Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen in der Radiologie des kindlichen und erwachsenen Skeletts [14. ed.] 3133622145 [PDF]


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Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen in der Radiologie des kindlichen und erwachsenen Skeletts [14. ed.]
 3133622145 [PDF]

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II

Alban Köhler 1874 – 1947

Emil-Alfred Zimmer 1908 – 1981

Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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III

Freyschmidt’s „Köhler/Zimmer“ Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen in der Radiologie des kindlichen und erwachsenen Skeletts Joachim Brossmann Christian Czerny Jürgen Freyschmidt unter Mitarbeit von A. Gahleitner

14., vollkommen überarbeitete, neu strukturierte und erweiterte Auflage 4242 Abbildungen 56 Tabellen

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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IV

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Köhler, Alban: Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen in der Radiologie des kindlichen und erwachsenen Skeletts : Freyschmidt's „Köhler/ Zimmer“ ; Tabellen. – 14., vollkommen überarb., neu strukturierte und erw. Aufl. / Joachim Brossmann . . . unter Mitarb. von A. Gahleitner. – Stuttgart ; New York : Thieme, 2001 13. Aufl. u.d.T.: Köhler, Alban: Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen im Röntgenbild des Skeletts

1. Auflage 1910 2. Auflage 1915 3. Auflage 1920 4. Auflage 1924 5. Auflage 1928 6. Auflage 1931 7. Auflage 1939 8. Auflage 1943 9. Auflage 1953 10. Auflage 1956 11. Auflage 1967 12. Auflage 1982 13. Auflage 1989

1. französische Auflage 1930 1. spanische Auflage 1933 2. französische Auflage 1936 1. italienische Auflage 1955 1. englische Auflage 1956 3. französische Auflage 1956 2. spanische Auflage 1959 2. englische Auflage 1961 2. italienische Auflage 1967 3. englische Auflage 1968 3. italienische Auflage 1986 4. englische Auflage 1993

Geschützte Warennamen werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handele. Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

䉷 2001 Georg Thieme Verlag Rüdigerstraße 14 D-70469 Stuttgart Unsere Homepage: http://www.thieme.de Printed in Germany Umschlaggestaltung: Thieme Marketing Satz und Druck: Druckhaus Götz D-71636 Ludwigsburg Gesetzt auf CCS Textline ISBN 3-13-362214-5

Wichtiger Hinweis: Wie jede Wissenschaft ist die Medizin ständigen Entwicklungen unterworfen. Forschung und klinische Erfahrung erweitern unsere Erkenntnisse, insbesondere was Behandlung und medikamentöse Therapie anbelangt. Soweit in diesem Werk eine Dosierung oder eine Applikation erwähnt wird, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass Autoren, Herausgeber und Verlag große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag jedoch keine Gewähr übernommen werden. Jeder Benutzer ist angehalten, durch sorgfältige Prüfung der Beipackzettel der verwendeten Präparate und gegebenenfalls nach Konsultation eines Spezialisten festzustellen, ob die dort gegebene Empfehlung für Dosierungen oder die Beachtung von Kontraindikationen gegenüber der Angabe in diesem Buch abweicht. Eine solche Prüfung ist besonders wichtig bei selten verwendeten Präparaten oder solchen, die neu auf den Markt gebracht worden sind. Jede Dosierung oder Applikation erfolgt auf eigene Gefahr des Benutzers. Autoren und Verlag appellieren an jeden Benutzer, ihm etwa auffallende Ungenauigkeiten dem Verlag mitzuteilen.

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Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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V

Vorwort

Seit der Erstauflage des „Köhler/Zimmer“ (Grenzen des Normalen und Anfänge des Pathologischen im Röntgenbild) ist der auf das Skelett bezogene Teil im Rahmen der 13 Auflagen ständig gewachsen, bis schließlich ein Punkt erreicht wurde, an dem die Grenzbefunde vom Normalen einerseits zum schon Kranken andererseits nur noch eine untergeordnete Rolle spielten und – z. T. weit fortgeschrittene – pathologische Befunde dominierten. Die 13. Auflage war – nach Abhandlung der Norm und der Varianten – an radiologischen Basisphänomenen wie Form-, Dichte- und Strukturveränderungen orientiert, was zwangsläufig erhebliche Überschneidungen in einzelnen Kapiteln – und deren Unterkapiteln – mit sich brachte. Zum Teil liegt das daran, dass es jeweils reine Form-, Dichte- und Strukturveränderungen kaum gibt. Die meisten pathologischen Grundprozesse, wie z. B. Entzündung, Tumor, Nekrose, produzieren nämlich eine sich überlappende Symptomatik im Röntgenbild, also ein „buntes Bild“ von Form-, Dichte- und Strukturveränderungen. Dieser 14. Auflage wird ein anderer didaktischer Ansatz zugrunde gelegt, der dem Buch einen geistigen Faden und eine kohärente innere Logik geben soll: Es wird von den Fragestellungen ausgegangen, die von der klinischen und/oder röntgenologischen Primärsymptomatik ausgehen. Wie in anderen Organsystemen sind dies die nosologischen Säulen: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Dysplasie, Trauma, Nekrose, Entzündung, Tumor.

Wenn einem also in der klinisch-radiologischen Praxis an irgendeinem Skelettabschnitt ein Befund begegnet, der die Differenzialdiagnose zwischen Normvariante und einem der genannten pathologischen Grundvorgänge aufwirft, dann kann man in diesem Buch entsprechend gezielt nachsehen und die Frage beantwortet bekommen, ob es sich noch um einen Normalbefund oder schon um einen ganz eindeutig pathologischen Befund handelt. Grenzbefunde sind schwer zu sammeln, entweder, weil sie übersehen wurden oder weil die erste Röntgenuntersuchung viel zu spät erfolgte. Sie sind auch in einer Abbildung manchmal schwer wiederzugeben, fehlt dabei doch die Möglichkeit, durch Veränderungen der Betrachtungsbedingungen (z. B. Schräghalten des Röntgenbilds, Benutzung einer Irisblende mit Halogen) bestimmte interessierende Details entsprechend auszuleuchten. Aus diesen Gründen sind in diesem Buch auch voll entwickelte Krankheitsbilder dargestellt, denn wenn man deren Röntgenzeichen genau kennt, dann kann man sich auch leicht Frühformen, also Übergänge vom Normalen zum Pathologischen, vorstellen. Außerdem haben wir – der Tradition dieses Werks folgend – manche Rarität im Bildbestand belassen oder in ihn aufgenommen. Damit soll u. a. auch der Ruf des Buchs erhalten bleiben, dass man in ihm vieles findet, was man woanders sucht. Dem Benutzer dieses Buchs wird empfohlen, das Kap. 1 zu studieren, denn dort wird versucht, Wege und Strategien aufzuzeigen, das Normale und noch Normale (Variante) vom eindeutig Pathologischen abzugrenzen, sozusagen die Spreu vom Weizen zu trennen. Kiel/Wien/Bremen, im Herbst 2000

J. Brossmann Ch. Czerny J. Freyschmidt

Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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Anschriften

Priv.-Doz. Dr. med. Joachim Brossmann Universitätsklinikum Kiel Klinik für Diagnostische Radiologie Arnold-Heller-Str. 9 D-24105 Kiel

Prof. Dr. med. Jürgen Freyschmidt Zentralkrankenhaus Sankt-Jürgen-Straße Klinik für Radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin St.-Jürgen-Str. 1 D-28205 Bremen

Dr. med. Christian Czerny Universität Wien Klinik für Radiodiagnostik Abteilung für Osteologie Währinger Gürtel 18 – 20 A-1097 Wien, Österreich

Dr. med Andre Gahleitner Universität Wien Klinik für Radiodiagnostik Abteilung für Osteologie Währinger Gürtel 18 – 20 A-1097 Wien, Österreich

Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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VII

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

1

J. Freyschmidt Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

Anhang

7

2 Arm

15

J. Freyschmidt

Handskelett Vor- und Mittelhand

16 .......................

16

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Degenerative Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . Weichteilverkalkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16 16 22 22 53 53 58 64 70 72

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fingerendglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fingermittelglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77 77 77 78 78 79 81 84 85 86 86 86 86 88

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung, Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fingergrundglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Daumen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittelhand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Handwurzel Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante, Fehlbildung/Deformität? . . . . . . . . . Fraktur, Subluxation, Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88 89 89 90 90 90 90 91 91 92 92 92 92 92 94 95 95 95 95 95 97 97 98 99 101 101 103

105 105 105 118 118 127 132 132 133

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os trapezium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 134 134 134 138 139

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Inhaltsverzeichnis

Os trapezoideum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os capitatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os hamatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os scaphoideum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

139 139 139 139 140 142 142 142 142 143 143 146 146 146 146 150 150 150 150 152 152 154 160 162 162

Os lunatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os triquetrum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os pisiforme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur oder Luxation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Unterarm

165 165 166 166 166 169 173 173 174 174 174 174 174 180 180 180 180 180 182 183 183 184

186 ..................................

186

Mittlerer Teil

................................

202

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

186 189 189 194 197 198 198 200 201

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

202 204 204 205 206 206 208 209

Distaler Teil

Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 218 218 226 228 231

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilverkalkungen und -verknöcherungen, Veränderungen im fibroossären Übergangsbereich . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Oberarm

210 233

233 235

237 .....................................

237

Proximaler Teil

..............................

242

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung, Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilverkalkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

237 241 241 241 241 242

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 251 251 252 254 256 257 258

Diaphyse

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Inhaltsverzeichnis

3 Schultergürtel und Brustkorb

IX

259

J. Freyschmidt

Schulterblatt Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . .

260 260 269 269 274

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Akromioklavikulargelenk Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Luxation/Subluxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

285 285 285 285 286 287

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Das Schultergelenk als Ganzes Anatomie der Weichgewebsstrukturen . . . . . Schulter-Impingement und Rotatorenmanschettenruptur . . . . . . . . . . . . . . Schulterluxation und Schulterinstabilität . . .

290 294 295

Verkalkungen und Verknöcherungen in den Weichteilen der Schulter . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

303 307 307 308 309

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

310 315 316 316

318 318 324 324 332 332

Entzündung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Rippen Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297 302

303

Brustbein Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

288 288 288 289

290

Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

279 279 280 283

333 335 336 337

338 338 340 340 346 348

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

348 348 352 353

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X

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4 Schädel

355

Chr. Czerny

Schädeldach Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Verkalkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung/Tumor, sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

356 356 356 364 364 367 375

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os frontale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os parietale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pars squamosa ossis frontalis . . . . . . . . . . . . . . . . . . Oberschuppe des Os occipitale . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

378 384

Schädelbasis

398

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung/Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

398 398 400 400 403 403 405

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sella turcica . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mittlere Schädelgrube . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schläfenbein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

405 405 406 409 409 411 411 413 415 416 416 416 416 417 419 420

Entwicklung und anatomische Einteilung . . . . . . . Pneumatisches Zellsystem, Außen- und Mittelohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung/Pneumatisationshemmung? . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pyramide und Innenohr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hinterhauptsbein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Gesichtsschädel Augenhöhlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Verkalkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nase . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

386 386 387 390 392 397

420 424 424 426 426 429 430 430 433 435 435 441 441 444 444 446 447 449 449 453 453 461 461 462

463 463 463 467 467 468 468 470 471 471 472 473 473 474 474 475 475 475 475 475 477

Nasennebenhöhlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Allgemeine Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Radiologische Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kieferhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stirnhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siebbeinzellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

478 478 478 480 480 483 483 484 486 488 488 488 489 489 489 489 491 492 492 492

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Inhaltsverzeichnis Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung/Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keilbeinhöhle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung/Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochbogen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterkiefer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gahleitner Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

492 492 493 494 494 495 495 497 497 498 499 499 499 499 499 500 500 500 501 501 503 503 504 505

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kiefergelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur/Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Griffelfortsatz, Zungenbein, verkalkter Kehlkopfknorpel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

5 Wirbelsäule

XI 505 506 508 509 510 510 510 510 512 512 513 513 514 514 515 515 520 520 521 521 521 521 521

523

J. Brossmann Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

524 529

Atlas und Axis Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

530 530 541 541 558 564

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Mittlere und untere Halswirbelsäule Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . .

574 574 581 581 590

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Brustwirbelsäule Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

594 594 598 600 607

611 611 619 619 624 628

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Lendenwirbelsäule Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

564 566 567 570

628 629 629 635

637 637 643 643 665 666

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

666 672 679 692

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XII

Inhaltsverzeichnis

Os sacrum und Os coccygis Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

697 697 702 702 707 709

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Sakroiliakalgelenke Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

709 709 711 713

715 715 716 716 717 718

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6 Becken

718 723 724 726

729

J. Freyschmidt Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalanatomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untersuchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Traumatologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftpfannen-, Femurkopf- und Femurhalsnekrosen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verknöcherungen und Verkalkungen von Weichgewebsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlbildungen, Deformitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . Strukturelle Veränderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

730 730 730 733

734 739 739 743

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os ilium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

744 744 744 746 746 747 751 751 753 753 755

734

Os pubis und Symphyse, Os ischii . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hüftgelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7 Bein

755 755 757 757 762 764 765 767 767 769 770 770 787 787 795 802 809 811 815 822

825

J. Freyschmidt

Oberschenkel

826

.................................

826

Distaler Teil

..................................

841

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

826 826 826 834 834 834 837 841

Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

841 845 845 846 846 853 854 861 865

Femurschaft

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Inhaltsverzeichnis

Patella Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . .

866 866 870 870 874

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Proximaler Unterschenkel Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . .

880 887 887 890

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

903 911 911 911

Kniegelenktrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilverkalkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

915 915 916 918

919 919 924 924 927

Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Distaler Unterschenkel Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . .

893 895 901 902

903

Mittlerer Unterschenkel Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

876 877 878 879

880

Das Kniegelenk als Ganzes Normalbefund, Varianten, frühe Pathologien . . Pathologische Befunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Baker-Zyste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raumforderungen im Kniegelenk . . . . . . . . . .

XIII

931 931 931 936

937 937 941 941 946

Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Fuß

952 952 952 954

955

Allgemeiner Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Varianten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Deformitäten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weichteilvarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

955 955 959 959 963 967 967

Spezieller Teil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Talus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kalkaneus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

968 968 968 971 971 979 981 984 985 986 986 991 991 999 1000 1001 1001 1002 1005

Kahnbein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os cuboideum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Os cuneiforme mediale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1006 1006 1009 1009 1017 1017 1019 1020 1020 1021 1021 1021 1021 1023 1023 1024 1025 1026 1026 1028 1028 1031 1031 1031 1031

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XIV

Inhaltsverzeichnis

Ossa cuneiformia intermedium et laterale . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metatarsalknochen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1032 1032 1032 1032 1033 1033 1034 1035 1035 1037 1037 1040 1045 1048 1050 1050 1052

Sesambeine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonstige Veränderungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normalbefund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pathologischer Befund? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Variante oder Fehlbildung/Deformität? . . . . . Fraktur, Subluxation/Luxation? . . . . . . . . . . . . Nekrose? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entzündung? Tumor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Sachverzeichnis

1053 1053 1054 1054 1055 1056 1057 1057 1059 1060 1060 1062 1062 1067 1067 1067 1069

1071

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Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten J. Freyschmidt

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

Die auf visueller Empirie beruhende Abgrenzung einer anatomischen Normvariante von einem pathologischen Skelettprozess stellt an sich nicht das eigentliche Problem in der diagnostischen Radiologie von Grenzbefunden zwischen noch Normalem und beginnendem Pathologischen dar. Dieses Problem tritt erst dann auf, wenn die klinischen Symptome des Patienten möglicherweise etwas mit der radiologischen Variante zu tun haben, oder wenn sich in einer solchen Variante selbst pathologische Veränderungen wie z. B. eine Nekrose abspielen, oder aber wenn ein pathologischer Prozess eine normale anatomische Variante imitiert (Tab. 1.1). In dieser Situation lassen sich die Probleme nicht allein mit visueller Empirie lösen, sondern es ist die eigentliche ärztliche Kunst gefragt, zu der z. B. die Deutung von neurologischen und Schmerzsymtomen, die Wahl weiterer diagnostischer Prozeduren (wie z. B. Szintigraphie oder MRT) und u. U. die Empfehlung einer geeigneten Therapie gehören. Im Gesamtspektrum des Routineuntersuchungsguts in Klinik und Praxis dominieren erfahrungsgemäß Normalbefunde und mehr oder weniger harmlose, mit unterschiedlicher Häufigkeit vorkommende Normvarianten, mit denen der radiologische Befunder unbedingt vertraut sein muss, wenn er nicht Gefahr laufen will, zu viel falsch positive Befunde mit der Konsequenz weiterer – kostenaufwendigerer – diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen zu produzieren. Andererseits stumpft dieses Einerlei von Normalbefunden inklusive harmloser Normvarianten in der täglichen Praxis ab, sodass die Sensibilität für die Erkennung einer symptomatischen Normvariante oder eines eindeutig pathologischen Prozesses, der eine Normvariante imitiert, durchaus verloren gehen kann. Das Befundraster oder die diagnostische Checkliste muss also in jedem Einzelfall um die Fragen erweitert werden, ob der Normvariante nicht doch eine klinische Bedeutung zukommt, oder ob es sich vielleicht um eine vermeintliche Normvariante handelt, hinter der tatsächlich ein pathologischer Prozess steckt.

Wie lassen sich solche möglichen Pitfalls vermeiden? Das Grundschema der radiologischen Befundung erfolgt nach den Prinzipien der Mustererkennung. Für die konventionelle Diagnostik und die CT sind die entscheidenden Bausteine: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Form, Größe, Lagebeziehung zur Umgebung, Symmetrie, Dichte.

Bei der Skelettszintigraphie kommt neben den Basiselementen Form, Größe, Topographie und Symmetrie noch das regionale Ausmaß der Tracereinlagerung hinzu.

Bei den meisten hier zur Diskussion stehenden pathologischen Skelettprozessen ist die Tracereinlagerung erhöht. Ein solcher Befund besagt aber nur, dass der fokale oder regionale Knochenumsatz oder -stoffwechsel erhöht ist und/ oder dass der radioaktive Tracer eine stärkere Affinität zu dem pathologischen Prozess hat. Dahinter können sowohl traumatische als auch tumoröse, nekrotische oder entzündliche Veränderungen stecken. Bei einiger Erfahrung in der Osteologie und in der szintigraphischen Mustererkennung ist aber dennoch eine Entitätszuordnung vielfach möglich. Wichtig ist, dass die Untersuchung stets als Ganzkörperszintigramm, ggf. mit SPECT (Single-Photon-Emissions-CT) und Pinhole-Aufnahmen erfolgt. Bei der MRT wird der Baustein Dichte durch die Signalintensität bei den verschiedenen Sequenzen ersetzt. Beim konventionellen Röntgenbild, das im Gesamtaufkommen aller radiologischen Untersuchungen immer noch mit über 80% dominiert, kommen als wesentliche Elemente seiner Beurteilung noch die Abbildungsgeometrie und das Summationsphänomen hinzu. Die Abbildungsgeometrie beeinflusst Form, Größe und Topographie, die Summation im Wesentlichen die Dichte. Die Summation bezieht sich dabei nicht nur auf die Überlagerung verschiedener mehr oder weniger selbständiger Knochenelemente, sondern auch auf die Summation der Substrukturen des jeweiligen einzelnen Knochens. So erhöht eine Knochenleiste bei orthograder Projektion die radiologische Dichte bandförmig, umgekehrt wird bei einer Vertiefung oder Rinne die Dichte bandförmig aufgehellt. Es gibt keine nativen Röntgenaufnahmen spongiosareicher Knochenabschnitte, die völlig identisch sind, da sich die einzelnen Knochentrabekel schon bei minimaler Rotation (um etwa 1 – 2⬚) ganz anders aufeinander projizieren und häufig dickere Trabekel vortäuschen. Überlagern sich 2 unterschiedlich dichte Knochenelemente, so entsteht im Sinne einer optischen Täuschung eine Aufhellungslinie, die auch als Mach-Phänomen bezeichnet wird. Das Auge nimmt nämlich an Kontrastübergangszonen höhere Schwärzungen dunkler und geringere Schwärzungen heller wahr. Die unterschiedlichsten Veränderungen der einzelnen erwähnten Bausteine der Mustererkennung und/oder ihrer Summe bestimmen letztendlich über die Zuordnung zu einem jeweiligen pathologischen Grundvorgang am Skelett. Im Wesentlichen sind dies: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Fehlbildung und Deformität, Fraktur, Subluxation oder Luxation, Nekrose, Entzündung, Tumor.

Natürlich bewirken nicht Veränderungen der Mustererkennungsbausteine eine pathologische Entität, sondern es ist stets umgekehrt, doch durchläuft der Vorgang der radiologischen Befundung immer diesen umgekehrten Weg. In Bezug auf Varianten wird man sich also fragen müssen, ob radiologische Auffälligkeiten nicht doch Bestandteil oder Ausdruck einer Fraktur, einer Nekrose, einer Entzündung usw. sind.

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

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Tabelle 1.1 Einige wichtige „Normvarianten“, die symptomatisch werden können (nach J. P. Lawson, Refresherkurs ISS, Dublin 1998; s. auch Literatur am Ende des Kapitels) Name und Lokalisation A

B

Mögliche Pathogenese

Klinik

Weiterführende Diagnostik und Therapie

chronische, stressbedingte Umbauvorgänge in der knorpeligen Verbindung

Schmerzen, Schwellung

Szintigraphie oder MRT/CT 씮 Operation (Resektion)

Patellasubluxation mit chronischem Traktionstrauma im Insertionsbereich des M. vastus lateralis

Schmerzen

Szintigraphie oder MRT 씮 Operation (Patellastabilisierung)

쐌 Os subfibulare Knöchelchen unter der Spitze des Malleolus lateralis zwischen Malleolus und Talus

chronische Abrissfraktur des vorderen talofibularen Ligaments bei oberer Sprunggelenkinstabilität

Schmerzen, obere Sprunggelenkinstabilität

Szintigraphie 씮 Operation (Reinsertion)

Mit Prädisposition 쐌 akzessorisches Os naviculare Typ II1), für traumatische dreieck- oder herzoder degenerative Veränderungen in förmiges Knocheneiner kongenitalen element, 1 – 2 mm Synchondrose posteromedial vom Os naviculare; ist ein akzessorisches Ossifikationszentrum des Os naviculare

chronische Traumatisierung der Synchondrose zwischen Akzessorium und Os naviculare

Schmerzen, Schwellung medial am Fuß

Szintigraphie 씮 Operation (Resektion)

chronische Stressung bei Plantarflexion besonders bei Fußballern und Balletttänzern

Schmerzen, Schwellung

Szintigraphie oder MRT 씮 Operation (Resektion)

durch Störung des normalen Bewegungsablaufs frühe Arthrose im 3. Karpometakarpalgelenk

Carpal Bossing mit Schmerzen und Schwellung am dorsalen Karpus

Szintigraphie, CT 씮 Operation (Resektion)

쐌 anatomische Formund Lagevarianten des Akromion inklusive Os acromiale

Impingement des Supraspinatus Outlet

Tendinitis und/oder Riss der Supraspinatussehne

Ultraschall oder MRT 씮 Operation

쐌 Os intermetatarseum zwischen den Basen der Ossa metatarsalia I und II (1,25% aller Fußröntgenaufnahmen); kann als exostosenartiger Vorsprung in Os metatarsale I oder II oder in das Os cuneiforme inkorporiert werden

kann über Varusdeformität von Os metatarsale I und Hallux valgus zu Arthrose führen

Schmerzen, Schwel- Szintigraphie, evtl. lung, Metatarsophal- CT angealgelenk 씮 Operation (Resektion)

Mit chronischer 쐌 Patella bipartita stressbedingter Se(ca. 1 – 2% aller Patienparation der Knorten), superolateraler pel-Knochen-VerPatellapol bindung 쐌 dorsaler Patelladefekt (ca. 1% aller Patienten), superolaterale Gelenkkontur

쐌 Os trigonum an der Dorsalseite des Talus (in 14 – 25% aller Patienten) C

1)

Mit Prädisposition 쐌 Os styloideum. für vorzeitige Akzessorium zwischen lokale arthrotische Os capitatum/Os trapeVeränderungen zoideum und Basis Os metacarpale II und III (in 1 – 3% aller normaler Handgelenke)

Der Typ I (Os tibiale externum, Os naviculare secundarium) ist rund oder oval (2 – 3 mm im Durchmesser). Er ist vom Os naviculare völlig getrennt und entspricht einem Sesambein in der Sehne des M. tibialis posterior und wird in der Regel nicht symptomatisch

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

Folgende beliebige Beispiele sollen diese Problematik veranschaulichen: 쐌 Ein isoliertes knöchernes Element am Ende des Acromion scapulae muss die Differentialdiagnose implizieren (Abb. 3.34): Akute oder ältere in Pseudarthrose verheilte Fraktur/persistierende Apophyse als harmloser Zufallsbefund oder als prädisponierende Anomalie für ein Impingement der Supraspinatussehne (bei entsprechender Form und räumlicher Lage). Diese Differentialdiagnostik lässt sich nur mithilfe klinischer und anamnestischer Daten betreiben. Ausgehend von der Situation einer Aufdeckung des isolierten Knochenelements distal vom Akromion anlässlich eines Traumas wird man den Befund ohne weiteres als frische Fraktur deuten, wenn der Patient dort einen isolierten Druckschmerz hat und vielleicht sogar eine Krepitation besteht. Fehlen aber diese umschriebenen Symptome, wird man annehmen, dass es sich eher um einen Zufallsbefund und damit um eine anatomische Variante handelt. Wurde die Röntgenaufnahme wegen unklarer Schulterschmerzen – ohne Zuordnung zu einem Trauma – angefordert, dann muss auch überlegt werden, ob Form und Lage des zusätzlichen Knochenelements geeignet sind, den subakromialen Raum einzuengen, wodurch z. B. bei einer Überstreckung eine Zerrung oder eine Teilruptur der Supraspinatussehne eingetreten sein kann. Dieses Problem lässt sich – je nach Verfügbarkeit und Erfahrung – am leichtesten durch eine ultrasonographische oder MRT-Zusatzuntersuchung lösen. 쐌 Eine 50-jährige Frau hat nach längerem Gehen Schmerzen im rechten Großzehengrundgelenk. Keine Traumaanamnese. Eine Röntgenaufnahme zeigt ein relativ dichtes „zweigeteiltes“ laterales Sesambein und eine leichte Hallux-valgus-Stellung. Frage: Ist das laterale Sesambein im Sinne einer Doppelanlage noch normal oder nekrotisch verändert oder ist die Schmerzsymptomatik in einer radiologisch noch nicht nachweisbaren Arthrose des Metatarsophalangealgelenks zu suchen? Die klinische Untersuchung lässt in diesem Fall keine Unterscheidung zu, da sich Schmerzen im gesamten Gelenkbereich sowohl bei starker Flexion als auch Hyperextension auslösen lassen und eine palpatorische Schmerzlokalisation plantarseitig sehr unpräzise ist. In diesem Fall ist der Einsatz einer weiterführenden szintigraphischen Untersuchung angezeigt (Abb. 7.440). Reichert das laterale „zweigeteilte“ Sesambein stärker das Nuklid ein, so dürfte die Ursache in einer in 2 Teile fragmentierten Nekrose liegen und eine chirurgische Exstirpation ist angezeigt. Findet sich eine verstärkte Anreicherung im Subchondralbereich des Knochens, weist dies eher auf eine Arthrose hin. 쐌 Ein 5-jähriges Kind hat uncharakteristische rechtsseitige Knieschmerzen. Röntgenologisch findet sich eine Auflockerung und Irregularität der distalen medialen Metaphysenkortikalis. Frage: Entzündung/maligner Tumor/kortikale Irregularität? Palpatorisch und ultrasonographisch ist die Region völlig unauffällig. Eine Röntgenaufnahme der Gegenseite zeigt ein gleiches Phänomen. Jetzt kann man die Diagnose als transitorische kortikale Irregularität im Sinne einer Normvariante als sicher ansehen, auch Kontrollen sind nicht angezeigt (Abb. 7.45). In diesem Zusammen-

hang sei aber angemerkt, dass grundsätzlich typische radiologische Befunde an einem Knochen nicht immer einer „beweisenden“ Aufnahme der Gegenseite bedürfen. Auch schließt das Fehlen eines entsprechenden Befunds auf der Gegenseite nicht die bereits gestellte Diagnose aus. Viele Normvarianten können nämlich nur unilateral auftreten. Ließe sich jedoch in dieser Region ein Druckschmerz auslösen und fände sich dort zusätzlich eine leichte Schwellung, so müsste eine weitere Abklärung entweder mit der Szintigraphie oder mit einem der gängigen Schnittbildverfahren erfolgen.

Regeln, um Varianten korrekt einzuordnen ➤ Akzessorisches Knochenelement: Das akzessorische Knochenelement ensteht durch ein isoliertes, vom benachbarten „etablierten“ Knochen unabhängiges eigenes Ossifikationszentrum oder durch eine Nichtverschmelzung eines zweiten Ossifikationszentrums am Rande des „etablierten“ Knochens. In der Regel besteht dann aber zwischen dem akzessorischen Element und dem „etablierten“ Knochen eine bleibende Synchondrose. In dieser Synchondrose können sich bei ungünstiger anatomischer Lage mit entsprechender mechanischer Beanspruchung schmerzhafte regressive Veränderungen abspielen (Tab. 1.1). Das akzessorische knöcherne Element ist stets allseits von einer Kompakta umgeben, es „ergänzt“ nicht den anderen Knochen (Abb. 2.205 u. 2.151 b). Bei der entscheidenden Differentialdiagnose, nämlich einer knöchernen Absprengung, ist die Frakturbegrenzung der beteiligten knöchernen Partner in der Regel irregulär, bei frischen Frakturen findet sich keine abgrenzende Kortikalis. Das ist nur bei Pseudarthrosen der Fall (Abb. 2.129 d). Abgesprengte Fragmente „ergänzen“ den Knochen, von dem sie abgesprengt sind. Wenn man sie – theoretisch – an den verletzten Knochen heranschiebt – wie es ja der Chirurg ggf. tut und mit entsprechendem AO-Material fixiert – dann passen sie ohne weiteres in den durch Abbruch entstandenen Defekt. In der akuten Situation einer posttraumatischen Aufnahme hilft in der Abgrenzung in fraglichen Fällen die klinische Palpation und die Kenntnis des möglichen Frakturmechanismus. Bei gutachterlichen Fragestellungen Wochen oder Monate später entscheidet über die oben erwähnten morphologischen Kriterien hinausgehend auch die Frage, ob das in diesem Fall gesehene akzessorische Knochenelement als solches bekannt ist; denn eigentlich sind bisher alle Akzessoria in irgendeiner Form beschrieben worden, am lückenlosesten in dieser Monographie. Auf diese spezielle Problematik wird aber an späterer Stelle noch einmal näher eingegangen (S. 118 f.). An dieser Stelle ein Wort zu der Namensgebung akzessorischer Knochenelemente: Die meisten dieser Elemente sind nach ihrem Erstbeschreiber oder nach ihrer anatomischen Lage mit lateinischen Begriffen benannt. In Anbetracht der ungeheuren Fülle von Detailwissen, über das heute Mediziner verfügen müssen, erscheint es uns als nicht notwendig, dass man diese Begriffe im Einzelnen kennt und gebraucht. Entscheidend ist nicht der Name eines Akzessoriums, sondern seine korrekte Einordnung. Statt des Begriffs Os subfibulare genügt es völlig zu schreiben: akzessorisches Knochenelement unterhalb der Fibulaspitze.

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten Die nächste Differentialdiagnose zum akzessorischen Knochenelement ist die fragmentierte Osteonekrose. In der Regel ist das nekrotische Fragment dichter und in sich nicht strukturiert. Im Einzelfall entscheidet die Szintigraphie (s. oben) über die Differentialdiagnose. Eine letzte Differentialdiagnose stellt schließlich die Verknöcherung irgendeiner Matrix dar, z. B. bei einer umschriebenen Myositis ossificans (Abb. 2.235) oder von paraossären knorpeligen Formationen. Im Endstadium kann man eine Myositis ossificans rein morphologisch von einem Akzessorium nicht mehr unterscheiden, da sie in sich strukturiert ist und auch eine Kortikalis besitzt, in früheren Stadien ist die Ossifikation allerdings unscharf. Knorpelige Verkalkungsmuster lassen zumeist eine Art von Lobulierung erkennen. ➤ Eine ungewohnt und fremd erscheinende Verdichtung in einem Knochen: Die Verdichtung kann Folge der Superposition mit einem anderen Knochen sein, entweder bedingt durch atypische Projektion oder durch eine atypische Lage der beiden Knochen zueinander. Sie kann aber auch z. B. durch eine besonders kräftig ausgeprägte knöcherne Leiste (z. B. Linea aspera) bedingt sein und stellt sich dann meistens als bandförmig konfigurierte Verdichtung dar (Abb. 7.3 a). Letztendlich kann sie durch eine pathologische knöcherne Struktur am oder im Knochen verursacht sein. Das Problem lässt sich am leichtesten durch Aufnahmen von der Gegenseite oder – bei einem unpaaren Knochenelement wie einem Wirbelkörper – durch Betrachten der anderen Hälfte lösen. Schließlich stehen Zielaufnahmen zur Klärung der Projektionsverhältnisse zur Verfügung. In Einzelfällen wird man die CT einsetzen müssen. ➤ Eine fremd oder ungewohnt erscheinende Aufhellung in einem Knochen: Ist die Aufhellung linearer Natur, dann stellt sich die Differentialdiagnose zwischen Fraktur und Mach-Phänomen. Ist diese Aufhellung nicht linear, so kann sie bedingt sein durch umschriebene Spongiosararefizierungen, durch Kompaktaverdünnungen oder z. B. auch durch tiefe Gruben oder Furchen in der Außenkontur des Knochens. Ein bekanntes Beispiel stellt die ovaläre Aufhellung des Tuberculum majus im Humeruskopf dar (Abb. 2.431). Diese Aufhellung kann von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und erklärt sich ganz einfach durch einen geringeren Spongiosabesatz und eine stärkere Ausprägung des Markfetts. In fraglichen Fällen, vor allem bei vager klinischer Symptomatik, sollte man die Gegenseite untersuchen, ansonsten die CT oder MRT einsetzen. Grundsätzlich gilt aber, dass der Befunder die typischen Stellen im Skelett kennen sollte, an denen solche Aufhellungen normalerweise vorkommen. Das gilt selbstverständlich auch für Dichtezunahmen. Es ist nicht zulässig, dass insbesondere der Anfänger beginnt, aufwendige Untersuchungen einzusetzen, nur weil er durch Nichtwissen auf die richtige Einordnung solcher Phänomene unvorbereitet ist. Man muss sich andererseits aber auch davor hüten, vor allem bei symptomatischen Patienten Dichteschwankungen unkritisch als noch normal einzuordnen, selbst wenn sie sich noch so harmonisch in die Umgebung einpassen.

5

An dieser Stelle sei auf 2 wichtige Phänomene verwiesen, die der Befunder kennen sollte: 쐌 Grey Cortex: Der Grey Cortex entsteht durch umschriebene resorptive Veränderungen der normalen Knochenstruktur und zwar durch fokale osteoklastäre Aktivität, z. B. stimuliert durch einen entzündlichen oder tumorösen Knochenprozess (Abb. 7.10, 7.14 a u. 7.20 a). 쐌 Verwischung der klaren Abgrenzbarkeit der Kortikalis zum Knochenbinnenraum hin, insbesondere an Röhrenknochen: Sie kommt dadurch zustande, dass sich im Knochenmarkraum pathologische Prozesse abspielen, die zu seiner Dichteerhöhung führen (z. B. Matrixossifikation beim Osteosarkom, Knochennekrose, Ablagerungen von Calciumphosphat- oder Calciumkarbonatverbindungen usw.). Normalerweise findet sich Fett im Knochenmarkraum eines Röhrenknochens. Tumoröses Gewebe anstelle des Fetts ist konventionell-radiographisch nicht erkennbar, wenn es nicht mineralisiert, es sei denn, es führt an der benachbarten enossalseitigen Kontur der Kortikalis zu umschriebenen lakunenartigen Resorptionen, die man als Scalloping-Phänomen bezeichnet. ➤ Eine knöcherne Struktur erscheint zu groß oder zu klein, zumindest von der gewohnten Form abzuweichen: Bei dieser Konstellation stellt sich grundsätzlich die Frage zwischen einer Variante, einer Knochendysplasie oder Deformität. Auch in dieser Situation helfen zunächst Aufnahmen der Gegenseite. Finden sich dort gleiche Veränderungen, weist das auf die Möglichkeit eines systemischen pathologischen Prozesses hin. Bei der Zuordnung von Formvarianten sind in der Regel sog. Gamut-Listen (z. B. von Reeder u. Felsen) hilfreich. Auch in dieser Monographie finden sich in einzelnen Kapiteln solche nach morphologischen Gesichtspunkten aufgebauten differentialdiagnostischen Auflistungen. Ansonsten müssen Klinik und Anamnese zur Deutung herbeigezogen werden. Die komplexe Beschreibung von angeborenen Skelettdysplasien, Dysostosen und erworbenen Deformitäten kann im Rahmen dieser Monographie nicht erfolgen, dazu gibt es Spezialwerke. Im Anhang dieses Kapitels ist aber die internationale Klassifikation der Osteochondrodysplasien auf dem Stand von 1992 ohne weiteren Kommentar und auch ohne Änderung aufgelistet (Tab. 1.2, Anhang). Diese internationale Klassifikation wurde von J. Spranger (Europ. J. Pediat. 51 [1992] 407 – 415) veröffentlicht. Sie ist das Ergebnis einer internationalen Arbeitsgruppe über Knochendysplasien in Bad Honnef (26. – 28. Juni 1991). Die Grundlage war die Pariser Klassifikation konstitutioneller Skeletterkrankungen. Im Gegensatz zu dieser basiert die internationale Klassifikation der Osteochondrodysplasien allein auf radiologischen Kriterien, d. h. die Gruppierung wurde nach den Gesichtspunkten morphologischer Ähnlichkeiten der einzelnen Krankheitsbilder vorgenommen. Die Arbeitsgruppe war der Ansicht, dass die früheren „Gemische“ von klinischen, pathogenetischen und radiologischen Kriterien zu Ungereimtheiten und geringerer diagnostischer Klarheit geführt haben. Klinische Kriterien, wie z. B. das Alter bei Beginn der Erkrankung und der Verlauf, werden nicht länger benutzt, da sie sehr variabel sind und von der diagnostischen Erfahrung und den therapeutischen Aktivitäten des Befunders allzu sehr abhängen. Spranger weist darauf hin, dass trotz der erheblichen Fortschritte auf dem Gebiete der Biochemie und Molekularbiologie das ätiopathogenetische Wissen noch zu fragmentarisch ist, um eine ent-

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

sprechende kausale Klassifikation zu erstellen. Es werden aber Informationen über die Genlokalisation, das defekte Protein und über den Erbgang in der tabellarischen Auflistung gegeben. Die Klassifikation bezieht sich ausschließlich auf Osteochondrodysplasien, d. h. auf Entwicklungsstörungen von Knorpel-Knochen-Gewebe. In die neue Klassifikation wurden nicht die Dysostosen aufgenommen, die als Entwicklungsstörungen einzelner Knochen definiert sind.

Spranger weist darauf hin, dass das bisher Überarbeitete noch zu rudimentär sei und einer weiteren intensiven Überarbeitung bedarf. Wir haben uns daher entschlossen, die Pariser Nomenklatur der konstitutionellen Knochenerkrankungen (Revision 1986) ebenfalls ungekürzt abzudrucken, in denen die Dysostosen aufgelistet sind (Tab. 1.3, Anhang).

Literatur Berg, E. E.: The symptomatic os subfibulare: avulsion fracture of the fibula associated with recurrent instability of the ankle. J Bone Jt Surg. 73-A (1991) 1251 Cuono, C. B., H. K. Watson: the carpal boss: surgical treatment and etiological considerations. Plast. reconstr. Surg. 63 (1979) 88 Henderson, R. S.: Os intermetatarseum and a possible relationship to hallux valgus. J Bone Jt Surg. 45-B (1963) 117 Johnson, R. P., B. D. Collier, G. F. Carrera: The os trigonum syndrome: use of bone scan in the diagnosis. J. Trauma 24 (1984) 761 Keats, T. E.: Atlas of Normal Roentgen Variants That May Simulate Disease, 6th ed. Mosby-Year Book, Chicago 1996 Lawson, J. P.: Clinically significant radiologic anatomic variants of the skeleton. Amer. J. Roentgenol. 163 (1994) 249

Lawson, J. P., J. A. Ogden, E. Sella et al.: The painful accessory navicular. Skelet. Radiol 12 (1984) 250 Ogden, J. A., S. M. McCarthy, P. Jokl: The painful bipartite patella. J. pediat. Orthop. 2 (1982) 263 Reeder, M. R.: Reeder and Felson’s Gamut’s in Bone, Joint and Spine Radiology. Springer, Berlin 1993 Spranger, J.: International classification of osteochondrodysplasias. Europ. J. Pediat. 151 (1992) 407 Van Holsbeeck, M., B. Vandamme, G. Marchal et al.: Dorsal defect of the patella: concepts of its origin and relationship with bipartite and multipartite patella. Skelet. Radiol. 16 (1987) 304

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Anhang

Tabelle 1.2 Internationale Klassifikation der Osteochondrodysplasien (aus Spranger, I.: Europ. J. Pediat. 151 [1992] 407 – 415). Weiteres s. Text S. 5 Osteochondrodysplasias

Inheritance

Chromosome

Gene

Protein

MIM

A. Defects of the tubular (and flat) bones and/or axial skeleton 1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

Achondroplasia group Thanatophoric dysplasia Thanatophoric dysplasia-straight femur/ cloverleaf skull type Achondroplasia Hypochondroplasia

AD

187.600

AD AD AD

187.600 100.800 146.000

Achondrogenesis Type IA Type IB

AR AR

200.600 200.600

Spondylodysplastic group (Perinatally lethal) San Diego type Sp Torrance type Sp Luton type Sp Metatropic dysplasia group Fibrochondrogenesis Schneckenbecken dysplasia Metatropic dysplasia

151.210 151.210 151.210

AR AR AD

228.520 269.250 156.530 250.600

Short rib dysplasia group (with/without polydactyly) SR(P) Type I Saldino Noonan AR SR(P) Type II Majewski AR SR(P) Type III Verma-Naumoff AR SR(P) Type IV Beemer-Langer AR Asphyxiating Thoracic Dysplasia AR Ellis-van Creveld Dysplasia AR Atelosteogenesis/Diastrophic dysplasia group Boomerang dysplasia Sp Atelosteogenesis type 1 Sp Atelosteogenesis type 2 AR (de la Chapelle) Omodysplasia I (Maroteaux) AD Omodysplasia II (Borochowitz) AR Oto-palato-digital syndrome type 2 XLR Diastrophic dysplasia AR Pseudodiastrophic dysplasia AR Kniest-Stickler dysplasia group Dyssegmental dysplasia-Silverman Handmaker type Dyssegmental dysplasia-RollandDesbuquois type Kniest dysplasia Oto-spondylo-megaepiphyseal dysplasia Stickler dysplasia (heterogeneous, some not linked to Coll CoL2 A1)

263.530 263.520 263.510 269.860 208.500 225.500 – 108.720 256.050 – – 304.120 222.600 264.180

5q31 – q34

AR

224.410

AR

224.400

AD AR AD

156.550 215.150 108.300

12q13.1 – q13.3

CoL2A1

Type II Collagen



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8

1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

Osteochondrodysplasias 8.

9.

Inheritance

Spondyloepiphyseal dysplasia congenita group Langer-Saldino Dysplasia (Achondrogenesis type II) AD Hypochondrogenesis AD Spondyloepiphyseal dysplasia congenita AD Other spondylo epi-(meta)-physeal dysplasias X-linked Spondyloepiphyseal dysplasia XLD tarda Other late onset Spondyloepi-(meta)physeal dysplasias (ie. Namaqualand d., Irapa D.) Progressive pseudorheumatoid dysplasia AR Dyggve-Melchior-Clausen dysplasia AR Wolcott-Rallison dysplasia AR Immunoosseous Dysplasia AR Pseudachondroplasia AD Opsismodysplasia AR

10. Dysostosis multiplex group Mucopolysaccharidosis I-H Mucopolysaccharidosis I-S Mucopolysaccharidosis II Mucopolysaccharidosis III-A

AR AR XLR AR

Chromosome

Gene

Protein

MIM

12q13.1 – q13.3 12q13.1 – q13.3 12q13.1 – q13.3

CoL2A1 CoL2A1 CoL2A1

Type II Collagen Type II Collagen Type II Collagen

200.610 120.140.02 120.140.02 183.900 120.140.01

Xp22

SEDL

313.400

208.230 223.800 226.980 – 177.150 258.480 4 p16.3 4 q16.3 Xq27.3 – q28

IDA IDA IDS

12 q14

GNS

α-Iduronidase α-Iduronidase

252.800 252.800 309.900

III-B

AR

III-C

AR

III-D

AR

Mucopolysaccharidosis IV-A

AR

Mucopolysaccharidosis IV-B Mucopolysaccharidosis VI Mucopolysaccharidosis VII Fucosidosis α-Mannosidosis β-Mannosidosis Aspartylglucosaminuria

AR AR AR AR AR AR AR

3 p21 – p14.2 5 q13.3 7 q21.11 1 p34 19 p13.2 – q12 4 4 q23 – q27

GLBI ARSB GUSB FUCA MANB MNB AgA

gM1 Gangliosidosis, several forms Sialidosis, several forms Sialic storage disease Galactosialidosis, several forms

AR AR AR AR

3 p21 – p14.2 6 p21.3

GLB1 NEU

20

NgBE

Mucosulfatidosis Mucolipidosis II

AR AR

Mucolipidosis III Mucolipidosis IV

AR AR

Iduronate-2-sulfatase Heparan sulfate sulfatase N-Ac-α-D-glucosaminidase Ac-CoA : α-glucosaminidase-N-acetyltransferase N-Ac-glucosamine-6-sul- 252.940 fate-sulfatase Galactosamine-6sulfatase β-Galactosidase 230.500 Arylsulfatase B 253.200 β-Glucoronidase 253.220 α-Fucosidase 230.000 α-Mannosidase 248.500 β-Mannosidase 248.510 Aspartylglucosami208.400 nidase β-Galactosidase 230.500 α-Neuraminidase 256.550 269.920 Neur/Gal expressive pro- 256.540 tein Multiple sulfatases 272.200 N-Ac-Gluc-Phospho252.500 transferase N-Ac-Gluc-Phospho252.600 transferase 252.650

AD

271.660

AD



AR

271.550

AD

132.400

11. Spondylometaphyseal dysplasias Spondylometaphyseal dysplasiaKozlowski type Spondylometaphyseal dysplasia-corner fracture type (Sutcliffe) Spondyloenchondrodysplasia 12. Epiphyseal dysplasias Multiple epiphyseal dysplasia Fairbanks/ Ribbing



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Anhang

Osteochondrodysplasias

Inheritance

Chromosome

13. Chondrodysplasia punctata (Stippled epiphyses) group Rhizomelic type AR Conradi-Hünermann type XLD Xq28 X-linked recessive type XLR Xpter – p22.32 MT-type Sp Others including CHILD syndrome; Zellweger syndrome; Warfarin embryopathy, Chromosomal abnormalities; Fetal alcohol syndrome 14. Metaphyseal dysplasias Jansen type Schmid type Spahr type McKusick type (CHH) Metaphyseal Anadysplasia Shwachman type Adenosine deaminase deficiency

AD AD AR AR XLR? AR AR

20 q13.11

Gene

Protein

MIM

Peroxisome

215.100 302.950 302.940 –

CPXD CPXR

ADA

15. Brachyrachia (Short spine dysplasia) Brachyolmia, several types 16. Mesomelic dysplasias Dyschondrosteosis Langer type Nievergelt type Robinow type 17. Acro/acro-mesomelic dysplasias Acromicric dysplasia Geleophysic dysplasia Acrodysostosis Tricho-rhino-phalangeal dysplasia type 1 Tricho-rhino-phalangeal dysplasia type 2 Saldino-Mainzer dysplasia Pseudohypoparathyroidism several types

Cranioectodermal dysplasia Acromesomelic dysplasia Grebe dysplasia

9

156.400 156.500 250.400 250.250 – 260.400 102.700 113.500 271.530

AD AR AD AD

127.300 249.700 163.400 180.700

Sp AR AD AD AD AR AD AR? XLD?

102.370 231.050 101.800 190.350 150.230 266.920 103.580 139.320 203.330 300.800 218.330 201.250 200.700

8q24.12 TQPS1 8q24.11 – q24.13 TQPS2

AR AR AR

18. Dysplasias with significant (but not exclusive) membraneous bone involvement Cleidocranial dysplasia AD Osteodysplasty, Melnick-Needles XLD

119.600 309.350

19. Bent bone dysplasia group Campomelic dysplasia Kyphomelic dysplasia Stüve-Wiedemann dysplasia

211.970 211.350 –

AR AR AR

20. Multiple dislocations with dysplasias Larsen syndrome AD Desbuquois syndrome AR Spondylo-epi-metaphyseal dysplasia with AR joint laxity 21. Osteodysplastic primordial dwarfism group Type 1 AR Type 2 AR

CMD1, SOX9

150.250 215.200 271.640

210.710 210.720 씮

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10

1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

Osteochondrodysplasias

Inheritance

22. Dysplasias with decreased bone density Osteogenesis Imperfecta (several types) AD AD

Chromosome

Gene

Protein

MIM

17q21.31 – q22.05 CoL1A1

Collagen type I

120.150

7q21.3 – 22.1

CoL1A2

Collagen type I

21q22.3

CBS

Cystathionine-βSynthase

120.160 166.210 – 60 259.110 259.420 259.770 259.750 259.450 236.200

AR Osteoporosis with Pseudoglioma Idiopathic Juvenile Osteoporosis Bruck syndrome Homocystinuria

AR Sp AR AR

Singleton-Merten-syndrome Geroderma Osteodysplastica Menkes syndrome

Sp AR XLR

23. Dysplasias with defective mineralization Hypophosphatasia AD

Xq12 – q13

MNK

1p36.1p34

ALPL

182.250 231.070 309.400

Hypophosphatemic Rickets Pseudodeficiency rickets, several types

XR AR

Neonatal hyperparathyroidism

AR

146.300 171.760 241.500 241.510 370.800 264.700 277.420 277.440 239.200

AR AD AR AR AR AR AD

259.700 166.600 259.710 259.730 224.300 265.800 122.900

24. Dysplasias with increased bone density Osteopetrosis a) precocious type b) delayed type c) intermediate type d) with renal tubular acidosis Dysosteosclerosis Pycnodysostosis Osteosclerosis – Stanescu type Axial osteosclerosis including a) Osteomesopycnosis b) with Bamboo hair (Netherton Syndrome) c) Tricho-thiodystrophy Osteopoikilosis Melorheostosis Osteopathia Striata Osteopathia Striata with cranial sclerosis Diaphyseal dysplasia, Carmurati-Engelmann Craniodiaphyseal dysplasia Lenz-Majewski dysplasia Craniometadiaphyseal dysplasia Endosteal hyperostoses a) van Buchem disease b) Sclerosteosis c) Worth disease d) with cerebellar hypoplasia Pachydermoperiostosis Fronto-metaphyseal dysplasia Craniometaphyseal dysplasia a) severe type b) mild type Pyle (disease) dysplasia Osteoectasia with hyperphosphatasia Oculo-dento-osseous dysplasia a) severe type b) mild type Familial infantile cortical hyperostosis-Caffey

8q22

CA2

Alkaline phosphatase

Carbonic anhydrase II

AD AR

166.450 256.500

AR AD Sp Sp AD AD

242.170 166.700 155.950 – 166.500 131.300

AD AR Sp Sp

122.860 218.300 151.050 –

AR AR AD AR AD XLR

239.100 269.500 144.750 – 167.100 305.620

AR AD AR AR

218.400 123.000 265.900 239.000

AR AD AD

257.850 164.200 114.000 씮

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Anhang

Osteochondrodysplasias

Inheritance

Chromosome

Gene

Protein

11

MIM

B. Disorganized development of cartilagenous and fibrous components of the skeleton Dysplasia epiphysealis hemimelica Multiple cartilaginous exostoses Echondromatosis (Ollier) Echondromatosis with hemangiomata (Maffucci) Metachondromatosis Osteoglophonic dysplasia Fibrous dysplasia (Jaffe-Lichtenstein) Fibrous dysplasia with pigmentary skin changes and precocious puberty (McCune-Albright) Cherubism Myofibromatosis (Generalized fibromatosis)

Sp AD Sp Sp

8q23 – q24.1

127.800 133.700 166.000 166.000

AD Sp Sp Sp

156.250 166.250 174.800 174.800

AD AR

118.400 228.550

AD

102.400 102.500

C. Idiopathic Osteolyses 1.

2.

3.

4. AD AR MIM Sp XLD XLR

Predominantly phalangeal Hereditary acrosteolysis, several forms Hajdu-Cheney type

Predominantly carpal/tarsal Carpal-tarsal osteolysis with nephropathy AD Francois Syndrome (Dermo-chondroAR corneal dystrophy)

166.300 221.800

Multicentric Winchester Syndrome Torg type Mandibulo-acral dysplasia

AR AR AR

277.950 259.600 248.370

Other Familial Expansile Osteolysis

AD

174.810

autosomal dominant autosomal recessive Mendelian inheritance in man (Mc Kusick catalogue) sporadic X-linked dominant X-linked recessive

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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

Tabelle 1.3

Pariser Nomenklatur der konstitutionellen Knochenkrankheiten (Revision 1986)

I. Osteochondrodysplasien (Wachstums- und Entwicklungsstörungen von Knorpel und/oder Knochen) 1.

Wachstums- und Entwicklungsstörungen von Röhrenknochen und/oder der Wirbelsäule

A

Bei der Geburt manifest

a) 1.

Meist letal vor oder kurz nach der Geburt Achondrogenese Typ I (Parenti-Fraccaro) Achondrogenese Typ II (Langer-Saldino) Hypochondrogenese Fibrochondrogenese Thanatophore Dysplasie Thanatophore Dysplasie mit Kleeblattschädel

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

b) 9.

10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

18. 19. 20.

21. 22. 23. 24. 25.

Atelosteogenese Kurzrippensyndrome (mit/ohne Polydaktylie) a) Typ I (Saldino-Noonan) b) Typ II (Majewski) c) Typ III (letale thorakale Dysplasie) Gewöhnlich nichtletale Dysplasien Chondrodysplasia punctata a) rhizomele Form, autosomal rezessiv b) dominant X-chromosomale Form c) häufige, milde Form (Sheffield), auszuschließen: symptomatische Formen, chromosomale Aberrationen Kampomele Dysplasie Kyphomele Dysplasie Achondroplasie Diastrophische Dysplasie Metatropische Dysplasie (mehrere Formen) Chondroektodermale Dysplasie (Ellis-van-Creveld) Asphyxierende thorakale Dysplasie (Jeune) Spondyloepiphysäre Dysplasie congenita a) autosomal dominante Form b) autosomal rezessive Form Kniest-Dysplasie Dyssegmentale Dysplasie Mesomele Dysplasie a) Typ Nievergelt b) Typ Langer (wahrscheinlich homozygote Dyschondrosteose) c) Typ Robinow d) Typ Reinhardt e) andere Akromesomele Dysplasie Kleidokraniale Dysplasie Otopalatodigitales Syndrom a) Typ I (Langer) b) Typ II (André) Larsen-Syndrom Andere Syndrome mit multiplen Gelenkluxationen (Desbuquois ...)

Erbgang AR

B) 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

AR 8. 9.

AR AR AR

10. 11. 12. 13.

AR XLD, letal bei 么

AR AD AR AR, AD AR

14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23.

AD AR AD AR

2.

AD AR

1. 2. 3.

AD, AR AD AR AD XLD XLR AR, AD

Im späteren Leben manifest Hypochondroplasie Dyschondrosteose Metaphysäre Chondrodysplasie Typ Jansen Metaphysäre Chondrodysplasie Typ Schmid Metaphysäre Chondrodysplasie Typ McKusick Metaphysäre Chondrodysplasie mit exokriner Pankreasinsuffizienz und zyklische Neutropenie Spondylometaphysäre Dysplasie a) Typ Kozlowski b) andere Formen Multiple epiphysäre Dysplasie a) Typ Fairbank b) andere Formen Multiple epiphysäre Dysplasie mit Frühdiabetes (Wolcott-Rallisson) Arthroophthalmopathie (Stickler) Pseudoachondroplasie a) dominant b) rezessiv Spondyloepiphysäre Dysplasie, tarda (X-chromosomal rezessiv) Progressive pseudorheumatoide Chondrodysplasie Spondyloepiphysäre Dysplasie, andere Formen Brachyolmie a) autosomal rezessiv b) autosomal dominant Dyggve-Melchior-Clausen-Dysplasie Spondyloepimetaphysäre Dysplasie (verschiedene Formen) Spondyloepimetaphysäre Dysplasie mit schlaffen Gelenken Otospondylomegaepiphysäre Dysplasie (OSMED) Myotone Chondrodysplasie (Catel-Schwartz-Jampel) Parastremmatische Dysplasie Trichorhinophalangeale Dysplasie Akrodysplasie mit Retinitis pigmentosa und Nephropathie (Saldino-Mainzer)

AD AD AD AD AR AR

AD AD AR AR AD AR XLR AR

AR AD AR AR AR AR AD AD AR

Anarchische Entwicklung von Knorpel und Fasergewebe

Dysplasia epiphysealis hemimelica Multiple kartilaginäre Exostosen Akrodysplasie mit Exostosen (Giedion-Langer) 4. Enchondromatose (Ollier) 5. Enchondromatose mit Hämangiomen (Maffucci) 6. Metachondromatose 7. Spondyloenchondroplasie 8. Osteoglophonische Dysplasie 9. Fibröse Dysplasie (Jaffé-Lichtenstein) 10. Fibröse Dysplasie mit Hautpigmentierung und Pubertas praecox (McCune-Albright) 11. Cherubismus (familiäre fibröse Dysplasie des Kiefers)

AD

AD AR

AD

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Anhang

3.

Anomalien von Knochendichte, kortikaler Struktur und/oder metaphysären Modellierungsdefekten

1.

Osteogenesis imperfecta (mehrere Formen) Juvenile idiopathische Osteoporose Osteoporose mit Pseudogliom Osteopetrose a) autosomal rezessiv letal b) intermediär rezessiv c) autosomal dominant d) rezessiv mit tubulärer Azidose Pyknodysostose Dominante Osteosklerose, Typ Stanescu Osteomesopyknose Osteopoikilose Osteopathia striata Osteopathia striata mit kranialer Sklerose Melorheostose Diaphysäre Dysplasie (Camurati-Engelmann) Kraniodiaphysäre Dysplasie Endostale Hyperostose a) autosomal dominant (Worth) b) autosomal rezessiv (Van Buchem) c) autosomal rezessiv (Sklerosteose) Tubuläre Stenose (Kenny-Caffey) Pachydermoperiostose Osteodysplastie (Melnick-Needles) Frontometaphysäre Dysplasie Kraniometaphysäre Dysplasie (mehrere Formen) Metaphysäre Dysplasie (Pyle) Dysosteosklerose Osteoektasie mit Hyperphosphatasie Okulodentoossäre Dysplasie a) milder Typ b) schwerer Typ Infantile kortikale Hyperostose (Caffey-Krankheit, familiärer Typ)

2. 3. 4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

7.

Okulomandibulofaziales Syndrom (Hallermann-Streiff-François)

2.

Dysostosen mit vorwiegendem Befall des Achsenskeletts

AR

1.

AR AR AD AR AR AD

2.

Vertebrale Segmentationsdefekte (einschließlich Klippel-Feil) Zervikookuloakustisches Syndrom (Wildervanck) Sprengel-Anomalie Spondylokostale Dysostose a) dominante Form b) rezessive Form Okulovertebrales Syndrom (Weyers) Osteoonychodysostose Zerebrokostomandibuläres Syndrom

AR, AD

AD AD AD AD AD AR AD AR AR AD AD AD XLR AD AR oder AD AR oder XLR AR AD AR AD

II. Dysostosen (Fehlbildungen einzelner Knochen – isoliert oder kombiniert)

3. 4. 5. 6. 7. 3.

Dysostosen mit vorwiegendem Befall der Extremitäten

1. 2. 3.

Acheirie Apodie Tetraphokomeliesyndrom (Roberts) (SC Pseudo-Thalidomid-Syndrom) Ektrodaktylie a) isoliert b) Ektrodaktylie, ektodermale Dysplasie (Gaumenspaltensyndrom) c) Ektrodaktylie mit Haarbodendefekten Oroakrales Syndrom (Aglossiesyndrom, Hanhart-Syndrom) Familiäre radioulnare Synostose Brachydaktylie Typen A, B, C, D, E (Bells-Klassifizierung) Symphalangismus Polydaktylie (mehrere Formen) Syndaktylie (mehrere Formen) Polysyndaktylie (mehrere Formen) Kamptodaktylie Manzke-Syndrom Poland-Syndrom Rubinstein-Taybi-Syndrom Coffin-Siris-Syndrom Panzytopenie-Dysmelie-Syndrom (Fanconi) Blackfan-Diamond-Anämie mit Daumenmissbildungen (Aase-Syndrom) Thrombozytopenie-RadiusaplasieSyndrom Orodigitofaziales Syndrom a) Typ Papillon-Leage

4.

5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.

1.

Kraniofaziale Dysostosen

18.

1.

Kraniosynostose (verschiedene Formen) Kraniofaziale Dysostose (Crouzon) Akrozephalosyndaktylie a) Typ Apert b) Typ Chotzen c) Typ Pfeiffer d) andere Typen Akrozephalopolysyndaktylie (Carpenter u. a.) Zephalopolysyndaktylie (Greig) Syndrome des ersten und zweiten Kiemenbogens a) mandibulofaziale Dysostose (Treacher-Collins, Franceschetti) b) akrofaziale Dysostose (Nager) c) okuloaurikulovertebrale Dysostose (Goldenhar) d) hemifaziale Mikrosomie e) andere (wahrscheinlich Teile eines breiten Spektrums)

19.

2. 3.

4. 5. 6.

20. AD AD AD AR AD AD AR

b) Typ Mohr 21. Kardiomeles Syndrom (Holt-Oram und andere) 22. Femoraler fokaler Defekt (mit oder ohne Gesichtsmissbildungen) 23. Multiple Synostosen (einschließlich einige Formen von Symphalangismus) 24. Skapuloiliakale Dysostose (Kosenow-Sinios) 25. Hand-Fuß-Genital-Syndrom 26. Fokale dermale Hypoplasie (Goltz)

13

AD AR AD AR

AR

AD

AD AD

AR AR AR XLD, letal bei 么 AR AD

AD AD AD XLD, letal bei 么



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1 Einführung in die radiologische Diagnostik von Normvarianten

14

Tabelle 1.3

(Fortsetzung)

III. Idiopathische Osteolysen 1. 2.

Phalangeal (mehrere Formen) Tarsokarpal a) einschließlich Typ François u. a. b) mit Nephropathie Multizentrisch a) Typ Hajdu-Cheney b) Typ Winchester c) Typ Torg d) andere Typen

3.

AR AD AD AR AR

IV. Verschiedene Erkrankungen mit Knochenbeteiligung 1.

Frühkindliche Beschleunigung der Skelettreifung a) Marshall-Smith-Syndrome b) Weaver-Syndrom c) andere Typen 2. Marfan-Syndrom 3. Kongenitale Arachnodaktylie mit Kontrakturen 4. Zerebrohepatorenales Syndrom (Zellweger) 5. Coffin-Lowry-Syndrom 6. Cockayne-Syndrom 7. Fibrodysplasia ossificans congenita 8. Epidermales Nävussyndrom (Solomon) 9. Nävoides Basalzellkarzinomsyndrom 10. Multiple kongenitale Fibromatose 11. Neurofibromatose (mehrere Typen)

AD AD

XLD AR AD

AD

V. Chromosomale Aberrationen VI. Primäre Stoffwechselstörungen AD AR XLD XLR

autosomal dominant autosomal rezessiv X-linked dominant X-linked rezessiv

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Arm J. Freyschmidt

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16

2 Arm

Handskelett

Am Handskelett (Karpus, Metakarpus, Phalangen) kommen durchschnittlich 31 Knochenelemente vor inklusive der häufigeren Sesambeine. Die Zahl der Gelenke schwankt – je nach Anlage und Ausbildung der karpalen Gelenke – zwischen 25 und 28. In der Vor- und Mittelhand bestehen – abgesehen von den Sesambeinen – die Knochen aus Röhrenknochen, im Karpus aus sog. kleinen, irregulären Nichtröhrenknochen. Diese Fülle von Knochenelementen mit den dazugehörigen Gelenken korreliert mit der kaum überschaubaren Fülle von Varianten hinsichtlich Zahl, Größe, Struktur und Dichte und den so vielfältigen möglichen pathologischen Veränderungen durch Trauma, Nekrose, Entzündung usw. Das Handskelett lässt sich radiologisch auf Grund des geringen Streukörpers optimal abbilden, bei speziellen Fragestellungen – nach frühen Knochenstrukturveränderungen oder frühen entzündlichen Gelenkprozessen – am

besten in Mammographietechnik mit anschließender Lupenbetrachtung oder mit der direkten geometrischen Röntgenvergrößerung unter Einsatz eines Mikrofokus. Man tut gut daran, bei allen zweifelhaften Befunden die Gegenseite abzubilden und bei der Interpretation jedes einzelne knöcherne Element auf Normabweichungen hin abzusuchen. Die guten Abbildungsbedingungen des Handskeletts sind u. a. ein Grund dafür, dass es als radiologische Testregion für viele systemische Krankheitsprozesse (z. B. renale Osteopathie, Akromegalie, polyartikuläre Gelenkerkrankungen wie rheumatoide Arthritis, Psoriasisarthritis usw.) genommen wird.

Vor- und Mittelhand Allgemeiner Teil Die Voranstellung eines allgemeinen Kapitels über die Vorund Mittelhand nehmen wir deswegen vor, weil sich zahlreiche Varianten und pathologische Veränderungen gleichzeitig und in unterschiedlicher Ausprägung an mehreren Knochen abspielen können und sich deren Interpretation und Zuordnung nur über die Gesamtschau bewerkstelligen lässt. Des Weiteren wird im allgemeinen Teil versucht, bestimmte anatomische und pathoanatomische Gemeinsamkeiten der einzelnen Knochenelemente aufzuzeigen. Außerdem ziehen bestimmte pathologische Veränderungen die benachbarten Knochen eines anderen Fingers oder den dazugehörigen Metakarpalknochen in Mitleidenschaft, sodass man diese Situation nur aus dem Ganzen heraus beurteilen kann. Die repetitive Aufzählung solcher Veränderungen in den den einzelnen Handknochen gewidmeten Kapiteln im speziellen Teil würde sonst zu nutzlosen Wiederholungen führen.

Normalbefund Im Wachstum Die Ossifikationsvorgänge im Vor- und Mittelhandbereich unterliegen – insbesondere im Hinblick auf das Auftreten von Epiphysenkernen und des Schließens der Wachstumsfugen – interindividuellen, geschlechtlichen und ethnischen Schwankungen, die nicht Gegenstand dieses Buchs sein sollen. In der Abb. 2.1 ist lediglich die am häufigsten vorkommende Reihenfolge des Auftretens der Knochenkerne am gesamten Handskelett dargestellt. Fragen nach dem Skelettalter einschließlich der Bestimmung der prospektiven Endgröße (sog. Wachstumsprognose) können nur mithilfe einschlägiger Atlanten, z. B. von Greulich u. Pyle (1959) oder von Tanner u. Whitehouse (1975), beanwortet werden.

Im Erwachsenenalter Abb. 2.2 zeigt ein normales Bild der Vor- und Mittelhand eines Erwachsenen inklusive der dazugehörigen Nomenklatur, die im Folgenden verwendet wird.

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Handskelett

17

Abb. 2.1 Grob schematische Darstellung der Reihenfolge der radiologischen Erkennbarkeit der Epiphysenkerne am Handskelett.

Alle Knochen der Vor- und Mittelhand sind sog. kleine Röhrenknochen, die dazugehörigen Gelenke sind synoviale Gelenke. Die Größe der Handknochen (Länge und Breite) hängt weitgehend von konstitutionellen Momenten ab. Dabei wird die Form im Wesentlichen von der Art und vom Ausmaß der mechanischen Beanspruchung geprägt. Dieses erkennt man besonders im Bereich der Muskel-Sehnen-Ansätze, die umso größer und wulstiger erscheinen, je stärker und dauernder der muskuläre Zug auf sie einwirkt. Das Handskelett eines überwiegend manuell arbeitenden Menschen wirkt immer „plumper und gröber“ als das eines überwiegend sich geistig betätigenden Menschen (Abb. 2.3 a u. b). Die Tangente an den Köpfchenkonturen der Ossa metacarpalia IV und V muss mit leichtem Abstand über die Köpfchenkontur von Os metacarpale III verlaufen (Abb. 2.4).

Schneidet sie das Köpfchen von Os metacarpale III, dann ist diese Situation als pathologisch zu bezeichnen (z. B. beim Pseudohypoparathyreoidismus). Ein Grenzbefund liegt dann vor, wenn die Tangente die Köpfchenkontur von Os metacarpale III eben gerade berührt. Die Summe der Längen von Grund- und Endphalanx eines Strahls ergibt in etwa die Länge des dazugehörigen Os metacarpale (sog. Phalangenzeichen nach Kosowicz 1965, Abb. 2.4). Nach Erweiterung der Analyse von Messungen der Fingergliedlängen mithilfe der metakarpophalangealen Profilmuster (Poznanski u. Holt 1971) durch Korrelation mit der Gesamtlänge der Fingerglieder wurde eine einzige Tabelle der Mittelwerte und Standardabweichungen für alle Lebensalter vom 3. Lebensjahr an erstellt. Hierdurch ist es möglich, Maße nach publizierten Aufnahmen mit denen von Röntgenbildern zu vergleichen (Dijkstra

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2 Arm Abb. 2.2 Normales Handskelett eines Erwachsenen mit anatomischer Nomenklatur. 1 Os trapezium 2 Os trapezoideum 3 Os capitatum 4 Os hamatum 5, 5 a Os triquetrum und Os pisiforme superponiert 6 Os lunatum 7 Os scaphoideum 8 Ossa metacarpalia 9 Grundphalangen 10 Mittelphalangen 11 Endphalangen 12 Sesambein CMG Karpometakarpalgelenk DEG Daumenendgelenk DGG Daumengrundgelenk DSG Daumensattelgelenk DIP distales Interphalangealgelenk IMG Intermetakarpalgelenk MCP Metakarpophalangealgelenk PIP proximales Interphalangealgelenk

Abb. 2.3 a – d Zur Vielfalt der Röntgenanato- 컄 mie des Handskeletts: a, b Unterschiedlich ausgeprägte Handskelette in Abhängigkeit von der Belastung. Bei einem manuell kaum belasteten Menschen (z. B. Beamter) (a). Bei einem stark manuell arbeitenden Fliesenleger (b). Beachte die deutlich wulstigen Band- und Kapselansätze und auch die betonten Gefäßkanäle, insbesondere in den Grundphalangen. c, d Sehr dichte und dicke Metakarpalkompakta und Endphalangenosteosklerose bei einer gesunden 37-jährigen Frau, also kein Morgagni-Syndrom.

1983). Die zahlreichen möglichen Ursachen zu kurzer oder zu langer Phalangen und Metakarpalia werden detailliert im speziellen Teil dieses Kapitels besprochen. Normalerweise verfügt der Daumen über 3 und die übrigen Finger über 4 Röhrenknochen. Zählt man an einem oder mehreren Fingern weniger, dann kann das an folgenden Gründen liegen: 쐌 es fehlt ein Gelenk (angeboren: Symphalangismus; erworben: Ankylose nach Arthritis), 쐌 einer der Fingerknochen ist nicht angelegt, 쐌 einer der Fingerknochen ist „abhanden gekommen“, z. B. durch tumoröse oder entzündliche Destruktionen, insbesondere im Endphalanxbereich.

Bei nahezu 100% der Menschen projizieren sich 2 Sesambeine in den Gelenkspalt und über das Köpfchen des Metakarpophalangealgelenks I, wobei das eine mehr in der Mitte, das andere mehr ulnarseitig zu liegen kommt. Diese Daumensesambeine werden zwischen dem 12. und 14. Lebensjahr radiologisch sichtbar. In etwa 70 – 75% der Fälle sieht man noch ein weiteres Sesambein in Projektion auf das Daumenendglied, und in 82,5% der Fälle eines in Projektion auf das Köpfchen von Os metacarpale V (Abb. 2.5). Überzählige Sesambeine kommen vor und haben in der Regel keine pathologische Bedeutung (Abb. 2.5 – 2.7).

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Handskelett

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a

b

c

d Abb. 2.3 a – d

(Legende s. S. 18)

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2 Arm Abb. 2.4 a, b Mögliche Vermessungen am Handskelett: a Phalangenzeichen von Kosowicz. b Metakarpalzeichen. E Endphalanx G Grundphalanx M Mittelphalanx MK Metakarpalknochen

Abb. 2.5 Bisher beobachtete Sesambeine der erwachsenen menschlichen Hand (Schema von Degen). Die Sesambeine am Metakarpophalangealgelenk des Daumens sind stets anzutreffen. Bei den häufiger vorkommenden Sesambeinen ist die Prozentzahl des Auftretens angegeben. Die weniger oft zu beobachtenden Sesambeine sind mit E (Einzelfälle) bezeichnet. Die Sesambeine an den Endphalangen wurden bisher nur je einmal beobachtet und beschrieben.

Grundsätzlich können Sesambeine einzeln oder vielfach an den verschiedendsten Metakarpophalangeal- und Interphalangealgelenken vorkommen, sogar dorsal des Daumengrundgelenks. Ungewöhnliche Lokalisationen müssen bei entsprechender Klinik differentialdiagnostisch an ein Fragment aus dem benachbarten Knochen oder an heterotope Verknöcherungen oder Verknöcherungen eines Weichteiltumors (z. B. Chondrom, Weichteilosteom) denken lassen. Für das Vorliegen eines Sesambeins spricht immer das Vorhandensein differenzierter Spongiosastrukturen, die von einer Kompakta umgeben sind. Projizieren sich Sesambeine vollständig in knöcherne Strukturen, z. B. in Metakarpalköpfchen, dann ist die Differenzierung von einer belanglosen Knocheninsel (sog. Enostom) nicht möglich. Beidem kommt allerdings keine pathologische Bedeutung zu. Die radiologische Dichte der Handknochen hängt von der Dicke der Kompakta und der Dicke und Dichte der Spongiosabälkchen ab. Spongiosararefizierungen und eine dünne Kompakta sprechen immer für eine Osteopenie. Als Richtwert für eine normale Kompaktadicke kann der im Zusammenhang mit der Osteoporosediagnostik früher angegebene Index von Barnett-Nordin angesehen werden. Index von Barnett-Nordin: ➤ Quotient von Kompaktabreite zum gesamten Querschnitt in der Mitte des Os metacarpale II

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Handskelett Abb. 2.6 Anzahl.

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Sesambeine in großer

Bei relativ großer individueller Schwankungsbreite gibt dieser Index also die Kompaktadicke in Prozent des Gesamtdurchmessers an und beträgt beim gesunden Jugendlichen und beim Erwachsenen im Durchschnitt mindestens 43 – 44%. Im Alter, bei Frauen früher als bei Männern, nimmt die Kompaktadicke aller Metakarpalia und Phalangen langsam und kontinuierlich ab; gleichzeitig rarefizert sich vor allem die gelenknahe Spongiosa. Dadurch kommt es zu einer Transparenzzunahme des Knochens. Die Kompakta der Handröhrenknochen ist normalerweise sehr solide und gleichmäßig dicht, sie kann von innen her leicht gewellt sein, ohne dass dies als pathologisch zu bewerten ist. Die Metakarpalkompakta kann manchmal sehr dick und dicht sein mit deutlicher Einengung des Markraums, ohne dass diesem Befund irgendeine pathologische Bedeutung zukommt (Abb. 2.3 c u. d). Auch Kombinationen mit einer Endphalangenosteosklerose und Kompaktaverdickungen einzelner Phalangen müssen keine pathologische Bedeutung haben (Abb. 2.3 c u. d). Gelegentlich sind solche Hyperostosen aber mit einer Hyperostosis frontalis interna und endokrinen Störungen, besonders bei Frauen um das 40. – 50. Lebensjahr, assoziiert, des Weiteren Ausdruck einer Skelettsarkoidose usw. Eine „Aufrauung“ der äußeren Kontur und eine Tunnelierung der Kompakta weisen immer auf einen pathologischen Knochenumbau hin, der entweder durch eine metabolische Störung (z. B. Hyperparathyreoidismus) oder durch eine regionale Erhöhung der Perfusion wegen eines pathologischen Prozesses bedingt ist. Die Aufspleißungen oder Tunnelierungen der Kompakta sind Folge der Aufweitung der daringelegenen, normalerweise nicht sichtbaren Havers-Kanäle (Abb. 2. 43 u. 2.44). Spielt sich solch ein Vorgang an umschriebener Stelle der Kompakta ab, so wird sie dort „grau“ (grey cortex), ein Zeichen, das man z. B. bei Stressfrakturen beobachtet. Verdämmert die innere Kontur der Kompakta zum Markraum hin, kann dies als Folge eines beginnenden sklerosierenden Prozesses im Markraum bewertet werden.

Abb. 2.7 Daumengrundgelenk mit 2 normalen und 2 rudimentären Sesambeinen.

a

Linienförmige Aufhellungen Linienförmige Aufhellungen in den Handröhrenknochen können 2 Ursachen haben: 쐌 durch Gefäßkanäle (Nutritiakanäle), 쐌 durch projektionsbedingte Aufhellungen. Gefäßkanäle in den Ossa metacarpalia (Abb. 2.8 b u. 2.9 c) ziehen in der Kompakta mehr oder weniger schräg von peripher nach proximal (Richtung Markraum). In den Phalangen haben sie eine umgekehrte Richtung, d. h. sie ziehen von proximal nach peripher in den Mark-

b Abb. 2.8 a, b Gefäßkanäle: a Orthograd getroffener Gefäßkanal (Pfeil). b Verlauf der Gefäßkanäle mit unterschiedlicher Achsenausrichtung in den Metakarpalia einerseits und den Grundphalangen andererseits.

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2 Arm

a

b

c

Abb. 2.9 a – c Gefäßkanäle und linienförmige Aufhellungen an den Phalangen und ihre Ursache: a Palmaransicht einer Phalanx mit Knochenwulst durch die Ansatzfläche des Sehnenfachs und bilateral danebengelegenen rinnenförmigen Vertiefungen. b Frei projizierter Knochenwulst, der peripher etwas überhängt (Pfeil) und eine Frakturlinie vortäuscht. c Knochenwulst mit durchschimmerndem Rinnenboden und Nutritiakanal (der Pfeil markiert die Eintrittsstelle des Gefäßes in die Kortikalis).

Abb. 2.10 Der schwarze Doppelpfeil weist auf einen sog. Kalkspritzer hin, der zufällig neben einem orthograd getroffenen Gefäßkanal gelegen ist. Der einfache weiße Pfeil zeigt auf eine physiologischerweise „dünne“ Knochenstelle hin, die nicht mit einem erosiven Prozess verwechselt werden sollte.

Tabelle 2.1

Fehlbildungen am Handskelett

Fehlbildungen

Häufigkeit (in %)

Fehlende Bildung von Teilen Fehlende Differenzierung von Teilen Doppelung Überentwicklung Unterentwicklung Schnürrigkomplex Fehlbildungssyndrome

12,2 31,3 35,9 0,5 4,3 6,5 unterschiedlich

raum (Abb. 2.3 b u. 2.8 b). Die unterschiedliche Achsenausrichtung ist die Resultante aus dem unterschiedlichen Längenwachstum des Knochens einerseits und der Gefäße andererseits. Das Längenwachstum findet an den Ossa metacarpalia peripher, d. h. im Köpfchenbereich, statt, diese Partien wachsen sozusagen von den proximal gelegenen Gefäßkanälen weg, während das Längenwachstum der Phalangen proximal stattfindet, d. h., der Knochen wächst von den sich langsamer entwickelnden Gefäßen nach proximal zu weg. Werden Gefäßkanäle orthograd getroffen, stellen sie sich als rundliche Aufhellungen, bei Lupenbetrachtung häufig von einem dichten Saum umgeben, dar (Abb. 2.8 a u. 2.10). Projektionsbedingte linienförmige Aufhellungen treten besonders im Bereich der schon zuvor erwähnten, durch Sehnenansatz bedingten Wülste auf, wenn deren rinnenförmige Übergänge zur angrenzenden Kompakta (Abb. 2.9 a – c) „durchschimmern“. Kleine irreguläre, wie „Kalkspritzer“ anmutende Verdichtungen in den spongiosareichen Partien der Phalangen und Metakarpalia haben keine pathologische Bedeutung, sie entsprechen fokal irregulär orientierten und sich summierenden Spongiosabälkchen (Abb. 2.10). Oft lassen sie sich durch eine nur wenige Grade veränderte Projektion wegprojizieren.

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? An dieser Stelle können unmöglich die vielfältigen und komplexen Fehlbildungsmöglichkeiten und Deformitäten des Handskeletts beschrieben werden. Vielmehr werden Varianten, auch extreme, besprochen und eindeutige Fehlbildungen gezeigt, denen man in der Praxis begegnet. Nach Swanson (1976) und Lister (1993) lassen sich Fehlbildungen am Handskelett grundsätzlich wie in Tab. 2.1 gliedern und in relativer Häufigkeit antreffen. Die Handröhrenknochen sind normalerweise monoepiphysär. Die Epiphysenkerne sind dabei etwas schmaler als die dazugehörigen Metaphysen. Sie können aber durchaus genauso breit oder noch etwas breiter sein (Abb. 2.11). Sind sie plumper, konisch geformt und unregelmäßig begrenzt, dann kann dies aber auch Ausdruck einer enchondralen epiphysären Ossifikationsstörung sein (Abb. 2.12), dann aber in der Regel mit Epiphysenstörungen an den langen Röhrenknochen und am Fußskelett vergesellschaftet. Relativ plumpe Metaphysen – im Vergleich zu den Epiphysen und Diaphysen – sind in Abb. 2.13 als Variante dargestellt. Die Epiphysenfuge verläuft an den Phalangen überwiegend leicht nach distal konvexbogig und an den Metakarpalia leicht nach proximal konvexbogig, doch gibt es davon abweichende Varianten (Abb. 2.14) ohne pathologische Bedeutung. Während des Wachstums ändert sich auch die Verlaufsrichtung der Fugen. Zusätzliche Epiphysen werden als Pseudoepiphysen bezeichnet, offensichtlich weil sie keinen wesentlichen Beitrag zum Längenwachstum des betreffenden Handröhrenknochens leisten (Abb. 2.15 – 2.17).

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Handskelett

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Abb. 2.11 Breite Epiphysen eines 13- bis 15-Jährigen.

Abb. 2.12 Sehr plumpe breite Epiphysen bei Dysplasia cleidocranialis. Pseudoepiphyse am Os metacarpale II.

Abb. 2.14 Quer (links) und nach distal leicht konvexbogig (rechts) verlaufende Metakarpalepiphysenfugen als Varianten.

Sie können vereinzelt oder mehrfach bei völlig normalen Kindern und Adoleszenten vorkommen, aber auch Ausdruck einer systemischen Skelettwachstumsstörung sein (z. B. bei Athyreose oder beim Down-Syndrom). Bei diesen Pseudoepiphysen lassen sich – histologisch – in chronologischer Reihenfolge 3 wesentliche Grundformen der Entwicklung und Reifung unterscheiden (Ogden u. Mitarb. 1994):

Abb. 2.13 Im Vergleich zu den Metaphysen relativ klein erscheinende Epiphysen, vor allem an den Phalangen.

쐌 Eine zentrale knöcherne Brücke dehnt sich von der Metaphyse in die Epiphyse aus, wo sie sich als zentrifugal vergrößerndes Ossifikationszentrum (pilzartig) erkennen lässt. Der verbliebene intakte Epiphysenfugenknorpel hat keine sonst für eine Epiphysenfuge typischen hypertrophischen Knorpelsäulen. 쐌 Es findet sich eine periphere ossifizierende Brücke, die entweder einen knöchernen Ring oder eine exzentrische Brücke zwischen Metaphyse und Epiphyse formt. Zentral bleibt die Physe erhalten. 쐌 Es finden sich zahlreiche knöcherne Brücken. Wie bei der ersten und zweiten Form zeigen die nichtverknöcherten Partien dieser Physe keine typischen Knorpelzellsäulen.

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2 Arm Abb. 2.16 Pseudoepiphyse distal am Os metacarpale I.

컅 Abb. 2.15 Pseudoepiphyse am Os metacarpale II. Ungewöhnlicherweise ist dieser Metakarpalknochen gegenüber dem Os metacarpale III etwas zu lang. Das hängt aber offensichtlich mit dem hypoplastischen Daumen mit fehlendem Grundglied und wahrscheinlich zusätzlicher Epiphyse am Os metacarpale I zusammen. Außerdem erscheint das Skaphoid etwas klein. Beachte auch die relativ dichten Epiphysen der Mittelphalangen (ivory epiphyses, s. S. 53).

Die beschriebenen Brückenbildungen sind röntgenologisch nicht immer zu sehen, aber auf Grund der pathologisch-anatomischen und histologischen Untersuchungen von Ogden u. Mitarb. (1994) wohl existent. Pseudoepiphysen sieht man am häufigsten im Alter von 5 – 10 Jahren, sie schließen sich Jahre früher als die normale Epiphysenfuge am selben Knochen. Wie erwähnt, tragen die Pseudoepiphysen nicht zum Längenwachstum des Knochens bei. Pseudoepiphysen werden am proximalen Os metacarpale II bei 20 – 60% der normalen Kinder beobachtet und im distalen Os metacarpale I bei bis zu 65% aller normalen Kinder. Nach Schäfer (1952) ergibt sich hinsichtlich der Häufigkeit von Pseudoepiphysen an den einzelnen Handknochen folgendes Bild: Häufigkeit von Pseudoepiphysen an den einzelnen Handknochen nach Schäfer: ➤ Metakarpus I ⬎ Metakarpus II ⬎ Metakarpus V ⬎ als Mittelphalanx V ⬎Metakarpus III ⬎ Mittelphalanx IV ⬎ Grundphalanx I ⬎ Metakarpus IV Beim Down-Syndrom wurden von Rochels u. Schmidt (1980) in 82,4% der Fälle Pseudoepiphysen gefunden. Signifikante Geschlechtsunterschiede wurden nicht beobachtet. Die Reihenfolge nach abfallender Häufigkeit ist anders als bei N ormalen: Abb. 2.17 Pseudoepiphyse am proximalen Os metacarpale II mit knöcherner Brückenbildung.

Pseudoepiphysen beim Down-Syndrom: ➤ Os metacarpale II ⬎ Os metacarpale I ⬎ Kleinfingermittelphalanx ⬎ proximale Ringfingerphalanx

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Handskelett Die Autoren zählten pro Hand der Kinder mit Down-Syndrom durchschnittlich 3,1 Pseudoepiphysen. In diesem Zusammen hang werden noch eine Brachymesophalangie in 67% und eine Dysmesophalangie in 4,6% sowie eine Klinodaktylie in 56 ,4% der Fälle angegeben. Eine besondere morphologische Variante stellt die sog. Zapfenepiphyse an Phalangealknochen dar (Abb. 2.18 a – c). Solche Zapfenepiphysen werden bei sonst völlig Gesunden im Bereich des Fußskeletts häufiger beobachtet (Giedion 1968). Es wird diskutiert, ob dem Befund eine Störung im zeitlichen Ablauf der Entwicklung zugrunde liegt: Während die zentralen Abschnitte zumindest vorübergehend im Wachstum stehenbleiben bzw. blockiert sind, wachsen die peripheren Abschnitte weiter. Gelegentlich können Zapfenepiphysen aber auch mit klinischen Symptomen einhergehen, wie der Fall in Abb. 2.18 d u. e zeigt. Offensichtlich signalisieren Zapfenepiphysen dann echte deformierende oder trophische Störungen. Auffallend dichte Epiphysen als Normvariante werden im Kap. Nekrose, S. 53 besprochen. Im Gegensatz zur Zapfenepiphyse bedeutet das Auftreten einer sog. Deltaphalanx, auch als „longitudinally bracketed diaphysis“ bezeichnet (Abb. 2.19), einen pathologischen Befund an den Metakarpalia (und Metatarsalia) sowie an den Phalangen, insbesondere in den Grundphalangen der Hände und Füße (Theander u. Carstan 1974, Ogden u. Mitarb. 1981, Theander u. Mitarb. 1982). Der Begriff „longitudinally bracketed diaphysis“ bedeutet auf Deutsch etwa „von der Epiphyse umklammerte Diaphyse“.

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Deltaphalangen wurden bisher bei folgenden Skelettdysplasien und Syndromen beobachtet: 쐌 bei allen Formen der Mikrophalangie, Poly- und Syndaktylie, 쐌 Trisomie 21 (Mittelphalanx V), 쐌 Akrozephalosyndaktylie (Typ Apert und Pfeiffer), 쐌 Rubinstein-Taybi-Syndrom (Daumen), 쐌 Catel-Manzke-Syndrom (2. und 3. Finger), 쐌 Holt-Oram-Syndrom, 쐌 otopalatodigitales Syndrom, 쐌 otofaziogenitales Syndrom, 쐌 diastrophischer Zwergwuchs, 쐌 Nievergelt-Syndrom, 쐌 Hand-Foot-Genital-Syndrom (Giedion). Als Symphalangismus wird das Fehlen der Interphalangealgelenke und die dadurch bedingte Fusion der Fingerglieder bezeichnet (Abb. 2.20 u. 2.21). Ein solcher Symphalangismus ist erblich und als Dysplasie einzustufen. Beim Erwachsenen ist die Diagnose einer erblichen Aplasie und Hypoplasie der Fingergelenke einfach: Zumeist fehlt die Hautfältelung über dem aplastischen Gelenk, und im Röntgenbild sieht man an der Stelle der Synostosierung regelrecht durchziehende Knochenbälkchen bei angedeuteter oder auch fehlender spindelförmiger Auftreibung. Klinisch findet sich eine Streckstellung in dem betroffenen Finger, manchmal auch eine leichte Beugung, seltener kommt eine Überstreckung vor. Der Fehlbildung begegnet man an den ulnaren Strahlen häufiger als an den radialseitigen. Symphalangien sind häufig

a

b Abb. 2.18 a – e Zapfenepiphysen: a Zapfenepiphysen an den Mittelphalangen des Zeige- und Kleinfingers beidseits (rechts nicht dargestellt). b Zapfenepiphysen an den Mittelphalangen des Zeige- und Kleinfingers beidseits (linke Seite nicht dargestellt).

c c Ausgeprägte Zapfenepiphysen an allen Mittelphalangen und an der Grund- und Endphalanx des Daumens. Gleiche Veränderungen auf der Gegenseite bei sonst unauffälligem Handskelett und gesundem 11-jährigen Kind. Abb. 2.18 d u. e 컄

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2 Arm

e

Abb. 2.18 d, e Zapfenepiphysen an den Daumengrundgliedern, am 2. und 3. Mittelglied beiderseits und relativ dichte Epiphysen, vor allem am 3. und 4. Grundglied rechts. Klinisch bestanden bei dem 14-jährigen arabischen Jungen sichtbare Schwellungen (mit nur leichten Schmerzen) der Daumen und der proximalen Interphalangealgelenke von Zeige- und Kleinfinger beidseits.

d

Abb. 2.19 a, b Deltaphalangen: a 3-jähriges Mädchen mit Deltaphalanx der Daumengrundphalanx und Doppelanlage der Endphalanx. Zusätzliche distale Epiphyse am Os metacarpale I. b 3-jähriger Junge mit Deltaphalanx am Grundglied IV links, konsekutiver Verkürzung dieses Strahls und klinisch Syndaktylie zwischen 3. und 4. Finger. Konsekutive oder assoziierte Klinodaktylie des Kleinfingers.

a

b

seitensymmetrisch und mit anderen Entwicklungsstörungen des Handskeletts assoziiert. Das Spektrum radiologischer Erscheinungsformen von Gelenkaplasien und -hypoplasien ist in der Abb. 2.22 wiedergegeben. Die Diagnostik von Fingergelenkaplasien (Symphalangismus) und -hypoplasien ist beim wachsenden Skelett im Gegensatz zur oben beschriebenen Situation beim Erwachsenen nicht immer so eindeutig. Klinisch geben die „synchondrotischen“ Interphalangealverbindungen noch eine leichte Federung her und röntgenologisch sind sie

nicht vom normalen Gelenkspalt zu unterscheiden. Diese Situation ist in der Zeichnung von Dihlmann in Abb. 2.23 eindrucksvoll erfasst. Ein Symphalangismus kann aber auch durch eine erworbene knöcherne Ankylose vorgetäuscht werden. Solche knöchernen Ankylosen können vor allem durch im Kindesalter durchgemachte Gelenkknorpelverletzungen oder entzündliche Gelenkveränderungen verursacht werden. Dies ist anamnestisch nicht immer klar zu eruieren, denn häufig haben die Patienten solche Ereignisse verges-

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Handskelett

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a b Abb. 2.20 a, b Symphalangismus aller Fingermittelgelenke bei einem 1 Tage alten Säugling. Der Befund ist an den Kleinfingern unmissverständlich; an den Fingern 2 – 3 aber letztendlich leicht zu übersehen, wenn man nicht die schmalen Spalten zwischen den Grund- und Mittelphalangen beachtet.

Die „Spalten“ selbst entsprechen den proximalen Epiphysenfugen und den noch nicht verknöcherten Epiphysenkernen. Die Mutter des Kindes (Abb. 2.21) hatte die gleichen Veränderungen (Fall von Prof. Dr. D. Buck-Gramcko, Hamburg).

sen. Erworbene Ankylosen unterscheiden sich von den angeborenen Aplasien und Hypoplasien in der Regel dadurch, dass die Hautfältelung über dem ankylosierten Gelenk erhalten ist. In der Regel sieht man auch noch die Reste der ehemaligen Gelenkkonturen oder Strukturirregularitäten im Ankylosierungsbereich. Darüber hinaus sind solche Veränderungen zuerst unilateral, zumindest asymmetrisch. Syndaktylien werden am häufigsten als erbliche Anomalien zwischen den Endphalangen zweier Finger beobachtet (Abb. 2.24). Achsenabweichungen der Finger kommen in Form der Kamptodaktylie und der Klinodaktylie als angeborene Fehlbildungen vor. Bei der Kamptodaktylie (Abb. 2.25) besteht eine angeborene (sporadisch oder autosomal dominant auftretende) Beugekontraktur einzelner Fingergelenke primär ohne nachweisbare knöcherne Veränderungen. Sie kommt am häufigsten am 5., seltener am 4. Finger, vor. Später sieht man eine verbreiterte Basis der Fingermittelphalanx und eine Kerbe am Hals der Fingergrundphalanx palmarseitig (Abb. 2.25 b). Pathologisch-anatomisches Substrat der Fehlstellung ist eine abnorme Insertion der Mm. lumbricales bzw. der superfizialen Fingerbeuger. Die Klinodaktylie mit Achsenabweichung der Endphalanx hat ihre Ursache zumeist in einer Trapezform des Mittelglieds (Abb. 2.26). Ursache kann auch eine Deltaphalanx sein (Abb. 2.19). Weitere Achsenabweichungen werden bei folgenden Erkrankungen beobachtet:

쐌 chondroektodermale Dysplasie Ellis-van-Crefeld (am meisten in Kombination mit Polydaktylie, Polykarpie, häufig mit Spreizung zwischen 5. und 6. Strahl, aber auch zwischen anderen Strahlen), 쐌 metaphysäre Dysplasie Pyle (Spreizung aller Metakarpalia und Finger).

쐌 Achondroplasie (Spreizung zwischen dem 3. und 4. Strahl, sog. Dreizackhand), 쐌 Trisomie 17/18 (Spreizung zwischen 2. und 3. Finger),

Von einer Polydaktylie (Abb. 2.27) spricht man dann, wenn sich mehr als 5 Finger und/oder Röhrenknochen im Metakarpalbereich finden. Solche überzähligen Knochenelemente können komplett die originären Knochenelemente imitieren oder auch nur rudimentär vorhanden sein (Abb. 2.27 b). Zumeist sind solche Polydaktylien mit anderen Fehlbildungen kombiniert. Besonders häufig werden Polydaktylien in Form einer Verdoppelung und Verdreifachung des Daumens, als Verdoppelung des Kleinfingerstrahls, als gleichzeitige Vielfingerigkeit an Daumen und Kleinfinger oder als Verdoppelung der Mittelstrahlen beobachtet. Grundsätzlich unterscheidet man bei der Polydaktylie einen radialen (Abb. 2.27 i, j u. m) vom ulnaren (Abb. 2.27 k u. n) und zentralen Typ (2. – 4. Strahl). Auf weitere Details über Doppelfingerigkeit kann im Rahmen dieser Monographie über Normvarianten nicht eingegangen werden. Polyphalangismen (Mehrgliedrigkeiten eines Fingers) sind extrem selten (Abb. 2.27 c u. d). Überproportioniert lange Finger kommen vor allem bei der Arachnodaktylie (Marfan-Syndrom) vor. Dabei zeichnet sich das Handskelett in auffallend gestreckter Form durch eine abnorme Länge der besonders dünnen Finger aus. Die Ossifikation setzt frühzeitig ein. Besonders lang ist der Daumen, dessen Spitze nach Beugung (des

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2 Arm

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a

b

c

d Abb. 2.21 a – d Periphere Handskelette der Mutter des in Abb. 2.20 dargestellten Kindes mit Symphalangismus. Komplette Verwachsungen in den proximalen Interphalangealgelenken, wo man in beiden Projektionen eine quer verlaufende

BT

H

KA

SA BA

N

Verdichtung im Bereich der Gelenkanlagen erkennen kann. Auf diese weisen auch die typischen gelenknahen Spongiosastrukturen hin (Fall von Prof. Dr. D. Buck-Gramcko, Hamburg).

Abb. 2.22 Fehlbildungen der Fingergelenke (nach Dihlmann). Fingergelenkaplasien und -hypoplasien beim Erwachsenen (dargestellt an den proximalen Interphalangealgelenken). Die Grenzkonturen der Phalangen sind gerade noch sichtbar. Das Gelenk ist jedoch versteift. BA Aplasie mit Brachymesophalangie, dabei zylinderförmige Verplumpung der synostosierten Grund- und Mittelphalanx BT Nebenbefund: Brachytelephalangie (Differentialdiagnose gegenüber Akroosteolyse) H Hypoplasie KA Aplasie, dabei zarte „Kerbung“ in der Grenzzone N Normalbild SA Aplasie mit leichter spindelförmiger Auftreibung der Grenzzone

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Handskelett

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6 Monate 1 1/2

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15 Jahre alt

Abb. 2.23 Aplasie des proximalen Interphalangealgelenks am wachsenden Skelett (nach Dihlmann). Im Beispiel „15 Jahre alt“ ist die Umwandlung der „Synchondrose“ in die Synostose erfolgt. Das kann aber auch schon in jüngeren Jahren geschehen. Die noch offene Epiphysenknorpelfuge der Mittelphalanx (Pfeil) täuscht einen „Gelenkspalt“ vor. An der distalen Phalanx ist die Epiphysenfuge altersentsprechend geschlossen. Der Spalt zwischen End- und Mittelphalanx entspricht hier dem Gelenkknorpel des normal angelegten distalen Interphalangealgelenks.

Abb. 2.24 a, b Syndaktylie am 3. und 4. Finger beidseits. Beachte die zusammengewachsenen Endphalangen und die Fehlentwicklung des Mittelglieds III in Abb. a. Bei dem 42-jährigen Mann zusätzlich Polydaktylie an den 5. Zehen beidseits (hier nicht dargestellt).

Daumens) und Faustschluss der Hand die Finger außen überragt (Zeichen von Steinberg). Überproportioniert lange Finger werden auch beim Gigantismus und beim fibrolipomatösen Hamartom (fibrolipomatous nerve enlargement, lipofibroma, fibrofatty overgrowth, fatty infiltration of nerve, neurolipoma) beobachtet. Bei letzterem Krankheitsbild dominiert allerdings eine Makrodaktylie in Kombination mit einer starken subkutanen Fettablagerung und

Fettdepots in Sehnen, Muskeln und Nerven (de Maeseneer u. Mitarb. 1997). Eine einseitige proportionierte Vergrößerung des Handskeletts wird bei der Angiodysplasie, Typ Weber, beobachtet. Durch arteriovenöse Gefäßmissbildungen mit Ausbildung von arteriovenösen Shunts werden dabei gleichzeitig eine lakunäre Spongiosastruktur und lakunäre Kortikalisdefekte gefunden (Abb. 2.28).

Abb. 2.25 a, b Kamptodaktylie: a Bei einem Kind. Bei dieser angeborenen Beugekontraktur sind typischerweise primär keine Knochenveränderungen erkennbar. b Bei einem Erwachsenen. Beachte die verbreiterte Basis der Grundphalanx und die Kerbe palmarseitig am Hals der Grundphalanx. Bevorzugt werden 5.,seltener 4. Finger (mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. D. Buck-Gramcko, Hamburg).

a

b

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2 Arm Abb. 2.26

Klinodaktylie.

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Handskelett

31

b

a Abb. 2.27 a – n Polydaktylie: a, b Polydaktylie beidseits. In Abb. a findet sich ein „überzähliger Fingerstrahl“ mit einem hypoplastischen Os metacarpale und einem stummelförmigen Anhang distal davon (rudimentärer Typ, s. Abb. g). Das ulnarseitig davon gelegene Os metacarpale sieht aus wie ein Os metacarpale II, aber nicht wie ein Os metacarpale I (dort ist die Epiphysenfuge normalerweise proximal). Zusätzliche Fehlbildung im Handwurzelbereich mit einer Art von Os scaphoideum, das mit dem überzähligen Finger artikuliert und einem atypischen vergrößerten und ver-

plumpten Os lunatum. Unterentwicklung des distalen Radius, insbesondere des Processus styloideus. In Abb. b, auf der rechten Seite, ist der überzählige Strahl nur in Form zweier rudimentärer Knochenelemente neben dem benachbarten Os metacarpale zu sehen. Das distale Element ist kaum erkennbar. Im Karpus ähnliche Fehlbildungen wie auf der Gegenseite mit zusätzlichem kleinen Knochenelement zwischen dem Knochen, der wie ein Os scaphoideum aussieht, und dem Processus styloideus radii.

d

c

Abb. 2.27 c, d Bereits operierte und daher nicht mehr exakt definierbare Polydaktylie bei Kretinismus. Voraufnahmen nicht erhältlich. Der Fall wird hier wegen der ungewöhnlichen Polyphalangie am 3. Strahl mit zusätzlichem, nicht näher definierbaren Knochenelement proximal der Grundphalanx III gezeigt. Ein ähnliches, aber kleineres Knochenelement findet sich proximal der Zeigefingergrundphalanx, dürfte dort aber einem überdimensionierten Epiphysenkern entsprechen. In Abb. d typische Kretinhüften.

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2 Arm

Typ

Schema

Erläuterungen

Typ

Distaler Phalanxtyp: Unvollständige Verdoppelung der distalen Phalangen (1. – 5.).

MP-Typ

DIST-Typ

Distaler Interphalangealgelenktyp: Distal des distalen Interphalangealgelenks vollständige Verdoppelung der distalen Phalanx (1. – 5.). MET-Typ

DIP-Typ

Mittelphalanxtyp: Unvollständige Verdoppelung der mittleren Phalanx und vollständige Verdoppelung der distalen Phalanx (2. – 5.). MI-Typ

PIP-Typ

PROX-Typ

e

CM-/TM-Typ

Proximaler Interphalangealgelenktyp: Distal des proximalen Interphalangealgelenks vollständige Verdoppelung der mittleren und distalen Phalangen (2. – 5.).

Proximaler Phalanxtyp: Unvollständige Verdoppelung der proximalen Phalanx und vollständige Verdoppelung der mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (2. – 5.).

C-/T-Typ

IC-/IT-Typ

Schema

Erläuterungen Metakarpo- bzw. Metatarsophalangealgelenktyp: Distal des Metakarpo- bzw. Metatarsophalangealgelenks vollständige Verdoppelung der proximalen, mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (1. – 5.).

Metakarpal- bzw. Metatarsaltyp: Unvollständige Verdoppelung der Metakarpalia bzw. Metatarsalia und vollständige Verdoppelung der proximalen, mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (1. – 5.).

Karpometakarpal- bzw. Tarsometatarsalgelenktyp: Distal des Karpometakarpalbzw. Tarsometatarsalgelenks vollständige Verdoppelung der Metakarpalia bzw. Metatarsalia und proximalen, mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (1. – 5.).

Karpal- bzw. Tarsaltyp: Unvollständige Verdoppelung der Karpalia bzw. Tarsalia und vollständige Verdoppelung der Metakarpalia bzw. Metatarsalia sowie der proximalen, mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (1. – 5.).

Interkarpal- bzw. Intertarsalgelenktyp: Distal des Interkarpal- bzw. Intertarsalgelenkes vollständige Verdoppelung der Karpalia bzw. Tarsalia, der Metakarpalia bzw. Metatarsalia, sowie der proximalen, mittleren (nicht 1. Strahl) und distalen Phalangen (1. – 5.).

f

Abb. 2.27 e – h Klassifikation der Polydaktylien nach röntgenmorphologischen Gesichtspunkten (in longitudinaler Richtung) von Buck-Gramcko u. Behrens (1989).

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Handskelett

Typ

Schema DIP 1. – 5. PIP 2. – 5.

RUD-Typ

MP-Typ+

MP-Typ++

MP 1. – 5.

Erläuterungen

Typ

Rudimentärer Typ: Zusatzstrahl mit und ohne rudimentäre Knochenverdoppelung, sowie frei flottierende hypoplastische Strahlen, entsprechend den Gelenkabgängen (DIP, PIP, MP) bezeichnet (1. – 5.).

(am Beispiel 1. Strahl)

Metakarpophalangeal- bzw. Metatarsophalangealgelenktyp+: Einfache Dreigliedrigkeit; distal des Metakarpophalangeal- bzw. Metatarsophalangealgelenks vollständige Verdoppelung der proximalen und distalen Phalangen mit einer zusätzlichen Phalanx.

Metakarpophalangeal- bzw. Metatarsophalangealgelenktyp++: Doppelte Dreigliedrigkeit; distal des Metakarpophalangeal- bzw. Metatarsophalangealgelenks vollständige Verdoppelung der proximalen und distalen Phalangen mit 2 zusätzlichen Phalangen.

CMTr-Typ

CMTr-Typ+

Erläuterungen Dreifachstrahl vom CM-Typ: Distal des Karpometakarpalbzw. Tarsometatarsalgelenks vollständig getrennte, 3fach angelegte Metakarpalia/ Metatarsalia, proximale, mittlere (nicht 1. Strahl) und distale Phalangen (1. – 5.).

Dreifachstrahl vom CMTyp+: Distal des Karpometakarpal- bzw. Tarsometatarsalgelenkes vollständig getrennte, 3fach angelegte Metakarpalia/Metatarsalia, proximale und distale Phalangen mit einer zusätzlichen Phalanx distal (1.).

Dreifachstrahl vom CMTyp++: wie vorher, jedoch mit 2 zusätzlichen Phalangen distal (1.). CMTr-Typ++

Dreifachstrahl vom CMTyp–++: wie vorher, jedoch mit 2 zusätzlichen Phalangen und gleichzeitiger Aplasie einer Phalanx (1.).

Karpometakarpal- bzw. Tarsometatarsalgelenktyp+: Einfache Dreigliedrigkeit. CM-Typ+ TM-Typ+

Schema

33

CMTr-Typ–++

Karpometakarpal- bzw. Tarsometatarsalgelenktyp++: Doppelte Dreigliedrigkeit. CM-Typ++ TM-Typ++

g

h

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2 Arm Abb. 2.27 i Radiale Polydaktylie mit zwei 3-gliedrigen Daumen (CM-Typ ++), wovon der radiale hypoplastisch ist (5 Monate altes Kind) (Abb. i – n mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. D. Buck-Gramcko, Hamburg). j Radiale Polydaktylie (MP-Typ) mit doppelter Zweigliedrigkeit des Daumens distal des Metakarpophalangealgelenks I (18 Monate altes Kind).

i

j Abb. 2.27 k, l Ulnare bzw. fibulare Polydaktylie bei einem 7 Monate alten Kind. Zwei 3gliedrige Kleinfinger (MP-Typ), doppelte Kleinzehen, wahrscheinlich MET-Typ. Zusätzlich metatarsale Synostose bzw. Gabelung.

k

l Abb. 2.27 m Rechts-unilaterale radiale Doppelbildung mit einem kräftigen radialen Os metacarpale, auf dem radialseitig eine hypoplastische Grundphalanx sitzt, während das Endglied fehlt. Ulnar davon hypoplastisches bzw. rudimentäres Os metacarpale und hypoplastische Grund- und Endphalanx (3-jähriges Kind).

m

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Handskelett

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Abb. 2.27 n Ungewöhnliche ulnare Polydaktylie: Vom 5. Mittelhandknochen geht nicht nur ein zusätzlicher 2-gliedriger Strahl ab, sondern es besteht auch eine Doppelung von Mittel- und Endglied des eigentlichen Kleinfingers.

n

b

a

Abb. 2.28 a – c Angiodysplasien: a Leichte Längenzunahme des 3. Fingers. Schwerste strukturelle Veränderungen am gesamten 2. Strahl sowie an allen Knochen der 3. und 4. Phalanx. b, c Vergrößerungsaufnahme der Phalangen und Karpalia. Lakunäre, wabige Spongiosastruktur, erweiterter Gefäßkanal (weißer Pfeil in b), teilweise beginnende Kortikalislamellierung und lakunäre Kortikalisdefekte (schwarzer Pfeil), zystenähnliche Aufhellungen in den Karpalia, Kompaktadefekt am Skaphoid (Pfeil in c).

c

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2 Arm

Eine mehr dysproportionierte einseitige Vergrößerung (Verriesung) des Handskeletts findet sich bei der Angiodysplasie, Typ Klippel-Trénaunay. Die maximale Längendifferenz einzelner Strahlen kann dabei bis zu 3,5 cm betragen (Langer u. Langer 1981, 1982, 1985). Dabei werden Spongiosa- und Kompaktaveränderungen seltener gesehen. Die Nutritiakanäle können erweitert sein. Dem Krankheitsbild liegen vorwiegend venöse Missbildungen (Ektasien, Dislokationen, Klappenlosigkeit, Venenkonvolute, Hämangiome der Haut) der oberen (und unteren) Extremität in einseitiger Anordnung zugrunde. Ein proportioniert kurzes Handskelett (Brachydaktylie) findet sich vor allem bei endokrinen Störungen. Sind diese hypophysär bedingt mit unzureichender Hormonproduktion (somatotropes Hormon [STH], thyroideastimulierendes Hormon [TSH], sog. hypophysärer Minderwuchs), dann ist das Handskelett harmonisch zu klein. Ist die endokrine Störung thyreoidal bedingt mit verminderter oder fehlender Hormonproduktion von T3 und T4 (sog. Kretinismus), dann sind die Proportionen der Finger zueinander zumeist regelrecht, die Beziehung zur Breite der Hand und zur Größe der Handwurzelknochen ist aber nicht normal (Ausnahme Abb. 2.27 c u. d). Bei parathyreoidaler endokriner Störung (Abb. 2.30) mit fehlender bzw. unzureichender Reaktion der ossären und renalen Rezeptoren (Pseudohypoparathyreoidismus Typ 1 – 4, Freyschmidt 1997) findet sich im Rahmen der Albright-Symptomatik neben einem proportionierten Minderwuchs auch

eine dysproportionierte Brachymetakarpie, z. B. von I, IV und V. Letztere muss man wohl eher als assoziierte Fehlbildung auffassen und nicht als Folge der endokrinen Störung. Ein proportioniert kurzes Handskelett mit kurzen und plumpen Fingern wird auch bei der Achondroplasie gefunden (Abb. 2.31). Ein unproportioniertes kurzes Handskelett, meist einseitig, kommt bei der Angiodysplasie, Typ Servelle-Martorell, vor. Die maximale Längendifferenz kann bis zu 2,5 cm betragen (Langer u. Langer, 1981 – 1985). Dieser Erkrankung lieg eine Missbildung der Arterien und Venen zugrunde (Abb. 2.29), die am Handskelett zu einer wabigzystischen Spongiosadestruktion und „lamellären“ Fehlstrukturierung der Kompakta führt. Bei paraartikulärer Lokalisation können die Gelenke höchstgradig deformiert werden. In der Nativdiagnostik lassen sich evtl. multiple Phlebolithen in den Hämangiomen erkennen (Abb. 2.29 a). Befundkostellationen bei kongenitalen Angiodysplasien sind in Tab. 2.2 dargestellt.

Abb. 2.29 a, b Angiodysplasie Typ Servelle-Martorell: a Multiple zystenartige Aufhellungen, lamellärer Kompaktaaufbau und zahlreiche Phlebolithen.

b Angiogramm (Subtraktionsaufnahme). Schwere arterielle und venöse Gefäßmissbildungen am 1., 2. und 3. Strahl sowie im Metakarpalbereich.

b

a

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Handskelett

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a

b Abb. 2.30 a, b Pseudohypoparathyreoidismus mit generell zu kurzen und plumpen Mittel- und Vorhandknochen. Extrem

und fast pathognomonisch sind die Verkürzungen der Ossa metacarpalia IV. Beachte die schweren Osteopeniezeichen.

b

a Abb. 2.31 a, b Achondroplasie mit typisch kurzen und plumpen Phalangen, auch zu kurzen Metakarpalia und Entwicklungsstörungen an distalem Radius und an der Ulna: a 4 Monate altes Kind.

b 53-jährigen Frau. Hier haben die Entwicklungsstörungen von distalem Radius und distaler Ulna zu einer Art von Madelung-Deformität geführt.

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2 Arm

Tabelle 2.2 Befundkonstellationen bei kongenitalen Angiodysplasien (aus Langer, M., R. Langer: Fortschr. Roentgenstr. 136 [1982] 577) Typ F. P. Weber

Typ Klippel-Trénaunay

Typ Servelle-Martorell

Riesenwuchs

proportioniert

dysproportioniert



Minderwuchs





dysproportioniert

Hämangiome



häufig

häufig

Arteriovenöse Shunts

regelmäßig

keine (Ausnahme: inaktive Mikroshunts)

keine

Anomalien der tiefen Venen



gelegentlich

häufig

Veränderungen der Spongiosa lakunäre Spongiosastruktur, und Kortikalis lakunäre Kortikalisdefekte



Destruktionen der Spongiosastruktur, Destruktionen und Lamellierung der Kortikalis, Gelenkdestruktion

Prognose

günstig

ungünstig

unklar

„Dysplastische“ Strukturveränderungen der Handknochen können nicht nur bei Angiodysplasien, sondern z. B. auch bei verschiedenen angeborenen Anämieformen beobachtet werden. Bei starker Aktivität des Knochenmarks werden spongiöser und kompakter Knochen resorbiert, die Markräume werden also aufgeweitet. Es resultiert zumeist eine grobe Trabekulierung oder netzig-wabige Spongiosatransformation. Zusätzlich kann es insbesondere bei der Sichelzellanämie zu Knochenmarkinfarzierungen kommen, die klinisch mit schmerzhaftesten Schwellungen, auch als Hand-Fuß-Syndrom bezeichnet, einhergehen. Im Rahmen von Infarzierungen können sich Verkürzungen von Phalangen und Metakarpalia sowie Metatarsalia neben einem allgemeinen relativen Minderwuchs entwickeln. In Abb. 2.32 sind die typischen Formund Strukturveränderungen bei einer Thalassämie dargestellt.

Bei oligoostotischer und polyostotischer fibröser Dysplasie kann gelegentlich auch das Handskelett mitbefallen sein, wo es zu mehr oder weniger ausgeprägten Strukturaber auch Formveränderungen kommen kann (Abb. 2.33). Eine radiologische Dichtezunahme des gesamten Handskeletts kommt in der Regel sowohl durch eine Dickenzunahme der Kompakta als auch durch eine Zunahme der Dicke und der Zahl der Spongiosabälkchen zustande. Der Übergang von normaler Knochenmasse zur eben gerade erhöhten Knochenmasse ist fließend und nicht immer leicht zu erkennen. Wenn die Kompakta sich gegen den Markraum nicht mehr scharf abgrenzt, weist dies allerdings auf einen pathologischen Zustand hin (Abb. 2.34 a).

Abb. 2.32 Typische Veränderungen bei Sichelzellanämie mit erheblicher Markraumaufweitung und wabiger Umwandlung der Spongiosastrukturen. Die fleckigen Verdichtungen in den Phalangealschäften können dystrophen Verkalkungen in umschriebenen infarzierten Markregionen entsprechen.

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Handskelett

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a Abb. 2.33 Polyostotisch fibröse Dysplasie (Hauptbefunde an Humerus und Skapula). Beachte die Mischung von Form- und Strukturveränderungen.

Abb. 2.34 a – d Verschiedene Hyperostosen: 컄 a Osteopetrose, autosomal dominante Form mit gleichmäßiger Dichtezunahme aller dargestellten Knochenabschnitte. Die Übergänge von der Kompakta zum Markraum sind typischerweise verwischt. In Exzessivfällen kommt zu dieser gleichmäßigen Dichtezunahme noch das Knochen-im-Knochen-Zeichen dazu. b Osteomyelosklerose.

b Abb. 2.34 c u. d 컄

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2 Arm Abb. 2.34 c, d Endostale Hyperostose, Typ van Buchem. In Abb. c der 49 Jahre alte Vater, in Abb. d die 22 Jahre alte Tochter. Besonders bei der Tochter irreguläre Dichtezunahme des Handskeletts, beim Vater vorwiegend Verbreiterung der Röhrenknochen, vor allem der Metakarpalia. Im übrigen Skelett z. T. groteske Auftreibungen der Knochen, stark streifenförmige Spongiosasklerosen. Klinisch bei beiden Patienten diffuse ziehende Skelettschmerzen, Schwerhörigkeit durch Felsenbeinhyperostose mit Einmauerung des inneren Gehörapparats.

c

d Abb. 2.34 d

Vor allem bei Schwarzafrikanern, aber auch verschiedenen anderen ethnischen Gruppen um den Mittelmeerraum herum kann das Handskelett verhältnismäßig dicht sein, ohne dass dem aber irgendeine pathologische Bedeutung zukommt. Eine der wesentlichen Ursachen einer allgemeinen gleichmäßigen Dichtezunahme ist die Osteopetrose (Marmorknochenkrankheit Albers-Schönberg). In ausgeprägten Fällen (auf die hier nicht näher eingegangen werden soll) sieht man das Knochen-im-Knochen-Zeichen. Bei den weniger ausgeprägten (autosomal dominanten) Formen besteht lediglich eine mehr oder weniger ausgeprägte Dickenzunahme der Kompakta und eine dichtere Spongiosa (Abb. 2.34 a). Bei der Pyknodysostose kommt es am Handskelett zu einer relativ gleichmäßigen Dichtezunahme. Die terminalen Phalangen werden im Laufe des Wachstums zunehmend dysplastisch und erinnern an das Akroosteolysesyndrom. Bei der metaphysären Dysplasie (Morbus Pyle) findet sich neben einer leichten Dichtezunahme der Diaphysen, vor allem an den Metakarpalia, eine plumpe Metaphysenregion infolge mangelhafter Ummodelierung des Knochens (Kolbenform). Die Schädelknochen sind vermehrt sklerosiert. Die kraniometaphysäre Dysplasie weist am Handskelett kortikale Verdickungen auf. Die Metaphysen sind verplumpt und verbreitert. Am Schädel finden sich besonders im Bereich der Basis Sklerosierungen. Bei der kraniodiaphysären Dysplasie (am Schädel grobe Hyperostose und Sklerose) sind die Diaphysen der Röhrenknochen (am Handskelett besonders der Metakarpalia) durch enostale Dickenzunahme der Kompakta verbreitert und verplumpt. Die endostale Hyperostose (Typ Worth, Typ van Buchem, Abb. 2.34 b u. c) lässt bei generalisierter kortikaler Hyperostose am Handskelett im Verlauf eine zum Markraum fortschreitende Kompaktaverdickung erkennen. Die

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Handskelett äußere Form ist meist erhalten, der Gesamtdurchmesser der Röhrenknochen kann aber zunehmen. Über diese genetisch, klinisch und radiologisch unterscheidbaren Krankheiten hinaus gibt es gemischtförmige Bilder, die jeweils nur partiell den oben genannten Entitäten zugeordnet werden können (mixed sklerosing bone dysplasia), und die am Handskelett entsprechend unterschiedliche Veränderungen mit mehr oder weniger sklerotischen Prozessen und Formveränderungen hervorrufen. Erworbene generalisierte Dichtezunahmen gibt es selten in fortgeschrittenen Fällen bei Fluorose. Die Osteomyelosklerose verursacht am Handskelett nur selten Dichtezunahmen (Abb. 2.34 b ). Unregelmäßig fleckige Dichtezunahmen mit Verwischung der Kompakta-Markraum-Grenzen in Kombination mit irregulären Aufhellungen, auch zystenartigen Aufhellungen und periostalen Knochenneubildungen werden u. a. bei der tuberösen Sklerose (Abb. 2.35) beobachtet. Fleckige Endphalangen- und Mittelphalangenosteosklerosen in Kombination mit zystenförmigen Aufhellungen in den Metaphysen und Mutilationen kommen bei der Sarkoidose vor (Abb. 2.36 ). Ungewöhnlicherweise kann es auch zu einer dominierenden Sklerose mit Volumenzunahme einzelner oder mehrerer Phalangen kommen (Abb. 2.37). Das Handskelett ist bevorzugter Ort einer Skelettsarkoidose, das Bild kann sehr vielschichtig sein, eine Detailbesprechung kann im Rahmen dieser Monographie nicht erfolgen, eine ausführliche Abhandlung findet sich bei Freyschmidt (1997). Hinter herdförmigen, multilokularen Dichtezunahmen steckt zumeist eine Osteopoikilie (spotted bones). Dabei

sind die 2 – 4 mm großen, rundlichen und ovalen Spongiosaverdichtungen in der Regel gelenknah (in der Spongiosa) lokalisiert (Abb. 2.335 a, b u. 2.38 a). Zumeist finden sich mehr oder weniger ausgedehnte Veränderungen in den Karpi und in den distalen Ulnae und Radii, aber auch um alle anderen gelenknahen Röhrenknochenabschnitte herum. In der Regel ist diese harmlose, dominant vererbliche Knochenveränderung klinisch asymptomatisch, gelegentlich werden Hautveränderungen (Dermatofibrosis lenticularis disseminata, Keratoma hereditarium dissipatum palmare et plantare, Neigung zu Keloidbildung) beschrieben (Freyschmidt u. Freyschmidt 1996). Von der Osteopoikilie gibt es weniger ausgeprägte und rudimentäre Formen mit nur einigen umschriebenen Spongiosaverdichtungen an jeder Hand, also einen echten Übergang vom Normalen zum Pathologischen (Abb. 2.38 b, c u. d).

b

a Abb. 2.35 a, b Verlaufsbeobachtung einer tuberösen Sklerose mit ungewöhnlichen Handskelettveränderungen bei einem anfangs 11 Jahre alten männlichen Patienten mit typischen Hautveränderungen (Angiofibromen usw.) und neurologischen Störungen (Epilepsie, Debilität usw.): a Ungewöhnliche periostale Knochenneubildungen an der Grund-, Mittel- und Endphalanx des Zeigefingers, in besonders stark proliferierender Form an der Mittelphalanx radialseitig.

