Gesundheitsorientierte Unternehmensführung : eine Werteperspektive [1. Aufl]
 3835004077, 9783835004078 [PDF]

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Zitiervorschau

Wolf R. Bohnisch, Norbert Krennmair, Harald Stummer (Hrsg.) Gesundheitsorientierte Unternehmensfuhrung

WIRTSCHAFTSWISSENSCHAFT

Wolf R. Bohnisch, Norbert Krennmair, Harald Stummer (Hrsg.)

Gesundheitsorientierte Unternehmensfiihrung Eine Werteperspektive

Deutscher Universitats-Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibiiografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet Liber abrufbar.

Gedruckt mit Hilfe des Linzer Hochschulfonds und der Wissenschaftshilfe der Wirtschaftskammer Oberosterreich.

LAuflage Mai 2006 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitats-Verlag I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Ute Wrasmann / Frauke Schindler Der Deutsche Universitats-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschlieSlich alter seiner Teile ist urheberrechtlich geschiitzt. Jede Verwertung auBerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und dahervon jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Druck und Buchbinder: Rosch-Buch, ScheBlitz Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8350-0407-7 ISBN-13 978-3-8350-0407-8

Vorwort der Herausgeber und Einleitung Eine grofce Anzahl an Buchem sind uber das Thema Gesundheit im Unternehmen geschrieben, Managementseminare und Trainings haben Konjunktur, viele Organisationen bieten Dienstleistungen rund urn den so genannten Megatrend Gesundheit an. Das vorliegende Buch beschaftigt sich mit der nachhaltigen Implementierung von Gesundheit im Unternehmen. Im Rahmen einer Lehr- (wir bezeichnen sie intern als LERN-) Veranstaltung im Wintersemester 2004/05 beschaftigte sich eine Gruppe von 16 Studierenden im letzten Seminar aus Personalwirtschaft mit dem Thema ,,Gesundheitsorientierte Unternehmensfuhrung". Es handelte sich dabei urn eine selbstgesteuerte Lernfirma, die am Ende des Semesters „Produkte" vorweisen musste, die dann von den Kundlnnen zu bewerten waren. Die Studierenden gaben sich einen eigenen Namen - Health 4 You - gaben sich eine Struktur, formulieren ein Leitbild und organisierten sich selbst mit Hilfe eines professionellen Projektmanagements. Die Lemveranstaltungsleiter unterstutzen alle Prozesse, raumten jedoch den Studierenden nach kurzer Zeit grofle Freiraume ein und waren dann primar Konsulenten und Mitglieder des Aufsichtsgremiums. Die Produkte waren einerseits (a) im Rahmen einer Partnerfirma (SKF Osterreich) einen Workshop fur das obere Management, den Betriebsrat und weitere involvierte Mitarbeiterlnnen zu organisieren und auch eigenverantwortlich durchzufuhren, (b) quantitative und qualitative Datenanalyse von Gesundheitsund Krankheitsdaten und (c) wissenschaftliche Aufarbeitung zweier Uberblicksthemen, einer allgemeinen Zusammenfassung der wesentlichen Handlungsfelder des Gesundheitsmanagement, sowie eine Arbeit uber den Werteorientierung im Sinne eines kulturellen Wertes Gesundheit im Unternehmen.

Der Grofiteil des vorliegenden Buches ist unmittelbar aus der genannten Lemveranstaltung hervorgegangen. Brigitte Haefeli, Jurgen Krenn und Julia Maurer liefern einen fundierten Uberblick und detaillierte Handlungsfelder zur Implementierung des Wertes Gesundheit im Unternehmen. Vorangestellt ist ein Artikel von Harald Stummer uber die grundsatzliche Problematik der Implementierung von Gesundheit und die Bedeutung von Werteorientierung bei deren Implementierung. Es wird ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen dann der zweite Artikel konkret Antworten auf Fragen der Nachhaltigkeit von Gesundheit im Unternehmen sucht. Zum Abschluss bearbeitet Norbert Krennmair

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ein Praxistrainingsmodul, das Fuhrungskrafen Wert-volle Gesundheitheitsarbeit naher bringen soil. Besonders bedanken mochten wir uns einerseits beim Linzer Hochschulfonds und der Wissenschaftshilfe der Wirtschaftskammer Oberdsterreich, die das vorliegende Buch ermoglicht haben, bei der Firma SKF, die den Studierenden ein Semester lang alle Tiiren offen gehalten hat, insbesondere aber bei unseren Kundlnnen und Mitproduzentlnnen und alien 16 Studierenden der Lernfirma ,,Health 4 You, die sich in einem eigenen kurzen Vorwort vorstellen werden.

Wolf R. Bohnisch Norbert Krennmair Harald Stummer

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Vorwort der Lernfirma Health 4 You lm Rahmen des Spezialisierungsfaches Personalwirtschaft absolvierten wir, eine studentische Gruppe von 16 Studierenden, im Wintersemester 2004/2005 das Seminar "P4 - Gesundheitsorientierte Unternehmensfuhrung" an der Johannes Kepler Universitat Linz. In diesem Seminar hatten wir verschiedene Aufgabenstellungen zu bewaltigen. Die Ergebnisse prasentierten wir neben einem im Janner 2005 bei der SKF Osterreich AG durchgefuhrten Expertlnnenforum zusatzlich in Form eines schriftlichen Abschlussberichtes. Zu Beginn unseres Seminars mussten wir eine Organisation mit verschiedenen Abteilungen grunden. "Health 4 You" war geboren. Neben einem Geschaftsfuhrer gab es eine Finanz-, Gesundheits- und Produktionsabteilung sowie zwei Stabstellen, namlich eine Schlichtungs- und eine Notengebungsstelle. Der Hauptteil unserer Semesterarbeit lief in der Produktionsabteilung ab. In Projektform wurde das Thema "Gesundheitsorientierte Unternehmensfuhrung" bearbeitet. Hierzu hatten wir verschiedene Aufgaben zu erledigen. Der erste Teil unserer Aufgaben bestand darin, theoretische Grundlagen zur gesundheitsorientierten Unternehmensfuhrung zu erarbeiten. Zum einen entwickelten wir eine Landkarte der betrieblichen Gesundheitsforderung und zum anderen wurde der Wert Gesundheit im Unternehmen naher beleuchtet. In der Landkarte wurden zunachst die in der Literatur gangigen Ansatze diskutiert und anschlieliend zur besseren Orientierung in eine von uns entwickelte Landkarte gebracht. In der Arbeit uber den Wert Gesundheit ging es vor allem urn die Implementierung des Wertes in die Untemehmenskultur. Neben diesen beiden theoretischen Abhandlungen hatten wir als dritte Aufgabe die Analyse der Krankenstandsdaten der SKF Osterreich AG und die Ableitung von Handlungsempfehlungen. Wichtig war uns hier, dass die Handlungsempfehlungen mit den erarbeiteten theoretischen Grundlagen hinterlegt werden konnen. Zusatzlich zu diesen drei "nicht offentlichen" Publikationen war es unsere Aufgabe, zwei Artikel zum Thema verfassen, welche in Zeitschriften publiziert werden sollten. Weiterer Hohepunkt unserer Arbeit im Rahmen des P4-Seminars war das von uns gestaltete Expertlnnenforum, welches am 31. Janner 2005 bei der Firma SKF Osterreich AG in Steyr stattfand. Neben Fuhrungskraften und Mitarbeiterlnnen der SKF sowie Prof. Bohnisch und den Mitarbeiterlnnen des Instituts fur

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Personalwirtschaft der Johannes Kepler Universitat Linz nahmen auch Expertinnen aus dem Bereich der Betrieblichen Gesundheitsforderung teil. Plenumsvortrage und -diskussionen sowie die Ergebnisse aus den verschiedenen Arbeitsgruppen stellten eine additive Informationsquelle zu den oben genannten, erarbeiteten Handlungsempfehlungen fur die SKF Osterreich AG dar. Fur die ausgezeichnete Zusammenarbeit und Betreuung mochten wir uns sehr herzlich bei der SKF Osterreich AG, dem Institut fur Personalwirtschaft - und hier vor allem bei Prof. Bohnisch und unserem Seminarleiter Dr. Stummer - und alien Expertinnen bedanken, die uns bei der Bewaltigung unserer Aufgaben unterstutzt haben. Aus diesem Bericht liegt Ihnen nun das zweite Kapitel, Jmplementierung von Gesundheit als Wert im Untemehmen" in Buchform vor. Wir hoffen, dass wir mit dieser wissenschaftlichen Arbeit einen Beitrag leisten, urn Ihnen die theoretischen Grundlagen der gesundheitsorientierten Untemehmensfuhrung in komprimierter Form naher zu bringen. Brigitte Haefeli Julia Maurer Jurgen Krenn stellvertretend fur Health 4 You

Health 4 You waren (in alphabetischer Reihenfolge): Stefan Bogner, Barbara Dorninger, Brigitte Haefeli, Maria Hochpochler, Andreas Jung, Jurgen Krenn, Stefan Lenzeder, Julia Maurer, Daniela Neumuller, Tian Niederschick, Johannes Praher, Monika Satzinger, Christiane Waldenberger, Heidemarie Wasserbauer und Birgit Zechmeister.

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort der Herausgeber und Einleitung Vorwort der Lernfirma Health 4 You

Gesundheit im Unternehmen: Ein Pladoyer fur eine Werteperspektive von Harald Stummer

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Implementierung von Gesundheit als Wert im Unternehmen von Brigitte Haefeli, Jurgen Krenn und Julia Maurer

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ENT-Spannung als Wertearbeit. Grundlagen und Umsetzung aus Sicht eines Wirtschaftspsychologen von Norbert Krennmair

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Gesundheit im Unternehmen: Ein Pladoyer fur eine Werteperspektive Harald Stummer 1

Zur Thematik Gesundheit

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Gesundheit als betriebswirtschaftliche Aufgabe

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Implementierung von Gesundheitsprogrammen

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Implementierung und Gesundheit - das Sozialkapital

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Der intendierte Losungsansatz: Wertearbeit

5.1 Veranderte Anforderungen an die Leistungserstellung in Unternehmen 5.2 Koordination uber Werte 5.3 Werte und Verhalten 6

Literatur

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1 Zur Thematik Gesundheit Gesundheit wird in der Offentlichkeit und in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen seit langem kontroversiell diskutiert. Zwar sind sich die meisten Beteiligten uber die Kosten von Nicht-Gesundheit weit gehend einig; was Gesundheit ist, wie sie zu erreichen ist und wer dafur zustandig ist, ist jedoch nicht konsensfahig. 1946 definierte die WHO (World Health Organization) den Gesundheitsbegriff als „a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity" (WHO, 1946). Der genannte absolute Begriff wurde im derzeit am meistverwendeten Forschungsparadigma von Antonovsky (1979), der Salutogenese, abgeschwacht. Gesundheit und Krankheit werden - sehr ahnlich der Stressforschung - dabei als Kontinuum gesehen, bei dem Belastungsfaktoren das Individuum Richtung Krankheit bewegen, Ressourcen weit gehend starken das Individuum und bringen es zum Extrempunkt der Gesundheit. Demgegenuber steht das traditionelle Modell der Pathogenese mit den dichotomen Zustanden Gesundheit oder Krankheit. Neuere Forschungen verwenden haufig das Salutogenetische bzw. ein system- und handlungstheoretisches Modell, das einen transaktional bedingten Zustand eines dynamischen Gleichgewichts anstrebt. Die Modelle z.B. von Udris et al. (1992) bauen aber alles in allem doch im weitesten Sinne auf ein wesentliches Konzept von Antonovsky auf, dem so genannten ,Sense of Coherence S O C mit den Unterkategorien .Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit'. Wie das Gesamtkonzept erinnert auch das genannte Unterkonstrukt an die transaktionale Stressforschung, in der Stress als wahrgenommene Anforderungen in Relation zu wahrgenommenen Bewaltigungsressourcen definiert wird. Aufgaben konnen daher der Abbau von belastenden Faktoren und der Aufbau von Ressourcen sein, wobei nicht notig ist, dass sich die Belastungen oder Ressourcen objektiv verandern mussen, sie mussen nur anders wahrgenommen werden.

Der eben erwahnte Ansatz stellt vereinfacht gesehen einen so genannten subjektiven Gesundheitsbegriff dar, wobei Gesundheit ebenfalls objektiv betrachtet werden kann. Die Implementierung von Gesundheitsprogrammen am Arbeitsplatz schliefct beide Ansatze ein, wobei aus Sicht der Bereiche Strategie, Organisation und Personal der Schwerpunkt auf der Bearbeitung der subjektiven Ansatze liegt, insbesondere, wenn es urn die Implementierung von Ressourcen, Kulturen und gesundheitsforderlichen Strukturen geht.

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2 Gesundheit als betriebswirtschaftliche Aufgabe Gesundheit am Arbeitsplatz hat mehrere Facetten. Traditionellerweise wurde lange Jahre lediglich von der Arbeitssicherheit sowie der Unfallvermeidung ausgegangen. Im Bereich Sicherheit gibt es umfassende gesetzliche Regelungen in Osterreich, viele Firmen zertifizieren sich freiwillig nach den Normen im Sicherheits- und im Gesundheitsbereich (z.B. OHSAS 18001). Auf Grund mehrerer Stimuli steigt aber auch die Bedeutung von Gesundheitsmanagementprogrammen allgemein, die nur am Rande Oder gar nichts mehr mit Arbeitssicherheit zu tun haben. Ausloser konnen •

Anderung der Krankheitsbilder (mehr chronische Krankheiten)



zu erwartende Arbeitsplatzlucken gerade bei qualifizierten Fachkraften hinsichtlich der demographischen Entwicklung

• •

hoheres Pensionsalter Isomorphismus (z.B. in Hinblick auf Eigentumstruktur:

Schwedische

Untemehmen installieren weltweit ausgeklugelte Gesundheitsprogramme) •

Image als „gesunder" Betrieb in der Offentlichkeit

u.v.a.m. sein. Zusatzlich stellen krankheitsbedingte Kosten einen Treiber fur mogliche Programme dar. So werden die Kosten in Deutschland die Kosten von rein arbeitsbedingten Erkrankungen auf ca. 26 Mrd. Euro geschatzt, die nicht-arbeitsbedingten noch nicht eingerechnet (Ulich/Wulser, 2004), Aschauer (2005) geht von

Schweizer

Gesamtdaten und einer osterreichischen Stichprobe aus und schatzt die Kosten in Osterreich und der Schweiz auf 1,4% bis 3,8% des jeweiligen BIP. Institutionell wurde mit der Ottawa Charta der WHO (1986) und dem European Network for Workplace Health Promotion ein internationaler Rahmen geschaffen, der in Osterreich vom BGF (Betriebliche Gesundheitsforderung) Netzwerk (koordiniert durch die OO GKK) und dem Fonds Gesundes Osterreich ubertragen wurde bzw. damit die Ansprechpartnerlnnen hat. In Deutschland gibt es keine einheitlichen instititutionellen Ansprechpartner, der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) ubernimmt aber wesentliche Funktionen in der Koordination. Neben den volkswirtschaftlichen Grunden und institutionellen Rahmenbedingungen gibt es auch verschiedenste betriebswirtschaftlich relevante Forschungsergebnisse zur Wirkung von umfassenden Gesundheitsfdrderprogrammen. Rudow (2004) fasst neben den genannten Aspekten, die als Stimuli fur die Einfuhrung von

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Gesundheitsprogrammen auftreten, die intemen Aspekte eines Gesundheitsmanagements zusammen: NGesundheit ist ein Gewinnfaktor, weil durch sie Kosten reduziert werden, ein Leistungsfaktor, da sich durch sie die Leistungsfahigkeit der Mitarbeiter erhoht, ein Motivationsfaktor, in dem die Arbeitsmotivation und -zufriedenheit der Mitarbeiter gesteigert wird" (S.9). Wenn die Ergebnisse derart eindeutig scheinen stellt sich die Frage, warum dann nicht jedes Unternehmen in Gesundheit investiert und Programme zur Gesundheitsforderung implementiert.

3 Implementierung von Gesundheitsprogrammen Die Implementierung von Strategien stellt eines der am meisten vernachlassigten Themen des Strategischen Managements in Forschung und Praxis dar (Lehner, 1996). Die strategische Literatur beschaftigt sich meist mit Analyse der Situation und Erstellen eines Planes, Implementierung und Evaluierung kommen auch auf Grund der vorherrschenden Industrieokonomischen und mikrookonomischen Sichtweise des Strategischen Managements (Lehner, 1996) relativ spariich vor. Strategieimplementierung, gerade bei Gesundheitsprogrammen, findet in der Praxis meist uber ein Projekt statt (Munch, 2003), die Nachhaltigkeit wird dann oft uber die Einbringung in Kennzahlen vermutet, was aber gerade bei stark verdichteten oder abstrakten Phanomenen zu einem nicht unerheblichen Informationsverlust fuhrt. Meist wird auf die Krankenstandsrate abgestellt, die zwar ein Indikator fur die Gesundheit ist, allerdings eben nur ein Indikator. Die mangelnde Nachhaltigkeit und Probleme der richtigen Implementierung kommentierte ein Mitarbeiter einer Korperschaft offentlichen Rechts wie folgt: „... greifen tun solche Mafinahmen oft nur so lang, so lang man ein Projekt macht, ... [z.B.] einen Laufclub ... dann funktioniert das ein Jahr lang, so lange er im Rahmen von dem Gesundheitszirkel betreut wird und schlaft dann irgendwann ein. Genauso bei vielen Themen, die im Rahmen von Gesundheitsforderprojekten angeregt werden ... Weil dann sind die Projekte aus und in den Betrieben wird nichts mehr gemacht." (Interview E2 von Jaksch et al., 2003, S. 236). Es sieht so aus als wurde die traditionelle Implementierung nur kurze Zeit wirken. Da gerade beim Thema Gesundheit der Gewinn fur die Beteiligten (Mitarbeiterlnnen, Unternehmen und Gesellschaft) meist erst nach mehreren Jahren auftritt

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reprasentiert dies eine zu kurze Zeitspanne. Die Verankerung nach einer Erstimplementierung scheint wesentlich fur das Thema Gesundheit zu sein.

4 Implementierung und Gesundheit - das Sozialkapital Wie bereits erwahnt, stellt auf individueller Ebene der so genannte Sense of Coherence (SOC) mit seinen Kategorien Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Sinnhaftigkeit den wesentlichsten Einflussfaktor fur die Gesundheit dar. Organisational und populationsbezogen zeigt sich das Sozialkapital als wichtigste Grofie dar (Badura/Ritter/Scharf, 1999; Badura/Hehlmann 2003). Sozialkapital als Begriff wird seit knapp 10 Jahren intensiv diskutiert und unterliegt verschiedentsten Definitionen. Kurz gesagt handelt es sich im Wesentlichen um „Bindungen zwischen Personen sowie Bindungen von Personen (und Kollektiven) an soziale Reziprokitatsnormen" (Moldaschl, 2006, S.603), also um gemeinsame Werte, Commitment, Vertrauen und ahnliche relationale Gruppenphanomene (HermannPillath/Lies, 2001; Moldaschl/Fischer, 2004). Empirischen Untersuchungen zu Folge erhoht hohes Sozialkapital die Gesundheit und erhoht niedriges Sozialkapital die Gefahr von Krankheit, Sucht und sozialem Scheitern (Badura/Hehlmann, 2003; Sennet, 2005). Eine der wesentlichsten Vorbedingungen fur Sozialkapital sind gemeinsam getragene Werte und Normen innerhalb von Firmen.

