Ein einheit Konzept verallgemeinerter Kontinua mit Mikrostruktur [PDF]


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Zitiervorschau

Ein einheitliches Konzept verallgemeinerter Kontinua mit Mikrostruktur

Vom Fachbereich Mechanik der Technischen Universitat Darmstadt zur Erlangung der venia legendi fur das Fach Mechanik genehmigte Habilitationsschrift

von Dr.-Ing. Carlo Sansour geb. in Bethlehem

Ein einheitliches Konzept verallgemeinerter Kontinua mit Mikrostruktur

Vom Fachbereich Mechanik der Technischen Universitat Darmstadt zur Erlangung der venia legendi fur das Fach Mechanik genehmigte Habilitationsschrift

von Dr.-Ing. Carlo Sansour geb. in Bethlehem

Referenten: Prof. Dr.-Ing. P. Wriggers Prof. Dr.-Ing. O.T. Bruhns Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. F.G. Kollmann

Tag der Habilitation: 9. Juli 1997

Publikationsreihe des Fachgebiets Maschinenelemente und Maschinenakustik der Technischen Universität Darmstadt

Band 2/99

Carlo Sansour

Ein einheitliches Konzept verallgemeinerter Kontinua mit Mikrostruktur unter besonderer Berücksichtigung der finiten Viskoplastizität

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D 17 (Habil.-Schr. TU Darmstadt)

Shaker Verlag Aachen 1999

Die Deutsche Bibliothek

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CIP-Einheitsaufnahme

Sansour, Carlo: Ein einheitliches Konzept verallgemeinerter Kontinua mit Mikrostruktur unter besonderer Berücksichtigung der finiten Viskoplastizität / Carlo Sansour. - Als Ms. gedr. Aachen : Shaker, 1999 (Publikationsreihe des Fachgebiets Maschinenelemente und Maschinenakustik der Technischen Universität Darmstadt ; Bd. 99,2) Zugl.: Darmstadt, Techn. Univ., Habil.-Schr., 1999 ISBN 3-8265-6703-X

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Copyright Shaker Verlag 1999 Alle Rechte, auch das des auszugsweisen Nachdruckes, der auszugsweisen oder vollständigen Wiedergabe, der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen und der Übersetzung, vorbehalten. Als Manuskript gedruckt. Printed in Germany.

ISBN 3-8265-6703-X ISSN 1435-4292 Shaker Verlag GmbH • Postfach 1290 • 52013 Aachen Telefon: 02407 / 95 96 - 0 • Telefax: 02407 / 95 96 - 9 Internet: www.shaker.de • eMail: [email protected]

Vorwort Diese Arbeit entstand wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet fur Maschinenelemente und Maschinenakustik der Technischen Universitat Darmstadt im Rahmen des Sonderforschungsbereichs \Deformation und Versagen von metallischen und granularen Strukturen". Obwohl das Fachgebiet innerhalb des Fachbereiches Maschinenbau angesiedelt ist, beschaftigte ich mich im Rahmen des Sonderforschungsbereichs mit Themen, die dem Fach Mechanik zuzuordnen sind. Gleiches gilt fur diese Schrift. Die Tatsache, daes an der Universitat Darmstadt eine eigenstandige Fakultat fur Mechanik gibt, in der deutschen universitaren Landschaft eher die Ausnahme, motivierte mich nun, die Habilitation innerhalb dieses Fachbereiches anzustreben. Den Professoren des Fachbereiches Mechanik, die dieses ermoglicht haben, bin ich daher zu Dank verp ichtet. Mein ganz besonderer Dank gilt Herrn Prof.Dr.-Ing. P. Wriggers fur seine Forderung und wohlwollende Unterstutzung. Seine Aufgeschlossenheit und sein o ener Geist, hat vieles erst moglich gemacht. Er ubernahm das Hauptreferat. Besonders zu Dank verp ichtet bin ich dem Koreferenten Herrn Prof.Dr.-Ing.Dr.-Ing.E.h. F.G. Kollmann, dem Leiter des Fachgebietes Maschinenelemente und Maschinenakustik. Ohne die Freiraume, die er mir gewahrte, ware diese Schrift so nicht moglich gewesen. Er unterstutzte meine Arbeit und begleitete sie stets mit groem Interesse. Die Gesprache mit ihm, oft auch uber das Fachliche hinausgehend, haben wesentlich zu einer angenehmen und anregenden Atmosphare am Fachgebiet beigetragen. Herrn Prof. Dr.-Ing O.T. Bruhns danke ich ebenfalls fur die ubernahme eines Koreferats. Seinem unermudlichen Einsatz in Deutschland fur das Fach Mechanik und seiner Forderung junger Wissenschaftler gebuhrt Bewunderung.

Carlo Sansour

Kurzfassung In dieser Arbeit wird eine Theorie verallgemeinerter Kontinua vorgelegt, die sowohl das klassische Kontinuum als auch bisherige Modelle wie das Cosserat und das mikromorphe Kontinuum unter einem einheitlichen Schirm zusammenfat. Das allgemeine Kontinuum weist unendlich viele Freiheitsgrade auf. Die Beschrankung auf endlich viele Freiheitsgrade fuhrt zu speziellen Theorien, deren Konzeption problemorientiert ist. Eine besondere Eigenschaft des neuen Konzepts verallgemeinerter Kontinua ist die Unabhangigkeit vom gewahlten Sto gesetz. So konnen z.B. konstitutive Modelle der niten Viskoplastizita t vom vereinheitlichten Typ ohne weiteres berucksichtigt werden, was bisher als kaum moglich erachtet wurde. Das neue Konzept verallgemeinerter Kontinua kann ebenfalls eingesetzt werden, um sowohl Dimensionsreduktion (Herleitung von Schalen- und Stabmodellen) als auch um Dimensionserweiterung (Einfuhrung von inneren Langen) systematisch zu erreichen. Bekanntlich stellen die Rotationen die erweiterten Freiheitsgrade dar, die das Cosserat Kontinuum charakterisieren. Diese spielen bereits bei einem klassischen Kontinuum eine besondere Rolle, die auch bei verallgemeinerten Kontinua voll zum Tragen kommt. Daher werden sich die ersten Kapitel der Arbeit mit dem Konzept des klassischen Kontinuums und der Rolle der Rotationen befassen, bevor uber verallgemeinerte Kontinua gesprochen wird. Es wird gezeigt, da die Rotationen stets (auch bei klassischen Kontinua) als unabhangige Freiheitsgrade betrachtet werden konnen. Die Aussage ist auch deshalb wichtig, weil sie die Zerlegung des Strecktensors als Basis fur eine Theorie der niten Inelastizita t nahe legt. Ausfuhrlich werden insgesamt vier mogliche Strecktensorzerlegungen diskutiert. Insbesondere wird gezeigt, da vollstandige Theorien auch auf der Basis von Zerlegungen des raumlichen Strecktensors entwickelt werden konnen. Dieselben Ideen, die eine richtige Behandlung von raumlichen Strecktensoren erlauben, fuhren auch zur Klarung von zwei weiteren wichtigen o enen Fragen. Zum einen wird die Frage der Anisotropie in der Momentankon guration aufgeworfen und behandelt. Zum anderen wird die Frage der passenden Wahl einer objektiven Ableitung, fur welche Evolutionsgleichungen formuliert werden sollen, ebenfalls geklart. Es wird gezeigt, da sich in Anwesenheit von Anisotropie die Form der konstitutiven Beziehungen andert, wenn raumliche Tensoren als die primaren Spannungs- und Verzerrungsgroen betrachtet werden. Beachtet man solche Modi kationen, so gelingt es, die Anisotropie in der Momentankon guration richtig zu erfassen. Es kommt ein Hauptgedanke zum Tragen: nichtobjektive Anteile verandern uber das Sto gesetz die Form einer der beiden Gleichgewichtsbedingungen. So ist entweder die Form des Kraftegleichgewichts oder die des Momentengleichgewichts entsprechend zu modi zieren. Was ubrig bleibt, ist dann eine objektive Ableitung, fur welche Evolutionsgleichungen formuliert werden. Die Feststellung ist also wesentlich, da die benotigten objektiven Ableitungen nicht gewahlt, sondern berechnet werden mussen. Die Ergebnisse, die fur klassische Kontinua gewonnen worden sind, gelten auch fur verallgemeinerte Kontinua. Von groem Wert ist die Feststellung, da Invarianz der Verzerrungsmae nur bezuglich der orthogonalen Gruppe gefordert werden mu. Die Erweiterung solcher Invarianzforderungen auf andere Lie Gruppen kann zu Verzerrungsmaen fuhren, die nicht sinnvolle Gleichgewichtsbeziehungen nach sich ziehen. Diese Ideen werden anhand des

Beispiels mikromorpher Kontinua nach Eringen und Kafadar verdeutlicht. Die Anwendbarkeit der in der Arbeit dargelegten Konzepte wird anhand von vier verschiedenen Fallen aufgezeigt, begleitet von numerischen Berechnungen. Eine Membrantheorie niter Verzerrungen unter Einschlu der Rotationen als unabhangige Variable, Finite Viskoplastizitat basierend auf Strecktensorzerlegungen, Schalentheorie uber das Modell einer Cosserat Flache und Schalen als mikromorphe Flachen unter Einschlu niter viskoplastischer Verzerrungen stellen die Anwendungsgebiete dar.

Inhaltsverzeichnis 1 Einfuhrung

1

2 Wesentliche Elemente der Transformationsgruppen

7

2.1 Transformationsgruppen und die Exponentialabbildung : : : : : : : : : : : : 7 2.2 Tangenten und die Lie Algebra : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 9 2.3 Zeitliche Ableitungen und Variationen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 11

3 Anisotropie und hyperelastische Sto gleichungen 3.1 3.2 3.3 3.4

Notation und wesentliche geometrische Relationen : : Hyperelastische Beziehungen. Eine erste Diskussion : Ein erster Weg zur Erfassung materieller Anisotropie Anisotropie in der Momentankon guration : : : : : : 3.4.1 Verwendung des Strecktensors Vs : : : : : : : 3.4.2 Eine alternative Herleitung : : : : : : : : : : : 3.4.3 Verwendung des linken Cauchy-Green Tensors

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13 13 15 17 19 20 23 24

4 Das Rotationsfeld als unabhangige Variable

27

5 Elasto-Viskoplastizita t basierend auf Strecktensorzerlegungen

33

4.1 Nichtsymmetrische Strecktensoren : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 27 4.2 Zur Zerlegung des Deformationsgradienten : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 31 5.1 Allgemeines : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 5.2 Die multiplikative Zerlegung von U : : : : : : : : : : : 5.2.1 Erste Zerlegung des materiellen Strecktensors : 5.2.2 Zweite Zerlegung des materiellen Strecktensors : I

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33 35 35 39

II

INHALTSVERZEICHNIS 5.3 Die multiplikative Zerlegung von V : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 5.3.1 Erste Zerlegung des raumlichen Strecktensors : : : : : : : : : 5.3.2 Zweite Zerlegung des raumlichen Strecktensors : : : : : : : : : 5.3.3 Ein elastisches Verzerrungsma vom linken Cauchy-Green-Typ 5.4 Bemerkungen zum Fall der induzierten Anisotropie : : : : : : : : : :

6 Das Cosserat Kontinuum. Eine erste Formulierung 6.1 6.2 6.3 6.4

Die Verzerrungsmae : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Gleichgewichtsbedingungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Der elastische Fall. Die Lagrange Funktion : : : : : : : : : : : Der elastisch-viskoplastische Fall : : : : : : : : : : : : : : : : : 6.4.1 Multiplikative-additive Zerlegung der Verzerrungsmae 6.4.2 Positive Dissipation und Flieregeln : : : : : : : : : : : 6.4.3 Diskussion : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :

7 Eine einheitliche Theorie verallgemeinerter Kontinua

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Erste Diskussion mikromorpher Kontinua nach Eringen : : : : : : : : Verallgemeinerung des Begri s der Mikrodeformation : : : : : : : : : Strecktensoren im Mikrobereich : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Gleichgewichtsbedingungen : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : Theorien niter Verzerrungen - Hyperelastizitat und Viskoplastizita t : 7.5.1 Hyperelastizita t : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 7.5.2 Finite Viskoplastizita t : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 7.6 Diskussion : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 7.7 Bemerkungen zu einigen geometrischen Konzepten : : : : : : : : : : : 7.7.1 Zur Struktur der Kon gurationsraume : : : : : : : : : : : : : 7.7.2 Das externe Potential : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 7.7.3 Kompatibilitatsbedingungen und Spannungsfunktionen : : : :

7.1 7.2 7.3 7.4 7.5

8 Anwendungsbeispiele und numerische Berechnungen

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41 41 44 45 46

49 49 50 50 53 53 54 55

57 57 59 61 63 64 64 66 68 68 69 69 70

71

8.1 Ein hyperelastisches Membran : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 71 8.2 Viskoplastizita t basierend auf Strecktensorzerlegungen : : : : : : : : : : : : 75

INHALTSVERZEICHNIS 8.3 Die Schale als ein zweidimensionales Cosserat Kontinuum : : : : : : : : : 8.4 Die Schale als ein zweidimensionales mikromorphes Kontinuum : : : : : : 8.4.1 Kinematik und Verzerrungsmae : : : : : : : : : : : : : : : : : : 8.4.2 Das Prinzip der virtuellen Arbeiten und konstitutive Gleichungen 8.4.3 Elastische Berechnung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : 8.4.4 Viskoplastische Berechnung : : : : : : : : : : : : : : : : : : : : :

Literatur

III

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77 78 78 80 81 84

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Kapitel 1 Einfuhrung Ziel dieser Arbeit ist es, einige Strukturen von Kontinua mit Mikrostruktur zu untersuchen, die durch das explizite Heranziehen von zusatzlichen eventuell die materielle Mikrostruktur beschreibenden Freiheitsgraden charakterisiert werden. In [45] werden solche Kontinua auch verallgemeinerte Kontinua genannt, und so wird dieser Begri in dieser Arbeit neben dem Begri Kontinua mit Mikrostruktur in einem aquivalenten Sinn Verwendung nden. In der Literatur wird der Begri Mikrostruktur als Sammelbegri zur Beschreibung der verschiedensten Materialeigenschaften verwendet. Verschiedenste Phanomene statten das Material mit einer Mikrostruktur aus, so z.B. Risse, Versetzungen, Inhomogenitaten, induzierte Anisotropie, Schadigungen und vieles mehr. Die Mikrostruktur selbst kann auch verschieden beschrieben werden. So stellen innere Variable ein Mittel dar, Vorgange in der Mikroebene auf einer makroskopischen Groe abzubilden. Kontinua, deren Beschreibung mehr als das Verschiebungsfeld als Freiheitsgrade verlangt, stellen eine weitere wichtige Klasse von Materialien mit Mikrostruktur dar. Cosserat und mikromorphe Kontinua sind die wichtigsten Vertreter dieser Klasse. Die die Mikrostruktur beschreibenden Felder sind kinematische Felder, fur welche (event. mit Hilfe einer geeigneten Wirkung) korrespondierende Euler-Lagrange Gleichungen formuliert werden konnen. Zusatzlich zu den erweiterten Freiheitsgraden konnen auch innere Variable berucksichtigt werden. Das ist z.B. der Fall, wenn die Viskoplastizita t solcher Kontinua betrachtet wird. Betrachtet man das Cosserat Kontinuum, so ist es ein Rotationsfeld, das als ein erweiterter Freiheitsgrad auftritt. Bereits im klassischen Kontinuum aber zeigt es sich, da die Rotationen eine besondere Rolle spielen und somit nach einer ausfuhrlichen Untersuchung verlangen; eine Rolle, die viel mit den Invarianzfragen der Verzerrungsmae zu tun hat und bei allen verallgemeinerten Kontinua zum Tragen kommt. Es zieht sich ein Grundgedanke wie ein Leitfaden durch diese Arbeit: Das Rotationsfeld ist ein kinematisches Feld, das als unabhangig behandelt werden kann. Diese Grundidee wird in den ersten drei Kapiteln vorbereitet und motiviert, bevor sie ab dem vierten Kapitel dann ganz zum Tragen kommt. Sie hat weitreichende Konsequenzen, denn kinematische Felder konnen nicht in elastische und inelastische Anteile zerlegt werden. Diese fur das Verschiebungsfeld als selbstverstandlich erachtete Feststellung, mu, der Logik des Grundgedanken uber die Natur der Rotationen folgend, ebenfalls fur die Rotationen gelten. Damit kann nur der Strecktensor U selbst in 1

2

 KAPITEL 1. EINFUHRUNG

elastische und inelastische Anteile zerlegt werden. Noch mehr: eine mogliche Kopplung der Rotationen an das Verschiebungsfeld, wie dies bei einer polaren Zerlegung geschieht, ist mit Symmetriebedingungen verknupft. Letztere stellen Nebenbedingungen dar, die berucksichtigt werden mussen. Um so bemerkenswerter ist, da eine solche Nebenbedingung auch gar nicht so einfach erfullt werden kann. Ja, in vielen Arbeiten, wo von solchen Zerlegungen die Rede ist, fuhren die verwendeten Evolutionsgleichungen geradezu zwingend zu einem Bruch mit solchen Nebenbedingungen; ein eklatanter Widerspruch, der nur dann behoben werden kann, wenn erkannt wird, da es keinen Sinn macht, nach plastischen Rotationen zu fragen. Anders als in vielen Arbeiten wird hier der Strecktensor U und nicht der rechte CauchyGreen Tensor C als die primare Verzerrungsgroe angesehen. Mit C wird hau g die Eigenschaft einer materiellen Metrik verknupft. Wahrend aus einem gegebenen U die Metrik C durch die Beziehung C = UT U berechnet werden kann, lat sich die Umkehrung nur bewerkstelligen, wenn U selbst symmetrisch ist. Im allgemeinen Fall aber soll U nicht symmetrisch zugelassen werden; diese Tatsache motiviert schon, U als die primare Verzerrungsgroe zu sehen. Klar ist auch, da jede Theorie, die auf der Basis von Verzerrungstensoren vom Cauchy-Green-Typ aufgebaut ist, ein Spezialfall von Theorien auf der Basis von Strecktensoren sein mu. Es ist aber nicht nur die Suche nach der allgemeinst moglichen theoretischen Konstruktion, die uns motiviert, mit U zu arbeiten. Es ist vor allem die Tatsache, da mit U auch die Rotationen sichtbar werden. Sie kommen in der Theorie explizit vor, und mit ihnen wird etwas sichtbar, was sonst als apriori erfullt betrachtet wird: das Momentengleichgewicht. Das letzteres so wichtig ist, sei anhand der Tatsache dokumentiert, da bisher die Verwendung von raumlichen Variablen bei einem anisotropen Materialverhalten deshalb als unzulassig betrachtet wird, weil jene Gleichgewichtsbedingung verletzt sei (manchmal wird auch die Argumentation der Objektivitat herangezogen). Nun, warum soll ein wohl de nierter raumlicher Verzerrungstensor, wie z.B. der Almansische, zur Beschreibung eines anisotropen hyperelastischen Materialverhaltens nicht herangezogen werden durfen? Die Heranziehung von Strecktensoren ermoglicht es, das Momentengleichgewicht transparent zu machen, was letztlich den Weg aufzeigt, wie raumliche Tensoren verwendet werden mussen, auch im anisotropen Fall. Wir erhalten die Antwort, die wir suchen: man kann immer raumliche Tensoren verwenden, auch bei Anisotropie und nicht nur im elastischen Fall. In einem dissipativen Fall, wie dem der Viskoplastizita t, sind Evolutionsgleichungen zu formulieren. Verwendet man raumliche Groen, so mussen die Evolutionsgleichungen fur objektive Ableitungen formuliert werden. Die Literatur erlebte eine lange und kontroverse Diskussion, welche objektive Ableitung nun die physikalisch sinnvollste Wahl sei (siehe z.B. [2, 11, 26, 59, 68, 95, 105]). Es scheint, da das Thema in der Literatur noch nicht ausdiskutiert worden ist. Der Weg, der zur Behandlung der Anisotropie eingeschlagen wird, wird uns auch zur physikalisch sinnvollen objektiven Ableitung fuhren. Es zeigt sich, da wir eigentlich uber keine Wahlmoglichkeit verfugen. Denn das, was nicht objektiv ist, verschwindet nicht, sondern kommt im Momenten- oder im Kraftegleichgewicht vor. Die Auswertung solcher Feldgleichungen fuhrt automatisch zur Bestimmung der objektiven Ableitungen, fur welche dann Evolutionsgleichungen zu bestimmen sind. Die Einfuhrung eines unabhangigen Rotationsfeldes geht wohl auf die Bruder Cosserat zuruck. Lange blieb Ihre Arbeit ohne weitere Wirkung. Eine Renaissance erlebt die Idee des Cosserat Kontinuums mit der Arbeit von Ericksen & Truesdell [29]. Sie fuhrten u ber

3 die Cosserat-Idee hinaus sogenannte deformierbare Direktoren ein, ein erster Schritt in Richtung des mikromorphen Kontinuums. Die Arbeit initiiert weitere Untersuchungen auf dem Gebiet: siehe u.a. Gunther [35], Schafer [81, 82], Green & Naghdi [33], Green et al. [34], Cohen & DeSilva [19], Hjalmars [40], Toupin [96] und insbesondere Eringen und Mitarbeiter, deren Arbeiten in der Monographie [31] zusammengefat sind. Der Begri des Cosserat Kontinuums wird auch popular in Zusammenhang mit der Schalentheorie. Exemplarisch seien hier die Arbeiten von Naghdi [55], Zhilin [107] genannt. Erwahnenswert ist auch die Abhandlung von Capriz [12], in der der Versuch unternommen wird, zu einer einheitlichen Formulierung fur verschiedene Kontinua mit Mikrostruktur zu gelangen. In den meisten dieser Arbeiten steht der Begri des Direktors oder Multidirektors im Mittelpunkt (ein eher vernebelnder als hilfreicher Begri ). Neben Verzerrungsmaen vom Cosserat-Typ (mit der Eigenschaft von Streckungen) werden auch Verzerrungsmae vom Cauchy-Green-Typ (mit der Eigenschaft einer Metrik) herangezogen. Es wird grundsatzlich davon ausgegangen, da die Sto gesetze elastisch sind und, was sehr wesentlich ist, da sie auf der Makroebene formuliert werden. So wird z.B. ein Potential sowohl in Abhangigkeit des rechten Cauchy-Green Tensors als auch in Abhangigkeit der als Krummungstensor identi zierten Groe formuliert. Unabhangig vom Cosserat Kontinuum werden fur das klassische Kontinuum die Rotationen in Zusammenhang mit dem Versuch eingefuhrt, das Momentengleichgewicht explizit als Feldgleichung zu gewinnen. Hierfur seien die Arbeiten genannt von Freijs de Veubeke [32] mit dem ersten Piola-Kirchho Spannungstensor als primare Variable, spater auch Atluri [1], Reissner [63] und Bufler [10] mit den sogenannten Biot Spannungen als primare Variable. Die Formulierung von Bu er ist bemerkenswerterweise als schwache Formulierung der polaren Zerlegung gewonnen worden. Von groem Wert ist das dort gewonnene Ergebnis: die polare Zerlegung bzw. die Symmetrie des Strecktensors zieht zwingend nach sich, da nur ein Teil der Spannungen aus einem Potential (in dem betrachteten elastischen Fall) herleitbar ist, wahrend ein weiterer Teil als Reaktionsspannungen aus der Nebenbedingung zu erhalten ist. Das Ergebnis auf ein beliebiges Sto verhalten verallgemeinert bedeutet, da nur fur einen Teil der Spannungen eine konstitutive Beziehung angegeben werden kann. Diese als Restriktion empfundene Tatsache motivierte nun Sansour [66] und Sansour et al. [72] die Bedingung der Symmetrie fallen zu lassen. Die Grundidee besteht darin, die Zerlegung des Deformationsgradienten uber das Momentengleichgewicht selbst bestimmen zu lassen. In [66], und ausfuhrlicher in [71], wird sogar bewiesen, da im isotropen Fall das Momentengleichgewicht die Symmetrie des Strecktensors (und somit die polare Zerlegung) liefert. Diese Ideen werden hier voll enwickelt und auch zur Behandlung der Anisotropie eingesetzt. Beim U bergang zur Viskoplastizita t steht die Frage der Zerlegung der Verzerrungsmae in einer geeigneten Weise an erster Stelle. Die mittlerweile als klassisch zu bezeichnende Zerlegung F = Fe Fp (siehe [46, 44, 6, 50]) wurde zwar sehr erfolgreich eingesetzt, doch sind mit dieser Zerlegung umfangreiche Diskussionen verbunden. Die Eindeutigkeit von Fp stand sehr im Mittelpunkt solcher Diskussionen (s. u.a. [13, 14, 15, 16, 23, 38, 56]). Die Motivation in dieser Arbeit, die Viskoplastizita t aus der Zerlegung des Strecktensors zu entwickeln, hangt sehr und vor allem mit der Idee zusammen, die Rotationen als ein unabhangiges kinematisches Feld zu betrachten. Naturlich bedeutet es nicht, da Modelle, die aus der