41

Die diaphysäre Taillierung ist aufgehoben. An der Endphalanx kleinere zystische Strukturauflockerung im Processus unguicularis ulnarseitig. Die Veränderungen an der Mittelphalanx sehen fast wie eine floride reaktive Periostitis (bei isolierter Betrachtung) aus. b 3 Jahre später leichte Zunahme und Konsolidierung der Veränderungen. Auch an der benachbarten Mittelphalanx des Mittelfingers radialseitige enostale Hyperostose.

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42

2 Arm

b

a Abb. 2.36 a, b Skelettsarkoidose mit typischen Manifestationen am Handskelett (z. B. Spongiosasklerose der Akren, Mutilationen an der Endphalanx V links, zystenähnliche Aufhellun-

gen in den proximalen Grundphalangen IV beidseits, in den Grundphalangen I beidseits, subperiostaler Kompaktaabbau mit Verschmächtigung der Grundphalanxschäfte IV beidseits).

Abb. 2.37 Sarkoidose mit verwaschener Sklerose in allen 3 dargestellten Fingerknochen (Mittel-, Ring-, Kleinfinger). Volumenzunahme durch die periostalen Knochenneubildungen am Ringfinger. Kleine rundliche Strukturauslöschung durch zusammenfließende Epitheloidzellgranulome in der Kleinfingermittelphalanx (Pfeil).

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Handskelett

43

Abb. 2.38 a – f Osteopoikilie und Mixed Sclerosing Bone Dysplasia: a Vollform bei einer 18-jährigen asymptomatischen Frau, also Zufallsbeobachtung. Disseminierte fleckförmige Verdichtungen in den gelenknahen Spongiosaabschnitten. Teilweise auch strichförmige Hyperostosen (z. B. in Os metacarpale II und Mittelphalanx links) und grobflächigere Sklerosen in einigen Endphalangen. Bei derselben Patientin ausgedehnte fleckförmige Spongiosaverdichtungen an allen anderen Skelettabschnitten, insbesondere gelenknah, wobei auch das Becken nicht ausgespart blieb. b – d In Abb. b geringer ausgeprägte und in den Abb. c u. d rudimentäre Form einer Osteopoikilie mit nur vereinzelten umschriebenen Spongiosaverdichtungen. Auch diese Patienten waren asymptomatisch von Seiten des Skeletts.

a

b

c Abb. 2.38 d – f 컄 Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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44

2 Arm 컅 Abb. 2.38 d

d Abb. 2.38 e, f Mixed Sclerosing Bone Dysplasia, einer Mischform von Melorheostose, Osteopathia striata und anderen Hyperostosen entsprechend.

e

f

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Handskelett

45

Die Melorheostose mit enostalen und periostalen Knochenneubildungen, die wie Kerzenwachs an den Knochen herabfließen (Abb. 2.39), wird am Handskelett seltener gefunden, in der Regel dann nur unilateral und 1 oder 2 Strahlen betreffend und in Kombination mit Manifestationen am übrigen Arm. Melorheostotische Züge hat der in Abb. 2.38 e u. f dargestellte Fall einer „mixed sclerosing bone dysplasia“. Dichtezunahmen am Handskelett kann es grundsätzlich auch durch rein periostale Prozesse geben, wie z. B. bei der erworbenen hypertrophischen Osteoarthropathie (Abb. 2.40) oder beim EMO-Syndrom (E = Exophthalmus, M = Myxoedema praetibialis, O = Ostheopathie), durch kongenitale Periostosen, wie z. B. die Pachydermoperiostose (Abb. 2.41 ) oder die hereditäre Palmoplantarkeratose mit Uhrglasnägeln und Knochenhypertrophie (zumeist dann aber vergesellschaftet mit Akroosteolysen).

Jede periostale Knochenneubildung am Handskelett ist pathologisch, nicht selten ist der pathologische Prozess im Röntgenbild – trotz klinischer Schmerzsymptomatik und Schwellung – nicht erkennbar, dann sieht man aber zumeist im Szintigramm deutliche streifige Aktivitätsanreicherungen (Abb. 2.40 c). Die ätiologisch vielfältigen pathologischen Periostprozesse sind in den Tab. 2.3 – 2.5 aufgelistet. Abb. 2.39 Melorheostose mit ausgedehnten enostalen und periostalen Knochenneubildungen am 4. und 5. Finger. Weitere, hier nicht dargestellte Veränderungen am rechten Unterund Oberarm, klinisch mit erheblichen Schmerzen und Unterhautveränderungen einhergehend (36-jähriger Mann).

Abb. 2.40 a – c Hypertrophische Osteoarthropathie und ähnliche Veränderungen: a 6-jähriges Kind mit ungewöhnlicher Manifestation einer hypertrophen Osteoarthropathie. Klinisch Neurodermitis und schwere Asthmazustände. Auffallend die soliden Periostverknöcherungen an Os metacarpale II und IV rechts. An einigen Phalangen ist die Periostverknöcherung bereits in die Kompakta übergegangen, wodurch diese verbreitert erscheint. An der rechten Ulna Periostverknöcherungen. Desgleichen fanden sich ausgeprägte Periostverknöcherungen an den Unterschenkeln. Klinisch wechselnde Schmerzen und Schwellungen an Händen und Unterschenkeln.

a Abb. 2.40 b u. c 컄

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2 Arm

c Abb. 2.40 b Intestinale hypertrophische Osteoarthropathie bei einer 73-jährigen Patientin mit Morbus Crohn. Ausgedehnte periostale Knochenneubildungen an den Grundphalangen beider Hände und an den Metatarsalia (hier nicht dargestellt). c Skelettszintigramm von einem generalisierten pathologischen periostalen Prozess. Klinisch Schmerzen und Fingerschwellungen. Im Röntgenbild waren an Radius und Ulna Periostverknöcherungen erkennbar. Im Szintigramm streifige Mehrbelegungen, auch an den Metakarpalia und Phalangen. Hinter den Veränderungen steckte eine hereditäre Palmoplantarkeratose mit Uhrglasnägeln (s. auch Abb. 2.100).

b

Abb. 2.41 a, b Pachydermoperiostose mit ausgeprägten Periostverknöcherungen, die an den Metakarpalia, Grundphalangen, an Radius und Ulna bereits in die Kompakta übergegangen sind und insbesondere an Radius und Ulna eine wellige Außenkonturierung hinterlassen haben. Die befallenen Knochenabschnitte sind deutlich verplumpt und verbreitert. Klinisch Trommelschlägelfinger, Cutis verticis gyrata an Stirn und Nacken, Oberlidverdickung, verdickte Handtellerhaut.

a

b

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Handskelett Tabelle 2.3 Angeborene und/oder schon im Kindesalter auftretende oligo-/polyostotische Periostverknöcherungen (aus Freyschmidt, J.: Skeletterkrankungen. Springer, Berlin 1997) 앫 Melorheostose

Tabelle 2.4 Poly- und oligoostotische Periostverknöcherungen im Erwachsenenalter (zumeist kontinuierlich, wellig oder geradlinig, selten zwiebelschalenartig) (aus Freyschmidt, J.: Skeletterkrankungen. Springer, Berlin 1997)

앫 Camurati-Engelmann-Erkrankung

앫 Pulmonale hypertrophische Osteoarthropathie

앫 Pachydermoperiostose

앫 Gastrointestinale hypertrophische Osteoarthropathie

앫 Infantile kortikale Hyperostose (Caffey‹s disease) 앫 Röteln; infektiöse Mononukleose 앫 Kongenitale Lues 앫 Chronische rekurrierende multifokale Periostitis 앫 Battered-Child-Syndrom 앫 Skorbut 앫 Vitamin-A- und -D-Intoxikation 앫 Entzündliche Darmerkrankungen (z. B. Colitis ulcerosa) 앫 Leukämie 앫 Hämoglobinopathien 앫 Hämophilie 앫 Pulmonale hypertrophische Osteoarthropathie

(z. B. bei Wabenlunge) 앫 Prostaglandin-E-induziert

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(Colitis ulcerosa, Morbus Crohn) 앫 Hypertrophische Osteoarthropathie bei zystischer

Pankreasfibrose 앫 Pachydermoperiostose 앫 EMO-Syndrom 앫 Kollagenosen (vor allem Polyarteriitis, progrediente

Sklerodermie, Lupus erythematodes) 앫 Rheumatoide Arthritis 앫 Morbus Reiter, Psoriasis (gelenknahe) 앫 Infektiöse Mononukleose 앫 Sarkoidose (Hände, Füße) 앫 Multiinfarktgeschehen (z. B. Pankreatitis) 앫 Diabetes mellitus 앫 Akromegalie 앫 Arterielle und venöse Durchblutungsstörungen

(z. B. variköser Symptomenkomplex) 앫 Lymphödem

Tabelle 2.5 Überwiegend monostotische Periostverknöcherungen (aus Freyschmidt, J.: Skeletterkrankungen. Springer, Berlin 1997)

앫 Retinoidinduziert 앫 Fluorose 앫 Vitamin-D-Hypervitaminose bei Behandlung der

renalen Osteopathie

앫 Entzündlich (Osteomyelitis, Ostitis, Periostitis)

앫 Milch-Alkali-Syndrom

앫 Metaplastisch/entzündlich (?): floride reaktive Peri-

앫 Hämoglobinopathien (vor allem mit nekrotischen

앫 앫 앫 앫 앫

ostitis Tumorös (primäre/sekundäre Knochentumoren) Bei Durchblutungsstörungen (z. B. einseitiger variköser Symptomenkomplex, Gefäßmissbildungen) Traumatisch (mechanisch, thermisch, elektrisch) Bei pustulöser Arthroostitis Idiopathisch

Knochenmarkveränderungen) 앫 Gerinnungsstörungen mit subperiostalen Blutungen 앫 Osteomyelosklerose 앫 Periostitis luetica 앫 Vorgetäuschte Periostverknöcherungen bei Hyperpara-

thyreoidismus (durch abdisseziierte äußere Kortikalisanteile) EMO Exophthalmus, Myxödem, Osteopathie

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2 Arm

Eine generalisierte Dichteabnahme des Handskeletts mit Verdünnung der Kortikalis und Rarefizierung des Spongiosabesatzes in den Metaphysen wird bei Osteopenie und Osteoporose beobachtet. Diese Dichteabnahme ist aber immer sehr gleichmäßig und scharf. Auf die Abgrenzung gegenüber einer Grenzsituation vom Normalen zum Pathologischen mithilfe des Barnett-Nordin-Indexes wurde bereits auf S. 20 hingewiesen. Angeborene Osteopenien werden bei Hypothyreose, bei verschiedenen Pseudohypoparathyreoidismusformen (in der Regel in Kombination mit einer Verkürzung der Ossa metacarpalia III und IV, Abb. 2.30) und z. B. beim Klinefelter-Syndrom (Abb. 2.42) gefunden. Bei der reinen Osteomalazie muten durch das nichtmineralisierte Osteoid die Spongiosastrukturen verwaschen,

wie mit einem Radiergummi behandelt, an, die Kompakta kann streifig transformiert sein (Abb. 2.43 ). Bei frühen Formen des Hyperparathyreoidismus sieht man lediglich eine Aufspleißung der Kompakta und eine fransige Außenkontur des Knochens, bedingt durch subperiostale Resorptionen (Abb. 2.44). Fleckige gelenknahe Demineralisationen kommen vor allem bei trophischen Störungen vor, z. B. durch Inaktivität (Abb. 2.45 u. 2.46), beim Sudeck-Syndrom (Abb. 2.47 a –c), oder einem überschießenden RAP (regional accleratory phenomenon; Abb. 2.47 d – f). Der ungewöhnliche Fall einer auf den 4. und 5. Strahl beidseits begrenzten „Osteoporose“ bei einer Patientin mit Diabetes mellitus und peripherer Neuropathie des N. ulnaris wird von Karasik u. Karasik (1982) beschrieben.

Abb. 2.42 Ausgeprägte Osteoporose bei einem Klinefelter-Syndrom. 55-jähriger Mann. Starke Verdünnung der Schaftkompakta, besonders im Metakarpalbereich mit einem peripheren Barnett-Nordin-Index (Summe der Kompaktadickte: Gesamtquerschnitt in der Mitte der 2. oder 3. Metakarpalknochen) unter 20% (Norm: 43 – 44%, s. Text). Die Knochenstrukturen sind sehr scharf, wie „mit dem Bleistift nachgezogen“.

Abb. 2.43 Beginnende Osteomalazie mit verwaschenen Spongiosastrukturen und streifiger Kompakta.

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Handskelett

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Abb. 2.44 a – c Sekundärer Hyperparathyreoidismus bei renaler Osteopathie: a Subperiostale Resorptionen und konsekutiv wollige und spikulaartige Außenkontur der Kompakta. Kortikalislamellierung und Verdünnung. Schwere Akroosteolyse. b Dissezierende Fibroosteoklasie. Auf die abdisseziierte Lamelle weisen die Pfeile hin. Beachte die „Aufrauung“ der Kompaktaaußenkontur und die netzigen und streifigen Aufhellungen in der radialen und ulnarseitigen Kompakta. Direkte Röntgenvergrößerungsaufnahme. c Ein anderer Fall mit einer Verlaufsbeobachtung über 4 Jahre. Die diskreten Kompaktaauflockerungen im linken Bildteil, insbesondere an den Mittelphalangen, werden nur deutlich, wenn man die normale Situation im rechten Bildteil 4 Jahre später und nach Parathyreoidektomie betrachtet. Beachte auch die Auflösung der Nagelkränze im linken Bildteil.

a

b

c

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2 Arm

Abb. 2.45 7-jähriges Kind mit Inaktivitätsosteoporose nach Unfall und Ruhigstellung durch Gipsverband.

Abb. 2.46 Bandförmige, gelenknahe Inaktivitätsosteoporose bei einem 36-jährigen Mann nach 5 Wochen Ruhigstellung wegen einer Ellenbogenverletzung. Klinisch keine SudeckSymptomatik. Abb. 2.47 a – f Trophische Störungen am Handskelett: a Typische Sudeck-Veränderungen an der Hand mit fleckiger gelenknaher Entkalkung an allen Handskelettabschnitten. In den Entkalkungsarealen verwaschene restliche Spongiosastrukturen. Charakteristische klinische Symptomatik. Abb. 2.47 b – f 컄

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Handskelett

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Abb. 2.47 b, c Entwicklung einer Sudeck-Knochendystrophie an der linken Hand. In Abb. b initial „verwaschene“ Demineralisation im Karpus und um die Metakarpophalangeal- und proximalen Interphalangealgelenke. Weichteilschwellung. Klinisch alle Sudeck-Kriterien erfüllt. Abb. c zeigt 3 Wochen später eine massive Zunahme der gelenknahen fleckigen Demineralisation.

b

c Abb. 2.47 d – f 컄

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2 Arm Abb. 2.47 d – f Schwere trophische Störungen, aber keine Sudeck-Dystrophie bei Rekonstruktion einer Hand nach traumatischer Amputation (d am 27.03.1997, e am 27.06.1997). 2 Jahre später (f) fast vollständige Normalisierung der Knochenstrukturen der linken Hand. Die trophischen Demineralisationen sind Ausdruck eines überschießenden RAP. Im Gegensatz zum Fußskelett, an dem es infolge traumatischer trophischer Störungen eher zur Nekrose kommt, entwickeln sich am Handskelett überwiegend sudeckähnliche Bilder und kaum Nekrosen (Fall C A Dr. H. Vossmann, Bremen, Handchirurgie).

e

d

f

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Handskelett 2.48

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2.49

Fraktur? Die oben bereits erwähnten Gefäßkanäle und die projektionsbedingten linienförmigen Aufhellungen (Abb. 2.8 u. 2.9) dürfen bei entsprechender Vorgeschichte der Patienten nicht mit Fissuren und feinen Bruchspalten verwechselt werden. Besonders wenn der Eintritt des Gefäßkanals in den Knochen auf schrägen oder seitlichen Aufnahmen freiprojiziert ist, ist die Gefahr einer Fehlinterpretation als kortikale Fissur groß. Knochenwulste in Form von prononcierten Sehnenansätzen sollten nicht als Kallus oder pathologischer Periostprozess (vgl. Abb. 2.3 b und 2.9 b u. c mit Abb. 2.40 b) interpretiert werden. Metaplastische Verknöcherungen jeder Ursache und kleine Sesambeine können knöcherne Kapsel- und Bandausrisse imittieren. Für eine traumatische Aussprengung spricht immer, wenn sich der infrage kommende Knochenkörper sozusagen in einen Defekt am benachbarten Knochen von der Form her regelrecht einpassen lässt. Da Sesambeine doppelt angelegt sein können (Abb. 2.48) sind Verwechselungen mit Frakturen (Abb. 2.49) möglich. Solche Sesambeinfrakturen sind selten und kommen zumeist durch eine extreme Abspreizung des Daumens (z. B. beim Abstützen und beim Fallen) vor. Dann entsprechen sie zumeist Sichelfrakturen (Abb. 2.49). Es werden aber auch regelrechte Zertrümmerungsbrüche und einfache Ausrisse (Abb. 2.50) beobachtet. Außer den ohnehin schon seltenen Sesambeinfrakturen am Daumen (s. dort), sind Sesambeinfrakturen am Zeigeund Kleinfinger beschrieben worden (Wodd 1984). Als diagnostisches Hilfsmittel gilt die oben bereits erwähnte Einfügbarkeit des infrage kommenden Knochenelements in das benachbarte Sesambein. Außerdem sieht man – wenn die Sesambeine groß genug sind – eine gezähnelte Frakturfläche ohne Kortikalis und eine evtl. Verlagerung der Fragmente bei einem Hämatom oder einer traumabedingten Weichteilschwellung. Luxationen mit Interposition des Sesambeins in das Metakarpophalangealgelenk sind beschrieben worden (Sweterlitsch u. Mitarb. 1959). Konturdefekte, insbesondere an den Basen der Grundphalangen, können Ausdruck älterer Verletzungen sein (Abb. 2.51 u. 2.52), sehr selten sehen so auch einmal ältere ausgeheilte Erosionen bei entzündlichen Gelenksprozessen aus.

Abb. 2.48

Geteiltes Sesambein.

Abb. 2.49 Sichelfraktur am Sesambein (einfache Pfeile). Die mit Doppelpfeil markierte Verdichtung in der Grundphalanx entspricht einer kleinen Kompaktainsel (bone island).

a Abb. 2.50 a, b

b Fraktur des Sesambeins.

Abb. 2.51 Deutliche Konturdefekte, an den im linken Bildteil dargestellten Metakarpalköpfchen und an der ulnarseitigen Ecke der im rechten Bildteil dargestellten Grundphalanx. Weiterhin sehr dichte und z. T. irrguläre subchondrale Grenzlamellen an den Grundphalangen. Es handelt sich um einen Mann, der seit frühester Jugend ein forciertes Boxtraining durchgeführt hat.

Nekrose? Im Wachstum Als normale Variante können bei Kindern dichte „weiße“ Epiphysenkerne („dense“ oder „ivory epiphyses“) an den distalen, seltener proximalen Phalangen und an der V. Mittelphalanx vorkommen (Abb. 2.15 u. 2.54 b). Es ist bisher ungeklärt, was hinter solchen dichten Epiphysenkernen steckt (verspätete Differenzierung in geordnete Spongiosastrukturen?). Die Häufigkeit von „ivory epiphyses“ wird mit 0,35% auf 8536 Kinder zwischen 21/2 und 13 Jahren angegeben. Solche „ivory epiphyses“ werden aber auch dominant vererblich beobachtet (Poznaski 1984), in Begleitung von Retardation der Skelettentwicklung (Hypothy-

Abb. 2.52 Traumatische Absprengung von der medialen Basis einer Grundphalanx, nicht mit einer arthritischen Erosion oder einer arthrotischen Geröllzyste zu verwechseln.

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2 Arm

reose), beim trichorhinophalangealen und beim CockayneSyndrom und schließlich bei der renalen Osteodystrophie. „Ivory epiphyses“ werden von manchen Autoren (z. B. v. d. Laan u. Thijn 1986) mit der Thiemann-Erkrankung gleichgesetzt (Abb. 2.53 u. 2.54 a). Diese Erkrankung kommt mehr im älteren Kindesalter und in der Adoleszenz vor und gilt als dominant vererbliche Entwicklungsstörung mit Verdichtung, Verbreiterung und Aufbröckelung der Epiphysen, die vollständig ausheilen kann und nur gelegentlich strukturelle und Formveränderungen hinterlässt (Abb. 2.55). Im Gegensatz zu den oben beschriebenen, durch Zufall beobachteten „Ivory epiphyses“ haben die Betroffenen eine klinisch erkennbare spindelförmige Gelenkschwellung, vor allem der proximalen Interphalangealgelenke, die langsam schmerzhaft wird und zur Einschränkung der Streckfähigkeit führt. Radiologisch sehen die Epiphysen

abgeplattet, zentral fragmentiert und zu den Seiten hin verschoben aus (Abb. 2.53 u. 2.54 a). Gelegentlich tritt das Krankheitsbild mit epiphysären Wachstumsstörungen auch an anderen Regionen, z. B. am Hüftgelenk auf. Die Thiemann-Erkrankung verdient unseres Erachtens die Bezeichnung „Erkrankung“ mit recht, denn sie geht mit klinischen Symptomen einher. Aus klinischer und radiologischer Sicht scheint es sich um transitorische ischämische Nekrosen mit großem Reparationspotenzial zu handeln, wie wir es z. B. ja auch bei der Osteochondrose der Kniegelenke vor der Pubertät finden. Die gleichen röntgenologischen Veränderungen wie bei der Thiemann-Erkrankung können auch an den Metakarpalepiphysen auftreten, dann bezeichnet man das Krankheitsbild als Dieterich-Krankheit (Abb. 2.56). Auch dieses Krankheitsbild geht mit Schmerzen, Schwellung, Bewegungseinschränkung einher.

Abb. 2.53 Juvenile Epiphysenstörungen an Fingern und Zehen. 16-Jähriger (nach Thiemann).

b

a Abb. 2.54 a, b Thiemann-Erkrankung und „ivory epiphyses“: a Thiemann-Erkrankung mit deutlichen Weichteilschwellungen und klinischer Symptomatik mit Schmerzen und Bewegungseinschränkung.

b Typische „ivory epiphyses“ als Zufallsbeobachtung ohne jede klinische Symptomatik.

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Handskelett Generell zerbröckelte und verdichtete Epiphysen finden sich bei der Conradi-Hünermann-Erkrankung (stippledepiphyses, Abb. 2.57), allerdings mit seltener Manifestation am Handskelett. Deutliche generalisierte epiphysäre Unregelmäßigkeiten gibt es auch bei der multiplen epiphysären Dysplasie (Fairbank-Erkrankung). Möglicherweise handelt es sich hierbei um eine tardierte Verlaufsform einer ConradiHünermann-Erkrankung. Extreme Erfrierungen können über trophische Perfusionsstörungen zu Osteonekrosen am Handskelett führen, wobei vor allem die Akren betroffen sind (Wulle 1991). In Abb. 2.58 ist ein Fall mit Erfrierungen im Wachstumsalter dargestellt, bei dem sich durch Schäden an den Wachstumsfugen der Endglieder eine deutliche Endphalangenverkürzung entwickelt hat. Eine in unseren Breiten sicherlich extrem seltene Erkrankung mit Osteonekrosen im Wachstumsknorpelbereich stellt die Kashin-Beck-Erkrankung (Abb. 2.59) dar. Hierbei handelt es sich um eine vor allem in Sibirien, Russland, Nordkorea und in bestimmten Regionen von China auftretende endemische, chronische und degenerative Osteoarthropathie weitgehend unbekannter Ursache mit einem Erkrankungsgipfel zwischen dem 5. und 13. Lebensjahr. Dabei ist der hyaline Knorpel – in Knochen mit enchodraler Ossifikation – grundsätzlich aller Skelett-

Abb. 2.55

55

Spätzustand nach Thiemann-Erkrankung.

Abb. 2.56 Dieterich-Erkrankung am Köpfchen Os metacarpale IV rechts bei einer 34-jährigen Frau.

Abb. 2.57 „Stippled epiphysis“ (Chondrodysplasia punctata Conradi-Hünermann). Beachte die kleinen zerbröckelten Epiphysenkernchen in allen dargestellten Wachstumszonen.

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2 Arm

b

a

c Abb. 2.58 a – c Kälteschaden im Kindesalter: a, b 3 Jahre nach Erfrierungstrauma (der damals 7-jährige Junge hatte sich bei hohen Minustemperaturen im Schnee verirrt) sieht man rechts geschlossene Epiphysenfugen der Endglieder III – V, eine Radialabweichung des Kleinfingerendglieds durch ungleiche Ausbildung des Mittelgliedköpfchens. Links ist das Metakarpalköpfchen I deformiert, am Grundglied I, an den Mittelgliedern II – V und an allen Endgliedern sind die Epiphy-

senfugen verschlossen. Die Processus unguiculares sind deformiert. c Viele Jahre später deutliche Deformierungen an fast allen, insbesondere den linken Fingern (zu kurze Endglieder, Grundund Mittelphalangen I, II bzw. II – V links). Beachte die Ähnlichkeiten mit der Kashin-Beck-Erkrankung (mit freundlicher Genehmigung von Frau C A Dr. Chr. Wulle, Nürnberg; s. auch Wulle 1991).

abschnitte, aber besonders der peripheren Extremitätenknochen, betroffen. Die Chondrozyten sind atrophisch und nekrotisch, woraufhin es zu reparativen Vorgängen in den tieferen Zonen des Wachstumsknorpels kommt (Wang u. Mitarb. 1996). Folge davon sind eingedellte Epiphysen mit irregulär kalzifizierten knöchernen Begrenzungen, eingedellte Metaphysen, ebenfalls mit irregulären Kalzifikationen, vorzeitigem Epiphysenfugenschluss usw. Teilweise muten die Epiphysen wie Zapfenepiphysen an. Als Ursache werden Malnutrition, extreme äußere Bedingungen wie kurzer feuchter Sommer, langer kalter Winter usw. vermutet.

Schließlich können extreme mechanische Belastungen der Epiphysen im Wachstumsalter mehr oder weniger umschriebene Osteonekrosen auslösen. In Abb. 2.51 ist ein solcher Spätzustand nach langjährigem Boxtraining abgebildet.

Im Erwachsenenalter Auf Osteonekrosen einzelner Handknochen – insbesondere die frühen Formen – wird in den entsprechenden Kapiteln näher eingegangen (z. B. Os-lunatum- und Os-scaphoideum-Nekrose).

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Handskelett

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jugendlich erwachsen

a a

b

Abb. 2.59 a, b Kashin-Beck-Erkrankung: a Schematische Darstellung (nach Dihlmann). Im Erwachsenenalter Bild der Polyarthrose.

b 10-jähriger Junge. Pathologisch eingesenkte Metaphysen der Mittelphalangen bei fragmentierten residualen Epiphysen. Irregularitäten und Eindellungen der Kalzifikationslinien um die Grundphalanxepiphysen (aus Wung, Y. u. Mitarb.: Radiology 201 [1996] 265).

An dieser Stelle sei erwähnt, dass Sesambeine gelegentlich von einer Nekrose befallen werden können (Abb. 2.60). Solche Osteonekrosen sind im Frühstadium an einer Demineralisation, im Spätstadium an einer Dichtezunahme und einer Fragmentierung zu erkennen. Wenn Zweifel über den Krankheitswert eines etwas verdichteten oder demineralisierten Sesambeins bestehen, sollte man eine Skelettszintigraphie mit Pinhole-Aufnahmen anfertigen.

Tabelle 2.6 Wesentliche Ursachen von Akroosteolysen an Fingern und Zehen (aus Freyschmidt, J.: Skeletterkrankungen. Springer, Berlin 1997)

Reichert ein verdichtetes Sesambein eindeutig an, dann handelt es sich um einen pathologischen Befund, der am besten mit chirurgischer Exzision behandelt wird. Zu den Nekrosen werden auch Akroosteolysen gezählt. Sehr frühe Akroosteolysen äußern sich in verschwindenden Konturen der Nagelkränze einer oder mehrerer Phalangen. Solche Veränderungen sind nur auf hochwertigen Aufnahmen (in Mammographietechnik) und mit Lupenbetrachtung zu diagnostizieren (z. B. Abb. 2.44 c). In Tab. 2.6 sind die wesentlichen Ursachen von Akroosteolysen aufgelistet. In den Abb. 2.61, 2.62 und 2.88 finden sich fortgeschrittene Akroosteolysen bei Pachydermoperiostose und Kollagenose.

Trophisch (vaskulär/neurogen): Raynaud-Syndrom Sklerodermie, Sharp-Syndrom Epidermolysis bullosa ichthyosiforme Erythrodermie mutilierende Karatodermie Acrodermatistis chronica Pick-Herxheimer Neurolues, Syringomyelie, Lepra Hyperostose mit Pachydermie (Uehlinger-Syndrom) bei septischem Schock bei hypertrophischer Osteoarthropathie

앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫

Traumatisch: 앫 Hitze- und Frosteinwirkung 앫 elektrische Unfälle 앫 chronische Expositionen gegenüber ionisierenden

Strahlen 앫 chronische mechanische Überbeanspruchung

(z. B. bei Geigern, Gitarrespielern) Hormonell: 앫 primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus 앫 Diabetes mellitus 앫 bei Phäochromozytom

Toxisch: 앫 chronische Polyvenylchloridintoxikation

Abb. 2.60 a, b Osteonekrosen am Sesambein des Daumens: a Frühe Form. b Späte „kondensierte“ Form. a

Idiopathische (familiäre) (Akro-) Osteolyse Gorham's Disease (vanishing bone disease), sonstige Gefäßmissbildungen Gorlin-Goltz-Syndrom Ainhum-Syndrom Pyknodysostose Sarkoidose Psoriasis Gicht Tumoren (Metastasen, Plattenepithelkarzinom usw.)

b

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2 Arm

Abb. 2.61 Akroosteolysesyndrom bei Pachydermoperiostose.

Entzündung? Gelenke Die Usur oder Erosion ist eines der sicheren Röntgenzeichen eines entzündlichen synovialen Prozesses, ob systemisch oder durch eine bakterielle Infektion bedingt (Abb. 2.63, 2.132 a, b u. 2.133). Solche Defekte sind aber von traumatischen Konturdefekten der gelenktragenden Knochenabschnitte zu unterscheiden (Abb. 2.52 u. 2.64). Die traumatischen Knochenausrisse oder Absprengungen sind in der Regel von einem soliden Skleroserand umgeben, außerdem finden sich keinerlei Strukturveränderungen in der umgebenden Spongiosa. Zumeist kommen sie einzeln, nur selten an mehreren gelenktragenden Knochen vor, besonders bei mechanisch stark belasteten Händen. Die entzündliche Usur oder Erosion ist zumeist unscharf gegenüber der bloßgelegten Spongiosa begrenzt, außerdem findet sich der umgebende Knochen fleckig demineralisiert, wie beispielhaft für die rheumatoide Arthritis in Abb. 2.63 a und für eine bakterielle Arthritis in Abb. 2.63 b dargestellt. Bei einer zum Stehen gekommenen rheumatoiden Arthritis gibt es reparative Vorgänge an Erosionen oder Usuren mit Abdeckelung der Defekte, also ähnliche Veränderungen wie bei der traumatischen Absprengung (Abb. 2.65).

Abb. 2.62

Akroosteolysen bei Kollagenose.

Auf die Diagnose und Differentialdiagnose entzündlicher systemischer Gelenkveränderungen am Handskelett kann im Rahmen dieses Buchs nicht näher eingegangen werden. Aus differentialdiagnostischen Gründen wird aber zur Polyarthrose der Fingerend- und -mittelgelenke Stellung genommen. Diese wird radiologisch in mehr oder weniger ausgeprägter Form bei mehr als 60% aller Erwachsenen jenseits des 50. Lebensjahrs beobachtet. In aktiven Phasen geht sie mit Schmerzen und Schwellungen einher (aktivierte Arthrose) und kann einen primär synovialen entzündlichen Gelenksprozess vortäuschen. Bei der Arthrose des distalen (sog. Heberden-Arthrose) und des proximalen Interphalangealgelenks (sog. Bouchard-Arthrose) finden sich mehr oder weniger ausgeprägte symmetrische Gelenkspaltverschmälerungen, die subchondralen Grenzlamellen verdichten sich, und man sieht feine paraartikuläre Verkalkungen und Weichgewebsverdichtungen (Abb. 2.66 u. 2.67). Bei ausgeprägteren Fällen kommt es an den Basen der Endphalangen zu produktiven Knochenveränderungen, die vogelschwingenartig aussehen, aber streng von den sog. Protuberanzen bei der Psoriasisarthritis zu unterscheiden sind (Abb. 2.68 u. 2.133). Bei letzterer Erkrankung finden sich zusätzlich weitere produktive Knochenveränderungen, z. B. am Periost der

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a

Abb. 2.63 a, b Gelenkerosionen bei entzündlichen synovialen Prozessen: a Bei rheumatoider Arthritis. b Bei Panaritium articulare. Beachte den Schwund der subchondralen Grenzlamelle (Pfeil) und die Verschmälerung des entsprechenden Gelenkspalts durch Knorpelzerstörung.

Abb. 2.64 Nichtaktive rheumatoide Arthritis mit geglätteten bzw. von einem reaktiven Sklerosesaum umgebenen Usuren, die man ohne Kenntnis der Vorgeschichte auch als alte traumatische Absprengungen deuten könnte.

b

Abb. 2.65 Alte geglättete Usur am radialseitigen Köpfchen von Os metacarpale I.

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b

a Abb. 2.66 a, b Polyarthrose. Beachte die Vogelschwingenform der Basen der Endphalangen der betroffenen Gelenke, bedingt durch Osteoproliferationen, aber stets in Begleitung von subchondralen Geröllzysten am selben Knochen oder am

anderen Gelenkpartner. Bei den befallenen distalen Interphalangealgelenken Mischbild zwischen Destruktion und Sklerose und subchondralen kleinen Zysten.

Abb. 2.67 a – f Schema der radiologischen Symptome der Fingerendgelenkarthrose, geordnet nach der häufigsten Reihenfolge der Entwicklung (nach Schacherl u. Schilling): a Kleine Ossikel paratikulär. b Gelenkspaltverschmälerung. c Subchondrale Sklerosierung und Osteophytenbildung. d Deviation der Endphalanx. e Geröllzysten. f Destruktive Arthrose.

kleinen Röhrenknochenschäfte. Eine Schemazeichnung über das topographische Befallsmuster früher polyartikulärer Handskelettveränderungen zeigt Abb. 2.69. Bei der Chondrokalzinose sind die Metakarpophalangealgelenke bevorzugt befallen (Abb. 2.70 u. 2.134). Wenn der Knorpel nicht verkalkt, dann können nasenartige oder wie ein hängender Tropfen anmutende Osteophyten an den radialseitigen Gelenkköpfen ein wichtiges Hinweiszeichen sein (sog. dropping osteophytes). Solche produktiven Knochenveränderungen gibt es aber auch bei stark mechanisch beanspruchten Händen ohne pathologische Bedeutung. In solchen Fällen muss man die klinische Symptomatik hinzuziehen, die ja bei der Chondrokalzinose mit gichtähnlichen Attacken verhältnismäßig spezifisch sein kann. Außerdem sind in der Regel andere Gelenke befallen, besonders im Karpalbereich, wo der skapholunäre Kollaps ein typischer Befund ist. Die multizentrische Retikulohistiozytose geht mit granulomatösen Haut- und Schleimhautveränderungen einher. Die granulomatös veränderte Gelenkschleimhaut führt zu Arrosionen, zumeist aber mehr in den zentralen Partien und oft rasch zu groben Gelenkzerstörungen (Freyschmidt u. Freyschmidt 1996).

Knochen Entzündliche (osteomyelitische) Veränderungen an den Handknochen sind insgesamt betrachtet sehr selten, zumeist entstehen sie durch eine fortgeleitete Entzündung bei einer bakteriellen Arthritis. Frühe Zeichen sind eine an einem Knochen auftretende Strukturaufhellung, zumeist in Kombination mit feinen Periostverknöcherungen und einer verstärkten Tunnelierung der benachbarten Kortikalis. Erst im reparativen Stadium kommt es dann zu reaktiver Knochenneubildung, sodass der Knochen fleckigsträhnig dichter wird. Das Panaritium ossale spielt sich zumeist an den Endphalangen ab und beginnt in der Regel mit feinen Kontur- und Strukturunschärfen (Abb. 2.71). Die Klinik lässt eine Verwechslung mit einem Akroosteolysesyndrom nicht zu, das in der Regel schmerzfrei ist. Ein 2 Kompartimente (Knochen und Gelenk) erfassender entzündlich-destruktiver Prozess nach einer GelenkKnochen-Verletzung ist in Abb. 2.72 dargestellt. Zumeist bei polyostotischer Ostitits deformans Paget, extrem selten als monostotische Form, kann es an mehreren bzw. einem Fingerknochen zunächst zu einer Struktur-

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b

a

Abb. 2.68 a – c Psoriasisarthritis. Beachte die spikulaartigen produktiven Veränderungen an den Nagelkränzen und die Protuberanzen an den Basen der Endglieder, besonders III, IV links und II – IV rechts. Die aktiven proliferativen Veränderungen werden auch sehr eindrucksvoll im Szintigramm (c) zur Darstellung gebracht.

verarmung, dann zu einer zunehmenden gemischtförmigen fleckig-flächigen Verdichtung und Volumenzunahme, später dann zu einer strähnigen Transformation mit Volumenzunahme kommen (Abb. 2.73). Von den entzündlich-granulomatösen Veränderungen mit möglichen Manifestationen am Handskelett sei hier nur kurz die Skelettsarkoidose (S. 41) genannt. Sie geht zumeist mit einem gemischtförmigen Bild einher, das manchmal an dysplastische Veränderungen erinnern lässt (Abb. 2.36). Es besteht aus einer Endphalangenosteosklerose, wie oben bereits erwähnt, oder auch aus zusätzlichen sklerosierenden Veränderungen im Knochen oder vom Periost ausgehend. Zusätzlich sieht man Stanzlochdefekte in der Spongiosa der Handröhrenknochen, gelegentlich auch Verschmächtigungen, wenn die Granulome subperiostal

c

liegen und den Knochen von außen arrodieren, bishin zu echten Mutilationen. Manchmal täuscht die Sarkoidose auch einen chronisch entzündlichen (osteomyelitischen) Prozess vor (Abb. 2.37). Die zystische Knochentuberkulose kann stanzlochartige Defekte an den Handröhrenknochen aber auch am Karpus verursachen, zumeist aber in Verbindung mit weiteren Skelettläsionen. Solche Bilder sehen wegen der gemeinsamen (pathologisch-anatomischen) granulomatösen Grundstruktur ähnlich wie die Sarkoidose aus. Mehr oder weniger ausgedehnte osteolytische Veränderungen in einer Phalanx, insbesondere in der Endphalanx bei Kindern, sind zumeist einer Spina ventosa, also einer umschriebenen expansiven Knochentuberkulose zuzuschreiben.

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2 Arm Abb. 2.70 Chondrokalzinose mit aufge- 컄 brauchten Gelenkspalten der Metakarpophalangealgelenke II – V, deutlichen subchondralen Sklerosen, Gelenkkontureinbrüchen und feinen zystenartigen Aufhellungen, insbesondere im Köpfchen II. Ausgeprägte produktive Knochenveränderungen am Köpfchen Os metacarpale III. Unter anderem sieht man hier auch den nach proximal radial gerichteten Osteophyten (dropping osteophyte). Beachte die Verkalkungen im Discus triangularis und im Knorpel zwischen Os lunatum und Os triquetrum. Die Befunde sind hochspezifisch für eine Chondrokalzinose (s. auch Abb. 2.283). Starke Sklerosierungen an den Metakarpophalangealgelenken mit Anbauten und Spaltverschmälerungen gibt es allerdings auch bei mechanisch extrem belasteten Händen. Der Fall einer sekundären Chondrokalzinose bei Hämochromatose ist in Abb. 2.134 wiedergegeben.

Abb. 2.69 a – c Topographisches Befallsmuster bei polyartikulären Gelenkveränderungen am Handskelett: a Bei rheumatoider Arthritis. b Bei Polyarthrose (Heberden- und Bouchard-Arthrose). c Psoriasisarthritis.

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Abb. 2.71 Panaritium ossale mit Zerstörung der lateralen Partien des Nagelkranzes und Umgebungssklerose (Pfeil). Radiologisch kommt als Differentialdiagnose auch ein Osteoidosteom in Frage.

Abb. 2.70

(Legende gegenüber)

a

b Abb. 2.72 a, b Verlaufsbeobachtung eines entzündlichen Knochen- und Gelenkprozesses nach Schlag mit der Handaußenkante in den offenen Mund eines Gegners. In Abb. a quer verlaufender subchondraler Frakturspalt an der Basis der Grundphalanx. 4 Wochen später ausgedehnte Osteoarthritis,

d. h. sowohl entzündlich-destruktive Veränderungen an den knöchernen Gelenkpartnern als auch Arthritis am Kriterium einer Spaltverschmälerung durch Korpelzerstörung. Der Prozess endete später in einer kompletten Ankylose.

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2 Arm

c

a

Tumor? Tumoren und tumorähnliche Läsionen sind am Handskelett gar nicht so selten (Freyschmidt 1985). Wir konnten unter 6464 primären Knochengeschwulstprozessen 7,8% der Läsionen am Handskelett finden. Bezogen auf die jeweiligen Primärtumoren ergaben sich folgende prozentuale Häufigkeiten am Handskelett: 쐌 쐌 쐌 쐌

b Abb. 2.73 a – c Ostitis deformans Paget am Handskelett: a, b Befall von Os metacarpale III und IV im Rahmen eines polyostotischen Morbus Paget. c Ungewöhnliche solitäre Manifestation an der 3. Grundphalanx.

Chondrom ca. 56%, Osteoidosteom ca. 9%, Osteochondrom ca. 5%, Osteoblastom ca. 3%.

Chondroblastom, Chondromyxoidfibrom, Riesenzelltumor und Hämangioenotheliom waren jeweils etwas unter 3% repräsentiert. Von 3271 benignen Tumoren kamen 14,5% und von 3193 malignen Tumoren 0,8% am Handskelett vor. Der häufigste Tumor am Handskelett ist das Chondrom, an Häufigkeit folgen das Osteochondrom (aber nur bei kartilaginärer Exostosenkrankheit) und das Osteoidosteom. Vom Chondrom waren am meisten die Phalangen, weniger häufig der Metakarpalbereich und extrem selten der Karpus befallen, vom Osteoidosteom die Metakarpalia und Phalangen in etwa gleicher Frequenz. Beim Osteochondrom dominiert der phalangeale Befall. An dieser Stelle wird nur auf radiologische Veränderungen am Handskelett eingegangen, die Grenzsituationen zu produktiven oder destruktiven tumorösen und tumorähnlichen Läsionen darstellen können.

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Handskelett Destruktionen Physiologischerweise kommen am Handskelett, insbesondere beim mechanisch stark belasteten, 1 – 2 mm große solitäre oder multiple zystenähnliche Aufhellungen vor, die im Karpus, aber auch an den Metakarpalia und an den Basen der Grundphalangen lokalisiert sind. Hierbei handelt es sich mit größter Wahrscheinlichkeit um kleine umschriebene Knochennekrosen, die zystisch transformieren. Wir bezeichnen diese Läsionen als sog. idiopathische Handzysten, die in der Regel keinen pathologischen Wert haben (Abb. 2.74). Diese idiopathischen Zysten am Handskelett sollten nicht mit Begleitzysten, vor allem bei der Polyarthrose, aber auch nicht mit sog. Signalzysten, z. B. bei der rheumatoiden Arthritis oder mit braunen Tumoren beim Hyperparathyreoidismus (Abb. 2.75 c), verwechselt werden. Bei Multiplizität solcher Zysten ist differentialdiagnostisch an die polyzystische lipomembranöse Osteodysplasie zu denken (Freyschmidt 1997). Größere subchondrale Hohlräume kommen des Weiteren bei der Gicht vor. Sie können sich bis zur Diaphysenmitte des benachbarten Knochens ausdehnen (s. unten). Die Differentialdiagnose stellt sich des Weiteren zu kleineren Enchondromen und bei Multiplizität zu einer Enchondromatose (Abb. 2.75 b). Das differentialdiagnostische Spektrum zystischer Veränderungen am Handskelett zeigt Tab. 2.7. Bei solitären größeren osteolytischen Prozessen mit epimetaphysärer Lokalisation ist auch an Riesenzelltumoren im Initialstadium, des Weiteren – im Erwachsenen-

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Tabelle 2.7 Oligo- und polyzystische Veränderungen am Handskelett (aus Freyschmidt, J.: Skeletterkrankungen. Springer, Berlin 1997) 앫 Idiopathische Handzysten 앫 Sarkoidose 앫 Polyarthrose 앫 Zystische Form der rheumatoiden Arthritis 앫 Gicht 앫 Bestimmte Formen der Hämochromatose 앫 Kollagenosen 앫 Amyloidose 앫 Zystische Tuberkulose 앫 Polyzystische lipomembranöse Osteodysplasie 앫 Gorlin-Goltz-Syndrom 앫 Tuberöse Sklerose 앫 Enchondromatose

alter – an osteolytische Metastasen zu denken. Letztere können manchmal ganze Fingerglieder vollständig zerstören, die Hauptlokalisation findet sich im akralen Bereich. Von der Gruppe der sog. Pseudotumoren werden folgende mit einiger Wahrscheinlichkeit am Handskelett beobachtet: 쐌 β2-Mikroglobulin-Amyloid-Ablagerungen in pseudotumoröser Form verursachen am Handskelett zystenartige Strukturauslöschungen, insbesondere am Karpus (Abb. 2.76).

b

a

Abb. 2.74 a, b Idiopathische Knochenzysten am Handskelett ohne klinische Bedeutung. Bei solchen Zysten kann es sich aber auch um initiale Veränderungen bei polyzystischer lipomembranöser Osteodysplasie handeln, bei entsprechender Vorgeschichte auch um β2-Mikroglobulin-Ablagerungen. Letztere bevorzugen den Karpus und können komplette Imitationen der idiopathischen Handzysten bieten (vgl. Abb. b mit Abb. 2.76). Letztendlich ist bei den Veränderungen im Karpus auch an Enchondrome und etwas ungewöhnlich große subchondrale synoviale Zysten (intraossäre Ganglien) zu denken.

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a

2 Arm

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b

Abb. 2.75 a – c Differentialdiagnose von „zystischen“ Strukturauslöschungen an Fingerröhrenknochen: a Solitäres Enchondrom am 4. Fingergrundglied. b Multiple Enchondrome bei Ollier-Erkrankung.

c Die Osteolyse an der Basis des Os metacarpale IV entspricht einem braunen Tumor bei Hyperparathyreoidismus. Beachte die erheblichen Strukturveränderungen am übrigen Handskelett inklusive Akroosteolysen.

Abb. 2.76 a, b β2-Mikroglobulinablagerungen im Karpus bei Langzeitdialyse. Beachte die zystenartigen Strukturauslöschungen im Os scaphoideum und Os hamatum beiderseits,

zusätzlich im Os lunatum (mit Fraktur) und Os hamatum rechts.

a

b

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Handskelett Nach etwa 10-jähriger Dialysebehandlung haben die meisten Patienten solche pseudotumorösen Strukturauslöschungen im Karpus. 쐌 Die pseudotumoröse Form der Gicht kann weit von den Gelenken entfernt zu kleineren oder größeren Strukturauslöschungen der Handröhrenknochenschäfte führen im Sinne sog. Marktophi, wie in Abb. 2.77 dargestellt. 쐌 Epidermoidzysten (Abb. 2.78) zeigen sich radiologisch in der Regel als glatt begrenzte Osteolysen, gelegentlich mit blasenartiger Auftreibung des befallenen Knochens; eine Binnenstruktur lässt sich dabei nicht erkennen. Vielfach bestehen Zusammenhänge mit einer Dauertraumatisierung der Weichgewebe und des Periosts, wie auch des Knochens, z. B. bei Näherinnen. Man nimmt an, dass dabei Epidermisanteile, insbesondere das Stratum germinativum mit Hyper-, Para- oder auch Dyskeratose, in den Knochen verschleppt werden, und zwar über eine lymphoplasmozytäre Enzündung der traumatisierten Weichteile mit konsekutiver Kortikalisarrosion und Lückenbildung. Eine wesentliche Differentialdiagnose zu Epidermoidzysten stellt der Glomustumor dar, und zwar wenn er rein intraossär auftritt, was allerdings eine große Rarität bedeutet. Glomustumoren in den Weichteilen arrodieren von außen den befallenen Knochen (Abb. 2.79). 쐌 Entzündliche Pseudotumoren können durch penetrierende Dornverletzungen (z. B. Rosen-„thorn-inducedpseudotumor“; auch Palmen, Stechdorn), entstehen. Hauptvertreter tumorähnlicher Läsionen mit Manifestation am Handskelett ist das reparative Riesenzellgranulom. Ein nicht sehr selten beobachteter, von den Gelenkstrukturen ausgehender tumorähnlicher Prozess ist die

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a

Abb. 2.77 a, b „Zystische“ Strukturauslöschungen bei Gicht (bioptisch bestätigt). Beachte die schwere Mutilation der Kleinfingergrundphalanx in Abb. a und die deutliche begleitende Weichteilschwellung um die Marktophi in den distalen Partien der 2. Grundphalanx in Abb. b.

a

b

b

Abb. 2.78 48-jähriger Schneider mit typischer Epidermoidzyste (Epithelzyste) an der Endphalanx des Daumens. Abb. 2.79 a – c Glomustumor der dorsalen subungualen 컄 Weichteile mit Arrosion des darunter gelegenen Knochens (Stern). Klinisch äußerst schmerzhaft.

c

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2 Arm

a

b Abb. 2.80 a, b Subchondrale synoviale Zyste (intraossäres Ganglion) im Os lunatum. Konventionell-radiographisch kleine Aufhellung im ulnarseitigen Os lunatum. In den T2-gewichte-

ten MRT-Bildern stellt sich das Ganglion – flüssigkeitsäquivalent – signalintensiv dar. Es hat einen relativ breiten Kontakt zum lunotriquetralen Gelenk. Siehe auch Abb. 2.165.

subchondrale synoviale Zyste oder das intraossäre Ganglion (Abb. 2.46 b u. 2.80), das vor allem am Karpus lokalisiert ist und dort differentialdiagnostisch im Wesentlichen gegen idiopathische Handzysten und Amyloidablagerungen abzugrenzen ist.

Sklerose nicht als reaktiv auf einen osteolytischen Tumor gedeutet werden kann. In solchen Fällen hilft die Durchführung einer 3-Phasen-Skelettszintigraphie (Abb. 2.83), bei der sich in der Regel mithilfe des Double-Density-Zeichens (die sehr dichte Aktivitätsanreicherung entspricht dem Nidus, die weniger starke Aktivitätsanreicherung in der Umgebung einer reaktiven Knochenneubildung) eine Differenzierung herbeiführen lässt. Eine in den letzten Jahren zunehmend beachtete produktive Knochenentität am Handskelett stellt die floride reaktive Periostitis dar (Spjut u. Dorfman 1981). Dabei handelt es sich um einen reaktiven Prozess, mit größter Wahrscheinlichkeit als Folge eines Traumas (Abb. 2.84). Die betroffenen Patienten bekommen eine zunehmende Schwellung wie bei einem echten entzündlichen Prozess, äußerlich kann man bald eine Verdickung über dem befallenen Handknochen (zumeist sind es die Grund- und

Produktive tumoröse und tumorähnliche Veränderungen Die häufigste Ursache einer umschriebenen Verdichtung in einem Handknochen stellt das Osteom (Enostom, Kompaktainsel) dar (Abb. 2.38 c, d, 2.81 u. 2.82). Diese harmlose Läsion verursacht keine Beschwerden, auch nicht, wenn sie in Form der Osteopoikilie auftritt (Abb. 2.38). Ähnliche Röntgenphänomene, d. h. eine reine Sklerose, können aber auch Osteoidosteome verursachen, insbesondere wenn der Nidus verkalkt ist und somit die

Abb. 2.82 41 Jahre alte Frau. Zufallsbeobachtung. Massive, mit der Kompakta verschmolzene Hyperostose in einer Zeigefingermittelphalanx. Wahrscheinlich handelt es sich um ein besonders großes Exemplar eines Osteoms bzw. Enostoms; differentialdiagnostisch käme auch die seltene Fingermanifestation einer Melorheostose in Frage.

Abb. 2.81 gers.

Enostom in der distalen Mittelphalanx eines Fin-

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c Abb. 2.83 a – c Osteoidosteom in der Zeigefingergrundphalanx. Der verkalkte Nidus im distalen Schaft ist nur zu ahnen (Pfeile), auf ihn weist letztlich ein größerer, sich um ihn verzweigender Gefäßkanal hin. Im Szintigramm (c) typisches Double-Density-Phänomen. a

b

Abb. 2.84 a, b Floride reaktive Periostitis. Zwischen Abb. a u. b liegen etwa 10 Wochen.

a

b

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Mittelphalangen) tasten. Röntgenologisch sieht man initial feine, aber solide periostale Verknöcherungen, die mit der Zeit zunehmen können, aber dann später in die darunter gelegene Kortikalis inkorporiert werden. Die Abgrenzung zum Osteoidosteom kann problematisch sein, doch hilft auch hier die Skelettszintigraphie, die im Falle der floriden reaktiven Periostitis kein Double-Density-Zeichen zeigt. Die Problematik der floriden reaktiven Periostitis liegt vor allem in der Histologie: Es findet sich ein fibroblastenreiches proliferierendes Gewebe, das leicht mit einem periostalen Osteosarkom – vor allem von einem unerfahrenen Pathologen – verwechselt werden kann. Am Handskelett sind ähnliche produktive Prozesse unter verschiedenen anderen Begriffen beschrieben worden (Nora u. Mitarb. 1983, Nuovo u. Mitarb. 1992, Schütte u. Mitarb. 1990). Wir haben dies unter der Kapitelüberschrift „Proliferierende Prozesse am Hand- und Fußskelett“ 1997 ausführlich dargestellt, auch hinsichtlich der ätiologischen und pathogenetischen Gemeinsamkeiten dieser Entitäten (Freyschmidt 1997). Produktive tumoröse Veränderungen am Handskelett können schließlich durch Osteochondrome verursacht werden (Abb. 2.85).

Degenerative Veränderungen? Auf die Differentialdiagnose der Polyarthrose wurde aus didaktischen Gründen bereits im Kapitel „Entzündung“ eingegangen. An dieser Stelle soll die Differentialdiagnose durch produktive Knochenveränderungen bei der Akromegalie ergänzt werden. Durch eine vermehrte Produktion von somatotropem Hormon durch Adenome des Hypophysenvorderlappens kommt es nach Abschluss des Knochenwachstums am Knochen und Knorpel sowie an den Weichteilen zu An- und Umbauprozessen, die mit einer Volumenzunahme einhergehen. Eine Überproduktion von somatotrophem Hormon vor Abschluss des Knochenwachstums führt zum sog. Gigantismus. Die durch Somatotropin stimulierte enchondrale Ossifikation spielt sich in der faserknorpeligen Ansatzzone von Sehnen und Bändern ab. Auch der Gelenkknorpel proliferiert, dadurch wird der röntgenologische Gelenkspalt erweitert. Da das subkutane Fettgewebe durch „wasseräquivalentes“ Bindegewebe ersetzt wird, nehmen die Weichteile an Masse zu, der periartikuläre Bereich ist aufgetrieben bei insgesamt verdickten Fingern. Röntgenologisch (Abb. 2.86) sieht man eine Verbreiterung der Metakarpalia und der Phalangen, die Muskelansätze sind vergröbert und unregelmäßig begrenzt, besonders im Subkapitalbereich der Metakarpalia.

b

a Abb. 2.85 a, b Osteochondrome am Handskelett: a Osteochondrome an den distalen Metaphysen der Ossa metacarpalia III und V bei kartilaginärer Exostosenkrankheit, nicht mit einer epiphysären Dysplasie zu verwechseln. Beachte die Verschmächtigung von Os metacarpale IV.

b Zahlreiche flache Exostosen bei Exostosenkrankheit. Bei den ringförmigen Verdichtungsstrukturen an den Basen der 2. und 3. Grundphalanx handelt es sich um die orthograd getroffenen Basen der Exostosen. Deutliche Wachstumsstörung u. a. mit Verkürzung des 5. Strahls und Pseudo-Madelung-Deformität.

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a

b

4

2 3

5 3 1

c

d Abb. 2.86 a – d Akromegalie und ihre Differenzialdiagnose: a – c Akromegalie (a 44-jährige Frau, b 34-jähriger Mann). Deutliche Ankerformen der Endphalangen und deutliche Osteophyten, vor allem an den proximalen Interphalangeal- und Metakarpophalangealgelenken. Die Gelenkspalten sind im Gegensatz zur Arthrose (c) normal oder erweitert.

d Schemazeichnung der typischen Veränderungen bei Akromegalie an einem Fingerknochen. 1 Phalangenschäfte erscheinen mäßig verdickt, die Muskelansätze sind sehr prominent 2 Weichteilkonturen sind verbreitert 3 Randosteophyten und paraartikuläre Verkalkungen 4 Endphalangen weisen eine Ankerform auf 5 Gelenkspalten sind erweitert

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Die Processus unguiculares weisen eine Ankerform auf. An den Metakarpophalangeal- und Interphalangealgelenken bestehen in der Regel Randosteophyten. Zumeist sind alle Gelenkspalten deutlich erweitert, infolge der Verdickung des Gelenkknorpels. Dies ist ein entscheidendes Differenzierungskriterium von der Arthrose, bei der ja bekanntlich der Gelenkspalt verschmälert ist.

Weichteilverkalkungen Verkalkungen in den Weichteilen des Handskeletts können 3 wesentliche Ursachen haben:  Wenn das Calciumphosphatprodukt über 70 liegt, kommt es zu Calciumphosphatausfällungen in den Weichgeweben, insbesondere um die Gefäße und periartikulär. Dieser Mechanismus wird überwiegend bei generalisierten Osteopathien, insbesondere bei der renalen Osteopathie oder bei Vitamin-D-Intoxikationen usw., gefunden. Auch Überschreitungen des Löslichkeitsprodukts von Calciumcarbonat oder -oxalat führen im Endeffekt zu den gleichen Phänomenen.  Sie können Folge einer örtlichen Nekrose sein, denn nekrotisches Weichgewebe mit verändertem pH-Wert usw. ist ein potenzieller „Calciumfänger“. Solche nekrotischen Weichgewebsveränderungen im Subkutanund Muskelbereich entstehen als Folge eines Traumas, einer Durchblutungsstörung (z. B. bei Vaskulitits, insbesondere bei Kollagenosen) oder als Endzustand eines entzündlich-destruktiven Prozesses.  Eine durch einen Tumor oder einen tumorähnlichen Prozess gebildete Matrix mineralisiert. Hierbei ist in erster Linie an einen knorpel- oder knochenbildenden Tumor sowie an heterotope Ossifikationen zu denken. Auch schleimbildende Metastasen neigen besonders zu Ossifikationen. Die Röntgenmorphologie von Weichgewebsverkalkungen kann ziemlich spezifisch sein, was den Befunder in die Lage versetzt, auf den Grundmechanismus zu schließen: So sprechen solide und geformte Verknöcherungen mit angedeuteter Spongiosastruktur für eine Pathogenese aus einer vorher gebildeten Matrix, z. B. bei heterotopen Ossifikationen oder beim Chondro- oder Osteosarkom der Weichteile, während amorphe Kalzifikationen eher Hinweise auf einen nekrotischen Prozess geben. Selbstverständlich ist eine weitere Differenzierung nur mithilfe topographischer Daten und mit klinischen Informationen möglich. Im Folgenden werden nur einige, am Handskelett häufiger beobachtete Weichteilverkalkungen besprochen. Die häufigsten Verkalkungen am Handskelett sind interstitielle Kalzinosen, zumeist extraartikuläre. Ihre Systematik ist in Tab. 2.8 wiedergegeben. Bei der zirkumskripten Kalzinose (Calcinosis circumscripta) erkennt man kleinere amorphe Kalzifikationen im subkutanen Gewebe, vor allem palmarseitig an den Fingerendgliedern (Abb. 2.87 a u. b), aber auch im Bereich der Beugesehnenscheiden der Hände. In etwa 60% der Fälle ist das Krankheitsbild idiopathisch, in 40% der Fälle findet sich eine Assoziation mit einer Sklerodermie, einer Dermatomyositis oder einer Raynaud-Erkrankung (in dieser Kombination spricht man von einem Thibiérge-Weißenbach-Syndrom). Die Verkalkungen können den klinischen Symptomen durchaus voraus-

Abb. 2.87 a – k Zirkumskripte Kalzinosen: 컄 a,b Zirkumskripte Kalzinose im linken Zeigefinger bei einer 48-jährigen, sonst völlig gesunden Frau. Die amorphen Kalzifikationen liegen überwiegend palmarseitig. Auf Druck entleerte sich gelegentlich eine weißlich-gräuliche, matschige Substanz. c – i Lokalisierte interstitielle Kalzinosen, aber eher im Sinne von Schleimbeutelverkalkungen im Periartikulärbereich. Abb. d ist eine Aufnahme von Abb. c 8 Jahre später mit spontaner Rückbildung der Verkalkung. In Abb. f im Vergleich zu e deutliche Dichte- und Größenzunahme der Verkalkungen in 2 Jahren. In Abb. g Verkalkungen palmar am distalen Interphalangealgelenk des Zeigefingers, klinisch mit Rötung, Schmerz und Schwellung einhergehend. In Abb. h periartikuläre Bursaverkalkung palmarseitig am distalen Interphalangealgelenk des Kleinfingers bei einer 80-jährigen Kunstmalerin. Klinisch ebenfalls Rötung, Schwellung, Druckschmerz. Diese Symptome und die radiologisch nachweisbaren Verkalkungen bildeten sich spontan nach 3 Wochen zurück. In Abb. i periartikuläre Bursaverkalkung neben dem Daumenendgelenk, klinisch mit Schmerzen und Schwellung einhergehend. 4 Wochen zuvor geschah an dieser Stelle ein Wespenstich, der möglicherweise die Bursitis ausgelöst hat, 52-jährige Patientin. Abb. j u. k zeigen eine ungewöhnliche „Verkalkung“ im Bereich der Sehnenscheide des M. abductor pollicis longus, die auf dem a.-p. Bild (j) sehr solide erscheint, aber unter Palpation (k) plattdrückbar ist. Demnach handelt es sich um kalkhaltige Flüssigkeit in der Sehnenscheide oder in einer Bursa (Fall von Prof. Dr. A. Nidecker, Basel).

eilen. Besonders Frauen im höheren Alter scheinen für eine idiopathische Calcinosis circumscripta prädisponiert zu sein (ca. 80 – 90% der Fälle). Im Gegensatz zur idiopathischen zirkumskripten Form der Abb. 2.87 a u. b gehen zirkumskripte Kalzinosen mit Lokalisation in den Sehnenscheiden und Schleimbeuteln der Hände häufig mit starken Schmerzen einher. Diese Kalzifikationen können sich insbesondere nach einer inflammatorischen Phase spontan zurückbilden, ähnlich wie man das auch bei der kalzifizierenden Periarthritis an der Schulter beobachtet. Die verschiedenen Ausdrucksformen dieser mehr oder weniger zu den Schleimbeuteln der Sehnenscheiden gehörenden Kalzifikationen sind in den Abb. 2.87 c – k dargestellt. Von den universellen interstitiellen Kalzinosen kommen diejenigen am häufigsten am Handskelett vor, die mit Kollagenosen assoziiert sind (sog.Thibiérge-WeißenbachSyndrom, Abb. 2.88). Man beobachtet sie besonders häufig bei der Sklerodermie, bei der Dermatomyositis, beim Sharp-Syndrom, aber auch bei einer Raynaud-Erkrankung. Die subkanen Kalkdepots können sich auf Druck als weißlich-gräuliche Masse entleeren. Wenn sie sehr ausgeprägt sind, können sie Druckusuren am benachbarten Knochen hervorrufen. Häufiger ist es allerdings, dass in knöcherne Defekte eingebettete Kalzifikationen Folge einer Nekrose sind, die sich am Knochen und im benachbarten Weichgewebe abgespielt hat. Interstitielle Kalzinosen auf dem Boden einer Überschreitung des Calciumphosphatlöslichkeitsprodukts werden heute überwiegend bei der renalen Osteopathie bzw. im Rahmen einer Langzeitdialysebehandlung gefunden. Diese interstitiellen Kalzinosen können manchmal

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k Abb. 2.87 a – k

(Legende gegenüber)

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2 Arm mit gigantischen tumorartigen Kalzifikationen im periartikulären Weichgewebe einhergehen. Bei dem in der Abb. 2.89 a – c dargestellten Fall ist am Handskelett nur die Spitze des Eisbergs zu sehen, denn es fanden sich um die Schultern, die großen Rollhügel usw. exzessive, teilweise fast kindskopfgroße Calciumphosphatablagerungen. Bei umschriebenen, gut abgrenzbaren Verkalkungen bis zu Stecknadelkopfgröße ist auch an das Vorliegen eines Phlebolithen zu denken, der fast ausschließlich in hämangiomatösen Veränderungen auftritt. Solche Phlebolithen, aber auch geringfügige regressive periartikuläre Verkalkungen sollte man nach Möglichkeit von kleinen traumatischen Knochenausrissen abgrenzen. Intraartikuläre Verkalkungen rühren in der überwiegenden Zahl der Fälle von einer Knorpelverkalkung her. Solche Knorpelverkalkungen gibt es physiologischer Weise bei älteren Menschen, insbesondere im Bereich des Discus triangularis, aber auch z. B. zwischen Os lunatum und Os triquetrum, selten in den Metakarpophalangealgelenken (Abb. 2.89 d – g), häufig assoziiert mit einer Polyarthrose. Nur im Rahmen der Chondrokalzinose im engeren Sinne (auch als Pseudogicht bezeichnet) kommt dem Nachweis von Knorpelverkalkungen eine pathologische Bedeutung (Abb. 2.70) zu. Bei der Chondrokalzinose unterscheidet man eine primäre Form (Pseudogicht, Kristallsynovitis, calcium pyrophosphate deposition diseases [CPPD]), von einer sekundären oder symptomatische Form, z. B. im Zusammenhang mit einer Hämochromatose oder -siderose, mit primärem und sekundärem Hyperparathyreoidismus, mit Ochronose, Wilson-Erkrankung usw.

a

Tabelle 2.8 Systematik von interstitiellen, zumeist extraartikulären Weichteilverkalkungen Primäre interstitielle Kalzinose (idiopathisch):  zirkumskripte Kalzinose (Calcinosis circumscripta)  universelle Kalzinose (Calcinosis universalis)  pseudotumoröse interstitielle Kalzinose (Teutschlaen-

der, tumoral calcinosis)  pseudotumoröse Form der Pseudogicht (Chondro-

b

kalzinose, CPPD) Sekundäre interstitielle Kalzinose (symptomatisch):  primärer Hyperparathyreoidismus (selten)  sekundärer Hyperparathyreoidismus (im Rahmen der

   

renalen Osteopathie unter Dialysebehandlung mit tumorartigen Kalzifikationen in Bursae, Sehnenscheiden usw.) Vitamin-D-Intoxikation, insbesondere Dialysepatienten Milchtrinkersyndrom (Burnett-Syndrom) bei Kollagenosen primäre und sekundäre Oxalose

CPPD Calciumpyrophosphat Deposition Disease

c Abb. 2.88 a – c Interstitielle Kalzinose bei Sklerodermie. Beachte die Akroosteolysen an den betroffenen Fingern.

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Handskelett

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a

b

Abb. 2.89 a – g Interstitielle Kalzinose und alterassoziierte Chondrokalzinose: a – c Interstitielle Kalzinose bei renaler Osteopathie bei einem 27-jährigen Patienten mit Langzeitdialysebehandlung. Die bestehende Hyperphosphatämie wurde nicht behandelt. Zwischen den Aufnahmen a u. b liegen etwa 11/2 Jahre, zwischen b u. c etwa 1 Jahr. Neben der Zunahme der Kalzifikationen, z. B. lateral vom Metakarpalköpfchen IV, ist es gleichzeitig zu einer Abnahme der Kalzifikationen lateral der Basis von Os metacarpale V gekommen. Solche rückläufigen Kalzifikationen können spontan geschehen, aber auch durch Entleerung weißlicher kalzifizierter Massen aus kleinen Öffnungen in der Haut. Abb. 2.89 d – g  c Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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2 Arm

d

e

f

g Abb. 2.89 d – g Altersassoziierte Chondrokalzinose bei einer wegen der floriden Polyarthrose (Arthrose der distalen Interphalangealgelenke) nur mäßig symptomatischen Patientin. Beachte die besonders auf den Ausschnittsaufnahmen der Karpi (f u. g) deutlich werdenen Verkalkungen der Knorpel im Discus triangularis zwischen Os lunatum und Os triquetrum, besonders rechts und paraartikulär neben dem Daumensattelgelenk beidseits. Beachte auch die feine Schleimbeutelverkalkung lateralseitig in der Nische zwischen Os hamatum und Os

triquetrum (Pfeile). Die Metakarpophalangealgelenke, insbesondere II und III rechts, sind leicht verschmälert, hier finden sich aber keine Verkalkungen und auch keine subchondralen Strukturveränderungen. Dieses Bild der altersassoziierten Chondrokalzinose unterscheidet sich, insbesondere im Hinblick auf die Situation an den Metakarpophalangealgelenken, deutlich von dem in der Abb. 2.70 gezeigten Fall einer klassischen symptomatischen Chondrokalzinose (Pseudogicht).

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Spezieller Teil Fingerendglieder Normalbefund Im Wachstum Die Diaphyse der Endphalangen ist zum Zeitpunkt der Geburt bei normal ausgetragenem Kind ossifiziert. Die Epiphysen sind im Alter von 5 Monaten bis 2 Jahren erstmals radiologisch nachzuweisen und verschmelzen im 17. Lebensjahr mit dem Schaft. Wenn die Epiphyse voll entwickelt ist, übertrifft sie den Schaftknochen an Breite. Beim Kind und beim Jugendlichen besitzt die Endphalanx eine beinahe konische Form (Abb. 2.90). Die Epiphysen können vereinzelt oder allesamt sehr dicht sein (dense oder ivory epyphysis, Elfenbeinepiphyse, Abb. 2.15, 2.54 b u. 2.91). Diesem Befund muss nicht eine pathologische Bedeutung zugemessen werden, insbesondere wenn die Kinder asymptomatisch sind. Auf diese Problematik wurde bereits auf S. 53 eingegangen.

Abb. 2.90 a – e Entwicklung der Endglieder und Formen der (des) Tuberositas (Processus) unguicularis.

Abb. 2.91

„Dichte Epiphysen“ (nach Brailsford).

Im Erwachsenenalter Der Mittelfinger ist normalerweise länger als der Zeigefinger. Die Endphalanx des Ringfingers ist länger und dicker als diejenige des Zeigefingers. Die Größe (Länge und Breite) der Endphalangen hängt – wie bei sämtlichen Skelettteilen – weitgehend von konstitutionellen Gegebenheiten ab. Darauf wurde bereits auf S. 17 eingegangen. Die Form, besonders der Tuberositas unguicularis (auch als Processus unguicularis bezeichnet), wird auch vom Ausmaß der mechanischen Beanspruchung geprägt. Mit zunehmendem Alter geht die Endphalanx aus der beim Jugendlichen konischen in eine mehr abgerundete Spatelform über (Abb. 2.90 c). Dornförmige Auswüchse an der Tuberositas werden im Alter häufiger und sind besonders palmar am stärksten ausgeprägt (Abb. 2.90 d u. e). Der Processus unguicularis jedes Fingers ist grundsätzlich bei einem gesunden Menschen scharf begrenzt, es lässt sich sozusagen eine knöcherne Abschlusslinie – trotz aller Höckerigkeiten und Unregelmäßigkeiten – um ihn legen. Ist diese Abschlusslinie unterbrochen oder finden sich Unschärfen und mehr oder weniger ausgeprägte Strukturauslöschungen, dann weist das immer auf einen pathologischen Prozess hin (z. B. primärer und sekundärer Hyperparathyreoidismus, Nekrosen bei Kollagenosen usw.; Abb. 2.44 a u. c, 2.61 u. 2.62; S. 57). Andererseits kann sich in den Endgliedern eine im Vergleich zu den anderen Phalangen auffallende Osteosklerose abspielen, besonders in den mittleren und distalen Partien, ohne dass dies irgendeine pathologische Bedeutung haben muss (Abb. 2.3 c u. d u. 2.92).

a

b

Abb. 2.92 a – e

c

d

e

Akroosteosklerosen.

Diese Endphalangenosteosklerosen haben nach proximal zumeist einen breiteren Übergang. Bei sehr scharfer Abgrenzung und singulärem Vorkommen liegt eher ein Enostom vor (Abb. 2.81 u. 2.82). Die Endphalangenosteosklerose kommt gelegentlich bei völlig gesunden Menschen in Kombination mit einer Verdickung der Metakarpalkompakta vor (Abb. 2.3 c u. d). Eine alle Endphalangen betreffende dichte Osteosklerose kann aber auch Ausdruck endokriner Störungen sein, insbesondere in Kombination mit der Hyperostosis frontalis interna (Morgagni-Syndrom). Des Weiteren sind solche Endphalangenosteosklerosen nicht selten mit Krankheiten wie z. B. der Sarkoidose (Abb. 2.36) assoziiert. Bei entsprechender Vorgeschichte können sehr dichte Akren überschießenden Reossifikationsvorgängen bei vorherigen Akroosteolysen entsprechen (Abb. 2.93). Sesambeine sind am Endgelenk des 2., 4. und 5. Fingers als Normalbefund beschrieben worden (Abb. 2.5). Begegnet man einem solchen Knochenelement in Projektion auf das distale Interphalangealgelenk III, ist allerdings Vorsicht

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2 Arm

a

Abb. 2.93 a, b Ungewöhnlich verformte und nach ulnar zu abgewinkelte sklerosierte Processus unguiculares, insbesondere an den Phalangen II und III. Ursache dafür sind Reossifikationsvorgänge bei einer renalen Osteopathie: a Diese Abbildung lässt die Situation mit noch bestehenden Akroosteolysen 1 Jahr vorher erkennen. Dort sieht man aber bereits die beginnenden Reossifikationsvorgänge. b Die Abbildung ist ohne Kenntnis der Vorgeschichte nicht zu deuten. Die Ursache der Verformung ist letztendlich unklar. Der Fall zeigt aber, dass bei Akroosteolysen durch einen Hyperparathyreoidismus grundsätzlich die Knochenmatrix bestehen bleibt. Da sie „weich“ ist, kann sie sich offensichtlich auch leicht verformen. geboten, denn hier ist ein Sesambein bisher noch nicht publiziert worden. Ein Sesambein am distalen Interphalangealgelenk I palmarseitig kommt allerdings bei 72,9% aller Menschen vor (Abb. 2.94). An den Basen der Endphalangen zentral befindliche feine Aufhellungen, zumeist – bei Lupenbetrachtung – von einem Sklerosesaum umgeben, entsprechen orthograd projizierten Gefäßkanälen (Abb. 2.8 b).

Abb. 2.94 Sesambein am Daumenendgelenk (und am Daumengrundgelenk).

b

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Wie bereits erwähnt, ist die Variationsbreite von Größe und Form der Endphalangen bei völlig gesunden Menschen nicht unerheblich. Die Grenze zum Pathologischen ist schwer zu ziehen. Gelegentlich kann das sog. Phalangenzeichen nach Kosowicz (1965, Abb. 2.4) weiterhelfen. Im Einzelfall wird man sich an der Klinik orientieren müssen, wenn man auffallend langen oder kurzen Endphalangen eine pathologische Bedeutung beimessen will oder muss, auch in gutachterlichen Fragen. Eine Übersicht über das breite Spektrum von Syndromassoziationen und anderen Ursachen bei zu kleinen und breiten, bei zu dünnen und schmalen Phalanagen und bei Nagelkranzerosionen oder Hypoplasie gibt Tab. 2.9. Verkrümmungen der Finger werden bei der Klinodaktylie und im Rahmen der Kirner-Deformität beobachtet. Bei der Klinodaktylie sind die Endphalangen nach radial oder ulnar abgewinkelt. Nicht selten ist die Ursache in einer Trapezform oder in einer Deltaphalanx der dazugehörigen Mittelphalanx zu sehen. Die Klinodaktylie kann grundsätzlich an allen Fingern vorkommen, doch ist die radiale Deviation der Endphalanx V besonders häufig (Abb. 2.26). Bei der Trisomie 21 (sog. Mongolismus) ist die Klinodaktylie des Kleinfingers ein charakteristisches Symptom.

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Handskelett Die Kirner-Deformität (Dystelephalangie) mit dorsalkonvexer Krümmung (krallenartiger Verformung) an den Endphalangen beider Kleinfinger tritt sporadisch auf oder wird autosomal dominant vererbt (Abb. 2.95 u. 2.96). Sie stellt eine Sonderform der Klinodaktylie dar. Die Endphalanx kann dabei sehr „weiß“ und der Epiphysenfugenschluss verzögert sein. Auf weitere, seltenere Verformungen der Endphalangen mit Syndromcharakter kann im Rahmen dieses Buchs über Grenzbefunde und Varianten nicht näher eingegangen werden. In Abb. 2.93 ist der ungewöhnliche Fall einer Nagelkranzsklerose mit ulnarer Deviation, insbesondere vom 2. und 3. Strahl, dargestellt. Dabei handelt es sich aber um eine reossifizierte Akroostoelyse bei renaler Osteodystrophie, wie aus der Verlaufsbeobachtung leicht ersichtlich ist. Dieser Fall demonstriert sehr eindrucksvoll, dass die Deutung solcher Verformungen ohne Kenntnis der Klinik nicht möglich ist. Eine deutliche erworbene Volumenzunahme der Endphalangen wird bei der Akromegalie (S. 70) beobachtet. Das Typische dabei ist die Spaten- oder Ankerform der Endphalanx (Abb. 2.97). Es soll auch bei der Hyperthyreose zur Vergrößerung der Endphalangen und der Nagelkränze kommen. Die hypertrophischen Veränderungen an den Basen der Endphalangen im Rahmen einer Polyarthrose und der Psoriasisarthritis (sog. Protuberanzen) wurden bereits auf S. 58 ausführlich besprochen (Abb. 2.66 u. 2.68).

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Abb. 2.95 Krallenförmig gekrümmte Endphalanx (KirnerDeformität).

Fraktur? Abscherfrakturen der Tuberositas sind zumeist Folge von Quetschungsverletzungen. Man spricht dabei auch von Nagelkranzfrakturen. Die Befunde können sehr diskret sein und nur aus einem kleinsten knöchernen Element distal vom Nagelkranz bestehen, was bei gutachterlicher Beurteilung von Bedeutung sein kann. Differentialdiagnostisch ist u. a. aber auch an kleine hyperdense Partikel unter dem Nagel zu denken (Abb. 2.98). Traumatisierungen der Fingerendgelenke (z. B. axiale Gewalteinwirkung, forcierte Beugung oder Streckung) gehen oft mit knöchernen Ausrissen, entweder des Streckoder des Beugesehnenansatzes, einher. Solche Verletzungen werden bevorzugt bei Baseballspielern und bei Skifahrern beobachtet, die beim Sturz in dem Skistockgurt hängen bleiben. Reißt die Strecksehne isoliert oder ist es zu einer intraartikulären Endgliedbasisfraktur mit Strecksehnenausriss gekommen, dann stellt sich der sog. Hammerfinger (auch als Mallet-Finger bezeichnet) ein (Abb. 2.99). Auch ohne Nachweis eines knöchernen Ausrisses erkennt man die Sehnenverletzung daran, dass das Endglied in Beugestellung gegenüber dem übrigen Finger steht. Gelegentlich erhebt sich die Frage, ob diese Fehlstellung nicht artefiziell bei der Röntgenaufnahme vorgetäuscht werden kann. Dazu ist anzumerken, dass bei den meisten Menschen eine physiologische Beugung im Endgelenk nur bei gleichzeitiger Beugung im Mittelgelenk möglich ist. Eine isolierte Beugestellung des Endglieds ohne gleichzeitige Beugung des Mittelglieds ist demnach zunächst als pathologisch zu bewerten.

a

b

c

Abb. 2.96 a – c Kirner-Anomalie des Kleinfingers bei einem 11-jährigen Mädchen.

Abb. 2.97 Akromegalie (Ankerform der Endphalanx s. auch Abb. 2.86).

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2 Arm

Vorsicht ist geboten, wenn sich gleichzeitig im proximalen Interphalangealgelenk eine Überstreckstellung findet: Die dadurch bewirkte Verlängerung der Strecksehne macht eine isolierte Beugung im distalen Interphalangealgelenk möglich (Abb. 2.99 c), ähnlich wie bei der Schwanenhalsdeformität. Eine solche Überstreckung im proximalen Interphalangealgelenk ist allerdings auch bei gesunden Menschen nicht ganz ungewöhnlich. Bei Hyperextensions- und Hyperflexionstraumen werden auch Epiphysenlösungen beobachtet.

a

b

Abb. 2.98 a, b Frakturen? a Vorgetäuschte Fraktur vom Nagelkranz durch Verschmutzung unter dem Fingernagel mit Mach-Phänomen. b Echte Ausrissfraktur aus dem Processus unguicularis, sehr diskreter Befund.

a

b

c Abb. 2.99 a – c Intraartikuläre Basisfraktur, typischer und vorgetäuschter Strecksehenausriss: a Komplette intraartikuläre Basisfraktur einer Endphalanx. b Typischer Strecksehnenausriss mit leichter Beugestellung im distalen Interphalangealgelenk.

c Vorgetäuschter Strecksehnenriss mit Abwinkelung des Endglieds im distalen Interphalangealgelenk. Man erkennt aber unschwer, dass im proximalen Interphalangealgelenk eine Überstreckung vorliegt, wodurch sich die Strecksehne relativ verlängert und eine Beugung im distalen Interphalangealgelenk möglich wird (sog. Schwanenhalsdeformität). Diese Überstreckbarkeit im proximalen Interphalangealgelenk scheint normvariant zu sein, denn auch in diesem Fall war die Probandin – eine MRTA unserer Klinik – sonst völlig gesund.

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Handskelett

Nekrose?

Tabelle 2.9 Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen an den Endphalangen, des Weiteren Nagelkranzhypoplasie oder -erosionen und mögliche assoziierte Syndrome (nach Poznanski)

Im Wachstum

Kleine, breite Phalangen

Auf die möglichen Folgen von Erfrierungen oder der Kashin-Beck-Erkrankung mit Epiphysenfugenschädigungen im Wachstumsalter und konsekutiver Verkürzung sowie Verformung der Endphalangen wurde bereits auf S. 55 hingewiesen. Eine isolierte „weiße“ Epiphyse, evtl. in Kombination mit einer Fragmentation, weist in der Regel auf eine Osteonekrose jedweder Ursache hin. In fraglichen Fällen ist mithilfe der Skelettszintigraphie sehr leicht der Nachweis eines pathologischen Befunds zu erbringen, denn eine pathologische „weiße“ Epiphyse geht im Skelettszintigramm in der Regel mit einer umschriebenen erhöhten Aktivitätsanreicherung einher.

Begrenzt auf Phalangen Hände und Füße primär Bilginturan-Brachydaktylie betroffen Begleitende Syndrome Akrodysostose asphyxierende thorakale Dysplasie Bilginturan cheirolumbale Dysostose kleidokraniale Dysplasie Coffin-Lowry 1) diastrophische Dysplasie DOOR (deafness onychodystrophy osteodystrophy retardation) Fetal Warfarin Hall Keutel Larsen Liebenberg metaphysäre Chondrodysplasie (Jansen) Pseudodermoperiostose Pseudoachondroplasie Pseudo- und Pseudopseudohypoparathyreoidismus Rubinow Kopfhautdefekte Sensenbrenner Erworben Erfrierung Trauma

Im Erwachsenenalter Der Processus unguicularis stellt mit den umgebenden Weichteilen eine Akre dar. Perfusionsstörungen jedweder Ursache (sowohl Hyper- als auch Hypoperfusion) können nicht nur an den Weichteilen, d. h. an den Fingerkuppen, sondern auch an den darunter gelegenen peripheren Endphalanxabschnitten, also am Processus unguicularis, Veränderungen auslösen. Bei diesen Veränderungen handelt es sich meistens um Osteolysen mit mehr oder weniger ausgeprägter Auflösung des Nagelkranzes. Dann spricht man von einer Akroosteolyse. Das vielfältige Ursachenspektrum von Akroosteolysen ist in Tab. 2.6 aufgelistet. Weitere Hinweise finden sich in Tab. 2.9. Klinisch gehen solche Akroosteolysen entweder mit dem Bild des Trommelschlägelfingers einher oder mit einer Verdünnung des akralen Weichteilmantels. Der Trommelschlägelfinger ist Folge einer akralen aktiven oder passiven Hyperämie, in deren Gefolge es auch an den Nägeln zu einer uhrglasartigen Verformung kommt (Abb. 2.100 a). Ein typisches Krankheitsbild, das mit Trommelschlägelfingern einhergeht, ist die hypertrophische Osteoarthropathie (sowohl pulmonaler als auch intestinaler Typ, Abb. 2.40 a), des Weiteren findet man Trommelschlägelfinger bei der Pachydermoperiostose (Abb. 2.61), bei Angiodysplasien und bei zahlreichen SKIBO-DISEASES (Freyschmidt u. Freyschmidt 1996). Eine Verschmächtigung des Weichteilmantels um die Akren lässt sich metrisch am besten mit dem Yune-Weichteilindex erfassen (Abb. 2.101). Sie kommt überwiegend bei Kollagenosen (vor allem Sklerodermie und Sharp-Syndrom) vor, aber auch bei einigen angeborenen SKIBO-DISEASES, wie z. B. bei der mutilierenden palmoplantaren Keratodermie (Abb. 2.100) oder der Epidermolysis bullosa dystrophica mit Akroosteolysen (SKIBO-DISEASES, Freyschmidt u. Freyschmidt 1996). Die Akrooosteolysen beim Hyperparathyreoidismus sind klinisch asymptomatisch, entstehen sie doch ausschließlich durch fokale Demineralisation (bei erhaltener Matrix) und nicht durch Nekrose. Auf eine besondere Form einer Akroosteolyse mit zumeist sichtbaren schwersten trophischen Störungen an den Akren sei an dieser Stelle hingewiesen: Es sind die Violin- oder Gitarrenspielerfinger. Äußerlich sieht man an der entsprechend belasteten Hand eine arthrophische Fingerkuppe mit Ulzeration und Hyperkeratosen. Röntgeno-

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Dünne, schmale Phalangen Begrenzt auf Phalangen mit hypoplastischen Nägeln Hände und Füße primär Symphalangismus betroffen Begleitende Syndrome Akrozephalosyndaktylie (Carpenter) asphyxierende thorakale Dysplasie chondroektodermale Dysplasie Christian Coffin-Siris fetale Alkoholschädigung fetale Dilantinschädigung Fetal Warfarin Hunter-Fraser Marshall Mukolopidose II Osteodysplasie Pseudohyoparathyreoidismus Rüdiger Schinzel-Giedion Trisomie 9 p Trisomie 13 Trisomie 18 Zimmermann-Laband Erworben Erfrierung 1

Breite Nagelkränze

Fortsetzung Tabelle 2.9 

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2 Arm Tabelle 2.9

Fortsetzung

Nagelkranzerosionen oder -hypoplasie (s. auch Tab. 2.6) Begrenzt auf Phalangen Brachydaktylie B Hände und Füße Osteolyse (phalangeal) (Hajduprimär Cheney) betroffen Begleitende Syndrome

kranioektodermale Dysplasie Epidermolysis bullosa Lesch-Nyhan mandibuloakral mutilierende pulmoplantare Keratodermie Pachydermoperiostose Porphyrie Progerie Pseudoxanthoma elasticum Pyknodysostose Rothmund-Thomson Werner

Erworben

chemische Akroosteolyse Endangiitis obliterans Gicht Hyperparathyreoidismus juvenile hyaline Fibromatose Kollagenosen kongenitale Unempfindlichkeit gegen Schmerz Lepra, Sarkoidose neurotrophische Störungen (z. B. hypertrophische Osteoarthropathie) Psoriasis Radiatio Raynaud-Syndrom Verbrennungen, Erfrierungen

a

b Abb. 2.100 a, b Trommelschlägelfinger: a Klinisches Bild der Trommelschlägelfinger. Beachte die aufgetriebenen Endphalangen (wahrscheinlich durch Mukopolysaccharideinlagerungen) und die uhrglasartig verformten Nägel. b Dazugehöriges Röntgenbild, auf dem man unschwer die Dichteerhöhungen der Endphalangenweichteile sieht. Die Nagelkränze sind nur diskret arrodiert. Beachte die periostalen Knochenneubildungen an Radius und Ulna. Es handelt sich um eine angeborene mutilierende palmoplantare Keratodermie. Das dazugehörige Szintigramm ist in Abb. 2.40 c dargestellt. Bei derselben Patientin fanden sich ausgedehnte Akroosteolysen am Fußskelett.

Abb. 2.101

Messweise beim Yune-Weichteilindex.

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Handskelett logisch sind die Nagelkränze häufig vollständig resorbiert. Exzessive Veränderungen bei einem 18-jährigen, seit 8 Jahren engagierten Gitarrenspieler, werden von Destouet u. Murphy (1981) beschrieben. Sie fanden radiologisch transversale bandartige Osteolysen an der 2. – 5. Fingerphalanx. Die distalen Endgliedphalanxabschnitte waren dadurch „abgetrennt“. An Zeige- und Mittelfinger lagen die

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Osteolysezonen deutlich weiter proximal als am Ring- und Kleinfinger. Auf Klinik und spezielle Radiologie des gesamten Spektrums des Akroosteolysesyndroms wird hier nicht näher eingegangen. In den Abb. 2.40 a u. 2.61 sind einige Akroosteolysefälle dargestellt, des Weiteren in diesem Kapitel in den Abb. 2.102 – 2.104.

a

b Abb. 2.102 a, b

Sklerodermie mit Nagelkranzdefekten und Weichteilverkalkungen.

Abb. 2.103 Sklerodermie mit Osteoporose, Hautatrophie und leichter Fingerversteifung in Beugestellung.

Abb. 2.104 a – c Lepra. 

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2 Arm

Entzündung? Gelenke Normalerweise sind die Kanten der Grundphalangen glatt begrenzt. Defekte können durch Traumen, aber auch durch entzündliche Prozesse (dann als Erosion oder Usur bezeichnet) auftreten (S. 58, allgemeiner Teil). Generalisierte entzündliche Gelenkprozesse, wie z. B. die rheumatoide Arthritis, verursachen an den distalen Interphalangealgelenken zumeist nur in fortgeschrittenen Stadien Erosio-

nen, während diese Gelenke bei der Psoriasisarthritis bevorzugt befallen werden können, dann aber in der Regel in Kombination mit den sog. Protuberanzen (Abb. 2.105). Abzugrenzen davon sind proliferative Randanbauten im Sinne von Osteophyten bei der Polyarthrose (sog. Heberden-Arthrose). In extremen Fällen sind diese Proliferationen verbunden mit subchondralen Geröllzysten, die insbesondere bei der destruktiven (erosiven) Arthrose erhebliche Ausmaße annehmen können. In fortgeschrittenen Fällen einer destruktiven Arthrose stellen sich Ankylosierungen ein (Abb. 2.106). Eine gelenknahe Demineralisation, wie bei der rheumatoiden Arthritis, wird dabei vermisst.

b

a Abb. 2.105 a, b Typische Psoriasisarthritis. Beachte die Mischung aus Erosionen an den Gelenkrändern mit Proliferationen in Form von Protuberanzen und von spikulaartigen Hyper-

ostosen an den Nagelkränzen. Dieses Bild unterscheidet sich ganz eindeutig von der in Abb. 2.66 u. 2.106 dargestellten Polyarthrose.

Abb. 2.106 Destruktive Polyarthrose an den Interphalangealgelenken. Deutliche – ungewöhnliche – arthrotische Veränderungen auch an den Metakarpophalangealgelenken II beiderseits, weniger an den Metakarpophalangealgelenken III – V links. Ankylosiertes proximales Interphalangealgelenk V rechts.

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Handskelett

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Knochen Frühe entzündliche Knochenprozesse im Sinne eines Panaritium ossale können im Röntgenbild sehr diskret sein und mit einem nur umschriebenen Schwund des Nagelkranzes einhergehen. Allerdings haben diese Patienten zumeist eine erhebliche klinische Symptomatik mit Schmerzen und Schwellung des betroffenen Endglieds, sodass der „Betrachter“ bei der Suche nach solchen frühen Veränderungen (in der Abgrenzung gegenüber dem Normalen) sensibilisiert ist und den betreffenden Knochen auch mit der Lupe betrachten sollte (bei Aufnahmen in Mammographietechnik). Ein solch früher entzündlicher Gelenksprozess ist in Abb. 2.71 dargestellt. Bei dem Befund in Abb. 2.107 handelt es sich schon um einen fortgeschrittenen destruktiven Prozess. Eine feinere Osteolyse in Kombination mit einer Umgebungssklerose, die ja grundsätzlich suspekt auf einen entzündlichen Prozess ist, wird auch beim Osteoidosteom beobachtet, was allerdings an der Endphalanx ausgesprochen selten vorkommt.

Tumor? Wie an anderen Körperregionen drücken sich tumoröse und tumorähnliche Läsionen auch an den Endphalangen entweder in Form einer Osteolyse oder einer Osteosklerose oder in einer Kombination aus beidem aus. Da die Endphalangen sehr kleine Knochen sind, brechen Tumoren zumeist rasch aus ihnen aus, und es kommt früh zu einer radiologischen Symptomatik. Grenzbefunden vom Gesunden zum Pathologischen wird man daher kaum begegnen. Das Hauptkontingent maligner Knochentumoren an den

a

b

Abb. 2.107 a, b Panaritium ossale am Endglied.

Endphalangen wird von Karzinommetastasen gestellt, wobei in erster Linie das Bronchialkarzinom (pulmonaler Typ der Metastasierung) zu nennen ist. Alle anderen Tumorentitäten sind an den Endgliedern absolute Raritäten. Das gilt auch für den äußerst schmerzhaften Glomustumor, der aus dem subkutanen neuromyoarteriellen Plexus entsteht und zwischen Endphalanx und Nagel lokalisiert ist. Mit dieser Beschreibung ist auch schon die überwiegende radiologische Symptomatik charakterisiert: Es findet sich ein dorsaler Defekt unter der Nagelregion (Abb. 2.79). Sehr selten sind rein intraossäre Glomustumoren. Das subunguale Keratoakanthom kann, ähnlich wie der Glomustumor, eine Arrosion der Endphalanx von außen verursachen. Der radiologische Befund kann natürlich nur im Zusammenhang mit dem klinischen Aspekt des Keratoakanthoms sinnvoll gedeutet werden. Bei den tumorähnlichen Läsionen und Pseudotumoren dominiert die bereits im allgemeinen Teil erwähnte und beschriebene Epithelzyste (Abb. 2.78 u. 2.108).

Abb. 2.108 a, b Epithelzyste mit Zerstörung der Tuberositas unguicularis. Differentialdiagnose: Bronchialkarzinommetastase.

a

b

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2 Arm

Fingermittelglieder Normalbefund

Die Gefäßkanäle ziehen in den distalen Schaftabschnitten jeweils von der Außenkontur schräg in den distalen Markraum (Abb. 2.8). Die Gefäßkanäle treten jedoch genauso gut palmar- oder streckseitig in den Knochen und projizieren sich dann im Röntgenbild weiter in die Markraumregion hinein (Abb. 2.109 c).

Im Wachstum

Pathologischer Befund?

Die Diaphysen der mittleren Phalangen sind zum Zeitpunkt der Geburt beim normalen Kind verknöchert. Die proximal gelegenen Epiphysen werden später als bei den Endphalangen, nämlich erst im 2. und 3. Lebensjahr, radiologisch sichtbar und verschmelzen im 17. – 18. Lebensjahr. Die Epiphysen des 13- bis 15-Jährigen erscheinen breiter als die basalen Schaftpartien und sind in der Struktur dichter.

Im Erwachsenenalter Das distale Ende einer Mittelphalanx wird von einer Trochlea mit symmetrisch geformten Kondylen gebildet (Caput phalangis). Unmittelbar proximal davon liegt die schmalste Stelle des Schafts. Größe und Form der Mittelphalangen unterliegen konstitutionellen Schwankungen wie alle anderen Handknochen. Das bezieht sich auch auf mehr oder weniger ausgeprägte Wülste im Kapsel- und Bandansatzbereich (Abb. 2.109). Erwähnenswert ist noch ein flacher Knochenwulst, der palmarseitig in der Mitte der Diaphyse gelegen ist und nach proximal umgekehrt y-förmig auseinanderstrebt (Abb. 2.109 a). Diesen Wulst sieht man verständlicherweise nur im Seitbild. Die erwähnten Vorsprünge und Wülste dürfen nicht mit krankhaften Prozessen im fibroossären Übergangsbereich, insbesondere bei der Akromegalie oder mit pathologischen Periostprozessen und nicht mit Kallus verwechselt werden.

a

b

Abb. 2.109 a – d Anatomisches Präparat und Röntgenaufnahmen von Mittelphalangen. Beachte in Abb. a die vielen Wulstbildungen und Höckrigkeiten und die Gefäßkanäle. In

Variante oder Fehlbildung/Deformität? Zapfenepiphysen kommen typischerweise an den Mittelphalangen vor, insbesondere an der 2. und 5. (Abb. 2.18). Auf S. 25 wurde bereits hingewiesen, dass solche Zapfenepiphysen einer Normvariante entsprechen und nur selten mit klinischen Symptomen einhergehen. Die Brachymesophalangie stellt die häufigste vererbliche Anomalie an den Mittelphalangen dar. Solchen zu kurzen und gelegentlich auch verplumpten Mittelphalangen begegnet man als Normvariante (insbesondere am 5. Finger) in Europa bei etwa 0,6 – 1% der Bevölkerung, bei Japanern z. B. aber in etwa 20% der Fälle. Bei Trisomie 21 (Down-Syndrom) wird eine Brachymesophalangie in 62 – 67% der Fälle beobachtet. Die Klassifikation der Brachydaktylien findet sich in Tab. 2.10. Das gesamte Spektrum möglicher Syndromassoziationen ist in Tab. 2.9 wiedergegeben. Wenn die zu kurze Mittelphalanx keil- oder trapezförmig (queres Trapez) konfiguriert ist, resultiert zwangsläufig eine Klinodaktylie, d. h. eine Achsenabweichung des Endglieds (Abb. 2.110). Eine Aplasie der Mittelphalanx mit einer zu kurzen und hypoplastischen Endphalanx in Kombination mit einer extrem langen Grundphalanx (vielleicht als Kompensationsmechanismus) wird von Dubost u. Mitarb. (1960) beschrieben.

c

d

Abb. d kommen im Seitenbild palmarseitig die proximalen Wülste in der Summation zur Darstellung. An ihnen setzen die Sehnen des M. flexor digitorum profundus an.

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Handskelett Tabelle 2.10 a

Klassifikation der Brachydaktylien (nach Bell)

Tabelle 2.10 b

(Fortsetzung)

Typ

Beschreibung

An der Phalanx II

A1

Brachymesophalangie II – V und -basophalangie I evtl. Symphalangie von Mittel- und Endgliedern oder Aplasie der Mittelglieder Brachymesophalangie II Fehlen der Epiphysen Deltaphalanx mit Klinodaktylie nach radial Brachymesophalangie V Klinodaktylie nach radial Brachymesophalangie II – V gegabeltes Daumenendglied Dystelephalangie V (Kirner-Deformität) Brachymesophalangie und -telephalangie II – V (oder Fehlen der Endglieder) Brachymesophalangie II, III und V Hyperphalangie der Grundglieder II und III Brachytelephalangie I mit Verbreiterung Brachymetakarpie III – V

Begrenzt auf Mittelphalangen Auch andere Handpartien betroffen Begleitende chromosomale Syndrome Begleitende kraniofaziale Syndrome Andere begleitende Syndrome

A2

A3 A4

B C D E

Begrenzt auf Mittelphalangen Auch andere Handpartien betroffen

Begleitende chromosomale Syndrome

Begleitende kraniofaziale Syndrome

Andere begleitende Syndrome

Erworben

Brachydaktylie A 1

Pseudohypoparathyreoidismus Pseudopseudohypoparathyreoidismus Sklerosteose

Begrenzt auf Mittelphalangen Auch andere Handpartien betroffen

Brachydaktylie A 4

Begleitende kraniofaziale Syndrome

Akrozephalosyndaktylie (Apert) Akrozephalosyndaktylie (Carpenter) Aarskog Christian Frias Herrmann-Opitz Hollister-Hollister Hull Hunter-Frazer Kleeblattschädel Poland Saldino-Mainzer Symphalangismus – Brachydaktylie Trichorhinophalangeal Arthritis Infektion Neoplasma Sichelzellanämie Trauma

Brachydaktylie A 3 Brachydaktylie A 1 Kamptobrachydaktylie Symphalangismus Syndaktylie Typ 3 Trisomie 4 p Trisomie 9 p Trisomie 18 Trisomie 21 XXXXX XXXXY Ankyloglossia superior okulodentodigital orofaziodigital I und II otopalatodigital Aarskog Bloom Christian Coffin-Siris Fibrodysplasia ossificans progressiva Goltz Hand-Fuß-Genital-Syndrom Holt-Oram Laurence-Moon-Biedel Noonan Poland popliteales Pterygium Pseudothalidomide Seckel Shwachman Silver Thrombocytopenia – fehlender Radius Williams Arthritis Infektion Neoplasma Trauma

Brachydaktylie A 2

An anderen Mittelphalangen

Tabelle 2.10 b Spektrum von Ursachen und Syndromassoziationen bei Brachymesophalangie (nach Poznanski) An der Mittelphalanx V

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Andere begleitende Syndrome

Erworben

Brachydaktylie A 1 Brachydaktylie B Brachydaktylie C Symphalangismus

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2 Arm Abb. 2.110 Brachymesophalangie am Kleinfinger (A3). Durch die Trapezform des Mittelglieds findet sich das Endglied nach radial zu abgewinkelt (Klinodaktylie). Die Strukturauflockerung an der Radialseite der zu kurzen Mittelphalanx könnte man sich auch als Minimalvariante einer Deltaphalanx (S. 25) vorstellen.

Auf die Problematik der Deltaphalanx, die an den Mittelgliedern vorkommen kann, wurde bereits auf S. 25 eingegangen. Ungewöhnliche Formveränderungen, vor allem an den Mittelphalangen aber auch an den Endphalangen, wurden von dem Erstherausgeber dieses Buchs (A. Köhler) in einer Familie über 3 Generationen hin beobachtet. Wir finden für diese Formveränderungen (Abb. 2.111) keine mögliche Syndromassoziation, außerdem erwähnt Köhler, dass die beobachteten Familienmitglieder sonst gesund waren. Im 7. – 10. Lebensjahr begannen Verbreiterungen und Deformitäten der Mittelphalangen, zu denen dann Abrundungen und Abschrägungen der Trochleae, also der distalen Enden kamen, sodass die Endphalangen auf den Mittelphalangen schief saßen. Darüber hinaus waren die distalen Enden der Grundglieder auffallend eckig. Betroffen waren die Mutter, von ihren 8 Kindern 5 Jungen und Mädchen und auch 5 von 8 Enkeln.

Fraktur? Auf die Möglichkeit der Verwechslung von Gefäßkanälen mit Frakturen wurde bereits mehrfach, vor allem im Übersichtskapitel, hingewiesen. Die Gefäßkanäle treten besonders dann deutlich hervor, wenn die Kompakta sehr dicht ist. Auch auf Verwechslungen von physiologischen und interindividuellen Schwankungen ausgesetzten Knochenvorsprüngen und Wülsten mit Kallus wurde bereits hingewiesen. Glatt begrenzte Defekte von Gelenkkanten sind zumeist Folge von Kapsel-Band-Ausrissen. Dabei muss das Fragment später nicht unbedingt erkennbar sein, denn es kann spontan resorbiert werden.

Nekrose?

Abb. 2.111 Deformierungen der distalen Enden der Mittelphalangen und konsekutive Fehlstellungen der Endphalangen von einem Mitglied einer Familie, bei der diese nicht näher klassifizierbaren Veränderungen gehäuft und mit dominantem Erbgang auftraten (Beobachtungen von A. Köhler).

Auf sehr dichte Epiphysen („ivory epiphyses“, „weiße“ Epiphysen) wurde bereits auf S. 53 im allgemeinen Teil hingewiesen. Bei klinischer Symptomfreiheit entsprechen sie einer einfachen Variante und nicht einer Nekrose. Nur wenn sie mit klinischen Symptomen wie lokaler Schwellung und Schmerz einhergehen, haben sie Krankheitswert im Sinne einer Nekrose, allerdings mit sehr großem Erholungspotenzial. Bei der Thiemann-Erkankung treten die dichten und auch zerbröckelnden Epiphysen typischerweise an den Mittelphalangen auf (Abb. 2.53 u. 2.54). Eine einzige „weiße“ Epiphyse ist allerdings immer verdächtig auf eine Nekrose. Ob es sich bei dem als „phalangeales MikrogeodenSydnrom (des Kindesalters)“ von Maroteaux (1970) und Meller u. Mitarb. (1982) beschriebenen Krankheitsbild um einen passageren nekrotischen Prozess oder um eine echte Entzündung handelt, ist für uns nicht klärbar. Dabei kommt es zu einer plötzlichen Anschwellung mit Rötung, Schmerz und Erwärmung der Haut einiger Phalangen, insbesondere der Mittelphalangen, ein- oder beidseitig. Überwiegend wurde dieses Syndrom in Japan beobachtet (Meller u. Mitarb. 1982). Radiologisch sieht man kleinzystischwabige Spongiosa- und Kompaktaauflockerungen. Nach Angaben der Autoren ist das Krankheitsbild kälteabhängig und bildet sich spontan zurück.

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Handskelett

Entzündung, Tumor? Im allgemeinen Teil des Kapítels über die Hand wurde auf entzündliche, tumoröse und tumorähnliche Veränderungen am Handskelett eingegangen, insbesondere wenn sie Grenzbefunde vom Normalen zum Pathologischen darstellen. Da sie grundsätzlich an allen Handknochen der Vor- und Mittelhand vorkommen können, werden sie hier nicht gesondert besprochen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass proliferierende Prozesse der Phalangen, insbesondere die Unterform „floride reaktive Periostitis“, wahrscheinlich die Mittelphalangen bevorzugen (S. 68).

Sonstige Veränderungen? Resorptive Veränderungen sowohl an der periostalen wie endostalen Seite beim Hyperparathyreoidismus werden bevorzugt an den Mittelphalangen, und hier besonders radialseitig, beobachtet. Besonders initiale Befunde des Hyperparathyreoidismus stellen echte Übergänge vom noch Normalen zum Pathologischen dar.

89

kennbar. Typisch sind beim primären und sekundären Hyperparathyreoidismus Unschärfen und Aufrauungen der radialseitigen Kortikalis, insbesondere der 2. und 3. Mittelphalanx, zumeist assoziiert mit einer Auflockerung und Unschärfe der Spongiosa und einer Tunnelierung der Kompakta. In fortgeschrittenen Fällen verdünnt sich die Kompakta von außen her, und man sieht an ihrer Stelle spikulaartige Knochenreste an der Außenkontur. Die aufgelockerte Kompakta ist als solche manchmal gar nicht mehr zu identifizieren, denn auch von der Innenseite des Knochens her kommt es zu resorptiven Veränderungen. In Abb. 2.112 a u. b lassen sich die Vorgänge in umgekehrter Reihenfolge, d. h. vom ausgeprägten Befund zum Normalbefund nach Parathyreoidektomie, sehr eindrucksvoll demonstrieren. Zusätzlich sieht man Akroosteolysen in Abb. 2.112 a und den braunen Tumor im Metakarpalköpfchen III. Die schweren resorptiven Veränderungen bei renaler Osteopathie in Abb. 2.112 c sind bei unzureichender Aufnahmetechnik nicht darstellbar und damit nicht zu diagnostizieren. Der radiologischen Untersuchung des Handskeletts, vor allem bei renaler Osteopathie, kommt eine große Bedeutung zu, da klinisch-chemische Parameter in Abhängigkeit von Dialysedauer und zusätzlichen Schädigungen, wie Aluminiumintoxikation, Adynamic Bone Disease usw., nicht immer sehr zuverlässig sind (vor allem Parathormonspiegel, alkalische Phosphatase).

Sie sind zumeist nur auf Aufnahmen in Mammographietechnik mit anschließender Lupenbetrachtung oder auf primären Vergrößerungsaufnahmen mit Mikrofokus er-

a

c

b

Abb. 2.112 a – c Sekundärer Hyperparathyreoidismus bei renaler Osteopathie: a Florides Stadium mit deutlich abgebauter medialer Kortikalis der Mittelphalangen und irregulärer, aufgelockerter und unscharfer Spongiosa, Akroosteolysen. Brauner Tumor im Köpfchen von Os metacarpale III. Deutliche Veränderungen auch an den Grundphalangen. b Zustand nach Parathyreoidektomie mit nahezu kompletter

Normalisierung, bis auf die Reste des braunen Tumors im Köpfchen von Os metacarpale III und die etwas dichten und auch leicht nach ulnar zu abgewinkelten reossifizierten Nagelkränze in Os metacarpale II und III. c Floride Form der renalen Osteopathie bei einem 4-jährigen Kind mit abgebauter Kortikalis der Mittelphalangen und wollartiger spikulierter Außenkontur, insbesondere am Mittelfinger.

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2 Arm

Fingergrundglieder Normalbefund Im Wachstum Die Diaphyse der Grundphalangen des Handskeletts ist wie bei den End- und Mittelphalangen zum Zeitpunkt der Geburt ossifiziert. Sie verknöchert schon in der 11. Fetalwoche. Die Epiphysen werden etwa zum gleichen Zeitpunkt wie bei den Mittelgliedern mit 21/4 – 21/2 Jahren radiologisch sichtbar. Die Verschmelzung der Epiphysen mit dem Schaft erfolgt wie die der End- und Mittelphalangen im 17. – 18. Lebensjahr. Die palmarseitigen Partien der Grundphalanxepiphysen sind etwas dicker als die streckseitigen, und sie überragen geringfügig eine gedachte Konturverlängerung der angrenzenden Diametaphyse (Abb. 2.113).

Abb. 2.113

Abb. 2.114 Abb. 2.113

Abb. 2.114 Vergrößerungsaufnahme einer Grundphalanx mit Darstellung der physiologischen Knochenwülste in den distalen seitlichen Partien. Diese Wülste sollten nicht mit pathologischen periostalen Knochenneubildungen verwechselt werden, wie sie z. B. in Abb. 2.40 b – dort allerdings in extremer Ausprägung – dargestellt sind.

Tabelle 2.11 Zu kurze Grundphalangen und mögliche Syndromassoziationen (nach Poznanski) Daumen allein

Andere oder alle Finger

Andere Handpartien betroffen

Brachydaktylie A 1

Brachydaktylie C1) Brachydaktylie A 1 (manchmal) Brachydaktylie A 2 (manchmal)

Begleitende Syndrome

Akrozephalopolysyn- diastrophischer daktylie (Carpenter) Zwergwuchs Akrozephalosyndaktylie (Apert) Akrozephalosyndaktylie (Pfeiffer) diastrophischer Zwergwuchs Myositis ossificans progressiva nävoides Basalzellkarzinom Rubinstein-Taybi (gelegentlich) Trisomie 18

Erworben

1)

Im Erwachsenenalter

Form der basalen Epiphyse an der Grundphalanx.

Hyperphalangie der Grundglieder II und III

Arthritis Infektion Neoplasma Sichelzellanämie Trauma

Am distalen Schaft der Grundphalangen finden sich physiologische Knochenwülste im Bereich der Sehnenansätze, die je nach mechanischer Belastung der Hand unterschiedlich ausgeprägt sein können (Abb. 2.3 a u. b u. 2.114). Die rinnenförmigen Übergänge dieser Wülste zur angrenzenden Kompakta verursachen gelegentlich projektionsbedingte linienförmige Aufhellungen, die nicht mit Frakturen verwechselt werden sollten (Abb. 2.9 a – c). Die Gefäßkanäle (Nutritiakanäle) ziehen im Schaft der basalen Hälfte schräg nach proximal, in der distalen Hälfte schräg nach distal. Das proximale Drittel der Grundphalangen ist relativ voluminös und spongiosareich, deshalb sieht man in diesen Partien auch sehr früh krankhafte Veränderungen, die z. B. mit Spongiosararefizierungen oder Dichtezunahmen einhergehen (z. B. gelenknahe Demineralisationen bei Metakarpophalangealgelenkentzündungen, Osteopenie, Osteomalazie bzw. Osteopetrose, Osteomyelosklerose). Wenn das Eintrittsloch der Gefäße in den Knochen orthograd getroffen wird, entstehen lochförmige Strukturaufhellungen. Physiologische Knochenwülste sollten nicht mit periostalen Knochenneubildungen verwechselt werden, die in der Regel in Schaftmitte sitzen und immer einen pathologischen Prozess darstellen (z. B. Abb. 2.40 b).

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Eine Verkürzung der Grundphalangen, also eine Brachyphalangie, kommt zumeist nur im Zusammenhang mit einer Verkürzung anderer Handknochen vor. In Tab. 2.11 sind die Syndrome aufgelistet, die mit einer Brachyphalangie der Grundglieder des Daumens, anderer oder aller Finger assoziiert sein können.

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Handskelett

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Fraktur? Auf die Möglichkeit der Verwechslung einer röntgenanatomisch vorgegebenen linienförmigen Aufhellung auf Schrägbildern mit Frakturen oder der dazugehörigen Wülste mit Kallusbildungen wurde bereits hingewiesen. Echte Frakturen im Sinne von knöchernen KapselBand-Ausrissen kommen überwiegend in den proximalen Abschnitten der Grundphalangen vor (Abb. 2.115). Diese kleinen Ausrisse sind radiologisch sicher zu diagnostizieren, denn wenn man sie gedanklich an den benachbarten Knochen heranschiebt, passen sie zumeist in einen dort erkennbaren Defekt. Dadurch ist auch eine Unterscheidung von einem zusätzlichen Sesambein leicht möglich. Gelegentlich können solche Ausrisse auch spontan resorbiert werden. Viele dieser Ausrisse heilen nie an und bleiben isoliert für den Rest des Lebens liegen. Dann deckeln sich auch ihre Konturen ab (Abb. 2.115 b).

b

a Abb. 2.115 a, b

Kleine Ausrisse.

Entzündung? Der proximale Gelenkanteil der Grundphalangen, insbesondere II – V, bildet den distalen Gelenkpartner der Metakarpophalangealgelenke. Diese wiederum sind insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis und bei der echten Chondrokalzinose überhäufig befallen, sie gelten als radiologische Testregion, wenn man auf Grund klinischer Symptome eine radiologische Bestätigung haben möchte. Im Wesentlichen sind es die Erosionen der Gelenkränder, die einen entzündlichen Prozess anzeigen. Bei der floriden rheumatoiden Arthritis sind diese Defekte zumeist assoziiert mit Erosionen an den Köpfchen der benachbarten Ossa metacarpalia (Abb. 2.63 u. 2.116) und mit einer gelenknahen Demineralisation und kleinen Signalzysten. In der Regel sind diese Veränderungen bilateral symmetrisch zu sehen und betreffen auf beiden Seiten mindestens 2 oder 3 Metakarpophalangealgelenke. Grundsätzlich stellt sich aber die Differentialdiagnose der Erosionen oder Gelenkranddefekte (Abb. 2.64 u. 2.117) zu folgenden Entitäten:

Abb. 2.116 Typische Lokalisationen von Erosionen bei rheumatoider Arthritis und multizentrischer Retikulohistiozytose. Von den Grundphalangen sind in der Regel beide Gelenkenden involviert.

 traumatische Ausrisse mit Resorption des knöchernen Ausrisses,  Residuen abgelaufener Traumatisierungen im Wachstumsalter (Abb. 2.51),  Resorptionen und/oder Einbrüche bei Hyperparathyreoidismus, dann zumeist mit gleichen Veränderungen an den gegenüberliegenden Köpfchen und strukturellen Veränderungen an den anderen Handknochen, insbesondere den Mittelphalangen, Abb. 2.117 a, b Arthritischer Defekt und Erosionen:  a Arthritischer Defekt am Gelenkrand (sog. Usur). Keine traumatische Absprengung. b Ältere und geglättete, d. h. reparierte Erosion an der Grundphalanx bei rheumatoider Arthritis (rechter Bildteil). Dass die akute Komponente nach Behandlung verschwunden ist, sieht man auch an der fehlenden gelenknahen Osteoporose. Noch nicht reparierte Erosionen am Metakarpuskopf (Pfeile). Besonders der Defekt an der radialseitigen Basis der Grundphalanx im rechten Bildteil kann an einen älteren knöchernen Ausriss erinnern. a

b

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2 Arm Abb. 2.118

Kolbendaumen.

Tumor? In den im Vergleich zu den anderen Fingerknochen relativ voluminösen Grundphalangen werden verhältnismäßig häufig tumoröse Veränderungen beobachtet, z. B. Enchondrome (Abb. 2.75 a), des Weiteren gelegentlich Riesenzelltumoren und mit einem Mehr an Knochen einhergehende Läsionen wie Enostome, Osteoidosteome (Abb. 2.83) und die dazu in Differentialdiagnose stehende floride reaktive Periostitis (Abb. 2.84).

Daumen Normalbefund Im Wachstum  abgeheilte Erosionen mit Abdeckelung der durch Entzündung freigegelegten Spongiosa durch einen reparativen „Deckel“ (Abb. 2.117). Erosionen an den proximalen gelenktragenden Abschnitten der Grundphalangen kommen nicht nur bei der rheumatoiden Arthritis, sondern auch bei der Chondrokalzinose und bei der multizentrischen Retikulohistiozytose vor. Während sich die Chondrokalzinose überwiegend an den Metakarpophalangealgelenken abspielt, involvieren die beiden anderen genannnten Entitäten auch die proximalen Interphalangealgelenke und verschiedene Gelenke am Karpus (Abb. 2.116). Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis verursacht die multizentrische Retikulohistiozytose keine auffallende gelenknahe Demineralisation (als Ausdruck einer trophischen Störung). Am Ende dieses kleinen Exkurses in die rheumatologische Gelenkdiagnostik noch folgende Anmerkungen zur Röntgenaufnahmetechnik, insbesondere bei differentialdiagnostischen Problemen:  Grundsätzlich sollten die Hände in Mammographietechnik geröntgt werden. Bei der Frage nach einem entzündlichen Prozess oder sich einer in dieser Richtung stellenden Differentialdiagnose sollten zusätzliche Schrägaufnahmen in Zitherspielerstellung angefertigt werden (45⬚-Halbsupination mit auf der Kassette aufliegenden Fingerspitzen im dorsopalmaren Strahlengang). Dann sieht man sehr gut dorsoulnar und radiopalmar gelegene Erosionen sowohl am Metakarpuskopf als an den gegenüberliegenden Gelenkpartnern der Grundphalangen.  Erosionen an der dorsoradialen Seite der Grundphalangen II – V (und des Gelenks zwischen Os pisiforme und triquetrum) sollen nach Nòrgaard durch eine zusätzliche Projektion beider Hände in 45⬚-Halbsupination mit stark gespreizten Fingern und palmodorsalem Strahlengang (sog. Ballfangstellung) dargestellt werden. Der Wert dieser zusätzlichen Projektionen wird aber von Stelling u. Mitarb. (1982) erheblich in Zweifel gezogen, da Konturdefekte und Unschärfen an den Lokalisationen der Nòrgaard-Erosionen schon physiologischerweise beobachtet werden können.

Anlage und Ossifikation der Dia- und Epiphysenkerne für die Daumenphalangen erfolgen in der gleichen Periode wie die entsprechenden Ossifikationsvorgänge an den Mittel- und Grundphalangen der Finger (s. dort).

Im Erwachsenenalter Im Erwachsenenalter befindet sich am Daumenendgelenk im Gegensatz zu den Interphalangealgelenken der Finger in der Regel (73%) ein Sesambein (Abb. 2.5 u. 2.6). Ein Daumengrundgelenk mit 2 normalen und 2 rudimentären Sesambeinen ist in Abb. 2.7 dargestellt. Die Form der beiden Daumenphalangen hängt – abgesehen von konstitutionellen Varianten – mindestens so stark von der manuellen Beanspruchung ab wie bei den anderen Fingerphalangen. Ein kurzer breiter Daumen kann durchaus noch zur Norm gezählt werden, er wird aber andererseits mit doppel-, aber auch einseitigem Auftreten familiär gehäuft beobachtet und gewinnt damit schon die Bedeutung einer Anomalie. Man spricht dann von einem Kolbendaumen (Murder's thumb, Abb. 2.118). Der Kolbendaumen stellt eine Sonderform der Brachytelephalangie dar, gelegentlich verbunden mit partieller Verdoppelung der Endphalanx.

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Die vielfältigen Möglichkeiten kongenitaler Anomalien des Daumens sind in den Tab. 2.12 – 2.14 klassifiziert. Diese Tabellen sollen lediglich eine grobe Orientierung liefern, werden aber nicht näher kommentiert. Eindeutig zu kurze Daumenendphalangen können Ausdruck komplexer Dysplasien sein (Tab. 2.14). Zu kurze Daumengrundphalangen und assoziierte Syndrome sind in Tab. 2.11 aufgelistet. Wenn das Daumengrundglied zu kurz ist, kommt es häufig zu einer Deviation des Endglieds (Pollex varus sive valgus). In solchen Fällen trägt die Grundphalanx häufig einen Deltaknochen (longitudinally bracketed diaphysis, Abb. 2.119).

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Handskelett Ähnliche Veränderungen finden sich dann auch an den Zehen (s. dort). In solchen Fällen gibt es Assoziationen mit dem Rubinstein-Taybi-Syndrom und der Akrozephalosyndaktylie. Die knöcherne Hypoplasie kann mit fehlender Thenarmuskulatur, Teilung des M. flexor pollicis longus inklusive nichtnormaler Insertionen und mit einer lateralen Subluxation der Daumengrundphalanx einhergehen (Miura 1981, Rayan 1984, Martinez 1985). Solche Anomalien können vererblich sein. Der M. flexor pollicis longus kann auch ganz fehlen (Miura 1977). Der Daumen kann 3-gliedrig sein. Dieser Befund wird bei etwa 1 : 25 000 der europäischen Bevölkerung beobachtet (Ferber 1953). Auch eine familiäre Häufung ist beschrieben worden. Des Weiteren gibt es Assoziationen mit einer Doppelung des Daumens, ebenso mit einer Doppelseitigkeit der Dreigliedrigkeit, wie auch eine Kombination mit Daumenaplasie der Gegenseite. Syndromassoziationen einer Triphalangie finden sich in Tab. 2.15. Eine radiale Polydaktylie (schlicht eine Verdoppelung des Daumens) findet sich in Abb. 2.120. Nach Buck-Gramcko (1989) dürfte es sich hierbei um einen MP-I-Typ handeln. Weitere radiale Polydaktylien sind in Abb. 2.27 zu sehen. Für den Handchirurgen ist die genaue Zuordnung solcher Polydaktylien in Bezug auf chirurgische Korrekturen notwendig (S. 32 u. 33).