5 Der intendierte Losungsansatz: Wertearbeit Seit den Studien von Hofstede/Sadler (1972) auf nationaler und von Schein (1980) auf Unternehmensebene sind die Begriffe „Kultur, Werte, Wertewandel" in der Betriebswirtschaft nicht mehr wegzudenken. Gab es jedoch nach den Initialzundungen einen regelrechten Boom an Untersuchungen und Publikationen (Sackmann, 1992) uber dieses „missing concept in organization studies" (Schein, 1995, S. 229), so flaute das Interesse bis Mitte der 1990iger wieder ab. Zum Teil mag das daran liegen, dass lange Zeit, auch heute noch eine „Schwammigkeit von Begriffen und Phanomenen" (Reber, 1998, S. v) vorherrscht, die einerseits alles zu Kultur machz, sich aber andererseits nicht fassen lasst. Ausgehend von wirtschaftlichen, politischen und sozialen Veranderungen gerade in Europa rucken die Themen „Kultur und Werte" seit einigen Jahren wieder verstarkt in offentliches wie wissenschaftliches Interesse (von Rosenstiel/Koch, 2001). Neben der offentlichen Diskussion iiber Werte, die europaische Leitkultur und verwandte Phanomene kann in vielen Organisationen - oft ohne diese Phanomene als Kultur oder Werte zu bezeichnen - seit Beginn der 80iger Jahre des vorigen 5

Jahrhunderts ein Ansteigen von lateralen, auch oft informalen, auf Werte und Standards basierenden Kontroll- und Koordinationsmechanismen gesehen werden (Martinez/Jarillo, 1989; Blanchard/O'Connor, 1989; Brunsson et al., 2002). Gerade in Anwendungsbereichen mit vielfaltigen Entscheidungsfreiraumen und/oder der Auseinandersetzung mit komplexen, bzw. nicht regelmafcig wiederkehrenden Situationen, scheint diese Form der Steuerung die Chance zu eroffnen, in Organisationen die notigen Anker und Korridore des Verhaltens zu begrunden, die eine zunehmende Selbststeuerung (Rogers, 1974; Manz/Sims, 1987) im Zuge der Leistungserbringung gestatten (Bohnisch/Stummer, 2005). 5.1 Veranderte Anforderungen an die Leistungserstellung in Unternehmen Die zunehmende Selbststeuerung in Organisationen und die Koordination uber Kultur und Werte scheint eine der moglichen Antworten auf die jahrelange Debatte zwischen Dezentralisation und Zentralisation von Organisationen zu sein. Die Organisationstheorie fuhrte den genannten Konflikt ahnlich wie die Praxis in Wellenbewegungen mit modeartigen Tendenzen des jeweiiigen gultigen Konzeptes. immer wenn kurze Entscheidungsspielraume, gerade auf technologischer Oder kundenorientierter Sicht notig und das so genannte Gebot der Stunde waren, dezentraiisierten Unternehmen. Bei steigendem Kostendruck, skaleneffizienten Ertragsbedurfnissen und wenig Druck des Marktes nach lokal Oder individueil angepassten Produkten wurde zentralisiert. Besonders anschauiich zeigt sich dieses Feld der Strategie und Organisation in der historischen Entwicklung multinationaler Unternehmen (MNU). Waren die meisten MNU in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts noch lokal adaptierende, relativ dezentralisierte Firmen, so zentralisierten nach dem so genannten Toyotaschock eine Vielzahl an MNU und versuchten skaleneffiziente Weltprodukte so billig und so hochqualitativ als moglich anzubieten (Perlmutter, 1969; Bartlett/Ghoshal, 1986; Hedlund, 1986; Martinez/ Jarillo, 1989). Das hieli hohe Zentralisation, Koordination uber hoch standardisierte Programme und Plane. Durch neue Produktionstechnologien, sich verandernde Markte und vor allem durch interne neue Kommunikationsmoglichkeiten stieg jedoch in vielen Branchen der Druck, aber auch die Moglichkeit einen dualen Fokus, Effizienz und die Befriedigung von Kundenwunschen gleichzeitig als zentrale Ziele zu erreichen (Hedlund/Rolander, 1990; Birkinshaw, 1996). Produktions-technisch lasst sich die Entwicklung etwa mit flexiblen Fertigungszellen und Modulfertigung erreichen, organisatorisch stellen sich neue Probleme. Einerseits benotigt eine solche Strategie Unternehmertum innerhalb der Firmen, andererseits das Arbeiten am Ganzen (Birkinshaw, 2000). Es mussen folglich Koordinationsmoglichkeiten gefunden werden, die beides zulassen. Kontrolle und Koordination uber Identitaten,

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Akkulturation, Sozialisation und eine gemeinsame Wertebasis sind in der Literatur und in der betrieblichen Praxis die meistgenannten Zusatz-instrumente, die neben den traditionellen Methoden dafur einsetzbar scheinen (Martinez/Jarillo, 1989). 5.2

Koordination iiber Werte

Die Idee der Koordination uber Wertvorstellungen, gemeinsame Visionen, Kultur, oder welche Facette der lateralen Abstimmungsmechanismen gewahlt wird, ist nicht neu. Die Renaissance alter Ordensregeln wie etwa der .regula benedictini' aus dem sechsten nachchristlichen Jahrhundert in der aktuellen Managementliteratur (Bilgri/Stadler, 2004) gibt einen Hinweis uber das Alter des Themas. Ohne hier einen historischen Abriss zu beleuchten, handelt es sich urn eine der altesten geplanten Koordinationsformen. Gerade bei europaischen Grolifirmen war die informelle, auf Werten, auf Sozialisation und auf personalen Normen basierende Koordination noch bis uber die 1960iger Jahre gang und gabe (Stopford/Wells, 1972), wurde aber mehr und mehr von unpersonlichen, technisierten und standardisierten Methoden abgelost (Franko, 1974; Brunsson et al., 2002). Erst in den letzten Jahren gibt es eine Renaissance mit der Einstellung, gemeinsame Werte seien der wesentliche Faktor, der eine Unternehmung erfolgreich machen konne, in starker Berufung auf das 7-S Framework von Peters/Waterman (1982). Auch die Fixierung eines Leitbildes als Verpflichtung in den ISO-Normen (z.B. der 9000er Reihe) hat zumindest in der Rezeption viel dafiir getan (Kuhl, 1997; Kappl, 2005). Etliche Forscherlnnen und Mitarbeiterlnnen in Unternehmen sehen jedoch vieles in der aktuellen betrieblichen Praxis als problematisch an, von Alibiaktionen auf der einen Extremwarte bis zu einem rucksichtslosen .Wettrennen urn Werte' am anderen Ende der Moglichkeiten (Kuhl, 1997; Mattila/Aaltio, 2004; Bdhnisch/Stummer, 2005; Kappl, 2005) wird berichtet. Werte werden oft als Allheilmittel propagiert, die auftretenden Koordinationsprobleme von eigenverantwortlichen Mitarbeiterlnnen oder Organisationsteilen zu erreichen. Dabei wird oft ohne Kenntnisse der Geschichte der Unternehmung agiert, die Vorerfahrungen nicht berucksichtigt, vor allem aber dann im Durchfuhren ein dadurch entstandenes Nichtfunktionieren ignoriert (Kuhl, 1997; Brunsson, 2004). Kultur und Werte haben Oberschneidungen und Ahnlichkeiten mit Konzepten, die nach innen und aufien wirken wie etwa dem Identitatskonzept. Identitat ursprunglich als Individualkonzept von Cooley (1902) entwickelt - ist ein weit gehend konstruktivistisches Konzept, das sich mit den Grundfragen beschaftigt, wer ist das

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SELBST und wer sind die ANDEREN (Mead, 1934; Goffman, 1959; Erikson, 1964). Taijfel und Turner (1979) wandten als erste dieses Konzept auf Gruppen an und Albert/Whetten (1985) brachten den Gedanken der Identitatsforschung in die Organisationstheorie. Die Hauptfragen dieser so genannten organisationalen Identitat (Ol) lauten: „Wer sind wir?°, „Was ist unser Geschaft?", aber vor allem auch „Wohin werden wir bzw. sollen wir mit unserer Firma gehen?". Dabei handelt es sich urn einen Prozess der Selbstreflexion, urn die zentralen, kennzeichnenden und andauernden Aspekte einer Organisation (Albert/Whetton, 1985; Brunninge, 2003). Die traditionellen Sichtweisen sowohl von individueller, sozialer bzw. organisationaler Identitat waren statische Konstrukte, die sich mit einem Ist-Zustand und eventuell noch - aus der psychotherapeutischen Tradition bei Cooley (1902) kommend - den Grunden aus der Vergangenheit beschaftigten. Neuere Ansatze jedoch gehen von einem sich verandernden Wesen der Identitat aus, vor allem die Art der Interpretation der Realitat verandert sich in einem Momentum, evolutionar oder ko-evolutinar (Goia et al., 2004). So mogen etwa die fixierten Kemwerte einer Organisation semantisch gleich bleiben, der Sinn und die Interpretation der Werte und der dazugehorigen Geschichten verandern sich jedoch im Zeitverlauf und in der Interaktion verschiedener Anspruchsgruppen einer Untemehmung. Die eben erwahnten Anspruchs- und Interessensgruppen einer Firma spiegeln die verschiedenen Sichtweisen wider, die gerade durch das Identitatskonzept in die Organisation kommt. In dynamischen Interaktionen mit der Audensichtweise verandert sich auch die Selbstrezeption. Der Zusammenhang mit der Untemehmenskultur wird in Abbildung 1 dargestellt.

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Organisationskultur

Externer Kontext

Abb. 1: Zusammenhang zwischen Kultur, Identitat und Image. Quelle: Hatch/Schulz, 1997, S.361.

Die Mitglieder einer Organisation besitzen gewisse Vorerfahrungen, ,the way we work around here' wie Kogut/Zander (1993) dies ausdrucken. Diese Vorerfahrungen beeinflussen die Identitat, werden aber wiederum von der von auflen wahrgenommenen Identitat beeinflusst. Das Top Management Team (TMT) steht als Schnittpunkt zwischen Auften- und Innenrezeption und wirkt sowohl nach auflen wie auch nach innen und wird ebenfalls von beiden Seiten beeinflusst. Starke Ahnlichkeiten des individuellen wie des organisationalen Identitatskonzeptes gibt es zum medizinischen Konzept der Selbstkoheranz (Lorenz, 2005), einem wichtigen Ansatz der salutogenetischen Gesundheit. 5.3 Werte und Verhalten Das Modifizieren von Verhalten setzt eine Beeinflussung der Einstellungen und dahinter liegend der Werte einer Person voraus. Einerseits bedingt dies den Aufbau

von Kompetenzen und verhaltensrelevantem Wissen, aber auch wie Abbildung 2 zeigt das Setzen von situativen Anreizbedingungen (von Rosenstiel, 1997).

SOZIALES DORFEN Normen und Regelungen

SITUATIVE ERMCGLICHUNG Hemmende begunstigende auftere Umstande

NA

A

Verhalten

P^J

k.

INDIVIDUELLES WOLLEN Motivation Werte

PERSONLICHES KONNEN Fahigkeiten und Fertigkeiten

Abb. 2: Bedingungen des Verhaltens. Quelle: von Rosenstiel, 1997, S. 202.

Die klassische Definition von Werten beschreibt Werte als .Konzeption des Wunschenswerten' (Kluckhohn, 1951). Werte konnen aber ebenfalls als 'Elemente des Meinungs-Oberzeugungssystems einer Person, die eine besonders zentrale, ichnahe Stellung und eine vereinheitlichende, strukturierende Funktion haben' angesehen werden (Schloder, 1993). In einer kurzen Literaturbesprechung lassen sich Werte im weitesten Sinne auf folgende Dimensionen zusammenfassen: • die kognitive Dimension (das Wissen, was der Wert ist), • die affektive Dimension (Werte dienen als Beurteilungsmafcstab) und • die konative Dimension (die mittelbare Verhaltensbeeinflussung durch Werte) (Rothenberger, 1992; Daxneretal., 2005) Werte sind relativ konstant (Rockeach, 1969; 1973) und zu 60%-95% (je nach Untersuchungsdesign) gelernt. Die genetische Komponente wird zwischen 5% und 40% angesetzt (Meglino/Ravlin, 1998). Werte beeinflussen Einstellungen, die zu einem grofcen Teil dann das tatsachliche Verhalten bestimmen, wobei die Konsistenz der Werte und des Verhaltens relevant ist. Das genannte Schema ist als Grundmodell brauchbar, jedoch gibt es aus der Werteund der Verhaltensforschung einige wesentliche Erganzungen:

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Werte sind kontextbezogen hierarchisch, d.h. in einem Wertekonflikt setzt sich bei gegebenem Kontext der jeweils hierarchisch starkere durch. Auch konnen Einstellungen und Verhalten unterschiedlich sein, d.h. sich das Verhalten verandern und die Einstellungen nicht oder das Verhalten aber die Einstellungen nicht. Ein prominentes Beispiel dafur gibt das Milgram-Experiment, bei dem Probandlnnen anderen Testpersonen bei Versagen einer Lernleistung angeblich Stromstofie zufugen mussten, die naturlich nicht stattfanden. Die weiteren Testpersonen waren Schauspielerlnnen, die nur simulierten Stromstofle erhielten. Bei den meisten Versuchsanordnungen gingen die Probandlnnen so weit, todliche Stromstdlle zu versetzen, wenn eine Aufsichtsperson im weiflen Arztmantel das anordnete. Nichtsdestotrotz, und das ist das uberraschende Ergebnis, anderten die Probandlnnen weder ihre Werte noch ihre Einstellungen, die meist sehr friedlich bzw. zumindest Toten als nicht akzeptabel ansahen. In genanntem Fall gab es folglich eine Wertekollision zwischen Gehorsam, Expertlnnenglaube und den sonstigen Werten. Dennoch zeigt sich in einer Literaturanalyse uber die Implementierung von komplexen Verhaltensweisen, insbesondere bei Gesundheit, dass der kulturelle Kontext, der Kontext der Werte bzw. des Sinnmachens in Organisationen eine der am wesentlichsten zu bearbeitenden Ebenen darstellt. Wie auch bereits in Kapitel 4 erwahnt stellen Werte auch die Vorbedingung zu einem hohen Sozialkapital und damit zur Gesundheit dar. Einiges scheint folglich dafur zu sprechen, gerade Gesundheit schon uber eine Wertebasis zu verankern (Prozess und Inhalt kompatibel), der nachfolgende Beitrag von Brigitte Haefeli, Jurgen Krenn und Julia Maurer (Haefeli/Krenn/Mauer, 2006) analysiert die Moglichkeiten und Instrumente der Implementierung des Wertes Gesundheit. 6

Literatur

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Implementierung von Gesundheit als Wert im Unternehmen Brigitte Haefeli/Jurgen Krenn/Julia Maurer

1 2 2.1 2.2 2.3 2.4 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 6 6.1 6.2 6.3 7 8 9

Implementierung betrieblicher Gesundheitsfdrderung Werteorientierte Unternehmensfuhrung Werte Entstehung und Veranderung von Werten Werte und Verhalten Ausrichtung der Unternehmensfuhrung auf Werte Unternehmenskultur Unternehmenskultur - Werte und Normen Ebenen der Unternehmenskultur Funktionen der Unternehmenskultur Charakterlstika der Unternehmenskultur Veranderung der Unternehmenskultur Fuhrung, Partizipation und Vertrauen Unternehmenskommunikation Implementierung des Wertes Gesundheit Die Begriffswelt der Veranderung Arten des Wandels Organisationsentwicklung (im weiteren Sinne) Organisationsentwicklung (im engeren Sinne) Change Management Mischformen Analyse der verschiedenen Ansatze Organisationsentwicklung und Wert Gesundheit Ein moglicher Losungsansatz Wandel und Managementsysteme Managementsysteme Erfolgsfaktoren bei der Implementierung Erfolgsfaktoren bei der Evaluierung Wert Gesundheit - Selbst- versus Unternehmenszweck Resiimee Literaturverzeichnis

1

Implementierung betrieblicher Gesundheitsforderung

Effekte betrieblicher Gesundheitsforderung iassen haufig kurzfristige Reichweite erkennen. Malinahmen, die sich auf das Verhalten der Individuen konzentrieren, verandern in erster Linie den Informationsstand dieser Personen. Interventionsmaftnahmen dieser Art sind nur selten in der Lage, langfristige und dauerhafte Verhaltensanderungen herbei zu fuhren. „Betriebliche Strukturen und Prozesse bleiben dabei weitgehend unverandert" (Badura/Hehlmann, 2003, S. 31). Um nachhaitige Veranderungen im Verhalten der Mitarbeiter erzielen zu konnen, muss beispielsweise unter anderem eine Abgleichung der Lebens- und Arbeitsbedingungen erfolgen (Breucker, 1999). In einer Verhaltens- und Verhaltnispravention werden meist nur EinzelmaBnahmen implementiert. Nur einem Teil der Organisation - Einzelnen oder Gruppen - kann nachhaitige Veranderung widerfahren. Jedoch konnen nur umfassende Ansatze auch die Organisation selbst - als Ganzes - in die Betrachtung miteinbeziehen (Badura/Hehlmann, 2003). Auch Kieser (1995) postuliert Wandlung als umfassenden Prozess, der an Individuen, Gruppen und der Organisation ansetzen muss. Die Ausrichtung der Organisationsmitglieder zu Gesundheit hin kann fur uns nur anhand der Werte der Organisation mit der Verankerung in der Untemehmenskultur vollzogen werden. Wohlbefinden ist somit u.a. von der Untemehmenskultur beeinflusst (Badura/Hehlmann, 2003). Dabei besteht zwischen Individuum und Organisation grundsatzlich ein Spannungsverhaltnis, wie dies auch schon Argyris (1966) intensiv diskutierte. Unterschiedliche Werte sind meist Grundlage dieses Konflikts. Von entscheidender Bedeutung ist es also, die verschiedensten Werte in einer Organisation in grofltmogliche Qbereinstimmung zu bringen und auch neu zu implementierende Werte dahingehend zu uberprufen, ob sie mit bereits bestehenden Werten (individuelle Werte, Gruppen- und Unternehmenswerte) widerspruchsfrei in Einklang zu bringen sind. Bei jedem Veranderungsprozess darf jedoch auch nicht auBer Acht gelassen werden, dass neue Werte der Organisation in Einklang mit den schon vorhandenen Systemen gebracht werden mussen. Der neue Wert muss gelebt werden konnen und daher Einzug in bestehende Managementsysteme finden, welche als Tragerfolie agieren. In diesem Sinne muss das verwendete ManagementSystem zur Untemehmenskultur passen (Doppler/Lauterburg, 1994).

18

Nachhaltigkeit erfordert, dass Mitarbeiter Gesundheit an sich fur einen Wert empfinden. Hier sehen wir insbesondere das Konzept der Werteorientierten Untemehmensfuhrung (WoUF) als wertvoll an.

2 Werteorientierte Untemehmensfuhrung (WoUF) In diesem Abschnitt soil die Einbettung der Implementierung eines Wertes - hier im Konkreten des Wertes Gesundheit - in das Konzept der WoUF behandelt werden. Im Folgenden werden das Entstehen und die Veranderung von Werten dargestellt. Dann wird uber den Einfluss von Werten auf das Verhalten zur WoUF ubergegangen. Zuvor soil es jedoch zu einer Begriffsbestimmung und deren Abgrenzung zu ahnlich verwendeten Begriffen kommen. 2.1 Werte Zentraler Begriff im Konzept der Werteorientierten Untemehmensfuhrung ist jener des „Wertes". Die Werteforschung hat ihre Wurzeln in den verschiedensten akademischen Disziplinen - der Anthropologie, der Soziologie, der Psychologie und der Philosophie. Daraus resultiert auch die Vielzahl an Definitionen des Wertebegriffes. Die wohl bekannteste, aber gleichzeitig auch sehr umstrittene Definition ist jene von Kluckhohn (1952, S. 395; Zit.n.: Rothenberger, 1992, S. 18), der Werte als „Konzeption des Wunschenswerten" beschreibt. Nach Schloder (1993) konnen Werte als Teile des Meinungs-Oberzeugungssystems, die eine besonders zentrale und Ichnahe Stellung einnehmen, angesehen werden. Zudem sind sie vereinheitlichend und haben eine strukturierende Funktion. 2.1.1 Merkmale Zusatzlich zu den oben genannten Definitionen konnen Werten noch folgende Merkmale zugeschrieben werden: • Werte dienen als Malistab, Kriterium oder normativer Standard zur Beurteilung von Objekten (Lautmann, 1969). • Werte sind relativ konstant (Rokeach, 1969). • Werte besitzen Verhaltensrelevanz, da sie als Standards zur Messung von Verhalten wirken (Gabele, 1987; Zit.n.: Rothenberger, 1992).

