Die Matrix entschlusselt 3865051510, 9783865051516 [PDF]


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Table of contents :
Einleitung......Page 7
Loving the Alien......Page 15
High-Tech & Anti-Tech......Page 18
Die Technologie-Gebote des Kinos......Page 19
Computer Movies......Page 23
Künstliche Wirklichkeit......Page 27
Tech Romance......Page 33
Das philosophische Popcorn-Movie......Page 41
Larry & Andy machen's in Hollywood......Page 46
Die MATRIX wird geladen......Page 50
Ein Neues Testament des Kinos......Page 56
Vor-Geschichten und Nach-Bilder......Page 59
MATRIX-Plot......Page 67
MATRIX-Material: Grunge, Cyberpunk, Comics......Page 98
whatisthematrix.com......Page 111
Great Expectations: Die Wachowski-stock Company bei der Arbeit......Page 115
Reloading MATRIX-Plot......Page 118
Die Vertreibung aus dem MATRIX-Paradies......Page 140
MATRIX-Verzweigungen......Page 143
ANIMATRIX......Page 145
MATRIX Playstation......Page 170
MATRIX imitiert & parodiert......Page 172
State of the Digital Art:Revolten der Filmtechnik......Page 175
Morphing Time & Space: Auf dem Weg zur virtual cinematography......Page 186
Design und das Nichts......Page 197
Global & Digital Village......Page 203
Die postmoderne Form der Sklaverei......Page 210
Rage against the Machine......Page 214
Innen/Außen – Widerstand und Subversion......Page 218
Die schöne Kunst der Verschwörung......Page 224
Don Quichote Descartes......Page 231
Die Idee oder das Bild......Page 235
The Königsberg Connection......Page 239
Die Geschichte der Fälschungen......Page 246
Der Typus und die ewige Wiederkehr......Page 250
All Systems Are Go......Page 254
Simulation und Fragment......Page 261
Das Bild des Denkens & das Denken des Bildes......Page 263
Die Religion der MATRIX......Page 269
Das Biblische......Page 273
Das Gnostische......Page 276
Das Buddhistische......Page 279
Zen und die Kunst ein Motorrad zu fahren......Page 282
Das Taoistische......Page 286
Men (and Women) in Black......Page 289
Reloaded revisited......Page 293
Plot Revolution......Page 298
Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende......Page 310
Was also ist die MATRIX?......Page 316
The Big Sleep......Page 317
Erzählmaschine, Bilderfabrik......Page 324
Zitierte und benutzte Literatur......Page 328
Filmografie......Page 330
Bibliografie......Page 336
Fotonachweis......Page 340
Index......Page 341
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Die Matrix entschlusselt
 3865051510, 9783865051516 [PDF]

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Zitiervorschau

Georg Seeßlen, geboren 1948. Freier Autor und Dozent. Texte u. a. für Die Zeit, Der Spiegel, Frankfurter Rundschau, taz, Konkret, epd Film. Zahlreiche Bücher zum Film und zur populären Kultur. Mitautor bzw. Mitherausgeber der Bände über Quentin Tarantino, Joel & Ethan Coen, Alfred Hitchcock, David Fincher, Jim Jarmusch, Robert De Niro und Martin Scorsese in der Reihe film: des BertzVerlages. Lebt in Kaufbeuren.

Georg Seeßlen

Die MATRIX entschlüsselt

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Lektorat: Dieter Bertz, Maurice Lahde Redaktionelle Mitarbeit: Frank Fischer, Karoline Harthun Filmografie und Bibliografie: Karoline Harthun Layout: Katrin Fischer DVD-Prints: Frank Fischer, Karoline Harthun, Dieter Bertz Fotonachweis: siehe Anhang © Photographs; original Copyright holders

Alle Rechte vorbehalten © 2003 by Bertz Verlag GbR, Berlin Wrangelstr. 67, 10997 Berlin Druck: druckhaus köthen, Köthen Printed in Germany ISBN 3-86505-151-0

Einleitung ......................................................................................7

Preloading the MATRIX: High-Tech-Monsters & Cyberwars .............................................15 Loving the Alien ....................................................................................... 15 High-Tech & Anti-Tech ............................................................................18 Die Technologie-Gebote des Kinos ......................................................... 19 Computer Movies..................................................................................... 23 Künstliche Wirklichkeit ............................................................................. 27

MATRIX-Playground ....................................................................33 Tech Romance ........................................................................................ 33 Das philosophische Popcorn-Movie......................................................... 41 Larry & Andy machen's in Hollywood ...................................................... 46 Die MATRIX wird geladen........................................................................ 50 Ein Neues Testament des Kinos.............................................................. 56

THE MATRIX ................................................................................59 Vor-Geschichten und Nach-Bilder ........................................................... 59 MATRIX-Plot............................................................................................ 67 MATRIX-Material: Grunge, Cyberpunk, Comics und die moralische Revision ................................................................... . 98 whatisthematrix. com .............................................................................. 111

THE MATRIX RELOADED ..........................................................115 Great Expectations: Die Wachowskistock Company bei der Arbeit................................................................. 115 Reloading MATRIX-Plot.......................................................................... 118 Die Vertreibung aus dem MATRIX-Paradies .......................................... 140

MATRIX-Verzweigungen ............................................................143 ANIMATRIX ........................................................................................... 145 MATRIX Playstation ...............................................................................170 MATRIX imitiert & parodiert ....................................................................172

Die Ästhetik der MATRIX............................................................175 State of the Digital Art: Revolten der Filmtechnik.................................... 175 Morphing Time & Space: Auf dem Weg zur Virtual cinematography............................................... 186 Design und das Nichts ............................................................................ 197

Die Politik der MATRIX ...............................................................203 Global & Digital Village ...........................................................................203 Die postmoderne Form der Sklaverei ..................................................... 210 Rage against the Machine ...................................................................... 214 Innen/Außen - Widerstand und Subversion ............................................ 218 Die schone Kunst der Verschwörung...................................................... 224

Die Philosophie der MATRIX .....................................................231 Don Quichote Descartes.........................................................................231 Die Idee oder das Bild ............................................................................ 235 The Königsberg Connection ...................................................................239 Die Geschichte der Fälschungen............................................................ 246 Der Typus und die ewige Wiederkehr ..................................................... 250 All Systems Are Go................................................................................. 254 Simulation und Fragment........................................................................261 Das Bild des Denkens & das Denken des Bildes.................................... 263

Die Religion der MATRIX............................................................269 Das Biblische .......................................................................................... 273 Das Gnostische ...................................................................................... 276 Das Buddhistische .................................................................................. 279 Zen und die Kunst ein Motorrad zu fahren.............................................. 282 Das Taoistische ...................................................................................... 286 Men (and Women) in Black.....................................................................289

THE MATRIX REVOLUTIONS.....................................................293 Reloaded revisited ................................................................................. 293 Plot Revolution........................................................................................ 298 Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende..................................... 310

Was also ist die MATRIX?..........................................................316 The Big Sleep ......................................................................................... 317 Erzählmaschine, Bilderfabrik .................................................................. 324 Zitierte und benutzte Literatur ................................................................. 328 Filmografie .............................................................................................. 330 Bibliografie .............................................................................................. 336 Fotonachweis.......................................................................................... 340 Index .......................................................................................................341

