten Studien uns im letzten Jahr schon viel geholfen haben, habe ich noch einmal eine Studie bei ihm in Auftrag gegeben. Diesmal wird sein Team in den Zielländern für ALUVAN eine Limit-Conjoint-Analyse durchführen, mit deren Ergebnis wir in gut 14 Tagen rechnen können, wie mir Arnim versicherte. Parallel sollten wir dennoch unsere Hausaufgaben nicht vergessen und die Kinderkrankheiten, die unser ALUVAN-Fenster trotz des Markterfolges mit sich brachte, schnellst möglich beheben. Besonders unsere hohe Ausschussquote in der Galvanisierung müssen wir durch eine bessere Schulung des Bedienpersonals senken. Bisher ist es uns zwar meines Wissens nach gelungen, keine fehlerhaften Fenster auszuliefern, aber die mit dem erhöhten Prüfaufwand verbundenen Kosten sind nicht ganz unerheblich gewesen“, beendete Dobre seine Ausführungen. „Genau“, stimmte Wartburg zu, „dann müssen wir uns wohl noch intensiver um die Schulung unserer Leute kümmern.
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Außerdem hoffe ich natürlich, dass die gesamte Abteilung mit der bevorstehenden ISO 9001-Zertifizierung noch etwas qualitätsorientierter denkt. Die eine oder andere Qualitätsprüfung während des Herstellungsprozesses wird auf jeden Fall noch dazukommen müssen, sagte mir Herr Müller, mein QMMitarbeiter.“ „Eine letzte Frage noch, Herr Wartburg“, erwiderte Dobre, „wie sieht es denn mit den Eloxierversuchen aus, kommen Ihre Leute da voran? Wir haben ja angekündigt, ALUVAN auch bald mit eloxierter Oberfläche anzubieten.“ „Nun, Herr Dobre, im kleinen Maßstab haben wir das gut im Griff. Ich denke, wir sollten uns auf jeden Fall möglichst schnell mit einigen Anlagenbauern in Kontakt setzen, um eine Eloxierstraße schon bald für die Serienproduktion zur Verfügung zu haben. Nach meinen Informationen dürfte da mal wieder eine Investition auf uns zukommen. „Na dann haben wir ja die wichtigsten Sachen besprochen. Ich hoffe, dass die Marktstudie innerhalb der nächsten 14 Tage eintreffen wird. Herr Wartburg, ich schlage vor, dass ich in der Zwischenzeit Kontakt mit der LATEN AG aufnehmen werde, um ihr von unseren Plänen zu berichten. Ich denke, dass die LATEN AG aufgrund unserer guten bestehenden Geschäftsverbindung und ihrer bereits gezeigten Problemlösungskompetenz in jedem Fall wieder als allererster Zulieferer in Frage käme. Wie wäre es, wenn Sie sich parallel um die notwendigen internen und externen benötigten Informationen kümmern, damit wir unsere ALUVAN-Expansion schnellstmöglich vorantreiben können. Bitte denken Sie dabei auch daran, weitere Angebote von Zulieferern einzuholen, sobald uns die Marktstudie vorliegt. Wir treffen uns dann in dieser Sache in zwei Wochen wieder“, schloss Dobre das Gespräch. Einen Tag vor dem neuerlichen Meeting der beiden Herren hatte Dobre Wartburg und Herrn Dr. Schmidt von der LATEN AG die neue Studie des WWWMarktforschungsinstituts zukommen lassen. Immerhin kam zunächst die LATEN AG vorrangig als Zulieferer in Frage und sollte sich bereits mit dem Projekt vertraut machen können, damit man möglichst schnell mit den Verhandlungen beginnen könnte. Zu dem Meeting, bei dem vor allem geklärt werden sollte, was es mit der LATEN AG zu verhandeln galt, hatte Wartburg noch am Vorabend ein kleines Exposé vorbereitet: „Ich habe mit verschiedenen Zulieferern gesprochen, unter anderem wieder mit der Galvanelox GmbH, der Eiche AG und der LATEN AG. Von allen habe ich ein Angebot bekommen, doch am interessantesten scheint mir zu sein, konkrete Verhandlungen wieder mit LATEN zu führen.
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So könnte die LATEN AG die von uns benötigte Eloxierstraße zeitnah liefern. Hierbei belaufen sich die Investitionskosten nach Angaben der LATEN AG auf 0,5 Mio. Euro. Wie bereits im letzten Jahr wäre zu diskutieren, wer diese Kosten zu welchen Anteilen trägt. Wir sollten allerdings dringend darauf achten, dass der Leistungsumfang der Anlage auch wirklich unseren hohen Anforderungen entspricht. So sollten wir wenn möglich sicherstellen, dass die LATEN AG bei Fertigstellung der Anlage direkt die ISO 9001-Zertifizierung, die meine Leute gerade zusammen mit teuren Beratern für die bestehende Galvanisierungsanlage durchführen, mit übernehmen. Optimal wäre natürlich, wenn wir uns auch um das umweltrechtliche Genehmigungsverfahren und die benötigten Chemikalien zur Eloxierung nicht mehr kümmern müssten. Mietchemikalien sind ja zur Zeit der neue Trend. Andernfalls würden da noch einmal empfindliche Mehrkosten auf uns zukommen: Sollte uns nur die Anlage ohne jegliche Services geliefert werden, müssten wir mit bis zu 400.000 Euro zusätzlich rechnen, die wir ausgeben müssten, um auf höchstem Sicherheits-, Umwelt- und Qualitätsstandard produzieren zu können. Welche genauen Kosten je nach Leistungsumfang auf uns zukommen würden, werde ich Ihnen noch separat zukommen lassen. Auf einen weiteren Punkt sollten wir in der Verhandlung außerdem achten: Um unser Bedienpersonal für die Gesamtanlage (Galvano und Elox) bestmöglich zu schulen, wäre die LATEN AG, als Hersteller von Galvano- und Eloxieranlagen, vermutlich optimal geeignet. Es ist fraglich, ob die LATEN AG, ein umfassendes Schulungsprogramm, d.h. für das gesamte Bedienpersonal, als Vertragsbestandteil akzeptieren würde. Andernfalls könnten wir bei einem externen Anbieter, bei diesem kann ich allerdings keine besondere Expertise in Bezug auf unsere zwei Anlagen garantieren, eine Schulung buchen. Die Kosten hierfür würden sich auf 250.000 Euro belaufen. Vielleicht besteht auch die Möglichkeit eine Schulung nur für unsere Schichtführer vertraglich zu fixieren. Die Kosten der Schulung für die restlichen Mitarbeiter sollten dann maximal noch 100.000 Euro bei einer externen Auftragsvergabe betragen. Bei meinem Telefonat mit Frau Dr.-Ing. Wilmer, die ich ja bereits im letzten Jahr als sehr angenehme und sympathische Geschäftspartnerin kennen gelernt habe, habe ich erfahren, dass die Transportregelungen für die von uns bezogene Galvanolösung für das kommende Geschäftsjahr neu diskutiert werden müssten. Offenbar macht eine neue Transportrichtlinie für Gefahrgüter die Beibehaltung unserer bisherigen JIT-Lieferung (3 Lieferungen/Woche bzw. 12 Lieferungen/Monat) für die LATEN AG wesentlich schwieriger. Für uns allerdings wäre es natürlich günstiger, an der bestehenden Lösung festzuhalten. Andernfalls müssten wir bei uns im Hause entsprechende Lagervorrichtungen für die Zwischenlagerung der Lösung freimachen. Zusätzlich zu den Lagerkosten würden Kapitalbindungskosten anfallen.