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• Werte enthalten drei Dimensionen: die kognitive (das Wissen uber den Wert), die affektive (die Beurteilung an sich) und die konative Dimension (mittelbare Verhaltensbeeinflussung durch Werte) (Rothenberger, 1992). 2.1.2 Abgrenzung Eine reine Definition und Begriffsbestimmung des Wertes reicht nicht aus. Zusatzlich soil eine Abgrenzung von folgenden ahnlich verwendeten Begriffen vorgenommen werden: • Werte bestimmen Einstellunaen. Einstellungen sind objektspezifische Konstrukte, konnen sich schneller als Werte verandern und existieren in grofcerer Anzahl im Vergleich zu den Werten selbst (Rothenberger, 1992). • Bedurfnisse sind auf der Ebene des Handels aktualisierte Werte, wohingegen Werte den Charakter innerer Dispositionen haben (Rothenberger, 1992). • Normen wirken von aulien in Form von Erwartungen einer Gruppe Oder Gesellschaft auf das Verhalten des Individuums. Werte sind jedoch individuelle Merkmale und in der Person verankerte Orientierungsleitlinien. Da eine gegenseitige Beeinflussung der beiden Begriffe besteht, ist eine klare Trennung jedoch schwierig (Rothenberger, 1992). • Haufig steht auch mit dem Begriff „Werte" der Begriff ,Unternehmenskultur" in Zusammenhang. An dieser Stelle wird auf das Kapitel 3 verwiesen, dass sich noch ausfuhrlich mit diesem Zusammenhang auseinander setzen wird. 2.2

Entstehung und Veranderung von Werten

Gerade die Frage, ob und - wenn ja - wie Werte zu beeinflussen, zu verandern oder zu vermitteln sind, ist im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Konzeptes der WoUF von groliem Interesse. Einigkeit besteht darin, dass Werte durch Sozialisationsmechanismen erworben werden. Sie sind das Ergebnis verschiedener sozialer Einflusse, wie aus der nachfolgenden Abbildung 1 ersichtlich wird.

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Kulturelle Faktoren Geographie Klima Region Stadt - Land Gesellschaftsordnung Wirtschaftssystem Technologie Religion

v_:

Institutionelle Faktoren

Personelle Faktoren

Familie Freundeskreis Schule Arbeitsplatz Kirche Medien

J V

Geschlecht Alter Einkommen Bildung Soziookonomischer Status

WERTE

J V

Abbildung 1: Sozialisationsfaktoren und Werte. Quelle: Balderjahn, 1986, S. 39.

Fur die Weiterentwicklung sind im lebenslangen Prozess der Sozialisation die Lebensphasen eines Individuums von unterschiedlicher Bedeutung. Fur die Sozialisation sind die Kindheit und die Adoleszenz sehr wichtig. Werte bilden sich nach Inglehart (1979) in der primaren Sozialisation, manifestieren sich mit einer betrachtlichen zeitlichen Verzogerung in der Personlichkeit und sind dann weitgehend stabil. Dabei stellt er aber noch Folgendes test: „Das bedeutet nicht, dass das Erwachsenenalter keine Veranderungen mehr bringt, sondern einfach, dass die Wahrscheinlichkeit von Veranderungen als Reaktion auf veranderte Umweltbedingungen ganz erheblich sinken kann, vielleicht in einem logarithmischen Verhaltnis" (Inglehart, 1979, S. 280). Die Organisationspsychologie und auch die Betriebswirtschaftslehre betonen die Rolle der betrieblichen Sozialisation fur die Entstehung und Adaption von Werten des Untemehmens bei den Mitarbeitern (von Rosenstiel, 1992). Dies ist vor dem Hintergrund des Spannungsverhaltnisses zwischen Individuum und Organisation zu sehen. Der Einzelne wird im instrumentellen Sinn den Zielen der Organisation untergeordnet und muss sich somit unweigerlich an die Organisation anpassen. Die Prinzipien, die bei der Anpassung an die spezifischen Gegebenheiten der Organisation wirken, konnen nach von Rosenstiel (1992) Selbstselektion und Sozialisation sein.

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Ein bestimmtes Bild, das ein Individuum von einer Organisation gewonnen hat, bestimmt die Entscheidung mit, ob das Individuum sich dafur entscheidet dieser Organisation beizutreten bzw. in ihr zu verbleiben. Die Selbstselektion dient nicht nur dem Interesse der Individuen sondern auch dem der Organisation. Diese kann den Selektionsprozess durch Fremdselektion gezielt forcieren. Aber auch jene, die in die Organisation eintreten, entsprechen in ihren Verhaltensweisen den Organisationsnormen nicht voll. Anpassungsleistungen sind notwendig und es kommt zu einer spezifischen Sozialisation des einzelnen in der Organisation (Sackmann, 2002). Sozialisation wird hier also als ein Prozess verstanden, in dem eine Person das Wertesystem, die Normen und die geforderten Verhaltensmuster jener Organisation lernt, deren Mitglied sie ist oder zu werden wunscht. „Mit zunehmender Dauer der Betriebszugehorigkeit wachst die Ubereinstimmung zwischen personlichen Vorstellungen daruber, wie gewisse Dinge angepackt werden, und denen der eigenen Gruppe oder Abteilung des Unternehmens" (Sackmann, 2002, S. 65). Das Ergebnis eines derartigen Sozialisationsprozesses besteht haufig darin, dass die geforderten Verhaltensweisen als unreflektierte Selbstverstandlichkeiten ausgefuhrt werden. Widerstand der Organisationsmitglieder gegen die Organisation wird weniger wahrscheinlich (von Rosenstiel, 1992). Im Anschluss soil besonders auf die Adaption an Unternehmenskulturen hingewiesen werden. Hier erfolgt eine kurze Erlauterung, da diese Thematik noch ausfuhrlicher im Kapitel 3.5.3 behandelt wird. Schein (1988) etwa untersucht speziell das Lemen von Organisationskulturen und beschreibt Kultur als das Ergebnis von Gruppenlernprozessen. Eine Unternehmenskultur, die sich etwa auf Basis des Lernens durch positive Verstarkung herausgebildet hat, ist durch eine schnellere Anpassung an veranderte Situationen gekennzeichnet. Neue Herausforderungen werden positiver angenommen und zu bewaltigen versucht. Diese Oberlegungen zum Lernen der Organisationskultur lassen sich auf das Lernen von Individualwerten iibertragen, denn die Basis von Unternehmenskulturen bilden die von den Mitarbeitern geteilten Werte. Bei Werten handelt es sich urn ein relativ abstraktes Konstrukt. Sichtbar werden sie unter anderem durch das Verhalten von Individuen und Organisationen. Genau dieser Zusammenhang soil nun im Folgenden erlautert werden.

22

2.3 Werte und Verhalten In vielen bestehenden Definitionen des Begriffes „Wert" wird auf die Verbindung der Werte mit dem Verhalten von Individuen hingewiesen und eine Verhaltenswirksamkeit mit dem Wertebegriff verbunden. Auf diese Verbindung zwischen Werten, Einstellungen und Verhalten soil mit Hilfe der nachfolgenden Abbildung 2 noch naher eingegangen werden.

WERTE (z.B. Gesundheit und Wohlbeofind en sind wichtig)

beeinflussen

EINSTELLUNGEN (z.B. Meine Arbeit fordert Gesundheit nicht - ich mag meine Arbeit nicht

VERHALTEN

*w bestimmen

(z.B. ich werde kundigen)

t w

iiueyiiicu, iiiieine r\ui ILJI UBI iz.

1

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen Werten und Verhalten. Quelle: Fernandez, 2004, S. 27.

Fernandez (2004) geht davon aus, dass Werte tiefsitzend sind und es schwierig aber nicht unmoglich - ist, sie zu verandern. Werte beeinflussen unsere Einstellungen und letztlich unser Verhalten. Werte und Einstellungen sind fur uns nicht sichtbar. Wir konnen sie nur vom Sagen oder Tun der Menschen ableiten. Abbildung 2 versucht nun zu veranschaulichen, dass Werte unsere Einstellungen schaffen, welche letztlich zu geplantem bzw. beabsichtigtem Verhalten fuhren. Den empirischen Zusammenhang zwischen Werten und Verhalten konnten verschiedene Forschungsarbeiten nachweisen und so verdeutlichen, dass Werte eine wichtige Determinante im Verhaltensprozess sind. Es lassen sich einige Ansatze zur Erklarung des Zusammenhangs finden. So etwa ist hier auf die von Lewin (1963) begrundete Verhaltensformel V = f (P,U) hinzuweisen. Im Faktor Person gehen die Werte des Individuums ein und beeinflussen so das Verhalten. Eine weitere Erklarung liefert von Rosenstiel (1992) mit seinen Oberlegungen zu Interaktionen und Determinanten menschlichen Verhaltens. Wie in der nachfolgenden Abbildung 3 ersichtlich ist, hangt das Verhalten von sozialem Durfen, individuellem Wollen, personlichem Konnen und situativer

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Ermoglichung ab. Werte beeinflussen hiemach die Motivation bzw. das personliche Wollen des Menschen und somit das Verhalten. Werte nehmen hier aber auch uber das soziale Durfen (uber Normen und geteilte Werte in der Unternehmenskultur) Einfluss auf das Verhalten des Individuums.

[

1

SOZIALES DORFEN Normen Unternehmenskultur

Motivation Werte

k-

\ [

SITUATIVE ERMOGLICHUNG aufcere Umstande

V

INDIVIDUELLES WOLLEN

Verhalten

v~^ j-

PERSCNLICHES KONNEN Fahigkeiten Fertigkeiten

Abbildung 3: Interaktionen menschlichen Verhaltens. Quelle: von Rosenstiel, 1992, S. 48.

Im Anschluss wird nun das Konzept der WoUF erlautert, in dem es zu einer „Umsetzung wertrelevanter Erkenntnisse in unternehmerisches Verhalten" (Silberer, 1991, S. 171) kommen soil. Dieser Forderung liegt die Annahme zu Grunde, dass „Werte nur dann betriebswirtschaftlich relevant sind, wenn sie Auswirkungen auf das Unternehmensgeschehen haben, also verhaltenswirksam sind" (Rothenberger, 1992, S. 15). 2.4 Ausrichtung der Unternehmensfuhrung auf Werte Werteorientierte Unternehmensfuhrung (WoUF) bedeutet, dass „Werte bzw. Wertesysteme und Wertetrends in ihren Folgen, ggf. auch in ihrer Steuerbarkeit, in alien Bereichen der Unternehmung Beachtung finden" (Silberer, 1991, S. 171). Die Unternehmensfuhrung hat den Werten der Organisationsmitglieder, sowie der relevanten Umwelt, Beachtung zu schenken (Silberer, 1991). Die Werte der einzelnen Organisationsmitglieder und der Stakeholder konnen dabei sehr unterschiedlich sein. Auf die Organisation treffen Werte des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umfeldes ein. Jede Anspruchsgruppe eines Unternehmens projiziert die eigenen Werte ins Unternehmen, wobei es nun an der Organisation liegt, eine

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Integration herzustellen (Berkel, 1997). Dies kann insbesondere als zentrale Aufgabe der WoUF gesehen werden. Als Informationsbasis fur die WoUF dient also die Analyse dieser Werte und Wertesysteme sowie der -muster, -trends und -ursachen (Silberer, 1991). Naheres dazu wird im Kapitel 5.5 beschrieben. Silberer (1991) weist mehrfach explizit darauf hin, dass im Rahmen der WoUF alle Bereiche der Unternehmensfuhrung ein zu beziehen sind. So muss die Festlegung der Untemehmensziele, die Entwicklung von Strategien und deren Umsetzung in den einzelnen Untemehmensbereichen im Hinblick auf die WoUF erfolgen. Dabei sind sowohl Mafcnahmen, die auf die Umwelt des Untemehmens, wie auch solche, die auf den Innenbereich abzielen, zu beriicksichtigen. Grund dafur ist die Annahme, dass Werte alle Bereiche des menschlichen Verhaltens beeinflussen, und dass eine durchgangige Werteorientierung die Gefahr von Widerspruchen Oder Bruchen minimiert. Des Weiteren konzentrieren wir uns auf die Implementierung von Werten im Unternehmen. Wir sind der Oberzeugung, dass dies - wie im Folgendem noch ausfuhrlicher betrachtet wird - uber die Unternehmenskultur geschehen soil, da die Werte in ihr verankert sind. Werte sind hier - wie bereits zuvor erwahnt - als Auffassungen vom Wiinschenswerten zu verstehen, die explizit oder implizit fur einen einzelnen oder eine Gruppe kennzeichnend sind und welche die Auswahl der zuganglichen Weisen, Mittel und Ziele des Handelns beeinflussen. Dabei sind Werte auf einem relativ hohen Abstraktionsniveau angesiedelt. Das hohe Abstraktionsniveau bringt mit sich, dass die Werte nicht direkt, sondern nur die Werthaltungen - die Ausrichtung einzelner Menschen auf bestimmte Werte - erfassbar sind. Diese wiederum bestimmen das menschliche Verhalten mit (von Rosenstiel, 1992). Bohnisch (1979) spricht dabei von normativ-reduktiven Strategien, welche eine Verhaltensanderung uber die Anderung von Werten postulieren. Ahnlich giiltig ist dies auch fur die Unternehmenskultur. Sie ist ebenso nicht unmittelbar als solches sichtbar, sondern wiederum nur die in ihr verankerten Werte iiber das gezeigte Verhalten der Organisationsmitglieder, die sie idealerweise internalisiert haben und ihr gesamtes Verhalten danach ausrichten.

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Des Weiteren liegt also nun die Annahme zugrunde, dass betriebliches Gesundheitsmanagement durch die Einfuhrung von Gesundheit als Wert im Unternehmen nachhaltige Wirkung zeigt. Dies ist ein weiterer Grund, warum vereinzelte Madnahmen der Verhaltnis- bzw. Verhaltenspravention nicht nachhaltig fur eine Veranderung der Einstellungen zum Wert Gesundheit tauglich sind. Ebenso gehen wir davon aus, dass im Untemehmen bereits eine grundsatzliche Werteorientierung zu erkennen ist. Die bestehende Unternehmenskultur muss weiterentwickelt bzw. einem Wandel unterzogen werden, urn den Wert Gesundheit darin verankern zu konnen.

3 Unternehmenskultur Ober den Beginn der Organisationskulturforschung sind sich die zahlreichen Wissenschaftler des Feldes Unternehmenskultur nicht einig. Unumstritten ist jedoch, dass sich im Laufe der Zeit vier Hauptforschungsrichtungen heraus kristallisierten (Szabo, 1998): Der Corporate Culture Ansatz macht auf die Unternehmenskultur als reelle Gestaltungsgrofce des Unternehmens aufmerksam. Basis ist die Annahme, dass sie vom Management durch Strategien und Ziele ohne weiteres entwickel- und veranderbar sei und positive Auswirkungen auf den Erfolg der Unternehmung habe. Der Koanitive Ansatz hingegen basiert auf der Annahme, dass gemeinsames Wissen, Erkenntnisse und Informationsverarbeitung die herrschende Kultur eines Unternehmens determinieren bzw. die Kultur sind. Der Svmbolische Ansatz stellt die Symbole einer Organisation als Reprasentanten der betrieblichen sozial konstruierten Wirklichkeit in den Vordergrund. Der jungste dieser vier Ansatze - der Postmoderne Ansatz - bezieht die Ambiguitat mit ein, die in Organisationen durch laufende Veranderungen sowie unterschiedliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Phanomene herrscht: Ein Fakt, den die drei vorherigen Ansatze durch die Annahme der Homogenitat ausgeklammert hatten. Fur eine nahere Betrachtung der Entwicklung der Organisationskulturforschung soil an dieser Stelle auf Szabo (1998) verwiesen werden, die auf die historische Entwicklung der Untemehmenskulturforschung sowie der vier Hauptfelder genauer eingeht. Eingangs wurde bereits festgelegt, dass von der Berucksichtigung der Subkulturen abgesehen wird. Der Vollstandigkeit halber soil sie jedoch hier an dieser Stelle erwahnt werden, ohne anschlieliend naher darauf einzugehen: Immer gibt es Gruppierungen, deren Kultur sich von der „Hauptkultur" unterscheiden. Auch Schreyogg (1996, S. 30) weist darauf hin, dass Kulturen eigentlich „multikultureH" sind und meist Subkulturen existieren. Sie entstehen z.B. durch die hierarchische

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Stellung oder auch durch die Erledigung anderer Aufgaben. Trotzdem sind Subkulturen ein Teil des Ganzen. Im Folgenden soil nun naher auf die Untemehmenskultur eingegangen werden. Bevor Ebenen, Funktionen und Charakteristika der Untemehmenskultur, sowie die Veranderung der Kultur und ihre Erfolgsfaktoren angesprochen werden, kommt es zu einer Begriffsbestimmung und einer naheren Betrachtung von Werten und Normen. 3.1

Untemehmenskultur - Werte und Normen

Der Begriff Untemehmenskultur erhielt im Laufe der Zeit viele Defmitionen. Darunter kann nach Jacobsen (1996, S. 35) „das offentlich ausgehandelte und mehrheitlich geteilte Wert-, Normen- und Bedeutungsgefuge verstanden werden, das sich materiell in der unternehmensspezifischen Symbolwelt aufcert und die Handlungen und Interaktionen der Unternehmensmitglieder mafcgeblich beeinflusst." Auch Korner (1993, S. 36) sieht das ahnlich: „Unternehmenskultur besteht aus den vorherrschenden Werten, Normen, Meinungen und Uberzeugungen, die historisch gewachsen sind und nun die Verhaltensweisen und Entscheidungen der Belegschaft eines Unternehmens wesentlich beeinflussen." Beide oben genannte Begriffserklarungen sowie zahlreiche andere Definitionen der Literatur (Bate, 1997; Neuberger/Kompa, 1987; Sackmann, 2002; Schein, 1995; Schnyder, 1989) sehen Werte und Normen als wesentliche Komponenten der Untemehmenskultur, die das Verhalten der Individuen mafkjeblich beeinflussen. Dabei sind Werte das Herzstuck der Kultur. Werte konnen nach Scholl-Schaaf (1975) die Handlungen der Menschen beeinflussen und steuern, wodurch sie eine zentrale Stellung im Untemehmen haben. Sowohl gesellschaftliche, personliche und vor allem unternehmerische Werte flieflen in die Untemehmenskultur ein (Jacobsen, 1996). Dies wurde zuvor schon im Kapitel 2 naher erlautert. Laut Korner (1993) herrscht zwischen den verschiedenen Werten einer Unternehmung eine enge Beziehung. Daher wird auch oft der Begriff Wertesystem verwendet. Ohne dieses System waren die Mitarbeiter orientierungslos. Es gibt ihnen Beurteilungsmalistabe, die es ermoglichen, Entscheidungen im Sinne des Unternehmens zu treffen. Hier agieren die Menschen jedoch oft unbewusst aufgrund bestimmter Werte.