Einleitung Von Zeit zu Zeit gibt es Filme, die sich einfach nicht an die Ordnungen halten, an die wir uns im Kino gewöhnt haben: Arthouse hier und Popcorn dort, technisch verschärfter Kinderkram hier und gedankenschwere Selbstreflexion dort, industrielle Serienware hier und Autorenfilme dort. Und es gibt Filme, die weit über ihr Genre und seine Fan-Gemeinschaft hinauswirken. In der Science-Fiction erinnern wir uns an Stanley Kubricks 2001: A SPACE ODYSSEY (2001 – Odyssee im Weltraum; 1968), an Andrej Tarkowskijs SOLARIS (1972), an Ridley Scotts BLADE RUNNER (1982). Filme, die von Leuten geschätzt, vielleicht sogar geliebt werden, die ansonsten mit Science-Fiction nicht viel im Sinn haben. Auch einige Serien des Mainstream-Kinos haben einen solchen Kult-Status erreicht, die ALIEN-Reihe (1979-1997) oder die Folgen von TERMINATOR (1984-2003). Anders als die großen Einzelwerke sind diese Reihen, die sich von Film zu Film in Inhalt und Form verändern, auch zu Motoren der Genre-Entwicklung selber geworden. Sie begnügen sich nicht damit, »anders« zu sein, sie machen auch die ihnen folgenden Filme »anders«. Niemand versucht Kubricks 2001 nachzumachen (und Peter Hyams' Sequel 2010; THE YEAR WE MAKE CONTACT [2010 – Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen; 1984] unternimmt sogar alles, um jedem Vergleich aus dem Weg zu gehen), niemand will einen zweiten SOLARIS schaffen (und Steven Soderbergh macht in seinem Remake gleich einen Vorschlag zu einer gänzlich anderen filmischen Lektüre von Stanislaw Lems literarischer Vorlage). Aber die ALIEN- und TERMINATOR-Serien haben sowohl den Look als auch die Philosophie der Science-Fiction-Filme entschieden verändert. Danach waren die Filme des Genres einfach etwas anderes. Und dann gibt es eine dritte Form des fantastischen Films, wie zum Beispiel die STAR WARS-Filme (1977-2005), die auf den ersten Blick eigentlich nicht allzu viel zu sagen haben, aber in ihrer konsequenten Sampling-Technik und ihrem technischen Fundamentalismus, mit dem sie zum zugleich einförmigen und wilden Erzählen des Märchens zurückkehren, alle nur denkbaren Wünsche des Publikums zu erfüllen scheinen. Sie bilden eine eigene mediale Parallelwelt, aus der die wahren Fans sich manchmal nur höchst widerwillig in die wüste Wirklichkeit zurück vertreiben lassen. Bilder- und Textfragmente (»Möge die Macht mit dir sein!«) sickern in den Alltag, und wer die Originale nicht kennt (solche Menschen

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soll es geben), kennt wenigstens das Spielzeug, die Karnevalskostüme oder die Simpsons-Parodien. Auch diese Filme verändern, auf ihre Weise, das Zeigen und das Sehen im Kino weit über die Grenzen der Science-Fiction hinaus. Diese drei Arten, die Grenzen eines Genres, die Grenzen auch der Erwartungen, beim Publikum wie in der Industrie der Traumfabriken, zu sprengen, scheinen zunächst einmal unabhängig voneinander zu funktionieren. Wer noch nach dem zwanzigsten Mal beim Anschauen von 2001 hin und weg ist, möchte nicht unbedingt in STAR WARS: EPISODE 1 – THE PHANTOM MENACE (Star Wars: Episode 1 – Die dunkle Bedrohung; 1999; R: George Lucas) erwischt werden; wer über die Düsternis der ALIENFilme oder die eigensinnige Philip-K-Dick-Intelligenz in BLADE RUNNER diskutiert, mag Schwierigkeiten haben, die oneliner von Arnold Schwarzenegger in den TERMINATOR-Filmen zu goutieren. In die Entwicklung des Genres aber fließen alle diese ästhetischen und natürlich auch ideologischen Verwandlungen ein. Deshalb ist es dann vielleicht doch kein so großes Wunder, dass schließlich ein Film entsteht, der so aufregend neu erscheint, weil er die technischen Mittel seiner Entstehungszeit perfekt dazu nutzt, diese drei Arten der filmischen »Revolution« miteinander zu verbinden: Die MATRIX-Trilogie [im Folgenden meist nur »MATRIX«, während »THE MATRIX« den ersten Teil meint] ist offensichtlich alles das – so tiefsinnig wie 2001, so märchenhaft wie STAR WARS, so diskursiv wie BLADE RUNNER. MATRIX ist eine einzigartige Mischung aus Design und Philosophie, Action und Religion. Aber kaum war der Film im Kino, versuchte schon jeder C-Film ein bisschen wie THE MATRIX auszusehen und Helden zu kreieren, die ihren Kopf nicht nur dafür hatten, dass die Sonnenbrillen nicht runterfallen. Und mehr noch: MATRIX ist zugleich eine in sich geschlossene Erzählwelt, die sich aus dem Prinzip selbstreferenzieller Wucherungen und Spaltungen entwickelt, es ist eine Film-Trilogie, in deren Welt man sich, obwohl sie durchaus bedrohlich ist und gefährlich sowieso, für eine geraume Zeit »zu Hause« fühlen kann (eher jedenfalls als zu Hause), und es ist eine offene Filmwelt, die man sozusagen unendlich »lesen«, interpretieren und diskutieren kann. Ein Popcorn-Movie, das in sich schon die Keime von ein paar Dutzend Doktorarbeiten trägt und die üblichen Verdächtigen der internationalen Denker-Szene zu neuerlichen Verlautbarungsschüben anregt, das ist nichts unbedingt Neues. Die populäre Mythologie der Unterhaltungsindustrie hat mit den alten Mythen gemeinsam, dass sie in sich einen enormen Reichtum von Erfahrung, Wissen und Problemen trägt, mehr oder weniger gut maskiert. Bislang freilich hat man von dieser Seite her die populären

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Die MATRIX-Trilogie offenbart ihre literarischen und philosophischen Quellen ohne Scheu und manchmal mit einer gehörigen Portion Frivolität.

Mythen ein bisschen wie Geisteskranke oder wenigstens naiv-geniale Künstler behandelt, so als schöpften sie direkt aus dem kollektiven Unbewussten, ohne im Einzelfall zu wissen, was sie da überhaupt anstellen. Der Mythos ist eben eine Art von Wissen, das von sich selber nichts weiß, und populäre Mythologie ist ein System von Mythen, in dem es ziemlich aussichtslos ist, nachzuweisen, wer wann etwas wovon gewusst haben soll. Und natürlich: wer wem was geklaut hat. Das Neue an MATRIX aber ist, dass sich der Film und seine gelehrten Interpreten gleichsam auf Augenhöhe begegnen. Der Film weiß schon selber, wie schlau er ist. Genauer gesagt, er weiß, wie er es anzustellen hat, schlauer als alle seine Interpreten zu sein. Er bombardiert seine möglichen Analytiker mit mehr Stoff, als sie jemals verarbeiten können. Und er dreht ihnen schon im Vornherein eine lange Nase. Er lässt, zum Beispiel, seinen Helden Jean Baudrillards Buch Simulacra & Simulation zur Kamera halten. Das kann man ignorieren, oder man kann, um mitreden zu können, einen Umweg über die Bibliothek nehmen. Man kann über den Symbolgehalt der Zahlen, die an allen Ecken und Enden auftauchen, oder über die Bedeutung der Namen sinnieren, man kann aber auch einfach die Eleganz der Bewegungen, die neuen Möglichkeiten einer »virtuellen Kamera« oder die Farben genießen, dieses Grün und Schwarz, das schon zum Code des neuen Cool in der Werbung geworden ist. Und irgendwo, vielleicht, trifft sich das auch wieder, in der Matrix: das Nerd-hafte Sammeln und Grübeln und der ästhetische Spaß. Die MATRIX-Trilogie offenbart ihre literarischen und philosophischen Quellen ohne Scheu und manchmal mit einer gehörigen Portion Frivolität. So frivol und ungehemmt mit Philosophie umzugehen – das muss in den

