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German Pages 206 Year 2006
Friedrich Schneider/Elisabeth Dreer/Wolfgang Riegler Geldwasche
FriedrichSchneider/Elisabeth Dreer/ Wolfgang Riegler
Geldwasche Formen, Akteure, Grof^enordnung • und warum die Politik machtlos ist
GABLER
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet uber abrufbar.
1. Auflage August 2006 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr.Th. Gabler I GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2006 Lektorat: Maria Akhavan-Hezavei Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschlief^lich aller seiner Telle ist urheberrechtlich geschutzt. Jede Verwertung auf^erhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulassig und strafbar. Das gilt insbesondere fur Vervielfaltigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nichtzu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten waren und daher von jedermann benutzt werden durften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf saurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN-10 3-8349-0158-X ISBN-13 978-3-8349-0158-3
„Die Moglichkeiten, den Umfang der Geldwascherei zuverlassig zu schatzen, sollten nicht zu hoch bewertet werden. (...) Unsere Kenntnisse auf diesem Gebiet sind vergleichbar mit jenen des Archaologen, der mit Hilfe einiger Tonscherben, einer Speerspitze und eines Kieferreststiickes die Wirtschaft einer Steinzeitsiedlung beschreiben muss."^ Petrus van Duyne
Inhaltsverzeichms
Kapitel 1
Einleitung
11
Kapitel 2
Was ist Geldwasche?
15
2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7
Begriffsentstehung und Entwicklung der Geldwasche seit den 80er Jahren Allgemeine Definitionen Abgrenzung zu Steuerhinterziehung und Kapitalflucht Unterscheidung zwischen Untergrundund Schattenwirtschaft Die organisierte Kriminalitat Illegaler Drogenhandel Weitere Vortaten
Kapitel 3
3.1 3.2 3.3 3.4
Wie lauft Geldwasche ab? Handlungsmodelle
Vorbemerkungen Phasenmodelle Kreislaufmodelle Beurteilung der Modelle
15 16 19 20 22 26 28
31 31 31 35 41
Kapitel 4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6
Vorbemerkungen Techniken des Transfers Techniken des Placements Techniken des Layerings Techniken der Integration Mogliche neuere Techniken
Kapitel 5
5.1 5.2 5.3 5.4
7.1 7.2 7.3
Methoden zur Schatzung des Volumens der Geldwasche
Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
Vorbemerkungen Landerstudien Globale Studien Zusammenfassende Beurteilung der Landerstudien und der globalen Studien
Kapitel 7
Auswirkungen der Geldwasche
45 45 45 49 52 56 59
Vorbemerkungen Direkte Schatzmethoden Indirekte Schatzmethoden Zusammenfassende Beurteilung der Methoden zur Geldwasche und ihrer Studien
Kapitel 6 6.1 6.2 6.3 6.4
Unter der Lupe: Techniken der Geldwasche
61 61 63 77 83 87 87 88 115 134 137
Vorbemerkungen 137 Auswirkungen aufUntemehmen 137 Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften.... 139
Inhaltsverzeichnis
Kapltel 8 8.1 8.2 8.3
Die Finanzierung der Terror-Organisationen .... 145
Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft in Deutschland, Italien, Frankreich und GroBbritannien Der Aufbau der Finanzierungssysteme intemationaler (islamistischer) Terror-Organisationen und ihre Art der Finanzierung Okonomische Auswirkungen des Terrors
146 149 157
Fazit
161
Literaturverzeichnis Anmerkungen Sachwortverzeichnis
167 183 211
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1 Einleitung „Pecunia non olet" - Geld stinkt nicht. Mit dieser altromischen Weisheit beginnen viele Aufsatze, die sich mit dem Thema Geldwasche auseinandersetzen.^ Diese Eigenschaft des Geldes hat bis jetzt seine Giiltigkeit bewahrt. Nach einer „Wasche" der Gelder, um die Herkunft zu verschleiem bzw. vom „Gestaiik" zu befreien, lasst sich nicht mehr erkennen, auf welche Art und Weise sie verdient wurden. Geldwasche ist das Herzsttick der organisierten Kriminalitat. Die rasante Entwicklung von Weltwirtschaft und Finanzmarkten nach dem Zweiten Weltkrieg und nicht zuletzt die zunehmende Verbreitung der Verkehrs-, Informations- und Kommunikationstechnologien stehen in einem engen Zusammenhang mit der aufstrebenden organisierten Kriminalitat. So erleichterte es die Globalisierung mit dem freieren Handel und dem daraus resultierenden groBeren Handelsvolumen auch den Drogendealem und Waffenschmugglem, ihre Waren weltweit zu vertreiben. Durch verschiedene Straftaten (Drogenhandel, Betrug, Kreditkartenfalschung, Schmuggel, Schutzgelderpressung, illegaler Waffenhandel, Wirtschaftskriminalitat, Menschenhandel bzw. Schlepperwesen, Madchen- und Kinderhandel, Glticksspiel, Autodiebstahl bzw. Autoschieberei etc.) verfiigen Kriminelle liber hohe Bargeldbetrage. Diese sind fiir sie jedoch von geringem Nutzen, da sie im direkten Zusammenhang mit dem Delikt stehen und somit die Gefahr der Entdeckung durch die Strafverfolgungsbehorden sehr hoch ist. Damit Kriminelle ihre illegalen Erlose wieder investieren oder anlegen konnen, mtissen sie diese so umwandeln, dass sie den Eindruck erwecken, legal erwirtschaftet worden zu sein. Diesen Vorgang nennt man Geldwasche.
lllegale Erlose
Investition in weitere Geschafte
1 Deckung der laufenden Kosten
1 Auszahlungen an Beteiligte
Aniage illegaler Gewinne
Konsum
Zwischenschaltung der GeldwSsche j
Zwischenschaltung 1 der Geldw^sche
^^ Legale Geschafte
Abbildung 1:
1
r lllegale Geschafte
i Objekte
^ Konten
Verwendung der Erlose aus illegalen Geschaften (Quelle: Altenkirch, 2002, S. 8).
Die „Legalisierung *' der kriminell erlangten Vermogen ist kompliziert und erfolgt mit anspruchsvoUen Methoden (vgl. Abbildung 1). Da Geldwasche erst dann messbar wird, wenn die kriminellen Machenschaften aufgedeckt wurden, ist das tatsachliche Volumen, das weltweit jahrlich in den legalen Wirtschaftskreislauf einflieBt, nicht quantifizierbar. Dennoch gibt es unzahlige Meldungen, die uns von der groBen wirtschaftlichen Macht der organisierte Kriminalitat berichten: „Drogenmafia: Milliarden in Weltwirtschaft geschleust", ,,500 Milliarden Dollar. IWF schlagt Alarm", „Drogenmafia wascht 190 Milliarden", „Die Drogenmafia muss jedes Jahr 500 bis 800 Milliarden Dollar anlegen", „Drogen-Millionare brauchten Maschine zum Geldzahlen", „Drogengelder auf Osterreich-Konten: Geldwasche ist in auslandischer Hand", „Multinationaler Drogenring gesprengt: Zentrale in Wien".^ Doch wie kommen Experten zu diesen Schatzungen? Was liegt den Schatzungen zu Grunde? Wie kann das Volumen gemessen werden? Dies sind zentrale Fragen, die wir in diesem Buch zu beantworten versuchen. Denn auch wenn „die Quantifizierung eine nahezu unlosbare wissenschaftliche Herausforderung""^ zu sein scheint, gibt es Methoden, die plausible Ansatze zur Schatzung des Geldwascheumfangs liefern. Warum diese so wichtig sind, bringt John Walker deutlich auf den Punkt: „The need to estimate the size and distribution of global
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Kapitel 1: Einleitung
money laundering is derived from the need to assist law enforcement authorities, national legislators, and international organizations to reach agreement on the place of counter-money laundering programs within national and international enforcement and regulatory agendas, and to provide a baseline and a scale for measurement and enabling evaluation of particular programs or approaches."^ Kapitel 2 dieses Buches beschaftigt sich mit den Grundlagen der Geldwasche. Der Begriff Geldwasche wird definiert und von Begriffen wie Steuerhinterziehung und Kapitalflucht, mit denen Geldwasche falschlicherweise oft gleichgesetzt oder verwechselt wird, abgegrenzt. Dariiber hinaus ist das zweite Kapitel den handelnden Personen gewidmet, die meist als gut organisierte Gruppen auftreten. Dabei gilt es, deren Ziele, Taten und Motive zu durchleuchten. Wie sich bei den aufgedeckten Geldwaschefallen gezeigt hat, treten bestimmte Handlungsmuster immer wieder auf Die dadurch entstandenen Modelle beschreibt Kapitel 3. Die Vielfalt in den Handlungsablaufen zeigt, dass es nicht nur eine Methode gibt, inkriminierte Gelder zu waschen. Die Techniken reichen vom simplen Kauf und Verkauf luxurioser Vermogensgegenstande bis hin zu komplexen intemationalen Geschaftsverflechtungen. Die wichtigsten bekannt gewordenen Techniken, die Geldwascher verwenden, um ihre illegalen Erlose zu waschen, werden somit im vierten Kapitel erlautert. Ein weiterer Schwerpunkt dieses Buches liegt auf Kapitel 5 und 6, die sich mit dem Geldwaschevolumen auseinander setzen. Hierbei werden zunachst die unterschiedlichen Schatzmethoden anhand ihrer erklarenden Studien erlautert. Diese orientieren sich entweder direkt an den Zahlungsstromen der Geldwasche oder versuchen indirekt, durch Zuhilfenahme anderer GroBen, den Umfang abzuschatzen. Durch die unterschiedlichen Motive, die teilweise hinter diesen Methoden stecken, ergeben sich auch vielfaltige Starken und Schwachen. Wahrend im flinften Kapitel bei den Studien der methodische Ansatz im Vordergrund steht, beschaftigt sich Kapitel 6 mit groBen, ergebnisorientierten Studien, die entweder moglichst exakt den Geldwascheumfang eines einzelnen Landes (Australien und Thailand) zu messen versuchen oder sich auf das weitaus interessantere, aber ungemein schwieriger zu messende, weltweite Volumen konzentrieren.
Kapitel 1: Einleitung
13
Wie die Anschlage am 11. September 2001 in den USA, am 11. Marz 2004 in Spanien, am 7. Juli 2005 in GroBbritannien oder am 23. Juli 2005 in Sharm el-Sheikh gezeigt haben, hat die Geldwasche - wenn auch indirekt - massive Auswirkungen auf unsere Gesellschaft, im Besonderen auf unsere Sicherheit. Man kann eine immer engere Kooperation zwischen Terroristen und organisierter Kriminalitat beobachten. Terroristen in Spanien sind ebenso abhangig von der Geldwasche wie die Mafia in Italien. „Das Geld ist flir kriminelle Konzeme, wie das Benzin fur den Automotor" und die „Geldwasche sorgt dafur, dass die Verbrechenserlose im Umlauf bleiben (...) und die riesigen Uberschtisse legal investiert werden konnen."^ Die Bekampfung des Terrors ist nur dann erfolgreich, wenn die Finanzquellen trocken gelegt werden konnen. Aber auch Untemehmen, die legale Geschafte tatigen, sowie die Marktwirtschaft an sich, werden durch die Geldwasche unterwandert und gefahrdet. Diese Themen bilden das Geriist fur die Erlauterungen der Auswirkungen der Geldwasche in Kapitel 7. Nach den Angriffen am 11. September 2001 wurden Geldwasche und die Bekampfung des Terrors als Einheit angesehen. Doch was hat Geldwasche mit Terrorismus zu tun? Zum einen konnen Terroristen als kriminelle Vereinigung im Sinne der organisierten Kriminalitat gesehen werden. Zum anderen machen Terror-Organisationen, wie auch die organisierte Kriminalitat, von der Geldwasche Gebrauch. Doch ein Teil der Finanzierung stammt aus legalem Handel oder aus Spenden, wie das achte Kapitel anhand okonometrischer Berechnungen zeigen wird. Hier spricht man auch von „umgekehrter Geldwasche" oder „Illegalisierung sauberen Geldes".^ Dies bedeutet, dass in Umlauf gebrachte Vermogenswerte erst dann zu „schmutzigem" Geld werden, wenn mit ihnen Vorbereitungen fiir Terroranschlage fmanziert werden. Vom Delikt (Terroranschlag) ausgehend muss untersucht werden, wer was fmanziert hat, woher die Gelder kommen, und wohin sie flieBen. Im abschlieBenden Kapitel 9 erfolgen dann eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse und einige wirtschafts- und fmanzpolitische Schlussfolgerungen. Dieses Buch systematisiert die Facetten der Geldwasche, es zeigt, wie man iiberhaupt ihre Dimension einschatzen kann und welche Zusammenhange zur Finanzierung des Terrorismus bestehen. 14
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2 Was ist Geldwasche?