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Meist ist der Einfluss von Normen auf die Mitarbeiter starker als jener der Werte, da Normen eine klare Anweisung fur erwunschtes Verhalten sind und so den Mitarbeitem Orientierung geben. Man unterscheidet im Unternehmen vor allem kulturelle Normen, die Handlungsanweisungen geben, und soziale Normen, die Anleitung fur zwischenmenschliche Interaktionen sind (Jacobsen, 1996). Normen zu brechen, zieht Sanktionen nach sich. Auch Schwendenwein (1997) weist darauf hin, dass Krankmeldungen ohne Grund normalerweise zu Sanktionen, z.B. Ermahnung durch den Vorgesetzten, fuhren. Zudem sei das Phanomen der sozialen Sanktionen zu beachten: die Missbilligung der Verhaltensweise „KrankfeiemM durch die Kollegen, die sich z.B. durch bose Blicke, etc. ausdruckt. 3.2

Ebenen der Unternehmenskultur

Werte sind, wie schon erwahnt, die wichtigste Basis fur Unternehmen, da sie sehr eng mit Grundannahmen verbunden sind, die bei der Lebensbewaltigung in der Organisation helfen. Diese Grundannahmen betreffen die Umwelt des Unternehmens, die Natur des Menschen und seiner Handlungen, die Wahrnehmung der Reaiitat, die menschlichen Beziehungen, etc. Diese Basisannahmen sowie die Werte selbst sind unbewusst. Sie gehoren zur unsichtbaren Ebene der Unternehmenskultur. Abbildung 4 verdeutlicht dies.

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Symbolsystem

sichtbar, aber intrepretationsbedurftig

Sprache, Rituale, Kleidung, Umgangsformen

Normen und Standards

teils sichtbar, teils unbewusst

Maxlme, Rlchtlinien, Verbote

_ i Basisannahmen

unsichtbar, teils unbewusst

Uber: Umwelbezug Wahrheit Zeit Menschen Menschliches Handeln Soziale Beziehungen Abbildung 4:Kulturebenen und ihr Zusammenhang. Quelle: Schmidt, 2004, S. 29.

In der teils sichtbaren und unbewussten Ebene befinden sich Normen und Standards, die den Mitarbeitem Verbote, Maximen, Gebote, etc. klar machen. Sie sorgen dafur, dass die Mitarbeiter gemafc den Werten und Basisannahmen der unsichtbaren Ebene handeln (Korner, 1993). Mit der Zeit entstehen zusatzlich Symbolsysteme der Kommunikation (Sprache, Geschichten, Helden, etc.), des Verhaltens (Rituale, Sponsoring, etc.) und von Gegenstanden (Logo, Architektur, Kleidung, etc.). Sie liegen auf der sichtbaren Ebene, bedurfen aber manchmal der Interpretation, da sie nur mit Kenntnis der Werte und Grundannahmen verstanden werden konnen (Korner, 1993). Die Grundsatze der Unternehmensphilosophie beinhalten die idealisierten Werte und Normen des Unternehmens. Die Leitsatze sind die expliziteste Sichtbarmachung der Werte. Ihr Entwurf geschieht normalerweise durch einige wenige Personen

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(Jacobsen, 1996). Sie sollen alien Mitarbeitern bestandig kommuniziert werden, damit sie auch zu deren geistigen Eigentum werden. So halt man die Grundsatze prasent und sie konnen mit der Zeit in das Verhalten ubergehen. Auch die personlichen Oberzeugungen und Werte der Mitarbeiter beeinflussen, ob bzw. wie schnell es zu Handlungen nach den Unternehmenswerten kommt. Da Fuhrungskrafte eine Vorbildrolle innehaben, kommt ihnen in diesem Prozess eine wichtige Bedeutung zu. Sie sollten sich den Untemehmensgrundsatzen besonders verpflichtet fuhlen und nach ihnen handeln (Bromann/Piwinger, 1992). Sichtbar wird Unternehmenskultur laut Schnyder (1994) zusatzlich durch das visuelle Erscheinungsbild (Corporate Design), die Kommunikation (Corporate Communication), das Verhalten im Unternehmen (Corporate Behavior), die Struktur, die Strategien und die Systeme. Auf Corporate Design soil nicht naher eingegangen werden. Corporate Communication hingegen ist uns sehr wichtig und wird im Kapitel „Unternehmenskommunikation" naher behandelt. Struktur, Strategien und Systeme sollen spater noch einmal innerhalb dieses Kapitels erwahnt werden. Wie Werte und Verhalten zusammenhangen, wurde schon im Kapitel 2 angesprochen. Nachfolgendes mochten wir jedoch noch erwahnen: Ob das Verhalten der Mitarbeiter die Unternehmenskultur reflektiert, ist davon abhangig, ob sie durch effiziente Unternehmenskulturarbeit den Mitarbeitern bewusst gemacht wurde (Korner, 1993). 3.3

Funktionen der Unternehmenskultur

Nun stellt sich die Frage, wie sich die Unternehmenskultur mit ihren zuvor genannten Komponenten auswirkt. Die Funktionen sollen im Folgenden geschildert werden. Diese Funktionen haben Untemehmenskulturen jedoch nur, wenn es sich urn eine starke Kultur handelt. Man spricht von einer so genannten starken Unternehmenskultur, wenn sie einen hohen Verankerungsgrad (Einwirkung der Werte und Normen in das Verhalten der Mitarbeiter), ein hohes Obereinstimmungsmali (Gleichartigkeit der Werte und Normen der Belegschaft) und eine hohe Systemvereinbarkeit (Kompatibilitat der Werte und Normen mit den formalen Instrumenten des Unternehmens) aufweist (Heinen, 1987). Wie stark oder schwach eine Unternehmenskultur ist, hangt von den Einflussfaktoren ab. Doppler/Lauterburg (1994) nennen einige: Produkte, Personalstruktur, Grofie des Unternehmens, Alter und Geschichte des Unternehmens, Verhalten des Managements, Fuhrungsinstrumentarien, Strategie, Arbeitsplatzgestaltung, Belohnungs- und Sanktionsprinzipien, Regelkommunikation, etc.

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Im Konkreten handelt es sich laut Heinen (1987) urn drei Funktionen direkter Art, welche die Untemehmenskultur erfullt: • Die Koordinationsfunktion bezieht sich darauf, dass sie durch Abstimmung die einzelnen Teile des Untemehmens zu einem Ganzen zusammen halt. Dies erreicht die Untemehmenskultur durch die ubergeordneten Werte und Ziele, die sie beinhaltet. Vor allem in Betrieben mit hoher Spezialisierung und Arbeitsteilung Oder mit vielen Subsystemen (vielen unterschiedlichen Interessen) ist der Bedarf an Koordination und Abstimmung besonders hoch. Alle Handlungen werden auf den gemeinsamen erwunschten Erfolg ausgerichtet. • Die Intearationsfunktion erscheint auf den ersten Blick ahnlich der Koordinationsfunktion. Hier geht es urn die Verknupfung einzelner Elemente zu einem Ganzen. Besitzen die Subsysteme zu viel Autonomie, ist ihre Integration in der Gesamtorganisation gefahrdet. Starke Kulturen besitzen dieses Problem nicht, denn sie integrieren die Belegschaft mittels eines starken „Wir-Bewusstseins" und erzeugen Commitment". Mit Integration ist also die Starkung des Gemeinschaftssinnes gemeint. • Die letzte der originaren Funktionen ist die Motivationsfunktion. Motivation bezieht sich hier darauf, dass die Mitarbeiter Anreize verspuren, ihre Aufgaben und Pflichten zu erfullen. Die Untemehmenskultur tragt dazu bei, dass die Mitarbeiter den Sinn des Untemehmens und auch ihrer Tatigkeit im Ganzen erkennen. Der Mensch ist bestrebt, den Sinn in Handlungen, Normen, Tatsachen, etc. zu finden. Im Erkennen des Sinnsfindeter Orientierung. Auch das schon angesprochene Commitment mit den unternehmensubergreifenden Grundpramissen motiviert, da in eigenem Interesse gehandelt wird. Bromann/Piwinger (1992) sprechen von einer vierten Funktion, die direkt durch die Wertvorstellungen und Normen ausgelost wird: die Legitimationsfunktion. Die Kultur rechtfertigt und verdeutlicht die Aktivitaten des Untemehmens. Jacobsen (1996) fugt noch die Stabilisierungsfunktion hinzu. Danach gibt die Untemehmenskultur den Mitarbeitern ein Gefuhl von Sicherheit und Halt in einer dynamischen Umwelt. Neben den eben genannten direkten Funktionen der Untemehmenskultur existieren naturlich auch noch Faktoren, die indirekt durch die Werte und Normen der Untemehmenskultur beeinflusst werden. Beispiele dafur sind hohere Produktivitat, hohere Problemlosungseffektivitat, gesteigerte Loyalitat, raschere Umsetzungsmoglichkeit von Planen, etc. (Heinen, 1987).

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Die Wirkung einer Unternehmenskultur ist also vielfaltig: Sie koordiniert Interessen und Zielsetzungen, sie integriert die einzelnen Mitarbeiter in das Gesamtunternehmen, sie motiviert, indem sie ein Verbundenheitsgefuhl schafft, sie stabilisiert in dynamischen Umwelten und sie legitimiert das Vorgehen der Unternehmung. Sie wirkt zudem nach aulien auf die Offentlichkeit (Jacobsen, 1996). 3.4

Charakteristika der Unternehmenskultur

Unternehmenskultur ist ein soziales Phanomen. Sie steuert Verhalten und weist Anpassungs- und Wandlungsfahigkeit auf. Sie wurde von den Menschen geschaffen, dient als Richtschnur und genieftt allgemeine Akzeptanz. Unternehmenskultur kann erlernt werden, sie ist jedoch nicht direkt zuganglich (Drepper, 1992). Zudem weist Unternehmenskultur Symbolhaftigkeit auf: Sie wird durch Bilder, Geschichten, Beispiele, etc. verbreitet. Die Unternehmenskultur entsteht kollektiv durch Interaktion und die Mitglieder teilen gewisse Oberzeugungen, Orientierungen und Handlungsweisen. Generell wachsen Unternehmenskulturen aus der Geschichte des Unternehmens heraus (Schreyogg, 1996). Korner (1993) merkt an, dass die Unternehmenskultur am Tag der Grundung einer Organisation entsteht und dann mit der Zeit Riten und Rituale entwickelt, welche die, sich im Laufe der Jahre, geformten Werte verfestigen und idealisieren. Urn die verfestigten Werte zu verandem bedarf es grofcer Anstrengung. Details zur Veranderung der Unternehmenskultur sollen im Folgenden erklart werden. 3.5 Veranderung der Unternehmenskultur Prinzipiell kann es zwei Ausloser fur die Entschlusselung und Veranderung der Unternehmenskultur geben: Zum einen die wissenschaftliche Forschung Oder die Existenz eines spezifischen Problems und zum anderen die notwendige Anpassung an die Erfordernisse des Unternehmens, die der Unterstutzung der ganzen Belegschaft bedarf. Der erste Grund ist eher ein Anstofl von Auftenstehenden, die sich dann meist selbst der Kulturanalyse anzunehmen. Der Zweite geht vom Untemehmen selbst aus. Folgedessen kommt es auch meist zu einer Analyse durch Insider des Unternehmens (Schein, 1995). In unserem Fall, der Implementierung des Wertes Gesundheit im Untemehmen, handelt es sich im Normalfall urn den zweiten Ausloser. Wir sind jedoch der Meinung, dass es sicher nicht schaden kann, auch Externe bei der Erkundung der Kultur hinzu zu Ziehen, da sie oft Faktoren erkennen, die den Betriebsintemen unbewusst bzw.

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nicht mehr bewusst sind. Auch Schein (1995) schlagt als Hilfestellung die Anwesenheit eines Beraters bei den Gruppensitzungen der Kulturanalyse vor. Wie schon ersichtlich wurde, resultieren Werte und Normen der Unternehmenskultur aus der Unternehmensfuhrung und determinieren sie auch. Die Vorgesetzten sollen kulturbedacht fuhren und das Wertesystem auch leben, dann ist bewusstes Kulturmanagement moglich. Die Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur fuhrt zudem dazu, dass sich die Fuhrungskraft der Unternehmenskultur und ihrer Bedeutung fur die unternehmerischen Vorgange gezielt bewusst wird. Nur so konnen die Werte sichtbar fur die Mitarbeiter vorgelebt werden. Auch symbolisches Management kann man in diesem Zusammenhang nennen. Die Fuhrungskraft muss symbolische Handlungen setzen und somit die Kultur vorleben. Die Fuhrungskrafte konnen sowohl kommunikative Instrumente (Geschichten, Erzahlungen, etc.) als auch reine symbolische Representation (Zeremonien, Architektur, etc.) verwenden (Heinen, 1987). Da die Fuhrungskraft durch das aktive Vorleben der Werte zum Modell fur die Mitarbeiter wird, soil an dieser Stelle auf das Kapitel 3.6.1 verwiesen werden, welches das Lemen am Modell vertieft. Urn Kultur zu fordern oder zu verandern, reicht es also nicht, Glaubensgrundsatze zu formulieren und den Mitarbeitern zu verkaufen (Bromann/Piwinger, 1992). Es bedarf wesentlich mehr Anstrengung, wie im vorhergehenden Absatz ersichtlich wurde. Dorn (1993) ermahnt, dass man nicht glauben sollte, dass Unternehmenskultur einfach „machbar" sei. Fuhrungskrafte konnen hochstens Faktoren wie Kommunikation, Kooperationsbereitschaft, Zukunftsgewandtheit, etc. beeinflussen. Zudem ist es laut Deal/Kennedy (1982) umso schwieriger Unternehmenskultur zu verandern, je starker sie ist. Eine starke Kultur kann also nicht nur hilfreich sein (z.B. bei der Analyse der Kultur) sondern auch eine Barriere darstellen. 3.5.1 Voraussetzungen Jacobsen (1996) merkt an, dass eine bewusste Veranderung drei Voraussetzungen erfordert. Die erste Voraussetzung besteht darin, dass eine Kulturvision existiert. Die zweite ist, dass sich die Mitglieder der Existenz der Unternehmenskultur bewusst sind und die dritte Voraussetzung, dass man sie grundsatzlich beeinflussen kann. Obwohl uber den letzten Punkt starke Kontroversen herrschen, gilt die Beeinflussbarkeit der Unternehmenskultur in der vorliegenden Arbeit als Grundannahme.

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Sind diese Pramissen erfullt, sollte die Fuhrungskraft prufen, wie veranderungsfreundlich seine Unternehmenskultur ist. Laut Doppler/Lauterburg (1994) sieht man das anhand von funf Elementen. Diese lauten: kreative Unruhe, Konfliktfahigkeit, Zusammengehorigkeitsgefuhl, Sinnvermittlung und Kommunikation. Kreative Unruhe bedeutet Experimentierfreude, Flexibility und Mobilitat, urn der Veranderung begegnen zu konnen. Die Konfliktfahigkeit stellt sicher, dass unterschiedliche Meinungen und Interessen ausgetauscht und konstruktiv diskutiert werden konnen. Auch Zusammengehorigkeitsgefuhl ist wichtig, weil es Nahrboden fur Vertrauen und Offenheit ist. Der Begriff Sinnvermittlung bezieht sich darauf, dass jeder Mitarbeiter den Sinn seines Handelns und die Ziele des Unternehmens erkennen soil und weift, was er zum Ganzen beitragt. Die letzte Grundpramisse fur Veranderung ist Kommunikation, denn sie informiert und baut Komplexitat ab. 3.5.2 Handlungsebenen Die Implementierung eines neuen Wertes in die Unternehmenskultur bedarf also vor allem der aktiven Beteiligung der Organisationsmitglieder. Deshalb konzentrieren wir uns im Kapitel 3.6 auf Fuhrungskrafte und Mitarbeiter. Beide Gruppen sind auf gut funktionierende Kommunikation angewiesen, da sonst unkoordiniertes Handeln entsteht. Darum erfahrt sie im Kapitel 3.7 besonderer Aufmerksamkeit. Zuvor mochten wir jedoch noch drei andere Handlungsebenen ansprechen, ohne die nach Jacobsen (1996) eine bewusste Kulturanderung nicht auskommt: die Sinn-, Strategie- und Organisationsebene. Sinn

t

Personal

Strategie

Unternehmenskultur Fuhrung

Organisation * %

Kommunikation

Abbildung 5: Ansatzpunkte zur Gestaltung einer Unternehmenskultur. Quelle: Jacobsen, 1996, S. 143.

Die Sinnebene bestimmt den Sinn der untemehmenstypischen Geschehnisse, anhand dessen sich die Mitarbeiter in ihrer Rolle orientieren. Erst wenn die Mitarbeiter den Sinn von Handlungen, Einstellungen, etc. sehen, kann dies zu ihrer

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Akzeptanz und Unterstutzung fuhren. Normalerweise soil es wie bereits angesprochen das Unternehmensleitbild sein, das den Mitarbeitern ein Grundverstandnis uber die Organisation, ihre Rolle, ihre Ziele und ihre Aufgaben vermittelt und sichtbar macht (Jacobsen, 1996). Der Sinn der Implementierung von Gesundheit als Wert muss, unserer Meinung nach, jedem Untemehmen von Vornherein klar sein. Der Sinn sollte auch den Mitarbeitern kommuniziert werden, urn Unklarheiten aus dem Weg zu schaffen. Die Strategieebene behandelt die Uberlebenssicherung des Unternehmens durch die Strategieentwicklung. Alle Ebenen der Hierarchie werden von

Strategien

durchdrungen und beeinflussen so den Arbeitsalltag wie auch die Entwicklung der Unternehmenskultur gleichermalien, da sich die Belegschaft in Denken und Handeln an die strategischen Anforderungen halten muss. Deshalb sollten Strategien und Unternehmenskultur im Einklang miteinander stehen (Jacobsen, 1996). Auf diese Ebene soil in der vorliegenden Arbeit nicht naher eingegangen werden. Wir treffen die Annahme, dass hinter dem Wunsch, Gesundheit als Wert durch Unternehmenskulturanderung zu implementieren, schon eine Strategie dafur steht. Die Organisationsebene befasst sich mit den organisatorischen Einheiten. Die Organisationsstruktur beeinflusst das Interaktionsverhalten und damit wiederum die Kultur. Ebenso besitzt die Unternehmenskultur Einfluss auf die Organisation des Unternehmens (Jacobsen, 1996). Es ist zu beachten, dass ein Kulturwandel einen Wandel der Struktur nach sich Ziehen kann, da sich, wie oben erwahnt, Kultur und Struktur gegenseitig beeinflussen. 3.5.3

Einflussnahme auf Mitarbeiter

Vor allem durch drei Moglichkeiten der Einflussnahme kann man Veranderung erreichen (Doppler/Lauterburg 1994): • Setzung von Normen durch Vorbildfunktion: Lebt die Fuhrungskraft die aufgestellten Regeln bzw. die veranderten oder neuen Werte vor, wird sie zur Identifikationsfigur fur die Mitarbeiter. Diese werden davon beeinflusst. Dabei ist es wichtig, dass der Kontakt zwischen der Fuhrungskraft und den Mitarbeitern direkt verlauft. Damit ist erkennbar, wie die Ubermittlung bei der Belegschaft angekommen ist. • Gemeinsames Arbeiten an der Kultur: Die Kultur soil den Mitarbeitern bewusst gemacht werden, sodass sie deren Starken und Schwachen erkennen.