Tabelle 2.13 Klassifikation der Hypo-/Aplasie des Daumens (nach Blauth) Grad

Fehlbildung

I

geringe Hypoplasie des Daumens, dessen Glieder alle angelegt sind

II

reguläres Daumenskelett Adduktionskontraktur MP-I-Gelenk instabil hypoplastische Thenarmuskeln

III

IV

V

Tabelle 2.12 Swanson)

93

Klassifikation von Daumenanomalien (nach

Grad Fehlbildung I

Fehlentwicklungen (Hemmungsfehlbildungen)

A

transversale Hemmung

B

longitudinale Hemmung: 1. radialer Strahldefekt: Daumenhypoplasie 2. fehlende Muskulatur: a extrinsisch b intrinsisch

II

Fehlentwicklung (Separation) von Daumenanteilen

A

Weichgewebsbeteiligung: 1. Syndaktylie 2. kongenitale Flexionskontraktur 3. kongenitaler „Trigger“-Finger (schnappender Daumen oder fixierte Beugeposition im Interphalangealgelenk)

B

Skelettbeteiligung: 1. Achsenabweichung – Deltaphalanx (Abb. 2.119) 2. Symphalangie

III

Duplikation: radiale Polydaktylie (Abb. 2.27 i u. j)

IV

zu großer Daumen: Makrodaktylie

V

zu kleiner Daumen: Brachydaktylie

VI

Schnürfurchensyndrom

VII

generalisierte Anomalien und Syndrome

Tabelle 2.14 Entwicklungsstörungen mit kurzen distalen Phalangen, die primär den Daumen betreffen (nach Poznanski)

deutliche Hypoplasie des Daumenskeletts Unterscheidung zwischen:  CMC-Gelenk I vorhanden  proximaler Abschnitt des Os metacarpale I fehlend intrinsische Sehnen aplastisch extrinsische Sehnen hypoplastisch

Kurz und breit

Dünn und schmal

Akrozephalosyndaktylie (Carpenter)

Cornelia-de-LangeSyndrom

Akrozephalosyndaktylie (Apert)

kryptogenetische Brachymetakarpie

Akrozephalosyndaktylie (Pfeifer)

Fanconi-Syndrom

Brachydaktylie D1)

Fibrodysplasia (myositis) ossificans congenita

Brachydaktylie A 41)

Holt-Oram-Syndrom

Cheirolumbale Dysostose

radiale Hypoplasie

Christian-Brachydaktylie

Trisomie 18

„flottierender“ Daumen, der als rudimentäre Phalanx bewegungskontrolliert am MP-IIGelenk fixiert ist

Kryptodontische Metakarpalia

Aplasie des Daumens

Fibrodysplasia (myositis) ossificans congenita

Diastrophische Dysplasie

CMC-Gelenk Karpometakarpalgelenk MP-Gelenk Metakarpophalangealgelenk

Hand-Fuß-Genital-Syndrom Osteodysplastie Otopalatodigitales Syndrom Pseudohypoparathyreoidismus Pseudopseudohypoparathyreoidismus Robinow-Syndrom Rubinstein-Taybi-Syndrom Tabatznik-Syndrom 1)

Mögliche longitudinale Aufsplitterung

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2 Arm Tabelle 2.15 Syndrome und andere Begleiterkrankungen bei 3-gliedrigem Daumen (nach Poznanski) Syndrome:  Blackfan-Diamond-Anämie  Kardiomelie (Holt-Oram)  Duane  Juberg-Hayward  LADD (lacrima-auriculo-dento-digital syndrome)  Thalidomie  Goodman  Trisomie 13 – 15 (gelegentlich)  IVIC-Syndrom  Aase-Syndrom (konnatal insuffiziente Erythropoese)  Nager’s Dysostosis Acrofacialis  Townes

Andere begleitende Anomalien:  fehlender M. pectoralis  fehlende Tibia  Duplikationen der Großzehe  Anusobliteration und Taubheit

Abb. 2.119 Nach radial zu abgewinkeltes Daumenendglied bei Deltakonfiguration der Grundphalanx. Bilateral symmetrischer Befund. Deltaphalanx auch an den Grundphalangen der Großzehen beidseits. 3-jähriges Mädchen. Beachte die Spaltbildung im Daumenendglied, wahrscheinlich einer Minimalform einer Polydaktylie entsprechend (sog. distaler Phalanxtyp nach Buck-Gramcko, S. 32).

 kongenitaler Spaltfuß (lobster claw)  präaxiale Polydaktylie  Polydaktylie der Kleinzehe  Spalthand IVIC

Instituto Venezolano de Investigaciones Cientificas

Fraktur?

Abb. 2.120 Komplette Doppelanlage des Daumens (MP-ITyp nach Buck-Gramcko). Zu der rudimentären Polydaktylie s. auch Abb. 2.27.

Bei der Diagnose „Subluxation“ des Daumens im Metakarpophalangealgelenk (sog. Grundgelenk) ist Vorsicht geboten, da vor allem bei Schrägprojektionen sich die Gelenkkonturen nicht immer decken (s. auch S. 135). Grundsätzlich ist im Zweifelsfall eine Aufnahme von der Gegenseite empfehlenswert. Beim Game Keeper's Thumb reißt das Lig. ulnare im Metakarpophalangealgelenk, evtl. unter begleitendem Ausriss eines Knochenelements seines Ansatzes (Abb. 2.122 b). Ähnliche Verletzungen kommen beim Reiten auf dem „mechanical bull“ (Ginthner u. Schabel 1981) und auch beim Skilaufen vor, wenn sich der Daumen in der Schlaufe des Übungsgeräts bzw. des Skistocks verfängt. Solche Verletzungen sind auch beim schlaufenlosen Skistock beobachtet worden (Primiano 1985). Wilhelm u. Mitarb. (1982) beschreiben unter dem Titel „Der kindliche Skidaumen“ entsprechende Verletzungen. Das Ausmaß der Bandschädigung ist nur durch gehaltene Aufnahmen genauer zu erfassen. Sesambeinbrüche sind insgesamt selten und wurden schon im allgemeinen Teil besprochen und bildlich in Abb. 2.49 u. 2.50 dargestellt. In Abb. 2.121 u. Abb. 2.122 a sind weitere Fälle abgebildet.

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Nekrose? Auf Nekrosen des Sesambeins wurde schon im allgemeinen Teil eingegangen (Abb. 2.60). Akroosteolysen können den Daumen genauso erfassen wie die übrigen Finger und sind ebenfalls im allgemeinen Teil ausführlich besprochen (Tab. 2.6).

Entzündung? Das Metakarpophalangealgelenk des Daumens hat eine gewisse Prädisposition für eine Gichtarthritis. Isolierte entzündliche Veränderungen im Metakarpophalangealgelenk des Daumens mit Zeichen der Destruktion, größeren Marktophi und vor allem paraossären feinen Verkalkungen sind also grundsätzlich suspekt auf eine Gichtarthritis.

a

b

Abb. 2.121 a, b Trümmerbruch des Sesambeins nach direkter Skistockverletzung. 14-jähriges Mädchen.

Sonstige Veränderungen? Extreme Überlastungen im Daumeninterphalangealgelenk können zu einer sonst dort eher ungewöhnlichen Arthrose führen. In der Literatur wurde eine solche berufsbedingte Arthrose bei Laborassistenten beschrieben, die durch dauerndes Strecken und Beugen im Interphalangealgelenk beim Pipettieren eine Arthrose mit Gelenkspaltverschmälerung, Verdichtung der subchondralen Grenzlamelle, subchondralen Strukturaufhellungen usw. bekamen (pipetter's thumb, Minuk u. Mitarb. 1982). Durch die Automatisierung der Laborbetriebe dürften solche Arthrosen heute kaum noch entstehen.

Mittelhand Normalbefund Im Wachstum Das Auftreten von Ossifikationskernen in den Metakarpalknochen fällt in den 2. – 4. Fetalmonat. Im Alter von 10 Monaten bis 2 Jahren werden die Epiphysenkerne der Metakarpalia radiologisch sichtbar. Am 2. – 5. Strahl liegen sie distal, der Kern des 1. Strahls befindet sich proximal.

a

b

Abb. 2.122 a, b Fragmentbruch des Sesambeins und knöcherner Ausriss des Lig. ulnare: a Dreifragmentbruch des Sesambeins bei einer 54-jährigen Frau. b Knöcherner Ausriss des Lig. ulnare (Stern). Wenn man das distal-ulnarseitig vom ulnaren Sesambein gelegene Fragment um 90⬚ im Uhrzeigersinn dreht, dann passt es exakt in den gegenüberliegenden Kantendefekt.

Im Erwachsenenalter Der erste Mittelhandknochen ist der kürzeste und dickste. Das Os metacarpale II ist am längsten, das Os metacarpale IV am schmalsten. Eine Tangente an der Radialseite von Os metacarpale I ist gegenüber einer Tangente am Os trapezium etwas nach radial versetzt, was leicht zur Annahme einer Subluxation führen kann. Die Versetzung wird auch als Step Sign bezeichnet (Abb. 2.123). Die relativ breite und gabelförmig gestaltete Basis des Os metacarpale II umschließt den First des Os trapezoideum.

Die Kompakta der Ossa metacarpalia unterliegt hinsichtlich ihrer Dicke Schwankungen. Bei jüngeren völlig gesunden Menschen kann sie im mittleren Schaftbereich so dick sein, dass der Markraum nur noch einen schmalen Spalt darstellt (Abb. 2.3 c u. d). Zum Alter hin nimmt die Dicke der Metakarpalkompakta ab. Diese physiologische, aber auch jede pathologische Dickenreduktion der Metakarpalkompakta kann mit dem Barnett-Nordin-Index erfasst werden (S. 20). Normalerweise ist die Kompakta der Metakarpalia in sich sehr solide, jede streifenförmige Transformation weist auf stärkere resorptive Vorgänge hin,

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2 Arm insbesondere beim Hyperparathyreoidismus, aber auch bei der Osteomalazie (Abb. 2.43, 2.44 u. 2.132). An den Kapsel- und Sehnenansätzen können – je nach mechanischer Beanspruchung – proliferative Veränderungen auftreten. Exostosenartig anmutende Vorsprünge an den Übergängen der Metakarpalköpfchen zu den Metaphysen entsprechen einem Normalbefund (Abb. 2.125). Nur in Verbindung mit einer Verschmälerung der Gelenkspalten, insbesondere an Os metacarpale II und III können stärkere Prominenzen als pathologische Osteophyten (dropping osteophytes) bei Chondrokalzinose bewertet werden. Dann sieht man aber zumeist auch kleinere subchondrale zystenähnliche Aufhellungen (S. 60, Abb. 2.70). Kleine lochförmige Defekte an der Basis von Os metacarpale II aber auch an den anderen Metakarpalknochen entsprechen orthograd getroffenen Gefäßkanälen (Abb. 2.124). Die Gefäßkanäle der Schäfte der Metakarpalia verlaufen schräg von der Kortikalis nach proximal in den Markraum hinein (Abb. 2.8 b). An der ulnarseitigen Basis des 5. Mittelhandknochens sind die Knochenstrukturen häufig aufgelockert, d. h. man sieht hier eine strukturarme Zone, ohne dass dies einem pathologischen Befund zugeordnet werden darf (Abb. 2.10).

Abb. 2.123 Schalenförmige Fissur an der Basis von Os metacarpale III (Pfeil), Sesambein (Doppelpfeil) am Köpfchen von Os metacarpale II. Vorgetäuschte Verschiebung der benachbarten „Ecken“ vom Os metacarpale I und Os trapezium (Doppelpfeil), das sog. „step sign“.

a

b

Abb. 2.124 Lochförmiger Defekt (Nutritiakanal) an der Basis des Os metacarpale II.

Abb. 2.125 a, b Exostosenförmige Vorsprünge an den Metakarpalköpfchen: a Typischer exostosenförmiger Vorsprung am Os metacarpale I. b Formvarianten exostosenähnlicher Prominenzen an den übrigen Metakarpalköpfchen.

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Zusätzliche Epiphysen, auch als Pseudoepiphysen bezeichnet (S. 22 ff), insbesondere am Os metacarpale I distal und am Os metacarpale II proximal, kommen physiologischerweise vor, sind also als Varianten zu bewerten und nicht als Fehlbildung (Abb. 2.15 – 2.17 u. 2.126). Gehäuft sollen sie aber – wie schon im allgemeinen Teil ausgeführt – z. B. bei Athyreose oder beim Down-Syndrom vorkommen. Diese zusätzlichen Epiphysen sieht man am häufigsten im Alter von 5 – 10 Jahren, sie schließen sich Jahre früher als die normale Epiphysenfuge am selben Knochen. Sie tragen nicht zum Längenwachstum des Knochens bei, woraus sich auch die Bezeichnung „Pseudoepiphyse“ ableitet. Auf die Entwicklung und Reifung von Pseudoepiphysen wurde bereits auf S. 23 ausführlich eingegangen. Verkürzungen einzelner oder mehrerer Metakarpalia haben meistens einen pathologische Wert. In der Tab. 2.16 sind mögliche assoziierte Syndrome bei zu kurzem Os metacarpale I (Tab. 2.16 a) und bei den anderen Metakarpalia (Tab. 2.16 b) aufgelistet. Auf die Definition der normalen Metakarpallänge mit der Methode von Kosowicz wurde bereits eingegangen (Abb. 2.4). Im Erwachsenenalter hat die Verkürzung des Os metacarpale IV eine Bedeutung bei der Diagnostik des Pseudohypoparathyreoidismus. In diesen Fällen schneidet die Tangente über den Köpfchen von Os metacarpale IV und V das Köpfchen von Os metacarpale III. Eine Brachymetakarpie III mit kompensatorischer Verlängerung der Grundphalanx als eindeutige Fehlbildung ist in Abb. 2.127 dargestellt. Plumpe kurze und proximal zugespitzte Metakarpalia kommen typischerweise bei den verschiedenen Formen der Mukopolysaccharidosen und -lipidosen vor (Abb. 2.128).

Abb. 2.128 ridose.

Abb. 2.126 Große zusätzliche Epiphyse („Pseudoepiphyse“) im Os metacarpale II.

Deformierte Metakarpalia bei Mukopolysaccha-

Abb. 2.127 Brachymetakarpie III mit kompensatorischer Ver-  längerung der Grundphalanx.

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2 Arm

Tabelle 2.16 a, b

Mit kurzen Metakarpalia (Brachymetakarpie) einhergehende Erkrankungen und Syndrome (nach Poznanski)

a Bei kurzem Os metacarpale I Dünn Auf Ossa metacarpalia begrenzt

Normale Weite

isoliert

Auch andere Handpartien betroffen

radiale Hypoplasiesyndrome

Brachydaktylie C

Begleitende Syndrome

Fanconi (panzytopenische Dysmelie) Newberg-Hayward radiale Hypoplasie Taybi-Lindner Trisomie 18q

André Christian-Brachydaktylie Belange diastrophische Dysplasie Dyggve-Melchior-Clausen dyssegmentaler Zwergwuchs Fibrodysplasia ossificans progressiva Hand-Fuß-Genital-Syndrom Schinzel-Giedion Trisomie 9 p Symphalangismus – Brachydaktylie

Erworben

Arthritis Infektion Neoplasma Sichelzellanämie Trauma

b Bei anderen Ossa metacarpalia Ossa metacarpalia III, IV und V Auf Ossa metacarpalia begrenzt

Brachydaktylie E

Auch andere Handpartien betroffen

Brachydaktylie A 1 (manchmal) Brachydaktylie C

Begleitende Symptome

Beckwith-Wiedemann Biemond I Kamptobrachydaktylie cheirolumbal kryptodontische Ossa metacarpalia Mseleni-Gelenkerkrankung multipe epiphyseale Dysplasie multiple Exostosen nävoides Basalzellkarzinom Pseudo- und Pseudopseudohypoparathyreoidismus Ruvalcaba Tabatznik Turner (XO) 5p (crie du chat)

Fraktur? Die Frakturen der Ossa metacarpalia lassen sich folgendermaßen klassifizieren:  basisnahe Frakturen des Os metacarpale I: – Bennett-Fraktur (Abb. 2.129 a – c), – Rolando-Fraktur, – Winterstein-Fraktur,  basisnahe Frakturen der Ossa metacarpalia II – V (Abb. 2.130),  Schaftfrakturen,  subkapitale Frakturen,  Köpfchenfrakturen. Frakturen der Metakarpalköpfchen selbst sind zumeist Folge einer direkten Gewalteinwirkung auf die ausgestreckte Hand, während subkapitale Frakturen zumeist

Alle oder einige Ossa metacarpalia

Akrodysostose Bilginturan-Brachydaktylie Kamptobrachydaktylie Chondrodysplasia punctata Larsen Manzke (Os metacarpale II) megaepiphysealer Zwergwuchs Pseudo- und Pseudopseudohypoparathyreoidismus Taybi-Lindner Trichorhinophalangeal I und II

durch einen Sturz auf die geschlossene Faust entstehen. Während dislozierte Frakturen im Allgemeinen keine differentialdiagnostischen Schwierigkeiten bieten, können nichtdislozierte Schaftfrakturen gelegentlich mit Gefäßkanälen verwechselt werden. Bei den Frakturen der Basis des Os metacarpale I gibt es differentialdiagnostisch kaum Probleme, höchstens alte pseudarthrotische Fragmente bei Bennett-Frakturen könnten mit einem akzessorischen Knochenelement verwechselt werden, wenn die luxatorische Komponente dieses Frakturtyps nicht mehr anzutreffen ist. Eine wesentliche Differentialdiagnose zwischen Fraktur und Normvariante stellt das auf S. 140 näher besprochene Carpal Bossing, also der sog. dorsale Handwurzelhöcker, dar (Abb. 2.198). Auch andere zusätzliche Knochenelemente können Fragmente vortäuschen.

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Handskelett

b

a

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c

Abb. 2.129 a – d Traumatische Veränderungen am Daumen: a – c Bennett-Frakturen mit unterschiedlich großen Fragmenten. Beachte vor allem in Abb. b die Dislokation von Os metacarpale I nach radial zu (s. auch Text). d Alte abgedeckelte Abrissfraktur von der radialen Kante des Köpfchens von Os metacarpale I. Kein akzessorisches Knochenelement, denn das Fragment passt sehr gut in die gegenüberliegende Mulde.

d

Zum Abschluss dieses Kapitels sei noch darauf hingewiesen, dass komplexe Verletzungen im Karpometakarpalbereich mit Luxationen und zusätzlichen Frakturen im konventionellen Röntgenbild außerordentlich schwierig zu beurteilen sind und deshalb in der Regel einer CT-Abklärung bedürfen, um aus den damit zusätzlich gewonnenen Informationen eine vernünftige Therapieplanung gestalten zu können.

Nekrose? Aspetische Nekrosen der Metakarpalköpfchen kommen vor, sind aber im Vergleich zu den Metatarsalköpfchen als Raritäten aufzufassen. Am bekanntesten ist die DieterichErkrankung, die eine Epiphysennekrose an den Metakarpalia darstellt (S. 54, Abb. 2.131 a). Im Wachstumsalter sind atypisch angelegte Epiphysen (zu kleine oder zu große Epiphysen, „zerbröckelte“ Epiphysen) von nekrotischen Veränderungen abzugrenzen. Dies geschieht dadurch, dass bei systemischen epiphysären Wachstumsstörungen (z. B. Conradi-Hünermann-Erkrankung) in der Regel alle Epiphysen betroffen sind. Der Befall nur einer einzelnen Epiphyse mit Dichtezunahme, Fragmentation usw. spricht hingegen immer für eine aseptische Nekrose. Auf die Möglichkeit multipler epiphysärer nekrotischer Veränderungen im Rahmen der Kashin-Beck-Erkrankung wurde bereits auf S. 55 hingewiesen. Aus Gründen der nosologischen Systematik wird an dieser Stelle ein ungewöhnlicher Fall präsentiert, bei dem es im Gefolge einer chronischen rezidivierenden Pankreatitis zu ausgedehnten Infarzierungen nicht nur im Bereich der großen Röhrenknochen, sondern auch im Bereich der Hände und Füße kam (Abb. 2.131 b – d). Die Nekrosen in den Ossa metacarpalia III und IV links haben dort zu ausgedehnten Form- und Strukturveränderungen geführt, die durchaus das Bild einer fibrösen Dysplasie vortäuschen können.

Abb. 2.130 Traumatische Fissur an der radialen Basis von Os metacarpale III (typische Verletzungsregion).

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2 Arm

a

b

d

c Abb. 2.131 a – d Nekrotische Veränderungen an den Mittelhandknochen: a Spätzustand nach aseptischer Nekrose des Metakarpalköpfchens im Sinne einer Dieterich-Epiphysennekrose. Beachte die starke Deformierung des Köpfchens und Zeichen einer Sekundärarthrose. b – d Ungewöhnliche Formveränderungen an den Ossa metacarpalia III und IV links mit Volumenzunahme. In den veränderten Bereichen deutliche strukturelle Veränderungen. Hinter diesen Veränderungen stecken ausgedehnte Knochenmarkund wahrscheinlich auch Kortikalisinfarzierungen und Nekrosen mit frühen Reparationen als Folge von rezidivierenden

Pankreatitiden. Die MRT-Bilder in den Abb. c u. d zeigen sehr eindrucksvoll die noch floriden Weichgewebsveränderungen innerhalb des 3. Metakarpalknochens. Sie sind im T2-gewichteten Bild signalintensiv, also protonenreich. Die schlierigen Signalintensitätsanhebungen im T1-gewichteten Bild dürften Folge von Einblutungen sein. Zusätzliche Veränderungen – die man allerdings auch konventionell-radiographisch sehen kann – bestehen im Os capitatum und im Os scaphoideum. Vor allem im Os capitatum noch deutliches Ödem. Konventionell-radiographisch waren initiale Veränderungen auch an der Gegenseite zu sehen und an zahlreichen großen Röhrenknochen einschließlich der Meta- und Epiphysen.

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Entzündung? Wie bereits im Kapitel über die Fingergrundglieder ausgeführt, sind die Metakarpophalangealgelenke Prädilektionsort für systemische entzündliche Veränderungen, vor allem für die rheumatoide Arthritis (Abb. 2.132), aber auch für eher vom Knorpel ausgehende Veränderungen mit sekundärer Arthritis, wie die Chondrokalzinose (insbesondere Hämochromatose, Abb. 2.134). Für das floride Stadium der rheumatoiden Arthritis ist die begleitende gelenknahe Demineralisation in Kombination mit sog. Signalzysten symptomatisch. In späteren Stadien, die hier nicht näher diskutiert werden sollen, kommt es dann zu regelrechten gröberen Destruktionen und Mutilationen mit konsekutiver Fehlstellung. Bei der Chondrokalzinose sind in der Regel immer die Gelenkspalten verschmälert, da der Schaden primär vom Knorpel ausgeht, die subchondralen Grenzlamellen sind verdichtet und arrodiert und es finden sich subchondrale Strukturaufhellungen, häufig auch Proliferationen an den Metakarpalköpfchen (sog. dropping osteophytes, Abb. 2.70). Die Psoriasisarthritis bevorzugt – wie bereits im allgemeinen Teil hervorgehoben – die distalen und auch proximalen Interphalangealgelenke, doch können in fortgeschrittenen Stadien genauso gut die Metakarpophalangealgelenke und Karpalgelenke befallen sein, wie in Abb. 2.133 dargestellt. Auf die Möglichkeit des Befalls eines oder zweier Ossa metacarpalia im Rahmen der Ostitis deformans Paget wurde bereits in Abb. 2.73 a aufmerksam gemacht.

a

Tumor? An den Mittelhandknochen gibt es keine besonderen Strukturen und Varianten, die ein tumoröses Geschehen vortäuschen können. Echte Geschwülste und geschwulstähnliche Läsionen im Metakarpalbereich sind u. a. im allgemeinen Teil (S. 64 ff) besprochen.

b

Abb. 2.132 a – c Differentialdiagnose der rheumatoiden  Arthritis: a, b Typische Bilder der rheumatioiden Arthritis mit Arrosionen an den Metakarpophalangealgelenken mit begleitender gelenknaher Demineralisation. Erosive Veränderungen auch an anderen Gelenken des Handskeletts. c Ebenfalls grobe Erosionen der Metakarpalköpfchen. Hierbei handelt es sich um einen floriden Hyperparathyreoidismus. Die Arrosionen bzw. Defekte in den Metakarpalköpfchen entstehen entweder durch Einbrüche des „weichen“ Knochens oder sie sind Folge einer Kristallsynovitis. Beachte die typischen Veränderungen des Hyperparathyreoidismus, insbesondere an den Mittelphalangen, des Weiteren den braunen Tumor im Os metacarpale II (rechte Bildhälfte) und die Akroosteolysen.

c

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2 Arm

a

c

b

Abb. 2.133 a – c Psoriasisarthritis mit transversalem Befallsmuster der Metakarpophalangealgelenke. Dort grobe Erosionen und Destruktionen, vor allem an den Köpfchen, keine gelenknahe Demineralisation. Strahlbefall am Kleinfinger beidseits, wobei sich an den proximalen Interphalangealgelenken Ankylosierungen eingestellt haben. Befall auch der Karpi beidseits. Typische Protuberanzen am Endglied III beidseits, besonders rechts. Das Befallsmuster wird im Szintigramm in Abb. c sehr eindrucksvoll dargestellt.

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b

Abb. 2.134 a, b Typisches Bild einer Arthropathie bei Hämochromatose mit feinen gelenknahen Aufhellungen, besonders im Metakarpalköpfchen III: a Übersichtsaufnahme. b Ausschnittsvergrößerung.

a

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2 Arm

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Handwurzel

Allgemeiner Teil Normalbefund Im Wachstum Die Reihenfolge des radiologisch sichtbaren Auftretens der Handwurzelknochen ist in Abb. 2.1 dargestellt. Auf Probleme der Skelettaltersbestimmung unter Berücksichtigung der Handwurzelkerne wird an dieser Stelle bewusst nicht eingegangen, da jede vergröberte Darstellung zwangsläufig Ungenauigkeiten mit sich bringen würde. Wenn man das Skelettalter bestimmen will, muss man auf einschlägige Werke, wie z. B. von Greulich und Pyle, zurückgreifen. Auf Varianten von Form und Größe der einzelnen Handwurzelknochen während der Skelettreifung wird im speziellen Teil eingegangen.

Im Erwachsenenalter Die Handwurzel ist in den letzten 10 Jahren zunehmend in das Interesse der Radiologie gerückt. Das hat im Wesentlichen 2 Ursachen, die eng miteinander zusammenhängen: 쐌 Die Ansprüche des Handchirurgen an die bildgebende Diagnostik sind mit Erweiterung operativer Möglichkeiten gewachsen. 쐌 Die Evolution der bildgebenden Diagnostik generell und spezieller Applikationen am Handskelett, insbesondere am Karpus hat enorme Fortschritte gemacht.

Diagnostische Methoden Zur Beantwortung der vielen klinischen Fragestellungen, insbesondere aus der Traumatologie, können heute gezielt zusätzlich zur konventionellen Diagnostik folgende Verfahren eingesetzt werden: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

CT, MRT, Arthrographie, CT- und MRT-Arthrographie, Sonographie, Skelettszintigraphie.

Die konventionelle Tomographie hat zunehmend an Bedeutung verloren, denn sie ist zeitlich zu aufwendig und bereitet z. T. erhebliche Probleme hinsichtlich des Patien-

tenkomforts (z. B. Lagerung) und der damit zusammenhängenden Bewegungsunruhe. Des Weiteren wird die Bildqualität zumeist durch Verwischungseffekte gestört. Die konventionelle Tomographie ist heute vollständig durch die CT ersetzbar. Wertvolle Indikationen zur CT sind u. a.: 쐌 Diagnostik des akuten Traumas, insbesondere von konventionell-radiographisch okkulten Frakturen (Abb. 2.270), 쐌 Beobachtung von Frakturheilungsprozessen, 쐌 Abklärung von im Übersichtsbild gesehenen suspekten Aufhellungen und Verdichtungen (sowohl vorgetäuschten wie echten). Des Weiteren ist die CT sehr nützlich in der Abklärung abnormer Befunde in der Skelettszintigraphie und MRT bei nicht eindeutigem konventionell-radiographischen Befund. Die MRT ist eine gute Methode, um Weichgewebsstrukturen (z. B. im Karpaltunnel, Sehnen und Ligamente, Weichgewebstumoren) und Knochenmarkveränderungen, okkulte Frakturen mit traumatischem Ödem, avaskuläre Nekrosen usw. darzustellen. Die Skelettszintigraphie ist in der Lage, nach 3 – 4 Tagen traumatische Veränderungen am Karpus, die der konventionell-radiologischen Darstellung entgehen, zu erfassen und damit die Region aufzuzeigen, die man dann z. B. mit der CT gezielt weiter untersuchen kann. Des Weiteren ist sie geeignet, bei unklaren klinischen Schmerzsymptomen „vulnerable“ Punkte aufzuzeigen, z. B. in Form eines die Bewegungsabläufe störenden akzessorischen Knochenelements oder auch einer Nekrose. Im Rahmen dieses Buchs über Grenzbefunde des Normalen kann auf die einzelnen Methoden im Hinblick auf spezielle Untersuchungstechniken und Interpretation der gewonnenen Bilder nicht näher eingegangen werden; dies muss im aktuellen Schrifttum, von dem einige Werke im Literaturverzeichnis zitiert sind, nachgelesen werden. Die Besprechung von Grenzbefunden des Normalen zum Pathologischen am einfachen statischen Röntgenbild in 2 oder mehreren Ebenen oder in Spezialprojektionen (z. B. Skaphoidquartett) ergibt keinen Sinn, wenn man nicht die benachbarten Weichgewebsstrukturen berücksichtigt, die mit dem Knochen eine funktionelle Einheit bilden.

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2 Arm

Deshalb wird in dieser Auflage des traditionellen „Köhler/ Zimmer“ erstmalig auf die Anatomie und Funktion von Bändern, Gelenken usw. eingegangen, um damit vielleicht das Verständnis für Fehlstellungen der einzelnen Handknochenelemente zueinander zu verbessern.

z. B. von Schmitt u. Lanz (1996) sowie von Gilula u. Yin (1996). Ein typischer „pitfall“ durch Fehleinstellung findet sich in Abb. 2.136 b. Die Gelenkwinkel des Radius sind in Abb. 2.135 dargestellt. Die Gelenkfläche des Radius bildet gegenüber der Unterarmlängsachse einen Winkel von ca.10⬚ nach palmar (Normbereich von 0 – 20⬚) und von ca. 25⬚ nach ulnar (Normbereich 15 – 35⬚). Damit bei diesen Neigungen die Handwurzel nicht nach palmar und ulnar abgleitet, wird dies durch 2 gegensinnig wirkende Ligamentgruppen verhindert:

Morphometrie des Karpus Voraussetzung für die Bestimmung verschiedener Winkel im Karpus und die Definition verschiedener Fluchtlinien ist eine korrekte Einstellung bei der Röntgenaufnahme. Alle im folgenden angegebenen Winkel beziehen sich auf die Neutralstellung. Bei der Seitaufnahme wird unter Beugung des Ellenbogengelenks der Oberarm adduziert, bei der Dorsopalmaraufnahme wird der Oberarm in Abduktionsstellung in Schulterhöhe gelagert. Aufnahmen in Supination oder Pronation können zu erheblich veränderten Projektionsverhältnissen und damit zu falschen Messwerten führen. Auf Details im Hinblick auf eine korrekte Einstelltechnik kann im Rahmen dieser Monographie nicht eingegangen werden, hierzu gibt es gute Monographien, wie

쐌 Zum einen durch das sog. palmare Trageband, zu dem folgende Ligamente gehören: – Lig. radioscaphocapitatum (RSC), – Lig. radiolunotriquetrum (RLT), – Lig. ulnolunatum (UL), – Lig. ulnotriquetrum (UT). 쐌 Zum anderen durch die sog. Gelenkschleuder, die von proximal-radial nach distal-ulnar verläuft. Hierzu gehören folgende Ligamente:

L

a

L

b

Abb. 2.135 a, b Neigungswinkel der Radiusgelenkfläche: a Bei der dorsopalmaren Projektion beträgt der radioulnare Neigungswinkel im Durchschnitt 25⬚. b Im Seitbild liegt der palmare Neigungswinkel bei etwa 10⬚ (Tab. 2.17). L = Längsachse des Radius

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Handwurzel – – – –

Lig. radioscapholunatum (RSL), Lig. radiolunotriquetrum (RLT), Lig. radioscaphocapitatum (RSC), Lig. radiotriquetrum dorsale (RTD).

Bei normaler Stellung der Handwurzelknochen zueinander lassen sich nach Gilula u. Yin (1996) parallel verlaufende Linien durch die proximale und distale Handwurzelreihe ziehen (Abb. 2.136 a). Der Karpalbogen I verbindet die radiusnahen Konturen der proximalen Handwurzelreihe, der Karpalbogen II die distalen Konturen der proximalen Handwurzelreihe und der Karpalbogen III die proximalen Konturen der distalen Handwurzelreihe.

107

Finden sich in einem Röntgenbild bei Neutralstellung Stufenbildungen oder Unterbrechungen dieser Karpalbögen, dann muss das dringend den Verdacht auf eine karpale Instabilität lenken. Auch nichtparallele Verläufe der Bögen und eine dreieckförmige Konfiguration des normalerweise trapezförmigen Os lunatums müssen als pathologisch angesehen werden.

3 2 1

a

M

b Abb. 2.136 a, b Karpalbögen nach Gilula: a Liegt keine karpale Gefügestörung vor, dann lassen sich durchgehende Linien entlang der proximalen (I und II) und der distalen Handwurzelreihe ziehen. Die Verbindungslinien laufen annähernd parallel.

b M-Konfiguration der Karpometakarpalgelenke (rechtes Bild). In der linken Abbildung vorgetäuschte karpometakarpale Luxation durch Aufnahme in hyperextensorischer Schonstellung bei Strecksehnenverletzung.

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2 Arm

Eine weitere Hilfslinie zur Beurteilung der Röntgenanatomie ist die M-förmig konfigurierte Karpometakarpallinie (Abb. 2.136 b). Sie ergibt sich aus dem zickzackförmigen Verlauf der Karpometakarpalgelenkspalten. Anzumerken ist, dass die Basis von Os metacarpale II konkavbogig verläuft und dass das proximale Gelenk von Os metacarpale V um etwa 30⬚ nach radial zu abgewinkelt ist. Das Os metacarpale I artikuliert mit dem Os trapezium, das Os metacarpale II mit dem Os trapezoideum, das Os metacarpale III mit dem Os capitatum, das Os metacarpale IV mit dem Os hamatum radialseitig und das Os metacarpale V mit dem Os hamatum ulnarseitig. Die karpalen Winkel sind in Abb. 2.137 u. 2.138 dargestellt. Sie dienen der Diagnostik auch von diskreteren Gefügestörungen der Handwurzel (s. Kap. Fraktur/Luxation, S. 127 ff.). Dabei werden im Einzelnen folgende Winkel definiert (Tab. 2.17): 쐌 쐌 쐌 쐌

Tabelle 2.17 Karpale Winkel (zu Abb. 2.137 u. 2.138). Bei der DISI-Konfiguration (Os lunatum in Extension) wird der radiolunäre Winkel größer als 15⬚ (z. B. bei skapholunärer Dissoziation; s. auch Abb. 2.138 c). Bei der PISI-Konfiguration (Os lunatum in Flexion) wird der radiolunäre Winkel kleiner als 15 ⬚ (z. B. bei mediokarpalen und ulnarseitigen Instabilitäten, vor allem bei lunotriquetraler Dissoziation ) (s. Text und Abb. 2.138) Winkel

Normalwert

Radiolunärer Winkel

Schwankungsbereich

0⬚

– 15⬚ bis + 15⬚

Radioskaphoidaler Winkel

45⬚

30⬚ bis 60⬚

Skapholunärer Winkel

47⬚

30⬚ bis 60⬚

Kapitolunärer Winkel

0⬚

– 15⬚ bis + 15⬚

DISI Dorsi-Flexed Intercalated Segment Instability PISI Palmar-Flexed Intercalated Segment Instability

radiolunärer Winkel, radioskaphoidaler Winkel, skapholunärer Winkel, kapitolunärer Winkel.

K

S

L

b

a Abb. 2.137 a, b Karpale Winkel: a Das Os lunatum ist mit einer durchgehenden Linie umgrenzt, das Os scaphoideum mit einer gepunkteten Linie und das Os capitatum mit einer gestrichelten Linie. Die zur Winkelmessung benötigten Verbindungslinien verlaufen jeweils durch die Mitten der proximalen und distalen Gelenkflächen

von Os scaphoideum und Os capitatum (sog. Axialmethode). Zu den Normalwerten und ihrer Schwankungsbreite s. auch Tab. 2.17. K Os capitatum L Os lunatum S Os scaphoideum

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Handwurzel

109

L

S

Abb. 2.137 b Hier werden die Winkel nach der sog. Tangentialmethode bestimmt, wobei die eine Tangente an die Palm-

a

b

Abb. 2.138 a – d Praktische Anwendung der karpalen Winkelbestimmung nach der Axialmethode: a Der radioskaphoidale Winkel liegt bei 45⬚ und ist damit normal, also keine Hinweise auf eine Gefügestörung. b Der radiolunäre Winkel beträgt 22⬚ und ist damit leicht vergrößert durch eine geringfügige DISI-Achsenfehlstellung.

arseite des Os scaphoideum und die andere Tangente an das Vorder- und Hinterhorn des Os lunatum gelegt werden.

c

d

c Der kapitolunäre Winkel liegt mit 37⬚ mehr als doppelt so hoch im Vergleich zum oberen Normwert, bedingt durch eine deutliche DISI-Achsenfehlstellung. d Der skapholunäre Winkel beträgt 47⬚ und liegt damit in der Norm (nach Schmitt u. Lanz).

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2 Arm

Die karpale Höhe, die bei Os-lunatum-Nekrosen, instabilen Skaphoidpseudarthrosen und insgesamt bei karpalen Instabilitäten reduziert sein kann, lässt sich nach 2 Methoden definieren (Abb. 2.139 a):

Am Karpus unterscheidet man 3 größere Gelenkkompartimente (Abb. 2.140): 쐌 Das mediokarpale Gelenkkompartiment, das sich zwischen der proximalen und distalen Handwurzelreihe erstreckt, und häufig Kommunikationen zu den karpound intermetakarpalen Gelenkräumen des 2. – 4. Fingers besitzt. 쐌 Das radiokarpale Gelenkkompartiment, das nach proximal zu durch den distalen Radiusgelenkknorpel, nach ulnar zu durch den ulnokarpalen Komplex und nach distal zu durch die proximale Handwurzelreihe mit den dazugehörigen knöchernen Elementen und interossären Ligamenten (Lig. scapholunatum und Lig. lunotriquetrum) begrenzt wird. 쐌 Das distale radioulnare Gelenkkompartiment erstreckt sich zwischen der proximalen Oberfläche des ulnokarpalen Komplexes und dehnt sich nach proximal zwischen Radius und Ulna in variabler Ausdehnung aus.

Bestimmung des Höhenindex: ➤ Bei dem karpalen Höhenindex nach Youm wird der Quotient aus der Handwurzelllänge (in Verlängerung zur Achse des Os metacarpale III) und der Länge des Os metacarpale III gebildet. Der Normwert beträgt 0,54 ⫾ 0,03. ➤ Bei dem modifizierten Höhenindex nach Nattrass wird berücksichtigt, dass bei den meisten Karpalaufnahmen die Mittelhand nicht vollständig erfasst ist. Dann kann der Quotient aus der Höhe der Handwurzellänge (in Verlängerung der Os-capitatum-Achse) und der Länge des Os capitatum definiert werden. Dabei liegt der Normalwert bei 1,57 ⫾ 0,05 (Abb. 2.139 a).

Diese 3 Gelenkkompartimente lassen sich mit der 3-Kompartiment-Arthrographie gut darstellen (Abb. 2.140 b – d). Die Gelenkkompartimente kommunizieren normalerweise nicht untereinander, doch gibt es zu folgenden kleineren Gelenkräumen gelegentlich interkompartimentale Kommunikationen im Sinne von Normvarianten:

Zur Erfassung des Ausmaßes der Verschiebung des Karpus nach ulnar, z. B. durch Trauma oder rheumatoide Arthritis, werden 2 Methoden eingesetzt (Abb. 2.139 b): Bestimmung des Translationsindex: ➤ Translationsindex nach Chamay: Referenz ist das Drehzentrum der Handwurzel im Kopf des Os capitatum. Die Messung erfolgt an der Radialseite des Karpus, wobei der Quotient der Strecke vom Drehzentrum zur Senkrechten durch den Processus styloideus radii und der Länge des Os metacarpale III bestimmt wird (Normalwert 0,28 ⫾ 0,03). Die pathologischen Werte liegen höher. ➤ Translationsindex nach McMurtry: Hier orientiert man sich an der Ulnarseite des Karpus. Dabei wird der Quotient aus der Entfernung vom Drehzentrum des Os capitatum zur Senkrechten durch die Mitte des Ulnakopfes und der Länge des Os metacarpale III bestimmt >Normwert 0,30 ⫾ 0,03). Die pathologischen Werte sind kleiner.

쐌 쐌 쐌 쐌

zum karpometakarpalen Kompartiment I, zum karpometakarpalen Kompartiment II – V, zum intermetakarpalen Kompartiment II – V, zum pisotriquetralen Kompartiment.

Auf arthrographische Normalbefunde und ihre Varianten, auf altersabhängige Ligamentdegenerationen und vor allem auf die Varietäten des ulnokarpalen Komplexes kann im Rahmen dieses Buchs nicht näher eingegangen werden. In diesem Zusammehang wird wiederum auf die oben bereits erwähnten beiden größeren Monographien von Schmitt u. Lanz (1996) und Gilula u. Yin (1969) verwiesen.

a

a

d

e

c b

a

b

Abb. 2.139 a, b Höhenbestimmung der Handwurzel (karpale Höhenindizes, nach Schmitt u. Lanz): a Entspricht der Länge des Os metacarpale III. b Entspricht der Höhe für die gesamte Handwurzel. c Entspricht der Länge des Os capitatum. Der karpale Höhenindex nach Youm wird aus dem Quotienten von b/a (Normwert 0,54 ⫾ 0,03), nach Nattrass aus dem Quotienten von b/c (Normwert 1,57 ⫾ 0,05) gebildet. In Abb. b karpale Translationsindizes. Der Kreis im Os capitatum markiert das Drehzentrum der Handwurzel. Die gestrichelten Linien verlaufen durch den Processus styloideus radii und durch die Mitte des Ulnaschafts. Es werden dann die Entfernungen der Senkrechten vom Drehzentrum auf die gestrichelten Linien gemessen (d u. e). Nach Chamay berechnet sich der karpale Translationsindex aus dem Quotienten von d/a (Normwert 0,28 ⫾ 0,03), nach McMurtry aus dem Quotienten e/a (Normwert 0,30 ⫾ 0,03).

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Handwurzel

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MKG

RKG

DRUG

a Abb. 2.140 a – d Karpale Gelenke: a Schematische Darstellung der 3 großen Gelenkkompartimente. Das mediokarpale Gelenk (MKG) liegt zwischen der proximalen und distalen Handwurzelreihe. Das radiokarpale Gelenkkompartiment (RKG) wird nach proximal durch den Radiusgelenkknorpel und den ulnokarpalen Komplex begrenzt, nach distal zu durch die proximale Handwurzelreihe mit ihrem entsprechenden Gelenkknorpel und den interossären Bändern. Das distale radioulnare Gelenkkompartiment (DRUG) wird nach distal zu durch die proximale Oberfläche des ulnokarpalen Komplexes begrenzt und es dehnt sich verhältnismäßig variabel nach proximal zu aus. b – d Handarthrographie. In Abb. b Injektion des Kontrastmittels in das mediokarpale Kompartiment. Schon sehr früh kommt es zur Darstellung von physiologischen Verbindungen zu den kleinen Gelenkräumen im Karpometakarpal- und Interkarpalgelenkbereich. Besonders deutlich wird das auf einer etwas späteren Aufnahme in Abb. c mit besserer Verteilung des Kontrastmittels. DT Discus triangularis IMG Intermetakarpalgelenk KMG Karpometakarpalgelenk

b

IMG

KMG

MKG

c

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2 Arm

DT

RKG

DRUG

d Abb. 2.140 d Darstellung nach Auffüllung des radiokarpalen Kompartiments. Durch eine kleine Perforation im radialen Teil des nach radial dislozierten Discus articularis ulnae füllt sich das DRUG auf. Unregelmäßige Berandung des Diskus durch kleine Einrisse. Zipfelförmige Ausziehung des Processus stylo-

Der ulnokarpale Komplex (triangular fibrocartilage complex [TFCC]) besteht aus: 쐌 Discus triangularis, 쐌 M. ulnocarpalis, 쐌 Ligg. ulnolunatum, ulnotriquetrum, collaterale carpi ulnare, radioulnare palmare et dorsale, 쐌 Sehnenscheide des M. exentor carpi ulnaris. Der ulnokarpale Komplex ist also eine sehr vielschichtige und kompliziert aufgebaute Struktur, die heute sehr elegant mit der MRT oder – invasiv – mit der Arthrographie in Mehrkompartimenttechnik und/oder der Arthroskopie untersucht werden kann. Die klinischen Fragestellungen ergeben sich aus mechanischer Instabilität im distalen Radioulnargelenk und aus einer unklaren Schmerzsymptomatik an der Ulnaseite des Handgelenks (bei negativem Röntgenbefund der Knochen). Der ulnokarpale Komplex stellt eine Art von Pufferzone zwischen dem Ulnakopf und dem ulnaren Abschnitt der proximalen Handwurzelreihe (mit Os triquetrum und Os lunatum) dar. Über die Diagnostik von traumatischen und degenerativen Läsionen des ulnokarpalen Komplexes ist in den letzten Jahren sehr viel publiziert worden. Wer die MRT einsetzt (Abb. 2.141 e – g u. 2.142), sollte auch die altersabhängigen Normvarianten und Befunde kennen, die pathologische Veränderungen simulieren (z. B. Metz u. Mitarb. 1992, Sugimoto u. Mitarb. 1994, Totterman u. Miller 1995, Timins u. Mitarb. 1996). Die vielfältigen Verletzungsmöglichkeiten und Degenerationsformen (vor allem der Diskuselastizität) sind durch den komplizierten Aufbau des ulnokarpalen Komplexes vorprogrammiert.

ideus ulnae, der wie abgelutscht wirkt. Dies ist Folge einer erheblichen Synovitis in der Sehne des M. extensor carpi ulnaris. Die Nativ- und MRT-Bilder sind aus didaktischen Gründen in Abb. 2.142 dargestellt.

Die Kenntnis der karpalen Ligamente ist, wie bereits oben erwähnt, extrem wichtig, um die normale und eben pathologische Röntgenanatomie von Radius, Ulna, Karpus und Ossa metacarpalia zu verstehen. Neben der klinischen Untersuchung stehen der Diagnostik von Bandläsionen (vor allem sind es die Instabilitäten der Ligg. lunotriquetrum und scapholunatum), Stressaufnahmen, die MRT und die Arthrographie mit jeweils unterschiedlicher Wertigkeit dieser Verfahren zur Verfügung. Über die komplexe Diagnostik von karpalen Ligamentläsionen gibt es neben den Monographien von Schmitt u. Lanz (1996) und Gilula u. Yin (1996) ein umfangreiches Schrifttum (z. B. Smith 1994, Smith u. Snearly 1994). Die karpalen Ligamente lassen sich in folgender Weise gliedern (Abb. 2.141): 쐌 Nach anatomischen Gesichtspunkten, d. h. nach ihrer Beziehung zum Unterarm einerseits und zur Mittelhand andererseits. Dabei gibt es – extrinsische Ligamente, die vom Unterarm zum Karpus oder von der Metakarpalregion zum Karpus ziehen, – intrinsische Ligamente, die zwischen den Handwurzelknochen, also interkarpal verlaufen. 쐌 Nach funktionellen Gesichtspunkten: – interossäre Ligamente, die zwischen 2 Knochen in der Tiefe verlaufen, – palmare proximale V-Ligamente, die konvergierend in Form eines „umgekehrten V“ von Radius und Ulna zum Os lunatum hin verlaufen,

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Handwurzel

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CH

SL

LT

RSL

a

RLT UT UL

RU

TFC

b Abb. 2.141 a – g Karpale Ligamente: a Interossäre Ligamente. b Palmar-proximales V.

– palmar-distale V-Ligamente, die konvergierend in Form eines „umgekehrten V“ vom Radius und Os triquetrum zum Os capitatum verlaufen, – dorsale V-Ligamente, die ein „horizontales V“ mit Konvergenz vom Radius und Skaphoid zum Os triquetrum hin bilden.

CH ICD LT pSTT RLT RSC RSL RTD RU SC SL TC TFC UL UT

Lig. capitatohamatum Lig. intercarpale dorsale Lig. lunotriquetrum palmares Lig. scaphotrapeziotrapezoideum Lig. radiolunotriquetrum Lig. radioscaphocapitatum Lig. radioscapholunatum Lig. radiotriquetrum dorsale Radioulnargelenk Lig. scaphocapitatum Lig. scapholunatum Lig. triquetrocapitatum Triangular Fibrocartilage Lig. ulnolunatum Lig. ulnotriquetrum Abb. 2.141 c – g 컄

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2 Arm

pSTT TC SC

RSC

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ICD

RTD

d Abb. 2.141 c Palmar-distales V. d Dorsales V.

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SL e

f

g

Abb. 2.141 e – g MRT-Darstellung der intrinsischen Ligamente in T2-gewichteten Bildern. Die Pfeile in Abb. e u. g markieren den ulnokarpalen Komplex. Der Pfeil in Abb. f weist auf das

a

Lig. scapholunatum hin. In Abb. e u. g ist auch das Lig. lunotriquetrum erkennbar.

b

Abb. 2.142 a – c MRT-Aufnahmen von Zerstörungen des ulnokarpalen Komplexes. Er ist abgerissen und nach radial luxiert. Riss auch des Lig. ulnotriquetrum und des ulnaren Kollateralbands. Massiver Erguss und Begleitödem. In Abb. c Röntgenbild zur selben Zeit bei Zustand nach osteosynthetischer Versorgung der distalen Radiusfraktur. Geringer Ulnavorschub und „abgelutschter“ Processus styloideus ulnae. Schmerzen im ulnaren Handgelenkbereich bei Belastung. Die zu dem Fall gehörenden arthrographischen Bilder finden sich in Abb. 2.140 b – d.

Wichtig zu wissen ist, dass die meisten Ligamente im Handwurzelbereich intrakapsulär verlaufen. Zu Instabilitätsmustern nach Bandrupturen s. Kapitel „Fraktur, Subluxation/Luxation“. Eine überlagerungsfreie räumliche Darstellung des Karpus gelingt mit der CT oder der MRT. Indikationen zur CT des Karpus wurden oben bereits erwähnt. Entscheidend ist, dass man – ähnlich wie bei der früher eingesetzten konventionellen Tomographie – die Schichtrichtung nach Möglichkeit senkrecht zur zu untersuchenden Knochenoberfläche wählt, d. h. maßgeschneidert zur Klärung der jeweiligen Frage vorgeht (Stewart u. Gilula 1992). Grundsätzlich gibt es folgende Projektionen: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

axiale, koronare, sagittale, die zur Längsachse des Skaphoids parallel verlaufende, die schräge Skaphotrapezoidprojektion (Stewart u. Gilula 1992).

c

Bei allen erwähnten Schichtrichtungen werden bestimmte knöcherne Strukturen optimal dargestellt. Die räumliche Zuordnung der einzelnen Handwurzelknochen in den einzelnen Ebenen ist nicht immer leicht und erfordert eine gewisse Erfahrung. In Abb. 2.143 ist eine axiale, in Abb. 2.144 eine sagittale Schichtserie mit anatomischen Bezeichnungen dargestellt. Diese Abbildungen sollen die komplexe räumliche Anatomie des Karpus demonstrieren. In der Praxis hat es sich bewährt, bei der Interpretation der verschiedenen Schnittebenen ein natürliches Handskelett zu Hilfe zu nehmen. Die genaue Betrachtung der Abbildungen beleuchtet auch, dass es durch die vielen Lücken zwischen den Handwurzelknochen, die verschiedenen Kerben usw. im Summationsbild leicht zur Vortäuschung erosiver oder osteolytischer Veränderungen kommen kann (Abb. 2.143 u. 2.147).

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2 Arm Abb. 2.143 a – o Axiale CT-Darstellung des Karpus. C Os capitatum H Os hamatum HH Hamulus ossis hamati L Os lunatum MC Os metacarpale PI Os pisiforme R Radius SC Os scaphoideum ST Processus styloideus ulnae TO Os trapezoideum TR Os triquetrum TZ Os trapezium U Ulna

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Abb. 2.143 n u. o

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Abb. 2.144 a – i Sagittale CT-Serie durch den Karpus. Erklärung der Abkürzungen s. Abb. 2.143.

Abb. 2.144 j – o 컄

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Abb. 2.144 j – o

Zur Diagnostik einer Subluxation im Radioulnargelenk mit der CT geben Nakamura u. Mitarb. (1996) eine Modifikation der radioulnaren Linienmethode an. Untersucht wird bei gestrecktem Ellenbogen in maximal aktiv möglicher Supination und Pronation (Abb. 2.145). Mit der Modifikation der radioulnaren Linienmethode konnten die Autoren falsch positive dorsale und palmare Subluxationen drastisch reduzieren. Sie geben an, dass durch die Modifikation die alleinige Untersuchung des klinisch auffälligen Radioulnargelenks (also ohne Seitenvergleich) möglich wird.

MS RUD

SD

RUV

Abb. 2.145 Diagnostik einer Subluxation im Radioulnargelenk mit CT nach Nakamura u. Mitarb. (1996). Nach der radioulnaren Linienmethode muss das Ulnaköpfchen zwischen RUD und RUV liegen, wenn das distale radioulnare Gelenk kongruent sein soll. In dieser Zeichnung besteht somit eine dorsale Subluxation. Bei der modifizierten radioulnaren Linienmethode wird eine Subluxation erst dann angenommen, wenn die MS mehr als 1/4 des SD beträgt. Danach besteht also keine Subluxation. MS maximale Weite des subluxierten Anteils der Ulna RUD radioulnare dorsale Linie RUV radioulnare volare Linie SD Sigmoid Notch Diameter

Pathologischer Befund? Variante, Fehlbildung/Deformität? Am Karpus kommen im konventionellen Röntgenbild physiologischerweise Kerben und Mulden (Abb. 2.146) vor, wie oben bereits im Zusammenhang mit dem guten räumlichen Auflösungsvermögen der CT erwähnt. Vor allem bei technisch nicht optimalen Aufnahmen (zu großer Fokus, nicht feinzeichnende Folien, zu hohe Spannung) werden physiologische Aufhellungen so dargestellt, dass sie völlig strukturlos erscheinen und damit Osteolysen oder Erosionen (je nach Projektion en face oder tangential) vortäuschen können (Abb. 2.147). Kleine rundliche, zumeist von einem Sklerosesaum umgebene, Aufhellungen in den einzelnen Karpalia entsprechen zumeist Gefäßkanälen (Abb. 2.148). Werden sie tangential getroffen, wie häufig am Os scaphoideum, können sie regelrecht Frakturlinien vortäuschen. Kleine umschriebene Verdichtungen in einzelnen Karpi, insbesondere im Os scaphoideum und im Os triquetrum, entsprechen kleinen Kompaktainseln (bone islands) und sind als „Normvariante“ aufzufassen (Abb. 2.148). Selbstverständlich wird man mithilfe der zweiten Ebene immer sichern müssen, ob es sich bei diesen Verdichtungen nicht um überprojizierte Weichteilverkalkungen handelt. Am Karpus gibt es eine Fülle von Akzessoria (bisher sind mindestens 23 bekannt geworden, bei ca. 0,3 – 1,6% der gesunden Bevölkerung; O'Rahilli 1953), die nicht mit Knochenfragmenten verwechselt werden sollten. Bei frischen Abrissfrakturen liegt am Fragment und am verletz-

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a

b b

Abb. 2.146 a, b Differentialdiagnose physiologischer Kerben und Mulden am Karpus: a Zeichnung physiologischer Kerben und Mulden nach Dihlmann. b Typische Lokalisationen für Erosionen bei der rheumatoiden Arthritis. Man sieht vor allem am Os scaphoideum und Os trapezium sowie an der Mulde im Os capitatum die Deckungsgleichheit von physiologische Kerben und Mulden mit entzündlichen Erosionen. Weiteres zur Differentialdiagnose zwischen physiologischen Kerben und Mulden einerseits und Erosionen andererseits s. Text und Abb. 2.147. ten Knochen in der Regel die Spongiosa bloß, d. h. es fehlt die Kompakta. Akzessoria haben bei guter Aufnahmetechnik immer eine erkennbare, sie vollständig umhüllende Kompakta. Vorsicht ist allerdings geboten, wenn es um das Problem einer in Pseudarthrose ausgeheilten (abgedeckelten) älteren Abrissfraktur oder um eine „ausgereifte“ heterotope Verknöcherung (Abb. 2.235) geht. Im Zweifelsfall kann man die Skelettszintigraphie einsetzen, die bei frischen Abrissfrakturen in der Regel nach 3 – 4 Tagen positiv wird, und bei Akzessoria und älteren in Pseudarthrose ausgeheilten Abrissfrakturen in der Regel negativ ist. Zu berücksichtigen ist bei der Interpretation auch die Lage eines

Abb. 2.147 a, b Notfallmäßige Bilder des Karpus mit 200er Folie und Fokuskantenlänge 1,2: a Man sieht die physiologische Kerbe radialseitig im Os capitatum und die physiologische Strukturverarmung mit Kerbe im distalen radialseitigen Os scaphoideum sehr unscharf begrenzt und damit pathologische osteolytische Prozesse vortäuschend. b Im Schrägbild Aufhellung mitten im Os hamatum. Hier projiziert sich offensichtlich der Sulkus zwischen Os hamatum und Os triquetrum in die übrige Masse des Knochens (vgl. Abb. b mit den CT-Schnitten, insbesondere mit dem 9. Schnitt distal vom Radius in Abb. 2.143). Dadurch wird die Aufhellung verständlich. Vergleiche des Weiteren diese technisch schlechten Aufnahmen mit der technisch guten Dorsopalmaraufnahme, z. B. in Abb. 2.140 oder 2.141, auf denen im Bereich der Kerben, Mulden und transparenteren Zonen wohl geordnete und scharf gezeichnete Spongiosastrukturen deutlich werden. isolierten Knochenfragments. Gutachterlich wird es sicherlich nie unumstritten bleiben, wenn man ein akzessorisches Knochenelement an einer Stelle annimmt, an der bisher ein solches noch nicht beschrieben wurde (z. B. Abb. 2.260). Andererseits lässt sich natürlich darüber streiten, ob einige der von dem „Klassiker“ Pfitzner angegebe-

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a b

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Abb. 2.148 a – d Normale Strukturvarianten: a – c Feine Gefäßkanäle, orthograd getroffen. In Abb. a schematisch dargestellt, in den Abb. b u. c in Röntgenaufnahmen vom Os capitatum und vom Os lunatum. d Kleine Enostome bzw. Kompaktainseln im Os capitatum, Os scaphoideum und an der Basis Os metacarpale I. Bei genauer Betrachtung sieht man, dass die kleinen Kompaktainseln streifige Ausläufer (sog. Verankerungen) zur übrigen Spongiosa haben. Dieses Zeichen ist ziemlich verbindlich für die Annahme

von kleinen Kompaktainseln, die in den genannten Regionen des Karpus völlig normal sind, gelegentlich aber auch eine rudimentäre Form einer Osteopoikilie darstellen (S. 41 u. Abb. 2.38). Differentialdiagnostisch käme bei der Verschattung im Os scaphoideum noch eine palmar gelegene Bursaverkalkung infrage, was aber durch die Röntgenmorphologie ausscheidet. Im Grenzfall lassen sich die Verhältnisse leicht durch eine Seitaufnahme klären.

Tabelle 2.18 Assoziierte Syndrome bei akzessorischen Karpalknöchelchen (nach Poznanski)

nen und später in der Literatur hinzugekommen Akzessoria (Abb. 2.149 u. 2.150) tatsächlich anlagemäßige überzählige Knochenelemente sind oder nicht doch älteren Abrissfrakturen entsprechen. Entscheidend ist bei der radiologischen Bildinterpretation selbstverständlich der klinische Befund. Asymptomatische zusätzliche Knochenelemente im Karpus haben keinerlei Bedeutung und bedürfen daher auch nicht eines radiologischen Aufwands, um sie näher zuzuordnen. Es ist ohne Belang für die Weiterbehandlung eines Patienten, wie sein akzessorisches Knochenelement heißt. Entscheidend ist, dass es als solches richtig eingeordnet wird. In Anlehnung an die MRT des Gehirns (UBO = unknown brightness object) könnte man sie z. B. mit UBE (unknown bony element) oder – präziser – mit NAKE (namenloses akzessorisches Knochenelement) bezeichnen. Eine Möglichkeit, einen umschriebenen Schmerz mit einem evtl. dafür infrage kommenden zusätzlichen Knochenelement zur Deckung zu bringen, ist durch die Durchleuchtung gegeben. Die Abb. 2.151 lässt die gesamte Problematik erkennen, die sich beim Nachweis eines zusätzlichen Knochenelements ergeben kann: Es handelt sich in der Darstellung um

In der distalen Reihe:  Arthroophthalmopathie  Brachydaktylie A 1  diastrophische Dysplasie  Ellis-van-Creveld-Syndrom  Larsen-Syndrom  otopalatodigitales Syndrom

Os centrale – Reste einer zentralen Reihe:  Gorlin-Schlorf-Paparella  Hand-Fuß-Genital-Syndrom  Hollister-Hollister  Holt-Oram  Larsen  otopalatodigitales Syndrom

Andere:  Grebe  Larsen  otospondylomegaepiphyseales Syndrom

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c Abb. 2.149 a – d Dorsal- und Palmaransichten der linken Hand mit Akzessoria: a, b Dorsalansicht (nach Pfitzner). c, d Palmaransicht (nach Pfitzner). C. sec. Os capitatum secundarium Cap. Os capitatum Centr. Os centrale Epl. Epilunatum Epy. Epipyramis Ham. Os hamatum Hpl. Hypolunatum Lun. Os lunatum Mst. Metastyloides Nav. Os naviculare

Os ham. Os. Gr. P.s. Pis. Pst. Ptp. R.e. Styl. T.s. Tp. Tr. sec. Trq. Trzd. Ve. X

Os hamuli proprium Ossiculum Gruberi Os pisiforme secundarium Os pisiforme Parastyloides Prätrapezium Radiale externum Styloides Trapezoides secundarium Os trapezium Triquetrum secundarium Os triquetrum Trapezoides Os vesalianum Trapezium secundarium (?)

einen 28-jährigen Mann, bei dem in der Jugend „überzählige Finger“ operativ entfernt worden waren. Genaueres war nicht mehr bekannt. Auf dem jetzt im Zusammenhang mit einem Trauma angefertigten Röntgenbild sieht man in der Region zwischen der Basis zwischen Os metacarpale I rechts und dem Os trapezium radiopalmarseitig ein isoliertes Knochenelement fast von der Größe des Os trapezoideum. Handelt es sich dabei nun um ein Os paratrapezium, um ein disloziertes Os radiale externum oder um eine rudimentäre Doppeldaumenanlage? Da der Patient in dieser Region asymptomatisch war, kommt dem Befund letztendlich keinerlei Bedeutung zu. Dieser Fall weist aber auch auf die bekannte Beobachtung hin, dass bei Syndromen häufiger Akzessoria auftreten als bei normalen Menschen (Tab. 2.18). Die einzigen möglichen akzessorischen Handwurzelknochen werden im speziellen Teil beschrieben, und zwar nach Maßgabe ihrer Nähe zu einem der dort detaillierter besprochenen Handknochen. Karpale Verschmelzungen (Koalitionen, Synostosen) gehören ebenso wie die akzessorischen Knochenelemente zur Normvarianz des Handwurzelskeletts (Abb. 2.152). Bei Weißen werden sie in etwa 0,11% der Fälle und bei Amerikanern afrikanischer Herkunft in einer Häufigkeit

von 1,6%, bei Nigerianern bei bis zu 8% der normalen Bevölkerung gefunden (Drewes u. Günther 1966). In einer Literaturzusammenstellung von 127 Fällen von Synostosen zwischen 2 Karpalia kamen 28 zwischen Os lunatum und Os triquetrum (Abb. 2.254), 16 zwischen Os capitatum und Os hamatum (Abb. 2.194), alle anderen Kombinationen 5-mal oder weniger vor (Drewes u. Günther 1966). Bei der lunotriquetralen Synostose gibt es folgende Varianten: 쐌 vollständige Verschmelzung (Typ A), 쐌 mit distaler Einkerbung (Typ B), 쐌 proximale Verschmelzung mit partiellem Gelenkspalt (Typ C), 쐌 mit Leiste und distaler Einkerbung (Typ D), 쐌 unvollständige Fusion (Typ E), wie eine Pseudarthrose anmutend. Der Typ E gibt sich radiologisch an einer Verschmälerung des lunotriquetralen Spalts mit kleinen subartikulären Aufhellungen zu erkennen (Resnik u. Mitarb. 1986). Stäbler u. Mitarb. (1999) fanden bei 2 symptomatischen Patienten mit inkompletter (fibröser) lunotriquetraler Koalition magnetresonanztomographisch deutliche Ödeme in den beteiligten Knochen.

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Abb. 2.150 a – d Dorsopalmare und Profilaufnahme der Hand: a, b Auf der dorsopalmaren Röntgenaufnahme der Hand evtl. sichtbare Akzessoria. 1 Epitrapezium 2 Verkalkung (Bursa bzw. Sehnenscheide des Flexor carpi radialis) 3 Paratrapezium (Prätrapezium?) 4 Trapezium secundarium 5 Trapezoides secundarium 6 Os styloideum 7 Ossiculum Gruberi 8 Capitatum secundarium 9 Os hamuli proprium 10 Os vesalianum 11 Os ulnare externum (Verkalkungen in Bursa oder Sehne) 12 Os radiale externum 13 traumatisch bedingte Ausrisse 14 persistierender Kern des Processus styloideus radii 15 Schaltknochen zwischen Os scaphoideum und Radius (Paranavikulare) 16 Os centrale carpi 17 Hypolunatum 18 Epilunatum 19 akzessorischer Knochen zwischen Os lunatum und Os triquetrum 20 Epipyramis 21 sog. „Triangulare“ 22 persistierender Kern am Processus styloideus ulnae 23 kleines Skelettelement am Radioulnargelenk

b

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Handwurzel

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d

c Abb. 2.150 c, d Profilaufnahme. 1 Epitrapezium 6 Os styloideum 9 Os hamuli proprium 12 Os radiale externum

17 18 25 26 27

Hypolunatum Epilunatum Os-triquetrum-Ausriss, kein akzessorischer Knochen Sehnen- bzw. Bursaverkalkung Verkalkungen am Os pisiforme

b

a Abb. 2.151 a, b Ungewöhnliches akzessorisches Knochenelement neben der Basis vom Os metacarpale I. Wahrscheinlich rudimentäre Doppeldaumenanlage.

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2 Arm Die lunotriquetrale Koalition kann mit einem weiten skapholunären Gelenkspalt ohne jeglich klinische Symptome (der skapholunären Dissoziation) einhergehen. Metz u. Mitarb. (1993) fassen diese Erweiterung des skapholunären Gelenkspalts bei lunotriquetraler Koalition als Normvariante auf. Synostosen zwischen 3 und mehr Karpalia sind als Raritäten zu betrachten. Kombinationen von Synostosen mit solchen an der Wirbelsäule und Wirbeldysplasien wurden beobachtet (Thakkar 1982). Perme u. Mitarb. (1994) beschreiben einen hereditären Symphalangismus mit karpaler und tarsaler Fusion und zusätzlicher Schwerhörigkeit. Letztere kann sich durch eine Ankylosierung des Stapes am runden Fenster und eine Fixation des Inkus erklären. Teilungen der Karpalia, die 2- oder auch mehrfach auftreten können, gehören ebenfalls noch zur Normvarianz des Handskeletts (Abb. 2.153).

Abb. 2.152 Mögliche Synostosen im Gebiet der Handwurzel (nach Mestern).

Bekannteste Teilungen der Karpalia nach Pfitzner (in absteigender Häufigkeit): ➤ Skaphoid, ➤ Os triquetrum, ➤ Os pisiforme, ➤ Os trapezium, ➤ Os trapezoideum, ➤ Os capitatum. Ehe man eine – zumindest doch sehr ungewöhnliche – Zweiteilung z. B. für das Skaphoid annimmt, sollten folgende Kriterien erfüllt sein: 쐌 fehlende Traumaanamnese, 쐌 Spongiosaarchitektur und Dichte der beiden Knochenelemente müssen identisch sein (ist das eine dichter als das andere, spricht das immer für eine Fraktur mit nachfolgender Nekrose), 쐌 beide Elemente müssen von einem vollständigen Kompaktasaum umgeben sein, mit dazwischen gelegenem gelenkähnlichen Raum, 쐌 keine Hinweise auf eine um das Skaphoid herum gelegene Arthrose, z. B. am Processus styloideus radii und am Gelenk zwischen einem der Skaphoidteile und den Ossa trapezium und trapezoidem.

Abb. 2.153 Mögliche Doppelbildungen von Karpalknochen. 1/2 Doppelanlage des Os scaphoideum 3/4 Doppelanlage des Os lunatum 5/6 Os triquetrum bzw. Os pisiforme 7 wahrscheinlich Epiphyse von Os metacarpale I 8/9 wahrscheinlich Doppelanlage vom Os trapezium 10/11 wahrscheinlich Doppelanlage vom Os trapezoideum 12/13 Doppelanlage des Os capitatum 14 Os-hamatum-Kern 15 wahrscheinlich Pseudoepiphyse. Diese Abbildung stammt aus einer Arbeit von Ruckensteiner, der Doppelanlagen bei einem 8-jährigen Kind beschrieb. Die oben aufgeführte Interpretation ist modifiziert.

Der Nachweis einer gleichen Veränderung an der kontralateralen Seite unterstützt die Diagnose z. B. eines harmlosen zweigeteilten Os scaphoideum. In der Abb. 2.153 sind am Beispiel eines von Ruckensteiner (1951) beobachteten 8-jährigen Kindes mit beidseitigen Handwurzelknochendoppelbildungen die vielfältigen Möglichkeiten dieser Normvariante dargestellt. Gedoppelte Handwurzelknochen wurden auch bei verschiedensten Formen der enchondralen Ossifikationsstörung beobachtet (z. B. Schaaf u. Wagner 1962). Unter diesen Konditionen kann man gedoppelte Handwurzelknochen natürlich nicht mehr als Variante betrachten. Bei der Chondrodysplasia punctata Conradi-Hünermann sieht man an Stelle normaler Handwurzelknochenkerne multiple punktförmige Ossifikationen (Abb. 2.57), die man nicht mehr als Normvariante deuten darf, andererseits sollte man sie aber nicht mit nekrotischen Veränderungen in den Karpi verwechseln. Eine weitere epiphysäre enchondrale Ossifikationsstörung kann mit ungewöhnlich ausgeprägten Knorpelproliferationen, die später verknöchern, an den Karpalknochen

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Handwurzel auftreten: Es ist dies die Dysplasia epiphysealis hemimelica (Trevor's disease), eine Sonderform der Fairbank-Erkrankung (Abb. 2.154). Sie kommt bevorzugt an den Tarsalknochen oder an den Epiphysen z. B. der Knie- und Hüftgelenke vor (Abb. 6.147). An den Karpalknochen stellt die Veränderung eine Rarität dar, dabei scheint das Kahnbein favorisiert zu sein (Lamesch 1983). Pathogenetisch kann man sich die ungewöhnliche Deformierung des Kahnbeins in Abb. 2.154 so vorstellen, dass der Wachstumsknorpel in mehreren Zentren überschießend proliferiert und ossifiziert ist und dass diese Proliferationszentren später zusammengeflossen sind. Die Dysplasia epiphysealis hemimelica wird leicht mit echten Osteochondromen verwechselt. Fleckige und verplumpte oder insgesamt auffallend irregulär konturierte und gelegentlich auch in der Dichte

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schwankende Handwurzelknochen im Sinne echter Erkrankungen – und nicht von Varianten – werden bei den bereits mehrfach erwähnten epiphysären und epimetaphysären enchondralen Ossifikationsstörungen, auch bei Achondroplasie (Abb. 2.155 a) und Kretinismus beobachtet. Das Knochen-im-Knochen-Zeichen, nicht mit nekrotischen Veränderungen zu verwechseln, kommt bei der Marmorknochenkrankheit vor (Abb. 2.155 b). An dieser Stelle sei noch auf eine zumeist sehr auffällige Dysostose hingewiesen, die den Karpus erheblich involviert: die sog. Madelung-Deformität (Abb. 2.156 u. 2.157). Sie ist bedingt durch eine enchondrale Ossifikationsstörung, wahrscheinlich mit vorzeitigem Verschluss der ulnopalmarseitigen Partien der Epiphysenfuge. Dadurch kommt es zu der typischen bajonettförmigen Achsenabknickung der Hand gegenüber dem Unterarm (Subluxa-

Abb. 2.154 a, b Trevor's Disease am Os scaphoideum mit exostosenartigen Proliferationen. 6-jähriger Junge.

a

b

b

a Abb. 2.155 a, b Achondroplasie und Marmorknochenkrankheit: a Irreguläre Handwurzelknochen bei Achondroplasie.

b Knochen-im-Knochen-Zeichen bei Marmorknochenkrankheit.

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2 Arm

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d Abb. 2.156 a – d

Madelung-Deformität.

tionsstellung der Hand nach palmar mit dorsal vorspringender Ulna). Das Erkrankungsbild, das in der Regel bilateral auftritt, wird entweder autosomal dominant vererbt oder es kommt in Kombinationen mit Enchondromatosen, beim Leri-Weill-Syndrom, auch beim Turner-Syndrom und bei Mukopolysaccharidosen vor. Überwiegend sind Frauen betroffen. Das Krankheitsbild wird klinisch zwischen dem 8. und 14. Lebensjahr manifest, und zwar im Wesentlichen durch den äußeren Aspekt und weniger durch echte Beschwerden. Allerdings sind durch die Fehlartikulation (im Radiokarpal- und distalen Radioulnargelenk) Extension, Radialduktion und Supination eingeschränkt. Wesentliche klinische Auffälligkeiten sind neben der erwähnten bajonettartigen Abbiegung der Hand nach palmar (gleichzeitige Abbiegung nach radial oder ulnar), das nach dorsal vorspringende Ulnaköpfchen im distalen Radioulnargelenk; bei seitlicher Inspektion liegen Handrücken und Beugefläche des Unterarms in gleicher Ebene.

Radiologisch „blicken“ sich die distalen Gelenkflächen von Radius und Ulna „an“. Dabei fällt die distale Radiusfläche stärker nach ulnar ab als diejenige der Ulna nach radial. Des Weiteren findet sich die distale Radiusgelenkfläche nach palmar zu geneigt und der Radiusschaft ist in der distalen Diaphyse insgesamt leicht nach radial konvexbogig gekrümmt. Korrespondierend zu den Verformungen der Gelenkflächen von Radius und Ulna findet sich in der dorsopalmaren Aufnahme eine Keilform der Handwurzel, wobei sich das Os lunatum an der Spitze des Keils regelrecht zwischen distale Radius- und Ulnaepiphyse einschieben kann (Abb. 2.156 d). Die Ulna ist in der Regel zu kurz, und das Ulnaköpfchen findet sich deformiert – neben der bereits erwähnten Dorsalsubluxation im Radioulnargelenk. Von einer Pseudo-Madelung-Deformität spricht man, wenn die pathologische Gelenkstellung als Folge einer Exostosenkrankheit oder einer fehlverheilten Unterarmfraktur entstanden ist (Abb. 2.319 u. 2.320).

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b

a

Abb. 2.157 a – c Madelung-Deformität beider Hände: a Übersichtsaufnahme der Handwurzel links im sagittalen Strahlengang. b, c Ausschnittsaufnahmen beiderseits in gleicher Strahlenrichtung. Die Handwurzelknochen gleiten, das Mondbein voran, in die entsprechenden ulnaseitigen Mulden beider Radii.

Fraktur, Subluxation, Luxation? Auf prinzipielle Dinge von Frakturen und Luxationen im handgelenknahen Unterarm, im Karpus und im Karpometakarpalbereich kann im Rahmen dieser Monographie über Grenzbefunde nicht näher eingegangen werden. Wiederum sei auf klassische Monographien wie von Schmitt u. Lanz (1996) und Gilula u. Yin (1996) verwiesen. Auf Besonderheiten von Frakturen einzelner Handwurzelknochen wird im speziellen Teil des Kapitels über die Handwurzel eingegangen. An dieser Stelle sei aber noch einmal auf die sich nicht selten stellende Differentialdiagnose zwischen Frakturen und knöchernen Abrissen einerseits und akzessorischen Knochenelementen und Zweiteilungen andererseits verwiesen (Abb. 2.158). Auf S. 4 sind bestimmte Grundregeln in der Differentialdiagnose zwischen Fraktur und akzessorischem Knochenelement dargestellt.

c

Es sei aber zusätzlich darauf aufmerksam gemacht, dass es bei einer Traumatisierung der Hand durchaus zu Subluxationen und Luxationen von akzessorischen Knochenelementen kommen kann, die dann Beschwerden wie eine Fraktur verursachen. Dieses Problem ist außerordentlich schwierig zu lösen. In manchen Fällen kann die CT weiterhelfen, indem sie bei Vorliegen einer Fraktur besser als auf dem Summationsbild den korrespondierenden Defekt im frakturierten Knochen nachweist. Die Abb. 2.159 gibt die Zonen wieder, in denen sich am häufigsten Frakturen, Frakturdislokationen und Dislokationen der Karpalknochen abspielen. In diesem Schema ist die am häufigsten vorkommende distale Radiusfraktur nicht eingezeichnet. Die Beurteilung der distalen Radiusfraktur – auf die sonst hier nicht näher eingegangen werden soll – hat stets zu beinhalten, ob die

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Abb. 2.159 Die häufigsten Frakturen, Frakturdislokationen und Dislokationen der Karpalknochen, die traumatisch eintreten. Die schraffierten Bezirke stellen die „vulnerablen Zonen“ dar. Die meisten Frakturen, Luxationsfrakturen und Dislokationen des Karpus spielen sich hier ab. Verletzungen am „kleinen Bogen“ sind zumeist Dislokationen, während Verletzungen am „großen Bogen“ Luxationsfrakturen entsprechen.

Abb. 2.158 a, b Häufig vorkommende Frakturen der Handwurzel und ihre Differentialdiagnose gegenüber akzessorischen Skelettelementen (Schema nach Zatzkin): a Häufige Handgelenkfrakturen. 1 Processus styloideus radii 2 Processus styloideus ulnae 3, 4 Os trapezium 5 Os trapezoideum, Os capitatum und Basis des Os metacarpale III 6, 9 Os lunatum 7 Os triquetrum 8 Basis des Os metacarpale V 10 Os scaphoideum 11 Os capitatum 12 Os pisiforme 13 Radius 14 Os hamatum b Differentialdiagnose. 1 persistierender Ossifikationskern: Processus styloideus radii 2 persistierender Ossifikationskern: Processus styloideus ulnae 3 Os paratrapezium 4 sekundäres Os trapezoideum 5 Os styloideum 6 Os hypolunatum 7 Os triquetrum, radial davon Akzessorium 8 Os vesalianum 9 osteomalazische Veränderungen im Os lunatum 10 Os scaphoideum multipartium 11 Os centrale carpi 12 multiple Ossifaktionskerne: Os pisiforme 13 Ossifikationskerne am ulnaren Rand des Radius 14 Hamulus ossis hamati

Fraktur extra- oder intraartikulär verläuft (unter Einbeziehung der radiokarpalen und/oder radioulnaren Gelenkfläche). Danach richtet sich auch die Klassifikation der distalen Radiusfrakturen nach Frykman. Stets sollte auch der Neigungswinkel der frakturierten Radiusgelenkfläche angegeben werden (normal: in der Koronarebene nach ulnar 15 – 35⬚, in der Sagittalebene nach palmar um 0 – 20⬚). Das Längenverhältnis vom Radius zur Ulna in Neutralstellung beträgt ⫾ 2 mm, der radioulnare Gelenkspalt in der dorsopalmaren Projektion 2 mm. Letzteres Maß hat eine Bedeutung bei der Galeazzi-Luxationsfraktur. Bei jeder komplizierteren Fraktur oder sich anbahnender forensischer Fragestellung sollte man mit der CT untersuchen, da mit dieser Methode wesentlich präziser die Fragmentstellung in den einzelnen Raumebenen und zusätzliche Luxationen und Frakturen im Karpus beurteilt werden können. Auf die radioulnare Subluxation wurde bereits auf S. 118 eingegangen (Abb. 2.145). Subluxationen und Luxationen sind Folge von Läsionen des dorsalen und/oder palmaren radioulnaren Ligaments, die durch eine rotierende Krafteinwirkung auf den Unterarm in Pronation oder Supination bei fixierter Hand oder auf die Hand in Pronation oder Supination bei fixiertem Unterarm entstehen. Bei sehr starker Rotation kann es schließlich zu Verletzungen mit komplettem Abriss des ulnokarpalen Komplexes kommen. Die Diagnostik von Verletzungen des ulnokarpalen Komplexes ist mit dem einfachen Röntgenbild in 2 Ebenen praktisch nicht möglich, sie erfordert heute als Erstmethode die MRT und – falls nicht verfügbar – die Arthrographie in Mehrkompartimenttechnik, alternativ natürlich die Arthroskopie. Die zahlreichen möglichen Luxationen und Luxationsfrakturen sind im Schema der Abb. 2.160 wiedergegeben.

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Hierbei ist die transskaphoidoperilunäre Luxation de Quervain die häufigste Kombinationsverletzung, gefolgt von der perilunären, transskaphoidalen, transkapitalen Luxationsfraktur. Bei der Diagnostik von karpalen Luxationen und Luxationsfrakturen sind die oben beschriebenen Gilula-Karpallinien in der dorsopalmaren Projektion wichtig. Jede Unterbrechung weist auf eine Luxation oder Subluxation hin. Gelenkkonturinkongruenzen, ungewöhnliche Überschneidungen von Karpalknochen sind suspekt auf eine Subluxation oder Luxation. Ein typisches Zeichen in der Dorsopalmarprojektion ist die Dreieckform des Os lunatum mit Überschneidungen der benachbarten Handwurzelknochen. Bei Bandrupturen ergeben sich grundsätzlich folgende Instabilitätsmuster (nach Schmitt u. Lanz 1996): 쐌 Isolierte Ruptur des Lig. scapholunatum mit Rotation des Os lunatum nach dorsal im Sinne einer DISI-Konfiguration der Handwurzel (DISI = dorsi-flexed intercalated segment instability, Abb. 2.161 b u. e). Durch die Drehung des Os lunatum in Extension wird der radiolunäre Winkel größer als 15⬚. Diese Konfiguration wird am häufigsten bei der skapholunären Dissoziation gesehen. 쐌 Dazu gegensätzlich kommt es durch Läsionen des Lig. lunotriquetrum zu einer Rotation des Os lunatum nach palmar, der sog. PISI-Konfiguration (PISI = palmarflexed intercalated segment instability, Abb. 2.161 f). Durch die Flexion des Os lunatum nach palmar wird der radiolunäre Winkel kleiner als minus 15⬚. 쐌 Wenn das triquetrokapitale Band rupturiert, kommt es zu einer mediokarpalen Instabilität. 쐌 Liegen Läsionen der proximalen V-Ligamente vor, kommt es in der Regel zu DISI-Instabilitäten, besonders nach distalen Radiusfrakturen mit persistierenden Beschwerden. 쐌 Bei der Ruptur des Lig. radioscaphocapitatum, dem palmaren Trageband, kommt es zu einer Roationsfehlstellung des Skaphoids. 쐌 Bei der Zerreißung des Lig. radiotriquetrum dorsale wird die ulnare Translokation des Karpus begünstigt, zusätzlich aber auch eine DISI-Konfiguration. Da die dorsalen Bänder am Triquetrum ansetzen, werden die häufig lokalisierten Abrissfrakturen vom Os triquetrum verständlich. Karpale Gefügestörungen jeder Ursache (traumatisch ohne oder mit Fraktur, ohne und mit perilunärer Luxation; chronische Überlastung; Chondrokalzinose Abb. 2.283, rheumatoide Arthritis; angeborene Ligamentschwächen) können sehr diskrete – grenzwertige – röntgenologische Veränderungen auslösen, auf die im Folgenden – streiflichthaft – eingegangen wird: Grundsätzlich unterscheidet man zwischen dynamischen und statischen Formen. Erstere machen sich nur bei der Bewegung im Handgelenk bemerkbar, Letztere lassen sich bereits in Ruhe nachweisen. Nach neueren Vorstellungen teilt man die karpalen Gefügestörungen in dissoziative in der proximalen Handwurzelreihe (skapholunäreund lunotriquetrale Dissoziation) einerseits und in nichtdissoziative Gefügestörungen andererseits ein, bei denen es zu einer Fehlstellung der gesamten proximalen Reihe, sozusagen als Block, kommt (radiokarpale und mediokarpale Formen, ulnare Translokation, Tab. 2.19).

Abb. 2.160 Interkarpale Luxationen und Luxationsfrakturen (aus Dihlmann, W.: Gelenke/Wirbelverbindungen, 3. Aufl. Thieme, Stuttgart 1987). > — < transtriquetro-perilunär 쮿 — 쮿 transkapitato-perilunär 왗 — 왘 peritriquetro-lunär ❙ — ❙ periskaphoido-triquetro-lunär x — x periskaphoido-lunär 앫 — 앫 transskaphoido-perilunär (de Quervain) xx — xx transskaphoido-kapitato-perilunär || — || transskaphoido-kapitato-triquetro-perilunär 앫 앫 transstylo-perilunär 앫 —앫 앩 — 앩 transstylo-skaphoido-perilunär

Tabelle 2.19 Klassifikation der karpalen Gefügestörungen (nach Lanz u. Schmitt) Dissoziative Gefügestörungen (CID): 앫 skapholunäre Dissoziation 앫 lunotriquetrale Dissoziation

Nichtdissoziative Gefügestörungen (CIND): 앫 radiokarpale Gefügestörung 앫 mediokarpale Gefügestörung 앫 ulnare Translokation

Komplexe Gefügestörungen (CIC): 앫 perilunäre Luxation (dorsal oder palmar) 앫 transskaphoidale perilunäre Luxationsfraktur

Axiale Gefügestörungen: 앫 ulnare (hamatokapitale) Dissoziation 앫 radiale Dissoziation 앫 kombiniert ulnar-radiale Dissoziation CIC Carpal Instability Complex CID Carpal Instability Dissociative CIND Carpal Instability Non Dissociative

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L

Die in Tab. 2.19 aufgeführten Akronyme bedeuten:

L

쐌 CID (carpal instability dissociative), 쐌 CIND (carpal instabilly non dissociative), 쐌 CIC (carpal instability complex).

S

S

a

R

R

b L

L

S

S

c

R

d

dorsal

e

R

palmar

Bei CID sind Os scaphoideum und Os lunatum bzw. Os lunatum und Os triquetrum untereinander verschoben, bei CIND ist die Artikulation zwischen den beiden Handwurzelreihen gestört. Während CID und CIND chronischen Veränderungen entsprechen, sind CIC und axiale Gefügestörungen Folge akuter Handwurzellluxationen oder -luxationsfrakturen. Auf die deskriptiven Akronyme DISI und PISI wurde bereits eingegangen (S. 108). Sie beschreiben die pathologische Anordnung des Os lunatum innerhalb der proximalen Handwurzelreihe im Rahmen der Zickzackdeformität (Radiusachse, Os-lunatum-Achse, Os-capitatum-Os-metacarpale-III-Achse, Abb. 2.161 e u. f). Das Os lunatum wird dabei als zwischengeschaltetes (intercalated) Knochenelement beschrieben. Solche Instabilitäten lassen sich nur mit einer sehr subtilen Röntgendiagnostik erfassen, wozu Aufnahmen des Handgelenks in 2 Ebenen in Neutralstellung und dorsopalmare Stressaufnahmen mit maximaler Radial- und Ulnaduktion und seitliche Stressaufnahmen mit maximaler Flexion und Extension gehören. In Abb. 2.161 sind die geometrischen Verhältnisse bei skapholunärer Dissoziation, lunotriquetraler Dissoziation und radiokarpaler Gefügestörung im Seitbild schematisch dargestellt. Grundsätzlich gilt für das dorsopalmare Bild, dass eine Unterbrechung der Karpalbögen immer suspekt auf eine karpale Gefügestörung ist. Weitere suspekte Zeichen sind die Dreiecksform des Os lunatum (s. oben) und nicht parallel zueinander verlaufende knöcherne Gelenkkonturen. Die konventionelle Röntgendiagnostik der skapholunären Dissoziation ist nur bei der statischen Form ergiebig. Wichtige Röntgenzeichen sind: 쐌 Erweiterung des skapholunären Gelenkspalts auf mehr als 3 mm (fraglicher Befund zwischen 2 und 3 mm mit Seitenvergleich (Abb. 2.162). Der Befund lässt sich am besten mit der Moneim-Einstellung erfassen (leichte Ulnaelevation durch gebeugten Klein- und Ringfinger bei Lagerung der Handfläche auf der Kassette, senkrechte Zentrierung zur Kassette auf Mitte des Radiokarpalgelenks). 쐌 Palmarflexion des Skaphoids im dorsopalmaren Bild. Der distale Pol des Skaphoids projiziert sich ringförmig (sog. Ringzeichen). Die Kahnbeinlänge ist dadurch verkürzt. Die Distanz zwischen Ringfigur zum proximalen Pol liegt unter 7 mm. Im Seitbild ist der radioskaphoidale Winkel größer als 60⬚.

f

Abb. 2.161 a – f Zum Problem karpaler Gefügestörungen: a – d Die Längsachsen sind durch Radius, Os lunatum und das Os scaphoideum eingezeichnet. In Abb. a Normalbefund mit skapholunärem Winkel von 45⬚. In Abb. b skapholunäre Dissoziation durch Drehung des Os scaphoideum nach palmar und des Os lunatum nach dorsal mit skapholunärem Winkel von 96⬚. In Abb. c typische Situation bei lunotriquetraler Dissoziation. Das Os scaphoideum und das Os lunatum sind gemeinsam in Flexion gegangen. Der skapholunäre Winkel ist normal, aber der radiolunäre Winkel auf 24⬚ und der radioskaphoidale Winkel auf 78⬚ erhöht. In Abb. d radiokarpale Gefügestörung nach distaler Radiusfraktur. Verheilung in Dorsalfehlstellung. Dadurch drehen Os scaphoideum und Os lunatum gemeinsam

nach dorsal. Der radiolunäre Winkel beträgt 22⬚, der radioskaphoidale Winkel 37⬚ (nach Schmitt u. Lanz). e, f Schematische Darstellungen einer DISI- (e) und PISI(f)Konfiguration. Bei der DISI-Fehlstellung geht das Os lunatum als zwischengeschalteter („intercalated“) Knochen in Dorsalflexion, bei der PISI-Konfiguration in Palmarflexion. DISI Dorsi-Flexed Intercalated Segment Instability L Os lunatum PISI Palmar-Flexed Intercalated Segment Instability R Radius S Os scaphoideum

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b a Abb. 2.162 a – d Skapholunäre Dissoziation mit DISI-Konfiguration. Radiolunärer Winkel 20⬚, skapholunärer Winkel 74⬚, kapitolunärer Winkel 0⬚ (Tab. 2.17). In Abb. b u. c Stressauf쐌 Dorsalextension des Os lunatum (DISI). Diese Fehlstellung tritt erst bei fortgeschrittenen Stadien auf, wobei man im dorsopalmaren Bild die bereits erwähnte Dreiecksform des Os lunatum erkennt, im Seitbild der radioulnare Winkel größer als 15⬚ und der skapholunäre Winkel größer als 60⬚ sind. Bei unergiebiger konventionell-radiographischer Diagnostik sollten Kinematographie, Arthrographie und/oder MRT eingesetzt werden. Bei der lunotriquetralen Dissoziation findet sich das Os lunatum im Sinne einer PISI-Konfiguration nach palmar zu gedreht. Dieser Befund lässt allerdings eine Differenzierung zwischen der lunotriquetralen Dissoziation (CID-PISI) und der hamatotriquetralen Gefügestörung (CIND-PISI) nicht zu. Der lunotriquetralen Dissoziation geht eine Ruptur des Lig. lunotriquetrum voraus, zusätzlich können vor allem bei stärkeren Instabilitäten benachbarte extrensische Bänder betroffen sein. Die konventionelle Röntgendiagnostik weist folgende Befunde auf (Abb. 2.161 c): 쐌 Skaphoid und Os lunatum zeigen eine gemeinsame Palmarflexion (PISI), wobei sich im Dorsopalmarbild eine Dreieckform des Os lunatum und im Seitbild ein verkleinerter radiolunärer Winkel von weniger als 15⬚ sowie ein erweiterter radioskaphoidaler Winkel von mehr als 60⬚ ergeben. 쐌 Das Os triquetrum zeigt eine Dorsalextension, wobei sich im Seitbild ein lunotriquetraler Winkel kleiner als 15⬚ und im Dorsopalmarbild eine tiefe Position des Os triquetrum nahe des proximalen Os-hamatum-Pols ergibt. Im fortgeschrittenen chronischen Stadium der lunotriquetralen Dissoziation findet sich eine Arthrose zwischen Os lunatum und Os triquetrum und Os hamatum und Os triquetrum. Bei der radiokarpalen Gefügestörung kommt es durch Zerreißung der das Radiokarpalgelenk stabilisierenden Ligamente (RSL, RLT, RSC, TFCC, RTD, S. 106 u. 112) zu einer Instabilität der proximalen Handwurzelreihe, die konsekutiv – infolge der Neigung der Radiusgelenkfläche – im Ganzen nach ulnar verschoben wird oder nach dorsal rotiert. Äußerlich sieht man eine bajonettartige Verformung des Handgelenks. Im Röntgenbild findet sich unter den

c

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d nahmen mit deutlicher Verschiebung des Skaphoids. Beachte in Abb. a u. b das sog. Ringzeichen (S. 130).

Konditionen einer mit Einstauchung und nach dorsal abgekippten Radiusfraktur eine Dorsalrotation der gesamten proximalen Handwurzelreihe und eine Flexionsstellung im Mediokarpalgelenk im Sinne einer Zickzackdeformität. Im distalen Radioulnargelenk besteht eine axiale Subluxation und ein Impingement der distalen Ulna am Os triquetrum. Die DISI-Fehlstellung betrifft den gesamten Karpus (Abb. 2.161 e). Bei der ulnaren Translokation driftet die gesamte Handwurzel nach ulnar. Zwischen Skaphoid und Processus styloideus radii kommt es zu einer Distanzerhöhung von mehr 2 mm (radioskaphoidale Diastase). Gleichzeitig kommt es zu einer reduzierten Deckung zwischen den Gelenkflächen von Radius und Ulna. Das Ausmaß der Verschiebung kann nach Chamay und nach McMurtry gemessen werden (Abb. 2.139). Gelegentlich verändert aber das Skaphoid seine Position nicht, wodurch bei Translation der restlichen Handwurzel nach ulnar eine symptomatische skapholunäre Dissoziation entsteht. Bei der mediokarpalen Gefügestörung liegt eine dynamische Instabilität bei Abduktionsbewegungen im Radiokarpalgelenk mit passagerer Verschiebung der Artikulationsflächen der beiden Handwurzelreihen vor. Dieser Befund lässt sich eigentlich nur mit der Kinematographie dokumentieren. Am Ende dieses Kapitels über traumatische Veränderungen im Karpus mit oft diskreter Röntgensymptomatik (sog. Grenzbefunde zum Pathologischen) soll noch kurz zu karpometakarpalen Luxationen und Luxationsfrakturen Stellung genommen werden. Diese Traumata können einzelne oder mehrere Gelenke betreffen. Bevorzugt ist aber grundsätzlich der Kleinfinger und eine dorsale Dislokation. Die konventionelle Röntgensymptomatik kann verhältnismäßig unergiebig sein, weshalb man bei solch einem Verdacht früh die CT einsetzen sollte. Die in Abb. 2.136 b dargestellte M-förmige Linie der Gelenkspalten kann bei der konventionellen Diagnostik als Hilfslinie eingesetzt werden. Bei spontanen Repositionen oder überhaupt bei fehlenden Dislokationen muss man bei Nachweis isolierter knöcherner Elemente im mittleren Karpometakarpalbereich differentialdiagnostisch an das Carpal Bossing (S. 140) sowie an akzessorische Knochenelemente, z. B. an das Os capitatum secundarium, denken.

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Nekrose? Im Karpus werden im Vergleich zum übrigen Handskelett verhältnismäßig häufig Nekrosen beobachtet, zumeist posttraumatisch, vor allem am Os lunatum. Auf diese spezielle Problematik wird auf S. 169 f. näher eingegangen. Grundsätzlich muss ein verdichteter und zerbröckelter Handwurzelknochen verdächtig auf eine Nekrose ein. Vorsicht ist dabei allerdings im Wachstumsalter geboten. Wie oben bereits erwähnt, gibt es nichtnekrotische punktierte und bröckelige Handwurzelkerne, z. B. bei der Chondodysplasia punctata Conradi-Hünermann oder auch bei anderen komplexen epiphysären enchondralen Ossifikationsstörungen.

a

Entzündung? Dadurch, dass vor allem das mediokarpale Gelenkkompartiment starke Kommunikationen einzelner Handwurzelknochen untereinander und zu den karpo- und intermetakarpalen Gelenkräumen besitzt (Abb. 2.140), können sich bakterielle Infektionen eines einzelnen Gelenks rasch über den gesamten Karpus ausbreiten und bei Nichttherapie sehr früh zu Destruktionen mit konsekutiven Ankylosierungen führen (Abb. 2.163). Auch sympatische (mitleidende) Arthritiden, z. B. als Folge eines Osteoidosteoms an einem Handwurzelknochen (Abb. 2.164) involvieren sehr früh alle benachbarten Gelenke.

Abb. 2.163 a – c Typische Karpalarthritiden: a Abgelaufene Gonokokkenarthritis im Karpus mit weitgehend zerstörten Gelenken und beginnenden Ankylosierungen. Beachte, dass der gesamte mediokarpale Gelenkraum und auch die damit offensichtlich kommunizierenden Karpometakarpalgelenke involviert sind. b Typische tuberkulöse Karpalarthritis mit zystoiden Knochendefekten, vor allem im distalen Radius, im Skaphoid und deutliche Erosionen an den Gelenkkonturen, insbesondere des Skaphoids. Die Bänder zwischen Radius und Ulna und zwischen Skaphoid und Os lunatum sind zerstört, dadurch Spalterweiterungen mit karpaler Instabilität. Dieser Fall zeigt, dass sich die Karpalarthritis, die möglicherweise vom mediokarpalen Gelenkkompartiment ausgegangen ist, auch in das radiokarpale und ulnokarpale Kompartiment und in die benachbarten Karpometakarpal- und Intermetakarpalgelenke ausgebreitet hat. c Schwerste tuberkulöse Radiokarpal-, Interkarpal- und Karpometakarpalarthritis mit subtotaler Zerstörung aller beteiligten Knochenstrukturen und erheblicher Höhenminderung des Karpus. Auch dieser Fall zeigt, dass sich Gelenkinfektionen im Karpus rasch auf mehrere Kompartimente ausbreiten können.

b

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Schließlich sei auf systemische Gelenkprozesse wie die rheumatoide Arthritis oder die Psoriasisarthritis verwiesen, die Teile des Karpus oder den ganzen Karpus befallen können. Differentialdiagnostisch sollten entzündlich-erosive und destruktive Veränderungen am Karpus von physiologischen Kerben und Mulden (Abb. 2.146) unterschieden werden: Erosionen zerstören die subchondrale Grenzlamelle und Anteile der benachbarten Spongiosa und legen den Rest der Spongiosa bloß, Kerben haben eine kortikale Abdeckelung. Bei entzündlichen Gelenkprozessen entsteht in der Regel eine Begleitosteoporose. Bei entzündlichen Ankylosierungen stellt sich die Differentialdiagnose zu angeborenen Synostosen. Schwierig ist die Differentialdiagnose gegenüber angeborenen Veränderungen, wenn sich durch frühkindliche Karpalarthritiden Handwurzelknochen hypoplastisch entwickeln und postentzündliche Ankylosierungen bestehen.

Tumor? Die Differentialdiagnose umschriebener osteolytischer Veränderungen am Handskelett, insbesondere am Karpus, ergibt sich aus der Tab. 2.7. In der Abb. 2.76 sind gröbere karpale „Zysten“ bei β2-Mikroglobulin-Einlagerungen nach Langzeitdialysebehandlung dargestellt. Diesen zystischen Veränderungen begegnet man neben sog. idiopathischen Handzysten am häufigsten im Karpalgebiet. Des Weiteren werdenimKarpusnebeneinfachenChondromen(gelegentlich mit Knorpelverkalkung) am häufigsten subchondrale synoviale Zysten (Abb. 2.80 u. 2.165) gefunden.

Abb. 2.165 a – d Eingebrochenes intraossäres Ganglion. Klinisch äußerst schmerzhaft (36-jährige Frau). Im Übersichtsbild Strukturauslöschungen im mittleren und proximalen Skaphoid, korrespondierend mit den Defekten im CTBild (c, d). Durch den Kortikaliseinbruch über dem Ganglion ist es zu reparativen Vorgängen gekommen, die die massive Anreicherung im Szintigramm (b) erklären.

Abb. 2.164 Osteoidosteom im Os capitatum. Der Nidus ist fast vollständig ossifiziert. Erhebliche Entkalkung aller den Karpus umgebenden gelenknahen Knochenabschnitte und aller Karpalia, wohl durch sympathische Arthritis. Klinisch Schwellung und Schmerzen im Karpalbereich.

a

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Osteoidosteome (Abb. 2.164 u. 2.248) und Osteoblastome kommen selten im Karpus vor, noch seltener maligne Knochentumoren, wie zum Beispiel das Osteosarkom oder Chondrosarkom (Freyschmidt u. Mitarb. 1998). In diesem Zusammenhang soll noch einmal darauf hingewiesen werden, dass technisch schlechte Aufnahmen des Karpus physiologische Kerben und Mulden, also Regionen mit wenig Strahlenabsorption, aggravierend zur Darstellung bringen können, da die vorhandene rare Spongiosa einfach nicht zur Darstellung kommt. Dadurch sind Fehleinschätzungen mit der Konsequenz unnötiger Folgeuntersuchungen mit aufwendigen bildgebenden Verfahren möglich (Abb. 2.147).

Sonstige Veränderungen? Verkalkungen des Discus triangularis ulnae (Abb. 2.70) müssen bei alten Menschen keine pathologische Bedeutung haben, während sie bei jüngeren Menschen (unter 50 – 60 Jahren) immer als pathologisch zu bewerten sind (z. B. posttraumatisch mit Knorpelnekrose, Chondrokalzinose usw.).

Spezieller Teil Os trapezium Normalbefund Im Wachstum Früher wurde das Os trapezium als Os multangulum majus bezeichnet. Der erste Ossifikationskern erscheint im 5. Lebensjahr, manchmal auch etwas früher. Doppelte Kernanlagen sind möglich. Passager dichtere Kernanlagen besitzen – insbesondere bei fehlender Klinik – keinen Krankheitswert (Abb. 2.183).

Im Erwachsenenalter Der voll entwickelte Knochen hat die Form eines Pentagons. Seine distale Gelenkfläche ist sattelförmig, das Os metacarpale I „reitet“ darauf. Giebelförmig ragt es zwischen die Basen von Os metacarpale I und II vor. Proximal besitzt das Os trapezium Gelenkflächen zum Skaphoid und zum Os trapezoideum. Palmar findet sich an der Radialseite des Os trapezium ein Tuberculum ossis trapezii, abgesetzt von der Hauptmasse des Os trapezium durch eine Rinne für die Sehne des M. flexor carpi radialis (Abb. 2.166, s. auch CT-Schnitte in Abb. 2.143).

Es gibt eine Spezialprojektion des Os trapezium: 쐌 Lagerung des abduzierten Daumens seitlich auf der Kassette, Mittelhand und Finger werden mit einem Keil unterpolstert. 쐌 Der Zentralstrahl verläuft senkrecht zur Kassette und ist auf das radiale Drittel der Handwurzel zentriert. 쐌 Die beiden Sesambeine des Metakarpophalangealgelenks I müssen sich übereinander projizieren. Diese Projektion empfiehlt sich bei Verdacht auf Os-trapezium-, Bennett- und Rolando-Fraktur. Eine verhältnismäßig gute Freiprojektion des Os trapezium gelingt auch, wenn die Dorsalseite des Daumens der Kassette aufliegt.

Variante oder Fehlbildung/Deformität? Es gibt Formvarianten des Os trapezium, die keine Bedeutung haben, solange sie nicht das Gefüge stören. Synostosen mit Os metacarpale I, mit dem Skaphoid und Os trapezoideum kommen als Variante vor (Abb. 2.167). Auch eine familiäre Häufung solcher Synostosen ist bekannt. Eine späte Ossifikation des Skaphoids und des Os trapezium im 5. und 6. Lebensjahr soll ein Vorstadium der Synostose sein. Synostosen und knöcherne Brücken zwischen Os trapezium, Os trapezoideum und Os capitatum können allerdings auch vorgetäuscht werden (Abb. 2.167 c). Dies wird vor allem vorstellbar, wenn man sich anhand der CT-Schnitte in Abb. 2.143 in der 4. Bildreihe eine nur leichte Schrägprojektion simuliert.

Fraktur oder Luxation?

Abb. 2.166

Tuberculum ossis trapezii.

Das Trapziometakarpalgelenk (TMC), auch als Daumengelenk oder Daumensattelgelenk bezeichnet, erlaubt auf Grund des oben beschriebenen Aufbaus eine maximale Beweglichkeit, wozu nicht nur Flexion und Extension sowie Abduktion und Adduktion, sondern auch eine axiale Rotation gehören. Diese starke Beweglichkeit in vielen Richtungen birgt natürlich auch die Gefahr einer Instabilität in

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Handwurzel

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Abb. 2.167 a – c Synostose: a, b Synostose zwischen Os trapezium, Os trapezoideum und Os scaphoideum. c Keine Synostose, Summationseffekt.

a

c

b

sich, insbesondere bei sog. schlaffen Bändern (Abb. 2.168). Besonders bei Stressaufnahmen lässt sich dabei leicht eine Subluxation provozieren. Dieses Phänomen muss aber nicht unbedingt Krankheitswert haben, man kann es noch als Normvariante auffassen. Bestehen allerdings vor allem bei Frauen in der Menopause oder Postmenopause Beschwerden im Daumensattelgelenk, und lässt sich eine Subluxation nachweisen, dann weist das mit einiger Wahrscheinlichkeit auf einen beginnenden degenerativen Prozess hin, in dessen Folge es dann allmählich zu einer zunehmenden Spaltverschmälerung, zu einer Gelenkinkongruenz, zu subchondralen Sklerosen und paraartikulären Ossifikationen kommt (zur Daumensattelgelenkarthrose s. auch Cooke u. Mitarb. 1995; Abb. 2.180 u. 2.181). Frakturen des Os trapezium entstehen zumeist durch eine starke axiale Krafteinwirkung auf den Daumen, vor allem bei Sturz auf die extendierte Hand. Dadurch kann das Os trapezium regelrecht längsgespalten werden. Die Stauchung des Os trapezium kann über das Skaphoid nach proximal übertragen werden, wodurch kombinierte Verletzungen mit Skaphoid-, Processus-styloideus-radii-Frakturen möglich sind. Man unterscheidet grundsätzlich folgende Frakturen: 쐌 Frakturen des Os-trapezium-Körpers mit Vertikal- und Horizontalfrakturen, 쐌 Frakturen des Tuberculum ossis trapezii, 쐌 Abrissfrakturen dorsoulnarseitig oder radialseitig. Eine Berstungsfraktur ist in der Abb. 2.169 dargestellt. Von Interesse in dieser Monographie ist aber mehr die Differentialdiagnose von Abrissfrakturen (avulsion fractures) gegenüber akzessorischen Knochenelementen primärer und sekundärer Art. Die gesamte Palette von „akzessorischen“ Knochenelementen (Paratrapezium, Trapezium secundarium, Trapezoides secundarium), paraartikulären regressiven Ossifikationen und Kapselosteomen ist in den Abb. 2.170 – 2.181 dargestellt. Paraartikuläre Ossifikationen bei gleichzeitig im TMCGelenk bestehender Arthrose (sog. Rhizarthrose, Daumensattelgelenkarthrose) können erstaunliche Größen erreichen, sie sind verhältnismäßig leicht als solche anzusprechen, wenn man den arthrotischen Prozess im benachbarten Gelenk berücksichtigt. Klinisch kann man solche Verknöcherungen gelegentlich tasten. Bei zahlreichen Verknöcherungen, vor allem neben dem Gelenk zwischen Os trapezium und Os scaphoideum, wird man kaum zwischen einem Epitrapezium oder einer Bursaverkalkung unterscheiden können, es sei denn, man klärt symptomatische Befunde mit der CT weiter ab. Mit dieser Methode lässt sich die topographische Beziehung einer solchen Verknöcherung solider herstellen. Wie schon auf S. 119 im Zusammenhang mit der Besprechung der Abb. 2.150 erörtert,

Abb. 2.168 Subluxation im Daumensattelgelenk bei schlaffen Bändern. Bei der sonst gesunden Frau waren z. B. auch die proximalen Interphalangealgelenke überstreckbar (Abb. 2.99 c). Abb. 2.169 Berstungsfraktur im Os trapezium.

sollte man bei forensischen Fragen und bei der Frage, ob ein Röntgenbefund zu einer bestimmten Klinik passt, auch die Skelettszintigraphie einsetzen. Ein negativer szintigraphischer Befund etwa 3 – 4 Tage nach einem Trauma weist immer auf eine harm- oder belanglose Verknöcherung hin. Auch die MRT kann in diesem Zusammenhang nützlich sein (Ödemnachweis!).

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2 Arm

a

a

b

b

Abb. 2.170 a, b Dem Os trapezium angelagertes akzessorisches Knochenelement als Zufallsbeobachtung, möglicherweise einem Trapezium secundarium entsprechend (Pfeile). Bei den Aufnahmen handelt es sich um konventionelle Schichtaufnahmen.

Abb. 2.173 a, b Kleine Knochenelemente zwischen Os trapezium und Os scaphoideum ohne nähere Zuordnungsmöglichkeiten (Pfeile) (UBE = unknown bony element).

Abb. 2.171

Abb. 2.174 Bei dem kleinen Knochenelement zwischen Os trapezium und Os metacarpale I kann es sich sowohl um eine alte Ausrissfraktur als auch um ein Paratrapezium handeln.

Trapezium secundarium. Zufallsbeobachtung.

Abb. 2.172 Pfitzner.

Schema von

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Handwurzel

c

b

a

Abb. 2.175 a – c UBE (unknown bony element) in der Region zwischen Os trapezium und Skaphoid: a Bei dieser Abbildung könnte es sich um einen kleinen älteren Ausriss handeln, denn dieses Element passt gut in die gegenüberliegende Mulde vom Os trapezium (Pfeil).

137

b In dieser Abbildung sprechen die amorphe Binnenstruktur und die Multiplizität für heterotope Verkalkungen (Pfeile). c Auch in dieser Abbildung könnte die eher amorphe Mineralisierung für einen heterotopen Prozess sprechen (Pfeil).

Abb. 2.176 Relativ amorphe Verkalkung, wahrscheinlich einer Bursaverkalkung entsprechend (Pfeil).

a

b

Abb. 2.179 a, b Schwere Heberden-Arthrose mit dystrophen Verkalkungen im paraartikulären Gleitgewebe. Bei den isolierten Elementen kann es sich auch um abgebrochene Randosteophyten handeln (Pfeil).

Abb. 2.177

Abb. 2.178 Abb. 2.177 Relativ gut strukturiertes akzessorisches Knochenelement, möglicherweise einem Osteom in der Gelenkkapsel entsprechend (Pfeil). Klinisch asymptomatisch. Abb. 2.178 Deutliche Rhizarthrose mit Verknöcherung in dem paraartikulären Gleitgewebe, ähnlich wie man das auch z. B. bei der Heberden-Arthrose sieht (Pfeil).

Abb. 2.180 Rhizarthrose. Radialseitig deutlicher Osteophyt (Pfeil), ulnarseitig entweder abgebrochener Osteophyt oder strukturierte Verknöcherung im paraartikulären Gleitgewebe (Doppelpfeil).

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2 Arm

Nekrose? Im Wachstumsalter stellt sich bei dichtem und irregulär verkalkten Kern des Os trapezium die Differentialdiagnose zur Nekrose. Bei klinischer Beschwerdefreiheit kommt Befunden, wie in der Abb. 2.183 dargestellt, keine Bedeutung zu. Posttraumatische Nekrosen sind am Os trapezium wie bei allen anderen Handwurzelknochen zu erwarten, aber bisher selten beschrieben. Ein solcher Fall ist in der Abb. 2.182 dargestellt.

Abb. 2.181 Schwere Rhizarthrose mit isoliertem Knochenelement direkt neben einem starken Osteophyten, möglicherweise einem Abbruch aus dem Osteophyten oder einer unspezifischen Verknöcherung im paraartikulären Gleitgewebe entsprechend (Pfeil). Beachte auch die feinen paraartikulären Verknöcherungen auf der Radialseite.  Abb. 2.182 Posttraumatische Nekrose des distalen Fragments des Os trapezium bei starker regressiver „zystischer“ Transformation des proximalen Fragments.

Abb. 2.183 a, b Ziemlich dichter Kern des Os trapezium, einer Variante in der Ossifikation und keiner Nekrose entsprechend. Zufallsbefund. 

a

b

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Handwurzel

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Tumor? Grobe eingebrochene Geoden bei Rhizarthrose (Abb. 2.184) können eine tumoröse Destruktion vortäuschen. Echte tumoröse Läsionen im Os trapezium sind selten (Abb. 2.184 b), gelegentlich können sie auch von tumorösen Formationen der Sehnenscheiden herrühren (Abb. 2.184 c).

Os trapezoideum Normalbefund Das Os trapezoideum wurde früher auch als Os multangulum minus oder als kleines Vieleckbein bezeichnet.

Im Wachstum

a

Der Ossifikationskern des Os trapezoideum erscheint fast gleichzeitig mit dem des Os trapezium, also auch im 5. Lebensjahr.

Im Erwachsenenalter Von der Form her ist das Os trapezoideum nur etwas kleiner als das Os trapezium, dorsal ist es breiter als palmar und damit eher keilförmig angeordnet. Es artikuliert mit dem Os trapezium, dem Os capitatum und dem Os metacarpale II, gelegentlich mit dem Os scaphoideum.

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität?

b

Synostosen als Normvariante gibt es zwischen Os trapezoideum und Os capitatum (Neiss 1955, Buysch u. Drewese 1971). Eine solche Koalition ist aber genauso selten wie diejenige, die mit dem Os metacarpale II beschrieben wurde (Leger 1955, Seibert-Daiker 1975). Diese Koalitionen sind zumeist doppelseitig. Als weitere Variante muss eine Teilung des Os trapezoideum in eine palmare und eine dorsale Hälfte aufgefasst werden, u. a. von Pfitzner (1900) beschrieben.

Abb. 2.184 a – c „Tumoröse“ Läsionen im Os trapezium: a Große eingebrochene Geode im Os trapezium bei Rhizarthrose. b Strukturauslöschung im Os trapezium mit Perforation der proximalen Kortikalis an umschriebener Stelle bei Metastase eines Bronchialkarzinoms. c Noduläre Synovitis der Sehnenscheide mit Arrosion der radialseitigen Basis von Os metacarpale II und der gegenüberliegenden Partien vom Os trapezium. Die Beteiligung beider Knochen weist primär auf das Epizentrum der tumorösen Destruktion in den Weichteilen hin. Klinisch äußerst schmerzhaft.

c

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2 Arm

Fraktur oder Luxation? Frakturen des Os trapezoideum sind selten, da dieser Knochen offensichtlich sehr geschützt liegt. Wie beim Os trapezium kommen als wesentliche Ursachen axiale Stauchungstraumen des Zeigefingers infrage. Man unterscheidet 2 wesentliche Typen der Trapezoidfrakturen: 쐌 Vertikalfraktur, 쐌 osteoligamentäre Abrissfraktur. Bei der Diagnostik erweisen sich Stressaufnahmen als sinnvoll, da damit gleichzeitig Kapsel- und Bandbegleitverletzungen nachgewiesen werden können. Wenn klinisch der dringende Verdacht auf eine Trapezoidfraktur besteht, und das Röntgenbild negativ ist, sollte man stets früh die CT einsetzen. Die wesentliche Differentialdiagnose gegenüber einer Vertikal- oder Abrissfraktur stellen akzessorische Knochenelemente dar. Das Bekannteste ist das Os styloideum, das zwischen Os trapezoideum, Os capitatum und den Ossa metacarpalia II und III gelegen ist (Abb. 2.185, 2.186 u. 2.198 e – h). Gelegentlich ist das Os styloideum mit Koalitionen zu den Ossa metacarpalia II und III kombiniert. Das Os styloideum lässt sich am besten im Profilbild bei 30⬚ Supination und ulnarer Deviation des Handgelenks darstellen. Man kann dieses Knochenelement auch äußerlich tasten, und zwar an der dorsalseitigen Höhe der Basis des 2. und 3. Mittelhandknochens im Anschluss an Os capitatum und Os trapezoideum. Die Abgrenzung von einem Carpal Bossing, auch als Handwurzelhöcker oder Carpe Bossu (Foille 1931) bezeichnet, ist schwer. Beim Carpal Bossing handelt

es sich um einen regressiven Prozess im Sinne einer produktiven Fibroostose, der von den Ossa metacarpalia II und/oder III ausgeht und dem Os trapezoideum, Os capitatum und/oder Os hamatum dorsalseitig anliegt (Abb. 2.187 u. 2.198 a – d). Zumeist ist das Carpal Bossing asymptomatisch, es können jedoch auch Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung auftreten, wahrscheinlich durch sekundäre entzündliche Veränderungen des benachbarten Gleitgewebes. Eine Assoziation des Carpal Bossing mit einem zusätzlichen Os styloideum ist möglich. Betrachtet man den Begriff des Carpal Bossing aus rein klinischer Sicht, dann kann diesem Phänomen grundsätzlich auch allein ein Os styloideum zugrunde liegen. Als weitere akzessorische Knochenelemente in der unmittelbaren Nachbarschaft vom Os styloideum wurden von Pfitzner die Ossa meta- und parastyloidea beschrieben. Radiologisch ist eine Unterscheidung vom Os styloideum nicht möglich. Des Weiteren ist noch ein Trapezoides secundarium zu nennen, das von Pfitzner beschrieben wurde (Abb. 2.188). Dieses Element ist sicherlich kaum vom Trapezium secundarium zu unterscheiden (Abb. 2.150). Unseres Erachtens ist es nicht notwendig, diese einzelnen Knochenelemente mit genaueren anatomischen Namen zu belegen, entscheidend ist die Differenzierung von einem möglichen Abrissfragment. In den Abb. 2.189 – 2.191 sind einige solcher kleiner akzessorischer Knochenelemente (UBE oder NAKE, S. 120) dargestellt.

a

b Abb. 2.185 a, b Os styloideum: a Verhältnismäßig großes Os styloideum (Pfeil). b Nur rudimentär ausgebildetes Os styloideum (Pfeil).

Abb. 2.186

Os styloideum (Pfeile).

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Handwurzel

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Abb. 2.187 a, b Knochenwülste an den Rändern der Karpometakarpalgelenke II/III (carpal bossing).

a

b

Abb. 2.189 Trapezoides secundarium (Pfeil)?

Abb. 2.188

Schema von Pfitzner.

Abb. 2.190 Verhältnismäßig großes, wohlstrukturiertes akzessorisches Knochenelement, wahrscheinlich Trapzeoides secundarium (Pfeil).

Abb. 2.191 darium.

Trapezoides secundarium oder Trapezium secun-

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2 Arm

In der Abb. 2.192 wird ein kleines Kapselosteom oder ein abgerissener Osteophyt bei Rhizarthrose als Differentialdiagnose zum Os trapezoides secundarium bzw. trapezium secundarium präsentiert. Es wird wiederum darauf hingewiesen, dass bei klinischer Symptomatik in der Region eines solchen Knochenelements eine bessere Zuordnung mit der Szintigraphie herbeigeführt werden kann, die im Fall eines akzessorischen Knochenelements zumeist negativ ist (es sei denn, dieses Element ist traumatisch disloziert). Auch hilft die CT in der räumlichen Zuordnung weiter. Luxationen des Os trapezoideum sind selten. Sie kommen nach Ruptur des dorsalen Bandapparats mit Verlagerung des Os trapezoideum nach dorsal, seltener nach palmar (Goodman u. Shankman 1983, Kopp 1985) vor und können – noch seltener – mit Dislokationen des Zeigefingers einhergehen (Dunkerton u. Singer 1985). Zu den Differentialdiagnosen Nekrose, Entzündung und Tumor gibt es beim Os trapezoideum keine Besonderheiten (s. unter Os trapezium).

Abb. 2.192 Rhizarthrose mit solider Verknöcherung im Kapselbereich bzw. im paraartikulären Gleitgewebe, kein akzessorisches Knochenelement.

Os capitatum Normalbefund Im Wachstum Der Knochenkern des Os capitatum wird röntgenologisch schon in den ersten Lebensmonaten sichtbar (im Durchschnitt nach 3 Monaten). Irreguläre Konturen und leichte Verdichtungen haben bei fehlender klinischer Symptomatik (also als Zufallsbefund bei Röntgenaufnahmen aus anderem Grund) keine Bedeutung.

Abb. 2.193 Varianter Höcker am Os capitatum (Doppelpfeil). Der Pfeil weist auf ein akzessorisches Knochenelement hin.

Im Erwachsenenalter Das Os capitatum ist in den proximalen Partien dorsoradialseitig eher rundlich gestaltet, weiter distal zeigt es nach palmar zu eine Art von Prozessus (Abb. 2.143). Im Dorsopalmarbild sieht man in Höhe des Gelenkspalts zwischen Os scaphoideum und Os trapezoideum radialseitig eine Mulde, die sich leicht aus der räumlichen Konfiguration des in Abb. 2.143 dargestellten CT (9. und 10. Bild) erklärt. Bei schlechter Aufnahmetechnik wird dadurch eine Osteolyse vorgetäuscht (Abb. 2.147). Ulnarseitig sieht man in gleicher Höhe gelegentlich einen kleinen Höcker mit korrespondierender kleiner Mulde am Os hamatum (Abb. 2.193).

Pathologischer Befund?

Abb. 2.194 Klassische Koalition von Os capitatum mit Os hamatum bei sonst gesundem und asymptomatischem Patienten. Die radioulnare Dissoziation ist traumabedingt.

Variante oder Fehlbildung/Deformität? Synostosen bzw. Koalitionen zwischen dem Os capitatum einerseits und dem Os hamatum andererseits sind die häufigsten Handknochenkoalitionen nach den Os-triquetrumOs-lunatum-Synostosen (Abb. 2.194).

Solche Synostosen können allerdings auch leicht bei einer etwas verkippten Projektion vorgetäuscht werden.

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Handwurzel

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Zweiteilungen des Os capitatum sind beschrieben worden (Os capitatum bipartium; Ross 1954, Viehweger 1956). Wie bereits im einleitenden Kapitel zum Karpus erwähnt, sind Koalitionen und Zweiteilungen in der Regel asymptomatisch und überwiegend ohne jegliche andere Skelettabnormalitäten anzutreffen, was ihre Einordnung als reine Variante zulässt.

Fraktur oder Luxation? Längs- und Querfrakturen des Os capitatum (Abb. 2.197 b u. c) sind zumeist Folge eines Hyperextensionstraumas, häufiger kombiniert mit einem Abriss des Os-lunatumHorns und einer Os-lunatum-Kompressionsfraktur und/ oder einem dorsalem Radiusrandbruch. Demgegenüber ist das sog. Os-scaphoideum-Os-capitatum-Fraktur-Syndrom mit Drehung eines Os-capitatum-Halsfragments um 180⬚ sehr selten (wahrscheinlich Variante der de-Quervain-Verletzung mit transkapitalem Frakturverlauf und spontaner Reposition). Auf Zweiteilungen des Os capitatum (als Differentialdiagnose zur Fraktur) wurde im Kapitel „Variante, Fehlbildung/Deformität“ hingewiesen. Die wichtigste Differentialdiagnose gegenüber Frakturen stellt ein kleines Akzessorium zwischen Os metacarpale III und IV, Os hamatum und Os capitatum dar. Es wird als Capitatum secundarium bezeichnet (Abb. 2.195). Mehr aus akademischem Interesse wird auf ein anatomisch bekanntes weiteres Akzessorium, nämlich das Ossiculum Gruberi verwiesen, das eine ähnliche Lokalisation wie das Capitulum secundarium hat, aber wesentlich kleiner sein soll (Abb. 2.196). Auf das Carpal Bossing, das von den Ossa metacarpalia II und/oder III ausgeht und genauso gut dorsal vom Os capitatum liegen kann, wurde bereits im Kapitel über das Os trapezoideum eingegangen (Abb. 2.198).

