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German Pages 234 Year 2010
Alfons Aichinger · Walter Holl Gruppentherapie mit Kindern
Alfons Aichinger Walter Holl
Gruppentherapie mit Kindern Kinderpsychodrama: Band 1 2., aktualisierte und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Kea S. Brahms VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Umschlagbild: Alfons Aichinger Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-531-17164-7
Inhalt
Vorwort zur zweiten Auflage .........................................................................................7 Vorwort zur ersten Auflage ............................................................................................7 Einführung (Alfons Aichinger).......................................................................................9 1 Die Vorbereitung auf die Gruppe (Alfons Aichinger) .....................................17 1.1 Indikation ...................................................................................................... 17 1.2 Größe und Zusammensetzung der Gruppe ............................................. 19 1.2.1 Die Kinder .............................................................................................19 1.2.2 Das gegengeschlechtliche Therapeutenpaar ...........................................20 1.3 Der Kontrakt ................................................................................................. 21 1.4 Die begleitende Familien- oder Elternarbeit............................................. 24 2 Der äußere Rahmen (Walter Holl) .......................................................................25 2.1 Die Ausstattung des Gruppenraumes ....................................................... 25 2.2 Der zeitliche Rahmen .................................................................................. 27 3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken (Alfons Aichinger) .................................................................................................29 3.1 Initialphase ................................................................................................... 29 3.2 Spielphase ..................................................................................................... 46 3.2.1 Einstimmung .........................................................................................47 3.2.2 Anstiftung .............................................................................................48 3.2.3 Strukturierung.......................................................................................52 3.2.4 Rollenwechsel und Rollenumkehr ..........................................................57 3.2.5 Spiegeln .................................................................................................64 3.2.6 Selbstgespräch ........................................................................................71 3.2.7 Doppeln und Doppelgänger ...................................................................72 3.2.8 Deutende Interventionen .......................................................................86 3.2.9 Die agierte Deutung bei traumatisierten Kindern .................................95 3.3 Abschlussphase .......................................................................................... 100
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Inhalt
Gesamtverlauf einer Gruppe (Walter Holl) ..................................................... 105 4.1 Anfangsphase ............................................................................................. 105 4.1.1 Strukturierung der ersten Gruppenstunde .......................................... 109 4.1.2 Zur Situation der TherapeutInnen in der ersten Gruppenstunde. ...... 115 4.1.3 Die Entwicklung des Gruppenthemas ................................................. 116 4.1.4 Die fünfte Stunde................................................................................. 121 4.2 Mittelphase ................................................................................................. 122 4.3 Abschlussphase .......................................................................................... 126 5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern (Walter Holl) ...................... 133 5.1 Interventionen bei gehemmten/ängstlichen Kindern............................ 134 5.1.1 Psychodynamik .................................................................................... 134 5.1.2 Leiterinterventionen ............................................................................ 135 5.1.3 Interventionen aus der Rolle ................................................................ 139 5.2 Interventionen bei aggressiven Kindern ................................................. 143 5.2.1 Leiterinterventionen ............................................................................ 145 5.2.2 Interventionen aus der Rolle ................................................................ 152 6 Gruppenprozessorientierte Interventionen (Alfons Aichinger) .................... 157 6.1 Interventionen bei Konflikten zwischen Kindern und LeiterInnen .... 158 6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe ................................... 164 6.3 Interventionen bei Beziehungskonflikten unter den Kindern ............. 173 6.3.1 Interventionen auf der verbalen Ebene ................................................ 177 6.3.2 Interventionen auf der Handlungsebene .............................................. 178 6.3.3 Beziehungsstiftende Interventionen..................................................... 190 6.4 Untergruppenbildung ............................................................................... 200 7 Anforderungen an die TherapeutInnen (Walter Holl) .................................. 205 7.1 Übertragungsaspekte ................................................................................ 205 7.2 Übertragungen der TherapeutInnen ....................................................... 207 7.3 Übertragungsprozesse in verschiedenen Gruppenphasen................... 209 7.4 Probleme der Ko-Therapie........................................................................ 212 8 Netzwerkarbeit (Alfons Aichinger) ................................................................... 217 Schlussbemerkung ............................................................................................... 231 9 Literatur ......................................................................................................................... 233
Vorwort zur zweiten Auflage Vorwort Nachdem die Erstauflage und ein Nachdruck vergriffen sind, erscheint unser Buch in der 2. Auflage beim VS Verlag für Sozialwissenschaften. Dieses große Interesse am Kinderpsychodrama freut uns, besonders auch die Übersetzungen in die polnische und russische Sprache. In der 2. Auflage haben wir nicht nur neuere Literatur berücksichtigt, sondern inhaltliche Verbesserungen und Erweiterungen vorgenommen. Frau Kea Brahms vom Lektorat Psychologie im VS Verlag danken wir für die gute Betreuung der 2. Auflage.
Vorwort zur ersten Auflage Gruppentherapie mit Kindern gilt unter TherapeutInnen als ein schwieriges Unterfangen. Es stellt sie immer wieder vor Schwierigkeiten, für die sie in den wenigen Veröffentlichungen kaum Hilfsangebote finden. Die Zahl derer, die Gruppentherapie bei Kindern anwenden, ist vielleicht auch deshalb sehr gering. In dem vorliegenden Buch wollen wir uns mit diesen Problemen auseinandersetzen und detailliert auf Schwierigkeiten eingehen, die die gruppentherapeutische Arbeit mit Kindern mit sich bringt. Unsere Arbeit fasst Erfahrungen und Erkenntnisse zusammen, die wir im Verlauf unserer über 30-jährigen Arbeit in Therapiegruppen an der Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Caritasverbandes in Ulm und in Ausbildungs- und Supervisionsgruppen am Moreno-Institut Stuttgart, Szenen-Institut Bonn, beim Deutschen Caritasverband und der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung gewonnen haben. Wir möchten damit einen Beitrag zur weiteren Entwicklung einer gruppentherapeutischen Behandlung von Kindern leisten, die sich nicht an dogmatischen Lehrmeinungen, sondern an dem orientiert, was Kinder mit äußeren, verinnerlichten und innerlichen Konflikten unserer Erfahrung nach brauchen. Wir beschreiben die von uns entwickelte Version des Kinderpsychodramas. Wir haben uns auf die Darstellung des therapeutischen „Handwerkszeugs“ des Kinderpsychodramas im Anwendungsfeld der therapeutischen Arbeit mit Kindern im Setting der Gruppentherapie beschränkt. Da aber das Psychodrama nicht eine Ansammlung von Techniken ist, sondern ein Verfahren, das über eine therapeutische Anthropologie und spezifische Interpretationsfolien für die Deutung von individueller und sozialer Wirklichkeit verfügt, wie die Rollentheorie
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Vorwort
und die Spontaneitäts- und Kreativitätskonzepte, verweisen wir auf grundlegende Lehrbücher, die basierend auf Morenos ursprünglichen Leitideen zeitgemäße Grundzüge einer Theorie der Psychodramatherapie entwickelt haben ( Krüger 1997; Fürst, Ottomeyer, Pruckner 2004; von Ameln, Gerstmann, Kramer 2009; Schacht 2009). Unser Buch soll aber kein Rezeptbuch sein. Vielmehr möchten wir mit den ausführlichen Beispielen die Kreativität der LeserInnen anregen und ihre Lust am Experimentieren entzünden. Wohl kann ein Vorrat an Techniken die eigene Unsicherheit in Kindergruppen reduzieren, wenn die spontane Kreativität nicht ausreicht, die oft schwierigen Situationen zu gestalten. Das Festhalten daran führt aber leicht dazu, dass statt der aktuellen Gruppensituation und dem prozessorientierten Vorgehen die ausgewählte Technik im Vordergrund steht. Daher bedürfen die dargestellte Methode und ihre Techniken immer der Spontaneität der handelnden TherapeutInnen, die sie der jeweiligen therapeutischen Situation anpassen. Die aufgeführten Beispiele handeln häufiger von Jungen. Dies liegt daran, dass an unserer Beratungsstelle zu zwei Dritteln Jungen angemeldet werden und wir daher häufiger reine Jungengruppen haben. Dieses Buch richtet sich vorwiegend an PraktikerInnen, die therapeutisch mit Kindern arbeiten — ganz gleich welcher Schule und Ausrichtung —, die neugierig sind, diese Ideen in ihrem Kontext zu erproben. Unser besonderer Dank gilt unseren Kolleginnen und Kollegen, Barbara Geier, Helga Schultheis, Regine Reisinger und Eugen Schönle, die bereit waren, mit uns in der Gruppentherapie nach neuen Wegen zu suchen und uns mit Rat und Tat beizustehen. Ihre vielfältigen Anregungen und kritischen Hinweise sind in dieses Buch eingeflossen. Unserer Sekretärin, Karin Amann, die unser Manuskript schrieb, sind wir zu großem Dank verpflichtet. Frau Laubach vom Matthias-Grünewald-Verlag danken wir für ihr fachliches Interesse und die gute, vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Entstehung des Buches. Alfons Aichinger Walter Holl
Einführung Einführung Einführung
Die besondere Bedeutung der Gruppe der Gleichaltrigen für die Persönlichkeitsbildung und Entwicklung des Kindes ist seit langem ein wichtiges Thema entwicklungspsychologischer, sozialpsychologischer und soziologischer Arbeiten. Die Peergruppe wird als eine Sozialisationsinstanz herausgestellt, die in ihrer Wirksamkeit mit der Familie vergleichbar ist. Die Beziehungen zu Gleichaltrigen sind eine zusätzliche Entwicklungsressource, sie stellen einen „entwicklungsfördernden Faktor“ (Ahnert 2005, S. 349) dar, ja Gleichaltrige sind „Entwicklungshelfer“ (Seiffge-Krenke 2004, S. 121ff). In der kindlichen Entwicklung bis hin zur Adoleszenz erfüllt die Peergruppe wichtige Funktionen: Sie bietet die Möglichkeit zu aktivem Ausleben und Ausspielen von Konflikten im gemeinsamen Spiel. Sie erlaubt, neue Rollen zu erproben und einzuüben, die nicht durch Alter und Geschlecht wie in der Familie festgelegt sind, und Normen auf ihre Verbindlichkeit hin zu prüfen. Sie bewirkt durch die Sozialisierung des Kindes im Sinne der Kommunikation und der Kooperation die Überwindung des Egozentrismus und die Stärkung egalitärer Komponenten durch Anerkennung und Ablehnung. Sie stellt dem Kind die Aufgabe, sein Verhältnis zu diesen „anderen“ zu bestimmen. Ansprüche müssen geäußert, Absichten angekündigt und in einem Einigungsprozess Normen, Regeln und Sanktionen vereinbart und vielleicht auch wieder geändert werden. Diese neue Handlungserfahrung führt zu einer tiefgreifenden Veränderung des Selbstkonzepts. Denn durch den Schritt in die Peergruppe wird erlebbar, was es bedeutet, ein Junge oder Mädchen unter vielen zu sein. Die Allgemeinheit wird deutlich, und ihr gegenüber gilt es, die Besonderheit festzuhalten, denn sonst bleibt man Mitläufer oder Außenseiter und kann niemanden für die eigenen Pläne gewinnen. Anerkennung und Beliebtheit hängen wesentlich von der Kooperationsfähigkeit ab, sich auf die Auseinandersetzungen um Normen und Erwartungen kompetent einzulassen und zu befriedigenden Absprachen, Abstimmungen und Verabredungen zu kommen (vgl. Krappmann 1982, Grunebaum und Solomon 1982, Lott 1986). „Sowohl hinsichtlich der sozialen, wie auch der kognitiven und emotionalen Entwicklung der Kinder wird dabei deutlich, dass Gleichaltrigenbeziehungen und der Austausch mit anderen im Kontext von
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Einführung
Kindergruppen ein besonderes und eigenständiges Lernpotenzial darstellen“ (Brandes 2008, S. 179). Diese Funktionen, die die Gruppe der Gleichaltrigen im Verlauf der Entwicklung des Kindes erfüllt, machen gleichzeitig auch ihre therapeutische Wirksamkeit aus (vgl. Lutz 1981). Nimmt man diese Erkenntnisse ernst, ist es nicht verständlich, dass die heilenden und prophylaktischen Kräfte der Gruppe in der therapeutischen Arbeit mit Kindern so wenig genutzt werden (vgl. Grunebaum und Solomon 1980). In allen therapeutischen Richtungen der Kindertherapie hat die Gruppentherapie eine viel geringere Verbreitung als die Einzeltherapie gefunden. Veröffentlichungen über Kindergruppentherapien sind ganz im Gegensatz zu der Bedeutung, die der Gruppe zugeschrieben wird, selten (vgl. Guldner 1991). Dass gerade das Psychodrama mit seinem elaborierten Gruppenkonzept nicht eine größere Verbreitung in der Gruppentherapie mit Kindern gefunden hat, verwundert umso mehr, als doch Morenos therapeutisches Werk durch das Stegreifspiel mit Kindergruppen inspiriert ist. „Historisch ging das Psychodrama aus der Grundlage des Spiels hervor ... Aber eine neue Sicht des Spiels entstand, als wir in den Jahren vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges anfingen, in den Gärten und Straßen Wiens mit Kindern zu spielen: das Spiel als ein Prinzip der Selbst-Heilung und Gruppentherapie, als eine Form des ursprünglichen Erlebens; ... Spiel als Phänomen sui generis, ein positiver Faktor verbunden mit Spontaneität und Kreativität. Das Spiel wurde von uns ... zu einem methodischen, systematischen Prinzip geformt“ (Moreno 1973, S. 80f.). In seiner frühen Schaffensperiode arbeitete Moreno noch intensiv mit Kindern: Soziometrische Untersuchungen mit Säuglingen und Kindern im Mittendorfer Kinderkrankenhaus 1917-1919, in Kindergärten und Schulen von 1931-1932 in New York, Rollen- und Spontaneitätstraining in der Hudson-School, einer Erziehungsanstalt für schwer erziehbare Mädchen. Seine Erfahrungen verarbeitete er in seiner Rollen- und Entwicklungstheorie (Moreno 1934) und leitete die wichtigsten Psychodramatechniken aus der Rollenentwicklung des Kindes ab (vgl. Schacht 2003). Trotz dieser frühen intensiven Beschäftigung mit Kindern entwickelte Moreno das Psychodrama als Therapiemethode nur für Erwachsene und nicht für Kinder. Er bezeichnete das Psychodrama als „… diejenige Methode (…), die die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet“ (Moreno 1959, S. 77). Das konstituierende Prinzip des Psychodramas ist die „szenische Umsetzung der immateriellen bedeutungstragenden Sinngehalte des Klienten(systems) in ein materielles Bühnenarrangement mithilfe dramaturgischer Mittel (z.B. Bühne,
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Requisiten, Mitspieler). Die symbolischen Elemente des entstehenden Erlebensraums … können von dem/den Klienten – unterstützt durch spezielle psychodramatische Techniken – auf handelnde Weise exploriert und umgestaltet werden, sodass neue Bedeutungsgehalte konstruiert, neue Handlungsimpulse entwickelt und neue Handlungsweisen erprobt werden können“( von Ameln u.a. 2009, S. 6). Um diese Handlungsmethode in der therapeutischen Arbeit mit Kindern anwenden zu können, wurden in der Folgezeit verschiedene Wege eingeschlagen. In Amerika wurden Versuche unternommen, das klassische Psychodrama mit nur geringen Veränderungen in die Kindertherapie zu übernehmen: z.B. Drabkova 1966; Lockwood, Harr 1973; Shearon 1980; Stockvis-Warnaar, Stockvis 1962; Zacharias 1965. Shearon beispielsweise kommt bei der Anwendung von klassischen Psychodramaphasen und Psychodramatechniken bei Kindern zu folgenden Veränderungen: „Bei der Anwendung des klassischen Psychodramaprozesses auf Kinder ist es häufig notwendig, die Spielphase einzuschränken, weil die Konzentrationsfähigkeit bei Kindern nur von kurzer Dauer ist. Hingegen ist die Erwärmungsphase bei Kindern von größerer Bedeutung. Das Spiel selbst soll nur kurze Zeit dauern. Mehr Betonung liegt auch auf der Wiederholungsphase, wo neue Rollen gelernt, geübt und verstärkt werden ... In der Arbeit mit Kindern wird weniger Betonung auf die abreaktive Katharsis gelegt, denn hierbei werden ungeheure Mengen an Aggression, unterdrückten Gefühlen oder Traumata zum Vorschein gebracht“ (1980, S. 255f.). Eine völlig andere Entwicklung nahm das Psychodrama in der Arbeit mit Kindern in Frankreich. Hier wurde das Psychodrama von Kinderanalytikern der Pariser Schule um Lebovici aufgenommen, die das Psychodrama nach der Technik und Theorie der psychoanalytischen Behandlung ausrichteten und zu einem von der kinderanalytischen Arbeit geprägten analytischen Psychodrama weiterentwickelten (vgl. Anzieu 1984, S. 79ff.; Petzold 1979, S. 28ff.; Basquin u.a. 1981, S. 19ff. und Bettschart 1984, 1988). Als wir vor über 30 Jahren an der Psychologischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche des Caritasverbandes in Ulm mit PsychodramaKindergruppen begannen, versuchten wir zunächst das klassische Psychodrama mit geringen Abwandlungen, ähnlich wie es in der amerikanischen Psychodramaliteratur beschrieben ist, auf die Kindertherapie zu übertragen, und machten den gleichen Fehler wie alle anderen Therapierichtungen: die Kinder wie in der mittelalterlichen Malerei als kleine Erwachsene zu behandeln. Diesen Versuchen widersetzten sich die Kinder entschieden (vgl. Aichinger 1993). Wir mussten den Besonderheiten der Gruppentherapie mit Kindern im
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Unterschied zur Arbeit mit Erwachsenen, wie sie Slavson und Schiffer (1975, S. 33f.) beschreiben, Rechnung tragen. Zu ihnen zählen: die schnelle Umwandlung von Vorstellungen und Gefühlen in motorischen Ausdruck; die Impulsivität und Sprunghaftigkeit; die schwache Ich-Struktur mit geringer Frustrationstoleranz und Steuerung; die unzureichende Ausbildung des Über-Ichs; die nonverbale Kommunikation durch Aktionen; das große Bedürfnis nach Bewegungsfreiheit und Spiel. Bei den Kindern kann noch keine Bereitschaft und Fähigkeit vorausgesetzt werden, sich auf ein Verbalisieren ihrer Phantasien, Wünsche, Gedanken und Gefühle zu beschränken. Denn je jünger ein Kind ist, desto eher wird es sein Innenleben im Spiel, im Handeln und Dramatisieren darstellen. Und je älter ein Kind ist, desto größer werden die verbalen Beiträge. Und es kommt zu einer Annäherung an die Erwachsenenmethode bei älteren Jugendlichen. Werden Kindern ihre natürlichen Ausdrucks- und Kommunikationsformen im Spiel verwehrt und werden sie durch eine inadäquate Wahl des Verständigungsmittels überfordert, führt dies zu Widerständen, die sich häufig in Unruhe, Blödeleien, Aggressionen oder gelangweiltem Rückzug äußern. Die Beachtung dieser Besonderheiten und der Entwicklungsdynamik der Kinder führte uns zu wesentlichen Änderungen in Form, Stil und Technik. In einem mühsamen Prozess von über 30 Jahren mit über 130 Kindergruppen ließen wir uns von den Kindern zu einer ihnen angemessenen Methode führen. Im Unterschied zur amerikanischen Tradition, die mit Kindern reale Situationen darstellen will, sehen wir wie das französische analytische Psychodrama im Symbolspiel das primäre Medium der Therapie. Die Kinder konstellieren ihre inneren Szenen verdichtet im Symbolspiel in sich wandelnden Formen, um Lösungen für die in den Szenen enthaltenen Aufgaben, Konflikte und Probleme zu finden. Auch Moreno bediente sich bei der Behandlung neurotischen kindlichen Verhaltens (1922) der Methode des symbolischen Psychodramas (1973, S. 221ff.). Er sah im symbolischen Psychodrama eine wichtige Methode, die aber andere Methoden, wenn sie angezeigt sind, nicht ausschließen soll (1973, S. 108). Das Spiel ist nicht nur kreativ verfremdete Inszenierung eines Konfliktes, sondern auch aktive Umsetzung und Bearbeitung von Erfahrungen, ein Stück Bewältigungsarbeit. Im Spiel erlebt sich das Kind als schöpferischer Konstrukteur, als Co-Creator seiner eigenen Lebenswelt. „Jedes spielende Kind benimmt sich wie ein Dichter, indem es sich eine eigene Welt erschafft oder, richtiger gesagt, die Dinge seiner Welt in eine neue, ihm gefällige Ordnung versetzt“ (Freud 1907, S. 214). Im Symbolspiel entdeckt das Kind die schöpferische Dimension und verweist die konkrete Existenz in ihre wahren Schranken, eine Welt
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unter möglichen Welten zu sein. Damit nimmt das Kind teil an der Schöpferkraft Gottes und gewinnt gegenüber seinem eigenen Leben die „Perspektive des schöpferisch Tätigen“ (Moreno 1946, S. 28). So wird das Kinderpsychodrama ein Ort der Neugeburt zu einem anderen, befriedigenderen Leben, so wie es Bastian, dem Versager, in Michael Endes „Unendlicher Geschichte“ gelingt. „Es gibt Menschen, die können nie nach Phantásien kommen“, sagte Herr Koreander, „und es gibt Menschen, die können es, aber sie bleiben für immer dort. Und dann gibt es noch einige, die gehen nach Phantásien und kehren wieder zurück. So wie Du. Und die machen beide Welten gesund“ (1979, S. 426). Die Beachtung des Spiels als die kindgemäße Form der Kommunikation führte uns zu einer Änderung der psychodramatischen Techniken. Wir mussten unser Augenmerk auf nichtsprachliche Prozesse richten, die Spielhandlungen analog, in ihrem übertragenen Bedeutungsgehalt, verstehen lernen und analog darauf antworten. Wir taten dies, indem wir als Therapeutenpaar, im Gegensatz zu Morenos Empfehlungen, am dramatischen Spiel teilnahmen, Mitspieler der Szenen der Kinder wurden und unsere Rollen als Mitspieler auf der Symbolebene so anlegten, dass sie bei den Kindern therapeutische Prozesse anregten und unterstützen. Die mit dem Mitspielen des Therapeutenpaars ausgelösten Übertragungs-Gegenübertragungs-Beziehungen wurden ein wichtiges Element in der Behandlung. Die Konstellation Therapeutenpaar und mehrere Kinder stellt eine familienähnliche Situation dar, die wiederum das Auftauchen und Ausspielen entsprechender Szenen begünstigt. Dadurch, dass in der Gruppe eine der Familie ähnliche Konstellation entsteht, in der sich das Geschehen der Kindheit in Szene setzen und dramatisch ablaufen kann, eignet sich die Kindergruppe besonders, die verinnerlichten Atmosphären und inneren Szenen im Spiel mit den Therapeuten zu entfalten. Das Geschehen in der Kindergruppe kann mit Sandner (1978) als Wiederinszenierung spezifischer Phasen in der Entwicklung des Kindes in seinem sozialen Kontext gesehen werden. Damit ist die therapeutische Gruppenarbeit in ein entwicklungstheoretisches Modell gestellt. In einem Prozess der Entwicklung und Neusozialisation, die das einzelne Kind und die Gesamtgruppe gemeinsam vollziehen müssen, geschieht Heilung. Im Unterschied zum klassischen Psychodrama und den meisten Richtungen des analytischen Psychodramas, das oft Einzeltherapie in der Gruppe ist, haben wir eine gruppenzentrierte Ausrichtung. Wir rücken die Gruppe als Ganzes in den Mittelpunkt, das Netz der Beziehungen zwischen den Kindern in ihrem jeweiligen Kontext, und sind nicht nur bedacht auf die Entwicklung des
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einzelnen Kindes in der Gruppe und die damit zusammenhängenden intra- und interpersonalen Prozesse. Wie Petzold (1986) sehen wir psychodynamisch die Gruppe nicht nur als Ort, wo Szenen der Familie, ihrer Subsysteme und ihres Umfeldes reproduziert werden, sondern soziodynamisch auch als soziale Realität, in der sich soziale Kompetenz und Performanz entwickeln lässt. Dadurch übernimmt die Gruppe wichtige entwicklungsfördernde, sozialisierende Funktionen. Morenos Persönlichkeitstheorie (Hutter 2004), die den Menschen als „soziales Atom“ ansieht, als „inter-actor“, verlangt als Konsequenz die Behandlung in Gruppen und von Gruppen, in denen Heilung aus der Begegnung geschieht. Die kooperative gegenseitige Hilfe wird als ein wesentlicher Heilfaktor gesehen. Das an Morenos Anthropologie des schöpferischen Menschen orientierte Kinderpsychodrama sieht die Förderung einer expressiven, kreativen Persönlichkeit als zentrales Anliegen und beschränkt sich nicht auf die Behebung von Störungen. Es versucht, die Spontaneität und Kreativität im Kinde zu fördern, zu entwickeln und, wo sie eingeengt und beschränkt wurden, wieder zu wecken und zur Entfaltung zu bringen. Da das Psychodrama über ein differenziertes System von Interventionstechniken zur Förderung und Aktivierung der „freien Kreativität“ (Krüger 2002) verfügt, ist das Psychodrama für Moreno die vollkommenste und klarste Form der Spielpsychotherapie (Krüger 1981, S. 128). Gerade im Symbolspiel manifestiert sich die kindliche Kreativität in ihrer spezifischen Weise. Das Symbolspiel ist daher für das Kinderpsychodrama, wie für jede Kinderpsychotherapie, von zentraler Bedeutung. Und für den Kinderpsychodramatiker ist es unerlässlich, sein Wesen zu verstehen. Mit Pruckner (2001) kam es in Österreich zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Kinderpsychodrama. Sie übernahm von uns wesentliche Anteile, wie den Grundaufbau, das Spiel als Darstellung- und Bearbeitungsform des Kindes und die Bedeutung der Netzwerkarbeit. Sie kam aber auch in einigen Positionen, wie der Rolle des Therapeuten im Spiel und bei therapeutischen Interventionen, zu einer anderen Entwicklung. In ihrem Ansatz spielt der Leiter/die Leiterin nie mit, sondern bleibt, wie im klassischen Erwachsenenpsychodrama, am Rand der Spielbühne, um als Regisseur oder doppelnd in das Spielgeschehen eingreifen zu können. Ein oder mehrere ColeiterInnen können aber mitspielen, sofern die Kinder es wünschen. Im Folgenden geben wir einen kurzen Überblick über die einzelnen Buchkapitel: In Kapitel 1 beschreiben wir, welche Vorbereitungen getroffen werden, bevor eine Gruppe beginnt, und setzen uns mit Setting- und indikationsbezogenen
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Fragen auseinander. Anschließend befassen wir uns in Kapitel 2 mit dem äußeren Rahmen, mit der Ausstattung des Gruppenraumes und dem zeitlichen Rahmen. Im 3. Kapitel werden die Struktur einer Gruppensitzung und die im Kinderpsychodrama abgewandelten Interventionstechniken ausführlich dargestellt. Im 4. Kapitel geht es um Phasen einer Kindergruppe, über die sich der Entwicklungsprozess einer Gruppe gestaltet. Im 5. Kapitel werden exemplarisch bei ängstlichen und aggressiven Kindern störungsspezifische Interventionen herausgearbeitet, und im 6. Kapitel stehen gruppenprozessorientierte Interventionen im Mittelpunkt. Das 7. Kapitel betrachtet, welche Anforderungen eine Kindergruppe an die TherapeutInnen stellt. Kapitel 8 befasst sich abschließend mit der begleitenden Netzwerkarbeit.
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Die Vorbereitung auf die Gruppe
1 Die Vorbereitung auf die Gruppe
Da Gruppentherapie ein aufwendiges Verfahren ist, bedarf es einiger Abklärungen und Vorbereitungen, bevor ein Kind in eine Gruppe aufgenommen wird und eine Kindergruppe beginnen kann.
1.1 Indikation Die Psychodrama-Kindertherapie hat neben der Förderung seelischer Wachstumspotentiale und Hilfe zur Bewältigung von Entwicklungsaufgaben den Abbau von Verhaltensstörungen zum Ziel. Die Gruppentherapie eignet sich zur Behandlung von Kindern im Alter von 4-12 Jahren bzw. bis zur Pubertät. Fried (2004) konnte mit ihrer Untersuchung zeigen, dass Kindergartenkinder erst ab etwa vier Jahren im gemeinsamen Spiel einen gemeinsamen „dramatischen Rahmen“ ko-konstruieren können und dies daher das Einstiegsalter in Gruppenprozesse ist. Bei Kindern unter vier Jahren ist eine deutliche Dominanz dyadischer Beziehungen zu beobachten (vgl. auch Schacht 2003, S. 121). Da für Pubertierende das Symbolspiel „Kinderkram“ ist und sie nicht mehr in dieser Weise spielen dürfen, bedürfen sie einer noch stärkeren Verfremdung, z.B. dass sie als berühmte Schauspieler Filme drehen. Oder man arbeitet mit einem gruppenzentrierten Soziodrama mit Pubertierenden und dem protagonistenzentrierten Soziodrama mit Adoleszenten (vgl. BieglerVitek u.a. 2004). Indiziert ist Gruppentherapie besonders zur Behandlung von internalisierenden Störungen wie Ängsten (ICD-Diagnose-F93), sozialen Hemmungen, depressiven Störungen (ICD-10-Diagnose-F32) und verringertem Selbstwertgefühl, aber auch bei externalisierenden Störungen wie oppositionellen, aggressiven oder dissozialen Störungen (ICD-Diagnose-F91/F92). Die Psychodrama-Kindertherapie kann nur dann als Breitbandverfahren zur Behandlung unterschiedlichster psychischer Störungen von Kindern angewandt werden, wenn das Behandlungskonzept an den Störungsbildern orientiert ist. Eine erfolgreiche Kinderpsychotherapie kann nicht ohne ein differenziertes
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Interventionskonzept durchgeführt werden. Die frühere Auffassung vieler humanistischer Therapieschulen, der Therapeut könne sich auf die Selbstheilungskräfte der Kinder verlassen, ist ein Mythos und vernachlässigt die Tatsache, dass Kindern auch Bewältigungshilfen zu geben sind. Wir entwickelten daher ein differenziertes Strategieangebot sowohl bezüglich der Arbeit mit dem Kind als auch mit der Familie und dem Umfeld und richten auch unsere Interventionen in störungsspezifischer Weise auf die jeweiligen Störungen des Kindes aus, z.B. setzen wir den stützenden Doppelgänger bei impulsiven und aggressiven Kindern ein, das Spiegeln des inneren Arbeitsmodells bei Informationsverarbeitungsstörungen oder mehr Struktur bei Steuerungsmängeln. Die Gruppentherapie eignet sich auch für Kinder mit Frühstörungen. Wie Lutz (1976, S. 15) führen wir den guten Erfolg darauf zurück, dass die Gruppe eine neue, Geborgenheit vermittelnde Erfahrung bietet, und durch ihre vielfältigen Bezugsmöglichkeiten weniger beunruhigend und ängstigend als das Angebot einer Einzeltherapie wirkt. So konnte Kleiner (2008) aufzeigen, dass die Kinderpsychodrama-Gruppentherapie eine wirksame Methode für die therapeutische Arbeit mit unsicher gebundenen Kindern ist, und Wicher (2006) für traumatisierte Kinder. Unabhängig von der vorherrschenden Symptomatik gilt als allgemein anerkannte klinische Regel, Gruppenpsychotherapie denjenigen Kindern zu empfehlen, für die eine Gruppe eine bessere Möglichkeit bietet als eine Zweierbeziehung, sich und ihre Probleme zur Darstellung zu bringen. Auch ist eine zielorientierte Indikation zu beachten. Durch den Umgang und die Beziehung mit Gleichaltrigen lernen Kinder Fairness, Gegenseitigkeit und Kooperation. Diese wichtigen Fähigkeiten und die Fähigkeit, mit Aggressionen konstruktiv umzugehen, können Kinder nur in der Beziehung zu Gleichaltrigen erwerben. Schwierigkeiten in diesen Bereichen können daher sinnvoll nur in einer Gruppentherapie verändert werden. Ebenfalls berücksichtigt werden muss bei einer allgemeinen Indikation zur Gruppentherapie die intersubjektive Indikation: Kann ich als Therapeut mit meiner Persönlichkeit und Erfahrung mit diesem speziellen Kind in dieser Gruppenzusammensetzung arbeiten? Viele Therapeuten, die mit Kindergruppen beginnen, überfordern sich, indem sie in die Gruppe die schwierigsten Kinder, die sie sich von KollegInnen zuweisen lassen, aufnehmen. So wie keiner Spaß am Skifahren bekommt, wenn er sich sofort in eine schwarze Abfahrt begibt, statt auf dem Übungshang die ersten Kurven auszuprobieren, wird keiner Kindergruppen gerne weiter leiten, wenn er nur das Stundenende herbei sehnt, damit das Chaos aufhört. Dies bestätigt die Embodimentforschung (Storch u.a. 2006), die aufzeigt,
1.2 Größe und Zusammensetzung der Gruppe
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dass TherapeutInnen nur dann kreativ und flexibel arbeiten können, wenn es ihnen gut geht und sie nicht unter Stress stehen. Ob im Einzelfall die Psychodrama-Kinderpsychotherapie unter systematischer Einbeziehung der Eltern oder systemische Familientherapie indiziert ist und ob ein Kind in Einzel- oder Gruppentherapie aufgenommen wird, diese Settingfrage hängt jeweils auch von einer ausführlichen Diagnostik (Exploration der Eltern, Erzieher und Lehrer, Spielbeobachtung des Kindes, Verhaltens- und Psychodiagnostik) ab. In die diagnostischen Überlegungen müssen der aktuelle Zustand des Kindes, seine Ressourcen und Potentiale, aber auch sein Lebenskontext mit Familie und Netzwerken eingehen. Neben der individuell-biografischen und der soziometrischen- beziehungsdynamischen Dimension gilt es nach Hutter (2008) auch die somatische Dimension, die körperliche Befindlichkeit und Signale, die gesellschaftliche Dimension, wie ökonomische Rahmenbedingungen, Milieuzugehörigkeit oder Migrationsphänomene, und die kulturell-axiologische Dimension, wie Werte, Normen, Traditionen, Lebensanschauungen, in der szenischen Diagnostik zu beachten. Gut dafür eignen sich die symbolischen Techniken des Kinderpsychodramas, wie z.B. die Darstellung der Familieninteraktion oder der inneren Anteile mit Tierfiguren. In der psychodramatischen Therapie wird aber Diagnostik prozessual verstanden, d.h. sie ist nicht mit der diagnostischen Abklärung vor der Aufnahme in die Gruppe abgeschlossen.
1.2 Größe und Zusammensetzung der Gruppe 1.2 Größe und Zusammensetzung der Gruppe 1.2.1 Die Kinder Bei der Auswahl der Kinder für die Gruppe beachten wir die Kriterien, die Slavson und Schiffer (1976, S. 101ff.) für die Gruppentherapie mit Kindern aufgestellt haben. Wesentlich für die Aufnahme in die Gruppe sind die Fähigkeiten eines Kindes, auf andere Kinder einzugehen und ein gemeinsames Verständnis von Spielbestandteilen auszuhandeln, damit ein gemeinsames Spiel mit einer gemeinsam geteilten imaginierten Welt wenigstens in begrenztem Maße möglich ist, und durch korrigierende Erfahrungen durch andere Kinder profitieren zu können. Sind diese Fähigkeiten nicht vorhanden, ist Einzeltherapie indiziert. Wir nehmen in unsere Gruppen höchstens sechs Kinder auf. Da Kindergartenkinder in hohem Maße davon abhängig sind, die Gruppe überschauen zu
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1 Die Vorbereitung auf die Gruppe
können, um die Reaktionen der anderen Gruppenmitgliedern zu erfassen und mit Mehreren gleichzeitig zu kommunizieren, beschränken wir Gruppen in diesem Alter auf vier Kinder. Nach Beobachtungen in Kindergärten (Brandes 2008) bilden auch Kinder spontan und eigenständig am häufigsten Gruppen in dieser Größe. Bei der Zusammenstellung suchen wir Kinder mit ähnlichem Entwicklungsstand aus, damit es um die Bewältigung gleicher Entwicklungsaufgaben geht und die gespielten Themen für alle Gruppenteilnehmer eine ähnliche Bedeutung haben. Damit die Kinder voneinander profitieren können, jedes Kind therapeutisches Agens des anderen sein kann und so Modelllernen ermöglicht wird, sollte die Stärke des einen Kindes die Schwäche des anderen sein. Wir wählen Kinder mit unterschiedlicher Symptomatik aus und achten auf eine möglichst ausgewogene Zusammenstellung von gehemmten und aggressiven Kindern und, wenn es geht, auch auf eine ausgeglichene Mischung beider Geschlechter, um den Kindern unterschiedliche interpersonelle Lernmöglichkeiten zu bieten. Die Unterschiedlichkeit bringt die Kinder dazu, sich andere Modelle auszusuchen und von ihnen zu lernen. Zugleich entsprechen heterogene Gruppen auch mehr der Alltagsrealität, in der Kinder mit unterschiedlichen Kindern im Kindergarten, in der Schule oder in der Freizeit konfrontiert sind. Homogene Gruppen haben sich bewährt in spezifischen Gruppen für Kinder in der Trennungs-/Scheidungssituation (Heidegger und Lintner 2001; Betz 2006), bei Kindern von suchtmittelabhängigen (Heger 2002; Diözesan-Caritasverband 2004; Weiss 2008) oder psychisch kranken Eltern oder in der Prävention von sexueller Gewalt an Kindern (Kubina 2005). Brem (2008) plädiert mit Bezug auf die Gender-Forschung für geschlechtshomogene Gruppen, da geschlechtshomogene Gruppen Jungen und Mädchen besser ermöglichen, ihre Konflikte auf tieferem Niveau zu bearbeiten.
1.2.2 Das gegengeschlechtliche Therapeutenpaar Geleitet wird die Gruppe immer von einem gegengeschlechtlichen Therapeutenpaar. Dadurch wird die Übertragung und Projektion der internalisierten Objektbeziehungen auf den männlichen oder weiblichen Therapeuten erleichtert und die Reinszenierung frühkindlicher Phantasien und Konflikte gefördert. Die Konstellation Therapeutenpaar und Kinder stellt auch eine familienähnliche Situation dar, die das Auftauchen und Ausspielen entsprechender Szenen be-
1.3 Der Kontrakt
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günstigt. Vor allem negative oder traumatische Erfahrungen, die sie mit Erwachsenen gemacht haben, werden auf die Therapeuten projiziert. Auch das Ausspielen von ödipale Themen und Triangulierungsschwierigkeiten mit Koalitionsversuche „Zwei-gegen-einen“ werden innerhalb der Triade begünstigt, ebenso Themen der Geschwisterrivalität. Weiterhin können Erfahrungen in Trennungs-, Scheidungs- und zusammengesetzten Familien in dieser DreiecksKonstellation gut bearbeitet werden,
1.3 Der Kontrakt 1.3 Der Kontrakt Bevor ein Kind in die Gruppe aufgenommen wird, besprechen wir mit ihm und den Eltern den Sinn und das Ziel der Gruppentherapie. Da Kinder häufig befürchten, durch die Gruppentherapie soll ihr „Symptomteil“, die Seite an ihnen, die die Eltern beklagen, „wegtherapiert“ werden, ist es wichtig, ausführlich den Therapieauftrag zu besprechen. Eine kindgerechte Vorgehensweise bietet die psychodramatische Teilearbeit mit Tierfiguren: Eltern wünschen für ihren 5-jährigen Sohn Therapie, da er im Kindergarten und in Freizeitgruppen andere Kinder bei Konflikten kratzt und beißt und daher regelmäßig aus Gruppen ausgeschlossen wird. In der Vorbesprechung frage ich ihn: „Wenn du und deine Eltern Tiere wären, was für Tiere wärt ihr dann?“ und zeige auf meine Ostheimer-Tiersammlung. Für sich wählt Paul eine Schildkröte. Auf meine Frage, was die gut könne, antwortet er, die habe einen dicken Panzer, der sie schützt. Für den Vater sucht er einen Bernhardinerhund aus, der sei gutmütig und könne Menschen retten; für die Mutter wählt er ein Schaf, das sei so weich und kuschelig. Ich lasse ihn die Tiere auf dem Boden aufstellen, wobei er die Schildkröte zwischen die beiden Tiere stellt, ganz nah beim Schaf. „Ich habe vorher von deiner Mutter vernommen, dass du dir wünscht, dass deine Eltern und andere Kinder dich mögen, und dass du auch ganz zärtlich und liebevoll mit anderen umgehen kannst. Was wäre diese Seite für ein Tier?“ Er sucht einen kleinen Hasen, der könne gut schmusen. Es gebe aber auch eine Seite, fahre ich fort, die immer wieder kratze, beiße und tobe, was das für ein Tier sei. Dafür wählt er einen kleinen Löwen, der habe schon scharfe Krallen und Zähne. „Sind Hase, Löwe und Schildkröte Freunde?“, frage ich. „Nein, die können den Löwen gar nicht leiden.“ Ich wundere mich, dass diese so ein starkes Tier nicht zum Freund haben wollen. „Weil der so böse ist.“ Ob er mir zeigen könne, wann
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1 Die Vorbereitung auf die Gruppe der kleine Löwe sich böse zeige und anderen seine Zähne und Krallen spüren lasse. Er nimmt den Bernhardiner und das Schaf und kickt mit diesen Figuren den Löwen weg. Ich dopple den Löwen: „Das macht mich ganz traurig, wenn keiner mich mag“, und exploriere ihn, ob er dann
friedlicher oder bissiger werde. „Dann werd ich ganz wild.“ „Was machen dann Schaf und Bernhardiner?“, frage ich den Löwen. „Die wollen mich dann einsperren, in einen Käfig, aber das schaffen die nicht“, und er fällt mit dem Löwen über das Schaf und den Hund her. „Und dann erschrecken Hund und Schaf“, dopple ich die beiden Tiere, „Bauernhoftiere kennen sich ja auch nicht so gut aus mit Wildtieren“. „Was müsste anders werden, damit Schaf und Bernhardiner sich freuen, einen so starken Löwen als Freund zu haben, und der dann nicht mehr so traurig sein muss?“, frage ich Paul und die Eltern, die gespannt das Spiel verfolgen. „Müssten Schaf und Bernhardiner wie Löweneltern werden oder müsste der kleine Löwe langsam lernen, seine Zähne und Krallen zu kontrollieren?“ Paul sieht die Lösung darin, dass der Löwe mehr Herr über seine Krallen und Zähne wird, die Eltern finden beides wichtig.
1.3 Der Kontrakt
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Damit sich Schaf und Bernhardiner mit dem Löwen vertrauter machen und anfreunden können, schlage ich der Familie 10 Familienspieltherapiesitzungen vor und erkläre kurz, was dieses gemeinsame Spielen erreichen soll und wie es ablaufen wird. Dann wende ich mich nochmals an Paul: „Du hast gesagt, dass Hase und Schildkröte den Löwen nicht mögen, weil sie soviel Ärger mit ihm kriegen. Es wäre aber sehr schade, so einen prächtigen Löwen weg zu jagen. So einen starken Freund zu haben, wäre doch toll für die beiden. Wie könnten Hase und Schildkröte mit dem Löwen Freunde werden?“ Paul zuckt mit den Schultern. „Schildkröten sind doch sehr schlaue Tiere“, fahre ich fort, „die beobachten genau und handeln nicht überschießend. Was wäre, wenn die Schildkröte der Chef wäre und entscheidet, wann der zärtliche Hase gebraucht wird und wann der starke Löwe. Die drei wären, wenn sie zusammenarbeiten und jeder seine Fähigkeit einbringt, ein tolles Team“. Paul nickt zustimmend. „Damit die drei Tiere ein gutes Team werden können und jeder seine Stärke einbringen lernt, die Schildkröte die Gelassenheit, der Hase die Zärtlichkeit und der Löwe die Wehrhaftigkeit, möchte ich dich in eine Spielgruppe einladen. Die soll dir dabei helfen, dass die Drei gute Freunde werden.“ Ausführlich und an einem Beispiel veranschaulicht erklären wir dann der Familie, wie eine Sitzung abläuft. Fünf Probestunden werden zunächst vereinbart, um die Kinder, die meist nicht für die Therapie motiviert sind, zur Zusammenarbeit zu gewinnen. Gerade Kinder, die das Gefühl haben, zur Strafe oder zur Besserung in die Therapie geschickt zu werden, brauchen die Erfahrung, dass sie sich entscheiden können. Auch Kinder, die schlechte Erfahrungen in Gruppen gemacht haben und daher jede neue Gruppenerfahrung vermeiden wollen und mit Angst reagieren, benötigen den Spielraum, um aus der Abwehr herauszukommen. Uns gibt diese Regelung auch die Chance, nochmals zu prüfen, ob sich ein Kind in dieser spezifischen Gruppenkonstellation entwickeln und von der Gruppe profitieren kann. Erst nach diesen Stunden wird ein Therapiekontrakt mit Kind und Eltern geschlossen. Sie verpflichten sich, dass das Kind wöchentlich – außer in den Ferienzeiten – an der Gruppe über die Dauer eines Jahres (ca. 40 Sitzungen) teilnimmt.
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1 Die Vorbereitung auf die Gruppe
1.4 Die begleitende Familien- oder Elternarbeit Mit den Eltern ist sorgfältig abzuklären, ob sie genügend motiviert sind, ihr Kind regelmäßig und über einen langen Zeitraum (z.B. auch im Winter) zur Therapie zu bringen bzw. zu schicken und an begleitenden Familien- oder Elterngesprächen teilzunehmen. Es hat sich nie bewährt, nur um eine Gruppe voll zu bekommen, zu schnell, ohne genügende Abklärung und Abklopfen der Motivation der Eltern, ein Kind aufzunehmen. Außerdem müssen Eltern zu einem regelmäßigen Einbezug in die Therapie des Kindes über Eltern- oder Familiengespräche einverstanden sein. Von Morenos Theorie der sozialen Netzwerke ausgehend ist uns die Zusammenarbeit mit dem realen sozialen Atom des Kindes selbstverständlich. Daher lassen wir uns, wenn nötig, eine Schweigepflichtsentbindung für die Zusammenarbeit mit Kindergarten oder Schule geben.
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Der äußere Rahmen
2 Der äußere Rahmen Walter Holl Wie der Gruppenraum für die Psychodrama-Gruppentherapie ausgestattet sein sollte, welches Spielmaterial wir benötigen und wie der zeitliche Rahmen aussieht, möchten wir im Folgenden darstellen.
2.1 Die Ausstattung des Gruppenraumes 2.1 Die Ausstattung des Gruppenraumes Die psychodramatische Arbeit mit Kindergruppen setzt bestimmte äußere Bedingungen voraus: Da ist zunächst der Gruppenraum, der erfahrungsgemäß nicht unter 30 qm groß sein sollte. ,,... ist er zu weitläufig, begünstigt er die Flucht in Spielereien und Verhaltensweisen, die auf reine Motorik reduziert sind und ihren expressiven Gehalt verlieren; ist er zu klein, behindert er die Spontaneität und kann vor allem unerträgliche Spannungen hervorrufen, wenn das Spiel zu heftigen Emotionen führt“ (Widlöcher 1974, S. 32). Da ein Raum dieser Größe vielseitig nutzbar sein soll, stellt sich die Frage nach der Einrichtung, die einerseits den Gestaltungswünschen der Kinder entgegenkommt, andererseits aber auch für die Arbeit mit Familien oder Erwachsenengruppen geeignet ist. Wir haben als Sitze und Bauelemente Schaumstoffpolster (Raumgewicht 0,30 kg/m³) in der oben skizzierten Form. Sie haben ausreichende Festigkeit als Stuhl und lassen
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2 Der äußere Rahmen
sich vielseitig zum Bauen verwenden. Aus zwei Stuhlelementen lässt sich ein Block bilden und in diesem Blockmaß haben wir noch ganze Blöcke, die sehr stabil sind. Außerdem gibt es noch größere und kleinere Kissen, und in einem Schrank, auf den die Kinder auch klettern dürfen, sind noch Kleider, Tücher und Hüte zu finden. Der unterschiedlichen Farbigkeit der verschieden großen Tücher kommt eine wichtige Bedeutung zu. Mit grünen Tüchern können zum Beispiel Wiesen ausgelegt oder der Dschungel gestaltet werden. Gärten können mit blumig gemusterten Tüchern anschaulich gemacht werden, und mit blauen Tüchern kann man einen Fluss, einen See oder das Meer anlegen. Mit alten weißen Vorhängen können wir Schnee und Eislandschaften entstehen lassen; mit roten Tüchern werden Feuerstellen markiert usw. Tücher werden außerdem als Dächer gespannt und als Türen für Höhlen, Ställe und Häuser verwendet. Ebenso wichtig sind sie für die Ausschmückung entsprechender Rollen: Mit einem weißen Laken kann man sich gut als Gespenst verkleiden, mit dem roten Tuch kann man einen Feuergeist spielen, mit dem goldenen Umhang kann man ein König sein und mit dem grünen Robin Hood usw. In Körben finden sich noch feingeflochtene, weiche, fingerdicke Perlonseile zwischen drei und fünf Metern Länge. Da wir in den Wänden Haken eingeschraubt haben, können wir rasch diese Seile daran befestigen, Tücher mit Wäscheklammern daran hängen und so Räume schaffen. Genauso wichtig ist das Spielmaterial „Baufix“, aus dem Kinder die unterschiedlichsten Geräte und Waffen zusammenschrauben können. Da die gelochten Originalleisten von „Baufix“ leicht zerbrechen, haben wir uns in einer Werkstatt für Behinderte solche Leisten aus Buchenholz in 7 mm Stärke fertigen lassen. Vervollständigt wird unsere Ausstattung mit einigen Stofftieren. Dieser Materialumfang hat sich seit Jahren bewährt, und wir erlauben es den Kindern nicht, Spielmaterial von zu Hause mitzubringen. Mit dem Gegebenen zurechtkommen zu müssen, fördert die Fähigkeit zu verhandeln und unterstützt den Gruppenprozess. „Eine zu reichliche oder zu realistische Bühnenausstattung verleitet die Kinder zu Spielereien mit dem Material, die immer zu Lasten der dramatischen Repräsentativität geht“ (Widlöcher 1974, S. 33).
2.2 Der zeitliche Rahmen
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2.2 Der zeitliche Rahmen 2.2 Der zeitliche Rahmen Wir werden manchmal gefragt: Sind 60 Minuten für eine Gruppenstunde nicht zu wenig Zeit? Das hatten wir ursprünglich auch angenommen und in den ersten Jahren 90 Minuten pro Sitzung gearbeitet. Heute sind wir aus mehreren Gründen der Ansicht, dass 60 Minuten völlig ausreichen: Die Kinder stellen sich auf diese Zeit ein, und der Prozess wird dichter. Enttäuschung und Wut über das Ende der Stunde erwachsen nicht aus ihrer Dauer, sondern aus der nicht zu umgehenden Beendigung der Regression während des symbolischen Spiels. Die dadurch erzwungene Zurücknahme ihrer Größenphantasien kränkt die Kinder, daran würde auch eine längere Spielzeit nichts ändern, im Gegenteil. Wenn die Zeit tatsächlich einmal nicht zu reichen scheint, so dass kein Spiel mehr zustande kommt, liegt meist ein Widerstand vor, der verstanden und bearbeitet werden muss. Ein offenes Ende wäre keine Hilfe. Auch im Blick auf die therapeutischen Aufgaben, den Gruppenprozess zu erfassen, das Übertragungsgeschehen zu verstehen, angemessen zu intervenieren, die Kollegin/den Kollegen nicht aus dem Auge zu verlieren und dann noch wahrzunehmen, was in einem selbst vorgeht, sind 60 Minuten eine lange Zeit. Hinsichtlich des jahreszeitlichen Beginns einer Gruppe sollte man darauf achten, dass nicht schon nach zehn Stunden die großen Ferien beginnen und der Prozess unterbrochen wird. Nicht unwesentlich sind außerdem die konstante Anwesenheit beider TherapeutInnen und eine entsprechende Berücksichtigung von Sitzungen, Fortbildungen etc. bei der Planung des Wochentags für die Gruppe. Wir führen während der Schulferien keine Gruppen durch, wenn die Teilnahme aller Kinder nicht gewährleistet ist. Es kommt aus Krankheitsgründen noch häufig genug dazu, dass das eine oder andere Kind fehlt und dadurch die Teilnehmerkonstanz und der Gruppenprozess beeinträchtigt werden.
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Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken
3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Alfons Aichinger Im folgenden Kapitel möchten wir aufzeigen, wie die Struktur einer Gruppensitzung gestaltet wird, und welche Therapietechniken zur Anwendung kommen können. Jede einzelne Sitzung ist das schöpferische Produkt des Zusammenspiels der Kinder und des Leiterpaares und kann daher nicht im Einzelnen voraus geplant werden. Jede Sitzung ist „einmalig, ein erstes Mal, unwiederholbar“ (Moreno 1973, S. 64). Bei allem Freiraum für Spontaneität und Kreativität ist jedoch die Struktur jeder Sitzung festgelegt. Drei Phasen: Die Initial-, die Spiel- und die Abschlussphase strukturieren den Ablauf. Gerade in der therapeutischen Arbeit mit Kindern ist es wichtig, diese Struktur von Anfang an einzuführen und auch durchzuhalten. Durch die regelmäßige Wiederholung der drei Phasen in jeder Sitzung erhalten die Kinder einen festen Orientierungsrahmen, den sie bald introjizieren können. Diese „Containerfunktion“ des Settings bietet den Kindern Sicherheit und Stütze. Eine zu locker gehandhabte Struktur muss mit chaotischen und destruktiven Gruppenprozessen bitter bezahlt werden. Zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Kinder in der Sicherheit der Gruppe gegen die Ordnung der LeiterInnen rebellieren, kann sie kaum noch hergestellt werden.
3.1 Initialphase 3.1 Initialphase Jede Psychodramasitzung beginnt mit einer Erwärmungsphase, deren Ziel es ist, die Entfaltung der Spontaneität zu fördern, die Offenheit und Bereitschaft, im Spiel zu handeln. Erwärmung der Kinder für das psychodramatische Symbolspiel ist nach Moreno ein intrapersonaler und interpersonaler Prozess und hat mehrere miteinander verschränkte Ziele. Zum einen soll jedes einzelne Kind zur Spielhandlung bereit sein, gewahr werden, was es selbst erlebt und welches Thema es in dieser Sitzung spielen will. Dieser intrapersonale Aspekt der Erwärmung muss meist nur bei gehemmten Kindern gefördert werden. Die
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken
anderen Kinder müssen stattdessen häufig gebremst werden, ihre Ideen nicht gleich in Spielhandlungen umzusetzen. Der interpersonale Aspekt der Erwärmung bedarf dagegen bei allen Kindern einer stärkeren Beachtung. Da das Rollenhandeln jedes einzelnen Kindes mit dem Rollenhandeln der anderen Kinder verbunden ist, müssen die Kinder auf die Befindlichkeiten und die emotionalen Beziehungen untereinander achten. Außerdem haben sie gemeinsam und konsensual eine Entscheidung darüber zu treffen, was im Symbolspiel kooperativ psychodramatisch gestaltet werden soll (vgl. Schwinger 1994, S. 7). Bei sehr unruhigen und hyperaktive Kindern, für die der offene Gruppenraum leicht zum Kampf- oder Toberaum wird, hat es sich bewährt, die Arbeit auf der „Spielbühne“ (Pruckner 2002) von der Arbeit auf der „Begegnungsbühne“ zu trennen und die Themenfindung nicht im Gruppenraum, sondern in einem anderen Raum, der weniger zum Agieren einlädt, abzuhalten. Diesen Erwärmungsprozess zu fördern, ihn zu strukturieren und die Erreichung dieser Ziele zu unterstützen, ist Aufgabe der LeiterInnen in der Initialphase. In der therapeutischen Arbeit mit Kindern werden dafür selten Erwärmungstechniken, Erwärmungskonserven benötigt. Abgesehen von der ersten Stunde, in der ein Erwärmungsspiel den Kindern den Einstieg in die Spielhandlung ebnet (vgl. 4.1), schlagen wir den Kindern keine Erwärmungsspiele vor. Muss in der Arbeit mit Erwachsenen häufig erst ein spontaner Zustand geweckt werden, sind Kinder meist schon nach der ersten Stunde vom Symbolspiel so fasziniert, dass dies genügend Anwärmungseffekt hat. Mit „Handlungshunger“ betreten sie fast immer den Gruppenraum. Auch sehen wir mit Schwinger (1994, S. 11ff.) in der Vorausplanung des Einsatzes von Erwärmungstechniken die Gefahr, dass statt der aktuellen Gruppensituation die ausgewählte Technik im Vordergrund steht. Außerdem erlebten wir bei unseren ersten Gruppenerfahrungen, dass die Kinder im Laufe der Gruppenentwicklung sich einen Spaß daraus machten, die „Erwärmung aus der Konserve“ als „blöde“ oder „langweilig“ abzuschmettern. In der Gruppenarbeit mit Kindern benötigen die Leiter weniger ein reiches Inventar an Erwärmungskonserven, wie es z.B. bei Shearon (1980) zu finden ist, keine bunte Animation, als vielmehr die psychodramatische und soziometrische Sicht auf die aktuelle Lage der einzelnen Kinder und der Gruppe. Unserer Erfahrung nach kann dadurch das Ziel der Erwärmung, nämlich eine konsensuale Entscheidung für ein Symbolspiel zu finden, das von der Kindergruppe getragen wird, besser erreicht werden. Wie die Leiter diese allgemeinen Ziele unterstützen können, und welche Strukturierung des Erwärmungsprozesses notwendig ist, soll nun genauer beschrieben werden:
3.1 Initialphase
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1. Schritt: Einleitung der Gruppensitzung und Themenfindung Jede Sitzung beginnt mit einer Stuhlrunde. Wir bitten die Kinder, sich in einem Kreis zusammenzusetzen. Werden im Erwachsenenpsychodrama Szenen aus dem realen Leben der Gruppenteilnehmer gespielt, empfiehlt Moreno (1973, S. 201ff.) bei Kindern die Methode des symbolischen Psychodramas. Wir eröffnen nur mit der Frage, was sie heute gemeinsam spielen möchten. Die Kinder können dann Geschichten vorschlagen, die sie gerne spielen wollen. Sie können vorgeschlagene Themen aufnehmen oder verändern oder gemeinsam eine Geschichte, eine Gruppenphantasie, die jedes Kind nach seinem Bedürfnis zur Bewusstwerdung oder als Widerstand benützen kann, entwickeln. Auch wenn die Spielideen, die die Kinder einbringen, vordergründig nur Themen aus Fernsehsendungen sind, so haben sie für die Kinder stets auch einen tieferen Sinn, einen symbolischen Gehalt. Hinter der Fassade dieser oft „banalen Kulturkonserven“ können sie ihre individuellen Geschichten, ihre inneren Bilder und Gruppenthemen entwickeln. Die jeweils dominanten Entwicklungsaufgaben der Kinder und ihre Persönlichkeitsstrukturen mit ihren Bewältigungs- und Abwehrmechanismen bilden dabei den Rahmen und zugleich den Filter für die Themenvorschläge. So werden die Geschichten und Bilder aus den Medien individuell und selektiv aufgenommen und verändert, um aktuelle Lebensthemen zu bearbeiten und zu bewältigen. Aus diesen Rollenkonserven wird nach Moreno durch den spontanen Akt des Rollenspiels Rollenveränderung und Rollenkreation. Oft stehen die LeiterInnen einem vielfältigen und unzusammenhängenden Themenmaterial gegenüber. Da diese unterschiedlichen Spielideen als Teil eines sinnvollen gemeinsamen Prozesses, einer gemeinsamen Szene zu sehen sind, müssen die LeiterInnen den Kindern helfen, aus den verschiedenen Beiträgen eines jeden Kindes ein gemeinsames Thema zu gestalten, sie zu einer gemeinsamen Geschichte zusammenzuführen, in der die einzelnen Beiträge enthalten sind. Die Kinder können auch eine Geschichte auswählen, die am meisten Anklang findet und von allen getragen wird. Dies geht natürlich nicht ohne Diskussion, ohne Aushandeln ab. Mehrheiten können die Suche nach dem Konsens nicht ersetzen. Daher ist das Einverständnis der Kinder notwendig und nicht das Mehrheitsprinzip. Mit Basquin (1981, S. 149ff.) gehen wir von der Annahme aus, dass das Thema ausgewählt und gespielt wird, das das beinhaltet, was die Gruppe unbewusst am meisten beschäftigt oder abwehrt, oder dass sich das Kind mit seiner Spielidee durchsetzt, das mit seinem individuellen Thema auch das gemeinsame Gruppenthema repräsentiert. Jedes Kind kann dann durch seine
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken
Rollenwahl und seine Spielausgestaltung dieses gemeinsame Thema seiner Biographie entsprechend unterschiedlich ausformen. Im psychodramatischen Symbolspiel ist daher sowohl das Unbewusste der Kindergruppe wie das der einzelnen Kinder enthalten. Dieses komplexe Gruppengeschehen versucht Petzold in einem Szenen- oder Bühnenmodell von Gruppe zu fassen: „Der Teilnehmer am szenischen Geschehen der Gruppe bringt die in seinem Leib aufgezeichneten Szenen seiner Geschichte mit. Sie ragen in die neuen, in der Gruppe und durch die Gruppe geschaffenen Szenen hinein, die ihrerseits altes szenisches Material heraufrufen und sich dadurch zu einem neuen Stück verdichten. Realität und Phantasma, Bewusstes und Unbewusstes sind deshalb beständig mit wechselnder Intensität und Dichte verschränkt“ (1986, S. 141). In einer gemischten Kindergruppe von Sechsjährigen kommen in der zweiten Stunde verschiedene Vorschläge: Tiere auf dem Bauernhof von der ersten Stunde weiterspielen, Astronauten sein oder Kinder spielen, die nachts von zu Hause weglaufen. Auf diesen letzten Vorschlag, den Kompromiss zwischen den beiden Bestrebungen nach Versorgung und Unabhängigkeit, einigen sich die Kinder nach einigem Hin und Her. Während zwei Mädchen und ein Junge die Rolle von siebenjährigen Kindern wählen, die zu Bett gebracht werden und von den Eltern noch eine Gutenachtgeschichte erzählt bekommen, wählt Max die Rolle eines Geheimagenten, der neben dem Schlafzimmer der Kinder wohnt. Die anderen Kinder greifen seinen Vorschlag auf, die Kinder sollen bei ihrem nächtlichen Abenteuer in einen tiefen Schacht fallen und von ihm in einer schwierigen Rettungsaktion herausgeholt werden. (Max wurde wegen massiven Angstzuständen nach einem dramatischen Unfall an der Beratungsstelle angemeldet. Er hatte verbotenerweise auf einer Baustelle gespielt, war in einen tiefen Schacht gefallen, hatte sich dort eingekeilt und konnte erst nach Stunden in einer schwierigen Rettungsaktion befreit werden.) In der nächsten Stunde, als die anderen Kinder die Rollen von Eskimokindern wählen, die wieder von ihren Eltern versorgt werden, zugleich aber auch heimlich gefährliche Dinge unternehmen, spielt Max eine kleine Robbe, die unter einer dicken Eisschicht behaglich eingerichtet lebt. Bei der Themenfindung tauchen oft schon die ersten Schwierigkeiten auf, so dass die LeiterInnen nicht nur durch Fragen nach Spezifizierung und Assoziationen zum Thema die Beiträge der Kinder verdichten und auf ein gemeinsames Thema
3.1 Initialphase
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hin fokussieren, sondern aktiv intervenieren müssen, um einen Einigungsprozess in Gang zu setzen. Bei Kindern im Vorschulalter kommt es häufiger vor, dass sie in den ersten Stunden noch so ängstlich und spielgehemmt sind, dass sie nicht ohne ihre Mütter den Gruppenraum betreten, auf deren Schoß sitzen und auf die Anfangsfrage keinen Beitrag von sich geben. Würden die LeiterInnen die Kinder nun drängen, Ideen zu produzieren, würden sie deren Ängste nur noch verstärken und die Erwärmung durch eine schematisch gehandhabte Anfangsfrage ersetzen. Die Kinder dürfen so gehemmt und unspontan sein, wie sie augenblicklich sind. Hier müssen die LeiterInnen eine Erwärmung finden, die der aktuellen Lage der Kinder möglichst gut entspricht. Kommen keine verbalen Beiträge, so können sie die Aktionen und Interaktionen der Kinder beobachten und die sich darin ausdrückende Befindlichkeit durch ihr Spiel konkretisieren. Indem sie die Situation aufgreifen, sie in Spielhandlungen übersetzen und so vertiefen, wärmen sie die Kinder für ein Mitspielen an. In einer gemischten Kindergruppe von Fünfjährigen waren vier von fünf Kindern in den ersten Stunden nicht bereit, ohne ihre Mütter in den Gruppenraum zu kommen. Sie saßen auf dem Schoß der Mütter, ängstlich an sie geklammert, zum Teil von den Leitern abgewandt. Auf unsere Anfangsfrage reagierte nur Hans, der als einziger ohne seine Mutter in den Gruppenraum kam. Er sagte, er wolle eine Katze sein. Julia flüsterte ihrer Mutter ins Ohr, sie wolle auch eine Katze sein. Die anderen Kinder sagten nichts, sondern verkrochen sich auf unsere Nachfrage hin nur noch mehr in die Kleider ihrer Mütter. Da die Spannung sehr stieg, begannen die Leiter einfach das Spiel, in dem die Therapeutin sich als Bäuerin ausgab und der Therapeut, in einer konkordanten Übertragung, als ängstliche Maus. Während die Bäuerin sich laut Gedanken um die Tiere machte, die sich so ängstlich und ruhig verhielten, und ihnen stärkendes Essen zubereitete, kroch die Maus voller Angst und Unsicherheit im Raum herum, schaute vorsichtig in die Nester (so benannte er den Schoß der Mütter), machte sich Gedanken, was da wohl für Tiere drin leben, fragte sich, ob es wohl große Tiere oder auch so kleine wie er seien, die noch viel Schutz bräuchten. In einem Rollentausch nahm er die bedrohte Position ein und spielte die Angst der Kinder aus, so dass die Kinder immer mehr die andere Position, die mächtige, übernahmen und die Maus bedrohten. Und indem der Leiter als Hilfs-Ich jede Bewegung, jede Gestik, jede Mimik der Kinder positiv
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken umdeutete, gelang eine Umdeutung der Beziehungsdefinition. So sagte er, als ein Kind auf seine Aktionen nicht reagierte: „Dieses Tier scheint sich mit einer kleinen Maus überhaupt nicht abgeben zu wollen, die ist ihm wohl viel zu klein und zu schwach.“ Auf die Armbewegung eines Kindes reagierte er ängstlich und fragte sich, ob dieses Tier ihn wohl fressen wolle. Als die Katze ihn verfolgte, bat er die Tiere, sich bei ihnen verstecken zu dürfen, was die Kinder meist sehr lustvoll ablehnten. Dadurch erwärmte er die Kinder langsam zu einem, wenn auch noch sehr spärlichen gemeinsamen Spiel, in dem sie, ohne den Schoß der Mutter verlassen zu müssen, durch ihre Mimik, Gestik oder sogar durch einige Worte am Spiel teilnahmen. Gegen Stundenende waren sie nicht mehr die ängstlichen zurückgezogenen Kinder, sondern Tiere, die der Maus Angst einflößten und sich über sie lustig machten.
Bei jüngeren Kindern ist außerdem zu beachten, dass sie auf die Anfangsfrage oft so antworten, dass sie nur Rollen benennen, die sie gerne spielen möchten, ohne aber die dazugehörigen Szenen zu beschreiben. Hier müssen die LeiterInnen durch verstärktes Nachfragen und durch Vorschlagen alternativer Möglichkeiten erst die mit den Rollen verbundenen Szenen herausfinden und sie dann zu einer gemeinsamen Geschichte zusammenfassen, in der die Kinder ihre Rollen ausspielen können. Ohne das Auffinden eines gemeinsamen Themas würden die einzelnen Rollen ohne Bezug zueinander bleiben und unverbundene Einzelspiele stattfinden. In diesem Zusammenhang ist die Unterscheidung Widlöchers (1974, S. 61) zwischen der Spontaneität des imaginären Spiels, wo sich Kinder, lässt man sie frei improvisieren, in der Anarchie verlieren, und der schöpferischen Spontaneität, zu der die psychodramatische Improvisation führt, wichtig. Das psychodramatische Spiel stellt die Kinder mit feststehenden Rollen in die dramatische Abfolge und verpflichtet sie dadurch auf eine Anpassung an diese Situation und diese Rollen. Sie dürfen nur soviel von sich selbst einbringen, wie die Situation erlaubt. In einer Kindergruppe von Sechsjährigen sagt Anna auf die Anfangsfrage: „Ich bin wieder eine Katze.“ Die Leiterin: „Wo lebt die Katze? Auf dem Bauernhof? Oder streunt sie herum?“ Anna: „Auf dem Hof.“ Sie will dann gleich den Ofen bauen, auf den sie sich legen kann. Der Leiter bremst sie, sie müsse noch warten, bis die anderen Kinder auch ihre Rollen gewählt haben. Da sagt Eva: „Ich bin auch eine Katze.“ Die Leiterin: „Lebst du auch auf dem Hof?“ Eva: „Nein, ich will nicht mehr auf dem Hof wohnen.“ Leiterin:
3.1 Initialphase
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„Warum denn nicht?“ Eva: „Weil die Bäuerin mich so schlecht behandelt hat.“ Leiterin: „Wohin gehst du dann?“ Eva: „Nach Amerika!“ Martin schließt sich an: „Ich gehe auch nach Amerika.“ Leiterin: „Was bist du denn?“ Martin: „Auch eine Katze.“ Darauf Karl: „Ich bin eine Katzenbande, die abhaut.“ Da rufen die anderen Kinder: „Au ja, wir sind eine Bande. Wir gehen nach Amerika!“ Sie stehen von ihren Polsterstühlen auf und wollen losgehen. Der Leiter stoppt und fragt: „Wie kommt ihr denn nach Amerika? Mit dem Schiff oder mit dem Flugzeug?“ Die Kinder einigen sich nach einigem hin und her auf Flugzeug. Der Leiter fragt weiter nach: „Schleicht Ihr euch heimlich an Bord, vielleicht als blinde Passagiere, wenn z.B. der Mechaniker, der das Flugzeug auftankt, gerade wegschaut, oder wenn die, die das Gepäck einladen, Pause machen?“ Darauf die Kinder: „Ja, die auf dem Flughafen merken alle nichts.“ Leiter: „Könnte es sein, dass die Tiere dann Hunger bekommen und sich heimlich von dem guten Essen der Passagiere was holen, und die Stewardess es vielleicht gar nicht merkt, wenn plötzlich das Essen, der Schinken und die Hähnchen, weniger wird?“ Die Kinder: „Au ja, die tät nichts merken.“ Leiter: „Wird die Stewardess dann denken, es spukt wohl in dem Flugzeug, oder, sie habe einen Höhenkoller, oder würde sie vielleicht andere Gäste verdächtigen?“ Die Kinder: „Die wär ganz durcheinander.“ Der Leiter: „Und würde sich jemand beschweren, wenn es plötzlich so wenig Essen gibt, vielleicht eine wichtige hohe Persönlichkeit?“ Die Kinder: „Ja, der König von England, der tät die Stewardess schrecklich schimpfen. Wir täten seinen Teller unbemerkt leer essen und eine alte vergammelte Wurst drauf legen.“ Der Leiter: „Werden dann die Katzen entdeckt?“ Die Kinder: „Ja, aber erst später. Die Stewardess möchte uns dann rauswerfen. Der König findet uns aber so niedlich und nimmt uns mit auf sein Schloss.“ Erst durch dieses wiederholte Nachfragen konnte herausgearbeitet werden, was im Spiel gemeinsam verhandelt werden sollte. Aber auch die individuelle Problematik einzelner Kinder und die Gruppendynamik verhindern, dass die Erwärmung nach Schema F ablaufen kann. So ist es gehemmten Kindern in der Anfangsphase oft nicht möglich, einen eigenen Beitrag einzubringen. Es kann ausreichen, nachzufragen, ob sie mit der Geschichte, die dominantere Kinder vorgeschlagen haben, einverstanden sind. Mehr von ihnen zu erwarten, hieße sie unter Druck zu setzen, weil sie nicht zu Beginn der Therapie die Spontaneität und Kreativität zeigen können, die ein Teilziel der Therapie sind. Ein zu langes Abwarten oder ein zu häufiges
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken
Nachfragen brächte sie in eine Position, in der sie von lebhaften und unruhigen Kindern abgelehnt oder angegriffen würden, weil sie zu sehr deren Spielwunsch blockieren. Gehemmte Kinder tragen meist in der Anfangsphase wenig zur Themenfindung bei, schließen sich meist nur an Spielvorschläge an, spielen aber im Spiel das gewählte Thema ihren Bedürfnissen entsprechend verändert aus. Blockieren sich die Kinder bei der Themenfindung gegenseitig, indem sie aus Rivalität die Idee der anderen abwerten und einen gegensätzlichen Spielwunsch einbringen, so müssen die Therapeutlnnen diesen gruppendynamischen Konflikt ansprechen oder in selbstgewählten Rollen (z.B. in der Gegnerposition vgl. dazu 6.3) intervenieren. Reagieren Kinder, die in den vorangegangenen Stunden spielfreudig waren, plötzlich phantasielos und finden keine Spielideen, so müssen die LeiterInnen entweder als Spielleiter oder aus der Position des Interviewers in Rollen wie Zeitungsreporter oder Ärztin (vgl. 6.1) die Ursache dieses Spielwiderstandes angehen. Sich auf ein gemeinsames Spielthema zu einigen, heißt aber nicht, dass die Kinder immer gemeinsam spielen müssen, sondern nur, die unterschiedlichen Vorschläge auf einen Nenner zu bringen. So kommt es in gemischten Gruppen häufiger vor, dass die Spielwünsche der Jungen sich sehr von denen der Mädchen unterscheiden. Nimmt man die Einigung auf ein gemeinsames Spiel zu eng, geraten die Mädchen in Gefahr, von den Jungen dominiert zu werden und sich dem Vorschlag der Jungen unterordnen zu müssen. Dies kann vermieden werden, wenn die gegensätzlichen Wünsche ernst genommen und Möglichkeiten gesucht werden, wie eine Verbindung, und sei es nur durch das Spiel der Therapeutlnnen, zwischen den verschiedenen Spielideen zu schaffen ist. Bei einer gemischten Gruppe von Neunjährigen wollen die Jungen Außerirdische spielen, die Mädchen dagegen Kinder auf einem Bauernhof sein, deren Eltern die Therapeuten sein sollen. Jede Partei findet die Spielidee der anderen blöd und will auf keinen Fall bei der anderen Seite mitspielen. Ein gemeinsames Spiel lehnen sie ab. Um eine Verbindung zwischen den beiden Parteien herzustellen, schlägt der Leiter vor, er sei als Bauer auch Amateurfunker und finde zufällig Funkkontakt zu den Außerirdischen. Zunächst kommt es dann zu getrennten Spielverläufen. Die Jungen fliegen in ihrem Raumschiff als Außerirdische durch das Weltall. Die Mädchen dagegen sind Kinder auf einem Bauernhof, die krank werden und von den Eltern viel Pflege benötigen. Erst als der Bauer im Laufe des Spieles Funkkontakt zu den Außerirdischen erhält und sie, als die Mädchen immer noch kränker
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werden, um Rat fragt, kommt es zu einer Verbindung. Auf Bitte des Bauers landen die Außerirdischen auf dem Hof und bringen eine Laserspritze mit, die die Mädchen heilen soll. Gegen diese Idee wehren sich die Mädchen, sind aber dann einverstanden, dass sie durch die Strahlung der Außerirdischen gesund werden. Im Gegenzug müssen die Außerirdischen krank werden und genesen erst, als sie Blut von den Mädchen bekommen. War über eine lange Zeit ein getrenntes Spiel gelaufen und eine Verbindung nur über die Therapeuten möglich, so kommt es zum Stundenende zu gemeinsamen Spielideen und Spielhandlungen. Haben Kinder ein Thema gefunden, unter dem sie die ersehnten oder befürchteten Szenen ausspielen können, kommt es häufig vor, dass sie dieses Thema über viele Sitzungen hinweg mit Variationen ausspielen. Sie einigen sich oft schon im Wartezimmer, das Spiel fortzusetzen, so dass dann die Initialphase kurz ist. Nimmt dagegen die Konkurrenz in der Gruppe zu, kann der Einigungsprozess sehr lange dauern. Nun ist es aber selten so, dass Kinder wie Erwachsene ruhig auf ihren Stühlen sitzend die Themenfindung und den Einigungsprozess abwarten. Sie wollen schnell in Aktion und Interaktion treten, rutschen daher unruhig auf den Sesseln herum und rufen: „Wann spielen wir endlich?“ oder fangen einfach mit dem Bauen der Kulissen oder Requisiten an. Diesem Druck der Kinder vorschnell nachzugeben, den erstbesten Spielvorschlag anzunehmen und den Prozess der Konsensfindung abzukürzen, um die Kinder zufriedenzustellen, rächt sich im Spiel. Zwischen der Szylla, zu schnell dem Drängen der Kinder nachzugeben und ins Spiel überzugehen, und der Charybdis, zuviel abklären zu wollen, müssen die LeiterInnen einen Weg finden und zügig zu einer klaren Spielentscheidung kommen, in der die Ideen der Kinder aufeinander bezogen sind. Manchmal geben TherapeutInnen aus Angst, zu pädagogisch zu werden, oder die Kinder wie deren Eltern zu begrenzen, zu schnell nach und verlangen den Kindern nicht ab, sich gegenseitig zuzuhören und ein Suchen und Aushandeln einer gemeinsamen Spielidee durchzuhalten. Chaos und Konflikte während des Spiels sind dann Folge dieser zu schnellen Scheinlösung. Auf der anderen Seite nimmt ein zu detailliertes Aushandeln den Kindern die Spiellust oder lässt leicht einen Machtkampf zwischen Kindern und TherapeutInnen entstehen. Außerdem ist es immer wieder beeindruckend, wie Kinder, die in der Eingangsrunde ihr ganzes problematisches Verhaltensrepertoire aufführen, in der Spielphase ihre Ressourcen zeigen und ihre Entwicklungsmöglichkeiten vorwegnehmen und im Schutz
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des Symbolspiels erleben, wie es wäre, wenn sich ihre gebundene Kreativität in freie Kreativität verwandelt. Den Aushandlungsprozess durchzustehen gelingt aber vielen Kindern aus unterschiedlichsten Gründen nicht. Sie rutschen unruhig auf ihren Sesseln herum, stoßen sich gegenseitig hinunter, machen Quatsch u.ä. und benötigen daher die Hilfe der LeiterInnen. Hier bietet gerade das Psychodrama reichhaltige Interventionsmöglichkeiten, um diese unruhigen Aktionen der Kinder in ein gemeinsames Spiel überzuführen. Um mit Hilfe der Initialtechniken das für die Gruppe relevante Thema zu finden und im psychodramatischen Spiel zu behandeln, müssen die LeiterInnen aber die Ursache der motorischen Unruhe verstanden haben. Auf keinen Fall sollten sie rein motorische Entladungen ohne symbolische Bedeutung (z.B. Kissenschlacht) akzeptieren, sonst haben sie, so war unsere Anfangserfahrung, nur eine herumtobende Kinderschar. Interventionen auf der verbalen Ebene (verbale Starter): Zunächst müssen die Handlungen und der ablaufende Gruppenprozess erfasst werden. Dazu ist eine besondere Form des Sehens, Hörens, der Wahrnehmung notwendig, die Petzold (1986, S. 142ff.) „szenisches Erfassen und Verstehen“ genannt und als Erfassen mit dem „ganzen Sinnesorgan des Leibes“ verstanden hat. Haben die LeiterInnen den Sinn intuitiv erschlossen, versuchen sie ihn in ein symbolisches Geschehen zu übersetzen, das die Kinder zu einer Spielhandlung anregt. In der Anfangsphase einer Gruppe von Achtjährigen sind die Kinder noch sehr angespannt und aufgeregt. Diese Spannung entlädt sich bei der Themenfindung in motorischer Unruhe. Zunächst lassen sich zwei Jungen und dann von ihnen angesteckt die anderen Kinder von den Polstern fallen, hüpfen auf ihnen herum, schlagen dann gegenseitig mit den Füßen aus und sind in dieser Unruhe nicht mehr zu einer Themenfindung fähig. Hätten in dieser Situation die Leiter auf die Gesprächsrunde bestanden, wäre die Spannung der Kinder nur eskalierend gestiegen, wobei die Leiter immer ärgerlicher, die Kinder in der Gegenreaktion immer aufgeregter und unruhiger geworden wären. Stattdessen beschreibt die Leiterin diese Szene folgendermaßen: „Es kommt uns so vor, als ob Pferde vor Unruhe in einer Koppel hin und her galoppieren, sich aufbäumen und ausschlagen.“ Dieses Bild können die Kinder aufnehmen und machen den Spielvorschlag, sie seien Wildpferde, die von Pferdedieben, den Therapeuten, eingefangen würden. Nach dem Aufbau der Szene entladen die Kinder ihre Anspannung
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motorisch in den Rollen der Pferde. Sie spielen die Bedrohung durch die Therapeuten aus und beschwichtigen in der Gegenrolle der schönen, kräftigen Pferde ihre Angst, indem sie dann aus der Koppel ausbrechen und die Pferdediebe niedertrampeln. Interventionen auf der Handlungsebene (Handlungsstarter): Als Handelnde übernehmen die LeiterInnen in der Kindergruppe eine haltende oder eine Hilfs-Ich-Funktion, um die unterentwickelten Fähigkeiten eines oder mehrerer Kinder zu stärken und so zu verhindern, dass ein Kind aufgrund des Wiederholungszwangs frühere Erfahrungen auch in der Gruppentherapie reproduziert. Indem sie Grenzen setzen und Stabilität garantieren, nehmen sie die Funktion eines Hilfs-Ichs dort war, wo die Ich-Organisation des Kindes noch nicht ausreichend entwickelt ist. Nur in einer haltenden Beziehung kann ein Kind das, was zunächst äußere Stabilität war, als innere Stabilität entwickeln und die haltende Umwelt introjizieren. Der zehnjährige Franz, der nach sehr frühen Erfahrungen des Abgelehntund Ausgestoßenwerdens als Vierjähriger adoptiert wurde, reproduziert in der Gruppe diese frühen Erfahrungen. Indem er in der Anfangsrunde nur schreiend herumrennt, die Leiter mit obszönen Ausdrücken beschimpft, hindert er die Gruppe bei der Themenfindung. Leiter wie Kinder werden immer ärgerlicher auf ihn, was Franz nur dazu führt, noch mehr zu provozieren. Nachdem die Leiter nach der Stunde das Geschehen reflektieren und in einem szenischen Verstehen begriffen haben, dass Franz eine erlebte Szene reproduziert und sie zur Übernahme von Reaktionen der erlebten frühen Interaktionspartner drängt, geben sie Franz in der nächsten Stunde eine andere Antwort. Sie sagen ruhig, dass sie nicht möchten, dass es Franz hier so ergehe wie draußen. Da sie aber wüssten, dass er sich noch nicht anders verhalten könne, möchten sie für ihn sorgen und ihn halten, damit ihm nicht auch hier wieder Ablehnung entgegenkomme. Der Therapeut setzt sich zu ihm und hindert ihn, indem er ihn hält, ohne ihm aber weh zu tun, daran, die Entwicklung eines gemeinsamen Spiels durch Herumtoben zu verhindern. Indem der Therapeut seinen Körper als haltenden Raum, als „Container“ anbietet, können dann Gefühle aus der Entbehrungssituation, Sehnsucht nach dem entbehrten Schutz, Halt und Sicherheit hochkommen und im Spiel ausgedrückt werden.