35

Dadurch kdnnen die Mitarbeiter in Aktion treten und gemeinsam mit der Fuhrungskraft 1st- und Soll-Zustand vergleichen, daran arbeiten und einander naher bringen. • Richtungsanderung durch personelle Besetzung von wichtigen Positionen: Schon oben wurde die Vorbildwirkung der Fuhrungskrafte angesprochen. Fuhrungskrafte, die hohe Oberzeugungskraft besitzen, sollten an der richtigen Steile eingesetzt werden. Es kann vorkommen, dass die adaquaten Personen nicht im Betrieb zu finden sind. Dann kann man auf Externe zuruckgreifen Oder auch auf den Fuhrungskraftenachwuchs setzen. Neue personelle Besetzungen und bloRes Uberstulpen neuer Normen halten wir fur kontraproduktiv. Impulse von aulien sind sicher wichtig, wenn es urn Veranderungen in der Unternehmenskultur geht. Sie konnen jedoch nicht die Hauptstrategie des Wandels darstellen, da nicht bei jedem Wandel, der vorgenommen wird, das TopManagement ausgetauscht werden kann. Fur Untemehmen im Kulturwandel ist es wichtig, bei neuen Personalanwerbungen darauf zu achten, realistische Rekrutierung zu betreiben. Die potenziellen Bewerber sollten zur neuen Unternehmenskultur passen und umgekehrt. Es ist zudem zu beachten, dass die Werte des Unternehmens tief in den Mitarbeitern verankert sind und deshalb trotz neuer Fuhrung sicher erst langfristig eine Veranderung auftreten wird. Bei der Implementierung von Gesundheit als Wert des Unternehmens ist ein gemeinsames Arbeiten an der Kultur nach dem Konzept der Organisationsentwicklung am Sinnvollsten. Dabei ist es unerlasslich, dass innerhalb des gemeinsamen Arbeitens am neuen Kulturwert, das Vorleben durch die Fuhrungskraft einen zentralen Stellenwert hat und somit die Wichtigkeit des Anliegens - den Wert Gesundheit - zusatzlich herausstreicht. Die konsequente Anlehnung an die neuen Werte und die Unterstutzung der Fuhrungskrafte durch aktives Vorleben ist also unabdinglich. Das soil im folgenden Kapitel naher ausgefuhrt werden. 3.6

Fuhrung, Partizipation und Vertrauen

Badura/Hehlmann (2003) fuhren in ihrer Arbeit eine Vision einer gesunden Organisation in Form von Thesen an. Unter anderem gehen sie davon aus, dass die Qualitat der Fuhrung und das Vertrauen, das die Fuhrung bei den Mitarbeitern hervorruft, entscheidende Faktoren bei der Unterscheidung von gesunden und ungesunden Organisationen sind. Vertrauen fordert das Wohlbefinden und reduziert die Angste der Mitarbeiter. Ebenso wird es den Mitarbeitern durch Vertrauen erleichtert sich auf Veranderungen einzulassen, auch wenn Unsicherheiten damit

36

verbunden sind. Dabei wird durch gemeinsame Uberzeugungen und Werte die Wahrscheinlichkeit eines hohen Vertrauens in die mitarbeiter- und ergebnisorientierte Qualitat der Fuhrungsentscheidungen erhoht. Auch das Ausmad an Vertrauen und gegenseitiger Hilfe - die so genannte Vertrauenskultur, die unter den Mitgliedern herrscht - ist von grofcer Bedeutung. Das Ausmafc an Partizipation an der Willensbildung zu gesamtorganisatorisch relevanten Entscheidungen, das eine Organisation ihren Mitgliedern einraumt, hat laut Badura/Hehlmann (2003) ebenso eine grade Bedeutung fur eine gesunde Organisation. Aus diesem Grund wird im Folgenden genauer auf die Bedeutung der Fuhrungskraft im Zuge eines Wandels bzw. einer Weiterentwicklung der Untemehmenskultur eingegangen und die wichtige Rolle fur den Versuch einer Werteverankerung erlautert. Ebenso wird auf die Rolle der Partizipation der Mitarbeiter, sowie von Vertrauen eingegangen und deren Einfluss auf das Commitment beschrieben. 3.6.1 Fuhrungskraft Unternehmen legen immer mehr Wert auf die Einbindung ihrer Mitarbeiter. Ihr Erfolg hangt entscheidend von der Fahigkeit des Untemehmens ab, ob und wie dieses die Fahigkeiten, Fertigkeiten und das Wissen ihrer Mitarbeiter nutzbar machen kann. Aufgabe ist es daher, die Mitarbeiter zu fordern und deren Initiativen zu unterstutzen. Dieses proaktive Klima erfordert mehr als nur traditionelle Manager. Es erfordert Manager, die auch Fuhrer sind, die bei der Entwicklung der Mitarbeiter helfen und Commitment und Engagement ermoglichen. Fuhrung im Sinne von Mitarbeiterfiihrung wird hier demnach als konkretes Beziehungsmanagement verstanden. Es geht urn das unmittelbare Verhaltnis von Fuhrendem und Gefuhrtem im alltaglichen Interaktionsgeschehen. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Fiihrungs- und Folgeverhalten so zu verstehen, dass Fuhrung nicht als Prozess der einseitigen Willensdurchdringung verstanden werden darf(Ruhli, 1992). Fuhrung kann daher nur als ein sozialer Prozess verstanden werden, bei dem die beteiligten Interaktionssubjekte wechselseitig Wert- und Bedeutungsmuster ex- und internalisieren. Die jeweiligen Grundhaltungen und -einstellungen diirfen jedoch nicht nur in verbaler Form vorgetragen werden sondern mussen auch durch eine konsequente Verhaltensausrichtung unterstrichen und bestatigt werden. Erst das alltagliche und selbstverstandliche Vorleben der postulierten Werte und Normen

37

macht diese glaubwurdig und tragt zu deren effektiver und dauerhafter Verankerung in der Unternehmenskultur bei (Deal/Kennedy, 1982). Die Vorbildfunktion der Fuhrungskrafl im Wertebildungsprozess soil nun anhand der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura erlautert werden. Bandura (1979) spricht dabei von drei Prozessen, die es dem Menschen erlauben, sich in seine soziale Umwelt einzufugen und auf sie einzuwirken: • Er kann das Verhalten anderer beobachten und diese „Modellew nachahmen. • Er kann Beobachtungen, Ereignisse und Erfahrungen symbolisieren und sie mit Hilfe dieser Symbole in seinem Gedachtnis festhalten, daruber nachdenken, neue Ereignisse planen und schopferisch tatig sein. • Er kann durch selbst erzeugte Anreize und Konsequenzen sich selbst steuern und sein eigenes Verhalten modifizieren. Dieser erste Prozess - das Modelllernen - soil nun herangezogen werden, urn die wichtige Rolle der Fuhrungskrafl zu erlautem. Nach Bandura (1979) wird das Modelllernen von vier Teilprozessen geleitet: dem Aufmerksamkeitsprozess, dem Gedachtnisprozess, dem motorischen Reproduktionsprozess und dem Motivationsprozess. Erst durch diese vier Prozesse - dargestellt in Abbildung 6 kann das modellierte Verhalten nachgebildet werden. Nachbildungsleistungen

Modellierte Ereignisse

i

Modellierungsstimuli -Deutlichkeit -Affektive Valenz -Komplexitat -Verbreitung -Funktionaler Wert Beobachtungsmerkmale -Wahrnehmungskapazitat -Erregungsniveau -Fruhere Bekraftigung

i

Symbolische Kodierung

Physische Fahigkeiten

Aufiere Bekraftigung

Kognitive Organisation

Verfugbarkeit der Teilreaktionen

Stellvertretende Bekraftigung

Symbolische Nachbildung

Selbstbeobachtung bei Reproduktion

Selbstbekraftigung

Motorische Nachbildung

Feed-back zur Angemessenheit

Abbildung 6: Teilprozesse, die nach der sozial-kognitiven Lerntheorie das Beobachtungslernen steuern. Quelle: Bandura, 1979, S. 32.

38

Fuhrungskrafte im Unternehmen stellen Modelle fur ihre Untergebenen dar und besltzen einen groflen Einfluss, welcher durch die hierarchische Stellung begrundet ist. Das Verhalten der Mitarbeiter wird vom Verhalten der Fuhrungskrafte und deren Werte beeinflusst. Diese Werte werden grundlegend mit jenen der Organisation ubereinstimmen. Wie bereits im einfuhrenden Kapitel erwahnt wurde, kommen Werte durch das Verhalten von Individuen zum Vorschein. Eben diese dem Verhalten zugrunde liegenden Werte und Normen sollen den Untergebenen vermittelt werden. Durch die Vorbildfunktion der Fuhrungskraft soil es zu einer Ubernahme der Werte des Fuhrers bzw. des Unternehmens kommen. Gerade dem mittleren Management bzw. den direkten Vorgesetzen kommt hier eine zentrale Schlusselrolle zu (Bandura, 1979). Daraus kann geschlossen werden, dass jene Fuhrungskrafte, welche Untemehmenswerte aktiv und glaubwurdig den Mitarbeitern gegenuber leben, als wesentliche Verstarker vom Mitarbeiter wahrgenommen werden und die Motivation, das beobachtete Verhalten nachzuahmen, dementsprechend hoch ist. Ein alleiniges Vorleben durch die Fuhrungskraft reicht aber nicht aus. Zusatzlich muss gemeinsam mit den Mitarbeitern an der Kultur und damit an den Werten gearbeitet werden, urn sie in der Untemehmenskultur verankern zu konnen. In diesem Zusammenhang wird im Folgenden auf den Begriff Partizipation und die Notwendigkeit eines partizipativen Fuhrungsstils eingegangen. 3.6.2 Partizipation Der Begriff der Partizipation ist eng mit dem Entscheidungsprozess in einem Unternehmen verbunden. Ebenso kommen die Elemente des Begriffs, Einfluss, Interaktion und Informationsaustausch, darin in verschiedensten Formen zum Ausdruck. Der Begriff Einfluss wird hier als die Beteiligung von zwei Oder mehreren Gruppen an der Entscheidungsfindung gebraucht. Partizipation wird erreicht, wenn der Einfluss der Mitarbeiter und jener der Fuhrungskraft im Gleichgewicht sind (Wall/Lischeron, 1980). Interaktion ist die Zusammenarbeit von Mitarbeitern und Fuhrungskraften im Entscheidungsprozess, mit deren Hilfe versucht wird, eine Ubereinstimmung zu finden. Informationsaustausch als drittes Merkmal von Partizipation ist als Erganzung von Einfluss und Interaktion zu sehen. Urn Einfluss ausuben zu konnen, werden Informationen uber den Gegenstand der Entscheidung benotigt. Interaktion erfordert

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Kommunikation und somit Informationsaustausch (Wall/Lischeron, 1980). Naheres dazu siehe Kapitel 3.7. Die Partizipation der Mitarbeiter am Entscheidungsprozess kann sowohl direkt, also personlich (individuell oder in einer Gruppe) Oder indirekt (reprasentativ uber Betriebsrat, Vertrauensmanner, Arbeitsdirektoren, etc.) erfolgen (Wall/Lischeron, 1980). Partizipation kann zudem auf verschiedenen Entscheidungsebenen erfolgen (Wall/Lischeron, 1980): • Local participation findet auf der untersten Stufe der Hierarchie in einer Organisation statt. Es geht dabei um Entscheidungen, welche die Mitarbeiter und deren Arbeitsplatze selbst betreffen. Es handelt sich hier um tagliche Entscheidungen, bei denen meist nur der Mitarbeiter und sein direkter Vorgesetzter miteinbezogen werden und diese so nur begrenzte Bedeutung fur das Unternehmen als Ganzes haben. • Medium participation: Auf der mittleren Stufe, dem Entscheidungsbereich des mittleren Managements, kommt es zu einer Beteiligung von einer groften Anzahl an Mitarbeitem, z.B. bei der Entscheidung uber die Auswahl neuen Personals fur die Abteilung, Ausbildung oder den Kauf neuer Gerate. • Distant participation: Im Bereich des Top-Managements, also auf der hochsten Stufe der Organisationshierarchie, kommt es schlielilich zu weitreichenden Entscheidungen, also jenen, welche die ganze Unternehmung betreffen wie etwa die Unternehmenspolitik oder eine Expansion. Partizipation ist im Prozess der Implementierung von Gesundheit als Wert im Unternehmen ein grundlegender Faktor. Schon zu Beginn des Kapitels 3 wurde darauf hingewiesen, dass Werte in der Kultur des Unternehmens angesiedelt sind und somit ein Teil der gesamten Belegschaft sind. Nur durch die Einwirkung Dritter kann ein verankerter Wert nicht nachhaltig verandert werden. Es bedarf der aktiven Partizipation des Individuums selbst. Damit Partizipation gelebt werden kann, ist ein Fuhrungsstil unabdinglich, der dem Prinzip der Partizipation nicht widerspricht. Inwieweit also die Verankerung von Werten und Normen gelingt, hangt, wie zuvor schon erwahnt, in starkem Made davon ab, wie gefuhrt wird, auf welche Weise die eigene Sicht der Dinge an andere herangetragen wird. Entscheidend ist also der Fuhrungsstil, der sich nach Berthel (1991, S. 53) „als zeitlich uberdauemdes und in Bezug auf bestimmte Situationen konsistentes Fuhrungsverhalten von Vorgesetzten gegenuber Mitarbeitem" definieren lasst. Er beeinflusst die Bereitschaft der Mitarbeiter, die vorgelebten Denk- und Verhaltensweisen fur sich personlich zu

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akzeptieren und als handlungsrelevant zu erachten bzw. sie zu verwerfen und sich an alternativen Handlungsmustem zu orientieren. Zur Beschreibung verschiedener Fuhrungsstile wird haufig ein Kontinuum verwendet, dessen Pole durch den autoritaren und den partizipativen Fuhrungsstil gebildet werden.

Einlussder

Einfluss des Vorgesetzten

Mitarbeiter

Autoritat

Partizipation

A, k

A2 V

Pi

P3

_/ *-*_

^r~

Pi

D ^> v

) T

Autoritare

Partizipative

Fuhrung durch

Fuhrung

Fuhrung

Delegation

Abbildung 7: Fuhrungsstile auf dem Einflusskontinuum. Quelle: Muller/Hill, 1980, S. 135.

Der autoritare Fuhrungsstil ist durch eine autokratische Willensbildung gekennzeichnet. Der Vorgesetzte entscheidet allein und legitimiert seine Einflussmoglichkeiten in erster Linie durch seine Positionsmacht. Belm partizipativen Fuhrungsstil - oftmals auch als demokratischer oder kooperativer Fuhrungsstil bezeichnet, wobei es im Grundsatz immer um den Beteiligungsgedanken, der bei anderen Fuhrungsformen im allgemeinen unterentwickelt ist, geht - stutzt sich der Fuhrende dagegen primar auf seine fachliche Kompetenz und Personlichkeit. Er delegiert Entscheidungsbefugnisse und beteiligt die Mitarbeiter an der Willensbildung (Muller/Hill, 1980). Einen jederzeit optimalen Fuhrungsstil kann es nicht geben, da die Partizipationserwartungen der Mitarbeiter je nach Sozialisationserlebnissen sehr verschieden sind und das jeweilige Fuhrungsverhalten den situativen Gegebenheiten angepasst werden muss (Muller/Hill, 1980). Aus unternehmenskultureller Sicht besteht der entscheidende Vorteil einer partizipativ ausgerichteten Fuhrungskonzeption darin, dass die von der Untemehmensleitung angestolienen Projekte zur kulturellen Entwicklung nicht auf der Ebene des Top-Managements stecken bleiben, sondern 41

sich interaktiv im gesamten Unternehmen fortpflanzen konnen. Damit werden Fuhrungskrafle nicht von ihrer Aufgabe, Werte und Normen vorzuleben, entbunden. Aber sie konnen sich auf die Rolle eines Initiators und Aktivators konzentrieren, der nur soweit in Interaktions- und Handlungsprozesse eingreift, wie er ermutigend, unterstutzend und/oder richtungsweisend wirken kann (Berthel, 1991). Die eigentliche Verankerung des Wertesystems muss im interaktiven Kontext aller Mitarbeiter realisiert werden. Ein „kulturfreundlicherw

Fuhrungsstil erschopft sich nicht in einer

hohen

Partizipationsquote. Zwar fordert eine hohe Partizipation die Interaktionstatigkeit und ist damit aus kultureller Sicht zu begruften. Mindestens genauso wichtig erscheint aber die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Fuhrenden und Gefuhrten. Diese sollte in einer von gegenseitigem Respekt gepragten Atmosphare auf kritisch offene Weise vollzogen werden. In einem solchen Klima konnen nicht nur Sachprobleme hervorragend

diskutiert,

sondern

auch

die

emotionalen

Aspekte

einer

Fuhrungsbeziehung berucksichtigt werden (Semen, 1993). Lilge (1980, S. 65) geht davon aus, „dass Vertrauen sowohl eine Bedingung als auch eine Folge partizipativer Fuhrungsformen ist." Es kann daher von einer Wechselseitigkeit gesprochen werden, in der „Partizipation und Kooperation ebenso vertrauensfordernd wie Vertrauen partizipations- und kooperationsfordernd wirkt." vertrauensfdrdemd

partizipations- und kooperationsfdrdemd Abbildung 8: Kreiskausale Wechselbeziehung zwischen Partizipation, Kooperation und Vertrauen. Quelle: Lilge, 1980, S. 65.

3.6.3

Vertrauen

Im Folgenden wird Vertrauen im Sinne der Definition von Cangemi/Kowalski/Rice (1989, S. 2; Zit.n.: Graeff, 1998, S. 14) verstanden: Jrust is a feeling of safety and comfort in interpersonal relationships, and is necessary for the development of a

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healthy, open organizational climate." [Vertrauen ist das Gefuhl von Sicherheit und Behaglichkeit in interpersonalen Beziehungen und notig fur die Entwicklung einer gesunden, offenen Organisationskultur; Obersetzung der Autoren]. Die genannte Definition zeigt, dass zwischen Aspekten des Vertrauens und der Unternehmenskultur also ein Zusammenhang besteht. Unterschiedliche Quellen weisen auf diesen Zusammenhang hin. So bringt Graeff (1998) etwa den Erwerb von Misstrauen mit der Unterschiedlichkeit der Werte von Mitarbeitern und vom Unternehmen in Zusammenhang. Werte sind, wie bereits mehrmals erwahnt, ein wesentliches Element einer Unternehmenskultur, sofern sie sich im Denken und Handeln der Firmenangehorigen widerspiegeln. Der Erwerb und das Anwenden von Werten sind ein wichtiger Bestandteil einer vertrauensvollen, demokratischen Organisation. Eine vertrauensvolle Organisation zeichnet sich nach Bleicher (1982; Zit.n.: Graeff, 1998) vor allem durch ihre hoch entwickelte Unternehmenskultur aus. Sie zeigt aufgrund ihrer Werteorientierung insbesondere eine starke soziale Verpflichtung gegenuber ihren Mitgliedern. Es ist zu vermuten, dass Vertrauen in das Gesamtuntemehmen, aber auch zu den Kollegen und Fuhrungskraften, uber gelebte Werte hervorgerufen werden kann. Wenn diese Werteorientierung glaubwurdig und verhaltenswirksam ist, gibt sie Orientierung und Sicherheit. Auch uber Verhaltensregeln innerhalb einer Unternehmenskultur konnen Bezuge zum Vertrauen hergestellt werden (Heinen, 1987). Den Fuhrungskraften kommt bei der Entwicklung bzw. Modifikation einer Unternehmenskultur, wie schon erwahnt, eine besondere Bedeutung zu. Sie haben Vorbildfunktion und wirken auf die Verhaltensaspekte der Unternehmenskultur (wie z.B. Sitten, Sprache) direkt ein. Es liegt daher nahezu, Unternehmenskultur vor allem als ein Produkt von Fuhrungsprozessen zu betrachten, bei denen die Inhalte uber die Vorgesetzen transportiert werden und unter ihrer Leitung in einen alltaglichen Verhaltensstil umgesetzt werden (Ebers, 1987). Nach Graeff (1998) ist eine Beziehung zwischen Schaffung und Erhaltung einer Unternehmenskultur und dem Fuhrungsverhalten aus Sicht der Vertrauensforschung bedeutsam. Vertrauensaspekte wie Glaubwurdigkeit sind oftmals Inhalte der gelebten oder angestrebten Unternehmenskultur. Fuhrungspersonen als