4

 KAPITEL 1. EINFUHRUNG

Zerlegung von F gewonnen werden, nicht korrekt sind.T Fur die praktische Berechnung wird man wohl einT elastisches Verzerrungsma wie Ce = Fe Fe wahlen und dieses ist gleich dem Produkt Ue Ue , so da beide Formulierungen fur diesen Fall aquivalent sind. Doch ist das eben eine spezielle Wahl. Das Gewicht dieser U berlegungen wird deutlich, wenn Anisotropie behandelt wird, auch unter Heranziehung von raumlichen Variablen. Fur ausfuhrliche Diskussionen der theoretischen und numerischen Aspekte der multiplikativen Zerlegung des Deformationsgradienten seien neben der bereits erwahnten Literatur auch folgende Arbeiten angefuhrt Bertram & Kraska [4], Hackenberg & Kollmann [37], Krawietz [43], Miehe & Stein [52], Moran et al. [53], Simo [86] und Simo & Miehe [90]. Ein weiteres zentrales Anliegen dieser Arbeit wird die Entwicklung einer geeigneten Theorie des elasto-viskoplastischen Cosserat und mikromorphen Kontinuums sein. Fruhe (geometrisch lineare) Formulierungen stammen von Lippmann [48] und Besdo [5] Sawczuk [80], Olesiak & Wagrowska [58]. Im wesentlichen wurden entweder je eine Fliebedingung fur die Spannungen und fur die Momente oder nur eine erweiterte Fliebedingung vom von Mises-Typ formuliert. Die Erweiterung betri t Anteile, die von den Momenten herruhren. Es fallen weitere Materialparameter an, die bestimmt werden mussen. Das Interesse an einer inelastischen Formulierung des Cosserat Kontinuums ist wieder erwacht, nachdem eine Modi kation der Flieregel bereits im geometrisch linearen Fall den Feldgleichungen eine sogenannte innere Lange hinzufugt, so da der Verlust der Elliptizita t der Feldgleichungen, wie sie in der klassischen Plastizita tstheorie beobachtet wird, verhindert werden kann (siehe Muhlhaus [54, 24], DeBorst [25], Steinmann[94]). Das plastische Cosserat Kontinuum kann also als eine Regularisierungsmethode eingesetzt werden. Neben weiteren Regularisierungsmethoden, wie z.B. dem Heranziehen nichtlokaler Theorien (der Verwendung hoherer Gradienten), hat die plastische Cosserat Formulierung den Vorteil, da zwar mehr Freiheitsgrade verwendet werden, die Ordnung der Ableitungen aber nicht erhoht wird. Eine Tatsache, die numerisch (Finite Elemente) vorteilhaft ist. Die obige Tatsache motiviert die Formulierung von niten Theorien des plastischen Cosserat Kontinuums. In Steinmann [93] und Sievert [85] werden solche Formulierungen angegeben. In [93] wird das Rotationsfeld in elastische und inelastische Anteile zerlegt. Eine Vorgehensweise, die nach den Ausfuhrungen zur Rolle der Rotationen als wenig geeignet angesehen wird. Fur die plastischen Rotationen werden auch keine Evolutionsgleichungen und somit keine Bestimmungsgleichungen formuliert. Diese Tatsache erkennend, wird in Sansour [77] (siehe auch Sansour & Keck [73] fur eine kurze Zusammenfassung) die Theorie aus der Zerlegung des materiellen Strecktensors und des Krummungstensors entwickelt. Die Theorie wird in Kapitel 6 besprochen. Unbefriedigend an dieser Theorie bleibt die Zerlegung des Krummungstensors, die unabhangig von der Zerlegung des Strecktensors erfolgt. Auch die Frage nach allgemeinen Evolutionsgleichungen (z.B. vom vereinheitlichten Typ) fuhren in dieser Arbeit dazu, sowohl das Cosserat als auch das mikromorphe Kontinuum neu zu bedenken. Es gelingt eine einheitliche Betrachtung, so da beide Kontinua aus demselben Blickwinkel gesehen werden konnen. Es gelingt auch, eine systematische Theorie der Viskoplastizita t zu entwickeln, die vor allem physikalisch sehr befriedigend zu sein scheint. Daruberhinaus werden Ergebnisse gewonnen, die von Bedeutung sind. So wird in Kapitel 4 bewiesen, da im Falle des klassischen Kontinuums die Zerlegung des Deformationsgradi-

5 enten F = RU, wobei U der Strecktensor ist, nur moglich ist, wenn R einen Rotationstensor darstellt, d.h. R kann nur eine Rotation sein, auch wenn man das nicht apriori voraussetzen wurde. Ein weiteres wichtiges Ergebnis ist die Festellung, da die von Eringen angegebenen Verzerrungsmae, die Invarianz bezuglich der allgemeinen linearen Gruppe mit positiver Determinante bedeuten, nicht sinnvoll sind. Invarianz darf nur bezuglich der orthogonalen Gruppe verlangt werden. Die Ausfuhrungen kommen ohne den konfusen Begri der Direktoren aus. Die vorgestellte Theorie eines verallgemeinerten Kontinuums erfat Cosserat, mikromorphe Kontinua a la Eringen und auch solche mit beliebig vielen inneren Freiheitsgraden. Die Arbeit gliedert sich folgendermaen:

 In Kapitel 2 werden wesentliche Elemente der Transformationsgruppen zusammengefat. Das Kapitel dient dazu, einige Formeln bereitzustellen, auf die spater zuruckgegri en wird. Das Kapitel ist kurz gehalten und beschrankt sich nur auf das benotigte Material.

 Kapitel 3 befat sich mit den hyperelastischen Materialgleichungen unter Verwen-

dung verschiedener Verzerrungstensoren. Die Ergebnisse sind naturlich keineswegs auf die Hyperelastizita t beschrankt, sondern sofort verallgemeinerungsfa hig auf dissipative Systeme mit inneren Variablen, wenn dort die Existenz eines inneren Potentials vorausgesetzt wird. Die Beschrankung auf die Hyperelastizita t hilft uns, die Diskussion transparent zu halten. Hier wird gezeigt, da allgemein akzeptierte Beziehungen modi ziert werden mussen, um Anisotropie berucksichtigen zu konnen. Hier wird auch die Frage der Anisotropie in der Momentankon guration aufgegri en und gelost. In diesem Kapitel wird noch die Symmetrie des Strecktensors herangezogen. Es wird gezeigt, welche Konsequenzen diese Bedingung hat, womit die Ausfuhrungen des nachsten Kapitels motiviert sind.

 Die Frage der freien Variation des Rotationsfeldes ist in Kapitel 4 behandelt. Hier

werden den Streckungen keine Symmetriebedingungen auferlegt. Es wird auch eine grundsatzliche Frage hinsichtlich der Zerlegung des Deformationsgradienten beantwortet: Die Zerlegung von F = RU kann nur fur R als orthogonalem Tensor erfolgen.

 Nach den Vorbereitungen der letzten Kapitel wird die Viskoplastizita t auf der Grundlage von Strecktensorzerlegungen in Kapitel 5 entwickelt. Es wird gezeigt, da verschiedene raumliche wie auch materielle Zerlegungen moglich sind.

 Kapitel 6 befat sich mit einer ersten Formulierung des viskoplastischen Cosserat Kon-

tinuums. Moglichkeiten und Grenzen der Formulierung werden aufgezeigt. Letztere motivieren einen neuen Blick auf Kontinua mit Mikrostruktur.

 In Kapitel 7 wird eine neue Theorie von Kontinua mit Mikrostruktur prasentiert.

Mikromorphe Kontinua nach Eringen werden kritisch diskutiert. Cosserat und mikromorphe Kontinua werden nun einheitlich betrachtet und unter einem Schirm zusammengefat. Der Wahl der Verzerrungsmae geht eine kritische Diskussion uber die Frage voraus, bezuglich welcher Lie Gruppe Invarianz der Verzerrungsmae gefordert werden soll.

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 KAPITEL 1. EINFUHRUNG

 Das vorgestellte Konzept eines verallgemeinerten Kontinuums wird in Kapitel 8 an-

hand von vier Anwendungsgebieten konkretisiert. Basierend auf dem erwahnten Konzept werden entwickelt 1. eine Membrantheorie endlicher Verzerrungen mit expliziter Einbeziehung eines Rotationstensors. 2. die Vikoplastizita t eines ebenen klassischen Kontinuums basierend auf Strecktensorzerlegungen. 3. Schalentheorie endlicher Verformungen mit insgesamt sechs Freiheitsgraden, so da Drillfreiheitsgrade in naturlicher Weise vorkommen. 4. eine 7-Parameter-Schalentheorie mit Anwendbarkeit eines dreidimensionalen Sto gesetzes, so da nite viskoplastische Deformationen berechnet werden konnen. In all diesen Beispielen werden auch numerische Berechnungen prasentiert.

Auch wenn in Kapitel 8 numerische Ergebnisse vorgestellt werden, soll die Numerik kein Gegenstand der Arbeit sein. Es wird lediglich demonstriert, da die angegebenen Theorien leistungsfahig sind. Fur eine detailierte Beschreibung der Numerik wird der Leser auf die Literatur verwiesen. Die Arbeit schliet mit einem Ausblick auf die Bedeutung einer Betrachtung der geometrischen Strukturen, die der Theorie von Kontinua mit Mikrostruktur innewohnen. Ein Betrachtung, die aber in dieser Arbeit nicht angestellt wird.

Kapitel 2 Wesentliche Elemente der Transformationsgruppen In diesem Kapitel stellen wir die wesentlichen Aspekte von Transformationsgruppen bereit, die uns in den kommenden Kapiteln hau g begegnen werden. Insbesondere fur die Herleitung von Raten und deren geometrischer Interpretation sind die Ausfuhrungen von Bedeutung. Alle Transformationsgruppen sind Lie Gruppen. Fur ausfuhrliche Darstellungen von Lie Gruppen wird u.a. auf Curtis [22], Dubrovin et al. [27, 28], Choquet et al. [17], Nash & Sen [57] und Varadarajan [102] verwiesen.

2.1 Transformationsgruppen und die Exponentialabbildung Eine Gruppe ist eine Menge M mit einer inneren Operation  (in der Regel Multiplikation genannt), so da folgende Axiome gelten:

   

(a  b) 2 M fur alle a; b 2 M (a  b)  c = a  (b  c) fur alle a; b; c 2 M (Assoziativgesetz) es gibt ein neutrales Element i 2 M , so da i  a = a  i = a fur alle a 2 M fur jedes a 2 M existiert ein Element a;1 2 M , so da a  a;1 = a;1  a = i.

Mit Mat(3) bezeichnen wir den Raum aller 3  3 Matrizen, die uber dem Korper der reellen Zahlen de niert sind. Den Unterraum aller invertierbaren Matrizen bezeichnen wir mit GL(3) (General Linear Group):

GL(3) := fA 2 Mat(3)j detA 6= 0g; (2:1) wenn det die Determinante einer Matrix bedeutet. Unter der Operation der ublichen Matrixmultiplikation bildet GL(3) eine Gruppe. Sie hat zwei zusammenhangende aber disjunkte Komponenten. Die Elemente der einen Komponente haben positive Determinanten, 7

8 KAPITEL 2. WESENTLICHE ELEMENTE DER TRANSFORMATIONSGRUPPEN wahrend die Elemente der anderen Komponente negative Determinanten vorweisen. Die erste Komponente, die mit GL+ (3) bezeichnet wird, ist von besonderem Interesse, denn der Deformationsgradient F ist ein Element von GL+ (3). GL+ (3) selbst ist eine Untergruppe von GL(3). Zwei Untergruppen von GL+ (3) begegnen uns hau g, die spezielle lineare Gruppe SL(3): SL(3) := fAj A 2 GL+ (3); detA = 1g (2:2) und die spezielle orthogonale Gruppe (eigentlich orthogonal) SO(3): SO(3) := fAj A 2 GL+ (3); detA = 1; AAT = 1g: (2:3) Hier ist der Einheitstensor mit 1 bezeichnet worden. In der einfuhrenden Literatur u ber Gruppenalgebra wird gezeigt, da von den erwahnten Gruppen nur SO(3) die besondere Eigenschaft der Kompaktheit aufweist. Die Exponentialabbildung spielt im Rahmen der Lie Gruppentheorie eine besondere Rolle. Fur lineare Lie Gruppen, nur auf diese wollen wir uns beschranken, ist die Exponentialabbildung exp : Mat(3) ! GL+ (3); exp Z = A; Z 2 Mat(3); A 2 GL+ (3); (2:4) folgendermaen de niert 2 3 A = exp Z = 1 + Z + Z2! + Z3! +   

(2:5)

Die Restriktion der Abbildung auf antisymmetrische Tensoren in Mat(3) liefert uns Elemente in der Gruppe SO(3). Mit anderen Worten

A = exp Zj Z = ;ZT =) A 2 SO(3):

(2:6) Auf der anderen Seite liefert die Restriktion der Exponentialabbildung auf Elemente in Mat(3), deren Spur verschwindet, Elemente in der Gruppe SL(3). Wir erhalten

A = exp Zj trZ = 0 =) A 2 SL(3);

(2:7) wobei mit tr die Spur einer Matrix bezeichnet wurde. Das Ergebnis ist eine direkte Folge der Beziehung det(exp Z) = exp(trZ). Die Exponentialabbildung, beschrankt auf antisymmetrische Tensoren, ist surjektiv in SO(3). Sie ist aber nicht surjektiv in GL+ (3) oder SL(3), das bedeutet: wahrend jedes Element in SO(3) in Form einer Exponentialabbildung geschrieben werden kann, tri t dies bei GL+ (3) oder SL(3) nicht zu. Auch bildet die Bildmenge der Exponentialabbildung in GL+ (3) keine Untergruppe; d.h. das Produkt zweier Elemente in GL+ (3), die jeweils durch eine Exponentialabbildung gegeben sind, braucht nicht das Bild einer Exponentialabbildung zu sein. Die letzte Aussage ist eine globale Aussage. Von groer Wichtigkeit ist die folgende lokale Aussage. In der Nahe der Identitat lat sich jedes Element einer linearen Lie Gruppe mit Hilfe einer geeigneten Exponentialabbildung darstellen (d.h. als Exponentialabbildung angewandt auf Elemente der Algebra einer Gruppe, siehe spater.). Auch lat sich das Produkt zweier Exponentialabbildungen als eine Exponentialabbildung darstellen.

2.2. TANGENTEN UND DIE LIE ALGEBRA

9

Um diese Aussagen zu illustrieren, betrachten wir einfache Beispiele aus der Mechanik. Im Falle der einfachen Scherung erhalten wir   F = 10 1 ; wobei einen Scherparameter darstellt. In diesem Fall konnen wir F mit Hilfe der Exponentialabbildung darstellen:   F = exp 00 a0 :

Demgegenuber betrachten wir die einfache Scherung u berlagert mit Druck:   F = ;01 ; 1 : In diesem Fall existiert keine Darstellung fur F als Exponentialabbildung. Ein Beweis ndet sich in Varadarajan [102].

2.2 Tangenten und die Lie Algebra Ein wesentlicher Aspekt ist nun die Au assung, da die Transformationsgruppen, z. B. GL+ (3), Lie Gruppen bilden. Lie Gruppen sind mit einer Di erenzierbarkeitsstruktur ausgestattete Mannigfaltigkeiten, so da die Gruppenoperationen der Multiplikation und Inversion glatt sind. Damit werden Raten in einer naturlichen Weise als Tangentenvektoren entlang von Kurven auf der Mannigfaltigkeit de niert. Zur Darstellung einiger Konzepte der Lie Gruppen betrachten wir die Gruppe GL+ (3) stellvertretend fur alle fur uns relevanten Lie Gruppen. Betrachtet man die Abbildung vom Raum der reellen Zahlen (bzw. eines Intervalles davon) in die Lie Gruppe GL+ (3): C : IR ! GL+ (3); C (t) = fAj t 2 IR; A 2 GL+(3)g; (2:8) + so de niert diese Abbildung eine Kurve in GL (3). Die Di erentiation entlang dieser Kurve bezuglich eines zeitahnlichen Parameters t liefert Tangentenvektoren auf GL+ (3). Die Menge aller Tangentenvektoren in einem Punkt in GL+ (3) konstituiert den Tangentenraum an diesem Punkt. Verschiedene Punkte haben demnach verschiedene Tangentenraume. Betrachten wir nun das neutrale Element namlich 1. Der Tangentenraum an der Identitat wird mit gl+ (3) bezeichnet und auch die Lie Algebra der Gruppe genannt, d.h. die Lie Klammer ist eine in der Algebra abgeschlossene Operation: [a; b] = (ab ; ba) 2 gl+ (3); a; b 2 gl+(3); (2:9) und die Jacobi Identitat ist erfullt [a; [b; c]] + [c; [a; b]] + [b; [c; a]] = 0: (2:10) In der Nahe der Identitat wird die Gruppe selbst durch ihre Algebra angenahert. Ein Element der Algebra de niert somit eine in nitesimale Transformation. Transformationsgruppen sind dadurch charakterisiert, da jedes Element uber eine Kurve in Abhangigkeit

10 KAPITEL 2. WESENTLICHE ELEMENTE DER TRANSFORMATIONSGRUPPEN eines Parameters mit der Identitat verbunden werden kann. Wir betrachten nun eine Kurve in GL+ (3), die durch die Identitat geht. Eine wesentliche Eigenschaft von Lie Gruppen besteht darin, da jeder Tangentenvektor an der Identitat mit Hilfe einer Rechts- oder Linkstransformation einen Tangentenvektor an dem Punkt liefert, der durch das Gruppenelement selbst gegeben ist. Fur ein A 2 GL+ (3) und fur ein X 2 gl+ (3) nennen wir das Produkt AX einen linksinvarianten Tangentenvektor an der Stelle A. Hierfur wird auch von der Notation LA X = AX Gebrauch gemacht. Das Adjektiv linksinvariant ist durch die Beziehung motiviert

BLAX = BAX = LBAX;

B; A 2 GL+(3):

(2:11)

Die parameterabhangige Exponentialabbildung exp t , wobei 2 gl+(3), stellt eine einparametrige Untergruppe dar. Es ist bereits festgestellt worden, da das Produkt zweier Exponentialabbildungen im allgemeinen nicht als eine Exponentialabbildung formuliert werden kann, so da das Bild unter der Exponentialabbildung keine Untergruppe bildet. Eine Bedingung fur die Gultigkeit der Beziehung exp exp = exp( + ) besteht in [ ; ] = 0. Eine solche Bedingung ist selbstverstandlich fur die Lie Klammer eines Tensors mit sich selbst erfullt. Damit bildet die Menge aller exp t eine Untergruppe von GL+ (3). Wir betrachten eine Kurve in GL+ (3). Korrespondierend zum Kurvenparameter t0 soll die Kurve durch den Punkt F gehen. Eine Nachbarschaft von F kann durch eine Linkstransformation nach FF erreicht werden. F ist selbst ein Element von GL+ (3), das in der Nahe der Identitat liegt. Damit konnen wir einen Teil der Kurve durch F als eine einparametrige Untergruppe mit Hilfe der Exponentialabbildung darstellen:

FF = F expf(t ; t0)Lg; L 2 gl+(3):

(2:12)

Tangenten entlang der Kurve an der Stelle t = t0 erhalt man durch Di erentiation bezuglich des Parameters t. Man erhalt D (2:13) Dt F exp((t ; t0)L)jt=t0 = FL: Die Groe FL de niert den Tangentenvektor an der Stelle F. Damit sind Tangenten nichts anderes als linksinvariante Vektorfelder. Wir konnen also LF L schreiben. Da det(exp M) = exp(trM) > 0 fur ein M 2 Mat(3), schlieen wir, da gl+(3) mit Mat(3) ubereinstimmt. In der gleichen Weise kann man an Stelle der linksinvarianten Tangentenvektoren rechtsinvariante Tangentenvektoren konstruieren. Fur ein A 2 GL+ (3) und fur X 2 gl+(3) wird das Produkt XA als rechtsinvarianter Tangentenvektor in der Gruppe GL+ (3) an der Stelle A bezeichnet. Analog verwenden wir die Bezeichnung RAX = XA. Die Manifestation der Rechtsinvarianz lautet (RAX)B = XAB = RABX; B; A 2 GL+ (3): Das Analogon zu (2.13) liefert die Rechtswirkung von F auf F . Man hat D + Dt exp((t ; t0)l)Fjt=t0 = lF; l 2 gl (3):

(2:14)

(2:15)

2.3. ZEITLICHE ABLEITUNGEN UND VARIATIONEN

11

Eine Beziehung zwischen den beiden Tangentenvektoren lF und FL liefert die adjungierte Wirkung der Gruppe uber die Elemente der Algebra: l = FLF;1: (2:16) Fur die Gruppe SO(3) wird die Algebra mit so(3) bezeichnet. Entsprechend wird die Algebra der Gruppe SL(3) mit sl(3) bezeichnet. Die Elemente von so(3) und sl(3) sind als so(3) : = fXj X 2 gl+ (3); XT = ;Xg; (2.17) + sl(3) : = fXj X 2 gl (3); trX = 0g (2.18) gegeben. Aus den obigen Ausfuhrungen wird klar, da Raten als Elemente eines Tangentenraumes verstanden werden sollen. Die klassische Vorstellung, da die zeitliche Ableitung einer Matrix auch die entsprechende Rate liefert, gilt nur fur Euklidische Strukturen, wo die Gruppenoperation eine additive ist (Vektorraume). Im Rahmen der Mechanik begegnen uns der Deformationsgradient F, der Rotationstensor R oder eine mogliche plastische Verformung Fp, die wegen der Bedingung detFp = 1 auch ein Element von SL(3) ist. Die Kon gurationsraume sind dann nichtlineare Mannigfaltigkeiten. Entsprechend sind die Raten auch als Elemente der Algebra einer bestimmten Gruppe zu verstehen. Auch stellen wir fest, da der bekannte Geschwindigkeitsgradient l mit einem rechtsinvarianten Tangentenvektor zusammenfallt. Die obigen Ausfuhrungen motivieren weiter die Einfuhrung einer linksinvarianten Rate, die sich in der Tat fur eine materielle Darstellung als die geeignete erweist, wahrend l in Zusammenhang mit einer raumlichen Darstellung in Erscheinung tritt.

2.3 Zeitliche Ableitungen und Variationen Im letzten Abschnitt wurden Tangentenvektoren uber einen Di erentiationsprozess entlang einer mit dem Parameter t parametrisierten Kurve gewonnen. Nun kann dieser Parameter einerseits die wirkliche Zeit bedeuten, so da die Tangentenvektoren entsprechende zeitliche Ableitungen bedeuten, also Geschwindigkeiten, oder aber kann t nur ein zur Beschreibung der Umgebung eines Punktes in der entsprechenden Gruppe herangezogener Parameter sein, so da die Tangentenvektoren die entsprechend linearisierten Ausdrucke bedeuten. Variationen gehoren zum letzten Typ. Hat das physikalische Problem die Zeit bereits als einen physikalischen Parameter, und werden von einem entsprechenden Funktional erste Variationen gebildet, so benotigt man die Variationen von Geschwindigkeiten. Die folgenden Ausfuhrungen dienen dazu, entsprechende Formeln bereitzustellen. Wir machen nun direkten Gebrauch von der Notation  , um eine reine Variation explizit anzudeuten. Entsprechend wird der Punkt zur Bezeichnung von Geschwindigkeiten herangezogen. Wir erinnern auch daran, da nach den Ausfuhrungen des letzten Abschnittes stets, je nach der zugrunde gelegten Gruppenoperation, zwei Tangentenvektoren formuliert werden konnen als eine Links- und als eine Rechtsrate.