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Beispielsweise würden diese, bei einem gerade noch die Qualitätsrichtlinien einhaltenden Lieferintervall von einem Monat, Mehrkosten für uns in Höhe von 50.000 Euro verursachen. Für jede Lieferung mehr als eine pro Monat würden proportional weniger Mehrkosten anfallen. Als positive Neuigkeit kann ich Ihnen mitteilen, dass trotz der geplanten Eloxierung unsere variablen Kosten pro ALUVAN-Fenster (ohne die noch von einem Zulieferer zu beziehende Galvanolösung) nur mehr 165 Euro ausmachen. Dagegen wies mich das Controlling heute in der Früh noch darauf hin, dass unsere produktionsnahen, periodenspezifischen Gemeinkosten aufgrund erhöhten geplanten Absatzmenge der ALUVAN-Fenster voraussichtlich auf 510.000 Euro steigen werden. Noch Fragen? Ich gebe Ihnen natürlich gerne mein Manuskript mit den bereits bekannten Informationen“, schloss Wartburg seinen Vortrag. Dobre zeigte sich begeistert von den Vorarbeiten, die Wartburg geleistet hatte. „Dann wäre aus meiner Sicht alles geklärt“, antwortete er Wartburg, „ich bitte Sie lediglich, dass Sie mir vor Beginn der Verhandlungen noch die Informationen über die angeforderten Konkurrenzangebote zukommen lassen und auch an die detaillierten Kosteninformationen denken, mit denen wir rechnen müssten, sollten wir uns mit der LATEN AG nicht auf das komplette Leistungspaket der Eloxierstraße einigen, wovon ich allerdings nicht ausgehe.“ Bereits zwei Wochen später war Herr Dobre mit Herrn Schmidt von der LATEN AG zu neuerlichen Verhandlungen verabredet. Auch für dieses Geschäftsjahr hatte er sich vorgenommen, die eingegangene Geschäftsbeziehung zu weiterem Erfolg zu führen. Er war der festen Überzeugung, dass daher beide Seiten von einem neuerlichen Geschäftsabschluss angemessen profitieren müssten. Man würde sich ja schließlich bald wieder in geschäftlichen Dingen gegenüber stehen. Was die Vermarktung der ALUVAN-Fenster anbelangte, machte sich Dobre erneut keine Sorgen. Da in der neuen Marktstudie die Preisbereitschaften für ALUVAN-Fenster unter Berücksichtigung der Konkurrenzmaterialien ermittelt worden waren, könnte man weiterhin – auch auf dem gesamten mitteleuropäischen Markt – einen monopolistischen Preisspielraum nutzen. Dies würde sich für beide Partner der Wertschöpfungskette auszahlen.
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Ihre Aufgabe: Im Folgenden ist es nun Ihre Aufgabe, mit der LATEN AG einen Vertrag für das kommende Geschäftsjahr zu verhandeln. Dabei sollten Sie darauf achten, dass Sie neben dem Verkaufspreis und der abzunehmende Menge für die Galvanolösung auch die Übernahme der Investitionskosten und den Leistungsumfang der Eloxier-Anlage sowie die Frage des Transports und der von Ihnen benötigten Schulungen zu verhandeln. Ein Vertrag kommt dabei nur zustande, wenn Sie sich für alle Verhandlungsgegenstände auf eine gemeinsame Option einigen können. Darüber hinausgehende Abmachungen haben keine Gültigkeit. Herr Dobre, der Sie mit dieser Verhandlungsaufgabe betraut hat, ist der festen Meinung, dass Sie in der Lage sein werden, für FERA einen guten Vertrag im Hinblick auf die Optimierung des Jahresgewinns auszuhandeln. Bitte legen Sie daher im Abschluss der Verhandlungen noch den Marktpreis fest, den Sie bei den Bauunternehmungen für ein ALUVAN-Fenster verlangen werden.