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Reprasentanten des Unternehmens konnen durch ihr Verhalten vermutlich leicht Vertrauen Oder Misstrauen in der Organisation erzeugen. 3.6.4 Vertrauen und Bindung Im Folgenden wird nun zu erlautern versucht, wie Vertrauen als Bedingung und auch als Folge von Partizipation auf die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, also das Commitment der Mitarbeiter, einwirkt. Die Begriffe „Bindung" bzw. Commitment" wurden mannigfach definiert. Graeff (1998) versteht beispielsweise unter Commitment das AusmaB der Identifikation und das Eingebundensein eines Individuums in eine bestimmte Organisation. Er fuhrt das Commitment im Wesentlichen auf drei Faktoren zuruck: • Der feste Glaube an die Werte und die Ziele des Unternehmens. • Die Bereitschaft, sich fur den Erfolg des Unternehmens einzusetzen. • Der Wunsch, auch zukunftig ein Mitglied der Organisation zu bleiben. Zentrale Elemente des Begriffes Commitment" sind also die Grunde - kognitive Oder affektive, welche Mitarbeiter dazu bringen, in einem Unternehmen zu bleiben. Generell wurde in den verschiedensten Untersuchungen erkannt, dass positives Commitment sich vorteilhaft auf das Arbeitsverhalten auswirkt. Eine zunehmende Bindung tragt zum Sinken von Absentismus und Fluktuationen, sowie zur Erhohung der Arbeitszufriedenheit bei (Graeff, 1998). An dieser Stelle soil auf eine Studie von Haase (1997; Zit.n.: Graeff, 1998) hingewiesen werden, welche die Qualifikation von Fuhrungskraften und deren Einfluss auf die Unternehmensbindung zum Thema hat. Die Untersuchung ergab, dass die Fuhrungskraft eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Commitment und von Arbeitszufriedenheit einnimmt und daher folgende Anforderungen erfullen muss: • Hohe kommunikative Kompetenz, • Vorbildfunktion des Vorgesetzten, • Vermittlung von Wert- und Zielvorstellungen im gesamtuntemehmerischen Zusammenhang, • (Schnelle und ruckhaltlose) Weitergabe von Informationen, • Sinnvolle Moglichkeiten der Partizipation, • Praxisnahe und praktisch umsetzbare Anweisungen (Graeff, 1998). Die „Vorbildfunktion" der Fuhrungskraft, die auch schon im Kapitel 3.6.1 behandelt wurde, wird hier erneut als Einflussfaktor auf Vertrauensaspekte genannt. Graeff

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(1998) geht davon aus, dass sich nur dann Bindung und Identifikation entwickeln konnen, wenn Vertrauen zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern existiert und weist damit auf die enge Beziehung zwischen Vertrauen und Commitment hin. Viele Autoren und Untersuchungen bringen Vertrauen und Commitment unmittelbar miteinander in Verbindung, aber nur die Wenigsten haben die Abhangigkeit der beiden Variablen untersucht. Dies ist unter anderem auf die Abwesenheit von konkreten, operationalisierbaren Definitionen der beiden Begriffe zuruckzufuhren. Dennoch liefert Fox (1974; Zit.n.: Graeff, 1998) ein Beispiel fur einen moglichen Zusammenhang. Er verwendet den Begriff Vertrauen fur eine besondere Form des Commitments eines Rolleninhabers gegenuber seinen beruflichen Anforderungen und den Zielen und Werten der Organisation. Vertrauen, basierend auf sozialen und affektiven Aspekten, impliziert bei ihm die intrinsische Motivation fur die Arbeit. Wenn diese fehlt, bauen die Arbeitsbeziehungen auf einem einfachen Schema des Gebens und Nehmens auf, das allein uber extrinsische Anreize funktioniert. Mitarbeiter und Fuhrungskrafte konnen nur gemeinsam Veranderungen realisieren. So reichen ein Vorleben der Werte durch die Fuhrungskraft sowie Partizipation und Vertrauen der Mitarbeiter allein nicht aus, urn einen neuen Wert zu implementieren. Eine gut funktionierende Untemehmenskommunikation tragt wesentlich dazu bei, dass Mitarbeiter und Fuhrungskrafte in Interaktion treten und so gemeinsam erfolgreich auf die Untemehmenskultur Einfluss nehmen. Die Schliisselfunktion der Untemehmenskommunikation wird daher im folgenden Kapitel naher erlautert. 3.7

Untemehmenskommunikation

Soziale Systeme, welche die Organisationen letztlich sind, sind eng verknupft mit dem Thema Kommunikation. Sie entwickeln sich durch sie, denn erst durch Interaktion und dem Einnehmen von Rollen entsteht die gegenseitige Abhangigkeit, die Individuen einer Organisation charakterisieren. Die vor allem durch Kommunikation entstehenden einheitlichen Ziele und ein einheitliches Verhalten, sind Teil des sozialen Systems, das die Mitglieder an die Normen der Gesellschaft bindet. Sobald ein soziales System besteht, beherrscht es die Kommunikation der Mitglieder. Die Umgangsformen (der Stil), die Haufigkeit, die Wege, die Inhalte und die Grunde der Kommunikation werden durch sie bestimmt. Doch beeinflusst auch umgekehrt die Kommunikation bestehende soziale Systeme (Berlo, 1960). Informationen sind wesentlicher Bestandteil in der betrieblichen Wirklichkeit. Nur durch ihren Austausch kann man auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten (Wahren,

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1987). Im Unternehmen sollte daher eine Form der Kommunikation moglich sein, die eigenverantwortliches und kooperatives Handeln und Mitsprachemoglichkeiten fordert. Nur durch eine entsprechende Kommunikationskultur kann die Gesundheit der Mitarbeiter „offenes Thema" werden. Hier kommt den Fuhrungskraften besondere Bedeutung zu. Durch ihr Fuhrungsverhalten konnen sie eine partnerschaftliche Kommunikation gezielt fordern (Meierjurgen, 1998). Auch Wahren (1987) meint, dass es eine der Hauptaufgaben der Fuhrungskraft ist, durch ihr symbolisches Handeln, das auf den gemeinsamen Werten und Zielen basieren muss, den Mitarbeitem die Sinnhaftigkeit zu vermitteln. Ehe wir das Thema vertiefen, soli die Begriffsbestimmung durchgefuhrt werden. Bei unseren Recherchen mussten wir feststellen, dass es keine allgemein gultige Definition gibt sondern eine wahre Definitionsvielfalt von Kommunikation besteht. So behandelt z.B. Merten (1977) in seinem Werk 160 verschiedene Definitionen von Kommunikation. Wir haben uns entschieden, die Definition von Mohr/Woehe (1998) anzufuhren, da uns diese reprasentativ erscheint. Sie sehen in der Kommunikation nicht nur Informationstransfer sondern jegliches soziales Verhalten. Man kommuniziert sowohl bewusst als auch unbewusst, verbal (Sprache) sowie nonverbal (Gestik, Mimik, Korperhaltung, Sprechgeschwindigkeit, Aussprache, Blickkontakt, etc.). Watzlawick/Beavin/Jackson (1974) unterscheiden den Begriff der Interaktion von dem der Kommunikation. Sie verstehen unter Interaktion, dass sich zwei bzw. mehrere Personen wechselseitig Mitteilungen zukommen lassen. Das lasst erkennen, dass es sich bei Interaktion urn eine Art Dynamik und Wechselseitigkeit handelt, wahrend sich Kommunikation auf einen Kommunikationsakt bzw. eine Mitteilung bezieht. Mohr/Woehe (1998) sind, angelehnt an Watzlawick/Beavin/Jackson (1974), der Meinung, dass es dem Menschen unmoglich ist, nicht zu kommunizieren. Watzlawick/Beavin/Jackson (1974) erklaren, dass jegliches Verhalten Mitteilungscharakter besitzt. Dem Menschen ist es nicht moglich, sich nicht zu verhalten, und folglich ist es ihm auch nicht moglich, nicht zu kommunizieren. 3.7.1 Die Beziehung zwischen Sender und Empfanger Berlo (1960) stellt in seinem Werk eines der Kommunikationsmodelle vor, das die Basis vieler anderer Wissenschafter bildet. Dabei fuhrte er vor allem die Grundbegriffe Sender, Empfanger, Nachricht und Kanal ein. Wahren (1987, S. 34) geht - auch an Berlos Theorien angelehnt - noch tiefer in das Thema ein, denn seiner Meinung nach - „schon der einfachste Vorgang der Obermittlung von

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Information zwischen zwei Individuen stellt einen hochkomplexen Vorgang dar, bei dem sich Senden und Empfangen standig uberlagem". Der Sender uberpruft, wie der Empfanger die Informationen aufnimmt, urn gegebenenfalls Korrekturen oder Erganzungen hinzu zu fugen. Somit sendet und empfangt er gleichzeitig (Wahren, 1987). Der sensorische Apparat (d.h. die Sinnesorgane) nimmt Informationen auf (durch sehen, horen, etc.), der motorische Apparat (d.h. der Muskelapparat) hingegen ubermittelt Informationen (durch Sprache, Gestik, etc.). Die Informationen werden als decodierte Signale vom sensorischen Apparat an das zentrale Nervensystem weitergegeben. Umgekehrt wird vom zentralen Nervensystem durch encodierte Signale der motorische Apparat gesteuert (Wahren, 1987). Ebenso stellt Wahren (1987) den wauBeren Sinn", den Jnneren Sinn" und das Jch" dar. Dies geschieht basierend auf Popper/Eccles (1987). Sie sprechen davon, dass der „aufcere Sinn" Licht, Geruche, Farben, Schmerz, etc. aufnimmt und damit Wahrnehmungen des sensorischen Apparates verarbeitet. Der Jnnere Sinn" befasst sich mit physischen Zustanden wie Gefuhlen, Absichten, Erinnerungen, etc., wahrend das Jch" als Darstellung der personlichen Identitat gilt. Doch existieren auch, wie Wahren (1987) darstellt, Obermittlungsbarrieren zwischen Sender und Empfanger. Er nennt an dieser Stelle beispielsweise Nebengerausche oder Wahrnehmungsstorungen. Auch ist es Wahren (1987) wichtig, den Kontext mit ein zu beziehen: dies sind typischerweise Distanz, eingesetzte Statussymbole, Vergangenheit, etc.. Kennt man den Kontext nicht, kann die Bedeutung der Mitteilung verfalscht werden oder verloren gehen. Im Betrieb ist Kommunikation wesentlich durch den organisatorischen Kontext gepragt. Er beeinflusst mafigeblich Form und Inhalt der Kommunikation. Laut Luhmann (1984) entstehen die meisten Kommunikationsprobleme durch das selektive Geschehen: Die Information, die vom Sender ubermittelt werden mdchte, ist oft nicht deckungsgleich mit der Information, die der Empfanger aufnimmt. Es werden Faktoren hinzukonstruiert sowie weg gelassen. Ist der Deckungsbereich zwischen „gemeinter" und „verstandener" Information zu klein, kommt es zu Problemen in der Kommunikation (Wahren, 1987). Die folgende Abbildung 9 soil dies zeigen.

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Der Empanger , 3 versteht

Abbildung 9: Unterschiede zwischen .gemeinfer' und .verstandener" Information. Quelle: Wahren, 1987, S. 93.

Wahren (1987) sieht die Ursache vieler daraus resultierender Konfimunikationsprobleme In einer nicht ausreichenden Betrachtung von Dynamik und Komplexitat von Kommunikation und Interaktion. Schuiz von Thun (1981) fijhrt an, dass anhand der vier Seiten von Nachrichten, die im folgenden Kapitel naher betrachtet warden, die Analyse von Kommunikationsstorungen wesentlich erleichtert wird. In einer Nachricht konnen viele Botschaften gieichzeitig verpackt sein. So kann es beispielsweise geschehen, dass der Empfanger den Inhalt zwar versteht, aber den Appell jedoch missinterpretiert, da er seine eigenen Enwartungen, Befiirchtungen und Erfahrungen mit einbezieht. 3.7.2 Die Nachricht im Kommunikationsprozess Schmidt (2004) unterteilt Kommunikation in zwei Ebenen: die Inhalts- und die Beziehungsebene. Die Inhaltsebene beinhaltet die iibermittelte Information. Die Beziehungsebene ist die Ebene der Beziehung der Kommunikationsteilnehmer, d.h. sie vermittelt, wie die Information aufgefasst werden soil. Dieser Aspekt ist meist unbewusst, jedoch sehr wichtig, da er sozusagen den Inhalt bestimmt, ihn verstehbar und so erst relevant fur Handlungen macht. Nach Watzlawick/Beavin/Jackson (1974) driJckt die Beziehungsebene zudem aus, wie der Sender dem Empfanger gegenuber eingestellt ist, d.h. wie die Beziehung zwischen Ihnen ist. Durch Tonfall der Stimme, Gesichtsausdruck, etc. wird die Einstellung zum Gegenuber ausgedriickt. Der Inhaltsaspekt wird generell digital iibertragen, der Beziehungsaspekt hingegen analog. Digital bezieht sich dabei auf die Sprache, die durch Worte und Zahlen fur etwas Bestimmtes stehen. Sie sind ledigllch eine Oberelnkunft iJber die Beziehung zwischen Wort und Objekt, nicht das Objekt selbst. Analog bezieht sich auf Mittellungen korpersprachlicher Natur, wie Gestik, Mimik, Vokalisierung Oder 48

ahnliches. Beide - analoge und digitale - Kommunikationsweisen erganzen einander In jeder Nachricht (Watzlawick/Beavin/Jackson, 1974). Sachinhalt

/

\

in

Sender

Nachricht

Apell



Empfanger

^

/ Beziehung

Abbildung 10: Die vier Seiten einer Nachricht. Quelle: Schulz von Thun, 1981, S. 30.

Wahren (1987) wie auch Schulz von Thun (1981) sehen die Nachricht jedoch als vierseitig an und fuhren deshalb noch zwei weitere Ebenen der Nachricht an: Appell und Selbstoffenbarung. Appell bezieht sich darauf, dass mit der ubermittelten Nachricht vom Sender Einfluss auf den Empfanger genommen werden mochte. Selbstoffenbarung spricht jenes Phanomen an, dass der Sender mit der ubermittelten Nachricht auch uber sich selbst Informationen preisgibt (z.B. durch die Art sich Auszudrucken, durch Gestik, etc.). Schulz von Thun (1981) inkludiert in den Begriff Selbstoffenbarung, sowohl die gewollte Selbstdarstellung als auch die unfreiwillige Selbstenthullung. Nach Schulz von Thun (1981) hat der Empfanger die Freiheit, zwischen den vier Seiten der Nachricht, bewusst oder unbewusst, zu wahlen, welcher er mehr Beachtung schenkt. Diese Art der Selektion kann zu Kommunikationsproblemen fuhren, denn je nachdem, welcher der vier Seiten der Empfanger mehr Bedeutung zumisst, nimmt das Gesprach einen anderen Verlauf. Vor allem entstehen dann Kommunikationsprobleme, wenn der Sender eine andere Gewichtung beabsichtigt hatte, als der Empfanger aufnimmt. Ebenso spricht er davon, dass „die ausgewogene „Vierohrigkeit" (...) zur kommunikationspsychologischen Grundausrustung des Empfangers gehoren" (Schulz von Thun, 1981, S. 46) sollte. Urn Veranderungsprojekte erfolgreich durchfuhren zu konnen, bedarf es eines gut uberlegten Kommunikationsmanagements. Hierbei sollen alle vier oben angefuhrten Komponenten besondere Aufmerksamkeit erfahren, da sie das Akzeptanzverhalten der Mitarbeiter wesentlich beeinflussen. Im Folgenden soil nun naher auf die einzelnen Ebenen, ihre Bedeutung im betrieblichen Kontext und die moglichen auftretenden Probleme eingegangen werden.

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Appell Es ist die Aufgabe einer Fuhrungskraft, die Untergebenen zu lenken, zu steuern und zu beeinflussen. Daher ist der Appell im betrieblichen Kontext von besonderer Wichtigkeit, da er das Verhalten des Empfangers ansprechen soil. Wahren (1987) spricht von zwei Gruppen der Beeinflussungsmittel im Unternehmen: Macht und Qberzeugung. Kommunikationsablaufe sind je nach Beziehung zwischen den Kommunikationspartnem entweder symmetrisch Oder komplementar. Symmetrie herrscht, wenn die Beziehung auf Gleichheit beruht. Komplementar bedeutet, wenn die Beziehung wie z.B. bei Fuhrungskraften und Untergebenen unterschiedlich ist (Watzlawick/ Beavin/Jackson, 1974). Komplementare Beziehungen beruhen auf Macht personlicher Oder struktureller Natur. Strukturelle Macht besteht durch die Position in der Unternehmenshierarchie und baut auf Zwang und Belohnung auf. Personliche Macht findet sich in Betrieben weit seltener. Sie entsteht durch personliche Identifikation oder durch Sympathie und Freundschaftsgefuhle, die man einem Individuum entgegenbringt (Argyle, 1972). Qberzeugung hingegen zielt laut Wahren (1987) darauf ab, den Kommunikationspartner mittels Sprache und Rhetorik vom eigenen Standpunkt zu uberzeugen. Oft herrscht nach Wahren (1987) die Auffassung, dass Machtausiibung eher vermieden und auf Qberzeugung gesetzt werden sollte. Urn nicht zu autoritar zu erscheinen, veranlasst dies Fuhrungskrafte oft dazu, ihre Appelle in unklaren, verwirrenden Informationen zu verstecken, die zu Ratlosigkeit und Verwirrung bei den Untergebenen fuhrt. Auch in der bottom-up-Kommunikation werden oft offene Appelle vermieden. Dies geschieht entweder aus Selbstoffenbarungsangst, aus Unsicherheit, ob die Appelle toleriert sind Oder aus Angst vor Zuruckweisung. Appelle konnen auch ihr Ziel, Veranderungen zu erreichen, verfehlen. Dies fruchtet vor allem dann wenig, wenn sie emotionale Stimmungen (wie z.B. Angste) von Individuen reduzieren sollen. Schulz von Thun (1981) spricht auch da von, dass bei einem negativen Selbstkonzept des Empfangers dieser dazu tendiert, selbst neutrale Nachrichten als negativ und somit als Bestatigung des negativen Selbstbildes auf zu fassen. Die Annahmewahrscheinlichkeit kann gesteigert werden, indem Vertrauen im Unternehmen herrscht. Vertrauen reduziert die Komplexitat der Kommunikation, da offen uber alles gesprochen werden kann und Kommunikationsprobleme gemeinsam

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gelost werden konnen. Naturlich steigert sich die Annahmewahrscheinlichkeit auch, wenn sich die Botschaft und die Interessen der Zielpersonen beruhren. Das ist jedoch nicht immer moglich. Doch durch Involvement und Interaktivitat kann das Interesse und somit die Annahmewahrscheinlichkeit erhoht werden, da aus Betroffenen Beteiligte gemacht werden (Schmidt, 2004). Verwirrend fur den Empfanger sind auch inkongruente Nachrichten, die nicht zusammenpassende Elemente enthalten, d.h. die sprachlichen und nicht-sprachlichen Bestandteile im Widerspruch zueinander stehen (Schulz von Thun, 1981). Hier pragten Watzlawick/Beavin/Jackson (1974) den Begriff der Doppelbindung. Nachrichten sind dann kongruent, wenn sie in sich stimmig sind und in alien vier Ebenen die gleiche Richtung weisen. Gibt die Fuhrungskraft Appelle denen der Untergebene nur durch Nicht-Nachkommen entsprechen kann, ist dies sehr problematisch. Denn nach Watzlawick/ Beavin/Jackson