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Die LeiterInnen können aber auch in der Symbolsprache der Kinder therapeutisch auf das Gruppengeschehen einwirken, indem sie eine Position beziehen, die sie entweder aufgrund therapeutischer Überlegungen aufsuchen oder sich aus den unbewussten Rollenerwartungen der Kinder zuweisen lassen (vgl. 6.1). Haben sich die Kinder auf ein gemeinsames Spiel geeinigt, lassen wir sie den Handlungsablauf bzw. meist nur den Spieleinstieg grob skizzieren. Das kurze Ausphantasieren, was in der Geschichte alles passieren könnte, eröffnet den Kindern oft auch neue Rollen und Spielhandlungen. Doch haben die Kinder im Spiel die Freiheit zu improvisieren. Spiel und vorgeschlagene Geschichte müssen nicht übereinstimmen, da die Interaktionsdynamik und die individuelle Dynamik oft zu einem anderen als im Spielentwurf vorgesehenen Ablauf führen. Die Kinder müssen sich aber, um einen gemeinsamen Handlungsablauf aufrecht zu erhalten, über Änderungen in der dramatischen Abfolge einigen und ihre Rollen aufeinander abstimmen. In dieser „Ko-Improvisation“, in diesem Gemeinschaftswerk sieht Widlöcher (1974, S. 11) einen wichtigen therapeutischen Effekt des psychodramatischen Spiels. 2. Schritt: Rollenwahl Ist ein Spielthema gefunden, lassen wir die Kinder die Rollen, die sie im Spiel übernehmen möchten, wählen und kurz beschreiben. Um die Rolle möglichst plastisch herauszuarbeiten, müssen die LeiterInnen Fragen stellen, wie z.B.: „Bist du ein kleiner oder ein großer Wolf?“ „Hast du starke Reißzähne?“ „Dann hast du ja ein wunderschönes, weiches Fell zum Kuscheln.“ „Du kannst auch gut knurren und aufheulen.“ Diese Befragung darf aber nicht zu lange gehen, da ja die Kinder meist das Spiel kaum noch abwarten können. Wichtig ist, mit wenigen Fragen wesentliche Eigenschaften der gewählten Rolle herauszuarbeiten. Außerdem können Beschreibungen der LeiterInnen wie z.B.: „So ein Wolf kann ja ganz leise anschleichen“, oder „So ein kleiner Wolf hat ja ein ganz kuscheliges Fell“, den Kindern helfen, sich für die gewählte Rolle anzuwärmen. Gehemmte Kinder sind in der Anfangsphase oft nicht in der Lage, für sich eine Rolle zu wählen. Durch Schildern von Rollen, wie z.B.: „Im Urwald gibt es wilde Tiere, wie Krokodile, Tiger, Schlangen; oder Tiere, die sich gut schützen können, wie Stachelschweine oder Schildkröten; oder Tiere, die schnell sind oder fliegen können, wie Affen und Vögel“, oder durch einfache Alternativvorschläge, wie z.B.: „Möchtest du lieber ein Mensch oder ein Tier sein?“, oder „Willst du lieber
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ein gefährliches oder ein friedliches Tier sein?“, helfen die LeiterInnen ihnen, Rollen zu finden. Bei bestimmten Rollenwahlen, die mit Machtausüben oder über andere Bestimmenwollen zu tun haben, muss das Einverständnis der anderen Kinder eingeholt werden, ob und inwieweit sie bereit sind, sich den Befehlen eines Anführers oder den Zauberkräften unterzuordnen. Wenn ein Kind Zauberer sein will, fragen die LeiterInnen nach, was es zaubern kann und ob die Mitspieler, wenn sich die Zauberkraft auch auf sie bezieht, einverstanden sind, sich verzaubern zu lassen. Diese Absprachen sind notwendig, damit Kinder im Spiel mitspielen und es nicht zu heftigen Konflikten während des Spiels kommt. Wichtig ist auch in einer Rollenabstimmung die Beziehung zu den anderen Rollen herzustellen. So benötigt z.B. ein Kind, das die Rolle eines Arztes wählt, andere Kinder, die bereit sind, im Spiel auch mal krank oder verletzt zu sein. Diesen konfigurativen Charakter der Rolle hat Moreno immer wieder betont. Ohne den interaktionalen Zusammenhang sind die aktionalen Rollen nicht verstehbar. Fernsehserien, wie Ninja Turtles und Pokémon oder Police Academy führen aber vermehrt dazu, dass Kinder die Begrenzung, die mit jeder Rolle verbunden ist, nicht mehr wahrhaben wollen. Als Tiere können sie alles, als Polizisten dürfen sie alles. Es gibt keine Rollenfestschreibung mehr. Daher wird es immer wichtiger, Kinder auf die Realität und die Grenzen der Rolle, wie z.B., dass der Tiger einen kräftigen Biss hat und weit springen kann, aber nicht fliegen; oder dass ein Polizist die Verbrecher verfolgen und verhaften kann, nicht aber tun und lassen kann, was er will, hinzuweisen. Lässt man zu, dass sie in der gewählten Rolle alles können oder dürfen oder Rollen karikaturistisch überzeichnen, dann nimmt man ihnen die Erfahrung, dass jede Rolle Möglichkeiten, aber auch Begrenzungen hat. Unterschiede werden sonst verwischt, und es wird unwichtig, welche Rolle gewählt wird. Es bleibt dann nur noch eine rigide Rolle, nämlich die des Omnipotenten, der alles kann und niemanden braucht. Ein Zusammenspiel wird verunmöglicht, es laufen nur noch isolierte, egozentrische Einzelspiele. Doch darf diese Begrenzung nicht zu rigide ausgeübt werden. Selbstverständlich lassen wir z.B. Kinder als Tiere reden oder Dinge tun, die reale Tiere nicht können, wenn sie uns dabei etwas Wichtiges mitteilen möchten. Möchte ein Kind anderen Kindern Rollen anbieten, die seiner Spielintention entgegenkommen, dann anerkennen wir seinen Vorschlag, weisen aber auf die Regel hin, dass jedes Kind selbst entscheiden kann, welche Rolle es übernehmen möchte.
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Will ein Kind die Rolle im Spiel wechseln, lassen wir es nur zu, wenn die neue Rolle der Veränderung dient, wenn ein Kind dadurch z.B. eine bessere Beziehung zu anderen Kindern finden kann oder aus einem rigiden Rollenverhalten aussteigt und Möglichkeiten in sich entdeckt, die es bisher nicht entwickeln konnte. Nach Moreno (1946, S. 18) ist es ja gerade eine Aufgabe der psychodramatischen Behandlung, die Kinder dahin zu bringen, erlebte und nicht erlebte Dimensionen ihrer inneren Welt zu entdecken und in ihr Selbst zu integrieren. Kinder jedoch, die immer dann die Rolle wechseln, wenn sie an die Grenze dieser Rolle stoßen und ihre Omnipotenz begrenzt sehen, die in einer falsch verstandenen Spontaneität in das Gewand der Neuheit gekleidete, problemerhaltende Konserven zeigen, begrenzen wir. Wir sagen ihnen offen den Grund, weshalb es für sie jetzt nicht gut ist, eine neue Rolle zu wählen, und weshalb wir möchten, dass sie in diesem Spiel die zuerst gewählte Rolle durchhalten. Kinder, die immer wieder eine Rolle wählen, die sie im Spiel in Konflikt mit anderen Kindern bringt, und die aus dieser Spielerfahrung nicht selber zu einer veränderten Rollenwahl finden können, weisen wir schon bei der Rollenwahl darauf hin, in welche Schwierigkeiten sie diese Rolle wieder bringen kann. Die genauere Rollenbefragung kann auch, wenn die Themenwahl zu lange gedauert hat, und die Kinder nicht mehr zu halten sind, während des Aufbaus der Kulissen erfolgen, indem die LeiterInnen herumgehen und die Kinder beim Bauen nach ihren Rollen befragen. Wichtig ist, dass sie dann zu Beginn des Spiels alle Rollen laut beschreiben, so dass die Kinder die Eigenschaften der Rollen kennen. Diese Rollenbefragung kann auch spielerisch erfolgen. So wärmte z.B. der Leiter zu Beginn eines Ritterspiels als Schreiber der königlichen Chronik durch seine Fragen die Prinzessinnen und die Ritter für ihre Rollen an. Haben alle Kinder ihre Rolle gewählt, entscheiden sie gemeinsam darüber, welche Rollen die LeiterInnen verkörpern sollen. Schlägt ein Kind eine Rolle vor, fragen die LeiterInnen nach, ob die anderen Kinder das auch wollen, oder ob sie andere Vorstellungen haben. Im Unterschied zum Erwachsenenpsychodrama, wo der Spielleiter oder die Spielleiterin nicht mitspielt, sind wir wie Anzieu (1984) dazu übergegangen, dass im Allgemeinen beide LeiterInnen mitspielen, damit die Kinder ihre Elternübertragungen oder auch Spaltungswünsche voll ausspielen können. Um in den Rollen die Projektion der Kinder darstellen zu können, holen wir uns genaue Angaben über den Charakter und das Verhalten der zugeteilten Rollen ein. So fragt z.B. der Leiter, der die Rolle eines Lehrers übertragen bekommt, nach, ob er ein strenger, autoritärer Lehrer oder ein netter,
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zugewandter sein soll. Diese Vorgaben der Kinder sind zugleich ein Schutz vor den eigenen Übertragungen der LeiterInnen und geben ihnen wichtige Handlungsanweisungen für das Spiel. Haben die Kinder dem Leiter die Rolle eines strengen Lehrers übertragen, so muss er in dieser Rolle gegenüber den Schülern Position beziehen und sie mit Strenge behandeln. Tauchen im Spiel Unsicherheiten auf, müssen die LeiterInnen immer wieder nachfragen, wie sie sich in den Rollen zu verhalten haben. Damit die LeiterInnen in diesem Mitspielen nicht ihre Konflikte ausagieren, ist eine Eigentherapie zur Reflexion und Aufarbeitung der eigenen Kindheit unbedingt notwendig. Bei Kindern aber, die zuwenig Struktur haben, die unkontrolliert und in ihrem Rollenrepertoire zu rigide sind, so dass sie nur chaotisches und destruktives Spielverhalten zeigen, lässt eine/r der LeiterInnen sich keine Übertragungsrolle geben, sondern wählt für sich eine Hilfs-Ich-Rolle (vgl. 5.2.2) Bei den Rollenzuweisungen achten wir darauf, welche Rollen die Kinder uns aufdrängen wollen, welche Beziehungen sie unbewusst zwischen sich und uns aufzubauen versuchen. Wir fragen uns, ob wir zur Übernahme von Rollen gedrängt werden, in denen wir uns so fühlen, wie die Kinder sich in früheren oder gegenwärtigen Szenen fühlten, oder ob wir Rollen bekommen, in denen wir wie ein Interaktionspartner der Kinder reagieren sollen. In der Sprache der Objektbeziehungstheorie ausgedrückt projizieren die Kinder auf uns Selbst- oder Objektrepräsentanzen, und unsere Aufgabe ist es, uns mit diesen Projektionen partiell zu identifizieren und sie auszuspielen. 3. Schritt: Einrichten der Szenerie Da es im Kinderpsychodrama kein Publikum gibt, was auch bei Moreno für Kinder nicht in Frage kam, gibt es auch keine Bühne im eigentlichen Sinn mehr. Der ganze Raum wird zum Spielraum, in dem keiner außerhalb des psychodramatischen Spiels bleiben kann. In diesem Raum können die Kinder mit den Polsterelementen und dem vorhandenen Material den Ort der Handlung einrichten. Um im Spielraum eine räumliche Struktur zu schaffen, die zur Darstellung der Geschichte gehört, muss zuerst der Raum aufgeteilt und mit Polstern und Tüchern abgeteilt werden. Nachdem die Kinder sich auf ein Räuberspiel geeinigt und ihre Rollen gewählt haben, fragt die Leiterin, wo im Raum sich die Räuberhöhle befindet. Die Kinder wählen dafür eine Ecke des Raumes. In der gegenüberliegenden Ecke soll das Schloss aufgebaut werden. Auf Nachfragen bestim-
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken men sie dann, dass dazwischen der dunkle Wald liegt, in der Nähe des Schlosses die Wiese mit Büschen und vor dem Schloss der tiefe Burggraben.
Nach der Raumaufteilung können die Kinder ihre Kulissen mit den vorhandenen Requisiten bauen und die vorher geschilderte Örtlichkeit mit Tüchern, Polstern u.ä. skizzieren. Dabei kann es rasch zum Streit um Polster und Material kommen. Mit Hilfe der LeiterInnen lernen die Kinder auszuhandeln, wer welches Baumaterial benötigt und wie es aufgeteilt werden soll, so dass nicht Kinder, die dominieren oder sehr schnell sind, alles Material an sich reißen können. Für den Aufbau der Kulissen benötigen Kinder oft einige Zeit. Wollen Kinder nur wenig aufbauen, werden sie dazu angeregt, da die Kulissen Struktur schaffen und zugleich Spielmöglichkeiten eröffnen. Ein unstrukturierter Raum führt schnell zu Chaos. Auch ist schnell ein Spiel zu Ende, wenn z.B. die Räuber mit einem Sprung über ein Polster den Schatz des Königs stehlen können und sie nicht erst durch den Wald reiten, sich dann auf der Wiese vor dem Schloss anschleichen, sich hinter den Büschen verstecken, den Schlossgraben und die Mauer überwinden und den Schlüssel für die Schatzkammer unter dem Bett des Königs entwenden müssen, bevor sie an den Schatz kommen. Gerade für Kinder ist eine „möglichst konkrete Beschreibung der Einrichtung des Ortes ... unerlässlich“ (Moreno 1969, S. 132), „mit so viel Details wie möglich“ (Moreno 1946, S. 185). Auch die LeiterInnen müssen ihre Kulissen detailliert bauen, um über Spielräume Handlungen zu eröffnen und unstrukturierten Kindern die nötige Begrenzung zu schaffen. So müssen sie z.B., wenn sie ihr Schloss bauen, deutlich machen, wo der Thronsaal ist, wo sich die Schatzkammer befindet, dass sie mit dicken Eisentüren verschlossen ist, wo ein Fenster ist, durch das vielleicht die Räuber einsteigen, wo sich das Schlafzimmer des Königspaars befindet, wo der Schlüssel für die Schatztruhe versteckt ist u.ä. Dieser detaillierte Aufbau dient nicht nur der Strukturierung des Spiels, so dass die Kinder die Wände oder Türen ernst nehmen müssen. Er eröffnet auch neue Spielideen. Wenn z.B. der Leiter im Schloss auch ein Verließ aufgebaut hat, können die Kinder als Räuber im Spiel ihre Wut auf den bösen König ausspielen und ihm im Kerker alles Unrecht zurückzahlen. Das Einrichten der Kulisse dient neben der Strukturierung auch der weiteren Erwärmung. Werden z.B. beim Dschungelspiel die Rollläden heruntergelassen, so dass der Raum dämmrig wird, die Vorhänge oder Tücher über Polster gezogen, so dass sie wie Lianen oder Spinnennetze aussehen, einige Seile als Schlangen ausgelegt, blaue Tücher als See und schwarze für den Sumpf
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hingelegt, dann wird eine Atmosphäre geschaffen, die die Kinder immer mehr in die Welt des Urwalds einführt und sie so für das Urwaldspiel anwärmt. Während die Kinder ihre Kulissen bauen, können die LeiterInnen herumgehen und über Fragen die Symbolwelt für die Kinder plastischer machen. So fragen sie z.B. beim Räuberspiel: „Wie sieht denn Eure Räuberhöhle aus? Ist sie ganz dunkel? Ist es eine Erdhöhle, oder ist sie aus Stein? Ist es gemütlich da drin? Wo ist denn die Feuerstelle?“. Außerdem haben die Kinder die Möglichkeit, sich mit Tüchern und Hüten, die im Schrank sind, zu verkleiden oder mit Baufix nötige Requisiten, wie z.B. Dolch, Pistole, Schwert zu bauen. Auch die LeiterInnen sollten mit Tüchern und Hüten ihre Rollen andeuten, sich z.B. als Königspaar mit schönen Tüchern schmücken und für ihre Schatzkammer aus bunten Baufix-Würfeln Diamanten und Kissen als Goldsäcke wählen. Verkleidung und Requisiten dienen ebenfalls dazu, LeiterInnen und Kinder für das Spiel anzuwärmen und im Spiel auf Strukturen bestehen zu können. So können z.B. die Kinder als Räuber nicht einfach behaupten, sie hätten den Schlüssel zur Schatzkammer gestohlen, sondern müssen, weil der Leiter als König ein Baufix-Teil als Schlüssel gewählt und ihn unter seinem Bett versteckt hat, wirklich an das Bett des Königs schleichen, einen Moment in Spannung innehalten, weil der König vielleicht kurz im Schlaf aufschreckt und sich bewegt, und den Schlüssel vorsichtig unter den Kissen des schlafenden Königs hervorziehen. Dadurch wird außerdem ein größerer Spannungsbogen im Spiel erreicht, was vor allem für Kinder mit niederer Frustrationstoleranz wichtig ist. Manchmal wollen Kinder ihre eigenen Requisiten, vor allem Waffen, mitbringen, weil ihnen die Andeutungen nicht ausreichen. Hier begrenzen wir die Kinder und weisen sie darauf hin, dass sie sich mit dem vorhandenen Material begnügen müssen. Sind die Kinder mit Bauen und Ausschmücken fertig, beschreiben wir, bevor das Spiel beginnt, den Spielraum oder lassen jedes Kind seine vorhandene oder imaginierte Kulisse erklären, so dass sie durch die Imaginationsfähigkeit aller Kinder belebt wird, und alle Kinder wissen, was die Kissen, Polster, Tücher u.ä. bedeuten. Dadurch können sie in der anschließenden Spielphase sich so im Raum bewegen, als ob die beschriebenen Einrichtungen tatsächlich vorhanden wären. Zugleich befragen wir auch die Kinder, wann z.B. ihre Höhle verschlossen ist und für wen sie nicht zugänglich ist. Wir weisen auch darauf hin, dass eine feste Felsenhöhle nicht einfach umgestoßen werden kann, auch wenn die Polster vielleicht etwas wacklig sind. Die Möglichkeit und Sicherheit zu haben, sich an einen sicheren Ort zurückziehen zu können, der von allen respektiert wird, ist
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vor allem für unsichere, ängstliche und traumatisierte Kinder wichtig. Außerdem ermöglichen solche Rückzugsmöglichkeiten, Ruhephasen im Spiel einzulegen.
3.2 Spielphase 3.2 Spielphase Nach dieser Bauphase beginnt das Spiel mit einem Verwandlungsritual. Damit es zu einem gemeinsamen Spielstart kommt, fordern wir die Kinder auf, sich in ihre gebauten Behausungen, in ihre Höhlen, Nester, Burgen oder Raumschiffe zu begeben. Mit dem Rieseln des Regenstabes leiten wir dann die Verwandlung in die gewählten Tier- oder Heldenrollen ein. Es sei noch Nacht, die Tiere oder Helden würden sich noch ausruhen oder schlafen. Dann lassen wir es tagen und die Tiere oder Helden erwachen. Bei jüngeren Kindern untermalen wir den Tagesbeginn mit Tiergeräuschen (Hahnenschrei auf dem Bauernhof oder Affengeräusche im Urwald). Im Spiel haben die Kinder die Freiheit zu improvisieren. Spiel und vorgeschlagene Geschichte müssen keineswegs übereinstimmen. Und Kinder halten sich auch nur selten streng an ihren Handlungsentwurf. Die ersten Beschreibungen dienen lediglich als Vorlage. Die Interaktionsdynamik führt oft zu einem anderen Ablauf. Um aber einen gemeinsamen Handlungsablauf zu gewährleisten, müssen sie sich über die Änderungen der dramatischen Abfolge absprechen und einigen. Im Spiel entsteht ein Entwicklungsraum. In diesem „potentiellen Raum“ können die Kinder in einer neuen Inszenierung „böse Szenen“, die sie erleiden mussten, wiederholen und „ersehnte Szenen“ herholen. Sie zeigen seelisch belastende Erfahrungen und verdrängte Gefühle und befreien sich in einer Handlungskatharsis von ihrem Bedrohungscharakter. Wenn das Kind im Spiel die symbolischen Gestalten verkörpert, „dann verlieren sie nicht nur ihre Macht und ihren Zauber über ihn, sondern er erwirkt ihre Kräfte für sich selbst. Sein eigenes Ich hat Gelegenheit, sich zu finden und wieder zu ordnen, die Elemente zusammenzusetzen, die durch tückische Kräfte auseinandergehalten waren, sie zu einem Ganzen zu fügen und ein Gefühl von Macht und Erleichterung zu gewinnen, eine Katharsis der Integration, eine Reinigung durch Vervollständigung“ (Moreno 1973, S. 83). Daher kommt es zum Abbau psychischer Störungen und zur Ausbildung einer gesunden Selbstannahme. Berührung ist dabei ein wesentliches Element des Kinderpsychodramas. Über Berührung, diese elementarste Kontaktform, können die frühen präverbalen Erlebnisse des Kindes angesprochen werden. Und über dieses Körpererleben
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erfährt das Kind eine heilsame neue Erfahrung, eine heilsame Antwort auf seine Traumatisierung oder sein Mangelerleben. Es erlebt unmittelbar Schutz, Geborgenheit, Unterstützung und Gehaltenwerden. In der neuen Beziehungserfahrung mit den TherapeutInnen und den anderen Kindern werden bislang nicht befriedigte körperliche Bedürfnisse nach Berührtwerden, Gestreichelt-, Getröstetund Gehaltenwerden empathisch und akzeptierend beantwortet und unterdrückte und blockierte Affekte freigesetzt. Über diese verkörperte korrigierende Erfahrung fühlt sich das Kind genährt und unterstützt. Dies bedeutet für die TherapeutInnen, dass sie verkörpern müssen, was fehlte. Sie müssen, wie Petzold (1995) betont, berühren, wo keine streichelnden Hände waren, es liebevoll anschauen, wo abwertender Blick war und mit guten Worten bestätigen, wo Schweigen oder Kritik war. Bei diesem „Reparenting-Prozess“ (Petzold1995, S. 440ff.) geht es aber nicht darum, einen fehlenden Elternteil zu ersetzen und erlittenes Leid durch symbolische Wunscherfüllung wieder gut zu machen, sondern durch eine alternative Verkörperung, durch die Schaffung einer korrektiven Atmosphäre dem Kind neue Wege im Erleben und Verhalten zu ermöglichen und seine eingeengte Kreativität zu befreien. Und über das Berührtwerden entsteht ein Angenommenwerden, das über eine Veränderung des Selbstbildes zu einem veränderten Selbstbewusstsein führt. Jedoch müssen der Therapeut oder die Therapeutin in der Annahme der negativen Übertragungsrolle dem Kind auch Raum für seinen Schmerz und seine Wut geben (vgl. Aichinger 2008). Da das Spiel außerdem Spaß macht, können die Kinder immer wieder einen lustvollen Zugang zu ihren vitalen Lebens- und Gestaltungsprozessen finden. Während des Spiels stehen den LeiterInnen verschiedene Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung, um den Selbstheilungsprozess der Kinder zu unterstützen und zu stimulieren. Diese Handlungstechniken sind „Inszenierungshilfen“, die Handlungsabläufe strukturieren, das symbolische Spielgeschehen intensivieren und Erfahrungen, Einsichten und Veränderungen ermöglichen.
3.2.1 Einstimmung Obwohl Kinder meist leicht den Übergang von der Realität zur Semirealität des psychodramatischen Spiels schaffen, brauchen sie, vor allem Vorschulkinder und Kinder in der Anfangsphase der Gruppentherapie, eine Anwärmung, eine Einstimmung, um sich Ort und Zeit der Spielszenen besser imaginieren zu können. Indem die LeiterInnen zu Beginn des Spiels die Eingangsszene möglichst bildhaft schildern oder über Geräusche, z.B. Tierstimmen, den Ort der Handlung
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mit Leben füllen, schaffen sie eine Spielatmosphäre und stimmen die Kinder auf das kommende Spiel ein. Gerade unruhige und impulsive Kinder benötigen diese Einstimmung, um sich Zeit zu lassen, in ihre Rollen zu finden, und nicht gleich loszustürmen. In der Anfangsphase einer Gruppe von Zehnjährigen einigen sich die Kinder, als Forscher eine unbekannte Insel zu entdecken. Die Therapeutin soll eine Eingeborene sein, die sie in ihr Dorf aufnehmen und versorgen, der Leiter dagegen ein Menschenfresser im dichten Urwald. Anschließend bauen sie den Urwald auf. Da die Jungen noch sehr unruhig und aufgeregt sind, schlägt die Leiterin vor, das Spiel damit zu beginnen, dass die Forscher in ihren Hängematten im Dorf liegen, und es noch tiefe Nacht sei. Der Leiter verdunkelt den Raum und versucht nun über Geräusche, wie z.B. Papageienstimmen, Kreischen von Affen, Fauchen von Raubtieren und Eingeborenentrommeln eine Stimmung zu schaffen, die die Kinder besser in ihre Rollen bringt und sie für das Spiel anwärmt. Nach einiger Zeit zieht er langsam die Rollläden hoch und sagt dabei, die Sonne gehe nun über dem Dorf auf, und die Dorfbewohner würden erwachen.
3.2.2 Anstiftung Die meisten Kinder, die in die Therapiegruppe kommen, sind in ihrer Spontaneität und Kreativität beeinträchtigt und müssen erst wieder spielen lernen. Daher benötigen sie das Mitspiel der Therapeutlnnen. Durch ihr Beispiel, durch die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Rollen spielen, durch die Betonung der Mimik, Gestik und Motorik zeigen sie den Kindern, was in diesem „So-tun-alsob“ möglich ist und stiften die Kinder zur Imitation an. Sie zeigen damit, dass Spielen ein ganzheitliches Geschehen ist. Gerade ältere Kinder achten sehr genau darauf, ob die LeiterInnen ernsthaft mitspielen oder nur so tun, ob sie an der Oberfläche einer Rolle haften bleiben oder diese aus dem Innern des Leibes heraus erleben und ihren ganzen Leib als Ausdrucksmittel einsetzen. Diesen Verkörperungsmoment der Rolle betonte Moreno immer wieder. Angeregt durch die Hirnforschung mehren sich in jüngerer Zeit die Forderungen, den Körper mehr in die Psychotherapie einzubeziehen, da eine Psychotherapie ohne Körper dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht mehr entspricht (vgl. z.B. Gottwald 2006, Grawe 2004). Der Körper bietet nämlich einen leichten Zugang „zu allen Phänomenen und Ebenen des Erlebens
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und Verhaltens, also den Sinneswahrnehmungen, den Affekten, den motorischen Impulsen, den Gefühlen, aber auch zu Erinnerungen aus allen Alterstufen“ (Gottwald 2005, S. 140). Das Psychodrama hat schon früh die Wechselwirkung von Körper und Psyche beachtet. Der Mensch ist für Moreno zuallererst ein körperliches Wesen, daher ist eine Szene von der Körperlichkeit aller Beteiligten geprägt. Moreno verankert nach Hutter diesen Gedanken in seiner Philosophie, indem er hervorhebt, dass jede Rolle auf körperlichen Rollenanteilen basiert, dass eine Begegnung zuallererst eine Begegnung von Körpern ist (Hutter 2000, S. 134f.). Und sein Konzept zur Körperlichkeit ist mit seiner Theorie der Kreativität und Freisetzung gebundener Lebensenergie verbunden. Wer mit Kindern arbeitet, muss daher immer auch den Körper – seinen und den der Kinder – mit einbeziehen. Denn im Spiel sind die Kinder leib-seelisch als Ganzheit beteiligt, mit allen Sinnen. Für den Hirnforscher Gerald Hüther (2005, S. 23) ermöglichen solche körperorientierten Erfahrungen auch „die Wiederentdeckung einer ganz früh gemachten ganzheitlichen Erfahrung: Mein Körper – das bin doch ich!“. Das an einer Anthropologie des schöpferischen Menschen orientierte Kinderpsychodrama sieht die Förderung einer expressiven, kreativen Persönlichkeit als ein zentrales Anliegen und bezieht deshalb alle Sinnesorgane, die Affekte und die Motorik ein, um den freien Ausdruck von Gefühlen und körperlichen Regungen zu ermöglichen. N. Gäbler fordert für die Kindertherapie zu Recht ein „Zurück zu den körpernahen Sinnen“: „Durch das Einbeziehen der körpernahen Sinne in die Psychotherapie mit Kindern werden Erfahrungen gewonnen, die den entwicklungspsychologisch relevanten, natürlich auftretenden Bedürfnissen des Kindes entsprechen“ (2006, S. 802). Kleinen Kindern und Kindern, deren Kreativität verschüttet ist und die schnell mit ihrem Spiel am Ende wären, können die LeiterInnen durch ihr Mitspiel helfen, die Rollen auszugestalten und das Spiel in Gang zu halten. Daher müssen die LeiterInnen in der Lage sein, jede Rolle zu übernehmen und zu verkörpern. Doch bei allem lebhaften Mitspielen dürfen sie nicht in ihren Rollen aufgehen, sondern müssen genau auf das Spiel der Kinder achten. Um sicher zu sein, die Rollen nicht nach eigenen Projektionen, sondern entsprechend den Zuschreibungen der Kinder zu verkörpern, fragen die TherapeutInnen immer wieder nach, wie sie die Rollen zu gestalten haben. Fragen, wie: „Tät ich, der Bauer, jetzt schimpfen, oder wär ich ganz nachsichtig, wenn ich die Tiere in meiner Speisekammer erwische?“, stören die Kinder in ihrer Spieltiefe wenig. Sie
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sind gewöhnt, zwischen Kommunikationsebenen zu oszillieren und in ihren alltäglichen Rollenspielen einander solche Spielanweisungen zu geben. In den Symbolspielen mit den TherapeutInnen konstellieren die Kinder immer wieder ihre inneren Szenen, um Lösungen für die darin enthaltenen Aufgaben, Konflikte und Probleme zu finden. Um diese Erlebniswelt der Kinder zu erfassen, müssen die TherapeutInnen mit den Kindern in die Atmosphäre und Szenen eintauchen, Mitspielerinnen in ihren Szenen werden, mit ihnen und wie sie fühlen, „um dann durch Wechsel in eine innere Distanz im ,partiellen Engagement‘ die Übersicht zu gewinnen“, aus der heraus ihre jeweiligen Interventionen kommen (Petzold 1987, S. 391). Gerade in der ernsthaft gespielten übertragenen Rolle erspüren sie deren Bedeutung und Möglichkeiten. Auch müssen sie die Rollen der Kinder ernst nehmen und hinter der Fassade der Fernsehkonserven den symbolischen Gehalt entdecken, der über die Medienvorlage hinausweist. Nehmen sie ihre Rollen und die der Kinder mit allen Sinnen wahr, können sie die in der symbolischen Handlung liegenden Botschaften verstehen. Bleiben sie aber an der Medienvorlage, am manifesten Inhalt hängen und verstehen nicht die latente Bedeutung, den hintergründigen Sinn dieser Szene, kommen sie auch nicht zu den symbolisch-szenischen Interventionen, die sich im ernsthaften Spielen wie von selbst ergeben. In einer gemischten Gruppe von Achtjährigen wählen die Kinder Rollen von Urwaldtieren, Anna will ein Menschenkind sein, das allein im Urwald mit den wilden Tieren lebt, und nennt sich Mogli. Die Therapeutin soll eine Tierforscherin sein, der Therapeut eine Riesenschlange. Anna nennt ihn Kah, wie sie auch die anderen Tiere mit Namen aus dem Dschungelbuch versieht. Obwohl die anderen Kinder sich dagegen wehren, bleiben die beiden TherapeutInnen an der Filmvorlage hängen. Erst in der Supervision können sie erkennen, wie sie dadurch die Mitteilungen der Kinder nicht verstanden. Hätte zum Beispiel die Therapeutin ihre Rolle und die der Kinder ernst genommen, so hätte sie als Tierforscherin mit Erschrecken wahrnehmen müssen, dass ein Kind allein, ohne menschlichen Schutz im Urwald ausgesetzt ist und von einer Riesenschlange bedroht wird. Sie hätte das Entsetzen und die Angst gespürt, die Anna im Spiel abwehrte. Sie hätte die Bedrohung des Kindes gesehen und die Notwendigkeit, ihm zu Hilfe zu eilen. Da sie aber das Symbolspiel nur als Wiedergabe der Fernsehvorlage sah, verstand sie die chiffrierte Botschaft, die das Mädchen mitteilen wollte, nicht.
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Dazu benötigen die TherapeutInnen „ein flexibles Ich, das über die Archive des Leibgedächtnisses verfügen kann, das Regressionen ermöglicht (Petzold 1987, S. 361), damit sie auf Kinderweise fühlen und denken können, und ein Ich, das immer wieder auch Restabilisierung ermöglicht. Wohl erlaubt dieses innere Mitvollziehen der Szenen der Kinder ganzheitlicher zu erfassen, was die Kinder beschäftigt. Es birgt jedoch die Gefahr, dass die TherapeutInnen von eigenen Gefühlen und Erinnerungen überschwemmt werden. Wo aus dem partiellen Engagement für die Kinder ein Involviertsein mit ihnen wird, verlieren die TherapeutInnen die notwendige Übersicht über das Geschehen und können nicht mehr richtig intervenieren. Das Mitspielen setzt daher bei den LeiterInnen ein hohes Maß geleisteter Durcharbeitung und Reflexion der eigenen Kindheit voraus. Da sie häufig negative Rollen erhalten, die schwer auszuhalten sind, und da der regressive Sog beim Mitspielen große Gefahren birgt, ist neben der Eigenanalyse eine ständige Reflexion der Stunden nach dem Spiel notwendig. In Supervisions- und Ausbildungsgruppen erleben wir häufig, dass LeiterInnen aus einer Eigenproblematik heraus ihre zugewiesenen Rollen oder die der Kinder nicht ernst nehmen und damit die Weiterentwicklung der Kinder blockieren. In einer Kindergruppe von Sechsjährigen wählten die Kinder die Rollen von wilden Tieren, das Therapeutenpaar erhielt die Rolle von Tierfängern. Als vor der Tierfängerin plötzlich ein mächtiger Löwe, der von einem schmächtigen, gehemmten Jungen gespielt wurde, auftauchte und sie anfauchte, sah die Therapeutin nicht den Löwen, sondern den gehemmten Jungen, und streichelte ihm wie einer kleinen Katze übers Fell, statt vor Angst und Schrecken zu erzittern oder sich schnell aus dem Staub zu machen. Dadurch unterlief sie aus einer eigenen Aggressionsproblematik, wie es sich in der Supervision zeigte, diesen ersten Versuch des Kindes, sich mit seinen unterentwickelten aggressiven Seiten auseinanderzusetzen. Sie machte ihn wieder „zahm“ und reproduzierte damit die elterlichen Erziehungsstrategien. Genauso schädlich ist es, wenn LeiterInnen sich im Spiel verlieren, zu sehr ihre Rollen ausspielen und nicht mehr sehen, dass ihr Rollenverhalten eine „Rollenantwort“ auf die Übertragung der Kinder ist. Es kommt dann zu inadäquaten Antworten, weil die LeiterInnen in der Intensität des Spiels die Kontrolle über ihre Affekte verlieren oder ihre Abwehrhaltungen nicht mehr registrieren. Achtjährige Kinder wählten die Rollen von Indianern und gaben dem Leiter die Rolle eines Büffels, den sie jagen wollten. Statt sich als Büffel im Kampf
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken besiegen zu lassen, wurde der Leiter von seiner eigenen Aggressionsproblematik überschwemmt, gebärdete sich als wilder Büffel und rannte die Kinder immer um, obwohl diese ihm wiederholt die Anweisung gaben, er sei jetzt schwer verletzt und müsse umfallen. Die Kinder gerieten immer mehr in Angst, brachen dann das Spiel ab und sagten, sie hätten jetzt keine Lust mehr zu spielen.
Diese Beispiele zeigen, dass die LeiterInnen wohl an der Erlebniswelt der Kinder partizipieren müssen, nicht aber ihr Erwachsensein, auf das die Kinder ja angewiesen sind, aufgeben oder sich in Regression verlieren dürfen. „Zwischen lebhaftem Spiel und genauem Horchen auf die imaginäre Welt des Kindes, liegt die goldene Mitte psychodramatischen Verhaltens“ (Widlöcher 1974, S. 139). Da im Unterschied zur Arbeit mit Erwachsenen nicht die Sprache, sondern das Spiel das primäre Medium der Therapie ist, müssen die LeiterInnen ihr Augenmerk auf nichtsprachliche Prozesse legen, müssen eine analoge Kommunikation verstehen und analog antworten können. Dadurch verhelfen sie den Kindern zu einem intensiven Spiel und regen therapeutische Prozesse an. Die Bedeutsamkeit der Spieltiefe konnte Schmidtchen (1995, S. 15ff.) aufzeigen, die in Verbindung mit anderen Variablen heilungsfördernd ist.
3.2.3 Strukturierung Damit ein Spiel nicht schnell versandet oder chaotisch ausufert, greifen die LeiterInnen vor allem bei Vorschulkindern oder bei impulsiven, aggressiven Kindern, als SpielleiterInnen strukturierend ein und stützen die zum Teil gering entwickelte Fähigkeit des Kindes zur Selbststeuerung im Sinne einer „holding function“. Mit diesen strukturbezogenen Interventionen soll das Ich der Kinder gestärkt werden, um die Kinder zu befähigen, ihr Selbst und ihre Beziehungen zu regulieren. a) Kinder müssen an die Grenzen ihrer Rollen erinnert werden und strukturierende, neue Verhaltensmöglichkeiten eröffnende Angebote erhalten. Bei einem Urwaldspiel versucht ein achtjähriger Junge als schwarzer Panther in den Hubschrauber, in den sich die LeiterInnen als Tierfänger geflüchtet haben, einzudringen. Als diese ihm die Grenze setzen, der Hubschrauber sei abgeschlossen, da könne er nicht einfach rein, entgegnet
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er, er habe ein Lasergewehr und könne die Haube des Hubschraubers wegschießen. Daraufhin steigt der Leiter kurz aus seiner Rolle aus und weist ihn darauf hin, dass dies ein Panther nicht könne. Panther seien aber sehr schlau und könnten sich zum Beispiel gut verstecken und abwarten, bis sich ihr Opfer in Sicherheit wiegt und unvorsichtig herauskommt, und es dann in einem überraschenden Sprung anfallen. b) Sie brauchen auch manchmal die Hilfe der SpielleiterInnen, um auf die Rollen der anderen Kinder oder der LeiterInnen adäquat reagieren zu können. In einer gemischten Kindergruppe sind die Jungen gefährliche Indianer, die Mädchen Urwaldtiere, das Leiterpaar Abenteurer, die einen Inkaschatz stehlen wollen. Ein aggressiver Junge nimmt dabei die Mädchen als Urwaldtiere nicht ernst. Als er sich über die Wildkatzen lustig macht, packt ein Mädchen, das die Rolle einer Riesenschlange hat, ihn am Bein und sagt, sie habe ihn jetzt umwunden, und er könne nicht mehr fliehen. Der Junge reagiert aber nicht auf sie als Riesenschlange, sondern benützt seine überlegene Körperkraft, stößt sie weg und rennt davon. Der Leiter geht daraufhin schnell aus seiner Rolle heraus und weist ihn darauf hin, dass er ohne Waffen keine Chancen gegen eine Riesenschlange habe. Er könne vielleicht um Hilfe rufen oder versuchen, sie mit einer List abzulenken. Daraufhin sagt das Mädchen, sie wolle ihn ja gar nicht umbringen, er solle nur ohnmächtig werden, dann verschwinde sie wieder im Urwald. Als der Leiter fragt, ob er sich drauf einlassen könne, gesteht er dem Mädchen kurz die Stärke zu, lässt sich nochmals von ihr umschlingen und gibt sich ohnmächtig, bis die Schlange wieder in den Urwald zurückkriecht. c) Um die Realität der Kulissen oder der Requisiten ernst zu nehmen, sind immer wieder Grenzsetzungen notwendig. Sechsjährige spielen Bankräuber, die den Safe der Bankdirektorin ausrauben wollen. Obwohl diese vor Spielbeginn deutlich gemacht hat, dass eine Alarmanlage und Videoüberwachung in der Bank installiert ist, marschieren die Kinder einfach in die Bank und holen die Diamanten. Da unterbricht der Leiter kurz das Spiel und sagt, dass die Bankräuber nicht so einfach in die Bank eindringen können. Sie müssten zuerst die Alarmanlage und die Videoüberwachung ausschalten, indem sie zum Beispiel die Stromleitung
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken kappen und mit nachgemachten Schlüsseln die Tür zur Bank öffnen und mit Schweißgeräten den Safe knacken.
Diese strukturierenden Vorschläge eröffnen neue Spielmöglichkeiten und schaffen einen größeren Spannungsbogen gerade für die Kinder, die sonst auch recht impulsiv reagieren und wenig Spannung aushalten können. Das Bestehen auf der Realität der Kulissen muss aber flexibel gehandhabt werden. So werden die LeiterInnen bei einem gehemmten Kind, das als Katze zum ersten Mal wagt, eine Wurst aus der Speisekammer der Bauern zu stehlen, nicht darauf bestehen, dass die Tür zugeschlossen war und die Katze daher nicht hineinschleichen konnte. Mit Worten wie: „Verflixt, wir haben die Tür nicht richtig versperrt. Und dieser kleine Kater, der immer alles genau beobachtet, hat dies sofort bemerkt“, können sie das Kind ermutigen, seine kaptativen Bedürfnisse mehr auszuspielen. Einem unkontrollierten Kind würden sie dagegen Grenzen setzen und darauf bestehen, dass die Tür verschlossen war und eine Katze nicht durch verschlossene Türen gehen kann. Mit der Grenzsetzung müssten sie aber eine Alternative anbieten, die die geringe Spannungstoleranz des Kindes erhöhen könnte, wie zum Beispiel: „Hoffentlich legt sich die Katze nicht auf die Lauer und passt den Moment ab, wo wir unaufmerksam sind und das Fenster oder die Tür offen lassen.“ d) Auch ist es immer wieder notwendig, das Spiel der Kinder zu unterbrechen, „einzufrieren“ und den Kindern zu helfen, sich mit ihren Konfliktpartnern auseinanderzusetzen und Konfliktlösungen zu erarbeiten. In einer gemischten Gruppe von Zehnjährigen sind die Jungen Außerirdische, die Mädchen wollen Kinder und die LeiterInnen sollen ihre Eltern sein. In der Nacht landen die Außerirdischen plötzlich im Schlafzimmer der Mädchen und wollen diese rauben, was aber nicht abgesprochen war. Die Mädchen protestieren. Daraufhin unterbricht die Leiterin kurz das Spiel und klärt, unter welchen Bedingungen ein gemeinsames Spiel weitergehen könnte. Die Mädchen machen das Zugeständnis, dem Bedürfnis der Jungen, mächtige Außerirdische sein zu wollen, entgegenzukommen. Sie lassen sich einfangen und auf einen fremden Planeten entführen. Sie fordern aber im Gegenzug von den Jungen, dass diese sich dann ein Raumschiff stehlen lassen, mit dem die Mädchen zu ihren Eltern zurückfliegen können, die vor Kummer fast sterben. Dieses wechselseitige Arrangement ermöglicht einen konstruktiven Fortgang des Spiels und führt zur Überwindung der
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erstarrten Rollenkonserven der Jungen, immer nur über die Rolle der Mächtigen verfügen zu wollen. e) Wenn Kinder, ohne sich abzusprechen oder zu einigen, unterschiedliche Spielideen einfach ausspielen, müssen die LeiterInnen das Spiel kurz unterbrechen und nachfragen, wie das Spiel weitergehen soll. Auch wenn ein Kind den LeiterInnen eine bestimmte Rollenanweisung gibt, holen sie die Zustimmung aller Kinder ein. Sagt zum Beispiel ein Kind zum Leiter: „Jetzt wärst Du tot“, fragt dieser die anderen Kinder, ob diese auch damit einverstanden sind, wenn ja, wie lang er tot sein solle, auf wie viel er zählen müsse. Wenn keine Einigung möglich ist, können die LeiterInnen sich auch unterschiedlich, je nach Wunsch der einzelnen Kinder, verhalten, z.B. bei einem ängstlichen Kind als Drache weniger gefährlich sein, bei den anderen dagegen angriffslustiger. f) Bei Grenzüberschreitungen werden die Kinder kurz an die Regel des „So-tunals-ob“ erinnert. Wenn Kinder sich wehtun oder beleidigen, gehen die LeiterInnen schnell dazwischen und setzen Grenzen. Aus Angst, dem negativen Elternbild des Kindes zu gleichen oder zu autoritär zu wirken, schieben viele LeiterInnen diesen Eingriff so weit wie möglich hinaus, statt ein „Schluss jetzt“ auszusprechen. Diese Grenzsetzungen sind gerade für stark ausagierende Kinder erforderlich, um sie zu schützen, zu bewahren und zu halten. Strukturieren können die LeiterInnen aber nicht nur als LeiterInnen, wenn sie wie in einem fliegenden Wechsel aus den Rollen kurz heraustreten und eingreifen, sondern auch in den Rollen, die sie gerade innehaben. Da dieses Strukturieren in den Rollen das Spiel nicht unterbricht und die Kinder aus ihrer Spielwelt herausholt, sondern in der Symbolsprache auf sie einwirkt, sind diese Interventionen vorzuziehen. Eine Gruppe von zwölfjährigen Jungen hat sich entschieden, Gladiatoren zu spielen. Die Leiterin soll Kaiserin von Rom sein, der Leiter Masseur und Betreuer der Gladiatoren. Während die anderen Jungen sich auf den Kampf vorbereiten und verschiedene Probekämpfe absolvieren, spielt Thomas, der auch sonst in seiner Kreativität sehr eingeengt und ein geringes Rollenrepertoire zur Verfügung hat, einen Betrunkenen, torkelt durch die Kämpfenden und stört sie, die voll Ernst bei der Sache sind. Die anderen Jungen ärgern sich über die Störung und beschimpfen ihn, zumal er auch wenig auf die Kulissen, z.B. die Mauern des Kolosseums achtet und sie einwirft. Als
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Betreuer wundert sich der Leiter laut, was mit diesem Gladiator wohl los ist. Er laufe ja Gefahr, von den Zuschauern ausgelacht oder von der Kaiserin in Schimpf und Schande entlassen zu werden. Er fragt sich, was wohl geschehe, wenn dieser Gladiator nicht mehr so ein absonderliches Verhalten an den Tag lege, sondern die Kaiserin damit überrasche, dass er wie die berühmtesten Gladiatoren, eingeölt oder in einer prächtigen Rüstung, nur mit seiner Körperkraft mit dem riesigen schwarzen Stier kämpfe oder mit dem Netz gegen die hungrigen Löwen. Diese Intervention eröffnet dem Jungen neue Spielideen und fördert seinen Möglichkeitssinn. Er hört auf, den Betrunkenen zu spielen, fordert von dem Masseur, eingeölt zu werden und einen prächtigen roten Mantel umgelegt zu bekommen. Dann geht er als Spartakus in die Arena und kämpft gegen den schwarzen Stier, den nun der Leiter spielen muss.
Auch bei Konflikten können die LeiterInnen in einer geeigneten Rolle intervenieren. In einer Gruppe von Sechsjährigen will jedes Kind eine eigene Rakete bauen, um auf den Mond zu fliegen. Die Leiter sollen Arbeiter sein, die auf Anweisungen der Astronauten die Rakete zu bauen haben. Als Johannes Florian ein Polster wegnimmt, das dieser schon als Teil in seine Rakete eingebaut hat, ändert der Leiter seine Rolle. Er greift nicht als Leiter ein, sondern sagt, er sei von der Flughafenpolizei und müsse einen Sabotageakt untersuchen. An einer Rakete sei über Nacht ein Teil wegmontiert worden. Zunächst beschuldigt Johannes andere Astronauten. Als die Polizei aber das gestohlene Raketenteil entdeckt, sagt Johannes, ein Spion müsse ihm diesen Teil unterschoben haben, um den Verdacht auf ihn zu lenken. Daraufhin beschließen die anderen, die Leiterin sei eine russische Spionin und habe diesen wichtigen Computer gestohlen. Die Jungen, die bis dahin getrennt gespielt haben, schließen sich zusammen und machen sich auf die Jagd, um diese Spionin einzufangen. Als Polizist ins Spiel zu kommen, der über eine Auseinandersetzung ein Protokoll aufnehmen will, als Reporter zu erscheinen, der Augenzeugen des Vorfalls sucht oder als Sheriff einzugreifen, der für die Aufrechterhaltung der Ordnung in einer Stadt sorgen will, verhindert, dass die Kinder nur reden, sich gegenseitig anschuldigen, und führt eher dazu, dass sie Lösungen im Spiel finden. Kindern, die ein geringes Rollenrepertoire besitzen, werden dadurch neue Ideen eröffnet.
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Eine weitere Intervention besteht darin, das grenzüberschreitende Tun eines Kindes in einem Bild zu beschreiben, das zu einer Spielhandlung anregen kann. Als ein Junge bei einem Ritterspiel einem anderen ein Kissen wegnimmt, fragt sich der Leiter als Diener laut, ob der rote Ritter wohl Raubritter geworden sei. Als dieser bejaht, werden die anderen Jungen auch Raubritter. Die Therapeuten sollen reiche Händler sein, die von ihnen überfallen und ausgeraubt werden. Alle bekannten und wichtigen psychodramatischen Handlungstechniken der Spielphase wie Rollentausch, Doppelgänger, das Doppeln, der psychodramatische Spiegel und das Selbstgespräch werden im Kinderpsychodrama, wenn auch abgewandelt, zum Einsatz gebracht. Diese Psychodramatechniken sind der Rollenentwicklung, einem natürlichen Entwicklungsprozess, entnommene Handlungs- und Aktionsmöglichkeiten (vgl. Mathias 1982, S. 228).
3.2.4 Rollenwechsel und Rollenumkehr Pruckner und Schacht (2003) haben die Begriffsverwirrung zwischen Rollenwechsel und Rollentausch geklärt und verstehen Rollenwechsel als ein einseitiges lineares Geschehen, Rollentausch aber als einen zweiseitigen Prozess, in dem zwei Personen gegenseitig ihre Rollen tauschen und die Rolle der jeweils anderen Person spielen. Im Kinderpsychodrama kommt nach dieser Definition nur der Rollenwechsel und die Rollenumkehr zum Tragen, da der Rollentausch einerseits eine komplexe Anforderung darstellt, die erst im Jugendalter zu bewältigen ist (Schacht 2003), andererseits Kinder einen Rollentausch auf der Realebene verweigern, wie auch Pruckner (2003) betont, da sie den Rollentausch als Disziplinierung und Vorhaltung erleben. Wir lassen wie Anzieu (1984) die Kinder in der Kindertherapie unbewusst, von sich aus, ohne Anordnung den Rollenwechsel vollziehen. Dieser Unbewusste Rollenwechsel besteht zum einen darin, dass die Kinder vergangene oder gegenwärtige Konflikte in der Rollenübertragung aktualisieren und reinszenieren, aber mit einer Rollenumkehr, in der sie gewissermaßen den Spieß umdrehen, die Position der mächtigen Erwachsenen einnehmen und den TherapeutInnen die Position der ohnmächtigen Kinder zuweisen. Die Kinder projizieren, in der Sprache der Objektbeziehungstheorie ausgedrückt, ihre Selbstrepräsentanzen auf die TherapeutInnen und drängen diese in der Rollenzuschreibung dazu, sich mit
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diesen Projektionen zu identifizieren. In einer konkordanten Identifizierung fühlen sich diese dann so ängstlich, ohnmächtig, beschämt und hilflos, wie die Kinder sich in früheren oder aktuellen Interaktionen fühlen. Indem sie den TherapeutInnen oft die Rolle zuweisen, die sie sonst im realen Leben innehaben, und ihnen in der Rollenumkehr der ursprünglichen Objektbeziehungen das Unangenehme zufügen, das ihnen selbst widerfahren ist, teilen sie ihren Konflikt mit. Und sie können diesen austragen, indem sie die Rolle des aktiv Zufügenden übernehmen und wieder ihre Wirkmacht und Kontrollfähigkeit über die erlebten Geschehnisse erleben. Diese erlebte Kontrollfähigkeit führt dazu, dass sich die Kinder nicht mehr als Opfer oder passive, wehrlose Wesen ihrer Umwelt erfahren, sondern als aktiv gestaltende Menschen. Dieses Grundbedürfnis nach Kontrolle ist auch eng mit psychischer Gesundheit verbunden (Grawe 2004). In der Anfangsphase einer Gruppe von Achtjährigen wird die starke Angst zu Behandlungsbeginn Gruppenthema. Phantasien von Vereinnahmung, Unterwerfung und Verletzung tauchen auf, aber auch Befürchtungen von Beschämung, Entblößung und Demütigung. Um dieses Gruppenthema zu behandeln, wählen die Kinder das Gruppenspiel Urwald. Sie wechseln aber die Rollen und übernehmen die Rollen von wilden, gefährlichen Tieren, die sich im Urwald bestens auskennen und zurechtfinden. Den Therapeuten weisen sie die Rollen von Forschern zu, die zum ersten Mal in den Urwald kommen, sich nicht auskennen und sich aus Dummheit nicht zurechtfinden. Im Spiel werden dann die Forscher von den Tigern, Panthern und anderen gefährlichen Tieren angegriffen, niedergeworfen und verletzt. Auf Anweisung der Kinder müssen die Forscher dann völlig verängstigt sein, fast durchdrehen und jammern, dass sie nach Hause wollen. Sie würden im Kreis laufen und nicht mehr aus dem Dschungel herausfinden. Die Tiere lachen dann darüber, wie ängstlich und blöd die Forscher sich anstellen. Zum Schluss werden sie noch gezwungen, sich auszuziehen, und werden mit der entwendeten Filmkamera gefilmt, wie sie beschämt und verängstigt dastehen. Da es wichtig ist, dass die Kinder ihre Angst vor Beschämung im Rollenwechsel ausspielen, weisen die Leiter auch nicht auf die Realität der Rolle hin, dass Tiere nicht filmen können. Eine weitere Möglichkeit des Rollenwechsels besteht darin, dass die Kinder die Objektrepräsentanzen auf die TherapeutInnen projizieren und diese in der Rollenübertragung dazu drängen, sich mit diesen Projektionen zu identifizieren. In einer komplementären Identifikation müssen sie sich dann so verhalten und so
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reagieren, wie es früher oder jetzt Bezugspersonen aus der Sicht der Kinder taten oder tun. Doch wiederholen sie diese schlimmen Szenen nicht einfach, sondern tauschen im Spiel die mit den Rollen verbundenen Verhaltensweisen und Gefühle. Die TherapeutInnen werden dann in einer Rollenumkehr in den mächtigen Rollen der Bezugspersonen ohnmächtig und hilflos gemacht, und die unterlegenen Kinder werden wehrhaft und mächtig und können so die alten Szenen mit veränderten, getauschten Vorzeichen durchspielen. Eine gemischte Gruppe von Zwölfjährigen, in der einige Kinder starke Vernachlässigung, Missbrauch und Gewalt durch die Eltern erlebt hatten, einigt sich darauf, Zirkus zu spielen. Die Kinder wählen die Rollen von Tieren, die Therapeutin wird zur Zirkusdirektorin und Dompteurin gemacht, der Therapeut soll Fernsehreporter sein, der in einer Eurovisionssendung den Auftritt direkt überträgt. Die Therapeutin bekommt die Anweisung, sie solle als Zirkusdirektorin und Dompteurin sehr streng sein, die Tiere schlagen und ihnen nichts zum Essen geben. Bei der Vorstellung soll sie sich aber verstellen und ganz lieb tun. Nachdem die Therapeutin diese Handlungsanweisungen ausführte und die Tiere schlecht behandelte, steht der Tag der Premiere an. Der Reporter berichtet im Fernsehen, dass in wenigen Minuten eine großartige, noch nie gesehene Tierschau beginnen werde. Während der Raubtiernummer stirbt dann aber plötzlich der Tiger, der von Tanja, die eine suchtkranke Mutter hat und Vernachlässigung und Gewalt erlebt hat, dargestellt wird. Der Reporter ist über den plötzlichen Tod dieses schönen Tieres entsetzt und fragt sich, was die Ursache ist. Da wechselt Tanja die Rolle und kommt als Jaguar zum Reporter. Tanja, die bisher kaum ein Wort geredet hat und völlig verschüchtert war, gibt dem Fernsehreporter als Jaguar in der Tiersprache zu verstehen, dass der Tiger deshalb gestorben sei, weil er gefesselt und misshandelt wurde. Als der Reporter nach dem Täter fragt, deutet sie auf die Dompteurin. Der Reporter berichtet sofort im Fernsehen über diese Tierquälerei und Misshandlungen. Da gehen alle Tiere, die vorher noch gekuscht hatten, auf die Dompteurin los, fallen über sie her, beißen und sperren sie dann in einen Käfig. Diese muss dann jammern und beklagen, dass ihre Schandtaten jetzt ans Licht kommen. Die Tiere berichten nun dem Reporter vor der laufenden Kamera, die Dompteurin habe andere Tiere vergiftet und ihnen Alkohol gegeben. So werden die Tierquälereien öffentlich gemacht, und die Dompteurin wird als negativer Anteil der Mutter zum Schluss zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt.
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Kinder können auch, ohne dass der Rollenwechsel verordnet wird, innerhalb eines Spiels zwischen der Rolle des aktiv Zufügenden und des Erleidenden wechseln. Der Rollenwechsel führt so wechselnd zur spielerischen Rolleneinnahme von Objekt und Subjekt des Konflikts, zur interagierenden Konfrontation und dadurch zum Austragen des Konflikts im Spiel. Fritz, ein achtjähriger Junge, dessen Mutter ihn abzutreiben versuchte, inszeniert immer wieder, dass ihn Erwachsene, seien es LehrerInnen oder auch die GruppentherapeutInnen, am liebsten loshätten. Sein Trauma inszeniert er auch in einem Gruppenspiel. In Anlehnung an die Fernsehsendung Daktari sind die Kinder verletzte Tiere auf einer Tierstation am Rande des Urwalds. Die Therapeuten sollen Tierhüter und Tierpfleger sein. Im Spiel befreien die Tierhüter Fritz, der einen kleinen Löwen spielt, aus einer Schlinge, gerade bevor er stirbt, bringen ihn in die Tierstation und pflegen ihn. Als es Nacht wird, wechselt er die Rolle. Er sei jetzt der Eingeborene, der die Schlinge gelegt habe, breche nachts in die Station ein und erschieße den kleinen Löwen. Dieser sei aber dann doch nicht ganz tot, obwohl der Eingeborene dies annehme. Nachdem er die Tat ausgeführt hat, wechselt er wieder die Rolle und spielt das verletzte Tier. Die Pfleger müssen erschreckt vom Schuss aufwachen, in die Tierstation rennen und den kleinen Löwen notoperieren. Den Täter können sie nicht verfolgen, der sei in der Dunkelheit entkommen. Die anderen Tiere sagen nun auch, sie seien verletzt worden, so dass die Tierpfleger alle Tiere in der Station versorgen und pflegen müssen. Sie äußern ihre Empörung, dass ein Unbekannter so schöne Tiere töten will und freuen sich, dass die Tiere so stark sind und überlebt haben. Zum Schutz der Tiere halten sie Nachtwache. In der nächsten Stunde wollen die Kinder dieses Spiel weiterspielen. Fritz macht nun den Vorschlag, die Therapeutin solle eine böse Eingeborene sein, die die Tiere umbringen wolle. Die anderen Kinder sind damit einverstanden. Sie einigen sich auch, dass sie diesmal nicht verletzt oder getötet würden, weil der Tierhüter die Eingeborene rechtzeitig erwische. Der Tierhüter legt sich auf die Lauer und überrascht die Eingeborene gerade, als sie in der Nacht auf die Tiere zielen will. Alle Tiere fallen nun über sie her und lassen ihre Wut heraus, indem sie sie übel zurichten. Damit es nicht nur zur aggressiven Abreaktion kommt, sondern auch eine Versöhnung mit dem Introjekt angebahnt werden kann, fragt der Pfleger die Eingeborene, warum sie so abscheuliche Taten vollbringe. Sie entgegnet, sie habe das getan, nicht weil sie die Tiere hasse, sondern aus Angst, Mensch und Tier könnten nicht
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gemeinsam überleben. Sie befürchte, die Tiere könnten ihr Feld, das sie angelegt habe, abfressen, und sie habe dann nicht genug zum Leben. Der Tierhüter überlegt dann mit den Tieren zusammen, wie die wilden Tiere und die Eingeborene nebeneinander leben könnten, ohne sich gegenseitig zu bedrohen. Einen unbewussten Rollenwechsel vollziehen Kinder auch bei der Bearbeitung eines unbewussten Konflikts zwischen Impuls und Abwehr. Im Spiel können die mit der Konfliktspannung verbundenen unbewussten Trieb- und Objektrepräsentanzen wechselseitig vom Kind und einem Therapeuten verkörpert werden. Die nunmehr personifizierten innerseelischen Repräsentanzen streben nach einem Ausgleich, einem Kompromiss. Indem das Kind im Rollentausch beide Seiten einnimmt, kann es zu einer Integration abgespaltener Persönlichkeitsanteile kommen. Ein gehemmter zehnjähriger Junge spielt in einem Spiel, in dem die anderen Jungen Ritter spielen, den Jagdaufseher. Während die anderen Ritter im Turnier mit ihrer Stärke prahlen und sich von der Königin, der Therapeutin, bewundern lassen, geht René auf die Jagd und erlegt ein wildes Tier nach dem anderen. Die Tierrollen des Hirschs, des Wildschweins und des Bären muss der Therapeut übernehmen. Das Fleisch der Tiere bringt er dann der Königin für das Festmahl. Als der Therapeut in der Rolle eines wilden Tieres sich laut fragt, wieso der Jagdaufseher alle wilden Tiere abschieße, die hätten doch auch ein Recht zu leben, antwortet dieser: „Die wilden Tiere zerstören die ganzen Felder der Königin und müssen deshalb ausgerottet werden.“ In der Härte, mit der er gegen die Tiere vorgeht, zeigt er die Strenge seines Über-Ich-Introjektes. In der nächsten Stunde, als die anderen Kinder wieder Ritter spielen wollen, sagt René er wolle diesmal ein Wildschwein spielen und verwüstet die ganzen Äcker der Königin. Der Therapeut solle nun der Jagdaufseher sein, der den Eber jage, ihn aber nicht erwische. Der Jagdaufseher geht zur Königin und berichtet von den Verwüstungen. Diese regt sich, nach Anweisungen von René, sehr auf, beschimpft den unfähigen Jagdaufseher und befiehlt ihm, den Eber zu jagen und zu erlegen. Der Jagdaufseher verändert nun seine Rolle und legt Fürsprache bei der Königin ein: „Der Eber ist so ein prächtiges Tier, den kann ich nicht töten. Frau Königin, Sie haben doch viele Wälder und Felder. Vielleicht könnten Sie ein großes Wildgehege anlegen lassen, in dem der Eber wühlen kann, ohne Ihre Felder zu vernichten.“ Die Königin geht auf
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken die Argumente des Jagdaufsehers ein, lässt sich umstimmen und befiehlt ihm, nur ihre Felder einzuzäunen, um sie vor dem Eber zu schützen. In diesen beiden Stunden hat sich René mit seinen unterdrückten aggressiven Anteilen auseinandergesetzt, indem er abwechselnd die Rolle dessen, der sie unterdrückt, und dessen, der sie verkörpert, spielt. Um sich aber von dem strengen Über-Ich befreien zu können, benötigt er die regulierende Intervention eines milden Ich-Ideals, das der Therapeut in der Rolle des Jagdaufsehers verkörpert.
Die LeiterInnen können aber auch von sich aus, ohne dass die Kinder eine Anweisung gegeben haben, ihre Rollen verändern und die abgewehrten Seiten der Kinder übernehmen. In diesem Rollenwechsel tragen dann Kinder und TherapeutInnen in den sich komplementär gegenüberstehenden Rollen den Konflikt aus. Durch diese interagierende Konfrontation können die Kinder zu einer besseren Selbstintegration kommen. In einer gemischten Kindergruppe von Zwölfjährigen wollen die drei Jungen omnipotente Gladiatoren spielen, die beiden Mädchen edle Frauen aus der Kaiserfamilie. Der Therapeut soll Gegner der Gladiatoren sein, die Therapeutin Kaiserin. Bei dem Gladiatorenkampf muss der Therapeut gegen jeden Gladiator antreten und verlieren. Dabei spricht er als starker Gladiator all die Gefühle aus, die die Jungen in ihrer Größenphantasie abwehren. Vor dem Kampf drückt er die Angst aus, zu unterliegen, und den Druck, sich dauernd stark geben und von einem Kampf zum anderen gehen zu müssen. Im Kampf zeigt er im Selbstgespräch seinen Wunsch, als Sieger von den Zuschauern umjubelt, und seine Angst, als Verlierer ausgelacht und beschämt zu werden. Diese abgewehrten Gefühle wollen die Jungen gar nicht hören und machen den Gladiator schnell mundtot, indem sie ihn erstechen. Die Kotherapie bietet außerdem die Möglichkeit, den Konflikt eines Kindes so zur Darstellung zu bringen, dass die Therapeutin die Wünsche, Bedürfnisse und Impulse, der Therapeut die Abwehrseite ausspricht. Bei diesem Rollenwechsel sieht das Kind durch das Spiel der TherapeutInnen seinen Konflikt wie in einem Spiegel. Durch diesen „immanenten Spiegel“ (Krüger 1989, S. 33) kann die Abwehr durch Verleugnung aufgehoben werden. Vor der Therapiestunde erzählt die Mutter von Max, dass dieser wegen eines starken Herzfehlers in der Turnstunde ohnmächtig geworden sei,
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daher in dieser Stunde aufpassen müsse und sich nicht so verausgaben dürfe. In der Therapiestunde einigen sich die Kinder darauf, die Geschichte vom letzten Mal weiterzuspielen, in der die LeiterInnen Dinosaurier auf dem Pluto und die Kinder Astronauten waren. Da Max sich in dieser Stunde trotz der Ermahnung seiner Mutter körperlich verausgabt, versuchen die TherapeutInnen, seinen Konflikt im Spiel aufzugreifen. Zurückgezogen in der Höhle redet die Dinosaurierfrau mit ihrem Mann: „Du musst unbedingt Ruhe halten. Du weißt doch, du hast eine zu kleine Lunge und bekommst zu wenig Luft. Daher musst du dich unbedingt schonen.“ Er entgegnet: „Ich kann mir keine Ruhe gönnen. Ich muss weiter kämpfen. Was denken sonst die anderen Dinosaurier von mir, die lachen mich dann sicher aus.“ Darauf sie: „Mach dir nichts draus, lass sie einfach lachen und kümmere dich nicht darum. Deine Gesundheit ist wichtiger als die Anerkennung der anderen Dinosaurier.“ Er bezweifelt aber, dass er das aushalte. Da kommen die Astronauten, lachen den verletzten Dinosaurier aus und beschimpfen ihn als „Hosenscheißer“. Der Dinosauriermann tobt: „Ich platze gleich vor Wut, ich kann mich jetzt nicht mehr zurücknehmen, denen muss ich zeigen, dass ich kein Feigling bin.“ Sie versucht, ihn zur Ruhe zu bringen, und weist ihn darauf hin, wie gefährlich ein weiterer Kampf werden könne. Da sagt Max: „Sie täten sagen, ich übernehme keine Verantwortung. Du bist selber schuld, wenn es dir schlecht geht.“ Der Therapeut fragt dann die Kinder, ob er sich an die Ermahnung halten und sich schonen solle. Max verneint, der Dino kämpfe weiter und falle ohnmächtig um. Die anderen Kinder stimmen zu. Der Dinosaurier springt dann aus der Höhle heraus, verfolgt die Astronauten und fällt vor Anstrengung in Ohnmacht. Die Dinosaurierfrau schleppt ihn in die Höhle zurück und schimpft ihn aus. Nach diesem Kampf, bei dem sich Max wieder stark engagiert und nicht auf seine Behinderung geachtet hat, macht er Liegestützen und sagt dabei, er müsse sich fit halten. Da wechselt der Therapeut kurz die Rolle, ruft aus der Flugzentrale in Houston die Kommandozentrale auf dem Pluto an. Ihr Kontrollgerät zeige an, dass der Sauerstoff knapp werde. Die Astronauten sollen sich schonen und weniger Sauerstoff verbrauchen. Da entgegnet Max, sie sollen mit einer Rakete Sauerstoff heraufschicken. Dann fordern die Kinder die TherapeutInnen auf, die vorherige Szene nochmals zu wiederholen. Die Dinosaurierfrau solle schlafen, der Dinosauriermann heimlich weg gehen, weil er die Schmach nicht auf sich sitzen lassen wolle, wieder kämpfen und zusammenbrechen. Nachdem der Leiter diese Anweisung ausgespielt hat und von der Dinosaurierfrau gerettet wurde, kann Max sich zurückziehen.
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Er sagt zu den anderen Kindern, er sei herzkrank. Er verbessert sich, er sei ein herzkranker Astronaut und müsse in die Rakete zurück, um sich auszuruhen. Zunächst ist es für Max noch schwierig auszuhalten, dass die anderen Kinder weiterspielen. Er möchte, dass sie auch in die Rakete kommen. Als diese die Dinosaurier wieder angreifen, bleibt er aber in der Rakete und schaut zu. Die anderen Kinder bauen dann heimlich einen Lautsprecher in die Höhle ein, verstellen die Stimmen, so dass die Dinosaurier denken, es sei der Oberdinosaurier. Als Oberdinosaurier verspotten sie den kranken Dinosaurier. Dieser lässt sich aber nicht mehr provozieren und ruht sich weiter in seiner Höhle aus. In der Abschlussrunde sagt dann der Leiter im Rollenfeedback, er habe gemerkt, wie schwer es sei, als Dinosaurier zu seiner Schwäche zu stehen und in Kauf zu nehmen, ausgelacht zu werden.