12 KAPITEL 2. WESENTLICHE ELEMENTE DER TRANSFORMATIONSGRUPPEN Es sei F 2 GL(3); l; L; a; A 2 gl(3), wobei gelten soll

F_ F_ F F

= = = =

lF; FL; aF; FA:

(2.19) (2.20) (2.21) (2.22)

Nun braucht man einen allgemeinen Ausdruck fur die Variation einer Geschwindigkeit. Eine entsprechende Beziehung erhalt man grundsatzlich durch die Gleichstellung F  F_ = D (2:23) Dt ; wenn t die Zeit bedeutet. Die Auswertung dieser Gleichung fuhrt auf aF ;  (lF) = DDt lF + laF = a_ F + alF: (2.24) Als einen allgemeinen Ausdruck erhalten wir somit

l = a_ + [a; l]:

(2:25)

Dies ist eine allgemeine Beziehung, die fur alle Gruppen gilt, wenn die entsprechenden Algebren herangezogen werden. Analog erhalt man fur Rechtsraten den Zusammenhang

 L = A_ + [L; A]:

(2:26)

In der gleichen Weise lassen sich dann die zwei bemerkenswerten Beziehungen herleiten

_ ;1; l = FAF

(2:27)

L = F;1a_ F: (2:28) Im Gegenteil zu den Beziehungen (2.25) und (2.26) ist in (2.27), (2.28) das Gruppenelement selbst involviert.

Kapitel 3 Anisotropie und hyperelastische Sto gleichungen n diesem Kapitel werden die Notation und die wesentlichen kinematischen Beziehungen, sowie die wichtigsten Verzerrungstensoren eingefuhrt. Fur den hyperelastischen Fall erfolgt zunachst eine Diskussion uber gewisse Restriktionen die Spannungs-Verzerrungsbeziehungen betre end, die weitere Untersuchungen motivieren werden. Es wird gezeigt, da viele allgemein akzeptierte Beziehungen Anisotropie erst gar nicht zulassen. Es wird ein Weg zur Erfassung der Anisotropie aufgezeigt, der auf Modi kationen der konstitutiven Beziehungen basiert. Die Modi kation erfolgt erst fur materielle Groen, da dort die Frage der Objektivitat ausgeklammert ist. Spater werden die Ergebnisse auf raumliche Groen erweitert, wobei das Problem der Objektivitat einfach gelost werden wird. Einige der Ergebnisse, u ber die berichtet wird, sind in Sansour [70] enthalten.

3.1 Notation und wesentliche geometrische Relationen Es sei B  IR3, wobei IR die reellen Zahlen bedeutet, eine o ene zusammenhangende Menge mit dem Rand @ B. B soll einen Korper de nieren. Bezeichnen wir mit IE3 den Euklidischen Raum unserer Anschauung, so stellt die Abbildung '(t) : B ! IE3 eine Einbettung dar, die in Abhangigkeit eines zeitahnlichen Parameters t 2 IR gegeben ist, wobei '0 = '(t = t0) eine Referenzkon guration de niert, die zur Identi kation der materiellen Punkte herangezogen werden kann, so da '0 die identische Abbildung darstellen kann: '0 B = B. Mit '(t)B = Bt hat man auch '(t) : B ! Bt: (3:1) Fur ein Element X 2 B und fur ein x 2 Bt erhalt man x(t) = '(X; t) (3:2) sowie X(t) = ';1(x; t) (3:3) (Der Begri der Einbettung schliet Invertierbarkeit mit ein). 13

14

Anisotropie und Hyperelastizita t

In dieser Arbeit werden konvektive Koordinaten betrachtet, die sich mit dem Korper mitdeformieren. Es seien #i geeignet gewahlte konvektive Koordinatenkarten, T B und T Bt die Tangentialra ume von B und Bt. Damit gelten die Zusammenhange GI = @ X=@#I mit GI 2 T B (3:4) und gi = @ x=@#i mit gi 2 T Bt: (3:5) Die kovarianten Metriken in beiden Kon gurationen sind durch GIJ = GI  GJ und gij = gi  gj ; (3:6) de niert, wobei mit einem Punkt das Skalarprodukt von Vektoren bezeichnet wird. Die Inversen der Metriken werden mit GIJ ; g ij bezeichnet. Bemerkung. Tensorkomponenten, die bezuglich der Referenzkon guration de niert sind, werden mit groen Buchstaben indiziert, wahrend mit kleinen Buchstaben solche indiziert werden, die bezuglich der Momentankon guration de niert sind. Das Heraufziehen und Herabsetzen von Komponenten erfolgt dementsprechend mit der Metrik der Referenz- bzw. der Momentankon guration. Um die Einfachheit der Notation und Konsistenz zu bewahren, wird ubereingekommen, da die Einsteinische Summenkonvention auch dann angewandt wird, wenn gleiche Buchstaben von verschiedenem Typ auftauchen. Es hat demnach Sinn z.B. aij GI GJ zu schreiben, da uber die Paare i; I und j; J summiert wird. Es gilt auch JI = ji . Die Betrachtung von konvektiven Koordinaten ist fur die Zwecke dieser Arbeit vollkommen ausreichend. Auch werden innere Produkte und skalare Produkte nicht unterschieden, was strenggenommen sinnvoll ware. Fur derartige verfeinerte Betrachtungen wird auf van der Giesen & Kollmann [100, 101] verwiesen. Der Deformationsgradient ist die Tangente der Abbildung '; T '  F, so da T ' : T B ! T Bt (3:7) bzw. F : GI ! gi; det F > 0 gelten. Wir erhalten somit gi = FGI : (3:8) Die letzte Beziehung bedeutet auch F = gi GI : (3:9) Es gelten die polaren Zerlegungen F = QUs; F = VsQ; und Vs = QUsQT ; (3:10) s s wobei U und V symmetrisch sind und Q 2 SO(3). Die Strecktensoren werden mit dem Zusatz s fur symmetrisch versehen, um sie von Strecktensoren zu unterscheiden, die im allgemeinen nicht symmetrisch sein mussen und uns spater hau g begegnen werden. Letztere sind durch eine Zerlegung derart F = RU; F = VR; und V = RURT (3:11) de niert. Dabei soll R 2 SO(3) sein und im allgemeinen Fall nicht mit Q zusammenfallen.

3.2. HYPERELASTISCHE BEZIEHUNGEN. EINE ERSTE DISKUSSION

15

3.2 Hyperelastische Beziehungen. Eine erste Diskussion Dargelegt werden in diesem Abschnitt zunachst einige Aspekte der Formulierung von Spannungs-Verzerrungsbeziehungen basierend auf der Existenz eines inneren Potentials, wie sie in der Literatur etabliert und akzeptiert werden. Es wird gezeigt, welche Restriktionen diese Beziehungen dem Materialverhalten aufzwingen, so da deren Anwendung stark eingeschrankt wird. Neben den Strecktensoren betrachten wir den rechten Cauchy-Green Tensor

C := FT F = UT U = Us ;

(3:12)

b := FFT = VVT = Vs ;

(3:13)

2

den linken Cauchy-Green Tensor 2

sowie die Inverse der bisher eingefuhrten Tensoren

u := U;1;

c := C;1;

Wir betrachten weiter die beiden Tensoren B^ := UUT ; und

b := B;1:

(3:14) (3:15)

b^ := VT V;

(3:16) wobei zunachst von einer moglichen Symmetrie von V und U kein Gebrauch gemacht wird. Es gelten auch die Zusammenhange und

b^ := RCRT ;

(3:17)

B^ := RT bR;

(3:18) d.h. b^ und C sowie B^ und b sind isometrische Tensoren. Fur den Fall, da U und V symmetrische Tensoren sind, fallen b mit b^ , C mit C^ und R mit Q zusammen. Betrachten wir nun den Cauchyschen Spannungstensor, wobei die Beziehung gilt

t = n;

(3:19)

wenn t den wahren Ober achen-Spannungsvektor darstellt und n den nach auen gerichteten Ober achen-Normalenvektor. Es wird eine freie Energie Funktion eingefuhrt, welche von einem geeigneten Verzerrungsma abhangig ist. Ausgangspunkt bildet die klassische Beziehung (Truesdell & Noll [98], Wang & Truesdell [103], Eringen [30])  =  @@F FT ; (3:20)

16

Anisotropie und Hyperelastizita t

wenn  die aktuelle Materialdichte bedeutet. Wir ziehen auch den isometrischen Spannungstensor  heran

 = QT Q;

(3:21)

der als das materielle Gegenstuck von  zu betrachten ist. Nun wird als Funktion der verschiedenen Verzerrungstensoren betrachtet. Systematisch lassen sich die folgenden Zusammenhange herleiten  = 2V @ @(cc) VT ; (3.22) @ ( b ) (3.23) = 2 @ b b; s =  @ @(VVs ) VsT : (3.24) Das materielle Gegenstuck der oberen Gleichungen lautet (3.25)  = 2U @ @(CC) UT ; @ ( B ) = 2 @ B B; (3.26) s) T @ ( U (3.27) =  @ Us Us : An dieser Stelle ist eine Diskussion angebracht. Infolge des Momentengleichgewichtes gilt fur  und  die Nebenbedingung der Symmetrie. Eine solche Nebenbedingung hat aber groe Auswirkungen auf Beziehungen wie sie in (3.23), (3.24), (3.26) und (3.27) formuliert worden sind. Konkret verlangt die Symmetrie von  bzw. , da die Groen @ =@ b und b, @ =@ B und B, @ =@ Vs und Vs, @ =@ Us und Us kommutativ sein mussen. Es lat sich aber zeigen, da fur eine symmetrische Matrix B eine Gleichung der Art

A(B)B = BA(B);

(3:28)

wobei A eine Funktion von B ist, nur dann richtig ist, wenn A und B koaxial sind. Die Richtigkeit dieser Aussage erkennt man sofort, wenn man bedenkt, da z.B. in (3.23) die Groe @ =@ b wegen der Symmetrie von b selbst symmetrisch ist. Die einseitige Multiplikation mit b zerstort aber diese Symmetrie. Eine Diskussion von Gleichungen vom Typ (3.28) ndet sich in Guo et al. [36]. Dieses Ergebnis bedeutet aber, da die Beziehungen (3.23), (3.24), (3.26) und (3.27) nur fur Isotropie Gultigkeit besitzen. Anisotropie ist von vornherein ausgeschlossen. Es wird auch betont, da die obigen Aussagen fur die Strecktensoren nur deshalb gelten, weil letztere als symmetrisch angenommen worden sind. Die obige Diskussion zeigt, da die Restriktion zur Isotropie unabhangig davon ist, ob die betrachteten Tensoren materielle oder raumliche Groen darstellen. Es hangt vom Typ der Gleichung ab, ob Anisotropie zugelassen ist oder nicht. Tatsachlich aber hat das Problem der Erfassung von Anisotropien zwei Ebenen. Denn unabhangig von der vorigen Diskussion

3.3. EIN ERSTER WEG ZUR ERFASSUNG MATERIELLER ANISOTROPIE

17

wird in der Literatur die allgemein akzeptierte Meinung vertreten (Trusedell & Noll [98]), da raumliche Beziehungen wegen der Objektivitat der konstitutiven Beziehungen nur fur isotropes Materialverhalten gultig sind. Nun widerspricht es dem subjektiven Emp nden, da Verzerrungstensoren, die fur sich sinnvolle physikalische Groen darstellen, wie der Tensor b und der daraus herleitbare Almansische Verzerrungstensor, und die auch sinnvoll und vollstandig den Verzerrungszustand eines Korpers beschreiben konnen, fur ein physikalisch mogliches Materialverhalten wie das der Anisotropie nicht zugelassen sein sollen. Will man also den obigen Sachverhalt nicht akzeptieren, so mu man sich mit einer Modi kation der obigen Gleichungen befassen, welche naturlich auf einer physikalisch zulassigen Basis geschehen mu. Daruberhinaus mu speziell fur die raumlichen Tensoren die Argumentation der Objektivitat entkraftigt werden. Mit der Losung dieser Probleme befassen sich die nachsten Abschnitte.

3.3 Ein erster Weg zur Erfassung materieller Anisotropie Die Beziehungen (3.22)-(3.27) sind aus (3.20) hergeleitet worden. Sollen die besagten Beziehungen modi ziert werden, so mu (3.20) erst entsprechend modi ziert werden. Daher wird mit dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik begonnen, der als Ausgangsbasis fur die Herleitung von (3.20) dient. Ohne Einschrankung der Allgemeinheit wird der einfachheithalber von isothermen Prozessen ausgegangen, so da der zweite Hauptsatz entbehrlich ist. Am einfachsten gehen wir von der Existenz einer freien Energie aus, formuliert in Abhangigkeit des materiellen Strecktensors. Es wird also von folgender Gleichung ausgegangen Z

Bt

 _ (Us) dv ;

Z

Bt

f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da = 0;

(3:29)

wobei f ; t die Volumen- bzw. Ober achenkrafte bedeuten, dv; da bezeichnen das Volumenbzw. Ober achenelement in der Momentankon guration, @ Bts steht fur den Randteil von Bt mit vorgegebener auerer Belastung. Um das Integral umzuformen, machen wir von den folgenden Beziehungen Gebrauch

_ s + QU_ s F_ = QU _ ;1 = grad x_ ; l = FF _ T + QU_ sUs; QT = QQ = + QU_ s Us; QT : 1

1

(3.30) (3.31) (3.32) (3.33)

Dabei ist 2 so(3), d.h. ein antisymmetrischer Tensor. Mit Hilfe des Cauchy Lemmas t = n, des Gauschen Integralsatzes sowie (3.31) wird

18

Anisotropie und Hyperelastizita t

das Integral umgeformt, so da sich  Z Z  s (3:34)  @ @(UUs ) : U_ s ;  : l dv ; (div  + f )  x_ dv = 0 Bt Bt ergibt. Es bedeutet : das Skalarprodukt zweier Tensoren zweiter Stufe. Mit Hilfe (3.33) erhalt man weiter  Z  Z s  @ @(UUs ) UsT : QT (l ; )Q ;  : l dv ; (div  + f )  x_ dv = 0: (3:35) Bt Bt Der letzte Term re ektiert die Gleichgewichtsbedingungen, die als erfullt betrachtet werden konnen. Mit der Antisymmetrie von sowie der Symmetrie von  folgt die klassische Schlufolgerung s  = Q @ @(UUs ) UsT QT ; (3:36) bzw. mit (3.21) s  =  @ @(UUs ) UsT ; (3:37) eine Beziehung, die bereits als zu einschrankend eingestuft worden ist. Soll also die letzte Gleichung modi ziert werden und somit fur Anisotropie zulassig sein, so mu das Ausgangsintegral (3.29) modi ziert werden. Fur diesen Zweck wird ein materieller antisymmetrischer Tensor  eingefuhrt. Ohne den physikalischen Inhalt zu beeintrachtigen, lat sich der erste Hauptsatz der Thermodynamik folgendermaen modi zieren Z

Bt

 _ (Us ) dv ;

Z

Bt

f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da +

Z

Bt

 : U_ sdv = 0:

(3:38)

O ensichtlich ist der Wert des Integrals unverandert, da  per De nition antisymmetrisch ist. Diese scheinbar einfache Modi kation hat einen groen Ein u auf das resultierende Endergebnis. Denn (3.38) lat sich mit Hilfe (3.31)-(3.33) umformen:   Z  Z s  @ @(UUs ) +  UsT : QT (l ; )Q ;  : l dv ; (div  + f )  x_ dv = 0: (3:39) Bt Bt Als Schlufolgerung aus dem Integral folgt nun nicht (3.37) sondern   s  =  @ @(UUs ) +  UsT ; (3:40) der die Einschrankung der Isotropie nicht auferlegt werden kann. Auch wenn (Us ) eine nichtisotrope Funktion ist, kann die Symmetrie von  dennoch erfullt werden. Es ist genau diese Symmetrie, die eine Bestimmungsgleichung fur den noch o enen antisymmetrischen Tensor  liefert. Die Gleichung lautet   s s (3:41) UsT + Us =  Us @@ U(UsT ) ; @ @(UUs ) UsT : Mit (3.38) bzw. mit (3.40) ist ein neuer Aspekt in der bisherigen Diskussion aufgetaucht. Nach diesen Gleichungen stellt die Anisotropie eine Art Zwangsbedingung dar, so da ein

3.4. ANISOTROPIE IN DER MOMENTANKONFIGURATION

19

Teil der Spannungen nicht direkt aus dem Potential herleitbar ist, sondern mit Hilfe einer Nebenbedingung bestimmt wird. In unserem Fall stellt die Symmetrie des Spannungstensors diese Nebenbedingung dar. Dieser Reaktionsteil ist naturlich leistungsfrei. Man mu sich daruber im klaren sein, da die Erweiterung des Integrals in (3.38) keineswegs willku rlich gewahlt werden kann. Nicht irgendein symmetrischer Tensor hatte an die Stelle von Us treten konnen.;1 Von entscheidender Bedeutung fur die obige Herleitung war die Tatsache, da sich U_ s Us in zwei unabhangige Teile hat aufspalten lassen. Zwar gelten wegen der Symmetrie von Us und der Antisymmetrie von  sowie (3.33) die Zusammenhange 0 =  : U_ s = UsT : U_ s Us;1 = UsT : QT lQ ; UsT : QT Q: (3.42) Doch sind die Einzelprodukte in (3.42) je fur sich nicht gleich Null. Nur deren Summe verschwindet. Nun stellt sich die Frage, wie die entsprechenden Gleichungen aussehen, wenn andere Verzerrungsmae herangezogen werden. Der U bergang zu den Ausdrucken fur B und C erfolgt direkt aus (3.40), in dem B; C als Funktionen von Us aufgefat werden. Die modi zierten Gleichungen ergeben sich zu  = 2 @ @(BB) B + UsT ; (3.43)  = 2Us @ @(CC) UsT + UsT : (3.44)

Die Bestimmungsgleichungen fur  lauten fur den Fall, da der Tensor B verwendet wird   (3:45) UsT + Us = 2 B @ @(BB) ; @ @(BB) B : Im Falle der Verwendung von C ist das erste Glied auf der rechten Seite von (3.44) immer symmetrisch fur isotrope und anisotrope Funktionen zugleich. Damit ergibt sich automatisch  = 0. Diese Aussage ist an die Form (3.44) gekoppelt. Man erkennt anhand von (3.41) und (3.45), da  ein Ma ist fur die Nichtkommutativitat von @ =@ B mit B bzw. von @ =@ Us mit Us . Die vorigen U berlegungen haben einen ersten Weg ero net, fur jeden materiellen Verzerrungstensor eine Spannungs-Verzerrungsbeziehung so zu nden, da Anisotropie zulassig ist. Es handelt sich um einen ersten Weg, da in spateren Kapiteln gezeigt wird, da im Falle der Strecktensoren eine Formulierung gefunden werden kann, die ohne Reaktionsanteile der Spannungstensoren wie  auskommen kann. Doch bevor darauf eingegangen wird, wird das Problem der raumlichen Groen aufgegri en und behandelt.

3.4 Anisotropie in der Momentankon guration In diesem Abschnitt sollen Moglichkeiten aufgezeigt werden, eine Anisotropie, die materiell in der Referenzkon guration bestimmt ist, mit Hilfe von Tensoren zu beschreiben, die in der

20

Anisotropie und Hyperelastizita t

Momentankon guration de niert werden. Konkret geht es darum, Beziehungen anzugeben, so da fur Funktionen (Vs ) oder (b) Anisotropie zulassig ist. Zunachst wird die Aufgabe fur den Strecktensor Vs gelost, um sie dann fur den Tensor b und somit fur alle daraus herleitbaren Tensoren zu losen.

3.4.1 Verwendung des Strecktensors V

s

Bei der Beschreibung der Anisotropie in der Momentankon guration ist man mit den folgenden zwei Problemen konfrontiert: 1. Ist die Anisotropie in der Referenzkon guration de niert, so sind die bevorzugten Richtungen des Materials auch in der Referenzkon guration gegeben. Es sei A eine solche bevorzugte Richtung. Der die Anisotropie beschreibende Strukturtensor M = A A (Bohler et al. [8]) ist dann ein materieller Tensor. Beispielsweise betrachten wir nun den materiellen Tensor C. Nach [8, 91, 92, 106] lat sich die Formulierung einer anisotropen freien Energie Funktion bewerkstelligen, indem als Funktion der Invarianten von C sowie von den Produkten CM und C2M aufgefat wird. U bertragt man diese U berlegungen auf Vs , so ist sofort zu sehen, da sich das Produkt VsM unter Wirkung eines Elements der orthogonalen Gruppe nicht wie ein objektiver Tensor transformiert, denn die transformierte Groe ergabe sich zu OVs OT M fur O 2 O(3), was o ensichtlich einer objektiven Transformation nicht entspricht. 2. Selbst wenn das Problem der Objektivitat gelost wird, mu sichergestellt werden, da die resultierenden Feldgleichungen mit solchen ubereinstimmen, die fur eine Kontinuumstheorie als gultig betrachtet werden. Konkret, im einfachsten Fall mussen die Feldgleichungen stets mit den Krafte- und Momentengleichgewichtsbedingungen zusammenfallen. Die Losung des ersten Problems ist sehr einfach. Es wird ein raumlicher Strukturtensor eingefuhrt, welcher sich durch eine Vorwartstransformation des materiellen Tensors ergibt. Im Falle der Verwendung des Strecktensors ist der isometrische Tensor der geeignete. Es wird m = QMQT (3:46) als raumlicher Strukturtensor eingefuhrt. O ensichtlich transformiert sich das Produkt Vs m unter der Wirkung eines Elements der orthogonalen Gruppe wie eine objektive Groe. Aus der De nition von m ersieht man, da die Feldgleichungen im allgemeinen Fall nicht die Form beibehalten konnen, die klassisch angenommen wird. Also mu untersucht werden, welches Aussehen die Feldgleichungen nach der Einfuhrung des angesprochenen Strukturtensors erhalten. Ausgangspunkt ist noch einmal der erste Hauptsatz der Thermodynamik fur einen isothermen Prozess Z h Z i  _ (Vs ; m) ; f  x_ dv ; t  x_ da = 0: (3:47) Bt

@ Bts

3.4. ANISOTROPIE IN DER MOMENTANKONFIGURATION

21

Da das Verzerrungsma Vs ein symmetrischer Tensor ist, mu auf jeden Fall eine Modi kation erfolgen, wie sie im materiellen Fall zum Ausdruck gekommen ist. Wir gehen also vom modi zierten Funktional aus Z

h

Bt

i

 _ (Vs; m) +  : V_ s ; f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da = 0:

(3:48)

 ist hier ebenfalls ein antisymmetrischer Tensor, dem die Rolle einer Reaktionsspannung

zufallt. Es ist weiter zu beachten, da m selbst von der Verformung abhangig ist, und somit zeitlich veranderlich ist. Um das Integral umzuformen, machen wir von den folgenden Beziehungen Gebrauch

F_ = V_ sQ + VsQ_ _ _ T V s; FF = V_ s Vs; + Vs QQ ; l = V_ sVs + Vs Vs; ; m_ = m + m T ;1

1

(3.49) (3.50) (3.51) (3.52)

1

1

1

sowie von (3.31), von dem Cauchy Lemma und vom Gauschen Integralsatz. Es ergibt sich 

Z

Bt



s s  @ (@VVs; m) : V_ s +  @ (@Vm; m) : ( m + m T ) +  : V_ s ;  : l dv Z ; (div + f )  x_ dv = 0:

Bt

(3.53)

Mit Hilfe (3.51) erhalt man weiter Z

Bt







s s  @ (@VVs; m) +  : (lVs ; Vs ) +  @ (@Vm; m) : ( m + m T ) ;  : l dv Z ; (div + f )  x_ dv = 0: (3.54)

Bt

Betrachtet man das Kraftegleichgewicht als erfullt, so verschwindet der letzte Term, und es bleiben die Gleichung   s (3:55)  =  @ (@VVs; m) +  VsT ; die die modi zierte Bestimmungsgleichung fur  ist, sowie eine weitere Gleichung 

   s s s Vs  @ (@VVs; m) +  + m @ (@Vm; m) ;  @ (@Vm; m) m : = 0:

(3:56)

Aus der Antisymmetrie von folgt die Symmetrie des sich in Klammern be ndenden Ausdruckes   s s s Vs  @ (@VVs; m) +  + m @ (@Vm; m) ;  @ (@Vm; m) m = symmetrisch: (3:57) Die letzte Gleichung ist o ensichtlich eine Bestimmungsgleichung fur .