2.1 Begriffsentstehung und Entwicklung der Geldwasche seit den 80er Jahren Der Begriff „Geldwasche" hat seinen Ursprung in den Vereinigten Staaten, wo kriminelle Gruppen in den 20er Jahren bare Einkiinfte aus verbrecherischen Vortaten in vollautomatische Waschsalonbetriebe, in so genannte „laundromats", investierten, weil deren Umsatze kaum kontrollierbar waren.^ Folglich nannte man diese Tatigkeit sinngemaB „money laundering". Der Begriff wurde spater wortlich iibersetzt in den deutschen Sprachgebrauch iibemommen und ist also kein originar juristischer Terminus, sondem stellt die umgangssprachliche Umschreibung der Umwandlung illegaler in legale Vermogenswerte dar. Wahrend man in Deutschland von der „Geldwasche" spricht, verwendet die Schweiz den synonymen Begriff „Geldwascherei". Osterreich nimmt dabei eine Zwitterstellung ein. Das vorliegende Buch verwendet in weiterer Folge ausschlieplich den Begriff „Geldwasche", um die Transformation von inkriminierten Geldem in „saubere" Gewinne zu beschreiben, deren Herkunft nicht mehr feststellbar ist.^ Ende der 80er Jahre war Geldwasche im deutschsprachigen Raum praktisch noch unbekannt. Seitdem hat der Begriff eine erstaunliche „Karriere" hinter sich,^^ was in erster Linie auf die zunehmenden illegalen Gewinne der organisierten Kriminalitat zuriickgefuhrt wird. So haben sich in den 70er und 80er Jahren innerhalb der einzelnen Industrielander illegale Markte ausgeweitet, die nach dem Zweiten Weltkrieg erst gering entwickelt waren.^^ Die Globalisierung fiihrte dann zu einer Intemationalisierung der organisierten Kriminalitat und folg-
lich zu einer VergroBerung der illegalen Markte. Mit den ungeheuren Erlosen, die durch die organisierte Kriminalitat in kiirzester Zeit erwirtschaftet werden, hat dieses Problem aber auch eine andere Dimension erhalten: Die traditionellen Moglichkeiten, die kriminell erwirtschafteten Gewinne zu verwenden, waren nicht mehr geeignet,^^ und die Straftater begannen, mit der legalen Wirtschaft - im Sinne einer Geldwasche - zusammenzuarbeiten. Auch die Bekampfung des Terrorismus, und insbesondere dessen Finanzierung, hangt mit der Bekampfung der Geldwasche bzw. der organisierten Kriminalitat zusammen. Terroristische Organisationen sind kriminelle Vereinigungen im Sinne der organisierten Kriminalitat. Werden die Personennetzwerke aufgedeckt, konnen auch die Finanzierungswerkzeuge ausfmdig gemacht werden.^^ Terroristische Organisationen fmanzieren sich sowohl aus legal (z. B. Spenden von Individuen oder Organisationen) als auch aus illegal erwirtschafteten Mitteln (Drogen).^^ Die Mittel aus illegalen Quellen stehen direkt zur Verfugung oder konnen nach einer Geldwasche verwendet werden. Die legalen Mittel werden einer „umgekehrten Geldwasche" unterzogen, indem die Gelder erst dann zu „schmutzigem Geld" werden, wenn sie fur terroristische Aktivitaten verwendet werden.
2.2 AUgemeine Definitionen Gegenstand der Geldwasche konnen alle Arten von Vermogensgegenstanden sein, die mittelbar oder unmittelbar aus einer Straftat stammen. Hauptsachlich fallt darunter Bargeld aus dem illegalen Drogenhandel. Diese Gelder werden aufgrund ihres kriminellen Ursprungs auch als „schmutzige" Gelder bezeichnet. Da neben dem ermittlungstechnischen Entdeckungsrisiko umfangreiche Bargeldmengen im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs groBe Aufmerksamkeit erregen,^^ das Zahlen der Geldscheine den Verbrechem Probleme bereitet^^ und die Geldwascher dem Diebstahl- und Veruntreuungsrisiko ausgesetzt sind,^^ sind sie gezwungen, die illegal erworbenen Vermogenswerte so schnell wie moglich in das legale Finanzsystem einzubringen. Die Identifikation dieser inkriminierten Gelder ist schwierig.
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Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
Hauptziel der Geldwasche ist es, eine mogliche Einziehung der Gelder durch die Behorden zu verhindem. Gleichzeitig sollte jederzeit auf das Geld zugegriffen werden konnen.^^ Als weiteres Ziel gilt die Integration der Mittel in das legale Finanzsystem, damit die Gelder moglichst gewinnbringend angelegt und auch der Finanzierung neuer Delikte dienen konnen. Ein Nebenziel der Geldwasche ist, die Verurteilung des Taters in strafrechtlicher wie auch in steuerrechtlicher Hinsicht zu verhindem.^^ Um all diese Ziele zu erreichen, werden die zu waschenden Gelder unzahlige Male transformiert und transportiert. Dies geschieht so lange, bis die Papierspur zum Urheber der Vortat unterbrochen oder ausreichend verschleiert ist und die Gelder auf legale Weise wieder in den normalen Wirtschaftskreislauf einflieBen konnen."^^ Die Geldwasche stellt somit den Schnittpunkt zwischen illegalen Erlosen aus Straftaten und legalem Finanzkreislauf dar. Als „pO" rentief rein gilt Geld dann, wenn es so sauber ist, dass man es sogar bei den Steuerbehorden als Einkommen deklarieren kann. Die haufig zitierte kurze Arbeitsdefmition der US-President's Commission on Organized Crime fur Geldwasche lautet: „Money Laundering is the process by which one conceals the existence of an illegal source, or illegal application of income, and then disguises that income to make it appear legitimate."^^ Kriminologisch bzw. wirtschaftlich lasst sich somit Geldwasche als finanzielle Transaktion beschreiben, die versucht, die Herkunft illegaler Vermogenswerte zu verschleiem, um sie spater legal nutzen zu konnen. Damit ist der gesamte Ablauf einer Geldwasche global umschrieben. Im strafrechtlichen Sinne erfasst die Geldwasche in Osterreich und in Deutschland jede einzelne isoliert betrachtete Teilhandlung, um auch jeden Beteiligten rechtlich erfassen zu konnen.^^ Dieser Ansatz stammt aus den USA. Im Rahmen der UNO-Drogenkonvention und der EU-Richtlinie von 1991^^ wurde der Begriff „Geldwasche" definiert und in das nationale Recht der Mitgliedstaaten umgesetzt. In Osterreich gibt es kein eigenes Geldwaschegesetz. Die Meldepflichten werden in Materiengesetzen geregelt, wie dem Bankwesengesetz, der Gewerbeordnung, dem Gliicksspielgesetz, dem Versicherungsaufsichtsgesetz, dem Borsengesetz, dem Wertpapieraufsichtsgesetz, der Rechtsanwaltsordnung, der Notariatsordnung, der Wirtschaftstreuhandberufs- Ausiibungsrichtlinie und dem Zollrechts2.2
AUgemelne Definitionen
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Durchfiihrungsgesetz. So macht sich jemand nach §165 (1) des osterreichischen Strafgesetzbuches der Geldwasche schuldig, wenn er „Vermogensbestandteile, die aus einem Verbrechen, (...) herruhren, verbirgt oder ihre Herkunft verschleiert. „Dabei riihrt ein Vermogensbestandteil „aus einer strafbaren Handlung her, wenn ihn der later der strafbaren Handlung durch die Tat erlangt oder fiir ihre Begehung empfangen hat oder wenn sich in ihm der Wert des ursprlinglich erlangten oder empfangenen Vermogenswertes verkorpert."^"^ Als strafbare Handlungen sieht das StGB in §165 (2) die Aufnahme, die Verwahrung, die Anlage, die Umwandlung, die Verwertung und die Ubertragung solcher Vermogenswerte. Das maximale StrafmaB belauft sich auf eine Freiheitsstrafe von bis zu fiinf Jahren. In Deutschland existiert ein eigenes Geldwaschegesetz (Gesetz iiber das Aufspiiren von Gewinnen aus schweren Straftaten (GwG) vom 25. Oktober 1993, zuletzt geandert: 8. August 2002). Der Straftatbestand der „Geldwasche; Verschleierung unrechtmaBig erlangter Vermogenswerte" wurde mit dem „Gesetz zur Bekampfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der organisierten Kriminalitat" (mit Wirkung vom 22. September 1992) als neuer § 261 in das Strafgesetzbuch eingefligt und in der Folge mehrfach abgeandert. Beispielsweise wurde der Vortatenkatalog zur Geldwasche erweitert, indem neben alien Verbrechen und Drogendelikten auch die gewerblich oder bandenmaBig verlibten Straften als Vortaten gelten. In der Schweiz war der Staatsanwalt Paolo Bemasconi, der mit seinem Buch „Finanzunterwelt" Aufsehen erregte, maBgeblich an der Kriminalisierung der Geldwasche (durch Art. 305bis^^ schw. StGB) und der mangelnden Sorgfaltspflicht bei Finanzgeschaften (durch Art. 305ter schw. StGB) beteiligt.^^ Seit 1.8.1994 ist ein Bundesgesetz in Kraft, das die Bestimmungen iiber die Sicherheitseinziehung und die Einziehung von Vermogenswerten (Art. 58 bis Art. 60 schw. StGB) novellierte. Der Tatbestand der kriminellen Organisation (in Art. 260ter schw. StGB) wurde neu geschaffen sowie das Melderecht geldwascheverdachtiger Transaktionen fur Banken und andere Finanzintermediare (Art. 305ter Abs. 2 schw. StGB) eingefuhrt. Das Geldwaschegesetz (Bundesgesetz zur Bekampfung der Geldwascherei im Finanzsektor - GWG) ist seit 1.4.1998 in Kraft. Damit hat die
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Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
Schweiz, die nicht Mitglied der EU ist, jedoch dem Abkommen iiber den EWR beigetreten ist, die europaischen Richtlinien umgesetzt. Neben einer Begriffsdefinition sieht die EU-Richtlinie auch die Teilnahme des gesamten Finanzgewerbes an der aktiven Bekampfung der Geldwasche vor. Diese MaBnahme spiegelt sich seither u. a. im § 40 BWG, welcher bei Kredit- oder Finanzinstituten eine Pflicht zur Festhaltung der Identitat des Kunden bei einer Einzahlung bzw. Auszahlung ab dem Betrag von 15.000 EUR vorsieht. Sollte sich „der begrundete Verdacht" ergeben, dass die Transaktion im Zusammenhang mit Geldwasche steht, so ist die Behorde gemaB der Meldepflicht zu informieren. Kreditinstitute sind in diesem Fall der Stelle gegenixber nicht zur Wahrung des Bankgeheimnisses verpflichtet.^^ Eine Begriffsdefinition sollte nicht zu eng sein, um eine moglichst weitgehende Erfassung zu gewahrleisten - auch wenn dies dazu fiihrt, dass vergleichsweise harmlose Falle erfasst werden und die Herkunft der schmutzigen Gelder nicht auf die organisierte Kriminalitat beschrankt wird.^^ Soweit auf nichts anderes verwiesen wird, beruht der im vorliegenden Buch verwendete Begriff auf folgender Definition: „Geldwasche ist der Prozess, durch den Erlose, die aus kriminellen Tatigkeiten stammen, transportiert, Uberwiesen, konvertiert oder mit legalen Geschaften vermischt werden, in der Absicht, die wahre Herkunft, die Beschaffenheit, die Verftigung uber oder das Eigentum an solchen Erlosen zu verschleiem oder zu verheimlichen."^^
2.3 Abgrenzung zu Steuerhinterziehung und Kapitalflucht Die drei Kategorien Geldwasche, Steuerhinterziehung und Kapitalflucht lassen sich nicht immer klar voneinander trennen. Das einzige Abgrenzungskriterium ist das Vorliegen einer strafbaren Vortat, denn die Verschleierungshandlungen sind oft verwechselbar ahnlich. Von Geldwasche wird nur dann gesprochen, wenn die Spuren zu dem illegalen Grundgeschaft verwischt werden sollen. Allzu oft werden falschlicherweise aber auch Steuerumgehungshandlungen entweder
2.3
Abgrenzung zu Steuerhinterziehung und Kapitalflucht
19
direkt oder als Vortat der Geldwasche verstanden. Insbesondere scheint die altere US-amerikanische Literatur zwischen dem Waschen von Geldem aus Strafdelikten und dem Verschieben von Kapital aus Steuerdelikten keinen Unterschied zu machen.^^ „Graues" Geld, , wie das vor den Steuerbehorden geheim gehaltene Kapital noch genannt wird, ist aber im Gegensatz zum schmutzigen Geld rechtskonform erworben und somit nicht den inkriminierten Geldem gleichzusetzen. Steuerhinterziehung ist nur im Herkunftsland strafbar, nicht aber im Zielland.^^ Kapitalflucht hingegen liegt vor, wenn der Transfer legaler Einktinfte im Herkunfts- und/oder Zielland illegal, die Kapitalbildung und auch die Kapitalanlage hingegen legal ist. Dies trifft zu, sofem ein Land DevisenkontroUen und Regeln fiir Kapitaltransfers erlassen hat.^^ In Landem mit deregulierten Kapitalmarkten gibt es das Delikt der Kapitalflucht nicht. Da im deutschsprachigen Raum Kapitalflucht und Steuerhinterziehung nicht als Vortaten der Geldwasche gewertet werden,^^ wird deren Umfang - entgegen den Aufsatzen aus dem angelsachsischen Raum - in der hier verwendeten Definition fiir die Geldwasche nicht erfasst.
2.4 Unterscheidung zwischen Untergrundund Schattenwirtschaft Wichtig ist es auch, die Begriffe Untergrundwirtschaft und Schattenwirtschaft kurz zu erlautem bzw. voneinander zu trennen, da darauf im Folgenden noch Bezug genommen wird. Die Schattenwirtschaft umfasst die legale Produktion von Gtitem und Dienstleistungen, die vor den staatlichen Behorden verheimlicht wird, um keine Steuem und Sozialabgaben entrichten zu miissen (vgl. auch Tabelle 1).^^ Die Untergrundwirtschaft umfasst dagegen samtliche illegale Handlungen, die klassische Kriminalitatsmerkmale aufweisen: zum einen die Produktion von Gtitem und Dienstleistungen, deren Verkauf, Verleihung oder Besitz durch Gesetz verboten ist, sowie zum anderen die Produktion von Gtitem und Dienstleistungen, die
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Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
Tabelle 1:
Abgrenzung: Schattenwirtschaft - Untergrundwirtschaft (Quelle: Schneider, 2003).
|||^|||||P|j||||
(klassische KriminalitSts-
Die Schattenwirtschaft umfasst die legale Produktion von Gutern und DIenstleistungen, die absichtlich vor den staatlichen Behorden verheimlicht werden. Vier Grunde:
Untergrundokonomische (d. h. klassische Kriminalitats-) Aktivitaten sind illegale Handlungen, die die klassischen Kriminalitatsmerkmale aufweisen; z. B. die Produktion von Gutern und Dienstleistungen, deren Verkauf, Verleihung Oder Besitz durch Gesetz verboten ist.
(a) urn amtliche Steuern (indirekte und direkte) sowie (b) urn samtllche Sozialabgaben zu vermeiden, (c) urn bestimmte MIndeststandards im Arbeitsnnarkt zu umgehen (z. B. MindestI6hne, Lange der Arbeitszeit, Sicherheitsund Arbeitsschutzbestimmungen etc.) und (d) urn der administrativen und statistischen Erfassung dieser Aktivitaten zu entgehen.
Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft sind verschiedene Aktivitaten, die sich weitgehend ausschlieHen, da die Untergrundwirtschaft /ce//?e positive Wertschopfung fur die Volkswirtschaft darstellt und daher im Unterschied zur Schattenwirtschaft nicht als Komplement zum offiziellen BIP betrachtet werden kann. Allerdings gibt es fur beide „Wirtschaftstypen" uberlappende Bereiche.
zwar legal sind, aber illegal werden, wenn sie von nicht autorisierten Fachkraften hergestellt werden.^^ Die Untergrundwirtschaft (kriminelle Wirtschaft) versucht, die legalen Rahmenbedingungen des Wirtschaftens zu ihrem eigenen Vorteil zu umgehen. Geschieht dies im groBen Stil, spricht man von „organisierter Kriminalitat" oder auch von „terroristischen Vereinigungen".^^ In der Literatur finden sich aber auch Ansatze, die die Schattenwirtschaft als Teil der Untergrundwirtschaft sehen. So umfasst nach Couvrat/Pless die „zweite Okonomie", „parallele Okonomie" oder „versteckte Okonomie" drei Komponenten (1. legale, nicht deklarierte Produktion; 2. Produktion illegaler Giiter/Dienstleistungen; 3. ver-
2.4
Unterscheidung zwischen Untergrund- und Schattenwirtschaft
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sichtbare Okonomie
Untergrundokonomie Legale, nicht deklarierte Produktion
Legale, deklarierte Produktion
Produktion illegaler Guter und Dienstleistungen
Verdeckte Einkiinfte
Abbildung 2:
Gegenuberstellung der sichtbaren Okonomie mit der Untergrundokonomie (Quelle: in Aniehnung an Couvrat/Pless, 1993, S. 165).
deckte Einkiinfte), wobei unter „verdeckten Einkiinften" Erlose verstanden werden, die aus Diebstahlen und Unterschlagungen von Angestellten zum Schaden ihres Arbeitgebers resultieren (siehe Abbildung 2).^^ An dieser Stelle ist es nicht notwendig, diesbeziiglich eine Wahl zu treffen, jedoch soil betont werden, dass Gelder aus der Schattenwirtschaft nicht Bestandteil der schmutzigen Gelder sind und somit auch nicht dem Geldwascheumfang zugerechnet werden.
2.5 Die organisierte Kriminalitat Am Ablauf der Geldwasche ist eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Sie sind entweder treibende Kraft, Mittater oder direkte bzw. indirekte Opfer. Wahrend die ursprlingliche Tatertypologie im Bereich der Wirtschaftskriminalitat auf dem „White Collar"-Verbrecher^^ als Einzeltater beruht, wird die wirtschaftskriminelle Szene mittlerweile immer starker von der organisierten Kriminalitat (OK) beherrscht.^^ Das Spektrum der Meinungen iiber die OK ist breit gefachert und wird einerseits von der naiven Ansicht, so etwas wie die Mafia gabe es bei uns nicht, und andererseits von nicht minder realitatsfremden Verschworungstheorien begrenzt."*^ Die OK funktioniert wie ein modemes Untemehmen. Sie beschafft, verwandelt, transportiert und vertreibt die Ware Geld in einem ar-
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Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
beitsteiligen Prozess"^^ und verfolgt dasselbe Ziel: die Gewinnmaximierung. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat sich die OK von lokalen Kleinbetrieben zu multinationalen Untemehmen entwickelt, die professionell gefuhrt werden. Neben der wirtschaftlichen Orientierung sind als weitere Besonderheiten der kriminellen Organisationen auch die militarische Hierarchie und die ethnische Zusammengehorigkeit zu nennen. Um sich des Gehorsams der Mitglieder sicher zu sein, besteht ein auf Gewalt beruhendes Sanktionssystem.^^ Die allgemein akzeptierte Definition fur die OK lautet: „Die organisierte Kriminalitat ist die von Gewinn- oder Machtstreben getragene, planmaBige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, sofem sie von mehr als zwei Beteiligten vertibt werden, die hierzu auf langere Zeit oder fur eine unbestimmte Dauer arbeitsteilig, unter Verwendung gewerblicher oder geschaftsahnhcher Strukturen, unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschtichterung geeigneter Mittel oder unter Einflussnahme auf Politik, offentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.""^^ Mit der Geldwasche „versucht die OK, ihre Gewinne zu sichem und nimmt so gefahrlichen Einfluss auf die legale Wirtschaft"."^^ Weltweit haben sich gut organisierte Gruppen etabliert, die durch eine besondere Qualitat ihrer Organisationsstruktur, ihres kriminellen Handelns sowie durch eine gezielte Anpassung ihrer gesellschaftlichen Subsysteme an bestehende Normen gekennzeichnet sind.^^ Zu diesen Gruppen gehoren unter anderem die siidamerikanischen Drogenkartelle (Medellin- und Cali-Kartell), die chinesischen Triaden, die japanische Yakuza, die von Italien aus operierenden Organisationen Camorra, N'drangheta, Nuova Sacra Corona Unita und Stidde, die sizilianische Mafia, die Cosa Nostra und die Rote Mafia (besser bekannt unter dem Begriff „Russische Mafia", vgl. auch Tabelle 2). Diese regional verwurzelten Organisationen sind mittlerweile weltweit tatig und haben sich teilweise zu Allianzen zusammengeschlossen, um effizienter in gewissen Markten zu operieren. So arbeiten inzwischen Italiener und Siidamerikaner bei der Steuerung des europaischen Drogenmarktes und auch bei der Geldwasche Hand in Hand."^^ Triebfeder fiir diese international agierenden Straftater ist und
2.5
Die organisierte Kriminalitat
23
Tabelle 2:
Kerngebiete der intemationalen organisierten Kriminalitat (Quelle: Bundesnachrichtendienst, 2005).
USA
Cosa Nostra, uber 5.000 Mitglieder
Kolumbien
Caii-Karteil, Cartel del Norte del Valle usw.; Drogenhandel, Geldwasche
Nigeria
Nigeria-Connection; Betrug, Kreditkartenfalschung, Drogenschmuggel
GUS, Baltikum
Russischsprachige OK-Gruppen, ca. 200-300, international operierend; Schutzgelderpressung, Drogenhandel, illegaler Waffenhandel, Schmuggel, Wirtschaftskriminalitat, Nuklearkriminalitat, Geldwasche, Menschenhandel, Falschgeldkriminalitat
Japan
Yakuza, ca. 2.500 Gruppen mit etwa 91.000 Mitgliedern; Drogen, Madchenhandel, Glijcksspiel, Waffengeschafte, Schutzgelderpressung, Wirtschaftskriminalitat
China, Taiwan
Chin. Triaden, mehrere hundert aktive Banden mit bis zu 40.000 Mitgliedern pro Gruppe; Drogenhandel, Geldwasche, Glucksspiel, Menschenhandel, Schutzgelderpressung, Waffenhandel, Wirtschaftskriminalitat
IVIittel- und SiJdosteuropa
Drogenhandel, Kfz-Diebstahl, Waffenhandel, Schlepperwesen, Schutzgelderpressung, Schmuggel, Embargoumgehungen, Falschgeldkriminalitat, Geldwasche
bleibt das Gewinnstreben. Mit Rauschgifthandel und -schmuggel, der gewaltige Gewinnspannen erlaubt, hat die OK in den industrialisierten Landem Fu6 gefasst. „Durch die gigantische Finanzkraft gewinnt die OK heimHch zunehmend an Einfluss auf unser Wirtschaftsleben, die Gesellschaftsordnung und in Folge auf die offentHche Verwaltung, die Justiz, wie auf die PoUtik und kann schHeBUch deren Normen und Werte bestimmen.""^^ So ist die OK in einigen Industrienationen mittlerweile zu einem festen Bestandteil in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft geworden."^^ Das in Mexiko ansassige „Gulf Cartel" wurde im Zusammenhang mit dem Anbau und Vertrieb von Drogen bekannt. Die Schmuggler profitieren durch den lebhaften Warenaustausch innerhalb der NAFTA.'^^ So gelangt auch der GroBteil des sudamerikanischen Kokains via Mexiko in die USA. Nebenbei eignet sich Mexiko auch zur Geld24
Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
wasche,^^ weshalb die Drogenerlose von den USA wieder zunick nach Mexiko geschmuggelt werden. Ebenfalls bekannt geworden ist die „Nigeria-Connection". Die seit 1989 tatige Verbrechensorganisation stellt eine der weltweit groBten Vereinigungen in Sachen Veruntreuung dar. Schatzungen zufolge soil sie bereits eine Milliarde USD umgesetzt haben.^^ Taglich versendet diese Vereinigung Hunderte Briefe, Faxe und E-Mails, in denen Untemehmen, Selbststandige oder Privatpersonen um Hilfe bei Geldtransfers gebeten werden. Nicht direkt der OK zugerechnet werden Untergrundbanken. Diese sind vielmehr eigenstandig gewachsene, illegale Organisationen,^"^ die nur im Zuge der Geldwasche aktiv sind und selbst keine Straftaten begehen. Bekannte weltweit agierende derartige Banken sind Chop Shop Banking (chinesischer Ursprung), Chiti-, Hundi- oder Hawala Banking (Vorderer und Mittlerer Orient, auch Indien wird genannt) und Stash House Banking (amerikanischer Ursprung). Sie betreiben neben ihrem Bankgeschaft meist noch weitere bargeldintensive Geschafte um ihr eigentliches Hauptgeschaft, die Geldwasche, zu kaschieren.^^ Die Untergrundbanken wickeln intemationalen Zahlungsverkehr tiber Landergrenzen hundertprozentig anonym ab, indem sie Kompensationsgeschafte mit anderen Untergrundbanken tatigen und die Buchhaltung regelmaBig vemichten.^^ So hinterlassen derartige Transaktionen keine Papierspur und sind praktisch nicht nachvollziehbar;^ Es treten aber auch Einzelpersonen in Erscheinung, die wissentlich und willentlich mit verbrecherischen Vereinigungen, Wirtschaftskriminellen und auch Terroristen zusammenarbeiten, die zugleich aber einer geregelten Tatigkeit nachgehen und nach auBen sehr vertrauenswiirdig wirken. Sie sind von den Akteuren der illegalen Vortaten abzugrenzen, da diese Personen, wie die Untergrundbanken, nur im Zuge der Geldwasche auftreten. Zu ihnen zahlen unter anderem Boten, Geldkuriere und Bankangestellte ebenso wie Broker, Wirtschaftsprufer, Notare, Treuhander, Hedge-Fonds-Manager und Rechtsanwalte, aber auch auf Geldwasche spezialisierte Finanzexperten. Viele konnen aber auch nichts ahnend, in Austibung ihrer gewohnlichen legalen Dienstleistungstatigkeit zur Geldwasche missbraucht werden.^^ Insbesondere sei dabei an Investmentgesellschaften, Immobilienmakler, Finanzdienstleister und Treuhander gedacht. 2.5
Die organisierte Kriminalltat
25
AUe Vortaten der Geldwasche, sowie die darauf folgende Geldwasche selbst, konnen auch von Einzelpersonen oder von mehreren, nur locker miteinander verbundenen Beteiligten begangen werden. Eine Geldwasche wird jedoch erst notwendig, wenn Gewinne in einer Hohe anfallen, die vomehmlich, wenn auch nicht ausschliefilich, von kriminellen Organisationen erwirtschaftet werden. Daher wird in weiterer Folge nur noch von Verbrechergruppen bzw. der OK als Handelnde der Geldwasche gesprochen, auch wenn man als schmutziges Geld beispielsweise auch die Erlose eines selbststandigen GroBbetrtigers interpretieren kann.
2.6 lUegaler Drogenhandel Als Vortaten der Geldwasche kommen samtliche strafbaren Handlungen in Frage, mit denen Vermogenswerte in einem Umfang erlangt werden, der eine Reinigung erforderlich macht. Da ca. 40 Prozent des gesamten Umsatzes der organisierten Kriminalitat im Drogenhandel erzielt werden und darin der Hauptanteil am Geldwaschevolumen besteht (vgl. Abbildung 3),^^ soil auch hier der illegale Drogenhandel in den Vordergrund geruckt werden. Drogen sind die einzigen Rohstoffe, deren Preis zwischen ihrer Produktion und ihrem Konsum buchstablich explodiert.^^ Genau betrachtet kann man nicht von einem einzigen Drogenmarkt sprechen, da fur jede Droge unterschiedliche Markte bestehen. So gibt es viele Markte, die geografisch verteilt sind und auf denen eine Vielzahl von Produkten getauscht wird. Grundsatzlich werden Drogen in vier groBe Familien klassifiziert: Opiate, Kokain, Cannabis und synthetische Rauschmittel (Amphetamine, Ecstasy). Wenn man von mehr als 200 Mio. Drogensiichtigen weltweit spricht, sind das rund 5 Prozent der Weltbevolkerung zwischen 15 und 64 Jahren, die zumindest einmal in den letzten 12 Monaten Drogen konsumiert haben. Diese Zahl schlieBt die rund 160,9 Mio. gelegentlichen Cannabiskonsumenten ein.^^ Die „wichtigen Endverbraucher" sind jedoch vor allem die rund 13,7 Millionen Kokain- und die 15,9 MiUionen Opiate-Konsumenten (davon 10,6 Mio. Heroinkonsumenten), sowie die 26,2 MiUionen Am-
26
Kapitel 2: Was 1st Geldwasche?