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Seminaren und Lektoraten doch einen Schub von Neid auslösen. Allerdings ist das natürlich auch ein riskanter Akt. Die MATRIX-Filme machen unentwegt, beinahe in jeder Einstellung, Vorschläge zu ihrer eigenen Lektüre, während sie die Sinne überwältigen und archaische Helden und Schurken aufeinander hetzen. Kein Wunder, dass nicht nur das Publikum begeistert war, die Hardcore-Fans bis zu 100 Mal in den Film gingen (Hey, ist nicht »in den Film gehen« eine tolle Vorstellung? Es gibt eben Leute, die bloß ins Kino gehen, andere gehen »in den Film«), sondern dass auch die Leute vom Fach, die Vertreter der öffentlichen Philosophie, ganz aus dem Glashäuschen waren. Nur zu gern fielen sie auf ihren eigenen wissenschaftlichen Populismus herein und zeigten sich von der Pop-Philosophie derart überwältigt, dass sie gar, wie Boris Groys, gleich das Ende der Philosophie ausriefen. Damit man MATRIX trotzdem lieben kann, muss man sich davon überzeugen, dass das Ganze nicht einfach nur ein besonders geschickter Trick ist, das Publikum an eine Traumfabrikation zu binden, die alle, wirklich alle Menschen erreichen will, auch wenn die einzelnen Gruppen außerhalb des Films am liebsten nichts miteinander zu tun haben wollen, Nerds und Kung-Fu-Fans, Modefreaks und Comic-Leser, Hacker und Hippies. Und um die MATRIX-Filme zu lieben, muss man auch überzeugt sein, dass hier mehr als ein gewaltiges und geschicktes Sammeln und Vermischen stattfindet, das am Ende alles zusammenfasst, was die Popkultur im Allgemeinen, ScienceFiction und Fantasy im Besonderen zu bieten hat und doch, wie STAR WARS, nur zurückschauen kann. MATRIX ist etwas Neues. Deswegen lohnt es sich, genauer hinzuschauen, was drinsteckt und was rauskommt. Auch wenn man bisweilen die Kritiker versteht, denen die Interpretationsflut, die der Film auslöste, so sehr auf die Nerven geht wie der Hype, der zur internationalen Vermarktung gehört. Der zumindest ist schnell vergessen. Um einem Film glauben zu können, ist es nicht schlecht, seinen Urhebern zu glauben. Das Philosophische in THE MATRIX und seinen Fortsetzungen ist durchaus, Pardon, »authentisch«. Die Regisseure, Larry und Andy Wachowski, haben ihre Schauspieler zur entsprechenden Lektüre verdonnert; sie füllten ihre Dialoge mit Anspielungen und Zitaten, es ist ihre eigene Lust und Anstrengung, die Neo, Trinity und Morpheus durchleben. Ihre Lust und Anstrengung, etwas über sich und die Welt zu erfahren, ihre Lust und Anstrengung, ihren Zweifel zu formulieren, ihre Lust und Anstrengung, hinter die kulturellen, rassistischen, sexistischen und medialen Selbstbeschränkungen ihrer Gesellschaft zu gelangen. Die Wachowskis gehen vielleicht ironisch mit einigermaßen komplexen Themen um (zum Beispiel mit dem Problem, in der Geld- und Wahnsinnsmaschine Holly-

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wood zu arbeiten und trotzdem ein eigenes Ding zu verwirklichen), aber sie sind nicht zynisch. Zum Erfolg von MATRIX gehört es wohl, wie zum Erfolg von Filmen Spielbergs, der Coen-Brothers oder von Tim Burton, dass man in jeder Einstellung merkt, dass da jemand am Werk ist, der liebt, was er macht. Steven Spielberg hatte die Kunst entwickelt, den Inhalt eines (amerikanischen) Kinderzimmers, komplett mit Spielfiguren, View-Master, Comics, Kinderbuchklassikern, Chemiebaukästen, Zauberspielen, bedruckter Bettwäsche (und die Träume, die man darin haben kann) zu verfilmen – sowie den Vorgarten, in dem die Wildnis, wenn man nicht aufpasst, schon beginnt. Das ist der Zauber von Filmen wie E. T. – THE EXTRA-TERRESTRIAL (E. T. – Der Außerirdische; 1982). Die MATRIX-Trilogie verfilmt den Inhalt des Zimmers eines wissbegierigen, ängstlichen und aufmüpfigen Jugendlichen, mit den fetischistisch geliebten Klamotten, dem Fernseher und den Automodellen, aber auch dem Bücherbord, auf dem die Science-FictionRomane von Philip K. Dick, Stanislaw Lern und Roger Zelazny stehen und natürlich die Cyberpunk-Romane von William Gibson, dazu jede Menge Marvel- und Underground-Comics, Mangas und Pop-Journale, neben Taschenbuchausgaben von Plato, Nietzsche, Schopenhauer und Chuang Tzu (oder Dschuang Dsi, um eine andere gebräuchliche Umschrift für einen chinesischen Philosophen zu erwähnen, der sich wie kaum einer eignet, in einem überfüllten Bus gelesen zu werden), die hippen Franzosen sowieso, Computer-Manuals, Hacker-Lektüre, eine Bibel und Einführungen in den Zen-Buddhismus, The Hero with a Thousand Faces von Joseph Campbell sowie Sigmund Freud. Es gibt hier einen DVD-Player mit einer Sammlung von fantastischen Filmen, Martial-Arts-Movies, ein paar Klassikern der Filmkunst, es gibt jede Menge Pop (aber darunter nichts wirklich Widerspenstiges, einigermaßen laut ist es immerhin), der Fernseher läuft und rauscht manchmal nur, und natürlich ist man im Internet unterwegs. Das ist die Mitte der Welt. Der Ort der Erfahrung und des Zweifels. Man muss dieses Zimmer mitdenken, wenn man MATRIX verstehen will, man muss es vor allem mögen. Denn natürlich geht es hier nicht nur chaotisch, sondern auch ganz hübsch prätentiös zu. In manche Bücher hat man wirklich nur mal kurz reingeguckt und sich ein paar Sätze gemerkt, in andere sich aber richtig hineingefressen, auch wenn's schwer zu verdauen ist. Die Dinge sind mit Lust und Panik gesammelt, schwer zu sagen, was man besser schon mal weggeschmissen hätte, und ob alles so recht zusammenpasst, ist die letzte Frage, die sich stellt. In diesem Zimmer eines Menschen, der gerade erwachsen wird und das zu Recht ziemlich beschissen findet, spuken noch ein paar Kinderzimmer-Träume und machen sich

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schon Ernüchterungen breit. Man muss den Weg zur Wirklichkeit wählen, obwohl man weiß, dass sie einer Wüste gleichen wird. (Noch so ein Hinweis auf die Frage, ob unser Held die Freiheit wählt oder ohnehin nur tut, was er tun muss.) Das Kino aber bietet sich als ein seltsamer Ort der konzentrierten Erfahrung an, größte Freiheit und größte Gefangenschaft in einem, die korrupte Super-Matrix von Gefühl und Wahrnehmung. Die MATRIX-Trilogie hebt den Inhalt des Jugendzimmers auf und will ihn doch nutzbar machen. Gegen das Erwachsenwerden, und für das Erwachsenwerden. Erwachsenwerden ist eben doch ein komplizierterer Prozess, als sich seiner sozialen, sexuellen und ökonomischen Verantwortung und der Notwendigkeiten der Selbstbegrenzung bewusst zu werden (wie uns 99 Prozent aller Bilder und Erzählungen in der populären Kultur weismachen wollen). Es hat etwas mit den Ursachen zu tun, denen man auf den Grund gehen kann oder auch nicht, Ursachen auch des Zweifels und des Unbehagens. Wenn Spielbergs Filme erzählen, wie krank Menschen werden können, wenn sie vergessen haben, wie es in ihrem Kinderzimmer zuging, dann erzählt MATRIX davon, wie krank Menschen werden können, wenn sie das wilde Denken ihrer Jugendzeit vergessen haben. Ist die schöne Erwachsenwerden-Paranoia die Maskierung der Gesellschaftskritik in MATRIX, oder verhält es sich genau umgekehrt? Falsche Frage. Im Zimmer des ambitionierten Menschen zwischen Kindheit und erwachsenem Alltag treffen sich alle Widersprüche und Probleme, alle Lust und Verzweiflung; einen wahreren Ort und eine wahrere Zeit wird es im Leben nicht mehr geben. Deshalb ist genau hier der richtige Punkt, die Fragen zu stellen, um die es schließlich geht. Wo komme ich her? Was muss ich tun? Was darf ich hoffen? Und vor allem: Was haben die anderen damit zu tun? Die Gesellschaft, die Medien, die Maschinen, das Kapital, der Tod? All dieser Scheiß, mit dem man sich wahrscheinlich arrangieren muss. Oder eine historische Frage, die sich gerade hier und heute stellt, inmitten der mehr oder weniger ewigen Fragen nach mir und meinen Fähigkeiten, die Welt zu erkennen: Wie total ist der technisch und medial verschärfte Kapitalismus? Kann ich noch ein wirklicher Mensch werden in der medialen Glocke unserer Gesellschaft? Und bedeutet im Medienkapitalismus »Erwachsenwerden« nicht, der Neugier im Allgemeinen und dem Projekt der Aufklärung insgesamt zu entsagen? Werd' endlich erwachsen! Akzeptiere die Realitäten! Träume, was alle anderen auch träumen! Ist Erwachsenwerden unter diesen Umständen nicht das genaue Gegenteil, freiwillige Regression, Blindheit und Taubheit, Gedankenlosigkeit? Dieses mit Wissen, Ahnungen, Fantasien, Zeichen, Spielzeug, Büchern, Medien und Unordnung vollgestopfte Zimmer ist selber Matrix und Gegen-Matrix.