22

Anisotropie und Hyperelastizita t

Wir haben zwar einen Ausdruck fur  gefunden, der Anisotropie in der Momentankon guration zulat, mussen aber noch zeigen, da die zweite Gleichung (3.57), die eine Bestimmungsgleichung fur  ist, mit dem Momentengleichgewicht zusammenfallt oder demselben aquivalent ist. Wir mussen also im Falle des klassischen Kontinuums noch zeigen, da (3.57) eine Aussage beinhaltet, die der Symmetrie des Cauchyschen Spannungstensors gleichkommt. Um das zu tun, mussen fur konkrete Ausdrucke angegeben werden. Bohler et al. [8] folgend sind fur eine irreduzible Darstellung einer skalaren Funktion in Abhangigkeit zweier symmetrischer Tensoren Vs ; m die folgenden Invarianten ausreichend: I1 = trVs; I2 = trVs2; I3 = trVs3; I4 = tr(Vm); I5 = tr(Vs2m): (3:58) Wir betrachten also die Funktion (I1; I2 ; I3; I4; I5 ). Damit ist es moglich, (3.57) auszuwerten. Ausschlaggebend ist die Beobachtung, da der Zusammenhang gilt   s s s Vs @ (@VVs; m) + m @ (@Vm; m) ;  @ (@Vm; m) m =   @ Vs + @ Vs2 + @ Vs3 + @ mVs + @ (Vs mVs + mVs2) =  @I @I2 @I3 @I4 @I5 1 s  @ (@VVs; m) Vs (3.59) Das Ergebnis lat sich direkt veri zieren, wenn die Beziehungen @I1 (3.60) @ Vs = 1; @I2 = Vs; (3.61) @ Vs @I3 = Vs2; (3.62) @ Vs @I4 = m; (3.63) @ Vs @I5 = Vsm + mVs; (3.64) @ Vs @I4 = Vs; (3.65) @m @I5 = Vs2 (3.66) @m herangezogen werden. Mit (3.55) und (3.59) reduziert sich (3.57) auf  ; Vs + Vs = symmetrisch: (3:67) Da  antisymmetrisch ist, ergibt sich ; Vs + Vs = symmetrisch (3:68) und somit reduziert sich (3.67) auf  = symmetrisch: (3:69)

3.4. ANISOTROPIE IN DER MOMENTANKONFIGURATION

23

Es ist also bewiesen, da (Vs ; m) eine zulassige Funktion ist. Somit ist gezeigt worden, da Anisotropie in der Momentankon guration mit Hilfe von Groen, die in der Momentankon guration de niert sind, durchaus korrekt erfat werden kann. Bemerkung. Bei der Beweisfuhrung ist (3.57) als die Bestimmungsgleichung fur  betrachtet worden. Es wurde dann gezeigt, da dieselbe Gleichung einer Symmetrieaussage fur den Cauchyschen Spannungstensor gleichkommt. Man hatte auch etwas anders verfahren konnen, indem  aus der Symmetrie von , namlich aus der Gleichung s s VsT + Vs = Vs @ (@VVs; m) ;  @ (@VVs; m) Vs; (3:70) bestimmt worden ware, um dann zu zeigen, da (3.57) identisch erfullt ist.

3.4.2 Eine alternative Herleitung Im nachsten Abschnitt soll eine alternative Motivation fur die Einfuhrung von Reaktionsspannungstensoren gegeben werden. Die Idee dazu stammt von Bufler [10], der die schwache Formulierung der polaren Zerlegung Us = QT F im Auge hatte. In dieser Arbeit wird der allgemeine Fall der schwachen Formulierung fur die Zerlegung Vs = FQT diskutiert, wobei die angesprochene Idee der Einfuhrung eines raumlichen Strukturtensors berucksichtigt wird. Ausgangspunkt ist die Stationaritat des Funktionals Z

Bt

 (Vs ; m) dv ;

Z

f  x dv ;

Bt FQT ,

Z

@ Bts

t  x da = stat:

(3:71)

unter den Nebenbedingungen Vs = Vs = symmetrisch. Die erste Nebenbedingung kann durch direktes Einsetzen erfullt werden. Die zweite Nebenbedingung wird nun mit Hilfe eines Lagrange Parameters in das Funktional aufgenommen. Es gilt Z

;

Bt



 (FQT ; m) +  : FQT dv ;

Z

Bt

f  x dv ;

Z

@ Bts

t  x da = stat:

(3:72)

Der Lagrange Parameter  mu wegen der angestrebten Symmetrie von Vs ein antisymmetrischer Tensor sein. Durch die Berucksichtigung der polaren Zerlegung in schwacher Form ist die Kopplung des Rotationsfeldes an das Verschiebungsfeld gelockert. Die unabhangige Variation der beiden Felder ist zulassig. Die Kopplung erfolgt in schwacher Form. Die Ausfuhrung der Variation fuhrt zu  Z  Z T ; m) T ; m) ; T + F QT  dv +  @ (FQ +  :  FQ  @ (FQ :  m dv s @ V @ m Bt Bt +

Z

Bt

  : FQT dv ;

Z

Bt

f  x dv ;

Z

@ Bts

t  x da = 0:

(3:73)

Unter Berucksichtigung, da Q QT und  antisymmetrische Groen sind, sowie der Beziehung  m =  QQT m + mQ QT , und da die restlichen Variationen beliebig sind, erhalten wir folgende Feldgleichungen als Euler-Lagrange Gleichungen    T ; m) T + f = 0; div  @ (FQ +  QF (3:74) @ Vs

24

Anisotropie und Hyperelastizita t 



T ; m) T T T @ (FQ ; m) ;  @ (FQ ; m) mT = symmetrisch; QFT  @ (FQ +  +  m @V @m @m

(3:75) (3:76)

FQT = symmetrisch;

sowie korrespondierende Randbedingungen. Die dritte Euler-Lagrange Gleichung ist die Symmetrieaussage fur Vs . Die zwei ersten sind identisch mit den Gleichungen, die in Abschnitt 3.4.1 auf anderem Wege gewonnen worden sind. Entsprechend ist die dort gefuhrte Diskussion gultig. Hier ist also der Reaktionsspannungstensor als ein Lagrange Parameter identi ziert, mit dessen Hilfe die Symmetrie des Verzerrungsmaes erzwungen wird.

3.4.3 Verwendung des linken Cauchy-Green Tensors Im vorigen Abschnitt ist gezeigt worden, da die Einfuhrung eines zum materiellen Strukturtensor M isometrischen Tensors geeignet war, die Zulassigkeit einer anisotropen freien Energie Funktion in Abhangigkeit des linken Strecktensors zu beweisen. Will man nun die entsprechende Funktion in Abhangigkeit vom linken Cauchy-Green Tensor b formulieren, so versagt der Beweis, da die Symmetrieaussage vom  gewahrleistet ist. Es zeigt sich, da die Vorgehensweise in diesem Fall anders sein mu. Zunachst wird der Strukturtensor M als ein gemischtvarianter Tensor aufgefat. In der Momentankon guration wird der folgende gemischtvariante Strukturtensor eingefuhrt

m = FMF;1:

(3:77)

Es wird nun als Funktion der folgenden Invarianten aufgefat (b; m) = (I1; I2 ; I3; I4; I5 );

(3:78)

wobei gilt

I1 = trb; I2 = trb2; I3 = trb3; I4 = tr(bm); I5 = tr(b2m): (3:79) Es ist ersichtlich, da die Groe bm objektiv ist, so da sich die Frage der Objektivitat nicht mehr stellt. Ausgangspunkt ist wieder der erste Hauptsatz der Thermodynamik fur einen isothermen Prozess. Das entsprechende Integral wird ohne Modi kation betrachtet, so da eine eventuelle Modi kation sich erst dann als notwendig erweist, wenn die Symmetrie von  nicht erfullt werden kann: Z

h

Bt

i

 _ (b; m) ; f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da = 0:

(3:80)

Als erstes wird das Ober achenintegral in ein Volumenintegral umgeformt Z

Bt

h



 _ (b; m) ;  : l dv ;

Z

Bt

(div  + f )  x_ dv = 0:

(3:81)

3.4. ANISOTROPIE IN DER MOMENTANKONFIGURATION

25

Am einfachsten betrachten wir als eine isotrope Funktion von b = FFT , b = FFT FMF;1 und b = FFT FFT FMF;1 . Unter Berucksichtigung von (3.31) gelten die Ausdrucke

b_ = lb + blT ; b_  = lb + blT m + blm ; bl; b_  = lb + blT bm + blbm + b2lT m + b2lm ; bl;

so da wir erhalten _ (b; b; b) =



  2 @ (b; @bb; bb ) b+ @ (b; b; bb) b + m @ (b; b; bb) b+ @ b @ b ; bb)   @ ( b ; b @ T T  b m ; b (b;@bb; bb ) +  @ b @ (b; b; bb) b + bm @ (b; b; bb) b+ @ b @ b ; bb) @ ( b ; b @ ( b; b; bb) b2+ T b m b + m  @b @ b  ; bb) @ ( b ; b; bb) : l: @ ( b ; b 2 T  b m ; b @ b @ b

(3.82) (3.83) (3.84) (3.85) (3.86) (3.87) (3.88) (3.89) (3.90)

Um diese Gleichung auszuwerten, vergegenwartigen wir uns, da eine isotrope Funktion von b; b; b ist. Daher kommutieren (@ =@ b) mit b sowie (@ =@ b) mit b. Wird diese Tatsache berucksichtigt, und wird der Ausdruck fur _ in (3.81) eingesetzt, so liefert die ubliche Argumentation     =  2 @ (b; @bb; bb ) b (3.91)     +m @ (b;@bb; bb ) b + bT @ (b;@bb; bb ) mT (3.92)     +bm @ (b;@bb; bb ) b + b @ (b;@bb; bb ) mT b (3.93)      (3.94) +m @ (b;@bb; bb ) b2 + b2 @ (b;@bb; bb ) mT : O ensichtlich ist dieser Ausdruck symmetrisch, wenn man sich vergegenwartigt, da b selbst symmetrisch ist. Damit ist gezeigt worden, in welcher Weise die Ausdrucke fur anisotrope Materialbeziehungen in raumlichen Variablen zu gewinnen sind. Bemerkung. Es sei ausdrucklich betont, da die Au assung, der Strukturtensor sei ein gemischtvarianter Tensor, fur die Gultigkeit der raumlichen Formulierung entscheidend ist. Man kann sich vergewissern, da die Wahl einer anderen Vorwartstransformation, wie etwa m = FMFT , einen raumlichen Strukturtensor liefert, fur den die obige Beweisfuhrung nicht moglich ist. Die erwahnte Transformation wurde sich als unzulassig erweisen.

26

Anisotropie und Hyperelastizita t

Kapitel 4 Das Rotationsfeld als unabhangige Variable Im letzten Kapitel wurden zwei Aspekte diskutiert. Zum einen handelt es sich um die Notwendigkeit der Einfuhrung eines Reaktionsspannungstensors fur ein allgemeines anisotropes Materialverhalten. Letzteres war an die Symmetrie des Verzerrungstensors gekoppelt. Zum anderen wurden raumliche Strukturtensoren eingefuhrt, die die Feldgleichungen modi ziert und verandert haben. In diesem Kapitel wird die Moglichkeit diskutiert, die Strecktensoren durch eine geeignete Zerlegung des Deformationsgradienten einzufuhren ohne dabei apriori von Symmetriebedingungen Gebrauch zu machen.

4.1 Nichtsymmetrische Strecktensoren Es stellt sich die Frage, ob der Strecktensor symmetrisch sein mu. Eine armative Antwort ist physikalisch nicht zu untermauern. Nun soll dem folgenden grundlegenden Gedanken nachgegangen werden. Sowohl das Kraftegleichgewicht als auch das Momentengleichgewicht sollen als Feldgleichungen bzw. Euler-Lagrange Gleichungen eines Funktionals formulierbar sein. Korrespondierend zu den beiden Feldgleichungen treten die beiden zunachst unabhangigen kinematischen Felder auf: die Verschiebungen und die Rotationen. Die Kopplung der beiden Felder erfolgt uber die De nition des Verzerrungsmaes, also des Strecktensors selbst. Die Symmetrie oder Nichtsymmetrie desselben ist ein Ergebnis der Losung eines konkreten Falles. Wie spater gezeigt wird, hangt die Symmetrie vom gewahlten Sto gesetz ab. Wir gehen also von der folgenden multiplikativen Zerlegung des Deformationsgradienten aus F = RU; F = VR; und V = RURT : (4:1) Zu den Besonderheiten dieser Zerlegung gehoren:

 Den Strecktensoren U; V werden keine Symmetriebedingungen auferlegt. Zu welchen Anteilen die Zerlegung tatsachlich statt ndet, zeigt die Auswertung der Feldgleichungen des Problems. 27

28

 KAPITEL 4. DAS ROTATIONSFELD ALS UNABHANGIGE VARIABLE

 Im Rahmen klassischer Kontinua (wofur spater eine eindeutige De nition gegeben

wird) wird in Abschnitt 4.2 gezeigt, da keine andere Zerlegung fur den Deformationsgradienten moglich ist. Das bedeutet R in (4.1) kann nur in SO(3) sein.

als

Der rotierte Cauchysche Spannungstensor  ist dann mit Hilfe von R de niert, namlich

 = RT R:

(4:2)

Ein klassisches Kontinuum wird nun de niert als ein Kontinuum, fur welches die Spannungstensoren  bzw.  nur von den Strecktensoren V bzw. U abhangig sein konnen. Die Aussage bleibt gultig, wenn V; U modi ziert werden, um etwaige inelastische E ekte zu berucksichtigen (was in spateren Kapiteln erfolgen wird). Existiert ein inneres Potential, so soll dieses Potential im Rahmen klassischer Kontinua nur von den Strecktensoren (eventuell weiteren inneren Variablen) abhangig sein konnen. Betrachten wir noch einmal den ersten Hauptsatz der Thermodynamik fur isotherme Prozesse und setzen die Existenz eines inneren Potentials voraus Z

Bt

 _ (U) dv ;

Z

Bt

f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da = 0;

so ergibt eine erste Umformung  Z  Z  @ @(UU) : U_ ; f  x_ dv ; t  x_ da = 0: Bt @ Bts

_ ;1RT erhalten wir zunachst Mit der De nition von l = + RUU  Z  Z R @ @(UU) UT RT : (l ; ) ; f  x dv ; t  x_ da = 0: Bt @ Bts

(4:3)

(4:4)

(4:5)

Wegen der Unabhangigkeit der Verschiebungen und Rotationen sind die Geschwindigkeiten x_ und voneinander unabhangig, so da unter gewissen Regularitatsvoraussetzungen (Gauscher Integralsatz) die Gleichungen folgen   div R @ @(UU) UT RT + f = 0; (4.6)  @ @(UU) UT = symmetrisch; (4.7) R @ @(UU) UT RT n = t auf @ Bts : (4.8) Die Euler-Lagrange Gleichungen liefern also sowohl das Krafte- und Momentengleichgewicht als auch die Randbedingungen, woraus auch die Identi kation folgt  =  @ @(UU) UT An dieser Stelle ist eine Diskussion des Momentengleichgewichtes im Hinblick auf die Symmetrieaussage von U sinnvoll. Wir betrachten hier zwei Sonderfalle:

4.1. NICHTSYMMETRISCHE STRECKTENSOREN

29

als isotrope Funktion von U Wir betrachten also das innere Potential als eine beliebige Funktion der Invarianten von U, von Potenzen von U und von verschiedenen Produkten von U und UT . Am einfachsten wird die Diskussion, wenn wir U in einen symmetrischen und einen antisymmetrischen Anteil zerlegen: Us = 21 (U + UT ); Ua = 21 (U ; UT ): (4:9) Nun konnen wir die folgende Proposition formulieren. Proposition: Es sei (U) eine isotrope Funktion von U. Dann ist U wegen des Momentengleichgewichtes symmetrisch. Beweis: Da eine isotrope Funktion von U = Us + Ua ist, lat sich eine irreduzible Formulierung angeben in Abhangigkeit der sogenannten Generatoren der irreduziblen Darstellung, die folgende Groen beinhalten (siehe wieder [8, 91, 92, 106])

Us; Us ; Ua ; (UsUa ; UaUs); UaUsUa; (Us Ua ; Ua Us ); (UaUsUa ; Ua UsUa): Ein Tensor wie  hat eine isotrope Darstellung in U, wenn er der folgenden Darstellung 2

2

2

2

2

2

genugt

 = 1Us + 2Us + 3Ua + 4(UsUa ; UaUs) + 5Ua UsUa + 6 (Us Ua ; Ua Us ) + 7 (Ua Us Ua ; Ua Us Ua ); 2

2

(4.10) wobei die i Funktionen der irreduziblen Integritatsbasis sind, die aus den folgenden Invarianten besteht trUs; trUs2 ; trUs3 ; trUa2 ; trUsUa2 ; trUs2 Ua2 ; trUs2 Ua2 Us Ua : (4:11) Das innere Potential ist dann eine Funktion dieser Invarianten, die wir fur das Folgende mit I1 ; I2; :::; In bezeichnen. Mit diesem Ansatz fuhrt Gleichung (4.7) auf 2

(

n X

2

2

2

)



@ (I1; I3::::In ) @I1 + @ (I1; I3::::In ) @I2 + ::::::::: UT = symmetrisch: (4:12) @I1 @U @I2 @U i=1 Glucklicherweise lat sich eine konkrete Aussage uber den Wert von Ua tre en ohne explizite Auswertung des obigen Ausdruckes. Hierfur beachten wir, da die Struktur der Gleichung infolge der verwendeten Invarianten so bescha en ist, da ein Teil der auftretenden Terme von Ua unabhangig ist. Ein zweiter Teil beinhaltet gemischte Produkte von Us und Ua , wahrend ein dritter Teil nur Produkte von Ua beinhaltet. Der erste Teil der auftretenden Terme erfullt die Symmetriebedingung und braucht nicht weiter beachtet zu werden. Demnach lat sich die obige Gleichung allgemein folgendermaen hinschreiben n X i=1

iBi (Us; Ua ) +

m X j =1

j Cj (Ua) = 0:

(4:13)

Dabei sind i; j skalare Funktionen der Integritatsbasis, n; m naturliche Zahlen, die die Zahl der auftretenden Terme angeben, Bi Tensoren, die Produkte von Us und Ua wiedergeben,

30

 KAPITEL 4. DAS ROTATIONSFELD ALS UNABHANGIGE VARIABLE

wahrend Cj Tensoren sind, die nur Produkte vom Tensor Ua darstellen. Es wird betont, da in jedem Produkt Bi mindestens ein Ua auftritt. Nun reprasentiert (4.7) (und somit auch (4.12)) drei skalare Gleichungen. Im allgemeinen Fall ist Us 6= 0, weshalb die letzte Gleichung nur als eine Bestimmungsgleichung fur Ua aufgefat werden kann. Da die Gleichung homogen ist, mu Ua identisch verschwinden, womit die Behauptung bewiesen ist. Wir haben also gezeigt, da im speziellen Fall der Isotropie Gl. (4.7) die Symmetrie des Strecktensors liefert. Die Rotationen bestimmen sich also zu denen, die man uber eine polare Zerlegung hatte gewinnen konnen. Im allgemeinen nicht isotropen Fall aber verschwindet Ua nicht. Die Zulassung eines nichtsymmetrischen Tensors befreit uns von der Notwendigkeit der Einfuhrung eines Reaktionsspannungsanteils. Gl. (4.7) gilt fur isotrope und nicht isotrope Funktionen zugleich.

als Funktion des Produktes UT U Fur eine allgemeine Darstellung von als Funktion von U treten sowohl die Invarianten trU, trU2, trU3 auf als auch die Invarianten tr(UT U), tr(UT U)2 und weitere Kombinationen, die eine eventuelle Anisotropie erfassen. Ein spezieller Fall ist sicherlich die Wahl von Termen, die nur das Produkt UT U = C beinhalten. In diesem Fall werden die Rotationen aus der Formulierung eliminiert. Es treten nur die Verschiebungen auf, und es macht keinen Sinn mehr, nach einem Rotationsfeld zu fragen. Solange die konstitutive Beziehung die Form (3.25) oder eine dazu aquivalente beibehalt, ist das Momentengleichgewicht identisch erfullt. Bemerkung. Im linear-elastischen Fall mussen die folgenden Besonderheiten berucksichtigt werden, die jetzt anhand des isotropen Falles diskutiert werden. Das innere Potential, das quadratisch sein mu, hat die folgende Form = 1 trU + 22 (trU)2 + 23 trU2 + 24 tr(UT U): (4:14) Damit erhalt man @ (U) = 1 + (trU)1 + UT + U: (4:15) 1 2 3 4 @U Zusatzlich gilt die Nebenbedingung

@ (U) j = 0; (4:16) @ U U=1 so da nur drei unabhangige Parameter verbleiben. Im Gegensatz zum klassischen linearen Gesetz besteht hier die Moglichkeit, drei Materialparameter zu bestimmen. Der wesentliche Unterschied zum klassischen linearen Gesetz lat sich anhand einer Schubkomponente verdeutlichen. Es gilt   @ (U) = U + U : (4:17) 3 21 4 12 @U 12

Die Konstante 3 stellt eine Kopplung zwischen @ (U)=@ U)12 und U21 her. Die Werte von 3 konnen nicht beliebig sein, will man die positive De nitheit des Elastizita tstensors gewahrleisten. Die Wahl 3 = 0 ist physikalisch sinnvoll und wurde hau g in konkreten Berechnungen herangezogen (z.B. in [71]).

4.2. ZUR ZERLEGUNG DES DEFORMATIONSGRADIENTEN

4.2 Zur Zerlegung des Deformationsgradienten

31

In diesem Kapitel wurde eine Theorie formuliert, die den Deformationsgradienten nach der Gleichung F = RU, R 2 SO(3), aufspaltet. Hierbei de niert R einen Freiheitsgrad des Systems. Nun konnte man auf die Idee kommen, R als Element einer beliebigen Lie Gruppe, z.B. GL+ (3), aufzufassen und nicht auf die Untergruppe SO(3) zu beschranken. Um diese Theorie vollstandig zu untermauern, mu also noch gezeigt werden, da eine Aufspaltung von F nur mit Hilfe von Elementen der Gruppe SO(3) moglich ist. Proposition. Fur eine Funktion (U) mit U = R;1 F; R 2 GL+ (3) liefern die EulerLagrange Gleichungen des Funktionals Z

Bt

 _ (U) ;

Z

Bt

f  x_ dv ;

Z

@ Bts

t  x_ da = 0

die Bedingung, da R in SO(3) liegen mu. Beweis. Die Euler-Lagrange Gleichungen lauten   div R @ @(UU) UT R;1 + f = 0;  @ @(UU) UT : Z = 0;

(4.18)

_ : Z = RR ;1

Z ist ein Element der Algebra der Lie Gruppe, in unserem Fall also Z 2 gl+(3). Die additive Aufspaltung von Z: Z = W + D; W T = ;W ; D = D T spaltet (4.20) in die Gleichungen

(4.19) (4.20)

(4:21)

 @ @(UU) UT : W = 0; (4.22) (4.23)  @ @(UU) UT : D = 0: Bei der folgenden Argumentation mu man beachten, da D; W beliebig und voneinander unabhangig sind. Somit liefert die erste Gleichung  @ @(UU) UT = symmetrisch: (4:24) Damit kann die zweite Gleichung nur fur D=0 (4:25) erfullt werden, d.h. Z 2 so(3) und damit R 2 SO(3), womit die Behauptung bewiesen ist. Die obige Aussage ist weitreichend. Sie wird eine groe Rolle spielen bei der in Kapitel 7 gefuhrten Diskussion uber mikromorphe Kontinua und die Wahl moglicher zugehoriger Verzerrungsmae.