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Anhang 1 Lieber Herr Dobre, wie versprochen sende ich Ihnen hiermit die noch ausstehenden detaillierten Informationen. Sollten wir die LATEN AG nicht davon überzeugen können, die Zusatzleistungen auszuführen, dann würden je nach Umfang der anderweitig zu erbringenden Leistungen folgende Kosten in diesem Jahr auf uns zukommen. ISO-Zertifizierung: Umweltrechtliche Genehmigung: Mietchemikalien zur Eloxierung
175.000 Euro 90.000 Euro 135.000 Euro
Eine Übernahme dieser Leistungen, auch teilweise, durch die LATEN AG würde sich also wirklich lohnen. Sollten wir mit LATEN über alle Diskussionspunkte hinweg zu keinem Vertrag kommen, dann könnten wir alternativ eine Galvano-Lösung von der Galvanelox GmbH beziehen – gegenüber dem letzten Jahr wollen sie nun „nur noch“ 104 Euro für 4kg, also die Menge für ein Fenster, haben. Die Eloxierstraße könnten wir auch von der Eiche AG bauen lassen – allerdings scheint deren Interesse an solchen Projekten nicht größer geworden zu sein. Sie verlangen dafür 900.000 Euro. Wenn ich die Zahlen richtig beurteile, dann sollte es wohl wieder nach einem lukrativen Geschäft mit LATEN aussehen. Beste Grüße, Ihr Wartburg
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Business Report Anbieter (Beispiel) in Periode 2 (GB) Geschäftsreport LATEN AG 2007 (....) Zusammenarbeit mit FERA GmbH intensiviert Im zu Ende gegangenen Geschäftsjahr 2007 konnte die LATEN AG ihren Ruf als kompetenter Zulieferund Wertschöpfungspartner in der Zusammenarbeit mit dem Fensterhersteller FERA GmbH ausbauen. Insgesamt verkaufte FERA im Jahr 2007 155.000 Fenster und bezog die dafür benötigte Menge der Polyalu-Lösung bei der LATEN AG. Der Endgebraucherpreis der Fenster lag im Jahr 2007 bei 277,09 €. Einmal mehr überraschte die Voraussagequalität der für den Markt geschätzten Preis-Absatz-Beziehung. Neben dem Verkauf der Polyalulösung an FERA, benötigte der Fensterhersteller zur weiteren Oberflächenbehandlung seiner Fenster eine Eloxierstraße, die ebenfalls die LATEN AG lieferte. Weiterhin waren folgende Punkte der Zusammenarbeit fixiert worden: Der Preis von 90 € für 4 kg Polyalu-Lösung lag mit 20 € über den variablen Kosten, die bei der Produktion der Lösung im Hause LATEN anfallen. Die zur Eloxierung benötigte Anlage wurde ebenfalls von der LATEN AG erstellt. Die Erstellungskosten in Höhe von 500.000 Euro wurden dabei ungefähr hälftig geteilt. Neben dem Bau der Eloxieranlage übernahm LATEN auf Drängen der FERA GmbH die Anbahnung des umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Anlage sowie die Dokumentation für eine bevorstehende ISO 9001 Zertifizierung, da FERA die große Bedeutung dieser Punkte deutlich zu verstehen gegeben hatte. Darüber hinaus stellte LATEN der FERA GmbH auf deren ausdrücklichen Wunsch die zur Eloxierung benötigten Chemikalienbäder als Mietchemikalien für das Jahr 2007 zur Verfügung. Diese Regelung zeugt von einem hohen Verständnis der Bedürfnisse der Partner voneinander, denn LATENs Kostenvorteil bei der Bereitstellung dieser Services ermöglichte so einen wesentlich größeren Gewinn für beide Parteien. Die von FERA gewünschten Schulungen des Bedienpersonals der Galvano- und Eloxierstraße übernahm die LATEN AG nur für die Schichtführer der FERA-Produktion auf eigene Kosten. Wie sich in Gesprächen der Schulungsleiter beider Unternehmen während des Jahres 2007 zeigte, war dies jedoch kein allzu guter Kompromiss gewesen, denn aufgrund der Kompetenz der LATEN AG auf diesem Gebiet hätte sie auch die restlichen Schulungen für deutlich geringere Kosten durchführen können, als dies für FERA der Fall war. Der Antransport der Polyalu-Lösung findet vereinbarungsgemäß seit dem 1.1.2007 9 mal im Monat statt. Diese Lösung stellte sich als bedingt sinnvoll heraus, da der FERA GmbH zwar geringfügig höhere Lagerkosten entstanden, die LATEN AG aber aufgrund geringerer Versicherungsprämien und Transportkosten etwas höhere Einsparungen zu verzeichnen hatte. Somit konnte das Geschäftsvolumen zwischen beiden Partnern gegenüber der bestehenden Transportregelung etwas gesteigert werden. Eine weitere Verlängerung des Lieferintervalls hätte hingegen deutlich größere Einsparungen bedeutet. Insgesamt konnte die LATEN AG auch im Geschäftsjahr 2007 mit der Zusammenarbeit mit FERA zufrieden sein. Immerhin hatte die Geschäftsbeziehung mit FERA einen Gewinn von 1.347.500 Euro im Jahr 2007 abgeworfen. (...)