Nekrose? Idiopathische und posttraumatische Nekrosen des Os capitatum sind beschrieben worden, auch bilateral auftretend (Rahme 1983, Bolton-Maggs u. Mitarb. 1984, James u. Burke 1984). Offensichtlich gibt es kritische Perfusionszonen im Os capitatum, ähnlich wie im Os scaphoideum und Os lunatum. Die Nekrosen treten zumeist im „Kopfteil“ des Os capitatum auf. Typische radiologische Symptome sind irreguläre Strukturverdichtungen und Aufhellungen, später Fragmentationen usw.

a

b Abb. 2.195 a, b Akzessoria in der Nähe des Os capitatum. Bei beiden Elementen dürfte es sich um ein sog. Capitatum secundarium handeln.

Kleine zystenähnliche Aufhellungen im Os capitatum können idopathischen Knochenzysten auf dem Boden von umschriebenen Osteonekrosen, insbesondere bei Vibrationstraumen, entsprechen (Abb. 2.197). Diese zystischen Aufhellungen sind zumeist wesentlich größer als orthograd getroffene Gefäßkanäle. Bei größeren solitären Exemplaren von umschriebenen Strukturauslöschungen im Os capitatum handelt es sich zumeist um subchondrale synoviale Zysten oder intraossäre Ganglien, wie auf S. 65 f. u. 133 bereits beschrieben. Zu den Differentialdiagnosen Entzündung und Tumor s. allgemeiner Teil. Besonders sei aber auf das Osteoidosteom in Abb. 2.164 verwiesen.

Abb. 2.196 a, b Ossiculum Gruberi: a Ossiculum Gruberi (nach Pfitzner). b Ossiculum Gruberi (Pfeile)?

a

b

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a

a

b b

c

c

d Abb. 2.197 a – c Befunde im Os capitatum: a Erhebliche Strukturunruhen und zystoide Aufhellungen im Os capitatum, auch im benachbarten Os triquetrum in Kombination mit erheblicher Arthrose zwischen Os scaphoideum und Os trapezium bei chronischem Vibrationstrauma. b, c Nichtdislozierte Os-capitatum-Fraktur (Pfeile). Kein Gefäßkanal. Kein Mach-Phänomen.

Abb. 2.198 a – h Differentialdiagnose von Fraktur, Carpal Bossing und Os styloideum: a – d Typisches Carpal Bossing mit produktiven Knochenveränderungen an den gegenüberliegenden Dorsalkanten vom Os trapezoideum und Os metacarpale II/III rechts. Keine Abrissfrakturen (Stern u. Pfeile).

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Handwurzel

e

f

g

h Abb. 2.198 e –h Wohl geformtes Os styloideum (Pfeile), das sich im überdrehten seitlichen Schichtbild (h) ganz nach dorsal projiziert (Stern), wo es auch gut tastbar wird. Klinisch ist eine

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Abgrenzung vom Carpal Bossing nicht möglich. Zusätzlich in Abb. f alter Os-triquetrum-Ausriss (weißer Pfeil).

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2 Arm

Os hamatum Normalbefund Im Wachstum Das Os hamatum (Hakenbein) ist röntgenologisch etwa nach dem 3. Lebensmonat erkennbar.

Im Erwachsenenalter Auf die kleine Kerbe im Os hamatum gegenüber einem kleinen Vorsprung im gegenüberliegenden Os capitatum etwas distal der Mitte beider Knochen wurde bereits im Kapitel über das Os capitatum hingewiesen (Abb. 2.193). Der Abgang des Hakenfortsatzes (Hamulus) ist radiologisch als ringförmige oder auch ovaläre Struktur im dorsopalmaren Bild zu sehen (Abb. 2.199). Eine Freiprojektion des Hamulus gelingt konventionellradiographisch nur mit der Karpaltunnelaufnahme. Die beste räumliche Vorstellung vom Os hamatum und seinem Hamulus, der ja die ulnare Begrenzung des Karpaltunnels bildet, bekommt man im axialen CT-Schnitt (Abb. 2.134). Auf technisch unzureichenden Aufnahmen findet sich die distale ulnarseitige Ecke des Os hamatum nicht selten etwas transparenter, wodurch eine Usur vorgetäuscht werden kann (Abb. 2.147 a bzw. 2.200). Zum normalen Bild des Os hamatum gehört noch eine Kompaktainsel, die man zentral in diesem Knochen bei verhältnismäß vielen Menschen als Zufallsbefund antrifft (Abb. 2.199).

Variante oder Fehlbildung/Deformität? Auf Synostosen bzw. Koaliationen zwischen Os capitatum einerseits und Os hamatum andererseits wurde bereits im Kapitel über das Os capitatum hingewiesen (Abb. 2.194). Sie stellen nach den Koalitionen zwischen Os triquetrum und Os lunatum die häufigsten Synostosen dar. Zweiteilungen des Os hamatum sind uns bisher nicht bekannt geworden. Über einen bipartiten Hamulus berichten Greene u. Hadied (1981). Ein atypisch verbreitertes Os hamatum findet man: 쐌 beim ulnaren Doppelstrahl (5. und 6. Fingerstrahl), 쐌 bei Verbreiterung und Gabelung des dazugehörigen Os metacarpale, besonders bei der chondroektodermalen Dysplasie Ellis-van-Crefeld. Auf eine doppelseitige Hyperplasie des Hamulus ossis hamati und des Os pisiforme weist Viehweger (1957) hin.

Fraktur oder Luxation? Frakturen des Os hamatum sind verhältnismäßig selten. Sie werden vor allem bei Sportlern beobachtet, insbesondere als Folge eines Stoßes durch einen Schlagstock, ein Racket oder auch durch die Faust (Blair u. Mitarb. 1982, Schlosser u. Murray 1984). Häufiger kommen hingegen Hamulusabbrüche vor. Auch beidseitige Hamulusabbrüche wurden berichtet, wenn z. B. der beidhändig geführte Golfschläger in den Boden geschlagen und damit plötzlich abgebremst wird (Bray u. Mitarb. 1985). Eine dorsale Abrissfraktur kommt bei axialer Krafteinwirkung auf das Os metacarpale IV und V vor. Klinische Hinweise auf eine Oshamatum-Fraktur sind der ulnarseitige Druckschmerz. Die Os-hamatum-Frakturen werden eingeteilt in: 쐌 Vertikalfrakturen (medial des Hamulus, lateral des Hamulus einschließlich Tuberkulumfraktur), 쐌 Horizontalfrakturen.

Abb. 2.199 Typischer Abgang des Hamulus (Pfeil) mit ovalärer, in anderen Fällen eher ringförmiger Verdichtungsfigur, ähnlich wie der orthograd getroffene Abgang eines Osteochondroms. Der Doppelpfeil weist auf eine harmlose Kompaktainsel hin.

Abb. 2.200 Typische Usuren an der Basis des Os metacarpale V und der gegenüberliegenden Kante des Os hamatum bei rheumatoider Arthritis (vgl. mit Abb. 2.147 b).

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Handwurzel Zusätzlich unterscheidet man eine dorsale Abrissfraktur und die bereits erwähnte Fraktur des Hamulus ossis hamati. Der verzögerte Heilungsverlauf eines Hamulusabbruchs besitzt Analogien zur Skaphoidfraktur (Schlosser u. Murray 1984). Aus diesem Grund wird auch die Exstirpation des Hamulusfragments bei der chirurgischen Erstversorgung in den meisten Fällen empfohlen (Schlosser u. Murray 1984, Bray u. Mitarb. 1985). Nicht nur die Hamulusfraktur, sondern auch die dislozierte Os-hamatum-Körperfraktur mit begleitendem Hämatom, können zu einem Karpaltunnelsyndrom führen (Schober u. Bayard 1959, Tänzer 1959). Frakturen des Os-hamatum-Körpers (Abb. 2.209 a) sind auf Übersichtsaufnahmen häufig nicht zu erkennen, insbesondere wenn sie nicht disloziert sind. Frakturen durch den proximalen Pol des Os hamatum müssen immer den Verdacht auf ein komplexeres perilunäres Trauma erwecken. Die Fraktur des Hamulus ist relativ leicht zu diagnostizieren, wenn die scharf konturierte ringförmige Verdichtung in der Region des Abgangs dieses Fortsatzes vom Oshamatum-Körper nicht zu sehen oder unscharf ist. Dann liegt der Hamulus abgewinkelt und seine Basis wird nicht mehr orthograd getroffen (Norman u. Mitarb. 1985,

147

Abb. 2.202). Auch auf Karpaltunnelaufnahmen können Hamulusabbrüche verhältnismäßig leicht erkannt werden (Abb. 2.202). In Zweifelsfällen, insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob nicht eine Anomalie vorliegt, sollte die CT eingesetzt werden, vor allem vor dem Hintergrund, dass Os-hamatum- und Hamulusfrakturen schwer heilen und ein Karpaltunnelsyndrom nach sich ziehen können usw. Die entscheidende Differentialdiagnose zu Os-hamatum-Körperbrüchen ist prinzipiell die angeborene Zweiteilung, die – wie erwähnt – offensichtlich aber extrem selten sein muss. Schwieriger gestaltet sich die Differentialdiagnose von Avulsion-Fractures insbesondere des Hamulus gegenüber Akzessoria. Hier ist an erste Stelle das Os hamuli proprium (Abb. 2.201 – 2.203) zu nennen. Es entspricht einem nicht mit dem Os-hamatum-Körper verschmolzenen Hamulus, der ja bekanntlich ein isoliertes Ossifikationszentrum darstellt. Insbesondere der beidseitige Nachweis eines solchen Os hamuli proprium (Ausnahme das oben zitierte Golfschlagtrauma) spricht gegen eine frische Fraktur (Abb. 2.202). Ansonsten sind es die klassischen Röntgenzeichen (s. allgemeiner Teil), die zur Differentialdiagnose herangezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die Nützlichkeit der Szintigraphie verwiesen.

Abb. 2.201 a, b Os hamuli proprium (a, nach Pfitzner), frischer Abriss der Spitze des Hamulus (b).

a

b

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a

d

c Abb. 2.202 a – d Nicht verschmolzener Hamulus ossis hamati, auch als Os hamuli proprium bezeichnet (Abb. 2.203). Auf den Dorsopalmaraufnahmen sieht man in der Region des sonst sich scharf abzeichnenden orthograd getroffenen Abgangs des Hamulus eine verdämmerte Ringfigur (Pfeile). So können auch Frakturen des Hamulus aussehen, wenn der Bruch 1 oder 2 mm distal des eigentlichen Abgangs stattge-

funden hat. In diesem Fall scheint es sich aber um ein Os hamuli proprium zu handeln, denn auf den Tunnelaufnahmen in Abb. c u. d weisen die proximalen Begrenzungen der kleinen Knochenelemente keine typischen Frakturlinien auf. In der Vorgeschichte des Patienten sind solche Frakturen auch nicht bekannt. Klinisch bestand allerdings ein Ulnartunnelsyndrom (mit freundlicher Genehmigung von Dr. Helbig, Kiel).

Ein weiteres Akzessorium stellt das Os vesalianum dar, das in der Kerbe zwischen Os metacarpale V und Os hamatum liegt (Abb. 2.204 u. 2.205) und differentialdiagnos-

tisch – je nach Gesamtkonfiguration – gegen eine frische Abrissfraktur oder eine Pseudarthrose abgegrenzt werden muss.

Abb. 2.204 Os vesalianum (nach Pfitzner).

Abb. 2.203

Os hamuli proprium.

Abb. 2.205

Os vesalianum.

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Handwurzel Schließlich sei noch auf das Os ulnare externum verwiesen, das in ähnlicher Position wie das Os vesalianum gelegen ist. Es ist aber letztendlich ohne jeglichen Belang, wie man nun ein solches akzessorisches Knöchelchen bezeichnet oder bezeichnen will. Entscheidend ist die Feststellung, ob es sich um einen eindeutig pathologischen Befund

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oder um ein harmloses Akzessorium, vielleicht auch nur um eine unspezifische Bursaverkalkung handelt. In den Abb. 2.206 – 2.209 sind solche akzessorischen Knochenelemente, die im Laufe der Jahre gesammelt worden sind, exemplarisch abgebildet.

Abb. 2.206 a – d Akzessoria neben der Basis des Os metacarpale V (Pfeile).

a

Abb. 2.207 Akzessoria neben und in Projektion mit dem Os hamatum (Pfeile).

b

Abb. 2.208 sen (Pfeil).

c

d

Ähnliches Akzessorium, beiderseits nachgewie-

Abb. 2.209 a, b Fraktur und Nekrose des Os hamatum: a Querfraktur des Os-hamatum-Körpers und zusätzlicher Abbruch des Hamulus mit nachfolgender Nekrose, erkennbar an der irregulären Verdichtung des distalen Fragments (Pfeil). b Ausgeprägte Nekrose des Os hamatum mit deutlicher Fragmentation.

a

b

Abb. 2.209 c, d 컄

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2 Arm

Nekrose? Auf die Ähnlichkeiten von Os hamatum mit dem Os scaphoideum im Hinblick auf komplizierte Heilungsverläufe wurde bereits verwiesen. Komplizierte Heilungsverläufe schließen bekanntlich Nekrosen mit ein. Irreguläre sklerotische Strukturen in Projektion auf das Os hamatum müssen immer den Verdacht auf eine Nekrose des abgebrochenen Hamulus erwecken. Bei Os-hamatum-Nekrosen sind Formveränderungen, Fragmentationen, irreguläre Verdichtungen und Aufhellungen („buntes Bild“) zu erwarten (Abb. 2.209). Auf eine aseptische Nekrose am Os hamatum weist Vogel (1963) hin.

Entzündung? Tumor? Am Os hamatum gibt es keine spezifischen entzündlichen und tumorösen Veränderungen, die eine besondere Differentialdiagnose zu Grenzbefunden des Normalen darstellen könnten. Wichtig ist die Abgrenzung von physiologischen Kerben und Mulden gegenüber entzündlichen Erosionen, insbesondere an den ulnarseitigen gegenüberliegenden Ecken von Os metacapale V und Os hamatum (Abb. 2.146 u. 2.200). Physiologisch transparentere Zonen, insbesondere auf leicht schrägen Projektionen (Abb. 2.147 b) können Tumoren und tumorähnliche Läsionen vortäuschen. Dieses Problem lässt sich mit technisch optimalen Aufnahmen oder – falls diese auch keinen eindeutigen Befund ergeben – mit der CT lösen.

Intraossäre Ganglien sind am Os hamatum bisher nicht als Einzelfälle beschrieben worden, auch sonstige tumoröse Läsionen, wie z. B. Osteoidosteome, aneurysmatische Knochenzysten (Lin u. Mitarb. 1984, Abb. 2.209 c u. d) oder gar Metastasen (z. B. eines Bronchialkarzinoms) stellen Raritäten dar.

Os scaphoideum Normalbefund Im Wachstum Röntgenologisch wird das Os scaphoideum (früher Os naviculare, Kahnbein) verhältnismäßig spät, d. h. erst um das 6. Lebensjahr herum sichtbar (Abb. 2.250). Dabei sind Doppelkernanlagen verhältnismäßig häufig (Abb. 2.210). Im Laufe des Wachstums findet sich die distale Kontur abgeschrägt und irregulär begrenzt. Vor der Irregularität können kleine doppelte Kernchen liegen (Abb. 2.211 u. 2.213). Auf das differentialdiagnostische Problem doppelter Kernanlagen gegenüber Nekrosen und Frakturen wird unten näher eingegangen.

c

d Abb. 2.209 c, d Aneurysmatische Knochenzyste im Os hamatum, eigener Fall. Histologische „Überraschungsdiagnose“, denn wir hatten ein intraossäres Ganglion angenommen.

Abb. 2.210 tur).

Doppelte Kernanlage im Skaphoid (Radiusfrak-

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a

b

c

d Abb. 2.211 a – d Skelett.

Physiologische Konturirregularitäten und kleine zusätzliche Kernchen am distalen Skaphoid beim wachsenden

Im Erwachsenenalter Das Kahnbein weist starke interindividuelle Formvarianten auf (Abb. 2.212). Wenn ein eigenständiger Kern am Tuberkulum etwas atypisch verschmilzt, kann es zu nasenartigen Vorsprüngen des Skaphoids in dieser Region kommen (Abb. 2.213 c – g). Die räumliche Ausdehnung des Os scaphoideum wird am besten auf axialen CT-Schnitten des Karpus deutlich (Abb. 2.143).

Abb. 2.212

Formvarianten des Kahnbeins.

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2 Arm Abb. 2.213 a – g Nasenartige Vorsprünge am Tuberkulum: a – d Aus diesen Abbildungen lässt sich die Entstehung solcher nasenartiger Vorsprünge ableiten. Während in Abb. a u. b im Wachstum noch die kleinen zusätzlichen Kernchen gut abgrenzbar sind (Pfeile), sind sie später (c u. d) in prominenter Form verschmolzen. e – g Diese Abbildungen zeigen die Variationsbreite solcher nasenartiger Vorsprünge (vgl. auch mit Abb. 2.224 u. 2.225).

a

b

c

d

e

f

g

Variante oder Fehlbildung/Deformität?

dromzeichen oder andere systemischen Krankheitserscheinungen haben. Schwierig ist die Einordnung von Skaphoidaplasien (Maier 1962, Knàkal u. Chvojka 1970,). Sie wurden von einigen Autoren den „enchondralen Dysostosen“ zugeordnet. Beobachtet wurden bisher folgende Konstellationen:

Zwei- oder mehrfach geteilte Kahnbeine sind bekannt (Abb. 2.153). Sie entsprechen – auch bei Doppelseitigkeit – einer Normvariante. Das gilt auch für Koalitionen mit einem oder mehreren der benachbarten Knochen (Abb. 2.152). In Abb. 2.215 ist der ungewöhnliche Fall einer Synostose zwischen Os scaphoideum und Os lunatum mit Pseudarthrose im Übergangsbereich vom distalen zum mittleren Teil dieses Riesenknochens dargestellt (Krause 1949, Waugh 1950, Geyer 1962). Hypoplasien des Skaphoids muss man ebenfalls noch als extreme Formvariante auffassen (Abb. 2.214 a – e), aber nur solange, als die Betroffenen keine assoziierten Syn-

쐌 Skaphoid- und Os-lunatum-Aplasie beidseits, 쐌 komplette Skaphoidaplasie links, partielle Skaphoidaplasie rechts mit Verlagerung des Os lunatum nach lateral bei doppelseitiger Synostose zwischen Os lunatum und Os capitatum, 쐌 doppelseitige Kahnbeinaplasie in Kombination mit anormaler Lage der proximalen Handwurzelreihe und atypischen Artikulationen, 쐌 Unterentwicklung des Kahnbeins mit Verlagerung des Os lunatum nach ulnar in Kombination mit einem Schaltknochen ulnar an der Epiphyse des Radius beidseits nahe der Ulnaepiphyse.

Pathologischer Befund?

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Abb. 2.214 a – e Hypoplasien des Skaphoids: a Der hypoplastische Skaphoidkern ist mit dem Radius synostosiert. b Zweigeteiltes Skaphoid, wobei der distale Teil (bei doppelter Anlage) ausgesprochen hypoplastisch ist. Zusätzlich hypoplastisches Os trapezium, wodurch eine große Lücke im radialseitigen mittleren Karpus entstanden ist. Der Befund war doppelseitig ausgeprägt.

a

b

c

d e c, d Kleine hypoplastische Ossa scaphoidea beidseits. Sie sind wohl im Zusammenhang mit einer komplexeren Fehlbildung oder extremen Variante zu sehen. Es finden sich zusätzlich Synostosen zwischen den Ossa trapezoidea und den Ossa capi-

tata, die Ossa metacarpalia sind beidseits ausgesprochen hypoplastisch. e Hypoplastisches Skaphoid und zusätzliches Os centrale carpi.

Manche Autoren sprechen von Teilaplasien, wenn sie ein hypoplastisches Kahnbein sehen. Dabei gehen sie von der Vorstellung aus, dass der Knochen ausschließlich doppelkernig angelegt worden sei. Ob das nun richtig ist, sei dahingestellt, im Einzelfall lässt sich der Beweis unseres Erachtens nicht führen. Vorstellbar ist, dass hypoplastische Kahnbeine und ihr völliges Fehlen die Biomechanik eines Karpus in manchen Fällen erheblich stören können.

Abb. 2.215 Ungewöhnliche Synostose zwischen Os scapho- 컄 ideum und Os lunatum mit posttraumatischer Pseudarthrose (Pfeil) dieses Riesenknochens im Übergangsbereich vom distalen zum mittleren Drittel.

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2 Arm

Fraktur oder Luxation? Die Kahnbeinfaktur ist eine der häufigsten Verletzungen des Karpus, sie betrifft vor allem Männer im jüngeren Lebensalter. Das Verhältnis zur distalen Radiusfraktur liegt bei etwa 1 : 10. Kahnbeinfrakturen weisen im Vergleich zu anderen Handwurzelknochen (Ausnahme Os hamatum) 2 Besonderheiten auf: 쐌 Neigung zur Pseudarthrosenbildung, 쐌 Neigung zu Nekrosen. Das hängt u. a. auch mit der Gefäßversorgung dieses Knochens zusammen: Je weiter man nach proximal kommt, desto schlechter ist die intraossäre Gefäßversorgung, während die distalen und mittleren Partien ausreichend über je einen palmaren und dorsalen Ast der A. radialis versorgt werden. Es ist wichtig zu wissen, dass zwischen den beiden Gefäßprovinzen keine Anastomosen bestehen. Skaphoidfrakturen werden überhäufig übersehen, insbesondere wenn es sich um nichtdislozierte und/oder um eingestauchte Frakturen handelt. Das hängt u. a. mit der physiologischen palmaren Kippung des Knochens zusammen, wodurch er sich a priori bei der Standardaufnahme einer vollständigen Darstellung entzieht. Deshalb ist es zwingend, bei dem geringsten Verdacht auf eine Kahnbeinfraktur (Druckschmerz über der Tabatiere, Stauchungsschmerz des Daumens und schmerzhafte Bewegungseinschränkung bei Radialduktion und Extension des Handgelenks) eine Kahnbeinquartettserie einzusetzen, mit deren Hilfe die physiologische Palmarkippung ausgeglichen wird und der Knochen mit seiner Längsachse parallel zur Filmebene orientiert ist. Man sollte sich auch nicht scheuen, bei röntgenanatomischen Besonderheiten gezielte Aufnahmen unter Durchleuchtung anzufertigen. Ist das konventionelle Röntgen negativ, empfiehlt sich früh der Einsatz der CT, die darüber hinaus noch geeignet ist, Verletzungen anderer Handknochen (Os capitatum, Os hamatum, Os triquetrum, Os lunatum, Os pisiforme) und vor allem Fehlstellungen und Luxationen/Subluxationen überlagerunsfrei darzustellen. Das gilt ganz besonders für die häufigste Kombinationsverletzung der transskaphoidalen perilunären Luxationsfraktur (de Quervain). Je nach apparativer Ausstattung und Verfügbarkeit kann man auch die Skelettszintigraphie am 4. Tag nach dem Trauma einsetzen, die im Fall einer Fraktur in den meisten Fällen positiv ist. Eine negative Skelettszintigraphie schließt ab dem 3. Tag nach der Verletzung eine Skaphoidfraktur aus. Auch die MRT-Diagnostik ist geeignet, früh Verletzungen des Skaphoids aufzuzeigen, wobei sich besonders mit SpinEcho-Sequenzen Ödem, auch Frakturspalt (signallos) und Weichgewebsverletzungen sicher darstellen lassen (Abb. 2.223). Es kann nicht häufig genug darauf hingewiesen werden, dass bei Verdacht auf eine Skaphoidfraktur eine Art von Luxusdiagnostik betrieben werden sollte, eben weil die Komplikationsraten bei nicht erkannten Frakturen (Pseudarthrose, Nekrose) verhältnismäßig hoch sind. Bei späteren forensischen Auseinandersetzungen und Begutachtungen wird immer wieder die Frage aufgeworfen, warum man nicht diese oder jene Methode eingesetzt hat, um rechtzeitig eine Fraktur zu erkennen, ggf. durch Reposition und in jedem Fall Ruhigstellung zu behandeln, und den Patienten damit vor schweren Folgeerscheinungen zu bewahren.

Auf die Gesamtproblematik der Skaphoidfrakturen kann an dieser Stelle unmöglich eingegangen werden, dazu wird auf die hervorragenden Monographien von Schmitt u. Lanz (1996) und Gilula u. Yin (1996) verwiesen. Mehr aus differentialdiagnostischer Sicht gegenüber inkompletten oder kompletten Zweiteilungen, akzessorischen Knochenelementen usw. seien nur einige Aspekte der Skaphoidfrakturen im Folgenden besprochen: Man unterscheidet grundsätzlich schräge, transversale (quere) und vertikal-schräge Frakturverläufe am Kahnbein. Die Häufigkeitsverteilung der Frakturhöhe (distales, mittleres und proximales Drittel) ist in Abb. 2.216 wiedergegeben.

Abb. 2.216 Häufigkeitsverteilung typischer Bruchformen des Skaphoids. Nach Schmitt u. Lanz (1996) ergibt sich eine ähnliche Verteilung: 쐌 Fraktur des Tuberculum ossis scaphoidei (extraartikulär) 10% (Abb. 2.222, 2.224 u. 2.225), 쐌 Fraktur des distalen Skaphoiddrittels 15%, 쐌 Fraktur des mittleren Skaphoiddrittels 60% (Abb. 2.221) 쐌 Fraktur des proximalen Skaphoiddrittels 15%. Bei der konventionellen Diagnostik kann die Beurteilung des Os-naviculare-Fettstreifens (Abb. 2.217) nützlich sein, insbesondere auch im Hinblick auf das Verständnis späterer heterotoper Verknöcherungen in dieser Region. Er entspricht einer ca. 1 mm breiten, nach ulnar konvexbogig verlaufenden Fettschicht zwischen dem Lig. collaterale carpi radiale und der Sehne des M. extensor policis brevis. Bei Frakturen des Skaphoids (allerdings auch des Processus styloideus radii, des Os trapezium und der Basis des Os metacarpale I; Lorenz u. Fiedler 1982) kommt es durch ein frakturbedingtes Hämatom zu einer gradlinigen oder radialkonvexbogigen Konfiguration dieses feinen Aufhellungsstreifens. Er kann insgesamt erheblich nach radial verlagert werden, sich bei starkem Hämatom und Ödem auch auslöschen und verbreitert und unscharf werden. Bei dem in Abb. 2.235 b dargestellten Fall einer Basisfraktur von Os metacarpale I ist der Navikularefettstreifen nach außen konvexbogig konfiguriert, offensichtlich infolge eines nach proximal ausgebreiteten – durch Weichteilverletzungen – bedingten Hämatoms. In der Hämatomregion hat sich dann später ein sehr solider spongiöser Knochen im Sinne einer heterotopen Ossifikation entwickelt (Abb. 2.235 a). Insbesondere bei technisch hochwertigen Aufnahmen sieht man gelegentlich sehr gut die Gefäßkanäle im Skaphoid (Abb. 2.218), die beim Trauma und entsprechender Klinik eine Differentialdiagnose zu Frakturen darstellen können. In diesem Fall empfiehlt sich die Szintigraphie nach 3 – 4 Tagen. Eine weitere Differentialdiagnose zu Frakturen stellen partielle Zweiteilungen dar (Abb. 2.219 u. 2.220).

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Handwurzel

Abb. 2.217 a, b Anatomie des Navikularefettstreifens (NFS): a Anatomie der Region des NFS. 1 Lig. collaterale carpi radiale 2 Sehne des M. abductor pollicis longus 3 Sehne des M. extensor pollicis brevis

155

b Normale und pathologische Anatomie des NFS nach Lorenz.

Abb. 2.219

Partielle Zweiteilung des Skaphoids (Pfeil).

Abb. 2.218 Fraktur vortäuschender Gefäßkanal im Skaphoid (Pfeile) bei eindeutiger Tuberkulumfraktur.

Abb. 2.220

Partielle Zweiteilung des Skaphoids (Pfeil).

Abb. 2.221 Frische Skaphoidfraktur (Pfeile) an typischer Stelle, kein Gefäßkanal.

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2 Arm Abb. 2.222

a

b

Abb. 2.223 a – c Skaphoidkontusion. Starke Schmerzen in der Tabatiere: a Konventionell-radiographisch keine Fraktur oder sonstige Strukturveränderungen erkennbar.

Frische Fraktur des Tuberkulums.

c b, c Im T2-gewichteten MRT-Bild findet sich im mittleren Kahnbein eine ovaläre Zone mit angehobener Signalintensität, ein Ödem widerspiegelnd. Eine Fraktur kommt nicht zur Darstellung.

b

a Abb. 2.224 a, b Ungewöhnliche Abrissfraktur des Tuberkulums vom Os scaphoideum in Kombination mit einer traumatischen Epiphysiolyse des Radius. Akzessorisches Kernchen

distal vom Processus styloideus ulnae. Follow-up Abb. 2.225 (Fall von Dr. Schäfer, Oberhausen).

s.

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b

a Abb. 2.225 a, b Aufnahmen vom Fall in Abb. 2.224, 3 Jahre später. In Abb. a prominentes Tuberculum scaphoideum als Folge der angeheilten Abrissfraktur. Das akzessorische Kernchen vom Processus styloideus ulnae ist deutlich und „harmo-

nisch“ größer geworden, was u. a. gegen die Annahme spricht, dass es sich damals (Abb. 2.224) um einen Abbruch der Spitze des Processus styloideus gehandelt hat (s. auch Abb. 2.279) (Fall von Dr. Schäfer, Oberhausen).

Nicht adaptierte Ossifikationskerne (z. B. Abb. 2.226) sowie im Wesentlichen das Os centrale carpi stellen eine Differentialdiagnose gegenüber Abrissfrakturen von einem in dieser Region (der Lücke zwischen Skaphoid, Os trapezium und Os capitatum) gelegenen Knochen dar. Das Os centrale carpi (anatomische Darstellung in Abb. 2.229) wurde von Pfitzner (1895) in 1%iger Häufigkeit bei Sektionen gefunden. Dieses akzessorische Knöchelchen ist meist rund, auch relativ dicht und strukturarm (Abb. 2.227 – 2.231). Abb. 2.226 Abb. 2.227 Abb. 2.226 Ossifikationskern am proximalen Skaphoidpol (10-jähriger Junge). Abb. 2.227

Os centrale carpi (Pfeil).

Abb. 2.228 Doppelseitiges Os centrale carpi (Pfeile).

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2 Arm Abb. 2.229

Os centrale carpi (Pfeil), anatomisches Präparat.

Abb. 2.230 Os centrale carpi (Pfeil) auf einer Profilaufnahme. Abb. 2.231 Doppelt angelegtes Os centrale carpi (Pfeile).

Abb. 2.230

Abb. 2.231

Bei sehr dichtem Os centrale carpi muss man allerdings auch – bei vorhandener klinischer Symptomatik – an eine Nekrose oder ein nekrotisiertes Fragment denken (Skelettszintigraphie!). Das Os centrale carpi kann durchaus vom Os hamatum überlagert sein und damit fast der Beobachtung entgehen (Abb. 2.231). Es kann doppelseitig angelegt sein (Abb. 2.228) und mit doppelter Anlage selbst auftreten (Abb. 2.231). Nach Poznanski kommt das Os centrale carpi bei Fehlbildungssyndromen häufiger vor. Gelegentlich ist das Os centrale carpi mit dem Skaphoid, dem Os capitatum oder dem Os trapezium knöchern verbunden. Poznansik fand bei 5 von 23 Patienten mit einem HoltOram-Syndrom diese Konstellation.

a Abb. 2.232 a – d

b

Eine Unterscheidung zwischen Os centrale carpi und ungleich zweigeteiltem Os scaphoideum bzw. Os scaphoideum mit nichtadaptiertem Nebenkern ist ohne Belang. Frakturen des Tuberkulums (Abb. 2.232) müssen grundsätzlich die differentialdiagnostischen Gedanken auf ein weiteres akzessorisches Knochenelement lenken: Es ist dies das Os radiale externum (Abb. 2.150, 2.233 u. 2.234). Ein weiteres für eine Tuberkulumabrißfraktur infrage kommendes Akzessorium ist das Epitrapezium (Abb. 2.150 u. 2.234). Auf eine heterotope Verknöcherung als Traumafolge wurde bereits oben hingewiesen (Abb. 2.235).

c

d

Tuberkulumausrisse (avulsion-fractures, vgl. auch mit Abb. 2.222 u. 2.224).

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Abb. 2.233

Os radiale externum (nach Pfitzner).

Abb. 2.234 (Pfeil).

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Großes Epitrapezium oder Os radiale externum

a

b

Abb. 2.235 a, b Entstehung eines „akzessorischen“ Knochenelements, das sich mit wohlstrukturierter Spongiosa und zarter umgebender Kortikalis radialseitig neben der Gelenkspalthöhe des Os scaphoideum/Os trapezium darstellt. Grundsätzlich käme dafür durchaus ein Os radiale externum, allerdings sehr weit vom Skaphoid entfernt gelegen, infrage. Auf einer Röntgenaufnahme 17 Jahre zuvor war dieses Knochenelement noch nicht erkennbar, man sieht aber eine Frak-

tur an der Basis vom ersten Metakarpalknochen und eine Verlagerung und Unschärfe des Navikularefettstreifens als Ausdruck einer begleitenden Blutung und/oder eines Ödems in dieser Region. In diesem Gebiet hat sich dann über die vielen Jahre aus einer metaplastischen (heterotopen) Verknöcherung schließlich ein regelrecht geformtes kleines Knöchelchen entwickelt (vgl. den Fall mit Abb. 2.87j u. k).

Das dort dargestellte knöcherne Element kann genauso gut einem allerdings ziemlich weit nach lateral verlagertem Os radiale externum entsprechen. Schließlich gibt es dystrophe Verkalkungen in Sehnenscheiden, die zumeist amorph und stippchenförmig aussehen und kleinere Ausrisse und akzessorische Elemente vortäuschen können. Die Differentialdiagnose zwischen einer Kahnbeinpseudarthrose einerseits und einer Zweiteilung des Kahnbeins andererseits stellt sich eigentlich nur für den sowohl klinisch als auch radiologisch Unerfahrenen. Eine Pseud-

arthrose weist immer reaktive Veränderungen der Spongiosa unter der abdeckelnden Knochenlamelle auf im Sinne von irregulären Strukturverdichtungen neben kleinsten zumeist zystischen (Resorptionszysten) Aufhellungen (Abb. 2.236 u. 2.237). Inkomplett durchbaute Kahnbeinfrakturen (Abb. 2.238) können Ähnlichkeiten mit rudimentären Zweiteilungen haben. Differentialdiagnostisch hilft hier jedoch in der Regel die Vorgeschichte. Wenn aus forensischen Gründen diese differentialdiagnostische Frage beantwortet werden muss, sollte man die CT einsetzen, um feinere Strukturverände-

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2 Arm rungen um die Pseudarthrose nachzuweisen. Skaphoidfrakturen bei Kindern sind außerordentlich schwierig zu diagnostizieren. Der konventionell-radiologische Nachweis gelingt selten vor dem 8. – 9. Lebensjahr (Gambel u. Simmons 1982, Greene u. Mitarb. 1984).

Nekrose?

Abb. 2.236 Skaphoidzweiteilung, keine Fraktur. Es handelt sich um eine Zufallsbeobachtung anlässlich einer distalen Radiusfraktur, die schraubenosteosynthetisch versorgt wurde.

Abb. 2.237

Typische Kahnbeinpseudarthrose.

Auf die Anfälligkeit des traumatisierten Os naviculare gegenüber osteonekrotischen Veränderungen wurde bereits oben hingewiesen. Eine beginnende Nekrose zeichnet sich durch eine leichte Dichtezunahme des nekrotischen Areals aus, da durch Inaktivität oder ein begleitendes Umgebungsödem der benachbarte Knochen demineralisiert, das nekrotische Areal aber mangels Perfusion nicht an dieser Demineralisierung teilnehmen kann. Überhaupt unterliegt ein nekrotisches Areal im Frühstadium nicht dem physiologischen Knochenumbau, sodass es immer zu Dichteunterschieden, gelegentlich auch zu einer Dichteabnahme kommen kann. Erst in späteren Stadien entwickeln sich dann kleinere dicht nebeneinander gelegene Aufhellungen im Wechsel mit Sklerose, es kommt zu subchondralen Frakturen und schließlich zu einer Fragmentation. Nur vor dem Stadium der Fragmentation ist eine Spontanreparatur möglich. Frühe Stadien einer Skaphoidnekrose oder Teilnekrose sind konventionell-radiographisch außerordentlich schwierig zu erkennen, bei klinischem Verdacht sollte deswegen die MRT eingesetzt werden. Zur Definition der Restperfusion oder auch Reperfusion sind sowohl dynamische MRT-Studien als auch die Szintigraphie geeignet. In den Abb. 2.239 – 2.243 sind Fragmentosteonekrosen verschiedenster Ausprägung dargestellt. Differentialdiagnostisch kommt für die Skaphoidpseudarthrose im Stadium der Fragmentation der Kretinismus infrage (Abb. 2.244).

Abb. 2.238 a, b Inkomplette Verheilung einer Skaphoidfraktur unter Hinterlassung eines nichtdurchbauten, mit Bindegewebe gefüllten Spalts. Diese Situation wird auch als fibröse Kahnbeinpseudarthrose bezeichnet.

a

b

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Abb. 2.239 a, b Nichtfragmentierte Kahnbeinnekrose. Das proximale Kahnbeinfragment (Kahnbeinpseudarthrose) sticht als schneeweißes Knochenelement hervor, während die umgebenden Knochen fleckig demineralisiert sind. Klinisch bestand eine Sudeck-Erkrankung.

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Abb. 2.240 Fragmentation des proximalen Kahnbeinfragments als Ausdruck einer Nekrose.

Abb. 2.241 Erhebliche trophische Störungen in einem distalen Kahnbeinfragment (relativ weißer Knochen) mit zentraler Höhlenbildung im Sinne einer großen Resorptionszone.

Abb. 2.242 In Pseudarthrose verheilte periphere Skaphoidfraktur mit abgekipptem peripheren Fragment und resorptiven Vorgängen in der Pseudarthrosenumgebung.

Abb. 2.243 a, b Entwicklung einer Kahnbeinpseudarthrose: a 7 Tage alte Skaphoidfraktur, keine Fragmentdislokation. b 7 Monate später massive resorptive Vorgänge mit Ausbildung eines größeren Hohlraums zwischen den Fragmenten. Meist folgt solchen Situationen dann eine Dislokation bei weiterer mechanischer Beanspruchung, sodass Bilder wie in Abb. 2.237 entstehen.

a

b

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Entzündung? Auf die Differentialdiagnose entzündlicher Erosionen gegenüber physiologischen Aufhellungszonen des Skaphoids wurde bereits im Kapitel „Normalbefund“ hingewiesen. Generell ist das Skaphoid in entzündliche Karpalprozesse (bakterielle Karpalarthritis, rheumatoide Arthritis usw.) miteinbezogen.

Tumor?

Abb. 2.244 tin (Pfeile).

Atypische Kernanalage des Skaphoids beim Kre-

Die häufigsten Ursachen osteolytischer Veränderungen im Skaphoid sind „Zysten“. Dahinter stecken in der Regel subchondrale synoviale Zysten, d. h. intraossäre Ganglien (Abb. 2.246), seltener idiopathische Zysten (Abb. 2.245). Weitere Ursachen osteolytischer Veränderungen sind zystische Strukturaufhellungen durch intraossäre β2Mikroglobulin-Ablagerungen (Abb. 2.76). Dabei können die initialen Stadien mit sehr feinen Aufhellungen, die häufig nur in Mammographietechnik mit Lupenbetrachtung oder auf Vergrößerungsaufnahmen zu sehen sind, außerordentlich schwierig gegenüber sog. idiopathischen Handzysten abzugrenzen sein. Letztere entsprechen wahrscheinlich umschriebenen kleinen Nekrosen, insbesondere bei stärkerer manueller Belastung (Abb. 2.245). Bei Erwachsenen kommen für osteolytische Veränderungen im Skaphoid letztendlich auch sog. akrale Metastasen (z. B. beim Bronchialkarzinom) infrage (Abb. 2.247). Bei Jugendlichen ist im Hinblick auf destruktive Veränderungen im Skaphoid zunächst an ein Osteoidosteom zu denken (Abb. 2.248). An diesem Beispiel ist übrigens sehr eindrucksvoll die Ausbreitung einer „mitleidenden“ Karpalarthritis zu demonstrieren. Proliferative Veränderungen am Skaphoid sind eher Folge eines Trevor's Disease (Abb. 2.154) als von echten Osteochondromen. Das Os scaphoideum ist eine der Prädilektionsstellen für die Manifestation des Tevor's Disease an der oberen Extremität.

Abb. 2.245 2 große idiopathische Zysten des Skaphoids bei einem sonst Gesunden. Zufallsbefund. Durch CT oder MRT muss eine Verbindung mit den Umgebungsstrukturen ausgeschlossen werden, denn sonst müsste man ein intraossäres Ganglion (Abb. 2.246) annehmen.

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d

a

b

Abb. 2.246 a – d Großes intraossäres Ganglion im Skaphoid. Klinisch starke Schmerzhaftigkeit. Erhebliche Arthrose im Gelenk zwischen Os scaphoideum und Os trapezium und Os trapezoideum. Diese Arthrose hat offensichtlich mit der Entwicklung des Ganglions nichts zu tun, denn die unmittelbar subchondral gelegenen Skaphoidabschnitte stellen sich eigentlich normal dar. In Abb. d Situation nach Spongiosaplastik.

c Abb. 2.247 Grobe Destruktion der distalen und mittleren  Skaphoidpartien infolge einer „akralen“ Metastase eines Nierenzellkarzinoms.

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2 Arm

a

b Abb. 2.248 a – c Osteoidosteom im Skaphoid bei einem 12 Jahre alten Kind mit langer Anamnese: a Auf der Erstaufnahme sieht man eine Strukturunschärfe im Tuberkulumbereich und eine feine Tumormatrixverkalkung, die das Tuberkulum in die Weichteile hinein überragt.

c

b 8 Monate später massive Zunahme der Veränderungen, wobei die distalen Skaphoidpartien neben einem größeren osteolytischen Prozess eine fleckige Umgebungsklerose erkennen lassen. Alle Karpalknochen zeigen irreguläre subchondrale Grenzlamellen infolge einer ausgeprägten mitleidenden (sympathischen) Karpalarthritis.

c Im CT sind die ausgedehnten proliferativen Skaphoidveränderungen sehr eindrucksvoll dargestellt, hier sieht man auch, dass der Nidus (Pfeile) deutlich verkalkt ist und wie ein Pfropfen aus dem Knochen herausragt.

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Handwurzel

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Os lunatum Normalbefund Im Wachstum Der knöcherne Kern des Os lunatum (Mondbein) erscheint etwa im 4. – 5. Lebensjahr im Röntgenbild. Doppelkernanlagen sind bekannt (Abb. 2.249). Die Doppelkernanlage kann einseitig aber auch bilateral auftreten. Bei der Doppelkernanlage spricht man von einem Os lunatum partitum. Die Kombination eines Os lunatum bipartitum mit einer multizentrischen Kernanlage des Os pisisforme wurde von Mordeja (1962) beschrieben. Der kleine Kern palmar vom Os lunatum in der Abb. 2.250 entspricht nicht seiner Doppelanlange, sondern dem Kernchen des Os scaphoideum, das ja bis zu 2 Jahre später erscheint als die Os-lunatum-Kernanlage und damit kleiner ist. Eine zentrale Verdichtung im Os-lunatum-Kern (Abb. 2.251) hat keine pathologische Bedeutung, sie ist schlicht normal und entspricht nicht einmal einer Variante. Bei Kindern können dorsalseitig kleine Kerben beobachtet werden (Abb. 2.252), die einer unregelmäßigen Ossifizierung, ähnlich wie beim Os scaphoideum, entsprechen.

Abb. 2.250

a Abb. 2.249 a, b Mondbeins.

Physiologische

Doppelkernanlage

des

Im Erwachsenenalter Kleine Aufhellungen im Os lunatum, wie Stanzlochdefekte aussehend, entsprechen orthograd getroffenen Gefäßkanälen (Abb. 2.253). Die Form des Os lunatum beim Erwachsenen unterliegt wenigen Schwankungen bzw. Varianten, die räumliche Konfiguration dieses Knochens ist am besten im CT zu verstehen (Abb. 2.143). Dabei umfasst ein kleiner palmarseitiger distaler Fortsatz das Os capitatum bogenförmig, korrespondierend mit der Überschneidung dieser beiden Knochen im Dorsopalmarbild. Bei der Beurteilung des Os lunatum sollte – vor allem bei klinisch symptomatischen Patienten – besonders dessen Dichte im Vergleich zu den Nachbarknochen berücksichtigt werden, denn konventionell-radiologisch frühe Osteonekrosen zeichnen sich durch eine globale oder auch nur partielle Dichtezunahme des Knochens gegenüber den benachbarten aus (s. unten).

Abb. 2.251

Abb. 2.250 Kein akzessorischer Knochen am Os lunatum, sondern Skaphoidkern.

b

Abb. 2.252 Abb. 2.252 sal.

Kleine physiologische Kerbe im Os lunatum dor-

Abb. 2.251 Physiologische Verdichtung im Zentrum des Oslunatum-Kerns. Gelegentlich wird diese Verdichtung im Knochen durch eine Superposition eines Doppelkerns, der palmaroder dorsalseitig liegt, vorgetäuscht.

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2 Arm

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität?

Abb. 2.253

Nutritiakanal im Os lunatum.

Synostosen bzw. Koalitionen mit den benachbarten Knochen kommen am Os lunatum relativ häufig vor. Die häufigste karpale Koalition ist die lunotriquetrale (Abb. 2.254). Ahrens (1950) fand auf 5000 Röntgenaufnahmen des Karpus bei 4 Patienten diese Koalition. Dabei gibt es verschiedenste Varianten, die von distaler und proximaler, vollständiger bis zu unvollständiger Verschmelzung reichen. Eine Kombination mit der Madelung-Deformität ist bekannt (s. auch S. 121). Entscheidend ist die Differenzierung zwischen inkompletter angeborener Synostose (Koalition) und erworbener Synostose (Ankylose), z. B durch einen abgelaufenen entzündlichen Gelenkprozess. In der Regel hilft aber hier die Anamnese weiter. Eine sichere radiologische Differenzierungsmöglichkeit ist bei leerer Anamnese nicht möglich und wahrscheinlich auch ohne Belang. Eine ungewöhnliche Radius-Os-lunatum-Synostose bei Unterentwicklung des Kahnbeins wurde von Becker (1935) und Girod (1964) beschrieben.

Fraktur oder Luxation? a

b

c Abb. 2.254 a – c Lunotriquetrale Koalitionen unterschiedlicher Ausdrucksformen (s. auch S. 121).

Bei starker axialer Krafteinwirkung auf die Handwurzel kann es zu einer isolierten Kompressionsfraktur des Os lunatum kommen. Horizontal oder vertikal verlaufende Frakturen sind seltener, häufiger werden allerdings Abrissfrakturen des Vorder- und Hinterhorns in Verbindung mit anderen Verletzungen des Karpus beim Sturz auf die überstreckte oder überbeugte Hand beobachtet. Nichtdislozierte Frakturen sind konventionell-radiographisch schwierig zu diagnostizieren, dazu eignet sich besser die CT. Die Unterscheidung des distalen Fragments bei quer verlaufender Os-lunatum-Fraktur (Abb. 2.255) von einem Os hypolunatum (Abb. 2.256) kann schwierig sein, insbesondere wenn es sich um ältere und in Pseudarthrose verheilte Frakturen handelt, wie im Fall in Abb. 2.255. Bei dieser Differentialdiagnose kann die Szintigraphie weiterhelfen, die im Fall eines akzessorischen Knochenelements im Sinne des Os hypolunatum negativ sein dürfte, es sei denn, zwischen den beiden Elementen ist es zu regressiven Veränderungen gekommen. Die Formvarianten des Os hypolunatum sind in den Abb. 2.256 u. 2.257 wiedergegeben, im Fall der Abb. 2.257 in der ungewöhnlichen Kombination mit einer Synostose zwischen Skaphoid und Os trapezium beiderseits. Ein weiteres zusätzliches Knochenelement, was differentialdiagnostisch gegen Abrissfrakturen abgegrenzt werden sollte (insbesondere aus forensischer Sicht), ist das Os epilunatum, das zumeist als rundlicher Knochenschatten am Dorsalhorn des Os lunatum mit Abflachung der einander zugekehrten Begrenzungsflächen auftritt (Abb. 2.258). Solche zusätzlichen Knochenelemente sollten auch von nekrotischen Fragmenten unterschieden werden (Abb. 2.267 c), des Weiteren von dystrophischen Verkalkungen in Sehnen, Sehnenscheiden und Bursae (Abb. 2.261 u. 2.262). Sicherlich gibt es noch weitere Akzessoria, die

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Handwurzel

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Abb. 2.255 a, b Einige Monate alte Os-lunatum-Querfraktur mit beginnenden Abdeckelungserscheinungen durch Pseudarthrosenbildung. Kein Os hypolunatum. Beachte die Erweiterung des Spalts zwischen Os lunatum und Os scaphoideum infolge einer skapholunären Dissoziation.

a

b

a Abb. 2.256 a – c

c

b Os hypolunatum als Akzessorium (Pfeile).

Abb. 2.257 a, b Os hypolunatum als akzessorisches Knochenelement bei zusätzlich bestehender Koalition zwischen Os scaphoideum und Os trapezium. Ohne die zusätzlich bestehende Koalition und Doppelseitigkeit hätte man das Akzessorium genauso gut als pseudoarthrotisches Fragment ansprechen können, denn es „ergänzt“ gut das Os lunatum!

a

b

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2 Arm noch keinen sie beschreibenden Anhänger gefunden haben (z. B. Abb. 2.260 u. 2.263), als Zufallsbefund keinerlei Bedeutung besitzen, aber im Zusammehang mit einem Trauma gegenüber kleinsten knöchernen Ausrissen abgegrenzt werden sollten. Auf das komplexe Gebiet der perilunären und lunären Luxationen wird hier nicht näher eingegangen (Abb. 2.264). So viel sei aber erwähnt, dass diese Verletzungsform heute sehr genau erforscht und definiert ist und es Klassifikationen gibt, die u. a. bei Schmitt u. Lanz (1996) nachgelesen werden können.

a

b

c Abb. 2.258 a – c Os epilunatum als Akzessorium (Pfeile). a

b

Abb. 2.260 a, b Kleines asymptomatisches Knochenelement unbekannter Herkunft (Pfeile) (UBE = unknown bony element).

a

b

Abb. 2.261 a, b Asymptomatische „akzessorische“ Knochenelemente palmar und dorsal vom Os lunatum: a Bei beiden Knochenelementen kann es sich um unspezifische regressive Verkalkungen, um Kapselosteome usw. handeln (Pfeile). b Die geringe Strukturierung und Verdichtung des Elements in dieser Abbildung spricht eher für eine dystrophe Verkalkung, möglicherweise auch für eine Nekrose in einem Akzessorium. Das ist jedoch reine Spekulation, denn in beiden Fällen waren die Patienten klinisch beschwerdefrei. Abb. 2.259 Kleines akzessorisches Knochenelement im Projektionsbereich des Os epilunatum. Differentialdiagnostisch kommt ein noch nicht verschmolzener zusätzlicher Ossifikationskern des Os lunatum infrage. Klinisch Zufallsbeobachtung, daher keine Kontrolle.

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Handwurzel

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Abb. 2.263 UBE (unknown bony element) ohne klinische Symptomatik (Pfeil).

Abb. 2.262 Dystrophe Bursaverkalkungen dorsal vom Os lunatum. Abb. 2.264 a, b Stadium IV der perilunären Luxation mit palmarer Luxation des Os lunatum, während die übrige Handwurzel in nahezu normaler Anatomie steht.

a

Nekrose? Die Nekrose des Os lunatum (früher Lunatummalazie, auch als Morbus Kienböck bezeichnet) ist eine der häufigsten Knochennekrosen nach der Hüftkopfnekrose und der Osteochondritis dissecans sowie dem Knochenmarkinfarkt. Die Nekrose des Os lunatum stellt im Übergangsbereich vom noch gesunden Knochen zum Pathologischen eine große Herausforderung an den Diagnostiker dar. Die Prädisposition des Os lunatum für nekrotische Veränderungen liegt an dem anatomischen Befund, dass bei 20% aller Menschen eine arterielle Gefäßversorgung dieses Knochens als Variante nur von den palmarseitigen Gefäßen (aus der A. ulnaris und der A. interossea anterior) vorliegt und nicht gleichzeitig auch von der Dorsalseite (aus der A. radialis). Damit besteht also die Situation einer nicht kollateralisierbaren Endstreckenversorgung. Kommen nun

b chronisch rezidivierende Mikrotraumen des Handgelenks (z. B. beim Preßluftbohren) oder auch ein einmaliges gröberes Trauma mit und ohne Fraktur hinzu, so ist leicht die Entwicklung einer Minderperfusion durch Gefäßverschlüsse (primär durch Mikro- oder Makrofraktur, sekundär durch intraossäre Blutung und Ödem) vorstellbar. Als zusätzliches mögliches ätiologisches Moment wird auch eine konstitutionelle Minusvariante der Ulna angenommen, doch ist die Diskussion darüber kontrovers (Nakamura u. Mitarb. 1991). Eine Minusvariante liegt dann vor, wenn die Niveaudifferenz mehr als 2 mm beträgt. Bei dieser anatomischen Situation kann es zu einer Druckerhöhung auf das Os lunatum kommen. Mit geringerer Häufigkeit sollen auch Plusvarianten zur Entstehung einer Os-lunatum-Nekrose (wahrscheinlich über ein Ulna-Impingement) beitragen (s. unten). Es sind noch weitere ätiopathogenetische Mechanismen, wie die Madelung-Deformität, hoher Radiusfirst sowie Schädigungen des ulnokarpalen Komplexes diskutiert worden. Bei sog. idiopathischen Oslunatum-Nekrosen spielen möglicherweise mehr oder weniger latente endokrinologische, metabolische und neurale Störungen eine Rolle.

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Die Os-lunatum-Nekrose betrifft überwiegend Männer zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Die Symptomatik beginnt mit einem leichten Belastungsschmerz und einer Bewegungseinschränkung. Klinisch dominiert ein Druckschmerz dorsal über der Handwurzel. Da die klinische Symptomatik häufig sehr verspätet einsetzt, sind sehr frühe Stadien der Os-lunatum-Nekrose röntgenologisch nicht fassbar und daher auch kaum bekannt. Mithilfe des kon-

ventionellen Röntgenbilds kommt man erst dann auf die Diagnose, wenn sich erste diskrete Spongiosklerosen und eine etwas verwaschene Spongiosazeichnung einstellen (Abb. 2.265 a). Zu diesem Zeitpunkt ist selbstverständlich die MRT positiv mit Signalauslöschung im T1-gewichteten Bild und Signalintensitätsanhebung im T2-gewichteten Bild als Folge eines Ödems.

c

Abb. 2.265 a – f Verlaufsbeobachtung einer Os-lunatum-Nekrose (bei gleichzeitig bestehender skapholunärer Dissoziation). Da auch auf der Gegenseite eine Oslunatum-Nekrose nachweisbar war (f), dürfte es sich um eine idiopathische Oslunatum-Nekrose handeln: a Die Aufnahme wurde 1 Stunde nach einem Bagatelltrauma angefertigt, sie zeigt eine Verschleierung der Spongiosazeichnung im Os lunatum als Ausdruck einer reaktiv-reparativen Skleb rose. Der Befund hat nichts mit dem Trauma zu tun, er ist Ausdruck der ablaufenden idiopathischen Os-lunatum-Nekrose. b Die Aufnahme wurde 1 Monat später angefertigt, die Sklerose hat leicht zugenommen. c Weitere Dichtezunahme und beginnende Fragmentierung. d Komplette Fragmentierung des nekrotischen Os lunatum. Dadurch hat sich die Handwurzel verkürzt, u. a. erkennbar an dem Befund, dass das Os capitatum näher an den Radius heranpositioniert ist. f Nachweis einer Oslunatum-Nekrose auf der d Gegenseite.

e

f

a

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Handwurzel Konventionell-radiographisch unterscheiden Decoulx u. Mitarb. (1957) sowie Lichtman u. Mitarb. (1977) folgende Stadien einer Os-lunatum-Nekrose: ➤ Stadium I: Diffuse Sklerose unter Verlust der normalen Trabekelzeichnung mit erhaltener Form. ➤ Stadium II: Zystische Aufhellungen neben fleckigen Skleroseinseln bei ebenfalls noch erhaltener Form. ➤ Stadium IIIa: Fragmentierung im proximalen Abschnitt mit geringer Deformierung. ➤ Stadium IIIb: Fragmentierung im proximalen Abschnitt mit zunehmender Deformierung und vermehrter Flexionsstellung des Skaphoids (Abb. 2.265 d). ➤ Stadium IV: Starke Verdichtung des zusammengebrochenen Os lunatum mit arthrotischen Veränderungen an den benachbarten Gelenken.

171

Die einzelnen Stadien lassen sich sehr gut an dem Verlauf der Abb. 2.265 nachvollziehen. Dass es auch sozusagen eine Rückwärtsentwicklung vom Stadium IIIa zum Stadium I oder sogar zur Normalisierung geben kann, demonstriert der Verlauf in Abb. 2.266 a – d. Über den Spontanverlauf der Os-lunatum-Nekrose gibt es eine sehr informative Arbeit von Schiltenwolf u. Martini (1994). Die dynamische MRT-Diagnostik mit Gadolinium-DTPA gibt sehr gut Auskunft über den Progressionsstand der Erkrankung. So weisen eine homogene Signalanhebung auf das Vorliegen eines Ödemstadiums hin, eine fleckig inhomogene Anreicherung auf eine partielle Nekrose und eine fehlende Anreicherung auf eine komplette Nekrose hin. Auch die 3-Phasen-Szintigraphie gibt Auskunft über das

b a

c

d Abb. 2.266 a – f „Rückbildung bzw. Reparation“ einer Os-lunatum-Nekrose: a Die Aufnahme mit beginnender Fragmentierung des nekrotischen Os lunatum wurde anlässlich einer Radiusfraktur angefertigt, d. h., der Patient (Schwerarbeiter) war bis dahin offensichtlich asymptomatisch. Es wurde eine Osteosynthese des Radius mit Verkürzung der Ulna durchgeführt.

b 3 Jahre später zunehmende gleichmäßige Sklerosierung der Knochenstrukturen, die schärfer geworden sind. Die weitere Fragmentierung wurde aufgehalten. c Wiederum 3 Jahre später fast normal anmutendes Os lunatum, wenn man von der leichten Dichtezunahme und der Begradigung der proximalen Kontur absieht. d Nach 4 Jahren fast normale Spongiosazeichnung im Os lunatum. Abb. 2.226 e u. f 

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f

e Abb. 2.266 e, f 34-jähriger Arzt. Distal fragmentierende Lunatumnekrose. Der Hauptkörper des Os lunatum ist diskret, aber eindeutig sklerosiert. In der MRT (f) vollständige Fettsig-

nalauslöschung im Os lunatum. Chronische Synovitis mit Ödem um das Skaphoid und distal vom Ulnaköpfchen.

Perfusionsstadium: Bei sehr früher Nekrose ist die Perfusion reduziert und die Tracerbelegung auf den Spätaufnahmen geringer als in den anderen Handwurzelknochen. Dieses Stadium wird jedoch sehr selten angetroffen. In der Mehrzahl der Fälle ist die Aktivitätsanreicherung im Os-lu-

natum-Bereich erhöht als Folge reaktiv-reparativer Vorgänge. In Abb. 2.267 a – e sind weitere Fälle von Os-lunatum-Nekrosen in den verschiedenen Stadien und mit unterschiedlicher Morphologie dargestellt.

a

c

b

Abb. 2.267 a – e Verschiedene Stadien und Ausdrucksformen der Os-lunatumNekrose. d

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Handwurzel Bei einer umschriebenen subchondralen Sklerosierung der Os-lunatum-Abschnitte, die der Ulna gegenüberliegen, liegt in der Regel keine beginnende Mondbeinnekrose, sondern ein sog. Impingement-Syndrom vor (Abb. 2.268, 2.314, 2.316 – 2.318). Die Sklerose ist als subchondrale reaktive Sklerose bei stärkerer Druckbelastung aufzufassen. Das ulnokarpale Impingement-Syndrom wird auch als „Ulna-ImpactionSyndrom“ bezeichnet. Die Ursachen sind vielfach und rekrutieren sich aus einer angeborenen oder erworbenen (z. B. durch Radiusfraktur) Plusvariante der Ulna, aus Verlusten der Diskuselastizität und Läsionen der elastischen Diskusaufhängung und vielem mehr. In jedem Fall ist der ulnokarpale Komplex (S. 112) in irgendeiner Form geschädigt und involviert. Der subchondrale ulnarseitige Bereich des Os triquetrum kann ebenso betroffen sein wie der des Os lunatum. Magnetresonanztomographisch konnten Lener u. Mitarb. (1994) sehr eindrucksvoll die Einklemmungen und Kompressionen des Discus triangularis in Abhängigkeit von der Funktionsstellung der Hand nachweisen: Bei Ulnaduktion wird der Diskus zwischen Ulnakopf und Os triquetrum, bei Radialduktion zwischen Ulnakopf und Os lunatum eingeklemmt. Bei einer dritten Gruppe kommt es bei Ulnaduktion zur Einklemmung zwischen Incisura ulnaris radii und Os triquetrum. Bei der letzten Gruppe sollen gehäuft Minusvarianten der Ulna vorliegen. Aus dem bisher Gesagten geht hervor, dass es durch eine zu lange Ulna oder Schädigung des ulnokarpalen Komplexes (triangular fibrocartilage complex) zu einer stärkeren Druckbelastung auf das Os lunatum und/oder Os triquetrum kommt, die letztendlich zu einer Chondromalazie und schließlich zu reaktiven subchondralen Veränderungen führen. Klinisch gehen diese Veränderungen mit einem ulnokarpalen Schmerzsyndrom einher. Nach Palmer (1989) verläuft das Impingement-Syndrom nach folgenden Gesetzmäßigkeiten (als Folge einer chronischen repetitiven Ulnabelastung): Gesetzmäßigkeitem des Impingement-Syndroms nach Palmer: ➤ Im Initialstadium bestehen degenerative Veränderungen der horizontalen Partie des triangulären fibrokartilaginären Komplexes, zunächst ohne Perforation. ➤ Im zweiten Stadium kommt es zu einer weiteren Degeneration und Chondromalazie des Ulnaköpfchens und der proximalen Aspekte des Os lunatum. ➤ Im dritten Stadium perforiert schließlich der trianguläre fibrokartilaginäre Komplex und es kommt zu einer progredienten Degeneration der Gelenkflächen des Ulnaköpfchens und Os lunatum mit Zerstörung der lunotriquetralen Ligamentverbindung. ➤ Im Endstadium besteht eine Osteoarthritis im distalen Radioulnargelenk (Abbildungsserien in Abb. 2.316 – 2.318).

173

Abb. 2.268 Ulna-Impingement-Syndrom mit Sklerosierung der distalen subchondralen Ulnapartien und der gegenüberliegenden subchondralen Abschnitte des Os lunatum (s. auch Abb. 2.314, 2.316, 2.317 u. 2.318). Der Ulnavorschub ist Folge einer distalen Radiusfraktur, die in Verkürzung ausgeheilt war.

Entzündung? Isolierte Ostitiden oder Osteomyelotiden des Os lunatum sind uns nicht bekannt. Entzündliche Begleitveränderungen des Knochens kommen in der Regel im Rahmen eitriger Karpalarthritiden vor. Zu initialen radiologischen Veränderungen s. auch allgemeiner Teil des Kapitels über den Karpus. Erosiv-destruktive Veränderungen werden des Weiteren bei der rheumatoiden Arthritis, bei der Psoriasisarthritis u. a. beobachtet.

Tumor? Das Os lunatum ist nicht für irgendwelche tumorösen oder tumorähnlichen Veränderungen prädisponiert. Zystenartige Strukturauslöschungen werden bei intraossärem Ganglion (Abb. 2.269), als Ausdruck einer β2-MikroglobulinAblagerung, bei Chondromen u. a. beobachtet. Kleine rundliche Aufhellungen im Os lunatum entsprechen – vor allem bei scharfer Begrenzung – zumeist orthograd getroffen Gefäßkanälen und nicht initialen tumorösen Destruktionen (Abb. 2.253).

Mit der MRT-Symptomatik des Impingement-Syndroms beschäftigten sich Imaeda u. Mitarb. (1996) und Escobedo u. Mitarb. (1995) (S. 189 ff., Abb. 2.316 – 2.318).

Abb. 2.269 Klinisch symptomatisches intraossäres Ganglion im Os lunatum.

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Pathologischer Befund?

Os triquetrum

Variante oder Fehlbildung/Deformität?

Normalbefund Im Wachstum Der Kern des Os triquetrum (Dreieckbein) erscheint röntgenologisch im 2. Lebensjahr, nach den Kernen von Os capitatum und hamatum. 2 Kerne sind beobachtet worden.

Auf die Synostose zwischen Os lunatum und Os triquetrum wurde bereits mehrfach hingewiesen (Abb. 2.254, S. 121 u. 166). Von Anderson u. Bowers (1985) wird ein kongenitales Fehlen des Os triquetrum bei gleichzeitiger Dissoziation zwischen Os lunatum und Skaphoid und Hypoplasie des Os triquetrum auf der kontralateralen Seite beschrieben.

Fraktur oder Luxation? Im Erwachsenenalter Die räumliche Ausdehnung bzw. topographische Lage des Os triquetrum ist am besten auf axialen CT-Schnitten (Abb. 2.143) zu erkennen. Dadurch wird auch verständlich, weshalb das Os triquetrum im Seitbild manchmal kaum abgrenzbar wird.

Frakturen des Os triquetrum kommen durch ein ulnarseitiges Direkttrauma oder durch axiale Krafteinwirkung bei Sturz auf die überstreckte Hand zustande. Man unterscheidet:  Os-triquetrum-Körperfraktur (mit Längs- und Querfraktur, Abb. 2.271 u. 2.272),  dorsale Abrissfraktur (avulsion-fracture, ship-fracture).

b

a Abb. 2.270 a, b Os-triquetrum-Trümmerfraktur. Im technisch guten Übersichtsbild sieht man lediglich eine leichte Strukturunruhe, die man fast noch als Normvariante durchgehen lassen könnte. Da die Patientin aber eine diffuse Schwellung des Karpus hatte und sich im Os-triquetrum-Bereich ein

Druckschmerz fand, wurde eine CT-Untersuchung durchgeführt, die ganz eindeutig einen Trümmerbruch, zumindest einen Mehrfragmentbruch, erkennen lässt. Auf den Abbildungen ist die gesunde Gegenseite mitdargestellt.

Abb. 2.271 a, b Os-triquetrum-Querfraktur mit im Seitbild erkennbarer Fragmentverschiebung.

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Handwurzel Letztere stellt etwa 90% aller Os-triquetrum-Frakturen dar. Sie entspricht einem knöchernen Ausriss des Lig. radiotriquetrum oder intercarpale dorsale (Abb. 2.273 u. 2.275). Vor allem weitgehend eingestauchte Os-triquetrumTrümmerfrakturen sind im Übersichtsbild kaum eindeutig erkennbar oder nur an Strukturunruhen zu ahnen (Abb. 2.270 a). Im Seitbild ist die Beurteilung von Fragmentstellungen durch die Vielfachüberlagerung von Seiten der anderen Handwurzelknochen zumeist gar nicht möglich. Deshalb sollte früh die CT eingesetzt werden (Abb. 2.270 b). Die Os-triquetrum-Ausrisse sind im Seitbild hingegen besser zu diagnostizieren (Abb. 2.273). Einen et-

175

was ungewöhnlichen schalenförmigen Ausriss aus den lunatumseitigen Partien des Os triquetrum demonstriert Abb. 2.274 a. Wenn man die merkwürdige Konfiguration des Os triquetrum in den Abb. 2.274 b u. c sieht, könnte man sich vorstellen, dass es sich dabei um einen älteren schalenförmigen Ausriss gehandelt hat, der wieder angeheilt ist. In der 13. Auflage dieses Buchs wurde dieser Befund noch als typische Variante dargestellt, was uns aber heute – unter Berücksichtigung der gesamten Röntgensymptomatik dieses Falls – unzutreffend erscheint.

Abb. 2.272 Peripherer Os-triquetrum-Querbruch (Pfeil), dessen distales Fragment schalenförmig die Kontur des Os pisiforme überragt. Zusätzlich besteht ein Abbruch des Hamulus ossis hamati.

a

a

b

b

c

e

d

f Abb. 2.273 a – f Frische bzw. frischere (a – c) und ältere (d – f) Os-triquetrum-Ausrisse. Die Irregularität und „Multiplizität“ der in den Abb. d – f dargestellten Os-triquetrum-Ausrisse dürfte Folge von zusätzlichen heterotopen Verknöcherungen sein.

c

Abb. 2.274 a – c Schalenförmiger Ausriss vom proximalen Os triquetrum (Pfeil in a u. c). Die merkwürdige rinnenförmige Aufhellung unter der proximalen Kontur in Abb. b, in einer Art von distalem Fortsatz auslaufend, entspricht wahrscheinlich einem alten schalenförmigen Ausriss mit knöcherner Verheilung. Man kann sich leicht vorstellen, dass sich ein solcher Befund aus dem frischen schalenförmigen Ausriss in Abb. a entwickeln kann.

Abb. 2.275 Os-triquetrum-Ausriss (distales Knochenelement) und Os epilunatum (proximales rundliches Element).

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Wie bei den anderen Handwurzelknochen gilt es auch beim Os triquetrum, angeborene Akzessoria von Fragmenten zu unterscheiden. Die einzigen Akzessoria, die man mit einiger Wahrscheinlichkeit als solche einordnen kann, sind das Epipyramis und das Os epitriquetrum (Abb. 2.150 u. 2.284). Literatur über diese beiden Knochenelemente findet sich bei de Cuveland (1962) und O’Rahilly (1953). Ein kurioses Akzessorium stellt das Os daubentonii (Abb. 2.285) dar, das extrem selten beim Menschen auftritt und eigentlich einem Atavismus entspricht, denn dieser Knochen kommt beim Gibbon und anderen Affenarten physiologischerweise vor. Das Os triangulare (Abb. 2.278) existiert sicherlich als solches (Riva 1949, Ravelli 1956), das Problem liegt jedoch darin, dass dieses Knochenelement ausgerechnet im Bereich zwischen Processus styloideus ulnae und Os triquetrum auftreten kann, also in einem Bereich, in dem sich überhäufig frakturierte Knochenelemente (z. B. vom Processus styloideus ulnae, Abb. 2.276 a – o, 2.279, 2.280) oder sonstwie entstandene Verknöcherungen „tummeln“. Zu Letzteren zählen dystrophe und heterotope Kalzifikatio-

nen (Abb. 2.277, 2.281 u. 2.286) und mehr oder weniger geschichtete Osteome und Chondrome (Abb. 2.282, 2.286 u. 2.287). Solange es sich um Zufallsbefunde handelt, ist eine Differenzierung nicht notwendig. Gegenüber frischen Ausrissen grenzen sich die genannten unbekannten knöchernen Elemente (UBE) in der Regel entweder durch nicht vorhandene Spongiosabinnenstrukturen (Lupenbetrachtung bei exzellenter Aufnahmetechnik) und/oder durch Schichtungen vor allem bei langsam wachsenden Chondromen oder Kapselosteomen ab. Werden sie nicht im Zusammenhang mit einem Trauma beobachtet und der Patient hat einen Druckschmerz in dieser Region, dann sollte man eine Szintigraphie anfertigen, um zu sehen, ob dem Befund eine Bedeutung zukommt (z. B. Nekrose eines Akzessoriums, mechanische Irritation). Gegebenenfalls kann ein solches UBE dann operativ entfernt werden und eine Detaildiagnostik ist nicht notwendig, denn eine weitere präoperative Differenzierung ist auch mit bildgebenden Verfahren, wie CT oder MRT, kaum möglich und macht in diesem Zusammenhang keinen Sinn.

d a

b

c

Abb. 2.276 a – o Unterschiedlich große und variabel gestaltete isolierte knöcherne Elemente nach Verletzungen des Processus styloideus ulnae. In den Abb. m u. o bestehen an den hypertrophischen Pseudarthrosen erhebliche regressive Veränderungen und eine Volumenvermehrung der distalen Fragmente (vgl. mit Abb. 2.225 u. 2.311).

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Handwurzel

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Abb. 2.278

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Os triangulare (Pfeile).

Abb. 2.277 a – c Unstrukturierte heterotope Verknöcherungen unmittelbar neben der proximalen Kontur des Os triquetrum, als Zufallsbefunde und damit ohne jegliche klinische Bedeutung (Pfeile).

a

b

Abb. 2.280 a, b Verlaufsbeobachtung von 2 isolierten Knochenfragementen aus dem Processus styloideus ulnae: a Aktuelle Aufnahme nach Trauma. b 1 Jahr später mit irregulärer Anheilung und Vergrößerung der ehemaligen Fragmente.

Abb. 2.281 a – f Zusammenstellung von verschiedenen Knochenelementen im Winkel zwischen Processus styloideus ulnae und Os triquetrum (vgl. diese Abbildungen auch mit Abb. 2.276): a – c Bei den größeren Elementen in diesen Abbildungen handelt es sich sicherlich um „hypertrophierte“ Ausrisse, neben denen kleinere Ausrisse gelegen sind. Sämtliche größere Ausrisse sind in Pseudarthrose verheilt. d – f In diesen Abbildungen repräsentieren die weniger strukturierten rundlichen Knochenelemente sicherlich heterotope Ossifikationen. Die direkt neben dem Processus styloideus in Abb. f gelegenen Knochenelemente sind schwerer zu deuten. Wahrscheinlich entsprechen sie zweizeitigen oder fragmentierten Styloidausrissen.

c

b

a

Abb. 2.279 a, b Verlaufsbeobachtung eines Ausrisses der Spitze vom Processus styloideus ulnae: a Aktueller Befund nach Trauma. b Aufnahme nach 1 Jahr mit deutlicher Größenzunahme des Fragments. Diese Größenzunahme lässt sich nicht allein aus einer evtl. vorhandenen stärkeren Verkippung erklären (vgl. aber mit Abb. 2.225, bei der das knöcherne Element fast eine Kugelform hat, was für ein Akzessorium spricht).

d

a

e

b

f

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2 Arm Abb. 2.282 a – c Geschichtete Verknöcherungsfiguren in der Region zwischen Processus styloideus ulnae und Os triquetrum, wahrscheinlich Kapselosteomen oder Chondromen entsprechend.

a

c

b

a

b Abb. 2.283 a, b Typisches Bild der Chondrokalzinose mit Verkalkungen sowohl im hyalinen wie im Bindegewebsknorpel (Diskus). In Abb. b ist bereits eine skapholunäre Dissoziation eingetreten, wobei interessanterweise auch der Gelenkknor-

pel dieser beiden gegenüberliegenden Knochen verkalkt ist. Deutliche Arthrose im Gelenk zwischen Os scaphoideum und Os trapezium und Os trapezoideum. Dieses Gelenk ist häufiger bei der Chondrokalzinose involviert.

Abb. 2.284 a, b Die kleinen akzessorischen Knochenelemente entsprechen mit größter Wahrscheinlichkeit einem Os epipyramis.

a

b

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Handwurzel

179

Abb. 2.285 Os daubentonii. Das längliche Knochenelement  lateral vom Os trapezium zeigt peripher eine Querfraktur.

a

b

Abb. 2.286 a – c Symptomatische Knochenelemente zwischen Ulna und Os triquetrum: a Hier sind die beiden isolierten Knochenelemente proximal vom Os triquetrum relativ amorph und entsprechen heterotopen Verknöcherungen, wahrscheinlich nach einem Hämatom. Die umgebenden Weichteile sind verdichtet als Folge einer Synovitis.

c b, c Die zahlreichen kleinen Verknöcherungen entsprechen sehr wahrscheinlich sekundären Kapselosteomen, die auf dem Boden von Fragmenten einer partiellen Os-lunatum-Nekrose entstanden sind.

Abb. 2.287 a, b Bursaverkalkung distal vom Ulnaköpfchen, palmar gelegen. a

b

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2 Arm

Nekrose? Vollständige Os-triquetrum-Nekrosen sind selten (Abb. 2.289). Umschriebene, mit feinen Aufhellungen einhergehende Nekrosen, die nicht zu einer Fragmentation führen, finden sich bei permanenter Mikrotraumatisierung, wie im Fall der Abb. 2.288 dargestellt.

Os pisiforme a

Normalbefund Im Wachstum

b Abb. 2.288 a, b Irreguläre Strukturaufhellungen in der Mitte des Os triquetrum bei einer Omnibusfahrerin mit einer Doppelanlage des Os pisiforme. Die Patientin hat starke Schmerzen in dieser Region und gab an, während der vielen Jahre ihrer Berufstätigkeit mit der linken Hand immer auf das Lenkrad geschlagen zu haben. Die Strukturaufhellungen im Os triquetrum deuten wir als partielle Nekrose, die auf dem Boden einer Mikrotraumatisierung offensichtlich im Zusammenhang mit der Doppelanlage des Os pisiforme entstanden ist.

Der knöcherne Kern des Os pisiforme (auch als Erbsenbein bezeichnet) erscheint ziemlich spät, nämlich im 9. – 10. Lebensjahr. In der Regel bestehen mehrere Ossifikationszentren, die durchaus sehr krümelig erscheinen können, aber einem Normalbefund entsprechen (Abb. 2.290 u. 2.291). Die Kernanlage liegt im dorsopalmaren Strahlengang neben oder in Teilprojektion mit dem Os triquetrum (Abb. 2.290 a) und lässt sich auf Schrägaufnahmen sowohl frei in die Weichteile wie auch in eine Lücke zwischen Os hamatum, Os lunatum und Os triquetrum projizieren (Abb. 2.290 c). Im Seitbild sieht man manchmal einen palmarseitigen Ossifikationshauptkörper und zur Handwurzel hin zahlreiche krümelige, auch schalenförmige weitere Ossifikationszentren (Abb. 2.291 u. 2.292). Das Os pisiforme dient als Insertionsstelle für die Mm. flexor carpi ulnaris und abductor V. Auch das transversale Karpalband ist am Os pisiforme befestigt.

Im Erwachsenenalter Der Knochen ist ovalär und meistens ziemlich glatt berandet konfiguriert. Am besten stellt er sich in leicht schräger Projektion dar, wobei der Handrücken auf einem 60⬚-Keilkissen gelagert und leicht nach dorsal gestreckt wird. Der Zentralstrahl ist auf das untere Drittel der Handwurzel senkrecht zur Kassette gerichtet. Das pisotriquetrale Gelenk sollte frei projiziert sein.

Pathologischer Befund? Variante, Fehlbildung/Deformität?

Abb. 2.289 In den proximalen Partien fragmentierte Nekrose des Os triquetrum.

Auf die Besonderheiten der Ossifikation des Os pisiforme wurde bereits hingewiesen (Abb. 2.290, 2.291 u. 2.292). Synostosen mit dem Os triquetrum, auch mit dem Os hamatum, sind möglich, aber selten. Während uns Berichte über Aplasien oder extreme Hypoplasien nicht vorliegen, berichtet Viehweger (1957) über eine doppelseitige Hyperplasie des Os pisiforme in Kombination mit einer Hyperplasie des Hamulus ossis hamati.

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Handwurzel

a Abb. 2.290 a – c

Abb. 2.291 a, b Os pisiforme.

b

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c

Ossifikationsstadien des Os pisiforme in verschiedenen Projektionen (Pfeile).

Ossifikationsstadien des

a

b

Keats (1979) berichtet über die Möglichkeit eines Os pisiforme bipartitum und beschreibt auch einen ungewöhnlichen exostosenartigen Fortsatz, der vom distalen Pol nach distal zieht und in Höhe des Karpometakarpalbereichs IV endet. Wir selbst konnten eine solchen Fall beobachten, bei dem auf der linken Seite dieser Fortsatz gebrochen war (Abb. 2.293).

Abb. 2.292 Schalenförmiger Os-pisiforme-Kern palmarseitig  vom Os-pisiforme-Hauptkörper. In der Lücke 2 kleinere weitere Kernchen. Die Aufnahme wurde wegen einer Aitken-I-Verletzung des distalen Radius angefertigt.

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2 Arm Abb. 2.293 a – d Os pisiforme mit exostosenähnlichem Fortsatz nach distal zu, beidseitig. Auf der linken Seite Bruch dieses Fortsatzes mit pseudarthrotischen Formationen.

a

b

c

d

Fraktur oder Luxation? Os-pisiforme-Frakturen werden durch ein direktes Trauma von der Ulnaseite her verursacht. Sie kommen allerdings auch als Begleitverletzung bei Radius-, Os-triquetrumund Os-hamatum-Frakturen vor. Bei einer traumatischen Bandläsion kann es zu einer atypischen Stellung im Pisotriquetralgelenk kommen. Man unterscheidet formal:

Abb. 2.294

Querfraktur des Os pisiforme.

 lineare Frakturen (mit LängsAbb. 2.294),  Trümmerfrakturen,  artikuläre Impressionsfrakturen.

und

Querfraktur,

Bei dem Befund in Abb. 2.295 kann es sich um einen schalenförmigen älteren Ausriss handeln, aber auch um eine unspezifische metaplastische Verknöcherung, ähnlich wie in Abb. 2.298. Bei Trümmerfrakturen mit Absprengung

Abb. 2.295 Älterer schalenförmiger Ausriss von der Palmarseite des Os pisiforme (Pfeil). Differentialdiagnose: heterotope Ossifikation. Zufallsbeobachtung ohne klinische Symptomatik.

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Handwurzel und Isolation eines oder zweier Fragmente kommt differentialdiagnostisch selbstverständlich ein Akzessorium infrage, obwohl in dieser Region bisher keine spezifischen Akzessoria bekannt sind, wenn man einmal von dem bereits erwähnten nichtassimilierten doppelkernigen Os pisiforme absieht. Da trotz des früheren Eifers in der Suche und Beschreibung von Akzessoria im Hinblick auf das Os pisiforme bis heute nichts überliefert ist, ist anzunehmen, dass in dieser Region Akzessoria zumindest nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit wiederkehren. Bei dem Befund in Abb. 2.296 handelt es sich wohl um einen älteren Ausriss, denn er dürfte genau in die gegenüberliegende Kerbe des Os pisiforme hineinpassen. Auch bei den Form- und Konturveränderungen in Abb. 2.297 handelt es sich um ältere, aber knöchern wieder adaptierte Ausrisse oder Absprengungen.

183

Abb. 2.296 Knöcherner Ausriss aus der distalen Gelenkecke vom Os pisiforme. Das kleine rundliche Knochenelement passt genau in eine gegenüberliegende Lücke des Os pisiforme.

Nekrose? Auf die Möglichkeiten der Verwechslung von krümeligen Ossifikationskernen im Wachstumsalter mit nekrotischen Veränderungen (Abb. 2.290 u. 2.291) wurde bereits hingewiesen. Ansonsten sind idiopathische Os-pisiforme-Nekrosen nicht bekannt. Mit posttraumatischen Nekrosen muss allerdings gerechnet werden.

Entzündung? Das Os pisiforme kann in alle entzündlichen Karpalveränderungen involviert sein. Von Guly u. Azam (1983) wurde eine isolierte pisotriquetrale Arthritis als ungewöhnlicher Befund publiziert.

a

b

Abb. 2.297 a, b Folgezustände nach Os-pisiforme-Verletzungen: a Älterer knöcherner Ausriss, der in exostosenartiger Form eingeheilt ist. b Die starke Formveränderung des Os pisiforme ist entweder Folge einer alten alten Längsfraktur oder durch Fehlverheilungen von distalen und proximalen Ausrissen bedingt.

Abb. 2.298 Metaplastische Verknöcherungen in den palmarseitigen Weichteilen des Os pisiforme. Die irreguläre und krümelige Konfiguration rechtfertigt diese Diagnose.

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2 Arm

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2 Arm

Unterarm

Distaler Teil Normalbefund Im Wachstum Die Knochenkernchen von Radius- und Ulnaschaft treten in der 6. – 8. Fetalwoche auf, der Epiphysenkern in der distalen Radiusepiphyse zwischen dem 8. und 18. Lebensmonat und in der distalen Ulnaepiphyse im 6. – 7. Lebensjahr. Die zeitliche Variationsbreite des radiologischen Erstnachweises der erwähnten Epiphysenkerne ist verhältnismäßig groß. Die distalen Epiphysenkerne von Radius und Ulna verschmelzen mit den Metaphysen ungefähr im 18. Lebensjahr. Dabei ossifiziert die Epiphysenfuge in ihrem ulnaren Anteil schneller. Der distale Epiphysenkern des Radius ist bei einem 5Jährigen im Verhältnis zur angrenzenden Metaphyse außerordentlich klein. Die Epiphysenfuge schwankt normalerweise in ihrer Breite, ein Befund, der nicht mit Epiphysenlockerungen verwechselt werden darf (s. auch Kapitel „Fraktur, Subluxation/Luxation“). Im Seitbild wird der Epiphysenkern von der Metaphyse angedeutet becherförmig umschlossen (Abb. 2.299).

Im Alter von 14 Jahren ist die distale Radiusepiphyse fast so breit wie die Metaphyse. Beim 18-Jährigen hat die Radiusepiphyse ihre endgültige Größe erreicht, sie ist breiter als die Metaphyse und besitzt kurz vor dem Zeitpunkt der Verschmelzung einen typischen Sporn an der radialen Kontur (Abb. 2.299 b u. 2.300). Der Epiphysenfugenspalt der Ulna erscheint radiologisch zumeist breiter als der Spalt des Radius (Abb. 2.301). Im Zentrum des Ulnaepiphysenfugenspalts finden sich fast regelmäßig kleinere feine Knochenstrukturen (Abb. 2.302 a), die manchmal säulenförmig konfiguriert sind und den Spalt zu überbrücken scheinen (Abb. 2.302 b). Gleiche Befunde, aber in geringerer Häufigkeit, finden sich im Spalt der Radiusepiphysenfuge (Abb. 2.303). Über Größe und Länge des Schafts von Radius und Ulna während der ersten 2 Lebensjahre werden von Ghantus (1951) verhältnismäßig präzise Angaben gemacht. Hafner u. Mitarb. (1989) berechneten die Variationsbreite der Ulnalänge für das Alter von 1,5 – 15,5 Jahren an einem Material von 535 Handröntgenaufnahmen. Die von den Autoren gefundenen Werte (Distanzen des proximalsten Punkts der distalen Radiusmetaphyse zum proximalsten Punkt der distalen Ulnametaphyse sowie Distanzen der distalsten Punkte des distalen Radius von der Ulnametaphyse) erwiesen sich als hilfreich, um eine Ulnaverkürzung z. B. bei Abb. 2.299 a, b Typische Aufnahmen der Epiund Metaphysen von distalem Radius und distaler Ulna bei einem 17-jährigen Jungen. Beachte die becherförmige Konfiguration der Radiusmetaphyse im Seitbild (a) und den metaphysären normalen Knochensporn radialseitig am Radius (b).

a

b Abb. 2.300 a, b Anatomische Präparateaufnahmen der distalen Radiuswachstumszone. Beachte vor allem den radialseitigen Sporn an der Metaphyse in Abb. b.

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b

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Unterarm juveniler rheumatoider Arthritis, bei Exostosenkrankheit usw. zu verobjektivieren und zu verfolgen. Die unmittelbar an den Epiphysenfugenspalt angrenzenden Abschnitte der Radius- und Ulnametaphyse erscheinen bis zum Alter von 2 Jahren häufig auffallend dicht. Dieser Befund erklärt sich aus dem sog. metaphysären Ring, der einer Art von amorph kalzifizierten Manschette der perichondralen Strukturen entspricht, auch als „Virole“ bezeichnet (Abb. 2.304). Besonders deutlich wird der Befund, wenn der Zentralstrahl parallel zur Abschlussebene der Radiusmetaphyse verläuft. Das wird dann erreicht, wenn der Zentralstrahl um etwa 5⬚ nach distal zu gekippt wird. Bei nichtorthograder Projektion kann das Bild sog. Polsterepiphysen entstehen (Abb. 2.305), die es bei verschiedenen Entwicklungsstörungen gibt (Buttenberg 1967). Es können bei nichtorthograder Projektion aber auch Fehldeutungen, z. B. im Sinne einer Rachitis oder einer intraspongiösen Kallusbildung vorkommen.

187

Unterschiede zwischen der rechten und linken Hand sind allerdings in der Regel minimal, sodass man Abweichungen von mehr als 3 – 4⬚ als pathologisch und in der Regel traumainduziert ansehen sollte.

Abb. 2.301 Physiologischerweise sehr breite Epiphysenfuge an der distalen Ulna mit doppelter Kernanlage.

Im Erwachsenenalter Auf die spornartige Prominenz der radialen Seite der Radiusepiphyse, die zum Zeitpunkt der Verschmelzung der Epiphyse mit der Metaphyse auftritt, wurde bereits oben verwiesen (Abb. 2.299 b). Sie ist im Erwachsenenalter deutlicher und kann auch höckrig gestaltet sein (Abb. 2.306). An der ulnaren metaphysären Radiuskontur imponiert oft eine Art von schmaler „Leiste“, die in die Gelenkkontur des radioulnaren Gelenks übergeht, und die nicht mit einer subperiostalen Resorptionszone, z. B. im Sinne eines subperiostalen Ganglions, verwechselt werden sollte (Abb. 2.307). Die physiologischen Winkel der Radiusgelenkfläche nach palmar und ulnar zu wurden bereits auf S. 106 (Kapitel Handwurzel) besprochen. Hier sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Variationsbreite dieser Winkel außerordentlich groß ist (palmare Neigung von 0 – 20⬚; ulnare Neigung zwischen 15 und 35⬚).

Abb. 2.302 a, b Feine Ossifikationen in der Epiphysenfuge der distalen Ulna.

a

b

Abb. 2.303 Normale, feine Ossifikation im Sinne einer sog. Knochensäule in der Epiphysenfuge des distalen Radius.

Epiphyse Physe metaphysärer Ring Metaphyse

Diaphyse

a

b Abb. 2.304 a, b Zum metaphysären Ring: a Schema der radiologischen Wiedergabe des Handgelenks von einem 2-jährigen Kind. Der „metaphysäre Ring“ bildet einen zylindrischen Sockel, dem die Metaphyse in ganzer Ausdehnung aufsitzt.

b Handgelenkaufnahme eines 10 Monate alten Kindes. Der metaphysäre Ring ist an Radius und Ulna zu erkennen. Die metaphysäre Ausmuldung beginnt proximal des Rings (aus LavalJeantet, M., N. Balmain, M. Juster, J. Bernard: Ann. Radiol. 11 [1968] 327).

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a

2 Arm Abb. 2.305 a, b So genannte Polsterepiphyse am Beispiel der Handgelenkaufnahme eines 2 Monate alten Säuglings: a Hier trifft der Zentralstrahl in einem 90⬚ Winkel die distale Metaphyse von Radius und Ulna, wodurch sich sehr dichte bandförmige Strukturen unmittelbar am Anschluss an die Epiphysenfugen ergeben, die man als Polsterepiphyse bezeichnet. Sie haben keinerlei Krankheitswert. Unter anderem wird das durch die Abb. b bewiesen. b Die Röntgenröhre wurde um 5⬚ nach proximal gekippt. Die projektionsbedingten Verdichtungen sind verschwunden.

b

Abb. 2.306 a, b Knochensporn und Knochenprominenz: a Physiologischer Knochensporn an der radialseitigen Radiusmetaphyse (Pfeile) (vgl. auch mit der Abb. 2.300 b). b Physiologische leistenförmige Knochenprominenz in der Region der früheren Epiphysenfuge (Pfeile). Diese leistenförmige Konfiguration stellt letztendlich eine Variante der spornartigen Konfiguration in Abb. a dar.

a

b

a Abb. 2.307 a – d Normale und pathologische Konturierung des distalen ulnarseitigen Radius: a Leistenförmige ulnarseitige Begrenzung des Radius, ein typisches Projektionsphänomen, das sich zwanglos aus der plateauförmigen Anlage der ulnarseitigen Radiusepi- und -metaphyse bei nicht ganz orthograder Projektion ergibt (Pfeile). b Der Befund in Abb. a sollte nicht mit einem subperiostalen Ganglion verwechselt werden, das immer eine irreguläre Begrenzung der arrodierten Kortikalis erkennen lässt. Fortsetzung (c, d) s. S. 189 oben.

b

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d

c Abb. 2.307c Beachte die relativ tiefe Erosion oder Grube im CT-Schnitt.

d Der darein passende Weichgewebsprozess stellt sich im T2gewichteten MRT-Bild mit hoher Signalintensität (flüssigkeitsäquivalent) dar (25-jähriger Masseur).

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? An den distalen Radius- und Ulnaepiphysen kann es Doppelkernanlagen geben, die später nicht verschmelzen, d. h. also persistieren (Abb. 2.301, 2.308, 2.309, 2.310 u. 2.311). Man bezeichnet solche persistierenden Kerne als Ossa styloides radii bzw. ulnae. Ihre Abgrenzung gegenüber Ausrissen aus den Spitzen der Processus styloidei ergibt sich aus Anamnese, klinischem Tastbefund und evtl. auch aus Begleitverletzungen (Abb. 2.312). Weiteres zu akzessorischen Knochenelementen um die Processus styloidei radii et ulnae s. S. 176 und Abb. 2.224, 2.225, 2.279 – 2.282. Die Processus styloidei ulnae schwanken in Ihrer Größe und Form. Sehr klein angelegte Prozessus (Abb. 2.335 c u. d) sind genauso wie große und plumpe als normvariant anzusehen. Wenn bei den in Abb. 2.335 a u. b dargestellten Exemplaren nicht die dort geschilderte Vorgeschichte gewesen wäre, müsste man sie als normvariant einstufen. Kleine isolierte Knochenkerne bei asymptomatischen Patienten ohne Traumaanamnese kommen gelegentlich an der ulnarseitigen Gelenkkante der distalen Radiusgelenkkontur vor (Abb. 2.313). Wenn die Ulna angeboren, also ohne Trauma, länger als der Radius ist, bezeichnet man das als Plusvariante, ist sie kürzer als der Radius, dann spricht man von einer Minusvariante (Abb. 2.315; S. 169). Bei extremen Minusvarianten finden sich Übergänge zu der Madelung-Deformität (S. 125 f.). Plus- und Minusvarianten sind vom posttraumatischen Ulnavorschub (durch Radiusverkürzung, Abb. 2.314) und posttraumatischer Ulnaverkürzung – auch semantisch – abzugrenzen. Plusvariante und posttraumatischer Ulnavorschub sind auffallend häufig mit dem sog. UIna-Impaction-Syndrom, auch als Ulna-Impingement-Syndrom bezeichnet, assoziiert (S. 173). Normalerweise gehen etwa 20% der axialen Kraftübertragung vom Handgelenk zum Unterarm über die Ulna (Palmer 1984). Schon geringfügige Längenzunah-

a

b

Abb. 2.308 a, b Isolierte Kerne an der Spitze des Processus styloideus radii.

Abb. 2.309 Abb. 2.310 Abb. 2.309

Kern des Processus styloideus ulnae.

Abb. 2.310 Persistenz von Verknöcherungszentren an der Ulna (Pfeile).

men der Ulna im Vergleich zum Radius führen zu einer massiven Zunahme der Kraftübertragung über die Ulna, sodass die Folgen ihrer Plusvariante oder ihres Vorschubs mit einer unphysiologisch starken Belastung der distal von der Ulna gelegenen Strukturen plausibel sind. Zu diesen Strukturen gehören:

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2 Arm Abb. 2.311 a, b Kein Abriss des Processus styloideus ulnae, sondern Doppelanlage mit offensichtlich langer, vielleicht auch definitiver Persistenz (vgl. auch mit Abb. 2.224, 2.225, 2.279 – 2.282).

a

b

a a

b

Abb. 2.312 a, b Differentialdiagnose persistierender Epiphysenkerne an den Processus styloidei radii: a Hier lässt sich das isolierte Knochenelement ohne weiteres als Fragment deuten, denn wenn man es an den benachbarten Radius heranschieben würde, würde es dort genau hinpassen. Außerdem sieht man eine alte Skaphoidfraktur als Begleitverletzung oder umgekehrt. b Keinerlei Begleitverletzung, keine Veränderung an der Spitze des Processus styloideus radii, sodass man dieses kleinste Knochenelement als Akzessorium auffassen kann (vgl. auch mit Abb. 2.235).

쐌 triangulärer fibrokartilaginärer Komplex (TFCC, S. 112), 쐌 Os lunatum und Os triquetrum und ihre Bandverbindungen. Von Palmer (1989) wurde das Ulna-Impaction-Syndrom als ein Spektrum von Veränderungen an dem ulnaren Aspekt des Handgelenks beschrieben, das bestimmten

b Abb. 2.313 a, b Kleine Knochenkerne am ulnarseitigen Rand des Radius (Doppelpfeil): a Der Pfeil weist auf eine subchondrale „Spalte“ im Os lunatum hin, die offensichtlich bei klinischer Symptomfreiheit durch eine umschriebene Spongiosararefizierung und Fettgewebsersatz bedingt ist. b Hier ebenfalls deutlich erkennbarer kleiner akzessorischer Knochenkern am Ulnarand des Radius.

chronologischen Gesetzmäßigkeiten folgt (S. 173). Die Veränderungen sind das Endergebnis einer sich chronisch wiederholenden ulnaren Überlastung. Im Initialstadium entwickeln sich degenerative Veränderungen der horizontalen Portion des TFCC ohne Perforation. Im Folgestadium nehmen diese degenerativen Veränderungen zu, zusätzlich entwickelt sich eine Chondromalazie am Ulnaköpf-

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Abb. 2.314 a – c Posttraumatische Ulnaplusvariante oder – besser – posttraumatischer Ulnavorschub: a Exzessive posttraumatische Ulnaplusvarianten bei klinisch asymptomatischem Patienten. Die Radiusverkürzung ist wahrscheinlich Folge von früher durchgemachten Fugenverletzungen. b, c Entwicklung einer Plusvariante bei einem 28-jährigen Mann. In Abb. b Röntgenaufnahme am 05.02.1998 nach einem Trauma. Die distale Radiusschaftfraktur ist nicht abgebildet. Nach Osteosynthese, Verheilung und Metallentfernung 6 Monate später (c) deutlicher Ulnavorschub, da die Radiusfraktur in Verkürzung ausgeheilt ist und beginnendes Impingement (Impaction). Beachte die zarte subchondrale Sklerose und verwaschene Spongiosazeichnung im Os lunatum, an das das Ulnaköpfchen anstößt.

a

b

c

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d

Abb. 2.315 a – d Unterschiedlich ausgeprägte Ulnaminusvarianten. Die Abb. b – d gehören zu einer 17-jährigen asymptomatischen Patientin.

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2 Arm

chen und im proximalen ulnarseitigen Abschnitt des Os lunatum. Mit der Zeit kommt es dann zu einer Perforation des TFCC. Schließlich folgen progrediente degenerative Veränderungen der Gelenkfläche des Ulnaköpfchens und des Os lunatum mit einer Zerstörung des lunotriquetralen Bands. Im Finalstadium der Degeneration können sich auch degenerative Veränderungen des distalen radioulnaren Gelenks einstellen. Der ätiologische Anteil von Plusvarianten am Ulna-Impaction-Syndrom ist wesentlich größer als der Anteil von erworbenen distalen Radiusverkürzungen, z. B. durch eine Colles-Fraktur. Klinisch haben die Patienten mit einem Ulna-Impaction-Syndrom Schmerzen über dem ulnaren Aspekt des Handgelenks, besonders bei Pronation oder Supination oder Ulnardeviation. Zwischen Ulnaköpfchen einerseits und Os lunatum und Os triquetrum andererseits kann eine fokale Schwellung nachgewiesen werden. Die Patienten verspüren häufig einen Klick oder eine Krepitation bei Drehbewegungen. Die degenerativen Veränderungen am triangulären fibrokartilaginären Komplex werden nach Palmer in 5 Subkategorien – je nach Schweregrad – eingeteilt (Klasse 2 A – 2 E) (Palmer 1989, 1990). Die Röntgenzeichen des Ulna-Impaction-Syndroms sind: 쐌 positive Ulnavariante bzw. -vorschub, 쐌 kortikale und subchondrale Sklerose, 쐌 subchondrale zystenartige Strukturaufhellungen am Ulnaköpfchen sowie unter den gegenüberliegenden Gelenkkonturen vom Os lunatum und Os triquetrum (Abb. 2.316 a, 2.318 a u. 2.386 d). Diese pathologischen Veränderungen stellen aber in der Regel schon ein fortgeschrittenes Stadium des Ulna-Impaction-Syndroms dar. Sehr frühe radiologische Veränderungen sind nur bei exzellenter Aufnahmetechnik und mit Lupenbetrachtung zu erkennen und machmal kaum von einem Normalbefund zu unterscheiden (Abb. 2.316 a u. 2.317 a).

a

Im Szintigramm finden sich verstärkte Aktivitätseinlagerungen in den beteiligten Knochen, ein Befund, der in sich allerdings unspezifisch ist (Abb. 2.316 b). In dieser Situation kann die MRT weiterhelfen, sowohl im Hinblick auf die präzise Darstellung des TFCC als auch früher Veränderungen in den beteiligten Knochen (Escobedo u. Mitarb. 1995, Imaeda u. Mitarb. 1996). In T1-gewichteten Bildern stellen sich zumeist niedrige Signalintensitäten in den subchondralen Partien des Ulnaköpfchens, des Os lunatum und Os triquetrum dar. Auf T2-gewichteten Bildern sieht man in den korrespondierenden subchondralen Knochenabschnitten entweder niedrige Signalintensitäten, Sklerose oder Fibrose entsprechend, oder hohe Signalintensitäten, die entweder ein Ödem oder subchondrale Zystenbildungen oder eine Kombination davon repräsentieren (Abb. 2.316 – 2.318). Die Differentialdiagnose der oben erwähnten Röntgenzeichen stellt sich vor allem gegenüber altersbedingten Veränderungen (Uchiyama u. Terayama 1991, Viegas u. Mitarb. 1993). Eine korrekte Zuordnung gelingt nur unter Berücksichtigung der Klinik. Eine weitere Differentialdiagnose stellt die beginnende Os-lunatum-Nekrose dar (S. 169). In der Regel geht diese aber nicht mit einer Plus-, sondern eher sogar mit einer Minusvariante der Ulna einher, außerdem ist zumeist – vor allem im MRT-Bild – der gesamte Knochen betroffen. Auf die Madelung-Deformität wurde bereits im Kapitel „Karpus“ näher eingegangen. An dieser Stelle sei aber auf die sog. Pseudo-Madelung-Deformität hingewiesen. Während sich bei der Madelung-Deformität die Wachstumsstörung in der distalen ulnaren palmaren Radiusepiphyse findet, sodass diese sich stark nach ulnar und palmar zu neigt (mit bajonettartiger Verschiebung der Hand gegenüber dem Unterarm nach palmar zu und Subluxation des Ulnaköpfchens), entstehen Pseudo-Madelung-Deformitäten z. B. durch kartilaginäre Exostosen beispielsweise an der radialseitigen Ulnametaphyse (Abb. 2.319) oder durch ein Sistieren des Wachstums der ulnarseitigen Anteile nach Radiusepiphysenfugenfrakturen (Abb. 2.320). Zu kurze Ulnae kommen zumeist bei komplexeren Skelettdysplasien vor (z. B. Achondroplasie, Mukopolysaccharidose IV Morquio).

b

Abb. 2.316 a – c Ulna-Impaction-Syndrom: a In dieser Abbildung stellt sich eine diskrete Sklerose in den subchondralen Partien des ulnarseitigen Os lunatum dar, die Spongiosafeinzeichnung ist durch die Sklerose maskiert (Pfeil). b Im 99 mTc-Diphosphonat-Szintigramm asymmetrische, verstärkte Aktivitätsanreicherung in der Region des linken Os lunatum und Os triquetrum bei unauffälliger Darstellung der Gegenseite (Aufnahmen in palmarer Projektion).

c c Im MRT (T1-Gewichtung, koronare Schnittrichtung) sieht man eine fokal erniedrigte Signalintensität jeweils im Os lunatum und Os triquetrum (Pfeile). Die fokalen Reduzierungen der Signalintensität im Os capitatum entsprechen physiologischen Schwankungen durch Spongiosaverdichtungen (aus Escobedo, E. M. u. Mitarb.: Skelet. Radiol. 24 (1995) 85 – 90, Abb. 1 a – e).

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d Abb. 2.317 a – d Ulna-Impaction-Syndrom: a Positive Ulnavariante mit leichtgradiger subchondraler Sklerose im ulnaren Aspekt des Os lunatum (Pfeil). b Auf dem koronaren T1-gewichteten MRT-Bild umschriebene niedrige Signalintensitätszone im ulnaren Aspekt des Os lunatum und der gegenüberliegenden Ulna (Pfeile). c Auf dem koronaren fettsupprimierten Bild sieht man eine erhöhte Signalintensität im proximalen Os lunatum und in der distalen Ulna (gerade Pfeile). Es besteht eine Flüssigkeitskommunikation (synoviale Flüssigkeit) zwischen dem radiokarpa-

a

len und dem distalen radioulnaren Gelenk (proximaler Pfeil), bedingt durch eine Ruptur des TFCC. TFCC Triangular Fibrocartilage Complex d Koronare STIR-Sequenz 9 Monate nach Ulnaverkürzungsosteotomie mit Rückbildung der Signalveränderungen im Os lunatum und in der Ulna und einer Abnahme des Ergusses im Karpus. Hier kommt die Zerstörung des TFCC deutlicher zur Darstellung (aus Escobedo, E. M. u. Mitarb.: Skelet. Radiol. 24 (1995) 85 – 90, Abb. 2 a – d).

b

Abb. 2.318 a – c Ulna-Impaction-Syndrom: a Ausgeprägte Ulnaplusvariante mit großer subchondraler (degenerativer) Zyste im Os lunatum, umgeben von Sklerose. Sklerosierungen auch im gegenüberliegenden Ulnaköpfchen (Pfeile). b Auf dem T1-gewichteten koronaren Bild niedrige Signalintensitäten im Os lunatum und Os triquetrum sowie in der Ulna (Pfeile).

c c Im dazugehörigen T2-gewichteten Bild stellt sich die Zyste im Os lunatum erwartungsgemäß signalintensiv dar, während im Os triquetrum und im Ulnaköpfchen die vorher beschriebenen niedrigen Signalintensitäten niedrig bleiben, offensichtlich durch die umschriebenen Sklerosierungen verursacht (aus Imaeda, T. u. Mitarb.: Radiology 201 (1996) 495 – 500).

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2 Arm

Fraktur, Subluxation/Luxation?

a

b Abb. 2.319 a, b Kartilaginäre Exostosenkrankheit (verschiedene Patienten) mit Pseudo-Madelung-Deformität durch distale Ulnaexostose mit konsekutiver Wachstumshemmung der Ulna. Zusätzlich Radiusköpfchenluxation. Die radiologisch nicht sichtbare breite Knorpelkappe über der radialseitigen Exostose in Abb. a hat u. a. zu der starken Verbiegung des Radius geführt.

Traumatische Epiphysenlockerungen sind radiologisch häufig sehr schwierig zu diagnostizieren, zumeist auf dem Seitbild besser als in der Dorsopalmarprojektion (Abb. 2.321). Diskrete Verschiebungen der Epiphyse gegenüber der Metaphyse oder eine asymmetrische Spaltweite (Klaffen) erkennt man häufig erst durch Hinzuziehung einer Aufnahme von der Gegenseite (Abb. 2.322). Solche Epiphysenlockerungen und -lösungen müssen von stressbedingten Aufweitungen der Epiphysenfugen unterschieden werden (Abb. 2.323). Im Wachstum ist die Wachstumsfuge ganz besonders anfällig gegenüber akutem und chronischem Stress, da Gelenkkapsel und -bänder 2- bis 5-fach fester als der Wachstumskorpel sind (Harsha 1957). Aufweitungen der Epiphysenfuge durch Stress sind in der Regel mit Stressfrakturen des Wachstumskorpels oder mit metaphysären Frakturen assoziiert (Fliegel 1986, Carter u. Mitarb. 1988, Mandelbaum u. Mitarb. 1989, Caine u. Mitarb. 1992). Chronische stressbedingte Veränderungen der Epiphysenfuge des Radius werden in Europa besonders bei exzessiver Bodengymnastik, bei Geräteturnern und beim Breakdance beobachtet. Neben der Aufweitung der Epiphysenfugen finden sich röntgenologisch die Metaphysenränder irregulär aufgelockert. Doch nicht nur die Radiusepiphysenfuge, sondern auch die der Ulna können involviert sein. Die MRT-Phänomene von chronisch gestressten Radius- und Ulnaepiphysenfugen bei Schülern der chinesischen Oper werden von Shih u. Mitarb. (1995) beschrieben. Die Kinder trainierten an 6 Tagen der Woche 2 Stunden Bodenturnen über 10 Monate im Jahr, wobei sie u. a. Handstand bis zu 45 Minuten machten. Neben den oben bereits beschriebenen konventionell-radiologischen Zeichen fanden sich horizontale Frakturen in den Metaphysen und eine Ausdehnung des Epiphysenfugenkorpels in die Metaphysen. In einer anderen Studie (Chang u. Mitarb. 1995) am selben Krankengut wurden weitere radiologische Phänomene wie metaphysäre Sklerose, Lücken in der Metaphyse, kleine Fragmente in der Physe usw. beobachtet. Subluxationen im distalen Radioulnargelenk sind konventionell-radiologisch manchmal schwierig nachzuweisen, trotz eindeutiger Klinik. Entscheidend ist eine korrekte Einstellung bei der Röntgenuntersuchung unter Vermeidung von Supinations- und Pronationsstellungen. Bei

a Abb. 2.320 Pseudo-Madelung-Deformität nach Epiphysenfugenfraktur.

b

Abb. 2.321 a, b Epiphysenlösung, die nur im Seitbild (b) durch eine Dorsalverschiebung erkennbar wird.

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Unterarm der Lateralaufnahme ist darauf zu achten, dass in der Schulter keinerlei Abduktion entsteht, sich der Ellenbogen in 90⬚-Flexion und der Vorarm in Neutralrotation befindet (Mino u. Mitarb. 1983, Mino u. Mitarb. 1985, Nakamura u. Mitarb. 1995). Vielfach ist eine solche Neutrallateralaufnahme jedoch technisch gar nicht möglich, sodass die CTBestimmung der modifizierten radioulnaren Linienmethode eingesetzt werden sollte (S. 118; Nakamura u. Mitarb. 1996). Über die normale und abnormale Geometrie des distalen Radioulnargelenks im MRT-Bild bei symptomatischen und asymptomatischen Patienten berichten Staron u. Mitarb. (1994). Distale Radiusfrakturen werden u. a. nach Frykman klassifiziert (Abb. 2.325 u. Tab. 2.20). Bricht bei einem Hyperextensionstrauma die dorsale Radiuskante ab, spricht man von einer Barton-Fraktur (Abb. 2.327 u. 2.328), kippt das frakturierte Gelenkmassiv nach dorsal ab, nennt man das Colles-Fraktur. Der palmare Kantenabbruch beim Hyperflexionstrauma wird als reverse Barton-Fraktur, die palmare Fragmentabkippung als Smith-Fraktur bezeichnet. Auf weitere Details der distalen Radiusfrakturdiagnostik kann nicht näher eingegangen werden, insbesondere

a

a

b

Abb. 2.322 a, b Die in Abb. a in Form eines palmar klaffenden Epiphysenfugenspalts erkennbare Epiphysenlockerung oder -lösung lässt sich sicherer durch eine Vergleichsaufnahme von der Gegenseite diagnostizieren.

c

b

Abb. 2.323 a – c Epiphysenfugen bei Dauerstress: a, b Aufnahmen in 2 Ebenen.

195

c Normalisierung nach Ausschaltung der Dauerstresssituation.

Abb. 2.324 a, b Frische eingestauchte Radiusfraktur: a Die Radiusfraktur ist nicht eindeutig identifizierbar, vor allem bei der leichten Verprojizierung. b Nach 3 Wochen wird der erste intraspongiöse Kallus in Form einer bandförmig quer verlaufenden Verdichtungszone sichtbar.

a

b

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2 Arm

196

Tabelle 2.20 Frykman

Klassifikation der distalen Radiusfrakturen nach

Frakturverlauf

Fraktur- Betroffenes typ Gelenk

Processus styloideus ulnae

Extraartikulär

I, II



nicht frakturiert = ungerade Nummer

Intraartikulär

III, IV

radiokarpal

V, VI

DRUG

VII, VIII

radiokarpal + DRUG

DRUG

frakturiert = gerade Nummer

Distales Radioulnargelenk

Abb. 2.325

da sich hier in der Regel – bis auf kleinere Kantenabrissfrakturen – keine Probleme gegenüber der Normvarianz stellen. Distale Radiusfrakturen (Stauchungsbrüche) ohne Fragmentverschiebung sind konventionell-radiologisch manchmal außerordentlich schwierig zu diagnostizieren (Abb. 2.324). Deshalb sollte bei forensisch-relevanten Fällen rechtzeitig die CT eingesetzt werden, um insbesondere auch eine Gelenkbeteiligung zu sichern oder auszuschließen. Subperiostale Frakturen, sog. Grünholz-Frakturen (Abb. 2.326) können dann übersehen werden, wenn die Projektion nicht streng lateral ist und sich der Wulst sozusagen wegdreht. Abrissfrakturen der Processus styloidei ulnae et radii (Abb. 2.276, 2.279 – 2.282) sollten von persistierenden zusätzlichen Kernchen abgegrenzt werden (Abb. 2.25, 2.309, 2.310 – 2.312; s. auch S. 176 u. 189).

I

III

V

VII

II

IV

VI

VIII

Schematische Darstellung der Klassifizierung der distalen Radiusfraktur nach Frykman.

Immer dann, wenn das isolierte Knochenfragment an einer Stelle eine durchgehende Kortikalis vermissen lässt, sollte eine Fraktur angenommen werden. Dorsale Radiuskantenabbrüche durch Hyperextensionstraumen (Barton-Fraktur, s. oben und Abb. 2.327 u. 2.328) sind von – seltenen – akzessorischen Knochenelementen wie z. B. dem Os epilunatum abzugrenzen (Anamnese, Abb. 2.329). Isolierte Frakturen des Ulnaköpfchens sind selten und im Fall der Abb. 2.330 schwierig zu diagnostizieren.

Abb. 2.326 Typische subperiostale Fraktur mit Stufen- oder Wulstbildung an der dorsalen metaphysären Kante (Aitken-IFraktur).

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Unterarm

Abb. 2.327

197

Kleine Barton-Fraktur.

Abb. 2.328 Kleine Barton-Fraktur (Pfeil). Komplexe radiokarpale Gefügestörung mit DISI-Konfiguration.

Abb. 2.330 Frakturbedingte Konturunterbrechung an der proximalen, gelenknahen Ecke der Ulna zum Radius (Pfeil). 컅 Abb. 2.329 Akzessorisches Knochenelement (Pfeile) in Projektion auf das lunatumseitige Skaphoid. Leere Anamnese, wodurch eine ältere Barton-Fraktur unwahrscheinlich wird. Wir verfügen leider nicht über ein Seitbild, doch ist anzunehmen, dass das Element dorsalseitig liegt.

Nekrose? Bei permanentem mechanischen Stress (z. B. bei Tätigkeiten mit Presslufthammern) können die distalen Radiusund Ulnaepiphysen, insbesondere die Processus styloidei nekrotisch werden (Bugyi 1972). Radiologisch stellen sich diese Nekrosen in Form von sehr dichten krümeligen Knochenfragmenten dar, in Kombination mit irregulären Strukturaufhellungen im angrenzenden Knochenbereich (Abb. 2.331 – 2.333). Hypertrophierte oder doppelt angelegte Prozessus bzw. nicht verschmolzene Kerne scheinen besondes zu Nekrosen zu neigen (Abb. 2.332 u. 2.333). Gegenüber persistierenden zusätzlichen epiphysären Kernen von Radius und Ulna unterscheiden sich die nekrotischen Knochenelemente durch ihre besondere Dichte oder auch Dichteinhomogenität. Die aseptische Nekrose des Processus styloideus ulnae wurde in der Literatur komplizierterweise auch als „Styloidosis ulnae aseptica necroticans“ beschrieben (Müller 1941, Wuensch 1957). Bei isolierter Nekrose eines distal vom Processus styloideus ulnae gelegenen

Abb. 2.331

Nekrose des Processus styloideus ulnae.

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Abb. 2.332 Osteonekrose eines offensichtlich hypertrophisch angelegten Processus styloideus ulnae und seiner persistierenden Apophyse. Zusätzliche Osteonekrose am Processus styloideus radii. In Abb. 2.333 ist die Gegenseite desselben Patienten dargestellt.

Abb. 2.333 Osteonekrose des Processus styloideus ulnae rechts. Derselbe Patient wie in Abb. 2.332.

Knochenelements stellt sich natürlich die Frage, ob es sich dabei um die Nekrose eines abgebrochenen Prozessus handelt. Eine Osteochondrosis dissecans am Ulnaköpfchen wurde von Schöneich (1952) beschrieben.

Arthritis in Spätstadien zu einer Involvierung der distalen Radiusgelenkkontur, die zunehmend destruiert und ausgemuldet wird. In die Mulde verschiebt sich dann typischerweise das Skaphoid. Der Nachweis von Knorpelverkalkungen, insbesondere des Discus triangularis, führt u. a. zu dieser Diagnose hin (s. auch Abb. 2.70).

Entzündung? Neben Tibia und Femur gehört die distale Radiusmetaphyse zu den häufigsten Lokalisationen entzündlicher Knochenveränderungen, auch chronischer, z. B. im Sinne eines Brodie-Abszesses. Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber der Norm und Normvarianz dürfte es nicht geben, da es in der distalen Radiusmeta- und -epiphyse keine entsprechenden entzündungsähnlichen normvarianten Strukturen gibt. Anders verhält es sich mit den Processus styloidei, die durch Erosionen infolge entzündlicher Veränderungen der benachbarten Bursen deformiert werden können. Dies gilt insbesondere für den Processus styloideus ulnae. Die diesem benachbarte Sehnenscheide des M. extensor carpi ulnaris ist insbesondere bei der rheumatoiden Arthritis sehr häufig involviert. Röntgenologisch sieht man zunächst Unschärfen, später Substanzdefekte im Sinne von Erosionen oder Usuren an den äußeren Konturen der Processus styloidei ulnae (Abb. 2.334). In fortgeschrittenen Fällen können die Prozessus vollständig verschwinden. Kommt der entzündliche Prozess zum Stillstand, kann es zu Knochenregeneraten mit regelrecht überschießenden pilzförmigen Knochenneubildungen kommen (Abb. 2.335 a, b).

Tumor? Eigentlich gibt es weder am distalen Radius noch an der distalen Ulna Mulden oder intraossäre Strukturverarmungszonen, die Tumoren vortäuschen können. Die distale Radiusmetaphyse ist allerdings nicht selten Sitz von Knochengeschwülsten, was offensichtlich damit zusammenhängt, dass diese etwa zu 80% zum Längenwachstum des Radius beiträgt. Somit sind alle Voraussetzungen für sog. Störfelder gegeben, wie wir das von den kniegelenknahen Metaphysen kennen. So können Osteosarkome, Chondrosarkome, Riesenzelltumoren und zahlreiche Tumor-like Lesions im Bereich der distalen Radiusmetaphyse gefunden werden. In Abb. 2.307 b ist ein subperiostales Ganglion an der distalen ulnarseitigen Radiusmetaepiphyse dargestellt, das nicht mit der dort physiologischen Leiste (Abb. 2.307 a) verwechselt werden sollte. Auf die physiologische knöcherne Prominenz um die radialseitige Kontur der ehemaligen Epiphysenfuge wurde bereits verwiesen, auch hier sollte keine Befundverwechslung, z. B. mit einer flachen Exostose oder mit pathologischen periostalen Prozessen, erfolgen.

Sehr frühe Erosionen mit Unschärfe und irregulärer Kontur der Prozessus lassen sich nur bei exzellenter Aufnahmetechnik und mit Lupenbetrachtung als echter Grenzbefund zum Normalen erkennen. Bei der Chondrokalzinose (Pseudogicht) kommt es durch die zerstörenden Veränderungen am Knorpel im Sinne einer Chondroarthropathie mit zusätzlicher reaktiver

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c

a

d

b Abb. 2.334 a – d Rheumatoide Arthritis: a, b Normaler Processus styloideus ulnae beiderseits. Weichteilschwellung links. Abb. 2.335 a – d Formvarianz der Processus styloidei ulnae: a, b Reaktiv hypertrophierte Processus styloidei ulnae beiderseits bei einer Patientien mit folgender Anamnese: 10 Jahre zuvor schwere stressbedingte Sehnenscheidenentzündung (M. extensor carpi ulnaris) beiderseits. Auf früheren uns vorliegenden Aufnahmen waren die Processus styloidei ulnae beiderseits subtotal destruiert. Die jetzt beschwerdefreie Patientin zeigt beiderseits ausgeprägte hypertrophierte Processus styloidei ulnae, die man auch schon klinisch tasten kann. Bei fehlender Anamnese müsste man die großen und plumpen Prozessus als normvariant klassifizieren. Nebenbefund: Osteopoikilie. c, d Primär klein und kurz angelegte Processus styloidei ulnae beiderseits als Normvariante.

c, d Arrosionen des Processus styloideus ulnae beiderseits 1 Jahr später.

a

b

c

d

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Sonstige Veränderungen? Die distalen Enden von Radius und Ulna haben bei verschiedenen Stoffwechselstörungen oder auch entzündlichen Erkrankungen im Kindesalter eine besondere diagnostische Bedeutung. So sieht man bei der Rachitis im Frühstadium, d. h. noch vor dem Nachweis einer sog. Becherung der distalen Radiusmetaphyse, eine Lamellierung der Kortikalis und ein allmähliches Verschwinden des metaphysären Rings (S. 187). Die Differentialdiagnose der Rachitis gegenüber dem Skorbut und der Syphilis ist in Tab. 2.21 dargestellt. In Abb. 2.336 findet sich eine Schemazeichnung zu dieser Differentialdiagnose. In Abb. 2.337 u. 2.338 sind Röntgenaufnahmen von verschieden ausgeprägter Rachitis dargestellt. Querstreifungen in der Spongiosa, vor allem des distalen Radius, entsprechen sog. Wachstumslinien, die Ausdruck eines in Schüben verlaufenden Wachstums sind. So etwas gibt es als ganz normales Phänomen, andererseits können dahinter aber auch vorübergehende Wachstumsstörungen der verschiedensten Krankheitsbilder stecken. Arthrotische Veränderungen im distalen Radioulnargelenk sind verhältnismäßig selten, vor allem dann, wenn keine z. B. durch ein Trauma bedingte Fehlstellung der artikulierenden Partner vorliegt. In Berufen, bei denen starke Drehbewegungen im Radioulnargelenk vorkommen, sind allerdings Arthrosen beschrieben worden (Abb. 2.339). Es sei hier noch erwähnt, dass es offensichtlich auch eine synoviale Chondromatose am distalen Radioulnargelenk geben kann (Ballet u. Mitarb. 1984). Initiale verkalkte Knorpelkügelchen bei diesem geschwulstähnlichen Gelenksprozess sollten nicht mit akzessorischen Knochenelementen verwechselt werden.