32

 KAPITEL 4. DAS ROTATIONSFELD ALS UNABHANGIGE VARIABLE

Kapitel 5 Elasto-Viskoplastizitat basierend auf Strecktensorzerlegungen n diesem Kapitel wird die Elasto-Viskoplastizita t aus der Zerlegung des Strecktensors entwickelt. Mit der Elasto-Viskoplastizita t begegnet uns erstmals ein Materialverhalten, das Dissipation nach sich zieht. Damit werden die in den Kapiteln 2 und 4 betrachteten Spannungs-Verzerrungsbeziehungen modi ziert. Automatisch stellt sich in diesen Fallen die Frage nach der Gultigkeit der in den vorigen Kapiteln angestellten U berlegungen zur Erfassung der Anisotropie.

5.1 Allgemeines Die multiplikative Zerlegung des Deformationsgradienten in einen elastischen und einen inelastischen Anteil F = FeFp (5:1) e ist mittlerweile als klassisch zu betrachten. Der Zusatz soll stets elastische Anteile bezeichnen, wahrend der Zusatz p die entsprechenden inelastischen Anteile kennzeichnet. Diese ihrer Natur nach konstitutive Annahme wird weitestgehend akzeptiert. Dennoch, angesichts der U berlegungen des letzten Kapitels, ist zumindest die Frage berechtigt, inwiefern die besagte Zerlegung als ein geeigneter Ausgangspunkt fur die Formulierung einer Theorie des inelastischen Materialverhaltens betrachtet werden kann. Mit der Zerlegung (5.1) sind zwei Ansichten weit verbreitet. 1) Zum einen wird mit der Zerlegung die Existenz einer sogenannten inkompatiblen Zwischenkon guration verbunden, die bei einer ktiven lokalen Entlastung erreicht werden konnte. Die Fragen nach der Eindeutigkeit einer solchen Kon guration, nach sinnvollen Invarianzforderungen und nach der Zulassigkeit von anisotropem Materialverhalten sind in der Literatur kontrovers behandelt worden. 2) Zum anderen wird behauptet, da die Zerlegung von F nur in der gegebenen Reihenfolge moglich ist, und da eine Zerlegung der Art F = Fp Fe als nicht zulassig zu betrachten ist. Fur Literaturhinweise wird auf die Einfuhrung in dieser Arbeit verwiesen. Nach den U berlegungen des letzten Kapitels lat sich der Deformationsgradient nach (4.1) multiplikativ zerlegen. Neben den Verschiebungen erscheint das Rotationsfeld explizit als ein 33

34

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

kinematisches Feld. Korrespondierend zu diesen kinematischen Feldern existieren das Problem beschreibende Feldgleichungen (eventuell Euler-Lagrange-Gleichungen eines geeignet de nierten Funktionals). Nun ist es eine physikalisch sinnvolle Forderung, da die Beschreibung der Inelastizita t nicht mit einer Zerlegung der kinematischen Felder bewerkstelligt werden kann. Kinematische Felder durfen demnach nicht in elastische und inelastische Anteile zerlegt werden. Es ist nur naturlich, diese bei den Verschiebungen als selbstverstandlich erachtete Forderung auch den Rotationen aufzuerlegen. Die Konsequenz daraus besteht in der folgenden U berlegung. Da U selbst ein Element von GL+ (3) ist, erscheint eine multiplikative Zerlegung desselben in elastische und inelastische Anteile als eine adaquate Wahl. Es wird zunachst von der folgenden Zerlegung ausgegangen

F = RU = RUeUp:

(5:2)

Demnach wird nur der Strecktensor multiplikativ in einen elastischen und einen inelastischen Anteil zerlegt. Die Rotationen spielen nach wie vor die Rolle einer kinematischen Groe. Es sei erwahnt, da in Schieck & Stumpf [83, 84] eine Zerlegung vom Typ (5.2) vorgeschlagen wird, doch sind dort Ue und Up aus einer polaren Zerlegung von Fe und Fp gewonnen worden (siehe auch z.B Levitas [47]), was in einem Gegensatz zu der jetzigen Vorgehensweise steht. Die Zerlegung U = Ue Up (5:3) kann alternativ auch in einer anderen Reihenfolge gefuhrt werden

U = U pU e:

(5:4)

Fur welche Zerlegung man sich auch entscheidet hangt ab von der Form des jeweils resultierenden elastischen Teilsto gesetzes und der thermodynamisch als wesentlich erachteten Spannungsgroe. Aspekte, die in den folgenden Abschnitten behandelt werden sollen. Alternativ lat sich der raumliche Strecktensor multiplikativ zerlegen. Analog zu den Zerlegungen (5.3), (5.4) werden V = Vp Ve (5:5) und V = V eV p (5:6) angegeben, deren Zulassigkeit ebenfalls in den kommenden Abschnitten untersucht werden soll. Grundsatzlich soll folgendes zu diesen Zerlegungen gelten. Die Zerlegungen (5.3) und  e als auch Up und U p stellen (5.4) sind als materiell zu verstehen. Das bedeutet, sowohl Ue ; U materielle Tensoren dar, so da grundsatzlich der Begri der Zwischenkon guration nicht auftaucht. Demgegenuber nden die Zerlegungen (5.5) und (5.6) in der Momentankon guration statt. Vp , V p , V e und Ve sind raumliche Tensoren, de niert in der Momentankon guration. In den folgenden Abschnitten werden die Zerlegungen (5.3)-(5.6) im Rahmen einer Theorie der Elasto-Viskoplastizita t naher untersucht.

5.2. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON U

5.2 Die multiplikative Zerlegung von U

35

Der Strecktensor U ist ein Element von GLp + (3). Demnach kann, wie bereits erwahnt,  U e gewahlt werden. Im folgenden werden die eine der Zerlegungen U = Ue Up und U = U Zerlegungen im einzelnen untersucht.

5.2.1 Die Zerlegung U = U U e

p

Wir betrachten die zu dieser Zerlegung gehorigen Raten. Bereits in Kapitel 3 ist uns der Zusammenhang begegnet

_ ;1RT ; = RR _ T: l = + RUU

(5:7)

_ Die Rate UU lat sich in zwei Anteile aufspalten. Wir haben zunachst ;1

U_ = U_ eUp + UeU_ p

und somit

(5:8)

_ ;1 = U_ eUe; + UeU_ pUp; Ue; : UU (5:9) p e Aus dieser Gleichung entnehmen wir, da es sinnvoll ist, fur U eine rechte und fur U eine 1

1

1

linke Rate zu wahlen, so da

U_ e = LeUe;

U_ p = UpLp;

(5:10)

gilt. Das Einsetzen in (5.9) liefert

_ ;1 = Le + ULpU;1: UU

(5:11)

Fur die Formulierung der Elasto-Viskoplastizita t soll nun die Existenz eines erweiterten inneren Potentials angenommen werden, das vom elastischen Anteil des Strecktensors als auch von einem Satz innerer Variable abhangig sein soll. Letztere werden in dem Vektor Z zusammengefat. Da wir nur isotherme Prozesse betrachten, ist das innere Potential (Ue; Z) als Funktion von Ue und Z de niert. Entsprechend reduziert sich der zweite Hauptsatz der Thermodynamik zu der Dissipationsungleichung Z

Bt

D dv =

Z

Bt

f  x_ dv +

Z

@ Bts

t  x_ da ;

Z

Bt

 _ (Ue ; Z) dv  0:

(5:12)

Die lokale Dissipation D mu also die thermodynamische Forderung erfullen, semi-positiv zu sein. Fur die Reduktion von (5.12) beachten wir zunachst, da die folgenden Zusammenhange gelten @ (Ue; Z) UT = @ (Ue; Z) UeT ; (5:13) @U @ Ue

36

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

U_ p; = ;Up; U_ pUp; = ;Lp Up;

(5:14) Das Cauchy Lemma, die Anwendung des Gauschen Integralsatzes, die Voraussetzung, da die Feldgleichungen erfullt sind und die Verwendung der Gleichungen (5.7),(4.2),(5.13) und (5.14) liefern fur (5.12)  Z Z  D dv =  : l ;  @@Ue : U_ e ;  @@ Z  Z_ dv Bt B  Z t  e _ ;1 =  ;  @ (@UU; Z) UT : UU Bt  e + @ (@UUe; Z) UeT : UU_ p Up;1 U;1 ;  @@ Z  Z_ dv: (5.15) 1

Mit den De nitionen

1

1

1

Y = ; @@ Z ; L~ p = UU_ pUp; U;1 = ULpU;1 1

(5.16) (5.17)

lat die klassische Argumentation der Thermodynamik hinsichtlich der Beliebigkeit der Raten zusammen mit gewissen Kontinuitatsannahmen schlielich die Schlufolgerungen zu (siehe u.a. Coleman & Noll [20], Coleman & Gurten [21], Hutter [42], Ziegler & Wehrli [109]) e e  =  @ (@UU; Z) UT =  @ (@UUe; Z) UeT ; (5.18) p ~ _ D =  : L + Y  Z: (5.19) Im Rahmen der Viskoplastizita t mussen fur die internen Variable Evolutionsgleichungen formuliert werden. Zwei Klassen von Evolutionsgleichungen werden hier unterschieden. Zum einen wird die Existenz eines elastischen Bereiches angenommen, so da viskoplastisches Materialverhalten nur dann vorliegt, wenn eine bestimmte Bedingung verletzt ist. Man spricht auch von Viskoplastizita t vom Perzyna-Typ [61]. Zum anderen konnen Evolutionsgleichungen direkt angegeben werden, die fur den gesamten Deformationsbereich Gultigkeit besitzen. Man spricht von Theorien vom vereinheitlichten Typ. Im ersten Fall kann die De nition des elastischen Bereiches mit Hilfe einer Funktion  erfolgen, welche von den thermodynamischen Kraften abhangt. Es wird also die Funktion

(; Y) : IR6  IRn ! IR+

(5:20)

betrachtet, welche ein elastisches Gebiet im Spannungsraum de niert, wobei n die Dimension von Z wiedergibt. Elastisches Verhalten liegt vor fur (; Y)  0. Eine Moglichkeit, Evolutionsgleichungen herzuleiten, besteht in der Forderung nach der maximalen Dissipation. Das Prinzip der maximalen Dissipation wird oft mit den Namen von von Mises und Hill in Verbindung gebracht (siehe u.a. [39, 43, 49, 108, 109]). Eine solches Prinzip hat die Normalenregel zur Folge. Man mu sich aber daruber im Klaren sein, da das Prinzip keineswegs thermodynamisch notwendig ist. Vielmehr stellt es ein Hilfsmittel dar, Evolutionsgleichungen herzuleiten, die eine bestimmte Klasse von Materialien beschreiben. Die

5.2. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON U

37

Forderung des Maximums der Dissipation fuhrt zu ; D + 1 +(; Y) = maximum; (5:21) wenn 1= als ein Penalty Term verstanden wird, der physikalisch als ein Viskositatsparameter interpretiert werden kann. Die Auswertung der Gleichung fuhrt auf + L~ p = 1 @ @(; Y) ; (5.22) + ; Y) (5.23) Z_ = 1 @ @( Y : Mit der konkreten Formulierung der Funktionen und  wird mit den entsprechenden Evolutionsgleichungen die Theorie vollstandig. Fur einen konkreten Fall betrachten wir Gleichungen vom von Mises-Typ, wobei isotrope Verfestigung berucksichtigt wird:

 = h; Hier sind

h = J ; Y:

(5:24)

J = dev : dev ; Y = Y0 + HZ; (5:25) wenn  und Y0 Materialparameter sind und H die Verfestigung beschreibt. Als ein Beispiel fur Evolutionsgleichungen vom vereinheitlichten Typ soll die Form der Evolutionsgleichungen von Bodner & Partom [7] ubernommen und verallgemeinert werden. Es sollen die folgenden Evolutionsgleichungen gelten: L~ p = _  ; (5.26) "  2N # _ = p2 D0 exp ; 12 N N+ 1 IIZ ; (5.27) 3 dev _ Z_ = M (5.28) Z (Z1 ; Z )IIdev ; r0 IIdev = 32 dev  : dev; (5.29)  = 32 IIdevdev : (5.30) In den Gleichungen stellen D0 ; Z0; Z1; N und M Materialparameter dar. Um die Formel (5.17) besser einzuordnen, beachten wir, da im Falle der Zerlegung (5.3) das Aufdatieren von Up von rechts erfolgt. Eine naturliche Formulierung fur Lie Gruppen besteht in der Exponentialabbildung durch Betrachtung der einparametrigen Untergruppe Up = Upji exp(tLp); (5:31) wenn i eine vorgegebene Stelle ist. Bemerkenswerterweise geht in diese Gleichung die Rate Lp ein, wahrend die Evolutionsgleichung fur die modi zierte Rate L~ p formuliert worden ist. Diese Tatsache geht darauf zuruck, da wir den Spannungstensor  als die thermodynamisch entscheidende Groe betrachtet haben, die in der Formulierung der Evolutionsgleichungen

38

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

einhergeht. Bemerkenswert ist die Aufdatierformel fur den elastischen Strecktensor. Macht man sowohl von (5.3) als auch von den Eigenschaften der Exponentialabbildung Gebrauch, so gelangt man zu Ue = exp(;tL~ p)Ueji; (5:32) d.h. hier geht die direkt berechnete Rate L~ p in die Berechnung ein, was numerisch auch vorteilhaft ist. Um diese scheinbare Diskrepanz besser einzuordnen, betrachten wir den Spannungstensor

 = UT U;T :

(5:33)

Sofort erkennt man, da die Dissipation die zu (5.19) alternative Form bekommt

D =  : Lp + Y  Z:

(5:34)

Die Gleichung motiviert nun, die Funktion  in Abhangigkeit von  zu formulieren, so da die Evolutionsgleichung resultiert + Lp = 1 @ @(; Y) :

(5:35)

Diese Gleichung ist grundsatzlich zu der von (5.22) aquivalent. Denn die Transformation von  zu  erfolgt in einer gemischtvarianten Weise, die den Wert der Invarianten nicht beein ut. Die physikalische A quivalenz der beiden Formulierungen erkennt man anhand der Beziehung + Lp = 1 @ @(; Y) + ; Y) @  = @ @(  @ = U;1 L~ p U;

(5.36)

so da die De nition (5.17) sich in (5.36) wieder ndet. Fur Evolutionsgleichungen vom vereinheitlichten Typ ist die Veri kation dieses Sachverhaltes noch einfacher. Man braucht nur (5.26) direkt zu transformieren, um das gewunschte Ergebnis zu bekommen. Nichtsdestotrotz stellt die Wahl von  als thermodynamisch entscheidende Groe die sinnvollere Wahl dar. Denn durch die Transformation (5.33) geht die Eigenschaft der Symmetrie verloren. Infolgedessen ist die Rate L~ p symmetrisch, wahrend Lp nichtsymmetrisch ist. Diese Tatsache verleitete in der Literatur zur der Vorstellung, da ein plastischer Spin existiert, der mit dem antisymmetrischen Anteil identi ziert werden kann. Die obere Diskussion zeigt aber deutlich, da ein solcher Spin keinen physikalischen, sondern einen rein geometrischen Ursprung hat. Eine Diskussion des sogenannten plastischen Spins ndet man z.B. in Van der Giesen [99] und Schieck & Stumpf [84] (siehe auch die in den beiden Arbeiten enthaltenen Literaturhinweise zu diesem Thema). Ein weiterer bemerkenswerter Sachverhalt lat sich aus (5.18) ablesen. Wir bemerken nochmal, da weder U noch Ue oder Up als symmetrisch vorausgesetzt worden sind. Die konstitutive Beziehung (5.18) hat die gleiche Form, wie (4.7). Die im Abschnitt 4.1 gefuhrte

5.2. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON U

39

Diskussion ist daher direkt ubertragbar. Im Falle der Isotropie liefert das Momentengleichgewicht die Symmetrie von Ue . In der folgenden Box werden die wesentlichen Ergebnisse, beruhend auf der Zerlegung (5.3), zusammengestellt. Innere Dissipation:

U = UeUp; U_ p = UpLp; L~ p = ULpU;1 :

(5:37)

D =  : L~ p + Y  Z_ :

(5:38)

Konstitutive Beziehungen:

e e  =  @ (@UU; Z) UT =  @ (@UU;e; Z) UeT ; e Y = ; @ (@UZ; Z) :

(5.39) (5.40)

Evolutionsgleichungen:

+ L~ p = 1 @ @(; Y) ;

+ ; Y) Z_ = 1 @ @( Y :

Alternative Evolutionsgleichungen: L~ p = _  ; "  2N # _ = p2 D0 exp ; 12 N N+ 1 IIZ ; 3 dev Z_ = ZM (Z1 ; Z )IIdev;_ r0 IIdev = 32 dev  : dev;  = 32 IIdevdev :

5.2.2 Die Zerlegung U = U U p

(5:41) (5.42) (5.43) (5.44) (5.45) (5.46)

e

Die Ausfuhrungen des letzten Abschnittes erfolgten fur die Zerlegung (5.3). Man kann nun den gleichen Formalismus anwenden, um die Theorie beruhend auf der Zerlegung (5.4) aufzubauen. Dies wird im folgenden kurz geschehen. Im Falle der Zerlegung (5.4) haben wir zunachst p e U_ = U_ U e + U pU_ :

(5:47)

Anstelle von (5.9) erhalten wir jetzt

_ ;1 = U_ pU p; + U pU_ eU e; U p; ; UU 1

1

1

(5:48)

40

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

 p und einer rechten Rate fur U e als geeignet erscheint: woraus die Wahl einer linken Rate fur U p U_ = L pU p;

Damit haben wir fur (5.48)

e U_ = U eL e:

_ ;1 = U L eU ;1 + L p; UU

(5:49) (5:50)

das als Gegenstuck zu (5.11) betrachtet werden kann.  e formuliert. Anstelle von (5.15) Das innere Potential wird nun in Abhangigkeit von U hat man zunachst  Z Z  D dv =  : l ;  @@U e : U_ e ;  @@ Z  Z_ dv Bt B Z t _ ;1 ; U_ dv; _ ;1 ; U p;T @ e UT : (UU (5.51) =  : UU @U Bt Die thermodynamischen Schlufolgerungen lauten jetzt

e  = U p;T @ @(UU ) UT D =  : L p + Y  Z_  0:

(5.52) (5.53)

Die Evolutionsgleichungen lauten nun + L p = 1 @ @(; Y) ; + ; Y) Z_ = 1 @ @( Y :

(5.54) (5.55)

Entsprechend der De nition der Rate erfolgt das Aufdatieren von Up jetzt von links

U p = exp(tL p)U p:

(5:56)

Abschlieend wird bemerkt, da im Vergleich zu der Formulierung in Abschnitt 5.2.1 die Rollen der Spannungstensoren  und  vertauscht sind. Die Ergebnisse werden in der folgenden Box zusammengefat:

5.3. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON V Innere Dissipation: Konstitutive Beziehungen:

41

p U = U pU e; U_ = L pU p:

(5:57)

D =  : L p + Y  Z_ :

(5:58)

e e  =  @ (@UU; Z) UT = U p;T @ (@UU ;e; Z) UT ; e Y = ; @ (@UZ; Z) :

(5.59) (5.60)

Evolutionsgleichungen:

+ L p = 1 @ @(; Y) ;

+ ; Y) Z_ = 1 @ @( Y :

(5:61)

Die Anwendung von Evolutionsgleichungen vom vereinheitlichten Typ kann analog zum letzten Abschnitt erfolgen und wird hier weggelassen.

5.3 Die multiplikative Zerlegung von V Auch V ist ein Element von GL+ (3). Somit waren analoge Zerlegungen, wie sie fur den materiellen Strecktensor U erfolgten, auch im Falle V naheliegend. Doch auch hier ist der Glaube weit verbreitet, da die Zerlegung eines raumlichen Tensors nicht zulassig ist. Im folgenden werden wir die Zerlegungen formal vornehmen, um dann zu zeigen, da sie auch zulassig sind. Es zeigt sich, da U berlegungen, wie sie bei der Betrachtung der raumlichen Anisotropie nutzlich waren, auch hier entscheidend sein werden.

5.3.1 Die Zerlegung V = V V e

p

Wir gehen von der multiplikativen Zerlegung aus V = Ve Vp : (5:62) Auch hier bemerken wir, da weder V noch Ve oder Vp als symmetrisch vorausgesetzt worden sind. Zugehorig zu dieser Zerlegung de nieren wir die Raten V_ = V_ eVp + VeV_ p (5:63) und somit _ ;1 = V_ eVe;1 + VeV_ pVp;1 Ve;1 : VV (5:64) p Aus dieser Gleichung entnehmen wir, da es sinnvoll ist, fur V eine rechte und fur Ve eine linke Rate zu wahlen, so da gilt V_ e = le Ve; V_ p = Vplp ; (5:65)

42

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

deren Einsetzen in (5.64)

_ ;1 = le + VlpV;1 VV

(5:66) liefert. Wir nehmen die Existenz eines inneren Potentials (Ve; Z) an, das von Ve abhangig sein soll. Von entscheidender Bedeutung fur die weitere Diskussion ist das Verstandnis, da der Vektor der inneren Variable Z ein Euklidischer Vektor ist im Sinne einer Anordnung von skalaren Groen, die von der Art der Beschreibung materiell oder raumlich unberuhrt bleiben. Im folgenden wird der raumliche Spannungstensor  als thermodynamisch adaquate Groe angesehen. Ausgangspunkt ist wieder die Dissipationsungleichung Z

Bt

D dv =

Z

Bt

[ : l ;  _ (Ve; Z)] dv  0:

(5:67)

Fur die Auswertung dieser Gleichung ist der folgende Gedanke entscheidend. Vp stellt einen raumlichen Tensor dar, der zu einem geeignet de nierten materiellen Tensor isometrisch ist. Wir de nieren Vp = RUpRT : (5:68) p Somit erhalten wir fur die zeitliche Ableitung von V V_ p = Vp + Vp T + L! Vp; (5:69)

_ T . Sie ist wobei L! eine objektive Ableitung bezuglich bedeutet, wenn gilt = RR o ensichtlich isometrisch zu einer materiellen Ableitung L! Vp = RU_ pRT : (5:70) Es gilt auch V_ p;1 = ;Vp;1 V_ pVp;1 : (5:71) Die obigen U berlegungen fuhren unter Beachtung von (5.66) zu   Z Z  _ (Ve; Z) dv =  @@Ve : V_ e + @@Z  Z_ dv Bt B Z t  _ ;1 ; Vp;T VT @ e :

=  @ e Vp;T VT : VV @V Bt @ V @ ;T ;T T @ p p T +V @ Ve V : ; V V @ Ve Vp;T : L! Vp  + @@ Z  Z_ dv;  Z =  @@Ve Vp;T VT : l ; VT @@Ve Vp;T :

Bt ;Vp;T VT @@Ve : + VT @@Ve Vp;T :

 ;Vp;T VT @@Ve Vp;T : L! Vp + @@Z  Z_ dv;

5.3. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON V =

Z

Bt

43



 @@Ve Vp;T VT : l ; Vp;T VT @@Ve :

 ;Vp;T VT @@Ve Vp;T : L! Vp + @@Z  Z_ dv:

(5.72)

Das Einsetzen dieses Ergebnisses in (5.67) und die klassische Argumentation der Thermodynamik lassen die Schlufolgerungen zu e  =  @ @(VVe ) VeT (5.73) e VeT @ @(VVe ) = symmetrisch; (5.74) e ; Z) @ ( V (5.75) Y = ; @ Z ; e) @ ( V T ; 1 D = Ve @ Ve : (L! Vp)Vp + Y  Z_ (5.76)

Diese Gleichungen motivieren eine Diskussion. Die Herleitung erfolgte fur eine in Ve isotrope Funktion (Ve ; Z). Damit sind @ =@ Ve und VeT kommutativ. In Anbetracht von (5.73) ist damit die Symmetrieaussage in (5.74) zugleich eine Symmetrieaussage fur den Cauchyschen Spannungstensor. Die Zerlegung des raumlichen Strecktensors ist somit (zunachst) fur den isotropen Fall zulassig. Analog zu den Ausfuhrungen vom Abschnitt 3.4 kann auch die Diskussion des anisotropen Falles gefuhrt werden. Diese erubrigt sich, wenn man bemerkt, da die Gleichungen (5.73) und (5.74) die gleiche Struktur wie die Gleichungen (3.55) und (3.56) haben, wenn dort sowohl  als auch die Strukturtensoren unterdruckt werden. Die in Kapitel 3 ermittelten Resultate sind somit auch hier sofort u bertragbar, d.h. Anisotropie kann durch die Einfuhrung geeigneter raumlicher Strukturtensoren erfat werden. Infolgedessen bekommt das Momentengleichgewicht das modi zierte Aussehen e e e (5:77) VeT @ (@VVe; m) + m @ (@Vm; m) ;  @ (@Vm; m) m = symmetrisch; dessen Gultigkeit in Abschnitt 4.3 gezeigt worden ist. Hier wurde der Reaktionsspannungsanteil  unterdruckt, weil keine Symmetriebedingungen fur die Strecktensoren gefordert worden sind. Bemerkenswert ist die in die Dissipationsungleichung eingehende Rate des plastischen Strecktensors, die wir mit ~lp bezeichnen wollen. Mit (5.68), (5.70) und (5:10)2 hat man sofort ~lp = L! VpVp;1 = RLpRT ; (5:78) d.h. ~lp ist isometrisch zu einer materiellen Rate. Die entsprechenden Formulierungen der Viskoplastizita t konnen analog zum materiellen Fall bewerkstelligt werden. So ergibt sich z.B. + ~lp = 1 @ (; Y) ; (5.79)  @ + (5.80) Z_ = 1 @ @(Y; Y) :

44

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

Auch Gleichungen vom vereinheitlichten Typ sind analog zu formulieren. Fur das Aufdatieren des plastischen Strecktensors ist noch zu bemerken, da dies nicht uber eine Rate derart lp = V_ p Vp bewerkstelligt werden kann, da diese nicht berechnet wird. Aus den De nitionen (5.68) und (5.31) jedoch erkennt man, da der Zusammenhang gilt

Vp = R(Upji exp tLp)RT ; = RUp ji RT R exp(tLp)RT ; = Vp ji exp t~lp ; so da man eine direkte Formel zur Berechnung von Vp hat.