Eng mit dem Rollenwechsel verbunden sind, wie das vorige Beispiel zeigt, das Spiegeln, das Selbst- und das Zwiegespräch.
3.2.5 Spiegeln Nach Moreno (1973, S. 87) entspricht die psychodramatische Spiegeltechnik als Vermittler von Selbstinformation der Stufe der Ich-Erkenntnis. Sie ist für ihn eine Methode, die dem natürlichen Prozess der Selbsterkenntnis nahesteht. „Wir kennen alle die andauernde Verwunderung von Kindern, wenn sie sich in einem Spiegel sehen ... Wenn das Kind endlich begreift, dass das Bild im Spiegel sein eigenes ist, dann ist ein Wendepunkt in seinem Wachsen eingetreten, ein wichtiger Fortschritt in seinem Begreifen von sich selbst.“ Wenn wir die Spiegelmethode im Psychodrama anwenden, schöpfen wir aus diesen fundamentalen Erlebnissen der Kinder (Schacht 2003, S. 115f.). Während in der Erwachsenentherapie der Protagonist beim Spiegeln in seinem Verhalten durch ein Hilfs-Ich, das ihn nachahmt, konfrontiert wird und sich als Zuschauer wie in einem Spiegel sieht, wird in der Kindertherapie den Kindern durch das Mitspiel der TherapeutInnen ihre Situation gespiegelt. Im Rollenspiel inszenieren die Kinder Spiele, die den früher erlebten Realszenen ähneln, nur mit umgekehrtem Vorzeichen. Die Kinder spielen den mächtigen und strafenden Part und übertragen den TherapeutInnen den passiven und erleidenden. Wenn die TherapeutInnen sich nun auf die übertragenen Rollen richtig einlassen, können sie in einer konkordanten Identifizierung die in ihnen aufkommenden Gefühle der Wut,
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Trauer, Ohnmacht und Hilflosigkeit wahrnehmen und so die Kinder verstehen. Und sie können dann im Spiel den Kindern ihre Not, ihre Verzweiflung, ihre ohnmächtige Wut und ihre Angst, die die Kinder selbst nicht mehr erleben, sondern in ihrer Symptomatik eingebunden haben, widerspiegeln. Wie in der elterlichen Affektspiegelung der Säugling nur dann das reflektierte Gefühl nicht fälschlicherweise der Mutter zuschreibt, wenn diese ihren spiegelnden Affektausdruck „markiert“ und ihn so von ihrem eigenen tatsächlichen Gefühl unterscheidet, müssen die Therapeuten in diesem „Als-obSpiel“ diese Gefühle kongruent, aber in etwas übertriebener Weise zum Ausdruck bringen. Die adäquate Spiegelung darf nicht zu stark, aber auch nicht zu schwach sein und muss so markiert werden, dass das Kind erleben kann, es ist nicht das tatsächliche Gefühl des Therapeuten, da dies beim Kind Angst auslösen würde. Diese Reflexion des Verhaltens und der Gefühle im spiegelnden Mitspielen ist von großer Bedeutung für die therapeutische Arbeit. Die TherapeutInnen können die Kinder aber nur dann angemessen verstehen, wenn sie zum Resonanzkörper werden und in ihren Rollen richtig verkörpern, was die Kinder ihnen übertragen haben. Daher spielt die Gegenübertragung der TherapeutInnen als empathische Reaktion eine wichtige Rolle. Reflektieren die TherapeutInnen die in ihnen ausgelösten emotionalen Reaktionen, gelangen sie zu einem Verständnis der inneren Bilder der Kinder. Nur über dieses „szenische Verstehen“ kommen sie zu einer angemessenen Rollenantwort und bringen einen fördernden Dialog in Gang. Für diese Selbstreflektion müssen sie aber immer wieder Raum schaffen. Indem sie zum Beispiel die Anweisung geben: „Jetzt würde es Nacht werden, die Tiere ziehen sich in ihre Höhlen zurück und die Forscher legen sich in ihrem Zelt zum Schlafen nieder“, sorgen sie für geeignete Bedingungen. Sie können dann in Ruhe ihre emotionalen Reaktionen reflektieren und im Selbstgespräch oder Dialog aussprechen. Auch die Kinder sind in dieser kurzen Ruhephase eher in der Lage, ihre Aufmerksamkeit auf das Zwiegespräch der TherapeutInnen zu richten. In einer gemischten Kindergruppe von Siebenjährigen spielen die Kinder Wölfe, die von den Therapeuten als Tierfänger für ihren Zoo eingefangen und dressiert werden sollen. Die Tierfänger lassen sich in die eigenen Fallen, die sie ausgelegt haben, locken und gefangen nehmen. Unter Androhung von Schlägen müssen sie alles nachahmen, was die Wölfe vormachen. Sie müssen heulen, Knochen durchbeißen und andere Dinge, die sie als
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Menschen viel schlechter als die Wölfe können. Für jeden Fehler werden sie zur Strafe gebissen und ausgelacht. Dann werden sie in den Zoo gesteckt, in dem sie die Tiere zur Schau stellen wollten. Die Wölfe befestigen ihnen an Armen und Beinen Seile. Sie öffnen den Zoo für Kinder. Zwei Mädchen wechseln die Rolle und spielen Kinder, die für 1 DM an den Seilen ziehen dürfen, so dass die beiden Tierfänger wie Hampelmänner die Arme und Beine bewegen. Die Kinder und die Wölfe amüsieren sich köstlich und kugeln sich vor Lachen. In ihren Rollen spüren die Therapeuten die Beschämung, die Ohnmacht und Abhängigkeit und sprechen im Zwiegespräch diese Gefühle laut aus. Da rufen die Wölfe empört: „Und das wolltet ihr mit uns machen. Meint ihr, das würde uns gefallen!“ Die Tierfänger entgegnen: „Wir dachten, für Tiere ist es anders, denen macht es nichts aus.“ Voll Wut rufen die Wölfe: „Pah, wir wollen auch frei sein. Und wir sind nur wild geworden, weil ihr uns so schlecht behandelt und gepeitscht habt.“
Die LeiterInnen können aber auch von sich aus, wie das Beispiel mit den Dinosauriern zeigt, ihre Rollen so verändern, dass sie das Verhalten eines Kindes spiegeln und im Selbst- oder Zwiegespräch Gedanken und Gefühle ausdrücken. Außerdem übernehmen die LeiterInnen Spiegelrollen, wie z.B. die des Rundfunk- oder Fernsehreporters, um einem Kind sein Verhalten und dessen interpersonelle Auswirkung bewusst zu machen. In diesen Rollen beschreiben sie laut das Verhalten des Kindes und vermitteln ihm auf der Symbolebene ein Bild von sich selbst. Gerade Kinder, die sich weder ihrer augenblicklichen Handlungsweise noch deren Wirkung in dieser Situation bewusst sind, erhalten dadurch wichtige Rückmeldungen. Zehnjährige Jungen wählen die Rollen von einer amerikanischen Spezialeinsatztruppe in Vietnam. Ein sehr dominanter und aggressiver Junge sagt, er sei der Chef, und nennt sich Terminator. Die Leiter sollen Vietkong sein. Die Jungen spielen zunächst, dass sie sich in einem Camp auf den Einsatz vorbereiten. Ihr Chef brüllt immer mehr herum, schikaniert und beschimpft sie mit den übelsten Ausdrücken. Da wechselt der Leiter die Rolle und sagt, er sei ein amerikanischer Kriegsberichterstatter und wolle eine Reportage über das Ausbildungslager machen. Er geht dann im Lager herum und schreibt, laut vor sich hinredend, auf, was er sieht, wie hart der Terminator mit den anderen Soldaten umgeht, wie diese wohl kuschen, aber hintenrum über ihn schimpfen. Mit seiner Schinderei erreiche er wohl, dass die
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Soldaten vor ihm Angst haben, der Preis sei aber, dass er immer unbeliebter werde. Auch den aktuell ablaufenden gruppendynamischen Prozess können die TherapeutInnen in Spiegelrollen oder in den übertragenen Rollen, in denen sie laut ihre Beobachtungen aussprechen, beschreiben und die Wirkung verdeutlichen. In einer gemischten Gruppe von Zehnjährigen kam es in den letzten Stunden vermehrt zu Konflikten zwischen den Jungen und den Mädchen, weil diese sich gegen das Dominanzstreben der Jungen wehrten. In dieser Stunde möchten die Jungen Außerirdische spielen, die mit einer Raumstation durch das Weltall fliegen. Die Mädchen einigen sich, eine amerikanische Besatzung einer Rakete zu sein. Die LeiterInnen sollen Wissenschaftler auf der Kontrollstation in Cap Canaveral sein. Als sich im Spiel die Außerirdischen der amerikanischen Rakete nähern, beschreiben die Wissenschaftler laut, was sie an ihrem Bildschirm sehen. Es nähere sich ein fremdes Objekt der Rakete. Sie fragen sich, was dieses fremde Objekt wohl beabsichtige und wie die amerikanische Besatzung darauf reagieren werde. Sie kommentieren die Interaktionen, indem sie unterschiedliche Positionen beziehen. Die weibliche Wissenschaftlerin äußert eher Befürchtungen, es könnte zu einem Kampf kommen. Schon bei früheren Unternehmungen sei es häufig zu aggressiven Zusammenstößen zwischen Außerirdischen und Menschen gekommen. Sie müsse sofort die Besatzung warnen und zurückrufen. Der männliche Wissenschaftler dagegen ist zuversichtlicher, dass die Außerirdischen die menschlichen Wesen nur erkunden oder vielleicht sogar eine freundschaftliche Beziehung zu diesen anderen Wesen aufnehmen möchten. Außerdem habe sich ja die amerikanische Mannschaft in vielen schwierigen Missionen bewährt. Als die Außerirdischen sich einfach an die amerikanische Rakete andocken, beschweren sich die Mädchen und beschimpfen die Jungen als „blöd“. Die LeiterInnen greifen aber nicht als SpielleiterInnen ein, sie bleiben vielmehr in ihren Rollen und fragen sich, ob Außerirdische immer so Kontakt aufnehmen, dass sie einfach anrempeln und nicht fragen, wenn sie ein anderes Raumschiff besuchen möchten. Vielleicht sei ihnen gar nicht bekannt, dass so ein Verhalten bei Menschen als feindlich angesehen werde. Außerdem senden sie an das amerikanische Raumschiff eine Nachricht, dass es bei Außerirdischen nichts nütze, sich zu empören. Vielleicht bräuchten sie Hinweise, wie man mit menschlichen Wesen umgeht. Daher sei es vielleicht besser zu funken, dass
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken ein solches Verhalten bei Amerikanern als feindlicher Übergriff angesehen werde. Wenn sie in friedlicher Absicht kommen, zu Forschungszwecken, müssten sie das Einverständnis der amerikanischen Besatzung einholen. Als die Mädchen sich darüber streiten, ob sie die Außerirdischen reinlassen sollen, beschreiben die TherapeutInnen wieder laut die Dynamik. In der amerikanischen Besatzung seien Astronautinnen, die sehr wagemutig Unbekanntes erforschen möchten, auch wenn es gefährlich werden könnte. Andere dagegen verhielten sich eher vorsichtig, möchten nicht so viel riskieren und lieber darauf verzichten, Unbekanntes zu entdecken und zu erforschen. Außerdem versuchen die TherapeutInnen Verhalten umzudeuten, um eine positive Interaktion in Gang zu setzen. Als ein Junge, der sonst auch schlecht Grenzen einhalten kann, sofort die Rakete der Amerikaner mit Laser aufschweißt, rufen die Wissenschaftler im Institut für außerirdische Völker an und fragen, was dieses Verhalten zu bedeuten habe. Sie vergewissern sich laut am Telefon, ob die Experten wirklich überzeugt sind, dass dieses Verhalten des Außerirdischen gar nicht als so gefährlich einzuschätzen sei, dass es bei den Außerirdischen Wesen gebe, die aggressiver wirken als sie seien, die nicht wüssten, dass man Grenzen respektieren müsse. Und dass sie auf keinen Fall angegriffen werden dürfen, sonst würden sie äußerst aggressiv. Mit solchen Beschreibungen und Kommentaren können die LeiterInnen der Gruppe helfen, zu neuen Interaktionen zu kommen und das rigide Muster der Jungen, die die Mädchen immer zu überwältigen versuchten, langsam auflösen.
Die Spiegelrolle bietet außerdem die Möglichkeit, Bewunderung auszudrücken, den „Glanz im Auge der Mutter“ zu zeigen und in der symbolischen Wunscherfüllung die in ihrem Selbstwert verunsicherten Kinder aufzuwerten und die „Kraft der liebevollen Blicke“ (Petzold 1995, S. 21) zu nützen. Die Säuglingsforschung zeigt ja, dass Selbstwert und Selbstachtung davon abhängen, ob die frühe Kompetenz des Säuglings im beziehungssprachlichen Dialog mit den Eltern anerkannt und lebendig gespiegelt wird. Auf dieser Grundlage kann sich erst ein positives Selbstempfinden herausbilden (Dornes 2004). Dieses bewundernde Eingehen auf die Größenphantasien ist vor allem bei Kindern mit narzisstischen Fehlentwicklungen, wie sie bei aggressiven Kindern häufig anzutreffen sind, wichtig. Die Größenphantasien, die diese Kinder ausspielen, eröffnen ihnen die Möglichkeit, durch die phantasierte totale Stärke mit bedrohlichen Aspekten der Hilflosigkeit, Ohnmacht, Verlassenheit und Entwertung handelnd umzugehen und im Symbolspiel die Angst vor den
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abgespaltenen Gefühlen zu überwinden. Zur Stärkung ihres Selbst ist es wichtig, dass die TherapeutInnen als „Elternfiguren“ diese Grandiosität widerspiegeln und so das Selbstwertgefühl dieser Kinder stärken. Sie müssen akzeptieren, dass die Kinder sich lange gegen jede Konfrontation ihres Trugbildes der eigenen Großartigkeit wehren und eine narzisstische Verletzung und Demütigung verhindern. Nur so können sie sich den verletzlichen Kindern nähern und ihnen ermöglichen, ihr grandioses falsches Selbst langsam zu verändern. Gerade bei schwertraumatisierten Kindern kann der Therapeut über das bewundernde Spiegeln als Gegenmacht auftreten „gegen die erbarmungslose innere Stimme des Verurteilens und gegen das innere ,scheele Auge des Verachtens‘… Innen und außen mag sich dann das böse Auge allmählich zum leuchtenden Antlitz wandeln“ (Wurmser 2004, S. 13). In Kindergruppen taucht häufig der Spielwunsch auf, Zirkus zu spielen. In diesem Spiel können die Kinder ihre Größenphantasien und die ersehnte Bewunderung gut darstellen. Da diese Kunststücke fast nur in der Phantasie stattfinden — Kinder können ja nicht auf Hochseilen tanzen oder auf dem Trapez durch die Luft fliegen —, müssen die TherapeutInnen die angedeuteten Bewegungen als Kunststück zurückspiegeln und bewundernd kommentieren. In diesem Korrespondenzprozess können die Kinder sich positiv sehen, weil sie bewundernd angesehen werden. Kindern Größenerlebnisse zu ermöglichen, finden wir mit Petzold (1996, S. 442ff.) wichtig, um Kinder in ihren Wünschen, Unmögliches möglich zu machen, zu stärken. Eine gemischte Gruppe von Siebenjährigen entscheidet sich für ein Zirkusspiel. Die Kinder, die zum Teil motorisch sehr ungeschickt sind, wollen Seiltänzerin, Trapezkünstlerin, Dressurpferd, Eisbär, Tiger und Clown sein. Der Leiter soll Direktor und Dompteur sein, die Leiterin Zuschauerin. Um in einer Eurovisionsdirektübertragung die Bewunderung verstärken zu können, fragt diese, ob sie auch Fernsehreporterin sein könne. Die Kinder wollen gleich mit der Aufführung beginnen. Die Fernsehreporterin beginnt, indem sie Zuschauer in aller Welt begrüßt: „Und nun begrüßen wir die Zuschauer in Amerika, die gerade zugeschaltet haben. Und nun heißen wir die Bevölkerung in Japan herzlich willkommen. In wenigen Minuten wird das große Ereignis beginnen. Das Zirkuszelt ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Alle warten begierig und gespannt auf die Premiere.“ Dann beginnt der Zirkusdirektor, die Nummer als Sensation, als einzigartig in der Welt anzukündigen. Da die Kinder aber wenig Ideen haben, was sie wirklich
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken machen könnten, eigentlich nur den Wunsch haben, bewundert zu werden, benötigen sie Hilfe des Direktors und der Fernsehreporterin. Der Direktor eröffnet ihnen Spielmöglichkeiten, indem er in seinen Ankündigungen ausschmückt, was die Zuschauer gleich sehen werden. Dadurch fördert er die Kreativität der Kinder. Da diese ihre Rollen kaum ausfüllen können, schmückt die Fernsehreporterin jedes Kunststück aus und lobt und bewundert die Künstler oder Tiere. Als zum Beispiel ein dickes, motorisch ungeschicktes Mädchen als Seiltänzerin auftritt, kommentiert die Reporterin laut: „Verehrtes Publikum, Sie werden — wie ich — entzückt sein von dieser wunderschönen Tänzerin. Betrachten Sie ihre prächtigen Kleider. Sehen Sie, mit welcher Anmut und Geschicklichkeit sie nun auf das Hochseil steigt. Halten Sie den Atem an! Sie wird ein Kunststück, ohne Netz, ohne Absicherung, in dieser großen Höhe vollführen, wie die Welt es noch nie gesehen hat. Sehen Sie, mit welcher Leichtigkeit sie auf dem Seil tänzelt, ja welche Sprünge sie vollführen kann. Sie setzt nun zu einem Salto rückwärts an. Sie hat es geschafft! Bravo, Bravo! Einmalig!“ Dabei marschiert das recht schwerfällige Mädchen über ein Seil, das auf dem Boden ausgelegt ist. Sie erfährt sich als Künstlerin nur über das Spiegeln der Leiterin. Und es ist deutlich zu sehen, wie sie über die Beschreibungen immer mehr zur Trapezkünstlerin wird und strahlend hin und her marschiert. Als ein gehemmter Junge als Eisbär auftritt, beschreibt die Reporterin das folgendermaßen: „Und nun kommt ein riesiger Eisbär in den Zirkus. Sehen Sie, wie sein Fell glänzt. Er erhebt sich und zeigt seinen riesengroßen Körper und seine mächtigen Pranken. Hören Sie sein Fauchen. Es läuft einem kalt über den Rücken. Die Zuschauer starren gebannt auf dieses mächtige Tier. So ein Exemplar haben Sie noch nie gesehen. Hoffentlich geschieht kein Unglück bei dieser Raubtiernummer. Dass so ein mächtiges Tier überhaupt dressiert werden kann, ist unvorstellbar.“ Als ein Junge als Clown auftritt und eigentlich keine Ideen hat, wie er diese Rolle ausfüllen könnte, spiegelt die Reporterin wieder: „Das ganze Zirkuszelt lacht schallend. Hören Sie, wie das Zelt vor Vergnügen tobt. Welche Grimassen dieser Clown schneiden kann! Und nun stolpert er über seine eigenen Beine. Zum Totlachen, wie er über den Boden kullert. Ich kann diese Späße kaum noch berichten, so sehr tut mir der Bauch vom Lachen weh!“ Von diesen bewundernden Kommentaren des Zirkusdirektors und der Reporterin können die Kinder nicht genug kriegen. Über Stunden variieren sie dieses Spiel und genießen die Widerspiegelung ihrer Großartigkeit.
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3.2.6 Selbstgespräch In der Erwachsenentherapie wird der Protagonist angehalten, verborgene Gedanken und Gefühle, die er in der entsprechenden Situation in der Vergangenheit nicht äußern konnte, frei im Beiseitereden auszusprechen, oder neue Erkenntnisse und Einsichten laut zu reflektieren (vgl. von Ameln 2009, S. 52ff.). In der Kindertherapie lassen nicht die Kinder die verborgenen Gefühle und Gedanken laut werden, sondern die Therapeutlnnen, die im Rollentausch die Rollen, die die Kinder im realen Leben haben, übertragen bekommen. Indem sie in ihren Rollen die in ihnen aufkommenden Gefühle der Wut, der Trauer und der Ohnmacht im Selbstgespräch verbalisieren, wird den Kindern bewusst, was sie innerlich bewegt und quält. Sie gewinnen so mehr Einsicht und Realitätsbezug. Achtjährige Jungen wollen Astronauten spielen und eine Weltraumrakete bauen. Der Leiter soll ein Hilfsarbeiter sein, die Leiterin eine Köchin. Als Hilfsarbeiter wird er herumkommandiert und schikaniert. Während er Hilfsdienste beim Bau der Rakete leistet, die schweren Bauteile (Polster) anschleppt, sagt plötzlich Daniel, der einkotet, der Arbeiter habe die Hosen vollgeschissen. Er beschimpft ihn, er sei eine Furzkanone, und lacht ihn aus, in seinem Alter noch die Hosen vollzuscheissen. Im Selbstgespräch äußert der Leiter die Beschämung, wie schlimm es ist, dass ihm so etwas passiert und er dabei noch ausgelacht wird. Außerdem äußert er seinen Ärger. Es stinke ihm, so herumkommandiert zu werden, nur Dreckarbeiten leisten zu müssen und dabei noch Schimpfe zu bekommen. Die anderen Kinder nehmen dieses Spiel auf, kommandieren den Leiter noch mehr herum und lachen ihn als Hosenscheißer aus. Der Leiter schimpft vor sich hin, er scheiße auf diese Dreckarbeit. Da kommt Daniel und schweißt ihm den Hintern zu, damit er nicht mehr in die Hosen scheißen könne. Der Arbeiter jammert, dann bleibe ihm ja gar nichts mehr anderes übrig, als sich offen zur Wehr zu setzen und gegen diese schlimme Behandlung zu rebellieren. Um den Kindern Ambivalenzen, Ambitendenzen und Konflikte bewusster zu machen, können beide TherapeutInnen nach einem Rollentausch im Zwiegespräch je eine der widerstreitenden Tendenzen vertreten, abwechselnd argumentieren, damit widerstreitende Gefühle, Wünsche und Tendenzen offen legen und den Kindern die Lösung überlassen (vgl. Dinosaurier, 3.2.4).
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3.2.7 Doppeln und Doppelgänger Der Unterschied zwischen Doppeln und Doppelgänger liegt nur in der zeitlichen Dauer des Einsatzes. Während Doppeln ein kurz dauernder Einsatz ist, begleitet der Doppelgänger ein Kind länger oder das ganze Spiel hindurch als Stütze. In Abwandlung zu der Erwachsenentherapie, wo der Therapeut oder ein Gruppenmitglied als Doppel hinter den Protagonisten tritt, seine Körperhaltung einnimmt, sich in seine Befindlichkeit einfühlt und dann die nachempfundenen Gefühle verbalisiert, übernehmen in der Kindertherapie die Therapeuten Rollen, in denen sie einfühlendes, stützendes oder explorierendes Doppel oder Doppelgänger der Kinder werden können. Für Moreno gibt es eine Parallele zwischen der Doppelgängermethode und der Beziehung zwischen Mutter und Kind vor und nach der Geburt (1973, S. 85). Im ersten psychischen Universum des Kleinkindes, in dem die All-Identität alles Handeln und Verhalten bestimmt, ist die Mutter ein Hilfs-Ich des Kindes. Sie versucht zu wissen, was ihr Kind braucht, wie es sich fühlt, und handelt für es. Mit der Doppelgängermethode wird daher dem Kind die Hilfs-Ich-Funktion der Mutter aus dieser Phase angeboten, um ihm über Wärme, Nähe und Sicherheit eine Ich-Stützung bzw. nachzuholende IchEntwicklung zu gewähren (vgl. Schacht 2003), was vor allem für unsicher gebundene Kinder wichtig ist. Das Doppeln soll die Erlebnisweise der All-Identität wieder herstellen mit dem Ziel, das Kind in seiner Auseinandersetzung mit seiner ihm zu schwierigen Realität zu unterstützen, zu ermutigen und zu stärken; die Erfahrung zu vermitteln, in den eigenen Bedürfnissen von den TherapeutInnen verstanden zu werden; Hilfe zur Selbstexploration zu bieten und die Situation durch die Verbalisation emotionaler Gehalte zu verdichten (vgl. von Ameln 2009, S. 60ff.). Gerade für frühtraumatisierte und bindungsgestörte Kinder ist diese korrigierende Erfahrung von großer Bedeutung. Damit die Kinder diese Ziele besser erreichen können und im Doppler nicht den eindringenden Erwachsenen, sondern ein Hilfs-Ich sehen, doppeln wir nicht als LeiterInnen, sondern in den übertragenen oder selbstgewählten Rollen. Beim Doppeln unterscheiden wir verschiedene Arten: Das einfühlende, das stützende, das explorierende Doppeln und das Ambivalenzdoppeln. 1. Das einfühlende Doppeln Hier versuchen die Therapeuten durch Einfühlung in das Kind mit diesem in ein inneres Zwiegespräch zu kommen. Ziel ist es, dem Kind dabei zu helfen, wahrzunehmen und zu erleben, was in ihm vorgeht. Im Kinderpsychodrama
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geschieht dies meist nicht auf der Realitätsebene, sondern auf der Symbolebene des Rollenspiels, in dem das Kind seine Realität durch die Phantasie verkleidet darstellt. Der Therapeut doppelt dabei nicht das Kind, sondern spricht in der ihm übertragenen Rolle das Kind in seiner gewählten Rolle an. Sechsjährige Kinder spielen in der Anfangsphase Tiere im Wald. Zwei aggressive Jungen wollen Bär und Wolf sein, ein dritter Junge Fuchs und ein gehemmter Junge, Fritz, wählt sich die Rolle eines Igels. Der Leiter soll Förster und die Leiterin eine Bäuerin am Waldrand sein. Als die beiden aggressiven Jungen als Wolf und Bär zu kämpfen beginnen, sich gegenseitig anfallen und fauchen, erschrickt Fritz sichtlich, zieht sich in seine Höhle zurück und beobachtet ängstlich mit erschreckten Augen den Kampf. Die TherapeutInnen könnten nun wie in der Erwachsenentherapie einfühlend doppeln, indem sie zu Fritz gehen, sich neben ihn an seine Höhle stellen und verbalisieren: „Das ist mir viel zu wild, das macht mir Angst, da versteck ich mich lieber.“ Leichter anzunehmen ist aber für Kinder, dass die TherapeutInnen in ihren Rollen doppeln. So geht in diesem Spiel der Therapeut als Förster an der Höhle vorbei und spricht laut vor sich hin: „Dem Igel ist der Kampf wohl zu wild, vielleicht hat er Angst, der Wolf oder der Bär könnten ihn anfallen. Da hat er sich lieber in seine Höhle verkrochen. Vielleicht hat er aber auch vergessen, dass er Stacheln hat und nichts fürchten muss. Da würden sich der Bär und der Wolf die Pfoten oder das Maul verletzen. Vielleicht ist er aber ganz vorsichtig und denkt, die Höhle ist doch sicherer. Vielleicht kommt er auch erst aus seiner Höhle heraus, wenn es dämmrig wird. Igel sind ja auch meist nachts unterwegs, wenn die anderen Tiere schlafen. Igel haben ja gute Augen und können sich orientieren.“ Über das einfühlende Doppeln erhalten die Kinder die Empathie der TherapeutInnen, die sie brauchen, um ein Gefühl für sich selbst entwickeln zu können. 2. Stützendes Doppeln und Doppelgänger Dem von Morenos Anthropologie des schöpferischen Menschen ausgehenden Kinderpsychodrama ist die Förderung einer expressiven kreativen Persönlichkeit ein wichtiges Anliegen. Gerade die Technik des stützenden Doppelns und des stützenden Doppelgängers bietet eine gute Möglichkeit, die kreativen Möglichkeiten der Kinder zu fördern und, wo sie eingeengt und beschränkt wurden,
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wieder zur Entfaltung zu bringen. Will ein Kind eine neue Rolle ausprobieren, für die es eine ungenügende Rollenperformanz hat, so können die LeiterInnen beim kreativen Potential der Kinder ansetzen und über stützendes Doppeln die Intention des Kindes aktiv stützen, zur Entwicklung und Darstellung neuer Themen und zu einer Erweiterung des Rollenrepertoirs und von Strukturen beitragen. Als Doppel vertreten die LeiterInnen ein vom Kind noch nicht wahrgenommenes oder gehemmtes Bedürfnis. Ihr Doppeln kommt so einer Ermutigung und Zustimmung gleich und trägt zur Entwicklung von Ich-Funktionen bei. „Wie eine gute Fee dringen sie mit ihrem Zauber in die Psyche des gescheiterten Menschen ein. Wie gute und böse Poltergeister erschüttern und erregen sie manchmal den Patienten und überraschen und trösten ihn ein andermal“ (Moreno 1973, S. 84). Dadurch können sich heimlich ganz neue Befindlichkeiten und Bewegungsfreiheiten erschließen. In einer Gruppe von Zehnjährigen wollen drei Jungen mexikanische Banditen spielen, zwei gehemmte Jungen Abenteurer, die aus Deutschland nach Mexiko reisen. Die Therapeuten sollen zwielichtige Polizisten sein, bei denen man nicht so richtig wisse, ob sie sich an das Gesetz halten. Entgegen der Rollenwahl verhalten sich die beiden gehemmten Kinder nicht als Abenteurer, sondern ziehen sich in eine Hütte zurück, schließen sich ein und rufen über ihr Funkgerät die Polizisten dauernd zur Hilfe, sobald sich die Banditen nur ihrer Hütte nähern. Die Polizisten nehmen diese Hilferufe auf, eilen sofort zu Hilfe, verteidigen die Abenteurer und kämpfen gegen die Banditen. Ohne es zu merken, übernehmen sie die Rolle überfürsorglicher Eltern. Sie lassen sich in die gleiche Konstellation bringen, die die beiden Jungen zu Hause haben, wo ihre Eltern sie überfürsorglich vor der bösen Außenwelt, vor den Anfeindungen der Mitschüler schützen. Statt auf die progressive Tendenz, die sich in der Rollenwahl zeigt, zu achten, reagieren die TherapeutInnen auf die Rollenperformanz, auf das ängstliche Verhalten der Kinder und lassen sich trotz der Rollenzuschreibung, zwielichtige Polizisten zu sein, zu einem Rollenverhalten drängen, den beiden Jungen alles abzunehmen. Statt die Ich-Entwicklung zu stützen, machen sie die Kinder immer passiver und hilfloser. Außerdem bringen sie die beiden Jungen in die gleiche schwierige Situation, die sie in der Schule erleiden. So beschweren die anderen Jungen sich am Ende der Stunde, man könne mit den beiden nicht recht spielen, die seien so blöd, die würden immer die Polizisten zu Hilfe rufen. Nachdem die Therapeuten in der Supervision sehen, dass sie eine nicht förderliche Interaktion wiederholen, versuchen sie
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in der nächsten Stunde, als die Kinder das Spiel fortsetzen, die Rollen anders auszugestalten. Die Abenteurer rufen die Polizisten wieder schnell zu Hilfe. Dieses Mal kommen die Polizisten nicht sofort, sondern machen sich auf ihrer Polizeiwache laut Gedanken über die Abenteurer. Sie wundern sich, dass die Männer, die doch nach Mexiko gereist seien, um Abenteuer zu erleben und zu bestehen, immer gleich um Hilfe rufen. Es seien doch Abenteurer, die ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen und für ihre Verteidigung und Sicherheit sorgen könnten. Andere Abenteurer, die in ihr Gebiet gekommen seien, hätten mit den Banditen gekämpft und Spaß gehabt, diese an der Nase herumzuführen. Manche hätten sich sogar den Banditen angeschlossen, weil es bei denen so viel zu erleben gibt. Und sie fragen sich auch, ob es in Deutschland, in dem Land, aus dem diese Männer kommen, so üblich sei, dass Polizisten dort für Abenteurer Kindermädchen spielen müssen. Außerdem hätten sie jetzt, mitten in der Nacht, keine Lust, in die Wildnis zu gehen. Das sei ihnen viel zu gefährlich. Sie würden jetzt lieber weiter Karten spielen. Sie könnten ja dann morgen früh nach den Abenteurern schauen. Dieses stützende Doppeln führt dazu, dass die beiden Abenteurer vorschlagen, sie würden sich jetzt heimlich davonschleichen, ohne dass die Banditen es merken würden, und in der Nacht einen Unterschlupf aufsuchen. Dies sei aber das Versteck der Banditen. Und sie würden dann überrascht werden, wenn die Banditen von ihrem Streifzug nach Hause kommen. Die anderen Jungen stimmen dem zu. Sie würden aber noch in die Hütte der Abenteurer eindringen, ihr Funkgerät finden, ihre Stimme verstellen und die Polizisten zu Hilfe rufen, so dass diese in eine Falle tappen würden. Diesem Spielvorschlag stimmen die beiden ängstlichen Jungen zu. Dadurch kommt eine völlig neue Interaktion zwischen den Abenteurern und den Banditen zustande, so dass sie sich gegen Ende der Stunde sogar zusammentun und gemeinsam die zwielichtigen Polizisten überwältigen. Eine weitere Möglichkeit, stützend zu doppeln, besteht für die TherapeutInnen darin, sich in ihren Rollen so zu verhalten, dass sie die Intention des Kindes stärken. Als Hilfs-Ich stützen sie das schwache Ich des Kindes und bauen sein geringes Selbstbewusstsein auf durch korrigierendes Spiel und Erlebbarmachen alternativer Phantasien und Erfahrungen. So fördern sie das Ausdrucksverhalten der Kinder und ihre Spontaneität als „die angemessene Antwort auf eine neue Situation oder die neue Antwort auf eine alte Situation“ (Moreno 1973, S. 34).
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Siebenjährige spielen wilde Tiere im Urwald. Die TherapeutInnen sollen Tierfänger sein, Alexandra, ein gehemmtes, schüchternes Mädchen will Puma sein. Während die wilden Tiere die Tierfänger anfallen und vertreiben, bleibt Alexandra als Puma auf ihrem Baum sitzen und schaut mit leuchtenden Augen zu, wie die anderen Kinder als Tiere fauchen, beißen, mit ihren Pranken zuschlagen und den Tierfängern übel zusetzen. Sie selbst wagt aber keine aggressive Handlung. Da unterhalten sich die Tierfänger laut: „Hast du das Pumaweibchen auf dem Baum gesehen? Die verhält sich noch ganz friedlich. Ich trau ihr aber nicht über den Weg. Als ich vorhin ihre scharfe Zähne und starken Pranken sah, ist es mir kalt über den Rücken gelaufen.“ Darauf die Tierfängerin: „Und erst die spitzen Krallen. Die möcht ich nicht abkriegen. Wir machen besser einen großen Bogen um sie, auch wenn sie jetzt so friedlich da oben liegt wie ein kleines Kätzchen.“ Auf dieses stützende Doppeln hin strahlt Alexandra übers ganze Gesicht, faucht die Tierfänger an und zeigt zaghaft ihre Zähne und Krallen. Sofort nehmen diese voller Angst und Entsetzen Reißaus. Indem die TherapeutInnen die Rollenwahl, nicht die Rollenausführung ernst nehmen und auf Alexandra als Puma und nicht als gehemmtes Kind reagieren, kommen sie Alexandras Wunsch, aggressive Impulse zum Ausdruck zu bringen, nach und helfen ihr, die Intention, die sie in der Rollenwahl gezeigt hat, auszudrücken.
Die Doppelgängermethode bezeichnet Moreno als „die wichtigste Therapie für einsame Leute, sie ist deshalb auch wichtig für isolierte und zurückgesetzte Kinder“ (1973, S. 200). Diese Ich-stützende Technik muss aber in der Kindertherapie verändert werden. Würde ein Erwachsener sich einem Kind als Doppelgänger anbieten, bestünde die Gefahr, dass das Kind ihn nicht als HilfsIch sehen würde, sondern als Erwachsenen, der es bevormunden oder bestimmen will. Interveniert dagegen der Therapeut auf der Symbolebene, aus einer Rolle, in der er als Doppelgänger einem Kind Halt und Stütze gibt, kann ein Kind diese heilende Erfahrung des zwischenmenschlichen Verstanden- und Aufgehobenseins leichter annehmen. Vom Therapeut unterstützt wagt es in seiner Rolle Schritte, die es sich in der Realität noch nicht traut. Unter seinem Schutz lernt es, besser für sich selbst zu sorgen, und erfährt so Hilfe zur Selbsthilfe. Mit dieser strukturbezogenen Technik sollen früh geschädigte Aspekte des Selbst, das Selbstbild, die Selbstabgrenzung und die Selbststeuerung stabilisiert und die Fähigkeit zur emotionalen Ausrichtung auf die Anderen und die Fähigkeit zum emotionalen Austausch gefördert werden.
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Neunjährige Kinder spielen Piraten. Ein Junge, Franz, ein Außenseiter, der sehr ängstlich und scheu ist, wählt dabei die Rolle eines Piraten auf dem Ausguck. Die Therapeuten sollen Admirale des spanischen Königs sein, die mit ihrem Schiff, mit Gold vollgeladen, von Amerika nach Spanien segeln. Während die anderen Jungen das spanische Schiff überfallen, mit den Admiralen kämpfen, sie gefangen nehmen und dann auf ihrem Schiff ihren Sieg mit Rum feiern, bleibt Franz die ganze Zeit auf einem Polster sitzen, das als Ausguck des Piratenschiffs aufgebaut wurde. Auch das stützende Doppeln der Therapeuten verändert nichts. Sie liegen als Admirale im Schiffsbauch gefangen und wundern sich laut, wieso der Seeräuber auf dem Mast nicht mitfeiert, obwohl er ja das spanische Schiff zuerst gesichtet habe. Bei den Spaniern würde der Matrose auf dem Ausdruck nach einer Schlacht sofort runterkommen, mitfeiern und bei den Seemannsliedern mitgrölen. Franz bleibt jedoch auf seinem Ausguck und wirkt ganz verkrampft. Als in der nächsten Stunde die Kinder das Spiel weiterspielen wollen und die Therapeuten Kapitäne eines Kriegsschiffs sein sollen, das der König ausschickt, um die gefürchteten Piraten zu fangen, ändert die Therapeutin die Rolle. Sie fragt die Kinder, ob sie einverstanden seien, wenn sie eine Katze auf dem Piratenschiff sei. Die Kinder zögern kurz, stimmen dann aber zu. Während die anderen Kinder als Piraten voll in Aktion sind, z.B. ihre Kanonen laden, Segel setzen, sitzt Franz wieder still auf dem Ausguck. Da klettert die Therapeutin als Katze hoch und kuschelt sich an seine Füße. Sie bewundert ihn: „Wie schaffst du das nur, so alleine da oben zu sitzen? Ich könnte das nicht. Auch wenn ich meine Freiheit liebe, brauch ich doch immer wieder andere zum Spielen oder zum Kuscheln. Brauchen das Piraten nicht auch?“ Franz schüttelt den Kopf. Da er weiterhin nur auf seinem Polster sitzt und sich nicht ins Spiel einbeziehen lässt, versucht die Therapeutin, ihn ins Spiel einzubinden. „Sehe ich recht, ist da in der Ferne nicht eine Klippe?“ Als er zustimmt, fragt sie ihn: „Musst du das nicht dem Steuermann melden?“ Als er daraufhin nichts sagt, klettert sie schnell runter, springt zum Steuermann und sagt: „Der Pirat im Ausguck hat eine gefährliche Klippe entdeckt. Der Kurs muss schnell geändert werden.“ Nach der Kursänderung fragt sie ihn: „Soll ich den Piraten im Ausguck fragen, ob der geänderte Kurs ungefährlich ist, oder ob er gefährliche Strudel oder verborgene Riffe entdeckt?“ Als der Steuermann ihr befiehlt, dem Ausguckmatrosen zu melden, er solle gut aufpassen, klettert sie schnell hoch und gibt Franz die Nachricht weiter. Daraufhin ändert Franz seine Körperhaltung, ist nicht mehr in sich verkrampft, geht mehr in seine Rolle und
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken schaut prüfend auf das angedeutete Meer. Damit aber sein zurückgezogenes Verhalten nicht verstärkt wird, wenn die Therapeutin nur für ihn da ist, nur mit ihm spielt, und die anderen eifersüchtig auf diese Sonderzuwendung werden, klettert sie immer wieder auch zu der Mannschaft runter und treibt sich bei den Piraten herum. Auch hier versucht sie immer wieder, Franz mit einzubeziehen. Sie fragt zum Beispiel, als alle Piraten Hähnchen essen und Cola trinken, den Kapitän: „Muss nicht dem Matrosen auf dem Ausguck ein Hähnchen hochgebracht werden? Der darf ja seinen Posten nicht verlassen, weil sonst das Schiff auf Riffe auflaufen kann.“ Als der Kapitän ihr den Befehl erteilt, weigert sie sich: „Ich kann das Hähnchen nur ins Maul nehmen und hochschleppen. Dann isst der Pirat es aber sicher nicht mehr.“ Daraufhin bringt der Kapitän es selber hoch. Im weiteren Spielverlauf fragt sie Franz: „Nähert sich da nicht eine Windhose?“ Als Franz zustimmt, sagt sie: „Das muss schnell dem Kapitän gemeldet werden.“ Franz sagt, sie solle das tun. Sie sträubt sich: „Der Kapitän glaubt das einer Katze nicht, das muss schon der Pirat vom Ausguck selber melden.“ Damit erreicht sie, dass es im Spiel immer wieder zu kurzen Interaktionen zwischen Franz und den Kindern kommt. Als es zum Schluss zum Kampf mit dem Kriegsschiff kommt, ermutigt sie Franz zum Kampf: „Jetzt ist jeder Mann wichtig. Im spanischen Kriegsschiff ist ein ganzes Heer versteckt. Da braucht man jeden Piraten, sonst werden alle gefangen und in Ketten gelegt.“ Zum Kampf mit den imaginierten Feinden ist Franz dann bereit und tut so, als ob er einige Soldaten niedergestochen habe. Die Katze, die sich ängstlich hinter einer Tonne versteckt hält, kommentiert bewundernd die Tapferkeit der Piraten und hebt auch hervor, wie mutig sich der Pirat vom Ausguck gegen die Übermacht wehrt und einen Soldaten nach dem anderen besiegt.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit des Doppelgängers besteht darin, bei unkontrollierten und aggressiven Kindern eine Hilfs-Ich-Funktion zu übernehmen, die unterentwickelten Ich-Funktionen zu stärken, ein angemessenes aggressives und selbstbehauptendes Verhalten zu verbessern und soziale Fertigkeiten zu entwickeln. In einer Kindergruppe von Zwölfjährigen spielen die Jungen Ninjas, die gegen eine amerikanische Truppe, die von den TherapeutInnen gespielt werden soll, kämpft. Ein unkontrollierter Junge, Alex, der nur über ein geringes, rigides Rollenrepertoire verfügt, kann sich nicht auf das Spiel der anderen Kinder einlassen, die sich als Ninjas anschleichen und Fallen bauen
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wollen. Kaum dass sich die Amerikaner nähern, springt er sofort aus dem Busch und tötet sie mit seinem Ninjastern. Er fordert dann, dass neue amerikanische Truppen in den Kampf eingesetzt werden. Wieder läuft das Spiel ähnlich ab. Wieder setzt er sich über die Spielideen der anderen Kinder hinweg. Diese werden immer ärgerlicher. In der Abschlussrunde werfen sie ihm dann vor, man könne mit ihm nicht spielen. Er halte sich nie an Abmachungen. Es sei auch langweilig, immer nur andere abzuknallen. In der nächsten Stunde wollen die Jungen wieder Ninjas spielen. Alex sagt aber, er sei heute Terminator und kämpfe gegen die Ninjas. Da es abzusehen ist, dass Alex die anderen Jungen im Spiel überwältigen möchte und es zu aggressiven Auseinandersetzungen kommen wird, fragen die TherapeutInnen nicht, welche Rollen sie übernehmen sollen. Vielmehr schlägt der Therapeut vor, er sei ein vietnamesischer Reisbauer, der dem Terminator seine Dienste anbiete, um ihn in dem unwegsamen Gebiet zu führen. Die anderen Jungen sind damit nur einverstanden, wenn die Therapeutin in ihr Lager komme, dort koche und die Verwundeten pflege. Als Reisbauer versucht nun der Therapeut, Alex zu stützen und ihn auf andere Ideen zu bringen, als ständig andere abzuknallen und umzuschlagen. Als untertäniger Reisbauer warnt er den Terminator, sofort auf das Lager der Ninjas loszustürmen, weil diese um ihr Lager Fallen aufgebaut hätten. Man könnte ihr Lager nur erreichen, wenn man zuerst steile Berge und gefährliche Schluchten überquert habe, bei denen man sich gegenseitig abseilen müsse. Danach sei ein Sumpfgebiet, in dem hochgiftige Schlangen leben, zu durchqueren. Erst dann könnten sie nachts an das Lager heranschleichen. Damit versucht er, die geringe Frustrationstoleranz des Jungen zu erweitern, der bisher im Spiel kaum Spannungsbogen aushielt, sondern immer schnell mit Abknallen ein Spiel beendete. Als Doppelgänger versucht er die Größenphantasien des Jungen von einer destruktiven in eine konstruktive Bahn zu lenken, indem er zum Beispiel beim Sumpfgebiet entdeckt, dass dort ein amerikanischer Soldat eingesunken sei, den niemand retten wolle, weil alle anderen Soldaten vor den giftigen Schlangen Angst haben. Er tauscht schnell die Rolle und spielt den einsinkenden Soldaten, der um Hilfe ruft. Alex kann dann als Terminator unter Einsatz seines Lebens mit den Schlangen kämpfen und den Soldaten retten. Für diese Heldentat wird er dann vom General, der wieder vom Therapeuten nach einem Rollentausch dargestellt wird, mit dem höchsten Tapferkeitsorden ausgezeichnet. Als sie sich dem Lager der Ninjas nähern, unterbricht der Therapeut als Spielleiter kurz das Spiel und bietet eine Alternative zu den bisherigen Täter-Opfer-
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken Spielen an. Er fragt die Jungen, ob es sein könnte, dass die Ninjas den Reisbauer fangen würden, weil der in eine Falle tappe, der Terminator aber nachts in ihr Lager schleiche und ihn befreie. Bei der Flucht würden sie aber von einer Wache entdeckt und verfolgt werden. Die Kinder sind damit nur einverstanden, wenn die Ninjas die beiden erwischen. Diese Begrenzung der Allmacht kann Alex nicht akzeptieren. Der Bauer würde gefangen werden, er könnte aber gerade noch den Hubschrauber erreichen und unter Beschuss abfliegen. Da die Kinder bisher den Kampf aus Furcht hinausgezögert haben, Alex könnte wieder alle mit seinem MG ummähen, stimmen sie zu. Da die anderen Kinder in dieser Stunde ihr Spiel ausspielen können und nicht durch die Unkontrolliertheit von Alex immer wieder gestört werden, sagen sie zum ersten Mal in der Schlussrunde, dass sie heute gut mit Alex spielen konnten. Auch Alex meint, die verschiedenen Abenteuer, die er als Terminator zu bestehen hatte, seien spannend gewesen.
Die Doppelgängermethode ist auch bei Kindern mit einer eingeengten Spielfähigkeit angezeigt. Vor allem Kindergartenkinder aus einem wenig förderlichen Milieu benötigen einen der beiden Therapeuten als Doppelgänger, damit das Spiel nicht chaotisch ausufert oder in einem rigiden Spiel versandet. So kann z.B. in einer Gruppe von Jungen, die Urwalttiere spielen, der Therapeut die Rolle eines Löwen anbieten und als Löwe dann die anderen Raubtiere anregen, sich an einen (mit Tüchern dargestellten) Büffel anzuschleichen, ihn einzukreisen und auf ein Zischen hin gemeinsam anzufallen und zu fressen. 3. Explorierendes Doppeln Über das explorierende Doppeln können die Gefühle, die Erlebnisinhalte oder Intentionen der Kinder erfragt werden. Indem ein Therapeut sich in seiner Rolle im Selbstgespräch laut fragt, oder beide TherapeutInnen im Zwiegespräch erörtern, warum sich ein Kind oder die Gruppe in einer bestimmten Weise verhält, was wohl in ihm oder in ihr vor sich geht, regen sie die Kinder an, sich damit auseinanderzusetzen und sich vielleicht auch über das Gefragte zu äußern. In diese Selbst- oder Zwiegespräche können die TherapeutInnen auch Deutungen einfließen lassen. Der sechsjährige Johannes wird in die Therapiegruppe aufgenommen, weil er sehr beziehungsgehemmt ist und stottert. Nach Aussagen der Eltern war er in den ersten vier Jahren ein lebhaftes, ja wildes Kind. Als einziges Kind
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in der ganzen Verwandtschaft erhielt er viel Bewunderung und Aufmerksamkeit. Auf die Geburt des Bruders und die damit verbundene Entthronung reagierte er fast schockartig mit Hemmung seiner ganzen Antriebe und begann zu stottern. Er wurde ein bedrücktes, fügsames Kind, das sich sehr an die Mutter hängte. In der Anfangsphase der Kindergruppe, die zunächst nur aus drei Jungen besteht, spielt Johannes die Rolle eines aggressiven Tigers, der die TherapeutInnen als Tierforscher immer wieder anfällt und verletzt. Da er sich in den vorausgegangenen Familiengesprächen sehr depressiv verhalten hatte, sind die TherapeutInnen völlig überrascht, wie lebendig Johannes in den ersten Stunden spielt. Als in der dritten Stunde aber ein weiterer Junge in die Gruppe kommt, der ein kleines, elternloses Pumakind spielt, das versorgt werden muss, reagiert Johannes massiv auf die Wiederholung seiner Geschichte. Während die anderen Kinder weiterhin wilde Tiere im Urwald spielen, ändert er seine Rolle. Er macht sich zu einem Schäferhund, der die Forschungsstation der Tierforscher bewacht. Er bleibt dabei fast nur in seiner Hundehütte liegen und bewegt sich kaum noch. Hatte er zuvor den Tiger mit leuchtenden Augen und großem körperlichen Einsatz gespielt, so wird er wieder ganz depressiv und verkrampft. Als Tierforscher machen sich die TherapeutInnen, als sie nachts im Bett liegen, laut Gedanken über die Tiere: „Verstehst du, warum Bello, der früher ganz wild war, plötzlich so zahm geworden ist? Seit der kleine Puma in der Tierstation aufgetaucht ist, ist er wie verwandelt. Seine ganze Kraft ist wie eingesperrt. Ich kann mir nicht erklären, wie es dazu kommen konnte.“ Der Forscher überlegt: „Bello ist wie gelähmt. Kann es eine Krankheit sein, die seine Beweglichkeit so einschränkt?“ Die Forscherin zweifelt daran: „Hast du nicht gemerkt, dass Bello sich zahm machte, als der kleine Puma auftauchte, und wir uns sehr um dieses elternlose Tier kümmern mussten und nicht mehr so viel Zeit im Urwald verbringen konnten?“ Darauf er: „Meinst du vielleicht, Bello glaubt, wir hätten für ihn nun keine Zeit mehr, könnten ihn nicht mehr genügend beachten und umsorgen? Könnte es sein, dass er jetzt vor unserer Tür liegen muss und nicht mehr wild herumspringen darf, weil er glaubt, wir würden ihn sonst nicht bemerken?“ Die Forscherin gibt zu Bedenken: „Vielleicht denkt er auch, dass wir nur ruhige und kleine Tiere mögen und nicht die großen, lebhaften?“ Johannes, der wie die anderen Kinder sehr gespannt dem Zwiegespräch der Therapeuten zugehört hat, sagt plötzlich, er würde in der Nacht ganz arg krank werden. Die Forscher würden es am Morgen merken und hätten dann nicht mehr so viel Zeit, die anderen Tiere zu erforschen. Sie müssten bei ihm bleiben, weil
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken er im Sterben liege. Da die anderen Kinder auch die Beachtung der Tierforscher brauchen, teilen sich die TherapeutInnen auf. Während der Therapeut in den Urwald geht, die wilden Tiere filmt und ihre Stärke, ihre Schönheit und Beweglichkeit bewundert, pflegt die Therapeutin Bello und macht sich laut Sorgen um ihn. Sie fragt sich, ob sie bei der Filmarbeit im Urwald zu wenig auf Bello geachtet habe, sich nicht genug um ihn gekümmert habe, so dass er für Krankheiten anfällig wurde. Johannes sagt, sie müsse immer an seinem Krankenbett bleiben, sonst würde es gleich schlimmer werden. Als die anderen Kinder merken, wie Johannes als Bello versorgt wird, werden plötzlich alle Tiere krank. Sie müssen alle in die Tierkrankenstation gebracht werden. Die Forscher hetzen hin und her, um die kranken Tiere zu versorgen und fragen sich, ob die Tiere denken, dass nur kranke und kleine Tiere Pflege bekommen, große und starke Tiere aber allein gelassen werden.
Neben der Möglichkeit, in den übertragenen Rollen das Verhalten eines Kindes zu hinterfragen, können die TherapeutInnen auch eine explorierende Rolle, z.B. die eines Arztes oder Reporters, übernehmen und in dieser Rolle Fragen an die Kinder richten. Das Vertrauen auf die Kreativität der Kinder macht die Grundhaltung des Psychodramatherapeuten aus (Krüger 2002, S. 293). Daher hat er die wichtige Aufgabe, die den Kindern eigene Kreativität beim Finden von Lösungen zu nutzen und schöpferische Suchprozesse anzuregen. Eine gemischte Gruppe von Zwölfjährigen will Schwarzwaldklinik spielen. Sie seien alle verrückte Patienten und die TherapeutInnen sollen Irrenärzte sein. Bei der Visite fragen sich die Ärztin und der Arzt, wie es dazu kommen konnte, dass die Patienten verrückt wurden. Als sie Julius, der als 19jähriger Patient Mike zuckt und um sich schlägt, untersuchen und sich fragen, wieso der Patient Mike die Kontrolle über seinen Körper verloren habe, sagt dieser, er habe als Baby Gift bekommen. Unbewusst gibt er eine biographische Erklärung. Julius ތMutter ist Alkoholikerin, und er wurde mit 1 ½ Jahren völlig verwahrlost in ein Kinderheim eingeliefert und fällt dort wegen starker Aggressivität auf. Als sich die ÄrztInnen über die Therapie Gedanken machten, sagt Julius, er brauche Zuckerwasser, dann würde er wieder normal werden. Die ÄrztInnen nehmen diesen Therapievorschlag auf und meinen, nach dem vielen Bitteren, das Mike erlebt habe, brauche er jetzt viel Süßes und die Zuwendung der ÄrztInnen.
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Anne, deren Eltern voll in ihrem Geschäft aufgehen und das Mädchen, das häufig verunglückt, sich selbst überlassen, spielt die 18-jährige Jane, die immer aus ihrem Bett fällt und sich dabei schwer verletzt. Auf die Frage der ÄrztInnen, wie es zu dieser Fallsucht kommen konnte, antwortet Anne, sie sei als kleines Kind vom Tisch gefallen. Sie würde nur geheilt werden, wenn die Ärzte sie links und rechts an der Hand halten. Die Ärzte diagnostizieren daraufhin, auf die kleine Jane sei zu wenig geachtet worden. So sei es kein Wunder, dass sie sich verletzt habe. Sie habe wohl viel zu früh groß werden müssen. Sie verschreiben daher, dass sie jetzt in der Klinik gut versorgt und betreut wird, bis sie richtig groß werden könne. Ähnliche Überlegungen stellen die Ärzte bei den anderen Kranken an. So kann jedes Kind auf der Symbolebene in verschlüsselter Form eine Erklärung für seine Verhaltensauffälligkeiten liefern und zugleich unbewussten Zugang zu Lösungen für seine Probleme finden. Dieses explorierende Doppeln kann auch eingesetzt werden, wenn sich die Dynamik der Gruppe plötzlich verändert und die TherapeutInnen zunächst nicht wissen, wie diese Veränderung zu erklären ist. Eine gemischte Kindergruppe von Siebenjährigen spielt seit einigen Stunden Bauernhof. Als die Therapeutin wegen Krankheit in der nächsten Stunde fehlt, entwickeln die Kinder als Schweine einen gewaltigen Hunger. Der Therapeut kann als Bauer, obwohl er riesige Mengen Futter anfährt, die unheimliche Gier der Schweine nicht stillen. Er wundert sich, wieso die Tiere nicht zu sättigen sind. Ob es wohl daran liege, dass die Schweine die Bäuerin vermissen. Da sagen die Kinder: „Wir täten in der Nacht die schönsten Kleider der Bäuerin stehlen. Der Bauer tät aber nichts merken und tief schlafen.“ Auf die Nachfrage des Leiters, wie der Bauer am nächsten Morgen reagieren würde, wenn er es dann sehe, sagen die Kinder, er täte arg schimpfen. Als der Bauer dann am frühen Morgen in den Stall kommt, ist er entsetzt, die Schweine in den Kleidern seiner Frau zu sehen. Er schimpft, was die Tiere sich erlauben. Dann fragt er sich aber: „Ist es etwa bei den Schweinen wie bei den Kindern, die, wenn sie die Mutter vermissen, wenigstens ein Tuch brauchen, das nach der Mutter riecht?“ Da kuscheln sich die Schweine in die Kleider und bleiben eng aneinander im Stall liegen. Nach einiger Zeit geben sie die Spielanweisung: „Der Bauer täte jetzt schlafen. Und wir täten den Traktor stehlen, wegfahren und einen Abhang runterfahren und ins Krankenhaus gebracht werden. Sie täten nichts
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken merken. Erst am Morgen tät die Polizei anrufen und Sie schimpfen, weil Sie nicht aufgepasst haben.“ Die Schweine fahren mit großem Spaß mit dem Traktor durch die Gegend und verunglücken dann. Die Kinder verbinden sich dann Kopf, Arme oder Beine, bauen schnell ein Krankenhaus und legen sich verletzt in die Betten. Nach der Aufforderung: „Jetzt wäre es Morgen“, geht der Bauer in den Stall, um die Schweine zu füttern. Mit Schreck stellt er fest, dass der Stall leer ist, und macht sich große Sorgen. Ein Kind tauscht die Rolle und ruft als Polizist an, beschimpft den Bauer und droht ihm mit Gefängnis. Der Bauer macht sich Vorwürfe und eilt besorgt ins Krankenhaus. Da sagen die Kinder, er täte zuerst schimpfen, würde aber lieb, als er sie so verletzt liegen sehe. In der nächsten Stunde, als die Therapeutin wieder da ist, wollen die Kinder da weiterspielen, wo sie aufhören mussten. Die Bäuerin soll mit dem Bauer in das Krankenhaus kommen, sehr erschrecken und sich Vorwürfe machen. Die Kinder genießen sichtlich die Klagen und Selbstvorwürfe der Bäuerin. Die Bauersleute tragen dann die verletzten Schweine nach Hause und pflegen sie. Sie werden dann schnell gesund und verwandeln sich plötzlich in bösartige Tiere, die vor allem die Bäuerin anfallen, beißen, ihr Bett verkacken und den Hof verwüsten. Verzweifelt ruft die Bäuerin den Tierarzt an. Sie verstehe nicht, was in die braven Tiere gefahren sei. Der Therapeut tauscht die Rolle, kommt als Tierarzt, diagnostiziert „Wutkrankheit“ und fragt: „Sind die Schweine alleingelassen oder vernachlässigt worden? Das ist nämlich häufig die Ursache dieser Krankheit.“ Als die Bäuerin schuldbewusst zugibt, dass sie die Tiere alleingelassen habe, verschreibt der Tierarzt viel Zuwendung und Streicheln, das sei die beste Medizin. Die Bäuerin zweifelt an der Wirksamkeit dieser ärztlichen Verordnung. Die Tiere seien so gefährlich. Vorsichtig streichelt sie dann doch den Tieren über den Kopf, die ruhig ihren Kopf hinhalten und strahlen. Darauf sagt der Tierarzt: „Da sehen Sie, wie gut liebevolles Streicheln den Schweinen tut, diese Medizin wirkt sofort.“
4. Ambivalenz-Doppeln In der Erwachsenentherapie vertreten zwei doppelnde Personen rechts und links hinter dem Protagonisten je eine der widerstreitenden Tendenzen, um den Protagonisten aus einer ambivalenten Haltung herauszuführen. In der Kindertherapie dagegen halten die TherapeutInnen in den Rollen, die ihnen die
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Kinder zugewiesen haben, ein Zwiegespräch, wobei jeder eine der widerstreitenden Tendenzen vertritt. Zwölfjährige spielen wilde Tiere, wie z.B. Panther, Jaguar, Leopard. Die TherapeutInnen sollen Tierfänger sein, die die Tiere fangen und für viel Geld an einen Zoo verkaufen wollen. Nachdem die wilden Tiere in den Zoo eingeliefert worden sind, werden sie krank. Die Kinder sagen, der Therapeut soll nun Tierarzt sein. Alle Versuche des Tierarztes, die Tiere zu retten, scheitern. Die Tiere werden noch viel kränker. Da fragt sich der Tierarzt, ob wilde Tiere überhaupt im Zoo, in der Gefangenschaft gesund werden können, ob sie nicht die freie Wildbahn zur Gesundung bräuchten, in der Gefangenschaft aber ihre vitalen Lebenskräfte verlieren. Als Antwort geben die Kinder die Anweisung, er müsse die Zoowärterin schimpfen. Er wirft der Zoowärterin, die von der Therapeutin gespielt wird, vor, wie unverantwortlich es sei, so schöne wilde Tiere einzupferchen und einzugrenzen. Es sei kein Wunder, dass sie in der Gefangenschaft verenden. Er droht ihr mit einer Anzeige wegen Tierquälerei. Die Kinder genießen diesen Vorwurf sichtlich und geben die Anweisung, noch mehr zu schimpfen. Sie brechen dann aus dem Zoo aus und werden in der Freiheit wieder zu kräftigen wilden Tieren. Ihre Stärke, Geschicklichkeit und Natürlichkeit bewundert der Tierarzt aus der Ferne. Nach einiger Zeit aber kommen sie wieder in den Zoo zurück, werden krank und müssen wieder gepflegt werden. Sie rivalisieren dabei, wer kränker und pflegebedürftiger sei. Tierarzt und Zoowärterin vertreten im Dialog die widerstreitenden Tendenzen. Der Tierarzt spricht den Wunsch nach Freiheit, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit aus, die Wärterin den Wunsch, doch noch versorgt und behütet zu werden. Sie kommen dann zur Schlussfolgerung, dass wohl auch wilde Tiere beides bräuchten. Bei regredierenden Kindern können die Therapeuten in einem AmbivalenzDoppeln die regressive und progressive Tendenz ansprechen. So können sie sich z.B. als Bauerspaar nachts im Bett laut Gedanken über das kleine Kätzchen machen, das im Körbchen neben dem Bett der Bauern schläft. Die Bäuerin spricht an, wie viel Pflege und Schutz dieses Kätzchen noch braucht, der Bauer, wie sehr auch schon die Zähne und Krallen gewachsen sind, und dass das Kätzchen, wenn die Zeit gekommen ist, sicher damit die Mäuse fangen wird, die dauernd in der Speisekammer den Käse und die Wurst anknabbern.
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3.2.8 Deutende Interventionen Nach Moreno (1973, S. 77) ereignet sich im Psychodrama Einsicht durch Handeln, ist Psychodrama die Methode, „welche die Wahrheit der Seele durch Handeln ergründet“. Daher kann es keine Deutung ohne vorhergehende psychodramatische Aktion geben. Indem die TherapeutInnen die ihnen — im doppelten Sinne des Wortes — übertragenen Rollen spielen und darauf achten, was sie als Objekte der Übertragung, in der konkordanten oder komplementären Identifizierung, in sich selbst wahrnehmen und empfinden, erhalten sie wertvolles Material, um die inneren Prozesse der Kinder zu verstehen und zu deuten. Ihre Gegenübertragung, mit der sie auf die Übertragung des einzelnen Kindes und der Gruppe insgesamt reagieren, zeigt ihnen, was das einzelne Kind oder die Gruppe als Ganzes ihnen gegenüber fühlt und tut. Können die TherapeutInnen ihre eigenen Gefühle kontrollieren und das Spiel der Kinder durchschauen, dann haben sie eine gute Möglichkeit, um den Kindern lebendig und anschaulich ihre Übertragungen bzw. ihre Objektbeziehungen aufzuzeigen und bewusst zu machen. In diesem Sinne ist das Mitspielen der TherapeutInnen eine Deutungsarbeit. Es birgt aber die Gefahr, worauf Rubner und Rubner (1982, S. 22) zurecht hinweisen, dass die TherapeutInnen aufgrund eigener Probleme, Ängste und Wünsche, also letztlich aufgrund nicht kontrollierter Gegenübertragung, die Distanz zu den Kindern und zu sich selbst verlieren und damit das Spiel der Kinder wiederholen, das sie gerade aus den Wiederholungszwängen befreien sollten. Sechsjährige Kinder spielen in der Anfangsphase Bauernhof. Als der Therapeut wegen eines wichtigen anderen Termins an der Sitzung nicht teilnehmen kann, ist die Therapeutin als Bäuerin allein. Die Kinder sind kleine Tiere, die noch sehr versorgt werden müssen. Ein Mädchen, das bei ihrer allein erziehenden Mutter aufwächst und früh auf sich selbst gestellt war, spielt eine Katze. Die Therapeutin hetzt als Bäuerin hin und her, um die Wünsche der kleinen Tiere zu erfüllen. Mit der Zeit wird es ihr zuviel. Da lobt sie die Katze. Sie sei froh, dass diese selbst für sich sorge, Mäuse fange und die Bäuerin nicht brauche. Ohne es zu merken, bestätigt sie das Verhalten des Kindes, das zu Hause auch die überforderte Mutter entlastet. Erst in der Supervision erinnert sie sich, dass die Katze sich gleich zu Beginn des Spiels verletzt hatte und die Fürsorge der Bäuerin gebraucht hätte. Zugleich kann sie erkennen, dass sie das Mädchen behandelte, wie sie selbst von ihrer
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Mutter behandelt wurde, die auch immer zu ihrer Entlastung die Selbständigkeit ihrer Tochter lobend hervorhob. Neben der aktionalen Deutung kann es wichtig sein, Kindern aufzuzeigen, welche Rollen sie immer dem Therapeuten oder anderen Kindern zuschreiben und welche Rollen sie für sich selbst wählen. Dadurch können Kinder zu einem unmittelbaren Verstehen und zu einer erlebten Einsicht kommen. In einer gemischten Kindergruppe von Achtjährigen trifft es sich zufällig, dass alle drei Jungen zu Hause unter der gleichen Situation leiden, nämlich jüngere Schwestern zu haben, die die Eltern sehr in Beschlag nehmen. In der Anfangsphase spielen die drei Mädchen kleine Tiere auf einer Farm. Die Jungen wollen dagegen Trapper in der Wildnis sein. Auf Wunsch der Mädchen sollen die beiden TherapeutInnen die Farmer sein. Die Jungen stimmen auf Nachfrage dieser Rollenübertragung zu. Nachts aber, als die Tiere und die Farmer schlafen, kommen sie als Werwölfe, fallen über die Tiere her und wollen sie aussaugen. Sie können nur mit Gewalt von den Farmern vertrieben werden. In den nächsten Stunden wiederholen sie dieses Spiel. Obwohl die Therapeuten jedes Mal nachfragen, ob die Jungen wirklich wollen, dass sie alleine sind und beide TherapeutInnen als Farmer für die Tiere sorgen, bestätigen die Jungen diese Rollenwahl. Nach der dritten Wiederholung weigern sich die TherapeutInnen, die Rollen anzunehmen. Sie sprechen an, dass die Jungen immer zustimmen, dass sie aber den Eindruck hätten, es ärgere sie sehr, dass die Mädchen die TherapeutInnen so in Beschlag nehmen. Das sei wie zu Hause, wo die kleinen Schwestern die Eltern voll in Anspruch nähmen. Auf diese verbale Deutung können die Jungen ihre Wut zeigen, dass die Mädchen wie die kleinen Schwestern zu Hause die ganze Aufmerksamkeit der Eltern auf sich ziehen. Sie äußern dann auch den Wunsch, der Therapeut solle mit ihnen Trapper spielen. Indem die Trapper Felle auf der Farm verkaufen, dafür Milch und Brot bekommen, kommt es auch zu einer Verbindung zwischen dem Spiel der Jungen und der Mädchen. Deutungen im Kinderpsychodrama erfolgen meist im Spiel auf der Symbolebene, indem ein Therapeut in seiner Rolle im Selbstgespräch oder die beiden TherapeutInnen in ihren Rollen im Zwiegespräch Überlegungen anstellen, das Verhalten eines Kindes in seiner Rolle oder der Gruppe hinterfragen oder zu erklären versuchen. So fragt zum Beispiel der Bauer (Therapeut), wieso Bello (Franz) so
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bissig geworden ist. Vielleicht müsse er so zubeißen, weil die Bauersleute ihn vor lauter Arbeit gar nicht mehr gesehen und sich nicht um ihn gekümmert haben? Diese symbolische Form der Deutung ruft weniger Ängste und Widerstände bei den Kindern hervor. Sie erlaubt ihnen, den Bezug zur eigenen Person erst dann herzustellen, wenn sie selbst dazu bereit sind. Außerdem lassen sie die ausdrucksstarken, vom unbewussten der Kinder geschaffenen Bilder stehen, die in ihrer Tiefe mit Worten nicht auslotbar sind. Wir geben selten genetische Deutungen, häufiger Deutungen, die den Realitätsbezug verbessern und die aktuelle Beziehung betreffen. Diese Deutungen müssen der Sprache und dem emotionalen und kognitiven Entwicklungsstand der Kinder angepasst sein. Sie sollen auch nur behutsam gegeben werden, damit die Kinder nicht Widerstand gegen das Spielen entwickeln. Die Kinder wehren sich auch meist, wenn sie nicht bereit sind, die Deutungen anzunehmen. Sie sagen zum Beispiel: „Ihr tätet jetzt schlafen und nicht mehr reden.“ Oder sie verbinden den TherapeutInnen einfach den Mund, wenn diese Gefangene sind. Da die in der Deutung angesprochene Realität gleichzeitig in der Spielhandlung erlebt wird, kann die Wirkung oft unmittelbar an der weiteren Entwicklung des Geschehens abgelesen werden. Eine gemischte Gruppe von Zwölfjährigen spielt Königshof. Die Mädchen sind Prinzessinnen, die sich mit der Königin, der Therapeutin, anlegen. Zwei Jungen spielen Hofjäger. René, der von seiner Mutter als Partnerersatz gebraucht wird, im Bett der Mutter schläft, nicht groß werden darf und in der Schule daher total versagt, wählt die Rolle des Kammerdieners der Königin. Der Therapeut soll König sein. Es kommt zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Prinzessinnen und der Königin. Als die Königin immer heftiger attackiert und beleidigt wird, holt sie nicht den König zur Unterstützung, sondern ruft den Kammerdiener. Da es kurz vor der Stunde zu einem Konflikt zwischen den Beiden kam und die Therapeutin den Ärger auf den Therapeuten im Spiel nicht kontrollieren kann, inszeniert sie für René eine Wiederholung einer häuslichen Szene. Sie sagt zu René: „Um in den schweren Zeiten einen Beistand zu haben, schlage ich Dich zum Ritter.“ Da ruft René: „Au Schreck!“ und fällt in „Ohnmacht“. Der Therapeut kommt dem Kammerdiener zu Hilfe und spricht vor sich hin: „Dieser Wunsch der Königin überfordert wohl den Kammerdiener. Er scheint sich gar nicht dagegen wehren zu können. Vielleicht befürchtet er, sie könne sonst zusammenbrechen oder sie könnte den Kammerdiener entlassen, wenn er Nein sagt. Eigentlich ist es auch die Aufgabe des Königs,
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Knappen zu Rittern zu schlagen.“ Als der Kammerdiener wieder erwacht, sagt der König zu ihm: „Kammerdiener, du brauchst dich nicht mehr um die Königin sorgen. Ich werde ihr bei den Auseinandersetzungen mit den Töchtern zur Seite stehen. Du kannst jetzt mit den anderen Knappen auf Turniere gehen und Abenteuer bestehen. Bereite dich auch auf die Ritterweihe vor. Ich werde dich und die anderen Knappen in einem Monat zum Ritter schlagen.“ Auf dieses stützende Doppeln hin strahlt René übers ganze Gesicht und schließt sich den anderen Jungen an. Um Deutungen zu mildern, sie weniger eindringend zu machen und weniger Widerstand auszulösen, können die TherapeutInnen auch behaupten, dass sie die „Deutung“ in einem Buch gelesen oder von Dritten gehört haben. Sie können auch imaginierte Fachleute anrufen und deren „Aussagen“ laut wiederholen. Zehnjährige Jungen wollen Geister spielen. Die TherapeutInnen sollen Ghostbusters sein. Uwe und Mark, die sich ihren sehr eindringenden Eltern passiv verweigern und mit ihnen in einen Machtkampf verstrickt sind, sagen, sie seien Geister mit negativen Energien, die die Geisterjäger mit einer Berührung ohnmächtig machen können. Die anderen beiden Jungen sind Geister, die die Jäger einschleimen und erschrecken können. Als die Ghostbusters in das Schloss gerufen werden, in dem es spukt, versuchen sie die Geister mit ihren Sauggeräten einzufangen. Die beiden Geister Mark und Uwe machen sie aber völlig schwach und kraftlos, so dass sie ihre Geräte nicht mehr halten können. Ohne Gegenwehr nehmen die Geister sie ihnen weg. Erschreckt ziehen sich die Geisterjäger in ihr Büro zurück. Die Kinder rufen als Schlossbesitzer an, die Geisterjäger müssten sofort wieder ins Schloss kommen. Dort wiederholt sich dasselbe Spiel. Als die Kinder es noch mal wiederholen wollen, sprechen die Geisterjäger laut in ihrem Büro miteinander: „Wir haben keine Chance. Es ist zwecklos, sich nochmals auf einen Kampf mit den Geistern einzulassen. Obwohl wir berühmte Geisterjäger sind, haben wir über diese Geister nicht genug Macht.“ Die Kinder protestieren und sagen, die Geisterjäger sollen noch mal kommen. Diese verweigern sich aber und sagen, sie müssten erst in einem Fachbuch nachschlagen, wie man mit solchen Geistern umgehen müsse. Dann lesen sie laut vor, was sie in diesem Buch finden: „Geister mit negativen Energien sind früher Menschen gewesen, die nicht offen Nein sagen durften, denen verwehrt wurde, sich offen zu wehren. Man darf gegen diese Geister nicht kämpfen, sonst werden ihre negativen Energien nur aufgeladen. Man kann
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken sie nur höflich bitten, mit dem Spuk freiwillig aufzuhören.“ Die Geisterjäger überlegen dann laut, wie sie gegenüber ihrem Auftraggeber, der die Geister ja loshaben will, ihr Gesicht wahren könnten und trotzdem nicht in einen vergeblichen Machtkampf mit den Geistern eintreten müssten. Vielleicht könnten sie die Geister bitten, nicht mehr so schrecklich zu spuken und den Schlossbesitzer weniger zu erschrecken. Als sie dann im Schloss den unsichtbaren Geistern diese Bitte vortragen, sind die Geister nur unter der Bedingung dazu bereit, dass die Geisterjäger die Macht der Geister anerkennen. Diese geben ihre Ohnmacht zu, sie hätten ja die Stärke der Geister erfahren und gemerkt, dass sie trotz modernster Technik und großer Erfahrung ihnen gegenüber hilflos sind. Daraufhin versprechen die Geister, den Schlossherrn weniger zu ärgern und zu ängstigen, wenn dieser sich bereit erkläre, sie nicht mehr zu bekämpfen.