Anhang
282
Business Report Nachfrager (Beispiel) in Periode 2 (GB) Geschäftsreport FERA GmbH 2007 (....) ALUVAN-Fenster auf Expansionskurs Die im Jahr 2006 erstmals vermarkteten ALUVAN-Fenster stellten auch im Geschäftsjahr 2007 einen großen Erfolg für die FERA GmbH dar. Neben der Einführung von Modellen mit Eloxaloberflächen, zu deren Herstellung auf dem Werksgelände in Kerkwiede eine Eloxieranlage erstellt wurde, war das Jahr 2007 vor allem durch die regionale Ausweitung des Absatzes in die Beneluxstaaten sowie in die Schweiz und Österreich gekennzeichnet. Die Fenster wurden auch im Jahr 2007 vor allem direkt an Bauunternehmungen des Objektbaus vertrieben, wobei der Endgebraucherpreis mit 277,09 € deutlich niedriger lag als der Preis vergleichbarer Aluminiumfenster. Die FERA GmbH profitierte von diesem Absatz durch den Verkauf von 155.000 Fenstern im Jahr 2007. Dies war auch ermöglicht worden durch eine präzise Schätzung der auf diesem Absatzmarkt gültigen Beziehung zwischen Endgebraucherpreis und Absatzmenge. Bezüglich der Zusammenarbeit mit dem Geschäftspartner, der LATEN AG, die die Eloxierstraße baute und die Galvanolösung „Polyalu“ zulieferte, kann stichpunktartig folgendes berichtet werden: Der Preis von 90 € für 4 kg Polyalu-Lösung lag mit 14 € unter dem Preis des nächstbesten Angebots für eine vergleichbare Galvanisierlösung. Die zur Eloxierung benötigte Anlage wurde ebenfalls von der LATEN AG erstellt. Die Erstellungskosten in Höhe von 500.000 Euro wurden dabei ungefähr hälftig geteilt. Neben dem Bau der Eloxieranlage übernahm LATEN auf Drängen der FERA GmbH die Anbahnung des umweltrechtlichen Genehmigungsverfahrens für die Anlage sowie die Dokumentation für eine bevorstehende ISO 9001 Zertifizierung, da FERA die große Bedeutung dieser Punkte deutlich zu verstehen gegeben hatte. Darüber hinaus stellte LATEN der FERA GmbH auf deren ausdrücklichen Wunsch die zur Eloxierung benötigten Chemikalienbäder als Mietchemikalien für das Jahr 2007 zur Verfügung. Diese Regelung zeugt von einem hohen Verständnis der Bedürfnisse der Partner voneinander, denn LATENs Kostenvorteil bei der Bereitstellung dieser Services ermöglichte so einen wesentlich größeren Gewinn für beide Parteien. Die von FERA gewünschten Schulungen des Bedienpersonals der Galvano- und Eloxierstraße übernahm die LATEN AG nur für die Schichtführer der FERA-Produktion auf eigene Kosten. Wie sich in Gesprächen der Schulungsleiter beider Unternehmen während des Jahres 2007 zeigte, war dies jedoch kein allzu guter Kompromiss gewesen, denn aufgrund der Kompetenz der LATEN AG auf diesem Gebiet hätte sie auch die restlichen Schulungen für deutlich geringere Kosten durchführen können, als dies für FERA der Fall war. Der Antransport der Polyalu-Lösung findet vereinbarungsgemäß seit dem 1.1.2007 9 mal im Monat statt. Diese Lösung stellte sich als bedingt sinnvoll heraus, da der FERA GmbH zwar geringfügig höhere Lagerkosten entstanden, die LATEN AG aber aufgrund geringerer Versicherungsprämien und Transportkosten etwas höhere Einsparungen zu verzeichnen hatte. Somit konnte das Geschäftsvolumen zwischen beiden Partnern gegenüber der bestehenden Transportregelung etwas gesteigert werden. Eine weitere Verlängerung des Lieferintervalls hätte hingegen deutlich größere Einsparungen bedeutet. Insgesamt konnte die FERA GmbH auch im Geschäftsjahr 2007 mit der Zusammenarbeit mit LATEN zufrieden sein. Immerhin hatte die Produktlinie ALUVAN einen Gewinn von 2.550.609 Euro abgeworfen. (...)
Anhang
Anhang 4:
283
Semantische Unterscheidung von Einzeltransaktion und Geschäftsbeziehung in ALUVAN 2006
Hersteller Fera GmbH, Geschäftsjahr 2006: Geschäftsbeziehung
Einzeltransaktion
(…) Darüber hinaus hatten die beiden Unternehmen in der Vergangenheit bereits einige erfolgreiche Geschäfte miteinander getätigt. Die LATEN AG war den damals auf FERA-Seite Beteiligten noch in guter Erinnerung. Die Zusammenarbeit war fruchtbar und zuverlässig gewesen. Auch im Falle des ALUVANFensters sollte eine strategische Geschäftsbeziehung explizit bedacht und angestrebt werden. (…)
(…) Trotz der vorhandenen Kompetenz der LATEN AG war die Stellung dieses Unternehmens im Markt sehr angeschlagen. Übernahmegerüchte ließen für Kunden mit einer längerfristigen Bindung an diesen Zulieferer nichts Gutes verheißen. Sollte es zu einer Auftragsvergabe an die LATEN AG kommen, würde FERA daher sehr darauf bedacht sein müssen, sich nicht an LATEN zu binden. Auch würde die FERA GmbH nichts auf eventuellen Versprechungen geben dürfen, wenn LATEN-Vertreter von zukünftigen gemeinsamen Gewinnpotenzialen schwadronieren würden, um ihren eigenen Vorteil aus dem aktuell möglichen Geschäft zu maximieren. Die gewünschte Leistung würde LATEN vermutlich in der Lage sein zu liefern, doch das Gewinnpotenzial der ALUVANFenster sollte in jedem Fall in die eigenen Taschen fließen. Schließlich sollte es hier um die einmalige Vergabe einer Zulieferleistung gehen, die bei FERA nur zusätzliche Kosten verursachen würde. (…)