5.3.2 Die Zerlegung V = V V p

(5.81)

e

Wir gehen von der multiplikativen Zerlegung aus

V = V pV e: (5:82)  e oder V p als symmetrisch vorausgesetzt Auch hier bemerken wir, da weder V noch V worden sind. Wir formulieren direkt die Dissipationsungleichung: Z

Bt

[ : l ;  _ (Ve ; Z)] dv = =

Z



Bt 

Z

Bt



 : l ;  @@V e : V_ e ;  @@ Z  Z_ dv

e

 : l ; V p;T @@V e VT : l + VT V p;T @@V :

+V p;T @ e VT : ;  @ e VT V p;T :

@V @V  ; T @ T p p;1 ;  @  Z_ dv; (5.83) p  V : L V V +V ! e @Z @ V Die Schlufolgerungen aus dieser Gleichung lauten jetzt  = V p;T @@V e VT ; (5.84) (5.85) V p;T @ e VT = symmetrisch @V e  Y = ; @ (@VZ; Z) ; (5.86) D = V p;T @@V e VT : (L! V p)V p;1 + Y  Z_ (5.87) Im Falle der Anisotropie verfahrt man wie im Abschnitt 3.4.1 vorgefuhrt. Mit der De nition V p = RU pRT ; (5:88) p p;1 ; 1 p p p p T p _ l = L! V V = RL R ; L = U U ; (5:89)

5.3. DIE MULTIPLIKATIVE ZERLEGUNG VON V

45

lauten jetzt die Evolutionsgleichungen

+ lp = 1 @ (; Y) ;  @ + Z_ = 1 @ @(Y; Y) :

Zum Schlu geben wir noch die Aufdatierformel an. Es gilt Vp = R(exp tLp)U pRT = exp(tlp)V pji:

5.3.3 Das Verzerrungsma b

e

=

V V e

(5.90) (5.91) (5:92)

eT

In Abschnitt 3.4.3 wurde gezeigt, da es moglich ist, b als Verzerrungsma zu wahlen und dennoch Anisotropie zu berucksichtigen. Bemerkenswert war dort die Einfuhrung eines raumlichen Strukturtensors, den man als einen gemischtvarianten Tensor verstehen mu. Im Falle der Elasto-Viskoplastizita t stellt sich nun die Frage, welche Situation sich ergibt, wenn ein elastisches Verzerrungsma gewahlt wird, so da der Rotationstensor in der Formulierung explizit nicht vorkommt. O ensichtlich ist dies nur bei der Zerlegung (5.82) moglich. Wir betrachten also das elastische Verzerrungsma be = V eV eT = V p;1 FFT V p;T : (5:93) Da das Rotationsfeld aus der Formulierung eliminiert worden ist, mu das Momentengleichgewicht identisch erfullt werden. Auch macht die U berlegung, V p ist zu einem materiellen  p als einen gemischtTensor isometrisch, keinen Sinn mehr. Stattdessen betrachten wir V varianten Tensor. Wir gehen also davon aus, da es einen materiellen Tensor gibt, so da gilt V p = FUpF;1: (5:94)  p hat man dann Fur die Rate von V p V_ = lV p ; V pl + Lv V p; (5:95) p  eine Lie Ableitung vom gemischtvarianten Typ darstellt. wobei Lv V Fur die Rate von be hat man dann ;1 ;T ;T b_ e = ;(V p;1 l ; lV p + V p;1 Lv V pV p;1 )bV p + V p;1 lbV p + V p;1 blT V p;T ;V p;1 b(lT V p;T ; V p;T lT + V p;T Lv V pT V p;T ): (5.96) Mit diesen U berlegungen betrachten wir die Dissipationsungleichung. Es ergibt sich  Z Z  [ : l ;  _ (be; Z)] dv =  : l ;  @@be : b_ e ;  @@ Z  Z_ dv Bt B Z t =  : l ; 2 @@be be : l + 2 @@be be : V p;1 Lv V p; Bt  (5.97) ; @@ Z  Z_ dv;

46

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

Die Schlufolgerungen lauten jetzt  = 2 @@be be; (5.98) e  Y = ; @ (@VZ; Z) ; (5.99) @ ; 1 D = 2 @ be be : V p Lv V p + Y  Z_ : (5.100) Es ist auch klar, da die Symmetrie von  gewahrleistet ist. Im Falle der Anisotropie verfahrt man wie in Abschnitt 3.4.3. Wie man leicht nachrechnen kann, ergibt sich die in der lokalen Dissipation eingehende plastische Rate zu lp = V p;1 Lv V p = FLpF;1 ; U_ p = Up Lp; (5:101) p  p d.h. l ist die Vorwartstransformation der materiellen Rate L , wenn letztere als ein gemischtvarianter Tensor aufgefat wird. Entsprechend lauten die Evolutionsgleichungen: + (5.102) lp = 1 @ @(; Y) ; + Z_ = 1 @ @(Y; Y) : (5.103) Unter Berucksichtigung von (5.94) und (5.101) lautet die Aufdatierformel fur V p

Vp = FUp(exp tLp)F;1 = V pji exp(tlp):

(5:104)

Evolutionsgleichungen vom Bodner & Partom-Typ konnen entsprechend formuliert werden.

5.4 Bemerkungen zum Fall der induzierten Anisotropie In allen Abschnitten, in denen die Anisotropie diskutiert worden ist, sind wir davon ausgegangen, da die die Anisotropie beschreibenden Strukturtensoren konstant und von der Deformation unabhangig sind. Es ist aber bekannt, da sich in einem eventuell anfanglich isotropen Material spannungs- oder deformationsinduziert bevorzugte Richtungen entwickeln. In solchen Fallen ist der materielle Strukturtensor M nicht mehr konstant, sondern verandert sich mit der Zeit. Entsprechend ist die zeitliche Ableitung der korrespondierenden raumlichen Strukturtensoren m und m nicht durch (3.52) oder (3.83) (m_ = lm ; ml) sondern durch

m_ = L! m + m + m T ; m_ = Lv m + lm ; ml

(5.105) (5.106)

5.4. BEMERKUNGEN ZUM FALL DER INDUZIERTEN ANISOTROPIE

47

gegeben. Die objektiven Ableitungen L! m und Lv m kommen also hinzu. Wahrend in (5.105) oder (5.106) die zwei letzten nicht objektiven Terme fur eine der beiden Gleichgewichtsbedingungen benotigt werden, bleibt eine objektive Ableitung ubrig, um die Dissipationsungleichung zu erweitern. Letztere lautet also

e e D = V p;T @ (V@ V; Ze ; m) VT : (L! V p)V p; + Y  Z_ +  @ (V@ m; Z; m) : L! m 1

(5.107)

im Falle der Verwendung des Verzerrungsmaes V e oder e e; Z; m) D = 2 @ (b@ b; Ze ; m) be : V p;1 Lv V p + Y  Z_ +  @ (b@ m : Lv m (5.108) im Falle der Verwendung des Verzerrungsmaes be . O ensichtlich ist der Strukturtensor eine Art innere Variable, so da fur die entsprechende objektive Ableitung eine Evolutionsgleichung formuliert werden mu. Auch hier ist bei den Betrachtungen die Tatsache wesentlich, da die Wahl der objektiven Ableitung keineswegs willku rlich ist, sondern letzten Endes durch die Gleichgewichtsbedingungen diktiert wird.

48

Viskoplastizita t und Strecktensorzerlegungen

Kapitel 6 Das Cosserat Kontinuum. Eine erste Formulierung Bereits in den vorigen Kapiteln ist das Rotationsfeld als ein unabhangiges Feld im Rahmen klassischer Kontinua eingefuhrt worden. Historisch gesehen hangt der Begri des unabhangigen Rotationsfeldes eng mit dem Cosserat Kontinuum zusammen. Allerdings wird von vornherein ein zweites Verzerrungsma ins Spiel gebracht, das bisher von der Diskussion ausgeklammert worden ist. Die folgende Diskussion dient dazu, die Rolle dieses zweiten Verzerrungsmaes darzustellen und die notwendigen Konsequenzen daraus zu ziehen. Auch hier wollen wir Kontinua betrachten, deren Dimension drei oder weniger sein kann, die aber in den Euklidischen dreidimensionalen Raum eingebettet sind.

6.1 Die Verzerrungsmae Aus der Gultigkeit der Beziehung schlieen wir

RRT = 1;

R 2 SO(3)

RT R;i + RT;i R = 0:

(6:1)

(6:2) Die Gleichung bedeutet, da eine Familie antisymmetrischer Tensoren darstellt. Die korrespondierenden Axialvektoren werden mit ki bezeichnet. Nun de nieren wir den Kon gurationsraum als das Paar (x; R). Ohne auf die Struktur dieses Kon gurationsraums im Einzelnen einzugehen, betrachten wir den Gradienten dieser Felder (x;i; R;i) bzw. (x;i Gi; R;i Gi ). Um Verzerrungsmae herzuleiten, wird die Invarianz derselben bezuglich der Wirkung eines Elements der Gruppe SO(3) gefordert. Diese Forderung fuhrt auf die Formulierung von ~ ) = (RT F; RT R;i Gi): (U; K (6:3) T ~ durch Da die Produkte R R;i antisymmetrisch sind, konnen wir den dreistu gen Tensor K den zweistu gen Tensor K (U; K) = (RT F; ki Gi) (6:4)

RT R;i

49

50

KAPITEL 6. DAS COSSERAT KONTINUUM. EINE ERSTE FORMULIERUNG

ersetzen, ohne dabei den physikalischen Gehalt der Verzerrungsmae zu verandern. Im folgenden bezeichnen wir U mit dem ersten Cosserat Deformationstensor, wahrend K mit dem zweiten Cosserat Deformationstensor bezeichnet wird.

6.2 Gleichgewichtsbedingungen Im Vergleich zu einem klassischen Kontinuum wird der innere Beanspruchungszustand eines Cosserat Kontinuums um ein Momentenfeld erweitert. Es wird angenommen, da ein Momentenfeld existiert, so da der Momententensor auf @ Bts eine Bedingung im Sinne des Cauchy-Lemmas erfullt. Es sei ein Momententensor, q ein pro Flache de niertes externes Momentenfeld, das auf @ Bts wirkt. Es gilt somit q = n; (6:5) n ist der nach auen gerichtete Normalenvektor. Die Gleichgewichtsbedingungen erweitert um die Momentenbelastung als auch erweitert um die Tragheitsanteile lauten nun D Z x_ dv = Z f dv + Z t da; (6.6) Dt Bt B @ Bts Z Z t Z D (x  f + m) dv + (x  t + q) da: (6.7) Dt (x  x_ + ! ) dv = Bt

Bt

@ Bts

Hier bedeuten m; q die externe Momentenbelastung im Feld und am Rand.  ist der Tragheitstensor, so da die Groe RT R zeitunabhangig ist. ! ist die raumliche Drehgeschwindigkeit, also der axiale Vektor von , wenn letztere durch R_ = R gegeben ist. Anwendung des Cauchy-Lemmas und des Gauschen Integralsatzes (unter der Annahme gewisser Kontinuitatsbedingungen) fuhren auf die lokalen Feldgleichungen x = div  + f ; (6.8) D  Dt (!) = ; :  + div + m: (6.9) Hier ist  der dreistu ge Permutationstensor. Die Operation  :  liefert den axialen Vektor des antisymmetrischen Teils von  . Die Feldgleichungen des klassischen Kontinuums, und zwar das Momentengleichgewicht, wurden also um die Tragheitsterme und einen Quellterm bestehend aus der Divergenz von sowie einen externen Quellterm erweitert. Bemerkung. Auch in einem klassischen Kontinuum hatten wir eine externe Momentenbelastung zulassen konnen. Die Erweiterung zum Cosserat Kontinuum hangt vor allem mit der Einfuhrung von Tragheitstermen und inneren Momententensorfeldern zusammen. Unter speziellen Bedingungen konnen die oberen Feldgleichungen aus einem Variationsprinzip hergeleitet werden. Dies soll fur den Fall eines hyperelastischen Materialverhaltens im nachsten Abschnitt geschehen.

6.3 Der elastische Fall. Die Lagrange Funktion Die Ausfuhrungen dieses Abschnittes stutzen sich auf Sansour J. [78] und Sansour & Bednarczyk [71].

6.3. DER ELASTISCHE FALL. DIE LAGRANGE FUNKTION

51

Es wird die Existenz eines inneren Potentials angenommen. Die Feldgleichungen konnen aus der Anwendung eines Lagrange-Formalismus gewonnen werden. Es mu aber betont werden, da eine Lagrange Funktion nur dann existiert, wenn keine externen Momente zugelassen werden. Diese Aussage ist eine direkte Konsequenz auf das Fehlen eines aueren Potentials fur ein externes Moment. Diese Aussage steht zu dem Versuch im Widerspruch, die vollstandigen Feldgleichungen aus einem Variationsprinzip herzuleiten (siehe [65]). Auf diese Aspekte soll an einer anderen Stelle eingegangen werden. Zuerst werden einige Formeln bereit gestellt. Die Variation sowie die zeitliche Ableitung von R liefern ^ ; W; W ^ 2 so(3);  R = WR = RW (6.10) _R = R = R ^ ; ^

; 2 so(3): (6.11) ^ ^ Die axialen Vektoren der antisymmetrischen Tensoren W; W; ; werden mit w; w ^ ; !; !^ ^ und den zeitlichen bezeichnet. Den Zusammenhang zwischen den Variationen von ;

^ erhalt man sofort aus (2.25)-(2.28). Wir haben Ableitungen von W; W

^_ T ;  = W_ + W ; W = RWR (6.12) _ T ^ ^ ^ ^ ^ ^ _  = W + W ; W = R WR: (6.13) Da alle beteiligten Groen in (6.12) und (6.13) antisymmetrisch sind, konnen diese Beziehungen in Abhangigkeit der entsprechenden axialen Vektoren formuliert werden. Es ergibt sich  ! = w_ + w  ! = Rw^_ ; (6.14)  !^ = w^_ + !^  w^ = RT w_ : (6.15) Man kann auch entweder die Variation oder die zeitliche Ableitung durch eine raumliche Ableitung ersetzen. Diese Tatsache ist nutzlich fur die Herleitung von zeitlichen Ableitungen und Variationen fur die Vektoren ki . Man erhalt dann (ki sind materielle Vektoren) k_ i = !^ ;i + ki  !^ = RT !;i; (6.16) ki = w^ ;i + ki  w^ = RT w;i: (6.17) Die folgende Wirkung wird nun formuliert

 wobei die Lagrange Funktion L durch

L=

Z

Bt

Z t1

t0

L dt = 0;

(T ;  (U; K)) dv;

T = 21 (x_  x_ + !  ! )

gegeben ist, und t0; t1; t1 < t0 Zeitgrenzen de nieren. Die Variation des inneren Potentials liefert   Z Z   (U; K) dv =  @ (@UU; K) :  U + @ (@UK; K) :  K dv: Bt Bt

(6:18) (6:19)

(6:20)

52

KAPITEL 6. DAS COSSERAT KONTINUUM. EINE ERSTE FORMULIERUNG

Mit (6.4) und (6.17) erhalten wir

 U = RT F + RT F = RT RU + RT  F; (6.21) K = ki Gi = RT w;i gi F: (6.22) Die Verwendung von (6:19)2, (6.10), (6.14) und die Beachtung, da  zeit- und deformationsabhangig ist, wobei RT R konstant ist, liefern entsprechend T = (x_  x_ + 21 !  ! + !  !) = [x_   x_ ; !  W! + !  (w_ + w  !)] = [x_   x_ + !  w_ ]: (6.23) Das Einsetzen von (6.19)-(6.23) in (6.18) mit einigen algebraischen Manipulationen liefert Z t1 Z Z [x_   x_ + !  w_ ] dv ; R @ (@UU; K) UT R : FF;1 dv t0 Bt Bt    Z ;  ;R @ (@UU; K) UT RT : W + @ (@UK; K) : (RT w;i giF) dv dt = 0: (6:24) Bt U bliche Regularitatsannahmen bezuglich der Zeit und die Tatsache, da die Variationen an den Stellen t = t0 und t = t1 verschwinden, fuhren zu Z Z [x  x + (!_ ; !  !)  w] dv + R @ (@UU; K) UT RT : FF;1 dv Bt Bt   Z +  ;R @ (@UU; K) UT RT : W + R @ (@UK; K) UT RT : (w;i gi ) dv = 0: (6:25) Bt Diese Gleichungen wurden unter Ausschlu auerer Krafte und Momente hergeleitet. Sie konnen ohne weiteres um die entsprechenden Anteile erganzt werden. Wir erhalten die zwei Gleichungen Z Z Z Z x   x dv = f   x dv + t  x da ; R @ (@UU; K) UT RT : FF;1 dv; (6:26) Bt Bt @ Bts Bt Z

Z



Bt

(!_ + !  ! )  w dv =

Z

Bt

m  w dv +

Z

@ Bts

q  w da 

 R @ (@UU; K) UT RT : W ; R @ (@UK; K) UT RT : (w;i gi) dv = 0; (6:27) Bt die als die schwache Form des Gleichgewichtes betrachtet werden konnen (das D' Alembert Prinzip). Die Feldgleichungen lauten dann   x   x = f + div R @ (@UU; K) UT RT ; (6.28)     !_ + !  ! = m ;  : R @ (@UU; K) UT RT + div R @ (@UK; K) UT RT : (6.29) +

6.4. DER ELASTISCH-VISKOPLASTISCHE FALL

53

Der Vergleich mit (6.8),(6.9) fuhrt zu den Identi kationen (6.30)  =  @ (@UU; K) UT ; ; =  @ (@UK; K) UT ; (6.31) wobei ; als materieller isometrischer Momententensor eingefuhrt worden ist: ; = RT R: (6:32) Auf eine ausfuhrliche Darstellung aller durchgefuhrten algebraischen Operationen wurde zu Gunsten einer kompakten Schreibweise verzichtet.

6.4 Der elastisch-viskoplastische Fall Um den Ein u der Momente auf die Plastizita t zu berucksichtigen, wurde bereits im geometrisch linearen Fall in [5, 48, 58, 80] verschiedene Vorschlage gemacht, die Fliefunktion um Momentenanteile zu erweitern. Konsequenterweise hat ein solcher Vorschlag zur Folge, da das den inneren Momenten zugeordnete Verzerrungsma in einer geeigneten Weise zerlegt werden mu.

6.4.1 Multiplikative-additive Zerlegung der Verzerrungsmae Die Zerlegung der Verzerrungsmae in entsprechende elastische und inelastische Anteile stellt den ersten Schritt zur Formulierung einer Theorie des elastisch-viskoplastischen Cosseart Kontinuums dar. Bereits in Kapitel 5 ist die multiplikative Zerlegung des Strecktensors als eine sinnvolle Entscheidung angesehen worden. Auch hier kann die Wahl der Zerlegung verschieden erfolgen. Um eine Wiederholung der Diskussion zu vermeiden, beschranken wir uns auf die Zerlegung U = Ue U p ; (6:33) wohl wissend, da die alternativen Zerlegungen, die in den Abschnitten 5.2.2-5.3.2 diskutiert wurden, auch herangezogen werden konnen. Als nachstes mussen wir die Zerlegung des zweiten Cosserat Deformationstensors vornehmen. Die folgenden U berlegungen sind nutzlich. Zum einen bemerken wir, da F oder U Elemente einer Lie Gruppe sind, deren physikalische Bedeutung im Strecken (fur F auch im Rotieren) von Tangentenvektoren dokumentiert ist. Fur solche Gruppen ist die multiplikative Zerlegung eine naturliche Operation. Eine solche Wirkung besitzt K nicht. Zum anderen ist K zu den drei Vektoren ki aquivalent, die als Euklidisch betrachtet werden konnen, so da eine additive Zerlegung von K als angebracht und zugleich einfach angesehen werden kann. Wir ziehen somit die folgende Zerlegung heran: K = Ke + Kp : (6:34) Korrespondierend zu dieser Zerlegung erhalten wir die Raten K_ = K_ e + K_ p : Nun konnen wir die Dissipationsungleichung und die Flieregeln diskutieren.