(1974) Ziehen paradoxe Handlungsanweisungen paradoxe

Reaktionen nach sich. In unlogischen, sich widersprechenden Kontexten kann sich ein Individuum nicht logisch verhalten. Selbstoffenbaruna Wahren (1987) stellt in Frage, inwieweit sich Mitglieder einer Organisation selbst offenbaren konnen, da Hierarchie und Rollen sie in ein gewisses Verhalten zwingen. Dennoch erkennt er an, dass keine Art der Kommunikation ohne die Selbstoffenbarung des Senders auskommt. Auch treten die gezielte Selbstdarstellung und die bewusste Selbstverbergung in Unternehmen vor allem im Spiel urn die Macht immer wieder auf, urn den anderen einen bestimmten Eindruck von sich zu vermitteln. Typische Probleme auf der Selbstoffenbarungsseite sieht Wahren (1987) vor alien in folgenden Faktoren: • Elitarer Sprachgebrauch als Folge der Selbstdarstellung. • Suche nach einem Vorteil, durch Agieren im eigenen Territorium, vor allem in Verhandlungen. • Selbstoffenbarungsangst resultierend aus der Unsicherheit, wie und was man offenbaren kann. • Aneinander Vorbeireden zum Zweck der Selbstdarstellung und Imponierung. Wenn der Empfanger den Sender gut kennt, fallt es ihm aufgrund von Erfahrungen leichter, die Botschaft im gemeinten Sinne zu verstehen. Weill der Empfanger wenig

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uber den Sender, versucht er das Bild, das er von ihm hat, mit Vermutungen zu vervollstandigen. Das kann zu einem falschen Bild und Missverstandnissen in der Kommunikation fuhren (Schulz von Thun, 1981). Berlo (1960) merkt jedoch an, dass in sozialen Systemen auf Grund der Rollen, welche Individuen durch ihre Positionen einnehmen, eine ziemlich genaue Annahme uber die Personen getroffen werden konne, ohne sie naher zu kennen. Auch Argyle (1972, S. 272) spricht das rollenkonforme Verhalten an und meint: „Ein gro&er Teil des Rollenverhaltens ist interpersonal und stellt Arten dar, mit den anderen Organisationsmitgliedern zu interagieren". Doch er erwahnt zudem die Unterschiedlichkeit der Personlichkeiten von Individuen, die jedoch innerhalb von Rollen nicht zu weit abweichen darf, urn den sozialen Zwangen zu entsprechen. Denn sonst wurde jemand leicht als exzentrisch Oder verruckt bezeichnet werden. Sachinhalt Generell liegt der Zweck einer Unternehmung darin, bestimmte definierte Sachziele zu erfullen. Daher liegt in Organisationen auch besondere Bedeutung in der Obermittlung von Sachinhalten. Laut Wahren (1987) geschieht diese meist sehr einseitig, namlich top-down. Vor allem in Betrieben, denen die Partizipation und Kooperation der Mitarbeiter wichtig ist, wird auch auf dialogartige Kommunikation gesetzt. Schulz von Thun (1981) sieht auf dieser Ebene vor allem zwei Probleme: • Unsachlichkeit: Die Kommunikation soil auf einen Austausch von Informationen und Argumenten abzielen, ohne sie mit menschlichen Gefuhlen und personlichen Bestrebungen zu vermischen. Dies bedeutet, dass die anderen drei Seiten der Nachricht nicht storend Uberhand gewinnen sollten. • Mangelnde Verstandlichkeit: Teilweise oder totale Unverstandlichkeit der Sachinformation liegt oft am Mangel, diese nicht in gegliederter, einfacher und kurzer Form mit zusatzlichen Stimuli - die zum Mitdenken anregen ubermitteln zu konnen. Beziehunq Auch auf der Appellebene wurde schon auf die Unterteilung von Watzlawick/ Beavin/Jackson (1974) von symmetrischen und komplementaren Beziehungen zwischen Kommunikationspartnern hingewiesen. Auf das unterschiedliche Mad an Macht in Beziehungen innerhalb der Organisation weist auch Wahren (1987) hin.

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Dadurch nimmt eine Person eine inferiore (Untergebener), eine andere eine superiore Position (Fuhrungskraft) ein. Dabei herrscht oft ein wechselseitiges, unbewusstes Zusammenspiel. Auf jede Definition der Beziehung reagiert der andere generell mit seiner eigenen und bestatigt, verwirft Oder entwertet damit die des Kommunikationspartners (Watzlawick/Beavin/Jackson, 1974). Im betrieblichen Kontext fuhrt jedoch nach Wahren (1987) die Widersetzung des Untergebenen gegen die Dominanz der Fuhrungskraft zwangslaufig zum Konflikt. Problematisch wird es auch, wenn die komplementare Beziehung zu einer symmetrischen wechselt. Im Allgemeinen sind komplementare Beziehungen jedoch storanfalliger als symmetrische (Wahren, 1987). Wahren (1987) spricht die personliche Chemie zwischen den Kommunikationspartnern an, welche die Beziehung zwischen ihnen mafcgeblich determiniert, und verweist auf Schulz von Thun (1981), der von zwei Techniken der Misshandlung des Empfangers spricht, die zu Kommunikationsproblemen fuhren: Herabsetzung (Geringschatzung) und Bevormundung. Wahren (1987) deutet jedoch darauf hin, dass die Probleme der Beziehungsseite erst langfristig wirken. Das Bild des anderen, welches auf die Wahmehmung Einfluss nimmt, wird erst im Laufe der Zeit geformt. Im Folgenden soil naher auf Storungen der Inhalts- und Beziehungsebene eingegangen werden, da auch Probleme zwischen diesen beiden Ebenen auftreten konnen. Watzlawick/Beavin/Jackson (1974) bemerken, dass sich im Idealfall die an der Kommunikation Beteiligten uber Inhalt und auch Definition ihrer Beziehung einig sind. Trotzdem konnen vielfaltige Storungen auf dem Gebiet der Inhalts- und Beziehungsebene existieren: • Die Kommunikationspartner sind sich auf beiden Ebenen uneinig: In diesem schlechtesten - Fall herrscht eine Krise in der Beziehung der beiden Kommunikationspartner. • Die Kommunikationspartner sind sich auf der Beziehungsebene einig, auf der Inhaltsebene jedoch uneinig: Hier kann man sich uber die Unstimmigkeit auf reife Weise auseinandersetzen. • Die Kommunikationspartner sind sich auf der Inhaltsebene einig, auf Beziehungsebene jedoch uneinig: Fallt die Ubereinstimmung auf der Inhaltsebene weg, ist die Beziehung stark gefahrdet. • Zwischen Inhalt und Beziehung herrscht Konfusion: Ein Beispiel hierfur waren Meinungsverschiedenheiten. Ein Beziehungsproblem kann auf der inhaltlichen Stufe oder umgekehrt eine objektive Meinungsverschiedenheit auf der

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Beziehungsebene gelost werden (z.B. „Wurdest du mich schatzen, wurdest du mir nicht widersprechen"). • Urn die Beziehung zu erhalten wird ein Kommunikationspartner gezwungen, seine Wahmehmung auf der Inhaltsstufe anzuzweifeln. Ebenso wenig ist das Phanomen der korrelierten Botschaften in eine bestimmte Ebene der Nachricht einteilbar. Von ihnen spricht man, wenn zwar der Kern der Botschaft vom Sender verstanden wurde, jedoch auch weitere Botschaften in der gleichen Nachricht aufgenommen werden. So geschieht es oft, dass eine Aufforderung vom Empfanger z.B. automatisch als Tadel aufgefasst wird, auch wenn dies vom Sender nicht beabsichtigt war (Schulz von Thun, 1981). So sagt beispielsweise eine Fuhrungskraft zum Untergebenen: „Sie mussen das sofort wegschicken!" Dabei „hort" der Untergebene unterschweliig: „Warum haben Sie das nicht schon langst gemacht?" Zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Kommunikation kann laut Schulz von Thun (1981) grundsatzlich an drei Stelien angesetzt werden: am Individuum, an der Art des Miteinanders und an den institutionellen/geseilschaftiichen Bedingungen. Der Ansatz am Individuum zielt auf die Beratung und das Training von Individuen ab, urn sie besser zu befahigen. Erwahnt sei hier, dass man nicht Gefahr laufen sollte, die Quelle der Kommunikationsprobleme nur bei den Individuen zu suchen. Die Art des Miteinanders bezieht sich auf das Faktum, dass der Umgangsstil von ganzen Gruppen oft nicht von Individuen frei gestaltbar sondern von ,oben' vorgegeben ist. Die institutionellen/gesellschaftlichen Bedingungen beeinflussen die Zustande, unter denen die Individuen zusammentreffen und sie zu gewissen Umgangformen „zwingenM. So fordert z.B. eine streng hierarchische Untemehmensstruktur gewiss keine auf Partizipation basierende Fuhrung. 3.7.3 Grundfunktionen Bevor wir im Folgenden weiter Grundlegendes der Untemehmenskommunikation behandeln, wollen wir ihren Sinn begreifen bzw. ihre Funktionen erfassen. Man spricht von drei Grundfunktionen: Steuerungsfunktion, Beziehungs- bzw. soziale Funktion sowie Ambiguitats-Management-Funktion. Die Steuerungsfunktion hat den Zweck, der Belegschaft auf mundliche oder schriftliche Art Informationen bzw. Anweisungen zukommen zu lassen. Basis sind das Uberzeugen und das Einflussnehmen, urn die verschiedenen Handlungen im Unternehmen zu koordinieren. Die Beziehungsfunktion zielt auf die Erhaltung und Bildung von sozialen Beziehungen ab. Dies ermoglicht den Mitarbeitem eine Orientierung und

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Einordnung in das System MUnternehmen" und die Verinnerlichung von Verhaltensweisen, Regeln und Werten der Arbeitsumwelt. Die AmbiguitatsManagement-Funktion gibt der Belegschaft die Fahigkeit, Zweideutigkeiten und Unsicherheiten als solche zu erkennen und auf sie zu reagieren (Mohr/Woehe, 1998). Nachdem uns nun die Funktionen, welche die Unternehmenskommunikation innehat, bekannt sind, sollte noch naher geklart werden, welche Art der Kommunikation fur die Implementierung des Wertes Gesundheit besondere Bedeutung hat und somit naher betrachtet werden muss. 3.7.4 Interne Unternehmenskommunikation Grundsatzlich unterscheidet man zwischen interner und externer Unternehmenskommunikation. Die interne Kommunikation zielt auf die Mitarbeiter (das Unternehmen) ab, die externe Kommunikation fokussiert auf den Markt und die Gesellschaft (Schmidt, 2004). Fur uns ist die Mitarbeiterkommunikation von Bedeutung, da die Beschaftigten als Trager des Wertes Gesundheit im Zentrum unserer Aufmerksamkeit stehen. Trotzdem sollten wir beachten, dass laut Bromann/Piwinger (1992) interne und externe Kommunikation nie getrennt betrachtet werden sollen, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Vor allem eine gut funktionierende interne Unternehmenskommunikation wirkt sich uber die Belegschaft positiv auf das Bild, das die Offentlichkeit vom Untemehmen hat, aus. Die interne Unternehmenskommunikation erfahrt laut Mohr/Woehe (1998) starke Beeinflussung von Unternehmenskultur und Unternehmensstruktur. Diese Aussage fuhrt direkt zu den zwei Arten der innerbetrieblichen Kommunikation. Man unterscheidet die formale und die informelle Kommunikation. Die formale Kommunikation des Unternehmens wird vor allem durch die Unternehmensstruktur (Hierarchie- und Weisungsstruktur) bestimmt. Sie verlauft sowohl vertikal (top-down und bottom-up) als auch horizontal und ist an eine Reihe von Entscheidungen - was, wie viel, wohin, wie - gebunden. Die informelle Kommunikation ist nicht an die Struktur gebunden und somit auch nicht planbar. Obwohl sie als der Entstehungsort von Klatsch und fur das Untemehmen oft negativer Geruchte gilt, ist sie doch von entscheidender Wichtigkeit, da sie das menschliche Grundbediirfnis nach sozialer Kommunikation stillt und somit als Quelle der Motivation gelten kann (Mohr/Woehe, 1998). Witzer (1992) zu Folge tendieren die Anhanger des Human-Relations-Ansatzes dazu, den Untemehmen zu raten,

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informelle Kommunikation zu unterbinden. Mohr/Woehe (1998) hingegen meinen, dass im Veranderungsprozess die informelle Kommunikation aktiv mit einbezogen und genutzt werden sollte. So merken auch Bromann/Piwinger (1992, S. 192) an, dass „Mitarbeiterkommunikation nicht die Aufgabe einer einzelnen Stelle im Unternehmen sein kann: Sie ist vielmehr eine Gemeinschaftsaufgabe, deren Erfullung nur durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten zustande kommen kann". Das bedeutet also fur den Veranderungsagenten, dass er die Netzwerke der Kommunikation und ihre Schlusselteilnehmer erkennen muss, urn die Veranderungen erfolgreich umsetzen zu konnen, d.h. den Widerstand der Mitarbeiter moglichst gering zu halten. 3.7.5 Kommunikationsnetzwerke Bezieht man laut Mohr/Woehe (1998) die Schlusselteilnehmer aktiv in den Veranderungsprozess mit ein, konnen sie wertvolle Instrumente im Wandel darstellen. Diese Meinung vertreten auch Deal/Kennedy (1982). Wahren (1987) nennt die Fuhrungskraft als den „Dreh- und Angelpunkt" im Kommunikations-geschehen der Organisation. Man soil jedoch auch den informellen Schlussel-personen Beachtung schenken. Mohr/Woehe (1998) zahlen verschiedene Netzwerk-rollen auf, die sich im Kommunikationsverhalten und der Position unterscheiden. Hier sollen nur fur dieses Thema relevante Teilnehmer angefuhrt werden: • Gatekeeper besitzen eine machttrachtige Schlusselrolle im Sozialsystem. Sie kontrollieren den Informationsfluss, d.h. sie bundeln die Informationen und geben sie selektiert weiter. Sie bestimmen das Wann und Was der Informationsvermittlung. • Liaisons verbinden mehr als eine Clique, der sie jedoch nicht aktiv angehoren. Sie haben somit auch eine Schlusselrolle inne, da sie einen wesentlichen Beitrag zum Informationsaustausch zwischen den Gruppen leisten. Im Konfliktfall konnen Liaisons als Vermittler fungieren, da sie selbst der Clique nicht angehoren, aber Verstandnis fur deren Situation haben. • Brucken haben ahnliche Charakteristika wie Liaisons. Sie sind jedoch Mitglieder einer der Cliquen, die sie verbinden. • Meinungsfuhrer besitzen durch ihr hohes Ansehen (oft informellen) Einfluss auf die Einstellungen und das Verhalten anderer Organisationsmitglieder.

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Urn nicht nur die Wege der formellen Kommunikation zu nutzen, sollen auch die eben genannten Schlusselrollen in die Planung der Kommunikation mit einbezogen werden. Naturlich wird es nicht ganz einfach heraus zu finden zu sein, welche Mitarbeiter die einzelnen Rollen innehaben. Dies ist jedoch mittels aktiver Kommunikation zu bewerkstelligen. Weifi der Kulturmanager, welche Trager der Kommunikation ihm zur Verfugung stehen, sollte er im Anschluss die Inhalte der Kommunikation (information) festlegen. Erst danach erscheint es sinnvoll, im operativen Management die geeigneten Medien auszuwahlen. Dabei ist es auch von Noten, sich die mdglichen Stolpersteine, von denen schon viele im Kapitel 3.7.1 angefuhrt wurden, und Einflussfaktoren vor Augen zu halten. Darum wollen wir im Folgenden auf beeinflussende Faktoren in der Unternehmenskommunikation eingehen. 3.7.6 Die betriebliche Kommunikation beeinflussende Faktoren Im Bereich der Organisation gibt es eine Vielzahl von Faktoren, welche die innerbetriebliche Kommunikation direkt und indirekt beeinflussen. Die offensichtlichste Auswirkung hat die Arbeitsstelle selbst, die durch bestimmte Aufgaben und die Position in der betrieblichen Hierarchie gekennzeichnet ist. Die Bildung von solchen Stellen geht einher mit einer Vielzahl von Regelungen zur Koordination zwischen den einzelnen eingegrenzten Aufgabenkomplexen. Kommunikationsplane und Stellenbeschreibungen bilden die Basis dafur, dass die formale Kommunikation im Betrieb reibungslos verlauft (Wahren, 1987). Weiters bestimmen Aspekte von Macht und Status, die in der Hierarchie begrundet liegen, die innerbetriebliche Kommunikation. In Anlehnung an Porter/Roberts (1976) spricht Wahren (1987) davon, dass Richtung und Haufigkeit von Kommunikation vor allem durch den betrieblichen Status beeinflusst werden. Er berichtet, dass Fuhrungskrafte der Kommunikation mit Personen einer niedrigeren hierarchischen Stellung weniger Bedeutung zumessen als der Kommunikation mit Gleich- oder Hohergestellten. Statussymbole, die den Wert einer Person ausdrucken sollen, sind indirekt wirkende Mittel zur Verhaltensbeeinflussung, die nicht durch formale Regelungen vorgegeben sind. Dennoch haben sie Auswirkung auf die Kommunikation, da sie fur eine ungleiche Ausgangslage bei der Kommunikation sorgen (Wahren, 1987).

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In der Unternehmenskommunikation soil auch immer beachtet werden, dass Menschen kognitiv autonome Systeme sind, es also individuelle kognitive Differenzen gibt. In Kapitel 3.4 wurde schon angesprochen, dass unterschiedliche Wahrnehmung zu Individuellen Wirklichkeitskonstruktionen fuhrt. Dlese Wirklichkeitskonstruktionen der Individuen konnen einander naher gebracht werden, indem die Kommunikation im Unternehmen aktiv und often betrieben wird, um Unklarheiten aus dem Weg zu schaffen. Das 1st unabdinglich fur eine einheitliche Auffassung und eines klaren Verstandnlsses der Werte und Normen des Unternehmens und damit im Folgenden auch der Untemehmenskultur. Damit die kommunizierte Botschaft von den Zielpersonen also richtig und glaubwurdig aufgenommen wird, mussen zudem Unternehmenskommunikation und -kultur koharent sein, sowie die Kommunikationsinstrumente und -mafinahmen aufeinander abgestimmt werden (Jacobsen, 1996). Zum Schluss soil noch erwahnt werden, dass die folgenden vier Bedingungen herrschen mussen, damit Unternehmenskommunikation bei den Mitarbeitern erfolgreich eingesetzt werden kann: • Koharenz von Kommunikation und Untemehmenskultur, • Kompatibilitat der verschiedenen Kommunikationsmaftnahmen, • Glaubwurdigkeit der Malinahmen und • Nachhaltigkeit der KommunikationsmaBnahmen (Schmidt, 2004). Wir haben in diesem Kapitel erfahren, dass Werte Teil der Untemehmenskultur und anderbar sind. Doch noch immer wurde nicht der Schritt zur Implementierung von Werten getan. Die Einfuhrung eines neuen Wertes stellt klar einen Wandel dar. Daher soil im Folgenden auf Wandel, Ansatze des Wandels und deren Bedeutung fur die Einfuhrung des Wertes Gesundheit eingegangen werden.

4 Implementierung des Wertes Gesundheit Wie in Kapitel 3.5 schon dargestellt wurde, kann die Untemehmenskultur geandert und in gewissem Made uber Werte darauf Einfluss genommen werden. Dabei stellen Faktoren wie das Verhalten der Fuhrungskrafte und der Dialog u.a. wichtige Faktoren dar, wie Doppler/Lauterburg (1994) und Diirr (1990) ebenso festhalten. Wichtig ist bei Veranderung, also auch bei Veranderung von Werten, zu beachten, dass ein Zusammenhang zwischen Kultur, Strategie und Organisation (Struktur) innerhalb des Untemehmens besteht, der sich folglich auch auf Veranderungsvorhaben auswirkt (Bate, 1997; Doppler/Lauterburg, 1994).