Dobre und Schmidt kamen überein, Projektverantwortliche auf beiden Seiten zu bestimmen, die sich kurzfristig über die notwendigen Projektspezifikationen austauschen sollten, damit möglichst zeitnah konkrete Verhandlungen über das gemeinsam zu tätigende Kooperationsprojekt ALUVAN geführt werden könnten. (…)
Dobre und Schmidt kamen überein, Projektverantwortliche auf beiden Seiten zu bestimmen, die sich kurzfristig über die notwendigen Projektspezifikationen austauschen sollten, damit möglichst zeitnah konkrete Verhandlungen über die mögliche Auftragserteilung geführt werden könnten. (…)
Herr Dobre war sich praktisch sicher, dass FERA mit Herrn Dr. Schmidt von der LATEN AG einen Vertrag würde aushandeln können, der beiden Seiten einen größeren Nutzen verschaffen würde als die Angebote von Galvanelox GmbH und EICHE AG für FERA bedeuteten. Darüber hinaus wäre in Anbetracht des zu erwartenden Erfolgs sowie der unbestrittenen Kompetenz der LATEN AG das Projekt ein sehr verlockende Möglichkeit für eine strategische Geschäftsbeziehung. Eine kurzfristige, einseitige Gewinnmaximierung würde diesen Bestrebungen daher stark zuwider laufen und sollte in den Verhandlungen vermieden werden, um das Gesamtprojekt über die Dauer einer einer möglichen Zusammenarbeit nicht zu gefährden. Denn auch die vergangenen Geschäfte waren mit gegenseitiger Rücksicht auf den Geschäftspartner getätigt worden. (…)
Überdies sollte die FERA GmbH bei einer Auftragsvergabe an die LATEN AG penibelst darauf achten, ihren eigenen Gewinn aus der FensterInnovation zu maximieren, zumal hinter der Zukunft der LATEN AG ohnehin etliche Fragezeichen standen. Was die Vermarktung der ALUVAN-Fenster anbelangte, machte sich Dobre keine Sorgen. Da in der Marktstudie die Preisbereitschaften für ALUVANFenster unter Berücksichtigung der Fenster aus Konkurrenzmaterialien ermittelt worden waren und ALUVAN eine echte Neuheit darstellen würde, könnte man sogar einen monopolistischen Preisspielraum nutzen. Dies würde sich doppelt auszahlen, wenn man den Gewinn des Zulieferers möglichst klein halten könnte. (…)
284
Anhang
Zulieferer Laten AG, Geschäftsjahr 2006: Geschäftsbeziehung „Wenn´s knifflig wird, kommen die Kunden doch am liebsten zu uns!“ dachte Herr Dr. Schmidt, Vertriebschef der Galvanoprodukte-Abteilung der LATEN AG, zufrieden. Nicht in allen Bereichen ging es dem traditionsreichen Konzern allerdings zurzeit so rosig. Gut sah es gegenüber dem Gesamtunternehmen jedoch in der Galvanoprodukte-Abteilung aus. Hier verbuchte das Unternehmen immerhin jährliche Umsatzzuwächse in Größenordnungen von 4 bis 5 %. Und auch die Renditen hatten sich in den vergangenen Jahren, die für die chemische Industrie insgesamt nicht ganz einfach gewesen waren, sehr positiv entwickelt. Als europäischer Marktführer für Galvanisierungen von Metallen und Kunststoffen gehörte LATEN in dieser Branche auch auf dem Weltmarkt zu den führenden Unternehmen. (…) Daneben wäre FERA sehr daran interessiert, die für die Produktion benötigte Galvanisierstraße von LATEN bauen zu lassen – würde alles aus einer Hand kommen, so hatte Herr Dobre gesagt, stelle das für FERA einen Vorteil dar, zumal die LATEN AG und die FERA GmbH in ihren traditionsreichen Firmengeschichte häufig sehr erfolgreich zusammengearbeitet hatten. (…) Was allerdings den Markterfolg der ALUVANFenster anbelangte, hatte Herr Schmidt so seine Bedenken. Den Einwand, ob ein solches Material, nicht Fisch nicht Fleisch, beim letztlich entscheidenden Fenster-Käufer denn überhaupt ankommen werde, hatte Herr Dobre kurzerhand mit den Worten „Ich schicke Ihnen mal unsere neueste Marktstudie zu; das wird auch Sie für ALUVAN begeistern! Sie werden sehen, das wird ein echter Dauerbrenner!“ vom Tisch gewischt. Offensichtlich setzte die FERA GmbH wirklich große Hoffnungen in das neue Produkt und in die LATEN AG, die man als Zulieferer und bereits bekannter Geschäftspartner für dieses neue Fenster ins Boot holen wollte, eventuell auch auf längere Frist. Die Zeit bis zur Ankunft der versprochenen Unterlagen beschloss Herr Dr. Schmidt zu nutzen, um sich von Frau Dr.-Ing. Wilmer Informationen zu besorgen, ob die FERA-Vorstellungen überhaupt umsetzbar waren. Schließlich würde er Herrn Dobre gegenüber, falls er den Auftrag ablehnen sollte, begründen müssen, warum die Herstellung des Galvanobads nicht bzw. nicht zu vertretbaren Kosten möglich sei. Denn er wollte sich FERA natürlich nicht verprellen. Andererseits - wenn die Fenster wirklich so toll waren - vielleicht konnte man dann auch einen guten Preis dafür verlangen, was wiederum für alle Beteiligten schöne Margen bringen würde! So griff er zum Hörer und wählte die Nummer von Frau Wilmer. (…)
Einzeltransaktion „Wenn´s knifflig wird, kommen die Kunden doch am liebsten zu uns!“ dachte Herr Dr. Schmidt, der Vertriebschef der Galvanoprodukte-Abteilung der LATEN AG, erleichtert. In den wenigsten Bereichen ging es dem traditionsreichen Konzern derzeit besonders rosig. Daher galt LATEN schon seit einiger Zeit als Übernahmekandidat auf einem Markt, der in letzter Zeit einige Konsolidierungswellen erlebte. Nicht viel besser als in anderen Sparten des Gesamtunternehmens sah es in der GalvanoprodukteAbteilung aus. Auch hier stagnierten die jährlichen Umsätze. Als Nischenspieler für Galvanisierungen von Metallen und Kunststoffen gehörte LATEN in dieser Branche zwar zu den kompetenten, umsatzmässig jedoch eher unbedeutenden Unternehmen. (…)