In den Deutungen kann auch der interpersonelle Kontext einer Rolle herausgestellt werden, kann ausgesprochen werden, welche Funktion das Verhalten eines Kindes im Zusammenspiel der Gruppe hat. Dadurch erkennt das Kind wie auch die Gruppe, dass das Verhalten dieses Kindes auch im Dienst des Bedürfnisses der Gruppe steht. In einer gemischten Kindergruppe von Zehnjährigen wählen die drei Jungen die Rolle von Wölfen, die zwei Mädchen die von Bernhardinerhunden. Der Therapeutin geben sie die Rolle der Tierschützerin, dem Therapeuten die des Jägers. Im Spiel greifen die Wölfe vehement den Jäger an. Als die Hunde ihn auch noch beißen und alle fünf über ihn herfallen, was dem Therapeuten sichtlich zu viel wird, kommt es zum Konflikt. Die Wölfe wollen den Jäger ganz für sich haben und verjagen die Hunde. In dieser Konfliktsituation stellt sich Achim, der zu Hause Partnerersatz ist, in der Schule immer der Lehrerin zu Hilfe kommt und in der Gruppe dominieren will, aber dem Rivalitätskonflikt unter den Jungen ausweicht, in den Dienst der Gruppe. Er sagt, der Jäger würde ihn jetzt fangen und ihn dressieren. Dieser Rollenwechsel entschärft den Konflikt. Nachdem Achim als Wolf gefangen und dressiert ist, stürzen sich die anderen Wölfe auf ihn und kämpfen mit ihm. Die Mädchen können als Hunde in Ruhe auf den Jäger losgehen, der seinerseits auch entlastet ist und mehr Luft hat. In dieser Situation besucht die Tierschützerin den Jäger. Sie wundert sich, dass der wilde Wolf seine Freiheit aufgegeben habe, den Jäger beschütze, den Kampf mit den anderen Wölfen auf sich nehme und damit den Kampf zwischen Hunden und
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Wölfen beende. Der Jäger entgegnet, der Wolfshund habe hier viele Vorteile. Ihm gehe es als Haushund doch gut. Bei ihm müsse er nicht mit den anderen Wölfen um seine Position im Rudel kämpfen. Diesem kurzen Gespräch lauschen die Tiere in ihren Höhlen und Hütten liegend. In der folgenden Stunde will Achim nicht mehr Hund sein, er wählt wie die anderen Jungen wieder die Wolfsrolle und beginnt, sich mit ihnen im Spiel auseinanderzusetzen. Auch die hic et nunc in der Gruppe ablaufenden Prozesse, mit denen die Gruppe ihre Ängste, Aggressionen, Konflikte und Wünsche abwehrt, können durch die Deutungen der TherapeutInnen bewusst gemacht werden. In der letzten Stunde vor den großen Ferien kündigt die Therapeutin bei einer Gruppe von Achtjährigen die Ferienpause an. Die Kinder reagieren verbal nicht darauf, sondern setzen ihr Spiel von der letzten Stunde fort, in dem sie Kinder und die TherapeutInnen Eltern waren. Die Ankündigung der Pause verändert das Spiel aber stark. Die Kinder bauen heimlich ein Schiff, ohne dass die Eltern etwas merken sollen. Nachts segeln sie davon und entdecken eine Insel, auf der es köstliche Nahrung in Hülle und Fülle gibt. Als die Eltern erwachen und das leere Kinderzimmer entdecken, müssen sie weinen, klagen und sich Sorgen um die Kinder machen. Um die Abwehr der Angst vor Verlassenwerden und der dadurch ausgelösten Wut in der Verkehrung ins Gegenteil deuten zu können, ruft der Therapeut als Vater die Polizei an und berichtet der Mutter darüber. Die Polizei habe gesagt, es sei kein Wunder, dass die Kinder verschwunden seien, wenn die Eltern einfach in Urlaub fahren wollen und die Kinder unversorgt zurücklassen. Das sei Vernachlässigung und strafbar. Auf diese Deutung reagieren die Kinder mit der Spielanweisung, es sei jetzt wieder Nacht, und die Eltern müssten sich ins Bett legen und schlafen. Dann kommen sie heimlich zurückgesegelt, überfallen die Eltern, fesseln sie und werfen sie ins Gefängnis. Dort werden sie mit Eierpampe beschmiert, müssen eine braune Brühe voller stinkender Nudeln trinken und ganz arg Bauchweh davon bekommen. Gerade beim Kinderpsychodrama müssen sich die TherapeutInnen der Gefahr bewusst sein, mit den Kindern zu agieren und ihr Spiel einfach mitzuspielen. Ihre Aufgabe ist es aber, wie Lebovici (1971, S. 331) ausführt, zu spielen, „ohne das Spiel des Kranken zu spielen“. Dies verlangt von den TherapeutInnen, dass sie
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einerseits mit den Wünschen und Ängsten der Kinder voll identifiziert sein müssen und gleichzeitig distanziert genug, um die Abwehrmechanismen zu erkennen und sich rechtzeitig zu weigern, den Kindern und ihren Widerständen zu folgen. Gerade monotone Wiederholungen im Spiel, in denen sich Leerlauf einstellt und der therapeutische Prozess nicht fortschreitet, signalisieren etwas Unverstandenes. Die Kinder bleiben, wie unerlöste Geister, in der Wiederholung stereotyper Abläufe, bis sie zur Lösung und Erlösung gefunden haben. Nur auf die den Kindern innewohnende Spontaneität der Entwicklung zu vertrauen und Kindern ihre Rolle so oft spielen zu lassen, wie sie es wünschen (Pruckner 2001, S. 85), vernachlässigt die Tatsache, dass auch Kinder Bewältigungshilfen benötigen, um aus festgefahrenen Spielmustern herauszukommen. Eine gemischte Gruppe von Elfjährigen, die alle aus Scheidungsfamilien kommen, inszeniert über Stunden das gleiche Spiel: Die drei Jungen sind Fußballstars, die zur Weltmeisterschaft nach Brasilien fliegen wollen. Ein Mädchen, das zu Hause ihre Mutter bei der Arbeit mit den kleinen Geschwistern unterstützt, ist Ärztin; die beiden anderen Mädchen sind Mannequins, die zu einer bedeutenden Modeschau wollen. Der Therapeut soll Pilot sein, die Therapeutin Stewardess. Während des Flugs betrinken sich die Fußballer. Ein Triebwerk fällt aus, der Pilot wird mit der Panne nicht fertig, und das Flugzeug stürzt im Urwald ab. Pilot und Stewardess liegen nach Anweisung ohnmächtig im Flugzeug. Die Fußballer torkeln betrunken durch den Urwald, die beiden Mannequins sind völlig hilflos, nur die Ärztin übernimmt die Versorgung der Verunglückten. Dieses Spiel wiederholen die Kinder immer wieder. Erst als die Therapeuten in der Supervision verstehen, dass die Kinder in diesem Symbolspiel die Katastrophe der Scheidung inszenieren, dass die Jungen mit ihrem Betrunkensein ihre Desorientiertheit zeigen, aber auch, dass sie an dem Unglück der Scheidung schuldlos sind, können sie alternative Szenen mit neuen Erlebnis- und Erfahrungsmöglichkeiten bereitstellen. Sie spielen in der nächsten Stunde, als die Kinder diese Szene wiederholen, nicht mehr den ohnmächtigen Piloten und die hilflose Stewardess. Vielmehr übernimmt der Pilot die Verantwortung für den Absturz. Er hätte die Maschine besser warten und pflegen müssen. Auch die Therapeutin verändert ihre Rolle und pflegt als Stewardess die Verletzten. Beide übernehmen dann zusammen auch die Aufgabe, die Stars, die Mannequins und die Ärztin aus dem Urwald herauszubringen. Dadurch, dass der Pilot zu der Schuld an dem Unglück steht und beide sich verpflichtet fühlen, die Folgen des Unglücks zu
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bewältigen, verändert sich das Spiel. Die Fußballer sind plötzliche nicht mehr betrunken, sondern beschimpfen mit großer Wut den Piloten, der die Katastrophe heraufgeführt habe. Die Mädchen zeigen jetzt auch ihre Bedürftigkeit. Sie sind plötzlich alle schwer verletzt und müssen von der Stewardess und dem Piloten verarztet, versorgt und aus dem Urwald herausgetragen werden. Wichtig ist, dass die agierte Deutung angebahnt wird, damit die TherapeutInnen nicht in die Gefahr des Machtausübens geraten. Bevor sie einen anderen als von den Kindern gewünschten oder befürchteten Ausgang eines Spiels herbeiführen oder sogar gegebenenfalls die Szene unterbrechen, müssen sie zuerst die Gefühle und Neigungen, die sie bei den Kindern hinter dem Spiel vermuten, im Monolog oder Dialog aussprechen und so die Kinder mit sich selbst konfrontieren. So können sie zum Beispiel bei einem Spiel, in dem die Kinder sie dauernd niederkämpfen, sich als Forscher fragen, ob sich die Urmenschen ihnen gegenüber deshalb so mächtig verhalten müssen, weil sie befürchten, selbst ohnmächtig und hilflos gemacht zu werden. Führen diese Deutungen im Monolog oder Dialog der TherapeutInnen nicht zur Veränderung, können sich die TherapeutInnen in einem weiteren Schritt in den übertragenen Rollen durch Interpolation von Widerständen Stück für Stück den Wünschen der Kinder widersetzen und ihnen eine dosierte, verarbeitbare Frustration zumuten. Sie begrenzen zum Beispiel schrittweise die überschießenden Größenphantasien der Kinder, die immer gewinnen wollen, ohne selbst in eine Macht-Ohnmacht-Schaukel einzusteigen. Elfjährige Jungen bekämpfen als Jedi-Ritter über einige Stunden die Außerirdischen (TherapeutInnen), die chancenlos niedergemacht werden. Da es zu einer monotonen Wiederholung des Spiels kommt, beginnen die Therapeuten als Außerirdische ihre eigene Ohnmacht abzuschwächen und die Macht der Jedi-Ritter zu begrenzen. Sie hätten einen neuen Panzer entwickelt, der nicht mehr von den Laserstrahlen der Jedi-Ritter zu knacken sei. Nur am Fuß hätten sie noch eine Schwachstelle, durch die Laserstrahlen durchgehen könnten. Erst wenn all diese Interventionen nicht zu einer Veränderung führen, können die TherapeutInnen die Kinder mit der Intervention der „agierten Deutung“ (Anzieu, 1984, S. 139f.) konfrontieren. Sie nehmen im Spiel eine andere als die von den Kindern gewünschte Haltung ein und halten diese konsequent durch, bis die Kinder ihre Haltung ändern. Gegen die Rollenzuweisungen und
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Erwartungen der Kinder variieren sie die Rollenverkörperung. Dies kann bis zum Entzug der korrespondierenden Rolle und der Weigerung, in der Rollenkonfiguration weiter mitzuspielen, gehen, immer vorausgesetzt, die Kinder können diese Interventionen ertragen. Zehnjährige Kinder verharren über viele Wochen in der narzisstischen und megalomanischen Befriedigung, indem sich die TherapeutInnen im Spiel ihren Größenphantasien unterwerfen müssen. Die Jungen sind wilde Cowboys, die Therapeutin Saloonbesitzerin, der Therapeut Sheriff. Immer wieder kommt die wilde Bande in die Stadt geritten, schlägt den Saloon kurz und klein und macht den Sheriff, der für Ordnung sorgen will, fertig. Auf alle mögliche Art und Weise erniedrigt sie ihn und macht ihn ohnmächtig. Er wird geschoren, muss seine Uniform ausziehen und nackt dastehen. Er muss tanzen und die Bande schießt dabei auf seine Füße, dass er hüpfen muss. Er bekommt Pipi zu trinken, wenn er Durst hat, und Kot zum Essen, wenn er Hunger hat. Nachdem Deutungen und Versuche der Therapeutinnen, gegen die Ohnmacht anzugehen, nichts verändern, sucht in der nächsten Stunde der Sheriff die Saloonbesitzerin auf: „Ich bin nicht mehr so blöd und setze mein Leben dauernd aufs Spiel. Ich werde unentwegt beschämt und gedemütigt. Ich hänge meinen Sheriffstern an den Nagel, gebe meinen Posten ab und verschwinde aus der Stadt.“ Die Saloonbesitzerin übernimmt im Gespräch die Gegenposition: „Das können Sie doch nicht tun, dann lachen Sie ja alle in der Stadt aus und beschimpfen Sie als Feigling.“ Der Sheriff erwidert: „Ich nehme eher auf mich, ausgelacht als umgebracht zu werden.“ Die Saloonbesitzerin gibt ihm recht: „Ich habe ja auch genug davon, meinen Saloon dauernd neu einzurichten. Ich werde mit Ihnen reiten und auch in eine andere Stadt ziehen.“ Beide reiten dann weg und sagen den Kindern, sie seien unbemerkt aus der Stadt entkommen und schon weit weg. Als ein Junge sagt, sie hätten bessere Pferde und würden sie einholen, verweigern sich die Therapeuten: Sie seien in der Nacht weggeritten und schon über alle Berge. Ein anderer Junge meint, das Pferd des Sheriffs lahme, und er müsse zu Fuß weitergehen. Da würden die Banditen ihn finden. Der Sheriff widerspricht, sein Pferd sei in Ordnung, er befinde sich schon in einer anderen Stadt, wo er nicht mehr zu finden sei. Da werden die Jungen sauer und schimpfen. Sie dürften doch bestimmen, was gespielt wird. Das hätten die Leiter zu Beginn zugesichert. Das sei wieder typisch für Erwachsene. Nie würden sie machen, was die Kinder wollen, immer nur leere Versprechungen machen. Jetzt hätten sie auch keine Lust
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mehr zu spielen. In der Abschlussrunde geben die TherapeutInnen ein Rollenfeedback. Sie hätten in ihren Rollen gespürt, dass es zum Davonlaufen sei, immer nur gedemütigt und ohnmächtig gemacht zu werden. Die Kinder würden dieses Gefühl ja auch kennen. Es würde ihnen aber nicht weiterhelfen, wenn sie hier in der Gruppe nur den Spieß umkehren. In der folgenden Stunde kommt es dann zu einer Annäherung an die Realität. Die Kinder wollen Piraten und die TherapeutInnen sollen Soldaten auf einem getarnten Handelsschiff sein. Es kommt zu Kämpfen, bei denen es den Kindern möglich ist, zwischen Macht und Ohnmacht zu wechseln. Bevor die TherapeutInnen mit einer solch starken Intervention in das Spiel der Kinder eingreifen, müssen sie genau prüfen, ob sie den Kindern genug Entwicklungsspielraum gegeben haben. So sind zum Beispiel gerade bei aggressiven Kindern Vorstellungen eigener Grandiosität zur Neutralisation von Aggression wichtig. Sie eröffnen Kindern die Möglichkeit, durch die phantasierte totale Stärke mit bedrohlichen Aspekten umzugehen und damit die Angst vor den abgewehrten Gefühlen von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Verlassenheit zu überwinden. Kinder können erst dann langsam mit der Realität konfrontiert werden, wenn sie eine Stärkung des Selbst erreicht haben. Daher müssen diese Größenphantasien als Gegenbilder zur eigenen Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst lange Zeit zugelassen werden. Erst durch eine korrigierende Beziehungserfahrung können diese Bilder des Selbst allmählich realistischer werden. Wichtig ist auch, Kindern zu helfen, ihre Größenphantasien nicht auf Kosten anderer auszuleben, sondern ihr Größenideal so auszuspielen, dass sie anderen nützen oder helfen. Um Heldenfiguren oder Geschichten zu finden, in denen nicht nur das Interaktionsmuster Opfer-Täter, Mächtiger-Ohnmächtiger vorkommt, bedürfen die Kinder der Hilfe der TherapeutInnen. In den Fernsehserien, an die die Kinder gerne anknüpfen, wird nämlich ausschließlich über Körper- oder Waffengewalt Allmacht erreicht. In den Märchen und Heldensagen dagegen kann einer auch durch Klugheit, Ausdauer, Hilfsbereitschaft, Liebe oder Lernfähigkeit zum Helden werden.
3.2.9 Die agierte Deutung bei traumatisierten Kindern Bei traumatisierten Kindern mussten wir lernen, über eine agierte Deutung die Rolle der Kinder, bzw. den psychischen Aspekt ihrer Rolle zu verändern.
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Traumatisierte Kinder können über Wochen oder Monate erschreckende gewaltsame und sexuelle Inhalte ausspielen, in den aggressiven Mustern der Täter-Opfer-Umkehrung verharren, ohne dass die „heilsame Kraft“ des Spiels sichtbar wird, ohne dass es zu einer Verarbeitung kommt und eine Entwicklung in Gang kommt. In der Rollenumkehr spielen sie brutale Täter und den Therapeuten werden die Rollen der Opfer zugewiesen, die hilf- und schutzlos der Gewalt ausgeliefert sind. In diesen Opferrollen spüren sie dann die totale Hilflosigkeit, das Ausgeliefertsein und Ausweglosigkeit, die Verzweiflung und das vergebliche Warten auf Hilfe. Indem sie diese Gefühle im Selbst- oder Zwiegespräch verbalisieren, können sie über dieses Spiegeln aussprechen, wie man sich als Opfer fühlt, ganz ohne Hoffnung zu sein, dass jemand kommt, hilft und dem Schrecken ein Ende macht, und das dies nicht auszuhalten sei. Mit diesem Selbstgespräch können sie wenigstens dem Kind vermitteln, dass sie seine Mitteilung im Spiel verstanden haben und würdigen, welch schrecklichen Erfahrungen das Kind oft jahrelang aushalten musste, ohne dass es beschütz wurde, ohne dass es Hilfe erfuhr. Frühtraumatisierte 10-jährige Jungen schlagen in der Anfangsrunde vor, sie seien Massenmörder und die Therapeuten sollen ein Paar sein, das einen Wanderurlaub in den Bergen macht. Als wir uns an den Bergwiesen erfreuen, kommen sie als Pilzsammler freundlich auf uns zu und laden uns zum Picknick ein. Wir genießen die Gastfreundschaft, als plötzlich, wie aus heiterem Himmel, sie über uns herfallen und uns zusammenschlagen. Wir jammern, wie schrecklich es ist, wenn plötzlich eine schöne Szene ins Gegenteil umschlägt, und wir ohne Schuld ohnmächtig alles über uns ergehen lassen müssen. Die Mörder lachen dabei, sagen nur: „Pech gehabt!“ und werfen uns in einen Abgrund. Dann geben sie als Kinder die Regieanweisung, wir sollen als neues Paar kommen, das auf der Bergwiese zelten wolle. Wieder gehen sie freundlich auf uns zu und erzählen, dass es in der Nähe eine Höhle gebe mit herrlichen Mineralien. Ob sie uns diese Höhle zeigen sollen? Als wir naiv und ahnungslos, so ihre Rollenanweisung, mitgehen und uns schon auf dieses herrliche Schauspiel freuen, werden wir wieder ohne Vorwarnung überfallen und langsam zerstückelt. In der nächsten Stunde wiederholen sie die symbolische Inszenierung ihrer traumatischen Erfahrungen. Die Therapeutin soll eine berühmte Sängerin sein, der Therapeut ihr Fahrer. Als wir aus dem Auto aussteigen, um das herrliche Panorama zu bewundern – so ihre Spielanweisung – bauen sie heimlich im Sportwagen eine Fernsteuerung ein, sodass sie Gewalt über das
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Auto haben. Wie von Geisterhand gezogen fährt das Auto nicht weiter, wie der Fahrer es vorhat, sondern fährt rückwärts in eine Höhle. Dort warten schon die Mörder auf uns. Bevor wir in unserer Verwirrung die Situation richtig einschätzen können, werden wir schon aus dem Auto gezogen und gefoltert. Die Jungen stacheln sich gegenseitig an, wer noch eine brutalere Idee dafür hat. Und im Unterschied zu anderen Kindern, die über die Identifikation mit dem Aggressor eine Angstbewältigung und Kontrollfähigkeit erfahren und ruhiger werden, werden diese Jungen immer erregter, und es entsteht eine aufgeheizte Spielsituation, ohne jede kathartische Wirkung. Wir flehen um Gnade, jammern und klagen. Je mehr wir aber unsere Hilflosigkeit und Ohnmacht zeigen, desto mehr spotten sie über uns und desto brutaler behandeln sie uns. Als sie in der nächsten Stunde dieses Täter-Opfer-Spiel fortführen wollen, fragen wir, ob sich nicht das spurlose Verschwinden von Touristen herumgesprochen und eine Fahndung der Polizei ausgelöst habe. Die Jungen stimmen zu, in Abwesenheit seien die Massenmörder zum Tod auf dem elektrischen Stuhl verurteilt worden. Die einfältige Polizei falle aber auf die Freundlichkeiten der Massenmörder herein und bemerke nicht die Täuschung. Als wir mit dem Hubschrauber in der Bergwiese landen, geben sich die Mörder als friedliche Bergbauern aus, die der Polizei beim Aufspüren der Verbrecher behilflich sein wollen. Sie führen uns auf die falsche Spur und fallen plötzlich bei der Spurensicherung über uns her. Sie schneiden der Polizistin Busen und Scheide ab, dem Polizisten den Penis, und nähen beiden die getauschten Geschlechtsorgane wieder an. Wieder verbalisieren wir die Scham, die totale Hilflosigkeit, über uns alles Schreckliche ergehen lassen zu müssen, ohne uns wehren zu können. Das sei nicht auszuhalten. Und wir fallen in Ohnmacht. Mit Elektroschocks wecken sie uns aber, wir sollen bei vollem Bewusstsein alle Qualen mit ansehen und aushalten. Zum Schluss sprengen sie uns mit Dynamit in die Luft. Wieder lassen uns die Kinder ihre traumatischen Erfahrungen nacherleben, dass weder Jugendamt noch Gericht die Täter begrenzen und die Misshandlungen und Vernachlässigungen der Kinder beenden konnten. Als sie in der nächsten Stunde das Spiel fortsetzen wollen, dass wieder unschuldige Touristen gemordet werden, fragen wir, ob es sein könnte, dass jemand den hilflosen und unschuldigen Opfern zu Hilfe komme. Die Jungen tuscheln miteinander und erklären dann mit einem Grinsen, sie seien jetzt eine UNO- Schutztruppe, zu denen die Opfer sich flüchten würden. Als wir aber mit großer Erleichterung auf die Schutztruppe zu gerannt kommen, mit
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken der Hoffnung, dass wir den Verbrechern entkommen sind und nun der Schrecken ein Ende hat, nehmen sie uns in Haft und beginnen uns zu foltern. Als wir protestieren und unser Entsetzen äußern, entgegnen sie, wir würden Lügengeschichten erzählen. Wahrscheinlich seien wir die Schuldigen. Der Therapeut protestiert und will ihren Vorgesetzten sprechen. Ein Junge wechselt in die Rolle des Generals. Der Therapeut beschwert sich über die brutale Behandlung, eine Schutztruppe müsse Schwache schützen und dürfe keine Gewalthandlungen begehen. Er lacht ihn aus, sie seien die Starken, seien immer im Recht und könnten daher machen, was sie wollen. Er schlägt ihn zusammen, und wir werden langsam zu Tode gefoltert, und je mehr wir unsere Schwäche und Hilflosigkeit verbalisieren, umso massiver werden die vernichtenden Taten. Wieder verbalisieren wir im Zwiegespräch unsere tiefe Enttäuschung, in unserer Hoffnung so enttäuscht zu werden, und unser Entsetzen, vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Da ein Teil der Jungen in ihrer Geschichte die schmerzliche Erfahrung gemacht haben, dass die Mutter nach einer Trennung von dem gewalttätigen Vater neue Partner aufnahm, die ebenfalls gewalttätig oder drogenoder alkoholabhängig waren oder das Nähebedürfnis des Kindes ausnützen, um es zu missbrauchen, reinszenierten sie auf der Symbolebene ihre Erfahrung, dass unter dem Deckmantel von Fürsorge sie weiter misshandelt wurden.
Da die Kinder nicht nur über die Identifikation mit dem Täter (wenn ich mich so verhalte wie er), sondern auch über die Täterintrojektion (wenn ich auch noch so denke und fühle wie er) sich vor der Überwältigung der Ohnmacht und vor dem Objektverlust zu schützen versuchten und im Gegenzug den Schwachen massiv abwerteten, greifen wir in der nächsten Stunde, in der die Jungen die TäterOpfer-Geschichte weiterspielen wollen, zu der Intervention „Aufbau eines guten Introjektes“, um sie von der Täter-Identifikation in eine Retter-Identifikation zu bringen. Zu einer gleichen Entwicklung ist D. Weinberg gekommen, die auch psychodramatisch mit traumatisierten Kindern arbeitet. „Da das schwer traumatisierte Kind von sich aus keine Schutzreaktionen und noch nicht einmal einen Schutzappell zeigen kann – möglicherweise kann manches noch nicht einmal eine Schutzbedürftigkeit empfinden –, setzt die Intervention ,Aufbau guter innerer Instanzen“ an dieser Leerstelle an‘ (Weinberg 2006, 2.A., S. 206). Wir fragen die Kinder in der Anfangsrunde direkt, ob es sein könnte, dass sie in dieser Stunde die mutigsten Helden der Welt seien, die vom Bundes-
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präsidenten um Hilfe gebeten werden, um unschuldige Opfer aus der Hand von Gewaltverbrechern zu befreien und den Massenmörder, die schon jahrelang vergeblich zu fassen versucht wurden, endgültig das Handwerk zu legen. Wir, das Therapeutenpaar, würden die Rollen der Verbrecher übernehmen, die von den Helden in einem schweren Kampf überwältigt werden. Diese Heldentat würde dann mit dem höchsten Tapferkeitsorden und unter Berichterstattung durch Fernsehanstalten aus aller Welt ausgezeichnet. Dieses Angebot der positiven Helden nehmen die Jungen an. Sie seien die Spezialeinheit IMF (Impossible Missions Force), der Therapeut soll ein Massenmörder sein, der in einem Versteck in der Kanalisation mit entführten Kindern grausame Experimente mache und Organe an eine Wissenschaftlerin (Therapeutin) verkaufe. Diese wisse um die Grausamkeiten, gebe sich aber nach Außen als unwissend und unschuldig. Die Agenten müssen dann viele Herausforderungen bestehen (Alarmanlagen und Sprengstofffallen ausschalten, ein Zimmer voller Giftschlangen durchqueren u.ä.), bevor sie die verletzten Kinder (Handpuppen) retten können. Nach ihrer Regieanweisung sollen wir in einem Sportauto zu fliehen versuchen. Sie hätten aber zuvor heimlich einen Computer eingebaut. Als wir uns schon in Sicherheit wähnen, setzen sie uns über Fernsteuerung schrecklicher Rache aus. Wir müssen ein Wechselbad erdulden, mal eisige Kälte, dann versengende Hitze, dann Luftentzug bis fast zum Ersticken, dann erdrückt werden durch Überdruck. Als wir jammern und klagen, rufen sie über Lautsprecher, wir sollen nun spüren, was wir den Kindern angetan haben. Dann bringen sie uns in die Todeszelle, wo wir enthauptet werden. Zum Schluss wechselt der Therapeut dann in die Rolle des amerikanischen Präsidenten (so ihre Vorgabe) und überreicht den Agenten die höchsten Tapferkeitsmedaillen, die sie mit geschwelter Brust entgegennehmen, was durch die anwesende Weltpresse (Therapeutin) direkt in alle Welt übertragen wird. Die Kinder spielen in weiteren Stunden Helden, die retten. Nicht zu erwarten ist dabei, dass sie humane Retter spielen. Entscheidend ist, dass sie in positiven Heldenrollen ihre Affekte auf die Täter, ihre ganze Wut und ihr Rachebedürfnis in den Symbolspielen kathartisch ausspielen dürfen. Stück für Stück zahlen sie die erlebte Qual zurück, was aber nichts mit Sadismus zu tun hat, da sie die Grenzen des So-tun-als-ob bestens einhalten. Hier geht es auch nicht um den Aufbau von sozialer Kompetenz, sondern darum, dass die Kinder über die Identifikation mit den guten Helden Fürsorge und Mitgefühl zulassen.
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Die Intervention setzt also an der Erfahrung von traumatisierten Kindern an, keine Hilfe und Schutz erhalten zu haben und dadurch der totalen Ohnmacht ausgeliefert zu sein. Dieser Weg des Aufbaus guter Introjekte geht aber nur über die Identifikation mit starken, unüberwindbaren „guten Helden“, nicht aber über die Identifikation mit den Schwachen und Hilflosen. Entscheidend ist jedoch, dass die Kinder- wenn auch als grausame Rächer- auf der Seite der hilflosen Opfer stehen und nicht auf der Seite der brutalen Täter. Und es bedarf vieler Stunden, bis langsam auch die schwache und hilfsbedürftige Seite angenommen und integriert werden kann.
3.3 Abschlussphase 3.3 Abschlussphase Der Abschluss einer Sitzung wirft besondere Schwierigkeiten auf, da im Symbolspiel in kurzer Zeit heftige emotionale Prozesse in Gang kommen, die nun abklingen sollen oder beruhigt werden müssen. Ziel der Abschlussphase ist es, die Handlung, das Spiel abzuschließen und eine kurze Rückschau auf das Geschehen zu ermöglichen. Wir beenden die Spielphase ungefähr zehn Minuten vor Sitzungsende mit einem Abschlussritual. Die LeiterInnen sagen zum Beispiel in einer Stunde, in der die Kinder wilde Tiere und sie Tierfänger waren: „Die Zeit ist nun leider um, und wir müssen mit Spielen aufhören. Es wird Nacht und die Tiere legen sich wieder in ihre Höhlen“. Und während sie wieder das Regenrohr rieseln lassen, fahren sie fort: „Wir sind jetzt nicht mehr die Tierfänger, sondern wieder Frau G. und Herr A.. Und ihr seid jetzt nicht mehr die wilden Tiere. Du bist jetzt nicht mehr der Tiger, sondern der Andi, und du bist nicht mehr das Krokodil, sondern Hans“ usw. Bei dieser Aufforderung, die im Spiel angenommene Rolle wieder abzulegen, diesem „Derolling“ müssen die TherapeutInnen sehr bestimmend auftreten. Die Kinder wollen, besonders wenn das Spiel sehr spannend war oder sie voll in ihren Größenphantasien lebten, weiterspielen, ihre Rollen festhalten und sich nicht mit der Realität konfrontieren lassen. Die Abschlussphase muss in der Anfangsphase einer Gruppe mit Nachdruck eingeführt werden, damit die Kinder merken, dass sie nicht zur Disposition steht. Sonst neigen sie in der späteren Gruppenphase dazu, diese zugunsten der Spielphase ausfallen zu lassen. Um die Spielsituation mit der Symbolebene aufzuheben und die Realitätsebene wieder herzustellen, lassen die LeiterInnen die Kinder auch die Verkleidungen ablegen und die Kulissen soweit abbauen, dass genügend Sitzpolster für die Gesprächsrunde zur Verfügung stehen. Dabei müssen sie immer wieder strukturierend eingreifen und zum
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Beispiel darauf hinweisen, dass das Polster jetzt nicht mehr ein Pferd ist, sondern als Sitzpolster für die Abschlussrunde gebraucht wird. Danach fordern sie die Kinder auf, sich im Kreis zu einer kurzen Gesprächsrunde zusammenzusetzen. Sie bestehen darauf, dass die Kinder in die Runde kommen, und holen auch ein Kind, wenn es zum Beispiel in seiner Höhle verbleiben oder auf seinem hohen Thron verharren möchte, in den Kreis. Wie bei der Anfangsrunde müssen sie auf dieser Struktur bestehen, dürfen sich aber nicht in einen Machtkampf verwickeln lassen. Immer wieder widersetzen sich Kinder dieser Aufforderung und versuchen, die Abschlussphase in ihrem Sinn zu verändern. Sei es, dass sie im Spiel aggressiv waren und deshalb Schuldgefühle und Angst vor Vergeltung haben. Sei es, dass sie nicht aus der Größenphantasie aussteigen wollen oder dass sie das im Symbolspiel ausgespielte Thema, die Mächtigen ohnmächtig zu machen, in der Realsituation weiterführen wollen. Diesen Widerstand können die LeiterInnen auch deutend ansprechen, wie zum Beispiel: „Im Spiel warst du ganz mächtig und stark, jetzt sollst du plötzlich wieder ein Kind sein, das den Erwachsenen gehorchen soll. Das ist ganz schön schwierig.“ Oder: „Du warst im Spiel ein wildes, bissiges Tier, vielleicht befürchtest du jetzt, wir könnten deswegen böse auf dich sein? Du hast aber im Spiel gut darauf geachtet, uns nicht wirklich weh zu tun.“ Kinder, die so aufgedreht sind, dass sie nicht zur Ruhe kommen können oder sich verweigern, benötigen den Halt der LeiterInnen. Daher kann es wichtig sein, ein Kind bei der Hand zu nehmen und es zu bitten, sich neben die Leiterin oder den Leiter zu setzen. Die Gesprächsphase ist im Vergleich zur Erwachsenentherapie viel kürzer. Wir fordern die Kinder nur zu einem allgemeinen Feedback auf. Wir fragen sie, wie es ihnen im Spiel ergangen ist, was ihnen gefallen oder nicht gefallen hat. Meist sagen die Kinder dann nur, es war toll, super, blöd o.ä. Die Reflexion in dieser Gesprächsphase läuft vor allem über die LeiterInnen. Diese geben den Kindern ein kurzes Feedback, in dem sie neu gewagte Haltungsoder Handlungsalternativen der Kinder positiv hervorheben und sie so zu verstärken versuchen. Sie anerkennen zum Beispiel beim aggressiven Franz: „Du warst ja wieder ein ganz wilder und gefährlicher Puma. Heute hast du aber gut aufgepasst, dabei niemand weh zu tun. Das finde ich gut.“ Zur schüchternen Jutta sagen sie: „Die Maus hat heute gewagt, dem Bauern den Speck zu klauen. Wie du da schnell in die Speisekammer reingewitscht bist, ohne dass er es bemerkt hat, war super.“ Sie kommen auch auf den Konflikt zwischen den Jungen und den Mädchen zu sprechen: „Obwohl es zunächst gar nicht einfach war, ein Thema zu finden, das euch allen gefallen hat, habt ihr im Spiel immer wieder gute Ideen gefunden, wie ihr miteinander spielen konntet.“
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3 Die Struktur einer Psychodramasitzung und die Therapietechniken
Ein Rollenfeedback wie in der Erwachsenentherapie verlangen die Leiter von den Kindern nicht. Sie sprechen aber selbst kurz an, wie es ihnen in ihren Rollen ergangen ist. Wenn es nahe liegt und sich anbietet, fragen sie dann die Kinder, ob sie ähnliche Erfahrungen auch schon gemacht haben, um sie so zu einem kurzen Sharing einzuladen, wie zum Beispiel: „Als ich als König so eingemauert und bewegungslos war, da habe ich gemerkt, wie es ist, wenn über einen verfügt wird und man sich nicht wehren kann. Vielleicht ist es euch heute auch so ergangen, als wir euch gesagt haben, dass die Gruppe nur noch fünfmal stattfindet?“ Oder: „Als ich als Tierfänger in den Urwald kam, in dem ich mich gar nicht auskannte und lauter bedrohliche Laute hörte, da hab ich ganz schön Angst bekommen. Vielleicht ergeht es euch auch so, wenn ihr in eine Gruppe gehen müsst und gar nicht wisst, was da auf euch zukommt.“ Manchmal nehmen Kinder das auf, was die LeiterInnen im Rollenfeedback angesprochen haben, und geben ein kurzes Sharing. Als der Leiter zum Beispiel ausspricht, wie beschämend es als Sheriff war, ausgelacht zu werden, und fragte, ob es den Kindern vielleicht auch manchmal so ergeht, sagte ein Junge: „Ja, heute morgen hat die ganze Klasse gelacht, als ich im Unterricht eine falsche Antwort gab. Das fand ich ganz gemein.“ In dieser Gesprächsphase deuten wir aber das Spiel der Kinder nicht so, wie es im analytischen Psychodrama gehandhabt wird. Auch geht es uns nicht um die emotionale und rationale Aufarbeitung des Spielverlaufs wie im Erwachsenenpsychodrama. Ziel der Abschlussphase im Kinderpsychodrama ist vielmehr, die Handlung abzuschließen, die emotionalen Prozesse der Aktionsphase zur Ruhe zu bringen und eine kurze Rückschau auf das Geschehen zu ermöglichen. Bei sehr unruhigen Kindern hat es sich bewährt, die „Spielbühne“ zu verlassen und diese Schlussrunde wieder in einem anderen Raum („Begegnungsbühne“) abzuhalten. Bei traumatisierten, bindungsgestörten Kindern, die jedes Stundenende bedroht und einen hohen Stresspegel auslöst, ist ein festes Abschlussritual stressmildernd. So hat z.B. Stefan Flegelskamp (mündliche Mitteilung) in seinen Gruppen mit hochtraumatisierten Heimkindern ein Abschlussritual entwickelt, bei dem die Kinder auf Matten auf dem Bauch liegen, das Therapeutenpaar je zwei Kindern die Hand auf den Rücken legt und sanft massiert (sofern die Kinder dies wünschen), und dabei einer der Therapeuten noch einmal die gespielte Geschichte erzählt und gelungene Szenen und mutige Rollenwahl hervorhebt. Den Gruppenraum lassen wir die Kinder nicht aufräumen, sondern übernehmen dies selbst, da wir die Stunde nicht mit einer pädagogischen Maßnahme beenden wollen. Wir mussten früher, als wir die Kinder noch aufforderten, alles
3.3 Abschlussphase
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aufzuräumen, erleben, wie sehr das Aufräumen zum Stundenende negative Übertragungsgefühle, die mit elterlichen Erziehungskämpfen verbunden waren, auslösten, und wir mit den Kindern Kämpfe ausfechten mussten, wenn sie aus dem Raum fliehen wollten oder provozierend noch mehr Unordnung schufen.
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Gesamtverlauf einer Gruppe
4 Gesamtverlauf einer Gruppe
In diesem Kapitel möchten wir den Gruppenprozess in den Mittelpunkt stellen. Die optimale Wirkung einer Gruppentherapie lässt sich etwa mit 30-50 Sitzungen erreichen, das entspricht einem Zeitraum von 1-1 ½ Jahren. Das schließt nicht aus, dass man bei einer fokussierten Arbeit mit einer geringeren Stundenzahl auskommt. Wir gliedern den Gesamtverlauf in drei Phasen:
die Anfangsphase, die ca. 5-10 Stunden umfasst die Mittelphase und die Abschlussphase mit ca. 10 Stunden.
4.1 Anfangsphase 4.1 Anfangsphase Sie ist das „warming-up“ im Hinblick auf den Gesamtverlauf. Sie hat laut Petzold (1985) die Aufgabe, „die Kohäsion der Gruppe zu fördern, ein Wir-Gefühl aufzubauen und Widerstände zu reduzieren. (...) der Prozess des ,warming-up‘ bezieht sich aber nicht nur auf die Gruppe als Ganzes, sondern auf den einzelnen Teilnehmer und auch auf den Leiter des Psychodramas“ (S. 131). In dieser Phase entwickeln die Kinder ihr erstes Gruppenthema, in das jedes seine persönliche Problematik einbringen kann. Bei Sechsjährigen geschieht dies häufig schon in den ersten beiden Stunden, die Elfjährigen brauchen dazu in der Regel länger. Folgende Ziele der Anfangsphase sollen noch konkretisiert werden:
Reduzierung der Angst Besprechung der Kontrakte Einführung des symbolischen Spiels Vermittlung von Regeln und Grenzen Zusammenführung zur Gruppe
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
Reduzierung der Angst Bei fünfjährigen Kindern erleben wir immer wieder, dass sie nur mit Mutter/Vater in den Gruppenraum kommen und sich auch dann noch nicht lösen können. Wir lassen es zu, dass die Eltern über mehrere Stunden dabei sind, und lassen sie unter Umständen auch mitspielen, bis sich die Kinder trennen können. Stellt man allerdings fest, dass z.B. die Mutter das Kind nicht loslassen kann, ist diese Dynamik in den Elterngesprächen aufzugreifen. Ältere Kinder sind im Allgemeinen nicht mehr so ängstlich, vor allem zeigen sie es nicht mehr, oder kompensieren es durch lautes großspuriges Verhalten. Man unterschätzt deshalb die Angst, die selbst bei Zwölfjährigen ziemlich groß sein kann. Es ist die Aufgabe der TherapeutInnen anzusprechen, dass Gefühle von Fremdheit und Unsicherheit in dieser Situation angemessen sind. Wir lassen uns Zeit, in der Gruppensituation zu jedem Kind wieder an dem Kontakt anzuknüpfen, der in den Vorgesprächen entstanden war. Spielt ein Kind in den ersten Stunden trotz unserer Hilfe noch nicht mit, so helfen wir ihm, einen Zuschauerplatz zu finden und machen gelegentlich Rollen- und Spielangebote, ohne es dabei unter Druck zu setzen. Am Schluss der Stunde versuchen wir ihm dann eine positive Rückmeldung zu geben, z.B., dass es ganz in Ordnung war, sich Zeit zu lassen und zuzuschauen, aber dass wir gesehen haben, dass es mit Augen und Ohren sehr aufmerksam dabei war, und vielleicht in der nächsten Stunde Lust hat, aktiver teilzunehmen. Besprechung der Kontrakte In der Anfangsphase sollte innerhalb der Gruppe mit jedem Kind noch einmal thematisiert werden, weshalb es in die Gruppe kommt — natürlich in positiver Weise. Wann das in einer Gruppe im Hinblick auf ihre Kohäsion und die allgemeine Stimmung geschehen kann, muss man erspüren. Die fünfte Stunde, in der die Kinder über ihre weitere Teilnahme mit entscheiden, ist meistens eine gute Gelegenheit. Auf welche Weise dies möglich ist, hängt u.a. vom Alter und Entwicklungsstand, der Symptomatik, und von dem Platz ab, den ein Kind inzwischen in der Gruppe gefunden hat. Auf keinen Fall darf ein Kind dadurch beschämt werden. Wir müssen uns also reiflich überlegen, welche Ursachen und Verhaltensweisen wir benennen können, und vor allem, was wir nicht sagen sollten. Wir fragen z.B. erst allgemein: „Weißt du noch, weshalb du zur Gruppe kommst, und möchtest du den anderen Kindern darüber etwas sagen?“ (So wird man natürlich nicht fragen, wenn ein Kind gestohlen hat.) Fällt einem Kind nichts ein, fragen wir, ob wir etwas dazu sagen dürfen, und wählen von der Mehrfachsymptomatik aus, was das Kind nicht verletzt. Am leichtesten ist es, über
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Gründe zu sprechen, die für jedes Kind in der Gruppe mehr oder weniger ein Problem sind, z.B.: „Peter ist in der Gruppe, weil er immer wieder Streit mit Mitschülern bekommt, und er will lernern, wie er Freunde finden kann.“ Geschwisterrivalität ist ein weiteres Thema, das gut angesprochen werden kann. Manchmal haben wir in einer Gruppe mehrere Scheidungskinder. Dann kann auch über Trennung/Scheidung und über Trauer, Wut und Lustlosigkeit geredet werden, die damit einhergehen. Gerade bei den älteren Kindern ist es angemessen, sie bewusst als KontraktpartnerInnen ernst zu nehmen, das stärkt ihr Selbstbewusstsein. Außerdem sind wir auf ihre Mitarbeit angewiesen. Diese Offenheit erlaubt es uns, später in einer entsprechenden Situation bei einem Kind zu thematisieren, dass es aus einem bestimmten Grund in der Gruppe ist, und dass jetzt gerade das Gleiche geschieht wie z.B. in der Schule. Dann können wir seine Gefühle verbalisieren und Verständnis zeigen. Wir können erklären, weshalb wir gerade bei ihm so reagieren: „Du möchtest jetzt die Rolle wechseln, um zu dominieren, und dann geschieht das gleiche wie in der Schule, dass schließlich niemand mehr mit dir spielen will — wir möchten nicht, dass es dir hier auch so geht!“ Und wir schließen die Frage an, was es denn anders machen könnte, und vielleicht braucht es unsere Hilfe, eine andere Möglichkeit zu finden. Es wirkt auf die Kinder entlastend, wenn deutlich angesprochen ist, dass jedes von ihnen aus einem bestimmten Anlass hier ist und das Spiel, so lustvoll es sein kann, nicht Selbstzweck ist. Einführung des symbolischen Spiels Sie erfolgt, nachdem sich die Leiter nochmals mit ihrem Familiennamen und jedes Kind mit seinem Vornamen vorgestellt hat. In einer kurzen Gesprächsphase wird der Ablauf einer Gruppenstunde erklärt: „Wir haben immer eine Stunde Zeit. Wir beginnen damit, dass wir uns in einen Kreis setzen, wie jetzt, und uns eine Geschichte ausdenken. Jedes von euch kann sagen, welche Geschichte es kennt, und wir finden dann zusammen heraus, welche wir spielen oder aus welchen Ideen wir eine Geschichte kombinieren. Danach darf jedes von euch die Rolle wählen, die ihm am besten gefällt. Außerdem dürft ihr mitbestimmen, wer wir in der Geschichte sein sollen, wir spielen nämlich mit. Zehn Minuten vor Ablauf der Stunde setzen wir uns zusammen, damit ihr sagen könnt, was euch gefallen hat. Wir spielen mit den Sachen, die es hier im Raum gibt (Hinweise auf das Material). Vieles muss man sich natürlich vorstellen. Ein Kissen kann z.B. als Sack voll Gold gelten. Wir können hier die tollsten Geschichten spielen, ihr müsst lediglich darauf achten, dass ihr euch gegenseitig nicht weh tut. Wenn also
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jemand einen gefährlichen Löwen spielt, darf er trotzdem nicht richtig beißen, sondern nur so tun als ob, indem er beispielsweise mit der Hand fest zupackt. Damit ihr euch das richtig vorstellen könnt, haben wir für diese erste Stunde eine Geschichte ausgewählt, die wir jetzt zusammen spielen.“ Die weitere Einführung des symbolischen Spiels erfolgt dann ganz pragmatisch und durch unser Beispiel, wie es in den folgenden Abschnitten geschildert wird. Natürlich wird diese Einführung der jeweiligen Entwicklungsstufe der Kinder angepasst. Die TherapeutInnen dürfen sich allerdings nicht scheuen, in der Anfangsphase eine direktive Haltung einzunehmen, worauf Straub hinweist (Straub 1975), weil dadurch die Angst der Kinder reduziert wird. Regeln und Grenzen Die folgenden Regeln und Grenzen vertreten wir in den Situationen, in denen sie überschritten werden:
Gespielt wird ausschließlich im Gruppenraum. Es darf kein Spielzeug von zu Hause mitgebracht werden. Freunde können nicht als Gäste teilnehmen. Das Gebot, sich nicht weh zu tun, bezieht sich auch auf massive Beleidigungen.
Wir bieten den Kindern nicht das „Du“ an. Versuchsweise haben wir es ausprobiert und bei verschiedenen Altersstufen die Erfahrung gemacht, dass es auch den Kindern wichtig ist, uns in der dritten Person anzusprechen. Das erleichtert uns die Wechsel zwischen der Leiterposition und der symbolischen Rolle, ohne dass die Struktur Kind-TherapeutIn aufgeweicht wird. Außerdem glauben wir, dass es einen ungünstigen Einfluss auf die Übertragungsprozesse hat, wenn wir diese Grenze verwischen. Zusammenführung zur Gruppe Neben der diagnostischen Überprüfung, ob die Kinder zusammenpassen und jedes von der Gruppe profitieren können, ist das Erleben gemeinsamen, lebendigen und lustvollen Spiels das wichtigste Ziel der Anfangsphase. Die positiven Erfahrungen dieser Phase bilden die Basis für die späteren Konfliktbearbeitungen und haben außerdem einen günstigen Einfluss auf die Motivation der Kinder, nach der fünften Stunde weiter teilzunehmen.
4.1 Anfangsphase
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4.1.1 Strukturierung der ersten Gruppenstunde Wie wir in der ersten Stunde die genannten Ziele zu erreichen versuchen, wollen wir nun ausführlich beschreiben. Wir schildern eine Anfangsstunde für sechs- bis achtjährige Kinder und im Unterschied dazu die erste Stunde bei Zehnjährigen. Die erste Stunde bei sechsjährigen Kindern Wir stellen soviel Sitzpolster in die Runde, dass kein Polster zuviel ist und keine unbedachte Lücke oder Distanz entsteht. Anschließend holen wir die Kinder aus dem Wartezimmer und begrüßen jedes im Gruppenraum mit seinem Namen. Wenn alle sitzen, stellen wir uns selbst nochmals vor und sprechen dann allgemein an, dass sie hier sind, weil sie zu Hause oder mit Freunden oder in der Schule Kummer haben. Daran schließt sich ein Kennenlernspiel an, eines u.a., das wir etwa so erklären: „Wir machen jetzt ein kurzes Spiel zum Kennenlernen, damit ihr euch die Namen der anderen Kinder leichter merken könnt (gleichzeitig stellt ein Therapeut einen zusätzlichen Sitz neben sich), das Spiel heißt: Mein linker Platz ist leer, ich rufe mir den Peter her! Und Peter fragt daraufhin: Als was soll ich kommen? Wir nennen ein Tier, das es auf dem Bauernhof gibt, und sagen zum Beispiel: Als Hase! Und Peter hoppelt dann als Hase zu dem Platz neben mir. Anschließend darf das Kind sich jemand auf die gleiche Weise herbeiwünschen, das den leeren Platz zu seiner Linken hat.“ Dieses Spiel mindert die Angst der Kinder, weil es den meisten vertraut ist und auch die Bewegung trägt zur Spannungsabfuhr bei. Es dient außerdem zur Anwärmung für das symbolische Spiel, dessen Thema wir in der ersten Stunde vorschlagen, weil sie erst noch erfahren müssen, wie sie hier spielen können. Wenn jedes Kind etwa zweimal dran war, beenden wir das Spiel und fahren fort: „Ihr habt diese Tiere wirklich sehr schön gespielt, und wir möchten nun mit euch zusammen eine Geschichte spielen, die heißt: Tiere auf dem Bauernhof. Welche Tiere gibt es denn dort?“ Wir regen die Kinder an und ergänzen, so dass eine größere Zahl an Tieren genannt ist. Anschließend fordern wir sie auf: „Jedes von euch kann jetzt überlegen, welches Tier es auf dem Bauernhof sein möchte. Wir spielen mit und sind Bäuerin und Bauer.“ Hat sich ein Kind für eine Tierrolle entschieden, fragen wir nach, ob es ein junges Tier ist, welche Farbe sein Fell hat und was es auf dem Bauernhof tut. Manche Kinder brauchen dabei die Unterstützung der Therapeutin/des Therapeuten, um die Vorstellung ihrer Rolle verbal zu entwickeln, so dass sie selbst und die anderen Kinder ein anschauliches Bild vor ihrem inneren Auge
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haben. Man muss bei dieser Hilfe jedoch darauf achten, dass man die Kinder in ihrer altersgemäßen Verbalität nicht überfordert. Wir nutzen diese Beschreibung ebenso zur narzisstischen Zufuhr für die Kinder. Gleichzeitig können sie sehen, dass wir sie zum Beispiel auch als gefährlichen Schäferhund oder freche Gans akzeptieren. Wir fragen die Kinder in dieser ersten Stunde noch nicht, welche Rollen wir spielen sollen, sondern wir bieten positive Übertragungsrollen an, um die Angst zu reduzieren und ihnen einen Halt zu geben. In allen folgenden Stunden können die Kinder mitbestimmen, welche Rollen die Therapeutin und der Therapeut übernehmen und in welcher Weise spielen sollen, damit wir die Projektionen und Übertragungen der Kinder aufnehmen können. Das schließt nicht aus, dass wir, um intervenieren zu können, Rollen abwandeln oder selbst wählen — doch dazu später. Haben alle Kinder ihre Tierrollen gefunden, zeigen wir ihnen, wo der Bauernhof, die Weide und der Wald sich befindet, und fordern sie auf, zu wählen, wo sie ihr Nest, ihren Stall u.ä. haben wollen. Und wir weisen sie darauf hin, dass die Tiere miteinander sprechen und sich besuchen können. Und wir helfen ihnen, mit den Polstern, Kissen und Tüchern ihren Platz zu richten. Dieses Bauen, Auspolstern und Ausschmücken, wozu die Therapeuten anregen, ist ein wichtiger Teil der jeweiligen Rolle und erschließt für den weiteren Verlauf Spielmöglichkeiten. Es macht den Kindern außerdem Spaß und hilft ihnen, mit dem Raum vertraut zu werden, die ersten Formen von Kooperation sind möglich. Besonders wichtig ist, dass die „Behausungen“ an den Wänden entlang gebaut werden und nicht mitten im Raum, und dass sie nicht den ganzen Raum einnehmen, damit genügend Raum für die Gestaltung von Garten, Teich, Weide usw. bleibt. Denn das ist der wichtige Bereich, in dem die Begegnung stattfindet. Auf folgende Weise leiten wir die Verwandlung ein: „Jetzt legt sich jedes auf seinen Schlafplatz, schließt die Augen, und ihr stellt euch vor, es wäre Nacht, in der ihr euch in Tiere verwandelt. Wenn der Hahn kräht, erwacht ihr als Tiere, und das Leben auf dem Bauernhof beginnt!“ Sobald mit dem Hahnenschrei das Spiel eröffnet ist, beginnen „die Bauersleute“ aufzustehen und die Tiere zu füttern, nehmen deren Reaktionen auf und entwickeln daraus das weitere Spiel. Dieses stark strukturierte Vorgehen hilft den Kindern zu verstehen, wie hier gespielt wird und reduziert Unsicherheit und Angst. Da wir der Symbolik der Rollen und ihrer szenischen Ausgestaltung eine wichtige diagnostische und therapeutische Bedeutung zuschreiben, möchten wir im Blick darauf noch Anmerkungen zu dem geschilderten Anfang machen.
4.1 Anfangsphase
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Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass diese Altersstufe sich sehr leicht mit Tieren identifizieren kann, dass „Tiere“ zur Symbolisierung kindlicher Phantasien und dem Drang der Kinder, sich ganzheitlich körperlich auszudrücken, gut geeignet sind. Die vielgestaltigen Wahlmöglichkeiten über Tiere erlauben jedem Kind eine Rollenwahl, die seiner aktuellen intrapsychischen Situation am ehesten entspricht. So wählte beispielsweise ein sehr ängstliches Kind die Rolle eines neugeborenen Kätzchens, das noch blind ist. Ein Junge sagte einmal: „Ich bin eine Zecke, fast unsichtbar, aber ich könnte dich aussaugen.“ Ein sehr unscheinbar wirkendes Mädchen sagte nach langem Zögern: „Ich bin ein bunter Papagei, der in einem Käfig im Bauernhaus sitzt.“ Die Symbolik der gewählten Rolle, wie jedes Kind sein Gehege, seinen Stall oder Käfig ausstattet und wo es sich im Raum platziert, lässt erkennen, wie die Kinder diese beunruhigende Anfangsphase zu bewältigen versuchen. Die TherapeutInnen bieten sich in ihren Rollen als „gute Eltern“ an. Große Bedeutung hat, besonders in der ersten Stunde, dass die TherapeutInnen während der Inszenierung wirklich Bäuerin und Bauer sind, denn die Kinder werden ihre Rollen nur dann gut übernehmen können, wenn sie bei den TherapeutInnen eine echte Identifizierung mit der Rolle erleben. Wenn die Fünf- bis Sechsjährigen in ihre Rollen hineingefunden haben, identifizieren sie sich manchmal so stark mit den Rollen, dass sie sich zum Beispiel nur noch anbellen oder anblöken. Sie brauchen dann eine zusätzliche Erlaubnis, als Tiere sprechen zu können. Neben der Rollenübernahme ist noch Wert auf die Beschreibung der gesamten Szene zu legen. Mit entsprechend farbigen Tüchern muss der Weiher für die Enten, der Vorgarten und das Gemüsebeet kenntlich gemacht werden. Für die Kinder muss klar sein, wo sich die Tür am Bauernhaus befindet und wie sie geöffnet und geschlossen wird, was in der Regel nur die Bauersleute können. Das gleiche gilt für das Fenster und die Tür der Speisekammer. Es muss gut erkenntlich sein, wo sich zum Beispiel Herd und Bett befinden. Dieses „Lebensfeld“ muss den Kindern vor Beginn des Spiels nochmals gezeigt werden und unter Umständen auch noch wiederholt im Verlaufe des Spiels, wenn die Kinder nicht mehr daran denken. Die gesamte Einrichtung erschließt für Kinder und TherapeutInnen eine Vielzahl von Spielmöglichkeiten, die man sich vergibt, wenn man sie nicht entsprechend sorgfältig gestaltet, und das gilt besonders für die erste Stunde als Muster für alle weiteren. Jedes Kind muss sicher sein, dass sein Stall oder seine Höhle nicht einfach umgeworfen werden kann, denn die Polster sind „richtige Mauern“. Es gibt ihnen ein Gefühl von Sicherheit vor Übergriffen, wenn sie erfahren, dass ein
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anderes Kind nur mit seiner Erlaubnis hinein darf. Für den „gefährlichen Schäferhund“ ist die Sicherheit seiner Hütte u.a. deshalb so wichtig, weil dann seine aggressiven Impulse nicht so schnell ausgelöst werden; und das Kätzchen wagt sich eher ins Spiel, wenn es weiß, dass es sich jederzeit in den Schutz seines Korbes zurückziehen kann und dort geschützt ist. Die Bestimmtheit, mit der die TherapeutInnen diese Grenzen und Regeln vermitteln, ist für das ängstliche Kind nicht weniger wichtig wie für das aggressive. Etwa fünf bis zehn Minuten vor Stundenende wird das Spiel auf der Symbolebene abgeschlossen: „Jetzt müssen wir leider unser Spiel unterbrechen! Wenn ihr wollt, können wir nächste Woche die Geschichte weiterspielen, oder ihr könnt eine neue Geschichte erfinden. Ihr seid nun keine Tiere mehr. Du, Hans, bist kein Hund mehr, Isolde kein Pferd, usw. Und wir sind nicht mehr Bäuerin und Bauer. Wir setzen uns noch in eine Runde zusammen, und jeder kann sagen, was ihm gefallen hat. Aufräumen braucht ihr nicht, das machen wir.“ Die nun folgende Gesprächsphase soll den Kindern helfen, aus ihren Rollen zu schlüpfen und aus ihren Phantasien in die Realität zurückzukehren. Dazu hilft auch die Frage an jedes Kind: „Was hat dir gefallen?“ Indem sie über sich, die anderen und das Spiel sprechen, beginnen sie sich aus der Symbolebene zu lösen. Viele Sechsjährige können in der Anfangsphase noch kaum etwas sagen, doch wir nutzen die Gesprächsrunde zur positiven Rückmeldung, die gerade nach der ersten Stunde besonders wichtig ist. Wir bestätigen jedem Kind, was für ein schönes, geschicktes, schlaues, mutiges Tier es war. Wir freuen uns darüber, dass alle so gut miteinander spielen konnten, obwohl sie sich fremd waren. Wir lassen sie wissen, dass wir gerne mitgespielt haben und uns auf die nächste Stunde freuen, gespannt welche Geschichte die Gruppe erfindet. Wir haben im Laufe der Jahre die unterschiedlichsten Einführungsvarianten ausprobiert und gefunden, dass „Tier auf dem Bauernhof“ für fünf- bis siebenjährige Kinder gut geeignet ist. Jedes Kind kann durch Rollen- und Platzwahl sein individuelles Erleben in dieser Stunde zum Ausdruck bringen und ist trotz aller Fremdheit und Angst in dem übergreifenden Bild des Bauernhofes mit den Bauersleuten gehalten. Für sieben- bis achtjährige Kinder bietet sich „Tiere im Wald“ an, oder auch „Tiere im Safari-Park“. Die darin enthaltenen Rollen, wie Kreuzotter, Fuchs, Wolf, Adler usw. oder im Dschungel Giftschlange, Gepard, Tiger, Elefant, Affe usw. erlauben Angstbewältigung über Stärke und Aggression und lösen entsprechend abenteuerliche Phantasien aus, die für jüngere Kinder zu bedrohlich sein können. Sofern wir eines dieser Szenarien anbieten, wählen wir uns die Rollen von Tierhütern mit einer tierärztlichen Station für verletzte Tiere oder für junge Tiere, die sich verlaufen haben usw.
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Die Ziele der ersten Stunde und ihr struktureller Aufbau bleiben wie oben beschrieben. Das gilt auch für eine weitere Variante, die bei acht- bis zehnjährigen Kindern gut geeignet ist: die Abenteuerreise! Sei es eine Expedition auf einen Berg, zu einer Schatzinsel oder zu einem Tempel im Dschungel. Die Kinder können dann Ärztin, Forscherin, Navigatorin, bewaffneter Begleitschutz oder andere Spezialistinnen sein. Die TherapeutInnen sollten bei diesen Geschichten die Rollen von Kapitän und Steuermann oder ExpeditionsleiterInnen übernehmen, um ihren Aufgaben der ersten Stunde gerecht zu werden. Welche Geschichte letztlich gewählt wird, hängt von der Zusammensetzung und dem Entwicklungsniveau der Gruppe ab. Doch es geht bei jedem initialen Angebot darum, dass es Bilder und Rollen bietet, über welche die Dynamik der aktuellen Anfangssituation zum Ausdruck kommen kann. Bei der Altersstufe der Zehn- bis Dreizehnjährigen bevorzugen wir eine offenere Anfangsform. Allerdings sprechen wir nach einer kurzen Begrüßungsund Vorstellungsrunde das Ziel der Gruppenarbeit und die Eigenverantwortlichkeit der TeilnehmerInnen noch direkter an: „Wir freuen uns, dass ihr gekommen seid. Wir haben jeden von euch und seine Familie kennen gelernt und besprochen, weshalb ihr in die Gruppe kommt. Ein Grund ist, dass jedes von euch manchmal Schwierigkeiten hat, mit anderen Gleichaltrigen zurechtzukommen. Ihr könnt hier herausfinden, woran das liegt, und ausprobieren, wie sich das verändern lässt. Wer will denn anfangen, noch etwas dazu zu sagen?“ Manchmal entwickelt sich ein offenes Gespräch. Es kommt aber auch vor, dass sich die Kinder sehr bedeckt halten — dann drängen wir sie nicht, sondern fahren mit unserer Einführung fort: „Wie vereinbart, treffen wir uns zunächst fünfmal, damit ihr euch gegenseitig kennen lernen und erfahren könnt, wie wir euch bei der Veränderung unterstützen wollen. Am Ende der fünften Stunde kann jeder von euch entscheiden, ob er weiterhin teilnimmt. Ihr wisst schon, dass wir zusammen Geschichten spielen wollen, die wir gemeinsam erfinden und in denen jeder die Rolle spielen kann, die ihm Spaß macht. Damit wollen wir jetzt anfangen. Überlegt einmal und erzählt, was für Geschichten euch einfallen, und wir entscheiden dann gemeinsam, welche wir spielen, oder aus welchen Teilen wir eine neue Geschichte zusammensetzen.“ Oder wir bieten ihnen an, eine Geschichte zu spielen, wo sich Sechs in einem Zeltlager kennen lernen und ein Abenteuer bestehen. Es erscheint uns nicht mehr notwendig, dass wir uns zur Angstbewältigung als „gute Eltern“ präsentieren, vielmehr unterstreichen wir die altersgemäße Autonomie der Kinder.
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Ist die gemeinsame Geschichte gefunden, helfen wir jedem bei der Suche und Ausgestaltung der Rolle und erklären dann unsere Bereitschaft mitzuspielen, in Rollen, die sie uns zuschreiben oder in selbstgewählten Rollen. In einer Gruppe von vier zwölfjährigen Jungen verlief der Anfang nach unserer Einführung überraschenderweise folgendermaßen. Florian, gleich sehr lebhaft: „Ich kenne viele Geschichten!“ Und nachdem er einige genannt hatte: „Aber die beste ist Moby Dick, der Kampf mit dem Wal!“ Uwe, ein altkluger Junge ohne Freunde, sagte auf unsere Frage nach einigem Nachdenken: „Mir fällt nichts ein!“ Worauf der adipöse, unruhige Jakob einwirft: „Ich finde Räuber Hotzenplotz gut!“ Und diesem Einfall schließt sich der ruhige Sven an: „Mir fällt auch nichts ein, aber Hotzenplotz ist nicht schlecht!“ Wir waren ziemlich verdutzt über diese kleinkindliche Geschichte. Die Jungen unterhielten sich daraufhin über die verschiedenen Hotzenplotzgeschichten und einigten sich darauf, die Geschichte zu spielen, in welcher Hotzenplotz der Großmutter die Kaffeekanne stiehlt, und Polizist und Kasper die Kanne wieder herbeischaffen. Im Verlaufe der Diskussion darüber, wie diese Geschichte gespielt werden könnte und wer welche Rolle übernimmt, entstand zuletzt eine altersgemäße Gangsterstory. In „Moby Dick“ zeigte sich der bedrohliche Aspekt der Situation. Die Abwehr drückte sich darin aus, dass „nichts einfiel“ und über die regressive Zwischenstufe der Räuber-Hotzenplotz-Phantasien fanden sie schließlich zur altersgemäßen Ebene zurück. Die lange Diskussion diente einer ersten gruppendynamischen Standortbestimmung und der Abklärung, was mit den beiden Erwachsenen möglich ist. Es ist im Übrigen immer wieder verblüffend zu sehen, in welchem Ausmaß bei dieser Altersstufe neben ihrer kritisch rationalen Wachheit noch kleinkindliches Erleben und Verhalten möglich ist. Diese „Beinahe-Jugendlichen“ können Regression zulassen, sobald sie sicher sind, nicht beschämt zu werden oder Objekte diagnostischer Beobachtung zu sein. Wir haben schon Dreizehnjährige erlebt, die Hunde spielten und dabei auf allen Vieren krabbelten und bellten. Die Gesprächsrunde am Ende der ersten Stunde dient in dieser Altersstufe dazu, ihnen zu vermitteln, dass die Regression während des symbolischen Spiels und/oder die Inszenierung ihrer Größenphantasien hier möglich sind und akzeptiert wird. Es versteht sich, dass auch den „Großen“ jede Form von Bestätigung gut tut und in der Abschlussrunde ihren Platz hat.
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4.1.2 Zur Situation der TherapeutInnen in der ersten Gruppenstunde Auch die TherapeutInnen müssen sich anwärmen, denn nicht nur die Kinder sind in der ersten Stunde ängstlich und angespannt. Zu Recht, denn im Unterschied zur Einzeltherapie haben wir es von Anfang an mit einer sehr komplexen Dynamik zu tun. Selbst wenn wir die einzelnen Kinder schon kennen, kann die „Mischung“ in der Gruppe ganz unerwartete Verhaltensweisen bei Kindern auslösen. Zur Illustration einige Schlaglichter: Wir haben zum Beispiel die Absicht, für die Gruppe „gute Eltern“ zu sein. Wenn uns jedoch ein Siebenjähriger sagt: „Tiere spielen, so ein Scheiß!“ dann ist das nicht leicht zu verdauen, und unser Affekt erschwert es uns, die „guten Eltern“ zu sein. Außerdem möchten wir unsere Aufmerksamkeit gerecht verteilen, jedes Kind soll erleben, dass es uns wichtig ist. Doch wenn die sechsjährige Maria sehr entschieden verlangt: „Ich bin ein Lämmlein, und du (zur Therapeutin) bist ein Schaf, du musst die Mama von dem Lämmlein sein!“ Wie soll man reagieren? Ein anderes Anliegen der ersten Stunde und der Anfangsphase ist es, die Gruppe zusammenzuführen. Der zehnjährige Kevin jedoch entwertet schon in der ersten Viertelstunde mit Kraftausdrücken und sexuellen Bemerkungen „die Weiber“, so dass der Therapeutin ein Adrenalinstoß durch die Adern fährt. Und schon sind wir mit einer Problematik konfrontiert, mit der wir zu diesem Zeitpunkt nicht gerechnet hatten. Wir wollen die erste Stunde gut strukturiert gestalten, damit sich die Kinder durch die Grenzen gehalten fühlen. Aber jetzt fängt der siebenjährige Peter doch tatsächlich an, auf den Polstern zu schaukeln und umzukippen, und im allgemeinen Gelächter löst sich die ganze Spannung der Kinder, und im Handumdrehen schaukeln und purzeln die anderen vier mit Gelächter ebenfalls von den Sitzen. Unsere Bitte, sie sollten sich wieder setzen und zuhören, findet keinerlei Gehör. Gefühle von Hilflosigkeit und Ärger machen es uns nicht leicht, die Struktur zurückzugewinnen. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Was wir an diesen wenigen Beispielen sehen können, ist, dass die Angstabwehr der Kinder sehr verschieden, aber auch gleichartig sein und in kürzester Zeit zur Gruppenabwehr verschmelzen kann. Dann kommt es darauf an, ob wir in unserem Verhalten von der eigenen Angstabwehr bestimmt werden: Wir könnten zum Beispiel versucht sein, mit autoritärer Reaktion die Gruppe als Objekt unserer guten Absichten in den Griff zu bekommen; oder wir könnten Angriff und Kränkung leugnen und in scheinbares Verständnis ausweichen; oder wir könnten im Falle der Entwertung der Mädchen
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die Spaltung taktisch begründet hinnehmen und uns rationalisierend einreden, die Zusammenführung würde mit der Zeit schon noch gelingen. In der ersten Stunde „gute Eltern“ sein, heißt die eigenen Befürchtungen bewusst wahrzunehmen, um dann bei allem Verständnis mit Bestimmtheit die Grenzen zu vertreten. Bezogen auf die geschilderten Beispiele würde das u.a. heißen können:
dass es auch zum Schutze Kevins angebracht wäre, ihm sofort und deutlich zu sagen, dass er sich vielleicht unsicher fühlt, die rüden Entwertungen der Mädchen jedoch nicht akzeptiert werden können; dass die Therapeutin aus der Kenntnis der Gruppendynamik Maria hilft, ein Lämmlein zu sein, ohne ihre symbiotische Angstabwehr mit zu agieren und sich zum Schaf machen zu lassen; sondern die Rolle der Bäuerin einnimmt, bei der Maria genügend Schutz findet; und dass man das Kind, das die Polsterschaukelei begonnen hat, auf den Sitz neben sich holt und u.U. sogar festhält, wenn es die anderen immer zur Fortsetzung dieser Aktionen animiert.
Und wenn das nicht „greift“, versucht man das Agieren der Kinder aufzunehmen und in ein symbolisches Spiel zu überführen: „Ihr seid ja wie springlebendige Tiere – was für Tiere seid ihr denn?“ Und man entwickelt anschließend über die Rollen mit den Kindern eine Geschichte. Struktur und Regeln werden dann im weiteren Verlauf der Stunde vermittelt. Für ein Therapeutenpaar das in der Ko-Therapie noch nicht miteinander vertraut ist, kann es hilfreich sein, eine Funktionsaufteilung abzusprechen, um vor allem in der Anfangsphase mit solchen Situationen möglichst gut zurechtzukommen.
4.1.3 Die Entwicklung des Gruppenthemas Unter Gruppenthema ist hier nicht nur die zentrale Spielidee mit den entsprechenden Rollen zu verstehen, wie zum Beispiel „Robin Hood“, sondern vor allem der psychodynamische Fokus der Gruppe, der den gemeinsamen Hauptnenner für die Problematik der einzelnen Kinder bildet. Dieser Fokus kann wie ein Initialtraum in der Anfangsphase sichtbar werden, dann längere Zeit das Zentrum bilden, aber auch vorübergehend verschwinden. Er ist insgesamt einer Veränderung unterworfen, die der inneren Entwicklung der Gruppe entspricht.
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Es kann aber auch sein, dass das in der Anfangsphase vermeintlich als Fokus verstandene Thema völlig verschwindet. Das Gruppenthema und seine Entwicklung, aber auch stagnierende Wiederholung als Widerstand, erfasst man am besten durch sorgfältige Protokollierung der Stunden. Man hat dann die Möglichkeit, zurückzublättern und die schrittweise Differenzierung über viele Stunden zu verfolgen. Das gelingt unserer Erfahrung nach besser über Protokolle als über Videoaufzeichnungen. Es ist leichter kurz gefasste Prozessbeschreibungen von vielen Gruppenstunden zu überblicken, als stundenlang Videobänder anzusehen. (Videoaufzeichnungen sind jedoch eine gute Möglichkeit, die Wirkung von Interventionen, die Übertragungsprozesse und das therapeutische Miteinander zu verstehen und weiterzuentwickeln.) Wir schildern im Folgenden, wie sich das Thema in der Anfangsphase bei einer Gruppe sechsjähriger und einer Gruppe zwölfjähriger Kinder herausbildete. Entwicklung des Themas bei einer Gruppe sechsjähriger Kinder Die Kinder und ihre Rollenwahl im Bauernhofspiel der ersten Stunde: Sabine:
Vanessa:
Nina:
Max: Michael:
Ein Adoptiv- und Einzelkind, wegen Aggressivität gegenüber ihren Adoptiveltern und anderen Kindern angemeldet. Sie wollte eine buntgefleckte Hauskatze sein. Das zweite Kind einer allein erziehenden Mutter litt unter Neurodermitis, Affektdurchbrüche und zeigte starke Regressionsneigungen. Sie entschied sich, eine Schildkröte in einem See zu sein, eine Stoffschildkröte war ihr Junges. Ein Einzelkind, zeigte einen psychosozialen Entwicklungsrückstand, nahm keine feste Nahrung zu sich und war stark kontaktgehemmt im Umgang mit Gleichaltrigen. Sie wollte das große Pferd „Fjuri“ sein, braun und weiß. Das fünfte von sechs Kindern, sprach außerhalb der Familie nicht, war sehr gehemmt. Er wollte eine weiße Maus sein. Ein Einzelkind, die Mutter allein erziehend, war unruhig, aggressiv und hatte noch keine altersgemäße Affektkontrolle. Er wünschte, ein schwarzer Schäferhund zu sein.
Die Therapeutin war Bäuerin, der Therapeut Bauer.
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Erste bis vierte Gruppenstunde In den ersten zwanzig Minuten ließen sich alle Tiere versorgen und füttern. Die Katze (Sabine) und die Schildkröte (Vanessa) verlangten besonders viel zu fressen. Die Maus (Max) verschwand schnell wieder in ihrer Höhle, wenn sie ihren Käse bekommen hatte. Entsprechend ihrer Problematik hatten die Kinder zu einem oralen Gruppenthema gefunden. Der Schäferhund (Michael) wechselte zwischendurch in die Rolle eines Fuchses, der eine Gans stiehlt. Uber diese oralaggressive Rolle kam seine Bedürftigkeit zum Ausdruck, und außerdem reagierte er damit auf die Frustration, die Gruppeneltern nicht für sich allein zu haben. Michael drückte auf diese Weise auch einen Impuls der Gruppe aus und erlebte, wie die Therapeutin/der Therapeut auf die orale Aggression reagierten. Reaktion der TherapeutInnen: Der Fuchs denkt vielleicht, wenn er sich nicht selbst was holt, bekommt er nichts. Er ist ein schlauer Fuchs, so dass man ihn nicht fangen kann! Mit dieser Intervention war beabsichtigt, die Vergeltungsangst zu reduzieren. Dadurch ermutigt, wagten es die Katze (Sabine), das Pferd (Nina) und der Schäferhund (Michael) im weiteren Verlauf den Bauern anzufauchen und zu kratzen, ihn zu verbellen und nach ihm zu schnappen, mit den Hufen auszuschlagen, bis er verschreckt ins Haus floh. Die Bäuerin verblieb in der Rolle der versorgenden „guten Mutter“. Die Kinder hatten eine Spaltung in ein gutes und böses Objekt konstelliert, das ihnen erlaubte, die eigenen Aggressionen auf den einen Therapeuten zu richten. Die Schildkröte (Vanessa) suchte sich einen Platz im Bauernhaus und war stark auf die Bäuerin bezogen — sie hatte in Übereinstimmung mit ihrer Problematik eine symbiotische Konstellation hergestellt, die komplementär zur aggressiven Dynamik der Gruppe stand. In der zweiten Stunde „verwandelten“ sich die Kinder wieder in dieselben Tiere, ausgenommen Michael, der diesmal ebenfalls eine Katze sein wollte wie Sabine, und mit der er ein gemeinsames Katzennest baute. Damit verhinderte er wieder, in eine exponierte aggressive Position zu kommen. Die TherapeutInnen sollten wieder Bäuerin und Bauer sein. Nachdem jedes Kind sein Nest, seinen Stall, die TherapeutInnen ihr Bauernhaus gebaut hatten, begann das Spiel wieder mit dem „Versorgen der Tiere“. Rasch entwickelte sich die orale Erwartung zur offenen Gier mit zunehmend aggressivem Verhalten. Je länger jedes einzelne Kind gefüttert werden wollte, je größer die verlangten Futtermengen, umso stärker die sich daraus
4.1 Anfangsphase
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zwangsläufig ergebende Frustration für die wartenden Tiere. Sie fingen an, immer lauter zu schreien und nach den Bauersleuten zu schnappen. Der Ärger auf die Rivalinnen wurde auf die TherapeutInnen verschoben und führte zum verstärkten Zusammenschluss der Kinder. Sie entwickelten Wut auf die TherapeutInnen — diese waren nun beide „schlechte Eltern“. Die Tiere wurden immer aggressiver, so dass die Bauern ins Haus flüchten mussten. Da das Maß der Aggressivität nicht mehr den Rollen entsprach, unterbrachen die TherapeutInnen das Spiel zu folgender Intervention: „Ihr seid jetzt so wild geworden, dass man meinen könnte, ihr seid große Tiere, wie sie im Urwald vorkommen. Die Katzen waren ja so gefährlich wie Löwen oder Tiger!“ Die Kinder griffen dies auf und wählten neue Rollen: Die beiden Katzen (Michael und Sabine) spielten Tiger, das Pferd (Nina) ein schwarzes Einhorn, die Maus (Max) eine wilde Urwaldmaus und Vanessa blieb die Schildkröte. Die TherapeutInnen sollten als Tierfänger versuchen, die Tiere mit einem Netz zu fangen — das war der Wunsch der Kinder — und sie sagten: „... Ihr würdet uns aber nicht erwischen!“ Das Gejagtwerden war für die Kinder sehr lustvoll. Gegen Ende der Stunde ließen sie sich gelegentlich auch fangen, nachdem sie zuvor bestimmt hatten, dass sie nach kurzer Zeit wieder aus dem Käfig entkommen konnten. Oral aggressives Verhalten war in dieser Stunde zum Gruppenthema geworden und löste Vergeltungsängste aus, die nach und nach geringer wurden. Vermutlich konnten sie es auch noch nicht aushalten, dass die TherapeutInnen unterlegen waren. In der dritten Gruppenstunde wünschten die Kinder anfangs wieder Bauernhof im Urwald zu spielen, es wurde aber doch ein Bauernhofspiel daraus. Max wollte wieder eine weiße Maus sein, die ihr Nest diesmal unmittelbar am Bauernhaus hatte. Er mochte gar nichts davon wissen, wie wild er in der Stunde zuvor war. Das war auch der Tenor bei den anderen Kindern. Ein zahmes weißes Einhorn wollten Michael und Nina sein; Vanessa eine Katze, die im Bauernhaus ihren Platz hat; Sabine ein Hund, der Wache hält. Es wird hier sehr anschaulich, wie sich die Kinder gegenseitig anregten, ihr Rollenspektrum zu erweitern. Die Tiere ließen sich dann von Bäuerin und Bauer füttern, das Fell bürsten, die Hufe beschlagen und halfen beim Pflügen und Ernten. Neben der oralen Erwartung war jetzt in Form ihrer Mitarbeit der Wunsch nach Anerkennung altersgemäßer autonomer Fähigkeiten zum Thema geworden. In der vierten Stunde hatten die Tiere geheime Schätze, die ein Räuber (Therapeut) stehlen wollte. Die Tiere waren jedoch wachsam und halfen der
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
Bäuerin (Therapeutin) gegen den Einbrecher. Die Kinder hatten sich ein gutes Objekt gesichert und die eigene Gier auf den Therapeuten projiziert. Der psychodynamische Fokus, der sich in der Anfangsphase gezeigt hatte, kann als orale Problematik mit reaktiver Wut und entsprechenden Vergeltungsängsten beschrieben werden. Im weiteren Verlauf der Gruppe konstellierten sich zwar noch andere Themen, die Kinder kehrten aber immer wieder zum Bauernhofspiel und zur Bearbeitung ihrer oralen Thematik zurück. Entwicklung des Themas bei einer Gruppe zwölfjähriger Kinder Bei allen Kindern dieser Gruppe gehörte Trennung und Scheidung zur Psychogenese. Bei Claudia und Martin lag eine erhebliche Irritation ihrer Geschlechtsidentität vor. In der Gesprächsrunde sagte Claudia in flapsig albernder Weise: „Ich spiele heute den Kaiser von China!“ Daraus entwickelte sich das Thema und folgende Rollen: Claudia: Tanja: Martin: Johannes: Findelkind: Therapeutin: Therapeut:
Kaiser von China König Leopold Prinzessin von China Polizist Eine ärmliche ramponierte Stoffpuppe Dienerin Koch
Die „Herrschaften“ ließen sich bekochen, bedienen und Geschichten erzählen. Sie waren sehr streng zu ihrem Personal, wenn es nicht schnell genug und nicht nach ihren Wünschen ging. Trennung und Verlassenwerden hatten sich im Symbol des Findelkindes gleich in dieser ersten Stunde konstelliert. In der zweiten Stunde wurde dieses Spiel fortgesetzt. Allerdings kam in zunehmendem Maße Rivalität auf, indem abwechselnd der Kaiser, die Prinzessin oder König Leopold in „Ohnmacht“ fiel und auf diese Weise die besondere Fürsorge der Bediensteten erzwang. Die Kinder stritten sich in der dritten Stunde anfänglich lange um Sitzpolster und Kissen, mit denen sie ihre fürstlichen Räume gestalten wollten. Danach übernahmen sie die alten Rollen, bis auf Johannes, der diesmal kein Polizist, sondern ein Ritter sein wollte. Es bildeten sich Paare als Untergruppen, die sich wieder zerstritten.