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4.1

Die Begriffswelt der Veranderung

Bevor nun aber naher auf den Veranderungsprozess selbst eingegangen wird, muss der Begriff des Wandels im Unternehmen naher betrachtet und definiert werden. Dies ist hier vor allem wichtig, da unterschiedliche Definitionen fur die gleichen Begriffe Einzug in die Theorie fanden. Des Weiteren werden auch verschiedene Begriffe verwendet, die sich teilweise nur sehr wenig voneinander unterscheiden. Aus diesem Grund werden zuerst die einzelnen Termini naher beleuchtet. 4.1.1 Wandel und Change Betrachtet man alleine diese beiden sehr weit verbreiteten Begriffe nWandelM und ..Change", kann man die Vielfaltigkeit ihres Einsatzes erkennen. Stetter (1994) sieht so im Wandel beobachtbare Veranderungen beliebiger Merkmale, sowohl der Oberflachen- und Tiefenstrukturen als auch unternehmensinterner und nach aufien gerichteter Merkmale. Change ist im Unterschied dazu bei Stetter (1994) ein sehr umfassender Begriff, welcher als Platzhalter fur jegliche Veranderungen herangezogen wird. Wohrle (2002) legt in die beiden Begriffe dieselbe Bedeutung, welche ebenso als sehr umfassend und unbestimmt bezeichnet werden kann. 4.1.2 Begriffsklarung Aus diesen Definitionen lasst sich erkennen, dass sich in den letzten Jahren viele Autoren mit dem Thema der Veranderung von Organisationen beschaftigt haben und noch keine einheitliche Verwendung der Termini erfolgt (Bate, 1997; Fatzer, 1993; Janes/Prammer/Schulte-Derne, 2001; Stetter, 1994; Wohrle, 2002; Zeitz, 1998). Aus diesem Grund sprechen wir in weiterer Folge von Veranderung bzw. Wandel, wenn wir Veranderung von Organisationen allgemein als Ganzes behandeln. Den Begriff Change benutzen wir im Gegensatz dazu nur im Zusammenhang mit den konkreten Ansatzen des Change Managements. Transformation mussen wir zweimal mit unterschiedlichen Bedeutungen verwenden: einerseits im von Janes/Prammer /Schulte-Derne (2001) formulierten Ansatz des Transformations-Managements, welcher eine Abstufung zwischen (prozesshafter) Entwicklung und (radikalem) Change darstellt, andererseits in der Bedeutung nach Bate (1997). Zuletzt wollen wir noch den Begriff der Entwicklung nach Janes/Prammer/Schulte-Derne (2001) bzw. Bate (1997) im Sinne einer prozesshaften Erweiterung des vorhandenen Potenzials verwenden.

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Des Weiteren findet man in der Literatur zum Veranderungsmanagement zahlreiche Begriffspaare, die gegensatzliche Ansatze der Veranderung charakterisieren. Auch diese steilen wir hier an dieser Stelle gegenuber, um danach die Ansatze des Veranderungsmanagements besser zuordnen zu konnen. 4.1.3 Evolutionarer versus revolutionarer Wandel Gaflner (1999), der sich mit Reorganisation beschaftigt, bezeichnet diese auf Grund der tiefgreifenden Umgestaltungen als revolutionar. Evolutionar sind Veranderungsprozesse, welche eher „unmerklich wahrend des gesamten Lebenszyklus eines Unternehmens ablaufen" (Gafcner, 1999, S. 8). Nach Janes/Prammer/Schulte-Derne (2001) und Perich (1992) bedeutet evolutionar das vorhandene Potenzial zu nutzen, zu vergroflem und an Bestehendes planbar anzuknupfen. Zu den evoiutionaren Ansatzen kann man z.B. die Organisationsentwicklung zahlen. Wahrenddessen wird eine radikale Erneuerung, ein diskontinuieiiicher Ansatz, als revolutionar bezeichnet (Perich, 1992; Wohrle, 2002). Abschliefcend kann hier Bate (1997, S. 35) noch mit den Begriffen „Mutation", welche fur ihn eine „ Veranderung innerhalb der Strategie", also eine evolutionare Entwicklung, bedeutet, und der oben schon angefuhrten ..Transformation" angefuhrt werden, welche bei Bate (1997) die Strategie selbst wandelt. 4.1.4 Wandel erster versus zweiter Ordnung Watzlawick/Weakland/Fisch (1988, S. 10) bezeichnen Wandel erster Ordnung als einen Wandel „within a given system which itself remains unchanged", wahrend ein Wandel zweiter Ordnung ^changes the system itself [das System selbst verandert; Ubersetzung der Autoren]. Wohrle (2002) halt noch fest, dass man bei Organisationen weniger von revolutionarem bzw. evolutionarem Wandel spricht sondern die Begriffe des Wandels erster bzw. zweiter Ordnung Einzug in die Theorie gefunden haben. Ebenso unterscheidet Zeitz (1998) zwischen „Anpassung", welche auf Veranderungen infolge geanderter Parameter innerhalb der Rahmenbedingungen abzielen, und „Veranderung", welche fur ihn auch die Veranderung des Rahmens selbst bedeutet. Vergleicht man diese drei Begriffspaare, verfolgen alle ein ahnliches Ziel. Sie versuchen jeweils, Veranderungen zu unterscheiden, welche das vorhandene Regelsystem andern bzw. nicht verandern. So kann der Wandel erster Ordnung eher dem evoiutionaren, der Wandel zweiter Ordnung eher dem revolutionarem Wandel

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zugeordnet werden, wie Wohrle (2002) ebenso hervorhebt. In diesem Sinne wollen wir diese Begriffe jeweils synonym verwenden. Nachdem nun die Begrifflichkeiten definiert und geklart sind, wollen wir auf einige Arten des Wandels nach Schein (1995) eingehen, urn betrachten zu konnen, auf welche Art und Weise am besten Gesundheit als Wert im Untemehmen implementiert werden kann. 4.2 Arten des Wandels Schein (1995) geht dabei auf folgende drei Arten ein, welche als mogliche Alternativen in Frage kamen: • Wandel durch Organisationsentwicklung (OE) im weiteren Sinne: bedeutet die Integration der verschiedenen Gruppen. Wandel sollte ihre Orientierungen unterstutzen. Zumindest die Subkulturgruppe des leitenden Managements muss dahinter stehen. Das Erlernen neuer Pramissen ist dabei ein langwieriger Vorgang. OE-Programme werden von Fuhrungskraften geplant und eingefuhrt und spielen daher eine Schlusselrolle. • Wandel durch das Einschleusen Aulienstehender: Neue Unternehmensleiter, aber auch untere Managementebenen werden ausgetauscht, urn so von alten Wertvorstellungen ab zu rucken. Der Einfluss ihrer neuen Denkansatze behagt den Mitarbeitern meist nicht und ruft Angste und Konfrontationen hervor, da so die bisherigen kulturellen Pramissen tief erschuttert werden. • Wandel durch Zwangsuberzeugung: Diese Art des Wandels stammt ursprunglich aus dem Militar, urn alte Verhaltensweisen auszurotten, wenn diese storen. Dabei werden neue Verhaltensweisen ausdrucklich angeordnet, Auswege werden verhindert. Ein Wandel durch Einschleusung Aulienstehender kommt am ehesten bei Fusionen oder Ubemahmen zum Zuge. Bei der Implementierung des Wertes „Gesundheit" ware es aus unserer Sicht eine zu drastische Mafcnahme, Teile des Managements auszutauschen. Auch ein Wandel durch Zwangsuberzeugung kommt unserer Meinung nach nicht in Frage. Da es sich hier urn die Ausmerzung eines unerwunschten Wertes handelt, mussten wir, urn diesen Weg ein zu schlagen, von Werten in der Organisation ausgehen, die sich explizit gegen Gesundheit aussprechen und so keinen anderen Ausweg mehr lassen, als sie durch Zwangsuberzeugung zu verandern.

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Deshalb sprechen wir uns fur einen Wandel durch OE (im weiteren Sinne) aus. Es wird planvoll vorgegangen und somit ist der Wandlungsprozess steuerbar. Auch setzt der Ansatz an der ganzen Organisation - den verschiedenen Gruppen - an, was schon eingangs als Grundpramisse fur Nachhaltigkeit genannt wurde.

5 Organisationsentwicklung (im weiteren Sinne) Nachdem uns der OE-Ansatz (im weiteren Sinne) als beste Moglichkeit erscheint, fur Nachhaltigkeit bei der Implementierung von Werten in Untemehmen zu sorgen, wollen wir diesen Ansatz des Wandels naher betrachten. Wie sich im Kapitel 4.1 schon zeigte, verbergen sich hinter den unterschiedlichen Begrifflichkeiten auch immer unterschiedliche Sichtweisen, die sich in Ansatzen zum Wandel von Organisationen etabliert haben. Aus diesem Grund werden im folgenden Abschnitt einige Ansatze beschrieben, die sich in der Literatur finden, bevor diese dann in einem kritischen Diskurs gegenubergestellt werden, urn Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Zugange heraus kristallisieren zu konnen. Zu den folgenden Ansatzen gehoren die OE (im engeren Sinne), welche dem evolutionarem Paradigma zugeordnet werden kann, sowie Ansatze des Change Managements (CM) und Transformations-Managements, welche, je nach Betrachtungsweise, sowohl dem revolutionaren Paradigma zugeordnet oder auch als Mischformen angesehen werden konnen. 5.1 Organisationsentwicklung (im engeren Sinne) Mafcnahmen des Gesundheitsmanagements, die lediglich auf Einzelpersonen und deren, die vom jeweiligen Kontext losgelostes, individuelles Verhalten fokussieren, werden mittlerweile urn organisationsbezogene MaRnahmen erganzt. Gesundheitsmanagement hat sich zu einem umfassenden Ansatz entwickelt, in dem, neben auf Individuen gerichtete Aktivitaten, auch Organisationskontexte einbezogen werden. Ein in diesem Sinne systemisches Gesundheitsmanagement fokussiert nicht nur Personen sondern die gesamte Organisation samt ihrer Teilsysteme und Umwelten, samt ihren Strukturen und Prozesse, samt ihrer Kommunikation und Interaktionen. Der Begriff der OE entstand in den vierziger Jahren in den USA und wurde von Kurt Lewin maflgeblich gepragt (Han£k, 1982). Die Definitionen und Umschreibungen des OE-Begriffs weisen laut Han£k (1982, S. 20) „eine grofce Vielfalt auf, die durch die unterschiedliche Herkunft der Autoren [Nordamerika, deutschsprachiger Raum; Anmerkung der Autoren] und die Art der von ihnen ins Auge gefassten Probleme gepragt ist."

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Eine sehr umfassende Begriffsbestimmung liefern French/Bell (1990, S. 31), die OE definieren als „eine langfristige Bemuhung, die Problemlosungs- und Erneuerungsprozesse in einer Organisation zu verbessern, vor allem durch eine wirksamere und auf Zusammenarbeit gegrundete Steuerung der Organisationskultur, unter besonderer Berucksichtigung der Kultur formaler Arbeitsteams, durch die Hilfe eines OE-Beraters oder Katalysators und durch Anwendung der Theorie und Technologie der angewandten Sozialwissenschaften unter Einbeziehung von Aktionsforschung." Die Gesellschaft fur Organisationsentwicklung e.V. (GOE) nennt folgende drei Schwerpunkte bei ihrer Definition von OE: • OE wird als ein langerfristig angelegter Entwicklungs- und Veranderungsprozess von Organisationen und der in ihnen tatigen Menschen verstanden. • Der Prozess beruht auf Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. • Das Ziel dieses Prozesses besteht in der gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfahigkeit der Organisation (Effektivitat) und der Qualitat des Arbeitslebens (Humanitat) (GOE, 2004, S. Iff.). Zur weiteren Verdeutlichung des Begriffes OE soil die folgende Liste (Abbildung 11) der Wesensmerkmale der OE von Richter (1994; Zit.n.: Gairing, 1996) dienen, die eine gute Zusammenfassung der Kriterien von OE darstellt.

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Wesensmerkmale der Organisationsentwicklung 1. Ganzheitlicher Ansatz Organisationen werden in der Organisationsentwicklung als offene Systeme betrachtet, wobei Umwelt, Zieie und Staikturen sowie Verhalten und Kommunikation der Organisationsmitglieder in gegenseitiger Abhangigkeit gesehen werden. Erfolgsversprechende Entwicklungsbemuhungen erfordern deshalb einen ganzheitlichen und umfassenden Ansatz. In diesem Sinne arbeitet die Organisationsentwicklung interdisziplinar, wobei sie auf die Erkenntnisse der verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen und notigenfalls auch der technischen Disziplinen zuruckgreift. 2. Doppelte Zielsetzung Organisationsentwicklung verfolgt zwei gleichrangige und interdependente Ziele: (1) Die Verbesserung der Leistungsfahigkeit der Organisation und (2) die Verbesssehrung der Qualitat des Arbeitslebens fur die in ihr tatigen Mitarbeiter. 3. Beteiligung der Betroffenen Die einzelnen Schritte der Organisationsentwicklung - Analyse, Planung, Durchfuhrung und Auswertung - vollziehen sich auf der Grundlage offener Information und aktiver Mitwirkung der Betroffenen. Ein Organisationsentwicklungs-Projekt muss von der Gesamtheit der Mitglieder der betroffenen organisatorischen Einheit (eine Abteilung, ein Kollegium, ein Werk etc.) getragen werden. 4. Prozessorientiertes Vorgehen Organisationsentwicklung ist ein Lern- und Entwicklungsprozess der Organisation und der in ihr tatigen Menschen. Die Einflussnahme auf die Gestaltung und Entwicklung der Organisation erfolgt im weitesten Sinne durch eine Verbesserung der Kommunikation, insbesondere durch das Einleiten von Teamarbeit, durch das Schaffen von Lernsituationen und durch die Erweiterung von Handlungsspielraumen. Organisationsentwicklung ist damit Hilfe zur Selbsthilfe. 5. Diagnose als Ausgangspunkt von Veranderungszyklen Jeder Mafinahmenplanung geht eine eingehende, gemeinsame Problemerhebung, definition und -analyse voraus. Im Rahmen der Organisationsentwicklung hat die Diagnose insofern einen besonderen Stellenwert, als sie nicht nur einmal erstellt wird, sondern im Rahmen des zyklischen Phasenmodells in den langerfristigen OE-Prozess eingebunden ist und sowohl den Ausgangs- als auch den Endpunkt jeder Veranderung Abbildung 11: Wesensmerkmale der Organisationsentwicklung. Quelle: Richter, 1994, S.39; Zit.n. Gairing, 1996, S. 13.

5.1.1

OE und betriebliches Gesundheitsmanagement

Wie bereits in der Einleitung des Kapitels erwahnt wurde, hat sich Gesundheitsmanagement zu einem umfassenden Ansatz entwickelt und soil nun als Bestandteil

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ubergreifender OE-Programme verstanden werden. In diesem Sinne lasst sich nach Grossmann/Scala (1996, S. 24) „Gesundheitsforderung als ein Programm sozialer Veranderung, das die Weiterentwicklung von Organisationen ebenso umfasst wie die Entwicklung personlicher Kompetenzen" definieren. Unter OE ist dabei sowohl Ressourcenentwicklung, also die Gestaltung situativer Moglichkeiten und Strukturen, als auch Kulturentwicklung, also die Ausbildung von Regeln und Sanktionen, zu verstehen (Grossmann/Scala, 1996). Looss (1992; Zit.n.: Schwendenwein, 1997) stellt eine „massive Systemintervention" test, sobald das Gesundheitsmanagement im Unternehmen nicht nur auf die Veranderung individueller Lebensgewohnheiten zielt, sondern Veranderungen auf mehreren Dimensionen in einer Organisation bewirken will. Den Zusammenhang von Gesundheitsmanagement und OE beschreibt Looss (1992, S. 94; Zit.n.: Schwendenwein, 1997, S. 107) daher wie folgt: „Was der Gesundheitsforderung ein Gegenstand ist, ist der OE eines von mehreren moglichen Themen, urn Entwicklungen in Gang zu setzen." Gesundheitsmanagement und OE gehen von den Grundannahmen aus, dass die Balance zwischen den technisch-okonomischen und den menschenorientierten Bewertungskriterien in Unternehmen ausgewogen sein muss und der Mensch Madstab fur die Verhaltnisse in einer Organisation bleibt. Weiters fuhlen sich beide bestimmten Wertbegriffen wie Autonomie, Mundigkeit, Mitbeteiligung und Eigenverantwortlichkeit verpflichtet und orientieren sich an der Idee von Ganzheitlichkeit. Nach Auffassung von Demmer (1993, S. 80; Zit.n.: Schwendenwein, 1997, S. 108) bieten Unternehmen vielfaltige Ansatzpunkte zur Gestaltung gesundheitsforderlicher Lebens- und Arbeitsbedingungen. Ein erster Ansatzpunkt bestunde darin, eine Untemehmenskultur und -philosophie zu schaffen, „die der Gesundheit der Mitarbeiter neben den wirtschaftlichen Untemehmenszielen gleichwertige Prioritat einraumt." 5.1.2 Veranderungsprozess in der OE Nach den einleitenden Worten zu OE und dessen Verbindung mit Gesundheitsmanagement gehen wir nun naher auf den Veranderungsprozess ein, welcher sich bei OE-Ansatzen vollzieht. Perich (1992) bringt seinen prozessual-inkrementalen Ansatz mit der OE-Tradition in Verbindung, welcher Anderungen auch in kleinen Schritten vornimmt. Wohrle (2002) sieht Wandel erster Ordnung ebenso durch OE umgesetzt. In gleicher Weise argumentieren auch Janes/Prammer/Schulte-Derne

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(2001) und Zeitz (1998), wenn sie OE als prozesshaften, evolutionaren Ansatz bezeichnen. Somit scheint die OE eindeutig dem Wandel erster Ordnung, also dem Evolutionaren, zugeordnet zu sein. Betrachtet man die unterschiedlichen Definitionen von OE, so fassen Janes/Prammer/Schulte-Deme (2001) und Kieser (1995) folgende Merkmale von OE nochmals zusammen: • Der kontinuierliche Prozess des Wandels steht im Vordergrund. • Die „BetroffenenM tragen den Prozess der Veranderung. • Gleichzeitiges Verfolgen der Ziele der Unternehmung als auch der Organisationsmitglieder, wobei die kulturelle Identitat des Unternehmens gewahrt werden soil. Wie schon zuvor erwahnt wurde, gilt Kurt Lewin als Begrunder der OE. Er selbst stellte ein 3-Phasen-Schema auf, welches aus den Phasen .Auftauen" (unfreezing), „Andern" (change) und „Wiedereinfrierena (refreezing) besteht. Zuerst mussen alle Organisationsmitglieder die bisherigen Normen und Werte in Frage stellen (unfreezing), bevor diese bereit sind, neuen Einstellungen gegenuber offen zu sein und diese anzunehmen (change). Zwecks nachhaltiger Verankerung gehoren die neu erworbenen Werte und Normen schlussendlich institutionalisiert (refreezing) (Dawson, 2002; Gairing, 1996; Kieser, 1995; Perich, 1992; Zeitz, 1998). Als eine Technik der OE wird dabei die Aktions- bzw. Handlungsforschung bezeichnet, welche durch ihre Feldorientierung besticht und eben genannte standige Weiterentwicklung vorantreibt (Argyris, 1993; Dawson, 2002; Fatzer, 1993; Nellessen, 1993). Die OE unterscheidet auch zwischen OE am Individuum, an den Gruppen der Organisation als auch an der Organisation selbst, urn eine umfassende Weiterentwicklung des Unternehmens gewahrleisten zu konnen (Kieser, 1995). Ein ganzheitlicher OE-Ansatz muss alle drei Ebenen bedienen, wobei auf jeder Ebene verschiedene Instrumente zum Einsatz kommen. Nach diesem ersten Oberblick uber die OE im Bezug auf Wandel fuhren einige Autoren eigene differenziertere Ansatze an, die nun hier naher vorgestellt werden. Praxis des Wandels Auch wenn dieser Ansatz aus der Psychologie stammt, sollte er hier Eingang in diese Arbeit finden, da Veranderung auch bzw. vor allem in den Denkmustern der Organisationsmitglieder stattfinden muss. Damit Wandel stattfinden kann, muss daher zuerst eine klare Definition des Problems in aller Klarheit bestehen bevor man

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nach Losungen forscht. Urn dies tun zu l