Auch bei diesem Auftrag sollte jedoch die Hauspolitik beibehalten werden, die vorsah, sich nicht durch spezifische Investitionen an einen Kunden zu binden. Hatte man in der Vergangenheit schon versucht, bspw. mit der Erstellung und dem Verleasen von Anlagen beim Kunden, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, so war man damit richtiggehend „auf die Nase gefallen“. Durch Nachforderungen nach Vertragsabschluss und übermäßige Preisdrückerei bei Folgetransaktionen durch solche Kunden war man wiederholt in ernsthafte ökonomische Schwierigkeiten gekommen. Auch wenn sich das Projekt ALUVAN bei Erfolg möglicherweise langfristig als interessant erweisen sollte, so stand in diesem Geschäftsjahr ausschließlich das Ziel im Vordergrund, aus jedem Auftrag den eigenen Projektgewinn zu maximieren. Auch was den Markterfolg der ALUVAN-Fenster anbelangte, hatte Herr Schmidt so seine Bedenken. Den Einwand, ob ein solches Material, nicht Fisch nicht Fleisch, beim letztlich entscheidenden FensterKäufer denn überhaupt ankommen werde, hatte Herr Dobre kurzerhand mit den Worten „Ich schicke Ihnen mal unsere neueste Marktstudie zu; das wird auch Sie für ALUVAN begeistern! Sie werden sehen, das wird ein echter Dauerbrenner!“ vom Tisch gewischt. Offensichtlich setzte die FERA GmbH wirklich große Hoffnungen in das neue Produkt, und die LATEN AG könnte durch den Erhalt eines entsprechenden Zuliefervertrages mitverdienen. (…)
Anhang
So könnte das Projekt durchaus ein lukratives Geschäft darstellen. Und wenn es nicht zustande käme, würden dadurch zumindest keine Mehrkosten entstehen. Allerdings wäre in Anbetracht des zu erwartenden Erfolgs sowie der Langfristigkeit des ALUVANFensters das Projekt sehr verlockend, da es den Einstieg in eine strategische Geschäftsbeziehung darstellen könnte. In den bereits geführten Telefonaten mit Dobre hatte dieser diese Möglichkeit explizit angsprochen und auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit der beiden Unternehmen bei früheren Projekten hingewiesen. Schmidt konnte sich noch gut an diese für LATEN ertragreichen Zeiten erinnern. Eine kurzfristige, einseitige Gewinnmaximierung könnte den Bestrebungen zum Aufbau einer erneuten engen Verbindung jedoch stark zuwider laufen und sollten daher in den Verhandlungen vermieden werden, um den Gesamtwert des Projektes nicht zu gefährden. (…)
285
„So könnte das Projekt durchaus ein lukratives Geschäft darstellen. Wenn der Auftrag allerdings nicht erteilt würde, würden dadurch keine Mehrkosten entstehen. Da wir nicht vorhaben, in die FERA GmbH spezifisch zu investieren, können auch keine nachvertraglichen Forderungen in diesem Projekt entstehen“, dachte sich Schmidt. Das Hauptaugenmerk der LATEN AG würde daher in jedem Falle auf der kurzfristigen Optimierung des Gewinns aus diesem Auftrag liegen müssen. (…)
Anhang
286
Anhang 5:
Excel-Berechnungshilfen in der Simulation ALUVAN 2006
Beispielhafte Excel-Berechnungshilfe der Zulieferer im Geschäftsjahr 2007 Vertragswertberechnung LATEN Periode 2 Preis pro 4 kg Polyalu-Lösung (Euro) Menge der zu verkaufenden Fenster (Stück)
95 145.000
Beteiligung FERA an der Eloxieranlage Beteiligung LATEN an der Eloxieranlage (autom.)
200.000 300.000
Leistungsumfang Eloxieranlage
plus ISO 9001 Zertifizierung plus umweltrechtliches Genehmigungsverfahren plus Mietchemikalien
Schulungsarrangement
2. Schulung der Schichtführer durch LATEN
Transporthäufigkeit pro Monat
5
Marktpreis bei vereinbarter Menge Erwarteter Periodengewinn 2007 für LATEN Differenz dieses Periodengewinns zum anderen Auftrag
279,84 2.019.166,67 € 1.819.166,67 €
Beispielhafte Excel-Berechnungshilfe der Hersteller im Geschäftsjahr 2007 Vertragswertberechnung FERA Periode 2 Preis pro 4 kg Polyalu-Lösung Menge der zu verkaufenden Fenster
105 145.000
Beteiligung FERA an der Eloxieranlage Beteiligung LATEN an der Eloxieranlage (autom.)
200.000 300.000
Leistungsumfang Eloxieranlage
plus ISO 9001 Zertifizierung plus umweltrechtliches Genehmigungsverfahren plus Mietchemikalien
Schulungsarrangement
2. Schulung der Schichtführer durch LATEN
Transporthäufigkeit pro Monat Marktpreis bei vereinbarter Menge Erwarteter Periodengewinn 2007 für FERA Differenz Periodengewinn zur besten Alternative
7
-
279,84 € 283.404,41 € 641.191,27 €
Anhang
287
Anhang 6:
Manipulation Checks
Vollständige Ergebnisse der Diskriminanzanalyse über den Manipulations-Check Einzeltransaktion Manipulationscheck Einzeltransaktion Verwendete Items ET 1: Uns war von vornherein klar, dass die Interaktion mit unserem Verhandlungspartner kurzfristig angelegt war. ET 2: Wir haben uns bemüht, uns nicht langfristig an unseren Verhandlungspartner zu binden. ET 3: Unser eigener kurzfristiger Gewinn war unser oberstes Ziel. ET 4: Sich durch spezifische Investitionen an einen Geschäftspartner zu binden, widerspricht unserer Firmenpolitik. ET 5: In allererster Linie ging es uns in der Verhandlung darum, den eigenen kurzfristigen Gewinn zu maximieren.