Abbildung 3:
Die organjsierte Kriminalitat und ihre Hauptbereiche in Mitteleuropa (Quelle: Siska J., 1999 und eigene Berechnungen).
phetamin- und die 7,9 Millionen Ecstasy-Konsumenten. Aufgrund des groBen Anteils der Drogenerlose am Geldwascheumfang stiitzen sich auch die meisten Schatzungen tiber den Geldwascheumfang alleine auf diese Vortat. Dabei bildet - wie Kapitel 5.3 noch zeigen wird der geschatzte Umsatz den Ausgangspunkt vieler Schatzungen. Laut UN-Drogenbericht wird der Umsatz des weltweiten illegalen Drogenhandels fur 2003 auf 13 Mrd. USD auf Produzentenebene, auf 94 Mrd. USD auf GroBhandelsebene und auf 322 Mrd. USD im Einzelhandel (StraBenhandel) geschatzt. Der StraBenhandelswert ist hoher als das Bruttoinlandsprodukt von 88 Prozent aller Lander dieser Welt (dies sind 163 von 184 Landem, fiir die es Weltbankdaten bzgl. BIP gibt). Der GroBhandelswert entspricht 14 Prozent der weltweiten Agrarexporte (674 Mrd. USD) und Ubersteigt den Wert des weltweiten Erz- und Mineralienexports (79 Mrd. USD) im Jahr 2003. Der Drogenumsatz auf GroBhandelsebene ist hoher als der Wert aller land-
2.6
lllegaler Drogenhandel
27
wirtschaftlichen Exporte Lateinamerikas (75 Mrd. USD) und des Mittleren Ostens (10 Mrd. USD) im Jahr 2003 zusammen. Allein in Osterreich wurde der Schwarzmarktwert der sichergestellten Suchtgiftmittel 2004 mit 33,3 Mio. EUR beziffert.^^ In Deutschland hat schon ein einziger Fahndungserfolg im Ruhrgebiet zu Sicherstellungen von Drogen im Wert von 18,5 Mio. EUR gefuhrt - eine Gesamtsumme des Schwarzmarktwertes der in Deutschland gehandelten Drogen liegt nicht vor.^^
2.7 Weitere Vortaten Die OK beschrankt sich aber nicht auf den Rauschgifthandel und -schmuggel, sondem ist in vielen Deliktbereichen tatig. So kontroUiert sie auch immer weitere Bereiche profitorientierter Kriminalitat, wie Abbildung 4 zeigt. Seit dem politischen und wirtschaftlichen Umbruch in Osteuropa haben sich die Hinweise auf einen illegalen Handel mit radioaktiven Stoffen aus diesen Landem verstarkt. Die Angebote reichen von
Die Organisierte Krimlnalttlit und ihrehauptsichlichen Bereiche 1 1 _L _L _L
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Nachtleben
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Eigentum
Wirtschaft
Gewalt
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Kapitalanlagebetrug
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Nuklearproliferation
Drogenschmuggel
KfzVerschiebung
Subventionsbetrug
Schutzgeldfordemngen
illegales Glucksspiel
Embargobruch
Einbrijche, GroRhehlerei
Betmg im Zahlungsverkehr
erpresserische Entfuhrung
Menschenhandel
I ftihrt zur Getdwische
Abbildung 4:
28
Hauptbereiche der organisierten Kriminalitat (Quelle: Siska, 1999, S. 13).
Kapitel 2: Was ist Geldwasche?
schwach radioaktiven Stoffen bis hin zu angereichertem Uran und Plutonium, selbst Atomsprengkopfe sollen zur Verfiigung stehen.^^ Im Menschen- und Waffenhandel sollen mitunter grofiere Gewinnmargen erzielt werden als im Drogengeschaft. Alleine die Gewinne aus der intemationalen Schlepperei werden auf zwischen 5 bis 7 Mrd. USD geschatzt.^^ Gliicksspiele und Lotterien sind in vielen Landem nur sehr eingeschrankt zulassig. Obwohl der Betrieb wie in den legalen Spielcasinos ablauft, fallen dort die Gewinne illegal an.^"^ Allein fur die USA werden die jahrlichen Gewinne aus dem illegalen Glticksspiel auf 50 Mrd. USD geschatzt.^^ Innerhalb der Wirtschaftkriminalitat^^ ist das Deliktspektrum sehr vielfaltig. Die Wirtschaftskriminalitat umfasst als Sammelbegriff Straftaten, die sich vor allem durch Vertrauensmissbrauch und das Ausnutzen von Spezialkenntnissen des Wirtschaftslebens zu illegalen Zwecken auszeichnen.^^ Wirtschaftsstraftater gehoren in der Kegel den mittleren und oberen Sozialschichten an, verfligen iiber eine gute Ausbildung und sind auch nicht vorbestraft.^^ Bei der WeiBe-KragenKriminalitat handelt es sich um Taten, die unter dem Mantel einer Einzelfirma oder handelsrechtlichen Gesellschaft begangen werden und zumeist sehr hohe Schadensfolgen aufweisen. Zu den Wirtschaftsdelikten zahlen unter anderem Anlagedelikte (Anlagebetrug, Insiderhandel, Wertpapierbetrug, Untreue bei Kapitalanlagegeschaften, Prospektbetrug etc.), Finanzierungsdelikte (betrugerische Krediterlangung, Kreditvermittlungsbetrug etc.), Insolvenzdelikte (betrugerischer Bankrott, Glaubigerbegiinstigung etc.), Arbeitsdelikte (Beitragsbetrug, illegale Auslanderbeschaftigung etc.), Wettbewerbsdelikte (Produktpiraterie, Subventionsbetrug etc.), Computerdelikte (Hacking, Diebstahl von Passwortem, Raubkopieherstellung etc.), Korruptionsdelikte (Vorteilsgewahrung im offentlichen und privaten Bereich etc.) und Abgabendelikte (missbrauchliche Einschaltung von Briefkasten- und Domizilfirmen etc.).^^ Zu einem weiteren lukrativen Tatigkeitsfeld, insbesondere in Westeuropa, hat sich der Zigarettenschmuggel entwickelt. So betrug 2001 die Zahl der in Osterreich sichergestellten Schmuggel-Zigaretten 92 Mio. Stuck.^^ Im Jahr 2003 wurden 100 Mio. Stuck beschlagnahmt, im Jahr 2004 konnten jedoch „nur" 88 Mio. Stiick in Osterreich sichergestellt werden.^^ Das entspricht gerade einmal vier Prozent des 2.7 Weitere Vortaten
29
geschatzten Konsums von nicht in Osterreich versteuerten Zigaretten (2,5 Mrd. Stiick), wobei davon auszugehen ist, dass dies nur ein Bruchteil der tatsachlich geschmuggelten Zigaretten ist. Die 2,5 Mrd. Stuck an nicht versteuerten Zigaretten entsprechen knapp 15 Prozent des jahrlichen Zigarettenkonsums von 17 Mrd. Stiick. 2005 diirfte der Anteil der in Osterreich konsumierten Schmuggelware nach Schatzungen der Austria Tabak bereits 20 Prozent erreichen, wobei davon ausgegangen wird, dass 60 bis 80 Prozent des Schmuggels auf die organisierte Kriminalitat entfallen. Beim Zigaretten-Schmuggel handelt es sich aber nicht um ein rein osterreichisches Problem. Der „Spiegel" berichtet, dass in Deutschland im ersten Halbjahr 2005 mit 210 Mrd. Stiick mehr geschmuggelte Zigaretten beschlagnahmt wurden als im gesamten Vorjahr. Noch dramatischer ist die Lage in den neuen EUStaaten. In Ungam wird ein Viertel der Zigaretten nicht in Ungam versteuert. In der Slowakei hat sich laut einer Studie von Nielsen der legale Markt seit 2003 mehr als halbiert (von neun Mrd. konsumierten Zigaretten wurden 2004 noch 3,8 Mrd. in der Slowakei versteuert). Insbesondere durch die EU-Osterweiterung soil die so genannte „Zigaretten-Mafia" eine Offensive vorbereitet haben und unzahlige Lagerhallen in WeiBrussland, nahe der polnischen Grenze, angemietet haben, um den europaischen Markt zu beliefem.^^ Weitere Vortaten der Geldwasche sind unter anderem Markenpiraterie, Zahlungsmittelmissbrauch und -falschung, Verschiebung von Kfz, Entsorgung von Sonderabfall, illegaler Technologietransfer, Geheimprostitution, Umweltdelikte, Verschiebung von Kulturgut und der illegale Handel mit menschlichen Organen. So vielfaltig die Geschaftfelder der OK sind, so vielfaltig sind auch ihre Erscheinungsformen. Sie arbeitet im Geheimen und versteht es, weitgehend unbemerkt - da es haufig keine direkten Geschadigten gibt - enorme Gewinne zu erzielen,'^^ fur die sie dann auf die Nutzung ausgekliigelter Geldwaschesysteme angewiesen ist.
30
Kapltel 2: Was ist Geldwasche?
Kapitel 3 Wie lauft Geldwasche ab? Handlungsmodelle
3.1 Vorbemerkungen Die verschiedenen Geldwaschehandlungen werden in der Literatur als komplex, undurchsichtig und mitunter mysterios eingestuft,^"^ zumal die Moglichkeiten, illegale Gelder rein zu waschen, nahezu unerschopflich sind. Jedoch hat sich aufgrund bekannt gewordener Geldwaschefalle gezeigt, dass bestimmte Handlungsablaufe immer wiederkehren. Die Handlungen konnen daher systematisiert und in Modelle eingeordnet werden. Dadurch erreicht man einerseits ein besseres Verstandnis der Ablaufe, andererseits bilden diese Modelle die Grundlage zur Bekampfung der Geldwasche. Aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen sind in der Literatur mehrere Erklarungsmodelle tiber Geldwasche entstanden. Grob konnen sie in Phasen- und Kreislaufmodelle unterteilt werden, hinzu kommt das Zielmodell von Ackermann, das wiederum andere Perspektiven eroffnet, sowie weitere, weniger bekannte Modellansatze.
3.2 Phasenmodelle Phasenmodell von Bernasconi
Phasenmodelle beschreiben die Handlungen im Zuge der Geldwasche als lineare zeitliche Folge, wodurch sie realistischer und leichter verstandlich werden. Paolo Bemasconi^^ unterscheidet in seiner anschau-
lichen Analyse der Geldwaschehandlungen zwischen technischen Gesichtspunkten (Geldwasche ersten und zweiten Grades), sowie geografischen und zeitlichen Gesichtspunkten: Unter Geldwasche ersten Grades ist das erstmalige Waschen von illegal erworbenen Vermogenswerten - in der Regel Bargeld - zu verstehen, um diese vor der Beschlagnahmung durch Behorden zu schiitzen7^ Dies geschieht, indem das Geld zum Beispiel durch bloBes Tauschen in andere Wahrungen oder durch Einzahlen auf Bankkonten in den legalen Finanzkreislauf eingeschleust wird. Diesem Geld haften aber noch „Kennzeichen" aus der ursprtinglichen Straftat (Drogenverkauf etc.) an, weshalb es im Zuge der Geldwasche zweiten Grades gilt, den Zusammenhang weiter zu verschleiem. Hierfur wird das Geld solange im Finanzkreislauf hin- und hertransferiert, bis sich die Papierspur zur ursprtinglichen Straftat verliert, um es dann schlieBlich in den legalen Wirtschaftskreislauf und in das Endbestimmungsland fuhren zu konnen.'''^ In geografischer Hinsicht unterscheidet Bemasconi zwischen dem Land des Handels (Land des Verbrechens), in dem Produktion, Veredelung und Vertrieb des illegalen Gutes sich vollziehen und den Landem der Geldwasche, also jenen Orten, an denen die Geldwasche stattfmdet.^^ Hierbei handelt es sich in der Regel um groBe intemationale Finanz- und Offshore-Zentren.^^ Der Geldwascheprozess ist durch einzelne Phasen gepragt, die zeitlich aufeinander abgestimmt sind. Am Anfang des Geldwascheprozesses wechseln sich die Phasen aufgrund des noch hohen Entdeckungsrisikos kurz hintereinander ab, um die Vermogenswerte schnell transformieren zu konnen. In der Phase der Re-Integration des gewaschenen Geldes in den Wirtschaftskreislauf ist dagegen der zeitliche Horizont weit gesteckt - hier fmden beispielsweise Investitionen in Firmen, Gaststatten, Hotelketten, Spielbanken oder Firmenbeteiligungen iiber Kredite statt.^^ Drei-Phasen-Modell des U.S. Customs Service^^ Dieses Modell ist wohl das bekannteste und am haufigsten zitierte Modell in der Literatur. Gedanklich baut es auf dem Phasenmodell Bemasconis auf, erweitert es aber um eine Phase. Bemasconis Geld32
Kapitel 3: Wie lauft Geldwasche ab? Handlungsmodelle
wasche ersten Grades ist hier der „placement stage'' gleichzusetzen. Die Geldwasche zweiten Grades wird im Drei-Phasen-Modell zum einen in die „layering stage" und zum anderen in die letzte Phase der „integration stage" aufgespaltet. Wie bei der Geldwasche 1. Grades wird unter der ersten Phase der Placement Stage (Platzierung) das erstmalige Platzieren der aus den Verbrechen stammenden Bargeldbestande in den legalen Finanzkreislauf und die damit verbundene Umwandlung in Buchgeld verstanden. Da die vorgewaschenen Gelder noch einen sehr hohen Bezug zur Straftat aufweisen, stellt die erste Phase auch die Phase mit dem groBten Entdeckungsrisiko fur den Geldwascher dar. Die meisten Mafinahmen zur Bekampfung der Geldwasche setzen in diesem friihen Stadium an, da eine Identifikations-, Dokumentations- oder Meldepflicht zum Schutz des Finanzsystems vor inkriminierten Geldem die Geldwasche erschwert. Die einzelnen Techniken des Placements werden in Kapitel 4.3 naher erlautert. Die erfolgreich vorgewaschenen Gelder illegaler Herkunft, welche sich nun im Finanzsystem befinden, werden im Zuge einer zweiten Phase, der Layering Stage (Verschleiemng) unzahlige Male und in vielfaltigen Formen im nationalen und vor allem im intemationalen Raum hin und her transferiert, um die Papierspur der Straftat endgiiltig zu verwischen. Durch die Verbreitung des Internets und die Moglichkeit, online Transaktionen zu tatigen, wurde das Layering vereinfacht.^^ An diesem Verwirrspiel sind fast immer OffshoreFinanzzentren beteiligt,^^ wo Geldwascher Scheingesellschaften grlinden, um auf deren Namen bei Offshore-Banken Konten zu eroffnen. Allein in George Town, der Hauptstadt der Cayman-Inseln, gibt es 400 Banken und 15.000 Firmen - bei nur 18.000 Einwohnem. Auch bekannte Banken geraten immer wieder in die Schlagzeilen, weil sie im Verdacht stehen, die Geldwasche gefordert zu haben, so beispielsweise 2004 die amerikanische Citigroup, die niederlandische ABN Amro oder auch die Washingtoner Riggs Bank, die besonders auf Geschafte mit politisch exponierten Personen und Reichen spezialisiert ist und als Hausbank des IWF und aller Botschaften in Washington gilt.^"^ Die verschiedenen Techniken des Layerings werden in Kapitel 4.4 vorgestellt.