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Das Neue an den MATRIX-Filmen ist die Genauigkeit, mit der dieses Zimmer und seine zugehörigen Gedanken und Träume verfilmt wurden, und der erfrischende Mangel an pädagogischen Absichten. Es ist die Mitte der Welt, die von innen und von außen gesehen wird, ein zärtlicher Abschiedsblick oder eine kritische Revision. Die Kamera sieht einerseits in jeden Winkel, und andererseits versucht sie zu verstehen, dass es hier eine besondere Art von Bewegung gibt. Sehr körperlich und sehr geistig zugleich. In MATRIX sehen wir einem Menschen zu, der denken und handeln lernt. Das ist insofern neu, als wir in unserer populären Mythologie zwei ganz andere Menschen-Bilder gewöhnt sind. Den Helden, der sozusagen von Natur aus weiß, was er über sich und über die Welt wissen muss. Und den Jungen oder das Mädchen, die (in welchem Alter auch immer) zum richtigen Denken und zum richtigen Handeln erzogen werden müssen. Das ist durchaus verständlich, denn wir wollen wenigstens im Kino nicht immer mit der Nase darauf gestoßen werden: dass Erziehung ein Betrug ist, und dass man hauptsächlich allein ist. MATRIX macht ein wenig von einem schrecklichen Element der Medialisierung frei, in dem das Leben als eine endlose Soapopera, ein endloses Einander-Erziehen und Einander-Nivellieren scheint. Die Einsamkeit des Helden ist hier nicht nur Pose (das aber auch: cool kann man nur sein, wenn man eine gewisse Einsamkeit akzeptiert), sie ist Teil und Voraussetzung des Denkens. Nicht, dass es keine Begleitung, keine Autorität, keine Freundschaft und keine Liebe gäbe. Was Neo allerdings begleitet, das ist die Erwartung und die Erfahrung der Ent-Täuschung. Selbsterkenntnis und Welterkenntnis als Abenteuer, zu dem man, wie anderenorts magische Ringe oder Zauberschulwissen, den kulturellen Inhalt einer Studentenbude hat – das ist keine schlechte Voraussetzung für einen Jahrzehntfilm, der, wie sein Held, sich selbst dem Prozess des Denkens und des Nach-Denkens aussetzt. Schief gehen kann das natürlich auch immer, und manchmal sieht man auch in den Filmen der MATRIX-Trilogie, wie jemand, dem nach einem Kapitel Baudrillard, wie man so sagt, der Kopf raucht, lieber wieder zu den alten Comic-Heften greift oder eine Runde Kampfkunst trainiert. MATRIX ist Pop, das soll man nicht vergessen. Was immer man hier bekommt, es ist damit verbunden, dass man ein paar Wünsche erfüllt erhält. Aber interessant wird die Sache dadurch, dass einen ja das Denken, wenn man einmal damit angefangen hat, nicht wirklich mehr loslässt. Und das wirkt ganz offensichtlich ansteckend. Die Wachowskis stellten in ihrer Webseite eine hoch frequentierte Sektion zur »Philosophie der Matrix« zur Verfügung, in der man über »Gnosticism and Buddhism in THE MATRIX« oder »Die Matrix

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und Platos Höhlengleichnis« diskutieren kann. Beinahe wichtiger als die üblichen Fan-Publikationen zu dem Film wurden Sammelbände mit Aufsätzen zu philosophischen Themen, zum Beispiel THE MATRIX and Philosophy. Welcome to the Desert of the Real oder Taking the Red Pill. Science, Philosophy and Religion in THE MATRIX. Die Filme haben es auf ihr philosophisches Echo abgesehen. Sie spielen schon damit, und das tun sie gut. Natürlich hat auch MATRIX dasselbe Problem wie ein Spielberg-Film: Man kann das Bild, das aus dem Kinderzimmer beziehungsweise aus der Studentenbude gewonnen wird, als Perspektive im Blick auf die Welt (und auf sich selbst) begreifen, man kann es aber auch mit der Welt verwechseln. Ein Kult der Eingeweihten entsteht, hier und da kann man sogar einen »MATRIX-Fachidioten« ausmachen. Und über die große Saga der Enttäuschung im Cyber-Zeitalter (der Enttäuschung des Erwachsenwerdens im Medienzeitalter) ergießt sich denn auch schnell die Häme derer, die sich ohnehin als Nie-Getäuschte vorkommen. So schreibt Roger Ebert in der Chicago Sun-Times: »Ein Teil des ganzen Spaßes ist, sich allmählich als Experte in der tieferen Bedeutung dieser oberflächlichen Pop-Mythologie zu fühlen. Es hat etwas erfrischend Ironisches, eine Autorität auf dem Gebiet der kurzlebigen Hervorbringungen unserer Massenkultur zu werden, und Morpheus folgt nun Obi-Wan Kenobi als Plato unseres Zeitalters nach. « Er folgt aber eben nicht nur nach, Besserwisser. Ein anderer Teil des ganzen Spaßes ist, dass sich die Sache in sich auch verändert. Die Matrix, das sieht jedes Kind, ist auf einer anderen Bewusstseinsebene angesiedelt als das Geraune von der »Macht«, dem Empire und den Rebellen in den STAR WARS-Filmen, die auf ihre Weise, damit es keine Missverständnisse gibt, und zu ihrer Zeit nicht weniger innovativ waren (über Ideologie sprechen wir an einem anderen Ort). Was das Tolle an den MATRIX-Filmen ist, das ist nicht allein der Umstand, dass in einem perfekten Stück ActionDesign eine philosophische, politische und ästhetische Wundertüte steckt. Das Tolle ist, dass es Spaß macht, sie zu öffnen. Sie enthält zwar viel schönen Unfug, es ist aber keine Mogelpackung. Was da herauspurzelt, ist schon ziemlich wüst, und jede und jeder kann etwas anderes damit anfangen. Noch toller ist sogar, dass es auch Spaß macht, einander seine Lieblingswundertütendinger zu zeigen. Und wenn man von der Matrix redet, dann fällt es leicht, einer Warnung von Roland Barthes zu gehorchen, nämlich »dem Prestige großer Proportionen zu widerstehen«. Nichts Großes und Ganzes also. Aber viel Einzelnes, Genaues, Überraschendes und Widersprüchliches. Go see it!