Abb. 2.337

Tabelle 2.21

Klassische Rachitis: 11/2 Jahre altes Kind.

a

b

c Abb. 2.336 a – c Zur Differentialdiagnose der Rachitis (Abb. 2.348 c u. 2.350): a Rachitis. b Skorbut. c Lues connata.



a

b

Differentialdiagnose zwischen Rachitis, Skorbut und Syphilis (nach Holthausen)

Rachitis

Skorbut

Syphilis (Lues connata)

Im 1. Trimenon selten (Ausnahme: Früh- und Mangelgeburt)

selten vor dem 6. Monat (Ausnahme: Frühgeborene)

schon im 1. Trimenon ausgeprägt

Epiphysenkerne kalkarm, „verzögerte“ Reifung

Epiphysenkerne isoliert entkalkt

Epiphysen unbeteiligt

Metaphyse becherförmig, unscharf begrenzt, aufgefasert, „Virole“ fehlt

Metaphysenplatte dicht, irregulär, schaftseitig begleitet von einer breiten Aufhellungszone (scurvy line, Tümmerfeldzone)

Metaphysenplatte dicht, irregulär, u. U. mit Spikulae; schaftwärts Aufhellungszone mit Konturdefekten (WimbergerZeichen)

Generalisierte Entkalkung





Knochenverbiegung





Häufig Frakturen (ohne periostale Blutung)

metaphysäre Frakturen und Epiphyseolysen häufig

selten Frakturen

Aufblätterung der Kortikalis, Periostreaktion erst in der Heilungsphase

ausgedehnte Periostabhebung durch Blutung, Verkalkung der Hämatome

immer entzündliche Periostreaktion am Schaft

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a a

b

Abb. 2.338 a, b Fortgeschrittene Rachitisfälle: a Becherungen nicht nur der distalen Radius- und Ulnametaphyse, sondern auch die der Metakarpalia. 4 Jahre altes Kind. b So genannte Immigrantenrachitis mit sekundärem, regulativem Hyperparathyreoidismus. 11-jähriges, stets verschleiert gehendes Mädchen.

201

Abb. 2.339 Arthrose am Radioulnargelenk nach berufsbedingter, stets gleich bleibender Drehbewegung der linken Hand. Die Diagnose stützt sich in diesem Fall nicht allein auf den proximal gelegenen Osteophyten, sondern auf Zeichen wie Verdichtung der subchondralen Grenzlamelle am Radius und feinen Strukturaufhellungen im Subchondralbereich der Ulna.

Literatur Ballet, F. L., H. K. Watson, J. Ryu: Synovial chondromatosis of the distal radioulnar joint. J. Hand Surg. 9-A (1984) 590 Bugyi, B.: Atypische Veränderungen der Handgelenkknochen bei Preßluftwerkzeugarbeitern. Fortschr. Röntgenstr. 117 (1972) 346 Buttenberg, H.: Zur Bedeutung von Polsterepiphysen bei entwicklungsgestörten Kindern. Fortschr. Röntgenstr. 107 (1967) 786 Caine, D., S. Roy, K. M. Singer et al.: Stress changes of the distal radial growth plate: a radiographic survey and review of the literature. Amer. J. Sports Med. 20 (1992) 290 Carter, S. R., M. J. Aldridge, R. Fitzgerald et al.: Stress changes of the wrist in adolescent gymnasts. Brit. J. Radiol. 61 (1988) 109 Chang, Ch.-Y., Ch. Shih, I.-W. Penn et al.: Wrist injuries in adolescent gymnasts of a chinese opera school: radiographic survey. Radiology 195 (1995) 861 Chunhsi, Sh., Ch.-Y. Chang, I. W. Penn: Chronically stressed wrists in adolescent gymnasts: MR imaging appearance. Radiology 195 (1995) 855 de Cuveland, E.: Epiphysennekrose des Radius. Z. Orthop. 83 (1953) 279 Dihlmann, W.: Der Processus styloides ulnae – ein röntgenologischer Indikator für chronische rheumatische Polyarthritiden. Fortschr. Röntgenstr. 109 (1968) 199 Escobedo, E. M., A. G.Bergmann, J. C. Hunter: MR imaging of ulnar impaction. Skelet. Radiol. 24 (1995) 85 Fischer, E.: Neues Skelettelement dorsal am Radio-Carpalgelenk. Fortschr.Röntgenstr. 91 (1959) 530 Fliegel, C. P.: Stress related widening of the radial growth plate in adolescents. Ann. Radiol. 29 (1986) 374 Frahm, R., M. Schwarz, M. Geishauser: Seltene Hypersupinationsluxation im distalen radioulnaren Gelenk. Fortschr. Röntgenstr. 150 (1989) 746 Gerber, S. D., P. P. Griffin, B. P. Simmons: Break dancer's wrist. Case report. J. pediat. Orthop. 6 (1986) 98 Ghantus, M. K.: Growth of the shaft of the human radius and ulna during the first two years of life. Amer. J. Roentgenol. 65 (1951) 784

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Nakamura, R., E. Horii, T. Imeada et al.: Distal radioulnar joint subluxation and dislocation diagnosed by standard roentgenography. Skelet. Radiol 24 (1995) 91 Palmer, A. K., F. Werner: Biomechanics of the distal radioulnar joint. Clin. Orthop. 187 (1984) 26 Palmer, A. K.: Triangular fibrocartilage lesions: a classification. J. Hand Surg. 14-A (1989) 594 Palmer, A. K.: Triangular fibrocartilage disorders: injury patterns and treatment. Arthroscopy 6 (1990) 125 Pitt, M. J.: Rachitic and osteomalacic syndromes. Radiol. Clin. N. Amer. 19 (1981) 581 Roy, St. R., D. Caine, K. M. Singer: Stress changes of the distal radial epiphysis in young gymnasts. Amer. J. Sports Med. 13 (1985) 301

Schöneich, R.: Osteochondritis dissecans am Ulnaköpfchen. Fortschr. Röntgenstr. 76 (1952) 268 Shih, Ch., Ch.-Y.Chang, I.-W. Penn et al.: Chronically stressed wrists in adolescent gymnasts: MR imaging appearance. Radiology 195 (1995) 855 Staron, R. B., F. Feldmann, N. Haramati et al.: Abnormal geometry of the distal radioulnar joint: MR findings. Skelet. Radiol. 23 (1994) 369 Uchiyama S., K. Terayama: Radiographic changes in wrists with ulnar plus variance observed over a ten-year period. J. Hand Surg. 16-A (1991) 45 Viegas, S. F., R. M. Patterson, J. A. Hokanson et al.: Wrist anatomy: incidence, distribution, and correlation of anatomic variations, tears, and arthrosis. J. Hand Surg. 18-A (1993) 463

Mittlerer Teil Abb. 2.340 Nutritiakanal, lochförmig, bei einem 6 Tage alten Säugling (Pfeil).

Normalbefund Linien- oder lochförmige Aufhellungen – sowohl im Radius- als auch im Ulnaschaft – entsprechen – als Zufallsbefunde – zumeist Gefäßkanälen, einmal tangential, das andere Mal orthograd getroffen (Abb. 2.340 u. 2.341). Bei genauerem Hinsehen durchzieht ein tangential getroffener Gefäßkanal die gesamte Kortikalis, um sich dann im Markraum zu verlieren (Abb. 2.341). Fissuren hingegen ziehen zumeist längerstreckig in der Kortikalis und projizieren sich auch in den Markraum. Gefäßkanäle kann man sich am besten darstellen, indem man am mazerierten Präparat eine aufgebogene Büroklammer in sie hineinschiebt und dann rotierend durchleuchtet (Abb. 2.414). Der Radiusschaft weist in der Regel eine leichte großbogige Verbiegung zur Beugeseite und nach radial hin auf. Der Ulnaschaft ist in den mittleren und distalen Partien leicht nach ulnar zu und in den proximalen Partien zur Streckseite hin gebogen. In der Mitte des Radiusschafts springt die Crista interossea an der ulnaren Kortikalis vor, umso stärker, je mehr der Schaft gekrümmt ist (Abb. 2.343). Ähnliche Verhältnisse liegen an der Ulna vor. Die räumliche Ausdehnung der Cristae interosseae ist eindrucksvoll im CTSchnitt darstellbar (Abb. 2.342). Im Seitenbild kann die Überschneidung von Radius und Ulna zu einer Aufhellungslinie (Mach-Effekt) führen, die nicht mit einer Fraktur verwechselt werden sollte.

Abb. 2.341 Nutritiakanal in der Mitte des Radiusschafts, tangential getroffen (Pfeil).

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b

a

Abb. 2.342 a – c CT-Schnitte durch die Mitte der Unterarmknochen mit räumlicher Darstellung der Cristae interosseae (b u. c). Die Beugeseite findet sich in der Abbildung unten. In Abb. a ist der dazugehörige „Scout“ abgebildet. Abb. 2.343 a, b

c

Crista interossea. 

a

b

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Auf die leichte Verbiegung von Radius und Ulna wurde bereits hingewiesen. Diese physiologische „Verbiegung“ sollte nicht mit der „akuten plastischen Verbiegung“ (acute plastic bowing) des Unterarms verwechselt werden, die einen eindeutig pathologischen Befund darstellt und durch multiple traumatische Mikrobrüche bedingt ist, die sich makroskopisch zu einer mehr oder weniger gleichmäßigen Verbiegung addieren (Abb. 2.346 a). Nicht selten ist die reine Verbiegung eines Unterarmknochens mit einer Grünholz-Fraktur des anderen kombiniert (Borden 1975, Crowe u. Swischuk 1977, Braune 1985). Im Zweifelsfalle sollten Röntgenaufnahmen der Gegenseite oder eine Skelettszintigraphie (Miller u. Osterkamp 1982) durchgeführt werden, um diagnostische Sicherheit zu bekommen. Das pathologische Szintigramm weist eine massive Aktivitätsanreicherung im gesamten Schaftbereich auf. Am Unterarm gibt es zahlreiche Dysplasien und Deformitäten, von denen die wesentlichen in Tab. 2.22 aufgelistet sind. In Abb. 2.344 ist ein Holt-Oram-Syndrom und in Abb. 2.345 ein Nievergelt-Syndrom mit den typischen Veränderungen dargestellt.

Abb. 2.344 Holt-Oram-Syndrom mit Radiusaplasie (Reduktionsfehlbildung). 5 Tage altes Kind.

a

b Abb. 2.345 a, b Nievergelt-Syndrom (mesomele Dysplasie). Beachte die proximale Verkürzung des Radius und die Verbiegung von Radius und Ulna sowie die Fehlanlagen und Fehlstellungen im Handgelenkbereich. Noch häufiger sollen radioul-

nare Synostosen beim Nievergelt-Syndrom vorkommen, das eine erbliche Skelettdysplasie mit vorwiegendem Befall der mittleren Extremitätenabschnitte in Kombination mit Synostosen darstellt.

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Unterarm Tabelle 2.22 Dysplasien und Deformitäten am Unterarm und wesentliche Syndromassoziationen oder andere Ursachen Hypo- oder Aplasie des Radius und/oder Daumens: 앫 Cornelia-de-Lange-Syndrom 앫 Fanconi-Syndrom (Panzytopenie-Dysmelie-Syndrom,

Abb. 2.388) 앫 Holt-Oram-Syndrom (Abb. 2.344) 앫 isolierte Anomalie (kann mit Ulnahypoplasie assoziiert

sein) 앫 Phokomelie (z. B. Thalidomidembryopathie) 앫 Thrombozytopenie – fehlendes Radius-Syndrom

Radioulnare Synostose (S. 224): 앫 Ehlers-Danlos-Syndrom 앫 Holt-Oram-Syndrom 앫 idiopathische, isolierte Anomalie 앫 multiple kartilaginäre Exostosen 앫 Trauma (Ossifikation der Membrana interossea)

Unterarmdeformitäten: 앫 traumatisch 앫 Enchondromatose, Exostosenkrankheit 앫 Madelung-Deformität 앫 Osteogenesis imperfecta 앫 Über- und Unterkonstriktion (Über- und Untertubulie-

rung)* bei zahlreichen erworbenen oder angeborenen Erkrankungen (s. bei Kozlowski u. Beighton 1984) * Überkonstriktion (Übertubulierung) = schmale Diametaphyse, lange dünne Knochen; Unterkonstriktion (Untertubulierung) umgekehrt.

205

Fraktur, Subluxation/Luxation? Auf die Besonderheiten von Radius- und Ulnafrakturen kann im Rahmen dieser Monographie nicht näher eingegangen werden. Es sei nur darauf hingewiesen, dass es sich bei Querfrakturen der Ulna allein oder bei einer Kombinationsfraktur von Radius und Ulna im mittleren Schaftbereich ohne Dislokation zumeist um sog. Parierfrakturen handelt. Bei der Kombination einer Radiusschaftfraktur zwischen distalem und mittlerem Drittel mit einer Luxation im distalen Radioulnargelenk, evtl. mit Abriss des Processus styloideus ulnae, spricht man von einer GaleazziFraktur. Auch auf die Besonderheit des kompletten Abrisses der Crista interossea der Ulna, die Anlass zu einer Einzelpublikation war (Kàcl u. Kolàr 1958), sei verwiesen. Kongenitale Pseudarthrosen der Ulna gibt es typischerweise bei der Neurofibromatose (Ostrowski u. Mitarb. 1985). Stressfrakturen werden nicht nur an der unteren, sondern in zunehmendem Maße auch an der oberen Extremität, insbesondere bei Hochleistungssportlern, beobachtet. Hier ist es überhäufig die Elle, die betroffen ist (Mutho u. Mitarb. 1982). Solche Stressfrakturen wurden insbesondere bei Frauen, die intensiv Volleyball spielten, beobachtet, und bei Männern, die Bodybuilding betrieben (Hamilton 1981). Wo Stressfrakturen vorkommen, können auch bei pathologischem Knochenumbau (z. B. Rachitis, Osteomalazie, renale Osteopathie) Looser-Umbauzonen auftreten (Abb. 2.346). Sie sind durch einen zumeist unscharf begrenzten, querverlaufenden Spalt charakterisiert, der von unscharfen wollartigen Kallusformationen, zumeist überschießend, umgeben ist.

a

Abb. 2.346 a, b „Acute plastic bowing“ bei Radiusschaftfraktur und Looser-Umbauzone: a Akute plastische Verbiegung der Ulna bei Radiusschaftfraktur (21/2-jähriges Kind). An der verbogenen Ulna ist keine echte Fraktur erkennbar. b Looser-Umbauzone an typischer Stelle im proximalen Ulnadiaphysendrittel.

b

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Nekrose? Schaftnekrosen von Radius und Ulna sind außerordentlich ungewöhnlich und kommen fast ausschließlich als Folge eines Traumas vor. Ihre Röntgenmorphologie wirft aber keine Grenzprobleme vom Normalen zum Pathologischen auf und wird deswegen hier nicht näher besprochen. Lediglich bei der Ausheilung kindlicher Frakturen mit einem überschießenden RAP-Phänomen (RAP = regional acceleratory phenomenon) kann es einmal zu derart ausgeprägten passageren Resorptionen kommen, sodass eine Osteonekrose vorgetäuscht wird (Abb. 2.347).

Entzündung?

a

b

Abb. 2.347 a, b Eine Osteonekrose im distalen Radiusschaft vortäuschendes – überschießendes – RAP-Phänomen nach komplexer Unterarmschaftfraktur bei einem 7-jährigen Jungen. Die Abb. b wurde etwa 3 Wochen nach Abb. a als Kontrollaufnahme angefertigt. 8 Wochen später vollständige Restitution des Radius.

Entzündliche Knochenprozesse in den Schäften von Radius und Ulna stellen Raritäten dar und kommen fast ausschließlich nur im Erwachsenenalter vor. Diese Veränderungen bilden keine Differentialdiagnose zu Grenzbefunden am Skelett. Im Säuglingsalter können periostale Knochenneubildungen z. B. beim Caffey-Syndrom (infantile kortikale Hyperostose, Abb. 2.348 a u. b), beim Battered-Child-Syndrom (Abb. 2. 349), bei Lues (Abb. 2.350), bei subperiostalen Blutungen, z. B. bei Vitamin-C-Mangel (Abb. 2.348 c) usw., durchaus entzündliche Prozesse vortäuschen. Zumeist präsentieren sich die Kinder mit schon fortgeschrittenen Veränderungen, sodass diese Befunde letztendlich keine Grenzbefunde darstellen. Sie werden hier bildlich wiedergegeben, da wir damit einer alten Tradition folgen, nach der im Köhler/Zimmer auch immer Besonderheiten und Raritäten wiedergegeben werden.

Abb. 2.348 a – c Periostale Verknöcherungen am kindlichen Unterarm: a, b Caffey-Syndrom (infantile kortikale Hyperostose). Beachte die ausgeprägten periostalen Verknöcherungen am Radius, die Meta- und Epiphysen typischerweise aussparend. c Skorbut mit ausgedehnten Periostverknöcherungen am Oberarm und an den Unterarmen (bei demselben Kind weitere ausgedehnte Periostverknöcherungen auch an den unteren Extremitäten). Beachte, dass die periostalen Knochenneubildungen die Metaphysen mit einschließen und dass sich in den Metaphysen sog. Trümmerfeldzonen erkennen lassen.

a

b

c

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Unterarm

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Abb. 2.349 a, b BatteredChild-Syndrom mit erheblichen periostalen Verknöcherungen am Oberarm und deutlichen kontinuierlichen Periostreaktionen an Radius und Ulna.

a

b

Abb. 2.350 Konnatale Lues mit osteolytischen Veränderun-  gen im proximalen Radiusschaft im Sinne einer syphilitischen Ostitis. Periostale Begleitreaktionen.

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2 Arm

Tumor? An Radius und Ulna können sich deutliche trophische Veränderungen abspielen, die mit einem fleckigen Demineralisationsbild einhergehen (Abb. 2.351). Sie stellen eine regionale Osteoporose oder Knochendystrophie dar und werden besonders bei Lymphabflussstörungen, z. B. nach der Operation eines Mammakarzinoms mit Nachbestrahlung, gefunden. Es gibt auch Sudeck-Dystrophien an Radius und Ulna ohne Beteiligung der Hand. Solche Veränderungen werden auch beim fortgeschrittenen Hyperparathyreoidismus gefunden, bei dem sich pathologisch-anatomisch ja auch Knochenresorptionen abspielen, die in manchen Fällen auffallend fleckig konfiguriert sind (Abb. 2.352). Spannt man den Bogen resorptiver Vorgänge, die entweder durch eine primär osteoklastäre Hyperaktivität und/oder durch eine exzessive Perfusion bedingt sind, weiter, so kommt man zwangsläufig zur Ostitis deformans Paget, die ungewöhnlicherweise und dann zumeist bei polyostotischem Befall an den Unterarmknochen vorkommen kann (Abb. 2.353).

a

b

Abb. 2.351 Pseudomaligne Osteoporose am Unterarm. Die Osteolysen kommen durch starke regionale Resorptionen zu Stande, die wiederum Folge ausgedehnter trophischer Störungen sind; im vorliegenden Fall bestand klinisch ein schweres Lymphödem bei Zustand nach Mammaamputation und Nachbestrahlung.

c

Abb. 2.352 a – c Sekundärer Hyperparathyreoidismus bei renaler Osteodystrophie: a, b Feine Lamellierung der Ulnakortikalis, aufgelockerte netzige metaphysäre Spongiosa, Kalzifikationen in den Schleimbeuteln. c Deutliche Spongiosararefizierung (Pfeilspitzen).

Abb. 2.353 Ostitis deformans Paget der Ulna bei einem polyostotischen Befall. Beachte die  globale Volumenzunahme und strähnige Kortikalistransformation im gesamten Ulnaschaft und in der proximalen Metaphyse. Gleichzeitig deutliche Verbiegung des Knochens.

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Unterarm

209

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2 Arm

Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

Normalbefund Epicondylus humeri ulnaris 6. Lebensjahr

Im Wachstum Typischerweise tritt im Alter von 2 – 4 Jahren eine Kerbe in der proximalen Begrenzung des Radius auf, die dann etwa im 10. Lebensjahr wieder verschwindet (Abb. 2.355). Um das 5. Lebensjahr ist dann auch der Epiphysenkern des Radiusköpfchens nachweisbar, er kann ausgesprochen formvariant sein, auch multiple Kerne kommen vor (Abb. 2.355). Bis zum 10. – 11. Lebensjahr endet die proximale Ulna plump, erst jenseits dieser Altersspanne tritt dann ein röntgenologisch nachweisbarer kleiner Olekranonkern auf, den man am besten in der Seitenprojektion sieht (Abb. 2.356), und der auch mehrfach angelegt sein kann (Abb. 2.357). Das Zentrum der Kernchen ist manchmal ziemlich weit vom Hauptknochen entfernt (bis zu 5 mm). Bei Verschmelzung der Kerne wird zunächst der Spalt zum Schaftknochen durch feine Knochenbälkchen strangförmig überbrückt (Abb. 2.358 u. 2.359). Die Verschmelzung

Trochlea 8. Lebensjahr

Epicondylus humeri radialis 12. Lebensjahr

Capitulum 6. Monat Radiusköpfchen 5. Lebensjahr

Abb. 2.354 Zeitliches Auftreten der Knochenkerne um das Ellenbogengelenk beim Jungen.

c

a

b

d

Abb. 2.355 a – d Zur Knochenentwicklung am proximalen Radius: a, b 2-jähriges Mädchen. Vorübergehend im Wachstum bec, d 10-jähriger Junge. Atypische Anlage der Epiphyse des Rastehende Ossifikationslücke am Capitulum radii (Pfeile). diusköpfchens.

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

Abb. 2.356

211

Olekranonkern. Abb. 2.357 Unterteilung des Spitzenkerns. Nutritiakanal (Pfeil).

beginnt beugeseitig. Dorsal bleibt zunächst eine tiefe Rinne oder Spalte erhalten (Abb. 2.360). Im Alter von 16 – 20 Jahren verschmelzen dann die Olekranonkerne vollständig mit dem Schaft. Ob es ein kleines Knochenkernchen im Processus coronoideus mit rascher Verschmelzung gibt (um das 10. Lebensjahr?), ist ungewiss (S. 218). Die Epi- und Apophysenkerne um das Ellenbogengelenk treten mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit in folgender zeitlicher Reihenfolge auf (Abb. 2.354), bezogen auf Jungen: 쐌 Capitulum humeri: etwa im 6. Monat (1 – 12 Monate), 쐌 Trochlea humeri (zumeist multizentrisch): im 8. Lebensjahr (6 – 10), 쐌 Epicondylus humeri ulnaris etwa 6. Lebensjahr (4 – 8), 쐌 Epicondylus humeri radialis etwa im 12. Lebensjahr (11 – 14), 쐌 Olekranon etwa im 10. Lebensjahr (8 – 12). Die radiologisch visible Ossifikation erfolgt beim Mädchen bis zu 2 Jahre früher. Der Kern der Trochlea kann gelegentlich auch einmal vor dem Kern der medialen Apophyse erscheinen. Einen guten Überblick über die Ossifikationszentren am kindlichen Ellenbogen und ihre Varianten geben Resnik u. Hartenberg (1986). In Abb. 2.361 ist die Kernentwicklung am Ellenbogengelenk zwischen dem 5. und 11. Lebensjahr in groben Zügen bildlich wiedergegeben. Die Kenntnis des zeitlichen Auftretens der verschiedenen Kerne hat in der traumatologischen Diagnostik eine große Bedeutung (s. unten). Der Kern des Capitulum humeri (im englischsprachigen Schrifttum als „Capitellum“ bezeichnet) liegt bei Kleinkindern verhältnismäßig weit vorn in der Mitte zwischen Oberarm und Processus coronoideus (Abb. 2.362 a). Der Epiphysenfugenspalt klafft normalerweise bei voll entwickeltem Kern stärker an der Streckseite (Abb. 2.362 b). Die Trochlea humeri ist häufig vielkernig (multizentrisch) angelegt (Abb. 2.362 c u. d). Als Normalbefund ist ein kleiner Fortsatz aus dem Kern des Epicondylus humeri ulnaris in Richtung Trochlea zu betrachten (Bànki 1967, Abb. 2.363). Der Kern des Epicondylus humeri radialis liegt physiologischerweise verhältnismäßig weit vom Humerus entfernt.

Abb. 2.358 Vor allem beugeseitig beginnende Verschmelzung des Olekranonkerns.

Abb. 2.359 Verschmelzung des Olekranonspitzenkerns bzw. des Zweitkerns mit dem Hauptkern und beginnende Verschmelzung dieser beiden Elemente mit dem übrigen Olekranon. Beachte die feinen Ossifikationen in dem Spalt.

Abb. 2.360 Beugeseitig bereits verschmolzener Kern, sodass dorsal eine tiefe Spalte verbleibt (Abb. 2.358).

Die ellenbogengelenknahen Wachstumszonen tragen nur zu etwa 10 – 20% zum Längenwachstum der entsprechenden Knochen (Humerus, Radius und Ulna) bei.

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2 Arm Abb. 2.361 a – f Ellenbogenossifikation in den verschiedenen Altersstufen: a, b 5-jähriger Junge. c, d 7-jähriger Junge. e, f 11-jähriges Mädchen.

a

b

c

d

e

f

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

a

213

b

Abb. 2.363

Distaler Fortsatz der Epikondylusepiphyse (Pfeil).

c

d

 Abb. 2.362 a – d Kernentwicklung von Capitulum und Trochlea humeri: a Bei einem 3-Jährigen. b Bei einem 8-jährigen Kind. c, d Multizentrische Anlage der Trochlea humeri. Beachte 3 Kerne, die sich im Seitbild in den humeroulnaren Gelenkspalt projizieren (Pfeile).

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214

2 Arm

Im Erwachsenenalter Die Tuberositas radii (Tuberculum radii) stellt sich auf Tangentialaufnahmen als breitbasiger, dem Radius aufsitzender scharf begrenzter Höcker beugeseitig dar; sie ist auf der Sagittalaufnahme etwas ulnarwärts gerichtet. Physiologischerweise sind die Spongiosastrukturen unter der Tu-

berositas radii relativ rar, sodass sich diese en face typischerweise als Aufhellungszone abbildet (Abb. 2.364). Ventroradialwärts von der Tuberositas radii findet sich eine Grube, die sich en face ebenfalls als Aufhellungszone (Abb. 2.364 g u. h) darstellt. In der Grube bzw. in ihrer Region liegt die Bursa bicipitoradialis (zwischen dem Knochen und der sich bei Pronation über ihn „wickelnden“ Bizepssehne). Die Grube wirkt umso tiefer, je prominenter die Tuberositas ausgeprägt ist (Abb. 2.365 a – c). Abb. 2.364 a – j Tuberositas radii: a Fotografische Aufnahme der Tuberositas radii (Tuberculum radii). b, c En-face-Radiogramme – bei etwas varianter Drehung des Radius – mit Darstellung einer Aufhellungszone im Bereich der Tuberositas, bedingt durch relative Spongiosaverarmung in dieser knöchernen Prominenz. d – f CT-Schnitte durch die ellenbogengelenknahen Abschnitte von Radius und Ulna. Abb. d in Höhe des Radioulnargelenks, Abb. e in Höhe der Tuberositas radii. Beachte die starke Transparenzerhöhung der Tuberositas durch sehr lockere Spongiosastrukturen (Pfeil). Abb. f etwas weiter distal mit Darstellung der prominenten radialen Leiste der Ulna. g, h Präparatefoto und Radiogramm in gleicher Position mit Darstellung der ventroradial vom Tuberkulum gelegenen relativen Vertiefung in der Radiuskortikalis, wahrscheinlich durch die Bursa bicipitoradialis bedingt (Pfeil). i, j Ungewöhnliche Sklerosierung eines Gefäßkanals, möglicherweise auf dem Boden einer Gefäßthrombosierung. In j orthograde Projektion der „weißen“ LInie in i (Pfeil) (Fall von Prof. Dr. St. Feuerbach, Regensburg).

a

c

b

f

e

d

i

g

j

h

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

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c

Abb. 2.365 a – c Sehr prominentes Tuberculum radii und daneben (ventroradialwärts) gelegene Grube, die sich en face (a) als deutliche Aufhellung darstellt. Im CT-Schnitt (c) wird deutlich, dass die Grube umso tiefer wirkt, je prominenter das Tuberculum radii ausgeprägt ist. a

b

In Höhe des proximalen Endes der Tuberositas gibt es physiologischerweise Gefäßkanäle mit sagittaler Verlaufsrichtung, die sich als bandförmige Aufhellungen im Seitenbild und als kleines Loch in der a.-p. Aufnahme darstellen. Eine Sklerosierung des Gefäßkanals ist ungewöhnlich (Abb. 2.364 i u. j). Unterhalb des „Zusammenflusses“ von Olekranon und Processus coronoideus besteht physiologischerweise eine umschriebene ovaläre Strukturverarmungszone (Abb. 2.366). In dieser Region werden nicht selten Gefäßkanäle angetroffen, die sich als lochförmige Defekte im Seitbild darstellen. In der Mitte der Ulnagelenkkontur (der radiologischen Kontur der Incisura seminularis ulnae, s.unten) kommt physiologischerweise eine kleine Kerbe oder Inzisur vor (Abb. 2.367 u. 2.401 b). Zwischen dem vom Olekranon einerseits und dem Processus coronoideus andererseits gestellten Gelenkanteil der Ulna (insgesamt als Incisura seminularis ulnae bezeichnet) findet sich physiologischerweise eine kleine querverlaufende Leiste, die man im Seitbild erkennt (Abb. 2.367 d u. 2.368). Eine umschriebene, rundliche Aufhellung distal der Incisura radialis ulnae (Gelenkfacette für das Radiusköpfchen) entspricht noch der Ansatzstelle des Lig. anulare radii, die grubenförmig sein kann und bei solchen Patienten besonders ausgeprägt zu sein scheint, die eine extreme Supinationsbewegung des Unterarms vollführen können. Die Form des distalen Humerus ist asymmetrisch: Der mediale Epikondylus springt vor, der laterale ist ausgesprochen flach (wie abgeschnitten). Durch die Projektion des lateralen Rands des Capitulum humeri auf den Epicondylus medialis entsteht im Seitbild eine Doppelkontur. Die Facies articularis des Condylus humeri ulnaris (Trochlea humeri) ist im Humeroulnargelenk etwas breiter als die Facies articularis des Condylus humeri radialis (Capitulum humeri) im Humeroradialgelenk. Ein knorpelüberzogener Wulst trennt die Gelenkflächen der beiden Kondylen des Humerus. Er kann flach oder zackenförmig sein und imponiert im letzteren Fall – tangential in Projektion auf den Gelenkspalt angeschnitten – als kleiner Fortsatz (Abb. 2.368 b).

a

b

c Abb. 2.366

Physiologische Strukturverarmung (s. Text).

Im Seitbild kann sich der mediale Condylus humeri (Trochlea humeri) in den in der Abbildungslegende von Abb. 2.367 b – d beschriebenen medial randständigen Wulst des Processus coronoideus ulnae projizieren, wodurch (als Superpositionseffekt) eine sichelförmige Verdichtung vorgetäuscht wird (Abb. 2.369).

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2 Arm Abb. 2.367 a – d Kerbe oder Rinne in der Gelenkkontur der Ulna: a Kleine Kerbe oder Rinne in der Gelenkkontur der Ulna im Seitbild (Pfeil). b – d Die Fotos zeigen, dass diese Kerbe im Übergangsbereich von dem Olekranonanteil zum Processus-coronoideus-Anteil der Incisura semilunaris ulnae durch einen ulnarseitigen Wulst des Gelenkrands entsteht. Hierauf laufen sozusagen die Streben des Processus coronoideus ulnae zu. Eine typische Röntgenaufnahme der kleinen Kerbe findet sich in Abb. 2.401 b. Stern Processus coronoideus ulnae Pfeil Kerbe in der Incisura semiulnaris Doppelpfeil Leiste radialseitig von der Kerbe (s. auch Abb. 2.368 a).

a

b

c

d

a

b Abb. 2.368 a, b Knöcherne Prominenzen am Ellenbogengelenk: a Physiologische kleine Leiste in der Mitte der ulnaren Gelenkkontur, die man – je nach Projektion – gelegentlich im Seitbild sehen kann. Sie liegt radiologisch etwas weiter ventrokranial von der oben beschriebenen Kerbe. Anatomisch entspricht sie einer querverlaufenden leistenartigen Prominenz in der firstartigen Leiste des ulnaren Gelenkmassivs, die in die Führungs-

rinne der Trochlea humeri eingreift (Pfeile). Im vorliegenden Tomogramm ist die Leiste genau getroffen, deshalb kommt selbstverständlich auch nicht die vorbeschriebene Kerbe, die anatomisch fast 1 cm ulnarseitig liegt, zur Abbildung. b Kleine Prominenz (Pfeil), die dem tangential getroffenen interkondylären Wulst in der Gelenkfläche des Humerus entspricht. Dieser Wulst ist auch im anatomischen Präparat der Abb. 2.370 gut zu erkennen.

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk Vom Epicondylus humeri radialis ab ist die leistenförmige radialseitige Begrenzung des distalen Humerus bis zum Humerusschaft hin sehr scharfrandig (in Abb. 2.370 a am anatomischen Präparat und im CT-Schnitt dargestellt) mit entsprechend dünner Kompakta. Dieser Befund sollte nicht mit einem periostalen Knochenprozess verwechselt werden. Proximal vom Epicondylus humeri ulnaris kommt physiologischerweise eine kleine Einkerbung und gelegentlich auch Verdünnung in der metaphysären Kortikalis vor, der Lücke zwischen dem Ansatzbereich des M. pronator teres und des M. brachialis entsprechend. Diese flache Ausmuldung oder Kerbe ist umso deutlicher, je stärker die Muskulatur beansprucht wird (Abb. 2.370 b u. c) und sich dementsprechend deren Ansätze prominenter gestalten.

217

Abb. 2.369 Mondsichelförmige „Verdichtung“ (Pfeil), normale Strukturaufhellung (Doppelpfeil).

c

a

b

Abb. 2.370 a – c Septum intermusculare radiale und Kerbe in der Kontur des Epicondylus humeri ulnaris: a Scharfrandige, zur Beugeseite hin leistenförmig konfigurierte Begrenzung der lateralseitigen distalen Humerusmetaphyse, auch als Septum intermusculare radiale bezeichnet. Hier entspringt u. a. der M. brachioradialis und der M. extensor carpi radialis longus. Da sich diese Leiste transparent und „faserig“ darstellt, ist eine Verwechslung mit einem pathologischen periostalen Prozess vorprogrammiert (s. auch Abb. c). b, c Physiologischerweise vorkommende Kerbe in der Kontur proximal des Epicondylus humeri ulnaris (Pfeil) (s. auch Text) (Abb. c mit freundlicher Genehmigung von Dr. G. F. Jacobs, Düsseldorf).

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2 Arm

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Persistierende Olekranonkerne werden als Variante beobachtet, insbesondere bei stressbedingter verzögerter Verschmelzung des Olekranonkerns (ähnlich wie bei anderen Apo- und Epiphysen, Abb. 2.372). Als Variante ist auch noch eine Vergrößerung eines persistierenden Olekranonkerns zu nennen. Früher hat man ein solches Knochenelement in Analogie zur Patella (als Sesambein) als „Patella cubiti“ bezeichnet. Die Abgrenzung von einer in Pseudarthrose verheilten Olekranonfraktur ergibt sich aus Klinik und Anamnese. Gelegentlich bleibt der Olekranonspitzenkern (S. 211) isoliert (Abb. 2.371 u. 2.378). Der Olekranonsporn als Ausdruck einer produktiven Fibroostose muss noch als normvarianter Befund bezeichnet werden (Abb. 2.373 a), denn man sieht ihn – ähnlich wie am Tuber calcanei – in fast 20 – 30% aller Röntgenaufnahmen von Erwachsenen jenseits des 45. – 50. Lebensjahrs, ohne dass jemals irgendwelche Symptome bestanden hätten. Häufiger kommt ein solcher Olekranonsporn allerdings z. B. beim DISH-Syndrom oder bei Stoffwechselerkrankungen (z. B. Gicht, Diabetes mellitus) vor, die überhäufig mit metaplastischen Verknöcherungen im Sehnenansatzbereich einhergehen. Gelegentlich können solche Sporne spontan oder nach geringfügigem Trauma abbrechen (Abb. 2.373 b).

Abb. 2.371 Persistierender (seitliches Tomogramm).

Olekranonspitzenkern

(Pfeil)

Als Variante könnte die „Persistenz des Verknöcherungszentrums des Processus coronoideus ulnae“ eingestuft werden, wenn es sichere Beweise für die Existenz eines solchen Verknöcherungszentrums gäbe (S. 211) (Rumpold 1964). Früher bezeichnete man diesen Befund als „Os cubiti anterius“. Auch an den Epikondylen werden persistierende Knochenkerne als physiologische Variante beobachtet (Günsel 1952, de Cuveland 1955, Hillger u. Hamm 1956, Schröder 1956, Sieckel, 1956; Abb. 2.374 u. 2.375). Bei dem ungewöhnlich großen Knochenelement in der Region des Epicondylus humeri ulnaris der Abb. 2.376 dürfte es sich hingegen um ein altes in Pseudarthrose verheiltes Fragment des Epicondylus humeri ulnaris handeln. Dafür spricht u. a., dass sich in dieses Knochenelement ein weiteres Element projiziert, das offensichtlich einem persistierenden Apophysenkern entspricht, ähnlich wie auf der Radialseite. Abb. 2.372 a, b Asymmetrische Verzögerung der Ossifikation des Olekranonkerns bei einem 17-jährigen Ringer, der im deutschen Olympiakader aktiv war. Der Jugendliche ist Rechtshänder, und man sieht den breit klaffenden Spalt. Da der gesamte Befund auch mit Schmerzen verbunden war und sich der Kern etwas irregulär darstellte, wurde u. a. auch eine beginnende Nekrose des Kerns diskutiert. Nach Aussetzen des Trainings für ein 1/2 Jahr vollständige Rückbildung der strukturellen Veränderungen und Verschmelzung des Kerns.

a

b

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

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Abb. 2.373 a, b Olekranonsporn: a Typischer Olekranonsporn, der eigentlich als Normalbefund bei erwachsenen Menschen gilt. b Hier ist der sehr prominente Olekranonsporn nach einem Trauma abgebrochen.

a

b

Abb. 2.374 Ossikulum an typischer Stelle distal des Epicondylus ulnaris.

Abb. 2.375 Ossikulum an typischer Stelle distal des Epicon-  dylus ulnaris.

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2 Arm Zwischen Fossa coronoidea einerseits und Fossa olecrani andererseits kann sich eine Knochenscheide von einigen Millimetern Dicke finden, manchmal besteht dort auch nur eine hauchdünne Membran, woraus sich röntgenologisch ein Loch ergibt, das man als Foramen supratrochleare bezeichnet (Abb. 2.377 – 2.379). Die anatomische Situation wird auch sehr eindrucksvoll durch die CT-Schnitte in der Abb. 2.380 verdeutlicht. Wenn eine Membran fehlt, können die betroffenen Menschen den Arm überstrecken. Angeblich soll dieses Phänomen familiär gehäuft auftreten. In der Fossa olecrani und in der Fossa coronoidea können akzessorische Knochenelemente auftreten, die man als Ossa supratrochleare bezeichnet (Abb. 2.381).

Abb. 2.376 Altes in Pseudarthrose verheiltes Fragment des Epicondylus humeri ulnaris, auf das sich ein kleines Ossikulum projiziert. Weiteres Ossikulum neben dem Epicondylus humeri radialis.

Abb. 2.377

Foramen supratrochleare (Skelettpräparat).

a

b Abb. 2.378 a, b

Foramen supratrochleare bei einem 10-jährigen Jungen. Olekranonspitzenkern.

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

Abb. 2.379 Kind.

221

Großes Foramen supratrochleare bei einem b

a Abb. 2.381 a, b

Bei den in der Abb. 2.380 zu sehenden, in der Fossa olecrani und vor den proximalen Partien des Olekranon gelegenen feinen Knochenelementchen kann es sich um akzessorische und persistierende Knochenkernchen des Olekranon handeln, die möglicherweise später nach proximal zu wandern und sich zu einem Os supratrochleare entwickeln, wie es in der Abb. 2.381 dargestellt ist. Die entscheidende Differentialdiagnose zum Os supratrochleare ist das

Os supratrochleare in der Fossa olecrani.

Gelenkchondrom (Abb. 2.382 c – h) oder ein dorthin gewandertes Dissekat einer Osteochondrosis dissecans (Abb. 2.401 a u. b). Eine typische Normvariante stellt der Processus supracondylaris (sive trochlearis) dar, bei dem es sich um ein exostosenähnliches, hakenförmig konfiguriertes knöchernes Gebilde im diametaphysären Übergangsbereich beugeseitig handelt (Abb. 2.383 u. 2.384).

b

c a

Abb. 2.380 a – e CT-Schnitte um die Region des Foramen supratrochleare. Durch ungleiche Armlänge sind die CT-Schnitte etwas versetzt. Man sieht aber sehr eindrucksvoll in Abb. b u. c am linken Arm und in der Abb. d u. e am rechten Arm einen regelrechten Knochendefekt, in dem eine feine verknöcherte Membran sichtbar wird. Als zusätzlichen Befund erkennt man kleinste Ossifikationskernchen beugeseitig vor den proximalen Partien beider Olekrani, d. h. also zur Fossa olecrani hin gelegen. Wir glauben, dass es sich hierbei um ungewöhnliche, nichtverschmolzene zusätzliche Kernchen bei diesem 18-jährigen Mann handelt und nicht um eine Osteochondrosis dissecans. Die kleinen Kernchen sieht man übrigens auch im Summationsbild (Pfeile).

d

e

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222

2 Arm

a

b

c

d

e Abb. 2.382 a – e Os-supratrochleare-ähnliches knöchernes Gebilde in der Fossa coronoidea (Pfeile), das auf Grund seiner irregulären Ossifikation einem Gelenkchondrom entsprechen kann (Zufallsbefund). Dazu passt das kleine vor dem Epicondylus humeri radialis gelegene elipsoide Knochenelement, das sich entweder aus dem Chondrom abgelöst hat oder einem zweiten Chondrom entspricht. In diesem Befund könnte also die Basis für eine spätere regelrechte Gelenkchondromatose liegen. Die CT-Untersuchung aller Gelenkkonturen und auch eine MRT-Untersuchung ergaben keine Hinweise auf eine abgelaufene Osteochondrosis dissecans bei der 22-jährigen asymptomatischen Patientin (zur Gelenkchondromatose s. auch Abb. 2.402).

Dieser Prozessus entspricht wohl einem Atavismus, der bei verschiedenen Säugern regelmäßig vorkommt (z. B. bei Affen). Er ist mit dem Epicondylus ulnaris humeri durch ein Band (Struthers-Band) verbunden. Dieses Band wiederum dient einer überzähligen Portion des M. pronator teres als Ursprung. Häufiger als bei der Normalbevölkerung (etwa 1 – 2%) tritt der Processus supracondylaris im Zusammenhang mit Dysmelien der oberen Extremität auf (Abb. 2.385). Von einer kartilaginären Exostose unterscheidet sich der Processus supracondylaris dadurch, dass seine Basis der Kompakta direkt aufsitzt. Beim Osteochondrom geht ja bekanntlich die Spongiosa des den Tumor tragenden Knochens direkt in die Spongiosa der Exostose über. Bei grober Traumatisierung der Region des Processus supracondylaris kann es zu neurologischen Komplikationen kommen, da der N. medianus unmittelbar neben dem Prozessus verläuft (Abb. 2.383; Gantert u. Alzheimer 1956). Abrisse des Prozessus kommen bei entsprechender Traumatisierung vor (Abb. 2.384 b).

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk Abb. 2.383

223

Processus supracondylaris mit Gefäß und Nerv. 

a

b b Abriss des Processus supracondylaris bei transkondylärer Fraktur (9-jähriges Mädchen).

Abb. 2.384 a, b Processus supracondylaris: a Processus supracondylaris bei einem 29-Jährigen. Abb. 2.385

Processus supracondylaris bei Dysmelie.



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224

2 Arm

Die angeborene Radiusköpfchenluxation kann man nicht mehr als Normvariante bezeichnen, insbesondere da sie überhäufig bei bestimmten komplexeren Dysplasien beobachtet wird. Zumeist ist sie doppelseitig, wobei das Köpfchen sowohl nach ventral als auch nach dorsal luxieren kann (Schemazeichnung in Abb. 2.386 a). Besonders bekannt ist die Radiusköpfchenluxation beim Nail-Patella-Syndrom (Abb. 2.386 b – d) und beim otopalatodigitalen Syndrom, des Weiteren beim Corneliade-Lange-Syndrom usw. Ebenfalls als Fehlbildung sind Synostosen zwischen proximalem Radius und proximaler Ulna zu bezeichnen (Abb. 2.387 u. 2.388; Miura u. Mitarb. 1984).

Häufig sind solche Synostosen mit Synostosen im Karpal- und Tarsalbereich assoziiert. Eine gute Übersicht über proximale radioulnare Synostosen findet sich bei Cleary u. Omer 1985 (Tab. 2.21). Eine Hypoplasie der Trochlea humeri als eindeutige Fehlbildung wurde bisher nur bei japanischen Patienten (27 Fälle) beschrieben (Tanavo u. Mitarb. 1985). Diese Hypoplasie kann mit einer Lähmung des N. ulnaris einhergehen. Deformierungen der gelenkbildenden Epiphysen als Ausdruck eines Blutergelenks sollten nicht mit epiphysären Dysplasien verwechselt werden (Abb. 2.389).

a

b

c

Abb. 2.386 a – d Radiusköpfchenluxation: a Schemazeichnung. b – d Proximale Radiusluxation bei Nail-Patella-Syndrom (beidseits). Beachte die extreme Plusvariante der Ulnae beiderseits (d) mit deutlichen Zeichen eines Ulna-ImpactionSyndroms (S. 173 u. 189). Die dysplastischen Patellae sind hier nicht dargestellt.

d

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

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Abb. 2.389 a, b Ungewöhnliche Deformierungen in der distalen Humerusepiphyse und im Radiusköpfchen, Aufweitung der Fossa olecrani, gelenknahe Osteoporose. Keine epiphysäre Dysplasie, sondern ein Blutergelenk bei Hämophilie A (13-jähriger Junge).

Abb. 2.387 Radioulnare Synostose, stark ausgeprägt.

c

Abb. 2.388 a – c Radioulnare Synostose im proximalen Radioulnarbereich, wenig ausgeprägt, bei Fanconi-Anämie (3jähriger Junge). Beachte die assoziierten typischen Fehlbildungen am Handskelett: Daumenhypoplasie, besonders links, Brachymetakarpie V beidseits. a

b

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2 Arm

Fraktur, Subluxation/Luxation? Bei der Diagnostik von knöchernen Verletzungen des kindlichen Ellenbogengelenks ist die Kenntnis des zeitlich unterschiedlichen Auftretens der verschieden Apo- und Epiphysenkerne von ganz besonderer Wichtigkeit. So muss man z. B. bei einem 9-jährigen Kind ein knöchernes Element im Epicondylus-humeri-radialis-Bereich nicht als einen Knochenkern (den es in diesem Alter dort noch nicht gibt) interpretieren, sondern ganz eindeutig als eine Abrissfraktur mit entsprechenden Behandlungskonsequenzen, andererseits muss man bei einem knöchernen Element neben der Trochlea humeri bei einem gleichaltrigen Kind durchaus an eine Dislokation des in diesem Alter bereits vorhandenen Kerns des Epicondylus humeri ulnaris denken (Abb. 2.390 a). Auch die Mehrkernrigkeit der verschiedenen Apo- und Epiphysenkerne ist bei der Beurteilung kindlicher Ellenbogengelenkaufnahmen von praktischer Bedeutung (z. B. Abb. 2.357, 2.359, 2.361 u. 2.362). Ein anderes Beispiel aus der Praxis: Wenn sich bei einem 7-jährigen Jungen ein knöchernes Element distal von der ulnarseitigen Humerusmetaphyse, also im Bereich der späteren Trochlea humeri, findet, dann entspricht dies nicht der Trochlea humeri, sondern einem luxierten Apophysenkern des Epicondylus humeri ulnaris, denn der Trochleakern wird erst ab dem 8. – 10. Lebensjahr radiologisch sichtbar (Abb. 2.390 b).

a

b

Eine Aufhellungslinie zwischen der Spitze des Olekranons und dem angrenzenden Knochen muss immer dann als Fraktur und nicht als Apophysenspalt gedeutet werden, wenn die Kinder unter 10 – 13 Jahre alt sind, denn erst oberhalb dieser Alterszeitspanne tritt normalerweise der Apophysenkern radiologisch auf (Abb. 2.391). Reine metaphysäre Frakturen des distalen Humerus sind beim Kind ebenfalls außerordentlich schwierig zu diagnostizieren (Abb. 2.392), insbesondere da bei 7- bis 12Jährigen die metaphysären Konturen häufig physiologischerweise sehr „unruhig“ sind. Hilfreich kann bei der Diagnostik des traumatisierten kindlichen Ellenbogengelenks die Beachtung der kubitalen Fettpolsterzeichen sein: Zwischen Synovialmembran und Capsula fibrosa liegt eine Fettschicht, die das morphologische Substrat des vorderen und hinteren kubitalen Fettpolsterzeichens auf der seitlichen radioulnaren Ellenbogenröntgenaufnahme mit rechtwinkelig gebeugtem Gelenk bildet. Das vordere Fettpolster ist beim gesunden Gelenk in Höhe und unmittelbar vor der Fossa coronoidea als band- oder tropfenförmige, etwa 5 mm breite schwärzere Zone zu erkennen (Abb. 2.393 a). Das hintere Fettpolster projiziert sich in die Fossa olecrani und ist daher normalerweise nicht sichtbar (Abb. 2.393 a). Jegliche intraartikuläre Volumenzunahme, insbesondere durch Hämarthros oder entzündlichen Erguss, schiebt das Fettpolster nach volar- bzw. beugeseitig, das hintere Fettpolster wird dorsal von der Humerusgelenkkontur überhaupt erst sichtbar (Abb. 2.392 b, 2.393 b u. 2.394 a). Bei einem traumatischen Erguss mit Kapselriss bleibt das Fettpolsterzeichen allerdings negativ. Ein weiteres Weichteilzeichen am Ellenbogengelenk ist die sog. Supinatorfettlinie (Abb. 2.392 b), die über dem M. supinator parallel zum proximalen Radius verläuft. Sowohl bei traumatischen als auch entzündlichen Gelenksergüssen wird die Supinatorfettlinie beugewärts verlagert, deformiert, verbreitert oder unscharf. Beim Kleinkind besteht durch ein relativ schwaches Lig. anulare eine Prädisposition zum Herausschlüpfen des Capitulum radii aus diesem Band. Besonders bekannt ist die Subluxatio radii zur Beugeseite (nach volar zu) hin, wenn das stolpernde Kind von dem Erwachsenen an der Hand plötzlich hochgerissen wird. Dadurch kann sogar eine schmerzhafte Armlähmung hervorgerufen werden. Bei der Diagnostik der Stellung des Radiusköpfchens ist zu beachten, dass die Achse des Radius genau durch die Mitte der Trochlea humeri verlaufen muss (Schmidt 1952, Dahm 1953).

Abb. 2.390 a, b Schematische Darstellung von leicht zu übersehenden traumatischen Luxationen des Kerns des Epicondylus humeri ulnaris, da das Röntgenbild ohne Nachweis von Bruchlinien so „normal“ aussieht: a 9-jähriges Kind nach einem Unfall. In diesem Alter muss der Kern des Epicondylus humeri ulnaris bereits eindeutig erkennbar sein. Da er fehlt und es sich um ein normal entwickeltes Kind handelt, ist die Interpretation des Knochenelements neben dem Trochleakern als Doppelanlage der Trochlea selbstverständlich falsch. Es handelt sich dabei um den nach kaudal dislozierten Apophysenkern des Epicondylus humeri ulnaris. b 7-jähriger normal entwickelter Junge, beim Schulsport unglücklich gestürzt (genauer Unfallhergang nicht eruierbar). Bei dem mit Pfeil bezeichneten Knochenelement handelt es sich nicht um die Trochlea humeri, denn diese ist in diesem Alter noch nicht verknöchert, sondern um den nach kaudal dislozierten Kern des Epicondylus humeri ulnaris.

Abb. 2.391 6-jähriger verunglückter Junge. Bei der sich radiologisch durch eine diskrete Aufhellungslinie (Pfeile) absetzenden Spitze des Olekranons handelt es sich nicht um den Olekranonkern (dieser ist frühestens ab dem 10. – 11. Lebensjahr röntgenologisch zu sehen), sondern um eine metaphysäre Fraktur.

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Abb. 2.392 a, b Typische metaphysäre distale Humerusfraktur, die deswegen leicht übersehen werden kann, da unregelmäßige Konturen der Metaphyse, insbesondere gegenüber der Trochlea, nichts Ungewöhnliches sind. Beachte in Abb. b die verlagerten Fettpolsterzeichen. Proximale Pfeile: vorderes kubitales Fettzeichen Distale Pfeile: Supinatorfettlinie

a

b

Abb. 2.393 a, b Skizze der Weichteilstrukturen: a Norm. b Posttraumatisch vorderes, kubitales Fettpolster abgehoben.

a

b

a

b Abb. 2.394 a, b Verletzung des Ellenbogens und kubitales Fettzeichen: a Ellenbogengelenkverletzung rechts. Deutliche Verlagerung der kubitalen Fettpolster sowohl nach dorsal als auch nach ventral (Pfeile).

b Die beiden Pfeile markieren die normale Lage des kubitalen Fettzeichens.

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2 Arm

Luxationen nach volar oder dorsal sind oft sehr schwierig zu diagnostizieren. Als Hilfslinien gelten:  Die Verlängerung der vorderen (volaren) Humeruskontur schneidet den Kapitulumkern in etwa in seinem hinteren Drittel.  Des Weiteren sollte das Capitulum humeri volar einer verlängerten Linie durch Humerusachse und die aneinander stoßenden Konturen der Fossae liegen. Sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen sind Radiusköpfchenfrakturen oft sehr schwierig zu diagnostizieren, da sich das Radiusköpfchen und das Collum radii in der Regel mit der Ulna im Seitbild überlagern (Abb. 2.394). Eine Freiprojektion gelingt in der Regel durch die Radiusköpfchen-Kapitulum-Projektion mit im seitlichen Strahlengang um 45⬚ nach proximal geneigter Röhre (Unterarm um 90⬚ im Ellenbogengelenk gebeugt). Bei dieser Projektion ist auch das Capitulum humeri (sog. Capitellum) freiprojiziert, des Weiteren der Processus coronoideus ulnae. Wenn auf Grund der klinischen Symptomatik der dringende Verdacht auf knöcherne Verletzungen im Ellenbogengelenk besteht, sich aber im konventionellen Röntgenbild auch mithilfe von Spezialprojektionen keine Fraktur eindeutig nachweisen lässt, dann sollte die CT eingesetzt werden. Spätestens bei der genauen Betrachtung der Abb. 2.395 wird deutlich, wie problematisch die konventionelle Diagnostik bei dem überlagerungsträchtigen Ellenbogengelenk werden kann: Nur wenn der dort dargestellte Bruchspalt durch Ausriss des Lig. anulare radii an der Ulna exakt orthograd getroffen wird, ist die Diagnose zu stellen; schon kleine Drehungen um die Längsachse von 2 – 3⬚ genügen, damit der Bruchspalt der konventionell-radiographischen Darstellung entgeht.

Nekrose? Die einzelnen apo- und epiphysären Knochenkerne am Ellenbogengelenk können außerordentlich variabel sein, sowohl im Hinblick auf ihre Anlage (Ein- oder Mehrkernrigkeit) als auch im Hinblick auf ihre Dichte. Verdichtungen von Knochenkernen in Kombination mit einer Fragmentation („Zerkrümelung“) sind grundsätzlich suspekt auf eine Osteonekrose, insbesondere, wenn der Befund asymmetrisch ist. Da jedoch – wie erwähnt – die Grenze des Normalen sehr breit ist, können solche Befunde nur unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik interpretiert werden. Als Zufallsbefund entdeckt, haben sie in der Regel keinerlei Bedeutung (Abb. 2.396 – 2.398).

Abb. 2.395 Leicht zu übersehende Frakturlinie, die die Incisura radialis (also die ulnarseitige Gelenkpartie des proximalen Radioulnargelenks) von der Ulna abgrenzt (Frakturtyp entspricht einer Abrissfraktur) (Pfeile).

Abb. 2.396 Keine Nekrose der doppelkernig angelegten Olekranonapophyse, sondern asymptomatische Normvariante.

Abb. 2.397 Ziemlich „weiße“ zweigeteilte Radiusköpfchenepiphyse als Normvariante und nicht als Ausdruck einer Nekrose.

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Abb. 2.398 Relativ „weiße“ doppelt angelegte Radiusköpfchenepiphysen beidseits als Normvariante und nicht als Ausdruck einer Nekrose. Beachte auch die „bröckeligen“ Kernanlagen der Trochlea humeri.

b

a

Strukturaufhellungen im Subchondralbereich in Kombination mit umgebenden irregulären Sklerosen mit und ohne Fragmentation entsprechen bei symptomatischen Patienten in der Regel Osteonekrosen, wobei am Ellenbogengelenk die bekannteste die des Capitulum humeri ist (auch als Morbus Panner bezeichnet, Abb. 2.399 u. 2.400). Im konventionellen Röntgenbild werden grundsätzlich nur späte Stadien entdeckt, frühe Stadien sind mithilfe der MRT sicherer zu erfassen. Wenngleich sich bei den kleinen Kernen am wachsenden Ellenbogenskelett keine aktivtherapeutischen Konsequenzen (z. B. im Sinne einer druckentlastenden Bohrung) ergeben, so kann die MRT aber wenigstens eine unklare Schmerzsymptomatik erklären helfen. Wenn sich aus der Nekrose ein Dissekat entwickelt, spricht man von einer Osteochondrosis dissecans, die auch bei Erwachsenen, insbesondere bei Pressluftarbeitern beobachtet werden kann. Bevorzugt werden Capitulum und Trochlea humeri, selten kommt es auch im Radiusköpfchen zu osteonekrotischen Dissektionen. Wenn das Dissekat sich aus dem Knochenverband gelöst hat, kann es im Sinne einer Gelenkmaus wandern (Abb. 2.401 u. 2.402 a u. b). Gelegentlich wird dann die Abgrenzung zu einer originären Gelenkchondromatose schwierig (Abb. 2.402 c – h). Bei letzterer Erkrankung handelt es sich um eine geschwulstähnliche Läsion der Gelenkmembran. Die zumeist rundlichen, geschichtet verknöcherten Körper stammen also nicht aus dem Knochen. Wenn sie sich von der Synovialmembram ablösen, können sie im Gelenk wandern.

Abb. 2.399 Schon fortgeschrittene idiopathische Nekrose der Trochlea humeri (sog. Morbus Panner), aber noch keine Fragmentation. Vielfach bilden sich solche Nekrosen ohne Fragmentation spontan zurück. Klinisch Schmerzen im Ellenbogengelenk bei Belastung, ultrasonographisch kleiner Erguss.

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2 Arm Abb. 2.400 a, b Verlauf einer initialen Osteonekrose der Trochlea humeri bei einem 13-jährigen Jungen. Zum Zeitpunkt der Aufnahme a deutliche belastungsabhängige Schmerzen im Ellenbogengelenk. Nur bei Lupenbetrachtung sieht man leichte Unschärfen in der Region, die sich 4 Monate später in b als subchondrale Aufhellung darstellen.

b

a

Abb. 2.401 a, b Osteochondrosis dissecans (Pfeil). Normale Kerbe an der Gelenkfläche der Ulna (Doppelpfeil).

a

b

Abb. 2.402 a – h Gelenkchondromatose: a, b Hier ist die Gelenkchondromatose auf dem Boden einer Osteonekrose im Bereich des Epicondylus humeri radialis entstanden. Die Dissekate sind im vorderen Gelenkrezessus nach kranial in die Fossa coronoidea gewandert und haben sich dort im Sinne einer sekundären Chondromatose vergrößert.

a

b

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Ellenbogengelenknahe Knochenabschnitte und Ellenbogengelenk

c

e

d

Abb. 2.402 c – e Primäre Gelenkchondromatose ohne Zeichen osteonekrotischer Veränderungen an allen Gelenkpartnern. Vor allem im beugeseitigen Gelenkbereich entwickelte Chondrome. Zwischen der Aufnahme in Abb. c und den Auf-

f

nahmen in den Abb. d u. e liegen etwa 11/2 Jahre, in denen die Chondrome deutlich an Größe zugenommen haben. Klinisch gelegentlich Einklemmungserscheinungen.

g

Abb. 2.402 f – h CT-Aufnahmen einer Gelenkchondromatose mit freien „Gelenkkörpern“ sowohl in der Fossa coronoidea als auch in der Fossa olecrani. Bei Letzteren kann es sich allerdings auch um persistierende Olekranonkerne handeln (s.

Tumor? Auf die physiologischen Aufhellungen im Bereich der Tuberositas radii (Abb. 2.364 u. 2.365), die kleine Kerbe in der ulnarseitigen Metaphyse des Humerus (Abb. 2.370 b u. c), das unterschiedlich ausgeprägte Foramen supratrochleare (Abb. 2.377 – 2.379) und die physiologische Strukturauflockerung in der proximalen Ulnametaphyse (Abb. 2.366) wurde bereits verwiesen. Diese Normalbefunde sollten nicht mit tumorösen Destruktionen verwechselt werden. Umgekehrt sollte ein Mehr an Knochen, wie z. B. der Processus supracondylaris (Abb. 2.383 – 2.385), nicht als kartilaginäre Exostose (Osteochondrom) gedeutet werden.

231

h auch Abb. 2.380). Beachte den differenzierten strukturellen Aufbau der osteochondromatösen Gebilde. Klinisch Einklemmungserscheinungen (25-jähriger Mann).

Ansonsten gibt es eigentlich keine Strukturen um das Ellenbogengelenk herum, die man mit tumorösen Formationen verwechseln könnte. Gelegentlich kann das Osteoidosteom im konventionellen Röntgenbild übersehen werden (Abb. 2.403). Scharf begrenzte, bis zu 5 mm große „weiße Flecken“ in den metaphysären Partien der das Ellenbogen bildenden Knochenabschnitte entsprechen in der Regel osteopoikilotischen Herden und nicht osteosklerotischen Metastasen (Abb. 2.404). Eine Aufnahme der Gegenseite oder eine additive Aufnahme des Handskeletts können rasch den Beweis für das Vorliegen einer Osteopoikilie (mit Nachweis auch dort lokalisierter typischer Herde) erbringen.

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2 Arm

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c Abb. 2.403 a – d Konventionell-radiographisch fast nicht erkennbares Osteoidosteom im Bereich der distalen linken Humerusmetaphyse, beugeseitig gelegen (60-jähriger Mann). Schmerzen seit über 1 Jahr im linken Ellenbogengelenk mit verschiedensten Arztkonsultationen inklusive wiederholter intraartikulärer Injektionen ohne Wirkung. Nach Aspirineinnahme soll der Schmerz nach Angaben des Patienten schlagartig verschwinden. Diese Symptomatik weist auf die Existenz eines Osteoidosteoms hin: a Im Szintigramm sieht man im distalen Humerus beugeseitig eine massive Anreicherung. b, c Konventionell-radiographische Aufnahmen. Auf dem Seitbild (c) umschriebene Hyperostose in der distalen Humerusmetaphyse. d Die CT-Untersuchung lässt dann ganz unmissverständlich den verkalkten Nidus (zwischen den Pfeilen) erkennen. Der Tumor wurde operativ entfernt, noch am selben Tage war der Patient beschwerdefrei.

d

Abb. 2.404 a, b Osteopoikilotische Herde in Form „weißer“ Flecken in der Spongiosa der angrenzenden Knochen eines Ellenbogengelenks bei einer erwachsenen asymptomatischen Frau. Keine osteoblastischen Metastasen.

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Entzündung? Im Kapitel „Tumor“, wurde bereits auf die physiologischen Strukturaufhellungen hingewiesen, die man mit pathologischen Befunden verwechseln könnte. Das gilt auch für entzündliche Destruktionen. Wichtig scheint noch der Verweis auf den leistenförmigen Ausläufer der Kortikalis an der distalen radialseitigen Humerusmetaphyse (Abb. 2.370 a). Dieser Befund darf nicht mit einer periostalen Knochenneubildung verwechselt werden, z. B. als Begleitphänomen eines entzündlichen, aber auch tumorösen Prozesses. Auf die Bedeutung der Verlagerung des Fettpolsterzeichens (Abb. 2.392 – 2.394) wurde bereits hingewiesen.

Weichteilverkalkungen und -verknöcherungen, Veränderungen im fibroossären Übergangsbereich

Abb. 2.405 Chondrokalzinose mit diskreter Verkalkung oberhalb des ulnarseitigen Radiusköpfchens. Vom Muster her dürfte es sich wohl um eine umschriebene Verkalkung des Gelenkknorpels im Epicondylus-humeri-radialis-Bereich gegenüber dem Radiusköpfchen handeln.

Strichförmige und punktierte, den Gelenkkonturen parallel verlaufende Verkalkungen in der Region des Gelenkknorpel vom Humerus, vor allem aber vom Radius, entsprechen einer Chondrokalzinose (Abb. 2.405), die am Ellenbogengelenk zumeist nur Teilsymptom einer generalisierten Erkrankung (mit Prädilektionsorten an den Hand-/Kniegelenken usw.) ist. Produktive Knochenveränderungen an den Epikondylen in stift- oder flammenförmiger Konfiguration sind Ausdruck einer Fibroostitis (klinisch Epikondylitis) und gehören bei asymptomatischen Patienten mit manchmal nicht mehr erinnerlicher Schmerzsymptomatik am Ellenbogengelenk noch fast zum normvarianten Befund. Diese Veränderungen trifft man besonders bei Tennisspielern an, bei Patienten mit seronegativer Spondarthritis sind sie Ausdruck einer Enthesiopathie (Abb. 2.406).

Ausgeprägte produktive Knochenveränderungen am Epicondylus humeri ulnaris und darunter in den Weichteilen gelegene Verknöcherungen werden besonders bei Speerwerfern beobachtet (Abb. 2.407). Schalenförmige Verknöcherungen neben den Epikondylen sind als metaplastische Verknöcherungen nach Traumatisierung der Weichteile zu deuten, ähnlich wie der Köhler-Stieda-Pellegrini-Schatten am Kniegelenk (Abb. 2.408). Marginale spitze Ausziehungen an den Gelenkkanten, entsprechend der Schemazeichnung der Abb. 2.409, sind Osteophythen zuzuordnen, die bei intrakapsulärer Lage Ausdruck einer beginnenden Arthrose sind und bei extraartikulärer Lage (weiter von den Kanten zu den Metaphysen hin entfernt) Traktionsphänomenen entsprechen.

Abb. 2.406 a, b Ausgeprägte Enthesiopathie bei Psoriasisarthritis mit deutlichen produktiven Verknöcherungen an den Epikondylen, am Olekranon und im Kapselansatzbereich (s. auch Abb. 2.409).

a

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2 Arm

Abb. 2.407 Speerwerferellenbogen. Periostose an der ulnaren Gelenkseite und heterotope Ossifikation (schraffiert, Pfeile).

Schalen- oder auch nur strich- und punktförmige Verknöcherungen um den beugeseitigen Aspekt des Radiusköpfchens entsprechen heterotopen Ossifikationen im zerrissenen Lig. anulare oder in der vorderen Gelenkkapsel (Earwaker 1992; Abb. 2.410). Die ursächliche Radiusköpfchenluxation muss dabei nicht immer sehr eindrucksvoll radiologisch dargestellt sein. Muffenförmige Kalzifikationen um den Radiushals sind hingegen Ausdruck einer Zerreißung der Corda obliqua (Earwaker 1992). Diese Verkalkungen oder Verknöcherungen treten frühestens nach 14 Tagen bis 3 Wochen nach einem Trauma auf. Insbesondere bei übersehener Radiusköpfchenluxation können sie gutachterliche Bedeutung haben.

Abb. 2.408 Schalenfärmige Verkalkung am Epicondylus radialis.

a

b

Abb. 2.409 a, b Typische Lokalisation von Randosteophyten am Ellenbogengelenk.

a

b

c

d

Abb. 2.410 a-d Heterotope posttraumatische Ossifikationen des Lig. anulare radii: a, b Übersehene Luxation des Radius zur Beugeseite hin. 3 Wochen später schalenförmige Verknöcherung beugeseitig vom proximalen Radius als Ausdruck einer heterotopen Ossifikation im zerrissenen Lig. anulare oder in der vorderen Gelenkkapsel. Das entscheidende auslösende Moment der heterotopen Ossifikation sind wohl Einblutungen und zusätzliche ödematöse Veränderungen im Verletzungsbereich. c, d Muffenförmige Kalzifikation um den Radiushals als Ausdruck einer Zerreißung der Corda obliqua (aus Earwaker, J.: Skelet. Radiol. 21 [1992] 149).

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Solidere, das Gelenk ankylosierende Verknöcherungen, oft traumatisch bedingt, sind Ausdruck einer Myositis ossificans, wie in Abb. 2.411 dargestellt. Rundliche multizentrische, aber auch homogene Verkalkungen neben den Epikondylen und proximal vom Olekranon entsprechen in der Regel kalzifizierten Bursitiden oder Calciumphosphat-, Carbonatablagerungen bei Hyperparathyreoidismus (Abb. 2.412).

Abb. 2.411 Typische Myositis ossificans bzw. ankylosierende  heterotope Ossifikation nach Polytrauma mit schwerer Schädel-Hirn-Verletzung. Es handelt sich also um eine neuropathische Myositis ossificans. Die Aufnahme entstand 19 Tage nach dem Trauma.

Abb. 2.412 a, b Bursaverkalkungen bei schwerer renaler Osteopathie mit überdosierter Vitamin-D-Substitution.

a

b

Literatur Bánki, Z.: Die Apophyse mit Fortsatzbildung des Epicondylus medialis humeri. Fortschr. Röntgenstr. 107 (1967) 815 Bassett, L. W., J. M. Mirra, M. Forrester et al.: Posttraumatic osteochondral „loose body“ of the olecranon fossa. Radiology 141 (1981) 635 Bohrer, St. P.: The fat pad sign following elbow trauma. Its usefulness and reliability in suspecting „invisible“ fractures. Clin. Radiol. 21 (1970) 90 Buse, H.: Beitrag zur Persistenz der Olekranonapophyse. Fortschr. Röntgenstr. 104 (1966) 867 Canigiani, G., J. Wickenhauser, W. Czesch: Beitrag zur Osteochondrosis dissecans im Foramen supratrochleare. Fortschr. Röntgenstr. 117 (1972) 66 Cleary, J. E., G. E. Omer: Congenital proximal radioulnar synostosis. J. Bone Jt Surg. 67-A (1985) 539 de Cuveland, E.: Persistierende Knochenkerne des Epicondylus ulnaris und radialis. Fortschr. Röntgenstr. 82 (1955) 125 Dahm, M.: Das Röntgenbild bei Luxation des Radius im Kindesalter. Fortschr. Röntgenstr. 79 (1953) 224 D’Ambrosia, R., W. Zink: Fractures of the elbow in children. Pediat. Ann. 11 (1982) 541

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2 Arm

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Oberarm

237

Oberarm

Diaphyse Normalbefund Im Wachstum Im lateralen oder medialen proximalen diametaphysären Übergangsbereich finden sich bei Kleinkindern und Jugendlichen physiologischerweise Doppelkonturen (Abb. 2.413), die offensichtlich durch die sich mit der Zeit herausprofilierenden Cristae tuberculi majoris et minoris zusammenhängen. Diese Cristae entsprechen – je nach Projektion – den distalen Verlängerungen der prominenten Crista tuberculi majoris et minoris und sind durch Muskelzug bedingt (M. pectoralis major bzw. M. deltoideus).

Zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr sind flache Dellen mit irregulärer, aufgelockerter oder gar fehlender Kortikalis in der medialen Humeruskontur distal des Caput humeri normal (sog. humeral notches oder metaphyseal cortical irregularities). Sie sollten nicht mit destruktiven Prozessen verwechselt werden (Ozonoff u. Ziter, 1974, Keats u. Joyce 1984, S. 256 und Abb. 2.443). Auf die Problematik der Gefäßkanäle wird weiter unten näher eingegangen (Abb. 2.414 b).

Abb. 2.413 a, b Pathologische Periostprozesse? a Physiologische Doppelkontur am Oberarm im Wachstumsalter (vgl. mit Abb. 2.421 b). b Ungewöhnliche Weichteilüberlagerung, einen pathologischen Periostprozess an der lateralen proximalen Humerusschaftkortikalis vortäuschend. Eine unauffällige Wiederholungsaufnahme, sogar einige unauffällige CT-Schnitte erbrachten den Beweis.

a

b

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2 Arm

Im Erwachsenenalter Im mittleren Diaphysendrittel existiert regelhaft ein größerer Nutritiakanal, der in der medialen Zirkumferenz beginnt und nach distal zieht (Abb. 2.414). Er stellt sich auf Röntgenaufnahmen in der Regel bei um 45⬚ nach außen rotierter Humerusachse dar. Auf die distalen Partien des proximalen und die proximalen Partien des mittleren Diaphysendrittels projiziert sich sehr häufig eine Aufhellungszone, die durch Überkreuzungen von Muskelgruppen und durch Weichteilüberlagerungen der lateralen Brustwand oder durch voluminöse Mammae bedingt sein kann (Abb. 2.415 a).

Selbstverständlich verschwindet diese Aufhellung in einer anderen Projektion (z. B. leichte Abduktion oder axiale Aufnahme usw.). Auch periostale Verdichtungen können durch Weichteilüberlagerungen vorgetäuscht werden (Abb. 2.413 b). Einen den Unerfahrenen regelmäßig irritierenden Befund stellt die Tuberositas deltoidea dar, an der der M. deltoideus ansetzt und die einer Verlängerung der vom Tuberculum majus nach distal ziehenden Leiste (Crista tuberculi majoris) entspricht. Die beiden Knochenleisten sind umso ausgeprägter, je kräftiger die ansetzenden Muskelgruppen sind (Abb. 2.416 – 2.418).

c

a

b

Abb. 2.414 a – c Obligatorischer Gefäßkanal im mittleren Humerusdiaphysendrittel: a Hier wurde eine aufgebogene Büroklammer in den Gefäßkanal vorgeschoben. Der Gefäßkanal verläuft eine ganze Strecke schräg durch die Kortikalis und setzt sich dann an der Innenseite der Kortikalis als feine Aufhellungslinie fort. In der rechten Teilabbildung grenzt sich die Basis der weiter proximal

und lateral gelegenen Tuberositas deltoidea als Aufhellungslinie ab (s. auch Abb. 2.419 a u. b). b Darstellung des Gefäßkanals bei einem 11-jährigen Mädchen. c CT-Aufnahme mit Abbildung des in der Kortikalis verlaufenden Gefäßkanals als feine rundliche Aufhellung (Pfeil).

c

Abb. 2.415 a – d Aufhellungen im Humerusschaft: a Dreieckförmige Aufhellung im Humerusschaft, durch Weichteilüberlagerung bedingt. b – d Ungewöhnliche enossalseitige Nische in der Humerusschaftkortikalis, vollständig mit Fettgewebe des Markraums ausgefüllt. Zufallsbefund, keine 앖E! Normvariante? (Fall von CA Dr. H.-Ch. Wulke, Frechen.)

d a

b

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Oberarm

a Tuberculum majus Sulcus intertubercularis

Crista tuberculi majoris

b

Collum anatomicum humeri

Collum anatomicum

Caput humeri

Caput humeri Tuberculum minus

239

Tuberculum majus

Collum chirurgicum

Crista tuberculi minoris

Tuberositas deltoidea Tuberositas deltoidea

Foramen nutricium Sulcus n. radialis

Facies anterior medialis Facies posterior Margo lateralis Fossa olecrani

Margo lateralis Facies anterior lateralis Epicondylus lateralis

Margo medialis

Margo medialis

Fossa coronoidea

Capitulum humeri

Epicondylus medialis

laterale Schrägung der Trochlea

Trochlea humeri

Epicondylus medialis

Epicondylus lateralis

Sulcus n. ulnaris

Abb. 2.416 a, b Anatomische Aufnahmen des Humerus. Beachte die leistenförmigen Prominenzen der Crista tuberculi

Trochlea humeri

majoris et minoris und die „Rauigkeit“der Tuberositas deltoidea.

Vor allem bei tangentialer Projektion kann die Knochenstruktur unter der sich vorwölbenden Kontur der Tuberositas irregulär und blasig anmuten (s. insbesondere Abb. 2.417 a u. b). Diese Strukturunregelmäßigkeiten erklären sich ohne weiteres aus axialen Schnittbildern, auf denen man nämlich im Bereich der Tuberositas nicht solide, sondern eher aufgelockerte Knochenstrukturen erkennen kann (Abb. 2.419). Ähnliche Strukturauflockerungen und Irregularitäten finden sich auch unter den Cristae tuberculi majoris et minoris (Abb. 2.419, 2.420 u. 3.15). Vor allem in den proximalen Humerusdiaphysen sind bei der MRT enorme Varianzbreiten der Signalverteilung bekannt, mit denen man vertraut sein muss, um keine Fehldiagnose zu stellen (Abb. 2.441 d u. e). In fraglichen Fällen ist es immer nützlich, die Gegenseite mit darzustellen, unabhängig von klinischen Kriterien, die selbstverständlich in die Beurteilung einfließen müssen.

a

Abb. 2.417 a, b Struktur- und Konturunregelmäßigkeiten am  M.-deltoideus-Ansatz (Pfeile): a Umschrieben. b Flächenhaft. b

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240

2 Arm

b

a

Abb. 2.418 a, b

Sehr prominente Tuberositas deltoidea. Abb. 2.419 a, b CT-Querschnittsaufnahmen der proximalen Humerusdiaphyse mit Darstellung der dorsal gelegenen Tuberositas deltoidea und der ventral gelegenen Crista tuberculi majoris. Zum Markraum hin gelegen ist die Kompakta unter den Cristae auffallend dünn und aufgelockert, was die Abbildungsphänomene, insbesondere in den Abb. 2.417 u. 2.420 a, ohne weiteres erklärt.

a

b

a

c

b

Abb. 2.420 a – g Normale und gestresste M.-pectoralis-/M.deltoideus-Ansätze: a Eine umschriebene Destruktion vortäuschende Aufhellung im Ansatzbereich des M. pectoralis an der Crista tuberculi majoris oder im M.-deltoideus-Ansatz als Stressphänomen.

b Hier ist die Crista tuberculi minoris als medialer ventraler Höcker auf den CT-Schnitten dargestellt und es wird deutlich, dass die Knochenstrukturen in dieser Region physiologischerweise sehr locker und unruhig sind. c In diesem 5 mm weiter distal gelegenen CT-Schnitt ist die Crista tuberculi majoris noch sehr prominent, die Crista tuberculi minoris schon verhältnismäßig flach verlaufend.

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Oberarm

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e

d

Abb. 2.420 d – g Chronisches Traktionstrauma im Ansatzbereich von M. pectoralis oder M. deltoideus, kein Tumor (Pfeile). 13-jähriges Mädchen. f

Pathologischer Befund? Fraktur Gefäßkanäle können inkomplette Frakturen bzw. Fissuren vortäuschen. Bei der Differentialdiagnose entscheiden grundsätzlich evtl. Unfallhergang und Klinik. Allgemein lässt sich sagen, dass im Bereich des oben beschriebenen typischen Gefäßkanals Fissuren sehr ungewöhnlich sind. Notfalls lässt sich leicht mit einigen CT-Schnitten das differentialdiagnostische Problem lösen (Abb. 2.414 c).

Entzündung, Tumor? Vorgegebenermaßen kann bei Kindern die oben beschriebene Doppelkontur am proximalen Humerusschaft und an der proximalen Metaphyse (Abb. 2.413) zu differentialdiagnostischen Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber einer kontinuierlichen periostalen Verknöcherung, z. B. durch eine Osteomyelitis führen (Abb. 2.421). Dasselbe gilt bei Erwachsenen für die Varianten der Tuberositas deltoidea und der Cristae tuberculi majoris et minoris (s. oben, Abb. 2.417 u. 2.418). Beim Kind und Adoleszenten lässt sich die Differentialdiagnose durch eine zusätzliche ultrasonographische Untersuchung der Weichteile in der Umgebung der „Periostveränderung“ klären. Gegebenenfalls kann auch die MRT mit Nachweis eines intra- und extraossären Ödems und evtl. eines Abszesses zur Klärung herangezogen werden. Entscheidend ist, dass die differentialdiagnostische Abklärung frühzeitig – d. h. in

g

1 – 2 Tagen – erfolgt. Das gilt auch in Bezug auf frühe kleinund rundzellige tumoröse Prozesse im Markraum, wie z. B. dem Ewing-Sarkom, die in frühen Stadien die Kortikalis noch nicht verändert, wohl aber zu einer Periostreaktion geführt haben können. Selten ist eine flache Nische in der Enossalseite der Kortikalis als Zufallsbefund zu beobachten, für die es keine Erklärung gibt (Mit Defekt ausgeheiltes eosinophiles Granulom? Intraossäre verödete Varize?, Abb. 2.415 b – d). Die Tatsache, dass eine Kompaktanische vollständig mit Markraumfett ausgefüllt ist, beweist die Harmlosigkeit des Befunds. Chronische Traktionstraumen im Muskelansatzbereich können zu tumorsimulierenden Kortikalisresorptionen führen (Abb. 2.420 a, d – g).

Weichteilverkalkungen Im Ansatzbereich, insbesondere des M. deltoideus an der Tuberositas deltoidea, kann es zu regressiven paraossalen Verkalkungen im Rahmen einer kalzifizierenden Tendinitis kommen, ähnlich wie an der Linea aspera des Femurs (s. dort). Zumeist zeigt die angrenzende Kortikalis umschriebene Strukturauflockerungen, bedingt durch eine fokale reaktive Hyperperfusion (Neumann u. Mitarb. 1996). Die nekrotischen Kalzifikationen sollten nicht mit einer Myositis ossificans, bzw. mit heterotopen Ossifikationen, verwechselt werden, die insbesondere bei der neuropathischen Form gar nicht so selten am Oberarm anzutreffen sind.

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2 Arm Abb. 2.421 a – c Periostale und kortikale Veränderungen bei hämatogener Osteomyelitis. 15-jähriger Junge mit starken Schulterschmerzen: a Leichte längsgestreifte Aufhellungen in der Kompakta, insbesondere lateral; bedingt durch Aufweitungen der Havers-Kanäle. b Zielaufnahme: zarte Periostlamelle (vgl. mit Abb. 2.413). c Die 14 Tage später angefertigte Schichtaufnahme lässt bereits einen groben Kompaktaabbau, insbesondere lateral, erkennen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich ein Weichgewebsabszess im Oberarm mit Hautrötung und Fluktuation eingestellt. Die bakteriologische Untersuchung des Abszessmaterials ergab Staphylococcus aureus.

a

b

c

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Proximaler Teil Normalbefund Im Wachstum Der Hauptkern des Humeruskopfs tritt in der Regel zwischen dem 4. und 8. Lebensmonat röntgenologisch sichtbar auf, er liegt medialwärts, zur Pfanne hin gewandt (Abb. 2.422 a). Sehr selten kann dieser Kern auch schon einmal beim Neugeborenen radiologisch zur Darstellung kommen. Im 1. – 2. Lebensjahr erscheint dann der laterale Kern, der zum Tuberculum majus gehört (Abb. 2.422 b), und im 3. – 4. Lebensjahr ein weiteres Ossifikationszentrum, das man zum Tuberculum minus rechnet, und das man röntgenologisch nur bei besonders günstiger Projektion erkennen kann, da es sich sonst in den Kern des Tuberculum majus projiziert (Cocchi 1950). Die Kerne der Tuberkula verschmelzen zwi-

Abb. 2.422

Normale Epiphysenossifikation des Humerus.



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Oberarm schen dem 5. und 8. Lebensjahr miteinander und ihrerseits mit der eigentlichen Humeruskopfepiphyse im 13. – 14. Lebensjahr. Das Konglomerat aus Hauptkern einerseits und den Kernen der Tuberkula andererseits verschmilzt mit der proximalen Humerusmetaphyse etwa im 20. Lebensjahr. Betrachtet man die Epiphysenfuge hinsichtlich ihres Verlaufs von der Metaphyse her, dann verläuft sie nicht quer zum Schaft, vielmehr macht sie in den lateralen Partien einen Knick nach distal, der durch die Lage der Tuberkulakerne bedingt ist. Insgesamt bekommt die Metaphyse dadurch ein giebelförmiges Aussehen (Abb. 2.423). Der Verlauf der Epiphysenfuge führt bei CT-Aufnahmen fast regelhaft zu Irritationen, da in den einzelnen Schnittebenen jeweils nur Anteile der Fuge und der benachbarten solide verknöcherten Strukturen zur Darstellung kommen. Das dadurch entstehende Nebeneinander von Aufhellungen und Verdichtungen sollte also nicht zu Fehldeutungen in Richtung eines pathologischen Knochenprozesses führen (Abb. 2.424). Multidirektionale Bildrekonstruktionen können im Zweifelsfall Abhilfe leisten. Auf die flachen Dellen mit irregulärer Kortikalis in der proximalen medialen Humerusmetaphyse (sog. humeral notch oder metaphyseal cortical irregularity) wurde bereits auf S. 237 hingewiesen. Weiteres dazu s. S. 256 u. Abb. 2.443.

Im Erwachsenenalter Die Röntgenmorphologie des proximalen Humerus hängt vorgegebenermaßen ganz von den verschiedenen Einstelltechniken ab, die in der Literatur beschrieben worden sind

243

Abb. 2.423 Anatomisches Präparat mit Darstellung der firstartigen Konfiguration der proximalen Humerusepiphysenfuge.

und in den einzelnen radiologischen Abteilungen unterschiedliche Anwendung finden. Bei der a.-p. Standardprojektion mit senkrechtem Zentralstrahl zur Kassette muss das Tuberculum majus immer lateral liegen (Abb. 2.425 a). In der seitlichen Projektion bildet sich das Tuberculum minus (anatomisch ventral gelegen) an der beugeseitigen Kontur randständig ab (Abb. 2.426). Bei starker Innenrotation springt die Crista tuberculi minoris (Ansatzstelle für die Mm. teres major et latissimi dorsi) medial vor (Abb. 2.427). Dieser Befund sollte also nicht etwa mit einer Exostose verwechselt werden.

b

a

Abb. 2.424 a – p Anschnittphänomene der Epiphysenfuge und der epiphysenfugennahen Knochenabschnitte in der CT der noch nicht vollständig durchbauten proximalen Humerusepiphysenfuge. Zum Zeitpunkt der Abb. a – h ist der männliche Patient 16, zum Zeitpunkt der Abb. i – p 20 Jahre alt. Die CT-Aufnahmen wurden wegen eines perichondralen Chondroms im Bereich der lateralen proximalen Humerusdiametaphyse angefertigt, das auf den Aufnahmen in Abb. a u. b als flacher schüsselförmiger Defekt mit überhängendem distalen Rand sehr eindrucksvoll zur Darstellung kommt. Der First oder Giebel der Epiphysenfuge in der Mitte des Humeruskopfes Fortsetzung Abb. 2.424  Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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2 Arm

c

d

e

f

g

h

i

j

stellt sich im Anschnitt in den Abb. c u. d als irreguläre umschriebene zentrale Verdichtung dar. Je weiter die Schnitte distal liegen, desto mehr bekommen die angeschnittenen knöchernen Grenzen der Epiphysenfuge ein rosettenförmiges Aussehen mit zentraler Aufhellung und peripherer irregulärer Verdichtung (f u. g). Die zentrale Aufhellung verschwindet dann zunehmend bei progredienter Durchbauung der Epiphysenfuge, und es stellt sich eine mehr oder weniger homogene zentrale Verschattung mit „kribriformen Ausläufern“ in der Mitte des Humerus dar (j – p).

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Oberarm

245

Abb. 2.424 k – p

k

l

m

n

o

p

Abb. 2.425 a, b Typische a.-p. Projektion des Humeruskopfes und zur Differenzialdiagnose von metaphysären „Verkalkungen“: a Laterale Position des Tuberculum majus. Beachte die feinen irregulären Verdichtungen in der proximalen Humerusmetaphyse unter dem Collum anatomicum, früher als „normale Tüpfelung“ bezeichnet. Dahinter dürften aber tatsächlich kleinere Knochemarkinfarzierungen stecken. In einigen von uns magnetresonanztomographisch untersuchten Fällen stellten sich die Tüpfelungen im T1- und T2-gewichtea ten Bild völlig signallos dar, was auch gegen eine knorpelige Matrixverkalkung spricht, denn in diesem Fall sähe man im T2-gewichteten Bild zumeist signalintensive Areale zwischen den Verkalkungen. b Hier ist ein kalzifizierendes Enchondrom in der proximalen Humerusmetadiaphyse dargestellt, dessen Verkalkungen aber deutlich in die Diaphyse hineinreichen, was im Fall der Verkalkungen in Abb. a nicht zu beobachten war. Da sowohl in Abb. a als auch in Abb. b keinerlei klinische Symptome bestanden, ist die Differenzierung zwischen „Tüpfelung“ und Enchondromkalzifikationen ohne Relevanz. Vor allem, wenn die maximale Ausdehnung des Verkalkungsareals höchstens 2 – 3 cm beträgt. b

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2 Arm Abb. 2.426 Tuberculum minus an der Beugeseite.

Abb. 2.427 Humerus bei Innenrotation mit sichtbarer Vorwölbung der Crista tuberculi minoris (Pfeil) (Ansatz der Mm. teres major et latissimus dorsi).

a

Die röntgenanatomische Formvarianz des Humeruskopfs (von keulenförmiger bis zu ovalärer Konfiguration) ist in Abhängigkeit von der Drehung des Humeruskopfs um die Schaftachse in Abb. 2.428 sehr eindrucksvoll dargestellt. Weitere röntgenanatomische Formvarianten entstehen dann, wenn der Zentralstrahl z. B. um 30⬚ nach kaudal gekippt wird, um besser die vordere und untere Fläche des Akromions (z. B. bei der Impignement-Syndrom-Diagnostik) beurteilen zu können, oder wenn der Zentralstrahl wegen der schrägen Lage der Gelenkpfanne zur Senkrechten in der a.-p. Projektion durch Anheben der kontralateralen Schulter um 25⬚ tangential zur Schultergelenkpfanne eingerichtet wird (sog. glenoid-tangentiale Projektion). Die Röntgenanatomie der sog. axialen Aufnahme (Zentralstrahl verläuft koaxial zur Körperlängsachse von kaudal nach kranial mit senkrecht zum Strahlengang auf die Schulter gelegter Kassette) ist in Abb. 2.429 wiedergegeben. Auf Aufnahmen mit etwas eleviertem und leicht innenrotiertem Arm kann der Sulkus, in dem die lange Bizepssehne verläuft (zwischen dem kranialen knorpelüberzogenen Humeruskopfanteil einerseits und dem Tuberculum majus andererseits) tangential getroffen werden (Abb. 2.430 a), ein Befund, der nicht mit einer Erosion (Abb. 2.430 b, c) verwechselt werden sollte, insbesondere wenn die Kontur der Grube (bicipital groove) solide ist.

b

c Abb. 2.428 a – c Aufnahmen des Humeruskopfs: a Innenrotation. b Außenrotation. c Normalstellung.

Abb. 2.429 Projektionsverhältnisse auf einer Aufnahme im axialen Strahlengang. 1 Akromion 2 Skapulapfanne 3 Humeruskopf 4 Processus coracoideus 5 Klavikula

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Die Stellung des Humeruskopfs zur Schultergelenkpfanne variiert insbesondere bei älteren Menschen, sodass manchmal regelrechte Subluxationen vorgetäuscht werden können. Carpenter u. Millard (1982) fanden bei geriatrischen Patienten sowohl eine kraniale als auch kaudale „Dislokation“. Vor allem die Verlagerung nach kaudal dürfte mit der erschlaffenden Muskulatur zusammenhängen, ein Phänomen, das man im Übrigen auch nach Schultergelenktraumen (z. B. subkapitale Humerusfraktur) in den ersten Wochen nach dem Trauma beobachtet. Die Kaudaldislokation ist dabei also nicht allein durch einen Erguss im Gelenk bedingt. Die Spongiosastruktur in der Kopfkalotte des Humerus ist normalerweise gleichmäßig. In der Region der Tuberkula besteht aber regelhaft eine relative Strukturverarmung in einem rundlichen Areal, die eine Osteolyse vortäuschen kann (Abb. 2.431).

a

Diese Strukturverarmung hat keinerlei pathologische Bedeutung, sie stellt ein physiologisches Phänomen dar, ähnlich wie im Kalkaneus. Früher wurde diese Strukturverarmung sowohl im Humerus als auch im Kalkaneus als Pseudozyste bezeichnet, was natürlich irreführend ist, denn hinter der Strukturverarmung steckt kein flüssigkeitsgefüllter Raum, sondern in relativ mehr Fettgewebe finden sich lediglich weniger Spongiosatrabekel pro Volumeneinheit. Das geht auch aus der CT-Schnitt-Serie in Abb. 2.431 hervor. Echte Osteolysen durch tumoröse Prozesse stellen sich radiologisch anders dar (Abb. 2.432).

b

Unter dem Collum anatomicum sieht man gelegentlich amorphe fleckige Verdichtungen, die zumeist im medialen Anteil der oben beschriebenen Strukturaufhellung gelegen sind, und die mit größter Wahrscheinlichkeit kleinen Fettmarkinfarzierungen entsprechen (Abb. 2.425). Sie haben ebenfalls keinerlei pathologische Bedeutung und werden in der Regel als Zufallsbefund beobachtet.

c Abb. 2.430 a – c Normaler und arrodierter Sulcus intertubercularis: a Asymptomatischer Patient mit tangential angeschnittenem Sulcus intertubercularis. Beachte die soliden Konturen des Sulkus. b, c In diesen Abbildungen findet sich die Grube unscharf begrenzt, bedingt durch eine entzündliche Arrosion als Folge einer Sehnenscheidenentzündung der langen Bizepssehne. In

Abb. b handelt es sich um einen Patienten mit rheumatoider Arthritis und in Abb. c um eine Patientin mit einer multizentrischen Retikulohistiozytose. In beiden Fällen lässt sich anhand der Übersichtsaufnahmen allerdings nicht verbindlich entscheiden, ob die dargestellten unscharf begrenzten Gruben tatsächlich dem Sulcus intertubercularis zuzuordnen sind, oder ob sie marginalen Erosionen (in der bare area) entsprechen.

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2 Arm Abb. 2.431 a – h Physiologische Strukturverarmung in der Region der Tuberkula, nicht mit einer pathologischen Osteolyse zu verwechseln (Pfeile). Zur Erklärung des flächigen Aufhellungsphänomens dient die CTAbbildungsserie in den Abb. c – h, in der man ganz eindeutig erkennt, dass die Spongiosastrukturen in dieser Region verarmt sind, an ihrer Stelle liegt Fettgewebe (vgl. die Abb. a u. b mit der Serie in Abb. 2.432 a – e).

a

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Oberarm

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Abb. 2.432 a – j Differentialdiagnose der physiologischen Aufhellungszone in der Region der Tuberkula: a – c Chondrosarkom Grad I, das sich unschwer dadurch erkennen lässt, dass nicht nur die laterale metaphysäre Kortikalis zerstört ist, sondern dass sich der Befund vor allem in der Zweitprojektion in Abb. b durch einen Sklerosesaum vom übrigen Knochen abgrenzt. In Abb. c ist der Befund in der CT dargestellt. d Aufhellung in der Kopfkalot- a te (also weiter zum Gelenk hin) in Kombination mit knorpeliger Matrixverkalkung bei einem epiphysären Chondrom. e Riesenzelltumor mit relativ grober Zerstörung der gesamten proximalen Humerusmetaphyse, wobei die osteolytischen Veränderungen bis in die Diaphyse hineinreichen. Die „Aufhellung“ ist also nicht auf die intertuberkuläre Region beschränkt (Pfeile).

b

d

c

e

Fortsetzung Abb. 2.432 

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2 Arm

f

g





h

j

i

Abb. 2.432 f – j Ein histologisch gesichertes Chondrom in der dorsolateralen Humerusepimetaphyse. Beachte den lobulierten Aufbau der Läsion in den Röntgenaufnahmen, der für uns diagnostisch in Richtung eines knorpeligen Tumors wegweisend war (Pfeile). Die MRT- und CT-Bilder hätten auch die Differenzialdiagnose eines Ganglions zugelassen.

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Oberarm

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Der Winkel zwischen Humeruschaft- und -kopfachse (Linie durch das Collum anatomicum, nach Keats 1966) beträgt normalerweise 60 – 62⬚. Ist der Winkel kleiner, so spricht man von einem Humerus varus, einer der häufigsten Fehlbildungen des proximalen Humerus (Abb. 2.433). Diese Fehlbildung kann als Teilsymptom eines Fehlbildungssyndroms, z. B. bei Achondroplasie, auftreten. Der Humerus varus kann aber auch als Deformität, d. h. also als erworbene Fehlbildung, z. B. nach Arthritis, Nekrose oder Trauma im Wachstumsalter (Abb. 2.434), auftreten.

Abb. 2.433 a, b Zum Humerus varus: a Normaler Humerus. b Humerus varus.

a

b

c

d Abb. 2.434 a – d Schwere Deformierung der Humeruskopfregion bei einer 15-Jährigen mit durchgemachter aseptischer Nekrose der proxmalen Humerusepiphyse. Die Deformierung

erinnert sehr an die Spätfolgen einer aseptischen Nekrose des Femurkopfs (Morbus Perthes).

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2 Arm Bei der kongenitalen Fehlbildung ist eine Kombination mit einer zu flachen oder aplastischen Pfanne, auch mit einer Schaufelpfanne, möglich. Während ein isolierter Humerus varus nicht unbedingt symptomatisch sein muss, stellt die Kombination mit Fehlbildungen der Pfanne eine eindeutige Prädisposition für habituelle Schulterluxationen dar. Humeruskopffrakturen und posttraumatische oder durch sonstige Ursachen entstandene Nekrosen im Erwachsenenalter können zu erworbenen Deformierungen führen, wie sie in den Abb. 2.435 u. 2.436 dargestellt sind. Eine vermehrte Retrotorsion des Humeruskopfs mit vermindertem Kontakt zur Gelenkfläche des Schulterblatts korreliert mit rezidivierenden Luxationen des Oberarmkopfs nach vorn (Cyprien u. Mitarb. 1983). Im Kapitel „Normalbefund im Erwachsenenalter“ wurde darauf hingewiesen, dass die Form des proximalen Humerus sehr von der Einstelltechnik abhängt. Durch gekippte Aufnahmen und Rotation des Humeruskopfes können durchaus Bilder entstehen, die Anlass zu einer Fehldeutung im Sinne einer Dysplasie sind. Voraussetzung für die Definition der anatomischen Verhältnisse der proximalen Humerusepiund -metaphyse ist also eine korrekte Standardprojektion, wie oben bereits erwähnt.

a

Fraktur, Subluxation/Luxation? Auf die komplexe Problematik von Schulterluxationen wird in diesem Buch nicht näher eingegangen. Die verschiedenen Luxationsformen und assoziierten knöchernen Verletzungen sowohl am Humerus als auch an der Pfanne werden kurz im Kapitel „Das Schultergelenk als Ganzes“ beschrieben. An dieser Stelle wird aber kurz auf den sog. Hill-Sachs-Defekt eingegangen, den man auf üblichen a.-p. Schultergelenkaufnahmen leicht übersehen kann. Er entsteht nach Impression des Humeruskopfs durch den unteren Gelenkrand der Skapula bei Luxation nach vorn. Die Impression liegt im dorsolateralen Humeruskopfbereich. Radiologisch kommt sie am besten auf innenrotierten gezielten Aufnahmen des Humeruskopfs zur Darstellung (Abb. 2.437). Der Hill-Sachs-Defekt wird bei etwa 95% der sog. habituellen Schulterluxationen gefunden. Man unterscheidet aus radiologischer Sicht:

b Abb. 2.435 a, b Abgeflachte nekrotische Kopfkalotte nach einem Unfall mit Zeichen einer Sekundärarthrose im Humeroskapulargelenk (vgl. mit Abb. 2.428).

Abb. 2.436 Kopfdeformierung bei Syringomyelie.

 Kerbentyp,  Muldentyp,  sog. Abflachungstyp. Während die beiden erstgenannten Typen keine Differentialdiagnose zur Normvarianz darstellen, ist dies sehr wohl beim Abflachungstyp der Fall. Deshalb sollte Letzterer auch nur im Zusammenhang mit der klinischen Symptomatik diagnostiziert werden, evtl. unter zusätzlicher Absicherung durch CT-Aufnahmen. Auf die verschiedenen Frakturformen und -typen des proximalen Humerusendes und ihre klinische Bedeutung wird hier nicht spezifizierter eingegangen. Für den Befunder einer traumatisierten Schulter ist es jedoch wichtig zu wissen, welche Verletzungsformen in welcher Region relevant sind, denn danach muss er suchen. Deshalb wird an dieser Stelle auf die heute in der Unfallchirurgie am häufigsten gebrauchte Klassifikation der Frakturen nach Neer verwiesen. Dazu wird der Humeruskopf in 4 Segmente unterteilt (Abb. 2.438 a).

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Oberarm

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b

a Abb. 2.437 a, b Entstehung des Hill-Sachs-Defekts nach anteriorer, subglenoidaler Schulterluxation mit Impression des Humeruskopfs durch den unteren Pfannenrand (Pfeil). In

Abb. b Zustand nach Reposition mit eindeutiger Abbildung der knöchernen Infraktion.

1 Collum anatomicum

2

3

Collum chirurgicum

4

a Abb. 2.438 a, b Einteilung der proximalen Humeruspartien in Segmente und ihre Bedeutung bei der Frakturklassifikation: a Hier sind die 4 Segmente schematisch eingezeichnet:

1 2 3 4

Kopfsegment Tuberculum majus Tuberculum minus Schaftsegment

2.438 b 

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2 Arm

Abb. 2.439 Vollbild einer Humeruskopfnekrose mit einem Nebeneinander von Aufhellungen und Sklerosierungen und einer Fragmentation der subchondralen kranialen Partien. z. B. eine Fraktur durch das Collum chirurgicum mit Dislokation, des Weiteren eine Fraktur durch das Tuberculum minus vor, so bezeichnet man das ganze als „3-SegmentFraktur Typ V“. Luxationsfrakturen werden stets den Typen VI zugeordnet. Bezüglich grenzwertiger Befunde zum Pathologischen haben eigentlich nur die Abrissfrakturen der Tuberkula eine differentialdiagnostische Bedeutung, während die übrigen Frakturen durch das Collum anatomicum und Collum chirurgicum wohl keine Einordnungsprobleme bereiten dürften. Die differentialdiagnostische Bedeutung der Tuberkulaabrisse liegt in der Abgrenzung gegenüber ungewöhnlich lokalisierten freien Gelenkkörpern und sehr soliden Bursaverkalkungen (Abb. 3.56 u. 3.66).

Nekrose?

Abb. 2.438 b Schematische Darstellung der Frakturklassifikation nach Neer. Der Typ VI entspricht einer Luxationsfraktur. Diesen Segmenten kommt jedoch nur dann eine praktische Bedeutung zu, wenn sie um mehr als 1 cm disloziert oder um mehr als 45⬚ abgekippt sind. Unter diesen Konditionen werden die Frakturen in 6 verschiedene Typen (groups) eingeteilt (Abb. 2.438 b). Wenn kein Segment fehlsteht, so spricht man von einem Typ I, selbstverständlich unter Angabe der Zahl der frakturierten Segmente. Wenn sich nur ein Segment in Fehlstellung befindet, so teilt man die Fraktur je nach fehlgestelltem Segment den Typen II – V zu, unter zusätzlicher Angabe der Zahl der frakturierten Segmente, die nicht disloziert oder abgekippt sind. Sind aber mehrere Segmente disloziert oder abgekippt, so ist für die Typzuordnung der numerisch höhere Frakturtyp entscheidend, unter Angabe der Zahl der zusätzlich frakturierten 3 oder 4 Segmente (Stücke). Liegt

Am Humeruskopf kommt es relativ häufig zu Osteonekrosen, insbesondere nach systemischer Steroidapplikation. Bei Letzterer rangiert die Humeruskopfnekrose etwa an dritter Stelle nach der Nekrose des Femurkopfs und der Knieregion. Die Humerusköpfe scheinen auch besonders gegenüber Barotraumen empfindlich zu sein mit Entwicklung mehr oder weniger ausgeprägter Nekrosezeichen und späterer Deformierung. Das Vollbild einer Osteonekrose des Humeruskopfs mit einem Nebeneinander von Aufhellungen und Sklerosierungen, einer oder mehrerer subchondraler Frakturen und von Fragmentationsvorgängen (Abb. 2.439) bereitet im Allgemeinen keine differentialdiagnostischen Schwierigkeiten. Entscheidend ist aber die Entdeckung früher Formen der Osteonekrose, die am Humeruskopf typischerweise in einer verhältnismäßig homogenen subchondralen Verdichtung besteht (sog. Schneekappenzeichen, Abb. 2.440). Pathologisch-anatomisch handelt es sich im Gegensatz zum radiologischen Befund aber schon um einen fortgeschrittenen nekrotischen Prozess. Echte Frühformen sind bekanntlich nur mit der MRT oder der Szintigraphie zu erfassen (Abb. 2.441). Idiopathische avaskuläre Nekrosen der Humerusköpfe sind offensichtlich extrem selten, die Art der Spätdeformierung erinnert sehr an den Morbus Perthes der Hüften (Abb. 2.434).

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Abb. 2.440 a, b Humeruskopfnekrose: a Noch nicht frakturierte Humeruskopfnekrose mit „weißen“ Spongiosastrukturen im Subchondralbereich. b Einige Wochen später ist bereits eine subchondrale Fraktur eingetreten, und das nekrotische Areal grenzt sich jetzt durch einen stärkeren reaktiven Sklerosesaum ab.

a

b

b

c

a Abb. 2.441 a – e Zur Differentialdiagnose osteonekrotischer Veränderungen im proximalen Humerus: a – c Frühe Osteonekrose als Steroidfolge bei Kollagenose: Auf der Aufnahme mit eleviertem Arm ist im Subchondralbereich kein eindeutiger pathologischer Befund erkennbar (a). In der MRT (b, c) dagegen ist bereits das nekrotische Areal im Subchondralbereich abgrenzbar. Beachte das ausgedehnte, mit Signalauslöschung einhergehende Ödem in der gesamten proximalen Humerusepi- und -metaphyse in Abb. b. Nach Kontrastmittelapplikation (c) kommt es hier zu einem deutlichen Enhancement. d, e Keine Knochenmarknekrose, auch keine tumoröse Markrauminfiltration, sondern extrem normvariante Knochenmarkrekonversion (Fett ⬎ rotes Mark) bei einer asymptomatischen 58-jährigen Frau. Beachte die schlierigen Signalreduktionen im T1-gewichteten Bild (d) und die deutlichen Signalanhebungen in denselben Arealen im T2-gewichteten Bild (e). d

e

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2 Arm

Die Osteochondrosis dissecans (subartikuläre avaskuläre Nekrose) des Humeruskopfs stellt bisher eine Rarität dar, viel häufiger wird dieses Krankheitsbild an der gegenüberliegenden Pfanne beobachtet. Ob eine solche Osteochondrosis dissecans am Humeruskopf tatsächlich so selten ist, oder ob sie methodologisch bisher nur nicht ausreichend erfasst wurde, lässt sich nicht entscheiden. Hier warten wir auf Untersuchungsergebnisse aus der MRT (im Rahmen der Abklärung unklarer Schulterschmerzen bei jüngeren Menschen). Eine osteonekrotische Komponente spielt bei der Entstehung der neurogenen Arthropathie eine nicht unerhebliche Rolle. Die neurogene Arthropathie kommt bevorzugt am Humeruskopf vor, und hier insbesondere im Rahmen der Syringomyelie (Abb. 2.436). Sowohl eine neurogene (an der sog. neurovaskulären Theorie orientierten) Komponente als auch ein osteonekrotischer Kofaktor spielen bei der Entstehung der sog. Milwaukee-Shoulder eine Rolle. Dieses Krankheitsbild wird auch als rapid-destruktive Arthrose (Omarthrose) bezeichnet und wird überwiegend bei älteren Frauen beobachtet. Innerhalb von Monaten kommt es zunächst zu einer Spaltverschmälerung, dann zu einem Humeruskopfhochstand und einem massiven Gelenkerguss, schließlich zu einer Humeruskopfnekrose (Abb. 2.442). Die typischen Arthrosezeichen, wie Geoden oder Osteophyten, fehlen. Ein weiterer Subtyp von Osteonekrose findet sich in Form der Knochenmarknekrose mit kleinen dystrophen Kalzifikationen in der proximalen Humerusmetaphyse, wie in Abb. 2.425 dargestellt. Hierbei handelt es sich überwiegend um eine Markfettnekrose bei reichlicher Fettgewebsansammlung ohne klinische Bedeutung. Dieser Befund ist von einer Knorpelmatrixossifikation bei Enchondromatose oder einem Enchondrom zu unterscheiden (s. unten).

Tumor? Eine häufig zu Fehldiagnosen Anlass gebende Besonderheit findet sich in der proximalen medialen metaphysären Kortikalis des Humerus bei Adoleszenten in Form der sog. kortikalen Irregularitäten, wie sie von Keats u. Joyce (1984) als „metaphyseal cortical irregularities“ und zuvor von Ozonoff u. Ziter (1974) als „upper humeral notch“ beschrieben wurden. Sie kommen sonst überwiegend in der distalen Femurmetaphyse vor, wurden aber sowohl von den genannten Autoren wie von uns bei Kindern zwischen dem 10. und 16. Lebensjahr auch in der distalen Humerusmetaphyse beobachtet, des Weiteren in distaler Radiusund Ulnametaphyse und in der proximalen und distalen Tibia-Fibula-Metaphyse. Sie können auch bei Kleinkindern auftreten. Möglicherweise kommen diese kortikalen Irregularitäten bei stärken Stressmomenten gehäuft vor, doch ist das bisher nicht gesichert. Keats u. Joyce (1984) fanden bei den von ihnen beschriebenen Läsionen ein Fehlen oder eine starke Reduzierung der über den Läsionen liegenden Kompakta und Irregularitäten des darunter gelegenen spongiösen Knochens. Die Spongiosa grenzt also in diesen Fällen praktisch an das Periost an. Brower u. Mitarb. (1971) fanden im Bereich der fehlenden oder irregulären Kortikalis histologisch nur Bindegewebe. Die kortikalen Irregularitäten sind sowohl im Bereich der distalen Femora als im Bereich der proximalen Humeri zumeist bilateral ausgeprägt und bestehen nur temporär für einige Monate, höchstens Jahre. Die äußere mediale proximale Humeruskontur sieht fransig und irregulär und manchmal flach eingedellt (humeral notch) aus (Abb. 2.443), die Kinder sind asymptomatisch. Diese Befunde sollten also nicht mit einem tumorösen Prozess, z. B. vom Periost ausgehend, verwechselt werden. Szintigraphisch stellen sich die Befunde unauffällig dar. Wie aus der Abbildungsserie der Abb. 2.431 hervorgeht, ist die physiologische Strukturauflockerung in der Region der Tuberkula von echten Osteolysen durchaus zu unterscheiden. Der Vergleich der Abb. 2.431 a u. b einerseits mit Abb. 2.432 a u. b andererseits lässt unschwer die Diffe-

a

b Abb. 2.442 a, b So genannte Milwaukee-Shoulder bei einer 68-jährigen Frau mit deutlicher Nekrosekomponente und Deformierung der Humeruskopfs.

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b

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c

d Abb. 2.443 a – d Metaphysäre kortikale Irregularitäten und Defekte als physiologische Phänomene: a, b 14-jähriges Mädchen mit kortikalen Unregelmäßigkeiten in der medialen Humerusmetaphyse, die nicht mit destruktiven Veränderungen verwechselt werden sollten (aus Keats, Th. E., M. Joyce: Skelet. Radiol. 12 [1984] 112).

c, d In Abb. c „Kerbe“ oder „Grube“ an der beugeseitigen Kortikalis bei einem 11-jährigen Mädchen. Zufallsbefund (anlässlich eines Traumas), der aber für einen Destruktionsprozess gehalten wurde. Daher auch das Szintigramm, dass aber – bei Kenntnis dieser Variante – erwartungsgemäß unauffällig ist.

renzialdiagnose – selbstverständlich unter Berücksichtigung der Klinik – zu: Während die Strukturauflockerungen in Abb. 2.431 völlig reaktionslos in der proximalen lateralseitigen Metaphyse ohne jegliche kortikale Veränderungen gelegen sind, findet sich bei dem Chondrosarkom Grad I neben einer Kortikalisarrosion eine zentrale knorpelige Matrixossifikation, ähnlich wie im Fall eines epiphysär lokalisierten Chondroms (Abb. 2.432 d). Unabhängig davon liegt im letztgenannten Fall der Befund in der Epi- und nicht in der Metaphyse. Auch bei den in der proximalen Humerusmetaepiphyse (in ca. 10% der Fälle) vorkommenden Riesenzelltumoren sieht man in der Regel einen irgendwie gearteten Tumorrand (Abb. 2.432 e), während sich bei den physiologischen Strukturaufhellungen die Übergänge zum dichteren Spongiosanetzwerk fließend finden. Das durch transkutan CT-gesteuerte Biopsie gesicherte Chondrom in Abb. 2. 432 f – j hat einen eindeutig erkennbaren – lobulierten – Skleroserand, und es ist eine „wabige Binnenstruktur“ (randständige verknöcherte Septen zwischen den Knorpellobuli en face) erkennbar. Die im proximalen Humerus vorkommenden juvenilen Knochenzysten (als tumorähnliche Läsion) liegen normalerweise diametaphysär und gehen in der Regel mit einer

kompletten Strukturauslöschung und einer „Auftreibung“ des Knochens (durch Neokortikalisbildung) einher. Ein klassisches kalzifizierendes Enchondrom mit diametaphysärer Lage ist in den Abb. 2.425 b u. 2.444 dargestellt.

Entzündung? Eine Omarthritis jeweder Genese geht zumeist mit einer nach Tagen (bei Kindern) bis Wochen (bei Erwachsenen) einsetzenden Demineralisation der Humeruskopfpartien, insbesondere im Subchondralbereich, einher. Die Abgrenzung gegenüber der Normvarianz gelingt in der Regel durch die mit Lupenbetrachtung zu erkennenden leichten Unschärfen in den demineralisierten Arealen. Auf die Problematik der entzündlichen Erosionen in der Abgrenzung gegenüber einem normalen Sulcus intertubercularis wurde bereits auf S. 246 und anhand der Abb. 2.430 a – c eingegangen.

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2 Arm 컅 Abb. 2.444 Typisches kalzifizierendes Enchondrom in der proximalen Humerusmetadiaphyse (vgl. diesen Befund auch mit den Abb. 2.425 a u. b).

Literatur Anderson, W. J., W. Bonner-Guilford: Osteochondritis dissecans of the humeral head. Clin. Orthop. 173 (1983) 166 Bricout, P. B., M. Simanovsky, M. I. Feldmann et al.: Necrosis of the humeral head following postoperative supervoltage irradiation and chemotherapy in carcinoma of the breast. Brit. J. Radiol. 58 (1985) 562 Brower, A. C., J. E. Culver, T. E. Keats: Histological nature of the cortical irregularity of the medial posterior distal femoral metaphysis in children. Radiology 99 (1971) 389 Brown, W. H., J. M. Dennis, C. N. Davidson et al.: Posterior dislocation of the shoulder. Radiology 69 (1957) 815 Carpenter,G. I., P. H. Millard: Shoulder subluxation in elderly inpatients. J. Amer. Geriat. Soc. 30 (1982) 441 Cocchi, U.: Zur Frage der Epiphysenossifikation des Humeruskopfes. Das Tuberculum minus. Radiol. clin.(Basel) 19 (1950) 18 Cone, R. O., L. Danzig, D. Resnick et al.: The bicipital groove. Amer. J. Roentgenol. 141 (1983) 781 Cruess, R. L.: Corticosteroid-induced osteonecrosis of the humeral head. Orthoped. Clin. N. Amer. 16 (1985) 789 Cyprien, J. M., H. M. Vasey, A. Burdet et al.: Humeral retrotorsion and glenohumeral relationship in the normal shoulder and in recurrent anterior dislocation (scapulometry). Clin. Orthop. 175 (1983) 8 Garth, W. P., C. E. Slappy, Ch. W. Ochs: Roentgenographic demonstration of instability of the shoulder: the apical oblique projection. J. Bone Jt Surg. 66-A (1984) 1450 Gould, R., A. T. Rosenfield, G. E.Friedlaender: Loose body within the glenohumeral joint in recurrent anterior dislocation: CT-demonstration. Case report. J. Comput. assist. Tomogr. 9 (1985) 404

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Schultergürtel und Brustkorb J. Freyschmidt

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Schulterblatt

Normalbefund Im Wachstum Der erste Knochenkern im Schulterblatt erscheint in der 7. – 8. Fetalwoche in der Region des Kollums. Zum Zeitpunkt der Geburt ist der zentrale Abschnitt der Skapula samt einem Akromionanteil verknöchert. Beträchtliche Anteile der Gelenkpfanne, des Margo medialis, der Anguli scapulae, des Processus coracoideus und des Akromions sind noch knorpelig. Zur postnatalen Entwicklung des Schulterblatts s. bei Ogden u. Phillips (1983).

Die Schultergelenkpfanne ist bei Säuglingen kaum differenziert und nur leicht prominent (Abb. 3.1). Im Alter von 8 – 13 Jahren ist die subchondrale knöcherne Kontur der Schultergelenkpfanne regelrecht geriffelt (Abb. 3.2), ähnlich wie an der Hüftgelenkpfanne. Die Epiphyse ist ringförmig angelegt, ähnlich wie bei den Wirbelkörperrandleisten. Die röntgenologisch sichtbare Verknöcherungsphase ist nur kurzfristig und dann auch nur bei entsprechender Projektion nachweisbar (Abb. 3.3 u. 3. 4), da der Epiphysenring bald mit dem Schulterblattkörper verschmilzt. Die Ossifikation der knorpeligen Gelenklippe, also des Labrums, wird von Ziegler (1957) beschrieben. Im 18. Lebensjahr ist die Ossifikation der Gelenkpfanne abgeschlossen. An den Anguli scapulae (Abb. 3.14) treten im 16. – 18. Lebensjahr Apophysenkerne auf. Persistiert der Apophysenkern am Angulus inferior, so spricht man von einem Os infrascapulare (Abb. 3.5). Gelegentlich tritt auch ein Knochenkern am Angulus medialis superior auf (Abb. 3.6). Der Margo medialis scapulae erscheint im Wachstumsalter häufig wellig und gelegentlich auch doppelt konturiert, es sollen auch feine apophysäre Leisten beobachtet worden sein. Der Processus coracoideus entwickelt sich aus einem im 1. Lebensjahr auftretenden Kern, der bis zum 15. – 20. Lebensjahr isoliert bleibt (Abb. 3.7).

Abb. 3.1 Schulter eines 3 Monate alten Kindes. Wahrer Gelenkspalt (Pfeile), Korakoidkern (Doppelpfeil).

Abb. 3.2 Ansicht der Schultergelenkpfanne bei einem Jugendlichen.

Abb. 3.3 Unregelmäßig wellige Pfannenkontur. Korakoidspitzenkern (Pfeile).

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Schulterblatt

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Die zackenförmige Fuge bleibt später noch verhältnismäßig lange sichtbar (Abb. 3.8). Gelegentlich wird in der Fortsetzung der Fuge in Richtung Schultergelenkpfanne zwischen dem 10. und 14. Lebensjahr ein zusätzlicher isolierter Kern (sog. Os infracoracoideum) sichtbar (Abb. 3.9). Dieser Kern verschwindet dann unter Anschluss an die Skapula oder das Korakoid 2 Jahre nach seinem Erscheinen (Lossen u. Wegner 1936). Schließlich wurde auch ein Korakoidspitzenkern beschrieben (Abb. 3.10).

Abb. 3.4 Epiphysenkern im unteren Drittel der Schultergelenkpfanne (Pfeil) und isolierter Kern an der Akromionspitze (Doppelpfeil).

Abb. 3.6 Knochenkern am Angulus medialis superior (Pfeil) (vgl. mit Abb. 3.22).

Abb. 3.5

Os infrascapulare (Pfeil).

3.9

3.8 Abb. 3.7 Dreieckiger Epiphysenkern des Korakoids bei einem 14-jährigen Jungen. Fraktur am akromialen Ende der Klavikula (Pfeil).

Abb. 3.8 Knorpelfuge (Pfeil) an der Basis des Rabenschnabelfortsatzes (x). Abb. 3.9

Isolierter Kern in der Korakoidknorpelfuge.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Am lateralen Ende des Akromions treten im 15. – 18. Lebensjahr 2 – 3, manchmal auch weitere Kerne auf (Abb. 3.11), die im 20. – 25. Lebensjahr zuerst miteinander (Abb. 3.12 a) und dann mit der Spina verschmelzen. Das

Gelenkende des Akromions kann somit von einer großen Ossifikationszone umrandet sein, die durch einen mehr oder weniger breiten Spalt von ihm getrennt ist (Abb. 3.12 b u. 3.13). Beim Kind klafft die Fuge erheblich.

a

b Abb. 3.10 a, b Spitzenkern und Wachstumskerne: a Spitzenkern am Processus coracoideus (Pfeile).

Abb. 3.11

b Sämtliche Wachstumskerne im Schulterbereich bei einem 15-Jährigen.

Akromionkerne (Pfeil).

a

Abb. 3.13 Akromion- (Pfeil) und Korakoidapophysenkerne (Doppelpfeil).

b Abb. 3.12 a , b Entwicklung des Akromions (Pfeile): a Plattenförmige Konfiguration der Akromionapophyse. b Akromionapo- oder -epiphyse im axialen Strahlengang.