4.1 Anfangsphase
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Als die TherapeutInnen eine solche Streitsituation als „Ehekrach“ bezeichneten, griff Martin dies auf und sagte: „Kaiserin und Kaiser würden sich scheiden lassen!“ Die anderen stimmten interessiert zu und es wurde zuerst eine Scheidung inszeniert, aber kurz darauf wieder die Trauung, der Ehekrach war schnell vorbei. Die Kinder wollten danach ein gemeinsames Haus bauen, doch dabei kam es wieder zur Uneinigkeit, und die Harmonie war rasch zu Ende. Die Trennung der Eltern als Gruppenthema war jetzt eindeutig in den Mittelpunkt gerückt. In der vierten Stunde fehlten die Therapeutin und Martin. Die Kinder waren irritiert und fanden erst nach langer Zeit zum Spiel der vorangegangenen Stunde zurück. Das Fehlen der Therapeutin korrespondierte mit den Trennungserfahrungen der Kinder. Ihre Wut zeigte sich in der darauf folgenden Sitzung: Die Therapeutin wurde als unzuverlässige und schlechte Dienerin ständig herumkommandiert und schließlich in den Kerker geworfen. Diese beiden Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie sich in der Anfangsphase das Thema der Gruppe entwickeln kann. Die Rollen des Therapeutenpaares ermöglichten, dass kleinkindliche Versorgungs- und Kontrollwünsche, Trennungserfahrung und Vereinigungswünsche inszeniert werden konnten. Damit verbunden war eine Affektabfuhr, die zu einer Entlastung der Kinder führte.
4.1.4 Die fünfte Stunde Die fünfte Gruppenstunde bildet eine Zäsur, das Ende der Probezeit. Wie im Kontrakt vereinbart, fragen wir jedes Kind, auf dem entsprechenden sprachlichen Niveau, wie es ihm bisher gefallen hat, und ob es nun für ein Jahr lang teilnehmen möchte, damit es herausfinden kann, wie es mit sich und anderen Kindern besser zurechtkommt. Kritische Äußerungen von Kindern werden, wenn sie sich auf die Gruppe beziehen, in dieser fünften Stunde mit der Gruppe besprochen. Außerdem geben wir jedem Kind eine Rückmeldung über unsere Erfahrungen mit ihm in der Gruppe, wobei wir im Wesentlichen die positiven Aspekte hervorheben. Bei älteren Kindern bringen wir jedoch auch bestimmte Verhaltensweisen mit dem Kontrakt in Beziehung, um das Ziel der Teilnahme nochmals anzusprechen. Erfahrungen, die die besondere individuelle Situation des Kindes und der Familie betreffen, werden ausschließlich mit den Eltern und dem Kind besprochen. Insbesondere für die älteren Kinder ist es wichtig zu
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
erleben, dass ihre Teilnahme an der Gruppe ihre Entscheidung ist. Dann fühlen sie sich in ihrer altersgemäßen Autonomie und Verantwortlichkeit angesprochen, wodurch sich die Widerstände reduzieren. Zum Glück kommt es ziemlich selten vor, dass wir uns mit der schweren Entscheidung befassen müssen, ein Kind herauszunehmen, weil es in diese Gruppe nicht passt. Ist es jedoch unumgänglich und zu diesem Zeitpunkt schon zu erkennen, besprechen wir das vor der fünften Stunde mit dem Kind und den Eltern, und fragen dann das Kind, ob es noch zu einer Abschiedsstunde kommen möchte. Für eine Gruppe ist die Herausnahme eines Kindes, auch wenn es schon nach der fünften Stunde erfolgt, ein beunruhigender Vorgang. Wir haben erlebt, dass sich die Kinder am Ende einer Gruppentherapie, nach mehr als 1 ½ Jahren spontan an das Kind, das damals ausgeschieden war und seine Rollen erinnerten. Manchmal kann man diese Entscheidung auch erst zu einem späteren Zeitpunkt treffen und dann ist sie noch schwerer.
4.2 Mittelphase 4.2 Mittelphase Wir haben in den vergangenen Jahren viele Gruppen kennen gelernt. Bei vergleichenden Längsschnittuntersuchungen der Protokolle sind wir der Frage nachgegangen, ob sich eine Gesetzmäßigkeit in der Gruppenentwicklung feststellen lässt. Wie zu erwarten war, verlaufen auch in der Gruppentherapie, wie in der Einzeltherapie, die Heilungsprozesse nicht linear. Orale, anale und ödipale Themen überschneiden sich und treten in unterschiedlichster Reihenfolge auf. Progression und Regression wechseln innerhalb einer Stunde und im Gesamtverlauf. Es sind zwar Prozesse und Themen zu beschreiben, die in den meisten Gruppen zu registrieren waren, ohne dass sie jedoch in der gleichen wiederkehrenden Abfolge aufgetreten sind. Wir haben zum Beispiel beobachtet, dass bei der einen Gruppe eine orale Thematik schon während der ersten 15 Stunden inszeniert wurde, und bei einer anderen erst in den letzten vier Stunden. Die Inszenierungen der Kinder als Mitteilung ihrer intrapsychischen und interpsychischen Konflikte zu verstehen und in der Wiederholung durchzuarbeiten, ist das Ziel der Mittelphase. Wie auf die Themen und Gruppenprozesse therapeutisch reagiert werden kann, haben wir in den anderen Kapiteln ausführlich beschrieben. Wir machen deshalb in diesem Teil nur auf einige allgemeine strukturelle und gruppendynamische Vorgänge aufmerksam.
4.2 Mittelphase
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Organisatorische und strukturelle Faktoren Auf Ferien- oder Urlaubsphasen sollten die Kinder immer einige Stunden vorher aufmerksam gemacht werden, insbesondere auf die lange Pause der Sommerferien. Für Kinder bedeutet es viel zu hören, dass sich die Therapeuten auf die Fortsetzung nach den Ferien freuen. Gelegentlich kommt es vor, dass eine Therapeutin/ein Therapeut einmal nicht teilnehmen kann, oder aus Krankheitsgründen mehrmals fehlt. Das sollte möglichst angekündigt werden. In allen diesen Fällen sollte man die Reaktion der Gruppe, respektive der einzelnen Kinder sorgfältig registrieren, sowohl in der Stunde, in der eine/r der TherapeutInnen fehlt, als auch in der folgenden Stunde. In der Regel reagieren die Kinder darauf, und es bietet sich eine gute Möglichkeit, unterschiedliche biographische Bezüge zu thematisieren, z.B. krankheitsbedingte Trennungen von der Mutter oder Rückzug des Vaters nach Trennung/Scheidung usw. Intensivierung der Übertragung Während von „den Kleinen“ häufig schon in der zweiten oder dritten Stunde stark affektbesetzte Übertragungen erfolgen, geschieht dies bei älteren Kindern entsprechend ihrer Ich-Entwicklung einige Stunden später und mit zunehmendem Vertrauen in die Gruppe intensiver. Am schnellsten entwickeln sich die Übertragungsbeziehungen zwischen den Kindern, wie z.B. Geschwisterbeziehungen, Rivalitäten in der Klasse und ihre gruppendynamische Wiederholung in Form von Dominanzstreben, Streit, Rückzug usw. Wenn dann ein Kind häufiger fehlt, ist zu klären, ob es der Rivalität in der Gruppe nicht gewachsen ist, z.B. bei ausgrenzender Paarbildung in einer Gruppe mit fünf Kindern, oder ob sich seine negative Geschwistersituation wiederholt und resignativen Rückzug ausgelöst hat. Manchmal spielen sich die Auseinandersetzungen überwiegend im Wartezimmer oder auf dem Heimweg ab und werden während der Stunden in ihrem vollen Ausmaß nicht sichtbar. Stark negative Übertragungen oder ödipale Werbung zeigen sich meistens erst in der Mittelphase. Diese Übertragungen beschränken sich dann nicht nur auf die symbolischen Inszenierungen, sondern wirken sich auch in den Gesprächsphasen deutlich aus. Zum Beispiel bei der Platzwahl in der Anfangsrunde, wo die „Kleinen“ die Nähe ganz offen suchen, während sich bei den „Großen“ solche Wünsche in betonter Distanzierung zeigen können.
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
Das „Steckenbleiben“, sei es in der Wiederholung des symptomatischen Verhaltens bei einzelnen Kindern oder in der ständigen Wiederkehr des Gruppenthemas, erfordert Interventionen, die wir weiter unten beschreiben. Gruppendynamische Veränderungen In allen Gruppen suchen die Kinder nach einiger Zeit die Konfrontation mit den TherapeutInnen auf der Realebene, indem sie Grenzen überschreiten oder Regeln missachten. Während es in der Anfangsphase angebracht ist, solche Provokationen, wenn möglich, zu umgehen, indem man sie in einer geschickten Intervention zur Inszenierung auf der Symbolebene umlenkt, ist es in der Mittelphase angezeigt, die Konfrontation real anzunehmen. Gerade in der gegenwärtigen Unsicherheit von Eltern und Erziehern, wann und mit welcher Konsequenz Werte und Grenzen zu vertreten sind, benötigen die Kinder eine andere Erfahrung. Sie müssen erleben, dass die Therapeutin/der Therapeut mit Festigkeit standhält und sich nicht zu manipulativen Reaktionen verleiten oder in einen Machtkampf verstricken lassen. Sie müssen erfahren, dass wir die Gruppe zwar nur in einem „Miteinander“ machen können, dies dennoch an bestimmte Bedingungen und Grenzen geknüpft ist. Dieses Standhalten entspricht der „holding function“, wie sie Winnicott für die Mutter-Kind-Beziehung als wesentliche Entwicklungsvoraussetzung beschreibt (Winnicott 1965). Bei Kindern in der Vorpubertät ist gelegentlich zu beobachten, dass sie sehr lange brauchen, um zu einer symbolischen Inszenierung zu kommen. Dies kann mit Vermeidungstendenzen hinsichtlich einer bestimmten Thematik, z.B. Sexualität, zu tun haben. Es kann sich aber auch um eine spezielle Übertragungssituation handeln, z.B.: Verweigerung gegenüber LehrerInnen und/oder Eltern, und dem Versuch, diese in einen Machtkampf zu verwickeln. Manchmal handelt es sich aber auch nur um die Lust an der verbalen Auseinandersetzung, die den Kindern dieser Altersstufe genauso wichtig sein kann wie das Spiel. Ein besonderes Phänomen ist die Wiederholung der gleichen „Geschichte“. Häufigste Motive für solche Stagnationen sind u.a.:
Ein Kind dominiert die Gruppe mit seiner Thematik. Rivalitäten zwischen den Kindern können noch nicht zugelassen werden. Die Spaltung zwischen Jungen und Mädchen wird aufrechterhalten, was wiederum der Abwehr bestimmter Themen dient. Vor allem in Gruppen, die nur aus Jungen bestehen, werden z.B. durch ständige Kampfspiele orale Versorgungs- und Nähewünsche oder eine ödipale Thematik abgewehrt.
4.2 Mittelphase
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Ob es sich tatsächlich um Wiederholungen im Sinne der Abwehr handelt, lässt sich mit einiger Sicherheit nur durch den Vergleich mit den zurückliegenden Stunden feststellen, denn manchmal erfolgen die Veränderungen in unmerklichen Schritten bei vordergründig ähnlichen Rollenwahlen und Inszenierungen. Denn, wenn die Kinder eine Geschichte gefunden haben, in der jedes sein individuelles Thema unterbringen kann, neigen sie zur Wiederholung, um sich über Stunden hinweg damit auseinanderzusetzen. Aus der zunächst symptomatischen Wiederholung gelangen sie durch das Setting und die Interventionen der Therapeuten zu einem Durcharbeiten ihrer intrapsychischen Problematik. Einflüsse der Eltern Manchmal erfolgt den Eltern die Veränderung zu rasch und anders als sie erwarteten. Ihr braves Kind wehrt sich zum Beispiel nicht nur in der Schule, sondern wird auch zu Hause frech; oder es löst sich von der Mutter schneller, als sie es erträgt. Meistens spüren die Kinder die Ambivalenz oder Beunruhigung der Eltern. Das kann dazu führen, dass sie zu Hause äußern, sie hätten keine Lust mehr in die Gruppe zu gehen, was in der Regel in keiner Weise ihrer aktiven und lustvollen Teilnahme während der Gruppenstunde entspricht. Diese Kinder stehen in einer schwierigen Konfliktsituation, die sich nur in der Beratung mit den Eltern oder der Familie lösen lässt. Es kommt auch vor, dass sich die Eltern eine schnellere Symptombeseitigung erwarten, enttäuscht sind, wenn das nicht eintritt, und dann ihr Kind hinsichtlich der Teilnahme an der Gruppe demotivieren. Das kann u.a. damit zusammenhängen, dass im Kontrakt nicht sorgfältig genug Wirkung, Ziel und Grenzen der Methode besprochen wurden — einschließlich der Notwendigkeit der Mitarbeit von allen Beteiligten. Gelegentlich übersehen wir allerdings selbst, dass zum Beispiel die Dynamik in der Klasse oder die Rigidität des Familiensystems stärker ist als der Veränderungswunsch des Kindes. Wenn ein Kind zum Beispiel als „Störenfried“ in der Familie vom Ehekonflikt ablenkt, ist die begleitende Elternarbeit besonders wichtig. Das Ziel der Gruppentherapie entspricht dann zwar dem verbalen Wunsch der Eltern, doch der Widerstand des Paares steht dem entgegen. Sie können deshalb Veränderungen nicht wahrnehmen, klagen weiterhin über die Symptomatik und stellen unsere Arbeit in Frage. Für das Kind ist dies eine „double bind“-Situation. Es kommt vor, dass uns ein Kind mit dieser systemischen Funktion in der Gruppe relativ normal erscheint, während es zu Hause der identifizierte Patient bleibt. Die Schlussfolgerung kann nicht heißen, es aus der Gruppe zu nehmen. Denn
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
über das Kind gelingt möglicherweise der langwierige Zugang zum Paarkonflikt. Manchmal dauert es lange, bis Eltern genügend Vertrauen entwickelt haben, um sich auf die eigene Problematik einzulassen. Schwärmt ein Kind von der Gruppe und idealisiert die TherapeutInnen, löst dies bei Eltern unter Umständen Gefühle von Rivalität aus, die sich in einer Abwertung unserer Arbeit ausdrücken kann. Diese Eltern brauchen dann dringend unsere Bestätigung für die Bewältigung ihrer viel schwierigeren Alltagssituationen, und es ist wichtig, dass wir positive Veränderungen auf ihr Konto verbuchen, um so vielleicht negative Reaktionen zu verhindern. Trennen sich Eltern während einer Gruppentherapie, muss man besonders darauf achten, dass man in den Auseinandersetzungen nicht von einer Seite gegen die andere benützt wird. Man sollte versuchen, in einer gezielten Trennungsberatung darauf hinzuwirken, dass das Kind in der Gruppe bleiben kann, da in der Übertragung auf das Therapeutenpaar eine Thematisierung seiner schmerzlichen Trennungserlebnisse gut möglich ist.
4.3 Abschlussphase 4.3 Abschlussphase Die Anzahl der Gruppenstunden und damit auch das Ende einer Gruppe wird allgemein von den Therapeuten auf ein Jahr festgelegt. Die Mitentscheidung der Kinder in der fünften Gruppenstunde über ihre weitere Teilnahme schließt zwar im Grunde auch das Ende mit ein (das gleiche gilt für eine Verlängerung, die mit Eltern und Kind abgesprochen wird). Trotzdem erleben die meisten Kinder die Beendigung einer Gruppe als willkürliche Entscheidung der Erwachsenen. Erfahrungsgemäß würden fast alle gerne weiterhin in die Gruppe kommen — wenn wir die 14-Jährigen einmal außer acht lassen, doch dazu weiter unten. Das hat mehrere Gründe, einige davon sind:
Die symbolischen Formen der Affektabfuhr sind ungefährlich, entlastend und lustvoll. Die Möglichkeiten, das Unbewusste spontan gestalten zu können und darin gesehen und verstanden zu werden, hilft den Kindern in ihrer Entwicklung, schafft einen Zuwachs an Spontaneität, Kreativität und Autonomie. Jedes Kind hat seinen Platz in der Gruppe und ist mit den anderen Kindern und den Therapeuten in einem Beziehungsnetz verbunden.
4.3 Abschlussphase
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Wir sehen also, dass mit dem Abschluss einer Gruppe für die Kinder ein kreativer Spielraum verloren geht und eine Vielzahl von Beziehungen gelöst werden muss. Dies korrespondiert mit den unterschiedlichsten Trennungserfahrungen der Kinder. Viele von ihnen sind von Trennung und Scheidung der Eltern betroffen und leiden noch darunter. Wohnort und/oder Schulwechsel und der Verlust von FreundInnen und Verwandten sind oft damit verbunden, um nur die existenziellsten Trennungserfahrungen von Kindern anzusprechen. Solche und andere Trennungserlebnisse werden durch das Gruppenende aktualisiert und lösen beim Einzelnen und bei der Gruppe die unterschiedlichsten Bewältigungsstrategien aus. Erfahrungsgemäß neigt die Gruppe als Ganzes dazu, das nahende Ende zu leugnen. Deshalb haben wir es uns zur Pflicht gemacht, etwa ab der zehntletzten Stunde in jeder Stunde am Anfang und/oder am Ende die Kinder daran zu erinnern, dass es zum Beispiel sechs Gruppenstunden bis zum Abschluss sind. Während die „Kleinen“ meistens protestieren, reagiert die Altersstufe ab zwölf Jahren häufig mit entwertenden Bemerkungen wie: „Ich hab sowieso was Besseres zu tun!“ Der angezählte „Count-down“ ist eine Intervention, die in der Regel dazu führt, dass das anstehende Ende und die damit verbundene Trennung in den Inszenierungen thematisiert werden. Dazu einige Beispiele und weitere Interventionsmöglichkeiten: Eine Gruppe von Achtjährigen, drei Mädchen und zwei Jungen, inszenierten in der Abschlussphase folgende Geschichte: Die TherapeutInnen sollten Bäuerin und Bauer sein, die Kinder wollten alle junge, niedliche Kätzchen sein, die von den Bauersleuten versorgt werden. Spielentwurf und Rollenwahl entsprachen einer Inszenierungsreihe in der Anfangsphase. Intervention: „Jetzt, da die Gruppe zu Ende geht, wir haben nur noch drei Gruppenstunden, erinnert ihr euch, wie es am Anfang war. Damals seid ihr wirklich klein gewesen. Inzwischen seid ihr viel größer und selbständiger.“ Die Kinder gingen darauf ein, sie erinnerten sich, wo sie damals ihr Nest gebaut hatten. „Jetzt reden wir nicht mehr, ich will spielen!“, reagierte kurz darauf ein Junge, und die anderen stimmten zu. Sie bauten wieder ihre Katzennester an den Stellen, die sie erinnert hatten, und verlangten zunächst, nur gefüttert und gestreichelt und für die gefangenen Mäuse gelobt zu werden. Intervention (Therapeutin): „Ihr seid wirklich schon ziemlich große Katzen, ihr fangt Mäuse, so dass ihr merklich weniger Futter braucht.“ Die Katzen
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe schrieen erst recht nach Milch. Dann begannen sie wegzulaufen, um sich zu verstecken, sie wollten gesucht und gefunden werden. Eines verletzte sich, und alle anderen nahmen dieses Thema auf und wollten ebenfalls einen Verband angelegt bekommen und gepflegt werden. Aber nach und nach wurden sie aufsässiger und frecher und sie begannen, aus der Speisekammer zu stehlen. Interventionen: Das Therapeutenpaar reagierte mit einer Verbalisierung gegensätzlicher Entwicklungsimpulse. Der Bauer wurde ärgerlich und verdächtigte die größer gewordenen Katzen, in die Speisekammer eingedrungen zu sein. Die Bäuerin wollte es nicht glauben, dass ihre kleinen Kätzchen schon so frech und geschickt waren, und außerdem würde doch in der Küche die schöne warme Milch bereit stehen. Nicht lange danach erklärten die Kinder: „Wir sind Katzen, die in die weite Welt ziehen, wir sind Wanderkatzen. Wir haben die Speisekammer ausgeraubt und alles mitgenommen, aber wir wohnen in Amerika, dorthin könntet ihr nicht kommen!“ Und mit allen Bauelementen errichteten sie ein gemeinsames Haus. Die üblichen Streitigkeiten um Tücher und Polster traten nicht auf. Bäuerin und Bauer blieben richtiggehend mittellos zurück. Intervention: Die Bauersleute sprachen laut darüber, wie es den Katzen in Amerika wohl ginge. Abwechselnd brachten sie Besorgnis und Zutrauen zur Sprache und sie schlossen mit der Feststellung: „Jetzt wissen wir, wie es ist, wenn man verlassen wird. Man ist traurig und wütend. Vielleicht wollten die Katzen uns zeigen, wie das ist, wenn die Bauersleute sich wünschen, dass die Katzen größer werden, Mäuse fangen und nicht mehr versorgt werden müssen?“ Ab und zu kam eine Katze aus „Amerika“ und erzählte den Bauersleuten, wie gut und schön sie es dort hätten. Doch die Bauersleute durften die Spur nach Amerika nicht finden. Christian sagte zum Beispiel: „Ihr würdet uns suchen und würdet meine Pfotenabdrücke sehen, aber dann hätte ich einen neuen Teerbelag auf den Weg gemacht (er legt eine schwarze Decke aus), und ihr würdet uns wieder nicht entdecken!“ Auf Anweisung der Kinder mussten wir noch mehrere Versuche unternehmen, den Weg nach Amerika zu finden, aber sie ließen uns ständig scheitern. Es war wie im Grimmschen Märchen „Fundevogel“, in dem der verfolgenden Hexe immer wieder neue Hindernisse in den Weg gezaubert werden.
Welche Reaktionen durch eine falsche Intervention ausgelöst werden kann, ist in folgendem Beispiel geschildert:
4.3 Abschlussphase
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Die Kinder einer Gruppe Zehnjähriger haben beschlossen, als AbschlussSpiel eine „Abenteuerreise nach Afrika“ zu machen. Ihre Rollenwahl: zwanzigjährige Kinder reicher Leute, englischer Adel. Die Geschichte: Ihre Eltern wären gegen diese Afrikareise, doch da die Eltern nicht zu Hause wären, würden sie die Gelegenheit nützen und mit der Yacht lossegeln. Die TherapeutInnen, als Bedienstete James und Jenny, würden diese Reise verhindern wollen, es aber nicht schaffen. James und Jenny äußerten ihre Befürchtung, dass die Herzogin und der Herzog sie zur Rechenschaft ziehen würden, wenn sie das gefährliche Unternehmen nicht verhinderten. „Das ist uns scheißegal!“, meinte der junge Adel dazu und machte sich über die beiden ängstlichen und blöden Alten lustig. Kurz darauf sagte der Therapeut, nachdem das Schiff in See gestochen war: „Jetzt haben wir ja frei — wir könnten doch auch eine Reise machen, zum Beispiel nach London ...“ Diese Bemerkung wirkte auf die Kinder offensichtlich negativ und löste bei ihnen Bindungsverhalten aus. Sie erklärten: „Wir sind nur zum Schein aufs Meer gefahren, und wir kommen jetzt verkleidet zurück, um euch zu beobachten!“ Dem schloss sich eine Kette intriganter und aggressiver Aktionen an, mit denen sie den Ausflug von James und Jenny verhinderten. Und zuletzt wurden die Bediensteten eingesperrt, weil sie sich angeblich mit dem Familienschmuck davon machen wollten. Der Therapeut hatte das eigene Trennungserleben offensichtlich mit Aktionismus abgewehrt. Deshalb war in der Intervention vermutlich nicht der Wunsch der Kinder berücksichtigt worden, dass die „Eltern“ um sie trauern. Zeigt sich das Trennungsthema in den Inszenierungen nicht, ist es angezeigt, dass die TherapeutInnen das Thema einbringen und den Kindern helfen, es mit ihren Spielwünschen zu verbinden. Dazu ein weiteres Beispiel: Eine Gruppe von sechs elfjährigen Jungen spielte seit mehreren Stunden eine Weltraum-Abenteuer-Fortsetzungsgeschichte. Obwohl — wie oben beschrieben — auf das nahende Ende aufmerksam gemacht, leugneten sie dies und spielten eine Fortsetzungsgeschichte nach der anderen. Intervention in der letzten Stunde: „Obwohl heute die letzte Stunde ist, möchtet ihr einfach weiterspielen, als ob nächste Woche ein weiteres Weltraum-Abenteuer folgen könnte. Aber heute ist die letzte Stunde, und es gibt keine Fortsetzung. Wir machen euch einen Vorschlag, wie ihr das Ende der Gruppe in eure Spielidee einbauen könntet — einverstanden? Ihr seid
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe hier in der Gruppe gewesen, weil jeder von euch Probleme hatte, und inzwischen kommt ihr damit viel besser zurecht. Unser Vorschlag ist deshalb folgendermaßen: dass ihr mit euren Raumfahrzeugen, die auf einer gefährlichen Reise beschädigt wurden, bei uns auf einer Reparaturwerkstatt landet, um alles für eure zukünftige abenteuerliche Reise in Ordnung zu bringen. Zum Beispiel, um aufzutanken, den Atommotor auszutauschen, die Waffen zu richten, den Computer zu reparieren usw. Anschließend würdet ihr wieder zu euren Forschungen in ferne Galaxien aufbrechen. Das wäre dann wie euer künftiges Leben in der Familie und in der Schule, wo es auch noch manches Abenteuer zu bestehen gibt.“ Die Jungen waren damit einverstanden. Sie wollten allerdings — wie in den Stunden davor — zu zweit fliegen. Die TherapeutInnen bauten in ihrer Raumstation ein Reparaturdock auf, an der die Flieger von ihren Abenteuern erzählten. Bei den Reparaturen legten die Flieger selbst Hand an und überwachten die Arbeit des Technikers (Therapeut), der wieder einmal keine Ahnung hatte und der aus dem Staunen über die moderne Technik dieser Flugmaschinen nicht herauskam. Als die Sterne günstig standen, starteten alle. Mit jeder Maschine wurde eine Checkliste durchgegangen, die den TherapeutInnen die Möglichkeit gab, auf der Symbolebene das eine oder andere Problem eines Kindes anzusprechen. So konnte beispielsweise mit einem Jungen, der immer noch leicht die Affektkontrolle verlor, die Absicherung der elektrischen Anlage überprüft werden, damit es nicht zum Kurzschluss und störenden Explosionen kommt. Und mit einem gehemmten Jungen wurde geklärt, ob er auch seine Waffensysteme überprüft hat und auf welche Weise er sich bei Angriffen Außerirdischer wehren könnte; und es wurde ihm bestätigt, dass er sehr einfallsreich geworden ist und auf seinem Computer viele Ideen sichtbar werden, wie man sich wehren kann. Die Buben haben diese Hinweise auf ihre Alltagssituation gut verstanden, und da, wo die TherapeutInnen unsicher waren, sind sie selbst deutlicher geworden. Die Therapeutin und der Therapeut sprachen aber auch darüber, wie schade sie es finden, dass diese Weltraumabenteurer wieder aufbrechen, und bewunderten deren Mut und hofften, dass sie alle Gefahren bestehen. Die sechs Astronauten waren noch nicht lange in den Tiefen des Weltraums entschwunden, als sie erklärten: „Jetzt käme ein schwerer Meteoritenhagel und würde eure Raumstation zerstören!“ Und sie warfen mit allen zu Verfügung stehenden Kissen auf die TherapeutInnen und stürmten zuletzt auf deren Station ein, um alles umzuwerfen und dann davonzulaufen. Die
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TherapeutInnen hatten Mühe, sie zu einer Abschlussrunde zurückzuhalten. Die Jungen selbst wollten nichts sagen. Die Therapeutin: „Jetzt habt ihr uns erneut gezeigt, wie gut ihr euch inzwischen verständigen und zusammen spielen könnt. Und zuletzt habt ihr uns erleben lassen, dass ihr vielleicht auch ärgerlich und traurig seid, weil eure Gemeinsamkeit hier an der Beratungsstelle verloren geht, und das ist wirklich schade. Wenn ihr in einigen Wochen zu einem Abschlussgespräch mit euren Eltern kommt, sehen wir uns nochmals, weil es uns interessiert, wie es euch geht. Aber die Gruppe kommt nicht mehr zusammen, so dass ihr euch heute voneinander verabschieden müsst.“ Die Jungen gaben sich danach redlich Mühe, sich cool und lässig zu verabschieden. Da es immer wieder notwendig ist, dass die TherapeutInnen in den letzten Stunden eine Trennungsgeschichte anbieten, noch einige Anregungen: Das Thema „Tierstation“ ist dafür geeignet, wenn die Gruppe in der Anfangsphase zum Beispiel „Tiere auf dem Bauernhof', oder „Tiere im Dschungel“ gespielt hat und auch in der Schlussphase sich noch mit Tieren identifizieren kann. Intervention: „Könnt ihr euch vorstellen, dass wir in dieser letzten Stunde noch eine Geschichte spielen, in der ihr als Dschungeltiere in einer Tierstation seid? Am Anfang würdet ihr noch verletzt und krank sein, nach und nach gesund werden und wieder hinaus in die freie Wildbahn wollen. Die Tierstation ist wie die Gruppe, in die ihr gekommen seid, weil es euch nicht gut ging. Und jetzt, da ihr euch wieder gesund und stärker fühlt, braucht ihr die Gruppe nicht mehr — ähnlich den gesunden Tieren, die nicht mehr in der Station bleiben möchten.“ Stimmen die Kinder zu, lässt man sie ihre Rollen wählen und fragt anschließend, mit welcher Erkrankung oder Verletzung sie in die Tierstation gekommen sind. Ihre Einfälle versucht man zu ihrer seelischen oder psychosozialen Situation zu Beginn der Therapie und zum zwischenzeitlichen Entwicklungsprozess in Bezug zu setzen, oder man bietet selbst entsprechende Bilder an, wie zum Beispiel einem aggressiven Jungen: „Früher hast du dich in jeden Kampf gestürzt und bist oft verletzt worden, und jetzt hätte man deine Wunden behandelt und die Tollwut geheilt, so dass du vorher überlegen kannst, ob du kämpfen willst, oder ob es reicht, deine Krallen zu zeigen und zu drohen. Würde dir das so gefallen?“ Oder für das Kind, das keine Freunde hatte: „Du hättest dich vielleicht als kleiner Puma immer gleich versteckt, wenn die anderen Tiere gekommen sind, weil du dir nicht sicher warst, ob es gut geht. Aber hier hättest du Kraftfutter
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4 Gesamtverlauf einer Gruppe
bekommen, und du hättest angefangen, mit den anderen Tieren zu spielen, und gelernt, mit ihnen auf die Jagd zu gehen. Möchtest du das so spielen?“ Oder für ein Kind nach Trennungen: „Vielleicht hättest du deine Herde verloren und wärst eine Zeitlang im Schutz der Tierstation geblieben, bis du so groß und kräftig geworden bist, dass du kaum mehr Angst hast, in die Wildnis zu gehen, und dort jetzt ganz gut zurechtkommst.“ Lassen sich die Kinder darauf ein, dann können die TherapeutInnen während des Spiels aus ihren Rollen die Ambivalenzen der Kinder doppeln, wie zum Beispiel: „Ich glaube, der kann schon selber jagen/ich fürchte, er könnte dabei verletzt werden“, usw. Die TherapeutInnen sollten immer dort, wo es möglich ist, aus ihrer Rolle heraus und in der Schlussrunde als LeiterInnen ihre eigenen Gefühle ausdrücken, dass sie sich zum Beispiel freuen, wie gesund, schön, kräftig, die Tiere geworden sind, und wie schade und traurig es für sie ist, diese Tiere nicht mehr hier auf der Station zu haben. Denn für die Kinder ist es wichtig zu hören, dass auch die TherapeutInnen „etwas verlieren“, wenn es — hoffentlich — so ist! Weitere Variationen sind: „Edelfräulein/Ritterinnen und Ritter“, die nach bestandenen Abenteuern und Verletzungen von Königin und König mit besonderen Gaben geehrt werden. Bezogen auf die Problematik der Kinder zum Beispiel: Ein besonderes Kettenhemd für den vorsichtigen Prinzen; ein Amulett für die Prinzessin, dass sie sich nicht so schnell ärgert; einen sprechenden Raben für den wilden Recken, der ihn vor unüberlegten Angriffen warnt; ein feuriges Pferd für die Ritterin, auf dem sie spürt, wie viel Kraft sie hat. Danach werden sie verabschiedet, weil sie zu weiteren Abenteuern hinaus in die Welt ziehen. Die „Geisterjäger“, Spezialistinnen und Spezialisten mit besonderen Fähigkeiten und Geräten, die bedrohlichen Gespenster zu fangen, wie zum Beispiel: Den Schleimer, der alles verschmiert; den Gierhals, der alles frisst; den Schocker, vor dem man schreckliche Angst bekommt. Und die Geisterjäger ziehen dann weiter, mit Diplomen versehen, um andere Schlösser und Herrenhäuser von gefährlichen Geistern zu befreien. Den Hintergrund für diese Geschichte bildet ein Film, den viele ältere Kinder kennen, und der sich gut abwandeln lässt. Auch hier ist die Voraussetzung, dass das Thema „Gespenster und Geister“ von den Kindern in der Vergangenheit aufgegriffen wurde.
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Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern
5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern
Der Darstellbarkeit wegen unterteilen wir in den Kapiteln 5 und 6 zwischen störungsspezifischen Interventionen, die auf die Entwicklung des einzelnen Kindes zielen und solchen, die sich auf die ganze Gruppe beziehen — wohl wissend, dass jede Intervention beim einzelnen Kind gruppendynamische Auswirkungen haben kann und umgekehrt. Der Anmeldungsgrund für Gruppentherapie eines Kindes ist grob sortiert: überangepasstes, gehemmtes, ängstliches und depressives Verhalten oder dominantes, störendes, aggressives Verhalten — sei es in der Familie, im Kindergarten oder in der Schule. Es ist ja bekannt, dass Beeinträchtigungen und Traumatisierungen von Mädchen mit anderen Verarbeitungsversuchen und Symptomen beantwortet werden als von Jungen. Die Gründe dafür liegen in tradierten kollektiven Mustern und biographischen Erfahrungen. Mädchen reagieren häufiger mit Anpassung, Reaktionsbildungen oder depressivem Rückzug bis hin zu psychosomatischen Symptomen — also einer zunächst eher unauffälligen Symptomatik. Jungen reagieren eher mit Verhaltensweisen, die stören, z.B. mit Leistungsverweigerung, erhöhter Aggressivität bis hin zur Delinquenz. Bei Mädchen erfolgen deshalb Interventionen oft über andere Bilder und Rollen als bei Jungen. Das erfordert unter Umständen, dass TherapeutInnen ihr vorhandenes Repertoire an Figuren und Geschichten mit gegengeschlechtlichen Bildern ergänzen. Der Therapeut muss sich zum Beispiel mit den intriganten Heimlichkeiten zwischen den Prinzessinnen zurechtfinden oder eine Modeschau inszenieren. Und die Therapeutin muss sich mit der Handhabung von Laserwaffen beim Kampf im Weltraum vertraut machen. Bei der Auswahl der folgenden Interventionsbeispiele haben wir uns an dieser symptomatischen Polarisierung orientiert, auch wenn diese Aufteilung den unzähligen Mischformen in der Realität nicht gerecht wird. Unter strukturellen Gesichtspunkten unterscheiden wir zwischen Interventionen in der Spielphase und solchen in der Anwärm- und Schlussphase, die immer aus der Leiterposition erfolgen, z.B.: eine Deutung des Gruppenwiderstandes bei der Themenfindung in der Anfangsrunde; die Verbalisierung der Affektlage bei
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einem Kind in der Schlussrunde; die Begrenzung der Stunde am Schluss, usw. Die Interventionen während des symbolischen Spiels können sowohl aus der Leiterposition, als auch aus der Rolle erfolgen. Interventionen sollten durch ein diagnostisches Verständnis der Problematik begründet sein und die aktuelle gruppendynamische Situation berücksichtigen. Und wir müssen uns bewusst sein, dass jede Intervention zur Manipulation werden kann, wenn sie nicht mit dem notwendigen Respekt vor der Autonomie des Kindes erfolgt.
5.1 Interventionen bei gehemmten/ängstlichen Kindern 5.1 Interventionen bei gehemmten/ängstlichen Kindern 5.1.1 Psychodynamik Überangepasstes, gehemmtes, ängstliches Verhalten und depressive Verstimmung können unterschiedliche Bedeutung haben, die wir verstehen sollten, um richtig intervenieren zu können. Dazu die folgenden Skizzen über psychodynamische Faktoren und Motive. Dieses Verhalten kann der Abwehr von Lebhaftigkeit und Aggressivität dienen, aufgrund der Annahme oder Erfahrung, dass die Eltern solches Verhalten schlecht ertragen, z.B. weil die Mutter krank war; oder weil ein schwer krankes oder behindertes Kind die Kräfte der Eltern aufs höchste beanspruchte; oder die Eltern sich in einer Trennungs-/Scheidungsphase befanden. Gehemmtes/ängstliches Verhalten kann ebenfalls der Abwehr von Autonomiebestrebungen dienen: Ein Kind sucht zum Beispiel nicht den Kontakt zu Gleichaltrigen, weil die Mutter zu Hause nicht allein sein kann und in dem Kind eine sinnvolle Aufgabe findet. Sie wehrt auf diese Weise vielleicht selbst eine depressive Reaktion ab. Manche Kinder versuchen durch Überanpassung zu Hause und in der Schule die Anerkennung zu bekommen, die einem jüngeren Geschwister zufällt. Hinter diesem Ausdrucksverhalten steht manchmal auch eine depressive Verstimmung, aufgrund der Vorstellung, wenig liebenswert zu sein. Zum Beispiel, weil sich der Vater von der Familie getrennt hat und sich jetzt nicht mehr für seine Kinder interessiert. Ein Gefühl von Minderwertigkeit und entsprechend ängstlich, gehemmtes Verhalten kann ebenso das Ergebnis einer Teilleistungsschwäche sein, die zu ständigen Misserfolgserfahrungen in der Schule und Kritik durch die Eltern führte.
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Diese Aufzählung könnte fortgesetzt werden. Wir sehen, dass überangepasstes, gehemmtes, ängstliches Verhalten zur Abwehr von aggressiven Phantasien und Autonomiebestrebungen dienen kann oder überwiegend Ausdruck eines geringen Selbstwertgefühls ist. Geht es um die Lockerung und Bearbeitung der Abwehr, braucht das Kind unsere Hilfe, um für die verdrängten und im Unbewussten wild wuchernden Phantasien Äußerungsformen zu finden, so dass die Affekte nach und nach zugelassen werden können und sich in der symbolischen Gestaltung differenzieren. Steht hingegen die Minderwertigkeit im Vordergrund, dann ist es vor allem „der Glanz im Auge“ der Therapeutin/des Therapeuten, deren differenzierte Wahrnehmung des Kindes und deren Rückmeldung auf alle seine Äußerungen sein Selbstgefühl stärken. Bei vielen Kindern hat dieses Verhalten einen Doppelaspekt: Es drückt ihre Minderwertigkeitsgefühle aus und dient gleichzeitig der Abwehr der verdrängten Aggressivität.
5.1.2 Leiterinterventionen Ein sechsjähriges Kind kann in der ersten Stunde nicht ohne Begleitung von Mutter/Vater mit in den Gruppenraum. Wir intervenieren gestuft: Zuerst fragen wir das Kind, ob es sich zu den anderen Kindern in den Kreis setzen kann, wenn die Mutter in der Ecke Platz nimmt. Kann sich das Kind darauf nicht einlassen, dann erlauben wir, dass sich die Mutter mit ihm in den Kreis setzt. Wir sprechen jedoch immer das Kind als Mitspieler an und nicht die Mutter. Erträgt es das Kind nur, mit der Mutter abseits zu sitzen und zuzuschauen, akzeptieren wir das. Wir bitten die Mutter/Vater, das Kind nicht zu drängen, aktiver teilzunehmen. Während der Bauphase fragen wir das Kind, ob es für sich auch etwas bauen möchte. Manchmal verbinden wir das mit einem Rollenangebot, z.B. auf diese Weise: „Du schaust so aufmerksam wie ein Kätzchen, wärst du jetzt im Spiel eine Katze, die einfach sitzt und beobachtet?“ Ob für dieses Kind zum Beispiel die Rolle eines Vogels, der auf einem unerreichbaren Ast sitzt, noch sicherer wäre, hängt auch von der Rollenwahl der anderen Kinder ab. In der Schlussrunde versuchen wir dem Kind zu vermitteln, dass wir seine Zurückhaltung verstehen und akzeptieren, wir sagen zum Beispiel: „Du hast gut aufgepasst und alles gesehen. Nun weißt du, wie wir hier spielen, und beim
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nächsten Mal kannst du dir wieder ein Nest oder ein Haus bauen und von dort aus zuschauen — aber vielleicht hast du dann auch schon Lust mitzuspielen!“ In der Regel telefonieren wir später mit den Eltern, um zu hören, wie sich das Kind nach der Stunde geäußert hat, und um den Eltern in ihrer Unsicherheit zu helfen. Zeigt sich in der dritten und vierten Stunde bei dem Kind noch die gleiche Angst und Verweigerungshaltung, ist eine Fortsetzung der Gruppentherapie sorgfältig zu überlegen. In jedem Fall achten wir darauf, dass das verweigernde Kind nicht zuviel Besorgnis auf sich zieht. Es sollte durch sein Verhalten keinen Symptomgewinn bekommen und keine negative gruppendynamische Wirkung auslösen. Es kommt vor, dass andere Kinder auf ein gehemmtes Kind recht negativ reagieren. Wir müssen dann verhindern, dass es ausgelacht wird, und trotzdem darf bei den anderen Kindern nicht der Eindruck entstehen, dass es wichtiger ist als sie. Robin, ein gehemmter Junge, war in einer gemischten Gruppe von siebenjährigen Kindern. Die anderen Kinder hatten sich schon entschieden, eine Bärenfamilie zu sein. Er versuchte, die Therapeutin zu binden, indem er auf die Frage, welche Rolle er wähle, erst nach langem Zögern antwortete: „Ich weiß nicht!“ Er schaute dabei so bekümmert, dass die LeiterInnen für ihn zu überlegen begannen und ihm die unterschiedlichsten Rollen schmackhaft zu machen versuchten. Auf alle Angebote antwortete Robin: „Ich weiß nicht!“ Die Therapeutin bemerkte die Bindung und erinnerte sich, dass Robins gehemmtes Verhalten nach der Geburt seiner Schwester aufgetreten ist. Deshalb machte sie folgendes Angebot: „Vielleicht willst du dir noch Zeit lassen — und wenn du willst, kannst du später als Bärenbaby auf die Welt kommen!“ Darauf konnte sich Robin einlassen. Mit dieser Intervention war es gelungen, die regressiven Wünsche Robins aufzunehmen und ihm zu einem Platz zwischen den anderen Kindern zu verhelfen. Mit dieser Form der „Bemutterung“ wurde ihm zwar über das Symptom erzwungene Zuwendung genommen, aber er erfuhr eine Aufmerksamkeit, die ihm half, mit den anderen Kindern ins Spiel zu kommen. Außer der Ängstlichkeit als Reaktion auf die ungewöhnliche und fremde Situation der Anfangsphase sind noch andere Angstreaktionen bei Kindern zu beobachten. So gibt es zum Beispiel Kinder, deren Angst primär mit ihrer Funktion im Familiensystem zu tun hat: Zum Beispiel, wenn die Angst des Kindes bei den Eltern besondere Fürsorglichkeit auslöst und deren latenter Paarkonflikt dadurch
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unterdrückt wird; oder weil die Mutter ihr Kind nicht loslassen kann und dieses mit der ängstlichen Mutter identifiziert ist und/oder mit dieser Angst seine Wut gegen die beengende Fürsorge abwehrt. In solchen Fällen arbeiten wir intensiv mit der Familie, wenn es möglich ist vor Beginn der Gruppentherapie oder begleitend dazu. Wenn ein Kind zum Beispiel gut mitspielt, aber nicht spricht, macht sich das in der Anfangs- und Schlussrunde besonders bemerkbar. Ist seine sprachliche Verweigerung auch der Anmeldungsgrund, hat das Kind in der Regel schon die unterschiedlichsten Versuche erlebt, zum Sprechen gebracht zu werden, und es erwartet das gleiche von den TherapeutInnen. Wir interpretieren solches Verhalten, unabhängig von der diagnostischen Einschätzung, als eine „Entscheidung“ des Kindes, die wir respektieren. Wir versuchen, mit ihm zu klären, auf welche nonverbale Art es uns z.B. seinen Spielwunsch zeigen kann. Auch beim sprachverweigernden Kind ist darauf zu achten, dass es zwar eine besondere Aufmerksamkeit und manchmal einen gewissen Schutz braucht, aber keinen Symptomgewinn hat. So darf z.B. der Beginn des Spiels nicht dadurch blockiert werden, weil es so schwierig ist zu erfahren, welche Rolle das sprachverweigernde Kind spielen möchte. Wir fordern dieses Kind dann auf, wie die anderen zu bauen, und versuchen dabei herauszufinden, welche Rollenangebote wir machen können. Wir müssen dabei darauf achten, dass kein suggestiver Druck entsteht. Ähnliches gilt für das motorisch gehemmte Kind, das uns leicht dazu verleiten kann, dass wir die Polster schleppen und ihm zum Beispiel seine Höhle aufbauen, anstatt es nur darin zu unterstützen. Auf welche Weise wir ihm helfen, hängt jedoch davon ab, ob das gehemmte Kind aus einer Verwöhnungssituation kommt oder aus einer kalten, leistungsorientierten und überfordernden Familiensituation. Im ersten Fall wundern wir uns bei jedem Griff darüber, was es allein kann, im zweiten Fall ist es unter Umständen besser, es tatkräftig zu unterstützen und sich mit ihm über seine schöne Höhle zu freuen. Es kommt vor, dass sich ein gehemmtes Kind an ein lebhaftes Kind anhängt, häufig die gleiche Rolle wählt und sich insgesamt stark mit diesem Kind identifiziert. In solchen Fällen achten wir darauf, ob das stärkere Kind dies akzeptiert oder ob es negativ reagiert. Wir verbalisieren dann die Situation für beide Seiten, damit die Kinder selbst zu erträglichen Vereinbarungen finden.
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern Dazu zwei Beispiele aus der Gruppenpraxis: Peter, acht Jahre alt, entschied sich in der sechsten Stunde, ein „schwarzer Panther“ zu sein, und war empört, als Kevin nach langem Zögern schließlich sagte: „Auch ein schwarzer Panther!“ Es war nicht zu übersehen, dass er Kevins Wahl als Rivalität erlebte. Therapeutin zu Kevin: „Möchtest du mit der gleichen Rolle Peter zeigen, dass du wieder gerne mit ihm zusammen spielen willst? Aber Peter ist jetzt ärgerlich, er hat wahrscheinlich den Eindruck, dass du ihm seine gute Idee wegnimmst.“ Zu Peter: „Könntest du mit Kevin spielen, wenn er nicht das gleiche Tier wählt, sondern beispielsweise ein Jaguar wäre?“ Kevin brauchte die Hilfe der TherapeutInnen, eine andere Rolle zu finden. Er war schließlich mit einem Puma einverstanden. Peter wiederum benötigte Unterstützung bei der Abgrenzung. Er hat es deshalb auch gut akzeptieren können, dass wir Kevin geholfen haben, seine Pumahöhle zu bauen, da wir auf diese Weise seine eigenen Abgrenzungswünsche unterstützten.
In folgendem Beispiel geht es um zwei neunjährige Mädchen, die sich in ihrem symptomatischen Verhalten gegenseitig stabilisierten. Die therapeutischen Interventionen mussten sich auf beide beziehen. Maria war sprachgewandt und dominant, Sybille ängstlich. Maria erlaubte Sybille nicht nur, die gleiche Rolle zu wählen, sondern drängte sie ihr manchmal geradezu auf. Unbewusst verfolgte sie das Ziel, Sybille an sich zu binden und dadurch als Konkurrentin auszuschalten. Dazu muss man wissen, dass Marias Eltern sehr auf die beiden wesentlich jüngeren Geschwister bezogen waren und Maria sich vernachlässigt fühlte. Bei aller Aufmerksamkeit für sie hielten wir es auch für angebracht, ihre Angst vor Beziehungsverlust und Benachteiligung, die sie mit Dominanzstreben abwehrte, immer wieder zu thematisieren. Dazu der folgende Abschnitt aus einer Stunde, in der Maria die Besitzerin eines Lebensmittelgeschäftes war und Sybille ihre Angestellte: Therapeut als Käufer zu Maria, der Chefin: „Ihr Geschäft ist ja bestens geführt, alles hervorragende Qualität. Wie Sie das nur machen!“ Während seines langen Einkaufs wurde Sybille von Maria völlig in den Hintergrund gedrängt. Die Therapeutin versuchte aus ihrer Rolle als Kundin Sybille zu zeigen, dass sie in ihrer untergeordneten Position trotzdem gesehen wird, indem sie zu Maria sagte: „Ihre Kollegin ist ja sehr hilfsbereit, da können Sie als Chefin froh sein, dass Sie so eine Angestellte
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haben. Sie wäre wohl auch bereit, uns die vielen Sachen nach Hause zu tragen, sofern Sie als Chefin kurze Zeit auf sie verzichten könnten.“ Maria: „Ja, das geht schon mal — ach nein, vielleicht mach ich das doch selbst!“ Therapeut (Leiterposition): „Du erträgst jetzt kaum, dass Sybille Beachtung bekommt. Hast du das Gefühl, dann mag man dich nicht mehr? Ich glaube, so erlebst du es manchmal zu Hause?“ Darauf Maria: „Gut, dann soll sie halt gehen!“ Sybille begleitet daraufhin die Therapeutin mit ihrem Einkauf nach Hause. Der Therapeut bleibt im Laden bei Maria und kauft noch verschiedenes ein. Während bei Maria Verständnis und Begrenzung für ihr neurotisches Dominanzstreben angezeigt war, benötigte Sybille Unterstützung und Bestätigung für jeden kleinen Schritt zu größerer Autonomie. Wir haben deshalb anfangs ihre Unterwerfung gegenüber Maria als ein Wollen und eine Fähigkeit zur Bescheidenheit definiert, denn in dieser Phase war sie noch auf Maria angewiesen. In einer späteren Stunde haben wir ihr aber gesagt (Leiterposition): „Stell Dir vor, Du würdest einen eigenen Laden haben, Du wärst sicher eine gute Geschäftsfrau. Zurzeit willst Du aber lieber mit Maria zusammenarbeiten. Vielleicht bist Du unsicher, ob Maria die Konkurrenz ertragen würde, und Du möchtest sie als Freundin in der Gruppe nicht verlieren.“
5.1.3 Interventionen aus der Rolle In den folgenden Beispielen wird beschrieben, wie die TherapeutInnen durch das stützende Doppeln den Kindern helfen können. In der Anfangsphase einer Gruppe hatte die siebenjährige Annika die Rolle eines Hasen gewählt und war meistens in ihrem Stall geblieben. Die TherapeutInnen waren Bäuerin und Bauer. Der Bauer: „Wenn der Hase aus seinem Stall nicht heraus will, hat er sicher seine Gründe. Er hört ja mit seinen Ohren alles und macht sich bestimmt viele Gedanken!“ (Ich-Stützendes Doppel) Die Bäuerin: „Seine Rübe lege ich ihm vor den Stall. Er wird sie schon holen, wenn er sie fressen möchte. Es ist nämlich ein ganz flinker Hase, wahrscheinlich ist die Rübe weg, ohne dass man ihn gesehen hat!“ (IchStützendes Doppel, Handlungsimpuls)
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern Annika hatte diesen Impuls aufgegriffen und die „Rübe“ immer dann geholt, wenn die Bauersleute nicht aufpassten, die immer aufs neue überrascht waren, dass die Rübe schon wieder weg war. „Raubüberfall“ war schon zum dritten Mal das Thema einer Jungengruppe, alle neun Jahre alt. Die Therapeutin hatte ein Juweliergeschäft, das überfallen wurde; der Therapeut musste der verfolgende Polizist sein. Peter war ein stark muttergebundenes Kind. Von den anderen gedrängt, war er erstmals bereit, bei einem Raubüberfall mitzuspielen. Die Juwelierin bei der Befragung durch den Polizisten: „Und da war noch einer, der schien mir zunächst gar nicht so gefährlich. Ich dachte, den könnte ich festhalten, als sich die Bande mit der Beute davonmachen wollte. Aber der hat mich dann so grimmig angeschaut, dass ich es doch mit der Angst zu tun bekam. (Ich-Stützenden-Doppel in Verbindung mit Umdeutung) Die Gruppe spielte noch mehrere Fortsetzungsgeschichten. Peter ließ sich immer bereitwilliger dafür gewinnen und konstellierte von sich aus die Situation wiederholt so, dass er durch seinen grimmigen Blick die Therapeutin in der jeweiligen Rolle bedrohen konnte, so dass sie „vor Angst erstarrte“ (ein Gegenbild zur betriebsamen Mutter). In einer weiteren Stunde der Räuber-Serie ging es bei der Differenzierung der Rollen um die Frage, welche besonderen Fähigkeiten jeder Räuber hat. Die anderen Jungen waren: treffsicherer Schütze; Ninja-Kämpfer; Sprengstoffspezialist; Tresor- und Computerknacker. Peter fiel nichts ein. Daraufhin bot ihm die Therapeutin an, ob er Spezialist für Flucht und Befreiung sein wollte. Das hat ihm zugesagt, und er zeichnete hingebungsvoll Pläne über die Kanalisation, die als Fluchtweg aus der umstellten Bank diente. Dieses Angebot aus der Leiterposition wurde im Spiel vom Therapeuten aus der Rolle des polizeilichen Einsatzleiters folgendermaßen unterstützt: „Meldung an Scotland Yard: Wir haben zwar die Bank umstellt, doch die Bande hat ihren Flucht- und Befreiungsspezialisten dabei. Der hat es schon unter den schwierigsten Bedingungen geschafft, dass die Bande entkommen konnte. Aber diesmal sind wir die Schlaueren! Wir haben schon Polizisten bei den Luft- und Fahrstuhlschächten auf dem Dach postiert. Diesmal werden sie uns nicht entwischen!“ Diese Interventionen waren darauf angelegt, die Spielphantasien der Kinder anzuregen und vor allem Peters Platz in der Gruppe zu stabilisieren. In der Übertragung zur Therapeutin konnte er erste Lösungs- und Abgrenzungs-
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versuche wagen, indem er sie auf der Symbolebene mit seinen Blicken bedrohte und sich ihrem Zugriff entzog. Aktivere und aggressivere Auseinandersetzungen waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich. Das Doppeln von Ambivalenzen ist eine weitere Hilfe für die Entwicklung eines Kindes. Dazu ein Beispiel aus einer Gruppe sechsjähriger Kinder, die in der Anfangsphase bis zur achten Stunde „Tiere auf dem Bauernhof“ spielten. Die Gruppe bestand aus drei Mädchen und drei Jungen. Jana war ein bedrücktes und ängstliches Kind und hatte bisher immer sehr stark den Bezug zur Therapeutin gesucht. In der siebten Stunde wünschten die Kinder, die Therapeutin sollte die gute Bäuerin sein, der Therapeut ein Hühnerdieb. Wie bei den „Bremer Stadtmusikanten“ wollten die Tiere der Bäuerin helfen. Jana erklärte plötzlich: „Ich bin diesmal keine Katze, ich wäre eine kleine Ziege, die sich in der Uhr versteckt hat, und der Räuber nimmt die Uhr mit. Doch in der Nacht würde ich zu euch zurücklaufen.“ Da sich die Märchenphantasie mit der Uhr schlecht spielen ließ, war Jana bereit, sich im Sack des Hühnerdiebs zu verstecken. Die Therapeutin unterstützte den progressiven Impuls und sagte zu den anderen Tieren: „Das Zicklein hat ja weniger Angst als früher, und vielleicht kann es uns helfen?“ Der Räuber war ganz überrascht, dass in dem Sack nicht nur Hühner, sondern auch das Zicklein war. Aber am anderen Morgen war es verschwunden: „Wie schade“, sagte er, „vielleicht wäre es ganz lustig, wenn mich das Zicklein wieder besucht. Aber vielleicht glaubt es, dass die Bäuerin (Therapeutin) dann traurig ist.“ Janas Vater hatte sich vor fast einem Jahr von der Familie getrennt. Jana war sich immer noch nicht sicher, ob sie der Mutter zeigen und sagen kann, wie sehr sie am Vater hängt und wie gerne sie ihn besuchen möchte. Je nach Alter, Kontrakt und gruppendynamischer Situation kann in der anschließenden Gesprächsrunde ein solches Doppel wie oben geschildert mit einer psychogenetischen Deutung verknüpft werden. Das ist vor allem dann gut möglich, wenn auch andere Kinder von getrennten oder geschiedenen Eltern in der Gruppe sind. In diesem Fall hätte man beispielsweise in der Abschlussrunde sagen können: Wenn sich Eltern getrennt haben, dann geht es manchen Kindern wie es im Spiel dem Zicklein gegangen ist. Sie möchten bei der Mutter sein, sind
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aber auch neugierig darauf, wie es in der Wohnung vom Vater aussieht. Solche Gelegenheiten darf man natürlich inhaltlich nicht überfrachten. Bei gehemmten/ängstlichen Kindern wirkt sich deren psychische Situation auf das ganze Ausdrucksverhalten bis hin zur motorischen Versteifung aus. Das psychodramatische Spiel in der Gruppe fördert die Bewegungslust und bahnt meistens schon über den Körper eine Lockerung an. Im „Zirkus-Spiel“ bieten sich viele Möglichkeiten durch Spiegeln und Doppeln, ein Kind in seinem Ausdrucksverhalten zu unterstützen und zu ermutigen. Dazu das folgende Beispiel: In einer Gruppe zehnjähriger Kinder war der ängstliche, übergewichtige und schwerfällige Jonas. Von seiner Mutter war er zu lange als „mein Kleiner“ gehätschelt und vom Vater in zunehmendem Maße kritisiert und abgelehnt worden. Aufgrund seiner ungelenken Art kam es zwischen ihm und den anderen Kindern immer wieder zu Konflikten. So zunächst auch in einer Anfangsrunde, als die Kinder sich entschieden hatten, Zirkus zu spielen. Die anderen Kinder wollten Seiltänzerinnen, Akrobaten und wilde Tiere sein — aber Jonas fiel nichts ein. Durch die Hilfe der TherapeutInnen fand er dann zu der Rolle des „bärenstarken Zampano“, der Felsbrocken hebt und gegen den stärksten Mann Europas (Therapeut) beim Tauziehen gewinnt. Die Zirkusdirektorin (Therapeutin): „... und nun, sehr verehrtes Publikum, sehen Sie, wie sich bei Zampano die Muskeln spannen, und jetzt wuchtet er tatsächlich den zentnerschweren Felsbrocken in die Höhe! Man glaubt es nicht, wie viel Kraft in diesem gutmütigen Zampano steckt!“ (Spiegeln) „Und jetzt folgt das spannende Tauziehen. Der Stier von Spanien (Therapeut) gegen Zampano! ... Der Kampf ist noch immer nicht entschieden!“ Therapeut laut denkend: „Verdammt, dieser Zampano ist zäh, ich dachte, ich könnte ihn leicht bezwingen, ich habe ihn unterschätzt!“ (Stützendes Doppeln) Zirkusdirektorin: „Hurra, Zampano hat gewonnen! Blast die Trompeten!“ In dieser Szene war die Beziehung von Jonas zum Therapeuten besonders wichtig. Aber es war auch notwendig, dass der Therapeut als „Gegner“ aufgetreten war. Ein Junge aus der Gruppe hätte aufgrund seiner Neid- und Rivalitätsgefühle Jonas einen Sieg über sich nicht zugestehen können. Und selbst wenn einer dazu bereit gewesen wäre, hätte er nicht so differenziert auf die körperliche Kraft von Jonas reagieren können wie der Therapeut, der durch seine Reaktionen die Selbstsicherheit und damit die Kraftentwicklung des Jungen anregen konnte.
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Zwei Mädchen der Gruppe, beide unsicher und ängstlich, waren in diesem Spiel Seiltänzerinnen. Für sie war es wichtig, dass ihre Akrobatik wirklich in der Höhe stattfand und nicht auf einem Seil, das am Boden ausgelegt war. Dazu hatten wir einige Polsterelemente hochkant aufgestellt, so dass ihr Gang in einer wackligen Höhe von 1,20 m stattfinden konnte. Sie waren wirklich körperlich gefordert und die Kommentare der TherapeutInnen korrespondierten positiv mit ihrem unmittelbaren Erleben von Höhe und Unsicherheit. (Der Therapeut war immer in der Nähe). Die Zirkusdirektorin kommentierte folgendermaßen: „Liebe Zuschauer, nun sehen Sie hoch oben in der Zirkuskuppel das gespannte Seil! In dieser atemberaubenden Höhe auf einem Seil zu gehen erfordert großen Mut. Das ist eine der größten Attraktionen in Europa! Und sehen Sie nur, verehrtes Publikum, wie gelenkig, leichtfüßig und sicher sich die Seiltänzerinnen bewegen ...!“ Es folgten wieder Applaus und Tusch.
5.2 Interventionen bei aggressiven Kindern 5.2 Interventionen bei aggressiven Kindern Kinder verhalten sich aus unterschiedlichsten Gründen aggressiv, hier eine unvollständige Aufzählung:
Oft genug sind ihre Eltern autoritär/aggressiv. Eine andere Ursache ist emotionale Vernachlässigung. In der Verwöhnung keinen Halt zu finden, löst bei manchen Kindern aggressives Verhalten aus. Ein weiterer Grund ist bei vielen Kindern leistungsmäßige Überforderung. Manche Kinder reagieren aggressiv, weil sie nicht wissen, wie man mit einer Gruppe zurechtkommt, und sie fühlen sich durch andere Kinder schnell bedroht. Es gibt auch Kinder, die als „aggressiv/verhaltensgestörte“ in der Klasse oder in der Familie in eine Position geraten sind, die dem System nützt, und die darin festgehalten werden. Spezifische Defizite, z.B. leichte Spasmen, Wahrnehmungsstörungen, oder lebensgeschichtliche Überforderungssituationen können aggressives Verhalten auslösen. Es gibt außerdem Kinder, denen es schwer fällt, sich in komplexen sozialen Situationen zurechtzufinden. Sie fühlen sich durch die Unübersichtlichkeit beunruhigt und bedrückt und verhalten sich vorbeugend aggressiv. „Das
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern aggressive Verhalten führt zu einer anderen Qualität der Gefühlslage: die Erregung ist keine ängstliche, sondern eine ärgerliche oder stark erscheinende. Auf diese Weise verringert sich die Angst und Unsicherheit, es tritt ein angenehmer Zustand ein, Aggression führt also zur gefühlsmäßigen (emotionalen) Erleichterung ... Damit liegt ein Selbstregulationsmodell vor, das aggressives Verhalten schrittweise steigert“ (Petermann, Petermann 1987, S. 218).
Häufig haben aggressiv dominante Kinder eine längere Karriere als „Verhaltensgestörte“ hinter sich, die zu einer Verhärtung der Symptomatik beigetragen hat, wenn wir sie kennen lernen. So kann sich zum Beispiel ein emotional vernachlässigtes Kind im Kindergarten über seine Auffälligkeit zunächst Aufmerksamkeit geholt haben. Die daraus resultierenden Konflikte bringen es jedoch in zunehmendem Maße in eine Außenseiterposition und erhöhen seine aggressive Spannung. Kommt es später in die Schule und kann dort nicht mit guten Leistungen kompensieren, wiederholt sich die Dynamik. Verstärkte Aggressivität oder depressiver Rückzug sind die Folge von Leistungsversagen und fehlenden Freundschaften. Wenn diese Schwierigkeiten zum Beispiel noch dazu beitragen, die Trennungsabsichten des leistungsorientierten Vaters zu verhindern, kommt ein problematischer Symptomgewinn dazu. Aus einer solchen Entwicklung und mehrfachen Determinierung erklärt sich bei vielen Kindern die Hartnäckigkeit ihrer Symptomatik, und man steht vor der Frage: Wie ist da noch zu helfen? Wir müssen deshalb sorgfältig überlegen, woran man bei einem Kind in der Gruppe arbeiten kann, welche Aspekte in den Familiengesprächen thematisiert werden müssen und was im weiteren Umfeld geschehen kann. Starkes Minderwertigkeitsgefühl und aggressives Verhalten bedingen sich allzu oft. Ein erster Schritt, diese Wechselwirkung aufzulösen, ist die symbolische Inszenierung von Größenphantasien. So erlaubt z.B. die Rolle „Robin Hood“ Aggression im Dienste der Armen und Unterdrückten, gefolgt von Anerkennung und Bewunderung. Die Rollen für Größenphantasien sind geschlechtsspezifisch verschieden. Mädchen verwandeln sich zum Beispiel in: eine schöne aber freche Katze; das edelste und schnellste Pferd; eine Hexe; eine Ärztin; eine Prinzessin; eine Millionärin; eine Karatekämpferin. Die Jungen verwandeln sich zum Beispiel in: einen Schäferhund; einen listigen Zauberer; einen starken Ritter; einen Roboter; einen Arzt. Solche Figuren sind ihrem Ideal-Selbst zuzuordnen. In den Inszenierungen Gestalt geworden, helfen sie den Kindern beim Ausgleich negativer Erfahrungen, wie zum Beispiel: Misslingen, Unvermögen, Unterlegenheit, Entwertung, Beschämung. Sie stehen im Dienste der Selbstregulierung: nach
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innen gegenüber den eigenen Triebregungen, Affekten und Stimmungen und nach Außen in der Beziehungsgestaltung zu den anderen Kinder und den TherapeutInnen. In ihrer negativsten Form begegnen uns Größenvorstellungen als destruktive Allmachtsphantasien, wie zum Beispiel: „schreckliche Hexe“ oder „unbesiegbarer Terminator“. In diesen omnipotenten Rollen werden auf dem Wege der Spaltung Gefühle und negative Selbstbilder abgewehrt, denen meist schwere Traumatisierungen zugrunde liegen. Diese Figuren sind durch ihren Grausamkeit und den Wiederholungsdrang charakterisiert. Und die Kinder versuchen in diesen Rollen, mit dem Aggressor identifiziert, diesmal „den anderen“ in die Rolle des Verlassenen, Verletzten, Hilflosen usw. zu drängen. „Narzisstische Wut versklavt das Ich und erlaubt ihm nur, als Handwerkszeug und Rationalisierer tätig zu werden. Aggression hingegen steht unter der Kontrolle des Ich, und der Grad der Neutralisierung wird vom Ich in Übereinstimmung mit den Zwecken, für die sie eingesetzt wird, reguliert“ (Heinemann, Rauchfleisch, Grüttner 1992, S. 28). In den Gruppen erleben wir unzählige Rollenvarianten, die zwischen Größenphantasien und destruktiven Allmachtsphantasien angesiedelt sind. Es sind die Gegenbilder zu den minderwertigen Selbstvorstellungen. So wichtig es ist, dass die aggressiven Phantasien zum Ausdruck gebracht werden können, so notwendig ist es, darauf zu achten, dass sie nicht nur agiert werden. Wir müssen diesen Kindern bei der Differenzierung und Begrenzung dieser sadistischen Impulse helfen, damit sie zu einer besseren Selbstkontrolle und kompromissbereiterem Verhalten finden. Die folgenden Interventionsbeispiele können also nur Anregungen sein, ohne den Anspruch, die gesamte Palette der Problematik abzudecken.
5.2.1 Leiterinterventionen Wird ein Kind häufig lange Zeit vor Gruppenbeginn „abgeliefert“, wirkt sich das ungünstig aus. Das gilt besonders für das aggressive Kind. Meistens kommt es dann schon im Wartezimmer zum Streit mit anderen Kindern. Seine Unzufriedenheit über die Mutter, die es so früh gebracht hat, um mehr Zeit für sich zu haben, kann sich außerdem als negative Übertragung auf die Beziehung zu den TherapeutInnen auswirken, z.B. in ablehnender Haltung gegenüber der Therapeutin. In einem solchen Fall muss mit den Eltern gearbeitet werden, damit sie sich umstellen.
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Schon in der Anfangsphase kann es sinnvoll sein, dem aggressiv unruhigen Kind zu erklären, weshalb es manchmal anders behandelt wird. Warum zum Beispiel in der Gesprächsrunde die Therapeutin als Hilfs-Ich den Platz neben ihm einnimmt, die ihm gegebenenfalls über körperlichen Kontakt hilft, seine Spannung zu kontrollieren (Hilfs-Ich). Das betroffene Kind darf dabei nicht beschämt werden. Ist ein Kind in der Gesprächsphase besonders angespannt und unruhig, kann man auch soweit gehen, dass man ihm sagt: „Du bist jetzt schon so aufgeregt, dass du nicht mehr richtig überlegen kannst, welche Rolle du wählen möchtest. Deshalb kommst du jetzt mit mir in diese Ecke, dann bist du nicht so abgelenkt. Wir überlegen zusammen, und du kannst dann nachher umso besser mitspielen.“ Das hilft dem Kind und der Gruppe. Das aggressive Kind fragen wir beispielsweise im Anschluss an seine Rollenwahl: „Wenn du Löwe bist (oder Gladiator oder Rambo oder ein Räuber usw.), worauf willst du achten, damit du den anderen nicht wirklich wehtust, damit sie weiterhin mit dir spielen wollen.“ Hier handelt es sich um eine Intervention, die die Aufmerksamkeit des Kindes für seine aggressiven Impulse erhöht und seine notwendige Selbstkontrolle fördert. Während man dem einen Kind erlauben kann, ein Schwert aus BaufixElementen zusammenzuschrauben, darf man einem anderen vielleicht nur erlauben, ein weiches Kissen als Waffe zu benützen. Dazu das folgende Beispiel: Beim siebenjährigen Till waren wir uns beispielsweise sicher, als er BaufixWürfel (aus Holz) als „Bomben“ legte, dass dies in seiner Phantasie genügte. Beim gleichaltrigen Sven hingegen mussten wir von vornherein begrenzen, weil wir nach wenigen Stunden wussten, dass er sich in der Hitze des Gefechtes noch nicht genügend zügeln kann. Mit Sven erfolgte die Regelung folgendermaßen: „Du findest es noch toller, wenn du mit den Bomben wirfst, aber du weißt auch, wie heftig du gerade geworfen hast — nicht wahr? Das würde sehr weh tun, wenn man getroffen wird. Deshalb bekommen die anderen Kinder Angst, und wenn sie mit dir nicht mehr spielen wollen, würde dir das nicht gefallen. Wir müssen deshalb deine Holzwürfel in den Korb zurücklegen und überlegen, wie wir das mit den Bomben in diesem Spiel machen können.“ Nach langem Hin und Her war Sven schließlich bereit, vorerst nur kleine Kissen als Bomben zu benutzen und auszuprobieren, ob er es ohne Werfen schafft.
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Ungleiche Behandlung führt natürlich zu Protest und Auseinandersetzung. Die TherapeutInnen müssen deshalb erklären, weshalb die Unterschiede gemacht werden. Das kann für Kinder, die sich nur schwer kontrollieren können, ein Anreiz sein, besser auf Grenzen zu achten. Im folgenden Beispiel wird die Begrenzung vordergründigen Dominanzstrebens geschildert: Die TeilnehmerInnen dieser Gruppe waren neun Jahre alt, zwei Mädchen und drei Jungen. Christian, zweites Kind und Nachzügler, war aufgrund schwerer Erkrankung des Vaters und beruflicher Überlastung der Mutter emotional vernachlässigt. In der Schule provozierte er die Lehrerin ständig, um deren Aufmerksamkeit zu erlangen. In der Anfangsphase der Gruppe hatte sich Christian sofort in die Rolle des Hilfstherapeuten begeben und gegenüber den anderen Kindern die Regeln auf rigide Weise vertreten. Es war notwendig, ihm freundlich aber bestimmt entgegenzutreten: „Du möchtest uns helfen und zeigen, dass du dich hier an die Regeln halten willst — aber die Regeln und Grenzen zu vertreten, das ist unsere Sache.“ Als die Kinder in einer der Stunden ihre Rollen für ein Tierspiel gewählt hatten — die Mädchen wollten Hunde sein, die Jungen Wölfe —, erklärte Christian: „Ich wäre ein Saurier.“ Es schien uns nicht sinnvoll, in diesem Stadium der Gruppenentwicklung für Christian das Prinzip der freien Rollenwahl aufrecht zu halten. Wir waren überzeugt, dass es ihm nicht gut tun würde, schon wieder eine besondere Rolle zu bekommen, und sagten: „Überlege bitte, ob du nicht eine Rolle findest, die besser zu den anderen passt, damit du nicht wieder allein bist!“ Christian nach einigem Nachdenken: „Gut, dann bin ich auch ein Wolf!“ Die Kinder entschieden, dass die Therapeutin eine Tierfreundin ist, der Therapeut bekam die Rolle eines bedrohlichen Jägers zugewiesen. Nach einiger Zeit ließ sich Christian vom Jäger fangen und erklärte kurz darauf: „Ich wäre zahm geworden und wäre der Wolfshund vom Jäger. Ich würde beim Jäger wohnen!“ Der Therapeut: „So einen Wolfshund zu haben, ist für mich als Jäger sehr gut, aber möglicherweise verliert der Wolfshund die Freundschaft mit den anderen Wölfen, wenn ich ihn hier behalte.“ Christian wollte das jedoch in dieser Stunde in Kauf nehmen. Wir ließen ihn gewähren, weil sich hier sein Zuwendungswunsch zeigte und nicht die Dominanz als Ersatz und Abwehr für den Beziehungswunsch im Vorder-
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern grund stand. Das hatte natürlich gruppendynamische Konsequenzen. Die beiden anderen Jungen erklärten in der darauf folgenden Stunde: „Wir würden uns vom Jäger dressieren lassen!“ Daraufhin zog sich Christian enttäuscht zurück, weil er den Therapeuten nicht mehr für sich allein haben konnte. Es brauchte noch viele Stunden, bis Christian es besser ertragen konnte, einen der Therapeuten nicht für sich allein zu haben.