3.2 Phasenmodelle
33
Die Realisierung des eigentlichen Ziels der Geldwasche, die illegalen Gewinne als legale Einkiinfte ausgeben zu konnen, erfolgt in der dritten Phase, der Integration Stage (Integration).^^ Hier geht es darum „die Vermogenswerte unter einem legalen Deckmantel wieder in den Herrschaftsbereich des Organisators zuriickzubringen oder gewinnbringend zu investieren".^^ Die Integration kann sowohl auf den Finanzmarkten als auch in Sachgtitem erfolgen, wobei mittel- und langfristige Anlagen bevorzugt werden,^'^ so dass die Gelder nur mehr mit legalen Geschaften in Verbindung gebracht werden konnen. Naheres dazu findet man in Kapitel 4.5. Stufenmodell von Bayer
Dem Drei-Phasen-Modell sehr ahnlich ist das Stufenmodell von Klaus Bayer, dem Leiter der Finanzermittlungsgruppe des Deutschen Bundeskriminalamtes. Er unterteilt den Geldwaschevorgang in die drei eben behandelten Phasen Placement, Layering und Integration und weist ihnen die jeweils zugehorige Technik der Geldwasche zu. Ein Unterschied besteht somit nur in der Form der Darstellung (vgl. Abbildung 5).^^
Layering Verschleiemng der illegalen Herkunft von Vermogenswerten/Geld durch komplexe Finanztransaktionen Umwandlung von Bargeld in Buchgeld oder andere Vermdgenswerte ~ Banken - Spietoanken - Edelmetarthandler - Immobitienerwerb
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Kapltel 6: Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
Plauslbilitats- und Glaubwurdigkeitsprtifungen
Die Befragungen liefem somit Schatzergebnisse von polizeilichen und nicht-polizeilichen Experten, welche zwischen einer Viertel Milliarde und vier Milliarden AUD liegen. Angesichts dieser Spanne ist es sinnvoU, die Glaubwiirdigkeit der erhaltenen Schatzungen anhand verschiedener Kriterien zu iiberpriifen. Plausibilitatsiiberprufungen konnen beispielsweise am Umfang der Steuerhinterziehung ankniipfen. Gmndsatzlich ist davon auszugehen, dass Verbrecher ihre „Erlose" neben der Strafverfolgungsbehorde auch vor der Steuerbehorde zu schiitzen versuchen. Somit liefie sich das Geldwaschevolumen durch das Volumen der jahrlichen Steuerhinterziehung und deren Geldwascheanteil annahemd schatzen bzw. eine mogliche Obergrenze ableiten.^^^ Ebenfalls zur PlausibiHtatskontrolle herangezogen werden konnen spezifische Finanzstrome von und nach Australien, die nach geografischen Gesichtspunkten analysiert werden (Kapitalfliisse in bzw. aus Drogen(transit)landem, Offshore-Zentren bzw. tax-havens).^^^ Eine weitere Moglichkeit der Plausibilitatsprtifung ergibt sich durch die Analyse von Kapitaltransaktionen, die von Finanzinstitutionen jahrlich als verdachtig eingestuft werden.^^^ Weitere Plausibilitatsiiberlegungen konnen vom Umfang der konfiszierten und zuriickgehaltenen Vermogenswerte ausgehen. Dabei muss man sich aber vor Augen halten, dass diese nur einen auBerst geringen Anteil an den tatsachhchen „Erlosen" aus Straftaten darstellen und somit das tatsachUche Geldwaschevolumen deutlich unterschreiten.^^"^ Zusammenfassung und Beurteilung
Zur besseren LFbersicht der ermittelten Ergebnisse fur den Geldwascheumfang in Australien wurden diese eine tabellarisch zusammengefasst, um danach auf deren Beurteilung naher eingehen zu konnen (vgl. Tabelle 15). Die Schatzungen [A], [B] und [C] basieren alle auf unterschiedlichen Meinungen liber den moglichen Umfang und die Verwendung der Erlose aus Straftaten. Trotzdem scheinen sie sich in Bezug auf den Umfang im Einklang zu befmden. Nur die Untergrenze von [A] erscheint dennoch iibertrieben, wodurch eine Bandbreite von 1.000 bis 4.500
6.2
Landerstudien
95
Tabelle 15: Zusammenfassung der Schatzungen (in Mio. ADD) (Quelle: in Aniehnung an Walker, 1995). Untergrenze
Obergrenze
Bemerkungen
3.520
4.227
beinhaltet nur Gelder aus Jnterner" und „exportierter" GW
[B] Schatzungen von Experten kombiniert mit geschatzten Erlosen der AFP zu Betrug und Drogendelikten und des Autors zu Eriosen aus anderen Vergehen
482
4.536
beinhaltet nur Gelder aus Jnterner" und „exportierter" GW; der mittlere Schatzbereich liegt zwischen 1400 und 2300
[C] Schatzungen der territorialen Polizeistellen kombiniert mit geschatzten Eriosen der AFP zu Betrug und Drogendelikten und des Autors zu Eriosen aus anderen Vergehen
328
3.783
beinhaltet nur Gelder aus Jnterner" und „exportierter" GW; der mittlere Schatzbereich liegt zwischen 900 und 1500
Bandbreite (Walker)
1.000-4.500
Methode
[A] Schatzung des AFP zu betrijgerischen Vergehen und Drogendelii10
5
100
400-500
67,700-78,100
13,540-15,620
1
188-300
691-2,201
2,191-4,201
136,429-673,900
27,286-134,780
Anmerkung: aus Interviews mit Polizeibeamten und Casinobesitzem 256 Wochentage und 104 Freitage/Samstage; Annahme: Profit = 20% vom Umsatz.
Daraus folgt, dass in Summe die jahrlichen Gewinne aus dem Casinogeschaft in Thailand zwischen 45 und 163 Mio. Baht (900.000 EUR bis 3,3 Mio. EUR) betragen. Lotterien haben in Thailand eine lange Tradition, die bis an den Anfang des 19. Jahrhunderts reicht. Die staatlich regulierte Lotterie erwirtschaftete mit 38 Millionen verkaufter Tickets 1996 einen Jahresumsatz von 36,5 Mrd. Baht.^^^ In die illegale Lotterie soil rund das Neunfache dessen an Geld flieBen. Demzufolge verwundert es kaum, dass die Untergrundlotterie, das so genannte „huay taidin", eines der Tabelle 17: Geschatzter Umsatz und Profit der provinziellen Casinos (1996; in Mio. Baht) (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S.34). Grdae
Anzahl
TSglicher Umsatz
Jihrticher Umsatz
Jghrlicher Profit
1-4
50
50-200
18,000-72,000
3,600-14,400
>5
39
195
70,200
14,040
I
89
245-395
88,200-142,200
17,640-28,440
Anmerkung: Interview mit Polizeigeneral, Dokumente des Narcotic Control Boards; Jahr = 360 Tage; Annahme: Profit = 20% vom Umsatz.
100
Kapitel 6: Studien zur Quantiflzierung der Geldwasche
groBten thailandischen Untemehmen ist und folglich auch eine Haupteinnahmequelle fiir zahlreiche einflussreiche Personen geworden ist. Nach Schatzungen sind rund vier Millionen Menschen im Vertriebsund Administrationsnetzwerk beschaftigt. „Huay taidin'' ist aus mehreren Griinden attraktiver als die staatliche Lotterie: Die Spieler konnen mit geringeren Einsatzen Tickets erwerben,^^^ es gibt eine Auswahl an zu spielenden Kombinationen und die Gewinnchancen sind hoher.^^^ Nach einer Studie des Thai Farmers Research Centre betrugen die Ausgaben der thailandischen Bevolkerung fur „huay taidin" im Jahr 1995 ca. 110 Mrd. Baht (rund 2,5 Prozent des BIP). DurchschnittUch nehmen sieben von zehn Personen zwischen 15 und 65 Jahren regelmaUig an den Ziehungen der Untergrundlotterie teil und geben dabei rund 100 Baht pro Ziehung aus. Bei 39 Ziehungen pro Jahr ergibt das eine Summe von rund 3.900 Baht jahrlich, wodurch sich ein Gesamtumsatz von 110 Mrd. Baht errechnet. Nach einer alteren Studie der Autoren gibt die untere Schicht der thailandischen Bevolkerung rund 150 Baht pro Person je Ziehung von „huay taidin" aus. Eine andere Studie aus dem Jahr 1991 schatzt sogar einen Betrag von iiber 260 Baht. Die Annahme der Thai Farmers mit 100 Baht pro Ziehung scheint also zu gering zu sein, weshalb die Autoren der hier prasentierten Studie ihre Schatzungen auf die detaillierte Studie von 1991 beziehen und aktuellere Zahlen aus ihrer eigenen Untersuchung einflie|3en lassen. Demnach wurde in dieser Studie der durchschnittliche Erlos pro Ziehung auf 2,5 Mio. Baht geschatzt in Bezug zur Bevolkerungsanzahl der untersuchten Gegend von 9.500, ergibt dies einen Pro-Kopf-Betrag von 263 Baht pro Ziehung bzw. 10.257 Baht pro Jahr. Das Durchschnittsjahreseinkommen betrug fur dieses Gebiet 77.500 Baht, wodurch sich ein „huay taidin"Anteil am Einkommen von 13,2 Prozent errechnen lasst. Wenn andere Regionen Thailands ahnliche Betrage fur die illegale Lotterie ausgaben, wiirde dies zu einem Umsatz flir ganz Thailand von 325,2 Mrd. Baht fuhren. Davon flieBen 70 bis 75 Prozent als Preisgeld an die Konsumenten zuriick und die verbleibenden 25 bis 30 Prozent bzw. rund 81 bis 98 Mrd. Baht pro Jahr (1,6 bis 2 Mrd. EUR) kommen den Geschaftsinhabem zugute. Diese miissen aber wiederum Schutzgeld
6.2
Landerstudlen
101
und Gewinne an die unterschiedlichen Stufen der Vertriebspyramide abgeben. Das Wetten auf intemationale FuBballspiele ist in Thailand eine noch junge Form des Gllicksspiels, die insbesondere durch das Zeitalter der Informationstechnologien und der Globalisierung FuB gefasst hat. Nach gehendem Recht ist das Wetten in Thailand verboten. Eine Entdeckung ist aber schwierig, zumal das veraltete Recht nur unzureichend die neuen Technologien beriicksichtigt. Zur Schatzung des involvierten Vermogens wurden zahlreiche Anbieter von FuBballwetten und deren Kunden interviewt, um so einen Durchschnittsbetrag der unterschiedlichen Einkommensklassen ermitteln zu konnen. Basierend auf Angaben der Wettbiirobetreiber wetten zwei Prozent (74.800) der 15- bis 74-jahrigen Bangkoks, 1,8 Prozent (28.200) der 38 reichsten Provinzen Thailands und 1,5 Prozent (12.700) der restlichen auBerstadtischen Bevolkerung. Dies ergibt in Summe 115.700 regelmaBige Wettkunden. In Bezug auf die Verkaufsmenge von Sportmagazinen, die zur Informationsgewinnung far die Spieler unerlasslich sind,^^^ von taglich 200.000 Stiick erscheint diese Zahl auch durchaus realistisch. In Bangkok liegt der Mindesteinsatz bei den groBeren Wettburos bei 2.000 Baht pro Match, in kleineren Provinzen und bei kleineren Anbietem kann der Mindesteinsatz aber durchaus nur 1.000 Baht betragen. Der durchschnittliche Einsatz in Bangkok pro Woche diirfte bei 30.000 Baht liegen. Diese Schatzung ergibt hochgerechnet 1,2 Mio. Baht pro Jahr und einen Gesamtjahresumsatz in Bangkok von 89,8 Mrd. Baht. AuBerhalb Bangkoks durfte der durchschnittliche Wocheneinsatz rund 20.000 Baht betragen, folglich ergibt sich ein Jahresumsatz fiir die Wettburos von rund 32,7 Mrd. Baht pro Jahr. Zusammengerechnet liegt der Umsatz von FuBballwettbtiros fur Thailand somit bei 122,5 Mrd. Baht pro Jahr. Die Anbieter schatzen den Profitanteil am Umsatz auf 10 bis 13 Prozent, wodurch sich ein Betrag an schmutzigen Geldem in einer Bandbreite von 12,25 bis 15,93 Mrd. Baht pro Jahr errechnet, das sind 246 bis 320 Mio. EUR.