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Schulterblatt

Im Erwachsenenalter Die räumlich komplexe Anatomie der Skapula ist auf den Präparateaufnahmen der Abb. 3.14 eindrucksvoll dargestellt. Eine entsprechende bildliche Darstellung gelingt eigentlich nur mit der CT (Abb. 3.15). Mit der konventionellen Diagnostik lassen sich immer nur bestimmte Abschnitte der Skapula freiprojizieren. Im a.-p. Strahlengang ist das Schulterblatt zweckmäßig eingestellt, wenn sich die Gelenkpfanne in Form einer Linie oder eines schmalen Ovals darstellt. Bei der axialen Schulterblattaufnahme (Zentralstrahl senkrecht auf die Mitte des plattennahen medialen Schulterblattrands und auf Kassettenmitte, Strahlengang horizontal zwischen Schulterblatt und Rippen hindurch) lassen sich vor allem die Spina scapulae, das Akromion und das Schulterblatt selbst gut beurteilen. Im sog. zephaloskapularen Strahlengang bei 45⬚ nach vorn geneigtem Rumpf und die Kassette im rechten Winkel zum Strahlengang in einem Halter fixiert, werden sämtliche Anteile des Schulterblatts frei projiziert (Oppenheim u. Mitarb. 1985). Bei dieser Aufnahme müssen Hals und Körper leicht zur Gegenseite gedreht und die verletzte Schulter leicht angehoben werden. Bei Verletzungen des Processus coracoideus empfiehlt es sich, die verletzte Schulter um 20⬚ schräg nach hinten zu lagern und den Strahlengang um 20⬚ nach kranial zu richten (Goldberg u. Vicks 1983). Die transskapuläre Y-Aufnahme, deren Modifikation nach Neer (1972) auch als Supraspinatus-Outlet-Aufnahme bezeichnet wird, erlaubt die Wölbung der unteren Akromionkontur gut zu beurteilen (S. 270 f. u. Abb. 3.16). Zur Aufnahmetechnik bei Verdacht auf eine Bankart-Läsion (sog. Bernageau-Aufnahme s. S. 296 f.). Aus der Betrachtung der anatomischen Präparateaufnahmen in Abb. 3.14 und der CT-Schnitte in Abb. 3.15 wird deutlich,

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oder die Tuberositas infraglenoidalis, an der das Caput longum des M. trizeps brachii ansetzt (Abb. 3.14). Der mediale obere Schulterblattwinkel ist oft etwas stumpf und häufig asymmetrisch geformt. Eine Doppelkuppe ist nicht selten (Abb. 3.22). Bei orthograder Projektion des Ansatzes bzw. der Basis des Korakoidfortsatzes ergibt sich eine ringförmige oder ovaläre Figur (Abb. 3.23), ähnlich wie bei orthograder Projektion der Basis eines Osteochondroms. Das Akromion gehört zu den Skelettteilen, die die größten Mannigfaltigkeiten in der Form aufweisen. Die laterale Begrenzung kann einen glatten, konvexen Bogen bilden, sie kann aus vielfachen Buckeln bestehen, kann zackig wie auch unscharf „zerklüftet“ sein, ja sogar eine große flache Eindellung besitzen. Diese Formvarianten sind ohne funktionelle Bedeutung im Gegensatz zur varianten Gestaltung des vorderen Drittels (flach, gebogen, hakenförmig), die wesentlich den darunter gelegenen Raum für die Rotatorenmanschette beeinflusst (weiteres dazu s. Kapitel Variante oder Fehlbildung u. Abb. 3.28). Diese anatomischen Vorgaben machen vor allem für den Anfänger die Interpretation von Schulterblattaufnahmen zum Problem, insbesondere wenn es sich um symptomatische Patienten handelt. Über die physiologischen Dichteschwankungen im eigentlichen Schulterblatt kann am besten dann einen Eindruck bekommen, wenn man ein Skapulapräparat gegen eine starke Lichtquelle hält. Zum Akromioklavikulargelenk s. S. 285.

쐌 dass das eigentliche Schulterblatt sehr unterschiedlich dick ist, 쐌 dass sich zwischen dünneren Partien die Lineae musculares als leistenförmige Prominenzen finden, 쐌 dass insbesondere im Übergangsbereich vom Kollum zum Corpus scapulae und des Abgangs des Processus coracoideus zahlreiche mehr oder weniger große Gefäßlöcher (Abb. 3.17 u. 3.18) physiologischerweise vorhanden sind. Wenn Gefäßkanäle tangential getroffen werden, können sie sich auch als doppellinige Aufhellung darstellen. Eine solche Doppellinie kann allerdings auch durch einen Überlagerungseffekt von Seiten des Unterrands Processus coracoideus hervorgerufen werden (Abb. 3.19). Eine häufig zu der Fehldiagnose „Osteolyse“ Anlass gebende physiologische Aufhellung findet sich noch im oberen Bereich des Collum scapulae (Abb. 3.20); sie erklärt sich ohne weiteres aus der CT-Schnittserie in Abb. 3.15 (Abb. 3.15 e1 – e3, „Grube“ in der Gabel zwischen oberem Kollum und Processus coracoideus). Einen ähnlichen summationsbedingten „Defekt“ findet man auch auf der im axialen Strahlengang angefertigten Schultergelenkaufnahme in der Nähe des Schulterblatthalses (Abb. 3.21). Der Margo axillaris oder lateralis zwischen Gelenkpfanne und Angulus inferior ist auffallend wellig konturiert. 1/2 – 1 cm kaudal der Cavitas glenoidalis sieht man häufig einen exostosenartigen Vorsprung, das Tuberculum

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Abb. 3.14 a – c

Anatomische Präparateaufnahme der Skapula:

a Ventralansicht. b Dorsalansicht. c Lateralansicht.

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e3 Abb. 3.15 a – k CT-Schnittserie durch die Skapula. Der Arm der erwachsenen Patientin liegt neben dem Körper in Innenrotation. Der Schnittebenenabstand von a1 – g2 liegt bei 1 – 2 mm, zwischen g3 und h3 bei 3 – 4 mm. i – k koronare Bildrekonstruktionen a Acromion scapulae cl Klavikula

cs Collum scapulae fs Fossa suprascapularis (supraspinatus) gl Glenoid ms Margo superior scapulae pc Processus coracoideus sp Spina scapulae Abb. 3.15 f – k 컄

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h3 Abb. 3.15 f – h

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k2 Abb. 3.15

i–k

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Abb. 3.16 Transskapulare Y-Aufnahme. Beachte die gute Freiprojektion der ventralen Akromionpartien bei dieser etwas weit kranial zentrierten Aufnahme. Abweichend von der „klassischen“ Y-Aufnahme bildet die Spina scapulae und nicht der Processus coracoideus den einen Schenkel des Y, der andere wird vom Akromion gestellt. Die Schultergelenkpfanne liegt im Schnittpunkt der beiden kurzen mit dem langen Y-Schenkel. Ist sie leer, dann liegt eine Luxation vor.

Abb. 3.17 Gefäßkanäle (Eintrittsstellen) an typischer Lokalisation (Pfeil).

Abb. 3.18 Radiologische Wiedergabe der Eintrittsstelle für einen Nutritiakanal am Schulterblatthals bzw. Korakoidansatz (Pfeil).

a

b Abb. 3.19 a, b Differentialdiagnose von tangential getroffenen Gefäßkanälen:

a Typischer tangential getroffener Gefäßkanal (Pfeile). b Kein Gefäßkanal im Collum scapulae, sondern Projektionsphänomen durch den Processus coracoideus (Pfeile).

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Schulterblatt

Abb. 3.20

Normale Aufhellung (Pfeil) (s. auch Abb. 3.38).

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Abb. 3.21

Normale Aufhellung (Pfeil).

Abb. 3.23

Orthograd getroffener Korakoidansatz (Pfeile).

Abb. 3.22 Doppelkuppe (Pfeile) am Angulus medialis superior (vgl. mit Abb. 3.6).

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Varianten Als echte Varianten an der Skapula gelten: Die Scapulae scaphoides, bei denen der mediale Rand zwischen Spina und Angulus inferior eingebuchtet ist. Durch eine Verknöcherung des Lig. transversum scapulae superius erscheint die darunter gelegene Incisura scapulae (zwischen Margo superior und Processus coracoideus) lochförmig (Abb. 3.24). Diese Ossifikation wurde familiär gehäuft beobachtet (Giordano 1962). Eine ähnliche variante Verknöcherung im Bereich der Margo superior scapulae ist in Abb. 3.25 dargestellt. Eine gar nicht so seltene Variante stellt die Verknöcherung des Lig. coracoclaviculare dar (Abb. 3.26). Dieses Ligament setzt sich aus einem lateralen Anteil (Lig. trapezoideum) und aus einem medialen (Lig. conoideum) zusammen. Beide Bänder können ganz oder teilweise verknöchern (Villanyi 1970). Eine angeborene Ossifikation des Ligaments wird man immer dann annehmen müssen,

Abb. 3.24 Verknöcherung des Lig. transversum scapulae superius im Präparat.

wenn keinerlei Traumaanamnese besteht. Andererseits ist eine posttraumatische Bandossifikation bei Verletzungen im Schultergürtelbereich keine Seltenheit. Die Verknöcherungen treten 3 – 5 Wochen nach einem Unfall auf, sie können aber auch Folge von Mikrotraumen bei ständigen starken Belastungen im Schultergürtelbereich sein. Die in der Abb. 3.26 b dargestellte inkomplette Verknöcherung ist

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3 Schultergürtel und Brustkorb Abb. 3.25 a, b Röntgenbild und anatomisches Präparat eines spangenartigen Margo superior scapulae.

a

b posttraumatischer Genese. Eine gelenkige Verbindung zwischen Rabenschnabelfortsatz und Schlüsselbein (sog. Korakoklavikulargelenk, Abb. 3.27) wurde von Schulte (1960) beschrieben. Wahrscheinlich gibt es auch hier eine angeborene und eine erworbene Form, letztere eher im Sinne einer Pseudarthrose, z. B. in einer Bandverknöcherung. Eine Verknöcherung am lateralen Rand der Skapula als Variante wurde von Pratesi (1963) beschrieben. Der mehr oder weniger ausgeprägten Bogenform des Akromions (der akromiale Bogen) wird seit der Publikation von Neer (1972) über die anteriore Akromioplastie bei chronischem Impingement-Syndrom der Rotatorenmanschette große funktionelle Bedeutung beigemessen. In der radiologischen Diagnostik hat die Variabilität der Bogenform im Zusammenhang mit der Möglichkeit, durch MRT die darunter gelegenen Weichgewebsstrukturen exzellent und präzise darzustellen, viel Interesse bekommen. Dabei stellt der akromiale Bogen allerdings nur eine Komponente des Raums dar, in dem die Rotatorenmanschette verläuft, denn der Bogen (insgesamt als korakoakromialer Bogen bezeichnet) wird komplettiert durch das akromioklavikulare Gelenk, den Processus coracoideus und das korakoakromiale Ligament. Nach Bigliani u. Mitarb. (1991) werden 3 verschiedene Formtypen des Akromions unterschieden.

a

Formtypen des Akromions nach Bigliani u. Mitarb.: ➤ Typ I = flach. ➤ Typ II = bogenförmig. ➤ Typ III = hakenförmig (Abb. 3.28 a).

b Abb. 3.26 a, b Verknöcherungen des Lig. coracoclaviculare: a Keine Traumaanamnese, daher wahrscheinlich angeborene Variante oder die Anamnese stimmt nicht. Vielfach werden Schultertraumen, die mehr als 5 Jahre zurückliegen, vergessen. b Verknöcherung im Lig. conoideum des Lig. coracoclaviculare. Sprengung im Akromioklavikulargelenk mit knöchernem Ausriss aus der Unterseite der Klavikula (Pfeil).

Abb. 3.27

An 140 Leichenschultern sahen Bigliani u. Mitarb. (1986) bei 18,6% den Typ I, in 42,0% den Typ II und in 38,6% den Typ III. Diese Autoren fanden sowohl bei Studien an Leichen wie bei klinischen Untersuchungen eine starke Korrelation zwischen dem Typ III und Rissen in der Rotatorenmanschette und bestätigen damit die Hypothese von Neer (1972, 1973), dass die Hakenform den subakromialen Raum derartig einengen kann, dass es zu wiederholten Einklemmungen der Rotatorenmanschette zwischen Akromion einerseits und Humeruskopf andererseits kommen könne. Durch diese wiederholten oder chronischen Einklemmungen (impactions) würden sich auch sekundäre osteophytäre Knochenneubildungen an der Unterfläche des vorderen Drittels des Akromions bilden (S. 294 u. Abb. 3.60). Diese Daten konnten aber durch Folgearbeiten zumindest nicht in ihrem ganzen Umfang bestätigt werden. So fanden Getz u. Mitarb. (1996) folgende Verteilung: Typ I = 22,8%, Typ II = 68,5%, Typ III 8,6%. Die Autoren untersuchten 394 Leichenskapulae. Der Typ III war bei Männern mit 10,2% stärker als bei Frauen

Korakoklavikulargelenk.

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Typ I

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Typ II

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Typ III

g

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Typ IV

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a

b

c

Abb. 3.28 a, b Akromialer Bogen: a – c Schematische Darstellung der Klassifikation nach Bigliani (1986): a Typ I = flach, b Typ II = gebogen, c Typ III = hakenförmig. d – k MRT-Aufnahmen bei den einzelnen Formtypen des Akromions: d, h Typ I mit flacher Konfiguration, T1-gewichtete schräg-sagittale MRT-Aufnahme,

e, i Typ II mit leicht gebogender Konfiguration (betonte inferiore Konkavität), T2-gewichtete schräg-sagittale MRT-Aufnahme, f, j Typ III mit hakenförmiger anteriorer Konfiguration des Akromions, T1-gewichtete schräg-sagittale MRT-Aufnahme durch das Akromion; klinisch Impingement, g, k Typ IV mit kranial-konkaver bzw. umgekehrt gebogener Akromionform, T1-gewichtete schräg-sagittale MRT-Aufnahme durch das Akromion (nach Farley u. Mitarb.).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

mit 6,9% verteilt, und der Typ I mit 18,5.% gegenüber 27,5%. Osteophytäre Knochenneubildungen wurden überwiegend beim Typ III ( in 59% der Fälle) gefunden, in 42,6% beim Typ II und in 24% beim Typ I. Bei 70,7% war die akromiale Morphologie symmetrisch. Bei MRT-Untersuchungen von 45 Patienten mit partiellem oder vollständigem Riss der Rotatorenmanschette fanden Farley u. Mitarb. (1994) folgende Verteilung auf die akromiale Morphologie nach Bigliani: 38% Typ I, 40% Typ II, 18% Typ III. Diese Autoren bestimmten auch noch einen Typ IV mit einer nach kaudal konvexen Konfiguration (Abb. 3.28 g u. k), den sie bei 4% der Patienten nachwiesen. Bei der Vergleichsuntersuchung von 57 asymptomatischen freiwilligen Probanden fanden sie: 44% Typ I, 35% Typ II, 12% Typ III, 9% Typ IV. Bei Ihrer vergleichenden Studie zwischen Supraspinatus-Outlet-View-Röntgenaufnahmen (eine modifizierte Y-Aufnahme der Schulter) und parasagittalen MR-Aufnahmen beobachteten Peh u. Mitarb. (1995) schon kleine Änderungen in der Form des Akromions durch geringfügige Variationen in der radiologischen und MRT-Einstelltechnik. Daraus folgt, dass die Form des Akromions nicht überbewertet werden sollte, insbesondere nicht bei Patienten mit klinischem Impingement-Syndrom. In diesem Sinne weisen auch Peh u. Mitarb. (1995) darauf hin, dass der radiologische Nachweis der Akromionformen Typ II und III nicht dazu führen sollte, das Risiko für eine Rotatorenmanschettenabnormalität vorherzusagen und eine MRT-Untersuchung zu initiieren. Zu persistierenden Apophysen und akzessorischen Knochenelementen s. Kapitel „Fraktur, Subluxation/Luxation“.

Deformitäten Die Sprengel-Deformität beinhaltet nicht nur einen Hochstand des Schulterblatts oder der Schulterblätter, sondern die Skapula ist breit und gegenüber der Norm verkürzt, ihr Angulus medialis superior besitzt eine hakenförmige Krümmung (Abb. 3.29). Die Deformität wird dadurch erklärt, dass das Schulterblatt in seiner embryonalen ursprünglichen Lage liegen geblieben und nicht dem normalen Deszensus gefolgt ist (Ogden u. Mitarb. 1979, Laumann u. Ciré 1985). Die Sprengel-Deformität kommt selten isoliert vor, sie ist häufiger mit Muskelanomalien sowie mit Deformitäten der Halswirbelsäule und der Rippen kombiniert. Eine gute radiologisch-pathoanatomische Studie einer Sprengel-Deformität findet sich bei Ogden u. Mitarb. (1979). Bei den kongenitalen Schulterdysplasien kann der Humeruskopf konkav und die Cavitas glenoidalis scapulae konvex angelegt sein, oder es findet sich eine Abflachung des unteren Gelenkpfannenrands mit Humerus varus (Owen 1953; Abb. 3.30 a). Es können Unterentwicklungen des Collum scapulae hinzukommen (Resnick u. Mitarb. 1982; Abb. 3.30 b), gelegentlich auch Deformitäten von Klavikula und Korakoid (Wörth 1959, Moser 1962; Abb. 3.31). Eine neuere prägnante Übersicht über glenoidale Dysplasien findet sich bei Kozlowski u. Mitarb. (1985). Häufige und seltene kongenitale Syndrome mit einer abnormen Skapula, in der Regel einer Hypoplasie, sind in Tab. 3.1 aufgelistet.

a

b Abb. 3.29 a – e Sprengel-Deformität im Rahmen eines Klippel-Feil-Syndroms mit dysproportioniert hochstehenden Skapulae. Abnorme Prominenz des Angulus superior. Beachte die abnorme Projektion der Klavikulae, die offensichtlich nach kranial verlagert und rotiert sind. Die klinischen Fotos (anderer, radiologisch weniger ausgeprägter Fall als in Abb. a) in den

Abb. b – d mit den nach kranial „rotierten“ Klavikulae (b), dem spitz hervorragenden Angulus superior (c) und dem abstehenden Margo medialis sind typisch. e MRT-Korrelat zu Abb. c mit exostosenartig prominentem Angulus superior. Mögliche assoziierte Wirbelsäulendeformitäten und omovertebrale Verknöcherungen sind in Abb. 5.171 dargestellt.

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Abb. 3.29 c – e

c

d

e

Abb. 3.30 a – c Schultergelenkdeformitäten: a Konvexbogige Pfanne und konkaver Kopf. b Flache Pfannenanlage durch verkürztes oder fehlendes Collum scapulae. c Humerus varus und Aplasie des Schulterblatthalses.

a

a

c

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Fraktur, Subluxation/Luxation? In Anbetracht des räumlich so komplexen Aufbaus der Skapula mit Superpositionsmöglichkeiten mit dem Humerus und auch den angrenzenden Rippen sind Mach-Effekte sozusagen vorprogrammiert (z. B. Abb. 3.19 u. 3.32). Differentialdiagnostische Probleme gegenüber Frakturen bereiten im Kindes- und Erwachsenenalter die Apophysenfugen (Abb. 3.3, 3.4, 3.6 – 3.13) und im Erwachsenenalter persistierende Apophysen (Abb. 3.5, 3.33 u. 3.34) sowie akzessorische Knochenelemente (Abb. 3.35 u. 3.36).

Abb. 3.31

Pfannendysplasie (beiderseits).

Tabelle 3.1 Häufige und seltene kongenitale Syndrome mit einer abnormen Skapula Häufige kongenitale Syndrome

Seltene kongenitale Syndrome

 Kleidokraniale Dysplasie

 Achondrogenesis

 Mukopolysaccharidosen

 Achondroplasie (flacher

unterer Winkel)

 Nail-Patella-Syndrom  Sprengel-Deformität

 Basalzellnävussyndrom

 Klippel-Feil-Syndrom               

(Gorlins-Syndrom) kampomelische Dysplasie CHILD-Syndrom Dyggve-MelchiorClausen-Syndrom dysegmentale Dysplasie fetales Varizellensyndrom Hallermann-StreiffSyndrom Holt-Oram-Syndrom Kinky-Hair-Syndrom (Menkes-Syndrom) LEOPARD-Syndrom Mukolipidosis II, Fukosidose Poland-Syndrom Proteus-Syndrom skapuloiliakale Dysostose kurzes Rippen-Polydaktylie-Syndrom tanatophore Dysplasie

Eine persistierende Apophyse wird man immer dann annehmen, wenn sich solide Abschlusskonturen der infrage stehenden angrenzenden Knochenelemente finden und sich durch das abgrenzbare Knochenelement (z. B. persistierender Korakoidkern) keine Volumenvermehrung oder -verminderung gegenüber der Normalsituation (z. B. auf der Gegenseite) erkennen lässt. Letzteres ist das typische Merkmal eines akzessorischen Knochenelements: Die anatomischen Umgebungsstrukturen sind normal und das Akzessorium stellt tatsächlich ein überzähliges Knochenelement dar. Gelegentlich ist aber das Basiselement hypoplastisch, wie im Fall der Abb. 3.36.

Apophysenpersistenz (Abb. 3.34 a – d) Die Persistenz der Kernanlage am freien Ende des Akromion wird bei 7 – 15% aller Röntgenaufnahmen der Region beobachtet. Eine persistierende Kernlage oder Apophyse des Akromions wird auch als Os acromiale bezeichnet. Der Variante kann nach Untersuchungen von Park u. Mitarb. (1994) insofern eine Bedeutung zukommen, als sie einen prädisponierenden Faktor für ein Rotatorenmanschetten-Impingement darstellt. Die Autoren fanden bei 10 Patienten (älter als 25 Jahre) mit einem Os acromiale magnetresonanztomographisch sämtlich eine Läsion in der Supraspinatussehne (eine Tendinitis bei 4 und einen Sehnenriss bei 6 Patienten). Das Os acromiale stellt sich in der MRT am besten auf schräg-sagittalen oder schräg-koronaren Bildern dar.

CHILD

Kongenitale Hemidysplasie, ichthyosiforme Nävi, Limb-Defekt LEOPARD Lentiginosis, Electrocardiographic Disorders, Ocular Disorders, Pulmonary Stenosis, Abnormalities in Formation of the Genitalia, Retardation of Growth, Deafness

Abb. 3.32 Kein isoliertes Akzessorium, sondern scheinbare 컄 Separation, vorgetäuscht durch Mach-Effekt (Pfeil).

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b

a Abb. 3.33 a, b Differentialdiagnose Processus coracoideus:

Abb. 3.34 a – h Persistenz von Apophysen, Stress- und Insuffizienzfraktur der Skapula: a Schematische Darstellung der Ossifikationszentren und der verschieden möglichen Typen eines Os acromiale (nach Park u. Mitarb.). Geht man von 3 Ossifikationszentren aus, so kann man ein Präakromion von einem Mesakromion und einem Metaakromion unterscheiden. Abhängig von der Lokalisation der fehlenden Fusion lassen sich 7 mögliche Konstellationen (rechter Bildteil I – VII) differenzieren. BA Basiakromion MSA Mesakromion MTA Metaakromion PA Präakromion

Variante/Fraktur

des

a Persistierender Korakoidkern. b Fraktur (Pfeile). Bei dem Patienten in Abb. a ist kein Trauma erinnerlich, die irregulären Begrenzungen von Kern und Basis sprechen nicht gegen eine Variante und für eine Fraktur. Selbstverständlich wird man bei der Deutung solcher Bilder immer die Klinik heranziehen müssen.

PA

II

I

III

MSA MTA BA

IV

V

VI

VII

a

d

b

c

b Typisches Os acromiale, dem Typ II entsprechend (Pfeile). c – d Os acromiale Typ II bei asymptomatischer erwachsener Frau, keine Fraktur.

Abb. 3.34 e – h 컄

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e

f

g

h Abb. 3.34 e – h Ungewöhnliche Stressfraktur an der Basis des Acromion scapulae. 47-jähriger Mann mit intensivem „Muskelaufbautraining“ seit einem 1/2 Jahr. In Abb. e ist das typische Bild einer inkompletten Fraktur (Pfeile) zu sehen, in Abb. f fin-

det sich das Akromion komplett abgebrochen und disloziert. Das CT (g) wurde zum Zeitpunkt der Aufnahme der Abb. f angefertigt. h Looser-Umbauzone in der Skapula bei Osteomalazie.

Man kann 3 Ossifikationszentren am Akromion unterscheiden:

besten auf der Axialaufnahme darstellen. Der zusätzliche Nachweis osteophytärer Anbauten an den Rändern des Spalts zwischen Os acromiale und dem eigentlichen Akromion signalisiert eine Instabilität des Os acromiale, die wiederum zu einem Supraspinatus-ImpingementSyndrom führen kann (Mudge u. Mitarb. 1984, Edelson u. Mitarb. 1993, Park u. Mitarb. 1994). Die Instabilität des Os acromiale kann regressive Veränderungen im Akromioklavikulargelenk (Grass 1992) auslösen. Durch Kontraktionen des Deltamuskels kann das akromiale Ende heruntergezogen werden, was dann wiederum zu dem bereits erwähnten Impingement der Rotatorenmanschette führt.

쐌 Präakromion, 쐌 Mesakromion, 쐌 Metaakromion. Abhängig von dem Fusionsdefekt lassen sich nach Park u. Mitarb. (1994) 7 mögliche Typen eines Os acromiale differenzieren (Abb. 3.34 a). Das Os acromiale kann mit dem übrigen Akromion durch Bindegewebe, Knorpel, Periost oder durch ein synoviales Gelenk verbunden sein. Konventionell-radiographisch lässt sich ein Os acromiale am

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a

b Abb. 3.35 a, b Akzessoria: a Akzessorium zwischen Korakoid und Pfannerand bei Darstellung des Schultergelenks in axialen Strahlengang in der Skizze.

b Radiologische Darstellung eines Akzessoriums bei einer 70jährigen Frau. Es liegt vor der Klavikula zwischen Humeruskopf und Korakoid (Pfeil). C Korakoid H Humeruskopf K Klavikula

b

c

a Abb. 3.36 a – d Akzessorisches Knochenelement vor dem Processus coracoideus. Zufallsbefund, keine Traumaanamnese. Das mit Stern bezeichnete Knochenelement zeigt gut abgerundete Konturen, es liegt medioventral von Processus coracoideus, der im Vergleich zur Gegenseite hypoplastisch wirkt. Die kleine Proliferation an der Spitze des Processus coracoideus dürfte einer Enthesiopathie im Ansatzbereich des M. pectoralis minor entsprechen, als Folge der sich funktionell auswirkenden Hypoplasie des Korakoids. Ein akademischer Streit darüber, ob das isolierte Knochenelement vielleicht auch eine verlagerte persistierende Apophyse darstellt, ergibt keinen Sinn, da sich weder das eine noch das andere beweisen lässt, und der Patient asymptomatisch ist.

d

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Auch die erwähnte osteophytäre Randreaktion an dem Spalt kann für Arrosionen der Rotatorenmanschette verantwortlich gemacht werden.

Akzessorische Knochenelemente (Abb. 3.35 – 3.38) Sehr schwierig kann die Abgrenzung akzessorischer Knochenelemente in der Region des oberen oder unteren Pfannenrands von knöchernen Kapselausrissen sein (Abb. 3.37 u. 3.38). Ein akzessorisches Knochenelement wird man immer dann annehmen, wenn es beziehungslos zur Form des Pfannenknochens neben dem Pfannenrand gelegen ist, wie in den Fällen der Abb. 3.37 u. 3.38. Kritisch muss man allerdings sagen, dass beim Nachweis solcher knöcherner Elemente im Erwachsenenalter pathogenetisch durchaus auch an eine heterotope Verknöcherung nach traumatischer Einblutung bei längst vergessenem Schultertrauma zu denken ist, des Weiteren auch an abgerissene extrakapsuläre Knochenappositionen bzw. Osteophyten, die im Übrigen nichts mit einer Arthrose zu tun haben. Auf die Problematik der Bankart-Läsionen wird im Kapitel „Schultergelenk als Ganzes“ näher eingegangen.

Abb. 3.37

Frakturen Frakturen an der Skapula kommen überwiegend im Gebiet des Kollum vor, die manchmal nur durch zusätzliche Projektionen oder durch die CT bewiesen werden können. Akromionbrüche kommen als Geburtstrauma und bei Kindesmisshandlung vor (Swischuk 1980). Die Befunde sind radiologisch nahezu identisch mit denen bei unregelmäßiger Knochenentwicklung bzw. separaten Ossifikationszentren. Eine ungewöhnliche Stressfraktur des Akromions ist in Abb. 3.34 e – g dargestellt. Leistenförmige Absprengungen des Margo superior wurden von Bezold (1956) und Vieweger (1957) beschrieben. Die radiologische Abgrenzung von Brüchen des Processus coracoideus gegenüber einem persistierenden Korakoidkern wird durch die unregelmäßige, häufig zickzackförmig verlaufende Begrenzung der Knochenenden im Fall einer Fraktur und durch die kortikale Abgrenzung der korrespondierenden Knochen im Fall eines persistierenden Knochenkerns – natürlich unter Berücksichtigung der klinischen Symptomatik – ermöglicht (Abb. 3.33). Über eine Epi- oder Apophysenlösung des Processus coracoideus ohne akromioklavikulare Dislokation berichten Holst u. Christiansen (1998). Frakturen des Processus coracoideus sind insgesamt selten und Anlass zu Einzelpublikationen (z. B. Froimson 1978). Solche Frakturen können isoliert oder mit einer akromioklavikularen Dislokation assoziiert sein (Bernard u. Mitarb. 1983), auch mit einer vorderen Schulterdislokation (Benchetrit u. Friedman 1979). Die meisten Frakturen des Processus coracoideus kommen an der Basis vor; die Dislokation ist geringfügig, da das korakoklavikulare Ligament das Fragment fixiert. Zu Frakturen und Luxationen im Bereich des Akromioklavikulargelenks s. S. 286. Bei der Osteomalazie stellt die Skapula einen Prädilektionsort für sog. Looser-Umbauzonen dar (Abb. 3.34 h).

Akzessorium am unteren Pfannenrand.

a Abb. 3.38 a – c

b

c

Akzessorium am oberen und vorderen Pfannenrand.

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Schulterblatt

Nekrose? Die irreguläre Konturierung der Schultergelenkpfanne im Kindesalter darf nicht mit einer Osteonekrose bzw. Osteochondrosis dissecans (fokale subchondrale Knochennekrose) verwechselt werden (Abb. 3.3, 3.4 u. 3.39 ). Auch etwas irregulär gestaltete Epiphysenkerne, z. B. des Korakoids (Abb. 3.7), sollten nicht Anlass zu einer Fehlinterpretation in Richtung einer Nekrose sein. In fraglichen Fällen mit klinischer Symptomatik lässt sich eine Diagnosesicherung entweder durch die MRT oder durch eine szintigraphische Untersuchung herbeiführen.

279

Bei Bestrahlungen nach einem Mammakarzinom kam und kommt es nicht selten zur Osteoradiodystrophie mit und ohne Nekrose (Abb. 3.40). Akroosteolysen verschiedenster Ursachen (Tab. 2.6) können die Strukturen des Akromions völlig auslöschen.

Entzündung? Die Skapula ist verhältnismäßig seltener Ort einer primären hämatogenen Osteomyelitis. Vor allem bakteriellarthritische Prozesse im Akromioklavikular- und im Humeroskapulargelenk tendieren hingegen zu einer Involvie-

a

b

c

d Abb. 3.39 a – d Differentialdiagnose der Osteochondrosis dissecans (fokale subartikuläre oder subchondrale avaskuläre Knochennekrose): a, b Physiologische unregelmäßige Konturierung des Glenoids. Bei der mit einem Stern markierten Knochenstruktur auf der rechten Seite (a) handelt es sich um eine durch atypi-

sche Projektion „verlängerte“ Darstellung der peripheren Partien des Processus coracoideus. Die Aufnahmen wurden nach einem Unfall angefertigt, sonst leere Anamnese. c, d Osteochondrosis dissecans der Schulterblattpfanne mit „Mausbett“ (c) und „Gelenkmaus“ (d).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

rung des benachbarten Knochens, wobei das radiologische Bild ganz von der Akuität des Prozesses abhängt. Wir selbst konnten an der Skapula aseptische unspezifische Ostitiden im Rahmen einer pustulösen Arthroostitis in 4 Fällen beobachten, was in Anbetracht von gesammelten 68 Fällen einen verhältnismäßig hohen Anteil darstellt. Die Diagnose wird unter Zuhilfenahme der klinischen Symptomatik (mit Nachweis einer Pustulosis palmoplantaris und/oder einer Psoriasis) und mithilfe der Szintigraphie gestellt, bei der sich in unserem Krankengut immer eine assoziierte sternokostoklavikulare Hyperostose oder auch andere unspezifische entzündliche Knochenveränderungen und Spondarthritiden nachweisen ließen. Im Initialstadium einer Ostitis deformans Paget (ohne auffallende Deformierung) sieht man konventionell-radiographisch kaum Veränderungen; man wird an diese Erkrankung denken, wenn man im Skelettszintigramm (als Zufallsbefund) eine starke, homogene und großflächige Anreicherung findet. Im Fall der Abb. 3.41 dürfte die Diagnose keine Probleme bereiten.

Tumor? Auf physiologisch dünne Partien im Schulterblatt sowie auf projektionsbedingte Aufhellungen (z. B. Abb. 3.20 – 3.23) und ihre potenziellen Verwechslungsmöglichkeiten mit Destruktionen wurde bereits hingewiesen. Beginnende destruktive Veränderungen in der Skapula sind konventionell-radiographisch außerordentlich schwierig zu erfassen. Bei klinischem Verdacht (z. B. bei Tumorpatienten mit Schmerzen in der Skapula) sollte man früh Schnittbildverfahren einsetzen. Bei alten Menschen kann das Akromion derart atrophisch (osteoporotisch) sein, dass man es auf Übersichtsaufnahmen kaum erkennen kann, auch nicht mit einer Halogenirisblende. Bei Tumorpatienten entscheidet die Klinik über das weitere Procedere.

Auf 3 Besonderheiten sei verwiesen:

Abb. 3.40 Schwere Osteoradiodystrophie der gesamten Skapula, des Humeruskopfes, der Klavikula und der Rippen bei Zustand nach einer Nachbestrahlung eines Mammakarzinoms. Beachte die Subluxation des Humeruskopfes durch Band-Kapsel-Erschlaffung. Ohne spezifische Vorgeschichte könnte man die Veränderungen auch als Ostitis deformans Paget (im lytischen Stadium) deuten, allerdings in atypischer Manifestation, da eine Volumenvermehrung fehlt.

쐌 Als Ursache pfannennaher, osteolytischer Veränderungen kommt die subchondrale synoviale Zyste (intraossäres Ganglion) in Betracht, die mit einer gewissen Bevorzugung an der Skapula beobachtet wird und hier Erwähnung findet, da sie oft als Zufallsbefund entdeckt wird und damit in den Grenzbereich zur Normvarianz rückt. Zumeist in der Nähe des Gelenkrands stellen sich subchondrale osteolytische Veränderungen mit Durchmessern bis zu 1 – 2 cm dar, die von einem soliden Skleroserand umgeben sind. Mit der CT oder MRT kann man oft die enge topographische Beziehung zum Gelenkspalt herstellen. Sehr häufig findet man Luftblasen in diesen subchondralen Aufhellungen, die – durch feine Fissuren im Gelenkknorpel kommend – aus Vakuumluft im Humeroskapulargelenk stammen (Abb. 3.42 – 3.44). 쐌 Osteochondrome bzw. kartilaginäre Exostosen sind an der Skapula keine Seltenheiten (ca. 5% aller Osteochondromlokalisationen; Abb. 3.45). Bei dieser Entität wird ohnehin eine lokale „Wachstumsstörung“ als Ursache und nicht eine autochthone Geschwulstentwicklung

a

b Abb. 3.41 a, b Ostitis deformans Paget: a Volumenvermehrung des Akromions und der Spina scapulae mit strähniger Spongiosatransformation.

b Typisches Szintigramm mit homogener, langstreckiger exzessiver Aktivitätsanreicherung.

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b Abb. 3.42 a, b Subchondrale synoviale Zyste oder intraossäres Ganglion unter der unteren Pfanne. Konventionelle Schichtbilder. Zufallsbefund.

diskutiert. Chondrosarkome kommen mit ebenfalls 5% aller Lokalisationen relativ häufig an diesem flachen Knochen vor. Sie sind nahezu immer symptomatisch. Knochenkerne oder z. B. ein orthograd getroffener Processus coracoideus sollten nicht mit Osteochondromen verwechselt werden (Abb. 3.6, 3.7, 3.10 u. 3.23). 쐌 Posttraumatische Lückenbildungen in der Skapula, insbesondere bei jüngeren Menschen, sind in der gutachterlichen Praxis keine Seltenheiten (Abb. 3.46). Sie

entstehen entweder auf dem Boden einer inkompletten Frakturheilung oder durch Interponate, z. B. mit organisiertem Hämatom, Muskulatur usw. Sie sollten nicht mit tumorösen Destruktionen, z. B. durch ein eosinophiles Granulom (Langerhans-Zell-Histiozytose-Herd), verwechselt werden.

Abb. 3.43 a – d Schmerzhaftes Ganglion am dorsalen Ansatz der Gelenkkapsel (Pfeil, Stern). Dieses Ganglion war im konventionellen Röntgenbild nicht erkennbar. Die Schmerzsymptomatik ging von einer Irritation des N. suprascapularis aus, der exakt über dieser Region verläuft. Differentialdiagnostisch ist bei einem solchen Befund grundsätzlich an eine ungewöhnliche Bursa zu denken (S. 292 f.), doch wäre dafür der erkennbare Defekt in der Skapula (intraossäres Ganglion) eher ungewöhnlich.

a, b

c, d

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3 Schultergürtel und Brustkorb

a

b

c

d Abb. 3.44 a – d Intraossäres Ganglion unter der unteren Pfanne im Collum scapulae. Bei bestimmten Bewegungen in das Gelenk einschießender stechender Schmerz. Im CT-

Schnitt der Abb. d ist das vordere knöcherne Labrum zerstört, wahrscheinlich liegt hier die Verbindung zum Gelenk.

a Abb. 3.45 a – d Osteochondrome an der unteren Skapula (Pfeilspitzen): a Symptomatisch mit erheblicher Bursitis, die von einer über dem Exostosenkopf gelegenen Bursa ausging. b, c Zielaufnahmen von a. b

c

d컄

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Abb. 3.45 d Anderer, asymptomatischer Fall.

Abb. 3.46 Posttraumatische Lückenbildung in der Skapula, kein Tumor.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Akromioklavikulargelenk

Entgegen den Gepflogenheiten in den früheren Auflagen dieses Buchs werden die peripheren, d. h. am Akromioklavikulargelenk unmittelbar beteiligten Knochenabschnitte von Akromion und Klavikula nicht bei den entsprechenden Kapiteln „Skapula“ bzw. „Klavikula“ abgehandelt, vielmehr werden sie als die Gelenkpartner eines funktionell wichtigen Gelenks betrachtet. Das Akromioklavikulargelenk mit seinen Band- und Kapselstrukturen ist andererseits integrierter Bestandteil des anatomischen Tunnels oder Gewölbes, unter dem die so empfindlichen Strukturen wie die Rotatorenmanschette, Bursae und Sehnenscheiden verlaufen. Die radiologische Feststellung von Veränderungen am Knochen hat wenig Sinn, wenn damit nicht eine gedankliche Verknüpfung mit möglichen Verletzungen der darunter gelegenen Weichgewebsstrukturen verbunden wird.

Normalbefund Im Wachstum Auf die Apophysenverhältnisse des Akromions (Kerne treten zwischen dem 15. und 18. Lebensjahr auf und verschmelzen im 20. – 25. Lebensjahr) wurde bereits auf S. 262 aufmerksam gemacht. Das laterale Klavikulaende hat normalerweise ein isoliertes Ossifikationszentrum, das allerdings kaum zum Längenwachstum der Klavikula beiträgt und röntgenologisch in der Regel nicht sichtbar ist (S. 303).

Abb. 3.47 (Pfeil).

pula freiprojiziert wird. Zur funktionellen Diagnostik unter Stressbedingungen s. unten.

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Nach Untersuchungen von Pettrone u. Nirschl (1978) stehen die unteren Enden von Klavikula und Akromion bei etwa 80% aller Menschen genau in gleicher Höhe, d. h. sie bilden eine Flucht (Abb. 3.48). rechts

1

Im Erwachsenenalter Das akromiale Ende der Klavikula ist leicht konvexbogig gestaltet (Facies articulares acromiales claviculae). Diese von Knorpel überzogene konvexe Gelenkfläche passt in eine leicht konkave Pfanne am Akromion (Facies articularis acromii). An beiden Enden setzt die fibröse Gelenkkapsel an, nach innen zu findet sich eine Synovialmembran. Das Akromioklavikulargelenk ist also ein synoviales Gelenk, was im Rahmen der Rheumadiagnostik von Bedeutung sein dürfte. Zwischen den beiden Gelenkenden kann gelegentlich ein Diskus vorkommen (Abb. 3.47). Das Gelenk wird verstärkt durch das Lig. acromioclaviculare und stabilisiert durch das Lig. coracoclaviculare (bestehend aus dem lateralen Lig. trapezoideum und dem medialen Lig. conoideum, Abb. 3.56 a). Radiologisch stellt sich das Gelenk am besten freiprojiziert dar, wenn der Zentralstrahl um etwa 10 – 15⬚ von kaudal nach kranial verläuft, sodass die Klavikula von der Ska-

Diskusverkalkung im Akromioklavikulargelenk

2

Abb. 3.48 Instabilität des Akromioklavikulargelenks. Schematische Darstellung der Messmöglichkeiten. 1 Akromioklavikulargelenkspaltweite (normalerweise 1 – 3 mm, Extreme 0,5 – 7 mm) 2 Distanz zwischen Unterkante von Klavikula und Oberkante vom Processus coracoideus. Bei Tossy II ist der Abstand um maximal 50%, bei Tossy III um mehr als 50% (im Vergleich zur Gegenseite) erhöht Gestrichelte Linie Tangente an den Unterkanten von Akromion und Klavikula. Eine Unterbrechung der Tangente – wie in der vorliegenden Schemazeichnung – hat ohne Beurteilung der Gegenseite und ggf. von Belastungsaufnahmen keine Bedeutung

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Eine höherstehende Klavikula fanden die Autoren bei einer normalen Population (von 140 Menschen) in 7% der Fälle, eine tieferstehende ebenfalls in 7% der Fälle und ein Reiten der Klavikula auf dem Akromion in 5% der Fälle. Das macht natürlich die Einschätzung, ob eine Verletzung des Akromioklavikulargelenks vorliegt oder nicht, am Kriterium des Stands der beiden Gelenkenden zueinander, außerordentlich problematisch.

Fraktur, Luxation/Subluxation? Die Schwankungsbreite der Stellung des Akromions zur Klavikula ist – wie oben erwähnt – außerordentlich breit, selbst das Reiten der Klavikula auf dem Akromion wird noch bei Normalpersonen beobachtet (Keats u. Pope 1988). Daraus leitet sich zwingend ab, dass man in der entsprechenden Situation grundsätzlich die Gegenseite radiologisch untersuchen sollte und u. U. auch Stressaufnahmen (mit 5 – 10 kp Gewicht in beiden Händen, Arme leicht nach außen rotiert, 10 – 15⬚ kaudokranialer Strahlengang) anfertigt (Abb. 3.49). Wenn es unter diesen Bedingungen zu einer Positionsverlagerung des Akromions gegenüber der Klavikula und im Vergleich zur Gegenseite kommt, dann muss man bei entsprechender Vorgeschichte von einer Verletzung des Band- und Kapselapparats ausgehen. Zu beachten ist, dass der radiologische Gelenkspalt bei den meisten Menschen 1 – 3 mm breit ist, aber Extreme von 0,5 mm bis zu 6 – 7 mm aufweisen kann. Es sei erwähnt, dass nach Untersuchungen von Harrison u. Mitarb. (1980) eine akromioklavikulare Dislokation durch Muskelspasmen maskiert werden kann. Die Autoren schlagen deshalb eine Lokalanästhesie des Akromioklavikulargelenks vor den Stressaufnahmen mit Gewichten vor. Akromioklavikulare Luxationen (mit Luxation des lateralen Klavikulaendes durch ein direktes oder indirektes Trauma nach kranial, seltener nach dorsal) werden nach Tossy in 3 Typen eingeteilt.

Einteilung der akromioklavikularen Luxationen nach Tossy: ➤ Typ I: Gelenkkapselzerreißung bei weitgehend intaktem Bandapparat. ➤ Typ II: Zusätzlich zu Typ I ist das Lig. acromioclaviculare betroffen. Das Lig. coracoclaviculare ist in der Kontinuität erhalten, kann allerdings gezerrt sein. ➤ Typ III: Zusätzlicher Riss des Lig. coracoclaviculare. Die oben erwähnte Dorsaldislokation der Klavikula in oder durch den M. trapezius wird von Rockwood u. Mitarb. (1996) als Typ IV bezeichnet, eine extreme Vertikalverlagerung der Klavikula als Typ V und eine Verlagerung der Klavikula nach kaudal in eine subakromiale oder subkorakoidale Position als Typ VI klassifiziert. Radiologie der Tossy-Klassifikation: ➤ Tossy I: Normaler Röntgenbefund, auch unter Belastung. ➤ Tossy II: Normale Stellung im Akromioklavikulargelenk ohne Belastung, unter Belastung Dislokation mit Hochstand der Klavikula um maximal eine 1/2 Gelenkhöhe. Der Abstand zum Korakoid ist um maximal 50% (im Vergleich zur Gegenseite) vergrößert (Abb. 3.49 u. 3.50) ➤ Tossy III: Es besteht ein Schulterhochstand. Unter Belastung ist die Dehiszenz größer als bei Typ II, die Distanz zum Korakoid um mehr als 50% verbreitert. Eine seltene Verletzung des Akromioklavikulargelenks im Kindesalter mit Pseudoluxation kann es durch folgenden Mechanismus geben (Neu u. Krämer 1981; Abb. 3.51): Riss des kranialen Periostschlauchs der Klavikula mit Subluxation derselben nach kranial. Das knorpelige Gelenkende der Klavikula bleibt im Gelenk vor der Apophyse des Akromions liegen. Kapsel und Bandapparat bleiben intakt.

a

b Abb. 3.49 a, b Schultereckgelenkluxation Tossy III rechts. Auf Aufnahmen ohne Belastung fraglicher Befund. Aufnahmen beider Seiten mit 10 kg Belastung. Der Akromioklavikularge-

lenkspalt rechts weitet sich deutlich von 4 auf 8 mm auf, die Klavikula subluxiert nach kranial um 8 mm, der korakoklavikulare Abstand nimmt um mehr als 50% zu.

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Akromioklavikulargelenk

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Nekrose? Das periphere akromioklavikulargelenknahe Ende der Klavikula neigt ausgesprochen zu nekrotischen Veränderungen, besonders im Sinne einer Akroosteolyse. Dies im Rahmen z. B. eines familiären Akroosteolysesyndroms, aber auch bei Kollagenosen usw. (Tab. 2.6). Am häufigsten ist jedoch die posttraumatische spontane Osteolyse des peripheren Klavikulaendes (Hermanns u. Mitarb. 1981, Puente u. Mitarb. 1999; Abb. 3.52). Die ersten radiologischen Veränderungen bestehen dabei in einem umschriebenen Schwund der klavikularen subchondralen Grenzlamelle, etwa 2 Monate nach dem Trauma (Abb. 3.52 b), weitere 4 Wochen später entwickelt a Abb. 3.50 a – e Posttraumatische Verknöcherungen im Sinne heterotoper Ossifikationen bei Akromioklavikulargelenksprengung. Die Akromioklavikulargelenkspaltweite ist sowohl im Übersichts- wie im CTBild (b) auf mindestens 1 cm erhöht. In das Gelenk ragen die heterotopen Verknöcherungen hinein, sie ziehen dann unter der Klavikula bis vor den Processus coracoideus. Offensichtlich ist auch das korakoklavikulare Ligament vollständig zerrissen.

b, c

d, e

a

b

c

d

Abb. 3.51 „Pseudoluxation“ der Klavikula durch Periostschlauchzerreißung bei einem 10-jährigen Kind.

Abb. 3.52 a – e Akroosteolyse der Klavikula: 컄 a – d Entwicklung einer posttraumatischen Akroosteolyse der Klavikula. e Posttraumatische Osteolyse am akromialen Klavikulaende mit nekrotischen „Knochentrümmern“ im Gelenkspalt.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

sich dann eine Erosion am distalen Klavikulaende (Abb. 3.52 c), schließlich sind die peripheren Partien in einer Ausdehnung von 1 – 2 cm vollständig verschwunden und das klavikulare Ende mutet wie „abelutscht“ an (Abb. 3.52 d).

Entzündung? Bakterielle Arthritiden im Akromioklavikulargelenk sind insbesondere bei immunkompromittierten Menschen nicht selten (Abb. 3.53). Die frühe Diagnose wird durch die Klinik mit schmerzhafter Schwellung im Akromioklavikulargelenk gestellt. Röntgenologisch zeigt sich ein zunehmender Schwund der subchondralen Grenzlamellen, die Enden der artikulierenden Knochen bekommen gezähnelte Konturen, der Gelenkspalt erweitert sich zunehmend. Das Akromioklavikulargelenk wird als synoviales Gelenk aber auch bei rheumatischen Erkrankungen involviert. Der Prozess läuft langsamer als bei der bakteriellen Arthritis ab und beginnt mit Kantenerosionen. Im Endsta-

dium findet sich ebenfalls eine Erweiterung des Gelenkspalts durch Zerstörung des Band- und Kapselapparats (Abb. 3.69).

Tumor? Auf verschiedene Möglichkeiten des radiologischen „Verschwindens“ vor allem des klavikularen Endes des Akromioklavikulargelenks wurde bereits oben hingewiesen. Ein „Verschwinden der Gelenkkonturen“ kann aber auch rein technischer Natur sein, insbesondere wenn es sich um ältere Menschen mit atrophischen Knochen handelt und diese peripheren Abschnitte leicht überexponiert werden. Wesentliche Ursachen des Verschwindens von Knochenkonturen und -strukturen am Akromioklavikulargelenk sind: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Entzündung, Tumor, Nekrose, insbesondere posttraumatisch, Hyperparathyreoidismus (Abb. 3.54), Altersatrophie, Gicht, Psoriasis.

Sonstige Veränderungen? Das Akromioklavikulargelenk gehört zu den Gelenkstrukturen, die relativ früh und überhäufig Zeichen einer Arthrose haben, ohne dass der Patient Arthritiker ist. Wahrscheinlich hängt das damit zusammen, dass dieses rudimentäre Kugelgelenk ungewöhnlich stark belastet wird, vor allem durch Scheerkräfte. Warum keine Begleitsynovitis auftritt und damit den Arthrotiker zum Arthritiker macht, ist unklar. Da das radiologische Bild einer Arthrose am Akromioklavikulargelenk so häufig ist, muss man sich fragen, ob man diesen Befund bei klinischer Symptomfreiheit noch zur Normvarianz zählen sollte (Abb. 3.55). Verkalkungen des Discus articularis des Akromioklavikulargelenks sind sehr häufig Ausdruck einer Chondrokalzinose (Abb. 3.47). Zu Bandverkalkungen s. S. 269 f. Abb. 3.53 Typische Akromioklavikulargelenkarthritis mit Aufweitung des Gelenksspalts und Zerstörung der Gelenkenden. Metaplastische Verknöcherungen im Kapselbereich. Klinisch schmerzhafte Schwellung, bei der Punktion Pus mit Nachweis von Staphylococcus aureus.

a

b Abb. 3.54 a, b Pseudoerweiterung des Akromioklavikulargelenkspalts durch subchondrale Resorption bei sekundärem

Hyperparathyreoidismus im Rahmen einer renalen Osteopathie.

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Akromioklavikulargelenk

289

a

b Abb. 3.55 a, b Schwere Arthrosis deformans im Akromioklavikulargelenk bei klinisch asymptomatischem Patienten: a Der Spalt ist noch normal weit bis leicht verbreitert.

b Hier ist der Spalt deutlich verschmälert. Beachte die subchondralen Aufhellungen, Sklerosen, Randanbauten usw., alles Elemente einer Arthrose.

Literatur Deutsch, A. L., D. Resnick, J. H. Mink: Computed tomography of the glenohumeral and sternoclavicular joints. Orthop. Clin. N. Amer. 16 (1985) 497 Falstie-Jensen, S., P. Mikkelsen: Pseudodislocation of the acromioclavicular joint. J. Bone Jt. Surg. 64-B (1982) 368 Harrison, R. B., H. O. Riddervold, E. D. Willett et al.: Acromioclavicular separation masked by muscle spasms. Virginia med. Mth. 107 (1980) 337 Hermanns, P. H., R. Beeger, D. Kötter: Posttraumatische Osteolyse des distalen Klavikulaendes. Röntgenblätter 34 (1981) 399 Keats, T. E., T. L. Pope: The acromioclavicular joint: normal variation and the diagnosis of dislocation. Skelet. Radiol. 17 (1988) 159 Neu, K., H. Krämer: Die Pseudoluxation des Akromioklavikulargelenkes – eine Sonderform der Epiphyseolysis. Z. Kinderchir. 34 (1981) 80 Oláh, J.: Das Röntgenbild des akromioklavikulären Gelenkes im Alter. Fortschr. Röntgenstr. 127 (1977) 334

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Das Schultergelenk als Ganzes

In den Kapiteln über den Oberarm (proximaler Teil), die Skapula und das Akromioklavikulargelenk wurden die knöchernen Strukturen im Hinblick auf die Normalsituation, die Normvarianz und wesentliche (vor allem grenzwertige) Befunde abgehandelt. Die radiologische Befundung der Skelettanteile der Schulter ergibt jedoch keinen Sinn, wenn man nicht die Problematik vor dem Hintergrund der dazugehörigen Weichgewebsstrukturen sieht. Anders ausgedrückt: Ein pathologischer Skelettbefund zeigt in der Regel nur die Spitze des Eisbergs, z. B. einer Verletzung, an, die für die Prognose vielleicht gravierenderen Veränderungen spielen sich aber im angrenzenden Weichgewebsbereich ab. Das gilt ganz besonders für das Labrum glenoidale und die Rotatorenmanschette, auf die dieses Kapitel neben den bursitischen und anderen Weichteilverkalkungen im Wesentlichen fokussiert ist. Dieses Kapitel ist aber in keiner Weise eine komplette Darstellung des umfangreichen Komplexes des Impingement-Syndroms, der akuten Schulterluxation und chronischen Instabilität usw., sondern hier geht es lediglich um eine ergänzende und das Verständnis erweiternde Beschreibung zu den in den vorigen Kapiteln abgehandelten knöchernen Strukturen.

Anatomie der Weichgewebsstrukturen Durch die Doppler-Sonographie und insbesondere die MRT sind wir heute in der Lage, die das Schultergelenk führenden Weichgewebsstrukturen sehr genau darzustellen. Dieses und Fortschritte in der orthopädischen Chirurgie inklusive Arthroskopie haben dazu geführt, dass wir heute ein ganz anderes Verständnis für die komplexen traumatischen und degenerativen Veränderungen am Schultergelenk haben. Das glenohumerale Gelenk ist vor allem auf Grund der Flachheit der Pfanne als solches instabil. Die Stabilisierung erfolgt letztendlich über die Gelenkkapsel, die glenohumeralen Ligamente, das Labrum und die Rotatorenmanschette. Während früher dem verstärkenden Labrum eine größere Bedeutung im Hinblick auf die Stabilität des Gelenks beigemessen wurde, ist man heute der Ansicht, dass diese mehr vom vorderen Kapselbereich aus bewerkstelligt wird.

Komplex der vorderen Kapselstabilisierung Zum Komplex der vorderen Kapselstabilisierung gehören: 쐌 쐌 쐌 쐌

Bizepssehne, korakohumerales Ligament, glenohumerale Ligamente, Subskapularissehne (Abb. 3.56).

Um nur einen kleinen Einblick in die extreme Variabilität der Weichgewebsanatomie des glenohumeralen Gelenks zu geben, sei hier erwähnt, dass die Bizepssehne z. B. nur am hinteren Labrum, am vorderen und hinteren Labrum oder nur am vorderen Labrum ansetzen kann. Das glenohumerale Ligament setzt sich aus dem superioren, dem mittleren und dem unteren Ligament zusammen (Abb. 3.56 a). Für die Stabilität des glenohumeralen Gelenks scheint das untere glenohumerale Ligament von größter Bedeutung zu sein.

Labrum glenoidale Das Labrum glenoidale entspricht einer fibrösen Verdickung der Gelenkkapsel, die die Deckung des Humeruskopfes in der Gelenkpfanne erhöht (Abb. 3.56 b u. c). Folgende 2 normale anatomische Strukturen können magnetresonanztomographisch für einen vorderen Labrumriss gehalten werden: 쐌 Der hyaline Gelenkknorpel unter dem Labrum. Normalerweise deckt der Gelenkknorpel die Oberfläche des Glenoids und überragt etwas deren äußere Kanten. Das vordere Labrum liegt auf der Oberfläche des Knorpels, sodass der darunter gelegene hyaline Knorpel in Form einer kleinen Zone mit hoher Signalintensität einen Riss oder Abriss des Labrums vortäuschen kann (Abb. 3.59 d u. e). 쐌 Das mittlere glenohumerale Ligament ventral vom Labrum (Abb. 3.59 d). Es stellt lediglich eine Verdickung der vorderen Kapsel dar, liegt direkt vor dem vorderen Labrum und wird von ihm durch eine dünne Schicht Flüssigkeit mit hoher Signalintensität getrennt. Auf die „features“, diese Pitfalls zu vermeiden, kann im Rahmen dieses Buchs nicht näher eingegangen werden. Das Labrum glenoidale ist ausgesprochen formvariant (Abb. 3.57). Eine tabellarische Übersicht über die Varianten des labralen ligamentären Komplexes findet sich bei Shankman u. Mitarb. (1999).

Insertion der vorderen Kapsel Die Insertion der vorderen Kapsel (Abb. 3.56 b u. c) erfolgt nicht nur unmittelbar medial des Labrums (sog. Typ I), sie kann auch bis zu 1 cm weiter medial davon (Typ II) oder auch weit am Skapulahals (sog. Typ III) gelegen sein. Letzterer Typ wird als mögliche Prädisposition für eine Instabilität, auch als Folge einer Schulterluxation, betrachtet. Die dorsale Kapsel setzt hingegen fast immer am Labrum oder unmittelbar medial davon an.

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Das Schultergelenk als Ganzes

Processus coracoideus

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Klavikula

Articulatio acromioclavicularis (Lig. acromioclaviculare) Akromion Lig. coracoclaviculare (Ligg. trapezoideum et conoideum)

Lig. coraco-acromiale Lig. coracohumerale Tuberculum majus

Lig. transversum scapulae

M. subscapularis

Skapula (Facies costalis)

Vagina synovialis intertubercularis Capsula articularis articulationis humeri Humerus (Crista tuberculi minoris)

Recessus axillaris

M. biceps brachii (Caput longum)

Ligg. glenohumeralia (superius, medium, inferius)

a

Articulatio acromioclavicularis (Lig. acromioclaviculare) Lig. coraco-acromiale

Akromion Klavikula

x Tendo capitis longi m. bicipitis brachii

* Processus coracoideus

Labrum glenoidale Cavitas glenoidalis

Lig. coracoclaviculare (Ligg. trapezoideum et conoideum)

Capsula articularis (Lig. glenohumerale inferius)

Articulatio acromioclavicularis (Lig. acromioclaviculare)

Tuberculum infraglenoidale

Labrum glenoidale Klavikula

Akromion Bursae subdeltoidea et subacromialis (vereinigt)

c

Tendo capitis longi m. bicipitis brachii Humerus (Rest der Synchondrosis epiphyseos)

Cavitas glenoidalis (Cartilago articularis) Skapula (Facies costalis)

M. deltoideus Vagina synovialis intertubercularis

Labrum glenoidale Recessus axillaris cavi articularis

b

Abb. 3.56 a – c Anatomie des Schultergelenks (nach WolfHeidegger): a Von vorne. b Frontalschnitt. c Aufblick auf Schultergelenkpfanne.

x Lig. coracohumerale * Foramen zur Bursa subscapularis

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Abb. 3.57 Morphologische und Signalvarianz des Labrums (nach McCauley u. Mitarb.).

Abb. 3.58 Physiologischer Fettstreifen auf der Bursa subdeltoidea (Pfeil).

Rotatorenmanschette

Bursa subacromialis-subdeltoidea

Die Rotatorenmanschette wird von 4 Muskeln geformt, die von der ventralen und dorsalen Skapulafläche entspringen und am Humeruskopf ansetzen (Abb. 3.56 u. 3.59):

Diese Bursa besteht eigentlich aus 2 Bursae:

쐌 M. supscapularis (Ansatz am Tuberculum minus), 쐌 M. supraspinatus (Ansatz am proximalen Tuberculum majus), 쐌 Mm. infraspinatus et teres minor (Ansatz am mittleren und distalen Tuberculum majus. Der M. supscapularis ist für Innenrotation und Adduktion, der M. supraspinatus und die Mm. infraspinatus et teres minor für die Außenrotation zuständig, der M. supraspinatus unterstützt des Weiteren den M. deltoideus bei der Abduktion und Außenrotation.

Bursae um das Schultergelenk Die Bursae um das Schultergelenk entsprechen kleinen Taschen, auf deren Innenseite sich eine Synovialmembran findet, die einen Flüssigkeitsfilm produziert (Abb. 3.56 u. 3.59). Durch ihre Interposition zwischen eng benachbarten anatomischen Strukturen verhindern sie ihr gegenseitiges Aneinanderreiben, d. h. sie fördern die Gleitfähigkeit, z. B. von Sehnen gegenüber eng benachbarten Bändern. Bursae sind nicht nur angeborene Strukturen, vielmehr können sie auch im Gefolge z. B. einer kartilaginären Exostose entstehen, deren knorpeliger Kopf sich an benachbarten knöchernen Strukturen oder einer angrenzenden Muskulatur reibt (Abb. 3.45). Um das Schultergelenk kann man folgende Bursae unterscheiden:

쐌 Bursa subacromialis, 쐌 Bursa subdeltoidea. Diese beiden Bursae kommunizieren aber bei etwa 95% aller Menschen miteinander (van Holbeeck u. Mitarb. 1993). Daher werden sie von uns als eine Einheit beschrieben. Die Bursa subacromialis-subdeltoidea hat eine ziemlich große Oberfläche und erleichtert die Bewegung zwischen den Sehnen der Rotatorenmanschette und dem korakoakromialen Bogen einerseits und zwischen den Rotatorenmanschettensehnen und dem Deltamuskel andererseits. Nach medial zu dehnt sie sich in Richtung Processus coracoideus aus. Die lateralen und inferioren Anteile nahe dem Deltamuskel sind ziemlich variabel und können bis zu 3 cm unterhalb des Tuberculum majus reichen. Nach vorne zu bedeckt die Bursa die Grube des M. biceps brachii. Normalerweise sieht man die Bursa subacromiale-subdeltoidea auf konventionellen Röntgenaufnahmen nicht. Da sich zwischen ihren äußeren bindegewebigen Schichten und den Rotatorenmanschettensehnen sowie dem Deltamuskel eine 1 – 2 mm breite trennende Fettschicht findet, kann man die Bursa als medial von den Fettstreifen gelegene Struktur indirekt lokalisieren (Abb. 3.58). Nach Mitchell u. Mitarb. (1988) ist der Fettstreifen am besten auf innenrotierten Aufnahmen erkennbar. Die partielle oder komplette Obliteration des Fettstreifens ist kein spezifischer Parameter für einen pathologischen Schulterweichgewebsprozeß. Der Fettstreifen ist auf koronaren MRT-Aufnahmen zumeist ausgezeichnet darstellbar (Abb. 3.59 b). Wenn sich in der Bursa keine pathologischen Flüssigkeitsansammlungen finden, ist sie in der MRT in der Regel nur indirekt (unter dem Fettstreifen) identifizierbar.

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Das Schultergelenk als Ganzes

a

b

d

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c

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Abb. 3.59 a – h MRT-Aufnahmen der Rotatorenmanschette und des Labrums. In den Abb. d u. e ist sehr gut die vordere Kapselinsertion dargestellt, die einem Typ I entspricht. glz Glenoid- bzw. Labrumzirkumferenz, (in Abb. h in der Aufsicht) hl hinteres Labrum i M. infraspinatus

mgl ol r s su t vl

Bursa subcoracoidea

Bursa coracoclavicularis

Die Bursa subcoracoidea liegt zwischen der Subskapularissehne (als untere Begrenzung) und dem kranial davon gelegenen Processus coracoideus, der gemeinsamen Sehne des kurzen Bizepskopfs und des M. coracobrachialis. Nach dorsal zu dehnt sich die Bursa subcoracoidea unter den Processus coracoideus aus. Sie dient sozusagen als Gleitlager zwischen der Subskapularissehne und den Sehnen des kurzen Bizepskopfs und des M. coracobrachialis während der bogenförmigen Rotation des Humeruskopfes.

Der Processus coracoideus und die Klavikula sind durch das korakoclavikulare Ligament verbunden, das – wie bereits erwähnt – aus 2 Anteilen (Lig. conoideum und Lig. trapezoideum) besteht. In dem Binde- und Fettgewebe enthaltenden Winkel der beiden Bänder liegt die Bursa coracoclavicularis, von manchen auch als Bursa supracoracoidea bezeichnet. Sie gilt als Polster zwischen der oben gelegenen Klavikula und dem kaudal gelegenen hinteren Anteil der Korakoidoberfläche.

mittleres glenohumerales Ligament oberes Labrum Rotatorenmanschette M. supraspinatus Subskapularissehne M. trapezius vorderes Labrum

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Bursa supraacromialis Die Bursa supraacromialis liegt dem Akromion von oben her auf und kommuniziert normalerweise nicht mit dem glenohumeralen Gelenk.

Andere Bursae Die glenohumerale Gelenkkapsel hat gewöhnlich 2 Öffnungen, eine dritte inkonstante Öffnung ist möglich: 쐌 eine Öffnung zur Bursa subscapularis (die Verbindung erfolgt durch das von Weitbrecht beschriebene Foramen zwischen den oberen und mittleren glenohumeralen Bändern, Abb. 3.56 c), 쐌 die andere Öffnung liegt etwa in Höhe der Bizepsgrube (Sulcus intertubercularis) zur Sehne des langen Bizepskopfs und ihrer Sehnenscheide, 쐌 eine dritte inkonstante Öffnung kann nach dorsal zu bestehen und verbindet das glenohumerale Gelenk mit einer Bursa, die die Infraspinatussehne und die Gelenkkapsel trennt. Bei pathologischen Prozessen (Bursitis ohne und mit Kalkablagerungen) kann man die Anatomie der Bursae gut auf Röntgenbildern, in der CT bzw. MRT studieren (Abb. 3.65, 3.68 – 3.71).

Schulter-Impingement und Rotatorenmanschettenruptur Beim Schulter-Impingement-Syndrom (impinging = Anstoßen) stößt die Rotatorenmanschette, insbesondere des M. supraspinatus, bei Anteflexion an die vorderen Anteile des Akromions oder an das korakoakromiale Ligament, seltener an das akromioklavikulare Gelenk. Eine permanente Traumatisierung führt zur Degeneration der Rotatorenmanschette und später schließlich zu einer Ruptur.

Osteophytose (subacromial spur)

Anbauten am Tuberculum majus

Abb. 3.60 Grob schematische Wiedergabe der Röntgenzeichen des sog. Impingement-Syndroms. Neben der bezeichneten Osteophytose am Akromion Sklerosierung und irrguläre Anbauten am Tuberculum majus. Die Zeichnung entspricht der Aufnahme mit um 30⬚ nach kaudal gekippter Röhre.

Andererseits sind Rotatorenmanschettenrupturen auch durch eine einmalige traumatische Einwirkung möglich. Nach Neer lassen sich 3 Stadien des Impingement-Syndroms abgrenzen. Stadien des Impingement-Syndroms nach Neer: ➤ Stadium I: Pathologisch-anatomisch findet man Ödeme und Einblutungen in den M. supraspinatus. Die Patienten sind meist jünger als 25 Jahre. ➤ Stadium II: Hier lassen sich eine Tendinose und eine Fibrose der Rotatorenmanschette, des Weiteren eine Verdickung der Bursa subacromialis nachweisen. Das Patientenalter liegt zwischen 25 und 40 Jahren. ➤ Stadium III: Dieses Stadium entspricht einer Sehnenruptur und wird überwiegend bei Menschen in einem Alter über 40 Jahren gefunden. Man kann dann noch ein subkorakoidales Schulter-Impingement abgrenzen, bei dem der Abstand zwischen Humeruskopf und Korakoid vermindert ist (angeboren, posttraumatisch usw.). Schließlich wird noch ein posterosuperiores Impingement beschrieben, das vor allem bei Werfern beobachtet wird. Durch die Position des Humerus (in Außenrotation und 90% Abduktion) in Wurfstellung werden Supra- und Infraspinatusansatz am hinteren oberen Glenoidrand komprimiert oder eingequetscht. Pathologisch-anatomisch finden sich eine Partialruptur der Rotatorenmanschette, subchondrale Resorptionsvorgänge am Tuberculum majus und regressive Veränderungen des hinteren Glenoidrands und Labrums. Es sei noch einmal betont, dass der Begriff des „Impingement-Syndroms“ sich ausschließlich auf die klinische Symptomatik bezieht, der Radiologe untersucht mit dem Ultraschall und/oder der MRT die Rotatorenmanschette und ihre Umgebung, um dann das pathologischanatomische Korrelat für die klinische Symptomatik zu liefern. Klinisches Leitsymptom eines Impingement-Syndroms ist ein stechender Schmerz bei Abduktion (mehr als 70 – 20⬚) und Außenrotation (mehr als 20 – 30⬚) oder Elevation (mehr als 70 – 120⬚) und Innenrotation (mehr als 30⬚). Gelegentlich wird ein Krepitieren über der Schulterkonvexität durch Anstoßen des Tuberculum majus an den akromioklavikularen Bogen registriert. Die konventionelle Röntgendiagnostik ist relativ wenig ergiebig, da sie gelegentlich die Folgen, seltener auch die Ursache der Einengung des subakromialen Raums anzeigt (Abb. 3.60). Um die Wölbung des Akromions (S. 270 u. Abb. 3.28) zu definieren, benutzt man die modifizierte Y-Aufnahme nach Neer (Abb. 3.16). Bei der Röntgenaufnahme mit um 30⬚ nach kaudal gekippter Röhre mit Freiprojektion der unteren Partien des Akromions erkennt man subakromiale Osteoproliferationen an der vorderen unteren Fläche des Akromions (sog. subacromial spur; Abb. 3.60). Unter Durchleuchtung kann man gelegentlich bei Abduktion des nach außen rotierten Arms ein schmerzhaftes Anstoßen des Tuberculum majus an diese Art von Osteophytenbildung beobachten. Diese radiologischen Zeichen haben jedoch höchstens Hinweischarakter. Den Beweis einer Rotatorenmanschettenläsion erbringt man entweder mit der Sonographie (wird hier nicht besprochen) oder mit der MRT und MRT-Arthrographie (Abb. 3.61 u. 3.62).

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Das Schultergelenk als Ganzes

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a Abb. 3.61 a, b 61-jähriger Mann mit Schmerzen in der rechten Schulter, die klinisch eher wie ein Impingement-Syndrom anmuteten. Auf den koronaren MRT-Aufnahmen (fettsupprimierte T2-Gewichtung) sieht man deutliche streifenförmige Signalintensitäten in der Rotatorenmanschette und Flüssigkeit

b in der Bursa subdeltoidea, auch in der Bursa subacromialis. Die erhöhten Signalintensitäten in der Rotatorenmanschette entsprechen Rissen. Bei der Hyperintensität im Humeruskopf mit traubenförmigen Ausläufern handelt es sich um einen benignen knorpeligen Tumor im Sinne eines Enchondroms.

Geeignet sind dabei folgende Schnittebenen: 쐌 axiale Schnittebene (zur Darstellung des M. subscapularis, des intertuberkulären Anteils der Bizepssehne sowie von Labrum und Kapsel), 쐌 schräg-koronare Schnittebene (senkrecht zum Glenoid bzw. parallel zum M. supraspinatus), 쐌 schräg-sagittale Schnittebene (parallel zum Glenoid). Üblich sind T1- und T2 gewichtete Spin-Echo-Aufnahmen. Die MR-Arthrographie kann entweder direkt oder indirekt (nach intravenöser Gadoliniumgabe) durchgeführt werden. Frische partielle oder komplette Rotatorenmanschettenläsionen stellen sich als scharf begrenzte hyperintense Signalintensitäten in der T2-Gewichtung dar (Abb. 3.62). Ältere Rupturen mit rückgebildetem Ödem weisen keine Hyperintensitäten in den T2-gewichteten Aufnahmen auf, man erkennt sie aber in den T1-gewichteten Sequenzen an Signalintensitätserhöhungen des Muskels in Folge seiner fettigen Atrophie. Von diesen Signalintensitätsveränderungen sind solche abzugrenzen, die durch Partialvolumeneffekte zwischen den verschieden strukturierten Sehnenanteilen zustande kommen und durch das Phänomen des „magic angle“ (Ausrichtung der Sehne zum Magnetfeld). Die MR-Arthrographie gewährleistet eine höhere diagnostische Sicherheit in der Differenzierung zwischen degenerativen Veränderungen und partial bzw. komplettem Riss. Bei Letzterem findet sich – wie bei der konventionellen Schulterarthrographie – ein Kontrastmittelübertritt in die benachbarte Bursa.

Schulterluxation und Schulterinstabilität 85% aller Dislokationen im Schulterbereich betreffen das Glenohumeral-, 12% das Akromiokalvikular- und nur 3% das Sternoklavikulargelenk. 95% aller Dislokationen im Glenohumeralgelenk geschehen nach ventral, 2 – 4% nach dorsal, in 1 – 2% nach inferior und nur in weniger als 1% der Fälle nach superior. Die anterioren glenohumeralen Luxationen werden eingeteilt in: 쐌 subkorakoidale Luxationen, 쐌 subglenoidale Luxationen,

Abb. 3.62 Frische partielle Rotatorenmanschettenläsion. Schräg-koronares Bild mit signalintensiver partieller Unterbrechung der zum Gelenk hin gelegenen Oberfläche der Supraspinatussehne (Pfeil).

쐌 subklavikulare Luxationen, 쐌 intrathorakale Luxationen. Bei subkorakoidalen oder subglenoidalen Dislokationen können sich Begleitverletzungen an der posterolateralen Oberfläche des Humerus (sog. Hill-Sachs-Läsion) und an der vorderen Oberfläche des Glenoids (sog. Bankart-Läsion) einstellen. Die Hill-Sachs-Läsion ist eigentlich die typische Folge einer gewaltsamen initialen Luxation in subglenoidaler Lokalisation (Abb. 2.437 u. 3.63). Wenn sie einmal vorhanden ist, kann sie eine Prädisposition zur Entwicklung rekurrierender anteriorer glenohumoraler Luxationen sein. Die Hill-Sachs-Läsion sollte nicht mit einer normalen Grube in der posterolateralen Oberfläche des Humerus verwechselt werden, die sich bei CT- oder MRT-Darstellung typischerweise unterhalb der axialen Schnittebene des Processus coracoideus darstellt. Die typische Hill-Sachs-Läsion stellt sich in Höhe des Processus coracoideus oder darüber dar (Abb. 3.63). Der Begriff Bankart-Läsion (Abb. 3.64) bezieht sich ursprünglich auf rein knorpelige Läsionen im Insertionsbe-

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3 Schultergürtel und Brustkorb reich des vorderen Bands des inferioren glenohumoralen Ligaments. Benachbarte Läsionen des Knochens werden als knöcherne Bankart-Läsion (Abb. 3.64 c) bezeichnet. Die posterioren Dislokationen im glenohumoralen Gelenk werden eingeteilt in: 쐌 subakromiale Dislokationen, 쐌 subglenoidale Dislokationen, 쐌 subspinöse Dislokationen.

Abb. 3.63 Typischer Hill-Sachs-Defekt. Der Humeruskopf hat sich mit dem Rand des Defekts am unteren Glenoid verkeilt.

Inferiore Dislokationen werden auch als „Luxatio erecta“ bezeichnet, weil der Patient den Arm mit gebeugtem Ellenbogengelenk über dem Kopf hält. Superiore Dislokationen kommen vor, wenn der Humeruskopf nach oben durch die Rotatorenmanschette gezogen wird. Begleitverletzungen des Humerus, der Klavikula und des Akromions werden beobachtet. Bei jeder Schulterluxation und chronischen Instabilität kommt es in der Regel neben den erwähnten Läsionen zu Verletzungen der Gelenkkapsel und der glenohumoralen Bänder, die durch die MRT gut darstellbar sind. Die Differentialdiagnose vor allem der rekurrierenden Subluxation stellt sich klinisch gegenüber einem Impinge-

c

a, b

f

d, e Abb. 3.64 a – f Bankart-Läsionen und ihre Differentialdiagnose: a CT-Arthrographie mit Dislokation des vorderen Labrums nach vorn medial (Stern). b Hier grenzt die vordere Luftblase direkt an den Gelenkknorpel und die dahinter gelegene Kontrastmittelpfütze direkt an den Glenoidknochen. Es fehlt also das Labrum, das offensichtlich ganz abgerissen ist. c Typische knöcherne Bankart-Läsion. (Abb. a – c mit freundlicher Genehmigung von Prof. Dr. Erlemann, Duisburg-Hamborn)

d, e In der CT-Arthrographie in Abb. d mit Pfeil markierter Labrumriss, der sich in der MRT (e, fettsupprimierte T2-Sequenz) als feine signalintensive Linie (Pfeil) darstellt. Keine Formvariante. f Hier stellt sich bei einem anderen Patienten mit einem sog. sublabralen Foramen Gelenkflüssigkeit zwischen dem abgelösten anterosuperioren Labrum (Pfeilspitze) und dem Glenoidrand (Pfeil) dar. Das mittlere glenohumerale Ligament ist nicht vom abgelösten Labrum abgrenzbar. Solche Befunde wurden bei ca. 10% aller Menschen gefunden (aus Tuite, M. J., J. F. Orwin: Radiology 199 [1996] 537).

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Das Schultergelenk als Ganzes ment-Syndrom, gegenüber freien Gelenkkörpern, einer glenohumoralen Arthrose und insbesondere einer Rotatorenmanschettenläsion. Aufgabe der Radiologie ist es, dieses breite differentialdiagnostische Spekrum zu „entwirren.“

Radiologische Untersuchungstechnik Die radiologische Untersuchungstechnik bei Schulterluxation und Schulterinstabilität besteht aus: 쐌 A.-p. Röntgenaufnahme (mit zur pathologischen Schulter gedrehtem Patienten). Modifizierte Y-Aufnahme nach Neer (S. 263). Zur Darstellung einer ossären Bankart-Läsion (Abrissfraktur des vorderen unteren Glenoidrandes) setzt man die Aufnahme nach Bernageau ein. Für die Hill-Sachs-Läsion kann man tangentiale Aufnahmen des hinteren oberen Humeruskopfes anfertigen oder durchleuchtungsgezielte Aufnahmen in Innenrotation. 쐌 Die Nativ-CT ist höchstens geeignet zur Darstellung einer ossären Bankart-Läsion oder einer Hill-Sachs-Läsion, auch weiterer Verletzungen der knöchernen Strukturen. Mit der Arthro-CT (Injektion von Luft oder Luft und Kontrastmittel) lassen sich alle relevanten Weichgewebsstrukturen wie Labrum, Gelenkkapsel und glenohumorale Ligamente darstellen (Bachman u. Mitarb. 1998; Abb. 3.64 a u. b). Wichtig ist die sorgfältige Untersuchung mit 2 mm Schnittebenenabständen von der oberen Kontur des Humeruskopfes bis zum Recessus axillaris. 쐌 Zur Untersuchungstechnik der MRT kann hier nicht spezifiziert Stellung genommen werden, insbesondere, da die einzelnen Techniken z. T. sehr kontrovers diskutiert werden. Fest steht aber, dass transaxiale Schichten die größte Bedeutung haben. Typische Protokolle beinhalten eine konventionelle Spin-Echo-Sequenz, eine Fast-Spin-Echo-Sequenz, eine 2-dimensionale Gradienten-Echo-Sequenz und 3-dimensionale GradientenEcho-Sequenzen.

Abb. 3.65 a, b Schematische Darstellung der verschiedenen möglichen Kalzifikationen und Verknöcherungen im Schulterbereich: a Normale a.-p. Projektion. 1 Osteoproliferationen unter dem vorderen Rand des Akromions 2 Osteoproliferationen am Tuberculum majus 3 Verkalkungen in der Supraspinatussehne 4 diffuse feinere Verkalkungen bzw. Kalkablagerungen bei einer massiven Entzündung der Bursa subdeltoidea 5 Verkalkungen in der Bursa subcoracoidea 6 Verkalkungen in der Bursa coracoclavicularis

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Will man aber insbesondere die glenohumoralen Ligamente sorgfältig darstellen, muss man die MR-Arthrographie einsetzen. Grundsätzlich ist die MRT-Untersuchung bei der Darstellung kleinerer ossärer Bankart-Läsionen der CT-Arthrographie unterlegen.

Verkalkungen und Verknöcherungen in den Weichteilen der Schulter Das Ursachenspektrum von Weichteilverkalkungen im Schulterbereich ist außerordentlich breit und reicht von harmlosen, in der Regel als Nebenbefund entdeckten Bursaverkalkungen bis zu tumorösen Formen (z. B. im Sinne einer synovialen Chondromatose). In der Abb. 3.65 sind die wesentlichen regressiven Verkalkungen und Verknöcherungen schematisch dargestellt. Der präzisen Differenzierung zwischen Verkalkungen in der Supra-, Infraspinatus- und Teres-minor-Sehne kommt letztendlich keine klinische Bedeutung zu, auch nicht bei symptomatischen Patienten mit dem Bild einer sog. Periarthritis humeroscapularis (Kombination von Schmerz, palpatorischer Verhärtung von Sehnen- und Bursaegebiet oder gar Begleitödem). Andererseits kann Letztere auch genauso gut ohne jegliche Verkalkungen im Sinne einer akuten Bursitis oder Tenosynovitis auftreten. Sehnen- und Bursaverkalkungen werden bei älteren Menschen in der Regel durch Zufall entdeckt (Abb. 3.66). Sehnenverkalkungen können auch, insbesondere wenn sie in die Bursa subacromialis-subdeltoidea eingebrochen sind, resorbiert werden und damit röntgenologisch verschwinden (Abb. 3.67). Werden die Befunde durch Zufall entdeckt, sollte man sie eher als Periarthropathia calcificans klassifizieren. Nicht selten sind solche Veränderungen kombiniert mit Osteoproliferationen an der unteren vorderen Seite des Akromions und am Tuberculum majus im Sinne einer produktiven Fibroostose (Abb. 3.65). Wenn man sich über die Akuität solcher Veränderungen ein rasches Bild verschaffen will, sollte man die Rotatorenmanschette sonographisch untersuchen (Nachweis von Flüssigkeit in der Bur-

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b Innenrotierte Aufnahme. 1 Verkalkungen in der Supraspinatussehne 2 Verkalkungen in der Infraspinatussehne 3 Verkalkungen in der Sehne des M. teres minor

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Abb. 3.66 a – e Typische Kalkablagerung im Sehnen- (a – c, e ) und Bursabereich (Bursa subdeltoidea) (d). Vergleiche auch mit Abb. 3.65. Beachte die langstreckige Verkalkung in der Supraspinatussehne in Abb. c.

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Das Schultergelenk als Ganzes

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Abb. 3.67 a – d Verkalkungen und Verknöcherungen im Schulterbereich: a, b Verlaufsbeobachtung einer partiellen spontanen Rückbildung von Verkalkungen in der Supraspinatussehne in 3 Monaten. c, d Ungewöhnliche metaplastische Verknöcherung der unteren Gelenkkapsel.

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sa, Rotatorenmanschettenläsion usw.). In der Schemazeichnung der Abb. 3.65 sind weitere Bursaverkalkungen (in der Regel durch Hydroxylapatit) eingezeichnet. Wenn diese Verkalkungen sehr dicht sind, können sie zu Verwechslungen mit Ligamentverknöcherungen oder gar knöchernen Ausrissen Anlass geben. Kalkablagerungen in den Bursae des Schultergürtels kommen ansonsten im Rahmen interstitieller Kalzinosen bei renaler Osteopathie vor (Abb. 3.68), des Weiteren auch bei der primären Chondrokalzinose. Interstitielle Kalzinosen im Rahmen eines ThibiergeWeissenbach-Syndroms spielen sich nicht in den Bursae ab, sondern zwischen den tiefen Muskeln und im Periartikularbereich. Im Röntgenbild normalerweise nicht erkennbar ist die sog. Reiskörpersynovitis, die in chronisch entzündlichen Gelenken und Bursae (z. B. im Rahmen einer rheumatoiden Arthritis) vorkommt. Bei den Reiskörpern handelt es sich um Fibrinklümpchen, deren Pathogenese letztendlich unklar ist. In Abb. 3.69 ist der Fall einer solchen Reiskörpersynovitis dargestellt, der gleichzeitig auch sehr eindrucksvoll die Anatomie der Bursae demonstriert.

Ligamentäre Verknöcherungen wie z. B. des Lig. coracoclaviculare (S. 269 u. Abb. 3.26) können rein regressiver Natur sein, aber auch durch Traumen entstehen und im Rahmen von Erkrankungen beobachtet werden, die mit produktiven fibroostitischen Veränderungen einhergehen, wie z. B. die seronegativen Spondarthritiden. Von ligamentären Verknöcherungen abzugrenzen sind heterotope Ossifikationen (Myositis ossificans, Abb. 3.50). Mehr solidere „Verkalkungen“ in den Schulterweichteilen rekrutieren sich entweder aus freien Gelenkkörpern bei einer Osteochondrosis dissecans (Abb. 3.39) oder einer globalen Humeruskopfnekrose (Abb. 3.70). Sie können aber auch Ausdruck einer primären synovialen Chondromatose (Abb. 3.71) sein. Auf die erwähnten Krankheitsbilder kann im Rahmen dieser Monographie über die Grenzen des Normalen nicht näher eingegangen werden, sie wurden lediglich aus differentialdiagnostischen Gründen erwähnt.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Abb. 3.68 a – c Ausgedehnte Calciumphosphatablagerungen in den Bursae, im Gelenkkavum, in den erweiterten Rezessus und den Sehnenscheiden bei einem Patienten mit renaler Osteopathie. Im Szintigramm (c) finden sich entsprechende massive Aktivitätseinlagerungen in der Schulterregion, die wie Schulterstücke eines Soldaten oder die Polster bei einem Football-Spieler aussehen. c Abb. 3.69 a – d Ungewöhnlich ausgeprägte Reiskörpersynovitis bei einer älteren Frau mit rheumatoider Arthritis. Beachte die Zerstörung des Akromioklavikulargelenks in Abb. a. Der Gelenkspalt ist mit seinen Rezessus exzessiv aufgeweitet und mit den kleinen Reiskörpern aufgefüllt. Beachte die Kommunikation zwischen Bursa subdeltoidea-subacromialis mit der Bursa coracocalvicularis in Abb. c.

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Das Schultergelenk als Ganzes

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d Abb. 3.70 a – d Freie Gelenkkörper bei ausgeprägter Humeruskopfnekrose (im Rahmen einer Kollagenose). Die zahlreichen, z. T. wohlstrukturierten freien Gelenkkörper haben eine

deutliche Ähnlichkeit mit den Körperchen bei der Gelenkchondromatose (Abb. 3.71).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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d Abb. 3.71 a – d Typische Gelenkchondromatose. Die CTSchnitte in den Abb. c u. d stammen von einem anderen Patienten. Die freien Gelenkkörper liegen auf diesen Bildern z. T.

im Recessus axillaris, möglicherweise auch in der erweiterten Bursa subcoracoidea.

Literatur Bachmann, G., T. Bauer, I. Jürgensen et al.: Diagnostische Sicherheit und therapeutische Relevanz von CT-Arthrographie und MR-Arthrographie der Schulter. Fortschr. Röntgenstr. 168 (1998) 149 Beltran, J., Z. S. Rosenberg, V. P. Chandnani et al.: Glenohumeral instability: evaluation with MR arthrography. Radiographics 17 (1997) 657 Gusmer, P. B., H. G. Potter, J. A. Schatz et al.: Labral injuries: accuracy of detection with unenhanced MR imaging of the shoulder. Radiology 200 (1996) 519 Hirschfeld, P., G. Dimanski: Die Schulter. Funktionelle Diagnostik und kausale Therapie in der Praxis. Perimed-spitta, Balingen 1994 Kaplan, P. A., K. C. Bryans, J. P.Davick et al.: MR imaging of the normal shoulder: variants and pitfalls. Radiology 184 (1992) 519 McCauley, T. R., C. F. Pope, P. Jokl: Normal and abnormal glenoid labrum:assessment with multiplanar gradient-echo MR imaging. Radiology 183 (1992) 35

Neumann, C. H., R. G. Holt, L. S. Steinbach et al.: MR imaging of the shoulder: appearance of the supraspinatus tendon in asymptomatic volunteers. Amer. J. Roentgenol. 158 (1992) 1281 Shankman, St., J. Bencardino, J. Beltran: Glenohumeral instability: evaluation using MR arthrography of the shoulder. Skelet. Radiol. 28 (1999) 365 Stiles, R. G., M. T. Otte: Imaging of the shoulder. Radiology 188 (1993) 603 Stoller, D. W.: MR-Arthrography of the glenohumeral joint. Radiol. Clin. N. Amer. 1 (1997) 97 Tuite, M. J., J. F. Orwin: Arterosuperior labral variants of the shoulder. Radiology 199 (1996) 537 Vahlensieck, M.: Indirekte MR-Arthrographie der Schulter. Radiologe 36 (1996) 960 Wolf-Heidegger, G.: Atlas der systematischen Anatomie des Menschen, Bd. I, 2. Aufl. Karger, Basel 1961

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk

Normalbefund Im Wachstum Die Klavikula ist ein bindegewebig präformierter langer Knochen mit einem Markraum. Er ist der erste fetale Knochen, der einer primären Ossifikation unterliegt. Man kennt 2 primäre Ossifikationszentren, eines medial und das andere lateral, die während der 5. und 6. intrauterinen Lebenswoche erscheinen und in der Fetalperiode miteinander verschmelzen. Eine enchondrale (epiphysäre) Ossifikation findet sowohl am akromialen als auch am sternalen Ende der Klavikula statt. Beim Schlüsselbein besteht also die ungewöhnliche Situation von membranöser dia-/ metaphysärer Ossifikation und enchondralem Längenwachstum an ein und demselben Knochen. Der Hauptbeitrag zum Längenwachstum in der postnatalen Phase wird – wie in der intrauterinen Phase – von der diaphysären membranösen Ossifikation geliefert. Das Längenwachstum am akromialen Ende der Klavikula ist eher unbedeutend. Yarkoni u. Mitarb. (1985) fanden mit sonographischen Messungen der fetalen Klavikulalänge eine lineare Korrelation zum Gestationsalter.

weisung in eine Strafanstalt für Jugendliche oder Erwachsene). Darüber hinaus kann die Kenntnis des zeitlichen Ablaufs der Ossifikationsvorgänge bei Altersbestimmungen von Torsen nützlich sein. Auch die kindliche Klavikula hat eine gebogene Form, wobei die mittleren Partien zum medialen Ende hin eine nach dorsal konvexbogige Konfiguration besitzen. Je nach Projektion können dabei die einzelnen Klavikulaabschnitte unterschiedlich dicht erscheinen (Abb. 3.72). Das sternale Ende des Schlüsselbeins durchläuft verschiedene Formvarianten: 쐌 Im 1. Dezennium besitzt es eine eher pilzförmige Konfiguration mit glatten, auch irregulären Konturen (Abb. 3.73 a). 쐌 Im 2. Dezennium dominiert eher eine Becherform, häufig auch mit unregelmäßiger Begrenzung (Abb. 3.73 b).

a

Als annähernde Regel kann nach diesen Untersuchungen gelten, dass das Gestationsalter in Wochen ungefähr der Länge der Klavikula, gemessen in Millimetern, entspricht. Das sekundäre epiphysäre Ossifikationszentrum am medialen Klavikulaende kann für die Altersbestimmung eines Menschen – insbesondere zwischen der späten Adoleszenz und der 3. Lebensdekade – nützlich sein. In ihrer retrospektiven CT-Studie an 380 Individuen unter 30 Jahren fanden Kreitner u. Mitarb. (1998) heraus, dass das mediale Ossifikationszentrum zwischen dem 11. und 22. Lebensjahr auftrat. Eine partielle Fusion fanden sie im Alter von 16 – 26 Jahren (Abb. 3.74), eine komplette Fusion frühestens im Alter von 20 Jahren und in 100% der Fälle im Alter von 27 Jahren. Bei einem Vergleich ihrer Daten mit der bisherigen Literatur fanden die Autoren keine ethnischen Unterschiede hinsichtlich des Beginns der Ossifikation, der Zeitspanne der partiellen Fusion und des Zeitpunkts einer kompletten Fusion. Trotz der relativ langen Zeitspanne der Knochenreifung der medialen Klavikulaepiphyse kann nach Ansicht der Autoren das Ossifikationsverhalten für forensische Zwecke bei Individuen genutzt werden, bei denen es um die Abgrenzung zwischen dem Ende der 2. oder Beginn der 3. Lebensdekade geht (z. B. Ein-

b Abb. 3.72 a, b Kindliche Klavikula: a Projektionsbedingte Verdichtung in der Klavikulamitte. Säugling. b Normale Krümmung der kindlichen Klavikula.

Im Erwachsenenalter Von der Mitte des 3. Dezenniums ab besitzt das mediale Schlüsselbeinende eine Stempelform, oft mit zentraler Einkerbung der Gelenkfläche (Abb. 3.75 b u. 3.76). Auch beim Erwachsenen muss in der Beurteilung der Klavikulae deren räumliche Krümmung Beachtung finden, um nicht fälschlicherweise Deformierungen zu interpretieren. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um atypische Projektionen handelt (z. B. Schulterblatthochstand bei a.-p. Projektion usw.). Parallel zum Oberrand der Klavikula zieht ein etwa 4 mm breiter weichteildichter Begleitschatten, der von der über dem Schlüsselbein orthograd getroffenen Haut gebildet wird.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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b b Abb. 3.73 a, b Zur Formveränderung der medialen Klavikula im Wachstum: a „Pilzförmiges“ mediales Klavikulaende im 1. Dezennium. 9-jähriger Junge. b „Becherform“ im 2. Dezennium. 12-jähriges Mädchen.

c

Abb. 3.74 a – d Verknöcherung der medialen Klavikulaepi- 컄 physe: a 21-jähriger Mann. Partielle Verknöcherung des medialen Klavikulaepiphysenkerns. b – d CT-Schnitte bei einem Strafgefangenen mit unbekanntem Lebensalter, bei dem es um die Frage ging, ob er in einer Jugend- oder Erwachsenenstrafanstalt untergebracht wird. Die partiell fusionierte mediale Klavikulaepiphyse beweist, dass der Patient in einem Alter zwischen 16 und 26 Jahren sein muss. Wäre die Fusion komplett, müsste er über 20 Jahre alt sein.

d

Tuberculum conoideum

Corpus claviculae

Extremitas sternalis a

Extremitas acromialis Extremitas sternalis Facies articularis acromialis

Foramen nutricium

b

Extremitas acromialis

Impressio lig. costoclavicularis

Tuberculum conoideum

Abb. 3.75 a, b Anatomische Aufnahmen der Klavikula: a Ansicht von oben. b Ansicht von unten.

Facies articularis sternalis

Beachte die verhältnismäßig starke S-förmige Krümmung der Klavikula und die Konfiguration des medialen Gelenkendes.

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk Bei atypischen Projektionen können Skapulaüberlagerungen zu irritierenden Befunden führen (Abb. 3.77). An der Oberkante der Klavikulamitte wird gelegentlich ein kleiner Defekt gesehen, der sich aus dem Durchtritt des Fasciculus medialis n. supraclavicularis erklärt (Abb. 3.78). Von Anatomen wurde dieser Nervenkanal mit einer Häufigkeit von 2 – 6% angegeben. Eine Doppelung des Kanals wurde von Pahl (1955) beschrieben (Abb. 3.79). Neben Nerveneintrittskanälen gibt es selbstverständlich auch Gefäßkanäle im Verlaufe der Klavikula, besonders im Übergangsbereich vom mittleren zum lateralen Drittel (Abb. 3.75 b u. 3.89 a u. b). An der Ansatzstelle des Lig. coracoclaviculare am Schlüsselbein finden sich sowohl Gruben wie auch Konturunregelmäßigkeiten oder ein regelrechtes Tuberculum conoideum (auch als Tuberculum coracoideum bezeichnet; Abb. 3.75). Am unteren Rand des medialen Schlüsselbeinabschnitts, also im Ansatzbereich des Lig. costoclaviculare (Abb. 3.81) besteht physiologischerweise eine Grube (Abb. 3.75 b), die bei manchen Individuen, vor allem mit starker Beanspruchung des Schultergürtels, sehr betont sein kann (Abb. 3.80 a u. b).

305

Abb. 3.76 „Stempelform“ der Schlüsselbeinköpfe von der Mitte des 3. Dezenniums an. 27-jähriger Mann.

Abb. 3.77 Projektionsbedingte, scheinbare „Exostose“ am Oberrand des Schlüsselbeins.

a

a

b Abb. 3.78 a, b cularis (Pfeil).

Kanal für den Fasciculus medialis n. supraclavi-

b

Abb. 3.79 Doppeltes Foramen für den Fasciculus n. supraclavicularis (Beobachtung von Pahl). Abb. 3.80 a – c Bandinsertionen: 컄 a Verhältnismäßig tiefe Bandgrube (Pfeil). b Darstellung am anatomischen Präparat. c „Rauigkeit“ im Ansatzbereich der Mm. sternohyoideus und sternocleidomastoideus.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Differentialdiagnostisch muss dabei aber immer an eine rarefizierende Fibroostose/-ostitis (also eine Enthesiopathie) gedacht werden. Eine aufgelockerte Kompakta oder „Rauigkeit“ wird auch in der kranialen medialen Klavikulapartie im Ansatzbereich des M. sternohyoideus und des M. sternocleidomastoideus gefunden (Abb. 3.80 c). Das mediale oder sternale Ende der Klavikula kann nicht ohne seine Bedeutung als Gelenkpartner im sternoklavikularen Gelenk betrachtet werden (Abb. 3.81). Dieses Gelenk stellt die einzige echte Artikulation zwischen dem Körperstamm und dem Schultergürtel dar. Das sternale Ende hat eine äußerst flache Pfanne, die das leichtgradig konvexe, manchmal auch konkave Ende der Klavikula nur unzureichend aufnimmt. Daher ist dieses Gelenk sozusagen angeboren instabil. Das Fehlen einer stabilen Kongruenz wird durch einen Diskus kompensiert. Dieser Diskus dient u. a. auch als Puffer gegenüber Kräften, die entlang der Achse der Klavikula auf das Sternum einwirken. Der Diskus unterliegt bereits zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr regressiven Veränderungen, nach dem

Lig. sternoclaviculare anterius

50. Lebensjahr können sie schon „physiologischerweise“ extrem ausgeprägt sein – ohne klinische Symptomatik. Zur möglichen klinischen Bedeutung des Diskus s. S. 308. Die Gelenkkapsel des Sternoklavikulargelenks ist relativ weit, nach innen zu besteht eine Synovialmembran. Das Gelenk wird im Wesentlichen durch das vordere und hintere sternoklavikulare Band, das letztendlich eine Verstärkung der fibrösen Kapsel darstellt, stabilisiert. Bekannt sind noch zusätzliche Verdickungen der Gelenkkapsel, die das mediale Ende der Klavikula am Sternum verankern, des Weiteren trägt das extraartikulare kostoklavikulare Ligament durch Fixation der medialen Klavikulametaphyse an die 1. Rippe zur Stabilisierung bei. Die Normwerte der mit CT messbaren sternoklavikularen Gelenkspaltweite sind in Tab. 3.2 aufgelistet. Ein intraartikuläres Vakuumphänomen (Abb. 3.95) wird frühestens ab dem 20. Lebensjahr, gewöhnlich erst ab dem 40. Lebensjahr (in ca. 8% gesunder Menschen) beobachtet (Hatfield u. Mitarb. 1984, Zit. s. u. Brustbein).

Lig. interclaviculare

Discus articularis articulationis sternoclavicularis

Klavikula Costa I (Os costale)

Lig. costoclaviculare

Manubrium sterni Cartilago costalis II

Lig. sternocostale radiatum Synchondrosis sternalis

Articulatio sternocostalis (Lig. sternocostale intra-articulare)

Abb. 3.81 Anatomie der Sternokostoklavikularregion. Beachte die zahlreichen Bandverbindungen, den Aufbau des

Sternoklavikulargelenks mit Discus articularis und die Synchondrosis sternalis (nach Wolf-Heidegger).

Tabelle 3.2 Normale computertomographisch (Weichteilfenster, Level 30 HE, Window 500 HE) ermittelte Maße des Sternums (nach Hatfield u. Mitarb.) in Millimetern. Gegenüber einer Darstellung im Knochenfenster liegen die Werte um ca. 10% höher Durchschnitt Durchschnitt 1) alle Untersuchten männlich

Durchschnitt 1) weiblich

Minimum

Maximum

Umfang des Sternums:  a.-p. 354  transversal 354  kraniokaudal 354

21,0 59,0 159,0

21,8 62,0 166,0

19,8 55,1 149,0

5 8 40

38 120 230

Kortikalisdicke:  Manubrium  Corpus sterni

311 306

9,5 6,1

9,7 6,6

9,1 5,6

4 2

21 13

335

6,4

6,9

5,8

1

14

N

Sternoklavikulare Gelenkweite

1 Durchschnittsalter der Probanden: männlich 45,1, weiblich 44,7 Jahre. Jüngster Proband 9 Tage, ältester 94 Jahre alt

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Die mediale Epiphyse der Klavikula – zu deren zeitlichem Auftreten s.oben – unterliegt wie die meisten Epiphysen, insbesondere im Schultergürtelbereich, deutlichen morphologischen Schwankungen, ihr Erscheinungsbild reicht von kleinen Kernchen in grubenförmigen Einsenkungen (Abb. 3.82 a) bis zu scheiben- und diskusförmigen Gebilden. Auch eine Persistenz dieser Kerne wurde beobachtet (Abb. 3.82 b). Dabei, aber auch ohne persistierenden Kern, kann das mediale Klavikulaende – im Extremfall – gabel- oder fischmaulförmig konfiguriert sein (Ravelli 1955). Als weitere Variante gilt ein kostoklavikulares Gelenk, sozusagen als Ersatz der normalen kostoklavikularen Ligamentverbindungen (Redlund-Johnell 1986). Als „echte Dysplasie“ muss das vollständige Fehlen des Schlüsselbeins oder ein großer Defekt am akromialen Ende, verbunden mit Missbildungen des Schädels und der Hände im Rahmen einer Dysplasia cleidocranialis angesehen werden. Angeborene einseitige Hypoplasien der Klavikula mit Pseudarthrosenbildung zwischen den hypoplastischen Teilanlagen gelten ebenfalls als Dysplasie, wahrscheinlich mit autosomal rezessivem Erbgang (March 1968, Höcht u. Mitarb. 1979). Als weitere Anomalie ist auch die hakenförmige Verstärkung der lateralen Klavikulakrümmung (lateral clavicle hook) anzusehen. Solche Anomalien können mit dem

Tabelle 3.3

a

b Abb. 3.82 a, b Isolierter und persistierender Kern im medialen Klavikulaende: a Isolierter Kern bei einem 16-jährigen Jungen (Pfeilspitze). b Persistierender Kern eines Erwachsenen (Pfeil).

Hypoplastische oder dünne Klavikula

Häufig

Selten

 Kleidokraniale Dysplasie

 durch Geburtstrauma

 Holt-Oram-Syndrom  Osteodysplastie

(Melnick-NeedlesSyndrom)  Pyknodysostose  Progerie (dünne Klavikula)

    

   

  

bedingte Lähmung des Plexus brachialis (unilateral) CHILD-Syndrom Cockayne-Syndrom (dünne Klavikula) kongenitale Klavikulapseudarthrose Coffin-Siris-Syndrom Goltz-Gorlin-Syndrom (fokale dermale Hypoplasie) Fukosidose Larsen-Syndrom (dünne Klavikula) skapuloiliakale Dysostose spondyloepiphysäre Dysplasie (verzögerte Ossifikation) Trisomie-13-Syndrom (dünne Klavikula) Trisomie-18-Syndrom (dünne Klavikula) Turner-Syndrom (lateral dünne Klavikula)

CHILD Kongenitale Hemidysplasie, ichthyosiforme Nävi, Limb-Defekt

Holt-Oram-Syndrom, mit der Osteodysplastie und der Trisomie 18 (Igual u. Giedion 1979) assoziiert sein. Auf die detaillierte Beschreibung dieser Krankheitsbilder kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, in den Tab. 3.3 u. 3.4 werden aber die wesentlichen Fehlbildungen in Anlehnung an Reeder (1993) zusammengefasst. Als letzte Normvariante sei auf eine Duplikation der Klavikula hingewiesen (Golthamer 1957 u. Twigg 1981).

Tabelle 3.4 Hypoplastische gedrungene Klavikula (fahrradlenkerartig)  Diastrophische Dysplasie  Holt-Oram-Syndrom  Thrombozytopenie – fehlendes Radius-Syndrom  Trisomie-18-Syndrom  Normale Variante

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Fraktur, Subluxation/Luxation? Frakturen Klavikulafrakturen gibt es als Geburtsverletzungen (Entzler 1950, Köster 1957). Der erste Kallus ist schon nach 8 – 9 Tagen radiologisch zu sehen. Im Kindesalter sind Klavikulafrakturen, insbesondere bei Kindern unter 10 Jahren keine Seltenheit, sie stellen wohl die Hälfte aller Verletzungen im Schultergürtelbereich dar. Prädilektionsort für eine Fraktur ist die Schlüsselbeinmitte. Radiologisch sind diese Frakturen bei Kindern häufig sehr schwierig zu erkennen, insbesondere da es sich zumeist um Grünholzfrakturen handelt. Wie auf S. 286 dargestellt, kann durch eine Zerreißung des kranialen Periostschlauchs der peripheren Klavikula diese nach kranial dislozieren unter Verbleib der knorpeligen Abschnitte im Akromioklavikulargelenk. Bänder und Kapsel des Akromioklavikulargelenks zerreißen also nicht. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Art von Epiphysiolyse im Sinne einer Salter-Harris-Typ-I-Epiphysenverletzung. Dasselbe kann am medialen Klavikulaende im Sinne einer sternoklavikularen Epiphysiolyse geschehen (Lemire u. Rosmann 1984). Im Erwachsenenalter kommen 80% aller Schlüsselbeinbrüche im mittleren und nur 15% im äußeren Drittel vor, dort mit oder ohne Riss des Lig. coracoclaviculare. Der Bruchspalt kann bis in das Akromioklavikulargelenk ziehen. Mit etwa 5% Häufigkeit treten Klavikulafrakturen am sternalen Ende auf, dort sind sie radiologisch sehr schwierig nachzuweisen. Die entscheidenden Differentialdiagnosen gegenüber Klavikulafrakturen sind ungewöhnlich ausgeprägte Gefäß- und Nervenkanäle, aber auch reine Projektionseffekte (Abb. 3.83). Stressfrakturen der Klavikula werden besonders nach radikaler Neck-Dissection beobachtet.

Subluxationen/Luxationen Traumatische Luxationen im Sternoklavikulargelenk machen etwa 1% aller vorkommmenden Dislokationen aus (Nettles u. Linscheid 1968). Die häufigste Luxation geschieht nach ventral und kranial, sehr selten sind posteriore Dislokationen (Cope u. Riddervold 1988; Abb. 3.84). Bei letzterer Luxation kann es zu schweren klinischen Komplikationen durch Druck der dislozierten Klavikula auf

Abb. 3.83 Mach-Effekt durch Überschneidung der Klavikula mit dem Akromion (Pfeil).

die großen Gefäße, auf Trachea, Ösophagus usw. kommen (Cope u. Riddervold 1988). Die konventionell-radiologische Dokumentation von sternoklavikularen Luxationen ist schwierig und deshalb empfehlen wir a priori bei jedem Verdacht eine CT-Untersuchung. Ein diagnostisch schwieriges Problem stellt die Subluxation des medialen Klavikulaendes nach vorn und oben im Rahmen regressiver Veränderungen dar. Es sind zumeist Frauen im Alter um 50 Jahre und älter, die plötzlich eine „Geschwulst“ über dem medialen Klavikulaende bemerken. Dabei sei es dahingestellt, ob ein solcher Befund schon längere Zeit besteht und von der entsprechenden Patientin nur zum ersten Mal entdeckt wurde, oder ob der Prozess tatsächlich „über Nacht“ entstanden ist. Klinisch imponiert dabei eine deutliche Prominenz des Klavikulaköpfchens (Abb. 3.85 a), bei der Palpation lässt sich häufig eine Art von Federn auslösen. Der Befund kann mit und ohne Schmerzen einhergehen. Konventionell-radiographische Untersuchungen sind zumeist wegen der schwierigen Projektionsverhältnisse unergiebig. Szintigraphisch kann sich eine leichte Aktivitätsanreicherung im Manubrium-Klavikulargelenk-Bereich finden. Entscheidend ist die CT-Untersuchung, mit deren Hilfe sich die Subluxation des Klavikulaköpfchens nach ventral und kranial beweisen lässt (Abb. 3.85 b – d). Dabei findet man häufig gleichzeitig eindeutige Zeichen regressiver Veränderungen an den Gelenkenden mit subchondraler Sklerose, kleinen subchondralen Geröllzysten und Randanbauten. Ätiologisch halten wir den ganzen Vorgang bei fehlender Schmerzsymptomatik für ein altersbedingtes Regressionsphänomen, ähnlich wie die Randanbauten am Akromioklavikulargelenk (S. 288). Ursache dürfte eine anlagebedingte Laxität des Kapsel-Band-Apparats sein. Wir werden damit in der täglichen Konsiliarpraxis nicht selten konfrontiert. Anders liegen die Verhältnisse, wenn sich solche Patienten mit einer klinischen Schmerzsymptomatik und einer Schwellung präsentieren. Dann bekommt das Ganze Krankheitswert und kann als aktivierte Arthrose mit Subluxation, ähnlich wie an anderen Gelenken, bewertet werden. Interessante Aspekte zu dieser Problematik geben Aumann und Brüning (1980) durch ihre operativen Befunde bei 6 Patienten, bei denen sie morphologisch deutlich veränderte Disken (Abflachung und Verdünnung, Fragmentation, Verquellung) bei sonst unauffälligen Knochen-Knorpel-Partien des Sternoklavikulargelenks fanden. Klinisch beschreiben die Autoren bei den untersuchten Patienten eine vorübergehende Schwellung im Gelenkbereich in

Abb. 3.84 Posteriore Klavikuladislokation im Sternoklavikulargelenk. Der Pfeil markiert die abgelöste mediale Epiphyse (aus Cope, R., H. O. Riddervold: Skelet. Radiol 17 [1988] 247).

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk

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Kombination mit starken Schmerzen, es wurden auch Reibegeräusche bei der Gelenkbewegung beobachtet. Die Schmerzen strahlten z. T. über den gesamten Schultergürtel und in die Nackenregion aus. Die Autoren sehen in den starken Diskusveränderungen die Ursache der gesamten Symptomatik und halten die Schwellung, die wir im Zusammenhang mit degenerativen Subluxationen beobachten, für ein reines Ödem des Kapsel-Band-Apparats. Generell ist sowohl bei dem Bild der regressiven Subluxation mit Prominenz des Klavikulaköpfchens als auch bei der von Aumann u. Brüning (1980) beschriebenen Diskopathie differentialdiagnostisch an die aseptische Nekrose (Morbus Friedrich) zu denken, des Weiteren an eine einseitig beginnende sternokostoklavikulare Hyperostose. Bei fehlender Rötung der nachweisbaren Schwellung im Sternoklavikulargelenk kommt aus differentialdiagnostischer Sicht eine Arthritis weniger infrage.

Nekrose? Verdichtungen am unteren medialen Klavikulaende können rein regressiver Natur sein, doch bei entsprechender klinischer Symptomatik auch dem entsprechen, was man als aseptische Nekrose des medialen Klavikuaendes (Morbus Friedrich) bezeichnet. Klinisch geht die Nekrose mit einer weichen bis derben Schwellung in der Umgebung des Brustbein-Schlüsselbein-Gelenks einher. Radiologisch findet sich initial eine Sklerose im medialen unteren Klavikulaende (Stadium I, Abb. 3.86 a). Bei fortschreitendem Prozess entwickelt sich eine Fragmentation bzw. demarkiert sich das nekrotische Ende am unteren medialen sternalen Klavikulaende (Abb. 3.86 b). Im Stadium III entwickelt sich aus der Nekrose schließlich das Bild einer Manubrioklavikulararthrose (Heinemeier u. Mitarb. 1979, Lingg u. Heinemeier 1981). Die wesentliche Differentialdiagnose stellt sich gegenüber der sog. Ostitis condensans claviculae (Brower u. Mitarb. 1974) aber auch gegen eine beginnende sternoklavikulare Hyperostose (s.unten). Bei einigen von uns beobachteten Fällen einer „aseptischen Nekrose“ (Morbus Friedrich) scheint es sich ohnehin um initiale Veränderungen bei sternokostoklavikularer Hyperostose gehandelt zu haben, denn diese Patienten entwickelten im Laufe der Jahre zunehmend ein solches Krankheitsbild (s. unten). Es traten dermatologische Veränderungen wie eine Pustulosis palmoplantaris oder eine klassische Psoriasis auf oder sie waren schon vorhanden. Interessanterweise wird der Morbus Friedrich überwiegend bei Frauen beobachtet.

Abb. 3.85 a – d Subluxation im Sternoklavikulargelenk rechts 컄 ohne klinische Symptomatik. Der Patientin fiel lediglich plötzlich bei der Morgentoilette ein vorstehendes mediales Klavikulaköpfchen rechts auf (Stern). Man sieht auf den CT-Schnitten, dass das Klavikulaköpfchen deutlich nach kranial und ventral (b) subluxiert ist. Im Kapsel-Band-Ansatzbereich des Klavikulaköpfchens rechts deutliche Knochenneubildungen. Vergleiche diesen Befund mit der Abb. 3.94 und aus differentialdiagnostischen Gründen mit der Abb. 3.86.

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3 Schultergürtel und Brustkorb Abb. 3.86 a – i Aseptische Nekrose des medialen Klavikulaendes (Morbus Friedrich): a, b Umschriebene Verdichtung am rechten unteren medialen Klavikulaende (Stadium I) (a). Bei einer anderen Patientin (b) Verdichtung des gesamten medialen subchondralen Klavikulabereichs, in der unteren medialen Ecke Aufhellungen und feine Knochenbröckel (Stadium II). Bei beiden Patientinnen handelt es sich um Frauen im mittleren Lebensalter (48 bzw. 59 Jahre). Sie hatten klinisch erhebliche Schmerzen und eine lokale Überwärmung. Beachte in Abb. b die Subluxation der Klavikula nach kranial und (klinisch) nach ventral. c – g 63-jährige Frau mit aseptischer Nekrose des rechten medialen Klavikulaendes, dargestellt im CT-Bild. Die Nekrose beginnt im unteren medialen Drittel (d) und fragmentiert dann nach kaudal zu (e – g), ähnlich wie im Fall der Abb. b. Klinisch Schmerzen, Schwellung mit Prominenz des Klavikulaköpfchens. h, i Noch nicht fragmentierte Nekrose. Beachte die deutliche Ergussbildung im unteren Manubrioklavikulargelenk (Stern).

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Entzündung? Eigentlich gibt es zwischen den unten kurz erwähnten entzündlichen Krankheitsbildern an den Klavikulae einerseits und normvarianten Befunden andererseits kaum differentialdiagnostische Schwierigkeiten. Diese treten höchstens bei initialen Befunden auf und deshalb werden diese Krankheitsbilder überhaupt an dieser Stelle erwähnt.

Infantile kortikale Hyperostose Die infantile kortikale Hyperostose (Morbus Caffey) befällt nach der Mandibula am häufigsten die Klavikula, zumeist aber bilateral.

Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis Ein weiteres entzündliches Krankheitsbild mit einer gewissen Bevorzugung der Klavikulae ist die chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis, die radiologisch zumeist primär als subakute bis chronische Osteomyelitis ohne Sequesterbildung verläuft (Abb. 3.87 u. 3.88). Die Diagnose wird in der Regel durch den szintigraphischen Nachweis weiterer Herde, insbesondere an den Metaphysen der langen Röhrenknochen der unteren Extremität, gestellt. Nicht selten ist das Krankheitsbild mit einer Pustulosis palmoplantaris assoziiert (Freyschmidt u. Freyschmidt 1996).

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c Abb. 3.87 a – c Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (13-jähriger Junge). Klinisch massive Prominenz der linken Klavikula, aber keine entzündliche Rötung in der Haut. Beachte die groteske Volumen- und Dichtezunahme der linken

Klavikula. Simultaner Befall des distalen Radius (c). Der Defekt im metadiaphysären Übergangsbereich radialseitig ist operativ bedingt.

Ostitis condensans claviculae Bei der sog. Ostitis condensans claviculae handelt es sich um ein nichtbakteriell-entzündliches Krankheitsbild (Brower u. Mitarb. 1974, Franquet u. Mitarb. 1985). Dabei stellt sich das zumeist isoliert befallene Klavikulaköpfchen homogen dicht dar, es finden sich keine Destruktionen und auch keine auffallenden Periostreaktionen. Wir bezweifeln, ob es diese Entität als solche überhaupt gibt und fragen, ob es sich dabei nicht um Fälle einer aseptischen Nekrose oder einer beginnenden sternokostoklavikularen Hyperostose handelt (Abb. 3.89 a).

Ostitis deformans Paget Bei der polyostotisch auftretenden Ostitis deformans Paget kommen auch Manifestationen an der Klavikula vor. Neben einer Volumenvermehrung sind die Knochenstrukturen strähnig, die Kompakta-Markraum-Grenzen verschwunden (Abb. 3.89 c, d).

Abb. 3.88 Chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis mit Beginn in der rechten Klavikula mit verhältnismäßig wenig ausgeprägten Destruktionen und Knochenneubildungen (Pfeil). Weitere Manifestationen an anderen Skelettabschnitten traten über die Folgejahre „verzettelt“ auf. Differentialdiagnose: Aseptische Nekrose des medialen Klavikulaendes (Abb. 3.86).

Bakterielle Krankheitsbilder Bakterielle Osteomyelitiden (zumeist durch Staphylococcus aureus) der Klavikula sind selten, sie werden aber überhäufig bei resistenzgeminderten Patienten, insbesondere bei Diabetes mellitus, chronischer Hämodialyse und bei Drogenmissbrauch, beobachtet. Die Entwicklung einer Klavikulaosteomyelitis nach Einführung eines Swan-GanzKatheters wurde von Hunter u. Mitarb. (1983) beschrieben.

Bei der Lues congenita stellt die Klavikula einen Prädilektionsort für einen ossären Befall dar (Abb. 3.90). Eine bakterielle Arthritis im Manubrioklavikulargelenk wird ebenfalls überhäufig bei immunkompromittierten Menschen beobachtet. Das Muster der Arthritis mit Destruktion der Gelenkenden, begleitender Periostreaktion usw. ist dasselbe wie bei anderen bakteriellen Arthritiden.

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c Abb. 3.89 a – d Ostitis condensans claviculae und Ostitis deformans Paget: a So genannte Ostitis condensans claviculae bei einem 17-jährigen Patienten. Verlaufsbeobachtung über 1 Jahr mit zunehmender Sklerose des medialen Klavikulaendes. Klinisch Schwellung, wenig Schmerzen. Keine weitere Skelettmanifestation, auch nicht Jahre später, sonst wäre differentialdiagnostisch auch eine chronisch rekurrierende multifokale Osteomyelitis (CRMO) zu diskutieren. Beachte den Gefäßkanal in der mittleren Klavikula kaudalseitig (Pfeil). b – d Ostitis deformans Paget mit Klavikulamanifestation bei einer polyostotischen Ausbreitung der Erkrankung (b u. c). 61jähriger Mann. Beachte den strähnigen Umbau der gesamten linken Klavikula, aber auch des Processus coracoideus. Auch der Humeruskopf findet sich umgebaut. Im korrespondieren-

d den Szintigramm (d) findet sich die stärkste Aktivitätsanreicherung in der linken verbogenen Klavikula und im Processus coracoideus, offensichtlich, weil sich hier die Erkrankung in einem noch floriden Stadium befindet. Im Humeruskopf und in der linken proximalen Humerusdia- und -metaphyse fanden sich im Übrigen riesenzelltumorartige Läsionen. Der Fall ist ausführlich bei Freyschmidt (1997 Abb. 14.42 c – n) dargestellt.

Abb. 3.90 Syphilitische Ostitis im Stadium III an der rechten Klavikula bei einem 2 Monate alten Säugling mit Lues connata. Weitere Manifestationen an den großen Röhrenknochen. Beachte die Kombination aus Destruktion der medialen Klavikulapartien mit massiven periostalen Knochenneubildungen, die offensichtlich der Destruktion vorausgegangen sind und damit dem Stadium II entsprachen.

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk Sternokostoklavikulare Hyperostose Eine in den letzten Jahren von uns und anderen Autoren zunehmend beobachtete Erkrankung in der Sternoklavikularregion ist die sternokostoklavikulare Hyperostose (Sonozaki u. Mitarb. 1981, Kasperczyk u. Freyschmidt 1983, Dihlmann 1993, Freyschmidt u. Freyschmidt 1996, Freyschmidt u. Sternberg 1998, Schilling u. Kessler 1998). Pathologisch-anatomisch steckt hinter der mit Schwellung und Rötung einhergehenden Veränderung ein entzündlicher Destruktionsprozess, der sich am Sternum, an den medialen Klavikulaenden und den Band- und Sehneninsertionen, insbesondere zwischen Rippen und Klavikulae abspielt (Abb. 3.91 u. 3. 123). Mit diesem abakteriellen Prozess geht aber immer gleichzeitig eine reaktiv-reparative und ankylosierende Verknöcherung in dem beschriebenen anatomischen Be-

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reich einher, die zu einer zunehmenden Einschränkung der Beweglichkeit in den Gelenken zwischen Manubrium und Klavikulae führt. Mit der Zeit greifen die Sklerosierungen auf die Klavikulae und die vorderen Rippen über, die intraossären Bänder (z. B. die Ligg. costoclavicularae) verknöchern, schließlich bekommt das Ganze einen plattenförmigen Ossifikationsaspekt (Abb. 3.91 a). Die sternokostoklavikulare Hyperostose kann isoliert ohne andere Krankheitserscheinungen auftreten, in der Mehrzahl der Fälle ist sie jedoch mit einer Pustulosis palmoplantaris und/oder einer Psoriasis assoziiert, die mit den klinischen und radiologischen Veränderungen im Sternoklavikularbereich zeitlich zusammenhängend auftreten, ihnen aber auch folgen können. Im klinischen Konzept bezeichnen wir das Ganze deskriptiv als pustulöse Arthroostitis, von anderen Autoren wird auch der Begriff des SAPHO-Syndroms (S = Synovitis,

b

a Abb. 3.91 a – h Sternokostoklavikulare Hyperostose: a Fortgeschrittene Veränderungen mit hirschgeweihartiger Ossifikation, insbesondere der manubriokostalen Verbindungen. Beachte die Zerstörungen in den Manubrioklavikulargelenken und die entzündliche Aufweitung der manubriosternalen Synchondrose.

b Überwiegend destruktive Form der sternoklavikularen Hyperostose mit vollständiger Zerstörung der Sternoklavikulargelenke, aber gleichzeitig bestehender Osteoproliferation.

Abb. 3.91 c CT-Schnittbildserie bei sternokostoklavikularer Hyperostose (c). Bei dieser Patientin ist überwiegend die rechte Klavikula einschließlich Manubrioklavikulargelenk befallen, das dazugehörige Ganzkörperszintigramm findet sich in Abb. f. Dort sieht man einen bevorzugten Befall der rechten medialen Klavikula und des Manubriums. Des Weiteren finden sich Manifestationen an den beiden unteren Thorakalwirbeln

sowie an den beiden unteren Lendenwirbeln und am Sakrum im Sinne einer unspezifischen Spondylitis/Spondylodiszitis. Beachte dabei die typischen Syndesmophytenbildungen an den befallenen Wirbelkörpern, die auf die Zugehörigkeit dieser Erkrankung zur Gruppe der seronegativen Spondarthritis hinweisen. Abb. 3.91 d – h 컄

c

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3 Schultergürtel und Brustkorb In Abb. 3.91 d u. e typische Stierkopfform der pathologischen skelettszintigraphischen Aktivitätseinlagerung in der Sternokostoklavikularregion. Abb. d gehört zur Röntgenabbildung in Abb. a, Abb. e zu der Röntgenabbildung in Abb. b. h Klinischer Befund der sternokostoklavikularen Hyperostose der Patientin der Abb. a u. d: Deutliche Rötung und Schwellung in der Sternokostoklavikularregion, wobei vor allem eine entzündliche Promienz im Bereich der Synchondrosis manubriosternalis imponiert.