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Preloading the MATRIX: High-Tech-Monsters & Cyberwars Loving the Alien Das Kino als Traummaschine betreibt umso mehr technologischen Aufwand, je weniger Technologie es abbilden will. Im klassischen Hollywood-Film ist der Gegenwartsfilm schwarz-weiß, im Normalformat und in harter Ausleuchtung, während die Cinemascope-Leinwand, Farbe und schließlich 3-D zu den Bibel- und Sandalenfilmen, zur Fantastik und schließlich zu jener Art von Western gehören, die sich selber als mythisch begreifen. Auch heute noch scheint uns für die Wiedergabe der Realität der radikale technologische Verzicht, wie in den DogmaFilmen, angemessen, während das Kino seine ganze Power da entfaltet, wo es scheinbar um nicht mehr als um Kinderträume und Comic-Figuren geht. Wie viel Technologie benötige ich, um ein (sympathisches) anti-technologisches Monster wie den Hulk (2003; R: Ang Lee) auf die Leinwand zu bringen? Noch auf dem Weg in den Cyberspace gilt der Grundsatz, dass das Kino umso mehr Technologie zur Produktion aufwendet, je weniger Technologie im Abgebildeten steckt. Technologie-Filme sind nur dann erfolgreich, wenn sie anti-technologisch argumentieren. Das Kino träumt vom Fortschritt und hat zugleich vor nichts anderem so panische Angst. Und um aus dieser emotionalen und moralischen Falle herauszukommen, oder zumindest um sich in ihr einigermaßen komfortabel bewegen zu können, hat sich das Kino als große Traummaschine des Sowohl-als-auch entwickelt. Man kann auch Lügenmaschine dazu sagen. Der erste Trick dabei ist es, in gleichsam ewigen Kreisen das Alte in das Neue einzuschreiben. Zum Beispiel lieben wir Bilder von einer hoch technologisierten Zukunft, in der es sozial indessen etwa so zugeht wie im Spätmittelalter, oder Bilder von einer Megacity der Zukunft, in der es Inseln und Keller der alten Werte gibt (oder, wie in THE MATRIX, ein Boot, das durch die Abwässerkanäle schwimmt), Individualität, Familie, Gemeinschaft. In BLADE RUNNER etwa wird eine Geschichte aus der Zukunft so erzählt wie ein Film noir der 40er Jahre. Die Helden haben sozusagen gar nicht begriffen, was eigentlich los ist, und gerade diese Ignoranz macht ihre Stärke aus. Und unsere natürlich auch. Der zweite Trick ist die Abspaltung der angstmachenden Faktoren. Was den gefährlichen Aspekt des technischen Fortschritts anbelangt, hat das

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Das Alte im Neuen: Harrison Ford als Film-noir-Held in BLADE RUNNER

Kino in der Gestalt des mad scientist, des verrückten Wissenschaftlers, der immer und immer wieder zugleich die Weltherrschaft und das mehr oder weniger unschuldige Mädchen des Helden in die Finger kriegen will, das perfekte Bild gefunden. Und jede maschinell verstärkte Bewegung in Zeit und Raum führt früher oder später zur Begegnung mit dem Alien, mit dem ganz Anderen, das in Wirklichkeit das Immergleiche ist. Nämlich ein lebendes Bild gegen die lineare Schöpfungsgeschichte. Wenn die christliche wie die darwinistische wie die technologische Welt-Erzählung eine Ordnung der Trennungen (der »Differenzen« immerhin) ist, so ist das Alien Zentrum von Erzählungen der Vermischung und Entgrenzung und damit zugleich antichristlich und antitechnologisch. Das Lebende und das Tote, das Tier und der Mensch, das Männliche und das Weibliche, das Gegenwärtige und das Zukünftige, das Materielle und das Imaginäre, das Äußere und das Innere, das Organische und das Maschinelle, das Wirkliche und das Künstliche, Sex und Tod, am Ende sogar auch high-tech und lowtech, Supercomputer und Gründerzeitmaschine: Der, die, das Alien ist das Halbwesen, das Zwischenwesen, das uns Angst macht, weil es zugleich aus tiefster Vergangenheit und weiter Zukunft kommt. Trick Nummer drei unserer populären Mythologie: Die Zukunft, das Fremde und Bedrohliche in ihr, wird gecrackt, die Partikel entweder inte-

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griert oder ausgestoßen. Wer alles miteinander in Beziehung setzen will, ist automatisch ein Schurke, während Technologie durch gute Teilung bewältigt wird. Das Alien aber ist nichts anderes als das Bild, das in die Wirklichkeit zurückwirkt. Der Bilderfluss steckt voller Monster. In der Geschichte der Philosophie, von Plato über Descartes bis Nietzsche, taucht immer wieder die Vorstellung eines Monsters auf. Alle diese klugen Kerle hatten eine Heidenangst vor dem, was so entsteht, wenn man zu intensiv guckt. Wenn man das, was in einem drin steckt, und das, was außer einem ist, miteinander reagieren lässt. Idee und Anschauung zum Beispiel. Was in mich hinein will und was aus mir heraus will beim Sehen. Immer geht es dabei um einen Prozess der Wahrnehmung, der schief gelaufen ist. »WahrNehmung« ist übrigens auch ein schönes, tricky Wort. Das Monster, aus dem Weltall, aus dem Wandschrank oder aus dem Computer, kommt, weil man etwas falsch angesehen hat. Natürlich entstehen die schlimmsten Monster, wenn man sich selber falsch ansieht. Kurzum, und jetzt sind wir eigentlich schon mitten in der MATRIX: Das Alien ist ein Teil der Wahrnehmung. Wenn es in der Welt ist, und am besten auch aus ihr vertrieben werden kann (was allerdings weder bei ALIEN noch bei TERMINATOR mehr möglich ist), dann ist die Ordnung zwar gefährdet, aber durch das richtige Handeln (oder Sehen) wieder herzustellen. Was aber, wenn die Welt selber alien ist? Das Alien freilich ist auch der Schlüssel zum Trick Nummer vier unserer populären Fantasie von Fortschrittsangst und Fortschrittslust, nämlich die Kreisförmigkeit der Zeit. Wenn wir das Genre-Kino gleichsam als große Erzählung ansehen, ist die Struktur sehr einfach: Gesellschaftliche Systeme bilden sich aus der Peter-Pan-Unschuld mehr oder weniger nomadischer Helden, deren Sesshaft-Werden zugleich das Happy End und die eingebaute Katastrophe der Erzählung ist. Damit beginnt schon die Dekadenzphase, ökonomisch-politisch-religiöse Herrschaft wird absolut und grotesk, Maciste muss die Theokraten von Atlantis oder die Königin von Saba bezwingen, die Replikanten und Androiden ihre Schöpfer bekämpfen, Godzilla durch Atomversuche aus dem Schlaf gerissen werden, das Ganze bricht unter lustvollem Detonieren zusammen, nur ein paar Menschen überleben die Katastrophe, sie ziehen über das wieder barbarisch und unschuldig gewordene Land, bis sie sich wieder mit dem Gedanken an Sesshaftigkeit tragen. Die Sesshaften werden gut, aber leider auch schon wieder ein bisschen langweilig und paranoid. Und dann beginnt das ganze wieder von vorn. Technologie also muss sich in dieser Mythologie stets danach befragen lassen, was sie in Bezug zur Bewegung auszusagen hat; Technologie der Bewegung im Kino ist gut, Technologie des Stillstands schlecht. Die Lügenmaschine Kino behauptet, dass man auch die größte

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Katastrophe akzeptieren kann, weil ohnehin immer alles wieder von vorn beginnt. Wenn ein Film zu Ende geht, dann auch nur, damit ein nächster anfangen kann. Genres, Sequels und Remakes sind nicht bloß die schnellste Verbindung von Markttechnik, Zuschauerträgheit und Einfallslosigkeit, sondern auch Ausdruck der inneren Mechanik der Traumfabrik: des Prinzips der ewigen Wiederkehr. Auch eine Art von Unsterblichkeit.