(6:35)

54

KAPITEL 6. DAS COSSERAT KONTINUUM. EINE ERSTE FORMULIERUNG

6.4.2 Positive Dissipation und Flieregeln Wir betrachten die Ungleichung Z

Bt

D dv = P ;

Z

Bt

 _ dv ;

Z

Bt

T_ dv  0:

(6:36)

Hier ist D die Dissipationsfunktion und P die mechanische Leistung. Letztere ist durch

P=

Z

Bt

(f  x_ + m  ! ) dv +

Z

@ Bts

(t  x_ + q  !) da

(6:37)

gegeben. Auf der anderen Seite ist das innere Potential hier von den elastischen Verzerrungsmaen Ue ; Ke , sowie vom Vektor der inneren Variable Z abhangig: = (Ue; Ke ; Z). Mit der Annahme, da die Gleichgewichtsbedingungen erfullt sind, sowie mit der Verwendung von (6:19)2 und von   Z Z  _ (Ue; Ke ; Z) dv =  @@Ue : U_ e + @@Ke : K_ e + @@ Z  Z_ dv Bt B Z t  _ ;1 ; UU_ pUp;1 U;1)+ =  @ e UeT : (UU Bt @ U  @ : (K_ ; K_ p) + @  Z_ dv; (6.38) e @K @Z wobei von den Zerlegungen (6.33) und (6.34) Gebrauch gemacht worden ist, reduziert sich das Prinzip der positiven Dissipation zu den folgenden konstitutiven Beziehungen e e  =  @ (U@ U; Ke ; Z) UeT ; (6.39) e ; Ke ; Z) @ ( U ; =  @ Ke UT ; (6.40) e ; Ke ; Z) @ ( U Y = ; ; (6.41) @Z sowie zu der Aussage D =  : L~ p + ;U;1 : K_ p + Y  Z_  0; (6:42) die die Dissipationsfunktion ausdruckt. In (6.41), wurde Y als die zu der inneren Variable Z konjugierte thermodynamische Kraft eingefuhrt. Es wird weiter bemerkt, da L~ p in (5.17) de niert ist. Nun mu eine weitere Funktion, die die Flieregel angibt, spezi ziert werden. Im folgenden wird die Existenz einer Fliefunktion angenommen. Im Vergleich zu der im Abschnitt 5.2.1 angegebenen Fliefunktion mu sie hier auch von der Momentenbeanspruchung abhangig sein. Der materielle Momententensor, der in die Formulierung der Fliefunktion  eingeht, ist wohl ;. Demnach wird die Fliefunktion folgendermaen formuliert

(; ;; Y) : IR9  IR9  IRn ! IR+ : Elastisches Materialverhalten liegt fur (; ;; Y)  0 vor.

(6:43)

6.4. DER ELASTISCH-VISKOPLASTISCHE FALL

55

Die Theorie ist vollstandig, wenn Evolutionsgleichungen fur die inneren Variablen angegeben werden. Macht man auch hier analog zum Abschnitt 5.2.1. vom Postulat der maximalen Dissipation Gebrauch, so hat man zunachst ; D + 1 + (; ;; Y) = maximum; (6:44) wenn 1= als ein Penalty Faktor eingefuhrt wird, der als Viskositat interpretiert werden kann. Mit (6.42) fuhrt das Postulat zu den folgenden Evoultionsgleichungen + L~ p = 1 @ (@ ; ;; Y) ; (6.45) + K_ p = 1 @ (@ ;; ;; Y) UT ; (6.46) + ; ;; Y ) : Z_ = 1 @ ( (6.47) @Y Fur eine konkrete Formulierung einer Fliefunktion kann die folgende einfache Form herangezogen werden, die eine Verallgemeinerung des von Mises Ansatzes darstellt, wie sie auch im Rahmen in nitesimaler Theorie zeitunabhangiger Plastizita t in Besdo [9] vorgeschlagen worden ist:  = h ; h = J + I ; Y; (6:48) wobei gilt J = dev  : dev; I = ; : ;; Y = Y0 + HZ: (6:49) Die Materialparameter in der Fliefunktion werden also um den Parameter erweitert. In der folgenden Box ist die entsprechende Theorie zusammengefat.

U = UeUp; K = Ke + Kp; U_ p = UpLp; L~ p = UU_ pUp; U;1 1

Innere Dissipation:

Konstitutive Beziehungen:

D =  : L~ p + ;U;T : K_ p + Y  Z_ :

e e e e  =  @ (U@;UK ; Z) UT =  @ (U@ U; Ke ; Z) UeT ; e e e e ; =  @ (U@ K; Ke ; Z) UT ; Y = ; @ (U@;ZK ; Z) :

Evolutionsgleichungen: + L~ p = 1 @ (@ ; ;; Y) ;

+ K_ p = 1 @ (@ ;; ;; Y) U;

(6:50) (6:51) (6:52) (6:53)

+ ; ;; Y) Z_ = 1 @ ( : (6:54) @Y

6.4.3 Diskussion An dieser Stelle ist eine grundsatzliche Diskussion angebracht. Im Prinzip ist die in den letzten Abschnitten vorgestellte Theorie des elasto-viskoplastischen Cosserat Kontinuums

56

KAPITEL 6. DAS COSSERAT KONTINUUM. EINE ERSTE FORMULIERUNG

eine direkte Erweiterung des klassischen Kontinuums, wenn die entsprechenden Funktionen, hier das innere Potential und die Fliefunktion, um die Anteile erweitert werden, die in Zusammenhang mit dem Cosserat Kontinuum in der Theorie zusatzlich vorkommen. Konkret handelt es sich um den Krummungstensor und seinen konjugierten Momententensor. Dem Grundgedanken einer inelastischen Kontinuumstheorie folgend, ist das zweite Verzerrungsma (der Krummungstensor) in elastische und inelastische Anteile zerlegt worden. Gleich welche Zerlegung man sich vornimmt (hier die additive), diese Vorgehensweise ist zwingend, will man Gleichungen erhalten, die auf der Makroebene de niert sind. Eine solche Vorgehensweise birgt aber erhebliche Schwachen in sich, die in den folgenden Anmerkungen sichtbar werden: 1. Die Zerlegung des Krummungstensors erfolgt vollkommen unabhangig von der Zerlegung des Strecktensors. Sowohl die gewahlte additive Zerlegung als auch jede andere Zerlegung wurde weitestgehend willku rlich erfolgen. Eine physikalische Interpretation solcher Zerlegungen ist kaum moglich. 2. Analog zu der Zerlegung der kinematischen Groen ist die Erweiterung der Fliefunktion um die Momentenanteile physikalisch kaum uberschaubar. 3. Die Verwendung von Sto gesetzen vom vereinheitlichten Typ wurde erhebliche Fragen aufwerfen, die vor allem von der experimentellen Seite sehr schwer zu beantworten sind. 4. Die Theorie gilt fur Kontinua beliebiger Dimension. Die Betrachtung einer Struktur wie der Platte, welche als ein zweidimensionales Cosserat Kontinuum angesehen werden kann, ist sehr nutzlich, da dort sehr genaue Vorstellungen fur die physikalischen Vorgange vorliegen. Eine Theorie, wie sie vorgestellt worden ist, kann wohl spezielle viskoplastische E ekte in einer Platte erfassen, zyklische Belastungen sind aber ausgeschlossen. Auch mussen die Verzerrungen klein bleiben, um die additive Zerlegung zu rechtfertigen. Demnach stellt die in diesem Kapitel angegebene Theorie einen ersten Versuch dar, grob einige Phanomene der Viskoplastizita t des Cosserat Kontinuums zu erfassen. Die angesprochenen Unzulanglichkeiten zeigen aber, da es sich hierbei um eine spezielle Theorie handelt. Wir sind also motiviert, eine allgemeinere Form der Theorie einzufuhren, die vor allem physikalisch wesentlich uberzeugender sein durfte. Mit dieser Theorie befasst sich das nachste Kapitel.

Kapitel 7 Eine einheitliche Theorie verallgemeinerter Kontinua n der Monographie von Eringen & Kafadar [31] werden sowohl eine Theorie des Cosserat Kontinuums als auch eine Theorie des mikromorphen Kontinuums vorgestellt. Wahrend die Mikrostruktur des Cosserat Kontinuums durch einen Rotationstensor, also ein Element der Gruppe SO(3), beschrieben wird, ist die des mikromorphen Kontinumms durch ein Element der Gruppe GL+ (3) gegeben. Die Struktur beider Theorien weist insbesondere hinsichtlich der Wahl der Verzerrungsmae viele Parallelen auf. Feldgleichungen werden angegeben, und eine makroskopische Form einer freien Energie Funktion in Abhangigkeit der entsprechenden Verzerrungsmae fur hyperelastisches Materialverhalten wird diskutiert. Die in [31] vorgestellten Theorien geben Anla zu einer kritischen Diskussion. Sowohl die Wahl der Verzerrungsmae als auch die Behandlung des Materialverhaltens (auch im einfachen elastischen Fall) werden in den kommenden Abschnitten einer kritischen U berprufung unterzogen. Es wird gezeigt, da eine einheitliche Betrachtung der Cosserat und der mikromorphen Kontinua sowohl zu einer neuen De nition der Verzerrungsmae fuhrt als auch zu einer neuen Interpretation derartiger Kontinua. Wir werden zu einem Modell eines Kontinuums gefuhrt, bei dem jeder Punkt unendlich viele Freiheitsgrade aufweist. Das neue Konzept vereinfacht wesentlich die Formulierung der Viskoplastizita t der verallgemeinerten Kontinua.

7.1 Erste Diskussion mikromorpher Kontinua nach Eringen Im folgenden wird die Theorie mikromorpher Kontinua nach Eringen und Kafadar kurz skizziert. Die Theorie wird dann einer kritischen Untersuchung unterzogen, die Anla zur einer Modi kation geben wird. In einem mikromorphen Kontinuum wird der Kon gurationsraum folgendermaen C (B) = f(x; A); x 2 IE3; A 2 GL+ (3)g (7:1) de niert. Ohne auf die geometrische Struktur eines solchen Raumes im einzelnen einzugehen, 57

58

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

werden die Verzerrungsmae mit Hilfe einfacher U berlegungen hergeleitet. In [31] werden die folgenden Verzerrungsmae angegeben:

U = A;1F; K1 = A;1A;i Gi; K2 = AT A:

(7.2) (7.3) (7.4)

Gilt aber A 2 SO(3), so resultieren sofort die Verzerrungsmae des Cosserat Kontinuums. Auf den ersten Blick wirken diese Verzerrungsmae wie eine systematische Verallgemeinerung derer des Cosserat Kontinuums fur allgemeinere Lie Gruppen. Im Falle des Cosserat Kontinuums wurde die Herleitung durch eine Invarianzforderung begrundet. Die Gradienten F; R;i sind dann mit R;1 multipliziert worden, um Invarianz bezuglich SO(3) zu gewahrleisten. Analog konnen also die Verzerrungsmae in (7.2)-(7.4) aus einer Invarianzforderung bezuglich des Wirkens eines Elementes der Gruppe GL+ (3) gewonnen werden. Nun stellt sich die Frage, ob solche Invarianzforderungen physikalisch sinnvoll sind. Um diese Frage zu beantworten, greifen wir auf die folgende Vorgehensweise zuruck. Unter der Annahme einfachsten hyperelastischen Materialverhaltens werden die Feldgleichungen hergeleitet. Letztere mussen physikalisch sinnvoll sein. Wir gehen also von der Existenz eines Potentials (U; K1 ; K2) aus. Es genugt auch, nur Krafte im Feld zu berucksichtigen. Es soll also das Funktional Z

Bt

( (U; K1; K2 ) ; f   x) dv = 0

(7:5)

betrachtet werden. Die Ausfuhrung der Variation liefert Z

Bt

 (U; K1; K2 ) dv =

Z





 @@U : U + @@K :  K1 + @@K : K2 dv: 1 2 Bt

(7:6)

Mit (7.2)-(7.4) erhalten wir

 U =  A;1 F + A;1F = A;1 AU + A;1 F;  K1 =  A;1 A;i Gi + A;1 A;i Gi;  K2 =  AT A + AT  A:

(7.7) (7.8) (7.9)

Fur (7.5) ergibt sich somit 

Z

Bt

A;T @@U UT AT :  FF;1 + A;T @@U UT AT : AA;1 + A;T @@K GiAT;i : AA;1 + 



!

1

Z p1g pgA;T @@K1 Gi AT : AA;1 ; 2A @@K2 AT : AA;1 dv ; f  x dv = 0: Bt ;i (7.10)

Es wird daran erinnert, da sowohl  FF;1 als auch A A;1 Elemente der Lie Algebra gl+(3) sind, de niert in der aktuellen Kon guration. Mit g wurde die Determinante der Metrik in

7.2. VERALLGEMEINERUNG DES BEGRIFFS DER MIKRODEFORMATION

59

der Momentankon guration bezeichnet. Damit lauten die Feldgleichungen 



div A;T @@U UT AT + f = 0; (7.11)   A;T @@U UT AT + A;T @@K Gi AT;i + p1g pgA;T @@K Gi AT ; 2A @@K AT = 0: 1 1 2 ;i (7.12) Es kommen die entsprechenden Randbedingungen hinzu. O ensichtlich entspricht die erste Feldgleichung der Kraftegleichgewichtsbedingung. Der erste Term auf der linken Seite von (7.11) ist also der Cauchy Spannungstensor. Die zweite Gleichung ist dann so etwas wie das Gleichgewicht der Mikrospannungen hoherer Ordnung (das Momentengleichgewicht im Falle des Cosserat Kontinuums). Den Feldgleichungen ist aber sofort abzulesen, da sie physikalisch nicht sinnvoll sind. Der Nachteil besteht darin, da der Cauchy Spannungstensor in der zweiten Gleichung vorkommt. Man kann ihn also vollkommen durch die den Krummungen zugeordneten Mikrospannungen bestimmen. Man konnte sogar weiter gehen, und den Cauchy Spannungstensor in der ersten Gleichung eliminieren. Dann mussen die den Krummungen zugeordneten Mikrospannungen (bzw. deren Ableitungen) sogar mit der aueren Belastung in Gleichgewicht stehen. Das widerspricht aber der Vorstellung, da die den Krummungen zugeordneten Mikrospannungen von hoherer Ordnung sind, so da sie bei einem U bergang zu einem klassischen Kontinuum (der immer moglich sein soll) vernachlassigt werden konnen. Bemerkung. In Marsden & Hughes [51] wird der Begri der raumlichen Kovarianz im Sinne einer Forminvarianz der konstitutiven Gleichungen bezuglich beliebiger Di eomorphismen eingefuhrt. Diese Art Invarianz, fur die die sogenannte Doyle-Ericksen Formel ein bekanntes Beispiel ist, kann nicht mit der hier angesprochenen Invarianz bezuglich der Elemente von GL+ (3) verglichen werden. Eine ausfuhrliche Diskussion der Doyle-Ericksen Formel ndet sich in Sansour [67]. Diese Betrachtungen motivieren nun ein neues Konzept der Cosserat und mikromorphen Kontinua, das in den nachsten Abschnitten prasentiert werden soll.

7.2 Verallgemeinerung des Begri s der Mikrodeformation Fur eine Verallgemeinerung des Begri es Kontinuum bedienen wir uns der mathematischen Struktur eines Faserbundels (siehe z.B. [17, 9, 28, 57]). Demnach soll ein verallgemeinertes Kontinuum als das Triple (G ; B; ) de niert werden. Hierbei stellt B  IE(3) die Basis dar (es soll auch Grundkontinuum genannt werden), wahrend G im einfachsten Fall als das Produkt G =: fB  Sg (7:13) aufgefat werden kann, wobei S einen Mikrobereich de niert, der von einer endlichen, aber ansonsten beliebigen Dimension sein kann.  ist eine Projektion von G auf B. Ein Element

60

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

~ , die entsprechende Projektion mit X bezeichnet. Fur ein X~ 2 G und ein von G wird mit X X 2 B gilt (X~ ) = X: (7:14) i Wahrend B mit den Koordinatenkarten # beschrieben wird, soll S mit den Koordinatenkarten  beschrieben werden. geht dann von 1 bis N , die Dimension von S . Der ~ i  I ) aufgepannt. Dabei gilt Tangentenraum von G wird durch das Paar (G @ X~ ; G~ i = @# i

@ X~ : I = @

(7:15)

Die Tangentenraume in G und B sind durch  , die Tangente der Projektion , miteinander verknupft. Es gilt also (G~ i) = Gi: (7:16) Um eine mogliche Inhomogenitat zu berucksichtigen, kann strenggenommen die Form und die Dimension von S von den Koordianten #i abhangig sein. Um die Notation einfach zu halten, wird im folgenden eine solche Abhangigkeit aber nicht weiter betrachtet. Die Momentankon guration eines verallgemeinerten Kontinuums ist dann durch das Triple (Gt ; Bt; t) gegeben. Fur x~ 2 Gt ; x 2 B gilt t (x~) = x. Der Tangentialraum T G t ist durch ~gi  i aufgespannt, wobei gilt @ x~ ; i = @ x~ : ~gi = @# (7:17) i @ Analog zun (7.16) erhalt man t (g~i) = gi: (7:18) Die Verformung eines verallgemeinerten Kontinuums stellt nun eine Funktion x~(#i;  ) dar. Es wird angenommen, da diese verallgemeinerte Plazierung von folgender additiver Gestalt ist x~ = x(#i) + h(#i;  ): (7:19) i Dabei beschreibt h(# ;  ) das Verschiebungsfeld im Mikrobereich, wenn x die Projektion von x~ auf B ist, also die entsprechende Verschiebung des Koordinatenursprungs im Mikrobereich. Bemerkung: Fur die Bezeichnung sowohl der Makrogroen als auch der Mikrogroen werden dieselben Buchstaben verwendet. Zur Unterscheidung werden die Mikrogroen mit dem Zusatz ~ versehen. Fur h(#i;  ) mussen nun Approximationen angenommen werden. Darunter wird verstanden, da die Abhangigkeit x~ von  explizit angegeben werden mu. Im allgemeinsten Fall fuhrt die Approximation von h(#i;  ) auf eine unendliche Reihe, so da jedem Punkt des Grundkontinuums B unendlich viele Freiheitsgrade zugeordnet werden. Fur konkrete Aufgaben aber mussen endlich viele passende Freiheitsgrade gewahlt werden. Im folgenden werden drei solcher Annahmen naher besprochen Fall 1: Es soll die Annahme gelten

x~ = x(#i) +  Q(#i)I ; Q 2 SO(3):

(7:20)

7.3. STRECKTENSOREN IM MIKROBEREICH

61

In einer ersten Approximation wird also die Deformation des Mikrobereiches durch einen von den Koordinaten  unabhangigen Rotationstensor beschrieben. Der Deformationsgradient ist dann von folgender Gestalt

F~ = [x;i(#i) +  Q;i(#i)I +  Q(#i)I ;i] G~ i + Q(#i)I I : (7:21) Es gehort zur oberen Annahme, da die Tangentenvektoren I als von den Koordinaten  unabhangig betrachtet werden. Fall 2: Die Mikroverformung ist von der Gestalt

x~ = x(#i) +  a (#i) (7:22) Die Vektoren a konnen aquivalent als a = AI beschrieben werden. Ist die Dimension des Mikrobereiches gleich drei, so ist A 2 GL+ (3), und die A quivalenz zu der Formulierung im letzten Abschnitt wird sichtbar. Diese Mikrodeformation kann also im Sinne von Eringen als eine mikromorphe Deformation bezeichnet werden. Der verallgemeinerte Deformationsgradient lautet nun

F~ = [x;i(#i) +  a ;i(#i)] G~ i + a (#i) I :

(7:23)

Fall 3: Wahrend die Mikrodeformation in den ersten zwei Fallen linear in den Koordinaten  ist, wahlen wir nun eine solche, die quadratisch in den Mikrokoordinaten ist: x~ = x(#i) + ( +    (#i))a (#i):

(7:24)

Die Groen  stellen skalare Felder dar, deren Zahl durch die Dimension des Mikrobereiches gegeben ist. Naturlich hatte man auch eine aufwendigere quadratische Interpolation nehmen konnen von der Gestalt   z , wobei z vektorwertige Felder sind. Der Ansatz (7.24) ist aber einfacher und erfullt schon die Forderung, da die Koordinaten  in dem entsprechenden Ansatz quadratisch vorkommen. Der zugehorige Deformationsgradient lautet

F~ = [x;i(#i) + ( +    )a ;i(#i) +    ;ia (#i)] G~ i + (1 +   )a (#i) I : (7:25) Weitere noch hoherwertigere Verschiebungsansatze sind entsprechend moglich. Im Prinzip werden jedem Punkt des Grundkontinuums B unendlich viele Freiheitsgrade zugeordnet. Welche Freiheitsgrade tatsachlich fur eine konkrete Berechnung herangezogen werden, ist eine Frage der passenden Wahl, die letzten Endes problemabhangig getro en werden mu.

7.3 Strecktensoren im Mikrobereich Entscheidend fur die vorigen U berlegungen ist, da der Beschreibung der Mikrodeformation, gleich wie sie gewahlt wird, eine einheitliche Betrachtung zugrunde liegt. Entsprechend kann

62

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

die Formulierung der Verzerrungsmae unabhangig vom gewahlten Ansatz nach einheitlichen Gesichtspunkten erfolgen. Die U berlegungen des letzten Abschnittes haben gezeigt, da Invarianz der Verzerrungsmae lediglich bezuglich SO(3) verlangt werden soll. In Anknupfung an die in den vorigen Kapiteln gefuhrte Diskussion uber die Strecktensoren im Falle des klassischen Kontinuums, wird nun ein Strecktensor im Mikrobereich eingefuhrt. Hierfur wird also die Zerlegung

F~ (#i;  ) = R(#i;  )U~ (#i;  );

R 2 SO(3) (7:26) betrachtet. Wie fur die Mikrodeformation selbst mussen fur R als Funktion von  ebenfalls Ansatze gewahlt werden. Am einfachsten wahlen wir R(#i), also konstant uber den Mikrobereich. Wir haben also

F~ (#i;  ) = R(#i)U~ (#i;  );

R 2 SO(3):

(7:27)

In den drei besprochenen Fallen lauten im Mikrobereich die Strecktensoren

Fall 1 : U~ (#i;  ) = [RT x;i(#i) +  RT Q;i(#i)I +  RT Q(#i)I ;i] G~ i + RT Q(#i)I I ;

(7.28)

Fall 2 : U~ (#i;  ) = [RT x;i(#i) +  RT A;iI (#i) +  RT AI ;i(#i)] G~ i + RT AI I ; (7.29) Fall 3 : ~U(#i;  ) = [RT x;i(#i) + ( +    )RT A;i(#i)I +    ;iRT A(#i)I + ~ i + (1 +   )RT A(#i)I I : ( +    )RT A(#i)I ;i] G

(7.30)

Der Rotationstensor R (mit drei Parametern), der Vektor x und der Rotationstensor Q (mit weiteren drei Parametern) stellen im ersten Fall die kinematischen Felder dar. Anstatt Q tritt im zweiten Fall der Tensor A auf (im dreidimensionalen Fall mit neun Parametern). Im dritten Fall kommen die skalaren Groen  hinzu. Die Vorgehensweise ist einheitlich und unabhangig vom gewahlten Ansatz. Im ersten Fall aber bietet sich eine Moglichkeit an, die Zahl der Unbekannten um die Parameter des Tensors Q zu reduzieren. Diese Moglichkeit fuhrt zu einer Formulierung, wie sie im vorigen Kapitel fur das Cosserat Kontinuum besprochen worden ist. Die angesprochene Reduktion wird durch eine zusatzliche Annahme ermoglicht. Sie lautet

Q(#i) = R(#i): Damit bekommt man fur den entsprechenden Strecktensor U~ (#i;  ) = [RT x;i(#i) +  RT R;i(#i)I +  I ;i] G~ i + I I :

(7:31) (7:32)

~ i und RT R;i vor, der erste und In diesem Strecktensor kommen nur die Groen RT x;i G der zweite Cosserat Deformationstensor also.

7.4. GLEICHGEWICHTSBEDINGUNGEN

63

Wie im Falle des klassischen Kontinuums lassen sich auch Verzerrungsmae vom Cauchy~ T U~ ist systematisch Green-Typ sofort herleiten. Die Ausfuhrung der Operation F~ T F~ bzw. U ohne weiteres moglich, was zu der erwahnten Verzerrungsgroe fuhrt. Naturlich wird der Rotationstensor im zweiten und dritten Fall eliminiert. Im ersten Fall aber bleibt er erhalten, da der Rotationstensor Q zur Beschreibung der Kinematik selbst eingefuhrt worden ist.