Verwendete Skala Trifft überhaupt nicht zu
Trifft vollständig zu 1
2
3
4
5
7
6
Gruppenunterschiede Experimentalgruppe ET Experimentalgruppe GB (n = 148) (n = 144)
Gleichheitstest Gruppenmittelwerte
MW (SA)
MW (SA)
Wilks‘ Lambda (df = 1)
F (df = 290)
p
ET 1
4,85 (2,015)
1,57 (0,966)
0,482
312,283
< 0,0001
ET 2
4,58 (1,761)
1,63 (0,875)
0,471
325,523
< 0,0001
ET 3
5,62 (1,477)
2,92 (1,576)
0,559
229,158
< 0,0001
ET 4
4,77 (1,723)
2,48 (1,338)
0,644
160,525
< 0,0001
ET 5
5,70 (1,426)
2,81 (1,614)
0,523
264,576
< 0,0001
Diskriminanzfunktion Standardisierte kanonische Diskriminanzfunktionskoeffizienten
Test der Diskriminanzfunktion
ET 1
0,459
Wilks‘ Lambda
0,380
ET 2
0,307
Chi-Quadrat
277,863
ET 3
0,073
df
5
ET 4
0,225
p
< 0,0001
ET 5
0,254
Klassifikationsmatrix Prognostizierte Gruppenzugehörigkeit
Tatsächliche Gruppenzugehörigkeit
Einzeltransaktion
Einzeltransaktion
124 (83,8%)
24 (16,2%)
Geschäftsbeziehung
8 (5,6%)
136 (94,4%)
Geschäftsbeziehung
Insgesamt korrekt klassifizierte Fälle: 260 (89,0%)
Anhang
288
Vollständige Ergebnisse der Diskriminanzanalyse über den Manipulations-Check Geschäftsbeziehung Manipulationscheck Geschäftsbeziehung Verwendete Items GB 1: Eines unserer Ziele der Verhandlung war der Auf- und Ausbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung. GB 2: Die langfristige Kooperation mit unserem Geschäftspartner war uns wichtig. GB 3: Bei den Verhandlungen betonten wir die bereits in der Vergangenheit bestehenden Geschäftsverbindungen zwischen unseren Unternehmen. GB 4: Uns war klar, dass die Zusammenarbeit mit dem Verhandlungspartner auf längere Frist angelegt ist. GB 5: Unsere Unternehmen haben bereits in der Vergangenheit erfolgreich zusammengearbeitet..
Verwendete Skala Trifft überhaupt nicht zu
Trifft vollständig zu 1
2
3
4
5
7
6
Gruppenunterschiede Experimentalgruppe ET Experimentalgruppe GB (n = 148) (n = 144)
Gleichheitstest Gruppenmittelwerte
MW (SA)
MW (SA)
Wilks‘ Lambda (df = 1)
F (df = 290)
p
GB 1
3,13 (2,028)
6,22 (0,846)
0,504
285,321
< 0,0001
GB 2
3,16 (1,917)
6,23 (0,825)
0,481
312,289
< 0,0001
GB 3
2,89 (2,145)
5,25 (1,756)
0,734
105,344
< 0,0001
GB 4
3,08 (1,897)
6,30 (0,785)
0,450
355,032
< 0,0001
GB 5
4,03 (2,176)
5,89 (1,454)
0,798
73,511
< 0,0001
Diskriminanzfunktion Standardisierte kanonische Diskriminanzfunktionskoeffizienten
Test der Diskriminanzfunktion
GB 1
-0,093
Wilks‘ Lambda
0,436
GB 2
0,435
Chi-Quadrat
238,730
GB 3
0,090
df
5
GB 4
0,612
p
< 0,0001
GB 5
0,094
Klassifikationsmatrix Prognostizierte Gruppenzugehörigkeit
Tatsächliche Gruppenzugehörigkeit
Einzeltransaktion
Einzeltransaktion
111 (75,0%)
37 (25,0%)
Geschäftsbeziehung
3 (5,6%)
141 (97,9%)
Geschäftsbeziehung
Insgesamt korrekt klassifizierte Fälle: 252 (86,3%)
Anhang
289
Anhang 7:
Prämissenprüfung der MANOVA
Prüfung der Anwendungsvoraussetzungen der MANOVA (Datensatz bereits um Nichteinigungen [Ausreißer] bereinigt) Korrelation der abhängigen Variablen - Verhandlungseffizienz - individueller Gewinn des Anbieters
Korrelationskoeffizient nach BravaisPearson: r = 0,167 (p < 0,05)
Prüfung der Multikollinearität der abhängigen Variablen - Verhandlungseffizienz - individueller Gewinn des Anbieters
Toleranz: T = 0,97 Unterhalb einer Toleranz von 0,1 wird Multikollinearität problematisch.
Kolmogorov-Smirnov-Tests zur Prüfung univariater Normalverteilungen in jeder Zelle Kolmogorov-Smirnov-Z (Signifikanz) Effizienz
Individueller Gewinn des Anbieters
Einzeltransaktion / hohe BATNA
0,99 (p = 0,28)
0,62 (p = 0,84)
Einzeltransaktion / geringe BATNA
0,82 (p = 0,52)
0,61 (p = 0,86)
Geschäftsbeziehung / hohe BATNA
1,15 (p = 0,14)
0,51 (p = 0,96)
Geschäftsbeziehung / geringe BATNA
0,67 (p = 0,76)
0,47 (p = 0,98)
Zellen
Ein signifikanter Test würde anzeigen, dass die Nullhypothese der Normalverteilung abgelehnt werden muss.
Levene-Tests zur Prüfung der Varianzhomogenität Abhängige Variable
F
df 1
df 2
Signifikanz
Effizienz
1,62
3
136
0,69
Individueller Gewinn des Anbieters
0,49
3
136
0,19
Ein signifikanter Test würde anzeigen, dass die Nullhypothese der Varianzhomogenität abgelehnt werden muss.
Box-Test zur Prüfung der Homogenität der Kovarianzmatrizen Box-M-Test
F
df 1
df 2
Signifikanz
7,41
0,80
9
210549,0
0,61
Ein signifikanter Test würde anzeigen, dass die Nullhypothese der Kovarianzhomogenität abgelehnt werden muss.