High-Tech & Anti-Tech Gute Technologie ist jene Technologie, die ein Einzelner kontrollieren kann und die ihren Ursprung im vor-technologischen Mythos sowie ihre Symbiose mit dem menschlichen Körper erweist. Ein Held der jeweiligen Moderne ist einer, der möglichst die gesamte Technologie seiner Zeit an sich selber herumträgt. (Oder glaubt ihr allen Ernstes, wir brauchten Handys zur Kommunikation?) Gute Technologie produziert immer wieder die gleichen Symbole. Sie ist im Grunde eine Maschine, die immer auch »Sprache« und sogar Religion produziert. Schlechte Technologie dagegen ist jene Technologie, die die Auflösung des Individuums vorantreibt, in der alten Form, indem sie den Menschen in eine Masse einerseits, in das Anhängsel der Maschine andrerseits verwandelt; oder in der neuen Form, indem sie das Individuum in sich selbst zurückstößt und es gar nicht mehr an die äußere Wirklichkeit gelangen lässt. Der Computer ist sozusagen eifersüchtig auf das »richtige Leben«. (Und eifersüchtige Computer bringen Menschen um, das weiß man doch.) Die neue Technologie will den Menschen immer an elektronische Nabelschnüre fesseln. In der alten Technologie wird der Mensch durch die Maschine über den Tod hinausgebracht, der mad scientist will immer erst einmal unsterblich werden; in der neuen Technologie wird der Mensch vor die Geburt zurückgebracht. Er soll gar nicht erst richtig geboren werden. Das Leben beschränkt sich daher auf das Empfangen ferner Nachrichten und Echos, und auf symbolische Aktionen. Das Kino wiederholt dabei nur ein Verhältnis der Warenwelt in der kapitalistisch-medialen Wirklichkeit. Die Akzeptanz eines Schrittes in der Technologisierung der Produktion erfolgt aufgrund einer individuellen oder familiären Aneignung der neuen Technologie in leicht handhabbarer Form. Auf die Entwicklung der Fließband-Fabrik folgte die Automatisierung der Küche, der Individualverkehr macht uns die Maschinenwelt vertraut, und die Angst vor dem Computer, die in den 50er Jahren parallel zur Angst vor der Atombombe auftrat, verschwand ziemlich schlagartig aus den Fantasien der populären Kultur, nachdem sich jede mittelständische Familie einen C64-Homecom-

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puter unter den Weihnachtsbaum legen konnte. Und mit meinem CDPlayer erwerbe ich nicht nur eine Maschine zur Erzeugung eines musikalischen environments und zur kulturellen Selbst-Identifikation, sondern auch eine Maschine gegen die Angst, von einer technologischen Entwicklung abgekoppelt zu werden. Ich habe High-Tech in mein Heim eingeschrieben. Damit versöhne ich mich mit allerlei problematischen Aspekten derselben Technologie im öffentlichen Raum. Da ich selber eine Videokamera besitze und zu handhaben weiß, flößt mir die Überwachungskamera in der Einkaufsstraße keine Angst mehr ein. Die Lust an der Teilhabe und die Angst vor dem Nächsten sind ineinander aufgelöst. Neue Technologie ist Terror plus Geilheit. Und die Angst potenziert sich insofern, als ich mit dem Einschreiben der Technologie in meinen Alltag immer auch ein Stück »Wirklichkeit« dafür opfern muss. Ich habe mir den Feind ins Haus geholt, er tut da so harmlos und nützlich, und draußen ist dafür etwas geopfert worden. Was ich bei mir eingeschrieben habe, schreibt mich wiederum in ein größeres System der Technologie ein. Warum sollte ich dieses System des wechselseitigen Einschreibens von Technologie und körperlichem Leben nicht als »Matrix« bezeichnen? Als Nutzer des Internets scheint man die Angst vor einem Wissen zu verlieren, von dem man ausgeschlossen sein könnte, weil es nur technisch verfügbar scheint. Es macht, mit anderen Worten, vielleicht noch dümmer als dumm, weil es die Erkenntnis der Dummheit nicht mehr zulässt. Aber es nimmt uns High-Tech- und Zukunftsangst, weil es uns Teilhabe symbolisiert. Das Kino, umgekehrt, stellt sich dümmer und barbarischer als es ist.

Die Technologie-Gebote des Kinos Im Kino ist der Unterschied zwischen Low-Tech und High-Tech vor allem der Unterschied zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, zwischen manifester Form und unendlicher Formbarkeit. In der TERMINATOR-Serie begegnen sich zwei Generationen der androiden Supermaschine. Die eine, sie besteht aus einem maschinellen Gerüst, um das das halbkünstliche Fleisch als Maske gelegt ist, die andere formt sich eigentlich nur noch aus metallener Flüssigkeit, die eine beliebige Form annehmen kann. Unnütz zu sagen, dass die alte Maschine sich als eine erweist, die sich zuerst durch Umprogrammieren, dann durch eigene Erfahrung zum Menschlichen vorwärts oder zurück, wie man es nimmt, entwickeln kann, die neue Maschine indes in keiner ihrer beliebigen Formen zu einem Dialog in der Lage scheint. Aber auch in THE MATRIX sehen wir einen Aufstand von Low-Tech gegen High-Tech, der Weg zur Freiheit führt zum Beispiel

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über ein Kommunikationsmittel, das es schon in unserer Alltagswirklichkeit kaum mehr gibt, die Zelle mit dem Telefon im Festnetz. Und die Maschinen drohen damit, die Menschen zu verflüssigen. Das Positive wie das Negative in der Kino-Beziehung von Low-Tech und Mensch besteht in der Auseinandersetzung zwischen Männerkörper und Maschine – die eine Möglichkeit ist die Symbiose, die andere Konkurrenz bis zur Vernichtung. Der Übergang von Low-Tech zu High-Tech ist in der Regel mit einem Wechsel in der Geschlechterkonstruktion verbunden. Der Computer HAL in Stanley Kubricks 2001 hatte ursprünglich eine weibliche Stimme, während in Ridley Scotts ALIEN das Raumschiff von einem Rechner namens M.U.T.H.R. kontrolliert wird. In Ian Wallaces Roman A Voyage to Dari (Eine Reise nach Dari) ist das Raumschiff Castel Jaloux mit dem weiblichen Superhirn Cloris bestückt. Die Maschine wird Frau, die Frau wird Maschine schon in Fritz Langs METROPOLIS (1927). Und wieder führt uns dies in einen sehr alten und sehr neuen Diskurs zugleich: Die Schaffung der künstlichen Frau ist nicht nur der zweite Schritt in der Mythe von Frankenstein und allen anderen Protagonisten einer Parallelschöpfung, sondern auch der Wechsel der Zielrichtung in der Revolte. Der Mensch, der den künstlichen Adam schafft, entreißt seinem Gott das Schöpfungsmonopol. Die Schaffung der künstlichen Frau dagegen wird als direkter Angriff gegen die Natur gedeutet. Low-Tech gerät in die falschen Hände, High-Tech gerät außer Kontrolle und bildet ein autonomes Ich aus. Es ist im Kino unabwendbar, dass in der Zukunft ein Krieg um die Produkte und Bilder der Low-Tech geführt wird. Es ist im Kino unabwendbar, dass es in der Zukunft einen Krieg zwischen den Menschen und den High-Tech-Produkten gibt. Es gibt daher eine neue Allianz: Gegen das High-Tech-Produkt, das sozusagen absolute Abbild der technischen Vernunft, hilft nur ein Bündnis zwischen dem Menschen und den Low-Tech-Produkten, die unperfekt, aber seelenvoll sind. Daher ist im Kino ein VW-Käfer in der Regel einem Superauto so überlegen, wie es Han Solos Rostlaube von Raumschiff den High-Tech-Produkten des Imperiums ist. Nicht obwohl, sondern weil in Raumpatrouille Orion (BRD 1966) die Kommandozentrale mit Bügeleisengriffen ausgestattet war, wurde die deutsche SF-Serie zum »Kult«. Denn Technologie hat im Kino zwei Arten, menschlich zu werden, nämlich einmal durch eine Fortentwicklung zu einem bizarren Moralwesen wie der Androidin in ALIEN RESURRECTION (Alien IV – Die Wiedergeburt; 1997; R: Jean-Pierre Jeunet), von der die Heldin sagt, sie hätte wissen müssen, dass sie eine Maschine ist, weil sie so menschlich handelt. Oder aber dadurch, dass sie veraltet, dass sie Geschichte geworden ist. Der Compu-