102
Kapitel 6: Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
lUegaler Drogenhandel
Der Gewinn im Heroinhandel, der den Handlem und ihren Verbrechensorganisationen zugute kommt, kann aus der Differenz zwischen dem Verkaufspreis und den Kosten des Imports berechnet werden. Laut Angaben des Office of the Narcotics Control Board (ONCB) gibt es in Thailand 214.180 Heroinabhangige. Im Durchschnitt wird pro Spritze 0,05 Gramm in den Korper injiziert und dies wiederum ein bis zwei Mai am Tag. Multipliziert mit dem Mittelwert von 1,5 mal am Tag ergibt dies einen Konsumbedarf von 5,86 Tonnen pro Jahr.^^^ Der Preis fur 0,05 Gramm Heroin variierte im Jahr 1994 zwischen 50 und 150 Baht. Auf der Basis eines Durchschnittspreises von 100 Baht ergibt sich ein Jahresumsatz von 10 bis 12 Mrd. Baht. Nach Ansicht der ONCB gibt ein Abhangiger pro Tag 174,83 Baht aus, woraus sich ein etwas hoherer Umsatz von rund 13,7 Mrd. Baht errechnet. Die Autoren gehen daher in weiterer Folge von einem Jahresumsatz fiir den Zeitraum 1993 bis 94 in der Bandbreite von 10 bis 13,7 Mrd. Baht aus. Jahrlich werden nach Thailand rund 50 Tonnen Heroin importiert. Davon wurde 1994 eine Tonne von der Polizei konfisziert. Um den Umfang des exportierten Heroins festzustellen, werden nun von der Gesamtimportmenge der inlandische Konsum von 5 bis 6 Tonnen sowie die sichergestellte Menge abgezogen. Daraus ergibt sich ein Exportumfang von 43 bis 44 Tonnen. Der Exportpreis ist aber signifikant niedriger als der StraCenverkaufspreis in Thailand. Der Gesamterlos aus exportierten Heroin wird daher auf 6 bis 8 Mrd. Baht geschatzt. Abziiglich der Kosten aus dem Import ergibt sich ein Profit flir die Verbrecher in Thailand von 11,96 bis 15,24 Mrd. Baht (240 bis 306 Mio.EUR,vgl. Tabellel8). Um den Profit aus dem Marihuanahandel zu schatzen, stehen auf Konsumentenseite Informationen laut Tabelle 19 zur Verfugung. Produktionsseitig ist bekannt, dass 1994 in Thailand zwischen 800 und 900 Tonnen Marihuana produziert wurden. Davon wurden 75 Tonnen von der Polizei beschlagnahmt. Die verbleibenden 725 bis 825 Tonnen Marihuana im Rohzustand reprasentieren 181-206 Ton-
6.2
Landerstudien
103
Tabelle 18: Geschatzter Profit aus dem Heroinhandel in Thailand (in Mio. Baht) (Quelle: Phongpaichlt/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S.94). 10.000-13.667
Erlose aus dem Verkauf in Thailand
6.660-8.000
Erlose aus dem Export
I
16.600-21.667 4.645-6.430
abzuglich Importkosten aus dem Norden
11.955-15.237
Profit aus dem Heroinhandel
nen fiir den Konsum geeigneten, getrockneten Marihuanas. Davon wurden 8 Tonnen sichergestellt. Die verbleibenden 173-198 Tonnen decken aber gerade einmal 10 Prozent der konsumierten Menge. Es mussten also 2.814 bis 2.839 Tonnen importiert werden. Bei einem Kilogrammpreis von 200 Baht belauft sich der Importwert zwischen 563 und 568 Mio. Baht. Urn den Profit aus dem Marihuanahandel zu messen, wird dieser Importwert von den jahrlichen Ausgaben abgezogen, wodurch sich ein Schatzbereich von 3,046 bis 3,051 Mrd. Baht ergibt (ca. 61 Mio. EUR, vgl. Tabelle 19). Bei Amphetaminen gibt es groBe Qualitats- und Preisunterschiede. Grundsatzlich betragen die Produktionskosten aber zwischen 3 und 5 Baht pro Pille. Der Verkaufspreis variiert in den zentral gelegenen ReTabelle19: Konsunnentenseitige Informationen zum Marihuanahandel in Thailand (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S.99, eigene Erganzungen). Marihuanaabhangige
326.050
Durchschnittl. Ausgaben pro Person pro Tag (ONCB 1990) jahrliche Ausgaben pro Person jahrliche Ausgaben
11.085 Baht 3,614 Mrd. Baht
abzuglich Importkosten Profit aus dem Manhuanahandel /•••u I- u A u u •• .• u . _x. _*x (jahrliche Ausgaben abzuglich Importwert)
104
30,37 Baht
563-568 Mio. Baht ^ . , . ^ ^ ^ , »>, ^ o u* 3,046-3,051 Mrd. Baht
Kapitel 6: Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
Tabelle 20: Geschatzter Profit aus dem Amphetaminhandel in Thailand (Quelle: Phongpaichlt/Pirlyarangsan/Treerat, 1998, S. 108). Anzahl der Abhangigen
257.965
Anzahl der konsumierten Piiien pro Jahr
188,3 Mio.
Preis pro Pille (1994)
70-80 Baht
Erios aus dem Amphetaminhandel
13,18-15,06 Mrd. Baht
abzuglich importierte Rohstoffe
0,565 Mrd. Baht
Profit aus dem Amphetaminhandel
12,62-14,5 Mrd. Baht
gionen zwischen 2.000 und 3.000 Baht und im Nordosten zwischen 3.500 und 3.800 Baht ftr 200 Pillen. Der Durchschnittspreis pro Pille liegt somit bei ca. 70 bis 80 Baht, rund dem 20-fachen der Kosten. Das Thailand Development Research Institute (TDRI) schatzt fur 1993, dass es in Thailand 257.965 Konsumenten von Amphetaminen gibt, und Statistiken der ONCB besagen, dass diese rund 2 Pillen am Tag nehmen. Multipliziert mit dem durchschnittlichen Verkaufspreis fiihren diese Zahlen zu einem Umsatz von 13,18 bis 15,06 Mrd. Baht. Abztiglich der importierten Rohstoffe gelangt man zu einem Profit, der zwischen 12,62 und 14,5 Mrd. Baht liegt (253 bis 291 Mio. EUR, vgl. Tabelle 20). Zusammenfassend lasst sich fur den Handel mit Heroin, Marihuana und Amphetaminen ein jahrlicher Gewinn fur die kriminellen Grupen von rund 30 Mrd. Baht (rund 600 Mio. EUR, vgl. Tabelle 21) schatzen. Tabelle 21: Profit aus dem Drogenhandel in Thailand (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 109). Dmgtnarl Heroin
i>mf»(liiMni.SaNt) 11,96-15,24
Marihuana
3,04-3,05
Amphetamine
12,62-14,5
Profit aus dem Drogenhandel in Thailand
27,62-32,79
6.2
Landerstudien
105
Olschmuggel
Seit den fruhen 90er Jahren zahlt der Schmuggel von Dieselol zu einem sehr profittrachtigen Geschaft Thailands. Der Dieselanteil an alien konsumierten Petroleumprodukten liegt bei zwei Fiinftel. Davon gehen ca. 75 Prozent in den Transportsektor, 18 Prozent in Landwirtschaft, Fischerei und Bergbau und der Rest in die Industrie. Nur ein geringer Teil des Diesels wird in Thailand selbst raffiniert, der Hauptanteil wird importiert. Da Diesel sehr hoch besteuert ist,^'^^ ist der Anreiz, Diesel illegal nach Thailand zu bringen, relativ groB. Der Schmuggel findet auf See statt, wo Fischerboote den Transport iibernehmen. Anfanglich wurde der Treibstoff in kustennahen Provinzen verkauft, mittlerweile ist er landesweit erhahlich. GroBe Olkonzeme und das National Energy Policy Office (NEPO) versuchten, das Volumen des nach Thailand illegal transportierten Dieselols zu schatzen. Dabei gingen sie nach der gleichen Methode vor, indem sie die Lticke zwischen der geschatzten Nachfrage und der bekannten Angebotsmenge analysierten. Beide - private Olkonzeme und die staatliche NEPO - erzielten auf diese Weise relativ ahnliche Ergebnisse (vgl. Tabelle 22). Fiir die Periode 1991 bis 95 betrug demnach die Menge an geschmuggeltem Diesel zwischen 8 und 16 Prozent der gesamten Nachfrage. Wahrend sich die Zahlen von 1991 bis 92 in etwa decken, liegen daTabelle 22: Geschatzter Umfang des geschmuggelten Dieselols, 1990-95 (in Mio. Liter pro Jahr) (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 120). 1900 Schatzungen d priv. Olkonzeme in % der Nachfrage Schatzungen d. staatl. NEPO in % der Nachfrage Varianz (privat - staatlich)
n.v. n.v. 54 0,5 n.v.
1992
1993
1994
1995
870 8,2
1741 14,7
1857 13,9
2437 16,4
2205 13,2
924 8,6
1701 14,3
1513 11,3
1075 n.v. 13,9 n.v.
-54
40
344
1991
1362
n.v.
Anmerkung: Schatzungen der privaten Olkonzeme; Schatzungen des National Energy Policy Office (NEPO).
106
Kapitel 6: Studien zur Quantiflzierung der Geldwasche
Tabelle 23: Geschatzter Steuerverlust und Schmuggelprofit aus dem Dieselschmuggel, 1991-95 (in Mrd. Baht) (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 121).
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1995
Schatzungen der privaten Olkonzerne Steuerverlust
2,521
5,045
5,381
7.062
6,389
Schmugglerprofit
3,432
6,869
7,326
9,614
8,698
Schatzungen der staatlichen NEPO Steuerverlust
2,677
4,929
4,384
6,012
n. V.
Schmugglerprofit
3,645
6,711
5,969
8,186
n. V.
Anmerkung: aus den Zahlen der Tabelle 22 kalkuliert; Steuerverlust 2,8976 Baht je Liter; Schmuggelprofit inkludiert Steuerverlust und verlorene Handelsspanne der Olkonzerne - in Summe 3,9451 Baht je Liter Diesel.
nach die Ergebnisse der staatlichen NEPO immer unter jenen der privaten Olkonzerne. Beim Schmuggel verlieren beide Parteien: Der Staat verliert Steuereinnahmen (2,8976 Baht/Liter) und die Olkonzerne verlieren ihre Handelsspanne (1,0475 Baht/Liter), in Summe somit 3,9451 Baht pro Liter, die gleichzeitig den Profit der Schmuggler ausmachen. Das sind immerhin zwischen 6 und 7 Mrd. Baht Steuerverlust bzw. 8 bis rund 10 Mrd. Baht Schmugglerprofit (160 bis 200 Mio. EUR Gewinn, vgl. Tabelle 23). Ein Teil des Profits kommt den Endkonsumenten zugute, da der Verkaufspreis von legitimem Dieselol 7,5 Baht pro Liter betragt, wahrend geschmuggeltes 01 unter 7 Baht angeboten wird. Dies hangt naturlich auch von der Transportdistanz ab, wodurch z. B. im Siiden der Preis weit niedriger ist als im Nordosten Thailands. lUegaler Waffenhandel
Der florierende Handel mit Waffen in Thailand ist ein Nebenprodukt der politischen Konflikte in dieser Region. Thailand grenzt an Birma, Laos, Kambodscha und Malaysia, und die Beziehungen zu den Nach-
6.2
Landerstudien
107
Tabelle 24: Geschatzter Wert der sichergestellten Waffen von der thailandischen Polizei (jn Mio. Baht) (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 150). Verkaufspreis
Einkaufspreis 1990
16,3
48,9
1991
14,1
42,3
1992
172,4
517,2
Anmerkung: Interview mit einem Polizeibeamten; basierend auf offiziellen Daten.
barlandem waren in den seltensten Fallen friedlich. Dies forderte auch den illegalen Handel mit Waffen. Der Wert der sichergestellten Waffen wurde von der Polizei fiir 1990 bis 92 ermittelt (vgl. Tabelle 24). Im Interview mit zustandigen Polizisten sagten diese aus, dass die sichergestellte Menge weit weniger als 10 Prozent des tatsachlichen Umfangs ausmache, zumal hauptsachlich kleine Schmugglerbanden gefasst werden. Aufgrund dieser Aussagen lasst sich auf Basis einer sichergestellten Menge von 1, 2 oder 5 Prozent ein Schatzbereich fiir den gesamten illegalen Waffenhandel annehmen, der fiir 1992 zwischen 10,3 und 51,7 Mrd. Baht betragt (vgl. Tabelle 25). Abziiglich einem Drittel fiir Einkauf und Transport kalkulieren die Autoren einen Profitbereich an schmutzigen Geldem in Hohe von 60 Prozent des Umsatzvolumens, also zwischen 6 und 31 Mrd. Baht (120 bis 622 Mio. EUR). Tabelle 25: Schatzungen fur den gesamten illegalen Waffenhandel, 1990 bis 92 (in Mrd. Baht) (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 151).
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1090
iiif
0,049
0,042
0,517
bei 5%iger Sicherstellung
0,980
0,840
10,340
bei 2%iger Sicherstellung
2,450
2,100
25,850
bei 1%iger Sicherstellung
4,900
4,200
51,720
Wert der sichergestellten Waffen Gesamtes Handelsvolumen
Anmerkung: auf Basis der Zahlen von Tabelle 24. 108
Kapitel 6: Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
lUegaler Menschenhandel
Fiir den Zeitraum 1991 bis 94 betrug die durchschnittliche Gebiihr an Vermittler fur den Handel mit Arbeitsmigranten nach Japan zwischen 150.000 und 200.000 Baht, welche gewohnlich vor der Reise zu bezahlen ist (vgl. Tabelle 26). Wird eine Frau zur Prostitution nach Japan vermittelt, so fallen dem Agenten in Thailand Kosten fur Dokumente, Reise etc. in Hohe von rund 150.000 Baht an. In Japan werden diese Frauen dann fiir 375.000 Baht an japanische Agenten weiterverkauft, wodurch der thailandische Agent einen Profit von 225.000 Baht realisiert. Der Agent in Japan wiedemm stellt der Frau Schulden in Hohe von 800.000 Baht in Rechnung, die sie in weiterer Folge abarbeiten muss. Fiir Arbeiterlnnen, die in Taiwan zu Arbeiten vermittelt werden, fallen nach Meinung des thailandischen AuBenhandelsministeriums „Vermittlungsgebiihren" in Hohe von 70.000 bis 100.000 Baht an, wobei der Vermittler fiir Visa- und Reisekosten in Hohe von ca. 56.000 Baht aufkommen muss. Tabelle 26: Geschatzte jahrliche Einnahmen aus dem Menschenhandel fur Hauptmarkte illegaler thailandischer Arbeiter, 1993-1995 (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 181).
jlililllH^^^^^ Japan
Taiwan
mannlich
4.000-6.000
150.000200.000
600-800
weibliche Sexarbeiterinnen
6.000-9.000
800.000
4.800-7.200
mannlich und weiblich
100.000
70.000100.000
7.000-10.000
500
140.000
70
110.500115.500
12.400-17.070
4.168-5.988
Deutschland weibliche Sexarbeiterinnen
6.2
Landerstudien
109
Tabelle 27: Geschatzte jahrliche Einnahmen aus dem Menschenhandel von illegalen Burmesischen Immigranten, 1993-1995 (Quelle: Phongpaichit/Piriyarangsan/Treerat, 1998, S. 183). Typ von Arbeilerfn
Pei^./Jahr
Sexarbeiterlnnen
10.000
andere Arbeiter
200.000
[l
210.000
Gebuhr/Pers. (Baht)
GesamtgebClhr (in MIo. Baht)
10.000
100
5.000
1.000 1.100
Zur Schatzung der Gebiihren an Agenten von illegalen burmesischen Immigranten, nahmen die Autoren die Schatzung von 200.000 Personen an, wovon rund 5 Prozent als Sexarbeiterlnnen^^'^ nach Thailand geschmuggelt werden. Dies ergibt einen jahrlichen Betrag von rund einer Mrd. Baht (vgl. Tabelle 27). AUes in allem kommen den Menschenhandlem in Thailand somit aus den vier Hauptstromen des Menschenschmuggels jahrliche Einnahmen in Hohe zwischen 5 und 7 Mrd. Baht zugute (100 bis 140 Mio. EUR). lUegale Prostitution
In den 60er Jahren entwickelte sich in Thailand die Sexindustrie. Viele Politiker schoben das Problem damals beiseite. So verwundert es kaum, dass die Sexindustrie in Thailand nach wie vor boomt. Denn, wie so vieles, hat sich auch die Prostitution globalisiert. tJber die Anzahl der Prostituierten in Thailand herrscht wenig Einigkeit. Die Schatzungen reichen von 65.000 bis 2,8 Millionen. Die plausibelsten und am haufigsten genannten Zahlen liegen aber im Bereich von 150.000 bis 200.000. Die Arten der Bezahlung und der Verdienstverteilung variieren sehr stark zwischen den verschiedenen Einrichtungen und deren GroBe. Deshalb klassifizieren die Autoren drei unterschiedliche Systeme. Beim ersten System, dem so genannten „A11in"-System, bezahlt der Kunde direkt bei der Einrichtung und der/die Sexarbeiterin bekommt davon einen fixen Anteil. Bonuszahlungen in Form von Trinkgeld sind in diesem System relativ gering.