7.4 Gleichgewichtsbedingungen In Abschnitt 7.1 fuhrte uns die Auswertung der Gleichgewichtsbedingungen dazu, die von Eringen und Kafadar eingefuhrten Verzerrungsmae zu revidieren. Um den bei den Betrachtungen der letzten Abschnitte erzielten Gewinn zu dokumentieren, werden im folgenden die Gleichgewichtsbedingungen fur den dem mikromorphen Kontinuum nach Eringen nahe stehenden zweiten Fall naher diskutiert. Fur die Herleitung der Gleichgewichtsbedingungen nehmen wir die Existenz eines inneren Potentials (#i;  ) an. Wir nehmen weiter an, da uber den Mikrobereich S explizit integriert werden kann, so da wir mit einem Potential der Form (U; K1 ; K2) enden, wenn gilt U = RT x;i Gi; (7.33) K1 = RT A;i Gi; (7.34) K2 = RT A: (7.35) Der Fall, da eine solche explizite Integration nicht moglich ist, wird ausfuhrlich in den nachsten Abschnitten behandelt. Fur unsere Zwecke jetzt ist die Annahme uber die besagte Integration keine Einschrankung, sondern nur eine Vereinfachung der Vorgehensweise. Auch hier werden nur Feldkrafte betrachtet. Die Hinzunahme beliebiger Belastung andert nichts an den erzielten Aussagen. Das Funktional Z

Bt

( (U; K1; K2 ) ; f   x) dv = 0

(7:36)

fuhrt mit den Variationen

U =  RT F + RT  F =  RT RU + RT  F;  K1 =  RT A;i Gi + RT  A;i Gi;  K2 =  RT A + RT  A zu den folgenden Feldgleichungen   div R @@U UT RT + f = 0;  @@U UT +  @@K Gi(RT A;i)T +  @@K KT2 = symmetrisch; 1 2   1 pgR @ Gi AT + R @ AT = 0: pg @ K1 ;i @ K2

(7.37) (7.38) (7.39) (7.40) (7.41) (7.42)

64

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

Randbedingungen fallen entsprechend an. Wahrend die erste Gleichung dem Kraftegleichgewicht entspricht, ist die zweite Gleichung das Momentengleichgewicht, also eine Symmetrieaussage fur die Mikrospannungen. Die letzte Gleichung ist dann eine weitere dem inneren Gleichgewicht im Mikrobereich zugeordnete Gleichung. Es ist o ensichtlich, da diese Gleichungen physikalisch sinnvoll sind. Entscheidend ist, da die Makrospannungen, die den Cauchy Spannungen entsprechen, in der zweiten Gleichung nur in Form ihres antisymmetrischen Teils vorkommen. Der symmetrische Teil taucht nur in der Makrogleichgewichtsbedingung auf. Bei einer Vernachlassigung des Ein ues der Verzerrungsmae K1 und K2 reduzieren sich die Gleichgewichtsbedingungen zu denen des klassischen Kontinuums, wie man es erwarten sollte.

7.5 Theorien niter Verzerrungen - Hyperelastizitat und Viskoplastizitat Nach den Vorbereitungen der vorigen Abschnitte und Kapitel kommen wir zur entscheidenden konstitutiven Annahme. Die Formulierung von Theorien niter Verzerrungen fur verallgemeinerte Kontinua (Cosserat Kontinua sind eben ein Spezialfall) soll auf der Basis des folgenden Gedankens erfolgen: Das Sto gesetz wird im Mikrobereich punktweise formuliert und ausgewertet. Diese Aussage bedeutet, da Sto gesetze fur die Mikrospannungen mit Hilfe von Mikroverzerrungen formuliert werden. Die Auswertung des Sto gesetzes erfolgt also im Mikrobereich, so da die resultierenden Makrogroen, Makrospannungen, Makromomente, etc. im allgemeinen Fall mit Hilfe einer numerischen Integration uber den Mikrobereich gewonnen werden. Als Anwendung fur diese Ideen besprechen wir den Fall der Hyperelastizita t und den Fall der niten Viskoplastizita t.

7.5.1 Hyperelastizitat Das innere Potential wird in Abhangigkeit der Mikroverzerrungen formuliert. Im allgemeinen dynamischen Fall lautet die Lagrange Funktion fur eine verformungsunabhangige auere Belastung  Z Z  1 ~x~_ (#i ;  )  x~_ (#i;  ) ds dv ; Z Z ~ (U ~ (#i;  ))ds dv L = 2 Bt SZ Bt St t  + +

Z

B S Z t Zt @ Bt

~f(#i;  )  x~(#i;  )ds +

St

Z

~t(#i;  )  x~(#i;  )ds +

@S Z t

~f (#i;  )  x~(#i;  ) d dv

@ St



~t (#i;  )  x~(#i;  ) d da: (7.43)

Dabei bedeuten ~ die Massendichte, ds das entsprechende Volumenelement im Mikrobereich und d das Ober achenelement im Mikrobereich. Somit ist ~f eine Kraft pro verallgemeinertes

Theorien niter Verzerrungen ...

65

Volumen bezogen auf Bt  St wahrend ~f eine Kraft pro verallgemeinertes Volumen bezogen auf @ Bt  St bedeutet. Entsprechend stellen ~t und ~t verallgemeinerte Ober achenkrafte bezogen auf @ Bt  St bzw. auf @ Bt  @ St dar. Insbesondere gilt Z

L =

Z



BZt SZ t

+

Bt ZSt

Z

+

@ Bt

~f(#i;  )  x~(#i;  )ds +

St

Z

@ St

Z

~t(#i;  )  x~(#i;  )ds +

~ i ~ (#i;  ) ds dv ~@ (U(#~ ;  )) :  U @U Bt St  ~f (#i;  )  x~(#i;  ) d dv

Z



~x~_ (#i;  )   x~_ (#i;  ) ds dv ;

@ St

Z



~t (#i;  )  x~(#i;  ) d da:

(7.44)

Im allgemeinen Fall mussen die Integrale uber S numerisch ausgewertet werden. Als Anwendung fur obige U berlegungen betrachten wir den Fall 1, der dem Fall des Cosserat Kontinuums entspricht. Fur  L hat man mit (7.20), (7.31) und (6.10)-(6.15)

L =

Z

;

BZt

; +



 x_ (#i)   x_ (#i) + ! (#i)  w_ (#i) dv ;



n(#i) : U(#i) + i(#i)  ki(#i) dv +

ZBt

;

@ Bt



t(#i)  x(#i) + q(#i)  w(#i) da;

wobei gilt

 =

Z

~ ds;

StZ

(#i) = R

St

Z

Bt

;



f (#i)  x(#i) + m(#i)  w(#i) dv (7.45)

(7.46) 

~  [(I  I )1 ; I I ] ds RT ;

~ i ~@ (U(#~ ;  )) ds; @U St ! Z ~ (#i;  )) ~ i @ ( U i i

(# ) =  ~ I  @ U~ G ds; St Z Z f (#i) = ~f(#i;  ) ds + ~f (#i;  ) d; n(#i) =

m(#i) = t(#i) = q(#i) =

Z

ZSt

ZSt

@ZSt

 RI  ~f ds +

~t(#i;  )ds +

Z

@ St

 RI  ~f (#i;  ) d;

~t (#i;  ) d; @ St Z  RI  ~t(#i;  )ds +  RI  ~t (#i;  ) d: St @ St

ZSt

(7.47)

!

(7.48) (7.49) (7.50) (7.51) (7.52) (7.53)

Der U bergang von (7.44) zu (7.45) mit (7.46)-(7.53) verlangt algebraische Operationen, die zwar aufwendig, aber ansonsten elementar sind. Daher werden Details unterdruckt.

66

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

All diese Integrale werden numerisch ausgewertet. In Zusammenhang mit einer moglichen Finiten Element Formulierung geschieht die Auswertung des Sto gesetzes an jedem Integrationspunkt. Entscheidend ist die Tatsache, da das innere Potential in Abhangig~ formuliert wird, so da explizit der Krummungstensor nicht keit des Mikrostrecktensors U vorkommt. Letzterer wird zur Berechnung der Mikrostreckungen herangezogen.

7.5.2 Finite Viskoplastizitat Der Grundidee des vorigen Abschnittes folgend, wird die Theorie der Elasto-Viskoplastizita t anhand der Zerlegung des Mikrostrecktensors entwickelt. Akzeptiert man also die Zerlegung U~ = U~ eU~ p; (7:54) ~ e; Z~ ) in Abhangigkeit von den elastischen Mikroverzerrungen so mu das innere Potential (U und dem Vektor der inneren Variable auf der Mikroebene formuliert werden. Die Vorteile dieser Vorgehensweise liegen auf der Hand:

 Die Physik des Problems kann genau wiedergeben werden.  Die Zerlegung des Krummungstensors kommt nicht vor.  Bekannte Evolutionsgleichungen konnen ohne weitere Modi kation ubernommen wer-

den. So konnen Evolutionsgleichungen vom Bodner & Partom-Typ auch bei der Betrachtung des Cosserat bzw. des mikromorphen Kontinuums Verwendung nden.  Die Spezi zierung des Mikrobereiches ist die einzige zusatzliche Information (Materialparameter), die fur die Berechnung benotigt wird, so da komplizierte Bestimmungen von Materialparametern, deren physikalische Bedeutung zwielichtig ist, entfallen.

Die Theorie der Elasto-Viskoplastizita t ist somit durch das folgende Funktional beschrieben  Z  D (!(#i ))  w(#i) dv + Z ;n : U(#i ) + i   k (#i) dv x(#i)  x(#i) +  Dt i Bt Bt Z Z ;  ;  ; f (#i)  x + m  w(#i) dv ; t(#i)  x + q  w(#i) da = 0 ;(7.55) Bt

@ Bt

wobei gilt

 =

Z

~ ds;

StZ

(#i) = R

St

(7.56) 

~  [(I  I )1 ; I I ] ds RT ;

(7.57)

!

i ~e i ~ p;T ds; ~@ (U (# ;  ~)e; Z(# ;  )) U @U St ! Z ~e i ~ i

i(#i) =  ~ I  @ (U (# ;@U~)e; Z(# ;  )) U~ p;T G~ i ds; St

n(#i) =

Z

(7.58) (7.59)

Theorien niter Verzerrungen ...

f (#i) = m(#i) = t(#i) = q(#i) =

Z ZSt ZSt

~f(#i;  ) ds +

67 Z

@ZSt

 RI  ~f ds +

@ St

(7.60)

 RI  ~f (#i;  ) d;

~t (#i;  ) d; @ St Z  RI  ~t(#i;  )ds +  RI  ~t (#i ;  ) d: St @ St

ZSt

~t(#i;  )ds +

Z

~f (#i;  ) d;

(7.61) (7.62) (7.63)

Zu dem oberen Funktional kommen die Evolutionsgleichungen, z. B. vom Bodner & PartomTyp hinzu. Im Vergleich zu einem klassischen Kontinuum bleibt die Struktur der Gleichungen unverandert, so da die Ergebnisse voriger Kapitel ubernommen werden konnen . Es gilt: p U~ = U~ eU~ p ; U~_ = U~ pL~ p; Lp = U~ L~ pU~ ;1; (7:64) innere Dissipation:

D = ~ : Lp + Y~  Z~_ :

(7:65)

konstitutive Beziehungen:

Evolutionsgleichungen:

~e ~ ~e ~ ~ =  @ (U~ ; Z) U~ T =  @ (U~ ;e; Z) U~ eT ; @U @U e; Z ~ ~ @ ( U ) Y~ = ; ~ ; @Z

Lp = _ ~ ; "  _ = p2 D0 exp ; 1 N + 1 Z 2 N II

3 M Z_ = Z (Z1 ; Z )IIdev ;_ r0 IIdev~ = 32 dev ~ : dev~ ; ~ ~ = 32 IIdev~ : dev

dev

2N #

(7.66) (7.67) (7.68)

;

(7.69) (7.70) (7.71) (7.72)

Es wird nochmal betont, da die Auswertung dieser Integrale punktweise im Mikrobereich entscheidend ist. Es ist ebenfalls klar, da die inneren Variablen auch Funktionen von den Mikrokoordinaten  sind. Erfolgt die Auswertung der Integrale uber den Mikrobereich ~ p als auch Z~ ausgewertet werden. numerisch, so mu an jedem Integrationspunkt sowohl U U bernimmt man Sto gesetze, welche fur das klassische Kontinuum formuliert werden, so ist die Spezi zierung des Mikrobereichs, uber welchen die Integrale ausgewertet werden mussen, die einzige weitere Information, die benotigt wird, um Cosserat oder mikromorphe Kontinua viskoplastisch zu berechnen. Im Vergleich zum Modell des letzten Kapitels ist der jetzige Vorschlag sowohl physikalisch konsistenter als auch einfacher aufgebaut, was die notwendigen Materialparameter angeht.

68

7.6 Diskussion

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

Von besonderer Bedeutung ist nun die Betrachtung von zweidimensionalen Flachen, die in einen dreidimensionalen Euklidischen Raum eingebettet sind. Solche Flachen dienen dazu, Schalen zu modellieren. Zur Herleitung von Schalentheorien wurden bisher zwei getrennte Wege beschritten. Zum einen wurden Schalengleichungen aus einer dreidimensionalen Betrachtung gewonnen, in dem das Verschiebungsfeld des Schalenraumes unter Heranziehung gewisser Annahmen approximiert worden ist. Zum anderen wurden Schalen direkt als Cosserat-Flachen modelliert ([55, 71]). Beide Methoden wurden als voneinander vollig unabhangig betrachtet. Die Herleitung von Schalengleichungen lauft auf eine Dimensionsreduktion im betrachteten Fall hinaus. Mit den U berlegungen der letzten Abschnitte sind wir nun in der Lage, jeder dreidimensionalen Herleitung von Schalengleichungen sofort ein zweidimensionales Modell einer mikromorphen Flache zuzuordnen. Man braucht nur den Mikrobereich als ein eindimensionales Kontinuum mit der Lange der Schalendicke aufzufassen. Die Annahmen, die bei der dreidimensionalen Herleitung benotigt werden, konnen als Approximationen des Verschiebungsfeldes im Mikrobereich interpretiert werden. Es zeigt sich sogar, da die mikromorphe Flache groere Freiheiten erlaubt als dies bei einer dreidimensionalen Herleitung der Fall ist. Der Mikrobereich braucht nicht eindimensional zu sein, so da Dimensionserweiterungen mit Dimensionsreduktion gekoppelt werden konnen. Wird ein zweidimensionales Grundkontinuum mit einem dreidimensionalen Mikrobereich gekoppelt, so fuhrt die Betrachtung der mit der Dickenrichtung zusammenfallenden Richtung zu einer Dimensionsreduktion, wahrend die Betrachtung der beiden dazu komplementaren Richtungen eine Dimensionserweiterung erlaubt. Dies ist keineswegs absurd. Hierzu sei der Fall eines ebenen dreidimensionalen Korpers erwahnt, der in seiner Ebene belastet wird, wobei die Abmessungen in der Ebene als wesentlich groer angenommen werden als die der Dicke. In diesem Fall ist es sinnvoll, die Dimension des Problems in geeigneter Weise um die Richtung senkrecht zur Belastungsebene zu reduzieren. Die Betrachtung eines Mikrobereiches senkrecht zur Belastungsebene fuhrt zur erwunschten Dimensionsreduktion, wahrend der Mikrobereich in der Ebene die Struktur mit einer inneren Lange ausstattet, die sich als notwendig erweisen kann zur Beschreibung von bestimmten E ekten bei einem speziellen Materialverhalten (Scherbandentwicklung bei inelastischem Materialverhalten). Die letzten Ausfuhrungen zeigen, da das vorgeschlagene Konzept eines verallgemeinerten Kontinuums sowohl Dimensionsreduktion als auch Dimensionserweiterungen erlaubt und diese in einer einheitlichen Weise behandelt.

7.7 Bemerkungen zu einigen geometrischen Konzepten Bei der Ausfuhrung von zeitlichen Ableitungen oder Variationen ist stillschweigend eine bestimmte Struktur der Kon gurationsraume angenommen worden. Insbesondere wurde davon ausgegangen, da die Menge aller zulassigen Verschiebungen einen linearen Vektorraum bildet, wahrend die Menge aller zulassigen Elemente einer Lie Gruppe, z.B. der eigentlichen

7.7. BEMERKUNGEN ZU EINIGEN GEOMETRISCHEN KONZEPTEN

69

Rotation, eine multiplikative Struktur aufweist. Dies ist in der Tat keineswegs selbstverstandlich. Die Kon gurationsraume, als die Menge aller zulassigen Freiheitsgrade eines Systems, konnen mit verschiedenen algebraischen und geometrischen Strukturen ausgestattet werden. Solche Strukturen sind sehr reichhaltig und beein ussen wesentlich mogliche numerische Berechnungen. Auch konnen sie wesentliche Einblicke in die Bescha enheit der Feldgleichungen erlauben. Auch wenn es nicht beabsichtigt ist, die geometrischen Strukturen der Theorie von Kontinua mit Mikrostruktur darzulegen, soll zumindest ansatzweise auf die Bedeutung dieser Aspekte hingewiesen werden. Ausfuhrlich soll daruber an einer anderen Stelle auerhalb dieser Arbeit berichtet werden.

7.7.1 Zur Struktur der Kon gurationsraume Wir betrachten den folgenden Kon gurationsraum C C = f(x; A; R)jx 2 IE3; A 2 GL+(3); R 2 SO(3)g (7:73) Zusatzlich zu der Tatsache, da Lie Gruppen grundsatzlich nichtlineare Mannigfaltigkeiten darstellen, sind verschiedene Moglichkeiten gegeben, zwei Elemente des Kon gurationsraumes miteinander zu verknupfen bzw. deren Produkt zu bilden. Zum einen betrachten wir das direkte Produkt. Sind zwei Elemente (x; A; R) 2 C und (u; T; Q) 2 C gegeben, so soll die folgende Verknupfung gelten (x; A; R)  (u; T; Q) = (x + u; AT; RQ): (7:74) Mit dieser Struktur ausgestattet, konnen die zeitlichen Ableitungen bzw. die Variationen von x wie ublich berechnet werden, die von A oder R nach Kapitel 2. Allerdings ist es auch moglich, alternativ das semi-direkte Produkt bezuglich SO(3) als Verknupfungsoperation zu wahlen. Man hat zunachst (x; A; R) > (u; T; Q) = (Qx + u; QAQT + T; RQ): (7:75) 3 Das Element Q 2 SO(3) wirkt auch z.B. auf x 2 IE . Die zeitliche Ableitung von x fuhrt zugleich zu einer Ableitung von R. Konkret erhalten wir fur R_ = R ; 2 so(3) x_ = L! x + x; (7:76) wobei L! die objektive Ableitung bezuglich der Rotationen ist. Praktisch bedeutet das, das die Verschiebungen auf ein mitgedrehtes System bezogen werden. Fur bestimmte Anwendungen hat es durchaus einen Sinn, es so zu machen. Es ist ersichtlich, da die Numerik von solchen Strukturen beruhrt wird. Noch deutlicher wird es, wenn zweite Ableitungen gebildet werden. Fur den Fall SO(3) sind Diskussionen solcher Aspekte in Simo [87] und Sansour & Bednarczyk [71] enthalten.

7.7.2 Das externe Potential Auch wenn die auere Belastung von der Verformung selbst unabhangig ist, existiert ein externes Potential beim Vorhandensein von nichtlinearen Kon gurationsraumen im allgemeinen Fall nicht. Der Arbeitsweg eines Momentes ist ein typischer Fall. Es ist im allgemeinen

70

Eine einheitliche Theorie verallg. Kontinua

nicht moglich, ein Potential so anzugeben, da die Variation desselben die virtuelle auere Arbeit liefert. Letztere kann aber in verschiedenen Weisen angegeben werden. Als Anwendungsbeispiel sei der folgende Fall erwahnt. Fur R hat man eine geschlossene Darstellung in Abhangigkeit eines Rotationsvektors (siehe z.B. [22, 62])

R = 1 + sinj j j j (1  ) + 1 ;j cosj2 j j (1  )2:

(7.77)

Die Schreibweise (1  ) steht fur den antisymmetrischen Tensor, dessen axialer Vektor ist. Eine mogliche direkte Variation dieser Gleichung fuhrt zu    R = cos j j ; sin j j (   ) (  1) + sin j j (  1)



j



2

j

j

j

j

j



j

j

  ) [  (  1)] + sin j 2 j ; 2(1 ; cos3 j j) ( j j 



j

j





j

j

+ 1 ; cos j j [  (  1) +  (  1)]:

2

j

j

(7.78)

Andererseits ist der Zusammenhang bekannt  R = RW; R 2 SO(3); W 2 so(3). O ensichtlich fallt  nicht mit dem axialen Vektor von W zusammen. Physikalisch ist der Ausdruck fur die virtuelle Arbeit eines Moments linear in w. Derselbe Ausdruck ist dann nichtlinear in  . Der Numerik konnen beide Konzepte einer Variation zugrunde gelegt werden, naturlich mit verschiedenem Aufwand.

7.7.3 Kompatibilitatsbedingungen und Spannungsfunktionen Innerhalb einer rein intrinsischen Theorie wird auf die Einfuhrung der kinematischen Felder verzichtet. Stattdessen wird versucht, mit den Gleichgewichtsbedingungen, dem Sto gesetz und den Kompatibilitatsbedingungen die vollstandige Formulierung eines Problems zu bewerkstelligen. In bestimmten Fallen ist dies auch fur den geometrisch nichtlinearen Fall moglich. Im Falle des klassischen Kontinuums fuhrt die explizite Einfuhrung der Rotationen, d.h. die Einfuhrung des Strecktensors als Verzerrungsma, bemerkenswerterweise zu einfacheren Gleichungen als die Wahl des rechten Cauchy-Green Tensors als Verzerrungsma. Auch konnen unter Umstanden Spannungsfunktionen angegeben werden, die apriori die nichtlinearen Gleichgewichtsbedingungen erfullen, was auch von praktischer Bedeutung sein kann.

Kapitel 8 Anwendungsbeispiele und numerische Berechnungen Dieses Kapitel dient dazu, die Anwendbarkeit der in dieser Arbeit entwickelten Ideen zur Losung konkreter Aufgaben zu demonstrieren. Die Numerik von Theorien mit expliziter Einbeziehung von Rotationstensoren ist ein Kapitel fur sich und unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von einer Numerik, die auf lineare Vektorfelder zuruckgreift. Auch die Tatsache, da der Strecktensor nichtsymmetrisch ist, verlangt nach alternativen Integrationsalgorithmen fur die viskoplastischen Evolutionsgleichungen im Vergleich zu solchen Integrationsalgorithmen, die in der Literatur etabliert sind. Dennoch soll die Numerik kein Gegenstand dieser Arbeit sein. Der interessierte Leser wird auf die entsprechenden Literaturstellen verwiesen. Betrachtet werden vier Anwendungsgebiete. 1. Im ersten Fall wird eine Membrantheorie mit einem nichtlinear-elastischen Materialgesetz entwickelt. Die Theorie ist eine direkte Anwendung fur das in Kapitel 4 betrachtete klassische Kontinuum mit unabhangigen Rotationen. 2. Das zweite Beispiel befat sich mit einer dunnen viskoplastischen ebenen Struktur. Auch hier ist das Kontinuum klassisch. 3. Im dritten Beispiel wird eine Schalentheorie aus der Betrachtung eines zweidimensionalen Cosserat Kontinuums gewonnen. Das Sto gesetz ist linear-elastisch, endliche Verschiebungen sind aber zugelassen. 4. Im vierten Beispiel wird eine viskoplastische Schale als ein zweidimensionales mikromorphes Kontinuum behandelt.

8.1 Ein hyperelastisches Membran Dieses Beispiel ist Sansour et al. [72] entnommen. Es stellt ein idelaes Medium dar zur Demonstration der in Kapitel 4 vorgeschlagenen freien Behandlung der Rotationen. Das 71

72 KAPITEL 8. ANWENDUNGSBEISPIELE UND NUMERISCHE BERECHNUNGEN Membran stellt ein zweidimensionales Kontinuum dar, eingebettet in einen dreidimensionalen Euklidischen Raum. Das Kontinuum ist klassisch insofern, da das innere Potential nur vom Strecktensor abhangig ist. Fur die Herleitung von konkreten fur eine numerische Implementation geeigneten Ausdrucken werden zunachst der antisymmetrische Levi-Civita Tensor 8