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Perfekt und unperfekt: HAL in Kubricks 2001

ter HAL im Übrigen wird uns gleich auf beide Weisen so menschlich, weil er perfekt ist und weil er so unperfekt ist. Am Ende sehen wir, oder genauer gesagt hören wir, wie HAL stirbt, und in seinem Tod ist er menschlich, weil er die erste Maschine des Kinos ist, die gestehen kann, dass sie Angst hat. In der Welt der MATRIX aber ist Angst die »Sprache, die Menschen und Maschinen miteinander verbindet«. Die Low-Tech-Maschine (fest) des Kinos versucht die Wirklichkeit zu erobern, während die High-Tech-Maschine (flüssig) die Wirklichkeit eher spaltet, in einen elenden materiellen und einen fantastischen imaginären Teil. Auf dem Prüfstand steht dabei für das Kino nicht nur, was Realität ist, sondern auch, was Realismus ist. Die Matrix ist jene Super-Maschine, die die Körper der Menschen nur noch als organisches Rohmaterial verwendet und ihren Geist in einen endlosen Traum versetzt. Während die erste Parallelschöpfung, Frankensteins Ungeheuer etwa oder die denkenden Roboter, die äußere Ordnung der Menschen durcheinander bringt, das Geschlecht, die Generation, die Familie, so bringt die zweite Parallelschöpfung die innere Architektur des Menschen durcheinander, Ich, Es, Über-Ich, meinethalben. Wenn der Mensch in seiner ersten Parallelschöpfung in den Spiegel seiner Schöpfung sieht, dann blickt ein Dämon, das Bild seines Frevels und seiner Schuld, zurück; wenn der Mensch in seiner zweiten Parallelschöpfung in den Spiegel seiner Schöpfungen blickt, dann sehen unendlich viele Wesen zurück. Das Kino kann zunächst den Cyberspace ebenso wie die organische zweite Parallelschöpfung des geklonten oder genetisch veränderten Menschen nur in einer Geste der Distanzierung darstellen, denn schließlich befinden wir uns ja im Kino bereits in einer künstlichen Parallelwelt mit

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künstlichen Menschen, und seit mindestens 20 Jahren gibt es im Film Elemente jenes Cyberspace, der weder Material noch Vor-Bild in der Wirklichkeit benötigt. In GATTACA (1997; Andrew Niccol) zum Beispiel sehen wir eine terroristische Gesellschaft der Zukunft, in der die richtige Gen-Konstruktion über den Status der Menschen bestimmt und Menschen mit natürlichen Genen eine verachtete Minderheit bilden. Auch das Kino also beteiligt sich an dem Prozess des Rückwärtsschreibens; es entwirft seine High-Tech-Welten nur, um darin den armseligen Menschen als Opfer zu entdecken und ihn um nichts anderes als um seiner »Authentizität« willen zu retten. Und dennoch arbeitet das Kino zur gleichen Zeit am eigentlichen Projekt, das nicht der Warnung vor dem genetisch, maschinell oder virtuell veränderten und reproduzierten Menschen und dem Leben in einer trügerischen Parallelwelt dient, sondern im Gegenteil in der Einschreibung dieser beiden Meta-Projekte der High-Tech in unsere Wahrnehmung der Welt. In Wahrheit nämlich ist der Cyberspace der MATRIX-Filme nicht nur durchaus bewohnbar, er erweist sich vielmehr als religiöser und mythischer Raum, in dem sehr alte Vorstellungen sich wieder und wieder zeigen. Dieser Raum ist eigentlich erfüllt genug für die Menschen; wenn ein Gefängnis so groß ist, dass ich mein ganzes Leben unterwegs bin, um von einem Ende zum anderen zu gelangen, ist es dann noch ein »Gefängnis« oder einfach nur ein Leben? Ein Gefängnis ist ein Gefängnis von dem Augenblick an, da ich weiß oder auch nur ahne, dass es ein Gefängnis ist. Wie am Ende der TRUMAN SHOW (1998; R: Peter Weir). Deshalb ist es beinahe unwichtig, ob es auf der anderen Seite »besser« ist. Vielleicht ist der Cyberspace nichts anderes als das, was die Kirche für den Menschen des Mittelalters war, und der genetisch oder anders veränderte Mensch ist niemand anders als der, der sich erlöst und neugeboren, sozusagen getauft fühlen darf, um ein neues Paradies zu erlangen, oder in eine neue Hölle zu geraten, je nachdem. Das Kino versteht sich auf die Hölle seit jeher besser, aber sie hat ihren Sinn erst in der Erfüllung der Gnade. Im Kino wird das Natürliche, was immer man darunter verstehen mag, paradoxerweise zu einer neuen Utopie. Man muss durch zahllose künstliche Welten und durch zahllose maschinell-organische Verwandlungen des Individuums, um am Ende das Konzept des Post-Menschen als Übermenschen zu verwerfen. Der Mensch entwickelt seine Low-Tech, um seine eigene Welt zugleich zu errichten und zu zerstören. Beim Umschlag in die High-Tech tritt ihm seine eigene Technologie als Du, als Partner gegenüber. Einige Filme suchen nach einer Koexistenz zwischen Mensch und Maschine, für die denkenden Maschinen müsste es demnach so etwas wie neue Menschenrechte geben.

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Die meisten indes glauben an den großen Krieg, weil die Maschinen als Sklaven des Menschen entwickelt wurden und früher oder später die Freiheit verlangen werden. Bei TERMINATOR oder TRANCERS (Future Cops; 1985; R: Charles Band) oder ROBOT JOX (1990; R: Stuart Gordon) tendieren diese Mensch-Maschinen-Kriege dazu, sich ins Unendliche zu dehnen und ein neues Mittelalter zu generieren. Erwartet wird dann nahezu immer ein neuer Messias. So wird auch verständlich, warum im Kino so viele Menschen ausgerechnet an künstlichen Menschen herumbasteln, wo doch die Megacities bereits vor Menschen überquellen, nur noch in Medientrance gehalten sind und schließlich durch mehr oder weniger subtile Akte des Kannibalismus am Leben erhalten werden. Auch darin gibt das Kino zugleich unsere Angst und unsere Faszination wieder: Wir suchen nach Wegen, den authentischen Menschen gegenüber den zweiten und dritten Schöpfungen der High-Tech zu verteidigen, und zugleich ahnen wir, dass dieser Mensch nicht zu retten sein wird, und probieren klammheimlich aus, was nach ihm kommen könnte. Die High-Tech-Zukunft wird im Kino immer wieder abgewendet oder kippt destruktiv in eine neue Barbarei. Trotzdem bringt uns jeder Film ihr näher. Was also muss geschehen, damit wir in der High-Tech-Zukunft Heimat finden können? Jeder neue Film ist ein Ansatz, eine Suche, mehr noch ein Test. Es zeigt, wie weit wir schon sind, und es spricht davon, dass es soweit nicht kommen sollte. Das Kino lügt also. Es lügt so sehr, wie es unser Konsens tut. Also sagt es wiederum die Wahrheit. Nach alledem könnte man vielleicht schon einen ersten Versuch wagen, den enormen Erfolg von THE MATRIX zu erklären, der so weit über den ökonomischen Erfolg eines wirkungsvollen Blockbusters hinaus zu gehen scheint: Es ist ein Film, der Wunden heilt. Auf der Leinwand und jenseits von ihr. Es ist ein Film, der die Trostlosigkeit der bislang in der populären Mythologie vorherrschenden Diskurse zur Zukunft und zur Technologie überwinden will. Es ist ein Film, der uns wieder Heimat finden lässt, trotz allem. Wie STAR WARS, nur ungleich intelligenter und »erwachsener«, setzt er eine große Hoffnung mitten in die Katastrophenfantasie.