110
Kapitel 6: Studien zur Quantlfizierung der Geldwasche
Die Wertschopfiing aus diesem System hat drei Elemente: den Anteil der/des Arbeiterin, der sich aus der Bandbreite von 40 bis 60 Prozent der Einnahmen berechnet, einem Trinkgeld in Hohe von 10 Prozent und dem Profit der Einrichtung, der aus dem Anteil der Einrichtung abztiglich laufender Kosten iibrig bleibt. Daraus folgt ein jahrlicher Profit von 48 Mrd. Baht (rund 960 Mio. EUR, vgl. Tabelle 28). Das zweite System basiert auf Sex-Arbeit, die iiber Gehalts- und Kommissionszahlungen vergiitet werden. Dies kommt hauptsachlich in Bars, Cocktail Lounges und Karaoke Clubs zur Anwendung. Den Sexarbeiterlnnen wird gewohnlich ein Basisgehalt bezahlt. Aber sie verdienen auch eine Provision fiir den Verkauf von Getranken. Andererseits miissen sie bei Regelbriichen, wie z. B. Fembleiben vom Arbeitsplatz, Strafen zahlen. Der gesamte Profit daraus wird mit 50,7 Mrd. Baht pro Jahr beziffert (rund 1 Mrd. EUR, vgl. Tabelle 29). Das dritte System behandelt die „fi-eischaffenden" Sexarbeiterlnnen. Diese arbeiten absolut unabhangig oder mit minimaler Institutionalisierung, wie z. B. beim Begleitservice. Zur Vereinfachung zahlen die Studienautoren die gesamte Gebuhr fur die Dienste zum Profit, obwohl durchaus im geringen Rahmen Zahlungen an Organisationen anfallen konnten. Der gesamte Gewinn der unabhangigen Sexarbeiterlnnen wird mit 1,6 Mrd. Baht pro Jahr bzw. 33 Mio. EUR beziffert (vgl. Tabelle 30). Alle drei Systeme zusammen ergeben eine jahrliche Wertschopfung aus der Prostitution in Thailand von iiber 100 Mrd. Baht bzw. mehr als 2 Mrd. EUR.
6.2
Landerstudien
111
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Kapitel 6: Studien zur Quantlfizierung der Geldwasche
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6.4
Zusammenfassende Beurteilung
135
anschlieBen: „There is no verifiable method for determining the size of the illicit economy. Estimated figures in this area of illicit proceeds, however carefully calculated, are only guesses. Once stated they take on a reality they do not deserve."^^^
136
Kapitel 6: Studien zur Quantifizierung der Geldwasche
Kapitel 7 Auswirkungen der Geldwasche 7.1 Vorbemerkungen Trotz der Schwierigkeiten, die bei der Messung des Geldwaschevolumens auftreten, vermitteln die Studien doch einen Eindruck von den immensen Summen, die im illegalen Bereich zirkulieren und die nationalen Voikswirtschaften wie auch die gesamte Weltwirtschaft beeinflussen. Die Schaden fur Staat, Okonomie und Gesellschaft fallen umso dramatischer aus, je mehr sich diese professionell organisierten Gruppen national und international ausbreiten, da sie neben dem nicht quantifizierbaren materiellen Schaden auch einen ebenso groBen immateriellen Schaden hinterlassen.^^^
7.2 Auswirkungen auf Untemehmen Die Gefahr eines illegalen Wirtschaftskreislaufes liegt darin, dass aus dem legalen Kreislauf Gelder abgezweigt und diese den illegalen Aktivitaten zugefuhrt werden. Die Finanzmittel im legalen Bereich verringem sich, wahrend jene der Untergrundokonomie anwachsen. Dies hat einen negativen Einfluss auf die Wettbewerbsfahigkeit der legalen Untemehmen. Umgekehrt flieBen aus dem illegalen Kreislauf Gelder iiber die Geldwasche zurlick in den legalen Wirtschaftskreislauf Beispielsweise kann ein Frontuntemehmen^^^ durch den Vertrieb von Hehlerware oder das Aufstocken des Eigenkapitals mithilfe illegal erworbener Mittel seine Stellung am Markt gegeniiber einem legal arbeitenden Untemehmen erheblich verbessem.^^^ Durch die gezielte Allokation illegaler Mittel in bestimmten Markten treten Wettbewerbsstomngen auf, die den legalen Untemehmen einen nachhaltigen
Schaden zufugen und sogar zu deren Verdrangung aus dem Markt fuhren konnen. Aber es sind nicht nur die so entstehenden Wettbewerbsverzerrungen, die die legal arbeitenden Untemehmen treffen, sondem diese sind auch von der Gefahr bedroht, in eine Abhangigkeit von den organisierten Verbrechergruppen zu geraten. Es ist eine in Kreisen der OK weit verbreitete Methode, in bestehende legale Untemehmen zu investieren: zum Zwecke der Geldwasche oder urn sich ein zweites Standbein neben den illegalen Betatigungsfeldem zu schaffen.^^^ Erreichen die Verbrecher genligend Einfluss, werden sie versuchen, die anderen Gesellschafter hinauszudrangen. Eine Infiltration der OK birgt im Bereich der Finanzdienstleistungen ein weiteres Risiko in sich. Gerade bei Banken und Versicherungen spielt das Vertrauen eine groBe Rolle, weshalb eine Erschutterung dieses Vertrauens, falls es zur Entdeckung des Zusammenhangs mit einer kriminellen Organisation kommt, zu einer langfristigen Schadigung oder gar zum Untergang des Untemehmens fuhren kann.^^^ Aufgrund der groBen Bedeutung von Banken und Versicherungen fur die Gesellschaft und Wirtschaft eines Staates, kann so die Stabilitat des nationalen wie auch des internationalen Finanzmarktes in Gefahr geraten. Weltweit gesehen sind, nach einer Umfrage unter (weltweit) 3.634 Untemehmen von PricewaterhouseCoopers, 45 Prozent der Untemehmen im Jahr 2005 Opfer wirtschaftskrimineller Handlungen geworden. Fiir Westeuropa liegt dieser Wert bei 42 Prozent, fiir Deutschland bei 46 Prozent. Allein in Deutschland waren 29 Prozent der Unternehmen von Unterschlagung betroffen, 23 Prozent von Betmg, 13 Prozent von Industriespionage/Produktpiraterie, 9 Prozent von Kormption sowie jeweils 4 Prozent von Falschbilanziemng bzw. Geldwasche. Gegentiber 2003 stieg weltweit die Zahl der gemeldeten Geldwasche(verdachts)falle um 133 Prozent^^"^ Einzelfalle werden immer wieder publik, wie beispielsweise der bereits erwahnte Fall der Bank of Credit and Commerce Intemational (BCCI, ihr Urspmng lag in Pakistan), bei der schon in den 80er Jahren zahlreiche Hinweise auf UnregelmaBigkeiten auftauchten. Aber erst detaillierte Untersuchungen der Bank of England, die der BCCI 1990 Betmg vorwarf, brachten den Fall an die Offentlichkeit. Am 5. Juni
138
Kapitel 7: Auswirkungen der Geldwasche
1991 wurde die BCCI dann weltweit geschlossen. 1994 begann in Abu Dhabi der Prozess gegen 12 leitende Angestellte der BCCI. Ein anderes Beispiel ist der Personalvorstand der Commerzbank (Deutschland), der aufgrund eines Geldwascheverdachtes zurlickgetreten ist. Die Commerzbank war wegen einer treuhanderischen Mehrheitsbeteiligung an der mittlerweile aufgelosten Gesellschaft First National Holding in Verdacht geraten, die wiederum an der russischen Telecominvest beteiligt war...^^^ Die Bekampfling der Geldwasche verursacht Kosten: „Die fur das Aufspiiren notwendigen Computersysteme werden auf jede Bank individuell zugeschnitten und sind entsprechend teuer. Das Beratungsuntemehmen Celent schatzt, dass Finanzdienstleister in Europa und den USA im vergangenen Jahr mehr als funf Milliarden US-Dollar zur Bekampfung der Geldwasche ausgegeben haben. Der GroBteil dieser Summe, rund 3,6 Milliarden US-Dollar, entfiel auf amerikanische Untemehmen, die bis zum vergangenen Jahr nicht verpflichtet waren, solche Systeme einzusetzen. In Deutschland, wo keine Zahlen fur die gesamte Branche existieren, gibt allein die Deutsche Bank jahrlich 15 Millionen Euro fur die Geldwaschebekampfiing aus."^^^ Schmutziges Geld wirkt sich auf die Ressourcenallokation in der Wirtschaft aus, d. h. die Kapitalstrome orientieren sich in erster Linie an gunstigen Rahmenbedingungen flir die Geldwasche. Die Bekampfung der Geldwasche verteuert das Finanzsystem: Die Kosten fur die Strafverfolgung, das Gesundheitswesen und die offentliche Sicherheit steigen - diese Kosten miissen von der Gesellschaft getragen werden.
7.3 Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften 1st die Wiedereinftihrung illegaler Vermogenswerte in den legalen Wirtschaftskreislauf relativ problemlos, fuhrt dies zu einer Unterwanderung der Volkswirtschaft durch kriminelle Organisationen. Langfristig erlangen diese Gruppen einen nicht zu unterschatzenden und gefahrlichen Zuwachs an wirtschaftlicher und letztlich auch politischer Macht.^^^ „Korruption und Geldwasche kosten Russland die 7.3
Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften
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Halfte seiner Wirtschaftskraft", titelte Die Zeit 2005.^^^ Die G8 Lander^^^ stellen in ihrem Kommunique vom 21. Juli 2000 fest: „Die Finanzkriminalitat einschlieBlich Geldwasche stellt eine emste Bedrohung fur unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften dar."
Geldwasche erhoht Korruption und Kriminalitat Die Geldwasche vertuscht nicht nur Straftaten, sondem sie belohnt sie auch monetar. Dies kann keine Gesellschaft zulassen, ohne selbst die Normen, die das Zusammenleben im Rechtsstaat regeln, aufzugeben.^^^ Das gewaschene und damit frei verwendbare Geld ist eine Ressource, die eingesetzt werden kann, um eine Art kriminelle „Gegengesellschaft" zu unterstiitzen.^^^ Es erleichtert weitere Straftaten und fordert die Korruption. So werden Polizei, Justiz und Politiker bestochen, damit sie die Wasche schmutziger Gelder nicht behindem. „Dadurch wird ein negativer Effekt auf Kompetenz und Legitimation von poUtischen Institutionen ausgeubt. Die Erwartungssicherheit, die Institutionen vermitteln sollen, wird unterminiert. "^^^ Ein erschreckendes Beispiel hierfiir ist Sizilien. Dort ist die Wirtschaft derart von der OK durchsetzt, dass von 50.000 EUR an Subventionsgeldem, die in Norditalien drei Arbeitsplatze schaffen wtirden, in Sizilien lediglich einer geschaffen werden kann. Der Rest gelangt in die dunklen Kassen der Mafia.^^^ Die Korruption gehort zu den wirksamsten und fiirchterlichsten Waffen der OK. Durch Politiker- oder Beamtenbestechung werden demokratisch zustande gekommene und zum Zweck der indirekten Steuerung des Wirtschaftsgeschehens gedachte Gesetze einfach unwirksam gemacht. Der Markt wird monopolistisch verzerrt und die ohnehin oft in Frage gestellte Sozialethik sowie die Freiheit der Marktwirtschaft zu einer Farce.^^'^
Geldwasche schadigt die Wirtschaft Wahrend die strafbaren Tatigkeiten, die eine Geldwasche erforderlich machen, eine landerspezifische Frage darstellen, ist die Geldwasche selbst eine Internationale Angelegenheit.^^^ Somit ergibt sich eine Trennung zwischen den Orten der Straftaten und den Orten, wo das illegal erworbene Geld gewaschen wird. Wenn das von den organi140
Kapitel 7: Auswirkungen der Geldwasche
sierten Verbrechem in einem Land erwirtschaftete Vermogen eine gewisse Hohe erreicht, konnen die gewaltigen Kapitalfliisse vom Land der Straftat in das Land der Geldwasche okonomische GroBen wie Zinsen, Renditen, und Wechselkurse - in eine Richtung beeinflussen, die flir die okonomische Entwicklung der betroffenen Lander und deren Wahrungen nicht nur unerwunscht, sondem auch kontraproduktiv ist.^^^ Zahlungsbilanzen
Wie bereits im Kapitel 5.2 iiber die direkten Schatzmethoden zur Quantifizierung der Geldwasche beschrieben, miisste die Aggregation aller Teilbilanzen der Zahlungsbilanz in Summe Null ergeben. Wenn also ein Land Waren, Dienstleistungen oder Kapital exportiert, mtisste eine entsprechende Aufzeichnung im importierenden Land stattfinden. Jedoch steigt die Summe der Zahlungsbilanzasymmetrien stetig an.^^^ Der IWF sieht eine signifikante Zunahme der Zahlungsbilanzposition „errors and omissions" (ungeklarte Betrage) liber die letzten Jahrzehnte.^^^ Der iiberwiegende Teil der Asymmetrien ergibt sich aus nicht Oder nur einseitig erfassten physischen oder elektronischen Transfers von Geldem, die Gegenstand von Geldwasche, Kapital- oder Steuerflucht sind. (sog. „hot money").^^^ So wird beispielsweise Kapitalverkehr mit Off-Shore-Landem nur auf Seiten der Nicht-Offshore-Lander registriert. Uber- und Unterfakturierung im intemationalen Warenverkehr fuhrt zu Verzerrungen ohne realwirtschaftlichen Hintergrund. Schatzungen besagen, dass bis zu zwei Drittel des US-amerikanischen Handelsbilanzdefizits (laut einer Studie aus dem Jahr 1995) auf dieses „misinvoicing" zuruckzufiihren sind.^"^^ Wenn die Daten der Zahlungsbilanzen Grundlage fur wirtschaftspolitische Entscheidungen sind, konnen Fehlentscheidungen aufgrund dieser Verzerrungen nicht ausgeschlossen werden.^"^^ Marktpreise und Volatilitaten
Auch Preise von Vermogenswerten wie Immobilien und Grundstucke - Bereiche, in die nicht seiten zu waschendes Geld flieBt - konnen durch einen Geldzustrom deutlich in die Hohe getrieben werden. Haufig wird schmutziges Geld nicht iiber Finanzinstitutionen gewaschen, sondem es fliept in „sterile" Investitionen, also in Investitionen, die 7.3
Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften
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keine zusatzliche Produktivitat fiir die Wirtschaft generieren.^"^^ Beispiele hierfiir sind Immobilien, Kunst, Antiquitaten, Schmuck oder luxuriose Automobile. Eine derartige Geldwasche schwacht das Wirtschaftswachstum eines Landes, weil der legalen Wirtschaft Ressourcen entzogen werden^"^^, die zum GroBteil in weniger produktive Bereiche flieBen.^^^ Einen erheblichen Schaden erleidet die Volkswirtschaft eines Landes auch durch die SteuereinbuBen. Insbesondere professionelle Geldwascheorganisationen wenden Techniken an, die nicht nur der Geldwasche dienen, sondem auch der Steuerhinterziehung. New York erlebte zu Beginn der 80er Jahre einen beispielhaften Immobilienboom. Das US Commerce Department kalkulierte allein fur 1984 einen Netto-Zustrom von 100 Mrd. USD.^"^^ Als Florida die Anti-Drogen-/Anti-Geldwaschema6nahmen verscharfte, sorgten die abflieBenden Gelder in Kalifomien fur einen „booming real estate market".^'*^ Mit dem „Aufstieg" Spaniens zum Hauptumschlagplatz fur Drogen ist auch ein enormer Immobilienboom zu verzeichnen. „...die Wohnungspreise steigen zweistellig, und die gesamte spanische KUste ist inzwischen zugebaut, vor allem rund um Marbella."^"^^ Global betrachtet konnen aber neben den nationalen Preisen auch Internationale Preise, wie beispielsweise Rohstoffpreise, beeinflusst werden. Als Beispiel hierfiir ist ein Verbrecherring zu nennen, der Anfang der 90er Jahre in Italien aufgedeckt wurde. Das mit Drogen erwirtschaftete Geld wurde aus den USA zunachst nach Italien gebracht und in Gold investiert. Auf diese Weise hat monatlich rund eine Tonne Gold Italien verlassen, was hochstwahrscheinlich auch den Goldpreis auf den Markten beeinflusst.^'*^ Geldmenge und Wechselkurse
AuBerdem fiihrt ein groBer Zustrom an Geld im Land der Geldwasche zu einer Aufwertung der nationalen Wahrung und/oder als Reaktion der Notenbank zu einer Expansion der Geldmenge.^"*^ Wahrend eine Aufwertung die Wettbewerbsfahigkeit des Landes schwacht, fuhrt die Geldmengenerhohung zu einem erhohten Druck auf die inlandischen Preise.