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Schlüsselbein und Sternoklavikulargelenk A = Akne, P = Pustulosis, H = Hyperostosis, O = Ostitis) benutzt. Wir sehen in der pustulösen Arthroostitis eine Unterform der seronegativen Spondarthritiden, denn überhäufig entwickeln die Patienten assoziierte spondarthritische Veränderungen, die z. B. in das klassische Bild eines Morbus Bechterew einmünden können. Im Unterschied zu den klassischen Spondarthritiden steht der Schultergürtel und nicht die Sakroiliakalgelenkregion im Vordergrund und am Beginn der entzündlich destruktiven und proliferativen Veränderungen. Ungewöhnliche tumorähnliche Veränderungen an den Röhrenknochen kommen vor (Kasperczyk u. Freyschmidt 1993). Auf das Krankheitsbild der pustulösen Arthroostitis kann hier nicht näher eingegangen werden, es ist u. a. ausführlich bei Freyschmidt u. Freyschmidt (1996, 1998) dargestellt. Die meisten Patienten präsentieren sich verhältnismäßig spät, weil in der täglichen Praxis nicht an dieses Krankheitsbild gedacht wird. Unabhängig davon sind Frühformen röntgenologisch eigentlich nur mit der CT und Szintigraphie suffizient darstellbar. Wenn sich klinisch und radiologisch initiale destruktive und proliferative Veränderungen in der Sternokostoklavikularregion finden, sollte man stets ein Szintigramm anfertigen, das in der Sternokostoklavikularregion dann eine typische stier-

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kopfartige, starke Aktivitätsanreicherung erkennen lässt (bullhead sign, Freyschmidt u. Sternberg 1998). Das Szintigramm hat den Vorteil, dass es man auch weitere entzündliche Skelettveränderungen früh erkennen kann.

Tumor? Grundsätzlich kommen an der Klavikula alle Formen von primären und sekundären Knochentumoren vor. Beginnende osteosklerotische und auch osteolytische Veränderungen sind im Übersichtsbild häufig sehr schwierig zu erkennen. Repräsentativ für tumoröse Veränderungen sind dargestellt: 쐌 in Abb. 3.92 eine Langerhans-Zell-Histiozytose bei einem Kleinkind, 쐌 in Abb. 3.93 a eine fibröse Dysplasie, 쐌 in Abb. 3.93 b eine Knochenmetastase. Pseudotumoren der Klavikulae können infolge einer radikalen Neck-Dissection auftreten (Fini-Storchi u. Mitarb. 1985). Sie sind letztendlich Folge einer Stressfraktur mit Einblutung und reaktiven Veränderungen.

a

b Abb. 3.92 a, b Langerhans-Zell-Histiozytose (eosinophiles Granulom) bei einem 3-jährigen Kind mit Zerstörung der medialen Klavikulaabschnitte links. Beachte die muffenförmige solide Periostreaktion, die die Lücke des zerstörten Knochens

überbrückt. Dieses gilt als typisches Zeichen der LangerhansZell-Histiozytose. Im Schnittbild in Abb. b finden sich Knochentrümmer innerhalb der Periostmanschette, auch als Sequester bezeichnet. Spontane Rückbildung des Befunds nach 1 Jahr.

a

b Abb. 3.93 a, b Fibröse Dysplasie und metastatische Destruktion: a Fibröse Dysplasie mit Strukturauslöschung im mittleren Klavikuladrittel und leichter Verbreiterung des Knochens. Scharfe Grenzen der Läsion. Der mediale Anteil mutet typischerweise

mattglasartig an, was eine Unterscheidung von einer echten Knochenzyste ermöglicht. b Metastatische Destruktion des akromialen Abschnitts der Klavikula bei Nierenzellkarzinom.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Sonstige Veränderungen?

Abb. 3.94 Schmerzhafte Arthrosis deformans. Gelenkspalt verschmälert. Gelenkfläche sklerosiert. 63-jähriger Mann.

Das radiologische Bild einer Arthrosis deformans im Sternoklavikulargelenk (Abb. 3.94 u. 3.95) ist keine Seltenheit. Wir sehen es insbesondere auf digitalen Thoraxbildern (wegen des großen Objektumfangs) in der letzten Zeit sehr häufig. Auf Befragen haben die Patienten davon keinerlei Symptome, sodass man das Ganze als Nebenbefund, vielleicht sogar als altersassoziierte Variante einstufen kann. Selten sind schmerzhafte arthrotische Veränderungen (Abb. 3.94). Auf die Problematik von regressiven Diskusveränderungen im Sternoklavikulargelenk und auf das Bild der Subluxation in Kombination mit Arthrose wurde bereits im Kapitel „Fraktur, Subluxation/Luxation“ hingewiesen. Verkalkungen und Verknöcherungen der Ligamente der Klavikula sind in Abb. 3.26 u. 3.50 dargestellt.

Abb. 3.95 a – d Klassische Sternoklavikulargelenkarthrose bei einer 61-jährigen Patientin, die ihr Leben lang körperlich hart gearbeitet hatte. Klinisch fiel eine Prominenz der rechten medialen Klavikula auf. Nur gelegentlich Schmerzen und ein Knacken bei Bewegung des Gelenks, aber keine Schwellung. Möglicherweise ist das Manubrium asymmetrisch bzw. „schief“ angelegt, denn seine Querachse verläuft nicht horizontal. Deutliche produktive Knochenneubildungen am medialen nach kranial subluxierten Klavikulaende. Im Gelenkspalt (c u. d) ausgeprägtes Vakuumphänomen und deutliche subchondrale kleine Geröllzystenbildungen, die die Arthrose beweisen.

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Literatur Appell, R. G., H. C. Oppermann, W. Becker et al.: Condensing osteitis of the clavicle in childhood: a rare sclerotic bone lesion. Pediat. Radiol. 13 (1983) 301 Aumann, U., W. Brüning: Die Discopathie des Sternoclaviculargelenkes. Chirurg 51 (1980) 722 Brower, A. C., D. E. Sweet, T. E. Keats: Condensing osteitis of the clavicle: a new entity. Amer. J. Roentgenol. 121 (1974) 17 Clavo, E., D. Fernandez-Yruegas, L. Alvarez et al.: Bilateral stress fracture of the clavicle. Skelet. Radiol. 24 (1995) 613 Cone, R. O., D. Resnick, Th. G. Goergen et al.: Condensing osteitis of the clavicle. Amer. J. Roentgenol. 141 (1983) 387 Cope, R., H. O. Riddervold: Posterior dislocation of the sternoclavicular joint: report of two cases, with emphasis on radiologic management and early diagnosis. Skelet. Radiol. 17 (1988) 247 Dihlmann, W.: Akquiriertes Hyperostose-Syndrom (sogenannte pustulöse Arthroosteitis). Literaturübersicht einschließlich 73 eigener Beobachtungen. Wien. klin. Wschr. 105 (1993) 127 Enzler, A.: Die Claviculafraktur als Geburtsverletzung des Neugeborenen. Schweiz. med. Wschr. 80 (1950) 1280

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Brustbein

Normalbefund Im Wachstum Um das Brustbein in seiner Anatomie – und damit Röntgenanatomie – sowie hinsichtlich seiner zahlreichen Varianten zu verstehen, muss man Folgendes zu seiner Entwicklungsgeschichte wissen: Aus den vorderen Enden der noch mesenchymal angelegten 1. – 7. Rippe bildet sich durch ein leichtes Umbiegen eine beiderseitige Sternalleiste (Ruge 1980, Odita u. Mitarb. 1985,). Das Manubrium entsteht nicht nur aus den oberen Teilen beider Sternalleisten, sondern auch aus einem sich trichterförmig mitten zwischen beide Leisten hineinsenkenden interklavikularen Blastem. Aus dem interklavikularen Blastem entwickeln sich der kraniale und mittlere Teil, beide Sternoklavikulargelenke mit Diskus und Knorpelüberzug des medialen Klavikulaköpfchens sowie die Suprasternalgebilde (Abb. 3.96). Die Segmentierung des Sternums erfolgt im knorpeligen Stadium. Die ersten Knochenkerne erscheinen in der Fetalphase, z. T. auch im Säuglingsalter, wobei ihr chronologisches Auftreten von kranial nach kaudal verläuft (Abb. 3.97, linke Bildhälfte). Die Verschmelzung der Korpuskerne beginnt hingegen kaudal und setzt sich nach kranial zu fort (Abb. 3.97, rechte Bildhälfte).

Die ossifizierende Verschmelzung der Korpussegmente beginnt in der Mitte, zumeist zapfenförmig. Im Erwachsenenalter kann man diese zapfenförmige mittige Ossifikation häufig noch als besonders dichte sklerotische Zone erkennen. Die Ossifikation des Schwertfortsatzes erfolgt unabhängig von Lebensalter und der Verknöcherung der übrigen Sternalsegmente und zeigt gewisse Parallelen zu der Ossifikation des Rippenknorpels. Doppelte Knochenkerne sollen bei Jungen häufiger als bei Mädchen sein, wobei deren Ossifikation bevorzugt rechts beginnt. Paarige Knochenkerne werden offensichtlich nur kaudal, nie kranial von unpaaren Kernen beobachtet (Abb. 3.98). Beim Neugeborenen kommen mehrere Kerne im Manubrium in 21% der Fälle vor, im 1. und 2. Korpussegment in 50% der Fälle und im 3. Korpussegment in 74% der Fälle. Mehrkernigkeiten im Processus xiphoideus sind sehr ungewöhnlich. Zumeist liegen die oben erwähnten paarigen Kerne neben, selten untereinander. Grundsätzlich ist die Variationsbreite von Form und Zahl der Knochenkerne sowie deren Verschmelzungszeitpunkt sehr variabel, wie auch aus den Zahlenangaben der Abb. 3.97 hervorgeht. Aus dem bisher Beschriebenen ergibt sich, dass das Sternum im Wachstumsalter röntgenmorphologisch außerordendlich polymorph ist, wobei man mal größere, mal kleinere, manchmal nur erbsengroße Knochenelemente

Ossifikationsbeginn

Verschmelzung

4. bis 6. Fetalmonat

7. Fetalmonat

bis zum 25. Jahr in 10 % 13. bis 25. Jahr

8. Fetalmonat Pubertät 9. Fetalmonat Kleinkindalter 1. Lebensjahr 1. bis 20. Lebensjahr

Abb. 3.96 Entwicklung des Manubrium sterni. Schwarz gezeichnet das sog. interklavikulare Blastem.

bis zum 25. Jahr in 30 %

Abb. 3.97 Schematische Darstellung der Ossifikation und Verschmelzung der einzelnen Sternalabschnitte (nach Fischer).

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Brustbein

Neugeborenes

1 Jahr

2 bis 3 Jahre

3 Jahre

319

13 Jahre

Abb. 3.98 Schematische Darstellung der normalen Brustbeinossifikation (nach Herdner). zu erwarten hat, mit Ausnahme des Manubriums, in dem sich in der Mehrzahl der Fälle (ca. 80%) nur ein Kern findet. Das typische Röntgenbild des Sternums eines Kindes ist in Abb. 3.99 wiedergegeben.

Im Erwachsenenalter

a

Das Manubrium ist der breiteste und dickste Teil des Brustbeins (Abb. 3.100).

Incisura iugularis

b

Abb. 3.99 a, b

Typisches Bild des Brustbeins eines Kindes.

Incisura clavicularis

Incisura clavicularis Angulus sterni (= Angulus „Ludovici“)

Incisura costalis I

Manubrium sterni

Incisura costalis I

Synchondrosis manubriosternalis Incisura costalis II (Synchondrosis sternalis)

Corpus sterni (Planum sternale)

Incisura costalis III

Incisura costalis III

Incisura costalis IV

Incisura costalis IV

Incisura costalis V

Incisura costalis V Incisura costalis VI

Incisura costalis VI Processus xiphoideus

Incisura costalis VII

Incisura costalis VII

a

Abb. 3.100 a, b Präparateaufnahmen des Brustbeins (aus Wolf-Heidegger, G.: Atlas der systematischen Anatomie des Menschen, 2. Aufl. Karger, Basel 1961):

b

Processus xiphoideus

a Aufnahme von vorn. b Aufnahme von der linken Seite.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Sein oberer Rand zeigt einen mittleren Einschnitt, die Incisura jugularis, und 2 seitliche, die Incisurae claviculares. Die obere Kontur des Manubriums, also die Incisura jugularis und die Incisurae claviculares sind außerordentlich formreich. An den beiden Seitenrändern des Manubriums liegen die Incisurae costales der 1. Rippe. Bis zum mittleren Lebensalter ist das Manubrium durch eine mit Faserknorpel ausgefüllte Spalte vom Corpus sterni getrennt (Symphysis sterni oder Synchondrosis sterni). Manubrium und Corpus sterni finden sich an der Synchondrose gegeneinander abgewinkelt (Angulus sterni, Angulus Ludovici). An dieser Stelle tritt die 2. Rippe beiderseits an das Brustbein heran (Incisura costalis secunda), die z. T. dem Manubrium, z. T. dem Corpus angehört. Der Angulus Ludovici hat klinisch insofern eine Bedeutung, da man ihn leicht ertasten und damit auch die 2. vordere Rippe lokalisieren kann. Die 1. Rippe ist ja bekanntlich durch ihre tiefe Lage der Palpation nicht zugänglich. In der Frontalebene (konventionelle Tomographie, Rekonstruktionen nach axialer CT) finden sich die gegenüberliegenden Partien von Manubrium und Corpus sterni verhältnismäßig formvariant (Abb. 3.101, obere Bildreihe). Auch im Seitbild (Abb. 3.101, untere Bildreihe) sind Formschwankungen einschließlich Verdichtungen der subchondralen Knochenstrukturen und spornartige Knochenanbauten normal.

Abb. 3.101 Physiologische Formschwankungen der gegenüberliegenden Knochenabschnitte von Manubrium und Corpus sterni, die die Synchondrosis manubriosternalis bilden.

Nur bei Patienten mit seronegativer Spondarthritis können Osteoproliferationen gelegentlich – aber nur im Zusammenhang mit anderen Veränderungen im Skelett – eine pathologische Bedeutung bekommen. Das Corpus sterni ist schmaler und dünner als das Manubrium. An seinen Seitenrändern trägt es 5,5 Gruben (Incisurae costales) für die 2. – 7. Rippe. Die breiteste Stelle des Sternums befindet sich in der unteren Hälfte. Die Kraniokaudallänge des Corpus sterni bestimmt den Ansatz der 6. und 7. Rippe: Bei einem langen Brustbein setzen diese beiden Rippen seitlich, bei kurzem an dessen unterem Ende an. Seitlich ansetzende Rippen mit freiem Processus xiphoideus wurden in 65% der Fälle (Verhältnis Männer : Frauen 3 : 1), am Unterrand ansetzende Rippen in 35% der Fälle (Verhältnis Männer : Frauen 4 : 7) gefunden (Versé 1910). Noch als normal und nicht einmal als Variante können anstelle der Incisurae costales knöcherne Vorsprünge (Processus costales) aufgefasst werden. Der Processus xiphoideus besitzt eine große Formvarianz. Sie reicht von verschiedenen Spaltungen der Spitze und zentralen Lochbildungen bis zu plumpen tropfenförmigen Gebilden (Abb. 3.102). Die Synchondrosis xiphosternalis ist ebenso mannigfaltig geformt wie der Schwertfortsatz. In 50% der Fälle findet sich eine vollständige knöcherne Verschmelzung (Abb. 3.113).

Obere Bildreihe frontal, untere Bildreihe sagittal bzw. seitliche Ansicht.

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Brustbein

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a

Untersuchungsverfahren Die konventionell-radiographische Untersuchung des Brustbeins bereitet wegen der Vielfachüberlagerungen mit der Wirbelsäule, den Rippen und den Lungen erhebliche Schwierigkeiten. Die seitliche Brustbeinaufnahme kann über die grobe Anatomie (Größe, Lage, Form) Auskünfte geben. Da jedoch bei den meisten Menschen, insbesondere bei älteren, leichte Thoraxwandverformungen bestehen und mit dem Alter der Rippenknorpel zunehmend verkalkt, ist auch mit dieser Methode häufig eine überlagerungsfreie Darstellung gar nicht möglich. Umschriebene Knochendestruktionen usw. entgehen normalerweise der konventionellen Darstellung. Die Methode der Wahl zu einer optimalen Darstellung der knöchernen Strukturen des Sternums ist heute die CT. Man muss jedoch mit dieser Methode am Brustbein vertraut sein, um aus der Normalanatomie nicht pathologische Befunde herauszulesen. Die normalen Maße sind in Tab. 3.2 wiedergegeben. Die Größe des Sternums nimmt bis zum 25. Lebensjahr linear zu und ändert sich dann nicht mehr. Die Kortikalisdicke des Sternums korreliert mit der Größe und dem Gewicht des Patienten (Hatfield u. Mitarb. 1984). Bis zum 24. Lebensjahr nimmt die Kortikalisdicke zu und ändert sich dann nicht mehr. Der Markraum des Manubriums kann bis zum 5. Lebensjahr in ca. 70% der Fälle nicht ausreichend im Weichteilfenster dargestellt werden, mit zunehmendem Alter verbessert sich jedoch die Situation. Schon im Alter von 20 Jahren ist der Markraum bei ca. 90% aller Patienten computertomographisch beurteilbar. Auf Grund ihrer Größe und Form lassen sich Manubrium und

b Abb. 3.102 a, b Formenreichtum des Processus xiphoideus: a Die oberste linke Darstellung lässt eine zentrale Lochbildung erkennen. b Röntgenaufnahme des Processus xiphoideus seitlich. Er scheint mit dem untersten Sternalsegment eine feste knöcherne Verbindung zu haben.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Corpus sterni computertomographisch eindeutig differenzieren. In der Studie von Hatfield u. Mitarb. (1984) war bei Patienten unter 15 Jahren nur in 9% der Fälle der Processus xiphoideus darstellbar, bei Patienten über 30 Jahre allerdings in mehr als 80% der Fälle. Typischerweise sind die Übergänge vom Manubrium zum Korpus und vom Korpus zum Processus xiphoideus in ihrer radiologischen Dichte erhöht (Abb. 3.103 a – e), was sich zwanglos dadurch erklärt, dass sich physiologischerweise – insbesondere bei erwachsenen Menschen – im Subchondralbereich der Manubriosternalsynchondrose und in der Synchondrose Sklerosierungen finden können, bzw. durch die Verschmelzung zwischen Korpus und Processus xiphoideus dichtere unstrukturierte Verknöcherungsareale entstehen. Bei den dichteren Strukturen in der Nähe der manubriosternalen Synchondrose ist noch zu bedenken, dass der Markraum in dieser Region kleiner ist. Auch im Brustbeinkörper finden sich Zonen erhöhter Dichte, die sozusagen Relikten der knöchernen Verschmelzungsvorgänge entsprechen. Bei über 80% aller untersuchten Patienten ist die Kontur des Sternums scharf, kortikale Unschärfen finden sich computertomographisch gelegentlich auf der Rückseite des Manubriums und an den lateralen Oberflächen des Corpus sterni (Abb. 3.103 f u. g u. 3.124). Letztere sind offensichtlich durch die leichten Einsenkungen der Incisurae costales und durch ihren Schräganschnitt bei der CT-Untersuchung bedingt. Die kostochondralen Kalzifikationen sind nach den CT-Untersuchungen von Hatfield u. Mitarb. (1984) bei Männern deutlich ausgeprägter als bei Frauen und sie nehmen – wie von der konventionellen

Diagnostik her bekannt – mit dem Alter zu. Die parasternalen Weichteilabschnitte, denen anatomisch der Rippenknorpel zugrunde liegt, haben häufig eine relativ breite spindelförmige Figur (Abb. 3.103), was nicht zu Verwechslungen mit tumorösen Formationen führen sollte. Außerdem sind diese Verbreiterungen der Weichteilschatten in der Regel bilateral und symmetrisch angelegt. Szintigraphisch reichert die manubriokorporale Synchondrose physiologischerweise etwas verstärkt den Tracer an, weil offensichtlich durch die gewisse Beweglichkeit in dieser Verbindung ein stärkerer Knorpel- und Knochenumbau stattfindet (Abb. 3.103).

a, b

c, d

Abb. 3.103 a – h Typische CTBilder von Manubrium und Corpus sterni: a – e Region der Synchondrosis manubriosternalis mit sehr dichten schlierigen subchondralen Strukturen. In Abb. c ist die Synchondrose direkt angeschnitten, in Abb. d beginnt das Corpus sterni. Es handelt sich dabei um eine 46-jährige Frau mit einem Non-HodgkinLymphom. Das Szintigramm in Abb. e war als verdächtig auf einen Knochenherd interpretiert worden. Auf der Schrägprojektion ist die Region der Synchondrosis manubriosternalis stärker belegt, was aber noch zu einem altersentsprechenden Normalbefund gehört, da sich in der Synchondrose regressive Veränderungen physiologischerweise abspielen. Beachte die proliferativen Veränderungen auf der Vorderfläche des Manubriums in Abb. a. Der Follow-up der Patientin bewies, dass es sich tatsächlich nur um eine Normvariante handelte.

e

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Brustbein

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Abb. 3.103 f, g Die Schnittbildserie in Abb. f1 – f11 demonstriert physiologische Unschärfen hinter dem Manubrium sterni und im Bereich der Incisurae costales bei einer 62jährigen bzgl. des Brustbeins asymptomatischen Frau. Beachte die Unschärfe in f1 und die leichte Unschärfe und Spikulierung in f2, die einem völlig physiologischen Phänomen entsprechen. In f5 ist die Synchondrose angeschnitten. Beachte die Unschärfe an den Seiten des Corpus sterni im Bereich der Incisurae (f8, f9). Bei dem Schnitt f11 ist eine Partie dargestellt, die zwischen den Incisurae liegt und beidseits glatte Konturen zeigt. Beachte auch, dass sich die dem Manubrium und Corpus sterni angrenzenden Weichteilstrukturen unauffällig darstellen. Das dazugehörige Szintigramm in Abb. g ist normal. Die leicht verstärkten Aktivitätsanreicherungen im Manubrioklavikulargelenk rechts und in der Synchondrosis manubriosternalis sind altersentsprechend. Bei der kleinen verstärkten Aktivitätsanreicherung an der linken vorderen Rippe handelt es sich um ein anamnestisch bekanntes Trauma. Anm.: Bei den dargestellten CT-Schnitten f1 – f11 handelt es sich nicht um eine kontinuierliche Serie, sondern um von kranial nach kaudal ausgewählte Bilder.

f 1, f 2

f 3, f 4

f 5, f 6

f 7, f 8

f9, f10

f11, g Abb. 3.103 h  Aus Freyschmidt's "Köhler/Zimmer", ISBN 3-13-362214-5 © 2002 Georg Thieme Verlag

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Der Formenreichtum des Brustbeins ist so mannigfaltig, dass eine Differenzierung zwischen Norm und Varianz einerseits und Deformität andererseits z. T. beträchtliche Probleme bereitet. Ein Beispiel ist in der Abb. 3.104 wiedergegeben, das bei einem völlig gesunden, 14-jährigen Jungen zahlreiche Spalten, Einschnitte und Asymmetrien erkennen lässt. Ob man – wie früher und auch in der vorherigen Auflage dieses Buchs – ausgerechnet das Brusbein als Testobjekt für Skelettanomalien nehmen kann, ist unseres Erachtens äußerst fragwürdig und wird durch die Abb. 3.104 konterkariert. Allein die Asymmetrie der Knochenkernentwicklung mit konsekutiver Asymmetrie und Irregularität der Konturen der einzelnen knöchernen Elemente (Abb. 3.105) lässt eine Unterscheidung zwischen Normvarianz, extremer Normvarianz und eindeutiger Anomalie nicht zu. Frühere Arbeiten zu diesem Thema sind in ihrem Aussagewert heute sicherlich zu bezweifeln, da es früher an Möglichkeiten einer exakten Darstellung der röntgenanatomischen Verhältnisse fehlte. Seit der Einführung von Schnittbildverfahren hat sich um dieses Problem eigentlich kaum ein Autor mit seriösen Arbeiten hervorgetan. Als Folgen einer Asymmetrie der Knochenkernentwicklung können sich einstellen:  Seitenverbiegung des gesamten Brustbeins oder des Corpus sterni allein,  einseitige Verbreiterung von Manubrium und Corpus sterni,  ungleich hoher Rippenansatz,  Verlaufsabweichungen der Synchondrosis superior. Auch die verzögerte mediane Kernverschmelzung ist hinsichtlich der Grenzziehung zwischen Variante und Anomalie schwer einzuschätzen und wahrscheinlich nur im Kontext mit möglichen weiteren Skelettveränderungen zu interpretieren. Nach Herdner (1947) lassen sich 4 Grade der verzögerten medianen Kernverschmelzung bei weitgehender vertikaler Ossifikation unterscheiden. Von Herdner ( Abb. 3.106) werden die Grade 3 und 4 als pathologisch eingestuft (Grad 4 stellt offensichtlich einen Übergang zur Fissura sterni dar). Beispiele von „Verschmelzungsstörungen“ sind in den Abb. 3.107 – 3.110 wiedergegeben.

h

컅 Abb. 3.103 h Ergänzende Schnittbildserie mit 1,5 mm dicken kontinuierlichen Schnitten durch die Synchondrosis manubriosternalis. Die beiden oberen Abbildungen zeigen noch das unterste Manubrium. In den dann folgenden 3 Abbildungen ist die Synchondrose angeschnitten, wobei sich zentral irreguläre Sklerosierungen finden (vgl. mit Abb. 3.125). Im 3. und 4. Bild von oben fehlt die rechte Kontur und im 4. – 6. Bild die linke Kontur, immer exakt im Bereich der Inzisuren mit Schräganschnitt. In den beiden untersten Bildern stellt sich dann wieder das „solide Bild“ des Brustbeins mit allseits umgebender Kompakta dar. Solche Schnittbildserien um die Synchondrosis manubriosternalis und die Synchondrosen im Corpus sterni werden häufig als tumoröse Formationen, z. B. im Sinne von osteolytisch-osteosklerotischen Metastasen fehlgedeutet, insbesondere bei zu dünnen Schnitten (1,5 – 2 mm)! Frontale und sagittale Bildrekonstruktionen können allerdings Abhilfe schaffen.

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Brustbein Abb. 3.104 Frontale Schichtaufnahme des Brustbeins eines 14jährigen gesunden Jungen mit zahlreichen Spalten, Einschnitten und Asymmetrien.





325





Abb. 3.106 Schematische Darstellung der medianen Kernverschmelzung (nach Herdner).

10 J.

a

12 J.

b

4 J.

c

7 J.

d

9 J.

e

18 M.

2 J.

f

g

Abb. 3.105 a – l Anomalien der Knochenkernentwicklung (zusammengestellt nach Zimmer, Herdner, Pfeiffer, Schmid und Weber). Asymmetrie der Knochenkernentwicklung (a u.

4 J.

h

6 J.

i

6 J.

k

8 J.

l

g). Irreguläre Konturen der Knochenkerne (b, e, i u. k). Stufenförmiger Verlauf der Zwischenräume (a u. g). Mehrfache Manubriumkerne (c – l) (nach Fischer).

Abb. 3.107 Lochsternum mit persistierender Segmentie-  rung bei einem 22-jährigen Mann.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Abb. 3.109 Konventionelles frontales Schichtbild eines abnormen Corpus sterni bei einem sonst gesunden 12-jährigen Kind. Bis auf einen großen Kern links distal sind alle übrigen Kerne verschmolzen.

컅 Abb. 3.108 Sternum multipartitum eines Erwachsenen. Subchondrale Sklerosierung im Bereich der Incisurae claviculares (Pfeil). In der Medianebene vorauseilende Ossifikation der kaudalen Korpussynchondrose (einfacher Pfeil). Wellige Konturen am oberen bzw. unteren Rand der Korpussegmente (Doppelpfeil) (aus Fischer, E.: Sternum und Sterno-Claviculargelenke. Handbuch der Medizinischen Radiologie, Bd. IV/2. Springer, Berlin 1968).

a

b Abb. 3.110 a, b Fissura sterni incompleta: a Tomographie einer Fissura sterni incompleta durch Nichtverschmelzung des Manubrium sterni bei verschmolzenen Corpus sterni.

b Auf dem Summationsbild projiziert sich die Spalte auf 2 Wirbelkörper rechts der Dornfortsätze und täuscht Spaltbildungen vor.

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Brustbein

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Nach dem 3. Dezennium bleibt bei 90% aller Menschen die Synchondrosis manubriosternalis erhalten, nur bei ca. 10% aller Menschen synostosiert sie, ein Befund, der also als Normvariante angesehen werden muss (Abb. 3.101, obere Reihe rechts). Bei einem vollständigen Ausbleiben der Verschmelzung der Sternalleisten spricht man von einer Fissura sterni completa. Gomez u. Mitarb. (1985) und Sammarai u. Mitarb. (1985) fanden Kombinationen mit anderen Anomalien z. B. des Zwerchfells, des Abdomens, des Herzens oder anderer Organe. Von vielen Autoren wird eine Teilspaltung des Sternums (Fissura sterni incompleta, Abb. 3.110) ebenfalls als echte Fehlbildung angesehen. Sie tritt zumeist im oberen Brustbein auf und ist in der Regel mit anderen Organanomalien verbunden (partielle Herzektopie, Kutisfissur und Wammenbildung usw.). Bei der Fissura sterni werden an den nichtverschmolzenen Sternalleisten fast konstant persistierende Segmentfugen, -verschiebungen und -deformierungen gefunden (Polvar 1951, Ashley 1956). Eine Art von Verschmelzungsstörung stellt sicherlich auch das sog. Foramen sternale dar. Es wird bei etwa 2 – 8% aller CT-Untersuchungen der Thoraxorgane mit spezieller oder zusätzlicher Fokussierung auf das Corpus sterni gefunden (Hatfield u. Mitarb. 1984, Stark 1985, Schratter u. Mitarb. 1997). Ansich ist das Foramen sternale eine kleine harm- und bedeutungslos anmutende Entwicklungsanomalie. Sie bekommt jedoch eine große praktische Bedeutung bei sternalen Punktionen, heute insbesondere bei Akupunkturpunkt „KG 17“ (Schratter u. Mitarb. 1997). Wenn man das Foramen durchsticht, kann es ungewollt zu fatalen Herztamponaden usw. kommen. Nach Schratter u. Mitarb. (1997) kann man 4 Typen des Foramen sternale unterscheiden (Abb. 3.111).

a Abb. 3.111 a – e Foramen sternale: a Schematische Darstellung der verschiedenen Erscheinungsformen des Foramen sternale (nach Schratter u. Mitarb.).

Abb. 3.111 b – e Zufallsbeobachtung eines inkompletten Foramen sternale Typ II mit hauchdünner, die Unterbrechung des Sternums überbrückender Knochenlamelle. Tumoröse Formation im vorderen Mediastinum links.

b, c

d, e

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3 Schultergürtel und Brustkorb Typen des Foramen sternale nach Schratter u. Mitarb.: ➤ Typ I: Vollbild mit kompletter knöcherner Unterbrechung im axialen CT. ➤ Typ II: Nur hauchdünne, die Unterbrechung des Sternums überbrückende Knochenlamelle. ➤ Typ III: Knöcherne Brückenbildung mit erkennbarer Dreischichtung (Kompakta-Spongiosa-Kompakta). ➤ Typ IV: Keine Unterbrechung des Sternums, lediglich Einziehung der ventralen und/oder dorsalen Kompakta.

Abb. 3.112 Prämature Synostose und fehlende Segmentierung des Sternums bei einem Kind mit komplexen Fehlbildungen am übrigen Skelett und an inneren Organen.

Abb. 3.113 Fehlende Segmentierung im unteren Brustbeinbereich mit zackenförmigem Ende des Processus xiphoideus, der scharf nach ventral abwinkelt. Zufallsbeobachtung, also normvariant.

Aus ihren Beobachtungen folgern Schratter u. Mitarb., dass bei einer geplanten Akupunktur oder Sternalpunktion im Bereich des Corpus sterni routinemäßig eine Schrägaufnahme des Sternums angefertigt werden sollte, ggf. ergänzt durch die CT. Eine Lochbildung im Sinne eines Foramens wurde im Manubrium sterni bei 205 untersuchten Brustbeinen nur einmal beobachtet (Versé 1910). Derselbe Autor, der seine Erkenntnisse aus echten anatomischen Untersuchungen gewann, fand übrigens im Corpus sterni in 3% der Fälle ein Loch und im Processus xiphoideus in 5% der Fälle (Abb. 3.107). Eine prämature Synostose (Abb. 3.112) und fehlende Segmentierung (Abb. 3.113; Segmentierung ist nicht Folge der metameren Kernanlage, sondern erfolgt vor der Ossifikation im Knorpelstadium, s. oben) führt zu kleinen, plumpen Brustbeinen mit Abwinkelung nach ventral (sog. Taubenbrust). Eine echte Variante stellen die Ossa suprasternalia (auch als Ossa episternalia bezeichnet) dar. Sie liegen zumeist etwas hinter der Oberkante des Manubriums und erklären sich aus der entwicklungsgeschichtlichen Besonderheit der Entstehung des Manubriums aus 2 verschiedenen Blastemen. Sie werden bei etwa 1 – 7% aller Menschen als harmloser Nebenbefund entdeckt (Abb. 3.114, 3.116 u. 3.117). Neben dem Manubrium im Knorpel der 1. Rippen gelegene, überwiegend dreieckförmig anmutende akzessorische Knochenelemente werden als Ossa parasternalia bezeichnet (Abb. 3.115 u. 3.116). Weitere Lokalisationen isolierter oder akzessorischer Knochenelemente sind in der Synchondrosis manubriosternalis (Mauch 1956), an der superoposterioren Kante des Manubriums (Fischer 1968) und im Ansatz der 2. Rippe in Höhe der Synchondrosis superior beschrieben.

Abb. 3.114 Manubriumpräparat mit 2 Episternalknochen (Ossa supra- oder episternalia). Abb. 3.115

Os parasternale im Tomogramm.

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Brustbein

Abb. 3.116 Episternalknochen (Pfeile) und Parasternalknochen (Doppelpfeile).

Die räumliche Lage des Sternums im Kontext mit dem gesamten knöchernen Thorax weist Varianten auf, die man kennen muss, um sowohl klinische als auch radiologische Fehldiagnosen zu vermeiden. So nimmt allein bei vielen Menschen mit zunehmendem sog. Altersemphysem und zunehmender Kyphose der Brustwirbelsäule die Krümmung zwischen Manubrium und Corpus sterni (sog. Angulus Ludovici) zu. Bei Kindern und Jugendlichen kann das Sternum ausgesprochen „schief“ liegen, zumeist Folge einer asymmetrischen stärkeren Ausbiegung der knorpeligen Rippenpartien (Abb. 3.118 u. 3.119). Solche Befunde werden von der Klinik her häufig als tumoröse Formation im Bereich der vorderen Thoraxwand fehlinterpretiert, insbesondere wenn die jungen Patienten dabei noch „leichte ziehende Schmerzen im Parasternalbereich“ beklagen. Mit dieser Problematik haben sich Donnelly u. Mitarb. (1997) an einem Krankengut von 51 Kindern (Zeitraum 1989 – 1996) befasst. Hinzugezogen wurden 27 Schnittbilduntersuchungen (13 MRT, 14 CT) zur Abklärung asymptomatischer palpabler fokaler, an der vorderen Brustwand gelegener Läsionen bei sonst gesunden Kindern. Sie fanden bei 10 Kindern prominente vordere Rippenpartien, bei 6 Kindern ein schiefes Sternum, bei 4 Kindern einen prominenten asymmetrischen Rippenknorpel, bei 1 Kind eine Gabelrippe. Auf Grund ihres Datenmaterials kommen die Autoren zu dem Schluss, dass die Indikation zu einer Schnittbilduntersuchung bei asymptomatischen vorderen Brustwandläsionen sehr kritisch geprüft werden muss. Nur bei Schmerzsymptomatik oder einer schmerzhaften palpablen Masse muss dem Befund nachgegangen werden, denn dahinter können sich verschiedendste tumoröse (z. B. Ewing-Sarkom, neuroektodermale Tumoren, Neuroblastommetastase usw.) und entzündliche (Osteomyelitis, Tuberkulose, LangerhansZell-Histiozytose usw.) Veränderungen verbergen. Eine Einsenkung der vorderen unteren Thoraxwand wird als Trichterbrust (Pectus excavatum) bezeichnet. Die Einsenkung hat ihre tiefste Stelle (den Trichter) in Höhe der Synchondrosis xiphosternalis, dabei aber selten in der Medianebene, sondern paramedian (86% der Fälle, Hümmer u. Rupprecht 1985). Die Einziehung der vorderen Brustwand kann auch in Form einer breiten Mulde auftreten. Mit der Trichterbrust ist oft ein totaler oder partieller Defekt des M. pectoralis verbunden. Im Thoraxbild verursacht die Trichterbrust paramediane Lungenverschattungen, die sich aus den beidseits steil abfallenden orthograd getroffenen Brustwandpartien erklären (Abb. 3.120).

329

Abb. 3.117 CT-Aufnahme von 2 Ossa suprasternalia, die an der oberen dorsalen Kante des Manubriums gelegen sind und etwas hinter das Manubrium reichen (aus Elster, A. D., P. Stark: Fortschr. Röntgenstr. 143 [1985] 246).

Abb. 3.118 „Schief“ liegendes Sternum, wodurch die linken oberen Parasternalpartien stärker hervortreten und eine tumoröse Veränderung vortäuschten. Klinisch hatte das 15-jährige Mädchen eine leichte Druckdolenz in der linksthorakalen Prominenz. Letztendlich also harmlose anatomische Variante. Die leichte Druckdolenz erklärt sich möglicherweise aus einer stärkeren mechanischen Beanspruchung der linken Muskelund Bandinsertionen. Typischerweise bestand keinerlei Ruheschmerz.

Im Extrem nähert sich die vordere Brustwand bis auf wenige Zentimeter der Wirbelsäule. Das Herz ist zumeist nach links verlagert, im Uhrzeigersinn gedreht und hat die Form eines Pfannkuchens. Die kongenitale Trichterbrust kommt bevorzugt beim männlichen Geschlecht vor, sie wird als endogene Entwicklungsstörung häufig in Kombination mit anderen Fehlbildungen angetroffen, so z. B. im Rahmen eines Marfan-Syndroms. In Tab. 3.5 sind Syndromassoziationen bei Sternumanomalien aufgelistet. Leichtgradige Trichterbrüste lassen sich ohne weiteres als Normvariante einordnen.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

a, b

Abb. 3.119 a – f 13-jähriges Mädchen mit leistenförmigen Prominenzen im vorderen unteren infrasternalen Rippenknorpelbereich. Keine klinischen Beschwerden. Der Befund störte lediglich die Mutter des jungen Mädchens. Szintigraphisch normaler Befund mit typischer prononcierter Tracereinlagerung im Knorpel-Knochen-Übergangsbereich und dem gesamten Sternum. Beachte den asymmetrischen, etwas prominenten Rippenknorpel auf den Abb. c u. d, ferner, dass sich um den Rippenknorpel völlig normales Fettgewebe findet, was eine tumoröse Formation ohnehin ausschließt.

c, d

e, f

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Brustbein

331

Tabelle 3.5 Syndromassoziationen bei Sternumanomalien (nach Reeder u. Felson) Hypersegmentation: 앫 Trisomie 21 (Down-Syndrom)

Untersegmentation (oft mit Hypoplasie und prämaturer Fusion): 앫 kampomelische Dysplasie 앫 Cornelia-de-Lange-Syndrom 앫 Noonan-Syndrom 앫 Trisomie-18-Syndrom Pectus carinatum (Kiel-, Hühner-, Taubenbrust): angeborene Herzfehler, insbesondere zyanotische isolierter Befund Morquio-Syndrom Noonan-Syndrom spondyloepiphysäre Dysplasie Untersegmentation, Hypoplasie (s. oben)

앫 앫 앫 앫 앫 앫

Trichterbrust: kongenitales Tibiabowing angeborene Herzfehler Ehlers-Danlos-Syndrom Homozystinurie isolierter Befund; idiopathisch Marfan-Syndrom Mitralklappenersatzsyndrom Neugeborene mit Atemnotsyndrom Osteogenesis imperfecta

앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫 앫

Abb. 3.120 b Im Seitbild sieht man sehr eindrucksvoll das nach dorsal großbogig verlagerte mittlere und untere Sternum. c Diese Aufnahme wurde nach Hladik angefertigt. Man legt auf die vordere Thoraxwand in den Trichter eine Bleikette und die Aufnahme wird in In- und Exspiration doppelt belichtet. Dadurch werden Art und Größe der Sternumbewegungen direkt auf einer Aufnahme beurteilbar. Nach einem Vertebral- und Frontosagittalindex lässt sich eine Differenzierung der Trichter in leichte, mittelschwere und schwere Formen vornehmen und die Operationsindikation ableiten (genaue Beschreibung der Methode, Operationsindikation und Ergebnisse s. bei v. d. Oelsnitz 1983). Die Trichterbrust kann heute selbstverständlich auch mit der CT definiert werden.

a Abb. 3.120 a – c Typische Trichterbrust: a Links verlagertes Herz, das eine angedeutete Pfannkuchenform hat. Es weist auch eine etwas vermehrte Drehung im Uhrzeigersinn auf, wodurch das pulmonalarterielle Segment stark hervorspringt. Für den Unerfahrenen wird ein Mitralherz vorgetäuscht.

b

c

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Fraktur, Subluxation/Luxation? Sternumfrakturen kommen in größeren Unfallstatistiken in einer Häufigkeit von 0,2 – 0,5% vor. Es dominieren direkte gegenüber den indirekten Brüchen (z. B. Hyperflexionsbrüche der Wirbelsäule; übermäßige Anspannung der am Sternum ansetzenden Muskulatur beim Heben schwerer Lasten, bei Turnübungen usw.). Typisch ist die Quer- oder Schrägfraktur nahe der Synchondrosis manubriosternalis. Vor allem Korpusfrakturen sind häufig schwer zu diagnostizieren. Am leichtesten kann dies immer noch durch eine einfache seitliche Aufnahme, ggf. gezielt und unter Durchleuchtung (Abb. 3.121), gelingen. Quer verlaufende Frakturen sind mit der CT sehr schwer darstellbar, da ja die Schnittführung in der Regel parallel zum Frakturspalt verläuft. Hier können bei enger Schnittführung mehrdimensionale Bildrekonstruktionen Abhilfe leisten. Eine sichere Methode, solche Frakturen – auch aus forensischer Sicht – zu erfassen, stellt die Skelettszintigraphie dar (Abb. 3.121 b), die in der Regel nach etwa 3 – 5 Tagen positiv wird. Sehr schwierig sind häufig auch komplette traumatische Herauslösungen des Sternums aus dem Rippenknorpelverband zu diagnostizieren, wenn die Dislokation nur einige Millimeter beträgt. Das gilt auch für die sehr seltenen Zerreißungen im Bereich der Knorpelfugen. Hierbei und bei reinen Kontusionen im Rippenknorpelbereich ist die Szintigraphie als die sensitivste Methode anzusehen. Das Brustbein stellt bei Patienten mit einer Osteoporose einen Prädilektionsort für Insuffizienzfrakturen (Abb. 3.122) dar, die – wenn sie ohne Dislokationen erfolgen – manchmal äußerst schwierig zu diagnostizieren sind, auch der CT-Darstellung entgehen können. Quer oder schräg verlaufende umschriebene Aktivitätsanreicherungen im Szintigramm beweisen bei entsprechender klinischer Symptomatik die Verdachtsdiagnose. Die entscheidende Differentialdiagnose gegenüber Frakturen ergibt sich aus den oben beschriebenen Varianten oder anomalen Spaltbildungen des Brustbeins. In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass insbesondere bei dem extremen Formenreichtum des Processus xiphoideus eine Differenzierung zwischen Variante, Anomalie und Fraktur manchmal unmöglich sein kann. Es sei noch einmal betont, dass die Diagnose am sichersten mithilfe der Szintigraphie zu stellen ist.

a

Nekrose?

b Abb. 3.121 a, b Sternumfraktur: a Frische Sternumfraktur im zweiten Segment des Corpus sterni bei einer 62-jährigen Frau (Verkehrsunfall) (Pfeil). b Typisches Skelettszintigramm bei einer starken Prellung durch den Sicherheitsgurt mit Traumatisierungen im vorderen mittleren rechten Rippenbereich, im unteren Corpus sterni und – schräg nach unten – im linken Hüftbereich.

Nekrosen dürften am Brustbein genauso selten wie an der Wirbelsäule vorkommen, da der Knochen insgesamt verhältnismäßig gut durchblutet ist und frühe Reparationseffekte erwartet werden können. Uns selbst ist keine Literatur über Nekrosen und ihre Differentialdiagnose am Brustbein bekannt, was wahrscheinlich auch mit den schlechten Abbildungsverhältnissen und damit der Beweisbarkeit einer Nekrose zusammenhängt. Die Differentialdiagnose zur Nekrose ergibt sich aus den verschiedenen physiologischen Sklerosierungen in der Nähe der Synchondrosis manubriosternalis und im Verschmelzungsbereich der einzelnen Sternumsegmente sowie aus den oben beschriebenen Ossa parasternalia, wenn sie unregelmäßig gestaltet sind.

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Brustbein

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b Abb. 3.122 a, b Stressfraktur im Sinne einer Insuffizienzfraktur bei einer älteren Frau mit Osteoporose. Szintigraphisch massive Anreicherung im unteren Corpus sterni: a Im seitlichen Übersichtsbild unspezifische Verdichtung im unteren Corpus sterni (Stern). b Im CT-Querschnitt (links oben) unspezifische Verdichtung. Erst die verschiedenen Bildrekonstruktionen lassen ganz unmissverständlich die quer verlaufende Verdichtungszone im unteren Korpusbereich erkennen.

a

Entzündung? Auf einen entzündlichen Prozess im Manubriosternalbereich wird man dann kommen, wenn die Patienten dort Schmerzen haben, wenn sich im seitlichen Übersichtsbild oder in der CT ausgefranste Konturen und subchondrale Sklerosen finden und das Szintigramm „heiß“ ist. Häufiger als bakterielle Entzündungen, die zumeist mit gröberen Destruktionen einhergehen, sind entzündliche Reaktionen am Sternum bei seronegativen Spondarthritiden inklusive der pustulösen Arthroostitis (Abb. 3.91 u. 3.123). Insgesamt finden sich Erosionen, Sklerosierungen und/ oder Fusionen der manubriosternalen Synchondrose oder auch der Sternoklavikulargelenke bei den in Tab. 3.6 aufgelisteten Krankheitsbildern: Entzündliche Veränderungen des Rippenknorpels im Parasternalbereich stellen ein diagnostisches Problem dar, da man im floriden Stadium weder im konventionellen Röntgenbild noch mit der CT Veränderungen sicher abgrenzen kann. Über diagnostische Erfolge mit der MRT liegen uns keine Literaturberichte vor. Nur in Spätstadien mit Ausbildung metaplastischer Verknöcherungen lässt sich eine radiologische Diagnose stellen, die dann wiederum Abgrenzungsschwierigkeiten gegenüber einem Chondrosarkom bereiten kann (Abb. 3.124 a u. b). Das sog. Tietze-Syndrom geht klinisch mit einer druckschmerzhaften oder spontan schmerzenden Vorwölbung des parasternalen Rippenknorpels, vor allem der 2. – 4. Rippe, einher. Wir bezweifeln die Eigenständigkeit dieses Syndroms, insbesondere, da es zu Zeiten seiner Entstehung keine vernünftigen diagnostischen Verfahren zu

Tabelle 3.6 Krankheitsbilder, bei denen sich Erosionen, Sklerosierungen und/oder Fusionen der manubriosternalen Synchondrose oder auch der Sternoklavikulargelenke finden Häufig

Ungewöhnlich

앫 Ankylosierende

앫 kongenitale Fusions-

앫 앫

앫 앫

Spondylitis Degenerative Veränderungen Posttraumatische und postchirurgische Veränderungen Psoriasisarthritis s. PAO Rheumatoide Arthritis

störung 앫 enteropathische Arthritis 앫 Fluorose 앫 infektiöse Ursachen im

Sinne einer pyogenen Osteomyelitis oder Tuberkulose 앫 Reiter-Syndrom 앫 chronische rekurrierende Polychondritis

PAO pustulöse Arthroostitis (S. 313 ff. und Abb. 3.123 e – h)

seiner Objektivierung gab. Wahrscheinlich steckt dahinter nichts anderes als eine unspezifische Chondritis-Perichondritis des Rippenknorpels, entweder spontan oder nach mehr oder weniger unbewussten Traumen entstanden, vielleicht auch eine beginnende sternokostoklavikulare Hyperostose.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

a

e, f

g, h

Abb. 3.123 a – h Sternokostoklavikulare Hyperostose und Manubriosternalarthritis. Typische Fälle mit sternokostoklavikularer Hyperostose bei Patienten mit Pustulosis palmoplantaris (Psoriasisvariante): a – d 38-jährige Frau mit starker lumbosakraler rechtsseitiger Schmerzsymptomatik und b Schmerzen und Schwellung in der Sternokostoklavikularregion. Im Skelettszintigramm massive Aktivitätsanreicherung in der Sternokostoklavikularregion, wobei die starke Tracereinlagerung weit auf die rechte Klavikula übergreift (Stierkopfzeichen oder bulhead-sign, Freyschmidt u. Sternberg 1998). Beachte in c den CT-Aufnahmen die plattenförmigen Ossifikationen, die das gesamte Sternum, die Klavikulae und die ersten Rippen miteinbeziehen. Schwere entzündlich destruktive Veränderungen im rechten Sakroiliakalgelenkbereich (hier nicht dargestellt) als Korrelat für die szintigraphische Auffälligkeit (vgl. diesen Fall auch d mit den Abb. 3.90 u. 3.91 im Kapitel Sternoklavikulargelenk). e, f Junger Mann mit Pustulosis palmoplantaris, starker Schmerzsymptomatik in der rechten Skapula und im Manubriumbereich. Im Schichtbild (e) ausgedehnte Destruktionen der manubrialen Anteile der Sternoklavikulargelenke, massive Sklerose des gesamten Sternums und Verknöcherungen im Ansatzbereich der ersten Rippen. Zackenförmige Begrenzung der Synchondrosis manubriosternalis bei Spalterweiterung. Typisches Szintigramm mit Stierkopfzeichen und zusätzlicher Anreicherung in der schwerst – unspezifisch-entzündlich – veränderten rechten Skapula. g, h Sternokostoklavikulare Hyperostose bei Pustulosis palmoplantaris. Jüngere Patientin. Stierkopfzeichen im Szintigramm (g) und typisches Schichtbild (h). Beachte die massiven Verknöcherungen, die auf die Ansätze der ersten Rippen übergreifen. Zerstörungen der Manubrioklavikulargelenke und entzündliche Destruktion der manubriosternalen Verbindung.

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Abb. 3.124 a – g Differentialdiagnose knorpeliger tumoröser Veränderungen im Brustbein und seiner Nachbarschaft: a, b Unspezifische entzündliche (chondritische und perichondritische) Veränderungen im Rippenknorpel rechts. Die metaplastischen Verknöcherungen sehen wie eine knorpelige Matrixossifikation bei einem Chondrosarkom aus. Daher auch transkutane und CT-gesteuerte Biopsie b (b). Das histologische Ergebd nis erbrachte jedoch nur einen unspezifischen entzündlichen Prozess (Fall von Prof. Dr. Hendrickx, Hannover).

a

c

e

Abb. 3.124 c – f Ausgedehntes Chondrosarkom im Manubrium sterni mit kompletter Zerstörung des Knochens und z. T. strahlig anmutenden Verknöcherungen der Tumormatrix (Fall von CA Dr. Apitzsch, Marl). g Typisches Chondrosarkom mit knorpeligem Verknöcherungsmuster im mittleren und unteren Sternum. Klinisch starke Schwellung, Rötung und Schmerzen. Alter Patient.

f

Tumor? Auf die Differentialdiagnose physiologischer Unschärfen, insbesondere des hinteren Manubriumanteils sowie im Bereich der Incisurae, wurde bereits oben eingegangen (Abb. 3.103 u. 3.124 a u. b). Solche Unschärfen im CT sollten allein nicht als pathologisch bewertet werden, sondern grundsätzlich nur im Zusammenhang mit unmittel-

g bar benachbarten Weichgewebsmassen. Am Sternum kommen Metastasen aller Organtumoren vor. Von den primären Knochentumoren bevorzugt vor allem das Chondrosarkom das Sternum (Abb. 3.124 c – g). Auch das Plasmozytom wird in Form des vorerst solitären Myeloms und des multiplen Myeloms gehäuft am Sternum beobachtet, in dem sich ja bekanntlich sehr viel Knochenmark findet, weshalb es ja früher für die Sternalpunktion bevorzugt wurde.

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3 Schultergürtel und Brustkorb Abb. 3.125 a, b Osteosklerotische Metastase im Corpus sterni (oberstes Segment) eines Leiomyosarkoms des Uterus. Im Seitbild unspezifische Sklerosierung mit nur leichter Unschärfe der dorsalen Kortikalis (Pfeil). Im CT zentral gelegene osteosklerotische Metastase mit dorsaler Kortikaliszerstörung. Es handelt sich bei der Sklerosierung also nicht um ein physiologisches Phänomen im mittleren Korpusbereich. Szintigraphisch massive Aktivitätsanreicherung in dieser Region. b

a Die oben vielfach erwähnten physiologischen Sklerosierungen in der Nähe der Synchondrosis manubriosternalis und im Korpus-Processus-xiphoideus-Übergang sowie auch im Bereich der ehemaligen Fugen des Corpus sterni stellen im CT ein potenzielles differentialdiagnostisches Problem gegenüber osteosklerotischen Metastasen dar (Abb. 3.125). Im Einzelfall wird man die Skelettszintigraphie hinzuziehen, die lediglich in der Nähe der Synchondrosis manubriosternalis eine etwas verstärkte Aktivitätsanreicherung, im Normalfall aber keinen typischen Hot-Spot, erkennen lässt. Problematisch ist auch die physiologische spindelförmige Verbreiterung der parasternalen Rippenknorpelpartien (Abb. 3.103, 3.118 u. 3.119), die nicht mit Weichgewebstumoren verwechselt werden sollte. Hier entscheidet die weitgehende Symmetrie ihres Auftretens und die glatte Begrenzung. Zu tumorsimulierenden Asymmetrien im Sternal-/Parasternalbereich s. S. 329.

3.126

Sonstige Veränderungen?

3.127  Abb. 3.126 Röntgenbild eines Präparats mit Osteophyten an den Synschondrosenrändern. Abb. 3.127 Ungewöhnliches Bild des Sternums bei Osteopetrose (Marmorknochenkrankheit). Die von dichten Sklerosesäumen umgebenen lochförmigen Defekte sind mit größter Wahrscheinlichkeit Scheindefekte mit weniger verdichtetem Knochen, denn es ist ja von der Marmorknochenkrankheit bekannt, dass sie mit jahresringartigen Verknöcherungen einhergeht. Bei dem bei dieser Erkrankung bekannten „Sandwichwirbel“ hat man ja auch gelegentlich den Eindruck, als ob sich in der Mitte ein echter Spalt befindet.

Im Bereich der Synchondrosis manubriosternalis können degenerative Veränderungen mit Osteophytenbildungen auftreten (Abb. 3.101, untere Reihe, u. 3.126). Ob ausgeprägte Osteophytenformationen und eine subchondrale Sklerose Folge einer dauerhaften Überlastung sind, ist kaum beweisbar. Das gilt auch für ähnliche Veränderungen im Bereich der Synchondrosis xiphosternalis. Früher wurde behauptet, dass diese Veränderungen besonders bei Berufen aufträten, bei denen Arbeitsmaterial gegen die Brust gepresst wird (z. B. Schlosser und Schuster). Bei systemischen, mit einer Dichtezunahme einhergehenden Skeletterkrankungen, z. B. der Marmorknochenkrankheit, können merkwürdige Röntgenbilder des Brustbeins entstehen (Abb. 3.127).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Rippen

Im Erwachsenenalter

Normalbefund Im Wachstum Ab der 9. Fetalwoche treten zuerst an der 6. und 7., dann in rascher Folge auch an den anderen Rippen Knochenkerne am Angulus costae auf. Die Verknöcherung erfolgt schnell, doch bleibt der knorpelige Anteil bei Neugeborenen und Säuglingen noch relativ groß. Die sternalen Rippenenden sind Metaphysen. An der Knorpel-Knochen-Grenze beginnt die Ossifikation der 1. – 10. Rippe mit einem schmalen, dichten, mehr oder weniger ovalen Schatten. Daran anschließend verknöchert zunächst der obere, dann – etwas schmaler – der untere Rand und schließlich auch die Zwischenpartie von unten nach oben und von lateral nach sternal. In der Pubertät treten Epiphysenkerne (Abb. 3.128) auf: 1 Kern am Köpfchen, 2 am Tuberculum costae. Sie verschmelzen mit der Rippe gewöhnlich zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr. Die Verknöcherung des Rippenknorpels erfolgt weitgehend unabhängig vom Lebensalter, denn es gibt einerseits gesunde junge Menschen am Anfang der 3. Lebensdekade mit ausgeprägten Verknöcherungen, andererseits sehr alte Menschen ohne auffallende Knorpelverknöcherungen. Das Verknöcherungsmuster der knorpeligen Rippenanteile zeigt geschlechtsspezifische Merkmale. Bei Männern ist die Ossifikation eher gabelförmig entlang der Ober- und Unterkante, bei Frauen kerzendochtförmig zentral konfiguriert. Das erste Rippenpaar nimmt hinsichtlich der Verknöcherungsvorgänge eine Sonderstellung ein. Ihr Knorpelanteil ossifiziert häufig vor allen anderen Rippen, anscheinend unter Bildung von Lamellen, die senkrecht zum Rippenverlauf stehen.

Abb. 3.128

Epiphysenkern an der 12. Rippe.

Jede Rippe besteht aus einem knöchernen und aus einem knorpeligen, ventral gelegenen Anteil. Im knöchernen Anteil kann man 3 Abschnitte unterscheiden (Abb. 3.129):  Köpfchen (Kapitulum),  Hals (Kollum),  Körper (Corpus costae). Das Köpfchen der Rippe zeigt eine Gelenkfläche (Facies articularis capituli), die bei den meisten Rippen (2 – 10) durch eine quere Leiste (Crista capituli) in 2 abgewinkelte Flächen aufgeteilt ist. Auf das Köpfchen folgt ein verjüngter Teil der Rippe, nämlich das Collum costae, das gegen den Rippenkörper durch den Rippenhöcker (Tuberculum costae) abgegrenzt wird. Dieser trägt bei den ersten 10 Rippen eine kleine Gelenkfläche (Facies articularis tuberculi costae) zur Verbindung mit einer entsprechenden Gelenkfläche am Processus transversus des zugehörigen Brustwirbels. Seitlich vom Rippenhöcker ändert sich mit starker Abwinkelung die Verlaufsrichtung des Rippenkörpers (Angulus costae). An der unteren Innenfläche des Rippenkörpers findet sich eine seichte Rinne (Sulcus costae), in der Zwischenrippengefäße und -nerven verlaufen. Die beiden ersten und die beiden letzten Rippen weisen Besonderheiten auf:  Die 1. Rippe ist kürzer, breiter und stärker gekrümmt als die übrigen Rippen. Sie besitzt eine regelrechte Oberund Unterfläche und eine vordere und hintere Kante. Im knorpeligen Anteil finden sich regelmäßig quer verlaufende lamellenfömige Ossifikationen, auch dann, wenn die übrigen Rippenknorpel keine Ossifikationsvorgänge erkennen lassen. Sporn- und wulstförmige Konfigurationen, wie Osteophytenreaktionen anmutend, sind im vorderen und unteren Knorpel-Knochen-Übergangsbereich der 1. Rippe die Regel (Abb. 3.130). Rippenwinkel und -höcker fallen bei der 1. Rippe zusammen. Über ihre obere Fläche zieht in einer seichten Eindellung (Sulcus arteriae subclaviae) die A. subclavia hinweg und kann deshalb bei Brüchen der 1. Rippe verletzt werden. Im ventralen Anteil, direkt vor dem Sulkus, liegt das Tuberculum m. scaleni anterioris, auch Skalenuszacke genannt (Abb. 3.131).  Die 2. Rippe hat auf ihrer ventralen Außenfläche eine Rauigkeit, die Tuberositas m. serrati anterioris, die man auch röntgenologisch erkennen kann (Abb. 3.132).  Die 11. und 12. Rippe besitzen keinen Sulkus, kein Tuberkulum, keine Crista capituli und keinen Angulus. Zu den Verbindungen der Rippen mit dem Sternum einerseits und der Wirbelsäule andererseits ist Folgendes er-

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Rippen

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Caput costae Crista capitis costae Facies articularis capitis costae Collum costae Crista colli costae Facies articularis tuberculi costae

Corpus costae

Sulcus costae

Angulus costae

a

wähnenswert: Wie schon im Kapitel über das Sternum ausgeführt, setzen die knorpeligen Partien der 1. – 7. Rippe an den Incisurae costales des Brusbeins an (Abb. 3.100 a u. b). Das 8. – 10. Rippenpaar beteiligt sich mit seinen Knorpeln an der Bildung des Rippenbogens (Arcus costarum), die 11. und 12. Rippe enden frei in der Bauchwand. Zwischen den Knorpeln der 6. – 9. Rippe können Gelenke (Articulationes intercartilaginae) vorhanden sein. An der Wirbelsäule sind die Rippen durch 2 Gelenke mit dem Brustwirbel verbunden:  am Köpfchen (Articulationes capitulorum),  am Höcker (Articulationes costotransversarii). Beide Gelenke sind synoviale Gelenke, was eine gewisse Bedeutung bei rheumatischen Erkrankungen bekommen kann. Bei den Rippenköpfchen-Wirbelsäulengelenken wird die Gelenkpfanne von den Foveae costalis der Brustwirbelkörper gebildet, der Gelenkkopf von dem Kapitulum. Die 1., 11. und 12. Rippe sind nur mit den entsprechenden Wirbeln gelenkig verbunden, alle anderen Rippen mit 2 benachbarten Wirbeln. Dabei erhält die Rippe die Segmentnummer desjenigen Wirbels, an dessen oberer Kante sie ansetzt. Die Kostotransversalgelenke kommen nur an der 1. – 10. Rippe vor. Die Pfanne wird jeweils von der Fovea costalis processus transversi gebildet.

b Abb. 3.129 a, b Zur Rippenanatomie: a Anatomische Präparateaufnahme der 8. Rippe, Ansicht von innen her. b Frontale CT-Bildrekonstruktion des Rippenbogens.

Abb. 3.132 Abb. 3.130 Typische Form des verknöcherten Knorpels der 1. Rippe.

Abb. 3.131

Tuberositas costae II (Pfeil).

Skalenuszacke (Pfeil).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Es gibt eine Unzahl von Varianten und Anomalien ohne Krankheitswert an den Rippen, sodass häufig eine Grenzziehung zu echten Deformitäten unmöglich ist. Dies kann man häufig nur im Zusammenhang mit anderen Skelettanomalien (s. unten) bewerkstelligen. Insgesamt werden Rippenanomalien zwischen 0,15 und 0,31% in der täglichen Praxis auf Thoraxaufnahmen gefunden, bei Frauen häufiger, und rechts öfter als links (Berner 1944).

Varianten Als sichere Varianten, die man in der täglichen Praxis beobachten kann, gelten: Bei einer Asymmetrie in der Ausbildung der 1. Rippe kann eine Rippe kürzer und breiter sein, auch nur bis zum Tuberculum m. scaleni anterior reichen. Es gibt auch ausgesprochen lange und abnorm schmale erste Rippen.

Halsrippen werden bei 1 – 2% der gesunden Bevölkerung gefunden und liegen ein- oder doppelseitig den Querfortsätzen des letzten Halswirbels an. Sie können mit der 1. Rippe ganz oder teilweise verschmelzen. Auch gelenkige Verbindungen kommen vor (Abb. 3.133). Unterentwickelte erste Rippen sowie Halsrippen können zu klinischen Erscheinungen (Sensibilitätsstörungen im Bereich des Plexus brachialis, Thoracic-Inlet- und -Outlet-Syndrom) führen, die unter dem Oberbegriff des M.scalenus-Syndroms zusammengefasst sind. Kontinuitätsunterbrechungen im Verlauf der 1. Rippe (Abb. 3.134) mit Ausbildung von Scheingelenken kommen bei völlig asymptomatischen Patienten mit leerer Anamnese als Variante vor. In der Abb. 3.135 ist der Fall eines 15jährigen Mädchens dargestellt, bei dem sich eine Kontinuitätsunterbrechung in der 1. Rippe rechts mit interponiertem Knochenelement findet, das 5 Jahre später offensichtlich in den distalen Anteil des Scheingelenks integriert ist. Erhebliche Asymmetrien gibt es auch in der 12. Rippe, die z. B. auf einer Seite fehlen kann oder kürzer als auf der anderen Seite ist.

a

b Abb. 3.133 a – c Halsrippen: a, b Linksseitige Halsrippe, die im lateralen Anteil eine Extraartikulation mit regressiven Veränderungen bildet. Die Patientin hatte erhebliche Kribbelparästhesien in der linken Hand. Sie wurde deswegen schon an einem Karpaltunnelsyndrom operiert. Nach operativer Entfernung der Halsrippe Beschwerdefreiheit. c Rechtsseitige Halsrippe, deren vorderer Teil mit der 1. Rippe ein Gelenk bildet.

c

a

b Abb. 3.134 a, b Rippenanomalien a Doppelseitige Diskontinuität der 1. Rippe.

b Überzählige Rippen? (Fall Prof. Dr. E. Zeitler, Nürnberg.)

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Rippen

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a

b Abb. 3.135 a, b Schaltknochen: a Kontinuitätsunterbrechung mit Schaltknochen (Pfeilspitzen) im Spalt. 15-Jährige. Die intrathorakale Rippe ist eine überzählige Rippe (supernummery rib), die – in ihrem Verlauf die übrigen Rippen überkreuzend – nach innen in den Thoraxraum vorspringt (Friedrich u. Mitarb. 1975). Sie kann extra- oder intrapulmonal gelegen sein. Bei intrapulmonaler Lage wird sie von einer aus parietalem und viszeralem Blatt gebildeten Pleurascheide umgeben. Das Pleuraseptum kann bei laterobasaler Lage eine Beziehung zum Zwerchfell aufweisen. Die Form der intrathorakalen Rippe ist unterschiedlich ausgeprägt:

b Der Schaltknochen ist 4 Jahre später assimiliert.

쐌 Bei vollständiger Ausbildung artikuliert die akzessorische Rippe mit der seitlichen Wirbelsäulenvorderkante und verläuft ventral der übrigen Rippenursprünge paravertebral laterokaudalwärts. 쐌 Bei unvollständiger Ausprägung synostosiert sie dorsal mit einer normalen Rippe und verläuft ventral von den übrigen Rippen ebenfalls laterokaudal (Abb. 3.136). Auch die Gabelrippe ist als einfache Variante aufzufassen (Abb. 3.137). Sie entsteht überwiegend durch die dorsale Verschmelzung von 2 Rippen.

1

4 5

2 6

3

7

8

Abb. 3.137 Einige Rippenanomalien. 1 Diskontinuität der 1. Rippe 2 Brückenbildung dorsal, Gabelrippe ventral 3 kleine Rippenbrücke 4 brückenförmige Verschmelzung ventral 5 Verschmelzung dorsal 6 angedeutete Rippenbrücke 7 angedeutete Gabelrippe 8 Luschka-Gabelrippe

컅 Abb. 3.136 Intrathorakale Rippe (aus Friedrich, M., E. Gerstenberg, W. Goy: Fortschr. Röntgenstr. 122 [1975] 438).

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Intermediäre Knochenspangen findet man häufig zwischen der 4. und 5., gelegentlich zwischen der 1. und 2. Rippe (Abb. 3.137). Das besondere der Srb-Anomalie scheinen die hornartigen Knochengebilde zu sein, die unterhalb der Manubrioklavikulargelenke ein- oder beidseitig an dem Manubrium ansetzen (Abb. 3.138 u. 3.139). Sie treten offensichtlich überwiegend im Zusammenhang mit Verschmelzungen der beiden oberen oder der 2. und 3. Rippe auf, wodurch sich deren vordere Partien nur mangelhaft oder rudimentär entwickeln. Die Rudimente entsprechen unter dieser Vorstellung den oben beschriebenen hornartigen Knochenvorsprüngen am Manubrium. Als Variante können Sie auch neben dem Manubrium liegen, wie auf den Schichtaufnahmen der Abb. 3.139 dargestellt. Gelenk- und Brückenbildungen sind sowohl zwischen den Vorderenden als auch in den hinteren Abschnitten der Rippen möglich (Abb. 3.140 u. 3.141). Zusätzliche brückenförmige Verknöcherungen zwischen Rippen und Kostotransversalgelenken sind ebenfalls als Normvariante beschrieben (Abb. 3.141). Bei den letztgenannten Verknöcherungen ist differentialdiagnostisch natürlich an Erkrankungen zu denken, die mit metaplastischen Verknöcherungen an der Wirbelsäule und an deren Gelenken einhergehen, wie z. B. die große Gruppe der seronegativen Spondarthritiden.

Gabelungen am Capitulum costae sind selten, können aber ebenso als Variante aufgefasst werden (Abb. 3.142).

Fehlbildungen/Deformitäten Als Fehlbildung/Deformität sind Rippenanomalien immer dann aufzufassen, wenn sie – wie bereits erwähnt – im Zusammenhang mit anderen Skelettanomalien vorkommen: 쐌 11 Rippenpaare (Tab. 3.7). 쐌 Dünne, streifenförmige oder gewunden aussehende Rippen (Tab. 3.8). 쐌 Dünne band- und streifenförmige oder auch usuriert aussehende Rippen sieht man darüber hinaus: – bei schwerer Osteoporose, insbesondere im Jugendalter, – bei Angiomatose (Gorham-Stout-Erkrankung), – beim Basalzellnävussyndrom, – beim Hyperparathyreoidismus, – beim Paraplegiker, – bei der rheumatoiden Arthritis und Sklerodermie. 쐌 Zu breite oder zu dicke Rippen (Tab. 3.9 u. Abb. 3.145). 쐌 Ansonsten kommen zu große und dicke Rippen vor bei: – Akromegalie (mit zusätzlicher Vergröberung des Rippenknorpels),

a

Abb. 3.139 Srb-Anomalie links mit hornartigem Knochenvorsprung an der oberen linken Manubriumecke und rechts als isoliertes Knochenelement, das man ohne Kenntnis aller Übersichts- und Schichtbilder auch als Os parasternale klassifizieren könnte (S. 328 u. Abb. 3.115).

b

Abb. 3.140 Anomalie mit Brückenund Gelenkbildung hinten.

c

Abb. 3.138 a – c Sternum-Rippen-Aomalie nach Srb in verschiedener Ausbildung.

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Rippen

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Abb. 3.142 Gabelung am capitulum costae XII (Pfeile).

Abb. 3.141 Anomalie mit Brücken- und Gelenkbildung hinten (Pfeile).

– Fluorose, – Ostitis deformans Paget, – Speicherkrankheiten (z. B. Gaucher-Erkrankung, Erdheim-Chester-Erkrankung) vor. Kurze Rippen (Tab. 3.10). Symmetrisch, an mehreren Rippen auftretende ventrale Vergrößerung, Verbreiterung oder ein sog. Cupping (Tab. 3.11). Muldenförmige Eindellungen am oberen Rippenrand durch subperiostale Resorption (Tab. 3.12 u. Abb. 3.143). Druckusuren am unteren Rippenrand (sog. rib notching) (Tab. 3.13 u. Abb. 3.144 u. 3.146).

Tabelle 3.7 Syndrome, bei denen nur 11 Rippenpaare vorhanden sind (nach Reeder)

Tabelle 3.8 Syndrome, mit denen dünne, streifenförmige oder gewunden anmutende Rippen assoziiert sind (aufgelistet nach der Häufigkeit) (nach Reeder)

Tabelle 3.9 Syndrome, bei denen zu breite oder zu dicke Rippen auftreten können (nach Reeder)

쐌 쐌

쐌 쐌

 Myotonische Dystrophie, myotubuläre Myopathie,                   

Werdnig-Hoffmann-Erkrankung Neurofibromatose Achondrogenesis Typ I und II Aminopterinfetopathie Kampomelische Dysplasie Cockayne-Syndrom Hallermann-Streiff-Syndrom Larsen-Syndrom Metaphysäre Chondrodysplasie (Jansen) Morquio-Sndrom (hintere Portion) Osteodysplastie (Melnick-Needles-Syndrom) Osteogenesis imperfecta Progerie Spondylokostale Dysostose Spondylothorakale Dysplasie 3-M-Syndrom Trisomie-13-Syndrom Trisomie-18-Syndrom Trisomie-21-Syndrom Turner-Syndrom

 Trisomie-21-Syndrom  Mit Asphyxie einhergehende thorakale Dysplasie

(Jeune-Syndrom)  Ateloosteogenese  Kampomelische Dysplasie  Kleidokraniale Dysplasie  Kurze Rippen – Polydaktyliesyndrom

 Achondroplasie  Thalassämie und Sichelzellerkrankung (Abb. 3.145)  Mukopolysaccharidosen  Kraniodiaphysäre Dysplasie  Dysosteosklerose  Endostale Hyperostose  Fukosidose  Mannosidose  Gaucher-Erkrankung  Niemann-Pick-Erkrankung  Hyperphosphatasie  Hypochondroplasie  Melorheostose  Pachydermoperistose  Metaphysäre Chondrodysplasie Typ Schmid  Metaphysäre Dysplasie (Pyle's disease)  Mukolipidosis II und III  Okulodentoossäre Dysplasie  Osteogenesis imperfecta congenita  Proteussyndrom  Trisomie-8-Syndrom

3-M-Syndrom autosomal rezessiver primordialer Minderwuchs. MMM für die 3 Erstbeschreiber

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Tabelle 3.10 Syndrome, bei denen kurze Rippen auftreten können (nach Reeder)  Achondroplasie

Tabelle 3.11 Syndrome, bei denen symmetrisch an mehreren Rippen eine ventrale Vergrößerung, Verbreiterung oder ein sog. Cupping auftreten können (nach Reeder)

 Achondrogenesis Typ I und II

 Achondroplasie

 Asphyxie mit thorakaler Dysplasie (Jeune-Syndrom)

 Asphyxie bei thorakaler Dysplasie und anderen Syndro-

 Kampomelische Dysplasie

men mit engem Thorax und kurzen Rippen  Hypophosphatasie

 Zerebrokostomandibulares Syndrom

 Menkes-Syndrom

 Chondroektodermale Dysplasie

 Metaphysäre Chondrodysplasie (Jansen, McKusick,

 Kleidokraniale Dysplasie

Schmid)

 Dyssegmentale Dysplasie

 Shwachman-Syndrom

 Enchondromatose  Fibrochondrogenesis; Hypochondrogenesis  Hypophosphatasie

 Kurze Rippen – Polydaktyliesyndrom  Spondylometaphysäre Dysplasie  Tanatophore Dysplasie

 Mandibuloakrale Dysplasie  Metatrophische Dysplasie  Mukopolysaccharidosen  Osteodysplastie (Melnick-Needles-Syndrom)  Osteogenesis imperfecta  Pseudoachondroplasie  Kurze Rippen – Polydaktyliesyndrom Typ I, II und III  Spondylokostale Dysostose  Spondyloepiphysäre Dysplasie (kongenitale)  Tanatophore Dysplasie

Abb. 3.143 Symmetrische „Einbuchtung“ an beiden 7. Rippen durch umschriebene Resorptionen bei Sklerodermie (Pfeile).

Abb. 3.144 a – c Neurofibromatose: a Neurofibromatose mit Rippenusuren an den Unterkanten der dargestellten Rippen. Dadurch wird der Sulcus costalis (zwischen den Pfeilen) verbreitert und die eigentliche Rippe stellt sich verschmächtigt dar. b b, c CT-Aufnahmen desselben Patienten mit Darstellung der multiplen Neurofibrome mit Rippenusurierungen (Pfeile) a

c

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Rippen Tabelle 3.12 Krankheiten, bei denen muldenförmige Eindellungen am oberen Rippenrand auftreten können (aufgelistet nach der Häufigkeit) (nach Reeder)  Rheumatoide Arthritis  Kollagenosen (Sklerodermie, Lupus erythematodes;

Abb. 3.143)  Hyperparathyreoidismus  Neurofibromatose  Lokale Druckeffekte, z. B. durch länger liegende

Thoraxdrainage  Aortenisthmusstenose (zusätzlich aber inferiore Rippen-

usuren)  Interkostale Muskelatrophie bei restriktiver Lungen-

erkrankung  Marfan-Syndrom  Osteogenesis imperfecta  Poliomyelitis

345

Tabelle 3.13 Erkrankungen, bei denen Druckusuren am unteren Rippenrand auftreten können  Verschiedene Formen der Coarctatio aortae

(Abb. 3.146)  V.-subclavia-Verschluss  Pulmonale Oligämie  Obstruktion der V. cava superior/V. anonyma/V. sub-

clavia  Arteriovenöse Fisteln der Thoraxwand (Interkostal-

arterien, -venen)  Pulmonale arteriovenöse Fisteln  Interkostale Neurofibrome ohne/mit Neurofibro-

matose (Abb. 3.144)  Tetraplegie; bulbäre Poliomyelitis  Hyperparathyreoidismus  Osteodysplastie (Melnick-Needles-Syndrom)  Thalassämie

b

a Abb. 3.145 a – c Thalassämie: a, b Thalassämie mit enormer Verbreiterung und Vergrößerung der Rippenmarkräume, in denen die extrem gesteigerte Blutbildung stattfindet. Die Pseudoverbreiterung beider Hili ist

durch die Verbreiterung der dorsalen Rippenabschnitte und paravertebrale Weichgewebsformationen durch extramedulläre Blutbildung bedingt. Abb. 3.145 c 컄

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3 Schultergürtel und Brustkorb Abb. 3.145 c Typischer Bürstenschädel.

Fraktur, Subluxation/Luxation? Frakturen

Abb. 3.146 Erhebliche Verschmächtigung der dorsalen köpfchennahen Rippenpartien bei Aortenisthmusstenose (Pfeile).

Rippenfrakturen (Abb. 3.147 u. 3.150) lassen sich am besten auf Röntgenzielaufnahmen (75 – 85 kv) darstellen. Von den Patienten angegebene Schmerzpunkte werden mit kleinen Bleimarken außen markiert. In Anbetracht der sehr vielfältigen Überlagerungsmöglichkeiten durch knöcherne Strukturen, Lungengefäße, pleurale Begrenzung usw. kann es zu vorgetäuschten Brüchen u. a. durch MachEffekte (Abb. 3.148 u. 3.149) kommen. Entscheidend ist natürlich bei dieser Differentialdiagnose immer die Klinik. Infraktionen oder 14 Tage bis 3 Wochen alte Frakturen entgehen häufig der röntgenologischen Darstellung und sind nur im Szintigramm nachweisbar. Das heißt umgekehrt, dass szintigraphische Auffälligkeiten (als Zufallsbefunde) häufig kein röntgenologisches Korrelat haben. Das kann bei Tumorpatienten manchmal problematisch werden. Bei begründetem Verdacht auf eine Metastase sollte man die CT einsetzen. Besonders an der 1. Rippe ist die Differentialdiagnose von Frakturen gegenüber kongenitalen Spalten, insbesondere im Rippenknorpel, häufig schwierig. Dabei ist zu bedenken, dass traumatische Frakturen der 1. Rippe relativ selten vorkommen, da sie der direkten Gewalteinwirkung durch ihre geschützte Lage schwer zugänglich ist. Häufiger sind Kombinationen mit Schlüsselbeinbrüchen. Eine indi-

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Rippen

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a

b

c Abb. 3.147 a – c Kontinuitätstrennung der Rippen: a Übliche traumatische Rippenfraktur. b Glatter Bruch bei Marmorknochenkrankheit. c Hustenfraktur.

Abb. 3.148 Fraktur einer Rippe dorsolateral (Pfeile), kein Mach-Phänomen durch die subpleurale Fettlinie (Doppelpfeile).

rekte Gewalteinwirkung auf die 1. Rippe kann sich durch überstarken Zug des am Tuberculum costae I ansetzenden M. scalenus anterior ergeben, besonders wenn dieser Muskel plötzlich durch eine rasche Kopfwendung zur Seite kontrahiert wird, z. B. bei besonders starkem Husten und Niesen. Ermüdungsbrüche im Sinne von Stressfrakturen wurden bei Golfern (Rasad 1974), Surfern (Bailey 1985) und Ruderinnen (Holden u. Jackson 1985) beobachtet. Auch beim Heben von schweren Lasten (Dietzel u. Schirmer 1972) oder beim Tragen schweren Gepäcks, des Weiteren bei Baseball- und Basketballspielern (Sacchetti u. Mitarb. 1983) sind Stressfrakturen der Rippen beschrieben worden. Einen guten Überblick über Stressfrakturen der Rippen geben Lankenner u. Micheli (1985). So genannte Hustenfrakturen können bei vom Skelett her völlig gesunden Menschen entstehen, sie werden aber häufiger bei Patienten mit Osteoporose im Sinne von Ermüdungsfrakturen beobachtet (Abb. 3.150). Eine ungewöhnlich langstreckige Stressfolge an der 11. Rippe rechts dorsal nach Krückenbenutzung ist in Abb. 3.151 dargestellt.

Subluxationen/Luxationen Rippenluxationen sind außerordentlich selten und bisher nur an der 11. und 12. Rippe beobachtet worden. Die Artikulation der 12. Rippe mit dem Wirbel kann so locker sein, dass es zur Verschiebung der Rippe bei Beu-

Abb. 3.149 (Pfeile).

Mach-Effekt

Abb. 3.150 Ermüdungsbruch einer Rippe (Pfeil).

gung des Patienten nach vorn kommt. Dieses als „slipping rib“ bezeichnete Syndrom (Machin u. Shennan 1983) kann mit deutlichen Schmerzen einhergehen. Wenn man bei Beugung und Streckung mit dem Finger auf diese Rippe drückt, fühlt man ein Reiben.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

b Abb. 3.151 a, b Auf Grund der Knochenstruktur pagetartige Strukturumwandlung der 11. Rippe rechts als Ausdruck eines enormen fokalen Knochenumbaus mit Hyperperfusion bei Dauerstress. Die Patientin musste nach einem Verkehrsunfall Krücken verwenden und bekam in der Region der 11. Rippe rechts zunehmende Schmerzen. Wir nehmen an, dass es durch die Benutzung der Krücken (Patientin war Rechtshänderin) zu einer Überlastung im Insertionsbereich des M. serratus dorsalis caudalis gekommen ist.

a

Nekrose? Zwischen Normvarianz und typischer Osteonekrose gibt es eigentlich keine differentialdiagnostischen Abgrenzungsschwierigkeiten. An dieser Stelle sei nur darauf hingewiesen, dass vor allem Kollagenosen zu mehr oder weniger ausgedehnten Rippenosteolysen unter Hinterlassung stummelförmiger Reste führen können, zumeist vergesellschaftet mit Akroosteolysen der Klavikulae und des Handskeletts. Typische Befunde werden bei der Osteoradionekrose der Rippen mit Kontinuitätsunterbrechung und Fragmentation des sehr dichten nekrotischen Knochens gesehen (Abb. 3.152).

An der vorderen Brustwand ist es vor allem die Mammakarzinombestrahlung, die zu Osteoradionekrosen führen kann.

Entzündung? Eine primär hämatogene Osteomyelitis einer Rippe kommt wesentlich seltener vor als eine direkt fortgeleitete Osteomyelitis bei einem Pleuraempyem. Knochendestruktionen und eine reaktive Sklerose dürften kaum differentialdiagnostische Schwierigkeiten gegenüber der Norm bereiten. Sehr selten scheinen primär chronische Rippenosteomyelitiden, z. B. im Sinne eines Brodie-Abszesses oder einer plasmozellulären Osteomyelitis an den Rippen vorzukommen (Abb. 3.153).

Tumor?

Abb. 3.152

Strahlennekrosen der Rippen (Pfeile).

Als noch normvariant muss man Osteome in den Rippen auffassen (Abb. 3.154), denn man kann ihnen bei aufmerksamer Betrachtung des knöchernen Thorax – insbesondere in digitaler Technik – häufiger in der täglichen radiologischen Praxis begegnen. Ungewöhnliche längliche Osteome lassen eine Abgrenzung gegenüber der Melorheostose (Abb. 3.155) nicht zu. Histologisch dem Osteoidosteom ähnliche schmerzlose „fibroossäre Läsionen“ fanden McCarthy u. Mitarb. (1985). Die Läsionen waren szintigraphisch „heiß“ (hot-spots) und stellten sich radiologisch als „umschriebene Verdichtung mit einem Aufhellungs-Halo“ dar. Die Autoren sehen die Herde als reaktiv an. Wir selbst kennen solche Befunde und glauben, dass sie entweder kleinen fibrös-dysplastischen Herden mit regressiven Veränderungen entsprechen oder kleinen Lipomen mit dystropher Kalzifikation.

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Rippen

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Abb. 3.153 Primär chronische Osteomyelitis im Sinne einer Plasmazellosteomyelitis oder eines Brodie-Abszesses an einer vorderen Rippe bei einem 14-jährigen Jungen. Die von einem dichten Skleroserand umgebene ovaläre Aufhellung ist also eindeutig pathologisch und kein normvarianter Befund. Klinisch Schmerzen und umschriebene Schwellung. Abb. 3.154 fund.

Bei den echten Knochengeschwülsten mit Rippenlokalisation dominiert mit etwa 35% das Chondrosarkom (Abb. 3.157). In 10- bis 14%iger Häufigkeit (an allen primären Knochengeschwülsten mit Rippenlokalisation) folgen das Ewing-Sarkom, das maligne Lymphom, das Chondrom (Abb. 3.156 u. 3.157 c) und das Osteochondrom (Freyschmidt u. Spiro 1985). In der Abbildungsserie der Abb. 3.158 ist ein Teil des differentialdiagnostischen Spektrums bei expansiven und osteolytischen Prozessen im Rippenköpfchenbereich dargestellt.

Abb. 3.155 Sehr langstreckiges Osteom oder Melorheostose (seltene Lokalisation) in einer Rippe als Zufallsbeobachtung (Pfeile).

Im Rahmen dieser Monographie kann ansonsten auf die Differentialdiagnose von Knochengeschwülsten am knöchernen Thorax nicht weiter eingegangen werden (ausführliche Darstellung bei Freyschmidt u. Spiro 1985), schließlich bilden solche Prozesse keine ernst zu nehmende Differentialdiagnose zur Normvarianz. Lediglich bei verschiedenen Manifestationsformen der fibrösen Dysplasie, insbesondere bei symmetrischer Ausprägung kann man gelegentlich auf die Idee kommen, dass es sich hierbei um irgendein Syndrom oder eine extreme Normvariante handelt (Abb. 3.159 – 3.161).

a Abb. 3.156 a, b

Osteom in einer hinteren Rippe als Zufallsbe-

b Kalzifiziertes Enchondrom in einer vorderen Rippe, Zufallsbefund.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

a

a

b Abb. 3.157 a, b Exostotisches Chondrosarkom an einer hinteren Rippe. Die in Abb. b im Knochenfenster dargestellten distanziert liegenden Matrixossifikationen in einer größeren Weichteiltumormasse beweisen nahezu das Vorliegen eines Chondrosarkoms. In jedem Fall muss ein solcher Tumor operativ in toto entfernt und in Stufenschnitten aufgearbeitet werden. Dieser Tumor hat die Rippe zum Pleuraraum penetriert und diese vor sich hergeschoben.

Abb. 3.158 a – c Rein morphologisch ähnliche Rippenköpf- 컄 chenläsionen mit unterschiedlicher Ätiologie: a 11-jähriges Mädchen. Herdförmige hämatopoetische Hyperplasie mit regressiven Knochenveränderungen (Infarzierungen), insbesondere in den zentralen Knochenabschnitten. das Mädchen ist sonst völlig gesund. b 33-jährige Patientin. Riesenzelltumor mit relativ breitem Übergang der Osteolyse zum gesunden Knochen. Auf dem Schichtbild waren keine endotumoralen Kalzifikationen erkennbar. c 25-jährige Patientin. Chondrom mit endotumoralen Kalzifikationen, die im Schichtbild z. T. stern- und halbmondförmig, z. T. auch tüpfelig anmuten. Dieser Befund bewies nahezu das Vorliegen eines Chondroms oder eines Chondrosarkoms Grad I (aus Freyschmidt, J., T. Spiro: Fortschr. Röntgenstr. 142 [1985] 1).

b

c

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Rippen

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Abb. 3.159 a, b Polyostotische Formen der fibrösen Dysplasie mit grotesken Transformationen der 3. und 4. Rippe rechts dorsal und lateral sowie der 3., 4. und 5. Rippe links dorsolateral und ventral. Insbesondere von der 3. Rippe links und von den dorsalen Abschnitten der 4. Rippe rechts sind bei extrem überwiegender bindegewebiger Komponente knöcherne Strukturen nur noch zu erahnen. Differentialdiagnostisch käme im vorliegenden Fall eine Knochenhämangiomatose in Frage.

a

b

Abb. 3.160 Klassische fibröse Dysplasie einer vorderen Rippe 컄 mit massiver Volumenzunahme und dem für dieses Erkrankungsbild im Verknöcherungsstadium typischen Mattglasphänomen. Letzteres erklärt sich durch eine Verknöcherung des Bindegewebes. Zufallsbeobachtung.

a Abb. 3.161 a, b Verlaufsbeobachtung einer fibrösen Dysplasie in der 4. Rippe rechts dorsal: a Deutliche Volumenzunahme und seifenblasenartiges Erscheinungsbild. Von einer echten tumorösen Destruktion lässt sich der Prozess am Kriterium der Volumenzunahme abgrenzen.

b b 8 Jahre später ziemlich gleichmäßige mattglasartige Verknöcherung des Bindegewebsknochens bei weiterer Volumenzunahme. Junge Patientin.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

Abb. 3.162 Langerhans-Zell-Histiozytose in der 10. Rippe rechts dorsal mit verhältnismäßig langstreckiger vollständiger Destruktion der Rippe. Klinisch nur leichte ziehende Schmerzen. Weitere Herde in der Schädelkalotte.

Umschriebene Osteolysen in den Rippen lassen sich im Kindesalter, gelegentlich auch ohne Biopsie, mit größter Wahrscheinlichkeit einer Langerhans-Zell-Histiozytose (im Sinne eines eosinophilen Granuloms) zuordnen (Abb. 3.162), vor allem wenn man weitere Herde im Skelett, besonders in der Schädelkalotte, findet. Im Erwachsenenalter muss eine solche mehr oder weniger unspezifische Osteolyse selbstverständlich bioptisch abgeklärt werden, da es sich hier auch um einen metastatischen Prozess, auch einen Plasmozytomherd usw., handeln könnte. Während das Vollbild eines Plasmozytoms mit 2 – 5 mm großen Osteolysen in den Rippen, gleichmäßig über alle Rippen verteilt, ein unverkennbares, ja pathognomonisches Bild bietet, sind initiale kleinere Osteolysen, insbesondere bei älteren osteoporotischen Patienten, häufig nur sehr schwer erkennbar und dann höchstens nur auf Zielaufnahmen (Abb. 3.163).

Sonstige Veränderungen? Wie an anderen Gelenken kann es auch an den kostovertebralen und -transversalen Gelenken zu arthrotischen Veränderungen kommen, die sich an typischen Randzackenbildungen und – im CT – durch subchondrale Sklerosen, Spaltverschmälerungen usw. zu erkennen geben (Abb. 3.164). Ob man prononcierte Sklerosen an den artikulierenden Rändern der sternokostalen Verbindungen als Arthrose bezeichnen kann, sei dahingestellt, wahrscheinlich handelt es sich hierbei nur um einfache Regressionsphänomene, die rein zufällig im Röntgenbild entdeckt werden (Abb. 3.165). Eine starke Dichtezunahme der Rippen wird bei angeborenen, mit einer Hyperostose einhergehenden Veränderungen beobachtet, vor allem:

Abb. 3.163 Sehr feinherdiges diffuses Plasmozytom bei einem älteren Menschen. Die Herde sind 1 – 2 mm groß und nur auf dieser Zielaufnahme erkennbar.

쐌 Osteopetrose, 쐌 endostale Hyperostose 쐌 Osteodysplastie, Des Weiteren bei: 쐌 erworbenen Erkrankungen wie: – Osteomyelosklerosesyndrom, – Fluorose. Exzessive Kalzifikationen im Rippenknorpel sollen beim Hyperthyreoidismus im Adoleszentenalter vorkommen (Senac u. Mitarb. 1985). Dass es solche ausgeprägten Kalzifikationen bei jüngeren Menschen auch ohne klinisch nachgewiesene Stoffwechselerkrankung – im Sinne einer extremen Variante – geben kann, demonstriert der Fall in Abb. 3.166. Zum Tietze-Syndrom s. S. 333.

Abb. 3.164

Kostotransversale Arthrose.

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Rippen

Abb. 3.165 „Degenerative“ Veränderungen an den Sternokostalgelenken.

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Abb. 3.166 Exzessive Verknöcherungen im Rippenbogenbereich bei einem bis auf eine Skoliose klinisch völlig gesunden Menschen ohne Hinweise auf eine Stoffwechselerkrankung.

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3 Schultergürtel und Brustkorb

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Schädel Chr. Czerny

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4 Schädel

Schädeldach

Allgemeiner Teil Normalbefund Im Wachstum Die Entwicklung von Form und Größe der mit Ausnahme der okzipitalen Unterschuppe häutig entstandenen Schädelkalotte gibt im Allgemeinen Ausmaß und Art der Entwicklung des Gehirns wieder. Zur Röntgenantomoie des Schädels von Neugeborenen s. bei Henderson u. Sherman. Während im 1. Lebensmonat der Hirnschädel nur wenig größer wird, erfolgt im 2. Monat ein kräftiger Wachstumsschub, danach wieder eine langsamere Volumenvergrößerung. Die Schärfe des Nahtrands ist ein Symptom des zunehmenden oder stillstehenden Wachstums. Abb. 4.1 Schematische Darstellung des Schädelwachstums bei 14 Altersklassen zwischen 0 und 14 Jahren. Die Altersklassen entsprechen jeweils nicht ganz einem Lebensjahr (nach Ousterhout u. Melsen). Ba Basion Br Endobregma In Endinion La Endolambda Na Nasion Op Opisthion Ts Tuberculum sellae

Abb. 4.2 Schematische Darstellung des Schädelwachstums eines Kindes zwischen 3 und 7 Jahren mit Umrissskizzen (nach Weinmann u. Sicher).

Je schärfer eine Naht begrenzt ist, desto geringer ist derzeit die Wachstumstendenz dieses Knochens. Auch die weitere Entwicklung verläuft bis zum Erreichen der Endgröße schubweise (Abb. 4.1 u. 4.2). Der erste, relativ größte Wachstumsschub erfolgt bis zum Alter von 15 Monaten. Danach tritt bis zum 21. Monat eine kurze Pause ein. Es folgt im 2. und 3. Lebensjahr ein zweiter, geringerer Wachstumsschub. Danach sind 75% des Längenwachstums erreicht. Nach einer Pause bis zum 7. Lebensjahr kommt es zu einer dritten, schubweisen Schädelvergrößerung, die im Breitendurchmesser im 9. (Zanella u. Mitarb. 1984), im Längendurchmesser im 12. Lebensjahr beendet, bei den Mädchen als Endphase des Wachstums zu bezeichnen ist, während bei jugendlichen Männern im Alter von 15 – 20 Jahren noch ein deutlicher letzter Wachstumsschub gemessen wurde. Geschlechtsunterschiede am wachsenden Schädel sind zunächst nach dem Schädelumfang festgestellt worden. Radiologische kraniometrische Untersuchungen wiesen sexuelle Differenzen der Schädelmaße mindestens ab dem 6. Lebensmonat (nach Bergerhoff u. Martin 1954). Die radiologische Kraniometrie erlaubt die Festlegung nach intrakraniellen Messpunkten, in denen die Zufälligkeiten der unregelmäßigen Kalottendicke, die bei Umfangmessungen stören, keine Rolle spielen. Außerdem sind Innenmaße, z. B. vom zentral gelegenen Tuberculum sellae möglich. Deren Lage ist zur Erkenntnis der Gehirnentwicklung – und damit der Kalottenform – wesentlich, kann von Anthropologen aber höchstens am aufgesägten Schädelpräparat, nicht aber am lebenden Menschen erhoben werden (vgl. Abb. 4.1 u. 4.2 mit Abb. 4.3).

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Schädeldach

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Zudem stehen dem Radiologen leichter große Zahlen für eine Statistik zur Verfügung. Mit der Einführung der CT (Bourekas u. Lanzieri 1994, Belden u. Mitarb. 1998) in die Kraniographie haben Genauigkeit und leichte Durchführbarkeit durch radiographische Verfahren in starkem Maße gewonnen. Zwischen der Form der Schädelbasis und der Kalotte finden sich Beziehungen: Es besteht ein konstantes Verhältnis zwischen dem Längenwachstum der vorderen und hinteren Schädelbasis sowie zwischen der vorderen Schädeldachhöhe und der Schädelbasislänge. Das Wachstum des Binde- und Stützgewebes hängt von der mechanischen Beanspruchung ab. Die Spannungserhöhung des Gehirnwachstums verteilt sich an der Basis auf einen mehr kompakten Gewebebezirk als an der Kalotte. Die Fläche dehnt sich basal (ventral) langsamer aus als dorsal. An der Basis kommt es zum Knick, gegenüber zur Wölbung. Dem Grad des Knicks entspricht das Ausmaß der Wölbung. Mit zunehmender Größe des Gehirns werden die mechanischen Wandspannungen stärker. Überschreitet der Druck die Grenze der Materialspannung, an der Bindegewebe in Knochen übergeht, beginnt die Ossifikation. Die 5 Punkte größter Materialspannung liegen beiderseits frontal, parietal und (unpaar) okzipital (Abb. 4.4). Zwischen diesen Ossifikationskernen befinden sich die Zonen geringsten Drucks, die an der Basis durch Streben, Pyramiden und große Keilbeinflügel, intrakranial durch die Falx cerebri und Tentorium cerebelli, aufgehalten werden. Das Wachstum der Knochenkerne erfolgt längs den Blutgefäßen. Die entstehenden Knochenbälkchen erreichen zuletzt die Zone des geringsten Wachstumsdrucks des Gehirns und stoßen hier aneinander. So bilden sich in der Fortsetzung der queren Strebepfeiler der Basis, in Verlängerung der Pyramiden und Keilbeinflügel, die Lambdaund die Kranznaht, über der Falx die Pfeil- und Stirnnaht und über dem Tentorium die Lambdanaht. Beim Neugeborenen sind radiologisch die einzelnen Knochenschuppen des Hirnschädels durch Spalten, die überraschend weit erscheinen können (pseudo-spread sutures), voneinander getrennt. Die zukünftige Sutura sagittalis ist 3 – 17 mm, die Sutura coronalis und Sutura lambdoidea sind 1,5 – 11 mm weit. Diese radiologisch scheinbar variablen Breiten wurden von Anatomen allerdings nicht bestätigt. Mikroradiographisch findet man jedoch auch hier dünne Knochenlamellen, die auf dem Rönt-

Abb. 4.3 Messpunkte an der Außenseite des Schädels. 1 Vertex: höchste Aufwölbung des Scheitelbeins 2 Obelion: Stelle der Fontanella obelia am Scheitelbein 3 Lambda: Scheitelpunkt des Winkels der Lambdanähte 4 Opisthokranium: am weitesten nach hinten vorspringender Punkt in Profilansicht des Schädels 5 Inion: Protuberantia occipitalis externa 6 Asterion: Treffpunkt von Warzenfortsatz, Scheitelbein und Hinterhauptsschuppe 7 Porion: höchster Punkt des äußeren Gehörgangs 8 Basion: vorderster Punkt des Hinterhauptslochs 9 Gonion: äußerster Punkt des Kieferwinkels 10 Bregma: Scheitelpunkt des stumpfen Winkels der Kranznaht 11 Pterion: Nahtstück an der Stelle der vorderen Seitenfontanelle 12 Glabella: Einsenkung des Stirnbeins zwischen den Tubera supraorbitalia 13 Nasion: Punkt an der Nasenwurzel 14 Zygoma: Punkt über der Mitte des Jochbeinbogens 15 Prosthion: Punkt am Alveolarfortsatz des Oberkiefers zwischen den medianen Schneidezähnen 16 Infradentale: Spitze der Protuberantia mentalis zwischen den medianen Schneidezähnen des Unterkiefers 17 Gnathion: Punkt an der Basis des vorderen Kinnwulstes

genbild nicht mehr nachweisbar sind und in ihrer Mitte an eine normal breite „echte“ Naht grenzen. Die Weite sämtlicher Hauptnähte wird so mit 1 mm angegeben. Im 1. Lebensmonat (mit einem Gipfel im Alter von 2 Wochen) nimmt oft die Nahtweite noch zu.

Abb. 4.4 a, b Lage der Suturen entsprechend Falx, Tentorium und Fortsetzung der Basisstreben mit den Schädelknochenzentren: a Ansicht von oben. b Ansicht von der Seite. 1, 2 frontale Zentren 3, 4 parietale Zentren 5 okzipitales Zentrum

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4 Schädel

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Auf Grund des normalen Gehirnwachstums gibt es im Alter von 1 – 3 Jahren noch einmal eine Periode auffallend weiter und oft verwaschen konturierter Nähte, die nicht als „pathologisch erweitert“ angesprochen werden dürfen. Im Laufe des 1. Lebensjahrs wird auch makroradiologisch durch Näherung der Knochenränder aneinander die Distanz von 0,5 – 1 mm erreicht. Normalwerte der Nahtweite bei Kindern s. bei Schuster u. Tamacha (1996). Die Nahtspalten sind in den ersten Monaten gerade und glatt oder leicht wellig konturiert. Mit Ausbildung der Diploe gegen Ende des 1. Lebensjahrs werden die Tabulae (interna et externa) getrennt. Beide Tabulae behalten ihre Naht, die an der Tabula interna glatt begrenzt bleibt, an der Tabula externa gezähnelt wird (Abb. 4.5), ein Vorgang, der bis zum 3. Lebensjahr spätestens abgeschlossen ist. Der Nahtspalt der Tabula interna liegt nicht immer genau unter und in der Mitte der Tabula externa. So können gelegentlich Fissuren vorgetäuscht werden. Die große vordere Fontanelle (Fonticulus anterior) ist in der ersten Hälfte des 2. Lebensjahres fingerkuppengroß und kann bei normalen Kindern schon bei der Geburt verschlossen sein. Die Hinterhauptsfontanelle (Fonticulus posterior) erweist sich bei Geburt schon als sehr eng. Die seitlichen Fontanellen (Fonticulus sphenoidalis und Fonticulus mastoideus) verschwinden bis zum 2. Lebensjahr. Obwohl heute Naht- und Fontanellenweite bei der Beurteilung des Gehirns Neugeborener (Frage der Blutung, Hydrozephalus, Mikrozephalie) nur noch die sekundäre Rolle indirekter Hinweise spielen, während CT und Sonographie als direkte Nachweis- bzw. Ausschlussmöglichkeiten dienen, werden die Fragen nach Naht- und Fontanellenweiten auch dem heutigen Radiologen weiterhin gestellt. Im Neugeborenenalter und beim jungen Kind kann an der Grenze zwischen dem knorpelig und membranös vorgebildeten Teil der Hinterhauptschuppe eine Stufe auftreten. Die Stufe verschwindet meist im Wachstum (s. unten).

Abb. 4.5

Kräftige Sklerosierung der Sutura coronalis.

Im Erwachsenenalter Das normale Schädeldach besitzt etwa eine Länge von 18 cm, eine Breite von 16 cm und eine Höhe von 13 cm (Außenmaße). Ein solcher Schädel ist mesozephal. Bei größerer Länge im Variationsbereich der Norm wird von Dolicho-, bei geringerer Länge von Brachyzephalie gesprochen. Abgesehen von vielfachen anthroplogischen Umfangsmessungen sind auch umfangreiche radiologische Messungen am Gehirnschädel des Erwachsenen vorgenommen worden, die normalen Proportionen und Konstanten im Gefüge des Schädels, auch zur Berechnung der Schädelkapazität, aufzeigten. Der Nahtschluss kann im Kindes- und Jugendalter beginnen, aber erst im 6. – 7. Lebensjahrzehnt beendet sein. Die Obliteration beginnt vorn in der Sutura sphenofrontalis, coronaria et sagittalis. Es folgen die Suturae lambdoidea et parietomastoidea. Grob gesehen, besteht in der Verknöcherung der Hauptnähte eine Reihenfolge von vorn nach hinen: Sutura sagittalis, Sutura coronalis, Sutura lambdoidea. Diese Beobachtungen beziehen sich allein auf die Tabula externa. Die Obliteration der Nähte an der Tabula interna fängt 7 – 8 Jahre früher an, lässt sich radiologisch aber schwieriger feststellen und ist im 2. Dezennium noch in 16% der Fälle, im 3. Dezennium nur noch in 7% der Fälle zu sehen. Ziemlich regelmäßig und auch schon bei Jugendlichen besteht in der Umgebung der Naht eine sog. Nahtsklerose, die besonders in der Kranznaht auffällt (Abb. 4.5). Die Hinterhauptsschuppe kann im Profilbild normalerweise gegen das Scheitelbein in der Lambdanaht um eine ganze Kalottenbreite vorspringen (Bathrozephalie) (Abb. 4.6). Auch gibt es Dellen in den Ossa parietalia am Bregma (Abb. 4.7). Die individuellen Besonderheiten der normalen Nähte sind derart vielgestaltig, dass allein hieraus Identifikationen zur Person möglich sind.

Abb. 4.6

Überstehende Okzipitalschuppe (Bathrozephalie).

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Schädeldach Der Markraum der Schädelkalotte, die Diploe, wird durchsetzt von kleinsten, radiologisch nicht nachweisbaren bis großen, innen, an der Tabula interna und manchmal auch an der Tabula externa Furchen bildenden Arterien und Venen. Die Spongiosastruktur variiert von feinnetzigen bis grobwabig porösen Mustern (Abb. 4.8). Sie erscheint im Alter weitermaschig. Besonders parietal und auch frontal kann es zu osteolytisch und osteoplastisch anmutenden Strukturveränderungen kommen (Abb. 4.9). Für die Röntgenphänomenologie der Schädelkalotte sind die Gefäße und meningealen Strukturen – wie die sog. Pacchioni-Granulationen – von wesentlicher Bedeutung. Die „Gefäßzeichnung“ wird geprägt aus den Gefäßfurchen der Tabula interna, den Gefäßkanälen innerhalb der Diploe, den Sinusfurchen und den sog. Pacchioni-Granulationen. Die Ausprägung dieser „Gefäßzeichnung“ ist außerordentlich vielfältig und reicht von einer fast strukturlosen Kalotte bis zu einem Bild, das von Gefäßkanälen extrem durchsetzt ist (Abb. 4.11). Die Grenzziehung zwischen einem normalen und pathologischen Befund kann außerordentlich schwierig sein.

359

Abb. 4.7 Abnorme Konturdelle, keine traumatische Impression hinter der Koronarnaht.

Grundsätzlich wird eine vermehrte Gefäßzeichnung bei Erkrankungen beobachtet, die mit einer vermehrten Zirkulation durch die Gefäße der Kalotte, der Meningen oder der Kopfhaut einhergehen. Hierbei ist in erster Linie das Meningeom zu berücksichtigen, des Weiteren an arteriovenöse Malformationen zu denken und an okkludierende Gefäßverschlüsse mit Ausbildung eines Kollateralkreislaufs über Meningealarterien.

Abb. 4.8 Grobwabig-poröse Struktur bei einem 31-jährigen Mann.

Abb. 4.9 Typische Altersveränderungen am Schädel einer 81-jährigen Frau (Pfeilspitzen).

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4 Schädel

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Eine einseitig vermehrte Gefäßzeichnung ist immer auf einen pathologischen Prozess suspekt. Eine Gefäßstruktur ist als solche grundsätzlich dann anzunehmen, wenn es sich um eine längerstreckige bandförmige Aufhellung von gradlinigem oder geschlängeltem Verlauf handelt, d. h. wenn man sich hinter einer Aufhellung in der Kalottenstruktur den anatomischen Verlauf eines Gefäßes vorstellen kann. Grundsätzlich kann man unterscheiden: Gefäßfurchen durch Meningealgefäße: Die extraduralen meningealen Arterien und Venen können an der Tabula interna Gefäßfurchen hervorrufen (Abb. 4.10, 4.44 u. 4.53). Man beobachtet sie erst im 2. oder 3. Lebensjahr. Von den in der Diploe verlaufenden Gefäßkanälen unterscheiden sie sich durch die Regelmäßigkeit und die Konstanz ihres Verlaufs und Kalibers. 쐌 leicht geschwungen oder gestreckt, 쐌 gleichmäßige Verjüngung zur Peripherie hin, 쐌 dichotomische Verzweigung.

Abb. 4.10

Der Verlauf dieser Gefäßfurchen entspricht grundsätzlich dem Verlauf der A. meningea media inklusive ihrer Aufzweigung, unabhängig, ob sie nun durch Arterien oder begleitende Venen bedingt sind. Nach ihrem Eintritt durch das Foramen spinosum in das Schädelinnere zieht die A. meningea media entlang dem Boden und der lateralen Wand der mittleren Schädelbasis kranialwärts und verzweigt sich in einen frontalen und okzipitalen Ast. Diese werden erst oberhalb bzw. hinter dem lateralen Ausläufer des kleinen Keilbeinflügels erkennbar. Der vordere Ast zieht nach parietal kranialwärts und folgt der Koronarnaht, der hintere Ast zieht in Richtung Lambdanaht und verzweigt sich dort. In der ja bekanntlich ausgesprochen dünnen Temporalschuppe zeichnen sich diese Gefäßfurchen derart scharf ab, dass Verwechslungen mit Fissuren möglich sind (Abb. 4.98). Im Gegensatz zu Frakturlinien erkennt man an irgendeiner Stelle eines Gefäßkanals immer eine leichte randständige Verdichtung. Mit Zielaufnahmen und selbstverständlich mit der CT lässt sich ein weiterer Unterschied feststellen: Im Gegensatz zu den meningealen Gefäßfurchen durchsetzen Fissuren in der Regel die gesamte Breite der Kalotte. Unabhängig davon sind Gefäßfurchen in der Regel symmetrisch ausgebildet. Auf eine Besonderheit sei noch hingewiesen: Zwischen Keilbeinflügel und Bregma verläuft die Duravene häufig getrennt von der Arterie in einer eigenen Gefäßfurche, die kaliberstärker als die der Meningealarterie ist (Sinus sphenoparietalis oder V. bregmatica). Gefäßfurchen durch die venösen Blutleiter: Unterschiedlich tiefe und breite Furchen in der Tabula interna am Ansatz der Duraduplikaturen der Falx cerebri und des Tentorium cerebelli werden durch die venösen Sinus formiert. Besonders deutlich sind dabei der Sinus transversus (Abb. 4.107 a) und der Sinus sigmoideus mit zumeist rechtsseitiger stärkerer Kalibrierung zu erkennen. Gefäßkanäle und Lakunen in der Diploe: Die Diploevenen sind in der Regel nicht vor dem 3. Lebensjahr zu sehen, sie finden sich erst um das 15. Lebensjahr voll ausgebildet. Im Alter können sie aufgrund der assoziierten Kalottenatrophie deutlich hervortreten. Die Ausprägung des Diploevenensystems ist außerordentlich varia-

Furche der V. frontoorbitalis beim Kind (Pfeile).

Abb. 4.11 Venenzeichnung am Schädel und deutliche Impressiones digitae.

Abb. 4.12 Mann.

Venen-„Stern“ parietal bei einem 18-jährigen

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Schädeldach

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bel: Es kann fast völlig fehlen, aber auch aus sehr weiten und dicht aneinander stehenden Gefäßnetzen bestehen. Die Diplovenen kommunizieren mit den duralen Sinus, den meningealen Venen und den Venen des Perikraniums und haben keine eigene knöcherne Wandung. Aus diesem Grund sieht man röntgenologisch auch nur unregelmäßige bandförmige oder rundliche Aufhellungen, die mit dem Kaliber, dem Verlauf und der Art der Verzweigung der Venen korrelieren. Man unterscheidet auf jeder Seite 4 Hauptabflussstämme der Diploevenen: 쐌 쐌 쐌 쐌

V. diploica frontalis, V. temporalis anterior, V. temporalis posterior, V. occipitalis.

Abb. 4.13 Stirnbein: Venenkanäle und deren „Löcher“ in der Diploe (Pfeile).

Da die Vv. diploicae im hinteren Anteil der Scheitelbeine am ausgeprägtesten sind, werden sie dort auch am häufigsten gesehen, oft mit sternförmiger oder radiärer Anordnung (Abb. 4.12, 4.13 u. 4.14). Werden sie orthograd getroffen, stellen sie sich als kleine, lochartige Aufhellungen der Diploe dar (Abb. 4.13). Von venösen Lakunen spricht man dann, wenn die Diploevene ungewöhnlich breit (varikös?) angelegt sind. Sie sind im konventionellen Röntgenbild manchmal schwierig von pathologischen Destruktionen zu unterscheiden. Entscheidendes Differenzierungskriterium ist aber: Bei einer tumorösen Destruktion werden in der Regel alle Kalottenschichten zerstört, während die venösen Lakunen innerhalb der Diploe gelegen sind und einen leicht gelappten, relativ scharfen Rand besitzen sowie einen drainierenden Gefäßkanal erkennen lassen. Gefäßkanale durch Emissarvenen: Die Verbindungen zwischen Sinus- mit den Diploevenen oder mit den Venen der Kopfhaut werden als Emissarvenen bezeichnet. Sie haben eine eigene knöcherne Wandung und ziehen durch die Schädelkalotte als kurze Gefäßkanäle. Ihre Zahl und Konfiguration ist sehr variabel, doch sind die Vv. emissariae mastoideae und occipitales um die Protuberantia occipitalis externa am konstantesten zu beobachten. Als weitere typische Emissarien sind die V. emissaria parietalis (3 – 4 cm oberhalb der Lambdanaht paramedian durch das Foramen parietale) und die selteneren Vv. emissariae frontales (Abb. 4.77 u. 4.78) und condylares zu nennen.

Abb. 4.14

Venenkanal (Pfeile).

Abb. 4.15 Schematische Darstellung der sog. Pacchioni-Granulationen.

An anderen Stellen der Schädelkalotte vorkommende Emissarien werden als atypisch, aber letztendlich noch als Normvarianten bezeichnet. Pacchioni-Granulationen (Foveolae granulares, Granulationes arachnoidales, Arachnoidalzotten, Arachnoidaldivertikel): Der Liquor wird über intradural gelegene Arachnoidalzotten oder Pacchioni-Granulationen resorbiert und in die duralen Sinus drainiert (Abb. 4.15). Diese Arachnoidalzotten (Arachnoidaldivertikel) oder Pacchioni-Granulationen verursachen in der Tabula interna und Diploe grubenförmige Vertiefungen, die eine sehr unterschiedliche Größe haben können (Abb. 4.16 – 4.19). Die Durchmesser reichen von 10 mm bis zu einigen Zentimetern. Letztere

Abb. 4.16

Große Pacchioni-Gruben oder tiefe Gefäßfurchen.

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4 Schädel Abb. 4.17 Pacchioni-Granulationen mit typisch ab- und zuführender Vene, ohne scharfe Begrenzung. Häufigste Lokalisation im Stirnbein.

컅 Abb. 4.18 Uhrglasförmige Vorwölbung der Lamina externa (Pfeil) durch tiefe Pacchioni-Granulation.

b

a Abb. 4.19 a, b Gefäßfurchen oder Pacchioni-Granulationen bei gleichzeitig bestehender Hyperostosis frontalis interna (Pfeile). Eine Differenzierung ist projektionsradiographisch

nicht möglich, bei asymptomatischen Patienten allerdings ohne Belang.

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Schädeldach (Abb. 4.106) können zu einer extremen Verdünnung des Schädeldachs mit uhrglasförmiger Vorwölbung der Tabula externa führen. Am häufigsten werden Foveolae granulares frontal beobachtet (Abb. 4.19). Am zweithäufigsten sieht man sie parietal, wo sie auch größer sein sollen und selten okzipital, wo sie die größte Ausdehnung erreichen können und die meisten differentialdiagnostischen Schwierigkeiten bereiten (Abb. 4.106). Grundsätzlich ist ihre Topographie an den großen Blutleitern orientiert, selten sind sie mehr als 3 cm von ihnen entfernt (z. B. vom Sinus sagittalis superior). Ihre diagnostische Sicherung gelingt in der Projektionsradiographie immer dann, wenn man einen engen Bezug zu einem Gefäßkanal feststellen kann (Abb. 4.17). Differentialdiagnostische Probleme kommen immer dann auf, wenn Foveolae granulares ungewöhnlich groß sind und evtl. auch noch mit Kopfschmerzen der meist älteren Patienten einhergehen. Das differentialdiagnostische Spektrum reicht von einer metastatischen Destruktion bis zur Osteoporosis circumscripta bei Ostitis deformans Paget. Hamers u. Mitarb. (2000) konnten mit einer liquorsupprimierenden Sequenz (sog. FLAIR-Sequenz) die Zugehörigkeit von Pacchioni-Granulationen zum Liquor- bzw. Arachnoidalbereich nachweisen, während mit der CT eine eindeutige Zuordnung zu Gefäßen oder meningealen Strukturen nicht möglich ist. In dieser Arbeit wird anhand einer Literaturübersicht über die Klinik von Pacchioni-Granulationen (es soll primäre und sekundär-posttraumatische geben) diskutiert. Mit Hilfe der Szintigraphie kann man, wenn ein MRT-Gerät nicht zur Verfügung steht, diagnostisch insofern weiterkommen, als man metastatische Destruktionen und eine Ostitis deformans Paget ausschließen kann, wenn sich im Bereiche der Foveolae granulares keine verstärkte Aktivitätsanreicherung findet. Die Unterscheidung zwischen Foveolae granulares einerseits und gefäßbedingten Furchen und Gruben andererseits ist ohne Belang. Lokalisierte Verdünnungen der Schädelkalotte, eine normale anatomische Variante, müssen in den Kreis differentialdiagnostischer Erwägungen einbezogen werden (Abb. 4.20). Die Kalottendicke variiert erheblich. Als mit wenigen Millimetern am dünnsten erweist sich meist die mittlere Schläfenbeinschuppe. Die dickste Stelle liegt im Tuber parietale und kann in der Norm 8 mm überschreiten. Die Dicke des Schädeldachs nimmt im Laufe des Lebens in 71%iger Häufigkeit zu (Ausnahmen s. Kap. Spezieller Teil „Os parietale“ [S. 387]). Die Impressiones digitatae imponieren auf der Röntgenaufnahme zwar als Strukturveränderungen, doch handelt es sich in Wirklichkeit, wie die Bezeichnung besagt, um Konturveränderungen an der Tabula interna. Sie fehlen normalerweise im 1. Lebensjahr. Mit der Ausbildung der Diploe im 2. Lebensjahr erhält nach dem 18. Lebensmonat die anfangs glatte Innenfläche des Schädels den Abdruck der Hirnwindungen, die Impressiones digitatae und die Juga cerebralia. Sie sind im 4. – 10. Lebensjahr am deutlichsten, werden bei Kindern meist im Scheitelbein, bei Erwachsenen mehr in der Pars squamosa ossis temporalis beobachtet und bieten an sich einen Normalbefund (Abb. 4.11) Bei Impressiones digitatae handelt es sich um den normalen Ausdruck des Wachstums und der Modellierung der membranösen Deckknochen, die außerhalb und neben dem Wachstum an den Nähten stattfindet. Hört das Wachstum an den Nähten oder auch nur an einer Naht auf, müssen bei normalem Gehirnwachstum notwendig die modellierenden Vorgänge an den Deckknochen gesteigert

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Abb. 4.20 Lokalisierte Verdünnung des Os occipitale (Pfeile). Zufallsbefund. Bei einem ähnlichen Befund im Os frontale fanden wir im CT eine komplette „Verödung“ der Diploe, wodurch Tabula externa und interna verschmolzen erschienen. sein. Dies bedingt eine Vermehrung der Impressiones digitatae (Abb. 4.21). Diese Vorgänge führen nur bei lang dauerndem erhöhtem Hirndruck, wenn das Nachgeben der Nähte und das gesteigerte Wachstum an den Nähten allein nicht mehr zur Kompensation ausreichen, zu einer gesteigerten Modellierung mit entsprechender Verstärkung der Impressiones digitatae. Ihr röntgenologischer Nachweis bedeutet lediglich gesteigerte Wachstums- und Umbauvorgänge, aus welchem Grunde diese auch immer entstehen. Pathologisch ist hingegen das Fehlen der Impressiones digitatae bei Kindern, die älter als 1 Jahr sind. Hierbei besteht immer der Verdacht auf ein vermindertes Hirnwachstum (Mikroenzephalie, Shunt bei Hydrozephalus).

Abb. 4.21 Prämature Synostose der Kranz-, teilweise auch der Lambdanaht mit verstärkten Impressiones digitatae bei einem 9-jährigen Jungen mit starken Kopfschmerzen. In Pfeilrichtung Sulcus transversus. x Ohrmuschel

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Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Varianten Als Zufallsbefund wird die „doughnut lesion“ (Keats u. Holt 1969), eine symptomlos auftretende ringförmige Sklerose der Schädelkalotte mit zentraler Aufhellung, beobachtet. Innerhalb der Aufhellung kann sich auch eine inselförmige Verdichtung finden. Zumeist haben die Läsionen einen Durchmesser von bis zu 1 cm, die Randbegrenzung kann zuweilen auch etwas unscharf sein. Bei der Läsion handelt es sich um einen benignen fibrösen Herd, wahrscheinlich reaktiver Genese.

Fehlbildungen/Deformitäten Nahtknochen (Ossa suturarum Wormi[us]i) treten meist in der Nähe der hinteren Fontanelle in der Lambdanaht auf und werden auf S. 387 u. 393 besprochen. Auch im Gebiet der vorderen Fontanelle wurde ein Nahtknochen gefunden. Meningo- bzw. Enzephalomeningozelen können nicht nur unter der Lambdanaht (Abb. 4.22), sondern auch direkt über dieser Struktur durch die Sagittalnaht austreten. Man spricht dabei auch von einem „Cranium bifidum occultum“. Ein solcher Befund wird auch in der Sutura frontalis beschrieben (s. auch S. 386 u. 394). Das Cranium bifidum ist in 50%iger Häufigkeit mit einem Lückenschädel verbunden. Beim Lückenschädel liegen (im Gegensatz zum Wolkenschädel) echte Defekte der Tabula interna bei (meist!) erhaltener Tabula externa vor. Dura und Periost sind immer erhalten. Die Lücken liegen meistens parietal oder auch frontal, selten okzipital und bilden sich in der Regel innerhalb von 3 Monaten spontan zurück. Schädelnahtstörungen unterschiedlicher Art (verzögerter oder beschleunigter Nahtschluss, Nahtknochen u. a.) beruhen auf sehr verschiedenen Ursachen, meist allerdings auf dysplastischer Grundlage, induziert durch Knochenwachstums- und Gehirnwachstumsstörungen, aber auch als Begleiterscheinungen konstitutioneller Stigmata angeborener Systemerkrankungen des Knochens wie

Abb. 4.22 Meningoenzephalozele im Hinterhaupt bei einem 24-jährigen Mann (Beobachtung von Gaerttler, Singen). aber auch konstitutionell bedingter Stoffwechselerkrankungen. Hervorzuheben ist die z. T. beträchtliche Nahtverbreiterung bei Säuglingen mit kongenitalen Herzfehlern (Hoevels-Guerlich u. Mitarb. 1984), die über 100 Tage mit Prostaglandin E2 behandelt wurden. Nahtstörungen sind am Beispiel des Down-Syndroms beschrieben. Offene Nähte und das Auftreten vielfacher Nahtknochen charakterisieren am verbreiterten Schädel mit basilarer Impression die Dysplasia cleidocranialis (Abb. 4.23); andererseits finden sich Nahtdefekte z. B. auch bei der familiären idiopathischen hypertrophischen Osteoarthropathie. Für die Hypophosphatasie ist die Verknöcherungsstörung der Kalvaria eines der Kardinalsymptome.

a

b Abb. 4.23 a, b

Dysplasia cleidocranialis mit überdeutlichen Nähten, langen Nahtzacken und basilarer Impression.