Begrenzung von Allmachtsphantasien Wir begegnen Kindern, die bei allen Inszenierungen versuchen, ihre Allmachtsphantasien zu agieren. Wir kommen deshalb nicht umhin, sie schon bei ihrer Rollenwahl und/oder der Ausgestaltung ihrer Rollen zu begrenzen. Sie würden sonst von der Gruppe immer mehr abgelehnt werden, und es würde ihnen letztlich das gleiche widerfahren, was sie in der Schule oder im Freizeitbereich erleben. Hinter ihren destruktiven Größenphantasien steht in der Regel ein großes Minderwertigkeitsgefühl. Sind wir uns dessen bewusst, dann fällt es leichter, diesen Kindern zu helfen und in der Begrenzung konsequent zu bleiben. Wir sagen einem Kind beispielsweise: „Wenn du Zauberer sein willst, müssen wir überlegen, was du zaubern könntest. Und außerdem müssen wir klären, wer sich von den Mitspielern verzaubern lässt.“ Durch die nun folgenden Verhandlungen mit dem Zauberer und den anderen Kindern erreichen wir meistens, dass sich das eine oder andere Kind mit einem bestimmten Zauber für eine begrenzte Zeit belegen lässt. Das ist eine korrigierende Erfahrung für das Kind mit den Allmachtsphantasien. Häufig müssen Therapeutin und Therapeut bereit sein, sich dem Zauberbann auszuliefern, weil die Kinder sich im Allgemeinen nicht so oft und so lange verzaubern lassen, wie die Hexe, der Zauberer es sich wünschen. In diesen ohnmächtigen Positionen, in Stein verwandelt oder in einen Frosch, erleben wir als AntagonistInnen sehr deutlich, aus welcher Erfahrung heraus diese Kinder ihre Größenphantasien brauchen, und können sie im lauten Selbstgespräch für die Kinder bewusst machen. Eine weitere Möglichkeit, die Allmachtsphantasien zu begrenzen, beginnt damit, dass wir als LeiterInnen die Rollenwahl problematisieren und dann den Bezug zur Gruppe herstellen. Definiert ein Kind seine Rolle als „unverwundbarer Außerirdischer“, dann stellen wir ihm in Aussicht, dass möglicherweise die anderen auch unverwundbar sein möchten. Und wir fragen dann die anderen Kinder, wie sie sich das gemeinsame Spiel vorstellen. Sie sind meistens nicht bereit, diese Polarisierung in den unverwundbaren Täter und die verletzlichen Opfer mitzumachen. Kinder mit Allmachtsphantasien versuchen oftmals mit geschickten Ausweichmanövern unsere Begrenzungen zu unterlaufen, um ihre Omnipotenz zu
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erhalten. Sie wechseln zum Beispiel häufig die Rolle oder werfen den TherapeutInnen vor: „Ihr habt doch gesagt, dass ich meine Rolle selbst wählen darf!“ Eine klare und entschiedene Begrenzung ist deshalb schon in der Gesprächsphase angezeigt, denn wenn sie erst einmal ihre Phantasien agieren, ist es viel schwerer, sie zu erreichen und Einschränkungen abzusprechen. Erfahren sie danach, dass das Spiel mit den anderen Kindern trotzdem befriedigend ist, lernen sie im Laufe der Therapie, sich selbst zu beschränken. Dazu ein weiteres Beispiel aus der Praxis: Eine Gruppe siebenjähriger Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen, spielten Märchenland. Tobias: „Ich wäre Soldat und hätte einen Panzer!“ Therapeutin: „Das geht nicht mit dem Panzer — lass uns überlegen, was für ein Soldat du in dieser Märchengeschichte bist? Könntest du dir vorstellen, ein Ritter zu sein, der mit silberner Rüstung, einem mächtigen Schwert und einem feurigen Ross in diesem Märchenland eine Burg besitzt?“ Nur eine Grenze zu setzen, Nein zu sagen, reicht nicht aus. Aufgrund ihrer Affektlage, und nicht selten stark beeinflusst von Computerspielen und deren Täter-Opfer-Muster, ist die Kreativität dieser Kinder eingeschränkt, und sie verfügen kaum über Alternativen. Diese Kinder brauchen von der Therapeutin/dem Therapeuten einen Impuls oder ein Angebot, das ihnen hilft, sich von den eigenen Vorstellungen zu lösen. Denn häufig haben sie sich schon auf der Fahrt zur Gruppe oder im Wartezimmer intensiv mit ihren Phantasien beschäftigt, so dass es für sie wirklich schwer ist, sich auf eine andere Rolle umzustellen. Spielanweisungen, um den Spannungsbogen zu halten Kinder zwischen dem fünften und dem siebten Lebensjahr können den Spannungsbogen einer Szene allgemein schlecht halten. Umso mehr gilt das für impulsive, aggressive Kinder, die in kürzester Zeit zum Spielzerstörer werden, wenn wir sie nicht an die kurze Leine nehmen. Fünf sechsjährige Kinder spielten Zwerge, die Therapeutin war eine Fee, der Therapeut ein böser Riese. Therapeutin zum sechsjährigen Kevin: „Nein, du kannst den Riesen nicht schon wieder sofort angreifen. Alle Zwerge schleichen sich jetzt gemeinsam an, und du bleibst auch in der Zwergengruppe, und zwar an meiner Seite, denn ich brauche einen starken Beschützer vor diesem gefährlichen Riesen.“ Diese verbale Bindung kann durch körperlichen Kontakt bis hin zum
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern gelegentlichen Festhalten verstärkt werden. Nach der Szene kann man dann das Kind für sein Geschick beim Anschleichen und seine Geduld loben. Solche positiven Erfahrungen seiner Selbstkontrolle werden nach und nach seine Frustrationstoleranz erhöhen. In dieser Szene wäre auch eine Intervention aus der Rolle der Fee grundsätzlich denkbar gewesen, aber Kevin war auf diese Weise nicht ansprechbar.
In folgendem Beispiel wird ein misslungener Begrenzungsversuch in der Gesprächsrunde geschildert. Es handelt sich um die Zusammenfassung einer Videoaufzeichnung aus einer Supervision. Eine Gruppe zehnjähriger Kinder bestand aus zwei Mädchen und drei Jungen, es war die 23. Stunde. Joachim, ein Einzelkind, war wegen seines aggressiven Dominanzstrebens in dieser Gruppe. Er ist sprachgewandt und hatte während den meisten Stunden eine zentrale Position in der Gruppe und häufig die Themen der Spiele dominiert. In der 21. und 22. Stunde war Joachim krank, und die vier anderen Kinder spielten in diesen Stunden eine Wildwestgeschichte mit Pferden und Pferdedieben (TherapeutInnen). Beim Entwickeln der Geschichte und während der Inszenierung ging es relativ konfliktfrei zu. Kinder und TherapeutInnen waren offensichtlich froh, dass der schwierige Joachim fehlte. Die Gesprächsphase der 23. Stunde: Schon im Wartezimmer spielte sich Joachim ziemlich auf. Martina: „Wir wollen die Geschichte vom letzten Mal weiterspielen.“ Joachim: „So ein Scheiß! Pferdehandel, Pferdekacke! Ihr Weiber habt doch sowieso keine Ahnung vom wilden Westen!“ Die beiden anderen Jungen sagten zwar auch, dass sie weiterspielen wollten, aber ohne Nachdruck. Joachim: „Das ist doch Pferdepisse, Weiber können kochen und abspülen, oder bumsen ...!“ Therapeut: „Du warst jetzt zweimal nicht da und du musst erst wieder in die Gruppe hineinfinden — was würdest du denn gerne spielen?“ Joachim: „Auf jeden Fall nicht so einen Scheiß. Südstaaten gegen Nordstaaten, das wäre was, wir (er weist auf die Jungen) sind die Nordstaaten und besiegen die Südstaaten, das seid ihr (die TherapeutInnen).“
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Therapeutin: „Und die Mädchen, was könnten die in der Geschichte spielen?“ Joachim: „Die können kochen, vielleicht noch Verwundete pflegen oder sonst irgend etwas machen. Ich wäre der General!“ Die beiden anderen Jungen, anfangs unsicher, wollen sich nun doch nicht Joachims Idee anschließen und seine Befehlsempfänger sein. Joachim: „Ihr blöden Wichser, dann macht ihr doch Vorschläge!“ Die beiden Jungen fanden jedoch von sich aus nicht zu ihrem ursprünglichen Wunsch zurück, das Wildwestspiel fortzusetzen und bestätigen Joachim indirekt in seiner Überlegenheit. Der immer stärker eskalierende verbale Schlagabtausch verhinderte zuletzt, dass in dieser Stunde ein gemeinsames Spiel zustande kam. Sehen wir uns die Bemerkungen der beiden TherapeutInnen an, die als verbale Interventionen auf der Leiterebene zu verstehen sind. Der Therapeut sagte: „Du warst zweimal nicht da und willst jetzt wieder reinkommen — was würdest du denn gerne spielen?“ Mit der ersten Satzhälfte spricht er das Problem Joachims an. Diese Bemerkung hätte noch vertieft werden können mit dem Hinweis auf Gefühle des Ausgeschlossen-Seins und der Unsicherheit, wie er wieder in die Gruppe hineinfinden kann. Vermutlich hätte Joachim dies nicht zugegeben; aber es hätte seinen Alltagserfahrungen und der Stimmungslage der Gruppe entsprochen. Entscheidend war jedoch, dass der Therapeut die Entwertung der ganzen Gruppe, einschließlich der Therapeutin kommentarlos hingenommen hat. Dadurch unterstützt er ungewollt Joachims Form der Angstbewältigung mit Hilfe von Größenphantasien. Joachim benötigte in dieser Situation nicht nur Verständnis, sondern den Halt und die Begrenzung durch ein Hilfs-Ich, um nicht in der Wiederholung seiner bisherigen Strategien zu verbleiben. Der Therapeut hätte zum Beispiel erklären können, dass er diese Entwertung nicht akzeptiert, sondern die beiden letzten Spiele schön und spannend erlebt hat, und er gerne bereit sei, Joachim zu helfen, darin eine Rolle zu finden. Joachim hätte außerdem darauf hingewiesen werden müssen, dass er mit dieser Art bisher nur Ablehnung hervorgerufen hat und gerade deshalb in der Gruppe ist. Und darüber hinaus hätte man sagen müssen: „Ich möchte, dass du dir jetzt die Geschichte erst einmal anhörst, und dann kannst du entscheiden, ob du zuschauen oder mitspielen willst!“ Mit dieser Aufforderung wäre auch die Kränkung der anderen Kinder korrigiert worden. Wir haben schon wiederholt festgestellt, dass sich TherapeutInnen scheuen, in der Gruppe so entschieden zu konfrontieren. Das wäre zu pädagogisch,
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glauben manche und fürchten, das betroffene Kind würde dadurch vor den anderen bloßgestellt. Dahinter steht aber meist eine Unsicherheit, die von der eigenen Wut auf solch einen Jungen ausgelöst wird. Mit der Frage an Joachim: „Was würdest du denn gerne spielen?“ wurde die Entwertung der Spiele in den zwei vorausgegangenen Stunden vom Therapeuten hingenommen bzw. bestätigt, und sein Ärger auf Joachim in Form einer Reaktionsbildung verdrängt. (Dem Therapeuten wurde in der Supervision bewusst, dass die aggressive Dominanz anderer Menschen bei ihm Gefühle von Angst und Bewunderung auslösen und diese Ambivalenz seine angemessene Reaktion verhindert hat.) Der Beitrag der Therapeutin, sie fragte: „Und die Mädchen, was könnten sie in der Geschichte spielen?“ Mit dieser Reaktion wurden die Mädchen „geopfert“, um Joachim zu helfen. An ihren Gesichtern war abzulesen, dass sie sich von der „Mutter“ verraten fühlten. (In der Supervision fiel der Therapeutin ein, dass sie als Kind nahezu alles auf sich genommen hatte, um mit ihren älteren Brüdern und deren Freunden mitspielen zu dürfen.) Obwohl Therapeutin und Therapeut sich verbal um die Integration Joachims mühten, waren ihre nonverbalen Signale alles andere als freundlich. Diese Widersprüchlichkeit konnte keine Hilfe sein. Wenn sich Kinder wie Joachim verhalten, fällt es uns schwer, daran zu denken, wie bedroht sie sich fühlen, wie allein sie sind und wie anstrengend diese Kämpfe sind. In solchen Situationen ist es nicht leicht, die eigenen Affekte und die Gegenübertragung zu verstehen und unsere therapeutische Kompetenz wieder zu erlangen.
5.2.2 Interventionen aus der Rolle Als Hilfs-Ich in einer Rolle können wir dem aggressiven Kind helfen, sich zurückzunehmen, seine Impulse zu kontrollieren, ohne dass wir als Leiter eingreifen und negative Übertragungen oder seinen Widerstand hervorrufen. Dazu einige Beispiele: Die Therapeutin als Magd eines sehr herrschsüchtigen zehnjährigen Mädchens in der Rolle der schönsten und mächtigsten Prinzessin äußert laut denkend: „Weshalb meine allergnädigste Herrin, hochwohlgeborene Prin-
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zessin wieder so schreit, sie ist doch auch sehr klug und könnte erklären, was sie will.“ (Stützendes Doppeln) Oder: Der Therapeut als Knappe eines Ritters, eines neunjährigen Jungen, kurz vor dem Turnier: „Dass mein edler Herr sich wie ein Betrunkener aufführt, wie peinlich. Die anderen Ritter könnten ja denken, dass er Angst vor dem Turnier hat! Mein Herr hat doch in vielen Schlachten erfolgreich gekämpft und könnte auch diesmal einen Preis erringen. Was soll ich nur machen, damit er nicht ausgelacht wird?“ Der achtjährige Julian spielte oft unkontrolliert aggressiv und ist in dieser Inszenierung ein „Tyrannosrex“. Die TherapeutInnen, in diesem Spiel in der Rolle von Steinzeitmenschen, sprachen in symbolisierter Form über Julian. Therapeut: „Ich habe gehört, dieser Saurier lässt sich leicht reizen, und in seiner Wut geht er uns vielleicht in die Falle!“ Therapeutin: „Aber andere sagen, er wäre auch sehr schlau und könnte längere Zeit ganz ruhig daliegen, so dass man glauben kann, er sei nicht nur gefährlich!“ (Stützendes Doppeln) Therapeut: „Aber er ist sehr stark. Stell dir vor, er würde uns mit seiner Kraft helfen, den großen Fels von unserem Höhleneingang wegzuräumen.“ (Ein Versuch, der Aggressivität positive Möglichkeiten anzubieten) Es folgt eine Fallskizze zur Begrenzung aggressiver Größenphantasien. Die Interventionen erfolgten aus der Rolle im Wechsel mit solchen aus der Leiterposition. Michael, acht Jahre alt, löste durch seine heftigen Reaktionen in der Klasse häufig Streit aus und war dort zum Sündenbock geworden. Die Gruppe bestand aus einem weiteren Jungen und zwei Mädchen. Sie spielte seit mehreren Stunden ein Cowboyspiel. Die beiden Mädchen hatten eine Pferderanch, der eine Junge einen Laden, der Therapeut war ein Farmer und die Therapeutin war eine Händlerin. Michael wollte in jeder Stunde der Sheriff sein. Und in jeder Szene mischte er sich ein und versuchte, die anderen so zu provozieren, dass es zu einer Schießerei kam. Die eigentliche Bedeutung seiner Rolle als Sheriff, die Aufgaben, die daraus erwachsen, konnte er sich nicht richtig vorstellen. Der Wunsch nach Affektabfuhr, insbesondere über Schusswechsel mit dem Therapeuten, war das Wichtigste für ihn. Seine Schießwut machte es ihm kaum möglich, seine Rolle so zu spielen, dass man in ihm den Sheriff sehen konnte. Aber er wollte auch kein Bandit sein.
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern Als sich Michael in einer der Stunden wieder wünschte, dass die bekannten Schießereien zwischen ihm und dem Therapeuten wieder stattfinden, verweigerte der Therapeut die Rollenzuweisung. Stattdessen entschied er sich, ein Cowboy zu sein, der bei dem für seine Schießkünste weithin berühmten Sheriff das Schießen lernen wollte (Spielwiderstand). Eine Zeitlang ging das ganz gut, der Cowboy bewunderte den Sheriff als vorzüglichen Schützen, und es gelang ihm nie, mit der gleichen Treffsicherheit seine Schüsse anzubringen (Spiegeln, um angeschlagenen Selbstwert zu stützen). Nach einiger Zeit versuchte der Sheriff (Michael), den Cowboy zu einem Duell zu provozieren. Der Therapeut wollte jedoch nicht mehr in die Opferrolle manövriert werden und intervenierte in einer agierten Deutung folgendermaßen: Therapeut: „Nein, gegen Sie, den Sheriff, den weltbekannten Schützen, trete ich nicht an!“ Michael: „Du Angsthase — zieh endlich deinen Colt!“ Therapeut spricht aus, was Michael abwehrt: „Nein, dann bin ich wieder viele Wochen verwundet und muss Schmerzen leiden. Ich will das nicht mehr!“ Michael: „Doch, du musst mitspielen — du tätst denken, du schaffst mich!“ Der Therapeut wechselt nun aus der Symbolebene auf die Leiterebene und sagt: „Nein, das spiel ich nicht. Mir geht es dann ja wie dir in der Klasse, wenn du dich mit den anderen streitest und schlägst. Du bist dann letztlich auch der Verlierer, so wie ich das hier als Cowboy wäre. Und in der Schule geht es doch ebenfalls um die Frage, wie du Freunde gewinnen kannst.“ Michael zog sich vorübergehend enttäuscht zurück und kam nach einigen Minuten mit der Frage: „Also gut, dann sag du, wie es weitergeht!“ Therapeut: „Ich würde gerne mit dir zusammen überlegen, wie die Geschichte weitergehen könnte, und zwar so, dass es auch zum Spiel der anderen passt!“ In einer weiteren Stunde spielte der Therapeut einen Farmer, der sich beim Sheriff einen Waffenschein besorgt, eine Waffe kauft, sich im Schießen unterweisen lässt, aber nur auf die Jagd geht. Wieder versuchte Michael mit allen möglichen Einfällen, ein Duell zu inszenieren. Da er nicht wusste, wie er sonst seine Rolle als Sheriff ausfüllen kann, brauchte er dringend Unterstützung durch die TherapeutInnen. Der Farmer (Therapeut) ging deshalb zum Sheriff und ließ sich von ihm seine Schusswaffe richten, weil er auf der Jagd nie etwas traf (stützender Doppelgänger erschließt konstruktiven Umgang mit der Aggressivität). Außerdem ließ er sich vom Sheriff auf die
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Jagd begleiten und einen Rehbock erlegen, da er selbst nicht so gut traf. Er kaufte Land und schloss einen Vertrag ab, wobei er wieder die Hilfe des Sheriffs hinzuzog, der die Rechtmäßigkeit des Vertrages besiegelte. Und die Therapeutin bat den Sheriff um Hilfe, ein entlaufenes Pferd zu finden, da er ein besserer Spurenleser ist, usw. Alle Interventionen hatten das Ziel, Michaels Rollenvorstellung zu differenzieren, zu erweitern und die Täter-Opfer-Konstellation aufzulösen. Nach etwa acht Stunden waren die Mädchen der Wildwestgeschichten so langsam überdrüssig. Die TherapeutInnen thematisierten diesen Unwillen und stellten den Kindern anheim, eine neue Geschichte zu erfinden. Die Gruppe entschloss sich, angelehnt an die Kinderbücher „Die fünf Freunde“, eine ähnliche Abenteuergeschichte zu spielen. Die Therapeutin sollte in dieser Geschichte eine Gräfin sein, der Therapeut ein Räuber, und die Kinder wollten vier Freunde sein, die den Räuber dingfest machen. Michael war auch in dieser Geschichte auf Hilfe angewiesen, Ideen zu entwickeln, wie er mitspielen kann, ohne gleich wieder zur Pistole zu greifen. „Bergexpedition“ hieß die Geschichte der Stunde darauf. Michael bewaffnete sich gleich wieder bis an die Zähne. Der Therapeut spielte Michaels Träger (stützender Doppelgänger), um ihm wieder Spielmöglichkeiten zu offerieren, die zur Gruppenphantasie passten, z.B.: Wild erlegen, Holz schlagen und Feuer machen, damit die Expedition am Abend etwas braten kann; einen gefährlichen Bären (Stoffbär) töten, der die Expedition bedroht; mit gezieltem Schuss ein Schneebrett lösen, damit man den Hang überqueren kann. Es war nicht zu übersehen, dass Michaels kreative Fähigkeit, Spielideen zu entwickeln und diese an die Gruppenphantasie anzupassen, wesentlich geringer war als bei anderen Kindern. Darin lag eine entscheidende Ursache für seine Schwierigkeiten, mit ihnen zu spielen. Die daraus resultierenden Zurückweisungen führten zu aggressiven Reaktionen, die in den stereotypen Rollen ausagiert wurden. Michaels diagnostisch schwer fassbares Unvermögen, eigene Phantasien zu entwickeln, die sich in die Gruppenphantasien einpassen ließen, konnte erst im Verlaufe der Gruppentherapie in ihrer vollen Tragweite erkannt werden. Die biographisch nahe liegende Hypothese, dass seine Verhaltensauffälligkeit primär neurotisch sei, musste korrigiert werden. In der Gruppentherapie wurde zwar ein Anfang gemacht, Michael zu helfen, er wird jedoch immer wieder auf die Unterstützung und Vermittlung
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5 Spezielle Interventionen bei einzelnen Kindern von Erwachsenen angewiesen sein, um mit anderen Kindern zurechtzukommen.
Wie schwierig eine Gruppe mit aggressiven Kindern sein kann, wie Veränderungen nur in kleinen Schritten zu erreichen sind und wie die Therapie mit komplexen Interventionen multimodal ansetzen muss, um die Ressourcen der Kinder, der Eltern und der Schule zu aktivieren, zeigt Aichinger in seiner Darstellung der Therapie eines 6-jährigen Jungen (2007).
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Gruppenprozessorientierte Interventionen
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Interventionen, die sich auf den Gruppenprozess und auf die Gruppe beziehen, werden in diesem Kapitel herausgearbeitet. Dass so wenig gruppentherapeutisch mit Kindern gearbeitet wird, mag mit daran liegen, dass Chaos und destruktive Interaktionen in Kindergruppen schnell entstehen können und TherapeutInnen dem Treiben der Kinder oft ohnmächtig und hilflos gegenüberstehen. Anders als Erwachsene beginnen Kinder im Laufe der Gruppentherapie gegen die vorgegebene Struktur des Sitzungsablaufes zu rebellieren. Im Schutze der Gruppe proben sie den Aufstand gegen die LeiterInnen und lassen sie mit ihren Spielanweisungen auflaufen. Die LeiterInnen zu ärgern, wird das bevorzugte Spiel. Für die Kinder und für die LeiterInnen geht damit der Schutz des Symbolspiels, das „So-tun-als-ob“ verloren. Das Spiel wird, wenn die LeiterInnen einsteigen, bitterer Ernst. Die Kinder schaffen es, die LeiterInnen in ohnmächtige Wut zu bringen, und müssen dann erst recht aus Vergeltungsangst in ihrer Machtposition verharren. Von solchen Schwierigkeiten beim Umgang mit Aggressionen und destruktivem Agieren wird in den meisten Veröffentlichungen gruppentherapeutischer Arbeit mit Kindern berichtet. So erwähnt z.B. Lebovici, dass in seinen ersten Gruppen die Kinder schrieen, sich schlugen, Möbel umwarfen, ja sogar Fensterscheiben zertrümmerten (vgl. Anzieu 1984, S. 84). Auch Anzieu beschreibt ähnliche Erfahrungen: dass Stühle als Wurfgeschosse Verwendung fanden, dass seine Brille zerschlagen wurde u.ä. (Anzieu 1984, S. 95). Diese Erfahrung führte beide Autoren dazu, die Simulationsregel einzuführen und mehr Struktur zu schaffen. I. Seglow erging es ähnlich: „Jedes Gruppentreffen in dieser ersten Phase entwickelte sich innerhalb von fünf Minuten zu einem Kampf und Chaos unter den Kindern. Sie machten einander lächerlich, stritten sich andauernd, verletzten die schwächeren Kinder“ ( Seglow 1969, S. 784). Wir erinnern uns noch lebhaft an unsere ersten Gruppenerfahrungen, als in einer Gruppe von aggressiven Jungen wie auf Absprache hin der eine aus der Tür lief, zwei andere aus den beiden Fenstern im Erdgeschoß sprangen und sich aus dem Staub machten. Wir rannten ihnen nach, so, dass es zu einer wilden Verfolgungsjagd auf der Straße kam. Dabei gerieten wir immer mehr in Wut,
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besonders als wir noch Eltern begegneten, die sich über unsere hilflosen Aktionen sichtlich amüsierten. Nicht vergessen haben wir die Provokation auf der Realebene, als ein Junge im Gruppenraum ein brennendes Feuerzeug an die Polster hielt. Als wir ihm das Feuerzeug wegnehmen wollten, warf er es schnell anderen Kindern zu, die dann ein „Fang-doch-Spiel“ daraus machten. Oder wir denken an Kinder, die Tücher und Baufix-Teile durch den Raum warfen und durch unser Eingreifen nur immer heftiger wurden. In Erinnerung sind uns auch noch Kinder, die am Ende der Stunde den Gruppenraum nicht verlassen wollten, die wir hinaus tragen mussten, die aber sofort wieder zurückkamen. Je mehr wir versuchten, unsere Autorität als LeiterInnen einzusetzen, umso mehr bekamen sie Lust, uns ohnmächtig und hilflos zu machen. Wir unternahmen viele Versuche, aus dem Chaos einen schöpferischen Prozess in Gang zu setzen. Erst als wir auf diese Provokationen nicht nur als LeiterInnen reagierten, die auf einem starren Rahmen bestehen, sondern die von den Kindern herbeigeführte Auseinandersetzung auf die Symbolebene überführten und in Rollen intervenierten, konnten diese Konflikte bearbeitet werden. Die Symbolebene eröffnete Kindern und LeiterInnen die Möglichkeit, die Konflikte in einem geschützten Rahmen lustvoll und kreativ anzugehen.
6.1 Interventionen bei Konflikten zwischen Kindern und LeiterInnen 6.1 Interventionen bei Konflikten zwischen Kindern und LeiterInnen In der Sicherheit, die die Gruppe dem einzelnen vermitteln kann und durch ihre Verstärkerwirkung, projizieren Kinder viel schneller als in der Einzeltherapie alle negativen Bilder von bösen, beherrschenden Erwachsenen auf die TherapeutInnen und reagieren mit wachsender Aggression. Vor allem bei Gruppen im vorpubertären Alter werden die TherapeutInnen oft in beginnender Protesthaltung abgewertet, mit negativen Übertragungsgefühlen besetzt und als reale VertreterInnen der Erwachsenenwelt mit großer Wut angegangen. Nimmt diese Protesthaltung im Laufe der Therapie zu und verdichtet sich zur Rebellion, drücken die Kinder ihre negativen Übertragungsgefühle nicht nur im Spiel aus. Sie beginnen sich offen gegen die Anweisungen der LeiterInnen zu wehren und aufzulehnen und verweigern zum Beispiel die Anfangsrunde. Sie kommen dann oft mit wildem Geschrei und Getobe in den Gruppenraum, bewerfen die LeiterInnen mit Kissen und Polstern oder sperren sie aus. In diesem wilden Agieren versuchen die Kinder, zwischen sich und den LeiterInnen eine Rollenbeziehung durchzusetzen, in der die LeiterInnen entmachtet werden und sie an die Macht kommen. Versuchen die LeiterInnen
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diese Interaktion zu verwehren, mit Druck die Struktur der Sitzung aufrecht zu erhalten und ihre Leiterautorität gewaltsam durchzusetzen, geraten sie in eine verhängnisvolle Macht-Ohnmacht-Spirale. Dieser Falle können sie entgehen, wenn sie in die Szene eintreten, die die Kinder anbieten, das nicht ausgesprochene Rollenangebot der Kinder in einer komplementären Identifizierung wahrnehmen und erfassen, die Gegenübertragungsrolle annehmen und so auf die von den Kindern intendierte Wechselbeziehung eingehen. Sie fügen sich in die Rangstruktur ein, die der Erwartung der Kinder entspricht. Aus der Position heraus, die sie sich von der Gruppe zuweisen lassen, können sie dann in passenden Rollen therapeutisch operieren. Sie dürfen also nicht in der Machtposition der realen Erwachsenen verharren, sondern müssen in einer mächtigen Rolle, in der sie zugleich überwindbar sind, gegen die Handlungen der Kinder protestieren. Sie schlüpfen zum Beispiel, wenn Kinder vor Stundenbeginn heimlich in den Gruppenraum geschlichen sind und die Tür zuhalten, so dass die LeiterInnen den Raum nicht betreten können, in die Rolle eines Königspaares und begehren voller Empörung Einlass in ihr Schloss. Die auftrumpfenden Kinder bezeichnen sie als rebellierende Untertanen und fordern sie unter Androhung von Kerkerhaft zur bedingungslosen Unterwerfung auf. Oder sie treten als Polizisten auf, die über Megaphon die Hausbesitzer auffordern, sofort das Haus zu räumen, bevor die Polizei gegen die Gesetzesbrecher mit Tränengas vorgeht. Kinder, die mit Geschrei durch den Raum rennen, sich anrempeln und Polster umwerfen, bezeichnet der Leiter als gesetzlose Bande und tritt ihnen als Sheriff entgegen, um für Ruhe und Ordnung in der Stadt zu sorgen. Er werde nicht zulassen, dass eine Horde wilder Banditen die Stadt unsicher mache, den Saloon demoliere oder die Bürger erschrecke. Diese Bande werde er schnell hinter Schloss und Riegel bringen. Oder die Leiterin ruft als vornehme Dame die Polizei an, weil Rocker ihr Unwesen in ihrem Anwesen treiben und alles demolieren. Die Polizei soll schnell mit Einsatzwagen und Wasserwerfern anrücken. Sind die Kinder jünger, können sie als tollwütige Tiere bezeichnet werden, die schnell eingefangen und in einen Zwinger gebracht werden müssen. Werden die LeiterInnen mit Kissen beworfen, gehen sie schnell in Deckung, rufen um Hilfe und klagen, sie seien in einen Hinterhalt geraten und würden von Gangstern beschossen. Bei Kindern, die sich durch Unterhaltung verweigern, tritt die Leiterin als Lehrerin auf, mahnt sie zur Ruhe, sie wolle nun mit dem Unterricht beginnen, und droht, den Rektor zu Hilfe zu holen. Oder der Leiter ruft als Hausmeister vom Hochhaus herunter, die Schreihälse sollen doch endlich Ruhe geben, sich an die Mittagsruhe halten, vom Rasen runtergehen und lieber Hausaufgaben machen. Kinder, die eher passiven Widerstand leisten, mit verschränkten Armen
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dasitzen und nichts sagen, können als Blockierer einer Raketenstation bezeichnet werden, die von der Militärpolizei ultimativ aufgefordert werden, die Straße für einen Raketentransport frei zumachen. Kinder, die aus dem Raum rennen wollen, werden zu Häftlingen gemacht, die einen Ausbruchversuch machen und von den Gefängniswärtern aufgehalten werden müssen. Kindern, die sich provokativ müde geben, kann die Leiterin als Kinderschwester in einem Erholungsheim einen zweistündigen Mittagsschlaf bei absolutem Stillschweigen verschreiben. Reagieren die Kinder auf das Spiel der TherapeutInnen mit Neugierde, nehmen sie das Rollenangebot auf und werden für das Spiel angewärmt, unterbrechen die LeiterInnen kurz das Spiel, um die nötigen Kulissen (z.B.: den Saloon oder das Gefängnis) aufzubauen oder die Verkleidung vorzunehmen. Dieses Spielangebot auf der Symbolebene, das die Kinder wie die LeiterInnen schützt, nehmen die Kinder aber nur dann an, wenn die Symbolebene ihnen mehr Ausdrucksmöglichkeiten als die Realebene bietet. Entscheidend ist auch, ob die TherapeutInnen sich im Symbolspiel an das unbewusste Rollenangebot der Kinder halten, oder ob sie das Spiel als Trick benützen, um wieder die Macht über die Kinder und die Kontrolle über das Spiel zu erhalten. Die Bilder, die die TherapeutInnen dabei anbieten, sollten an die bisherigen Spielthemen der Kinder anknüpfen und ihren Entwicklungsstand berücksichtigen. Eine gemischte Gruppe von Zwölfjährigen spielte in den vorhergehenden Stunden Jugendliche, die nachts aus dem Elternhaus aussteigen, in die Disco gehen, sich mit Jungen oder Mädchen herumtreiben und sich mit den Eltern anlegen. Langsam ging dieses Spiel von der Symbol- auf die Realebene über, indem die Kinder sich mit den TherapeutInnen nicht nur in deren Rollen als Eltern, sondern auch als LeiterInnen in der Anfangs- und Schlussrunde anlegten. Zu Beginn dieser Stunde geben die Kinder sich sehr provokativ, beschimpfen uns mit obszönen Ausdrücken und bewerfen uns mit Kissen. Da keine Eingangsrunde möglich ist, geht die Leiterin in die Rolle einer Dame und empört sich. Das brauche sie sich als Frau des Oberbürgermeisters nicht gefallen lassen, sich von Rockern anpöbeln zu lassen. Es sei unerhört, was diese heutige Jugend für schreckliche Worte in den Mund nehme, das treibe ihr die Schamröte ins Gesicht. Sie ruft dann eilends die Polizei an, sie werde von Rockern belästigt, die sogar mit Bierdosen nach ihr werfen. Auf dieses Rollenangebot gehen die Kinder aber nicht ein. Sie werfen weiterhin Polster um und beschimpfen uns auf der Realebene. Da löst der Leiter als Polizeipräsident Alarm aus und ordnet einen Großeinsatz an, um die Ausschreitungen der Rocker zu beenden. Diese würden ran-
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dalieren, Autos demolieren, Schaufenster einschlagen und gute Bürger anpöbeln. Er kommt dann mit Blaulicht und Sirene angefahren und fordert über Megaphon die Rocker auf, sofort die Straße zu räumen, sonst würden sie eingesperrt. Erst auf diese Drohgebärde des mächtig auftrumpfenden Polizeipräsidenten springen die Kinder an. Sie bauen mit den Polstern eine Barrikade auf. Die Polizei fordert sie ultimativ auf, die Zerstörungen zu beenden, sonst würde sie mit Schlagstöcken und Tränengas vorgehen. Die Jugendlichen lachen nur. Da geht der Leiter kurz aus seiner Rolle heraus und fragt die Kinder, ob die Polizei jetzt mit Wasserwerfern anrücken und die Blockade aufbrechen würde. Die Kinder entgegnen, die Polizei würde Wasserwerfer einsetzen, hätte aber keine Chance. Die Rocker würden sie mit Steinen und Molotow-Cocktails bewerfen. Nach einem schnellen Szenenaufbau kommt es dann zu einer Straßenschlacht, in der sich die Kinder körperlich völlig verausgaben und die Polizisten (beide Therapeuten), die langsam hinter Schildern verschanzt vorrücken, mit einem Steinhagel (Kissen) eindecken. Die Rocker überwältigen dann die Polizisten, ziehen sie aus und lassen sie unter Gelächter und Gejohle nackt über den Wasserstrahl des eroberten Wasserwerfers springen. Da die Kinder ihre Wut körperlich ausdrücken können und wir diese Kraft aushalten, wirken die Kinder in der Schlussrunde völlig entspannt. So ist sogar ein kurzes Gespräch darüber möglich, wie man sich fühlt, wenn man ohnmächtig gemacht wird. Trauen sich Kinder eine aggressive Auseinandersetzung mit den LeiterInnen noch nicht zu, sondern ziehen sich eher depressiv zurück und hängen passiv und lustlos in der Anfangsrunde herum, dann ist es angebracht, dass einer der beiden LeiterInnen, möglichst der, dem der Ärger der Kinder weniger gilt, die Rolle eines Anklägers stellvertretend für die Kinder übernimmt. Um die richtige Rolle zu finden, muss er aber zuvor die Ursache für die Reaktionen der Kinder verstanden haben, sei es zum Beispiel, dass einer der Leiter in der letzten Stunde gefehlt hat, sei es, dass einer zu wenig oder zu stark auf das Spiel der Kinder eingegangen ist. In der Rolle des Arztes kann er sich dann etwa laut fragen, was mit den lebhaften Kindern geschehen ist, was ihnen angetan wurde, dass sie so niedergedrückt sind. Oder er kommt als Tierarzt, wenn die Kinder zuvor Tiere gespielt haben, und ist entsetzt, was aus den wilden Tieren geworden ist, wer das zu verantworten hat, dass sie wie halbtot herumliegen. Oder die Leiterin sieht als Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes oder des Jugendamtes nach dem Rechten. Nachbarn hätten angerufen, dass die Eltern die Kinder schlecht behandeln,
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vernachlässigen oder gar misshandeln. Sie leitet dann eine Untersuchung ein und spricht Verdächtigungen aus, bis die Kinder auf dieses Spielangebot einsteigen. In der vorausgegangenen Stunde provozierten zehnjährige Jungen zum Schluss den Leiter, indem sie das Spiel nicht beenden wollten. Sie spielten einfach als Gangsterbande weiter, warfen die Polster, die die LeiterInnen für die Schlussrunde aufstellten, um und überschrieen jeden Versuch des Leiters, ein Feedback zu geben. Der Leiter wurde immer ärgerlicher, bis er sich zum Schluss zu einem Wutschrei hinreißen ließ. In der folgenden Stunde hängen die Kinder völlig passiv in den Sesseln und sagen, sie hätten heute keine Lust zu spielen. Nach vergeblichen Bemühungen geht die Leiterin in die Rolle der Saloonbesitzerin, die sie in der letzten Stunde innehatte, und ruft den Marshall in der nächsten Stadt an. Sie habe den Verdacht, dass der Sheriff sich nicht an das Gesetz halte. Eine Bande, die bisher immer ein lustiges Leben geführt, bei ihr viel getrunken, manchmal auch ihren Saloon zertrümmert habe, säße nun apathisch an ihrer Bar. Sie habe den Verdacht, der Sheriff habe bei seinem letzten Einsatz die Bande zu hart angefasst, vielleicht sogar misshandelt. Da wird ein Junge ganz lebhaft und sagt, sie solle sagen, der Sheriff habe sie mit Elektroschocks gefoltert. Die Saloonbesitzerin gibt dies am Telefon dem imaginierten Marshall weiter. Sie wiederholt dann auch laut die Antwort des Marshalls, er werde rasch in die Stadt kommen und eine Untersuchung einleiten. Als die Kinder darauf munter werden, fragt die Leiterin, ob sie diese Gerichtsverhandlung spielen wollen. Die Kinder stimmen zu. Ein Junge will Marshall sein, ein anderer der Richter und drei andere die Bande, die ihre Verletzungen als Beweis vorzeigen. Nachdem die Szenerie mit Gefängnis, Gericht und Galgen schnell eingerichtet ist, kommt der Marshall in die Stadt geritten und verhaftet den Sheriff. Es kommt zu einer Gerichtsverhandlung, in der die Banditen und die Saloonbesitzerin gegen den Sheriff aussagen. Der streitet zunächst alles ab. Er habe sich immer ans Gesetz gehalten. Neulich sei ihm wohl der Kragen geplatzt, da habe er die Bande etwas härter angefasst. Das sei bei solch harten Burschen wohl auch angebracht. Da schreit die Bande, er habe sie im Gefängnis gefoltert, und zeigt Richter und Marshall die Narben. Diese setzen den Sheriff ab und reißen ihm den Sheriffstern ab. Zur Strafe wird er dann über Kakteen gezogen und zum Schluss gehängt.
6.1 Interventionen bei Konflikten zwischen Kindern und LeiterInnen
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Die LeiterInnen finden aber nur die richtige Gegenübertragungsrolle, wenn sie ihre Gegenübertragungsgefühle reflektieren und dadurch die Art der die Gruppe beherrschenden Spannungen erfassen. Achtjährige Kinder haben sich heimlich in den Gruppenraum geschlichen und sich hinter den Polstern versteckt. Als die LeiterInnen sie im Wartezimmer abholen wollen, ist kein Kind aufzufinden. Nun stellt sich für die LeiterInnen die Frage, wollen die Kinder eine Wunschphantasie inszenieren, in der die Kinder von den „besorgten Eltern“ gesucht werden, oder wollen sie die „bösen Eltern“ mit Verlassen strafen. Um zu verstehen, welche Szene in welcher Gruppenphantasie die Kinder spielen, achten die LeiterInnen auf die in ihnen ausgelösten Gefühle. Sie fühlen sich schuldig und fragen sich, was sich in der letzten Stunde zugetragen hat. Sie erinnern sich, dass sie beide überarbeitet waren und daher sehr lustlos und mit wenig Engagement und Aufmerksamkeit mitgespielt haben. Aus diesem Verständnis heraus übernehmen sie die Rollen von schuldbewussten Eltern. Sie gehen in den Gruppenraum und fragen sich, warum ihre Kinder weggelaufen sind. Sie werfen sich vor, sie wären in der letzten Zeit schlechte Eltern gewesen und hätten sich zu wenig um ihre Kinder gekümmert. Es sei kein Wunder, wenn die auf und davon seien. Sie weinen und versprechen, sollten die Kinder je wieder zurückkommen, sie besser zu versorgen. Die Kinder hören hinter den Polstern versteckt kichernd den Selbstanklagen der Therapeuten zu. Ein Kind sagt dann, die Eltern täten einen Brief finden, in dem stehe, dass ihre Kinder nach Amerika ausgewandert seien, und sie täten sehr weinen. Als die Eltern den Brief finden, sind sie entsetzt, weinen und jammern, sie würden vielleicht ihre lieben Kinder nie mehr sehen. Sie erinnern sich an die schönen Zeiten mit ihnen, wie lieb und nett sie waren, wie leer und trostlos jetzt alles sei. Da tuscheln die Kinder und geben, weiterhin hinter den Sesseln versteckt, die Regieanweisung, die Eltern würden sich gegenseitig Vorwürfe machen und Schuld zuschieben. Die Eltern werfen einander dann vor, was jeder falsch gemacht hat, wo sie zu streng, zu unachtsam, zu wenig zugewandt waren. Sie geloben dann zum Schluss, es besser zu machen, sollten die Kinder je wieder zurückfinden. Die LeiterInnen fragen dann die Kinder, ob die Eltern sich auf die Suche machen würden. Die Kinder bejahen es, sie würden durch ganz Amerika wandern, die Kinder aber nicht finden und ganz traurig nach Hause gehen. Die Eltern irren dann durch Amerika und suchen jammernd ihre Kinder. Als sie dann verzweifelt und traurig nach Hause kommen, liegen die Kinder schlafend in ihren Betten. Die Eltern
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen müssen ganz glücklich und froh darüber sein, dass sie ihre Kinder wiederhaben und die ganze Nacht an ihren Betten sitzen.
6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe 6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe Die ödipale Auseinandersetzung der Kinder in ihrer unterschiedlichen Ausformung stellt das Leiterpaar immer wieder vor schwierige Situationen. Gerade das gegengeschlechtliche Leiterpaar versetzt die Kinder in eine ödipale Dreieckskonstellation und begünstigt die Aktualisierung von ödipalen Phantasien und Konflikten und das Wiederaufleben von Gefühlen wie Liebe, Hass, Neid und Rivalität. Die zwischen dem Therapeutenpaar wahrgenommene Beziehung wird sexuell thematisiert, Urszenen- Phantasien tauchen auf, und die Beziehung zum gleichgeschlechtlichen Therapeuten ist durch Rivalität geprägt. So kommt es zu Konflikten zwischen den Kindern und dem Therapeutenpaar. Die Kinder versuchen, in die dyadische Beziehung des Paares einzudringen und geben Spielanweisungen wie zum Beispiel: „Sie täten sich jetzt ausziehen!“, „Sie müssen jetzt knutschen!“, oder: „Sie täten jetzt bumsen, und wir würden durchs Fenster unbemerkt zuschauen.“ In Supervisionssitzungen haben wir immer wieder mitbekommen, wie solche Aufforderungen das Therapeutenpaar verunsichern. Dem Druck der Kinder, die TherapeutInnen sollen nun endlich das spielen, sie hätten doch zugesichert, alles zu spielen, was die Kinder anweisen, dürfen sie aber gerade nicht nachgeben. Sie dürfen nicht das Spiel der Kinder mitspielen, sondern müssen die Wünsche der Kinder frustrieren. In einer agierten Deutung setzten sie den Kindern Generationsgrenzen und verdeutlichen ihnen, dass es Dinge im Erwachsenenleben gibt, von denen sie ausgeschlossen bleiben. Sie ziehen sich zum Beispiel als Eltern ins Schlafzimmer zurück und sagen, sie würden die Tür zumachen, so dass die Kinder nichts mitbekommen können. In die alters- und geschlechtsmäßigen Schranken gewiesen zu werden und diese Unterschiede anzuerkennen, ist notwendig, um die ödipale Situation zu meistern. In einer gemischten Kindergruppe von Achtjährigen spielen die drei Mädchen schöne Prinzessinnen, die zwei Jungen Raubritter. Der Therapeut soll König sein, die Therapeutin Königin. Während die Königin ihre Töchter schmücken und bewundern muss, kämpft der König mit den Raubrittern und äußert sein Erstaunen über deren Kampfesstärke. In einer Kampfpause möchten die Prinzessinnen ein Festmahl feiern. Sie schmücken sich und bauen eine festliche Tafel auf. Sie setzen sich dann zwischen Königin und
6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe
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König. Als der König die Schönheit und Anmut der Prinzessinnen bewundert, sagt plötzlich Judith, die zu Hause mit der Mutter stark rivalisiert und sie als Frau abwertet, die Königin sei tot und lebe im Paradiesschloss. Die Leiterin solle jetzt Dienerin sein und sie bedienen. Die anderen Mädchen stimmen begeistert zu. Als König beharrt der Therapeut aber darauf, dass seine Gemahlin, die Königin, sich bester Gesundheit erfreut und neben ihm an der Tafel sitzt. Da werden die Prinzessinnen wütend und werfen den König mit großer Heftigkeit aus dem Schloss. Anschließend vertreiben sie auch die Königin. Sie rufen die Raubritter zu sich ins Schloss, verbarrikadieren das Tor und verspotten das Königspaar, das energisch Einlass in sein Schloss fordert. Sie überschütten sie mit Kot und Pech und lachen sie aus, wie hässlich sie seien und wie sehr sie stinken. Sie beschimpfen sie dann mit „Arschloch“ und „Drecksau“, strecken die Zunge heraus und zeigen ihnen den Stinkefinger. Sie amüsieren sich köstlich über die Ohnmacht des empörten Herrscherpaares. In der nächsten Stunde rennen die Kinder, als die LeiterInnen sie vom Wartezimmer abholen, schnell voraus und halten die Tür zum Gruppenzimmer zu. Auf dieses Angebot eines Machtkampfes steigen die LeiterInnen aber nicht auf der Realebene ein, sondern übersetzen es in ein symbolisches Geschehen und nehmen die Position ein, die die Kinder ihnen unbewusst zuweisen. Als Königspaar gebieten sie voller Empörung Einlas in ihr Schloss. Die hinter der Tür kichernden Kinder bezeichnen sie als rebellierende Prinzessinnen und Ritter und fordern sie unter Androhung von Kerkerhaft auf, sofort die Zugbrücke runterzulassen. Sie müssten dringend ins Schloss, sie seien ganz durchgefroren, und die Königin benötige ein warmes Rosenbad. Die Kinder lachen im Therapiezimmer und schreien, sie sollen sich ruhig zu Tode frieren. Als die Kinder für das Spiel auf der Symbolebene genügend angewärmt sind, steigt der Therapeut kurz aus seiner Königsrolle aus und sagt den Kindern als Leiter, sie könnten dieses Spiel, das Königspaar stehe ohnmächtig vor dem verschlossenen Tor, nur im Gruppenraum weiterspielen. Draußen auf dem Gang könnten sie nicht weiterspielen, da die anderen Ratsuchenden in den Beratungen gestört würden. Die Kinder sind dazu bereit. Das Königspaar dürfe aber erst herein, wenn sie die Burgmauer und den Thron aufgebaut hätten. Nach kurzer Zeit öffnen sie uns die Tür und schmücken sich dann mit schönen Tüchern. Wir verkleiden uns ebenfalls als Königin und König, und der Leiter baut sich rasch ein großes Schwert. Nach dieser kurzen Unterbrechung geht das Spiel weiter. Das Königspaar muss schlotternd vor dem Tor stehen. Die Prinzessinnen und Prinzen stehen auf der Burgmauer
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen und verspotten sie wieder. Die beiden Ritter greifen dann den König an und fechten mit ihm. Andy, ein gehemmter Junge, sagt, er habe neben dem König das zweitbeste Schwert, und fordert ihn zum Duell heraus. Uber das stützende Doppeln stärkt der Therapeut seinen Impuls. Er bewundert den Mut des Ritters, den kampferprobten König herauszufordern. Seine zaghaft geführten Bewegungen mit dem Schwert deutet er um als mächtige, gefährliche Schwerthiebe, die er kaum parieren könne, und fragt bewundernd, wo dieser Ritter die hohe Kunst des Fechtens gelernt habe. Andy antwortet spontan: „Von dir!“ Nachdem die Jungen dem König viele Wunden beigebracht und die Mädchen die Königin mit Pech, Kot und Urin überschüttet haben, sagen sie, sie würden nun das Königspaar ins Schloss hereinlassen. Als dieses einzieht und siegesbewusst äußert, endlich hätten die Prinzessinnen und Prinzen eingesehen, wer das Herrscherpaar sei, sagen diese, sie hätten dem Paar ein schönes Bad zubereitet. Als das Königspaar sich erfreut in das Badezimmer führen lässt, findet es sich im Kerker wieder und erhält nur Kot und Pisse zum Essen und Trinken. Sich selbst bereiten die Prinzessinnen ein prächtiges Mahl. In einem explorierenden Doppeln fragen sich Königin und König, warum sie so schlecht behandelt werden, sie seien doch gute Könige gewesen. Empört rufen die Kinder, sie hätten immer über sie bestimmt und sie schlecht behandelt. Die Prinzessinnen ziehen dann die Kleider der Königin an, schmücken sich mit deren Schmuck und stolzieren aufreizend am König vorbei. Die Jungen stehen mit geschwellter Brust und großen Schwertern, die sie sich gebaut haben, vor dem Gefängnis Wache. Im Zwiegespräch anerkennt das Königspaar bewundernd, wie wunderschön die Prinzessinnen geworden sind, es sei eine Freude, sie anzusehen, und staunen, wie kraftvoll und männlich sich die Ritter entwickelt haben. Dieses bewundernde Spiegeln genießen die Kinder in vollen Zügen. Als das Königspaar sich aber daran erinnert, dass die Königin in ihrer Jugend auch so schön und der König so muskulös waren, werden die Kinder wütend. Tobias, der zu Hause in heftiger Rivalität zum Vater steht, schneidet dem König ein Loch in seine Hose, so dass sein Penis zu sehen sei. Die Prinzessinnen reißen der Königin die Kleider herunter. Nun könnten alle ihren Hängebusen und ihr Pipiloch sehen. Sie scheren beiden eine Glatze. Als das Paar sich beschämt versteckt und beklagt, sie könnten sich so nie mehr ihren Untertanen zeigen, triumphieren die Prinzessinnen und Ritter. Sie rufen das ganze Volk herbei und lachen als Untertanen aus vollem Hals das Paar aus. Andy, der einnässt, zieht dem König noch Windeln an, die vollgepisst seien, und schreit ihn an, er solle sich schämen,
6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe
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als König noch Windeln zu brauchen. Dann wird er angekettet und wie ein Hund über den Marktplatz geführt. Auf Kommando muss er bellen. Im Selbstgespräch spricht der König zur Seite, wie schlimm es ist, so beschämt zu werden und es ohnmächtig ertragen zu müssen. Gemeinsam besteigen dann die Kinder den Thron und genießen den Triumph. Die Mädchen geben die Regieanweisung, dem König würde die Königin nicht mehr gefallen, und er würde ihr Diener werden. Darauf sagen die Jungen, dann müsse die Therapeutin als Dienerin zu ihnen kommen. Da fast alle Kinder entweder aus Scheidungsfamilien oder aus Familien mit Eheschwierigkeiten kommen und von einem Elternteil zum Ersatzpartner gemacht werden, spielen die Therapeuten das ödipale Spiel der Kinder nicht mit. In einer agierten Deutung setzen sie die Generationsgrenze und nehmen eine andere, als von den Kindern gewünschte Haltung ein. Sie weigern sich, sich trennen zu lassen, und halten sich umschlungen. Voll Wut drohen die Prinzessinnen und Ritter, sie sollten sofort auseinandergehen. Als sie sich weigern, werfen die Prinzessinnen den König wieder in den Kerker. Julia, die auf ihre einjährige Schwester sehr eifersüchtig reagiert, geht auf den König los und sagt, sie beiße ihm jetzt den Pimmel ab, dann gebe es keine weiteren Prinzessinnen mehr. Tobias, der in Koalition mit der Mutter gegen den Vater steht, schneidet dem König mit seinem Schwert ebenfalls den Penis ab und lacht triumphierend, jetzt sei er kein König mehr. Die Königin begießen die Prinzessinnen mit Kot und Pisse, reißen ihr die Zähne aus und sagen, sie sehe jetzt so scheußlich aus, da würde sich der König vor ihr grausen. Und Tobias droht ihr, wenn sie weiterhin nach dem König rufe, werde er sie enthaupten. Für die ödipale Auseinandersetzung brauchen die Kinder eine stabile Beziehung des Leiterpaares. Sie müssen beide als vereint erleben, als Paar, das sich nicht gegenseitig zerstört oder zerstören lässt. Dies drückten Kinder in einer Gruppe von Zwölfjährigen, bevor sie ihre ödipalen Phantasien ausspielten, so aus: Als Indianer überfielen sie die TherapeutInnen, die ein zerstrittenes Banditenpaar sein mussten, nahmen sie gefangen, klebten ihnen einen Magnet an Penis und Vagina, damit sie immer ganz eng beisammen sein müssten und nie mehr auseinandergehen könnten. Je brüchiger und schwieriger die Beziehung des Leiterpaares ist, desto leichter fällt es den Kindern, in der ödipalen Phase der Gruppenentwicklung die Urszenenphantasie zu verleugnen und in einer dyadischen Beziehung zu verharren. Jede Störung in der Beziehung des Therapeutenpaares wirkt sich belastend auf die Gruppe aus. Die Kinder reagie-
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen
ren mit großer Sensibilität auf die Spannungen. Sie spielen aus, was sie als Spannung und Rivalität zwischen den TherapeutInnen wahrnehmen, und versuchen, dazwischen zu gehen. In einer gemischten Kindergruppe von Zwölfjährigen umwerben die Mädchen als Prinzessinnen den Therapeuten als König, während sie die Therapeutin als Königin sehr abwertend und geringschätzig behandeln. Als König genießt der Therapeut dieses Umworbensein, kümmert sich nicht um die Königin, sondern begibt sich mit den Prinzessinnen auf die Jagd. Die Therapeutin, die zu Hause in einer ähnlichen Konstellation lebt, wird immer wütender auf den Therapeuten. Nach der Stunde macht sie ihm Vorwürfe. Als in der nächsten Stunde der Therapeut auf einer Tagung ist, greifen die Kinder den Paarkonflikt auf, obwohl sie von der Auseinandersetzung der LeiterInnen nichts wussten. Die Mädchen behaupten, der König Löwenherz sei auf den Kreuzzug gegangen, weil die Königin so oft mit ihm gestritten habe. Sie beschimpfen die Königin, sie habe den König mit ihrem ewigen Streit und Gezanke vertrieben. Jurek, der zu Hause die Rolle des Trösters der Mutter übernommen hat, kommt der Königin zu Hilfe, vertreibt die bösen Prinzessinnen und setzt sich neben die Königin auf den Thron. Während die Prinzessinnen wegen der blöden Hexe von Königin abhauen, alleine im Wald leben, benehmen sich die Jungen der Königin gegenüber sehr ritterlich. Sie unterhalten die Königin mit einem Ritterturnier und lassen sich von ihr bewundern. Die Therapeutin genießt es, in dieser Stunde von den Jungen so gut behandelt zu werden. Wie der Therapeut in der Stunde zuvor setzt sie ebenfalls keine Generationsgrenze. In der Vorbesprechung der nächsten Stunde können die LeiterInnen ihr Agieren erkennen und ihren Konflikt lösen. In dieser Stunde spielen dann die Kinder die Rückkehr des Königs. Jurek setzt sich wieder auf den Platz des Königs. Als dieser vom Kreuzzug zurückkommt, wird er von den Prinzessinnen stürmisch begrüßt, während die Prinzen sich sehr reserviert verhalten. Jurek hält hinter seinem Rücken ein Messer verborgen, das er, wenn der König nicht hinsieht, zückt. Das Königspaar zieht sich in einer Intervention in das Schlafgemach zu einer Aussprache zurück und verkündet dann den Prinzessinnen und Prinzen, sie hätten sich versöhnt. Der König dankt Jurek, der noch immer auf seinem Thron sitzt, dass er, und auch die anderen Ritter, während seiner Abwesenheit die Königin so gut beschützt und auf eigene Unternehmungen verzichtet habe. Da strahlt Jurek übers ganze Gesicht. Dann macht sich der König Vorwürfe, es sei eigentlich
6.2 Die ödipale Auseinandersetzung in der Gruppe
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seine Aufgabe, für die Königin zu sorgen. Er bedauere, dass die Ritter eine Aufgabe übernehmen mussten, die nicht die ihrige sei. Die Königin und er würden fortan ihren Streit selber lösen und nicht mehr die Ritter in ihren Konflikt hineinziehen. Während sich auf diese Intervention hin die Spannungen bei den Jungen lösen, werden die Prinzessinnen ärgerlich. Sie würden in ein anderes Königreich gehen und sich dort schöne Prinzen suchen. Es gefalle ihnen schon lange nicht mehr auf dem Schloss, es sei hier viel zu langweilig. Mit Verachtung reiten sie weg. Danach tauscht Jurek die Rolle, er sei ein feindlicher Ritter, der Schwarze Ritter, der den König zum Zweikampf herausfordere und ihn schwer verwunde. Es kommt zu einem heftigen Kampf, in dem der König die Tapferkeit und den Mut des fremden Ritters bewundernd anerkennt. Jurek tauscht dann wieder die Rolle, er sei jetzt wieder der Ritter des Königs und kommt ihm zu Hilfe. Er besiegt den imaginierten schwarzen Ritter und bringt den schwer verwundeten König ins Schloss, wo er von der besorgten Königin gesund gepflegt wird. Während die Königin am Krankenbett ihres Mannes sitzt und ihn versorgt, reiten die Ritter zur Jagd und kämpfen mit Bären und Wildschweinen. Nur in einer stabilen Beziehung des Therapeutenpaares können die Kinder auch loyale Teilbeziehungen zu einem der beiden TherapeutInnen eingehen. Fehlt diese Voraussetzung, gerät die Teilbeziehung zwangsläufig zum Verrat. Das Dreieck Therapeut-Therapeutin-Kind zerfällt in miteinander konkurrierende Dyaden, die einen Dritten ständig mit Ausschluss bedrohen. Gerade Kinder, die zu Hause in einem Loyalitätskonflikt zwischen den Eltern stehen oder nur die Dyade erlebt haben, benötigen in der Gruppe die korrigierende Erfahrung, damit sie nicht auch in der Peergruppe durch den „Dritten“ sich bedroht fühlen. So ist es wichtig, dass zum Beispiel der Therapeut als König es gut findet, dass die Prinzen so ritterlich und zuvorkommend mit der Königin, der Therapeutin, umgehen, wo sie doch sonst recht raue Kämpfer sind, und auf ihrer Reise an den Königshof von Frankreich als Begleitschutz mitreisten. Oder dass die Therapeutin als Königin sich freut, wenn der König stolz auf seine schönen und anmutigen Töchter ist und sie gerne auf den Ball ausführt. Damit die Kinder alternative Szenen vermittelt bekommen und so eine Nachsozialisation möglich wird, müssen die TherapeutInnen nicht nur die sexuellen Wünsche und die wetteifernde Rivalität der ödipalen Kinder aushalten, sondern auch deren Entwicklungsfortschritte hin zur altersgemäßen Autonomie mit Freude und Stolz beachten. Sie können sich zum Beispiel als Königspaar zurückziehen und in einem Zwiegespräch die Freude über die Entwicklung ihrer
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Kinder ausdrücken: „Hast du bemerkt, zu welch schönen und klugen Prinzessinnen unsere Töchter herangewachsen sind? Wie geschmackvoll sie sich kleiden und schmücken, wie anmutig sie sich bewegen?“ Darauf der König: „Ja, es ist wirklich eine Freude, sie anzusehen, und klug und mutig sind sie auch.“ Häufig haben wir Kinder in Gruppen, die von einem Elternteil zum Ersatzpartner gemacht werden und narzisstisch-inzestuös unter entwertendem Ausschluss des Dritten gebunden werden. Da ein Elternteil oder beide einen erbitterten Kampf um ihr Kind austragen und es mit manipulativen Mitteln zur Parteinahme und Koalitionsbildung zwingen, geraten diese Kinder in Loyalitätskonflikte. Entsprechende Abwehroperationen wie Objektspaltung sind die Folge. Dieses Beziehungsmuster inszenieren die Kinder auch im Symbolspiel. Um die narzisstische Illusion und die Phantasie von Einmaligkeit und Grandiosität zu halten, die diese Kinder früh gegen die vernichtende Erfahrung von Ohnmacht und Ungeliebtsein aufrichten mussten, entwerten oder verleugnen sie die sexuelle Beziehung des Paares. Der Therapeut wird wie der Vater als impotent, die Therapeutin wie die Mutter als sexuell uninteressiert gedacht. Der depotenzierte Vater oder die Mutter sind daher keine ernst zu nehmenden Rivalen, die die phallische Grandiosität des Kindes und seine exklusiv dyadischen Beziehungswünsche in Frage stellen könnten. Sie fühlen sich dann als der bessere Geliebte der Mutter, die bessere Geliebte des Vaters und phantasieren den Triumph des ödipalen Sieges. Reinszenieren Kinder diese Familienszenen und spielen ihre Größenphantasien aus, dürfen die Therapeuten den Wunsch nach Verschmelzung in der Dyade nicht gewähren. Sie müssen die Differenz, die nicht zu überbrücken ist, in der triadischen Beziehung wiederherstellen und diese Fehlentwicklung in einer agierten Deutung aufheben. In einer gemischten Gruppe von Dreizehnjährigen spielen die Kinder seit einigen Stunden Familie. Sie sind heranwachsende Kinder, die TherapeutInnen ihre Eltern. Die drei Jungen, die alle aus Scheidungsfamilien kommen, von ihren Müttern als narzisstisches Objekt überbesetzt und zum Teil als Ersatzpartner überstimuliert werden, die keinen oder wenig Kontakt zu ihren Vätern haben, übernehmen die Rollen von Jugendlichen, die einen riesigen Rennwagen mit 100.000 PS konstruieren, mit dem sie beim nächsten Rennen Schumacher und Hill weit hinter sich lassen können. Die drei Mädchen machen sich zu frechen, aufsässigen Töchtern, die sich mit den Eltern anlegen. Sie kleiden sich provozierend, schminken sich grell und werten die Mutter als altmodische Ziege ab. Da sie keinen Ausgang bekommen, steigen sie nachts aus dem Fenster und kommen nicht mehr heim. Als
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Eltern machen sich die beiden TherapeutInnen am nächsten Morgen laut Gedanken über die Töchter. In einem Zwiegespräch, in dem die ambivalenten Gefühle aufgeteilt werden, spricht die Mutter mehr die Sorgen aus, was den Mädchen alles passieren könnte, der Vater mehr die Zuversicht, dass die Töchter schon auf sich auf aufpassen werden. Die Mädchen sagen dann, die Eltern sollten sie in der nächsten Nacht erwischen, wie sie mit Jungen zusammen im Bett liegen. Sie sollen dann in Streit geraten. Der Vater soll sich sehr aufregen und der Mutter Vorwürfe machen, dass sie sich nicht besser um eine gute Erziehung der Töchter bemüht habe. Die TherapeutInnen gehen zunächst auf diese Anweisung ein. Dann verändern sie das Spiel. Sie sehen als Eltern ein, dass sie sich in dieser schwierigen Situation nicht zerstreiten dürfen, sondern zusammenhalten müssen. Da greifen die Jungen ein, die diese Auseinandersetzung bisher gespannt aus ihrer Werkstatt verfolgt haben. Sie werfen dem Vater vor, er solle nur still sein, er gehe ja selber fremd, er sei eine alte Sau. Die Mutter stellt daraufhin verunsichert ihren Mann zur Rede. Der meint, die Söhne wollten sich mit diesen Verleumdungen nur zwischen sie drängen. Die Jungen beharren aber auf ihrem Vorwurf und bringen Beweise vor. Sie zeigen der Mutter Bilder, die den Vater beim Vorspiel, beim Orgasmus und nach dem Geschlechtsakt zeigen. Die Mutter ist entsetzt. Die Jungen raten ihr, sie solle sich scheiden lassen, zumal der Vater ja bei ihr impotent sei und sowieso nichts laufe. Außerdem wären sie ja noch da. Sie würden immer bei ihr bleiben, bei ihnen werde es ihr viel besser gehen. Hans, dessen Mutter sich ihm gegenüber sehr verführend gibt, wirft sich in Positur und meint, er sei viel potenter als der alte Wichser. Sie würde besser ihn heiraten, da wäre sie nicht so unglücklich wie mit dem alten Sack. Um nicht dieses narzisstisch-inzestuöse Bündnis mit dem entwertenden Ausschluss des Dritten mitzuspielen, sondern die triadische Beziehung mit den Generationsgrenzen wieder herzustellen, interveniert die Therapeutin. Sie weigert sich, das Spiel der Jungen mitzuspielen, die die besseren Geliebten der Mutter sein wollen und vom ödipalen Sieg träumen. Sie zieht sich mit ihrem Mann zurück und sagt, sie wolle diesen Konflikt mit ihm allein klären. Die beiden flüstern kurz miteinander, kommen dann zurück und sagen, sie hätten ihren Konflikt bereinigt. Sie kämen als Eltern mit ihren Schwierigkeiten allein zurecht. Es sei nicht Sache der Kinder, sich einzumischen. Auf diese grenzsetzende Intervention reagieren die Jungen mit großer Enttäuschungsaggression. Sie beschimpfen die Eltern, vor allem die Mutter, mit obszönen Ausdrücken. Voller Wut tun sie sich dann mit den Mädchen zusammen und hauen von zu Hause ab, um in Paris
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen ihr Leben zu genießen. Die Eltern sind darüber etwas traurig, dass ihre Kinder so schnell flügge geworden sind und in die Welt hinausgehen, machen aber deutlich, dass sie als Paar auch alleine zurechtkommen und ihr Leben zu zweit genießen können.
Sich den ödipalen Wünschen der Kinder zu widersetzen, heißt aber nicht, dass die TherapeutInnen im Symbolspiel sich als Paar nie trennen dürfen. Kinder, die unter dem ständigen Streit ihrer Eltern leiden, können den TherapeutInnen die Regieanweisung geben: „Sie täten sich jetzt ganz arg streiten und sagen, dass sie sich scheiden lassen.“ Führen die TherapeutInnen diese Anweisung aus, müssen sie darauf achten, sich nach dem Streit wieder zu versöhnen und laut ihre Gedanken äußern, wie bedrohlich dieser Streit wohl für ihre Kinder ist, dass sie sich vielleicht Sorgen machen, die Eltern könnten sich wirklich trennen und was dann aus ihnen wird. In diesem Zwiegespräch spiegeln sie die Gefühle wieder, die die Kinder zu Hause beim Streit ihrer Eltern haben. Wollen Kinder aus Scheidungsfamilien auf der Symbolebene mitteilen, wie es ihnen nach der Scheidung geht, ihren Loyalitätskonflikt, ihre Sehnsucht nach dem fehlenden Elternteil, ihre Wut auf die Eltern, die ihre Konflikte nicht bewältigen konnten, zeigen, so übernehmen die TherapeutInnen auch die Rolle eines Paares, das sich trennt. Eine gemischte Kindergruppe von Zehnjährigen spielte über einige Stunden Zirkus und ließ sich als Tiere von den TherapeutInnen als Zirkusdirektorin und Dompteur ausgiebig bewundern. In dieser Stunde geben die Kinder, die alle aus Scheidungsfamilien kommen und bei ihren Müttern leben, die Anweisung, die beiden würden sich scheiden lassen, die Tiere würden bei der Direktorin im Zirkus bleiben. Der Dompteur würde sich einen neuen Zirkus suchen. Nur Jenny will kein Tier mehr sein, sie sei Pippi Langstrumpf und lebe allein in der Villa Kunterbunt. Im Spiel spielen die Kinder ihre Reaktionen auf die Trennung der Eltern aus. Die beiden Araberpferde (Julia und Heike) werden schwer krank und liegen regungslos in ihrem Heu. Löwe und Tiger (Hans und Kilian) werden bösartig und wüten im Käfig. Der Affe (Michael) kreischt unaufhörlich und verweigert das Essen. Die Direktorin macht sich große Sorgen, ob sie allein die kranken Tiere versorgen kann. Währenddessen kommt der Dompteur an der Villa Kunterbunt vorbei und wundert sich, dass dort ein Kind ohne Eltern lebt. Im Selbstgespräch spricht er die Angst, Trauer und Einsamkeit aus, die Jenny in dem Gegenbild der grandiosen Pippi verleugnet. Wenn er noch ein Kind
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wäre, dann wäre er traurig und voller Angst, so einsam, ohne Eltern zu sein. Wie Pippi das nur schaffe, so furchtlos und stark zu sein? Ob sie den Kummer und die Traurigkeit nur beiseite schiebe? Pippi entgegnet, sie brauche keine Eltern, sie könne alles allein. Außerdem habe sie noch den Affen Nilsson und ein Pferd. Da es mit den Tieren immer schlimmer wird, ruft die Direktorin verzweifelt den Tierarzt an. Der Therapeut kommt in der explorierenden Doppelgängerrolle des Arztes und untersucht die Tiere. Besorgt teilt er der Direktorin den Befund mit: „Es ist kein Wunder, dass die Tiere sich so verändert haben. Sie und der Dompteur haben gemeinsam die Tiere großgezogen, daher hängen die Tiere an beiden und brauchen beide. dass der Dompteur sie einfach verlassen hat, kränkt und schmerzt sie sehr. Vor Kummer, Trauer und Wut sind sie krank geworden. Sie müssen, auch wenn Sie nicht mehr mit dem Dompteur zusammenleben können, dafür sorgen, dass die Tiere weiterhin von beiden gepflegt werden.“ Nach dieser Untersuchung ruft sie den Dompteur an und teilt ihm den Rat des Arztes mit. Als dieser daraufhin kommt und die Pferde striegelt, strahlen die Mädchen. Die Raubtiere dagegen fallen ihn an, als er ihnen Fleisch in den Käfig bringen will. Er ruft den Tierarzt an und wiederholt laut, was dieser imaginierte Arzt sagt: „Sie meinen wirklich, ich kann nicht erwarten, dass die Tiere mich freudig begrüßen, nach dem Schmerz, den ich ihnen zugefügt habe? Sie finden, die Tiere hätten zu Recht eine Wut auf mich, weil ich sie allein gelassen habe? Ich müsste die Wut aushalten und darf mich nicht enttäuscht zurückziehen?“ In diesem Gespräch lassen die TherapeutInnen die verborgenen Gefühle und Gedanken der Kinder laut werden und vermitteln als Spiegel Selbstinformationen.
6.3 Interventionen bei Beziehungskonflikten unter den Kindern 6.3 Interventionen bei Beziehungskonflikten unter den Kindern „Ebenso wie Kinder in der familialen Krise stecken bleiben können, also in ihrer Handlungsstruktur den Konflikt nicht durch zusätzliche Qualifikationen bewältigen, so kann die Handlungsstruktur der Kinder auch in der Phase der Gleichaltrigenbeziehungen einrasten“ (Krappmann 1982, S. 453). E.H. Erikson (1974) stellt das Minderwertigkeitsgefühl dem Werksinn gegenüber und weist damit auf die Folgen nicht gelingender Beteiligung an den sozialen Prozessen unter den Gleichaltrigen hin. Je nach Vorerfahrungen und sozialer Lage der Kinder kommt es zum Rückzug aus allen Beziehungen, zur Außenseiterrolle und zu Aggressionen, wenn Kinder den Versuch der Koopera-
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tion aufgeben; zur sozialen Unzuverlässigkeit oder zu rigiden Ordnungsstrategien, wenn sie die Beziehungen zu Gleichaltrigen nicht aufrechterhalten können. Die sozialen Beziehungen unter Gleichaltrigen werden aber von der klinischen Psychologie und der Kindertherapie kaum für Störungen verantwortlich gemacht. Schwierigkeiten werden überwiegend der Eltern-Kind-Beziehung zugeordnet. Die in sozialen Beziehungen unter Gleichaltrigen auftauchenden Probleme und Konflikte zu bearbeiten und Kindern zu einem Zuwachs an Handlungsqualifikationen zu verhelfen, ist ein wichtiges Anliegen des Kinderpsychodramas. Das Psychodrama ist Einladung zur Begegnung, zielt auf die Förderung zwischenmenschlicher Beziehungen, die auch über das Austragen von Konflikten und Streit erarbeitet werden müssen. Als Gruppentherapie ermöglicht es, die gestörte Ich-Wir-Balance über eine neue Erfahrung der Solidarität mit anderen in ein Gleichgewicht zu bringen und über eine Entwicklung des Einfühlungsvermögens, des Verständnisses füreinander und der Rücksichtsnahme aufeinander, der „Ich-Seuche“, dem „Ich-Thyrosaurus“ (Moreno 1925) entgegenzuwirken. Es ist immer wieder berührend, zu erleben, wie Kinder in den Symbolspielen sich gegenseitig zu Hilfe kommen und sich gegenseitig „therapeutisches Agens“ sind. In einer Kindergruppe von 8-Jährigen spielen die Kinder Safaripark. Jo, ein aggressiver, bindungsgestörter Junge will einen Geparden spielen, Alex, ebenfalls wegen aggressiven Durchbrüchen angemeldet, einen Löwen, die gehemmte Marie eine kleine Wildkatze und Corinna, die wegen Trennungsangst angemeldet wurde, einen Babyaffen. Wir, das Therapeutenpaar, sollen ein guter Tierhüter und eine Tierpflegerin sein. Zunächst versorgen wir fürsorglich die Tiere, füttern den kleinen Affen und die Wildkatze mit Milchfläschchen und werfen den Raubtieren große Fleischbrocken zu. Nach einer ruhigen Phase des Fütterns und der Fellpflege gibt Jo die Spielanweisung, die Tierpflegerin könne mit den Raubtieren nicht richtig umgehen und täte den Geparden heimlich einsperren und auspeitschen (frühe belastende Kindheitserinnerungen tauchen häufig dann auf, wenn die TherapeutInnen versorgende und unterstützende Rollen verkörpern, wie es die Kinder in ihrer Entwicklung gebraucht hätten). Die anderen Kinder sind damit einverstanden, wollen ihn aber schnell retten. Jo beharrt jedoch darauf, dass er so gut versteckt wurde, dass er erst nach vielen Monaten der Misshandlung zu finden sei. Während die Therapeutin auf Jos Anweisung hin den Gepard auspeitscht, indem sie mit einem Seil auf ein Polster neben ihm schlagen muss, macht sich der Therapeut voll Sorge mit den anderen
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Tieren auf die Suche nach dem verschwundenen Gepard. Als Jo die Erlaubnis gibt, erschnüffelt der Löwe seine Spur. Wir finden ihn schwer verwundet und völlig ausgezehrt in einer verborgenen Hütte. Der Löwe steckt einen dicken Knochen (Baufix-Stab), den er in seinem Maul mit trug, in das Maul des leblosen Gepard, der sofort in den nassen Stab hineinbeißt. Affe und Wildkatze streicheln sanft über sein Fell, und der Therapeut streicht vorsichtig Heilsalbe auf seine Striemen. Mit vereinten Kräften tragen wir ihn behutsam zur Tierstation, wo wir ihn fürsorglich pflegen, bis er wieder zu Kräften kommt. Da fragt der Therapeut empört, wer diese Tierquälerei begangen habe, vor dieser Person müssten die Tiere geschützt werden. Zusammen spüren die Tiere die Tierpflegerin auf, die sich versteckt hielt, fallen über sie her und beißen und zerkratzen sie (So-tun-als-ob). Als sie jammert, hält der Therapeut ihr vor, jetzt spüre sie am eigenen Leib, wie es dem wertvollen Gepard ergangen sei. Als die Tiere fragen, warum sie dies verbrochen habe, antwortet sie, sie kenne sich nicht mit Wildtieren aus, nur mit Haustieren, und habe aus Angst den Gepard mit Gewalt zähmen wollen. Durch das stützende Doppeln des Therapeuten ermutigt werfen sie sie für 100 Jahre ins Gefängnis und legen sich davor, damit sie nicht ausbrechen kann. In der nächsten Stunde wollen die Kinder weiterspielen, wechseln aber die Rollen. Corinna ist ein Häschen, Marie ein Kätzchen, Alex ein Wildschwein und Jo ein Wolf. Wir sollen wieder gute TierhüterInnen sein, die – so Jo – aber Angst hätten, der Wolf könne die kleinen Tiere reißen, und die ihn daher vertreiben möchten. Im Spiel zeigt sich der Wolf jedoch in einem ganz anderen Licht. Er beschützt die Kleinen, bringt ihnen Futter und versteckt sie in seiner Höhle. Als auf Vorschlag von Corinna ein Waldbrand ausbricht, den ein böser Tierfänger gelegt habe, lässt sie sich nicht von uns, sondern vom Wolf retten. Sie legt sich verwundet auf seinen Rücken, lässt sich von ihm in die Tierstation schleppen und versorgen. Um in Ruhe die Tiere verbal spiegeln zu können, lassen wir es Nacht werden. Die Tiere kuscheln sich gemeinsam in der Wolfshöhle zusammen, und wir unterhalten uns in unserem Bett laut über die Tiere: Es stimme ja überhaupt nicht, was über den Wolf berichtet werde. Dieser Wolf tue kleinen Tieren nichts zuleide, im Gegenteil, er beschütze und helfe ihnen. Den dürfen wir auf keinen Fall verjagen, wir müssen ja heilfroh sein, so ein starkes Tier als Helfer im Wald zu haben. Bei diesem Zwiegespräch huscht ein Lächeln über Jos Gesicht. Auch in der 6. Stunde, als die Kinder Tierklinik spielen, führt Jo sein Thema fort. Die beiden Mädchen sind kranke Wildhasen, Jo ein Wolf, Alex ein
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen Säbelzahntiger. Wieder ist der Wolf sehr fürsorglich. Er faucht uns an, wenn wir als Tierärzte den kranken Tieren eine Spritze geben wollen, und erlaubt nur, dass wir sie ganz zart verarzten. Er legt sich vor ihre Höhle und beschützt sie in der Nacht.