Anhang
290
Anhang 8:
Wirkung des integrativen und distributiven Verhandlungsverhaltens auf die Verhandlungseffizienz – Partialmodelle
Indikatorgewichte
Pfadgewichte
-0,01
VV_2
0,81***
VV_4
0,33
Integratives Verhandlungsverhalten
0,16**
Verhandlungseffizienz
VV_12
R² = 0,03
-0,18
VV_1 VV_3
-0,09
VV_7
-0,25** 0,48**
VV_8 VV_9
Indikator
Distributives Verhandlungsverhalten
-0,42***
Verhandlungseffizienz R² = 0,18
0,61*** *** p
< 0,01
Beta (standardisiert)
** p
< 0,05
T-Wert
Signifikanz (einseitig)
Regression der einzelnen integrativen Verhaltensweisen auf Verhandlungseffizienz (R² korr. = 0,01) VV_2
0,00
0,04
n.s.
VV_4
0,13
1,40
p < 0,1
VV_12
0,06
0,57
n.s.
Regression der einzelnen distributiven Verhaltensweisen auf Verhandlungseffizienz (R² korr. = 0,15) VV_1
0,07
0,86
n.s.
VV_3
0,05
0,60
n.s.
VV_7
0,10
1,30
n.s.
VV_8
-0,21
-2,33
p < 0,05
VV_9
-0,25
-2,70
p < 0,01
Anhang
Anhang 9:
291
Gruppenunterschiede zwischen ET und GB beim distributiven und integrativen Verhandlungsverhalten
Verhaltensweise
Auftretenshäufigkeit Einzeltransaktion
Geschäftsbeziehung
Signifikanz (einseitig)
16,4 %
15,9 %
n.s.
Integrative Verhaltensweisen VV_2 VV_4
3,9 %
4,7 %
n.s.
VV_12
1,3 %
2,1 %
p < 0,05*
VV_1
15,4 %
16,0 %
n.s.
VV_3
9,3 %
7,0 %
p < 0,01
Distributive Verhaltensweisen
VV_7
13,5 %
17,2 %
p < 0,01
VV_8
5,0 %
3,2 %
p < 0,01
VV_9
12,3 %
9,3 %
p < 0,01
Alle Gruppenunterschiede wurden mithilfe einer einfaktoriellen ANOVA ermittelt, außer *, wo die Voraussetzung der Varianzhomogenität nicht erfüllt war und daher ein Mann-Whtiney-Test zur Anwendung kam.
Literaturverzeichnis
293
Literaturverzeichnis Adler, N. J./Graham, J. L./Schwarz Gehrke, T. (1987): Business Negotiations in Canada, Mexico and the United States, in: Journal of Business Research, Vol. 15, No. 1, pp. 411-429. Albers, S./Götz, O. (2006): Messmodelle mit Konstrukten zweiter Ordnung in der betriebswirtschaftlichen Forschung, in: Die Betriebswirtschaft, Jrg. 66, Heft 6, S. 669677. Albers, S./Hildebrandt, L. (2006): Methodische Probleme bei der Erfolgsfaktorenforschung - Messfehler, formative versus reflektive Indikatoren und die Wahl des Strukturgleichungs-Modells, in: Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung, Jrg. 58, Heft 1, S. 2-33. Alexander, J. F./Schul, P. L./Babakus, E. (1991): Analyzing Interpersonal Communications in Industrial Marketing Negotiations in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 19, No. 2, pp. 129-139. Alexander, J. F./Schul, P. L./McCorkle, D. E. (1994): An Assessment of Selected Relationships in a Model of the Industrial Marketing Negotiation Process, in: Journal of Personal Selling & Sales Management, Vol. 14, No. 3, pp. 25-41. Andaleeb, S. S. (1995): Dependence Relations and the Moderating Role of Trust: Implications for Behavioral Intentions in Marketing Channels, in: International Journal of Research in Marketing, Vol. 12, No. 2, pp. 157-172. Andaleeb, S. S. (1996): An Experimental Investigation of Satisfaction and Commitment in Marketing Channels: The Role of Trust and Dependence, in: Journal of Retailing, Vol. 72, No. 1, pp. 77-93. Anderson, E./Weitz, B. (1989): Determinants of Continuity in Conventional Industrial Channel Dyads, in: Marketing Science, Vol. 8, No. 4, pp. 310-323. Anderson, J. C. (1995): Relationships in Business Markets: Exchange Episodes, Value Creation, and their Empirical Assessment, in: Journal of the Academy of Marketing Science, Vol. 23, No. 4, pp. 346-350. Anderson, J. C./Narus, J. A. (1990): A Model of Distributor Firm and Manufacturer Firm Working Partnership, in: Journal of Marketing, Vol. 54, No. 1, pp. 42-58. Anderson, J. C./Narus, J. A. (1991): Partnering as a Focused Market Strategy, in: California Management Review, Vol. 33, No. 3, pp. 95-113. Angelmar, R./Stern, L. W. (1978): Development of a Content Analytic System for Analysis of Bargaining Communication in Marketing, in: Journal of Marketing Research, Vol. 15, No. 1, pp. 93-102. Arunachalam, Y./Dilla, W. N./Shelley, M./Chan, C. (1998): Market Alternatives, Third Party Intervention, and Third Party Informedness in Negotiation, in: Group Decision and Negotiation, Vol. 7, pp. 81-107. Asakawa, T./Gilbert, N. (2003): Synthesizing Experiences: Lessons to Be Learned from Internet-Mediated Simulation Games, in: Simulation & Gaming, Vol. 34, No. 1, pp. 10-22. Astley, W. G./Sachdeva, P. S. (1984): Structural Sources of Intraorganizational Power: A Theoretical Synthesis, in: Academy of Management Review, Vol. 9, No. 1, pp. 104113.
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