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Schädeldach

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Der verzögerte Nahtschluss erfolgt außer bei den oben genannten hormonellen und dysplastischen Störungen sonst meist infolge raumverdrängender intrakranieller Prozesse. Der vorzeitige Nahtschluss, in 0,6% der Fälle unter lebenden Neugeburten beobachtet, meist als Zeichen einer gestörten Konstitution (mit Tendenz zur Trigonozephalie), kann weiterhin auch durch eine heilende (Vitamin-D-behandelte) Rachitis, eine idiopathische Hyperkalzämie sowie durch eine Osteopetrose bedingt sein; auch die angeborene Hyperthyreose und die Überdosierung von Thyroxin bzw. dessen Derivaten bei angeborener Hypo- oder Athyreose vermag nicht nur zu einer Akzeleration der Knochenkernentwicklung, sondern auch zu prämaturer Nahtsynostose führen. Die Dysplasie betrifft im Allgemeinen

die Nähte mehr lokalisiert. Der Schädel ist meistens, aber nicht immer, defiguriert. So wurde z. B. bei 4 Zwillingspaaren im Säuglings- und Kindesalter eine kraniale Asymmetrie bei vorzeitigen Synostosen der Lambdanaht (neben z. T. ausgeprägten weiteren Körpermissbildungen) beobachtet. Die häufigste Kombination von Schädeldeformität und vorzeitiger Nahtsynostose erfolgt beim Turmschädel (Abb. 4.24 a) mit Verschluss zunächst sowohl der Kranznaht sowie der Verbindung zwischen Keil- und Stirnbein, anschließend manchmal auch der Lambdanaht. Der Beginn der prämaturen Synostosierung liegt wohl in der Suturna sphenofrontalis. Die Kranznaht kann auch von vornherein fehlen (Abb. 4.25 a, b).

Abb. 4.24 a, b Frontale Dysplasien: a Turmschädel bei prämaturem Kranznahtverschluss.

b Kahnschädel bei prämaturem Kranz- und Pfeilnahtverschluss.

a

b

Abb. 4.25 a – d Getrennte und gemeinsame Zentren beim Neugeborenen (nach Rieping): a, b Getrennte Zentren (normal) für den Parietal- und Frontalkern beim Neugeborenen. c, d Gemeinsames Zentrum für den Parietal- und Frontalkern beim Neugeborenen. Fehlende Anlage der Kranznaht.

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4 Schädel

Bleiben die bregmanahen Abschnitte der Kranz- und Pfeilnaht noch für eine Zeit hin offen, so entwickelt sich durch die Ausdehnungsmöglichkeit des Gehirns nach oben ein Spitzschädel oder Oxyzephalus. Der Turmschädel geht mit deutlicher Verkürzung der vorderen Schädelbasis sowie mit Steilstellung der die vordere Schädelgrube bildenden Konturen der Orbitadächer einher. Die Verkürzung der vorderen Schädelgrube kann nur durch vermehrte Querstellung der großen Keilbeinflügel erfolgen. Der von ihnen eingeschlossene Gesichtswinkel beträgt normalerweise 95⬚. Beim Turmschädel wurden Mittelwerte von 115⬚ gemessen (Abb. 4.26). Dementsprechend können die Sehachsen bis zu 18“ zum Strabismus divergens auseinander weichen („he looks like a hare“). Durch die mehr transversale Stellung der großen Keilbeinflügel kommt es zum Hypertelorismus und damit zur raumauffüllenden Dilatation der Siebbeinzellen (Abb. 4.27). Die flachen Augenhöhlen führen zum Exophthalmus. Ohne Entstehen einer unphysiologischen Stufe kann das Obergesicht nicht unbetroffen bleiben. Der harte Gaumen wird mit der frontalen Schädelbasis kürzer. Bei normaler Unterkieferentwicklung entsteht eine Progenie. Die Kombination mit der Gesichtsdeformität beim Turmschädel führte zur Bezeichnung „kraniofaziale Dysostose“, deren Erbgang autosomal oder in 25% der Fälle sporadisch ist. Kommen Missbildungen an Fingern und Zehen hinzu, handelt es sich um einen der verschiedenen Typen der Akrozephalosyndaktylie. Ähnlich den noch zu besprechenden Veränderungen an der Schädel-Wirbelsäulen-Grenze, die – auf den Schädel bezogen – als „okzipitale

Dysplasie“ bezeichnet werden, wurde hier im vorderen Grenzbereich des Schädels wie im Übergang zum Gesicht eine „frontale Dysplasie“ gesehen. Die Beziehungen der okzipitalen zur frontalen Dysplasie wurden bei einem 38 Monate alten Kind mit Apert-Syndrom nach morphologischer Untersuchung deutlich: Unter Einschluss von Veränderungen an der Sphenookzipitalfuge bestanden die Zeichen einer extrem ausgeprägten Hypoplasie des Mittelgesichts, basierend auf einer Entwicklungsstörung des gesamten Schädelbasisknochens und seiner Synchondrosen. An dieser Deformität nimmt das Stirnbein eine äußerlich derartig dominierende Form an, sodass eine Fehldeutung als „Turmschädel“ naheliegt. Dem vorzeitigen Verschluss der Pfeilnaht entspricht eine offenbar geänderte Wachstumsrichtung des Gehirns mit einer Deformierung des Schädeldachs im Sinne eines Kahnschädels. Der Kahnschädel verdankt seine Bezeichnung dem Bild in der sagittalen Projektion. Im Seitenbild ist er meist durch eine mehr als physiologische Dolichozephalie gekennnzeichnet. Wenn – in der Regel – dabei auch die Kranznaht vorzeitig verschlossen ist, geht auch der Kahnschädel mit einer frontalen Dysplasie einher (Abb. 4. 24 b). Bei der prämaturen Nahtsynostose kommt es oft zur erheblichen Vermehrung der Impressiones digitatae (Abb. 4.21), bei Kranznahtsynostosen vorwiegend im Os frontale.

b

a Abb. 4.26 a, b Gesichtswinkel: a Norm (ca. 95⬚). b Bei frontofazialer Dysplasie (122⬚).

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b Abb. 4.27 a, b Vorzeitige Nahtsynostosen (nach Suturotomie) mit frontaler Dysplasie: a In p.-a. Projektion deutlicher Hypertelorismus mit Dilatation der raumausfüllenden Siebbeinzellen. b Seitliche Projektion. dicke Pfeile raumfordernde Siebbeinzellen Pfeilspitzen okzipitale Pacchioni-Granulationen Pfeile Sinus transversus beiderseits weiße Pfeilspitze Operationsdefekt

a

Verkalkungen Die Vielzahl möglicher Verkalkungen, die man auf Röntgenbildern sowie der CT des Schädels sehen kann, zu beschreiben, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Den Versuch zu machen, eine Übersicht in einigen wenigen schematisierten Skizzen zu geben, wie es in der vorigen Auflage geschah, erscheint uns deshalb didaktisch von fraglichem Wert, weil der Vergleich etwa vorliegender Röntgenaufnahmen sowie CT mit den skizzierten Befunden wenig aufschlussreich ist. Wir jedenfalls haben manche der skizzierten Befunde in anderer Symptomatik beobachtet. In diesem Abschnitt sollen im Wesentlichen die Verkalkungen besprochen werden, die in der Projektionsradiographie sowie in der CT zumeist zufällig entdeckt werden. Oft ist jedoch eine scharfe Grenze zum Pathologischen nicht zu ziehen. Daher halten wir uns zunächst an die Beschreibung von Verkalkungen, die lehrbuchmäßig als „physiologisch“ bezeichnet werden, um dann kursorisch typische, weitere intrakranielle Verkalkungen zu besprechen und zu beschreiben, die eigentlich als pathologisch zu klassifizieren sind.

Physiologische Verkalkungen Corpus pineale

dem 6. Lebensjahrzehnt etwa in 60 – 70% der Fälle (Abb. 4.28, Tab. 4.1). In der CT können Verkalkungen des Corpus pineale sehr gut nachgewiesen werden (Abb. 4.29), und es liegt der Verdacht nahe, dass Corpus pineale-Verkalkungen ein physiologisches Phänomen sind. Bei Kindern unter 10 Jahren ist eine sehr große Corpuspineale-Verkalkung verdächtig für ein Pinealom. Verlagerungen des verkalkten Corpus pineale aus der medialen Ebene sprechen für einen raumfordernden oder schrumpfenden Prozess einer Hirnhälfte.

Habenulae Zarte, kommaförmige Kalkschatten 4 – 5 mm ventral des Corpus pineale entsprechend Verkalkungen der Habenulae.

Plexus choroidei Verkalkungen der Plexus choroidei der Seitenventrikel werden mit Ausnahme der Verkalkung durch Toxoplasmose radiologisch bei normalen Kindern auch schon im 3. Lebensjahr gefunden, im Allgemeinen jedoch erst nach dem 20. Lebensjahr sichtbar. Der Nachweis von Plexusverkalkungen gelingt auch wie jene des verkalkten Corpus pienale mit der CT (Abb. 4.30) deutlich leichter als mit der Projektionsradiographie.

Projektionsradiographisch werden Verkalkungen bei Neugeborenen und Kleinkindern selten beobachtet, vom 2. Lebensjahrzehnt an treten sie bei etwa 25% der Fälle auf, ab

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4 Schädel

b Abb. 4.28 a, b Verkalkung des Corpus pineale (Pfeile): a Seitlicher Strahlengang. b Sagittaler Strahlengang. a

In den meisten Fällen sind diese Verkalkungen als unspezifisch und als „physiologisch“ zu sehen, lediglich bei bekannter Anamnese einer Toxoplasmose oder eines anderen entzündlichen Geschehens wäre diese Verkalkung als pathologisch zu werten (Abb. 4.30).

Tabelle 4.1 Altersverteilung verkalkter Zirbeln von 80 Untersuchten nach Durchsicht von Schädelaufnahmen bei 1044 Patienten (aus Helenke, K., P. Winkler: Fortschr. Röntgenstr. 144 [1986] 221) Abb. 4.29

Abb. 4.30 spitzen).

Verkalkung der Glandula pinealis (Pfeilspitze).

Verkalkung des Plexus choroideus beidseits (Pfeil-

Altersgruppe

n = Zahl der Kinder

n = Zahl der Zirbelverkalkungen

0– 1 1– 2 2– 3 3– 4 4– 5 5– 6 6– 7 7– 8 8– 9 9 – 10 10 – 11 11 – 12 12 – 13 13 – 14 14 – 15 15 – 16 16 – 17 17 – 18

162 105 69 58 48 56 63 55 65 42 54 52 45 48 43 41 23 15

5 3 2 2 2 2 3 3 3 3 5 5 5 8 8 9 7 5

Gesamt

1044

80

% Corpuspineale-Verkalkungen 3,1 2,9 2,9 3,4 4,2 3,6 4,8 5,5 4,6 7,1 9,3 9,6 11,1 16,7 18,6 22,0 30,4 33,3

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Die Häufigkeit röntgenologisch nachweisbarer Plexusverkalkungen schwankt nach den Angaben in der Literatur zwischen 1,5% und 28%. Die symmetrische Lage im Sagittalbild über der Mitte der Orbitabögen (seitlich 10 mm hinter und 5 mm über der Höhe des Corpus pineale) ist die Regel, eine Asymmetrie kommt vor (Abb. 4.31 u. 4.32). In der Projektionsradiographie besitzen Höhenunterschiede von mehr als 10 mm im Vergleich beider Seiten keine Bedeutung. Röntgenologisch erscheinen die Kalkstrukturen maulbeerförmig. Die Verkalkungen im Plexus nehmen im Alter an Häufigkeit zu und sind öfter bei Männern als bei Frauen aufzufinden. Ein Nachweis der Verkalkung bei Kindern unter 15 Jahren erweckt den Verdacht auf das Vorliegen einer endokrinen Störung. Sonographisch erweist sich der Plexus choroideus wegen seiner Schallhypoechogenität als besonders auffallende Gewebsstruktur. Die Sonographie des Kraniums bzw. seiner Strukturen hat vor allem in der Neonatalperiode große Bedeutung (s. hierzu Lehrbücher der Neuroradiologie der Neonatalperiode und des Kindes).

Sinus sagittalis Konvergierende, streifige, schmale Kalkschatten unter der Tabula interna, im sagittalen Bild unter der Kalottenhöhe gelegen, entsprechen Duraverkalkungen des Sinus sagittalis (Abb. 4.33).

Falx cerebri Bei schon im frühen Kindesalter nachgewiesenen Verknöcherungen der Falx cerebri ist die Unterscheidung zwischen frontal gelegenen Ossifikationen, die vom Stirnbein auf die Falx übergehen und sich weit ausdehnen können (Abb. 4.34 u. 4.35) einerseits und Crista frontalis (Abb. 4.36) oder auch isoliertem Falxknochen oder Osteom in der Falx andererseits schwierig. Die isolierten Falxknochen sind in der Medianebene scharf und gradlinig begrenzt, erweisen sich nach lateral jedoch als unschärfer konturiert und mehr ausgebuchtet (Abb. 4.37).

Abb. 4.32 Seitliche Projektion. Verkalkungen im Plexus choroideus (große Pfeilspitze). Ohrmuschel (Pfeilspitzen).

Abb. 4.31 Verkalkungen im Plexus choroideus beider Seitenventrikel, p.-a. Projektion (Plexusverkalkungen in unterschiedlicher Höhe, Normalbefund).

Die Unterscheidung zwischen Verkalkungen der Falx cerebri bzw. isolierter Falxknochen oder Osteomen kann mit der CT deutlich besser getroffen werden als mit der Projektionsradiographie. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn die CT in der Auswertung im Knochenfenster betrachtet wird (Abb. 4.38).

Abb. 4.33

Duraverkalkungen des Sinus sagittalis (Pfeile).

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4 Schädel

Abb. 4 34 Stark ausgeprägte Crista frontalis (Beobachtung von Niemann).

Abb. 4.35 Seitliche Aufnahme mit stark ausgeprägter Crista frontalis (Pfeile) (Beobachtung von Niemann).

Abb. 4.36

Abb. 4.37

Crista frontalis (Pfeile).

Falxknochen.

Abb. 4.38 Kleine Falxverkalkung. CT in axialer Ebene in der Auswertung im Knochenfenster.

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Tentorium cerebelli Verkalkungen des Tentorium cerebelli mit Ausnahme der Befunde in Sellanähe (s. Kap. Sella turcica [S. 405]) sind selten, aber in ihrer Anordnung typisch (Abb. 4.39 u. 4.40).

Hyperostosis cranialis interna Aus pathogenetischer Sicht handelt es sich dabei nicht um eine „Verkalkung“ einer intrakraniellen Weichgewebsstruktur, sondern um eine Hyperostose der Tabula interna, also um ein „Mehr“ an Knochen. Die Hyperostosis cranialis interna tritt hauptsächlich bei Frauen in und nach dem Klimakterium auf. Formen der Hyperostosis cranialis interna nach der radiologischen Symptomatik: ➤ Höckrige Hyperostose im Stirnbein (Abb. 4.41). ➤ Fleckige Hyperostose in dessen oberem Teil (Nebula frontalis) (Abb. 4.42). ➤ Frontoparietale Hyperostose mit Verdickung des betroffenen Schädelabschnitts. ➤ Hyperostosis calvariae diffusa.

Abb. 4.39 Kalkschatten in typischer Anordnung entsprechend dem Verlauf der Dura mater am Tentorium cerebelli im p.-a. Strahlengang.

Abb. 4.40 Verkalkung im Dach des Tentorium cerebelli in der seitlichen Projektion (Pfeil).

a

b Abb. 4.41 a, b Höckerige Hyperostosis calvariae interna im Stirnbein: a P.-a. Projektion: zusätzliche Falxverlagerung.

b Seitliche Projektion: genaue Begrenzung auf das Os frontale.

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4 Schädel Abb. 4.42 Nebula frontalis. Beachte die Gefäßfurchen durch die Meningealgefäße (s. auch S. 359 ff.).

Die Hyperostosis frontalis interna ist eine Sonderform unter den allgemeinen Hyperostosen. Bei Frauen über 50 Jahren kommt sie fast in 40%iger Häufigkeit vor. Als Morgagni-Stewart-Morel-Syndrom kann die Hyperostose auch mit Obesitas, Virilität, Kopfschmerzen und psychisch-neurologischen Störungen verbunden sein.

Pathologische Verkalkungen Verkalkungen entzündlicher Genese Die häufigsten Ursachen infektiöser intrakranieller Verkalkungen sind: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Toxoplasmose (Abb. 4.43), Zytomegalie, Tuberkulose Torulose, Zystizerkose (Abb. 4.44), Kokzidiose, Echinokokkose.

strukturierten Tuberkulome mit zackigen, gekerbten oder auch bogigen Konturen auf. Unter 8 von 15 Tuberkulomen wurden nur 11 verkalkte gefunden. Verkalkungen sieht man auch nach einer Meningitis tuberculosa, im Allgemeinen ab 3 Monaten. Diese Verkalkungen liegen vorwiegend in der Gegend der Zisternen besonders der Cisterna interpeduncularis (Abb. 4.45). Auch in den Meningen können entzündlich bedingte zusammenhängende Kalkablagerungen einzelner Hirnwindungen markiert sein und einen Morbus Sturge-Weber vortäuschen. Die Unterscheidung zwischen entzündlich bedingten und Verkalkungen anderer Genese kann nur mit der CT einigermaßen präzise getroffen werden.

Verkalkungen tumoröser Genese Verkalkungen können beim Meningeom und Astrozytom vorkommen. Die Diagnose ist höchstens noch in Verbindung mit der Anamnese und dem klinischen Befund zu stellen. Eine Unterscheidung von verkalkten Abszessen ist nativ nicht möglich.

Die Verkalkungen durch Tuberkulose treten in Form der seltenen, dichten, gut abgrenzbaren, rundlichen, getüpfelt

Abb. 4.43 Typischer Aspekt toxoplasmotischer Verkalkungen.

Abb. 4.44 Zystizerken im Gehirn (Pfeile) und 컄 außerdem Osteom des Stirnbeins (Doppelpfeil). Beachte den Verlauf der Furche der A. meningea media (schwarzer Pfeil).

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Schädeldach

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Verkalkungen sonstiger Genese Blutungen hinterlassen nach subduraler Ausdehnung evtl. Kalkschatten mit breiter, scholliger Form oder en plaque. Ziegelförmige Kalkstreifen bilden sich nach epiduralen Hämatomen (Abb. 4.46). Flächenhafte Verkalkungen der Hirnhäute, wie die Pachymeningeosis haemorrhagica, bieten einen typischen Befund (Abb. 4.47). Die Verkalkungen betreffen meistens die Dura. Intrazerebrale Blutungen durch Geburtstraumen, im Rahmen frühkindlicher Tumoren sowie nach Massen-und Tumorblutungen, sind beschrieben. Nach Ventrikelpunktionen sind in 13,3% Verkalkungen in den Stichkanälen nachgewiesen worden (Abb. 4.48). Bei Gefäßverkalkungen handelt es sich meist um Intimaverkalkungen der A. carotis interna, die sich im sagittalen Strahlengang parasellar abbilden und sich in der Seitenansicht auf die Sella projizieren (Abb. 4.49). Die Endarteriitis calcificans verursacht Kalkablagerungen in Arteriolen und Kapillaren tief in den Sulci und ist erblich. Das Sturge-Weber-Syndrom, eine enzephalofaziale Angiomatose auf dysplastischer Grundlage, geht mit einer kleineren Hemisphäre der betroffenen Seite entsprechend der Kalottenasymmetrie und schienenartig parallel verlaufenden „gyriformen“ Kalkstreifen in subkortikal verlaufenden Gefäßen anfangs parietal, dann auch okzipital, einher. Im Rahmen der tuberösen Sklerose kommt es zur Bildung vielfacher erbsengroßer Kalkherde (Abb. 4.50), die kortikal und subkortikal sowie paraventrikulär und in den basalen Ganglien liegen.

Abb. 4.45 (Pfeile).

Endokranielle Verkalkungen nach Tuberkulose

Abb. 4.46 Verkalkter Bluterguss zwischen Dura mater und Tabula interna (Pfeil).

b

a

Abb. 4.47 a, b Pachymeningeosis: a Typisches Röntgenbild einer Pachymeningeosis (Pfeile) nach Schädeltrauma vor 4 Jahren bei einem 10-jährigen Kind. b Pachymeningeosis haemorrhagica interna, „Panzerhirn“ (aus Birkner, R., K. Lagemann: Fortschr. Röntgenstr. 105 [1966] 377 – 381).

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4 Schädel

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Intrazerebrale und intrazerebellare Verkalkungen können computertomographisch auch bei Erwachsenen nachgewiesen werden, die jahrzehntelang einer erhöhten Bleibelastung ausgesetzt waren und deren Serumbleiwerte deutlich erhöht waren. Die Verkalkungen stellen sich bogen-, linien-, fleckförmig und diffus dar, und wurden sowohl subkortikal als auch in den Stammganglien, dem Vermis und auch dem Kleinhirn gefunden. a

S

S

S

b

Abb. 4.48 a, b Schematische Skizzen: Nadelartig aussehende Kalkschatten nach Fontanellenstichen (nach Baensch). S Stirnhöhle

b

a

d

c Abb. 4.49 a – d Intimaverkalkungen der A. carotis interna: a Seitliche Projektion auf die Sella turcica. b Seitlich mit skizziertem A.-carotis-Verlauf.

c Beiderseits ringförmig (Pfeile) im sagittalen Strahlengang. d Beiderseits schalenförmig (Pfeile) im sagittalen Strahlengang.

컅 Abb. 4.50 Feine Verkalkungen vor und hinter der Koronarnaht (Tuberöse Sklerose? Toxoplasmose?).

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Schädeldach Symmetrische Verkalkungen des Hirnstamms in röntgenologischer Darstellung sind seit 1935 bekannt. Diese Verkalkungen sind oft zentral in der Kernregion nachweisbar, streifenförmig oder in amorphen Massen konfiguriert und geben ein anatomisches Bild des Nucleus caudatus, lentiformis und dentatus cerebelli wieder. Ein gleichzeitiges oder alleiniges Auftreten dieser Verkalkungen im Kleinhirn ist möglich. Die Verkalkungen wurden vorwiegend beim Pseudohyperparathyreoidismus sowie bei Anfallsleiden beobachtet, kommen aber auch bei Untersuchten ohne klinische Symptomatik vor. Seit der Verwendung der CT lassen sich Stammganglienverkalkungen ohne klinische Symptomatik etwas häufiger nachweisen. Die Abb. 4.51 entspricht Abzügen der Originalaufnahmen von Dinkel (1967). Über die Differentialdiagnose der (auch einseitigen) Stammhirnverkalkungen s. bei Voigt u. Mitarb. (1978).

Fraktur? Vor der Besprechung von Frakturen und frakturverdächtigen Befunden soll darauf hingewiesen werden, dass der am Schädel Verletzte mit der CT untersucht werden sollte. Mit wenigen Ausnahmen sind Depressionen des Schädeldachs beim Neugeborenen auf ein Trauma während der Geburt zurückzuführen und gehen oft mit Frakturen einher. Es gibt jedoch auch lokalisierte Mulden stärkeren Ausmaßes bei Neugeborenen ohne traumatischen Ursprung, die sich in den ersten 6 Lebensmonaten spontan völlig zurückbilden. Als Rarität ist die isolierte Läsion der Tabula externa der Schädelkalotte zu betrachten. Sowohl projektionsradiographisch als computertomographisch kann die Abgrenzung normaler von traumatisch entstandenen Veränderungen am Schädel u. U. Schwierigkeiten bereiten. Das kann insbesondere dann schwierig sein, wenn der Patient Kind ist und normale Nähte oder Gefäßfurchen von traumatisch bedingten Läsionen zu unterscheiden sind (Abb. 4.52). Ebenso können auch seltene Nahtvarianten schwer von Frakturen abzugrenzen sein.

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Natürlich ist auch hier die Kenntnis des klinischen Befunds und der (bei Kindesmisshandlungen oft verschwiegenen) Vorgeschichte in Zweifelsfällen eine unbedingte Voraussetzung. Bei meist senkrecht verlaufenden Spalten kann es in der unteren Schläfenbeinschuppe zu differentialdiagnostischen Zweifeln kommen, ob es sich um eine oft in die Basis einstrahlende Fraktur oder um eine Arterienfurche handelt. Bei entsprechenden Anamnese (Trauma) kann die CT hier Klarheit schaffen (Abb. 4.54). Geglättete, harmonische, vielleicht sogar etwas verdichtete Konturen sprechen für einen Gefäßulkus (Abb. 4.53), der unregelmäßig gezackte (nicht gezähnelte) Rand für eine Fraktur. Fissuren oder Frakturen sind wegen der Enge der Bruchspalten häufig nur in einer bestimmten Projektion erkennbar, in einer um wenige Grade geänderten Strahlenrichtung aber nicht mehr nachzuweisen. Grundsätzlich stellen sich Frakturen filmnahe schärfer dar (Abbildungsgeometrie!). In der CT können Frakturspalten möglicherweise dem Nachweis entgehen, sofern sie eher diskret ausgeprägt sind und parallel der Schichtebene verlaufen. Die Suturae squamosa, sphenosquamosa (parietomastoidea), die manchmal erst im 5. – 7. Lebensjahrzeit verschlossen sind, können gelegentlich im sagittalen Strahlengang orthograd getroffen werden und können dann leicht wie Frakturspalten oder Nahtsprengungen imponieren. Die in der Bathrozephalie auftretende Stufe, die die vorgewölbte Okzipitalschuppe gegen das Schädelbein in die Lambdanaht im Seitenbild kennzeichnet, kann erheblich sein (Abb. 4.6). Die Diagnose der Sprengung der Lambdanaht wird allerdings durch das Auftreten zusätzlicher Frakturspalten erleichtert (Abb. 4.55 u. 4.56). Asymmetrien und eine Breite des Spalts über 2 mm erwecken den starken Verdacht auf Nahtsprengungen, aber auch eine posttraumatische Zunahme der ursprünglichen Dehiszenz im Sinne einer sog. „wachsenden“ Fraktur. Auf dieser Grundlage entstandene Lücken werden gelegentlich zu Durchgangspforten für leptomeningeale Hernien, die computertomographisch nachzuweisen sind. Als seltene Komplikation nach Vakuumextraktion wurde ein solcher

b

a Abb. 4.51 a, b Stammhirnverkalkungen: a P.-a. Projektion. b Seitliche Projektion.

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4 Schädel „wachsender“ Schädelbruch beobachtet. Nahtsprengungen können auch dann schwer zu erkennen sein, wenn infolge eines Traumas durch das entstandene intrakranielle Hämatom ohne direkte Knochenverletzung eine Druckerhöhung entsteht, die sämtliche Nähte betreffen kann. Bei linien- oder flächenförmigen Verdichtungen auf Schädelübersichtsaufnahmen nach Traumen mit meist begrenzt lokalisierter Gewalteinwirkung (Sternfraktur oder „Eggshell-Fraktur“) muss an ein Übereinanderschieben der Fragmente und an eine Impression gedacht werden, deren Ausmaß durch Tangentialaufnahmen bzw. durch die CT festgestellt werden kann (Abb. 4.57). Der Nachweis von Lufteinschlüssen im Schädel (Pneumatozephalus) kann als indirekt sicheres Frakturzeichen

Abb. 4.52 Typisches Bild einer Schädelfissur (Pfeile) mit Spaltung der Tabula interna et externa, klaffend, geradliniger verlauf, unweit von der großen Fontanelle (Doppelpfeil). 1-jähriges Kind.

b

a 왕 Abb. 4.53 a, b Gefäßkanal im Os temporale: a Gefäßkanal im Os temporale, sich hinter die Sella projizierend (Pfeile und Pfeilspitzen). b Gefäßkanal im Os temporale in Projektion über der Sella (Pfeile). 컅 Abb. 4.54

Kalottenfraktur rechts. CT.

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Schädeldach

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a

b Abb. 4.55 a, b Berstungsfraktur mit Sprengung der Lambdanaht (Pfeile) bei einer 23-jährigen Frau.

Pfeilspitzen Sagittalnaht der Tabula externa weiße Pfeilspitzen Sagittalnaht der Tabula interna

gewertet werden, wenngleich dieser Nachweis mit der CT deutlich leichter gelingt (Abb. 4.58). Durch die Einführung der CT hat sich somit der Wert der bisherigen radiologischen Fragestellung von Schädeldach-

brüchen einschließlich der therapeutischen Konsequenzen relativiert bzw. auch erweitert, so ist, um nur ein Beispiel zu nennen, eine posttraumatische Hernie, wie schon zuvor ausgeführt, samt Inhalt nachweisbar.

Abb. 4.57 Bruch der Tabula interna (Pfeil).

Abb. 4.56 Sprengung der Lambdanaht (Pfeil) bei einer 17jährigen Frau. kleine Pfeile vertikaler Frakturspalt Pfeilspitzen Arterienfurchen

Abb. 4.58 Freie intrakranielle Luft bei Zustand nach Schädeltrauma. CT.

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4 Schädel

Entzündung/Tumor, sonstige Veränderungen? Aus didaktischen Gründen wird bei der Besprechung entzündlicher, tumoröser und sonstiger Schädeldachveränderungen nicht nach nosologischen Gesichtspunkten vorgegangen, sondern nach morphologischen. Dabei erfolgt die Orientierung nach klassischen Elementen der radiologischen Morphologie, wie z. B. Größe, Form, Kontur und Struktur.

Größen – Form – Konturveränderungen Größe Die Größe des Gehirnschädels hängt in erster Linie von der Dimension des Gehirns ab. Die Mikrozephalie mit insgesamt offenen Nähten ist als Fehlbildung auf Grund mangelnder neuraler Induktion aufzufassen. Die CT-Maße bei Mikrozephalie wurden im Vergleich zu Messungen an normalen Schädeln von Kindern mitgeteilt (Hahn u. Mitarb. 1984). Eine Schädelvergrößerung bei allgemeiner Nahtverbreiterung gilt beim Kleinkind als Zeichen erhöhten intrakraniellen Drucks und kann auch nach Druckentlastung trotz sich normalisierender Nahtbreite erhalten bleiben. Bei relativ und absolut großem Schädel durch einen kongenitalen Hypothyreoidismus kann nach Einsetzen einer geeigneten Substitutionstherapie eine Normalisierung erreicht werden, wenn die Behandlung vor Vollendung des 1. Lebensjahrs beginnt. Häufiger noch als zur Schädelasymmetrie (s. unten) führt in der Kindheit die Neurofibromatose zu einem Makrozephalus. In vielen dieser Fälle liegt weder ein Hydrozephalus noch eine Raumforderung vor. Die Ursache ist unbekannt.

Form Über Deformitäten, meist mit vorzeitigem Nahtschluss einhergehend ist, wird bei den Anomalien berichtet (S. 365). Die Hauptursachen einer Schädelasymmetrie im Kindesalter sind: 쐌 lagebedingte Deformierung bei Schräglage des Säuglings unter Bevorzugung einer bestimmten Seite (meist kombiniert mit Säuglingsskoliose und „Schräglagehüfte“) sowie Schädelasymmetrie bei Schiefhals, 쐌 Plagiozephalus bei einseitiger prämaturer Nahtsynostose (S. 366), 쐌 einseitige Hirnatrophien (Abb. 4.59), 쐌 einseitige Raumforderung (z. B. Tumor, Arachnoidalzyste), 쐌 Neurofibromatose (meist verbunden mit Makrozephalus und Hemihypertrophie). Asymmetrien können auch durch Vorwölbung der Schädelkalotte, z. B. beim Kephalhämatom durch Geburtsschädigung, beim flächenhaften Osteom (Abb. 4.60) und Meningeom eintreten. Bezüglich weiterer deformierender Hyperostosen s. Kap. Spezieller Teil „Os frontale und Os parietale“.

Kontur An der Tabula externa gibt es außer dem eben erwähnten flächenhaften Osteom auch parossale Osteome, die in Übersichtsaufnahmen kaum sichtbar werden und sich nur auf Zielaufnahmen an der Wölbung der Schädelkalotte darstellen lassen (Abb. 4.61). Durch eine ekzessive hämatopoetische Aktivität in den blutbildenden Markräumen der Diploe entwickelt sich insbesondere bei der Thalassämie eine Aufweitung der Diploeräume mit dünner Tabula externa und Bürstensaumkonfiguration (Bürstenschädel, Abb. 4.62). Selten wird solch ein Befund bei schweren sekundären Anämien beobachtet (Abb. 4.63). Die Impressiones digitatae an der Tabula interna wurden zwar bereits im Kap. Normbefund (S. 363) besprochen, müssen jedoch bei ungewöhnlich starker Ausprägung als typisch pathologischer Befund bei erhöhtem Hirndruck angeführt werden. Die mögliche Rückbildung von Impressiones digitatae nach operativer Beseitigung der den erhöhten Druck verursachenden Tumoren, ihre erneute Bildung bei Rezidiven belegen zwar insgesamt, dass diese Impressionen pathologisch waren, doch gilt bei der Bewertung dieses Symptoms Zurückhaltung, vor allem vor dem 15. Lebensjahr. Pathologisch ist die einseitige Ausbildung oder ein übermäßig starkes Hervortreten an einer umschriebenen Stelle.

Abb. 4.59 Asymmetrie des Schädels bei rechtsseitiger zerebraler Hemiatrophie mit verdickter Kalotte rechts (Pfeile und Pfeilspitzen), Hochstand der rechten Pyramide und des Orbitadachs und rechtsseitiger Stirnhöhlendilatation.

Sonst können sie nur bei Vorhandensein anderer Zeichen intrakranieller Drucksteigerung an den Suturae und der Sella diagnostisch als (Mit-)Symptome überhöhten intrakraniellen Drucks bewertet werden, wenngleich die Ursachenfindung des erhöhten intrakraniellen Drucks mit der CT und der MRT sehr leicht gelingt. Verstärkte Gefäßimpressionen wurden in der (verdickten Kalotte) bei Thalassämie festgestellt (Lawson u. Mitarb. 1984).

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Schädeldach

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b

a Abb. 4.60 a, b Osteom am Übergang vom Schädel- zum Felsenbein, scharf begrenzt (Pfeile). 82-jährige Frau. Differential-

diagnostisch kommt genausogut ein Meningeom en plaque in Betracht.

a

b Abb. 4.61 a, b Gestieltes Osteom an der Tabula externa der Stirnschuppe: a Summationsbild im p.-a. Strahlengang, in der Reproduktion nicht zu erkennen.

b Tangentialaufnahme.

Dicke Verdünnungen des Schädels treten – außer durch Destruktionen und Usuren – auch bei seniler Athrophie (s. Kap. Spezieller Teil „Os parietale“, S. 388) auf. Verbreiterungen, die nicht durch Anlagerungen an den Tabulae, sondern durch eine Aufweitung der Diploe bedingt sind, werden in extremer Form bei den Mittelmeeranämien gefunden (Abb. 4.62). Kraniale Hyperostosen haben ein weites ätiologisches Spektrum:

쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

kongenital, kompensatorisch (Abb. 4.62), endokrin, dystrophisch, entzündlich, posttraumatisch, tumorös.

Abb. 4.62 „Bürstensymptom“ an der Stirnschuppe bei Thalassaemia major.

Die idiopathische symmetrische Hyperostose des Schädeldachs mit toxischer Struma und Diabetes mellitus wird als

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4 Schädel Troell-Junet-Syndrom bezeichnet und auf eine Störung im Hypophysen-Zwischenhirn-System bezogen. Die mit Verdickungen des Schädeldachs manchmal verbundene Ostitis deformans (Paget) und die fibröse Dysplasie (JafféLiechtenstein), werden bei den Strukturveränderungen besprochen (S. 383). Mit der CT gelingt die räumliche Zuordnung dieser Veränderungen sehr leicht. Hierdurch können auch Verläufe mit evtl. Zunahme der Veränderungen gut gezeigt werden (Abb. 4.64). Neben einer Dichtezunahme kann es bei der Osteopetrose (Marmorknochenkrankheit Typ I) auch zu einer Dickenzunahme der Kalotte kommen (Abb. 4.65).

a

b Abb. 4.63 a, b „Bürstenschädel“ bei Lymphom: a Bürstenartige Veränderungen im Sinne eines „Bürstenschädels“. b Szintigraphische Mehrspeicherung im Kalottenbereich.

Abb. 4.64 Fibröse Dysplasie mit Beteiligung des Os temporale sowie des Os occipitale links (Pfeilspitze).

Abb. 4.65 Generalisierte Dichte- und Dickenzunahme der Schädelknochen bei Osteopetrose.

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Schädeldach

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Strukturaufhellungen Epidermoidzysten entstehen durch versprengte Epidermiskeime in der 3. – 5. Emryonalwoche, kommen zwar in einer Häufigkeit von 0,9 – 2% vor, finden sich jedoch nur selten im Knochen, sondern eher parossär, inner- und außerhalb der Kalotte. Eine schematische Darstellung intraossärer oder den Knochen arrodierender Epidermoidzysten ist in Abb. 4.66 wiedergegeben. Ihr auffallendes radiologisches Kennzeichen bei meist durch Usur zerstörten Tabulae ist der deutliche Randwall (Abb. 4.67 u. 4.68), selten kommt es auch zu gekämmerten Aufhellungen. Epidermoidzysten können an allen Abschnitten der Kalotte vorkommen. Von diesen Dystopien lassen sich die Dermoidzysten, entstanden aus Abkömmlingen aller 3 Keimblätter, in der radiologischen Symptomatik kaum unterscheiden. Gewisse Prädilektionsorte sind (außer an der Basis und am Gesichtsschädel):

쐌 Stirnbein, 쐌 Gebiet bei der Fontanelle, 쐌 Processus mastoideus. In früherer Kindheit aufgetretene Epidermoid- sowie Dermoidzysten nehmen höchstens bis zum 3. Lebensjahr an Größe zu und können danach spontan verschwinden (Abb. 4.69). Knochengummata und Dermoidzysten können ähnlich aussehen; allerdings bilden sich die manchmal disseminierten luetischen Kalottenveränderungen unter der Behandlung zurück. Auch Tuberkuloseherde im Schädeldach kommen nicht nur in der Art ausgestanzter Löcher mit geringer, sondern auch mit stark ausgeprägter Randsklerose vor. Sie können bei gleichzeitiger Beteiligung von Lungen, Leber, Milz und Nieren an der tuberkulösen Grundkrankheit Anlass zur Verwechslung mit der Letterer-Siwe-Form der Langerhans-Zell-Histiozytose (s. unten) geben. Die Osteomyelitis führt zu unscharf begrenzten flächenhaften oder auch mottenfraßähnlichen Defekten. Heute beobachtet man nur noch sehr selten entzündliche Schädeldachveränderungen, am ehesten noch Osteomyelitiden im Anschluss an Trepanationen, evtl. in oder in der Nähe des wieder eingesetzten Kalottendeckels. Die vorwiegend solitär, gelegentlich multipel auftretenden Hämangiome, auch im Zusammenhang mit Angiomatosen (in verschiedenen Knochen, Haut und inneren Organen) vorkommend, bilden in der sehr seltenen kavernösen Form umschriebene Defekte von Bohnen- bis Erdnussgröße, die größeren evtl. mit Zwischenwänden. Die kapillare Form geht mit einem flächenhaften, umgrenzten Bezirk diffus verteilter, fleckförmiger Aufhellungen von Hirsekorn- bis Linsengröße mit sehr typischer, strahlig angeordneter Trabekelzeichnung einher. Kennzeichnend für Hämangiome sind des Weiteren:

b

c

a

Abb. 4.66 a – c Grobschematische Darstellung von Epidermoidzysten im Bereich des Schädeldachs, schraffiert die Diploe, gestrichelt das Periost (nach Ravelli u. Winkler): a Extrakranielle subperiostale Epidermoidzyste mit charakteristischem Randsporn. b Intradiploische Epidermoidzyste, nach außen durchgebrochen, kleiner Randsporn. c Epiperiostale Epidermoidzyste mit Eindellung der Außentafel, ohne Randsporn.

Abb. 4.67

Dermoidzysten im Os parietale.

Abb. 4.68

Tangentiales Bild der Dermoidzysten.

쐌 erweiterte Diploevenenkanäle, 쐌 Emissarien in der Umgebung. Die häufigste Ursache größerer flächenhafter Defekte in der Schädelkalotte im Kleinkind- und Schulkindalter ist die Langerhans-Zell-Histiozytose (mehrere Defekte im Sinne eines „Landkartenschädels“ bei Kleinkindern [Morbus Hand-Schüller-Christian]; einzelne, auch konfluierende Defekte, gelegentlich mit „Sequestern“ beim Schulkind [sog. eosinophiles Granulom]). Beim älteren Menschen (jenseits des 50. Lebensjahrs) dominiert als Ursache größerer flächenhafter Defekte

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4 Schädel

b

a Abb. 4.69 a, b Verdacht auf Epidermoid- oder Dermoidzyste (Beobachtung von Holthusen, Hamburg): a 15 Monate alter Junge. Im Durchmesser 8 mm große, gleichmäßig runde Aufhellung mit sklerosiertem Rand in Pro-

jektion auf das hintere Stirnbein (Dermoid-, Epidermoidzyste?). b 2 Jahre später hat sich der Befund spontan zurückgebildet.

b

Abb. 4.70 a, b Frühform einer Ostitis deformans Paget: a Umbauzone im Okziput im seitlichen Strahlengang. b Umbauzone im Okziput im p.-a. Strahlengang.

a

nicht die Metastase irgendeines Primärtumors, sondern die Ostitis deformans Paget (Abb. 4.70). Im Gegensatz zu Metastasen ist bei der Ostitis deformans Paget die „Matrix“ der Kalotte erhalten, aber extrem demineralisiert (Osteoporosis circumscripta!), was leicht mit einigen CT-Schnitten zu beweisen ist. Die Riesenzellgeschwulst (Osteoklastom) wird am Schädeldach sehr selten beobachtet, tritt vorwiegend im Alter von 20 und 40 Jahren auf und verursacht wabige Aufhellungen im aufgetriebenen Schädeldach (Abb. 4.71). Die Abgrenzung kleiner Aufhellungsbezirke, wie sie normalerweise durch weite Diploevenen vorkommen (s. Kap. Normbefund, S. 361) gegen osteolytische Metastasen kann schwierig sein, wenn die Herde das Kaliber weiter Venen nicht überschreiten. Bei Metastasen sind die

Abb. 4.71

Osteoblastom im Schädeldach.

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Schädeldach Ränder der Aufhellungen meist unscharf. In Zweifelsfällen kann sowohl die CT als auch die Szintigraphie die Diagnose erleichtern. Dem radiologischen Bild der Sarkoidose können 0,2 – 3,2 cm große, rundliche und glatt begrenzte Aufhellungen ohne wesentliche Randreaktionen entsprechen. Die Schädelbeteiligung wird bei dieser Erkrankung oft nur beiläufig entdeckt. Die richtige Deutung bereitet dann Schwierigkeiten, wenn sonst keine Organmanifestation vorliegt.

Strukturverdichtungen Fleck- und flächenförmige Strukturverdichtungen kommen vor bei: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

unregelmäßiger Suturensklerose, osteosklerotischen Metastasen, Lymphom, verschiedenen Anämieformen (z. B. Sichelzellanämie), Sarkoidose, Hyperparathyreoidismus, fibröser Dysplasie, Ostitis deformans Paget, tuberöser Sklerose, Hyperostose der Tabula interna, multiplen Osteomen (z. B. Gardner-Syndrom).

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der Pars orbitalis des Os frontale. Dadurch kann der Temporallappen mit den Weichgeweben der Orbita in Berührung kommen, was manchmal zu einem pulsierenden Exophthalmus führt. Andere Schädelmissbildungen bestehen aus fehlenden oder deformierten Klinoidfortsätzen, aus Defekten in der Schädelkalotte und aus einer Vergrößerung der mittleren Schädelgrube. Bei Kindern sieht man häufig ein Makrokranium. Eine rarefizierte, oft fleckige Zeichnung ohne deutliche Trabekel und mit mangelnder Differenzierungsmöglichkeit der Tabulae von der Diploe, oft begleitet von kleinen sklerosierten Zonen, kennzeichnet den Hyperparathyreoidismus (pepper pot skull). Die statische Minderwertigkeit des Knochens kann sich in einer sekundären basilaren Impression äußern (Abb. 4.72). Osteolysen mit zentral knopfförmigem Knochenstück werden im Angloamerikanischen als „button sequestrum“ bezeichnet und sind bislang bei eosinophilen Granulomen, tuberkulösen Herden, Epi- und Dermoidzysten sowie tumorösen Prozessen beobachtet worden. Einen ungewöhnlichen Befund kann ein verkalktes Atherom auf der Schädelaufnahme hervorrufen (Abb. 4.73).

Bei mehr gleichmäßiger Dichtezunahme der Schädelkalotte ist zu denken an: Osteopetrose, Osteomyelosklerose, endostale Hyperostose, Engelmann-Erkrankung, verschiedene Anämieformen, ausgedehnte fibröse Dysplasie (inklusive McCune-Albright-Syndrom), 쐌 Stoffwechselerkrankungen (Hypo- und Hyperparathyreoidismus), 쐌 generalisierte Hyperostosis der Tabula interna.

쐌 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Gemischtförmige Strukturveränderungen (Lyse, Sklerose) In den späteren Stadien der Ostitis deformans Paget finden sich charakteristische Sklerosierungsareale unterschiedlicher Größe, die mit einer Volumenzunahme einhergehen. Eine der Ostitits deformans prinzipiell ähnliche Veränderung erfährt die Schädelkalotte bei der fibrösen Dysplasie (Jaffe-Liechtenstein), da auch hier strahlentransparente Zonen neben fleckförmigen Verdichtungen auftreten. Neben der Abgrenzung durch das hohe Lebensalter bei der Ostitis deformans gegenüber dem jugendlichen Alter bei Patienten mit fibröser Dysplasie kann hier die CT die Diagnosestellung erleichtern. Meningeome – en plaque – können in der osteoblastischen und/oder osteolytischen Form auftreten. Die entsprechenden Veränderungen bestehen aus lokalisierten Hyperostosen und/oder Usuren am Schädeldach, evtl. verbunden mit abnormen Gefäßen und Verkalkungen. Für die Neurofibromatose Typ Recklinghausen ist das gleichzeitige Vorkommen von Neurinomen mit Druckusuren am Schädel und Meningeomen kennzeichnend. Charakteristisch ist bei der Neurofibromatose aber eher ein Defekt in der posterosuperioren Orbitawand, bedingt durch einen Entwicklungsdefekt der Keilbeinflügel und

a

b Abb. 4.72 a, b Hyperparathyreoidismus: a Übersichtsaufnahme: basilare Impression. b Ausschnitt: granuläre Strukturauflockerung. Mangelnde Differenzierung zwischen Tabula interna et externa.

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4 Schädel Abb. 4.73 Der große Kalkschatten entspricht einem verkalkten Atherom und ist im sagittalen Strahlengang völlig „überstrahlt“, d. h. nicht wiederzugeben. 87-jährige Frau.

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4 Schädel

Spezieller Teil Das Wesentliche über das Schädeldach wurde bereits im allgemeinen Teil ausgeführt. Dies gilt insbesondere für die differentialdiagnostischen Fragestellungen nach Fehlbidung, Deformität, Fraktur, Entzündung und Tumor. Der spezielle Teil über das Schädeldach führt lediglich einige wenige Besonderheiten auf, die nur regional in dieser Form vorkommen oder vorwiegend die Nähte betreffen. Die Nahtvarianten bzw. -anomalien spielen heute angesichts der neueren Operationstechniken und der präoperativen Planung mit der sog. 3-dimensionalen CT eine entscheidende Rolle und sollen daher noch einmal ausführlicher erwähnt werden.

Os frontale Das Stirnbein ist zweiteilig symmetrisch angelegt, kann auch bisweilen aus 4 Kernen mit jeweils zusätzlicher, quer verlaufender Naht gebildet werden. Die Synostosierung der Sutura frontalis (Abb. 4.74) beginnt im 2. Lebensjahr. Wenn die Sutura frontalis jenseits des 3. Lebensjahrs noch – normvariant – offen ist, spricht man von einer Sutura metopica. Bei einem vorzeitigen Schluss der Sutura frontalis kommt es zur Trigonozephalie (Som u. Curtin 1996). Der mittlere Teil des vordersten Nahtabschnitts (Fonticulus metopicus) oder der Abschnitt über der Glabella (Fonticulus glabellaris) können erweitert sein. Der Fonticulus metopicus wird zuweilen durch einen Nahtknochen, Os metopicum, verschlossen. Bei erweitertem Abstand der Frontalkerne voneinander, der auch beim Erwachsenen er-

halten sein kann, wird von einem Cranium bifidum occultum gesprochen. Eine überdeutlich vorspringende und persistierende Sutura frontonasalis wurde beobachtet und kann – insbesondere wenn nicht vorspringend – mit der CT dargestellt werden (Abb. 4.75). Im Gebiet der normalen Eindellung des Stirn- bzw. Scheitelbeins nahe dem Bregma (Abb. 4.7) kommen normalerweise leistenförmige Kalkanreicherungen, in den Partien nahe der Naht wie kammerförmige Erhebungen imponierend, vor. Die im Laufe des Schädelwachstums erfolgende Verlängerung der Nahtzacken an der Tabula externa mit der ab dem 7. Lebensjahr beginnenden Nahtzackensklerose ist an der Kranznaht besonders deutlich ausgeprägt. Die Impressiones digitatae sind im Stirnbein schwach, die Vv. diploecae frontales (Abb. 4.76) sehr stark ausgeprägt. Typisch ist bei Kindern das Vorkommen des Emissarium frontale, das querfingerbreit über der Orbita als bandförmige Aufhellung mit sklerosierter Begrenzung häufiger einseitig (Abb. 4.77) als beiderseits (Abb. 4.78) und in 0,2 – 0,3% aller Schädelaufnahmen gefunden wird.

Abb. 4.75 Persistierende Sutura frontonasalis. Koronale CT in hochauflösender Knochenfensterdarstellung.

Abb. 4.74 Sutura frontalis oder metopica. Die parasagittalen Dellen der Tabula interna sind normal.

Abb. 4.76

Sehr deutliche Gefäßkanäle im Os frontale.

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Schädeldach

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Es verbindet den Sinus sagittalis mit den Orbitavenen. (S. 360). Auch der Sulcus sphenoparietalis kann als tiefe Furche – radiologisch als breite Aufhellung – imponieren, besonders deutlich hervortreten und in bregmanahen Lakunen einmünden. Die Pars orbitalis und die Pars nasalis ossis frontalis werden auf S. 463 ff. besprochen. Altersbedingte Schädeldachverdünnungen und Abflachungen, auf die im Kap. Scheitelbein näher eingegangen wird, konnten auch am Stirnbein nachgewiesen werden. Abb. 4.77 Emissarium frontale rechts mit sackförmiger Ausbuchtung (Pfeil).

Os parietale Das Scheitelbein kann – allerdings sehr selten – durch eine horizontal verlaufende Naht unterteilt sein. Derartige manchmal nicht durchgehende Suturen können beim Kleinkind mit traumatisch entstandenen Fissuren verwechselt werden. Diese verschwinden im Laufe der Entwicklung. In der großen Fontanelle bildet sich manchmal schon früh ein Deckknochen (Nahtknochen), der sie wie ein „Operkulum“ vollständig ausfüllt. Er kann eine erhebliche Größe besitzen, persistieren und dann u. U. Frakturen im Scheitelbereich vortäuschen (S. 375). Wie schon im allgemeinen Teil erwähnt (S. 363), besitzt das Schädeldach an den Tubera parietalia die größte Dicke. Am Ansatz der Temporalmuskulatur finden sich Knochenverdichtungen. Verdickungen im Sinne einer Hyperostose gibt es nicht nur durch Knochenanlagerung an der Tabula interna im Rahmen der bereits besprochenen Hyperostosis calvaria interna, sondern – allerdings sehr selten – durch ossäre Auflagerungen an der Tabula externa der Parietalia. Im a. p. Strahlengang wird hierdurch eine typische Schädeldeformierung hervorgerufen (Abb. 4.79). Ein Processus asteriacus liegt hinter dem Mastoid und imponiert auf tangentialen Aufnahmen als Exostose. Verdünnungen der Schädelkalotte können gleichermaßen von innen und außen entstehen. Von innen sind es vor allem mit den Blutleitern – vorwiegend dem Sinus sagittalis superior und dem Sinus sphenoparietalis – in Verbindung stehende Diploevenen, Venenlakunen und Pacchioni-Granulationen, ein- und beidseits meist in Bregmahöhe parmedian gelegen, die radiologisch charakteristische Befunde auf Schädelaufnahmen im sagittalen Strahlengang hervorrufen (Abb. 4.80). Als Lacunae laterales werden Gefäßgruben, paramedian- und beidseits als Nebenräume des Sinus sagittalis, bezeichnet. Diese sackartig mit venösem Blut ausgefüllten,

Abb. 4.78

Emissarium frontale.

subperiostal sich ausdehnenden Sinus pericranii zeigen sich im tangentialen Strahlengang als irregulär begrenzte, parasagittale Aufhellungen mit uhrglasförmig verdünnter und vorgewölbter Tabula externa (Abb. 4.18 u. 4.81). Als seltene Ursache für eine umschriebende Verdünnung des Os parietale werden auch intrauterine Fehllagen verantwortlich gemacht (Abb. 4.82 c, d). Verdünnungen des Scheitelbeins von außen erfolgen durch einen normalen altersbedingten Knochenabbau bei der senilen Osteoporose mit Entrundungen des Schädels, die in 2 Typen, eingeteilt wurden (Camp u. Nash 1944): 쐌 abgeflachter Schädel, 쐌 muldenförmiger Schädel (Abb. 4.82 a, b, 4.83 – 4.85).

Abb. 4.79 a, b Schematische Wiedergabe des röntgenologischen Bildes der ossären Auflagerungen an der Tabula externa der Parietalia (sog. crâne natiforme).

a

b

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4 Schädel Die altersbedingte Verdünnung des Schädeldachs erfolgt meist im hinteren Teil des Os parietale, führt radiologisch zu erheblich vermehrter Strahlendurchlässigkeit des Knochens, oft verbunden mit aufgelockerter Diploevenenzeichnung und feinflockigen Strukturaufhellungen. Die Zone des Knochenschwunds ist geradlinig begrenzt. Auf der seitlichen Aufnahme sieht man als Grenze zum normalen Schädelknochen eine Linie, manchmal auch 2 untereinander liegende lineare Grenzzonen. Tabula externa und Diploe können auch fehlen. Eine ungewöhnliche symmetrische Verdünnung der hinteren Parietalabschnitte ist im Präparat in der Abb. 4.83 dargestellt. Röntgenologisch kann der Befund wie in Abb. 4.82 a, b aussehen.

Abb. 4.80

Normale parasagittale Aufhellung.

컅 Abb. 4.81 Parasagittale Aufhellung mit verdünnter, uhrglasförmig vorgewölbter Tabula externa (Doppelpfeil). Starke Venengeflechte, teilweise in orthograder Projektion lochförmig getoffen (Pfeil). Sutura coronalis: Im oberen Abschnitt sieht man im Zentrum der Zackenlinie der Tabula externa die geradlinig verlaufende Naht der Tabual interna. Abb. 4.82 a, b Verdünnung des Os parietale (nach Camp u. Nash).

a

b

c

Abb. 4.82 c, d Im Röntgenbild in Abb. c findet sich eine ovaläre Aufhellung hochparietal. Im dazugehörigen CT (d) wird bewiesen, dass die Verdünnung der Kalotte von außen her kommt (Arrosion des Knochens durch die intrauterine Fehllage, Fall von Prof. Freyschmidt, Bremen). 왓

d

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Schädeldach

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Durch das gesamte Schädeldach im Scheitelbein durchgehende Löcher finden sich bei Meningoenzaphalozelen in der Mitte der Pfeilnaht (Cranium bifidum occultum). Emissaria parietalia sind Verbindungen zwischen dem Sinus sagittalis superior und äußeren Weichteilvenen. Die entsprechenden Foramina liegen 1 – 2 cm über der Lambdanaht und 1 cm rechts und links der Pfeilnaht. Diese sind in rund 2/3 aller Aufnahmen punktförmig im sagittalen Strahlengang zu erkennen (Abb. 4.86) (Martinez-Lage u. Mitarb. 1982). Angeborene Verknöcherungsstörungen parasagittal im hinteren Bereich des Scheitelbeins können als interparietale Fontanelle imponieren und möglicherweise Frakturen vortäuschen. Aus diesen „Defekten“ können sich später sog. Foramina parietalia entwickeln und persistieren. Das Foramen parietale kommt familiär gehäuft vor (Abb. 4.87 u. 4.88).

Abb. 4.83

Senile Atrophie (Präparat).

b

a Abb. 4.84 a, b

Abb. 4.85

Skelettschädel mit seniler Atrophie.

Senile Atrophie vom Muldentyp.

Abb. 4.86 Foramina parietalia (schwarze Doppelpfeile), 컄 Lambdanaht (weiße Doppelpfeile), Sagittalnaht (Pfeil), in Höhe der Löcher geringer gezackt.

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4 Schädel

Pars squamosa ossis temporalis

a

b Abb. 4.87 a, b Foramina parietalia permagna bei 14 Monate altem Kind und Defekt in der Sagittalnaht.

a

b

Vom Os temporale nimmt nur die Pars squamosa an der Bildung des Schädeldachs teil. Dieser Deckknochen legt sich in der Entwicklung von außen auf das Petrosum auf, mit dem er erst nach der Geburt verschmilzt. Zwischen Stirnbein- und Hinterhauptsschuppe unter dem Scheitelbein gelegen, bestehen bei Geburt ventral und dorsal je eine seitliche Fontanelle des Schädels, die Fontanella sphenoidalis (anterolateralis) und mastoidea (posterolateralis). Sie gelten als Schaltstellen der Verbindung mit dem jeweiligem Basisersatzknochen, dem großen Keilbeinflügel und der Pars petrosa ossis temporalis. Zu diesen Ersatzknochen gehört der Processus mastoideus. Auch in der Schläfenbeinschuppe können atypische Nähte vorkommen (S. 420). Die Schläfenbeinschuppe lässt sich mit um 30⬚ kraniokaudal geneigter Röhre und seitlich angelegtem Schädel, also gleich der Röhreneinstellung bei der Felsenbeinaufnahme nach Schüller (S. 420), darstellen. Im seitlichen Strahlengang erscheint die Schläfenbeinschuppe im Verhältnis zu den übrigen Schädelknochen oft strahlendurchlässiger. Die Verdünnung des Knochens lässt sich leicht demonstrieren, wenn man die eröffnete Kalotte eines Präparatschädels gegen das Licht hält. Die Schläfenbeinschuppe ist der dünnste Teil der seitlichen Schädelwand – abgesehen vom Dach der Fossa mandibularis. Die im Kapitel über das Os parietale erwähnte „senile Atrophie“ (S. 388) kann sich auch auf die Pars squamosa des Schläfenbeins erstrecken. Dabei können sich die temporalen Muskelansätze durch einen typischen, sklerosierten „Schuppenwall“ markieren (Abb. 4.89). Zur Differentialdiagnose der Frakturspalten gegen Sulci arteriosi im Seitenbild und gegen die Sutura squamosa im sagittalen Strahlengang s. S. 375 sowie Abb. 4.90 u. 4.91. Mit der CT lassen sich am eindrucksvollsten Informationen über die Ausdehnung derartiger Veränderungen holen. Im vorderen Abschnitt des Porus acusticus externus projiziert sich die Fissura petrotympanica (Glaser-Spalte), ein dorsomedial von der Kiefergelenkgrube zwischen Pars tympanica und dem sichtbaren Felsbeinstreifen gelegener Spalt, auf den hinteren Kiefergelenkrand (Abb. 4.92 u. 4.93). Im Gegensatz zur Projektionsradiographie gelingt der Nachweis der Fissura petrotympanica sowie auch deren Verlauf deutlich leichter und besser mit der CT mit Knochenfenster (Abb. 4. 94).

컅 Abb. 4.88 a, b Foramen parietale. 58-jähriger Mann: a Im sagittalen Strahlengang normale parasagittale Aufhellungen beiderseits (Pfeile). b Im seitlichen Strahlengang typische Verdünnung der Schädelkalotte hinter der Kranznaht (Pfeil), darunter Foramen parietale permagnum (weißer Pfeil).

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Schädeldach

4.90

Abb. 4.89

Rinne und Wulst am Ansatz des Temporalmuskels.

391

4.91

Abb. 4.90 Laterale Schädelwand im sagittalen Strahlengang: a In Richtung des Pfeils: Sutura squamosa b Sutura coronalis der Tabula externa c Sutura coronalis der Tabula interna d Sulcus transversus für den Sinus transversus Abb. 4.91 Temporalschuppe mit der typischen, schräg einschneidenden Naht.

Abb. 4.93 Aufnahme in der Projektionsrichtung nach Schüller: Fissura petrotympanica (Glaseri), Pfeil in Projektion zwischen Vorderwand des Gehörgangs und Fossa glenoidalis des Kiefergelenks. K Kiefergelenk O Gehörgang

Abb. 4.92 Rechtes Os temporale von lateral (nach Feneis). 1 Processus styloideus 2 Fissura petrotympanica 3 Fissura tympanosquamosa

Abb. 4.94 Fissura petrotympanica beiderseits (Pfeilspitzen). CT in hochauflösender Knochenfensterdarstellung.

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392

4 Schädel

Abb. 4.95 Fissura petrosquamosa (Doppelpfeil) und orthograd getroffenes Tegmen („Crista tegmentalis“, Pfeil) auf axialem Bild. 1 Kieferköpfchen 2 Mastoid

Bei Aufnahmen im axialen Strahlengang erkennt man zwischen dem Tegmen tympani und der Felsenbeinpyramide die Fissura petrosquamosa (Abb. 4.95). Knöcherne Formationen in Projektion mit dem Tegmen, besonders der orthograd getroffene Processus styloideus, rufen scheinbar perlschnurförmig angeordnete Verdichtungen hervor (Abb. 4.96). Die Sutura sphenosquamosa projiziert sich bei der Felsenbeinaufnahme in der Projektion nach Stenvers auf die Felsenbeinspitze. Sie zieht normalerweise über diese hinweg (Abb. 4.97). Bei teilweiser Synostosierung dieser Naht, aber offener Sutur in Projektion mit der Felsenbeinspitze kann – besonders bei sehr geradlinigem Verlauf – ein Abbruch der Felsenbeinspitze vorgetäuscht werden. Der Sulcus a. meningeae mediae verläuft in der Innenwand der Pars squamosa ossis temporalis und kann sich bei der Stenvers-Projektion über die obere Felsenbeinkante projezieren (Abb. 4.98). Der Kanal kann durch knöcherne Überbrückung tunnelförmig werden. Im seitlichen Strahlengang (auch in der Projektion nach Schüller) bildet sich über dem Felsenbeinmassiv der halbkreisförmige, knorpelig verdickte Weichteilschatten der Ohrmuschel ab. In ihr können Verkalkungen vorkommen, insbesondere bei durchgemachten Erfrierungen, chronischer Traumatisierung und bei chronisch rezidivierender Polychondritis.

Oberschuppe des Os occipitale Abb. 4.96 Perlschnurartiges Bild des orthograd getroffenen Tegmen im axialen Strahlengang (Pfeile), hervorgerufen durch Knochenvorsprünge, vor allem den Processus styloideus.

Abb. 4.97 Sutura sphenosquamosa (Pfeile) auf Felsenbeinaufnahme nach Stenvers.

Die Squama occipitalis gehört nur in dem Anteil, der über dem Sinus transversus liegt (sog. Oberschuppe), zum Schädeldach. Bis hierher reicht der paarig angelegte Deckknochen. Diese Deckknochen erscheinen kurz nach Bildung des beim 30-mm-Embryo ersten unpaarigen Ersatzknochenzentrums der Unterschuppe (supraoccipitale). Unterund Oberschuppe verbinden sich früh über die sie trennende Spalte, zunächst durch Überbrückung an Außenund Innenkontur mit periostalen Bälkchen, danach durch direkte Verschmelzung. Als Reste der Spalte bleibt beim Neugeborenen beiderseits seitlich eine 1 – 3 cm lange, 0,5 – 1 mm breite Incisura lateralis („Sutura mendosa“) bestehen. Sie liegt noch ganz innerhalb des Deckknochens (Abb. 4.99 u. 4.100). Man sieht sie im 5. – 8. Lebensjahr in 10% der Fälle, im 9. und 10. Lebensjahr in 4% der Fälle und im 15. Lebensjahr in 1% der Fälle noch offen. Die Spalte selbst kann als Sutura transversa persistieren und (etwa über der Höhe des Sinus transversus beidseits) die beiden Schuppenanteile getrennt lassen. Der bis zur Lambdanaht reichende Teil der Oberschuppe, der bei

Abb. 4.98 Felsenbeinaufnahme in der Projektion nach Stenvers mit Darstellung eines Sulcus a. meningeae mediae über der oberen Felsenbeinkante (Pfeil).

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Schädeldach

393

a

Abb. 4.99 Ossifikation des Os occipitale beim Neugeborenen. Die Grenze von Deck- und Ersatzknochen ist durch die gestrichelte Linie wiedergegeben. Ansicht von hinten (nach Theiler). 1 Oberschuppe (Interparietale) 2 Incisura lateralis 3 Unterschuppe 4 Exokzipitale 5 Basiokzipitale 6 Foramen occipitale magnum 7 Condylus occipitalis

b den Inkas angeblich häufiger gesehen wurde, wird Os interparietale oder Inkabein genannt (Abb. 4.101 u. 4.102). Bei Teilung des Inkabeins durch zusätzliche, sagittal verlaufende Nähte spricht man von Os incae oder multipartitum, die Naht median heißt Sutura biinterparietalis, die seitlichen Nähte werden Suturae interparietales laterales genannt (Abb. 4.100). Über die Lambdanaht bzw. im Bereich der kleinen Fontanelle liegt ein mit dem Inkabein nicht zu verwechselndes Os praeinterparietale bzw. Os apicis, das ebenfalls in sich wieder geteilt sein kann (Abb. 4.103). Dabei handelt es sich um Schaltknochen, die gewöhnlich bis zum 10. Lebensjahr nachweisbar bleiben und danach verschwinden. Das Auftreten von Nahtknochen unterschiedlicher Größe in Pfeil- und Lambdanaht (4.103 u. 4.104) ist gelegentlich zu beobachten.

Abb. 4.100 a, b Schädelnähte am Präparatschädel: a Von der Seite. Schaltknochen an der Fontanella posterolateralis (mastoidea), zwischen Squama parietalis, Pars squamosa und Pars mastoidea ossis temporalis. b Nähte an und in der Squama occipitalis. 1 Sutura biinterparietalis 2 Sutura interparietalis lateralis 3 Sutura mendosa 4 Synchondrosis cerebellaris mediana 5 Synchondrosis interoccipitalis posterior 6 Synchondrosis basioccipitalis 7 Synchondrosis interoccipitalis anterior

Abb. 4.101 Lambdanaht mit Inkabein und Sutura transversa 컄 (Persistenz). Röntgenbild s. Abb. 4.102.

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394

4 Schädel

Abb. 4.103 Lambdanaht mit unterteiltem Os praeinterparietale (Os apicis). Fontanellenknochen.

Abb. 4.102

Inkabein, 1 Jahr altes Kind, Zufallsbefund.

Abb. 4.104 le).

Diese Befunde geben zu einer grundsätzlichen Betrachtung Anlass. Man unterscheidet: 쐌 Nahtknochen, 쐌 Schaltknochen. Unter Schaltknochen (Ossa intercalaria) werden aus einem selbständigen Knochenzentrum mit eigenen Nähten umgebene Knochenteile verstanden. Sie liegen allerdings meistens in der Nähe der Nahtvereinigungsstelle zwischen Hinterhauptsbein, Mastoid und Parietalschuppe. Vereinzelt wurden Schädel gefunden, die fast ausschließlich aus Schaltknochen bestanden.

Abb. 4.105 Pacchioni-Granulationen (oder Venenlakunen) in der Nähe der Sinus transversi beiderseits (Pfeile).

Nahtknochen in Sagittal- und Lambdanaht (Pfei-

Nahtknochen (Ossa sutura vormii) sind kleine bis mittelgroße Knochengebilde, die von den Nähten inselförmig umschlossen werden. Im Bereich der Fontanellen werden sie Fontanellenknochen genannt. Das Os interparietale (Hinterbein) ist ein Schaltknochen, das Os praeinterparietale entspricht wohl meist der Sonderform eines Nahtknochens im Sinne eines Fontanellenknochens. Isolierte Nahtknochen gibt es sowohl in der Tabula interna wie in der Tabula externa. Bei loch- auch bandförmigen und bienenwabenartig gestalteten Aufhellungen, meist in der Gegend der Sinus transversi, lässt sich die Differentialdiagnose zwischen Venenlakunen und Pacchioni-Granulationen (Arachnoidaldivertikel) projektionsradiographisch kaum treffen (Abb. 4.105). Bei asymptomatischen Patienten ist diese Differenzierung jedoch ohne Belang (S. 361 ff.). Größere Knochenlücken bzw. -defekte können bei Zephalozelen auftreten, bei denen eine Hernierung von intrakraniellen Strukturen durch eine Knochenlücke – z. B. in der Oberschuppe – vorliegt. Die Nomenklatur (Enzephalozele, Meningozele, Meningoenzephalozele, Meningoenzephalozystozele) richtet sich ganz nach den Hirnanteilen in der Hernie. Die entsprechenden Defekte in der Schädelkalotte können große Pacchioni-Granulationen, aber auch -Destruktionen, z. B. durch ein eosonophiles Granulom, vortäuschen. Die Sulci sinus transversi lassen sich im Allgemeinen auf Hinterhauptsaufnahmen (offene Projektion ) gut erkennen (Abb. 4.107 a). Dem eindeutigen Fehlen des Sinus transversus im Anfangsteil wird die Bedeutung einer Aplasie beigemessen (Abb. 4.108). Der rechte Sinus kann manchmal etwas weiter sein als der linke. In orthograder Projektion kann der Sinus transversus so getroffen werden, dass er beiderseits wie ein Loch imponiert. Bei Vergrößerung der Cisterna cerebellomedullaris kann die Furche des Sinus transversus beiderseits glockenförmig im Bereich des Confluens sinuum nach

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Schädeldach

395

c

a

b d Abb. 4.106 a – e Zur Differentialdiagnose größerer osteolytischer Areale im Okzipitalbereich bei einer älteren Frau mit rezidivierenden okzipitalen Schmerzen und Schwellungen. Osteolytische Metastasen? Osteoporosis circumscripta bei Morbus Paget? Ungewöhnlich große Pacchioni-Granulationen? a Ausgedehnte osteolytische Areale im Okzipitalbereich. b Der CT-Schnitt zeigt, dass die Tabula externa uhrglasartig ausgedünnt, aber erhalten ist. Zum Teil ist auch die Tabula interna in diesem Schnitt erhalten. c Im T2-gewichteten Bild stellt sich in den angeschnittenen Defekten eine liquorisointense Struktur dar. d In dieser FLAIR-Sequenz verschwinden sowohl die Signale aus dem Liquorbereich als auch aus den okzipitalen Divertikeln. e Normales Szintigramm. Damit ist die Diagnose einer Pacchioni-Granulation bewiesen. Der Fall ist ausführlich bei Hamers u. Mitarb. (2000) dargestellt. Weiteres s. auch S. 361 ff. e

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396

4 Schädel

a

b Abb. 4.107 a, b Gefäßbedingte Aufhellungen: a Stark entwickelter Sinus transversus, rechts breiter als links. Großes Foramen jugulare rechts (Pfeil).

b Fossae canales condylares beiderseits (Pfeile).

oben ziehen und die vergrößerte Zisterne umfassen. In der axialen Projektion können sich über den oberen Pyramidenkanten die Fossae (canales) condylares abzeichnen (Abb. 4.107 b). Die Hinterhauptsschuppe ist im Gebiet der Protuberantia interna et externa besonders dick (Abb. 4.109). Häufig kommt ein spornförmiger Knochenfortsatz an der äußeren Protuberanz, mitunter von beträchtlichem Ausmaß vor,

auch bekannt als Okziputsporn am Ansatz des Lig. nuchae (Abb. 4.110 a u. 4.111). Er kann ein Hinweis auf das Vorliegen einer Akromegalie sein (über Akromegalie s. auch S. 70). In der Region der Protuberation können sich auch kugelförmige, vom Schädel isolierte Verknöcherungen bilden, evtl. in gelenkähnlicher Verbindung mit dem Okziput (Abb. 4.110 b).

Abb. 4.108 Stark ausgeprägter Sulcus sinus transversi rechts (Pfeile) übergehend in den Sulcus sinus sagittalis superior. Offensichtlich fehlender Sulcus sinus transversi links, wahrscheinlich durch Aplasie des linken Sinus transversus. Die Crista occipitalis ist mit Doppelpfeil gekennzeichnet.

Abb. 4.109 Verdichtung des Knochens durch die Protuberantia occipitalis externa et interna (x). Pfeil Pacchioni-Granulation Doppelpfeil Lambdanaht Dreifachpfeil Crista occipitalis interna

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Schädeldach

397

a

Abb. 4.110 a, b Okziputsporn und ligamentäre Verknöcherungen: a Okziputsporn. b Verknöcherungen im Lig. nuchae.

Abb. 4.111

Ausgeprägter Okzipitalsporn.

b



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4 Schädel

398

Schädelbasis

Allgemeiner Teil 쐌 Gehirn mit Hirnhäuten, Calvariae und Kopfhaut, 쐌 Gesicht, 쐌 Neurokranium oder Schädelbasis als Boden für das Gehirn und Dach für den Gesichtsschädel.

Normalbefund Im Wachstum 3 mesenchymale Abschnitte sind bei der embryonalen Schädelentwicklung voneinander abzugrenzen:

Abb. 4.112

Synchondrosis sphenooccipitalis (Pfeile).

Dieser dritte Anteil wird während des 2. Fetalmonats verknorpelt. Die Verknöcherung erfolgt enchondral aus 7 Knochen, den 3 unpaaren Knochen Sieb-, Keil- und Hinterhauptsbein, sowie dem paarigen Schläfenbeinanteil und den Nasenmuscheln. Bei der Geburt sind noch die Synchondrosen zwischen Os occipitale und Os sphenoidale, die interokzipitalen und die intersphenoidalen Knorpelfugen offen. Die Synchondrosis sphenooccipitalis, die sich erst im 16. – 20. Lebensjahr schließt, lässt sich radiologisch in der Höhe der Felsenbeinspitzen als queres Aufhellungsband im Klivus erkennen (Abb. 4.112). Der vorderste Anteil der Schädelbasis hat schon im 3. Lebensjahr fast seine größte Länge erreicht und wird im weiteren Leben nicht mehr wesentlich länger. Die Länge des Klivus besitzt im 3. Lebensjahr etwa die Hälfte der Längenzunahme vom Neugeborenen bis zum Erwachsenen.

Im Erwachsenenalter 0 - 3 Monate La

13 Jahre Na T

Jn

Op

Ba

Abb. 4.113 Verlagerung der Schädelmesspunkte im Laufe des Wachstums. Die stärkste Größenzunahme erfolgt okzipital (nach Lutz). Die Messpunkte sind Innenmaße der Kalotte. Ba Basion Br Endobregma Jn Endinion La Endolambda Na Nasion Op Opisthion T Tuberculum sellae

Im Gegensatz zum Gehirnschädel lassen sich beim Erwachsenen Geschlechtsunterschiede an der Basis nicht feststellen. Mit zunehmendem Lebensalter wird die frontale Wölbung geringer, aber die Tiefe der hinteren Schädelgrube größer (Abb. 4.113). Auch die Basisbreite wird wie die Schädeldachbreite größer. Konstanten im Bauplan der Schädelbasis: ➤ Die relativ gleichmäßige Innenlänge der frontalen Schädelbasis (rund 60 mm). ➤ Die völlige Unabhängigkeit in der Lage der Basisstreben von der Form des Schädeldachs. Nach statistischen Untersuchungen am submentovertikalen Röntgenbild des Schädels beträgt der von den Pyramiden okzipital eingeschlossene Winkel rund 120⬚, der von den großen Keilbeinflügeln gesichtswärts gebildete Winkel rund 90⬚ (Abb. 4.114). Untersuchungen an Schädeln völlig verschiedener Konfiguration ließen keine signifikanten Unterschiede in der Lage der Basisstreben erkennen. Diese Konstanz ist wesentlich, weil sie die Abgrenzung von Anomalien erlaubt (Abb. 4.26).

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Schädelbasis ➤ Der relativ gleichmäßige Wert des Sphenoidalwinkels (Nase und Tuberculum sellae-Basion) von 132 – 134⬚ als Maß der Knickbildung der Schädelbasis beim Erwachsenen. Außer mit der röntgenologischen Darstellung der Schädelbasis in der submentovertikalen Projektion lassen sich die relativ dünnen Knochen der Schädelgrube am deutlichsten mit der CT und der MRT erfassen. Durch die MRT werden vor allem Geschwülste und deren Knochenerosionen an der hinteren Schädelgrube, am Klivus, in der Sella turcica und an den Wänden der Nasennebenhöhlen am einfachsten erkannt. Da die MRT einen hervorragenden Weichteilkontrast im Gegensatz zum sehr guten Knochenkontrast der CT zeigt, lassen sich diskrete Weichteilveränderungen mit der MRT erkennen, die mit der CT nicht erfasst werden können. Da heute die CT sowie die MRT bei Fragestellungen an der Schädelbasis dominieren, soll hier kurz auf die Normalanatomie der Schnittbildverfahren eingegangen werden. Ebenso wie im Nativröntgen lässt sich mit der CT und MRT die Schädelbasis in folgende Abschnitte einteilen (Abb. 4.115): 쐌 vorderer Abschnitt, 쐌 mittlerer Abschnitt, 쐌 hinterer Abschnitt. Wichtige Strukturen im vorderen Abschnitt: 쐌 vor allem die Lamina cribrosa. Wichtige Strukturen im mittleren Abschnitt: 쐌 쐌 쐌 쐌 쐌

Sellaregion, Foramen ovale, Foramen spinosum, Foramen lacerum (Canalis caroticus), Vidianus-Kanal (Canalis pterygoideus, Abb. 4.115 u. 4.117).

399

A E

F

L

1 H G

C

M 2

5 3 4

D

B

Abb. 4.114 Skizze der von den Basisstreben gebildeten Winkel (nach Bergerhoff). CHD 119⬚ EBF 36⬚ EHF 90⬚ LGM 70⬚ 1 Foramen ovale 2 Foramen spinosum 3 Canalis condyloideus 4 Foramen jugulare 5 Canalis caroticus

Wichtige Strukturen im hinteren Abschnitt: 쐌 Foramen jugulare, 쐌 Region des Foramen magnum mit dem Canalis n. hypoglossi.

b a Abb. 4.115 a, b Vidianus-Kanal: a CT in hochauflösender Knochenfenstertechnik. Darstellung des Foramen ovale sowie des Foramen spinosum und des kranialsten Anteils des Vidianus-Kanals (Canalis pterygoideus) (Pfeilspitze).

b Diese Aufnahme zeigt deutlicher als Abb. a den VidianusKanal (Canalis pterygoideus) (Pfeilspitze).

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400

4 Schädel

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Ein unterschiedlicher Pyramidenhochstand (Abb. 4.116) lässt sich bei Durchsicht von Schädelaufnahmen in 2%iger Häufigkeit nachweisen. Bei keinem der Untersuchten mit diesem radiologischen Befund wurden klinische Symptome entdeckt. Vor allem die Durchtrittsstellen für die Nerven und Gefäße in der mittleren Schädelgrube lassen Varianten erkennen. Hierbei ist zu erwähnen: 쐌 Das Foramen ovale kann gegenüber dem Foramen lacerum eine knöcherne Trennwand aufweisen oder diese kann auch fehlen. 쐌 Als sehr seltene Normvariante kann auch eine Doppelung des Vidianus-Kanals (Abb. 4.117) vorhanden sein, der vor dem Foramen ovale erkennbar ist.

die Ausweitung der mittleren in die vordere Schädelgrube erfasst werden.

Kompensatorisch raumfüllende Reaktion Im Gegensatz zur kompressionsbedingten Verdünnung und Ausbeulung des Knochens durch frühkindlich bestehende oder entstandene intrazerebrale Prozesse gibt es kompensatorisch raumausfüllende Reaktionen. Diese äußern sich in Form von Verdickungen des umgebenden Knochens bei ausbleibendem Wachstumsdruck des Gehirns, am deutlichsten in Folge der kongenitalen oder frühkindlich erworbenen zerebralen Hemiatrophie. Eine Auffüllung geschieht dann durch: 쐌 die einseitig starke Verdickung des Basisknochens (Abb. 4.118), 쐌 den Hochstand der Basiskonturen einschließlich der Pyramide, 쐌 die Dilatation der Nasennebenhöhlen (Abb. 4.119), 쐌 die vermehrte Ausdehnung der pneumatischen Zellen des Schläfenbeins.

Meningoenzephalozele Meningoenzephalozelen treten nicht nur, wie auf S. 394 mehrfach beschrieben, an verschiedensten Stellen des Schädeldachs auf, sondern auch in der Basis. 12 – 25% aller Hernien dieser Art liegen in der Mittellinie der vorderen Schädelgrube, wirken sich am Siebbein aus und reichen bis in den nasopharyngealen Raum. Konventionelle Aufnahmen können diese Veränderungen zwar erfassen, aber über die exakte Ausdehnung oft keinen Aufschluss geben. Speziell die CT mit der Möglichkeit der multiplanaren Rekonstruktionen und die MRT mit der multiplanaren Schichtführung kann bei dem Vorliegen von solchen Zelenbildungen nicht nur Auskunft über deren Ausdehnung, sondern auch den möglichen Entstehungsort geben.

Erweiterter Seitenventrikel Das Pneumenzephalogramm der Abb. 4.120 mit Darstellung des linksseitig erweiterten Seitenventrikels dient nur der Demonstration des Ausmaßes, in dem die gesunde den Raum der atrophischen Hirnhälfte einnimmt. In der heutigen Zeit werden intrakranielle Veränderungen nicht mehr mit dieser Methode erfasst, sondern nur noch mit der CT und MRT.

Asymmetrie der Schädelbasis

Angeborene Arachnoidalzysten liegen zu 80% in der mittleren Schädelgrube (2/3 in der Fossa sylvii), können bei oft erheblicher Ausdehnung, doch relativ geringen klinischen Symptomen, zu grotesken Schädelasymmetrien mit Verdünnung des komprimierten Basis- und Kalottenanteils führen, da sie in frühesten Lebensabschnitten vorhanden sind und das Wachstum beeinflussen. Im Profilbild kann

Eine Asymmetrie der Schädelbasis erfolgt auch durch die schon bei der Asymmetrie in der Ausbildung der Schädelkalotte besprochenen Schräglage des Säuglings und des Kleinkinds mit angeborenem Schiefhals. Es handelt sich um eine reine Knochendeformierung ohne neurale Dysplasie. Auch hier kommt es zu einer gewissen Verschmälerung der Schädelgrube (Abb. 4.121). Im Gegensatz zum Schädelaufbau bei Hemiatrophie (Abb. 4.122) zeigt sich in Folge der völlig anderen Wachstumseinflüsse eine Deformierung des gesamten Schädels (Abb. 4.123). Jedoch ist bei einer Schädelasymmetrie immer auch an die Folgen einer Neurofibromatose zu denken.

Abb. 4.116 Pyramidenhochstand links. Klinisch bedeutungslose Variante.

Abb. 4.117 Vidianus-Kanal (Canalis pterygoideus) (Pfeilspitze) im gesamten Verlauf.

Arachnoidalzyste

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Schädelbasis

401

Abb. 4.118 a – c Verdickter Knochen (weiße Pfeile) des Grunds der linken mittleren Schädelgrube bei „Hemiatrophia cerebri“ (Zustand nach Hemisphärektomie) im Vergleich mit der gesunden Seite desselben Patienten im Tommogramm in 2 Ebenen. Pneumatisation des Processus clinoideus anterior links (Pfeil).

a

b

c

Abb. 4.119 Dilatation der Stirnhöhle auf der Seite der Hemiatrophia cerebri (Pfeilspitzen). Luftblasen nach Pneumenzephalographie (Pfeile).

Abb. 4.120 Im Pneumenzephalogramm sieht man außer dem erweiterten Ventrikel auf der Seite der Hemiatrophie (links) die kompensatorisch raumfüllende Verlagerung der normalen rechten Gehirnhälfte.

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4 Schädel

Abb. 4.121 Asymmetrisch ausgeprägte Schädelgrube, dargestellt im axialen Strahlengang. Linkskonvexe Basisskoliose.

Abb. 4.122 Hemiatrophia cerebri rechts. Axiale Schädelaufnahme. Keine Basisskoliose.

Diffuse Osteosklerose Diffuse Osteosklerosen der Schädelbasis werden beim Engelmann-Syndrom und bei der Osteopetrose gefunden (Abb. 4.124). Diese Veränderungen werden auch sehr gut mit der CT in der Auswertung in hochauflösender Knochenfenstertechnik erfasst, wie dies anhand des Beispiels der Osteopetrosa diffusa gezeigt wird (Abb. 4.125). Sie kommt außerdem bei der ganzen Gruppe der kraniometa-

Abb. 4.123 Asymmetrisch entwickelter Schädel bei kongenitalem Schiefhals in der p.-a. Projektion.

Abb. 4.124 Camurati-Engelmann-Syndrom (diaphysäre Dysplasie) mit Sklerose der Schädelbasis.

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Schädelbasis

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physären und -diaphysären Dysplasien, der metaphysären Dysplasien Typ Jansen sowie bei einigen seltenen Syndromen vor (S. 366).

Fraktur? Abgesehen von den Standardprojektionen bei radiographischen Untersuchungen des Schädels empfiehlt sich zur Darstellung von Verletzungen am Hinterhauptsbein die Abbildung der Squama occipitalis und des Foramen occipitale magnum im sagittalen Strahlengang unter Neigung der Röhre um 45⬚ nach kaudal (Projektion nach Town). Für eine subtilere Diagnostik sollte jedoch die CT – wenn vorhanden – im hochauflösenden Knochenfenster eingesetzt werden, denn die meisten Schädelverletzten müssen ja ohnehin computertomographiert werden. Die bei Biegungs- und Berstungsfrakturen der Schädelkalotte auftretenden Frakturspalten strahlen öfter in die Basis ein und verlaufen längs den Strebepfeilern (Pyramiden- oder Keilbeinflügel) durch die Basis, öfter in den Foramina der mittleren Schädelgrube endend. Die Brüche können auch von der Schädelbasis ausgehen und an der Kalotte aufhören. Im Vergleich zur CT ist der Nachweis der Frakturen an der Schädelbasis projektionsradiographisch ungleich schwerer als an der Kalotte, da die Dehiszenz der Fragmente geringer, der betroffene Knochen äußerst dünn ist und die Fraktur in den üblichen Projektionen entweder von den Knochenstrukturen der Gesichtsschädel- und übrigen Basisknochen im sagittalen Strahlengang oder von den Strukturen der nicht betroffenen Schädelbasis im Profilbild überlagert werden. Komplexe Frakturen der Schädelbasis mit nur geringer Verschiebung sind nur im CT-Bild darstellbar (Abb. 4.126). Daher werden wohl die meisten Frakturen der Schädelbasis nur mit der CT erfasst. Die CT sollte daher auch die konventionelle Röntgenaufnahme zur Frakturerfassung ablösen bzw. abgelöst haben. Über 5 Beobachtungen von Frakturen des vorderen, sphenotemporalen Pfeilers ist berichtet worden (Jend u. Mitarb. 1984). Zu den Pyramidenfrakturen s. Kap. Spezieller Teil (S. 444). Der Bruch in der vorderen Schädelgrube, der Pars orbitalis ossis frontalis, kann auch in der seitlichen Summationsaufnahme sichtbar werden. Das gleiche Symptom der Konturunterbrechung im Profilbild gibt es bei Frakturen der mittleren Schädelgrube, die Keilbeinkörper oder Sella erreichen. Differentialdiagnostisch ist Vorsicht geboten bei Kindern, deren Keilbeinzentrum noch nicht vollkommen verknöchert ist. Bezüglich der Frakturen der hinteren Schädelgrube s. Kap. Spezieller Teil (S. 461). Als indirekte Hinweise auf Schädelbasisverletzungen sind Verschattungen der Nasennebenhöhlen (evtl. Spiegel in der Keilbeinhöhle) und des pneumatischen Systems der Ohren sowie auch intrakranielle Luftansammlung aufzufassen.

Abb. 4.125 Diffuse Verdickung der Schädelknochen im Bereich der Kalotte sowie auch im Basisbereich bei einer Osteopetrosis diffusa. CT in hochauflösender Knochenfenstertechnik.

Abb. 4.126 Fraktur der vorderen bis mittleren Schädelbasis bei einem Zustand nach schwerem Schädeltrauma. CT in axialer Schichtung in hochauflösender Knochenfenstertechnik.

Entzündung/Tumor? Osteomyelitis Osteomyelitiden an der Schädelbasis entstehen meistens in der Umgebung infizierter Nebenhöhlen und pneumatischer Zellen (S. 430, 493 u. 497). Eine Sonderform der Osteomyelitis der Schädelbasis, das Gradenigo-Syndrom, soll jedoch hier erwähnt werden. Hierbei handelt es sich um eine entzündliche Veränderungen der Pyramidenspitze, die am besten mit der MRT vor und nach Kontrastmittelgabe darzustellen ist (Abb. 4.127).

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d Abb. 4.127 a – d Gradenigo-Syndrom: a MRT in T2-Gewichtung. Mäßige Seitendifferenz des Signalverhaltens im Bereich der Pyramidenspitze (Pfeilspitze). b MRT in T1-gewichteter Spin-Echo-Technik. Auf der linken Seite im Bereich der Pyramidenspitze zeigen sich eher isointense Strukturalterationen (Pfeilspitze).

c MRT in T1-gewichteter Spin-Echo-Technik nach Kontrastmittelgabe. Im Bereich der mittleren Schädelbasis – Pyramidenspitze links erfolgt eine KM-Aufnahme durch das entzündliche Gewebe. d T1-gewichtete koronale Schicht in Spin-Echo-Technik nach KM-Gabe. Es zeigt sich ein kontrastmittelaufnehmendes Weichteilplus (Pfeilspitze) im Bereich der Pyramidenspitze – parasellar links.

Tuberkulose/Lues

쐌 Schwinden der dorsalen Anteile des kleinen Keilbeinflügels (unterbrochene Kontur zwischen Processus clinoideus anterior und Orbitadachbegrenzung).

Die Tuberkulose kommt an der Schädelbasis isoliert extrem selten vor und befällt ebenso wie die Lues in erster Linie Keilbeinkörper, Keilbeinhöhle und Sella. Die Tuberkulose mit hochgradiger Osteoporose und Destruktion ist nicht vom Sarkom abzugrenzen. Die Lues ist gekennzeichnet durch Hyperostosen des Keilbeinkörpers und Verödung der Keilbeinhöhle, ähnlich der Meningeomhyperostose.

Verstärker intrakranieller Druck Verstärkter intrakranieller Druck kann – abgesehen von der Symptomatik an der Sella (S. 412) – zu folgenden Symptomen führen: 쐌 Erweiterungen der inneren Gehörgänge, 쐌 Usuren an den Pyramidenspitzen, 쐌 Vergrößerungen der Foramina in der mittleren Schädelgrube, 쐌 zunehmender Kontrastverlust,

Tumorähnliche Veränderungen Fibröse Dysplasie (Jaffé-Liechtenstein) und Ostitits deformans (Paget) verursachen an der Schädelbasis Sklerosierungen und Knochenverplumpungen, die eine Unterscheidung beider Affektionen nach der lokalen Röntgensymptomatik wie auch eine Abgrenzung gegen Meningeome projektionsradiographisch zwar prinzipiell unmöglich machen können, doch werden Klinik und weitere radiologische Abklärung die Differentialdiagnose fast immer erlauben.

Tumoren der Schädelbasis Die Tumoren der Schädelbasis werden im Kap. Spezieller Teil auf S. 417 besprochen.

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Schädelbasis

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Literatur Bergerhoff, W.: Metrische Untersuchungen an der Basis des Skelettschädels. Fortschr. Röntgenstr. 82 (1955 a) 505 Bergerhoff, W.: Messungen von Winkeln und Strecken am submento-vertikalen Röntgenbild der Schädelbasis. Fortschr. Röntgenstr. 82 (1955 b) 509 Busanny-Caspari, W.: Die Schädelbasis in Ihren Korrelationen zu Gesichts- und Hirnschädel. Beitr. Anthropol. 1 (1953) 1 Campana, L., G. C. Schubert: Ausgedehnte Schädeldeformitäten bei den subarachnoidalen und porencephalen Zysten. Fortschr. Röntgenstr. 117 (1972) 165 Fargueta, J. S. , J. L. Menezo, M. Bordes: Posterior orbital encephalocele with anophthalmus and other brain malformations. J. Neurosurg. 38 (1973) 215 Fischer, E.: Zusammenhänge zwischen der Form der Schädelkalotte und der Schädelbasis. Morphol. Jb. 112 (1968) 82 Han, J. S. , R. G. Huss, J. E. Beson, B. Kaufman, Y. S. Yoon, St. C. Morrison et al.: MR imaging of the skull base. J. Comput. assist. Tomogr. 8 (1984) 944 Jend, H., J. Jend-Rossmann: Sphenotemporal buttress fracture. Neuroradiology 26 (1984) 411 Kotscher, E.: Traumatische Veränderungen. In Röntgendiagnostik des Schädels, Teil 2, red. von L. Diethelm, F. Strnad. In Olsson, O.,

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Spezieller Teil Sella turcica Mit der Besprechung der Sella turcica wird nicht nur ein Knochen- oder ein Knochenanteil, sondern die Umrandung und auch Umgebung einer Grube, der Einsenkung für die Hypophyse in der Schädelbasis, beschrieben. Aufzuführen sind also Normalbefunde und Abweichung hiervon, die nicht nur die Fossa hypophysialis, sondern im gleichen Maße ihre Umrandung und auch nach bisher in der Literatur üblicher Gebietsabgrenzung die etwas ferne Umgebung betreffen. Die Sella liegt im Keilbein. Zu ihrer Umrandung gehören: 쐌 쐌 쐌 쐌

Dorsum sellae mit den Processus clinoidae posteriores, Sellaboden, Tuberculum sellae des Keilbeinkörpers, Processus clinoidei anteriores der kleinen Keilbeinflügel.

Entferntere Regionen erstrecken sich auf die vor der Sella liegenden Partien des Jugum sphenoidale, im radiologischen Schrifttum auch als Planum sphenoidale bezeichnet, das nach hinten zum Tuberculum sellae ausläuft. Über das Planum verläuft vor dem Tuberkulum die Rinne zwischen dem rechten und linken Canalis opticus, der Sulcus chiasmatis (nach internationaler anatomischer Nomenklatur Sulcus praechiasmatis), vom Planum durch den Limbus sphenoidalis , (nicht offizielle Nomenklatur) getrennt. In mehr oder weniger starker Ausdehnung beteiligt sich die Keilbeinhöhle entweder mit ihrem Dach an der direkten Umrandung der Sella, oder sie gehört zur entfernteren Region der Sella bzw. des Planum sphenoidale (Abb. 4.128). Heute erfolgt die bildgebende Diagnostik bzw. Darstellung der Sellaregion und der parasellaren Strukturen üblicherweise mit der MRT und gelegentlich auch mit der CT (im Falle knöcherner Veränderungen). Die räumliche An-

b

a Abb. 4.128 a, b Normale Sellaregion: a Aufsicht von oben (Präparat). b Radiographische Darstellung im seitlichen Strahlengang. Es ist bemerkenswert, dass das Dach des Optikuskanals keine prominente Struktur auf der Seitenaufnahme hervorruft (aus Kier, E. L.: Amer. J. Roentgenol. 102 [1968] 747). A.C. Processus clinoideus anterior (anterior clinoid process)

C.S. D.S. L.S. O.C.R. Plan. T.S.

Sulcus praechiasmatis (chiasmatic sulcus) Dorsum sellae Limbus sphenoidalis Dach des Optikuskanals (optic canal roof) Planum sphenoidale Tuberculum sellae

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4 Schädel

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Abb. 4.129 a – c Unauffällige Hypophyse: a MRT in koronaler Schichtung nach Kontrastmittelapplikation. b, c MRT in sagittaler Schichtung in gleicher Technik wie Abb. a.

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b

c

sicht sowie auch der Eindruck sind deutlicher als in der Projektionsradiographie zu erkennen, da die Strukturen hier nicht von benachbarten Strukturen überlagert werden (Abb. 4.129).

Normalbefund Im Wachstum

1 7 3 5 4 2 6

Abb. 4.130 Persistierende Synchondrosis intersphenoidalis (nach Mayer). 1 Processus clinoideus anterior 2 Planum sphenoidale 3 Limbus spenoidalis 4 persistierende Synchondrosis intersphenoidalis 5 Tuberculum sellae 6 Sellaboden 7 Dorsum sellae (kindliche Form)

Durch embryonales Wachstum eines jeweils doppelkernig angelegten prä- und basissphenoidalen Knochenzentrums im Keilbeinknorpel und davon unabhängig verknöcherndem Dorsum sellae ist bei Neugeborenen ein Stadium eingetreten, in dem als vorderer, oberer Rand der Sella das Tuberculum sellae in 98% der Fälle sichtbar (und radiologisch nachweisbar) ist. Dorsum sellae und Planum sphenoidale sind noch nicht verknöchert, während sich die Rinne für den Optikuskanal als höchste Formation des Keilbeins abzeichnet. In 15%iger Häufigkeit findet man normalerweise, bei Hydrozephalus wie bei Frühgeburten häufiger, die Synchondrosis intersphenoidalis (Abb. 4.130). Diese sollte nicht mit dem Canalis craniopharyngeus verwechselt werden, der von der tiefsten Stelle des Sellabodens ausgeht, schräg nach unten zieht und normalerweise beim Neugeborenen nicht mehr beobachtet wird (Kier 1968). Der Knochenkern des Dorsum sellae erscheint kurz nach der Geburt. Das Planum sphenoidale wird in den beiden ersten Lebensjahren entwickelt. Dabei kann der Sulcus praechiasmatis bis zur Unnachweisbarkeit abgeflacht werden, und das Tuberculum sellae wird der höchste Punkt der präsellaren Region. Im 3. – 8. Lebensjahr kann auch die Ausdehnung der Keilbeinhöhle, wenn sie an das Planum sphenoidale und den Sulcus praechiasmatis angrenzt, zur Einebnung der präsellaren Region beitragen und sogar bei sehr starker Ausdehnung die Neigung des Planum mit Anstieg nach vorn oder auch hügeliger Erhebung ändern. Aus der infantilen Form ist die Sellaform des Erwachsenen entstanden. Die unterschiedlich markante Abgrenzung des vor dem Tuberkulum liegenden Sulcus praechiasmatis führt zu sehr verschiedenen „Sellaformen“. Auch die Bezeichnung „Rucksacksella“ bei Dilatation der Keilbeinhöhle unter dem hochstehenden Planum sphenoidale und Vorwölbung

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Schädelbasis des Sulcus praechiasmatis als Konstitutionsvariante kommt eine mehr beschreibende als definierende Bedeutung zu. Der beim Neugeborenen kleine Knochenkern der im Wesentlichen knorpeligen Sella (Abb. 4.131) wächst im 1. Lebensjahr rasch. Das Sellaprofil vergrößert sich unter Bevorzugung der Sellalänge bis zum 3. Lebensjahr langsamer und von da ab bis zum Alter von 11 Jahren kontinuierlich (Kapila u. Mitarb. 1984). Zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr vergrößert sich die Sella bei Mädchen schneller als bei Jungen.

Im Erwachsenenalter Die Form der Sella turcica ist in fast 2/3 der Fälle längsoval und in 1/3 rund (Kuta u. Laine 1993). Eine Übersicht verschiedener Sellaformen zeigen die Abb. 4.132 u. 4.157 – 4.166. Die Unterscheidung der Sella wurde auch als Identifikationsmethode angegeben. Messungen über die Sellagröße sind vielfach vorgenommen worden, meist direkt nach Länge und Tiefe. Die Maße variieren erheblich.

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Auch beim Erwachsenen kommt ein Sulcus praechiasmatis vor (Abb. 4.133). Die beiden vorderen Klinoidfortsätze überragen die Sella turcica und projizieren sich mit ihren Ansätzen als Teile des kleinen Keilbeinflügels auf das diese verbindende Planum (Jugum) sphenoidalae (Abb. 4.134). Bei Hyperpneumatisation der Nasennebenhöhlen können die Processus clinoidae anteriores lufthaltig sein (Abb. 4.118 a), sie können sich jedoch auch trotz starker Entwicklung der Keilbeinhöhle als sklerosiert (Abb. 4.135 a) und verplumpt darstellen (Abb. 4.135 b). Das Dorsum sellae variiert in seiner Länge und Dicke sowie in seiner Stellung erheblich. Auch die von den Rändern seiner Spitze ausgehenden beiden Processus clinoidei posteriores können grazil, aber auch groß ausgebildet sein und einen hyperostotischen Aspekt bekommen. Im sagittalen Strahlengang lässt sich das Dorsum sellae auf einer Hinterhauptsaufnahme mit etwa 35⬚ fußwärts geneigter Röhre in die Aufhellung des Foramen occipitale magnum projizieren und deutlich darstellen (Abb. 4.136).

Abb. 4.131 a, b Präparataufnahme eines reifen Neugeborenen (Beobachtung von Richter, Hamburg): a Seitliche Schädelaufnahme ohne Kontrastmittelinjektion. b Nach Öffnung des Schädels und Entfernung des Gehirns Darstellung der Endokranialfläche. Man sieht die relativ dicke Knorpelschicht zwischen Kontrasmittel und der relativ kleinen knöchernen Sella turcica. Sella teilweise mit Kontrastmittel gefüllt.

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Abb. 4.132 Sellaformen (nach Carstens). 1 – 6 Die Formen 1 – 6 stellen die von Martin beschriebenen Hauptformen dar: 1 rund 2 oval 3 flach 4 tief 5 viereckig 6 verzogen 7 Hierbei handelt es sich um die von Carstens benannte „Sellamissbildung“. Es fehlen dabei ein ordentliches Kavum und Dorsum, d. h., der Sellaraum ist sehr klein. 8 – 12 Diese Formen sind Brücken verschiedener Ausbildung, von denen die letzte Form (12) ein unvollständiges Gebilde darstellt. 13 Von der Form 12 ist die „Pseudobrücke“ Schneiders zu unterscheiden, bei der die Enden der Processi clinoidei anteriores et posteriores lediglich aufeinanderprojiziert sind. 14 Die Raab-Variante fällt durch das hohe, klobige Dorsum auf. 15 Charakteristisch ist diese Form: niedriges, breites Dorsum, häufig pneumatisiert. Processus clinoidei posteriores können vorhanden sein oder fehlen. Das Kavum ist rund und klein.

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Abb. 4.133 Sella turcica mit ausgeprägtem Sulcus praechiasmatis. 4 Tuberculum sellae 1 Processus clinoideus anterior 5 Sellaboden 2 Planum sphenoidale 6 Dorsum sellae 3 Sulcus praechiasmatis

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Durch die modernen Schnittbildverfahren hat die Röntgenaufnahme der Sellaregion heute nahezu keine Bedeutung mehr. Die MRT kann Veränderungen erfassen, die noch zu keiner knöchernen Veränderung führen.

Abb. 4.134 Klobige vordere Klinoidfortsätze und kleine Sella bei starker Entwicklung der Keilbeinhöhle. Der Pfeil bezeichnet die Furche an der Unterfläche des Processus anterior für die A. carotis. Abb. 4.135 a, b Klinoidfortsätze: a Massive Verplumpung der vorderen Klinoidfortsätze (Pfeile). Sella (geschwänzter Pfeil). Furche für die A. carotis (doppelt geschwänzter Pfeil). b Massive vordere Klinoidfortsätze (Pfeil). Processus clinoideus medialis.

a b Abb. 4.136 Am Dorsum sellae sichtbare Osteophyten (Pfeile) auf einer Hinterhauptsaufnahme.

Pathologischer Befund? Variante oder Fehlbildung/Deformität? Die Processus clinoidei anteriores können unterentwickelt sein bzw. fehlen. Eine Kerbe an der Unterfläche der vorderen Klinoidfortsätze kennzeichnet einen unvollständigen Knochenkanal für die A. carotis interna (Abb. 4.137). An der Stelle, an der die Synchondrosis intersphenoidalis in der Höhe der Processus clinoideus anterior vor der Sellamulde die Keilbeinkontur erreicht, kann ein Einschnitt zurückbleiben (Abb. 4.138). Hier treten Verdichtungen und Verdickungen des Knochens auf, die nativradiologisch möglicherweise zu Verwechslungen mit Meningeomen führen können. Nicht selten sieht man unterhalb des Tuberculum sellae, des „Sattelknopfs“, einen kleinen Processus clinoideus medialis (Processus clinoideus tertius) (Abb. 4.139), der durchaus auch einseitig entwickelt sein kann (Abb. 4.140). Der Canalis craniopharyngeus, die ursprünglich bestehende Verbindung der Hypophyse mit dem Rachendach, embryonal in 9%iger Häufigkeit im Gebiet der Rathke-Tasche nachgewiesen, geht von der tiefsten Stelle des Sellabodens aus und kann bei 0,5% der Untersuchten persistieren. Der Abgangspunkt am Grund des Sellabodens kann hier durch einen kleinen Knochenhöcker gekennzeichnet sein (Abb. 4.141 u. 4.142).

Abb. 4.137 Tomogramm eines Processus clinoideus anterior mit Vertiefung an der Unterkante (Pfeil) für die A. carotis. Basal dilatierter Sinus sphenoidalis.

Abb. 4.138 Persistierende Synchondrosis intersphenoidalis (Pfeil) bei einer 36-jährigen Frau.

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Abb. 4.139 (Pfeil).

Großer Processus clinoideus medialis (tertius)

Abb. 4.140 Einseitige Ausbuchtung des Sellabodens (Doppelpfeil). Einseitiger Processus clinoideus medialis (tertius) (Pfeil). Kräftige Entwicklung des Processus clinoidei anteriores.

Abb. 4.142

Tuberculum pharyngeum.

Abb. 4.141 Höcker im Gebiet des Abgangs des Canalis craniopharyngeus (Tuberculum pharyngeum) (Pfeil).

Abb. 4.143 Chordakanal (Canalis basilaris medianus), auf der Dorsalseite des Klivus (aus Neiss, A.: Morphol. Jb. 106 [1964] 541).

Es besteht eine enge Beziehung zwischen diesem Kanal und transsphenoidalen Meningoenzephalozelen. Als „sellar spine“ wird ein Knochenvorsprung bezeichnet, der in der medianen Ebene vom Vorderrand des Dorsum sellae gegen das Sellainnere schräg aufwärts vorspringt. Eine klinische Bedeutung ist hier nicht bekannt. Eine auffallend hoch aufragende Sattellehne wird Dorsum elongatum genannt. Turmartige Knochenfortsätze werden als Reste eines embryonalgebildeten Strangs der Hirnhäute, besonders der Dura mater, aufgefasst. Der persistierende Chordakanal, Canalis basilaris medianus (Abb. 4.143), zieht intraossär entlang der Dorsalkante des Dorsum sellae schräg nach kaudal. Bei orthograder Projektion kann der Eingang zu diesem Kanal lochförmig in der Dorsalkontur der Sattellehne abgebildet sein (Abb. 4.144 – 4.146). Der Befund ist recht typisch, kann allerdings bei vorgewölbter, verdünnter dorsaler Begrenzung und gleichzeit bestehender Keilbeinhöhle wie eine isolierte Luftzelle in der Spongiosa des Dorsum sellae imponieren (Abb. 4.147). Wie bereits erwähnt, wird – nicht unwidersprochen – die „Brückensella“ als Merkmal der Konstitutionsstörung aufgefasst. Beim hypophysären Zwergwuchs kann bei einer primären Aplasie oder Hypoplasie der Hypophyse vorliegen und eine sehr kleine Sella gefunden werden (Mikrosella), andererseits kann eine extrem kleine Sella mit mächtiger Brückenbildung klinisch vor allem endokrinologisch bedeutungslos sein. Bei unbehandelter Hypo- und Athyreose im Kindesalter wird häufig eine große, rundliche ballonierte Sella gefunden. Hier ist dann die Differentialdiagnose gegenüber dem Hypophysenadenom zu stellen (S. 411).

Abb. 4.144 Lochförmige Aussparung in der Struktur der Hinterkante des Dorsum sellae (Pfeil): Eintrittsstelle des Canalis basilaris medianus.

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Schädelbasis

a Abb. 4.145 Typisches Loch für den Canalis basilaris medianus (Pfeil).

Abb. 4.146 a, b

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b Loch für den Canalis basilaris medianus im Tomogramm.

Fraktur? Siehe hierzu Kap. Gesichtsschädel, S. 463.

Tumor? Heute erfolgt die Untersuchung der Sella bzw. der Hypophyse bei klinischem Hinweis auf einen Prozess in erster Linie mit der MRT. Mit dieser Methode lassen sich selbst kleine Hypophysenadenome nachweisen, die vor der Zeit der MRT sowohl der CT als auch dem konventionellen Röntgen entgangen sind. In der Zeit des konventionellen Röntgens war die Unterscheidung von direkten Druckauswirkungen durch intrasellare, raumfordernde Prozesse von den indirekten, durch erhöhten intrakraniellen Druck bedingten („Drucksella“) Veränderungen an Kavum und Wänden der Sella oft sehr schwierig. Hypophysenadenome (Chromophobe, gemischte, eosino- und basophile) können Sellaveränderungen verursachen. Da aber die Hypophysenadenome u. U. auch sehr klein sein können und daher keine projektionsradiographisch sichtbaren Sellaveränderungen zeigen, können sie dem projektionsradiographischen und CT-Nachweis entgehen. In der heutigen Zeit ist die Methode der Wahl zum Nachweis von Hypophysenadenomen bzw. Tumoren die MRT (Abb. 4.148). Diese Tumoren können durch die MRT in dynamischer Technik selbst bei dem Vorliegen sog. Mikrotumoren (Mikroadenome) dargestellt werden. Falls jedoch auch Symptome erhöhten Drucks am Schädel erkennbar sind, könnte es sich auch um nichtintrasellare Prozesse handeln. Diese Symptome werden heute ebenfalls mit der CT und/oder MRT abgeklärt.

Abb. 4.147 Blasig aufgetriebener Anfangsteil des Canalis basilaris medianus (Pfeil). Große Keilbeinhöhle.

Abb. 4.148 a, b Eingeblutetes Hypophysenadenom: 컄 a MRT in koronaler Schichtung in T1-gewichteter Spin-EchoTechnik nach Kontrastmittelapplikation. Überwiegend hyperintense Raumforderung in der Hypophyse (Pfeilspitze), einem eingebluteten Hypophysenadenom entsprechend. b MRT in sagittaler Schichtung in T1-gewichteter Spin-EchoTechnik nach Kontrastmittelapplikation. Überwiegend signalreiche Raumforderung im Bereich der Hypophyse (Pfeilspitze), dem eingeblutetem Hypophysenadenom entsprechend.

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Projektionsradiographisch sprechen asymmetrische Erosionen bzw. Usuren der hinteren und vorderen Processus clinoidei wie auch des Sellabodens nicht nur für einen intrasellaren Tumor, sondern sie ermöglichen auch die Seitenangabe; allerdings können einseitige Vertiefungen der Sellagrube auch bis zu einem gewissen Grad normal vorkommen (Abb. 4.149).

Abb. 4.149

Einseitige Vertiefung des Sellabodens (Pfeil).

Die Unsicherheit in der Beurteilung weniger ausgeprägter Symptome, leichte Konturunregelmäßigkeiten, Asymmetrien des Sellabodens oder ein sehr dünnes Dorsum sellae wurden durch vergleichende Studien zwischen projektionsradiographischen und histologischen Befunden verdeutlicht, in der Zeit der MRT spielen sie jedoch nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Selbst bei einer intrasellaren Zyste mit einem Durchmesser bis 10,1 mm konnte projektionsradiographisch kein pathologischer Knochenbefund erhoben werden.

Abb. 4.150 Vergrößerte Sella mit Zerstörungen am Dorsum und den Processus clinoidei posteriores. Breite Diploevenen.

Abb. 4.151 Kraniopharyngeom (pathologisch-anatomisch gesichert). Adamantinomähnliche Anteile, hämosiderinhaltige Makrophagen, Cholesteringranulom, Blutung und Hämosiderose suprasellar im Bereich des Bodens des III. Ventrikels (Beobachtung von Cottier, Bern).

Einen besonderen Befund sieht man, wenn das Tuberculum sellae, z. B. durch ein Optikusgliom, erodiert ist und sich die Sellagrube in den Sulcus praechiasmatis bzw. dessen Erweiterung scheinbar nach vorne verlängert („anterior extension of the pituitary fossa“). Die gesamte Höhle nimmt dann die Form eines liegenden J an. Die sog. Empty Sella lässt sich ebenfalls am besten wie andere sellare und parasellare Prozesse mit der MRT nachweisen. Die „Drucksella“ entsteht durch die Druckzunahme im III. Ventrikel und umgebender basaler Zisternen. Der Ventrikel braucht nicht erweitert zu sein. Die Knochenarrosion erfolgt dann durch Pulsationen. Unter der Usur der Spitze des Dorsum sellae und seiner Wände, vor allem auch an der Rückseite, vertieft sich die Sella und wird größer (Abb. 4.150). Die Sattellehne kann wie aufgerichtet, aber auch wie vorgebeugt wirken. Glioblastome verursachen in wenigen Fällen, langsam wachsende Meningeome fast in der Hälfte der Fälle, Großhirntumoren bei frontalem, parietalem und okzipitalem Sitz in 38 – 45% der Fälle, bei temporaler Lokalisation in 53% der Fälle und Tumoren im III. Ventrikel in 70 – 75% der Fälle projektionsradiographisch nachweisbare Sellaveränderungen. Da diese Tumoren jedoch häufig klinisch wesentlich früher bemerkt werden, werden sie bevor es zu knöchernen Veränderungen im Bereich der Sella kommt bereits mit der MRT nachgewiesen. Projektionsradiographisch imponieren die Erweiterungen bei frontal gelegenen Tumoren mehr flach, bei okzipital gelegenen tiefer. Bei Kleinhirntumoren ist die Exkavation durch einen Hydrocephalus internus bedingt. Eine Erweiterung der Sella turcica nichttumorösen Ursprungs wurde wiederholt bei Psoriatikern beobachtet. Von extrasellar die Sellawände zerstörende Knochenund Keilbeinhöhlenprozesse sind vorwiegend die Chordome des Dorsum sellae, die Rachendachtumoren und die seltenen Mukozelen der Keilbeinhöhle aufzuführen. Röntgenologisch einen direkten Hinweis auf den Sitz eines intrasellaren oder sellanahen Tumors geben intratumoröse Verkalkungen, wie sie besonders bei Kraniopharyngeomen auftreten. Diese werden meist in Form von Konglomeraten von Knötchen und Körnchen bzw. zystenförmig vorwiegend suprasellar in der Medianebene,

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manchmal supra- (Abb. 4.151) und intra-, selten nur intrasellar gelegen, vorwiegend bei Kindern beobachtet. Kleine körnchen- oder linienförmige Kalkschatten wurden in 1,2- bis 6,3%iger Häufigkeit am Rande von Hypophysenadenomen beschrieben. Suprasellare Gliome des N. opticus und des Hypothalamus verkalken mehr nodulär. Die Art der Verkalkungen von Meningeomen mit suprasellarem Sitz sind von den einzelnen Autoren so unterschiedlich beschrieben, dass bei ebenfalls stark schwankenden Häufigkeitsangaben des Kalkvorkommens in suprasellaren Meningiomen (bis zu 60% werden genannt) eine Artdiagnose als nicht möglich erscheint. Auch Dermoide sind nach der Art ihrer Verkalkung, z. B. von Kraniopharyngeomen, nicht zu unterscheiden.

a

Sonstige Veränderungen? Charakteristisch symmetrisch im Gyrus parahypocampalis gelegene Verkalkungen treten bei der Lipoidproteinose (Urbach-Wiethe-Syndrom). Auch wenn es sich um eine selten beobachtete autosomal rezessiv vererbte Stoffwechselerkrankung und nicht um eine im Laufe des Lebens erworbene Erkrankung handelt, ist ihre Erwähnung bei der differentialdiagnostischen Erörterung suprasellarer Verkalkungen erforderlich. Sie projizieren sich im seitlichen Strahlengang über das Dorsum sellae (Abb. 4.152 a) in den sagittalen Projektionen (Engelsflügelsyndrom) in die Gegend, in der auch Karotisverkalkungen liegen (Abb. 4.152 b). Die Karotiden ergeben bei Verkalkungen einen typischen, kreisförmigen Schatten supra- und parasellar. Auf Verkalkungen der A. carotis wurde bereits auf S. 373 eingegangen (Abb. 4.49). An dieser Stelle ist auf zusätzliche Arterienwandverkalkungen der A. basilaris hinter dem Klivus sowie auf Verkalkungen der A. ophthalmica im Sulcus praechiasmatis hinzuweisen. Der Kalkgehalt des Dorsum sellae nimmt nach dem 45. Lebensjahr ab, und zwar nach computertomographischen, densitometrischen Untersuchungen ab dem 50. Lebensjahr bei beiden Geschlechtern sprunghaft und steht in Relation zur Stammskelettosteoporose. Bei der Beschreibung von Verkalkungen und Verknöcherungen um die Sellaregion herum erscheint es zweckmäßig, im Anschluss an die vorherigen Ausführungen mit den entsprechenden Veränderungen an der Sattellehne zu beginnen. Es gibt doch Befunde mit Knochenbildungen, bei denen die Differentialdiagnose zwischen sekundär entstandenen Ossifikationen und Befunden wie bei sichtbarem Chordakanal schwer fällt (Abb. 4.153 u. 4.154). Eine im Profilbild knopfförmig anmutende Dorsumspitze wird meist durch Osteophyten an den Processus clinoideus posterior (Abb. 4.136) hervorgerufen (Abb. 4.139). Vom Dorsum sellae nach hinten ziehende, strahlenförmige (Abb. 4.155) oder auch einmal pferdeschwanzähnliche (Abb. 4.156) Verkalkungen kommen öfter vor und können unterschiedlichen Strukturen entsprechen. Verkalkungen im Tentoriumansatz ziehen horizontal nach hinten, im Lig. retrosellare, beiderseits schräg nach unten lateral zu den Felsenbeinspitzen und liegen im Lig. sphenopetrosum zwischen dem lateralen Rand des Dorsum sellae und der vorderen medialen Spitze des Felsenbeins. Dieses letztgenannte Ligament überbrückt der N. abducens und den Sinus petrosus beiderseits und bildet einen Kanal oder, von der Impressio trigemini ausgehend, den N. trigeminus und inseriert bei horizontalem bzw. me-

b Abb. 4.152 a, b Suprasellare Verkalkung (aus Neutsch, W. D., H. J. Cramer: Fortschr. Röntgenstr. 107 [1967] 131): a Sellaspezialaufnahme. Engelflügelförmige Verkalkung (Pfeil) in Projektion auf und über den hinteren Klinoidfortsätzen der Sella turcica. b Schädelübersichtsaufnahme im sagittalen Strahlengang. Typische, symmetrische, weizenkorngroße ringförmige Verkalkungen in Projektion auf die Orbitae (Pfeile).

Abb. 4.153 Konturunterbrechung im breiten, unregelmäßig und unscharf nach hinten begrenzten Dorsum sellae (Pfeil). Canalis basilaris medianus?

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Abb. 4.154 Dorsum sellae mit kleiner Exostose (Pfeil), darunter Canalis basilaris medianus (einfacher Doppelpfeil)? Processus clinoideus medialis (Doppelpfeil).

Abb. 4.155 Strähnige Verkalkungen hinter dem Dorsum sellae.

dial leicht absteigendem Verlauf entweder am Seitenrand des Klivus am Processus clinoideus posterior inferior bzw. sogar als Lig. petroclinoideum laterale am Processus ala parvae. Auch dorsal der Dorsumbasis wurde ein exostosenähnlicher Knochenwulst beobachtet (Abb. 4.157). Verknöcherungen des Sellaeingangs werden als Sellabrücke bezeichnet. Sie bilden sich zwischen Dorsum sellae und vorderem (Abb. 4.158) sowie medianem Klinoidfortsatz (Abb. 4.159 u. 4.160). Auch eine Verknöcherung zwischen Processus clinoideus medialis und vorderen Klinoid-

Abb. 4.156 Pferdeschwanzähnliche Verkalkungen hinter dem Dorsum sellae.

fortsätzen ist möglich (Abb. 4.161). Der Brückenbogen braucht nicht geschlossen zu sein (Abb. 4.162). Kreuzungen zwischen den Brückenbögen zu den vorderen und medianen Klinoidfortsatz kommen vor (Abb. 4.163 und 4.164). In einer breiten Sellabrücke kann auch ein Loch bleiben (Abb. 4.165). Die Kombination mit Sellabrücken und weiteren Duraverkalkungen (Abb. 4.166) ist verständlich. Der Ausdruck „Sellabrücke“ kann irreführend sein. Im engeren Sinn handelt es sich um Klinoidbögen, die beiderseits an der Sella vorbeiziehen und bis in 8%iger Häufigkeit

4.158 4.159 컄 Abb. 4.157 Sella mit abgewinkeltem Dorsum, hinter dessen Basis sich eine Knochenformation projiziert (Pfeil).

Abb. 4.158

Doppelschienig angelegte „Sellabrücke“.

Abb. 4.159 Brücke zwischen Processus clinoideus posterior und Processus clinoideus medialis.

Abb. 4.160 Mittlere Sellabrücke. Hochstand des Planun sphenoidale (Pfeil).

Abb. 4.161 Verkalkung zwischen Processus clinoideus anterior und Processus clinoideus medialis (Pfeil).

Abb. 4.162 Vom Processus clinoideus medialis ausgehende Knochenspange (Pfeil). Strangförmige Verkalkung hinter dem Dorsum sellae.

Abb. 4.163 Kreuzförmige Überlagerung einer oberen und mittleren „Sellabrücke“.

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Abb. 4.164 Obere und mittlere „Sellabrücke“. Geräumige Keilbeinhöhle.

Abb. 4.165 Breite „Sellabrücke“ mit Loch (Pfeil).

vorkommen. Ein zarter, vertikaler Kalkstreifen wurde im Sellalumen gefunden und als „Verkalkung“ bzw. „Knochenblättchen im Bindegewebe zwischen Adeno- und Neurohypophyse“ gedeutet. Die klinische Bedeutung von Sellabrücken, die auch bei naher Nachbarschaft zur A. carotis interna als Erscheinungsform des Foramen carotico-

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Abb. 4.166 „Sellabrücken“ und unregelmäßige Duraverkalkungen.

clinoideum angesehen wurde, ist strittig. Annahmen, sie treten gehäuft mit vegetativen Störungen kombiniert auf oder seien Stigmata eines schwachen Hypophysen-Zwischenhirn-Systems, steht die Ansicht, sie seien ohne klinisch-pathologische Bedeutung gegenüber; jedenfalls kommen sie schon bei jungen Kindern vor.

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