Die Gruppe ist nicht nur ein Ort, wo Szenen der Familie, ihrer Subsysteme und ihres Umfelds reproduziert werden. Sie ist auch ein Lernfeld, in dem Kinder ihre soziale Kompetenz und Performanz entwickeln können. Unter sozialer Kompetenz verstehen wir die Fähigkeit „soziale Situationen adäquat wahrzunehmen und zu strukturieren. Soziale Performanz besteht in den Akten angemessener Interaktion und Kooperation“ (Petzold 1980, S. 241). Therapieziel ist daher nicht nur, dem einzelnen Kind in der Gruppe zu helfen, die durch unbewusste Konflikte gebundenen Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten zu entfalten, sondern auch die Verbesserung der Beziehungsfähigkeit und der Gemeinschaftsfähigkeit. Das psychodramatische Symbolspiel ist immer auch soziale Interaktion und kann nur in kreativer Kooperation und Ko-Konstruktion gelingen. In einem kontinuierlichen Abstimmungsprozess zwischen den beteiligten Interaktionspartnern, in einem ständigen Aushandeln, in einer gemeinsamen Deutung von Realität und in der Schaffung gemeinsam geteilter Bedeutungen, in einem gemeinsam verabredeten Spielplan, in einem wechselseitigen Einstellen und Ausrichten der Rollen in einer Rollendynamik kommt es zu einem Sich-in-BeziehungSetzen und werden Weichen für die Erschaffung neuer, angemessener Rollen und Beziehungsmöglichkeiten gestellt. Gerade dadurch unterscheidet sich das psychodramatische Spiel von dem üblichen Kinderspiel. „Die Notwendigkeit, die dramatische Abfolge zu respektieren, zwingt die Kinder, ihre Rollen gegenseitig aufeinander abzustimmen, ihr Verhalten zu disziplinieren, um den gemeinsamen Handlungsablauf zu garantieren. Die dramatische Abfolge ist der Leitfaden ihrer gemeinsamen Ko-Improvisation“ (Widlöcher 1974, S. 61). Weil die Improvisation im psychodramatischen Spiel notwendig immer Ko-Improvisation ist, können in ihm Sozialisationsprozesse gefestigt werden. Für die Kinder ergeben sich in der Gruppe Aufgaben, wie mit Nähe und Abgrenzung umgehen, DurchsetzungsAnpassungsleistungen erbringen, Bedürfnisse regulieren, ein Gefühl der gegenseitigen Unterstützung, Achtung und Einfühlung aufbauen und Konsens und Kompromisse finden zu lernen. Auch Konflikte auszuhalten und Dissens zu ertragen, soll gefördert werden, da gerade in der Postmoderne mit ihren Unsicherheiten Kinder eine hohe Ambiguitätstoleranz benötigen.
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Da die Gruppenprozesse für die Entwicklung gelingender sozialer Interaktionen sehr wesentlich sind, müssen die Leiter die Gruppenprozesse, ihre Störungen durch Gruppenkonflikte und Reinszenierungen individueller Pathologien wahrnehmen, atmosphärisch erfassen, szenisch verstehen und erklären. Außerdem müssen sie ein ungesteuertes und gefährdendes Agieren der Gruppe auffangen und ein Umkippen eines entwicklungsfördernden Gruppenprozesses in einen destruktiven Prozess verhindern, indem sie entweder als Spielleiter oder in den zugewiesenen oder selbst übernommenen Rollen intervenieren. Dadurch können Kinder befähigt werden, neue Reaktionen auf alte Situationen und angemessene Reaktionen auf neue Situationen zu entwickeln und handelnd umzusetzen. Vor allem kommt in der Anfangsphase der Stärkung der Gruppenkohäsion, der Schaffung eines „Wir-Gefühls“, zentrale Bedeutung zu. Für Yalom (2001, S. 69) ist sie notwendig, „damit andere gruppentherapeutische Faktoren wirksam werden können“.
6.3.1 Interventionen auf der verbalen Ebene Nehmen die Konflikte zwischen den Kindern zu, so dass die Kinder nicht zu einer Themenfindung kommen, sich vielmehr gegenseitig provozieren, beschimpfen oder attackieren, ist es nicht ratsam, den normalen Ablauf der Sitzung zu erzwingen. Vielmehr können die Leiter den ablaufenden Gruppenprozess in ein Bild fassen, das die Kinder möglichst zu einer Spielszene anregt und den symbolischen Hintergrund für das Geschehen schafft. So kann der Leiter die Rangeleien von Zwölfjährigen folgendermaßen beschreiben: „Es kommt mir vor, als ob hier ein Bandenkrieg tobt, wo verschiedene Gangsterfamilien um die Vorherrschaft in Chicago kämpfen. Wo die verfeindeten Banden die Geschäfte der Gegner zertrümmern, die Autos in die Luft sprengen und Lagerhallen niederbrennen.“ Nehmen die Kinder dieses Bild auf, werden die Rollen aufgeteilt und die Szenerie aufgebaut. Dann kann das Spiel beginnen, in dem die Kinder ihre Kämpfe um Macht und Einfluss im „So-tun-als-ob“ des Symbolspiels ausspielen. Damit die Kinder diese beschreibenden Bilder aufnehmen, müssen sie altersgemäß sein und möglichst am bisherigen Spiel anknüpfen.
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6.3.2 Interventionen auf der Handlungsebene Anziehender und wirkungsvoller als die verbalen Interventionen sind für Kinder Interventionen auf der Handlungsebene. Die LeiterInnen wirken auf den Gruppenprozess ein, indem sie aus therapeutischen Überlegungen heraus eine bestimmte Position beziehen, aus der heraus sie in einer geeigneten Rolle therapeutisch operieren können (vgl. Heigl-Evers u. Heigl, 1972). a) Zu Beginn eines sich entwickelnden Gruppenkonfliktes fördern die TherapeutInnen aus einer teilnehmenden Beobachterrolle die Entfaltung und Entwicklung der Konfliktlösungen, die durch Abwehrmechanismen blockiert sind. Indem einer der TherapeutInnen die distanzierte Position eines kommentierenden und deutenden Beobachters, Berichterstatters oder Kommentators einnimmt und in der Rolle eines Zeitungs-, Rundfunk- oder Fernsehreporters interveniert, kann er den Gruppenkonflikt auf die Symbolebene führen. Um ein passendes Bild dafür zu finden, muss er aber zuerst den Grund des Konfliktes verstanden haben. Trumpfen die Kinder zum Beispiel auf, machen sie sich gegenseitig nieder, so kann er als Reporter live von einem Sumokampf berichten. Streiten sich die Kinder um Polster, kann er als Fernsehreporter heimlich Filmaufnahmen darüber machen, wie verfeindete Gangster um einen Transport geschmuggelter Waffen oder Diamanten kämpfen. Beschimpfen sie sich und drohen einander mit Schlägen, kann er als Sensationsreporter über eine Schlacht zwischen Rockerbanden schreiben. Werten sich Mädchen ab, kann die Therapeutin als Journalistin einer Modezeitschrift über Anfeindungen hinter den Kulissen beim Casting für Americaތs Next Topmodel berichten. Aus der teilnehmenden Beobachterrolle verfolgt ein Therapeut die intensiven emotionalen Gruppenprozesse, beschreibt und kommentiert sie laut, so dass die Kinder mit ihren Konfliktlösungen konfrontiert werden. Dadurch schafft er außerdem eine gewisse Sicherheit. Die Kinder erleben, dass er in der Beobachterrolle die Orientierungsfunktion in der Gruppe übernimmt, sich um Erkennen und Verstehen des Gruppenprozesses bemüht und aufzeigt, wo die Gruppe steht und wohin sie geht. In einer Gruppe von neunjährigen Jungen will sich jeder, nachdem in den vorausgegangenen Stunden die Rivalität sehr zugenommen hat, mit seinem Spielvorschlag durchsetzen. Daher werten sie gegenseitig ihre Vorschläge als „bekackt“ ab. Als die Leiterin die Rivalität anspricht, gehen sie nicht darauf ein, sondern trumpfen umso mehr mit ihrer angeblichen Stärke auf, werfen sich in Pose, machen sich gegenseitig nieder und beschimpfen sich
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zunehmend mit obszönen Ausdrücken. Auch das Dazwischengehen des Leiters ändert nichts. Die Jungen geraten in Wut und wollen sich schlagen. Da nimmt der Therapeut die Rolle eines Fernsehreporters ein, der eine Direktübertragung eines Wrestlingkampfes ankündigt: „Hören Sie, liebe Zuhörer zu Hause, wie die Kämpfer sich schon vor dem Kampf unflätig beschimpfen und niedermachen. Sehen Sie, wie sie Drohgebärden machen und kaum noch zu bremsen sind. Wir können höchst gespannt auf die Kämpfe sein, die nun gleich beginnen werden.“ Verdutzt halten die Jungen in ihrem Streit inne. Da fragt der Leiter, ob sie als Wrestlingkämpfer weiter kämpfen möchten. Die Jungen nehmen dieses Angebot, das zugleich Schutz bedeutet, sofort auf, zumal einige vor der aufsteigenden Wut erschrocken sind. Nachdem die Kinder ihre Rollen mit den entsprechenden Namen gewählt und sich als Partner zusammengefunden haben, machen sie die Therapeutin zur Ringrichterin. Der Therapeut behält seine Rolle als Fernsehreporter. Danach wird der Ring aufgebaut. Im Schutz des Symbolspiels können sie mit ihren imaginären Stärken auftrumpfen, sich gegenseitig beschimpfen, ohne sich wirklich zu verletzen, und ihre Wut ausspielen, ohne sich Gewalt anzutun. Zugleich handeln sie Lösungen aus, wie sie Sieg und Niederlage verteilen können, so dass jeder einen Sieg und eine Niederlage verbuchen kann. In der Berichterstattung hebt der Fernsehreporter die Fähigkeiten der einzelnen Kämpfer bewundernd hervor, spricht einfühlend aus, wie sehr die Schläge wehtun müssen und wie schwierig es sein muss, sich Schmerz, Furcht oder Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. b) Da die Gruppe von einem Therapeutenpaar geleitet wird, aktualisiert die Gruppensituation Geschwisterrivalitäten. Kinder streiten um die Zuwendung der TherapeutInnen und konkurrieren untereinander. So kommt es zum Wiederaufleben von Gefühlen wie Hass, Neid, Aggression und Angst. Gerade in der Anfangsphase bringen diese Affekte eine starke Belastung für die Gruppe mit sich, da die Steuerungsmöglichkeiten der Kinder begrenzt sind. Nehmen diese Konflikte so zu, dass die Gruppenkohäsion gefährdet ist und die Gruppe durch ausufernde Feindseligkeiten auseinanderzubrechen droht, können die LeiterInnen einen imaginären Außenfeind einführen, auf den die Aggression der Gruppe abgelenkt wird. Zehnjährige Jungen spielten in der vorausgegangenen Stunde Westernhelden, die die Stadt unsicher machten, den Sheriff (Therapeut) bedrohten und die Bank, die von der Therapeutin geführt wurde, plünderten. In dieser
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen Stunde kommen sie nicht zum Spiel, weil jeder der Bandenchef sein möchte. Da kommt die Therapeutin als Bankdirektorin hilferufend auf die streitenden Jungen zugerannt: „Hilfe, die Sioux kommen! Sie werden unsere Stadt niederbrennen und unsere Skalpe nehmen! Wir sind verloren! Und die Revolverhelden, die uns beschützen könnten, bekämpfen sich gerade jetzt und bemerken gar nicht die drohende Gefahr!“
Reicht eine solche Intervention nicht aus, um die Gruppenkohäsion zu festigen und der Gruppe über die Störung hinwegzuhelfen, kann einer der TherapeutInnen selbst die Gegnerposition einnehmen. Er übernimmt gezielt eine Rolle, in der er die Aggression der Kinder auf sich lenken und gleichzeitig von der Gruppe abziehen kann. Die Bedrohung durch den Außenfeind verbindet die Kinder untereinander. Der Gruppenzusammenhalt wächst, und die Gruppenspannung sinkt. Konstruktive Interaktionen können in Gang kommen, auch wenn sie zunächst nur aufgrund der Bedrohung zustande gekommen sind. In einer Kindergruppe von Zehnjährigen kommt es in der Anfangsphase der Gruppe schnell zu heftigen Konflikten, weil jeder der Jungen der omnipotenteste sein will. Jeder wählt sich aus dem Medienangebot eine mächtige Rolle aus und will Herkules, Batman, He-Man oder Rambo sein. War es in den vergangenen Stunden erst während der Spielhandlung zu Auseinandersetzungen um Macht und Einfluss gekommen, so bringen die Kinder in dieser Stunde schon heftige Auseinandersetzungen aus dem Wartezimmer mit. Sie machen sich gegenseitig nieder, werden immer ausfallender und beleidigender und sind durch die LeiterInnen nicht zu bremsen. An eine Anfangsrunde ist nicht zu denken. Als sie immer aggressiver werden und sich von den Stühlen zu stoßen versuchen, sprechen sich die LeiterInnen kurz ab. Die Therapeutin rennt dann in den Stuhlkreis und schreit: „Hilfe, Hilfe, King-Kong kommt!“ Der Therapeut, der sich ein braunes Tuch übergezogen hat, kommt langsam als King-Kong angeschritten, schmeißt die Sessel um, die er als Häuser oder Autos bezeichnet, und greift nach einem Jungen. Die Jungen lassen sofort von ihrer Auseinandersetzung ab und greifen King-Kong an. Sobald sie richtig für das Symbolspiel angewärmt sind, stoppt die Leiterin und sagt: „Können wir schnell die Szene einrichten? Wer seid Ihr? Welche Rolle soll ich haben? Wo findet der Kampf statt?“ Die Jungen wählen die Rollen von Supermännern und geben der Therapeutin die Rolle einer schönen Frau, die von King-Kong geraubt, von den Superhelden aber befreit werden soll. Sie bauen dann schnell die Wolkenkratzer
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von New York auf. Dann kann das Spiel weitergehen. King-Kong muss die schöne Frau, die nun zur Frau des amerikanischen Präsidenten wird, aus dem Weißen Haus rauben. Der amerikanische Präsident, im schnellen Wechsel durch den Leiter dargestellt, ruft die tapfersten Kämpfer aus aller Welt zusammen, um seine Frau befreien zu lassen. Er setzt eine riesige Belohnungssumme aus. Die Helden gehen dann vereint gegen King-Kong vor, der sich hinter einem Wolkenkratzer versteckt hält. Es entbrennt ein gewaltiger Kampf, in dem King-Kong den anstürmenden Helden Autos entgegenwirft. Diese besiegen mit ihren unterschiedlichen Stärken, Muskelkraft, der Fähigkeit fliegen zu können, Laserkanone und Karate, vereint King-Kong und legen ihn in einem heftigen körperlichen Kampf in Fesseln. Einigen sich Kinder in der Initialphase einer Stunde noch auf ein gemeinsames Spiel und kommen die Gruppenkonflikte erst im Laufe der Spielphase so zum Ausdruck, dass ein Weiterspielen unmöglich wird, können die LeiterInnen einen imaginierten Außenfeind einführen. Sind die Konflikte allerdings zu heftig, so dass die Kinder zur Kanalisierung der gegenseitigen Aggressionen einen realen Außenfeind benötigen, muss einer der Leiter seine bisherige Rolle ablegen und eine Rolle annehmen, in der er zur Bedrohung wird. Neunjährige haben sich geeinigt, Ritter zu spielen. Die Leiter werden zu Dienern gemacht. Die Ritter wollen ein Ritterturnier abhalten. Schnell kommt es aber zu heftigen Auseinandersetzungen, wer der stärkste Ritter im Turnier ist. Jeder möchte als Turniersieger hervorgehen. Die Jungen werden immer wütender, werfen gegenseitig ihre Pferde (Polster) um und beschimpfen sich als Spielverderber. Als es zu Handgreiflichkeiten kommt, rennt der Leiter in der Rolle eines Pferdeburschen in den Burghof und schreit: „Die Hunnen greifen an! Sie haben schon das Dorf niedergebrannt und reiten auf die Burg zu. Wir müssen schnell die Tore verbarrikadieren, Pech kochen und die Steinschleudern bereit halten.“ Die Jungen hören sofort mit der Rauferei auf und werfen sich heldenmütig in den Kampf gegen den imaginierten Feind. Da aber jeder Ritter der stärkste und mutigste sein will, kommt es jetzt darüber zum Streit, wer am meisten Hunnen getötet habe und wem der Sieg über den Feind zu verdanken sei. In diesem neu aufflackernden Zwist legen beide Therapeuten nach einer kurzen Absprache ihre Dienerrollen ab. Sie teilen den Jungen mit, sie würden als die Hauptmacht der Hunnen die Burg angreifen und die Niederlage der Vorhut rächen. Als Hunnenfürsten reden sie laut miteinander, dass sie mit den
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen untereinander verfeindeten und zerstrittenen Rittern schnellen Prozess machen, die Burg stürmen und die Ritter in Ketten abführen werden. Da beenden die Jungen ihre Auseinandersetzung, verbarrikadieren sich hinter der Burgmauer, schleudern Steine gegen die heranrückenden Hunnen, begießen sie mit Pech und überwältigen sie, als diese das Burgtor einrammen. Sie werfen sie in den Kerker, lachen sie aus, wie hässlich sie mit Pech verschmiert seien, und geben ihnen stinkendes und verschimmeltes Brot. Sie selbst feiern ein rauschendes Siegesfest. Bei diesem Fest müssen die Leiter nach einem erneuten Rollenwechsel als Diener die tapferen Ritter bewundern und ihnen riesige Portionen von Wildkeulen und Fässern von Wein auftragen.
Haben die TherapeutInnen im Spiel ohnehin schon Rollen, in denen sie Gegenspieler der Kinder sind, so können sie in diesen Rollen ihre Freude darüber zeigen, dass bei ihren Feinden Zwietracht ausgebrochen ist. Dieser Streit der Feinde komme ja wie gelegen, jetzt hätten sie leichtes Spiel, die Feinde ohne große Gegenwehr zu überwältigen und zu besiegen. Diese „Verschreibung des Streits“ führt meist dazu, dass sich die Kinder gegen diese Aufforderung zur Wehr setzen und den Feinden den Spaß verderben, indem sie sich zum Trotz verbünden und vereint den Feind angreifen. Eine weitere Möglichkeit, in der Anfangsphase der Gruppe Konflikte zwischen den Kindern zu mildern, besteht darin, den Streit unter den Tieren, Rittern oder anderen Rollen, die die Kinder gerade innehaben, als große Gefahr für die Gegenseite (die TherapeutInnen) zu bezeichnen, die unbedingt bekämpft werden müsse. Elfjährige Kinder wollen Außerirdische spielen, die LeiterInnen sollen amerikanische Raumforscher sein. Beim Aufbau ihres Raumschiffes fangen sie an zu streiten und zerstören sich gegenseitig ihre aufgebauten Raumschiffabteilungen. Die TherapeutInnen beobachten als amerikanische Astronauten auf ihren Bildschirmen diese Auseinandersetzungen und fragen sich ängstlich, ob bei den Außerirdischen eine Art Tollwut ausgebrochen sei. Sie rufen ihre Bodenstation an und bekommen den wichtigen Auftrag, die Außerirdischen schnell mit einem Serum zu impfen, damit sich diese Tollwut nicht auch auf die amerikanischen Forscher ausbreite und ihre wichtige Unternehmung gefährde. Bei diesem laut wiederholten Auftrag der Bodenstation stoppen die Kinder ihren Streit. Als die amerikanischen Astronauten an das Raumschiff der Außerirdischen andocken wollen, um diese zu impfen, werden sie in eine Falle gelockt. Die Außerirdischen
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nehmen ihnen dann das Serum ab und spritzen sie mit dem Tollwutvirus, so dass die Amerikaner Wutanfälle bekommen. Die Kinder geben den TherapeutInnen dabei die Anweisung, sie müssten aufeinander losgehen, einander verschlagen und erst wieder zur Ruhe kommen, wenn sie von den Außerirdischen ein Beruhigungsmittel gespritzt bekämen. Die Kinder amüsieren sich dann darüber, wie die beiden Astronauten in Streit geraten und tollwütig aufeinander losgehen. Sie geben ihnen abwechslungsweise eine Beruhigungs- und eine Aufputschspritze. Diesen Wechsel von Streit und Beruhigung müssen die Leiter einige Male wiederholen. Dann klären die Außerirdischen die Astronauten auf, dass sie gar nicht im Ernst gestritten hätten, sondern nur aus Spaß, um ihre Kräfte zu messen. Die Amerikaner erkundigen sich, woran sie bei den Außerirdischen unterscheiden könnten, ob ein Streit im Ernst oder im Spaß geführt werde. Die Außerirdischen antworten, ein Streit sei bei ihnen erst dann ernst, wenn sie sich richtig weh tun würden. Raumschiffe zerstören sei bei ihnen nicht schlimm, weil sie schnell neue bauen könnten. Diese Erklärung übermitteln die Astronauten an die Bodenstation, damit die Forschungsstation für außerirdische Wesen diese Erkenntnisse festhalten kann. Ist die Kohäsion in einer späteren Phase der Gruppenentwicklung gefestigt, brauchen die Kinder Hilfe, sich mit ihren Konfliktpartnern auseinanderzusetzen und Lösungen zu finden. Diese Unterstützung können die LeiterInnen in verbalen Interventionen geben, vor allem, wenn die Kinder schon reifer sind. Sie beschreiben die Gruppendynamik, wie die Kinder etwa in der Anfangsrunde aus Rivalität ihre Ideen gegenseitig abwerten, jeder seinen Vorschlag durchsetzen will und zu keinem Kompromiss bereit ist. Oder sie können identifikatorisch an einem Konfliktlösungsversuch teilnehmen und den im Lösungsversuch enthaltenen Schutzmechanismus und das Sicherheitsgefühl ansprechen, wie zum Beispiel: „Ich kann gut verstehen, dass keiner mehr einen Vorschlag machen möchte, ich hätte auch Bedenken, mich offen zu äußern, wenn die anderen gleich über mich herfallen und meinen Vorschlag als beschissen oder blöd abtun.“ Sie können den Kindern auch ihre Interaktionen spiegelnd vorhalten. In dieser späteren Phase der Gruppenentwicklung ist es wichtig, dem Drang der Kinder, schnell ins Spiel überzugehen, nicht nachzugeben, ohne den Konflikt ausgetragen zu haben. Die LeiterInnen müssen aushalten, dass die Kinder es „blöd“ finden, einen Konflikt zu besprechen, und drohen, nicht mehr in die Gruppe zu kommen. Ohne Einigung auf ein Thema, ohne Absprachen und das Sich-in-BeziehungSetzen in den Rollen scheitert jedes Spiel. Geben die LeiterInnen zu schnell
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„faulen“ Kompromissen nach, wird der Konflikt nur in die Spielphase verschoben. Die LeiterInnen dürfen sich durch diese Drohungen nicht beunruhigen lassen, sondern müssen die Spannung aushalten, auch wenn in einer Stunde kein Spiel zustande kommt, weil die Kinder zu keinem Kompromiss oder zu keiner Absprache bereit sind. Diesen Dissens auszuhalten, ist für die Kinder eine wichtige Lernerfahrung. Gerade in unserer pluralistischen Gesellschaft benötigen Kinder diese Fähigkeit. Auch während der Spielphase bedarf es der Interventionen der LeiterInnen. Sie unterbrechen kurz das Spiel, „frieren es ein“, um den Kindern dabei zu helfen, sich mit ihren Konfliktpartnern auseinanderzusetzen und kompetente Bewältigungsstrategien zu erarbeiten. Vor allem brauchen sie Hilfe, um Lösungen zu finden, wie sie wechselseitig stark und schwach, mächtig und ohnmächtig sein können. Ein aggressiver Junge fällt in der Rolle eines Cowboys zwei gehemmte Mädchen an, die als Indianerinnen Heilkräuter sammeln. Er überwältigt sie aufgrund seiner überlegenen Körperkraft und will sie fesseln. Die beiden Mädchen protestieren und weigern sich, die Unterlegenen zu spielen. Während die anderen Kinder weiterspielen, klärt die Leiterin mit dieser Untergruppe, wie ein gemeinsames Spiel weitergehen könnte. Sie deutet die Aktion des Jungen positiv um und sagt: „Franz, ich sehe, du willst mit den beiden Mädchen spielen. Wie kann denn das gehen, dass du ein starker Cowboy, die beiden Mädchen aber auch starke Indianerinnen sein können?“ Darauf sagt Franz: „Ich will sie ja nur kurze Zeit fesseln. In der Nacht können sie sich meinetwegen befreien und davonschleichen.“ Die Leiterin entgegnet: „Ich weiß nicht, ob die Mädchen damit einverstanden sind. Vielleicht wollen auch sie mal zeigen, welch tapfere Indianerinnen sie sind?“ Daraufhin stellen die Mädchen ihre Bedingungen: „Wir lassen uns nur fesseln, wenn wir dich dann nachts überwältigen und in unser Lager schleppen können.“ Franz weigert sich aber, diesen Vorschlag anzunehmen. Um ihm bei einem Kompromiss zu helfen und auch die anderen Kinder in dieses Spiel mit einzubeziehen, fragt die Leiterin: „Könnte es sein, dass dir dann die anderen Cowboys zu Hilfe kommen, nachts in das Lager schleichen und dich vom Marterpfahl befreien?“ Dieser Alternative können Franz und auch die anderen Kinder zustimmen. Indem beide Parteien die Rolle des Überund Unterlegenen zu tauschen bereit sind, finden sie zu einer Einigung und können das Spiel fortsetzen.
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Die zum Teil sehr gering entwickelte Fähigkeit der Kinder zur Selbststeuerung verlangt, dass die LeiterInnen aktiv zur Orientierung der Kinder und zur Strukturierung des Ablaufs der Sitzungen beitragen müssen. Um eine ausufernde Gruppendynamik zu verhindern, müssen sie immer wieder Möglichkeiten für Absprachen eröffnen und Vorschläge einbringen, wie eine Einigung erreicht werden kann, wie eigene Bedürfnisse so befriedigt werden können, dass die Integrität der anderen nicht verletzt wird. Eine Jungengruppe von Zehnjährigen hat sich auf das Spielthema: „Kampf der Ninjas gegen die Marines“ geeinigt. Die beiden Armeen verschanzen sich im Dschungel und beschießen sich gegenseitig. Da keiner getroffen sein will, entsteht schnell Ärger. Die Jungen beschimpfen sich gegenseitig, und das Spiel droht in ein Chaos auszuarten. Der Leiter unterbricht kurz das Spiel und macht den Vorschlag, Totsein so darzustellen, dass man sich hinlegt und auf 50 oder 100 zählt. Die Kinder einigen sich, dass jeder Totgeschossene auf 50 zählen müsse und dann erst als neuer Kämpfer in den Krieg eingreifen dürfe. Nachdem die Jungen sich bei dem Konflikt: MächtigOhnmächtigsein auf diese Regel geeinigt haben, können sie weiterspielen. Doch bald kommt es zu einem neuen Streit. Die Gruppe der Ninjas will, dass die Marines in eine Bambusfalle geraten, aus der sie sich nicht mehr befreien können. Die Gruppe der Marines dagegen beharrt auf ihrem Vorschlag, die Ninjas würden in einen Hinterhalt geraten und abgeknallt werden. Auf die Intervention des Leiters hin, dass keine Gruppe bereit sei, nur die Unterlegenen für die anderen zu spielen, finden sie in einem Aushandlungsprozess einen Kompromiss: Die Marines erklären sich bereit, zunächst in den Hinterhalt zu geraten und gefangen zu werden. Sie verlangen aber als Gegenleistung, dass sie heimlich einen unterirdischen Fluchtweg graben, entkommen und die verfolgenden Ninjas in eine Falle locken können. Sie müssen sich dann ergeben und sich gefangen nehmen lassen. Die Gruppe der Ninjas willigt nur unter der Bedingung ein, dass sie sich in der Nacht befreien und entkommen kann. Erst dieses wechselseitige Aushandeln ermöglicht einen konstruktiven Fortgang des Spiels und führt zur Überwindung der erstarrten Konserven, in Konfliktsituationen immer nur über die Rolle des Mächtigen verfügen zu wollen. Um der Regel, sich nicht körperlich oder seelisch weh zu tun, Geltung zu verschaffen, müssen die LeiterInnen auch dazwischen gehen, den Kampf oder die abwertende Beschimpfung stoppen und notfalls die in Wut geratenen Kampf-
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hähne trennen und festhalten, bis sie sich beruhigt haben. Dieses Setzen von Grenzen schützt und hält die Kinder. Da bei den meisten Kindern eine Begegnungs- und Beziehungsfähigkeit nicht vorausgesetzt werden kann, können die LeiterInnen auch in den übertragenen oder selbstgewählten Rollen zu einer Entwicklung und Ausdifferenzierung dieser Fähigkeiten beitragen. Die Interventionen auf der Handlungsebene haben den Vorteil, dass sie die Kinder auf der Symbolebene ansprechen und das Spiel nicht unterbrechen. Außerdem opponieren die Kinder bei diesen Interventionen weniger gegen die Anweisungen der Erwachsenen. Vor allem die Methode des stützenden Doppelns und des Doppelgängers ermöglicht den TherapeutInnen, die Ich-Funktion der Kinder zu stärken und einen Lern- und Wachstumsprozess im Kompromisse finden und Konflikte gewaltfrei lösen in Gang zu setzen. Wenn sich Kinder in der Initialphase der Stunde gegenseitig ihre Beiträge abwerten, sich beschimpfen und bedrohen, können die TherapeutInnen sie als rivalisierende Mafioso-Familien bezeichnen und verkünden, dass das Oberhaupt aller Mafiosi, Al Capone, einen Unterhändler ausschickt, um die verfeindeten Familien zu befrieden. In der Hilfs-IchRolle des Unterhändlers geht der Therapeut von einem Mafioso zum anderen und erfragt die Friedensbedingungen und Friedensangebote. Diese übermittelt er den verfeindeten Mafiosi so lange hin und her, bis eine Waffenruhe oder ein Friedensschluss hergestellt ist. Einigen sich die Kinder noch auf ein gemeinsames Spielthema, bricht aber dann der Streit in der Bauphase aus, wenn die Kinder um Polster kämpfen oder sich gegenseitig die Tücher wegreißen, dann können die LeiterInnen in einer stützenden oder explorierenden Doppelgängerrolle intervenieren. Reißen sich zum Beispiel Kinder, die Astronauten spielen, beim Bau ihrer Raketen Polsterelemente weg und klagen sich gegenseitig an, greift ein Therapeut als Sicherheitspolizei von Cap Canaveral ein und leitet als explorierender Doppelgänger eine Untersuchung über angebliche Sabotageakte ein. Spielen die Kinder dagegen Zootiere, macht sich ein Therapeut als Zoowärter laut Sorgen um die Tiere, die sich um das Baumaterial für ihre Höhlen und Nester streiten. Auch bei Kämpfen während des Spiels haben die TherapeutInnen die Möglichkeit, in passenden Rollen, so zum Beispiel als Königsbote, wenn die Kinder als Ritter in Streit geraten sind, zu vermitteln und ihnen zu helfen, Lösungen für ihre Konflikte auf der Symbolebene zu erarbeiten. Zwölfjährige Kinder spielen Forscher, die unter dem Nordpol eine Wunderwaffe entwickeln. Als sie in heftigen Streit geraten, weil sich keiner an
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die Absprachen hält, sucht die Therapeutin als Ärztin des Sicherheitsdienstes die Forschungsstation auf. Es bestehe der Verdacht, dass unter den Forschern die gefährliche Polarwut ausgebrochen sei. Explorierend untersucht sie, wie es zu diesem Streit kam. Nur so könne sie feststellen, ob es die gefährliche Polarwut oder ein ganz normaler Streit unter Forschern sei. Zugleich versucht sie in ihrer Rolle den Kindern zu helfen, Lösungen für ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu finden. Da die amerikanische Regierung auf keinen Fall wolle, dass dieses wichtige Forschungsunternehmen scheitere, sei sie beauftragt, für ein friedliches Zusammenleben zu sorgen und den Forschern in der schwierigen Situation des Eingeschlossenseins zu helfen, Konflikte ohne Gewalt zu regeln. Einfühlend doppeln können die TherapeutInnen bei Auseinandersetzungen, indem sie in ihren Rollen in einer identifikatorischen Teilnahme Gedanken und Gefühle verbalisieren, die sie bei den Kindern in der Konfliktsituation wahrnehmen. Sie können zum Beispiel als Tierhüter aussprechen, welche Angst es den wilden Tieren wohl machen müsse, wenn plötzlich jedes gegen jedes kämpfe; wie anstrengend es für den mächtigen Löwen sein müsse, immer die anderen Tiere zu bedrohen, nur weil er befürchte, sonst angegriffen zu werden; wie schwierig es wohl für den Panther sei, den Kampf mit dem Tiger zu beenden und sich in seine Höhle zurückzuziehen, ohne das Gesicht bei den wilden Tieren zu verlieren. Über den Rollentausch können die TherapeutInnen den Kindern ihren Konflikt wie in einem Spiegel vorhalten und in diesem „immanenten Spiegel“ ihre Abwehr und Verleugnung aufheben. Zwischen zehnjährigen Jungen, die Astronauten spielen, ist ein heftiger Streit ausgebrochen. Zwei Jungen, die den anderen vier Jungen körperlich unterlegen sind, wehren ihre Ängste über aggressives, auftrumpfendes Verhalten ab. Die LeiterInnen, die ein Dinosaurierpaar auf einem unentdeckten Planeten spielen, ziehen sich in ihre Höhle zurück und unterhalten sich laut miteinander. Der Dinosauriermann erzählt, wie es ihm neulich ergangen ist, als er mit einem riesigen Saurier in Streit geraten ist. Eigentlich habe er furchtbare Angst vor ihm gehabt und hätte am liebsten den Kampf vermieden. Doch habe er befürchtet, der könnte ihn, wenn er seine Angst zeige und sich zurückziehe, auslachen und vor den anderen Urtieren beschämen. Da habe er seine Angst überspielt und ihn, ihm zuvorkommend, angegriffen. Wohl habe er dadurch einen ersten Überraschungssieg erringen
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen können, doch sei es ihm letztlich schlecht ergangen. Die Dinosaurierfrau erinnert sich, mit welch schweren Verletzungen er heimgekommen sei. Er hätte doch besser zu seiner Angst gestanden. Monatelang sei er verletzt in der Höhle gelegen. Während dieses Gesprächs rücken die Kinder näher an die Höhle heran und sagen, die Dinosaurier würden das nicht bemerken. Als der Dinosauriermann über seine Angst redet, sagt einer der auftrumpfenden Jungen, er solle nochmals wiederholen, was er über seine Angst gesagt habe.
Die Spiegeltechnik eignet sich besonders, spezielle Muster konflikthafter zwischenmenschlicher Beziehungen, Rollen, Positionen in der Gruppenstruktur, Gruppenkonstellationen, gruppenspezifischer Prozesse und Konfliktlösungen zu spiegeln. Außerdem können die TherapeutInnen in einem Selbst- oder Zwiegespräch Gedanken und Gefühle der Kinder in diesen kritischen Situationen stellvertretend verbalisieren. Eine Gruppe von elfjährigen Jungen hat sich in einem rigiden Interaktionsmuster des Rivalisierens verfangen. Die beiden dominanten Jungen, Manfred und Peter, tragen ihre Rivalität nicht offen aus. Peter unterwirft sich zunächst den kreativen Spielvorschlägen von Manfred, versucht aber im Spiel die drei anderen, gehemmten Jungen heimlich auf seine Seite zu ziehen, um die Ideen von Manfred zu sabotieren. In dieser Stunde einigen sich die Jungen, Raubritter zu spielen. Die TherapeutInnen sollen reiche Grafen sein, die überfallen und ausgeraubt werden. Der wortgewandte Manfred schwingt sich sofort zum Anführer der Raubritter auf. Als die Leiter nachfragen, ob die anderen damit einverstanden seien, dass Manfred der Anführer sei, stimmen sie zu. Auch als Manfred im Spiel genau festlegen will, wie der Überfall auf die reichen Grafen abzulaufen habe, widersprechen die anderen Jungen nicht. Peter flüstert aber heimlich mit den anderen Jungen. Als Manfred dann das Zeichen zum Überfall gibt, gehorchen sie nicht seinem Befehl, sondern stehlen sein Pferd und reiten damit lachend fort. Manfred regt sich furchtbar darüber auf und beschimpft Peter, dass er das Spiel kaputt mache. Er spiele nicht mehr mit. Die TherapeutInnen bleiben in ihren Rollen, flüchten sich auf ihr Schloss und spiegeln laut dieses Interaktionsmuster: „Wie kommt es, dass die Raubritter, die uns das Leben bisher so schwer gemacht haben, so uneins sind? Ob Raubritter immer so mit Rivalität umgehen, dass sie sich zunächst einem Führer unterwerfen, ihm aber bei der nächst besten Gelegenheit in den Rücken
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fallen?“ Darauf ruft Peter: „Manfred bestimmt auch immer alles!“ Die Therapeuten reden als Grafen weiter und fragen in einem explorierenden Doppeln: „Haben die Raubritter Angst vor einer offenen Auseinandersetzung? Befürchten sie, bei einem Machtkampf könnte alles auseinanderbrechen?“ Die Gräfin meint: „Das glaube ich nicht. Die sind doch sonst so stark und mutig.“ Der Therapeut bietet dann in einem stützenden Doppeln alternatives Verhalten an: „Bei uns am Hof melden die Edelritter offen ihren Anspruch auf Führung an und suchen so lange nach Lösungen, bis jeder damit zufrieden ist.“ In einem einfühlenden Doppeln wendet die Gräfin aber ein: „Du hast wohl vergessen, dass du beim letzten Feldzug auch über die anderen Ritter bestimmt hast. Die sind auch ganz schön sauer auf dich gewesen.“ Der Graf gibt zu: „Ja, ich habe das gar nicht bemerkt. Ich hatte eben die besten Ideen. Ich war schon enttäuscht und wütend, als die anderen sich dann beschwerten. Froh war ich aber, dass sie nicht einfach von mir abgefallen sind, sondern offen ihre Unzufriedenheit ausgesprochen haben. Und glücklicherweise haben wir auch die Lösung gefunden, dass wir jeden Tag mit der Führung des Heeres abwechseln können.“ Darauf sagt Manfred zu Peter: „Du kannst ja beim nächsten Angriff der Anführer sein.“ Franz, eines der gehemmten Kinder, protestiert, jeder müsse mal drankommen. Die Gruppe einigt sich dann darauf, dass in dieser Stunde jeder Mal Anführer sein dürfe. Wird die Angst vor Rivalität und Streitigkeiten zu groß, neigen die Kinder dazu, sie abzuwehren und die Auseinandersetzung auf die TherapeutInnen zu verlagern. Sie versuchen, sie zu Außenfeinden zu machen, auf die sie dann die ganze Aggression lenken. In einem weiteren Ausweichmanöver versucht jedes Kind sein individuelles Spiel auf einen der LeiterInnen auszurichten und mit ihm die Allmachtsphantasie auszuspielen, ohne sich mit den anderen Kindern auseinandersetzen zu müssen. Dieses Ausagieren an den TherapeutInnen dient dazu, die Rivalitätskonflikte unter den Gruppenmitgliedern zu vermeiden und zu verbergen. Diesem Widerstand sollten die Leiter nicht folgen, das Spiel der Kinder nicht mitspielen, sondern über eine agierte Deutung die Kinder aufeinander beziehen. In einer Kindergruppe von Neunjährigen will jeder Junge der Größte sein. Da sie aber eine Auseinandersetzung untereinander scheuen und ihre Rivalitätskonflikte abwehren, versucht jedes Kind, sein individuelles Spiel mit einem der TherapeutInnen zu spielen. Es kommt zu unzusammen-
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen hängenden Szenen, in denen jeder als omnipotenter, unverwundbarer, mit überlegener Technik ausgestatteter Einzelkämpfer in Einzelkämpfen die Monster, die von den TherapeutInnen gespielt werden, bekämpft und vernichtet. In einer Kampfpause wundern sich die Monster, warum bei den Menschen jeder Held für sich allein kämpft und sich nicht mit anderen Helden verbündet. Dadurch hätten sie es doch leichter, die Monster zu besiegen. In einer Deutung fragen sie sich, ob die Helden wohl befürchten, es würde dann ein Streit darüber ausbrechen, wer der größte Held sei, wer den größten Anteil am Sieg habe. Da die Kinder aber weiterhin in ihrem stereotypen Spielmuster verharren, verändern die TherapeutInnen ihre Rollen. Sie teilen den Kindern mit, es kämen nun mächtigere Monster, die nicht von einem einzelnen Helden besiegt werden könnten. Die Helden hätten gegen diese nur dann eine Chance, wenn sie sich zusammentun und sich mit ihren unterschiedlichen Stärken ergänzen. Außerdem müssten sie sich absprechen, wie sie die Monster zur gleichen Zeit und von allen Seiten angreifen. Sie weigern sich solange, sich besiegen zu lassen, bis sich die Kinder absprechen und gemeinsam gegen die Monster vorgehen.
6.3.3 Beziehungsstiftende Interventionen In Gruppentherapiesitzungen erlebt man immer wieder Situationen wie die Folgende: Sechs Jungen wollen Pokémons spielen, wir sollen Pokémonforscher sein. Zuerst demonstrieren sie ihre Attacken als Kampftiere: Bisasam feuert einen Solarstrahl ab, Mewtu entfacht einen Sturm, Bisaflor zerhackt alles mit seinen Rasierblättern und Turtok zertrümmert Felsen. Und da dies allen in ihrer Fantasie passiert, gestikulieren sie nur wild und kommentieren ihre Bewegungen. Dann beginnen sie, sich gegenseitig zu bedrohen. Da aber keine auf die besondere Stärke und Attacke des anderen eingeht, im Gegenteil, jeder will über den anderen triumphieren, wird das Spiel schnell chaotisch. Jeder schreit, er sei dem anderen zuvorgekommen und habe ihn besiegt. Um stärker als der Gegner zu sein, verwandeln sie sich auf einen höheren Machtlevel. Versteckt hinter Felsen liegend äußern wir als Pokémonforscher unsere Angst, es könnte ein gewaltiger Krieg unter den Pokémons ausgebrochen sein. Es sei wohl besser, schnell zu flüchten, bevor wir noch entdeckt werden. Da lassen die Pokémons voneinander ab und
6.3 Interventionen bei Beziehungskonflikten unter den Kindern
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greifen uns an. Jeder benutzt aber einen der Therapeuten, um an ihm seine Attacke auszuführen – ohne Bezug zu den anderen. So muss sich der Therapeut z.B. von Arktos Kältestrahl einfrieren lassen, im nächsten Moment von Gluraks Feuerstrahl verbrennen und möglichst zur gleichen Zeit von Mewtus Sturm durch die Luft schleudern lassen.. Jeder Junge spielt in diesen beiden Spielszenen einen völlig autarken, grandiosen Helden, der mit niemanden in Beziehung steht, der nur ein Opfer benötigt, um sich über dieses aufzuwerten. Lässt man solche Kinder gewähren, folgt man ihren Handlungen nur mit Spiegeln und Kommentieren, so bleiben diese Kinder in ihren rigiden Rollenkonserven, in einem ausweglosen Beziehungsmuster haften, da sie keine alternativen, dialogischen Handlungsstrategien aufgebaut haben – das mussten wir in den Anfängen unserer gruppentherapeutischen Arbeit schmerzlich lernen. Erst als wir unser Mitspielen so veränderten, dass wir die Kinder über Interventionen anregten, ihre konservativen Inszenierungen aufzugeben und ihr Rollenverhalten progressiver umzugestalten, konnten wir ihnen weiterhelfen. Indem Kinder in den Gruppentherapiestunden die Rolle mit starken Heldenfiguren tauschen und die Heldengeschichten ausspielen, schaffen sie Gegenbilder zu den Gefühlen von Wertlosigkeit, Hilflosigkeit und Verlassenheit. (vgl. Heinemann 1993). Dieses Als-Ob-Spiel ermöglicht ihnen die Kontrolle über die Umwelt und damit die Entwicklung des Gefühls der Selbstwirksamkeit. Außerdem verkörpern diese Supermänner und Superfrauen die progressive Seite der kindlichen Entwicklung, den Verselbstständigungsimpuls. Ausgerüstet mit allen erdenklichen Fähigkeiten müssen diese Helden keine Gefahr scheuen und können sich allem Unbekannten und Fremden ohne Ängste und Bedenken nähern ( vgl. von Hänisch, 1982). Kinder nützen also – darauf weisen entwicklungspsychologisch fundierte Medien-Forschungsansätze hin – ausgehend von ihrem Identitätsthema die Medien, um ihre Entwicklungsaufgaben und Alltagserfahrungen angemessen zu bearbeiten. Die moderne Sozialisationsforschung, (z.B. Hurrelmann, 1983) sieht dabei das Kind als aktiven Rezipienten, das die Medienvorlagen produktiv verarbeitet und die Actionserien eigenwillig für seine Zwecke umgestaltet. Das Fernsehangebot dient ihm als „Steinbruch“ oder „Baustelle“ – wie es die Medienpädagogin Ingrid Paus-Haase (1998, S. 13) bezeichnet. Kinder versehen die Fernsehhelden mit eigenen seelisch-sozialen Bedeutungen und sie gestalten sie um und entwickeln sie weiter, wie folgendes Beispiel zeigt:
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen Ralf, ein 9-jähriger, der eine starke Sehnsucht nach einer Vaterfigur hat, aber durch wechselnde Männerbekanntschaften seiner alleinerziehenden Mutter enttäuscht wurde, wählt in einer Sitzung der Kindergruppe die Rolle des mächtigen Tutok und setzt bei den anderen Kindern in der Anfangsrunde durch, dass die Therapeutin eine Pokémonfängerin und der Therapeut ein Pokémontrainer sein soll. Während die Therapeutin als Fängerin von den Pokémons angegriffen und von ihren Attacken verwundet wird, wird der Therapeut von Ralf in seine Felsenhöhle eingesperrt. Als Trainer wundert er sich, laut vor sich hin sprechend, dass Turtok ihn einsperrt und gar nicht für sich gebraucht. Turtok könne sich wohl nicht vorstellen, dass er freiwillig bei ihm bleiben möchte, ja sogar stolz sei, so ein mächtiges und prächtiges Pokémon trainieren zu dürfen. Vielleicht habe er auch mit früheren Trainern schlechte Erfahrungen gemacht. Nach diesem Selbstgespräch nähert sich Ralf und sagt, der Trainer müsse meterdicke Stahlplatten herbeischaffen, dass er trainieren könne. Und unter seinem bewundernden Spiegeln zerschlägt er die dicksten Platten und genießt den „Glanz in seinen Augen“.
Kinder verleihen jedoch den Medienvorlagen nicht nur aktiv Bedeutung. Medien konstruieren auch Wirklichkeit mit und nehmen so Einfluss auf das Weltbild der Kinder. Sie sind neben dem Elternhaus, dem Kindergarten und der Schule in einem starken Maße an der Sozialisation von Kindern beteiligt. Daher stellt sich die Frage, welche Interpretationsmuster diese Angebote mitliefern und wie sich diese Deutungsmuster der sozialen Welt innerseelisch beim Kind abbilden, und wie sie die Denk-, und Wahrnehmungs- und Erlebnismuster von Kindern beeinflussen (vgl. Zaepfel und Metzmacher 1999). Die modernen Helden unterscheiden sich häufig ganz wesentlich von den Helden in den Märchen, Sagen und Mythen. Gerade diese Abweichungen zeigen spezifische, unserer Zeit zu zuschreibende Veränderungen. So konnten die „alten Helden“ noch Schwäche eingestehen, bedurften der Hilfe und wurden dadurch beziehungsfähig. Oder sie halfen anderen und erfuhren dann von diesen auch Hilfe in der Not. Gerade dies fehlt den modernen Helden, diesen „mächtigen Einzelnen“. Sie sind Vorsatzstücke von Kampf, Grandiosität und Omnipotenz. So ist z.B. Terminator, die bekannteste Medienfigur für Kinder auf der ganzen Welt, eine empfindungslose, unverwundbare und unschlagbare Tötungsmaschine, die von Gefühlen nicht weiter berührt wird. Bei den modernen Helden steht die Technik und körperliche Stärke anstelle von menschlichen Beziehungen. Die Unverwundbarkeit, das Fehlen von Bedürfnissen und Gefühlen verkörpert die perfekte
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Größenfantasie. Er kann alle Gefahren verleugnen, da er unverwundbar ist, keine Bedürfnisse und alles unter Kontrolle hat. So ist er von nichts und niemanden abhängig (vgl. Reifschneider 1998). Diese fehlende Beziehungsfähigkeit der heutigen Actionhelden kommt gerade Kindern entgegen, die Beziehungsschwierigkeiten und ein unsichervermeidendes Bindungsmuster haben, die in ihrer Familie, im Kindergarten oder in der Schule schlechte Beziehungserfahrungen gemacht haben. Ja die Identifikation mit diesen Helden verstärkt noch ihre Beziehungslosigkeit. In der Gruppentherapie spielen sie dann autarke, grandiose Helden, die nichts und niemanden brauchen, höchstens einen Unterlegenen, über den sie sich aufwerten. Daher ist es eine wichtige Aufgabe innerhalb der Gruppentherapie, nicht nur Mitspieler beim Spiel der Kinder zu sein, sondern auch Regisseur, der die Spielund Beziehungsinszenierungen der Kinder so zu beeinflussen versucht, dass automatisch ablaufende, starre Muster unterbrochen werden und Kinder neue Beziehungsmöglichkeiten finden. Über therapeutische Interventionen sollten Möglichkeiten eröffnet werden, dass Kinder in Beziehung zueinander kommen und Solidarität und hilfreiche Beziehungen untereinander entwickeln und damit einen wichtigen Schutzfaktor aufbauen. Denn je belastender die Familien- und Lebenssituation für Kinder ist, desto wichtiger wird die Fähigkeit, mit Gleichaltrigen Freundschaften entwickeln und aufrechterhalten zu können. Im Zusammenhang mit Kindergruppen wurde die Solidaritätsentwicklung bisher wenig beachtet, worauf Rahm (2000) hinweist. Wir haben in den 34 Jahren unserer gruppentherapeutischen Arbeit die Erfahrung gemacht, dass hier ein besonderes Potential der Gruppentherapie steckt. Für die meisten Kinder in unseren Gruppen ist die Erfahrung neu, im Verlauf des Gruppenprozesses für andere Kinder wichtig zu werden, einander etwas geben und helfen zu können. Hatten sie bisher eher die Erfahrung im Kindergarten oder in der Schule gemacht, als Störer ausgegrenzt und ausgeschlossen zu werden. Gerade Moreno hat schon früh in seinen Schriften betont, dass diese Erfahrung des Sich-Gegenseitig-Helfen-Könnens, die kooperative gegenseitige Hilfe als ein wesentlicher Faktor der Gruppentherapie zu sehen ist. Um Kinder aufeinander zu beziehen, ihnen das Gefühl zu vermitteln, aufeinander angewiesen zu sein und hilfreiche Beziehungserfahrungen zu ermöglichen, schaffen wir in der Psychodrama-Gruppentherapie immer wieder Bedingungen, die ein Zusammenspiel, ein kooperatives Verhalten erfordern. Welche Interventionen wir dabei einsetzen, ohne Kinder ihre Identifikation mit den
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mächtigen Helden, ihren Schutz zu nehmen, Beziehungen regulieren und kontrollieren zu können, möchten wir nun an einigen Fallbeispielen ausführen: 1. Über Interventionen versuchen wir immer wieder Bedingungen zu schaffen, die ein Zusammenspiel, ein kooperatives Verhalten erfordern und Kindern die Erfahrung ermöglichen: „Vereint sind wir stark.“ Die Kinder wollen die Power Rangers sein und wir Außerirdische, die die Welt erobern wollen. Ohne jede Absprache, ohne Zusammenspiel versucht jeder für sich allein, uns Außerirdische zu besiegen. Jeder fegt uns mit seiner Laserkanone weg. Und wir müssen dann wieder als neue Außerirdische in den Kampf treten, ohne jegliche Chance. Nachdem die Kinder diese Szene einige Male wiederholt haben und sie etwas kampfmüde werden, ruft der Therapeut als Kommandant der Außerirdischen bei einem imaginierten Kundschafter an und er erkundigt sich, ob es eine Chance gebe, die starken Power Rangers zu besiegen. Den Funkspruch teilt er laut der Kommandantin mit: „Der Kundschafter hat beobachtet, dass jeder der Power Rangers für sich allein kämpft und sie nie zusammen auftreten. Das ist unsere Chance. Wir müssen nur einen einfangen, das merken die anderen gar nicht. So können wir einen nach dem anderen ausschalten.“ Natürlich hören die Kinder diesen Funkspruch, ziehen sich zurück und einer nähert sich dann unserem Raumschiff. Wir springen heraus und fangen ihn, da stürzen die anderen aus dem Hinterhalt und überwältigen uns mit Gelächter. Eine weitere Eröffnung von Möglichkeiten der Zusammenarbeit versuchten wir in der nächsten Stunde. Im Laufe des Spieles funkt der Therapeut der Kommandantin zu, er hätte die vier Spezialschlüssel, mit denen man den Zugang zum Raumschiff öffnen kann, verloren – zuvor hatte er vier BaufixTeile im Raum verteilt. Sie ist entsetzt, jetzt seien wir verloren. Er beruhigt sie, die Power Rangers wüssten ja nicht, wenn sie die Schlüssel finden, dass das Schloss nur dann zu öffnen ist, wenn alle ihren Schlüssel zur gleichen Zeit ins Schloss stecken. Darauf kämen die nie. Natürlich ist der Funkkontakt so laut, dass die Kinder ihn hören können. Sofort machen sich die Power Rangers auf die Suche. Obwohl nur Tobias und Ergun Schlüssel finden, geben sie auch den anderen welche. Strahlend stecken sie gemeinsam die Schlüssel in das Schloss, öffnen die Tür und überwältigen uns.
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Solche Interventionen helfen auch einzelnen Kindern, die in der Gruppe ohne Bezug zu den anderen Kindern ihre Größenfantasien ausspielen wollen, in eine positive Interaktion zu kommen: In einer Kindergruppe, in der der 6-jährige Paul wegen starker Aggressivität und Beziehungsproblemen in der Gleichaltrigengruppe aufgenommen wurde, schlagen die Kinder vor, ein gefährlicher riesiger Troll (Therapeut) sei ins Schloss Hogwarts eingedrungen und überrasche Hermine im Mädchenklo. Harry und Ron würden sie aber retten, und der Direktor Dumbledore (Therapeutin) würde sie dafür auszeichnen. Wieder will Paul als Harry es allein schaffen, den Troll zu besiegen. Um Kooperation zu ermöglichen, hält der Therapeut entgegen, der zehn Meter große Troll könne nur überwältigt werden, wenn Ron und Harry ihn zur gleichen Zeit mit ihren Zauberstäben berühren und einen Zauberspruch sprechen. Bei Berührung mit nur einem Zauberstab würde der nur noch gefährlicher werden. Im Spiel nimmt er wahr, wie Maria in Spannung gerät, als er sich als Troll nähert, und ihm fällt noch rechtzeitig ein, dass Maria miterlebt hat, wie der Vater der Mutter gegenüber gewalttätig wurde. Daher unterbricht er kurz das Spiel und schlägt Maria vor, sie könnte, bevor der Troll sie zu fassen bekommt, mit ihrem guten Zauberwissen ihn für kurze Zeit zu einer Ameisengröße schrumpfen lassen, sodass Harry und Ron sie in Sicherheit bringen könnten, bevor der Troll wieder wächst. Maria ist sichtlich erleichtert, lässt ihn mit einem Verkleinerungszauber genüsslich schrumpfen, bevor Harry und Ron sie aus dem Klo befreien. Harry geht dann allein auf den Troll, der wieder seine Größe erreicht hat, los. Wie angekündigt, wird er noch mächtiger. Mit einer kurzen Spielunterbrechung fragt der Therapeut, ob es sein könnte, dass der Troll jetzt Harry mit seiner riesigen Keule niederschlägt und Hermine und Ron den Ohnmächtigen rasch in die Krankenstation von Madam Pomfrey (Therapeutin) bringen, wo er wieder gesund gezaubert wird. Alle sind mit dieser Veränderung einverstanden. Sie schleppen den ohnmächtigen Harry auf die Krankenstation, und Harry genießt es, von der Therapeutin mütterlich umsorgt zu werden. Nach der Genesung machen sie sich trotz der Sorgen von Madam Pomfrey auf, gemeinsam den Troll zu fangen. Dieses Mal gelingt es, dass die drei auf Kommando von Ron den Troll mit ihren Zauberstäben berühren, ihn mit einem Fesslungszauber fesseln und gemeinsam zu Dumbledore (Therapeutin) schleppen, der ihren Heldenmut bewundert und sie alle auszeichnet.
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2. Eine weitere Intervention lässt Kinder erfahren, dass sie mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten zusammenwirken müssen, um erfolgreich eine Herausforderung bewältigen zu können. In der Gruppe der 9-Jährigen verändern wir, nachdem die Pokémons uns als Fänger seit Stunden mit ihrer Kampfkunst niedergemacht haben, das Spiel. Wir sagen den Kindern, dass die Pokémonfänger aus einer anderen Gegend Pokémons gefangen hätten, diese auf eine Insel, die mit Sumpf umgeben sei, geflogen und in einen Käfig aus meterdickem Stahl eingesperrt hätten. Wir verändern die Kulissen, bauen die Insel mit dem Käfig aus Polstern und legen ein schwarzes Tuch als Sumpf um die Insel. In das Gefängnis stecken wir Stofftiere. Triumphierend rufen wir beim Zoo an. Wir hätten seltene Pokémons gefangen und verlangen einen Millionenbetrag. Die Monster seien an einem sicheren Platz gefangen gehalten. Da könnten sie nie entkommen oder befreit werden. Der Käfig habe meterdicke Stahlstäbe, die könnte höchstens Turtok knacken. Doch der könne ja nicht über den Sumpf kommen, so tonnenschwer, wie der sei, sinke er sofort ein. Da müsste schon Arktos mit seinem Kältestrahl den Sumpf zufrieren lassen. Aber Pokémons seien ja Einzelwesen, die würden nie zusammen was machen, da müssten wir uns keine Sorgen machen. Und dann bräuchten sie noch Bisaflor, der die dicken Fesseln mit seinen Schwertern durchtrennen müsste, und Mewtu, der die gefangenen Tiere mit einem Sturm zurück transportieren müsste. Auf dieses laute Zwiegespräch hin, das zwei Pokémons belauschten, ziehen sich die Pokémons zurück, tuscheln und greifen grinsend an. Arktos lässt mit seinem Kältestrahl den Sumpf gefrieren. Dann rückt Turtok vor und zertrümmert zu unserem Entsetzen das Gefängnis. Bisaflor zerschneidet die Fesseln und Mewtu und Bisasam befördern die gefangenen, geschwächten Pokémons mit einem Sturm in ihre Heimat zurück. Voll Schrecken beschreiben wir diese gemeinsame Aktion. Nie hätten wir das für möglich gehalten, dass die Pokémons so schlau sind und sich mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten zusammen tun. Jetzt seien wir verloren. Die Pokémons fallen triumphierend über uns her und bestrafen uns, indem sie ihre Kampftechniken an uns ausführen. 3. Von entscheidender Bedeutung sind Interventionen, die gegenseitige Hilfe und Empathie fördern. Alle Beobachtungen in der Säuglings- und Kleinkindforschung weisen darauf hin, dass man empathisch-gelingende Interaktionen zur Ausgangsbasis therapeutischen Tuns machen muss, da sie für ein gutes zwi-
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schenmenschliches Klima entscheidend sind. In heilenden zwischenmenschlichen Beziehungen der Therapie müssen Möglichkeiten zu „wechselseitiger Empathie“ (Petzold, 1995, S. 14) gegeben werden. Wo dies nicht geschieht, entstehen Entwicklungsrisiken und Beeinträchtigungen des therapeutischen Geschehens. Nach Petzold wirkt Therapie letztlich, „weil es in Menschen Qualitäten zu wechselseitiger Hilfeleistung, heilender Beziehung, zu einem sensitive caregiving gibt“ (1995, S. 21). Ein Beispiel aus der Gruppe der 9-Jährigen: Wir sind wieder Pokémonfänger und werden von den Pokémons vertrieben. Wir jammern und klagen, als wir von Gluraks Feuer angesengt werden, von Arktos eingefroren und von Simsala weggefegt werden. Mit letzter Kraft und schwerverletzt fliehen wir. In einem Zwiegespräch sehen wir ein, dass wir keine Chance haben, diese Pokémons einzufangen. Die seien einfach zu mächtig und schlau. Das mache keinen Sinn, nochmals in Kampf zu gehen. Wir seien ja gerade noch mit dem Leben davon gekommen. Da verlangen die Kinder, dass wir es nochmals versuchen. Diesem Wunsch der Kinder widersetzen wir uns aber und verändern unsere Rollen. Im Zwiegespräch sagen wir, wir möchten uns nicht weiter solchen Gefahren aussetzen. Außerdem seien die Pokémons auch so prächtige Wesen, dass es schade wäre, wenn die in der Gefangenschaft ihre Lebendigkeit und Schönheit verlieren. Wir Menschen wollten ja auch nicht in Gefangenschaft leben. Am liebsten würden wir sie zu Freunden gewinnen. Das wäre toll, dann müssten wir keine Angst mehr haben. Aber sicher seien die jetzt misstrauisch und würden uns nicht glauben. Vielleicht legen wir ein paar Hähnchen von unserem Proviant hin. Vielleicht sehen sie es als Zeichen, dass wir nichts Böses mehr im Schilde führen. Da kommt Turtok vorsichtig näher und holt sich ein Hähnchen. Wir bewundern dieses prächtige und mächtige Wesen. Der Therapeut: „Wär’ ich stolz und glücklich, den zum Freund zu haben.“ Da lehnt er sich an ihn. Der Therapeut fragt sich, ob man Pokémons auch streicheln kann. Er nickt und er streichelt ihm über den Rücken und bestaunt seine Muskeln. Da nähern sich auch die anderen und lassen sich von uns bewundern und streicheln. Jonathan, der bei einer depressiven, alleinerziehenden Mutter lebt, fällt plötzlich zu Boden und sagt, er sei schwer krank. Wir täten ihn untersuchen und feststellen, dass er von einem Riesenbienenstich vergiftet sei. Besorgt untersuchen wir ihn, entdecken den Stachel, der tief in der Haut sitzt und fragen uns, wie wir ohne
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen Operationsbesteck dieses schöne Pokémon retten können. Da bräuchten wir so scharfe Klingen, wie sie Bisaflor besitzt. Ob der wohl zu Hilfe komme? Christof schaut uns verdutzt an, kommt dann als Bisaflor und schneidet vorsichtig mit seinen Messern die Haut auf, so dass wir den Riesenstachel entfernen können. Bewundernd kommentieren wir, mit welchem Geschick und welcher Vorsicht er operiert. Und wie gut es ist, dass er so feine Messer hat, die Lebern retten können. Wir pflegen dann die Wunde, legen Heilkräuter auf, die Glurak aus einem Vulkan holt, und flössen Arktos einen Heiltrank ein. Da werden auch die anderen krank und wetteifern, wer den längsten Stachel hat – bis zu hundert Meter gehen sie. Bisaflor leiht uns seine Messer, und wir müssen alle operieren und pflegen. Friedlich liegen sie nebeneinander, genießen unsere Sorge und wollen erst nach langer Pflege gesunden.
Oder ein anderes Beispiel, in dem wir das Zuhilfekommen auf uns bezogen: Sechs 9-Jährige, alle mit massiven sozialen Schwierigkeiten in der Gleichaltrigengruppe, kommen in den Gruppenraum gerannt und attackieren sich wild gestikulierend. Auf unsere übliche Anfangsfrage, was wir heute gemeinsam spielen möchten, rufen sie im Sprechchor: „Dragonball, Dragonball!“ Als wir nachfragen, wer sie sein wollen und wer wir, das Therapeutenpaar sein sollen, wählen sie die Rollen der Helden der RTL-Serie: Son Goku, Muten-Roshi, Kuririn und wie sie sonst noch heißen. Uns geben sie die Rollen von gewöhnlichen Menschen, die ihre Kampfattacken bestaunen und Angst vor ihnen haben sollen. Für den Szenenaufbau nehmen sie sich kaum Zeit, sie werfen ein paar Polster um und sagen, das seien Felsen auf einem fremden Planeten. Und schon stürmen sie aufeinander los und demonstrieren ihre Kampfkunst wie im Schattenboxen, indem sie im Raum herumrennen und Karatebewegungen ausführen: Einer feuert eine KameHame-Ha ab und sagt, die gewaltigen Schockwellen würden Erdbeben und Wirbelstürme auslösen. Ein anderer führt, so sein Kommentar, eine SuperGhost-Kamikaze-Attacke aus. Andere zeigen die Technik der Hand des Grauens, die Höllenspirale, einen zweifachen Kaioken u.a.. In seiner Größenphantasie versunken demonstriert jeder mit wilden Arm- und Beinbewegungen seine Technik, registriert aber die Kampftechnik der anderen überhaupt nicht. Nur unser bewunderndes Spiegeln bemerken sie, reagieren mit noch grandioseren Attacken und genießen es, wie wir erzittern und beben. Erst als sie sich etwas ausgetobt haben, nehmen sie wahr, dass
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ihr Gegenüber gar nicht auf die eigene Attacke reagiert, und werden wütend. Jeder behauptet, der Sieger zu sein. Und es entsteht ein Streit, wer mit seiner Attacke wen zuerst zu Boden gestreckt habe. Sie beginnen, sich zu beschimpfen und einander weg zu stoßen, und sie hätten sich geschlagen, wenn wir nicht interveniert hätten. Da die Kinder immer wieder in den Stunden zuvor die gleiche alte Beziehungsgestaltung und die gleichen alten Konfliktlösungen reproduzierten, versuchen wir über eine Spielintervention ihren Möglichkeitssinn zu erwecken und Bewegung in ihre starren Sichten und Beziehungsmuster zu bringen, Solidarität und hilfreiche Beziehungen untereinander zu entwickeln. Der Therapeut rennt zu ihnen und ruft: „Hilfe, Hilfe, die Bösewichte C19 und C20 haben meine Frau in ihre Gewalt gebracht und wollen unseren Planeten zerstören. Helft mir! Ihr seid die einzigen, die so stark und mutig sind, den Kampf gegen diese schrecklichen Feinde aufzunehmen und meine Frau zu befreien!“ Als die Jungen darauf anspringen und sofort in die Ecke stürmen wollen, wo inzwischen die Therapeutin mit Polstern ein Gefängnis um sich gebaut hat, warnt er sie. Die Bösewichte würden sofort seine Frau töten, wenn sie so offen angreifen. Ob sie nicht zuerst mit einer List seine Frau befreien könnten, bevor sie die Feinde vertreiben. Sie halten inne und entwickeln die Idee, auf drei gemeinsam eine so gewaltige Schockwelle loszuschicken, dass C19 und C20 einfach weggefegt würden. Dann könnten sie gemeinsam die meterdicken Betonmauern des Gefängnisses mit ihrer Kampftechnik zertrümmern und meine Frau befreien. Er bewundert, dass sie nicht nur stark und mutig, sondern auch schlau sind. Um die gemeinsame Spielhandlung zu verstärken, bietet der Therapeut an, die Rolle von C19 und C20 zu übernehmen. Siegessicher verschanzt er sich dann vor dem Gefängnis. Die Dragonballkämpfer würden sicher, wenn sie die Nachricht vom Raub bekämen, ohne Vorsichtsmaßnahmen losstürmen. Dann sei es ein Leichtes für ihn, sie aus meinem Hinterhalt abzuschießen. Als die Jungen sein aufgeblähtes Selbstgespräch hören, kichern sie vor sich hin. Sie zählen leise auf 3 und schießen mit ihrem rechten Arm nach vorne. Diese Schockwelle reißt ihn vom Gefängnis weg und lässt ihn durch den Raum taumeln. Die Helden fliegen schnell zum Gefängnis, zertrümmern gemeinsam die Mauern und befreien die Eingesperrte. Als diese dann zusammenbricht, bringen sie sie in Sicherheit. Sie flüstert ihnen zu, die Bösewichte hätten ihr ein Chip implantiert, über das sie fremdgesteuert werden könnte, und bittet die Helden, es ihr in einer Operation zu entfernen. Sofort greifen die Jungen dieses Spielangebot auf. Sie operieren ihr vorsichtig den Chip heraus und
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen versorgen sie fürsorglich. Sie kommentiert bewundernd, dass diese Helden nicht nur stark und mutig sind, sondern auch einfühlend und fürsorglich. Nach ihrer Genesung überwältigen die Kämpfer den Bösewicht und zeigen ihre Kampfkunst. Danach wechselt der Therapeut die Rolle, kommt als Präsident und übereicht ihnen den höchsten Verdienstorden der Welt, da sie den Planeten und die Menschen vor dem Untergang gerettet haben. Mit geschwellter Brust lassen sie sich den Orden (Wäscheklammer) anheften und stellen sich dem Blitzlichtgewitter der Weltpresse (Therapeutin).
Mit solchen und ähnlichen Interventionen versuchen wir, in einem mühsamen Prozess und in kleinen Schritten, die Aufmerksamkeit der Kinder auf das Miteinander zu lenken, so dass sie zunehmend besser zusammen spielen können und ihre Beziehungsfähigkeit zunimmt.