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Kapitel 7: Auswirkungen der Geldwasche
1991 wamte der italienische Finanzminister Guido Carli vor der Implementierung der Anti-Geldwaschegesetzgebung, da „ (...) wir hier im Land umgerechnet mehrere hundert Milliarden Spekulationsgeld im Geldkreislauf haben, das zu einem guten Teil aus illegalen Geschaften stammt, und wenn diese abfliefien, sturzt die Lira senkrecht ab." ^^^ Als das Gesetz 1992 dennoch verabschiedet wurde, trat die Prophezeiung ein, und Italien musste im September 1992 aus dem EWS austreten, obwohl aus volkswirtschaftlicher Sicht keine Griinde fur eine derartige Abwertung abzuleiten waren. Ein weiteres Beispiel ist Kolumbien: Die teilweise Riickfuhrung von Drogengelder haben den Peso zu einer der stabilsten Wahrungen in Gesamtamerika gemacht.^^^ Durch die starken Dollarzufliisse im Jahr 1979 stieg die kolumbianische Inflationsrate zwischenzeitlich jedoch auf bis zu 28 Prozent.^^^ Bis Anfang der 80er Jahre konnte das Land Devisenzufltisse verzeichnen. Als die Regierung 1984 ein Anti-Drogenprogramm verabschiedete, wurden Haushaltsuberschiisse von Defiziten abgelost und der Peso biiBte in Erwartung sinkender Drogenexporte gegentiber dem USD deutlich an Wert ein.^^^ 1996 weist der IWF auf unerklarliche Schwankungen der Geldnachfrage in den 80er und 90er Jahren hin.^^"* Vor allem okonomisch schwache Staaten, die hauptsachlich Finanzdienstleistungen anbieten konnten in wirtschaftliche - und damit auch politische - Abhangigkeit geraten. Die Auswirkungen der Geldwasche auf die Geldnachfrage wurden bereits im Kapitel 5.2 (Bargeldumlaufmethode) und 6.3 (Studie des IWF) skizziert. Trotz steigender Tendenz zum bargeldlosen Zahlungsverkehr ist die Nachfrage nach Bargeld ungebrochen. Vor allem die Praferenz fiir grofie Scheine ist auffallig. Ein aktuelles Beispiel ist Spanien: „In keinem anderen Land der Europaischen Union wachst die Anzahl der 500-Euro-Scheine so stark wie in Spanien. Inzwischen verfiigt das Land liber ein Viertel aller im Euroraum zirkulierenden Noten. Allein im Oktober stieg die Anzahl der Scheine um 28 Prozent auf 88 Millionen, das sind zwei 500-Euro-Scheine pro Spanier."^^^ Finanzexperten sehen einen Zusammenhang mit dem enormen Immobilienboom seit Ende der 90er Jahre, wahrend die Notenbank der Meinung ist, dass die Banken lediglich der Nachfrage ihrer Kunden nachkommen. Die erste These wird untermauert durch das Faktum, dass Spanien zum Hauptumschlagplatz fiir Drogen in Europa geworden ist. 7.3
Auswirkungen auf Volkswirtschaften und Gesellschaften
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Ressourcenallokation und Wirtschaftswachstum
Neben den nationalen Wachstumsraten ist aber auch das Weltwirtschaftswachstum direkt von der Geldwasche negativ betroffen. Da schmutzige Gelder nicht den Weg der hochsten Rendite suchen, sondem auf dem einfachsten Weg gewaschen werden soUen, flieBt Geld von Landem mit einer guten Wirtschaftspolitik und hohen Renditen in Lander mit einer schwacheren Wirtschaftspolitik und niedrigeren Renditen. Das Weltvermogen wird somit weniger optimal eingesetzt als ohne Geldwasche und fiihrt zu einem geringeren Weltwirtschaftswachstum.^^^ Der IWF weist in der Studie von Quirk nach, dass eine negative Korrelation zwischen der Kriminalitatsrate als Parameter fur die Geldwasche und der Wachstumsrate des BIPs einiger Lander besteht. Bin Anstieg der Kriminalitat und der Geldwasche um 10 Prozent lasst die Wachstumsrate des BIPs um 0,1 Prozent-Punkt geringer ausfallen.^^^ Wirtschafts- und GeldpoUtik
Durch die geldwascheinduzierten Kapitalstrome konnen Zahlungsbilanzen verzerrt, das Geldangebot und die Geldnachfrage volatiler werden. Die Steuerung der Geldmenge ist erschwert, intemationale Kapitaltransfers, die nicht primar die Divergenzen der okonomischen Daten reflektieren, werden vorgenommen, Wahrungs- und Zinsparitaten und andere Marktpreise werden verzerrt. Solche Verzerrungen geben falsche okonomische Signale an die wirtschaftspolitischen Entscheidungstrager und konnen Fehlentscheidungen und Fehlallokationen zur Folge haben.^^^ Da die Wahrung des schmutzigen Geldes hauptsachlich der USD ist, besteht weiterhin die Gefahr der „Dollarisierung" der Wirtschaft, die den fiskalischen und geldpolitischen Spielraum nationaler Regierungen bzw. Notenbanken erheblich einengt.
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Kapitel 7: Auswirkungen der Geldwasche
Kapitel 8 Die Finanzlerung der Terror-Organisationen Parallel zur Globalisierung in der Weltwirtschaft hat sich nicht nur das organisierte Verbrechen, sondem auch das ideologische Verbrechen (Terror) globalisiert. Die mediale Verbreitung macht die TerrorOrganisationen in immer weiteren Kreisen bekannt und verunsichert immer mehr Menschen. Auch vor Aktionen gegen Zivilisten schrecken Terroristen nicht zuriick. Durch Terroranschlage wollen sie eine Macht ausiiben, die aufierhalb der intemationalen Diplomatic, Kriegsregeln und -verfahren liegt.^^^ Als Ergebnis ihrer intemationalen Struktur werden terroristische Aktivitaten aufierhalb des Ziellands geplant, es sind fremde Personen daran beteiligt, oder verschiedene Terror-Organisationen teilen sich die Aufgaben und arbeiten zusammen. Dieser Terrorismus erfordert gut ausgebaute Internationale Beziehungen und starke Finanzquellen. Fiir die Bekampfung des Terrors und der organisierten Kriminalitat ist daher die Unterbindung der Geldwasche und deren Bestrafung eine wichtige Strategic. Seit dem 11. September 2001 werden die Bekampfung der Geldwasche und die Terrorbekampfung als Einheit gesehen, denn wie die organisierte Kriminalitat machen auch Terror-Organisationen von der Geldwasche zur Finanzierung ihrer Verbrechen Gebrauch. Ein anderer Teil ihrer Finanzquellen stammt allerdings aus legalen Spenden oder legalem Handel. Diese Einkommen, die nicht als Schwarzgeld bezeichnet werden konnen, dienen auf geheime Weise zum Erwerb von Sprengstoff oder Waffen oder als Entgelt flir Terroristen. Dies wird dann als „umgekehrte Geldwasche" oder „Illegalisierung sauberen Geldes" bezeichnet. „Demnach muss bei der Geldwasche ermittelt werden, woher die Gelder kommen und bei der Finanzierung des Terrors, wohin die Gelder gehen."^^^
8.1 Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft in Deutschland, Italien, Frankreich und GroRbritannien Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft (klassische Kriminahtat) sind, wie bereits erwahnt, verschiedene Aktivitaten, die sich weitgehend ausschlieBen, da die Untergrundwirtschaft keine positive Wertschopfung fur die Volkswirtschaft darsteUt und daher im Unterschied zur Schattenwirtschaft nicht als Komplement zum offiziellen BIP betrachtet werden kann. Allerdings sind die Ubergange oft flieBend. Es gibt verschiedene Ansatze, urn Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft zu quantifizieren.^^^ Die folgenden Berechnungen basieren auf Schatzungen der unbeobachtbaren Variablen „Schattenwirtschaft" und „Untergrundwirtschaft" auf der Grundlage von theoretischen Ursache-Wirkungszusammenhangen. Beim LISREL- bzw. DYMIMICVerfahren wird die Schattenwirtschaft als unbeobachtbare Variable modelliert, die dann mit Hilfe von Ursachen (Steuerlast, Regulierungsdichte, Steuermoral etc.) und Indikatoren (wie z. B. Bargeldnachfrage oder effektive Arbeitszeit) statistisch geschatzt wird. Misst man mit Hilfe der genannten Verfahren allein fiir Deutschland die Anteile der Schattenwirtschaft und der Untergrundwirtschaft (typische kriminelle Aktivitaten wie Einbruch, Rauschgifthandel etc.), zeigen sich die enormen Summen, die in diesen Bereichen umgesetzt werden (vgl. Abbildung 15). Ende der 90er Jahre hat die Untergrundwirtschaft die Schattenwirtschaft an Volumen „tiberholt". Die kriminellen Aktivitaten sind wertmaBig deutlich gewachsen, namlich von 189 Mrd. EUR im Jahr 1996 auf 410 Mrd. EUR im Jahr 2004. Dies entspricht einem Anteil von 10,4 Prozent des offiziellen BIP im Jahr 1996, der sich bis 2004 beinahe verdoppelte (18,8 Prozent). In Deutschland ist das AusmaB der Untergrundwirtschaft zwar im Vergleich zu Italien, Frankreich und GroBbritannien nicht am hochsten, jedoch hat sie die Schattenwirtschaft tiberfltigelt, was in den an-
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Kapitel 8: Die Finanzierung der Terror-Organisationen
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1996 1997 1998 |1999 12000 12001 12002 2003 12004
1 H H i UntergrundwJrtschaft 189
217
248
280
334
355
371
399
410
Schattenwirtschaft
263
280
286
308
329
336
350
370
356
Schattenwirtschaft
14,5 15,0 14,8 15,5 16,0 16,0 |l6,6
1 X
16%? I 14 % S I 12%.g
Untergrundwirtschaft 10,4 11,6 12,8 14,1
16,3 16,9 |l7,4
L 0%
17,4 1 16,4 18,0 |l8,8
Abbildung 15: Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft in Deutschland von 1996 bis 2004 in Mrd. Euro (Quelle: Eigene Berechnungen).
deren Landem nicht der Fall ist (vgl. Abbildung 16 und Tabelle 41). Im Landervergleich zwischen Deutschland, Italien, Frankreich und GroBbritannien zeigt sich ein hoher Einfluss der Untergrundwirtschaft in Italien (durch die Mafiastrukturen), mit einem Anteil von 23 Prozent des BIP im Jahr 2003, gefolgt von Deutschland mit 18 Prozent. Frankreich liegt mit 12 Prozent noch vor GroBbritannien mit 11 Prozent des „offiziellen" BIP. Die Entwicklung der Schattenwirtschaft und der Untergrundwirtschaft zeigt, dass beide „bedeutende Wirtschaftszweige" mit weit iiber 10 Prozent des „offiziellen" BIP sind. Jedoch stagniert die Schattenwirtschaft in den letzten Jahren, wahrend die Untergrundwirtschaft weiter stark wachst. Diese Dimensionen zeigen, dass die Untergrundwirtschaft auch ein guter Nahrboden ftir die Finanzierung von TerrorOrganisationen ist, da hier das Geld gar nicht erst in die offizielle Wirtschaft transferiert werden muss, sondem sofort zur Finanzierung terroristischer Aktivitaten bereitsteht.
8.1
Schattenwirtschaft und Untergrundwirtschaft
147
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