6.4 Untergruppenbildung 6.4 Untergruppenbildung Immer wieder kommt es zur Bildung von Untergruppen, die gegensätzliche Spielideen haben und nicht miteinander spielen wollen. Besonders in gemischten Gruppen im vorpubertären Alter kann es zur Aufspaltung in eine Jungen- und Mädchengruppe kommen. Die Jungen werten die Mädchen häufig als doof ab und behaupten, man könne nicht mit ihnen spielen. In dieser Situation die Kinder zu einem gemeinsamen Spiel bewegen zu wollen, würde dem Gruppenprozess nicht gerecht werden und nur den Widerstand der Gruppe auslösen. Daher müssen die LeiterInnen die Trennung zunächst akzeptieren, dann aber in der Spielphase darauf achten, welche Möglichkeiten der Verbindung es zwischen den Gruppen gibt. In der Anfangsphase der Gruppenentwicklung ist es manchmal sinnvoll, dass sich die TherapeutInnen aufteilen und sich den Untergruppen zuordnen. In ihren Rollen können sie im Spiel eine Verbindung herstellen. Eine weitere Möglichkeit, ein Auseinanderbrechen zu verhindern, liegt darin, die gegensätzlichen Spielvorschläge unter einem gemeinsamen Thema zusammenzufassen und die verschiedenen Untergruppenspiele über die gemeinsamen Aktionen der TherapeutInnen in Beziehung zu bringen. In einer gemischten Kindergruppe von Siebenjährigen kommt es zur Aufspaltung in eine Jungen- und in eine Mädchengruppe, wobei die Jungen das Streben nach Autonomie, die Mädchen die Regression auf die orale
6.4 Untergruppenbildung
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Phase vertreten. In dieser Stunde wollen die drei Mädchen Babies spielen, die LeiterInnen sollen die Eltern sein. Die Jungen finden diese Idee blöd und möchten als Raubritter kämpfen. Auf die Frage, welche Rollen sie den LeiterInnen übertragen möchten, meinen sie, die sollen ruhig die Eltern der Babies sein. Auch auf nochmaliges Nachfragen, dann hätten sie ja keinen der LeiterInnen auf ihrer Seite, beharren sie auf ihrer Wahl. Um eine Verbindung zwischen den konträren Spielideen zu schaffen, fragen die LeiterInnen, ob sie vielleicht ein Königspaar und ihre Babies Prinzessinnen seien. Diesen Vorschlag finden die Kinder gut. Das Thema Königshof ermöglicht es, die unterschiedlichen Wünsche der Kinder, den regressiven Wunsch der Mädchen, die alle aus Scheidungsfamilien kommen, als Königsbabies von beiden Eltern versorgt zu werden, den progressiven Wunsch der Jungen, die beide überversorgende Mütter haben, als Raubritter autonom zu sein, im Spiel unterzubringen. Als Königspaar versorgen die LeiterInnen die Babies, schenken ihnen Bewunderung und Beachtung. Außerdem können die Jungen ihre Kräfte im Kampf gegen den König messen, den sie überfallen und ausrauben. Neben diesen getrennt ablaufenden Spielen versuchen die TherapeutInnen, die Jungen immer wieder ins Spiel der Mädchen mit einzubeziehen, indem sie die Rede auf die Raubritter bringen. So sagt zum Beispiel der König, als er nach einem Kampf mit den Raubrittern ins Schloss zurückkommt und mit der Familie die glückliche Heimkehr feiert, was die Jungen neidend beobachten: „Diese Raubritter sind ja mutige und tapfere Kämpfer. Wenn ich die als Söhne hätte, wäre ich stolz.“ Bei dieser Aussage geht ein Strahlen über das Gesicht der Jungen. Sie werfen sich in die Brust und erheben triumphierend ihre Arme. Auch bei der Untergruppe der Jungen bringt der Therapeut die Mädchen ein, indem er beim hitzigen Kampf mit den Raubrittern laut vor sich hin spricht, wie schön es doch die kleinen Prinzessinnen haben, die versorgt werden und nicht wie die Raubritter um alles kämpfen müssen. Andererseits könnten natürlich die Raubritter tun und lassen, was sie wollten, müssten sich an keine Vorschriften der Eltern mehr halten und hätten viel mehr Freiheit als die Prinzessinnen. In späteren Phasen der Gruppenentwicklung können die LeiterInnen die Trennung in Untergruppen ausdrücklich zum Thema machen. Sie bezeichnen zum Beispiel die Untergruppen als zwei verfeindete Gangs, im Krieg befindliche Königreiche oder unterschiedliche Völker und nehmen selbst eine dritte Position ein, die sich von den beiden Untergruppen unterscheidet. Sie siedeln sich
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6 Gruppenprozessorientierte Interventionen
zwischen den verfeindeten Gruppen an, im Niemandsland, und beschreiben, was in den verfeindeten Reichen vor sich geht. Sie sprechen Befürchtungen oder die Zuversicht aus, dass die Parteien schon Lösungen finden werden. Beharren die Untergruppen auf rigiden Konfliktmustern, so machen sie sich laut Gedanken, wie dieser Konflikt wohl zu bewältigen sei. Sie eröffnen neue Verhaltensmöglichkeiten und regen die Kinder dadurch zu neuen, kreativen Lösungen an. Zur Untergruppenbildung kommt es auch, wenn sich Kinder bei Auseinandersetzungen mit den LeiterInnen auf die Seite der LeiterInnen stellen, von den anderen Kinder dann attackiert werden, und die LeiterInnen in Gefahr geraten, sich schützend vor „ihre Beschützer“ zu stellen. Kinder, die die Position der Erwachsenen vertreten, sind häufig Kinder, die zu Hause für einen Elternteil Eltern- oder Partnerfunktion übernommen haben, oder Kinder, die sehr erwachsenenorientiert sind und mit anderen Kindern nicht zurechtkommen. Erst wenn die LeiterInnen verstanden haben, was hinter diesem Versuch, sich den Leitern anzuschließen, steht, können sie sinnvoll intervenieren und den Kindern helfen, sich mehr auf die Seite der Gleichaltrigen hinzubewegen. In einem explorierenden Doppeln fragen sie sich, warum ein Kind sich so verhält, und sprechen die Kosten und den Nutzen dieses Verhaltens an. Führt diese einsichtsfördernde Intervention zu keiner Veränderung, müssen die LeiterInnen zu anderen Interventionen greifen, um zu verhindern, dass Kinder nicht aus der Kindergruppe herausfallen, von den anderen als Außenseiter angegriffen werden und sich daher noch mehr den LeiterInnen anschließen. Um diesen Teufelskreis zu unterbrechen und einen Weg zu den Gleichaltrigen zu ebnen, ist es vorteilhaft, wenn die TherapeutInnen ihre Rollen so verändern, dass sie zu frustrierenden Elternfiguren werden und dem Kind das problematische Verhalten verschreiben. Eine gemischte Gruppe von Zehnjährigen will Kinder spielen, die von zu Hause ausgerissen sind, um Abenteuer zu erleben. Der Therapeut soll ein gefährlicher Verbrecher sein, den die Kinder heimlich belauschen und dem sie die Karte eines versteckten Schatzes entwenden. Die Therapeutin soll eine gute Frau sein, die allein im Wald lebt. Gleich zu Beginn des Spiels treffen die Kinder auf die Waldfrau. Während die Jungen vorwärts drängen, tiefer in den Wald eindringen wollen, bleiben die Mädchen, die beide muttergebunden sind, bei der Waldfrau hängen und lassen sich von ihr versorgen. Die Jungen werden wütend, beschimpfen die Mädchen als Spielverderber, mit denen man sowieso nie richtig spielen könne, und machen sich allein auf den Weg. Während die Jungen Abenteuer bestehen, in die Höhle des Verbrechers schleichen, ihn unter Angstlust belauschen und sich
6.4 Untergruppenbildung
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fast beim Stehlen der Schatzkarte erwischen lassen, schauen ihnen die Mädchen mit leuchtenden Augen zu, wagen aber nicht, die Waldfrau zu verlassen. Als die Therapeutin merkt, dass die Mädchen mit ihren Augen beim Spiel der Jungen sind, wundert sie sich laut, wieso die Mädchen das langweilige Leben im Wald aushalten, statt wie die Jungen Abenteuer zu bestehen. Sie fragt sich, ob die Mädchen ihr wohl nicht zutrauen, dass sie gut alleine im Wald leben könne, und sie nicht allein lassen wollen. Als die Mädchen auf dieses Selbstgespräch nicht reagieren, greift die Therapeutin zu einer weiteren Intervention. Sie lässt das Telefon klingeln und erhält einen Anruf von der Polizei, dass fünf Kinder gesucht würden. Obwohl die Mädchen ihr Zeichen geben, sie solle nichts verraten, tut sie so, als ob sie das nicht bemerke, und bestätigt, es seien vor einigen Tagen fünf Kinder vorbeigekommen. Zwei Mädchen seien sogar bei ihr geblieben. Sie beschreibt die Mädchen und fragt nach, ob dies die Gesuchten seien. Sie bittet die Polizei, mit einem Hubschrauber zu kommen, um die Mädchen zu ihren Eltern zurückzubringen. Auf diese Intervention hin verschwinden die Mädchen sofort aus der Waldhütte. Die Therapeutin wechselt dann die Rolle und fliegt als Hubschrauberpilotin der Polizei dicht über den Wald. Die Jungen verfolgen diese Aktion aufmerksam und winken den Mädchen, in ihr Versteck in der Höhle zu kommen. Während die Hubschrauberpilotin immer wieder Schleifen über dem Wald dreht, schleichen die Mädchen zu den Jungen und verstecken sich. Der Hubschrauber fliegt immer tiefer, so dass die Kinder eng zusammengekauert auf dem Boden liegen und den Nervenkitzel genießen, wenn die Pilotin dicht über sie hinwegfliegt. Als diese dann erfolglos abdreht, bleiben die Mädchen bei den Jungen und machen sich auf, den Schatz zu bergen unter der ständigen Gefahr, von dem Verbrecher erwischt zu werden.
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Anforderungen an die TherapeutInnen
7 Anforderungen an die TherapeutInnen
In diesem Abschnitt wollen wir uns noch mit den komplexen Übertragungsprozessen zwischen den Kindern und den TherapeutInnen beschäftigen. Die gegenseitigen Übertragungen zwischen den Kindern werden dabei außer Acht gelassen. Sie sind zwar für das Verständnis der Dynamik einer jeden Gruppe wichtig, doch darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Außerdem beschreiben wir noch einige Probleme der Kotherapie.
7.1 Übertragungsaspekte 7.1 Übertragungsaspekte Bei den folgenden Schilderungen und Interpretationen von Übertragungsprozessen haben wir uns an der Definition von Bauriedls dialektischem Beziehungskonzept orientiert. Es besagt, dass einerseits das Therapeutenpaar und die therapeutische Gruppensituation für jedes Kind eine subjektive Bedeutung hat und zu Übertragungen führt, die bei der Therapeutin/dem Therapeuten entsprechende Gegenübertragungen auslösen; dass andererseits jedes Kind und die Gruppe ebenfalls eine subjektive Bedeutung für die Therapeutin und den Therapeuten hat, die bei ihnen Übertragungen auf die Kinder hervorrufen. „Ich halte es für sinnvoll, auf beiden Seiten sowohl von Übertragung als auch von Gegenübertragung zu sprechen, da jeder Beziehungspartner einerseits die ihm spezifischen Übertragungsmuster in die Beziehung einbringt und andererseits auf spezifische Weise auf die Übertragungsmuster des anderen reagiert“ (Bauriedl 1984, S. 211). In unserem Setting wird die Dynamik durch die Beziehung zwischen Therapeutin und Therapeut noch vielseitiger, da die Übertragungen der Kinder auf die Therapeutin natürlich andere sind, als die auf den Therapeuten, wodurch die Dynamik zwischen dem „Therapeuten-Paar“ zwangsläufig beeinflusst wird. Betrachtet man die verschiedenen Phasen einer Sitzung, so kann man unterschiedliche Übertragungen beobachten.
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7 Anforderungen an die TherapeutInnen
In der Anwärm- und Abschlussphase werden meistens positiv oder negativ gefärbte Aspekte von Elternbildern oder anderen Autoritäten übertragen. In der Spielphase hingegen werden nicht nur Elternbilder, sondern auch Aspekte von Selbstbildern auf die Therapeuten übertragen. Es ist ein großer Vorzug dieser Form der Gruppentherapie, dass in der Spielphase auf dem Wege des unbewussten Rollentauschs die Übertragungen symbolisierter Selbst- und Elternbilder sehr anschaulich und nacherlebbar erfolgen. So zum Beispiel, wenn ein Mädchen in der Rolle einer „mächtigen Prinzessin“ einen Aspekt ihres Ideal-Selbst symbolisiert, und die Therapeutin als „Köchin, die alles anbrennen lässt“ einen negativen mütterlichen Anteil übertragen bekommt. Oder wenn zum Beispiel ein Junge die Rolle eines Lehrers übernimmt und dem Therapeuten die Rolle des „ängstlichen, dummen Schülers“ zuweist und in dieser Übertragung einen minderwertigen Selbst-Aspekt externalisiert. Die Übertragungen der Kinder auf die Therapeutin/den Therapeuten erfolgen als individuelle Übertragungen und als Gruppenübertragungen, die während der Inszenierung gleichzeitig erfolgen oder auseinander hervorgehen. Dabei kann die individuelle Übertragung im Einklang mit der Gruppenübertragung sein oder diese komplementär ergänzen. Eine Gruppe von fünf Kindern, neun Jahre alt, davon drei Mädchen, wollte eine „Löwenherde“ spielen, die TherapeutInnen sollten Großwildjäger sein. Die Kinder waren sich einig, dass sie anfangs vor den Jägern fliehen, sie aber später in ihrem Lager angreifen. Nach kurzer Spielzeit erklärte ein Junge, dass er jetzt ein Löwenkind sei, das von den Jägern gefunden und aufgezogen werde. Die Gruppe war kurzzeitig irritiert und beunruhigt und versicherte sich dann bei dem Jungen, dass er kein „Verräter“ ist. Danach konnten sie zustimmen, trotz der wahrscheinlich vorhandenen Eifersuchtsgefühle, indem sie sich als „Löwenherde“ gegen weitergehende Regression stabilisierten. So positiv die Differenzierung der Gruppenübertragung an diesem Beispiel gesehen werden kann, denn sie zeigt den anderen Kindern, was möglich ist, so schwierig ist es meistens, damit methodisch zurechtzukommen. Denn die starke Regression eines Kindes kann bei der Gruppe Abwertung und Distanzierung auslösen. Auf diese Weise wehren die anderen Kinder die eigenen Regressionsneigungen ab, oder es kann auch die negative Übertragung einer Geschwisterrivalität aktualisiert werden. Im weiteren Verlauf dieses Spiels wurde immer deutlicher, dass es diesem Jungen vor allem um die Beziehung zum männlichen Therapeuten ging,
7.2 Übertragungen der TherapeutInnen
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wodurch sich die gesamte Übertragungssituation zwischen den Kindern und den TherapeutInnen veränderte: In diesem Fall war es zu einer vorübergehenden Spaltung gekommen. Neben der Vielschichtigkeit des Übertragungsgeschehens, das selten vollständig erfasst werden kann, stellt die Vehemenz der Übertragungen gelegentlich eine ziemliche Belastung für die TherapeutInnen dar. Das gilt hinsichtlich der individuellen Übertragung genauso wie für die Gruppenübertragung. Einzelne Kinder äußern ihre Affekte im Schutz der Gruppe oder getragen von ihr, manchmal in ungewöhnlicher Heftigkeit und das schon nach wenigen Gruppenstunden. Ab und zu kommt es in einer Gruppe zur Verschmelzung und Potenzierung der Phantasien und Affekte, wie zum Beispiel oraler Gier oder sadistischen Phantasien, die auch als Inszenierungen auf der Symbolebene nicht leicht auszuhalten sind: Wenn zum Beispiel eine Gruppe Zehnjähriger „Schule“ spielt und ihre Wut über Ungerechtigkeit und Entwertung thematisiert und im Rollentausch die TherapeutInnen die Ausgelieferten und Beschämten sind. Ebenso können narzisstische Wünsche in einem Zirkusspiel, in dem die Kinder als Akrobaten und Tiere ständig bewundert werden wollen, in den TherapeutInnen zunehmend Widerstände auslösen, den Erwartungen der Kinder zu entsprechen. Da die Dichte und Intensität der Bilder und Affekte im Gruppenprozess mit dem Unbewussten der TherapeutInnen viel intensiver korrespondiert als in der Einzeltherapie, ist es während der Gruppenstunden nicht immer leicht, die eigenen Übertragungen und Abwehrreaktionen auf die Kinder, die Gruppe und die Kollegin/den Kollegen zu registrieren. Wir können jedoch das Übertragungsgeschehen, insbesondere die Gegenübertragung erst dann therapeutisch nutzen, wenn nicht das eigene Unbewusste unsere Sicht und unser Handeln bestimmt. Wir wollen deshalb einige der häufigsten Übertragungen von den TherapeutInnen auf die Kinder kurz umreißen.
7.2 Übertragungen der TherapeutInnen 7.2 Übertragungen der TherapeutInnen Die Therapeutin/der Therapeut kann eigene ungelebte kindliche Wünsche in projektiver Identifikation mit einem Kind ausagieren, zum Beispiel orale Gier, und deshalb nicht in der Lage sein, diesem Kind einen begrenzenden Halt zu geben.
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7 Anforderungen an die TherapeutInnen
Therapeuten sind versucht, mit größter Aufmerksamkeit das gehemmte Kind zu unterstützen, wenn sie mit ihm identifiziert sind, ohne zu sehen, was das gruppendynamisch bedeutet. Gleichzeitig können sie dann die guten Eltern sein, die sie selbst gerne gehabt hätten. Die Therapeutin/der Therapeut kann sein verdrängtes „rebellisches Kind“ auf ein entsprechendes Gruppenkind projizieren und dann versuchen, es aus der Über-Ich-Position zu kontrollieren. Sie/Er kann dann nicht mehr die Angst des Kindes sehen, die hinter seiner Aggressivität steht. Das aggressive Kind ist manchmal wie Hefe im Prozess und beschleunigt die Dynamik. Aber wenn es mit seiner Thematik dominiert und sich zum informellen Gruppenführer entwickelt, können wir zum Beispiel in eine rivalisierende Position zu ihm geraten. Dazu ein Beispiel: Auf gekonnt witzige, aber dennoch gemeine Art und Weise hatte ein Neunjähriger in der Anfangsrunde seine Rivalität mit einem anderen Jungen ausgetragen. Der Therapeut war von dieser Fähigkeit fasziniert und deshalb nicht mehr in der Lage, angemessen einzugreifen. Dadurch war die Therapeutin wiederum so irritiert, dass sie längere Zeit wie gelähmt war, bis sie schließlich explodierte, und der ganze Ärger über den Kollegen auf den Jungen hereinbrach. TherapeutInnen, die als „gute Eltern“ die Gruppe zum Ort lustvoller Nachfütterung machen, rivalisieren manchmal unbewusst mit den realen Eltern und haben Angst vor den negativen Übertragungen. Sie wollen von den Kindern akzeptiert und anerkannt werden. Das hindert sie, Grenzen zu vertreten, weil sie fürchten, damit können sie bei den Kindern auf Ablehnung stoßen. Die Identifizierung mit der Gruppe kann z.B. zur Folge haben, dass die eigene Lust am aggressiven Spiel das Agieren der Kinder als kathartische Aktion rationalisiert und nicht wahrgenommen wird, dass die „Kissenschlachten“, die schon während mehrerer Stunden erfolgen, keine Inszenierungen mehr auf der Symbolebene sind. Und welche Wünsche oder Ängste bei den einzelnen Kindern hinter der Aggressivität stehen, ist dann schwer herauszufinden. Identifiziert sich eine Therapeutin/ein Therapeut mit dem Thema der Gruppe, so kann das den Kollegen/die Kollegin in ziemliche Bedrängnis bringen. So hatte sich zum Beispiel in einem „Schule-Spiel“, in dem der Therapeut den Hausmeister spielen musste, die Therapeutin mit der Kindergruppe und deren Wut auf Autoritäten identifiziert. Das hatte die therapeutische Zusammenarbeit zwischen den beiden vorübergehend völlig blockiert.
7.3 Übertragungsprozesse in verschiedenen Gruppenphasen
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Unbewusste Dominanzwünsche hatten in einer anderen Gruppe den Therapeuten verleitet, in einer Subgruppe eine Anführerposition einzunehmen; Häuptling der Indianer zu werden. Er merkte nicht mehr, wie sehr sein Spiel die Kinder beeinträchtigte.
7.3 Übertragungsprozesse in verschiedenen Gruppenphasen 7.3 Übertragungsprozesse in verschiedenen Gruppenphasen In der Gesprächsphase haben wir meistens noch eine größere Distanz zu den Affekten und Themen der Kinder und können deshalb das Übertragungsgeschehen leichter erfassen. Wir haben allerdings auch schon in der ersten Sitzung einer Gruppe erlebt, dass sich die Kinder in der Anfangsrunde durch gegenseitige Entwertung und Ablehnung ihrer Spielvorschläge kränkten und blockierten. Fühlen wir uns dadurch selbst entwertet oder abgelehnt, kann es zum Beispiel passieren, dass wir diese Entwertung bagatellisieren oder leugnen, anstatt das betreffende Kind ruhig und entschieden in seine Grenzen zu verweisen. Es könnte ebenso sein, dass wir uns aus der eigenen Gekränktheit heraus mit dem entwerteten Kind identifizieren und überzogen scharf reagieren, so dass das aggressive Kind, das seine anfängliche Angst durch die Abwertung der anderen zu bewältigen versuchte, noch größere Angst bekommt. Massive Gefühlsreaktionen und Konflikte wirken auf uns beunruhigender, wenn wir schon in der Anfangsphase damit konfrontiert sind. Wir sind zum Beispiel durch ein heftig weinendes Kind in der zweiten Stunde eher irritiert, als in der zwanzigsten Stunde. Dann verstehen wir sein Verhalten besser, wissen, ob es eine „Masche“ ist, Wut oder Trauer. Bei verbalen Verletzungen können wir in einer späteren Phase u.U. darauf verzichten, die Grenzen und den Schutz der Betroffenen besonders zu vertreten. Wir kennen inzwischen die Toleranzen der anderen Kinder und sind selbst nicht mehr so gekränkt. Daher können wir angemessener auf die unbewussten Beziehungswünsche des „Täters“ reagieren. Es gelingt eher gute Eltern für Täter und Opfer zu sein. Tritt starke Aversion zwischen den Mädchen und den Jungen auf, begleitet von gegenseitigen Kränkungen, macht uns das in der Anfangsphase mehr Angst als später. Besonders wenn die Subgruppen alles daran setzen, dass jede einen Therapeuten „bekommt“. Wird von der Therapeutin und dem Therapeuten die Spaltung auf der Beziehungsebene unbewusst mitagiert, haben sie natürlich methodisch große Schwierigkeiten, die Gruppenspaltung zu überbrücken. Diese Gefahr wird umso geringer sein, je besser sie die Gruppe kennen und je offener sie ihre Beziehung klären können.
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7 Anforderungen an die TherapeutInnen
Ist das Ziel der Anfangsphase erreicht, die Gruppe zusammengewachsen, sind wir meistens selbstsicherer und können zum Beispiel schon nach der Rollenzuweisung reflektieren, was diese Rolle im Hinblick auf unsere eigene Biographie in uns auslösen könnte. In der Dynamik des Spiels ist es allgemein sehr viel schwerer, sich selbst wahrzunehmen, und oft genug erkennen wir erst in der Nachbesprechung, was sich in der Übertragung alles ereignet hat. Dazu einige Beispiele: Die Gruppe bestand aus vier Kindern im Alter von acht Jahren, zwei zurückhaltenden Mädchen und zwei lebhaften Jungen. Die Mädchen wollten Reh und Hase sein, der eine Junge ein Dachs und der aggressivere von beiden ein Puma. Die TherapeutInnen sollten Tierpfleger sein. Das Spiel wurde nach kürzester Zeit vom „Puma“ dominiert. Er wollte vom Therapeuten immer wieder mit einem Seil gefangen werden, und war das geschehen, griff er ihn an, um zu entkommen — worauf er erneut gefangen werden wollte. Die Therapeutin und die anderen Kinder wurden zu Randfiguren. Der Therapeut blieb mit seinem Fangseil während der ganzen Stunde an diesen Jungen im wahrsten Sinne des Wortes gebunden. Weil er als Kind in diesem Alter seine Aggressivität nicht leben konnte, war er jetzt mit dem „Puma“ identifiziert und gleichzeitig damit beschäftigt, diese Aggressivität wieder einzufangen und unter Kontrolle zu bringen. Eine Gruppe zwölfjähriger Kinder spielte „Reise auf einem Luxusdampfer“. Die Therapeutin sollte Reisebegleiterin, der Therapeut Steward sein. Eines der Mädchen, Angela, war in klammernder Weise auf die Therapeutin bezogen. Insbesondere Angelas ständige Suche nach Körperkontakt war der Therapeutin sehr zuwider. Auf der Symbolebene entwickelte die Therapeutin nun die unterschiedlichsten Aktivitäten, um sich diesem Mädchen und dem Körperkontakt zu entziehen. Sie rationalisierte dies mit der Überlegung, Angela solle lernen, mit den anderen zurechtzukommen. Die depressiv/trotzige Reaktion Angelas, die sich wie von ihrer Mutter abgeschoben fühlte, war für die Therapeutin jedoch nicht zu übersehen, so dass sie sich ihr aufs Neue zuwenden musste, wodurch sich jedoch ihr Widerwille gegen das Mädchen verstärkte. Angela empfing also ganz widersprüchliche Botschaften und reagierte umso mehr mit dem beschriebenen Verhalten. Erst in der Supervision wurde der Therapeutin bewusst, dass sie als Achtjährige eine ähnliche Beziehung zu ihrer Mutter hatte.
7.3 Übertragungsprozesse in verschiedenen Gruppenphasen
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Eine Gruppe neunjähriger Jungen, drei lebhaft, einer gehemmt, beschlossen Löwenjagd zu spielen. Sie wollten Jäger sein, der Therapeut sollte der Löwe sein, die Therapeutin die Köchin im Lager. Die drei lebhaften Jungen drängten den gehemmten Jungen zum Schutz der Köchin im Lager zu bleiben. Sie selbst bauten Fallen, und es entwickelte sich rasch ein kämpferisches Spiel mit dem „Löwen“, der in seiner zunehmenden Kampfeslust nicht bemerkte, wie bedrohlich er für die Jungen wurde. Erst als diese mehrmals sagten: „Du wärst nicht so wild!“, konnte er sich etwas zurücknehmen. Die „Köchin“ und ihren Beschützer hatte der Therapeut völlig vergessen. In der Supervision erinnerte sich der Therapeut daran, dass er sich als Kind um seine kränkliche Mutter sorgte und wilde jungenhafte Spiele mit Gleichaltrigen nicht möglich waren. Die Therapeutin hatte die „Verdrängung“ aus dem Spiel sehr intensiv erlebt und konnte deshalb auf die Problematik aufmerksam machen. Die drei lebhaften Buben hätten sicher noch einige Stunden das Spiel des Therapeuten mitagiert, weil es ihrem Interesse am „Vater“ und der Abspaltung ihrer eigenen kleinkindlichen Muttergebundenheit entsprach. In einer Gruppe Zehnjähriger, zwei Mädchen und drei Jungen, hatten alle Kinder in ihrer Herkunftsfamilie über mehrere Jahre darunter zu leiden, dass ihre Eltern keine Zeit und keine Kraft hatten, sich um viel mehr als die äußere Versorgung zu kümmern. Diese Gruppe inszenierte ein Indianerspiel. Alle Kinder waren Indianer eines Stammes, die TherapeutInnen sollten Händler sein, die insgeheim beabsichtigten, die heilige Statue des Stammes zu rauben. Die Kinder hatten lange Zeit gebaut und gespielt, ohne die Therapeutlnnen einzubeziehen. Das konnten die beiden nicht gut aushalten und versuchten wiederholt, ins Spiel zu kommen. Als sie nach einigen Zwischenszenen, die sie herbeigeführt hatten, schließlich von den Indianern an den Marterpfahl gebunden wurden, waren sie erneut hilflos und ausgegrenzt, denn die Indianer kümmerten sich lange nicht um ihre Gefangenen. Es waren wieder die TherapeutInnen, die ihre Situation nicht aushielten, sich befreiten, kämpften und flüchteten. Sie hatten ihre intensiv erlebten Gefühle von Hilflosigkeit und Ausgegrenztheit nicht als Gegenübertragung zum Verständnis der Kinder nutzen können, weil ihre eigene Ohnmacht sie zu sehr beunruhigte.
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7 Anforderungen an die TherapeutInnen Eine Gruppe Neunjähriger, zwei Mädchen und zwei sehr kräftige und lebhafte Buben, inszenierten ein Weltraumspiel. Die Mädchen kamen vom Sirius, die Jungen vom Merkur und zusammen brachten sie das Forschungsschiff von der Erde in ihre Gewalt, fesselten die Forscher (die TherapeutInnen) und sperrten sie in eine Zelle. Das anfängliche Miteinander wurde von den Jungen zunehmend unterlaufen, indem sie die Regeln des symbolischen Spiels ignorierten und ihre körperliche Überlegenheit immer häufiger gegen die Mädchen einsetzten. Die TherapeutInnen hätten längst eingreifen müssen, sei es aus ihrer Rolle, sei es als Leiter, aber sie konnten es nicht. Der Therapeut war mit den überlegenen Jungen identifiziert und konnte deshalb nicht bemerken, was den Mädchen widerfuhr. Und die Therapeutin hatte als Kind erlebt, dass die Brüder zählten und sie als Mädchen nichts galt, so dass sie nicht die Energie hatte, den Kollegen auf die Dynamik aufmerksam zu machen oder das Spiel zu unterbrechen.
An den skizzierten Beispielen wird deutlich, dass die therapeutische Anforderung dieser Methode eine gründliche Selbsterfahrung und ständige Reflexion der eigenen Übertragung erfordert. Geschieht dies nicht, ist es schwer, den psychodramatischen Rollentausch und die Erfahrungen der Gegenübertragung zu verstehen und therapeutische Interventionen zu entwickeln.
7.4 Probleme der Ko-Therapie 7.4 Probleme der Ko-Therapie Die Beispiele im vorangegangenen Abschnitt ließen schon erkennen, welche Möglichkeiten und Gefahren in der Kotherapie stecken. Gehen wir von der idealen Besetzung aus, dass eine Frau und ein Mann das Therapeutenpaar bilden und fragen wir, welche Vorteile dies für die Kinder hat. Als erstes kann man feststellen, dass die TherapeutInnen mit den Kindern ein System bilden, das Parallelen zu einer Familie aufweist. Deshalb werden entsprechende Übertragungen begünstigt, wie zum Beispiel unzureichende Triangulierung und/oder ödipale Problematik. Wird die Gruppe nur von einem Therapeuten oder nur einer Therapeutin geleitet oder von zwei Therapeuten gleichen Geschlechts, so ist die Übertragungsmöglichkeit eingeschränkt. Vergegenwärtigen wir uns außerdem, dass die Zahl der Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil aus Trennungs-, Scheidungs- und zusammengesetz-
7.4 Probleme der Ko-Therapie
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ten Familien sehr groß ist und noch zunimmt (in unseren Gruppen häufig etwa vier von sechs Kindern). Für Kinder aus diesen Familien ermöglicht ein „Therapeuten-Paar“, bestehend aus Frau und Mann, am ehesten eine Bearbeitung ihrer Erfahrungen. Wir wissen jedoch, dass aufgrund der personellen Situation von Beratungsstellen und anderen Einrichtungen diese ideale Besetzung oft nicht zu realisieren ist. Dann ist es allerdings immer noch besser, wenn zwei gleichgeschlechtliche TherapeutInnen die Gruppe leiten, als dies allein zu tun. Die wesentlichen Vorteile für die TherapeutInnen seien hier nochmals aufgezählt: Die Gruppendynamik und die Position jedes Kindes werden differenzierter erfasst. Ambivalenzen und Spaltungen können von den TherapeutInnen besser aufgenommen, symbolisiert und verbalisiert werden. Gefühle von Entwertung oder Ohnmacht werden zu zweit nicht nur leichter ausgehalten, sondern können als Übertragungsphänomene besser verstanden und genutzt werden. Übertragungen der TherapeutInnen auf die Kinder werden früher erkannt. Schwierigkeiten können in der Kotherapie entstehen, wenn sich die methodischen Konzepte der TherapeutInnen nicht ergänzen oder der Ausbildungsstand zu ungleich ist. Dazu ein Beispiel aus der Supervision: Eine Kollegin mit der Ausbildung zur Psychodramagruppentherapeutin hat einen spielfreudigen Kollegen dafür gewonnen, mit ihr eine Kindergruppe zu leiten. Die Spielfreude des Kollegen wurde jedoch in zunehmenden Maße zum Problem, da er relativ unreflektiert mit den Kindern agierte und die Therapeutin immer mehr zur strengen Mutter wurde — auch für den Kollegen. Das führte zu folgender Inszenierung: Die fünf Kinder, acht Jahre alt, spielten in einer Stunde „Krankenhaus“. Die Kinder wollten Sanitäter, Krankenschwestern und Ärzte sein, der Therapeut sollte der Chefarzt sein. Die Therapeutin sollte wegen eines „Verkehrsunfalls“ in die Klinik eingeliefert und operiert werden. Kaum hatte die Operationsszene begonnen, begann der Therapeut in zunehmendem Maße über die Kinder hinweg zu spielen, so dass diese nur noch mit großen Augen zuschauen konnten, was da für ein „Film“ ablief. Die Verletzte (Therapeutin) wurde vom Chefarzt (Therapeut) in geradezu sadistischer Weise operiert und behandelt. Die Kinder waren zu hilflosen Statisten geworden. Für die Kinder waren dies höchst problematische Bilder über die Beziehung zwischen den „Gruppeneltern“.
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7 Anforderungen an die TherapeutInnen
Ein Problem kann auch daraus erwachsen, dass es für viele Kinder in der Gruppe erstmals möglich ist, mit einem Mann zu spielen. Dann kann es geschehen, dass der Therapeut idealisiert und hofiert wird, während die negativen Übertragungen auf die Therapeutin erfolgen. Lust und Frust sind dann sehr ungleich verteilt und erfordern nach der Gruppenstunde eine differenzierte Bearbeitung, um langfristig eine Veränderung herbeizuführen. Schließlich geht es ja darum, die Enttäuschung und die Trauer der Kinder über die fehlenden Väter zu bearbeiten und nicht in einer vordergründigen Ersatzbefriedigung stecken zu bleiben. Achtet einer der TherapeutInnen, z.B. aufgrund der eigenen Struktur, in besonderer Weise auf Grenzen, erfolgen auf sie/ihn von den Kindern meistens weitere Übertragungen, die die Therapeutin/den Therapeuten verstärkt in diese Über-Ich-Position drängen. Der andere Therapeut kann sich dann entspannt in die Runde setzen und mit viel Verständnis auf die Kinder reagieren. Wir alle kennen solche Konstellationen aus den Familien und wissen, wie negativ sie auf die Kinder wirken. Wir sind zwar der Meinung, dass es besser ist, zwei gleichgeschlechtliche TherapeutInnen leiten die Gruppe, sofern eine Besetzung mit Frau und Mann nicht möglich ist, aber das verändert die Übertragungsprozesse. Wird die Gruppe von zwei Männern geleitet, kann es insbesondere bei einer reinen Jungengruppe verstärkt zur Inszenierung von Rivalität und Aggressionsproblematik führen. Außerdem ist die Bearbeitung ödipaler Themen kaum möglich. Mit Verschiebungen anderer Art ist zu rechnen, wenn die Gruppe von zwei Frauen geleitet wird. So berichteten zum Beispiel Kolleginnen, die mit Kindern aus Suchtfamilien arbeiteten, in denen alle Väter schwach und die Mütter dominant waren, dass sich für die Jungen in der Gruppe diese Besetzung ungünstig auswirkte. Die familiären Strukturen wiederholten sich in der Gruppe, und die Auseinandersetzungen mit „dem Mann“ waren nicht möglich. Das galt natürlich auch für die Mädchen, doch ihre Reaktionen darauf waren nicht so auffällig. Stellt sich noch die Frage, welche methodischen Konsequenzen zu ziehen sind, wenn man allein arbeitet. Hierzu können wir nur die wesentlichsten Erfahrungen einiger Kolleglnnen wiedergeben: Das wichtigste ist, dass man sich nicht mehr zur Übernahme zentraler Rollen anbietet. Man arbeitet mit den Kindern mehr auf der „Peer-Group-Ebene“ und über unterschiedliche Rollen, die man meist selbst wählt, um das Spiel anzuregen, zu strukturieren und zu stützen. Man hilft den Kindern, ihre Geschichte zu entwickeln und ihre Rollen zu finden, um dann über eine Nebenrolle die Inszenierung einzuleiten. Sobald das Spiel läuft, kann man sich zurücknehmen oder die Rolle ganz auflösen, um zu einem
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späteren Zeitpunkt in der gleichen oder einer anderen Rolle intervenieren zu können. Dazu ein Beispiel: Man entscheidet sich in der Geschichte einer „Flugzeugnotlandung in der Arktis“ zuerst der Fluglotse zu sein, der die Starterlaubnis erteilt, den Flug kontrolliert usw. Danach übernimmt man mit weißen Tüchern die Rolle des Eissturms, der die Leitwerke blockiert, das Flugzeug schüttelt und zur Notlandung zwingt. Je nach dem, wie die Gruppendynamik sich entwickelt und der Spannungsbogen der Geschichte von der Gruppe selbst gehalten wird, kann man sich danach abwartend in eine Ecke zurückziehen. Man kann dann später zum Beispiel als Eskimo auftreten und die Fähigkeiten der Verunglückten bewundern und danach wieder abziehen. Es wäre ebenso möglich, als gefährlicher Eisbär ein aggressives Spannungsmoment ins Spiel zu bringen, das den Zusammenhalt der Gruppe fördert. Und sobald der Eisbär erlegt ist, kann man sich wieder zurückziehen. Später übernimmt man dann wieder die Rolle des Lotsen, der die Suchaktion nach den Verschollenen einleitet. Natürlich muss man sich dabei immer versichern, ob die jeweilige Intervention von den Kindern erwünscht oder therapeutisch notwendig ist. Bei älteren Kindern ist es auch möglich, dass sie selbst verschiedene Rollen übernehmen und die Therapeutin/der Therapeut sich noch mehr zurücknehmen kann. Dadurch rücken insgesamt die soziale Interaktion und das soziale Lernen in den Mittelpunkt. An dem skizzierten Beispiel ist zu erkennen, dass die Anforderungen an die Therapeutin/den Therapeuten nicht gering sind und die Arbeit mit den Übertragungen nicht einfacher wird.
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Netzwerkarbeit 8 Netzwerkarbeit
8 Netzwerkarbeit
Da jedes Teilsystem im sozialen Atom des Kindes, Kind, Eltern, Familie, Kindergarten, Schule als Ursache und Aufrechterhalter der Probleme in Frage kommt und auch zur Lösung beitragen kann, ist es State-of-the-Art, dass die Gruppentherapie auch kontextorientiert und multi-systemisch orientiert sein muss. Schon sehr früh hat Moreno (1936) mit seiner Theorie der sozialen Netzwerke und seinem anthropologischen Konzept des sozialen Atoms eine systemische Sichtweise psychischer Störungen entwickelt und vom Therapeuten die Einbeziehung des jeweils relevanten Kontexts und die Wiederherstellung des geschädigten sozialen Atoms gefordert (vgl. Petzold 1982). Nach Moreno muss aber die Arbeit mit dem realen sozialen Atom über die Familie hinausgehen und die Lebenswelten von Kindern, wie den Kindergarten oder die Schule, mit einbeziehen. Eine solche weitere systemische Sicht vermeidet die Gefahr, Familien zu pathologisieren, und berücksichtigt auch neuere Erkenntnisse über den starken Einfluss der Netzwerke auf Kinder. So kann es z.B. bei einem Kind, das in der Schule in eine Außenseiterposition geraten ist, neben der Stärkung seiner sozialen Kompetenz in einer Gruppentherapie notwendig sein, über beziehungsstiftende Spiele mit der Klasse – wie wir es bei unserer Arbeit mit Schulklassen beschrieben haben (vgl. Aichinger 1995, 1999, Aichinger & Holl 2002) – seine Integration in die Klasse zu fördern. Anhand eines ausführlichen Beispiels möchten wir nun aufzeigen, wie eine Netzwerkarbeit aussehen kann, die parallel zur Gruppentherapie des Kindes abläuft. Eine allein erziehende 29-jährige Mutter bat auf Anraten der Klassenlehrerin um einen dringenden Termin für ihre 10-jährige Tochter Judith, da diese in der Schule wie zuhause massive Schwierigkeiten mache. Sie akzeptiere keine Grenzen und Regeln, sei sehr aggressiv und schlage in der Schule bei Konflikten sofort zu. Zuhause sei sie auf die jüngeren Geschwister sehr eifersüchtig und aggressiv. Manchmal breche sie aber wie zusammen, weine dann nur und drohe mit Selbstmord.
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8 Netzwerkarbeit Biographischer Hintergrund: Judiths Mutter lebte bis zum 18. Lebensjahr im Heim, um dem gewalttätigen, alkoholkranken Vater zu entkommen. Dort wurde sie mit 17 Jahren zum ersten Mal schwanger und gebar ein Mädchen. Ein Jahr später heiratete sie einen alkoholabhängigen Mann. Als dieser bald zu anderen Frauen intime Beziehungen aufnahm, kam es zu häufigen vorübergehenden Trennungen und Versöhnungen. In dieser schwierigen Situation wurde sie mit Judith schwanger. Von Geburt an war sie ihr fremd. Als diese 5 Monate alt war, kam es zur endgültigen Trennung. Kurz danach wurde sie von ihrem Schwager schwanger, dessen Ehe zu dieser Zeit auch in die Brüche ging und der im gleichen Haus wohnte. Sie zog zu ihm und gab ihre Wohnung ihrem ersten Mann, der nach einigen Monaten obdachlos mit einer anderen Frau zurückkam. Der 2. Ehemann wurde dann gewalttätig, schlug sie häufig und auch den ersten Sohn aus dieser Ehe, weil der viel weinte. Vier Jahre später gebar sie nach 2 Fehlgeburten einen 2. Sohn, bei dem bald Mukoviszidose diagnostiziert wurde. Als Judith 6 Jahre war, zog ihr leiblicher Vater in eine ferne Stadt. Auch die Trennung vom 2. Mann war wieder ein Hin und Her von Trennung und Versöhnung. 2 Monate nach der endgültigen Trennung lernte sie ihren jetzigen Partner kennen und zog bei dessen Eltern ein. Zufällig kam zu diesem Zeitpunkt Judiths Vater zu Besuch und nahm Judith, inzwischen 8 Jahre alt, in die Ferien mit. Da die Mutter eine kleine Wohnung hatte und annahm, dass Judith beim Vater mehr Zuwendung bekommen könnte, kämpfte sie nicht um sie, als diese nicht wieder zurückkommen wollte. Nachdem Judith am Telefon ihrer Schwester gesagt hatte, sie wolle mit der Mutter nichts mehr zu tun haben, gab es 1 ½ Jahre keinen Kontakt mehr zwischen ihnen. Erst als die Mutter einen Anruf von der Klassenlehrerin erhielt, Judith sei völlig verwahrlost und unterversorgt, fuhr sie sofort zur Lehrerin und holte sie dort heimlich ab. Sie setzte dann einen Gerichtsbeschluss für ein alleiniges Sorgerecht durch. Erst jetzt erfuhr sie, dass der Vater meist betrunken war und Judith schlecht versorgte. Sie musste öfters bei Nachbarn um Essen betteln, wurde vom Vater, wenn er betrunken war, geschlagen, oder musste andere Bedrohungen aushalten, wie z.B., als der Vater mit ihr vom Balkon springen wollte. Als Judith in die Familie zurückkam, reagierte sie mit Eifersucht, da die Mutter all ihre Kleider und Spielsachen weggegeben hatte und sie nichts Eigenes mehr besaß. Der neue Partner erlebte sie schnell als Bedrohung, die Unfrieden in die Familie bringt, und reagierte zunehmend ablehnend auf sie.
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In den ersten Familiengesprächen, die eine Kollegin führte, wurde deutlich, wie viel Wut Judith aufgestaut hatte und wie bedroht sie war, durch ihre Aggressionen wieder aus der Familie, aus der Schule und dem Hort herauszufallen. Daher entschieden wir uns im Team für ein mehrgleisiges Vorgehen. Zum einen sollten Familie, Schule und Hort über Beratungen gestützt werden, zum anderen boten wir dem Mädchen Verarbeitungshilfen an und nahmen sie in eine Psychodramagruppentherapie auf. In dieser Gruppe, die aus 4 Mädchen bestand, die alle entweder aus Scheidungsfamilien oder Familien mit massiven Ehekonflikten kamen, konnte Judith sehr gut auf der Symbolebene ihre Verletzungen und ihre Sehnsucht zeigen und ihre aufgestaute Wut in der Übertragungsbeziehung bearbeiten. An der 10. Stunde der Gruppenpsychotherapie möchten wir darstellen, wie Judith innerhalb des Gruppenthemas ihren Konflikt bearbeitete. Die Mädchen einigen sich darauf, Königshof zu spielen. Judith, Heike und Barbara wollen Prinzessinnen sein, die auf einem großen Fest zu Prinzessinnen gekrönt und die Herrschaft über große Ländereien übertragen bekommen würden. Isabel, ein mutistisches Mädchen, das kaum ein Wort spricht, ist eine königliche Siamkatze. Das Therapeutenpaar wird zum Königspaar gemacht, und eine Praktikantin zur Dienerin der Prinzessinnen. Nach dem Aufbau der Szenerie mit Thron, Festtafel, Gemächern der Prinzessinnen und Katzenhaus schmücken sich alle mit schönen Tüchern. Wir beginnen das Spiel damit, dass der Herold (der Therapeut im Rollenwechsel) die Ankunft der (imaginierten) Königinnen und Könige aus benachbarten Königreichen ankündigt. Das Königspaar setzt sich an die Tafel und bewundert die wunderschönen Prinzessinnen und die prächtige Katze, die den Saal betreten. Wir bitten sie, neben uns an der Tafel Platz zu nehmen. Nur Judith weilt als Prinzessin noch in ihren Gemächern. Wir schicken die Dienerin zur Prinzessin Anabelle (so ihr Name im Spiel), um sie zum Festmahl zu bitten, da sie schon von allen Gästen erwartet werde. Unter Androhung von Schlägen befiehlt Anabelle der Dienerin, der Königin vor den versammelten Gästen auszurichten, sie sei eine blöde Kuh, sie vernachlässige ihre Kinder, man müsste ihr die Kinder entziehen und sie zu einer guten Tante bringen. Als die Dienerin dies stockend dem Königspaar vorträgt, reagieren wir entsetzt auf diese beschämenden Anschuldigungen und rechtfertigen uns. Da stürzt Judith herein, springt auf den Tisch und tanzt darauf herum. Die anderen Prinzessinnen und die Katzen steigen auf ihr Spiel ein. Sie provozieren das Königspaar und beschimpfen uns lauthals.
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8 Netzwerkarbeit Die Katze kippt Wein auf die königliche Robe, die Prinzessinnen reißen der Königin den Schmuck vom Leib und Judith zeigt dem König den Stinkefinger. Als der sich empört, gerät sie so in Affekt, dass sie die Ebene des So-tun-als-ob verlässt und auf ihn real einschlägt. Als Leiter bittet er sie, nicht echt zu schlagen, als König ist er entsetzt, wie die Prinzessinnen uns vor den hohen Gästen blamieren, und erinnert sie an ihre gute Erziehung. Daraufhin werfen sie uns ins Gefängnis. Verängstigt fragen wir, was wir denn verbrochen hätten, wir seien doch immer gute Eltern gewesen. Wir hätten zwar nicht viel Zeit und Kraft für die Prinzessinnen übrig gehabt, da es im Königreich soviel Unruhen gegeben habe und wir uns damit beschäftigen mussten. Da schreit Judith uns ins Gesicht, wir hätten sie nur mit Süßigkeiten abgespeist, statt ihnen gutes Essen und Obst zu geben. Und zusammen mit den anderen Prinzessinnen fängt sie an zu schreien: „Hunger, Hunger, Hunger!“ Dieser Ruf wird immer intensiver und eindringlicher. Die Katze kratzt und beißt uns und zerreißt unsere Kleider. Dann holen die Prinzessinnen unsere Pferde aus dem Stall und reiten gemeinsam mit der Katze weg und lassen uns jammernd und klagend zurück, hätten wir uns doch früher mehr um unsere Töchter gekümmert.
Ähnliche Szenen wiederholten sich auch in den folgenden Stunden. Die Mädchen beschlossen zunächst in der Eingangsrunde schöne Geschichten, in denen wir gute Eltern sein sollten, im Laufe des Spiels kippte aber die Familienharmonie und brachte viel Wut und Ärger auf die schlechten „Eltern“ hervor. Vor allem Judith zeigte in diesen Spielen ein Verhalten wie Kinder mit Bindungsdesorganisation, die von dem Angebot der Eltern, als sichere Basis für die Kinder zu dienen, nicht richtig Gebrauch machen können, weil sie ambivalent zwischen Ärger und Protest und dem Wunsch nach Hilfe und Nähe hin und her pendeln. Im Laufe der Gruppentherapie nahmen die aggressiven Ausbrüche Judiths zuhause, in der Schule und im Hort ab, so dass es zu einer deutlichen Entspannung kam, und Judith langsam Fuß zu fassen schien. Die Mutter wollte deshalb Beratung nur noch in größeren Abständen. Plötzlich veränderte sich Judiths Spielverhalten und wurde sehr verwirrend. Sie wechselte ihre Rollen, war zunächst unsere Tochter, wurde dann die Freundin unserer Tochter, dann eine Fremde. Und wir Eltern sollten sie, unsere Tochter, auch nicht wieder erkennen, so dass wir in der Rollenbeziehung sehr verunsichert wurden. Da wir davon ausgingen, dass wir in einer konkordanten Übertragung die Verunsicherung verspürten, die Judith in einer verwirrenden
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Beziehungssituation empfand, entschieden wir uns für ein Elterngespräch. Ein Anruf eines Mitarbeiters des Sozialen Dienstes am folgenden Tag ließ uns verstehen, was Judith im Spiel ausdrückte. Er teilte uns nämlich mit, dass die Mutter mit dem Wunsch an ihn herangetreten sei, Judith für eine gewisse Zeit in einem Heim unterzubringen, weil sie ihren Partner schlecht mache, Nachbarn erzähle, sie bekomme nichts zu Essen und werde geschlagen. Da ihr Partner Angst habe, sie könne noch andere Dinge, wie sexuellen Missbrauch, über ihn verbreiten, müsse sie so lange ins Heim, bis sie sich gebessert habe. Daraufhin berief die Therapeutin eine Helferkonferenz mit allen Beteiligten ein. Nachdem aber die Mutter von der Therapeutin, der Lehrerin und Erzieherin des Horts hörte, welche Fortschritte Judith inzwischen gemacht hat, entschied sie sich, Judith doch nicht wegzugeben. In diesem Gespräch wurde auch nochmals deutlich, wie unsicher sie sich Judith gegenüber fühlte. Daher machten wir das Angebot, zusammen mit ihr und Judith zunächst die zurückliegende Trennung aufzuarbeiten und über eine Familienspieltherapie die Beziehung zu stärken. Dieses Angebot griff sie bereitwillig auf. Kaum hat Judith mit ihrer Mutter das Beratungszimmer betreten, beginnt sie zu weinen. Sie befürchtet, es gehe immer noch um die Heimunterbringung. Wir versichern ihr, dass sich die Mutter für sie entschieden habe, und sagen ihr, dass wir ihnen dabei helfen möchten, dass ihre Beziehung fester und sicherer werde. Wir wüssten von der Mutter, dass sie beide durch die Ereignisse der letzten beiden Jahre sehr verunsichert wurden. Damit sie besser verstehen könnten, wie es zu diesem Beziehungsabbruch kommen konnte, möchten wir diese Zeit nochmals zusammen anschauen. Der Therapeut bittet Judith, für sich, für die Mutter und den Vater ein Tier aus seiner Tiersammlung zu wählen. Für den Vater nimmt sie ein Wildschwein und lächelt dabei der Mutter zu, die zustimmend nickt. (Da ich, A. A., inzwischen die Methode weiterentwickelt habe, würde ich heute Judith ein Tier für den Vater, mit dem sie positive Erfahrungen gemacht hat, wählen lassen und ein anderes Tier für den Anteil des Vaters, mit dem sie schlimme Erfahrungen gemacht hat. Mit dieser Dissoziation könnte Judith besser zwischen der Sehnsucht nach dem guten Vater und der Wut auf den misshandelnden und vernachlässigenden Vater trennen. Hätte sie z.B. für den guten Vater den Bären gewählt, dann stünde hinter dem Hund nicht das kleine Wildschwein, sondern ein kleiner Bär, der die Sehnsucht nach dem guten Bärenvater zeigen könnte. Und hätte sie für den „bösen“ Vateranteil das Wildschwein gewählt, dann könnte das Pferd die Wut und Ent-
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8 Netzwerkarbeit täuschung äußern, dass das Wildschwein verhindert hat, dass der gute Bärenvater seine Vateraufgabe erfüllen konnte.) Für die Mutter wählt sie ein Pferd und für sich einen Hund. Um ihr in dieser Teilearbeit eine Dissoziation anzubieten – nicht ich, sondern eine Seite von mir –, nehme ich noch ein kleines Wildschwein und ein kleines Pferd und stelle es hinter den Hund mit der Erklärung: „Du weißt ja, jeder Elternteil hat dir, als du im Bauch deiner Mama entstanden bist, einen Teil der Erbanlage mitgegeben, so hast du teils die Erbanlagen von Mamas Seite und teils von Papas Seite in dir. Daher hat auch der Hund einen Pferde- und einen Wildschweinanteil. Von anderen Kindern weiß ich, wie es ihnen ergeht, wenn die Eltern getrennt sind und sie Mama und Papa nicht gleichzeitig haben können. Ich werde nun diese Tiere, die für dich, Mama und Papa stehen, reden lassen und du und Sie, Frau Maier, korrigieren mich, wenn ich diese etwas sagen lasse, was für dich oder für Sie nicht stimmt. Sie können natürlich auch selbst die Tiere reden lassen“. Da es für Kinder zunächst oft schwierig ist, über ihre Gefühle zu reden, schafft diese Externalisierung über die Figuren eine gute Möglichkeit der Distanz. Zunächst bin ich auch aktiver, bis sich die Kinder für den Prozess angewärmt haben. Da es für sie oft schwierig ist, dem Gesagten zuzustimmen, fordere ich sie auf, mich zu korrigieren, wenn ich etwas Falsches sage. Dann beginne ich mit der Teilearbeit: A: „Zunächst lebten das Pferd und das Wildschwein, wenn auch getrennt, im selben Haus. Das kleine Pferd und das kleine Wildschwein konnten hin und her gehen und sich holen, was sie brauchten. Nach einigen Jahren ist aber das Wildschwein weggezogen.“ Ich nehme das große Wildschwein und stelle es von den anderen Tieren weg. Judith nimmt die Figur und stellt sie noch weiter weg. Damit beginnt sie schon, sich auf die Tiere einzulassen. A: „Ja, es ist sehr weit weg gezogen, und ihr hattet keinen Kontakt mehr.“ Dann berühre ich das kleine Wildschwein und dopple es: „Ich bin ganz traurig, dass das Papa-Wildschwein mich zurück lässt. Was wird aus mir? Ob er mich nicht mehr lieb hat?“ Judith nickt. Anschließend berühre ich das kleine Pferd und dopple es: „Bin ich froh, dass meine Mama nicht weg geht und ich bei ihr bleiben darf.“ Judith stellt das kleine Pferd nahe an das große Pferd. A: „Nach 2 Jahren kommt das Papa-Wildschwein endlich zu Besuch“. Ich lasse das große Wildschwein sich nähern und dopple das Kleine. „Gott sei dank kommt endlich mein Papa-Wildschwein und schaut nach mir. Ich bin ganz ausgehungert.“ Judith nickt und sagt: „Und da hat der Papa gefragt, ob ich mit will.“ A: „Und da ruft das kleine Wildschwein: ,Ja,
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gerne‘“. Dann wende ich mich dem großen Pferd zu und frage: „Und was sagt die Pferdemama dazu?“ Da die Mutter noch wenig beteiligt ist, versuche ich sie mit der Frage einzubeziehen. Frau Maier: „Ich habe zugestimmt, ja ich war froh, dass er Judith in die Ferien mitnimmt, weil ich zu der Zeit viele Probleme hatte und mich wenig um sie kümmern konnte. Und ich hab gedacht, es tut ihr gut, mit keinen Geschwistern teilen zu müssen und den Vater ganz für sich zu haben.“ (Heute würde ich Judith bitten für diese Seite der Mutter, die überlastet und keine Kraft und Zeit für sie hatte, auch ein Tier zu wählen, damit dieser überforderte Mutteranteil auch repräsentiert ist). A (das kleine Schwein berührend): „Könnte es sein, dass das kleine Wildschwein jetzt losrennt und nicht mehr auf den Hund und das kleine Pferd achtet und denkt: ,Nun bin ich an der Reihe, du Pferd bist lange vom Mama-Pferd versorgt worden und bist gut herausgefüttert, jetzt musst du mal zurücktreten.‘“ Ich nehme den Hund: „Und der Hund tröstet das kleine Pferd und sagt: „Wir machen ja nur einen Besuch, die Pferdemama siehst du bald wieder.“ Ich lasse das große Wildschwein weggehen, dicht hinter ihm folgt das kleine Wildschwein, gefolgt von Hund und kleinem Pferd, das sich nach dem großen Pferd umschaut. Judith nickt und sagt: „Und als wir dort waren, wollte der Papa nicht, dass ich die Mama anrufe oder ihr schreibe. Und er hat gesagt, ich solle für immer bei ihm bleiben. Und weil ich Angst hatte, er wird sonst böse, habe ich es gemacht.“ Ich dopple das Papa-Wildschwein, das nicht das kleine Pferd sehen möchte: „Das kleine Wildschwein gehört zu mir, das braucht keine Pferdemama.“ A (den Hund berührend): „Und könnte es sein, dass dann der Hund gedacht hat: Ich muss das kleine Pferd verstecken. Der Wildschwein-Papa mag nicht, dass dieses nach der Pferde-Mama schaut und ruft.“ Judith nickt. A (zum kleinen Pferd): „Und könnte es sein, dass du, kleines Pferd, dich fügst, nicht nach der Pferdemama rufst und denkst: ,Ich muss ganz still sein und darf nicht zeigen, dass ich Sehnsucht nach dem Mama-Pferd hab.‘“ Judith: „Nur nachts, da habe ich geweint und mit der Mama geredet.“ A (an das MamaPferd gerichtet): „Wie ist es für dich, Mama-Pferd? Bekommst du die Sehnsucht und den Kummer des kleines Pferdes mit oder siehst du nur das kleine Wildschwein, das dir den Rücken zudreht?“ Frau Maier: „Nein, ich habe nur das abgewandte Wildschwein gesehen. Und dann kam auch noch der Anruf, dass sie nicht zurückkommen will. Da war ich sehr gekränkt und hab mich abgelehnt gefühlt. Auch war ich unsicher, ob es Sarah beim Vater nicht wirklich besser geht.“ A (zum Mama-Pferd): „Zeigst du Pferde-Mama dem Kleinen, dass du es vermisst und es wieder gern bei dir hättest?“ Frau
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8 Netzwerkarbeit Maier: „Ja, ich hab schon Briefe und Päckchen geschickt, aber ich hab erst vor kurzem von der Schwägerin erfahren, dass er alles abgefangen und ihr nicht weitergegeben hat. A (zum kleinen Pferd): „Und wie ist es für dich kleines Pferd, dass du keine Nachricht vom Mama-Pferd erhältst?“ Judith: „Als ich nicht einmal zu Weihnachten einen Brief oder Päckchen bekommen hab, da hab ich gedacht, die will nichts mehr von mir wissen, und der Papa hat auch gesagt, siehst du, die wollen dich nicht mehr. Die sind froh, dass du weg bist.“ Ich dopple das kleine Pferd: „Ich bin so enttäuscht, dass die Mama nicht nach mir schaut. Ob die mich gar nicht mehr lieb hat? Das macht mich ganz traurig, dass ich nichts von ihr höre. Und eine Stinkwut krieg ich auch, ich will nichts mehr von ihr wissen.“ Ich lasse nun die Pferde-Mama und das kleine Pferdekind sich abwenden und sich gegenseitig den Rücken zustrecken. Und ich bleibe, obwohl Sarah von sich redet, bei der Distanzierung über die Tiere. Frau Maier: „Ja, jede hat gedacht, die andere will nichts mehr wissen und hat sich beleidigt zurückgezogen.“ Judith: „Der Papa hat mir ja auch Schläge angedroht, falls ich heimlich anrufe.“ Und sie erzählt dann, wie schlecht es ihr erging, wie häufig sie ihn in Kneipen suchen musste, wie er betrunken heim kam und dann aggressiv wurde, wie sie bei Nachbarn um Essen betteln musste usw. (Heute würde ich Judith für den alkoholabhängigen Vateranteil ein Tier wählen lassen, der den guten Vateranteil, den Bärenvater, völlig in Hintergrund gedrängt hat, sodass der nicht mehr für das Pferd und die Kleinen sorgen kann.) Um Judiths Überlebenskraft zu bekräftigen, spreche ich den Hund an: „Da musst du Hund sehr stark sein. Das kleine Pferd hat Heimweh und Sehnsucht, die es nicht zeigen darf, und auch Wut, dass das Mama-Pferd nicht zur Hilfe kommt. Und das kleine Wildschwein ist von seinem Papa-Wildschwein enttäuscht und muss auch seine Enttäuschung und Wut verbergen. Und du Hund musst ohne Hilfe von außen mit allem zu Recht kommen. Wie schaffst du das nur alles? Das ist wirklich stark!“ Bei dieser Betonung ihrer Fähigkeit und Stärke strahlt Judith. Darauf Frau Maier: „Ich wusste ja von alledem nichts, erst als die Lehrerin anrief und mir einiges erzählte, sah ich, wie schlimm es Judith ergangen ist. Und da bin ich sofort hingefahren und hab sie mitgenommen und einen Gerichtsbeschluss durchgesetzt.“ Ich lasse das große Pferd kommen, das den Hund mit dem kleinen Pferd und dem kleinen Wildschwein mitnimmt und dopple Hund und kleines Pferd: „Endlich kommt die Mama und rettet uns. Sind wir froh.“ Dann dopple ich das kleine Wildschwein: „Aber ich bin auch traurig, dass ich nicht satt
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geworden bin und schon wieder ohne den Wildschwein-Papa leben muss.“ Judith stellt alle Figuren weit weg vom Wildschwein-Papa und nahe zur Pferde-Mama und sagt: „Von dem will ich nichts mehr wissen.“ Ich dopple die Tiere: „Wir sind so enttäuscht und wütend. Das soll der WildschweinPapa spüren. Die Strafe hat er verdient.“ Ich frage Judith: „Wie lange soll er bestraft werden?“ Judith: „100 Jahre!“ Um den Vater nicht ganz so negativ dastehen zu lassen, nehme ich das Papa-Wildschwein und dopple es: „Ich bin auch traurig und mach mir Vorwürfe, wie schlecht ich für das Kleine gesorgt hab. Wenn ich nur diesen blöden Alkohol lassen könnte. Damit hab ich alles verdorben. Dass es mich jetzt mit Ablehnung bestraft, hab ich verdient. Da hab ich einiges wieder gut zu machen.“ Judith nickt heftig. Diese Intervention, hinter das Tier, das für das Kind steht, den Mama- und Papaanteil zu stellen, hat sich für die Trennung- und Scheidungsberatung und Besuchsrechtregelungen als sehr günstig erwiesen. Indem die einzelnen Anteile reden, können Sehnsüchte nach dem nicht anwesenden Elternteil, Ärger, Wut, Enttäuschungen, Ambivalenzen, Konflikte und Loyalitätskonflikte gut dargestellt werden, ohne dass das Kind in Konflikt mit dem anwesenden Elternteil gerät. Da eine tiefe Verunsicherung die Beziehung zwischen Judith und ihrer Mutter belastete, schlugen wir beiden vor, in den nächsten Stunden über ein gemeinsames Spiel ihre Beziehung zu festigen und die Bindungssicherheit zu fördern. Wir wählten dafür das ressourcenorientierte Mutter-Kind-Spiel. Gerade bei Eltern, die keine positive Beziehung zu ihrem Kind aufbauen konnten, bei denen Akzeptieren und Achten des Kindes im Mittelpunkt der Beratung steht, hat es sich bewährt, sie zu einer gemeinsamen Spieltherapie zu motivieren, um bei den Eltern das „Dienen-als-sichere-Basis“ zu stärken, bei dem Kind das „Inanspruchnehmen-einer-sicheren-Basis“ zu stärken und so die Bindungssicherheit zu fördern. Von den Spielen erhoffen wir eine Modifizierung der Beziehungsqualität und eine Eröffnung von Spielräumen in einer festgefahrenen Situation. Diese Form der Familientherapie ist auch günstig bei Personen, die Probleme im Sprachausdruck und Sprachverständnis haben. Zu der nächsten Stunde brachte die Mutter ihren jüngsten Sohn mit, sie habe niemanden, der auf ihn aufpasse, außerdem wäre es vielleicht auch gut, weil zwischen ihm und Judith die stärkste Rivalität bestehe. Judith erzählt zunächst, die Erzieherin im Hort habe gesagt, die Mutter wolle sie loshaben. Empört weist die Mutter dies zurück. Um Judith ihre
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8 Netzwerkarbeit Lösungsideen zu diesem Konflikt ausspielen zu lassen, schlagen wir vor, dass sie eine Geschichte erfinden und jedem eine Rolle zuweisen dürfe. Wir wollen damit auch der Mutter den Einstieg erleichtern, da Judith mit dieser Methode schon vertraut ist. Judith möchte eine Urwaldgeschichte spielen. Sie teilt dem Therapeutenpaar die Rolle der Tierfänger zu (intuitiv spürt sie, wie sie über diese Intervention des Außenfeindes die Familie zusammen schweißen kann) Der Mutter gibt sie die Rolle der Wildhüterin, sie selbst möchte Affe sein, der kleine Bruder Kai soll einen kleinen Wildhasen spielen. Nach der Rollenwahl bauen die Kinder ihre Höhlen auf, die Mutter die Tierstation und wir einen Lastwagen für Tiertransporte und ein Versteck im Urwald. Anschließend beginnen wir mit dem Spiel: Nach Judiths Regieanweisung bauen die Tierfänger eine Falle, in die sie die Tiere locken. Kaum haben wir aber ein Tier gefangen und wollen es zum Lastwagen schleppen, da taucht die Tierhüterin auf, befreit es und geht wütend gegen uns vor. Indem wir uns in unserem Versteck über die Wachsamkeit der Wildhüterin aufregen und schimpfen, sie müsse ja einen fünften Sinn haben, dass sie immer gerade dann auftauche, wenn wir die Tiere in der Falle haben, verstärken wir indirekt die positive Beziehung zwischen Mutter und den Kindern und loben sie für ihr Gespür. Bei diesem „stützenden Doppeln“ strahlen die Kinder ihre Mutter an, und sie freuen sich dann gemeinsam darüber, wie sich die Tierfänger aufregen. Um auch den Kindern eine Möglichkeit zu geben, sich für die Mutter einzusetzen, hegen wir als Tierfänger einen Plan aus: Wir müssten diese wachsame Tierhüterin endlich ausschalten. Wir könnten sie ja zum Tee einladen, ihr heimlich einen Schlaftrunk verabreichen und, wenn sie fest schlafe, endlich die Tiere in Ruhe fangen und an den Zoo verkaufen. Die Tiere belauschen uns aber und warnen die Tierhüterin, die dann in einem unbeobachteten Augenblick den Tee wegschüttet und sich schlafend stellt. Wir freuen uns über den geglückten Plan, nun könnten wir ohne Gefahr die Tiere einfangen, da endlich diese wachsame und fürsorgliche Tierhüterin ausgeschaltet sei. Während wir in der Nacht zu den Höhlen schleichen, versteckt sich die Tierhüterin. Wir zerren die Tiere aus der Höhle, sperren sie in unseren Lastwagen und freuen uns über den wertvollen Fang. Da taucht plötzlich die Tierhüterin aus ihrem Versteck auf, bedroht uns mit einer Pistole, befreit die Tiere und beschimpft uns heftig, wie wir nur so böse sein können, so schöne Tiere einzufangen. Das sei strengstens verboten und würde mit hoher Gefängnisstrafe bestraft. Judith genießt es sichtlich, von ihrer Mutter so verteidigt zu werden, und
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geht dann vehement mit ihrem Bruder auf uns los. Sie beißen und kratzen uns, bis wir jammernd davonlaufen und schwören, nie mehr Tiere der Tierhüterin entführen zu wollen. 10 Minuten vor Stundenende beendeten wir das Spiel. Wir ließen jeden seine Rolle ablegen und bauten gemeinsam die Kulissen ab. Dann setzen wir uns kurz zur Abschlussrunde zusammen. Wir nahmen keine Interpretation des Spiels vor, sondern bestätigten nur die positiven Beziehungsansätze, mit welchem Einsatz die Tierhüterin die Tiere geschützt und um sie gekämpft habe, wie gut die Tiere bei ihr aufgehoben und in Sicherheit sein können und wie sehr auch die Tiere auf die Tierhüterin geachtet und verhindert haben, dass sie betäubt wurde. Anschließend fragten wir, was ihnen gefallen habe. Die Mutter sagte, es sei für sie zunächst sehr ungewohnt gewesen, sie habe „schon ewig nicht mehr so gespielt“, es habe ihr aber dann zunehmend Spaß gemacht. Die Kinder äußerten sich begeistert über das Spiel, vor allem dass die Mama so gut mitgespielt habe. Über dieses Lob freute sie sich. Da Mutter wie Kinder schon viele große Krisen gemeistert haben, war die Wertschätzung im Spiel wie in der Abschlussrunde, das Hervorheben des gelungenen Umgangs, sehr wichtig. Es unterstützte den Prozess der positiven Beziehungsgestaltung. Dieser Fokus auf positive Interaktionssequenzen, dieses ressourcenorientierte Vorgehen, ist aus der Sicht der Bindungstheorie in der Anfangsphase der Beratung von großer Bedeutung. „Gerade für Ratsuchende mit unsicher/vermeidendem Bindungshintergrund ist die Erfahrung wichtig, (weitgehend) angstfrei eigene Schwächen und Unsicherheiten aufspüren zu können, ohne Ablehnung zu erfahren“ (Suess 1999, S. 175.) Deutlich wurde in dieser Stunde, wie Judith die Bedrohung, ins Heim zu kommen, in dem Bild der Tierfänger aufnahm, bearbeitete und in eine ersehnte Szene, nämlich von der Mutter verteidigt und gehalten zu werden, umgestaltete. Die nächste Stunde begann die Mutter zunächst mit Klagen, wie unmöglich die Kinder waren, welchen „Saustall“ sie zuhause machten und sich an keine Regeln hielten. Im Nu entstand eine „Problemtrance“, und die Mutter geriet wieder in die Rolle der hilflosen, ohnmächtigen Mutter. Wir unterbrachen dieses Muster und wiesen darauf hin, dass es sicher viel Schwieriges gebe, wir hätten aber das letzte Mal auch gesehen, was ihnen gelinge. Daher möchten wir vorschlagen, das Spielen fortzusetzen. Judith greift das Bild des Saustalls auf und schlägt vor, Bauernhof zu spielen. Die Mutter soll eine Hundemutter sein und Kai ein Babyhund. Für
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8 Netzwerkarbeit sich wählt sie die Rolle eines Hasen und überträgt uns die Rolle der Bauern. Nach dem Aufbau der Szenerie: der Hundehütte, des Hasenstalls, des Bauernhauses mit Gemüsegarten und Speisekammer, und der anschließenden Verkleidung beginnen wir das Spiel. Judith greift als Hase sofort den kleinen Hund an. Schnell geht die Hundemutter dazwischen und verteidigt ihren kleinen Hund. Um ein stereotypes Beziehungsmuster, das zuhause immer wieder so abläuft, aufzubrechen, fragen wir Bauern uns laut, ob der Hase wohl Nähe zu dem Hund suche. Er müsse sich ja einsam in seinem Stall fühlen. Doch Hasen wissen wohl nicht so recht, wie man mit kleinen Hunden spielen könne, ohne dass die Hundemutter gleich Gefahr für ihre Kleinen wittere und sie vertreibe. Indem wir mit dieser deutenden Intervention der Mutter eine mögliche Erklärung für Judiths Verhalten anbieten, versuchen wir ihre Empathiefähigkeit zu fördern. Der Konflikt entspannt sich auf dieses explorierende Doppeln hin sofort. Die Hunde-Mama und der Hase beginnen, lustvoll zu balgen. Und langsam geht das Gerangel in ein Schnurren über, bis sich dann die Hunde-Mama und der Hase gegenseitig das Gesicht abschlecken (und das nicht nur im So-tun-als-ob, sondern real). Mit der Technik des Spiegelns beschreiben wir Bauern laut das Geschehen und loben unsere Hündin, wie gut sie gespürt habe, dass der Hase nichts Böses im Sinn hatte, und wie geschickt sie mit ihm umzugehen weiß. Den Hasen bewundern wir für sein Bemühen, Freundschaft mit der Hündin aufzubauen. Während dieses Zwiegespräches der Bauern nimmt die Hündin den Hasen mit in ihre Hundehütte, und alle drei kuscheln sich dort zusammen. Als wir Futter bringen, dem Hund Knochen und dem Hasen gelbe Rüben, wirft uns der Hase das Gemüse vor die Füße und lässt sich dann von der Hündin mit Knochen füttern. Wir äußern unser Erstaunen, dass die Hündin besser als wir Bauern weiß, was der Hase wirklich braucht. Vielleicht sei der Hase auch mehr Hund als Hase. Zusammen mit dem kleinen Hund schlüpft dann der Hase in unseren Gemüsegarten, und sie graben den ganzen Garten um. Auf unseren Versuch, sie aus dem Garten zu jagen, reagieren sie nicht. Als wir zu schimpfen beginnen, was den Tieren wohl einfällt, greifen sie uns an und beißen uns. Wir jammern, dass die Tiere nicht auf uns hören, und wir nicht wissen, wie wir ihnen Grenzen setzen können (damit nehmen wir eine Position ein, die die Mutter zum Anfang der Stunde innehatte). Ob wohl die Hunde-Mama den Tieren die Ordnung auf dem Bauernhof beibringen könne? Da kommt sie aus ihrer Hundehütte, packt den Hasen und anschließend den Hund am
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Kragen und zieht sie aus dem Garten (dabei beißt die Mutter richtig in die TShirts der Kinder und zerrt sie mit dem Mund heraus). Bei ihr gehorchen die Tiere sofort und hüpfen brav in die Hundehütte. In einem stützenden Doppeln zeigen wir unser Erstaunen, wie gut die Tiere auf die HundeMama hören und sie im Gegensatz zu uns den Tieren Ordnung beibringen könne. Judith gibt dann die Regieanweisung, dass es Nacht werde und die Bauern sich schlafen legen. In der Nacht rauben der kleine Hund und der Hase unsere Speisekammer aus und schleppen alle Würste in die Hundehütte. Als ich am nächsten Morgen dies entdecke und die Würste in der Hundehütte finde, schimpfe ich, auf Judiths Anweisung, die kleinen Tiere aus. Da knurrt mich die Hunde-Mama an, so dass ich schnell die Flucht ergreife. Ich berichte der Bäuerin, wie vehement die Hunde-Mama ihre Kleinen beschützt. Sie lasse kein böses Wort zu. Die Bäuerin wirft ein, vielleicht hätten wir die Tiere zu schlecht versorgt, vielleicht bräuchten sie mehr zum Essen. Ich halte dagegen, dass wir doch nicht zulassen können, dass die Tiere sich aus unserer Speisekammer selbst bedienen. Wieder gelingt es der Hunde-Mama, indem sie den Hasen und den kleinen Hund mit der Pfote und dem Kopf schubst und mit ihren Zähnen herauszerrt, dass sie die Würste zurückbringen. Wir loben unsere Hündin und bewundern ihre Fähigkeit, diesen kleinen Tieren die Regeln auf dem Bauernhof beizubringen. Zusammen rangeln dann die drei Tiere mit viel Spaß auf dem Hof. Als sie sich ausgetobt haben, lockt der Hase die Hündin mit in seine Höhle, wo sie sich aneinander gekuschelt ausruhen. Der kleine Hund legt sich auch dazu. Wir beenden das Spiel, betonen, dass sie nun keine Tiere mehr sind, räumen die Kulissen auf und setzen uns zum Abschlussgespräch zusammen. Alle drei sind sehr verschwitzt. Die Mutter sagt, sie habe sich nicht vorstellen können, nochmals so viel Spaß beim Spielen zu haben. So lustvoll habe sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gespielt. Judith und Kai sind wieder begeistert und freuen sich schon auf das nächste Mal. Eindrücklich war, wie viel selbstbewusster und lebendiger die Mutter im Gegensatz zum Stundenanfang, als sie sich hilflos und ohnmächtig darstellte, am Ende dieser Stunde den Raum verließ. Das gemeinsame Erlebnis im Spiel machte alle stolz. Wieder konnten wir in dieser Spielstunde die Sicherheit und das Selbstwertgefühl der Mutter stärken, das „als wichtige Voraussetzung, die Perspektive des eigenen Kindes zu berücksichtigen und feinfühlig mit ihm umzugehen“
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(Ziegenhain, 1999, S. 226) gilt. Neben negativen Kindheitserfahrungen schränkten Verunsicherungen, Überforderungen und mangelndes Selbstwertgefühl die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme bei der Mutter ein. Im Spiel konnten wir sie in Kontakt mit ihrer eigenen Kinderwelt bringen, so dass es ihr leichter wurde, das Kinderland ihrer Kinder zu betreten und für sie empathischer zu werden. Im Spiel, in dem Judith zunächst mit ihrem Bild vom Hasen zeigen konnte, wie wenig sie sich den Hunden zugehörig fühlte, gelang es ihr, die Zuwendungen der Mutter zu erringen und zu genießen und die Mutter als sichere Basis zu gebrauchen. Sie drückte dies im Spiel aus, indem sie immer mehr zum Hund wurde. Die multisystemische Arbeit der die Gruppentherapie begleitenden Familien-Spiel-Therapie und der Beratung der Klassenlehrerin und Horterzieherin ermöglichten eine positive Entwicklung der gesamten Familie.
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Schlussbemerkung
9 Schlussbemerkung 9 Schlussbemerkung
Die beschriebene Methode der Kinder-Gruppentherapie wird von vielen Kollegen, die die Ausbildung dazu abgeschlossen haben, in den unterschiedlichsten Berufsfeldern praktiziert, so zum Beispiel
in Kindertagesstätten ( Aichinger und Holl 2002) und im Schülerhort in Grund-, Haupt- und Realschulen, Gymnasien, Schulen für Erziehungshilfe (Feinauer 1990), Schulen für Lernbehinderte und für geistig Behinderte (Pflüger 2000) in Kinderheimen (Flegelskamp 2004) in kinderärztlichen Praxen in psychosomatischen Kliniken in kinder- und jugendpsychiatrischen Praxen und kinderpsychiatrischen Kliniken in Verbindung mit Reittherapie (Schörle 2000) und Erlebnispädagogik in psychosozialen Beratungsstellen mit Kindern suchtkranker Eltern (Heger 2002; Diözesan-Caritasverband 2004; Weiss 2008) in Psychologischen Beratungsstellen für Eltern, Kinder und Jugendliche (Hinger 1989; Kaup 1991) in psychologischen Praxen
Wir selbst arbeiten mit dieser Methode noch an Grund- und Hauptschulen (Aichinger 1995; Aichinger und Holl 2002):
mit sozial problematischen Klassen zur Verbesserung der Beziehungs- und Konfliktfähigkeit zur Krisenintervention bei gewalttätigen Konflikten in speziellen Projekten des sozialen Lernens.
Auch in der Arbeit mit Familien eröffnet diese Methode aufgrund ihrer Anschaulichkeit und Erlebnisqualität viele Möglichkeiten. Sie eignet sich sehr gut, den Kindern altersgemäß verständlich das System ihrer Familie und den Platz,
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den sie darin haben, nahe zu bringen und Veränderungen einzuleiten (Holl 1994; Aichinger und Holl 2002). Außerdem bereichert diese Methode in spezifischer Weise die therapeutische Arbeit mit einzelnen Kindern durch die psychodramatische Inszenierung intra- und interpsychischer Konflikte (Holl 1993, 1995; Aichinger und Holl 2002).
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