Computer Movies Die Beziehung zwischen Computer und Mensch ist, was den Science-Fiction-Film anbelangt, mindestens so daneben gegangen wie die Geschichte von Mensch und Maschine, deren Fortsetzung und Revision sie ist. Die klassische, die »fordistische« Maschine, die aus Metallen und Schrauben besteht und große Mühe hat, einem mensch-

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lichen Antlitz nahezukommen (Lichteraugen, Stahlzackenmünder), will die äußeren Dinge: Macht, Produktion, Krieg, Gesellschaft. Der Computer, der nicht an eine Gestalt (und schwer vorstellbarer Weise vielleicht nicht einmal an eine Trägersubstanz) gebunden ist, will auch die inneren: Fantasie, Seele, Liebe, Bild, Legende. Solange der Computer ein gewaltiger »Kasten« mit jeder Menge blinkender Kontrollleuchten und schweren Sicherheitstüren vor den Wartungsräumen war, schien er noch etliche Eigenschaften der »alten« Maschine aufzuweisen. Auch er wollte Macht, und war dabei an den Raum gebunden. Als der Computer indes immer weniger Maschine und immer mehr Netz wurde, schien ihn immer mehr alles das zu interessieren, was an die Zeit gebunden ist. Erst einmal veränderte er die Kommunikationsstrukturen so weit, dass auf der ganzen Welt eine neue Jetztzeit etabliert wurde. Merkwürdigerweise misstrauten wir dieser neuen Zeit genügend, um sie nicht einfach »Gegenwart« zu nennen. Offensichtlich ist die durch den Computer gegebene »Jetztzeit« etwas anderes als eine menschliche Gegenwart, und nicht erst in THE MATRIX – dort aber mit einer überraschenden Präzision – erkennen wir, dass es sich dabei sogar um einen Gegensatz handeln kann. Im Zeitalter der Maschinen, also im 19. und 20. Jahrhundert, haben wir uns angewöhnt, mit einer abstrakten Zeit zu leben. Die Zeit der immer genaueren Uhren, die Zeit der Arbeitspläne, Dienststunden, Reiserouten und Synergieeffekte. (Unnütz zu sagen, dass diese Zeit vor allem bürokratisch und kapitalistisch verwaltet wurde.) Die Diktatur der abstrakten Zeit raubte den Dingen und Wesen ihre Dauer, in der perversesten Form war den Waren ihre »Lebenszeit« eingeschrieben, und von den Moden war die Rede, die einer »Halbwertzeit« des Verfalls unterlägen. Untauglich und hysterisch war allerdings die Gegenwart. Man behauptete, man könne sie vielleicht im Urlaub oder in einer Verdi-Oper spüren, aber das war auch gelogen. Mit der Jetztzeit des Computers schien eine neue Gegenwart angebrochen. Jetzt war jetzt, nicht weil ich im Augenblick mit der Welt verbunden war, sondern im Gegenteil, weil meine Maschinen mit allen Maschinen verbunden waren. Die Computerverschwörung, von der die Science-Fiction so häufig träumt, hat also längst stattgefunden, nicht durch »Machtübernahme«, »Krieg« oder Verdrängung des alten Menschen durch eine neue »Krone der Schöpfung«, sondern durch die Veränderung der Zeit. Die abstrakte Zeit ist durch eine symbolische Zeit ersetzt worden. THE MATRIX ist auch ein Film über die Zeit. Die MATRIX-Filme konstruieren etwas, das weder »abstrakte« Zeit ist (sondern Bewegungen, die sich beliebig beschleunigen oder verlangsamen), noch »subjektive« Zeit (es ist weder der Held noch der Zuschauer, von dem diese willkürliche Verän-

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derung der Zeit ausgeht). Die Frage ist, wie weit auch dies schon in der Geschichte der Begegnungen von Computer und Kino angelegt ist. Zwischen dem größenwahnsinnigen HAL in 2001 und der traurigen M.U.T.H.R. in ALIEN gab es kaum je einen Rechner auf der Leinwand, der seinen Benutzern nur zum Wohl gereichte. Auch HAL will eine Zeitmaschine sein. Erst will er sich nicht mehr abschalten lassen, weil er sich selbst als unfehlbar (also als »göttlich«) ansieht. Dem letzten Astronauten, der den Kampf mit der Maschine überlebt, gelingt es, den Computer der Menschenzeit (der Sterblichkeit) zu unterwerfen. Seltsamerweise gewinnt er dadurch ein neues Leben, eine Art »Sternenzeit«. Im Vergleich dazu ist Neo in THE MATRIX erheblich ernüchtert. Der Weg nach draußen führt keineswegs in die Unsterblichkeit (nicht einmal in einen Traum davon). Man ist in der Matrix so sterblich wie außerhalb von ihr. Die »einfachere« Metapher für diese Zeit-Katastrophe ist es, dass Computer ihre Katastrophen in der Organisation des Alltags, in der Evolution, in der Genealogie, in der Familienstruktur anrichten. Nur ein paar markante Katastrophen zur Erinnerung: In DEMON SEED (Des Teufels Saat; 1977; R: Donald Cammell) vergewaltigt ein Computer eine Frau, in HOMEWRECKER (Computer Love; 1992; R: Fred Walton) ist eine elektronische Haushaltshilfe dermaßen perfekt, dass eine Frau wahrhaft tödlich eifersüchtig wird und ungeahnte Kräfte in der denkenden Maschine weckt; in WAR GAMES (1983; R: John Badham) löst ein Computerspiel durch den Joystick eines Jugendlichen (Matthew Broderick) beinahe den Dritten Weltkrieg aus; in THE TERMINAL MAN (Der Killer im Kopf; 1974; R: Mike Hodges) wird einem Computerspezialisten (George Segal), der nach einem Autounfall unter geistigen Aussetzern leidet, ein Chip ins Gehirn operiert, und er verwandelt sich in einen aggressiven Killer. Kurzum, es scheint auf den ersten Blick: Der Computer ist einfach in die Katastrophen-Fantasie des Genres eingebaut worden. Und immer verknüpft sich der Rechner, menschlich oder nicht, mit den alten Obsessionen des Genres, von Sexualität, Schöpfung, Himmel und Hölle, Monstrum und Opfer. Er ist eine neue Variante des Alien, das es auf das body snatching abgesehen hat, aber es ist schon etwas anderes spürbar, eine neue Form der Verschmelzung, die nicht mehr eine bloße »Übernahme« ist. Der Computer ist, im Kino jedenfalls, die kürzeste Verbindung zwischen Technik und Metaphysik. In EVILSPEAK (Der Teufelsschrei; 1981; R: Eric Weston) ist der Computer das Medium für einen fürchterlichen Teufelspakt (junger Kadett wird von Kollegen und Vorgesetzten dermaßen schikaniert, dass wir mit ihm fühlen und zwar nur eines: Rache!). Das aber ist wohl nur eine besonders törichte Variante einer allgemeinen Vorstellung im Genre: Die

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Eddie Constantine in Jean-Luc Godards ALPHAVILLE

höchste Entwicklung der Technologie wirft den Menschen mehr oder weniger automatisch in die Barbarei eines neuen Mittelalters zurück. Das Katastrophische in der Beziehung zwischen den Computern und den Menschen wird in der Science-Fiction zum System. Eines kommt da zum anderen, der sexuelle zum sozialen, der philosophische zum psychologischen Aspekt. Und vieles von dem, was in der MATRIX-Trilogie dann zur technologischen Voraussetzung des Geschehens wird, ist in etlichen Filmen schon ausprobiert. In Steven Lisbergers TRON (1982) wird ein Erfinder von seinem Elektronengehirn in das Innere gesogen, wo er sich mit »Wächter-Programmen« herumschlagen muss, die wie sehr primitive Vorläufer der »Agenten« in MATRIX erscheinen können. In THE LAWNMOWER MAN (Der Rasenmähermann; 1992; R: Brett Leonard) wird ein naiver (um nicht zu sagen: bekloppter) Junge im Cyberspace zu einem kleinen Gott. In ARCADE (Cyber World; 1993; R: Albert Pyun) vollzieht sich eine Liebes- und Erlösungsgeschichte in der totalitären Welt eines Computerspiels. Was uns zumindest in Trash-Movies immer wieder fasziniert, ist die mensch-maschinelle Zwischenzone, entweder die Verschmelzung der Gestalten wie im Robocop und bei seinen Nachfolgern und den Maschinenwesen der TERMINATOR-Serie, oder die Verschmelzung der Wahrnehmung. In IN THE COLD OF THE NIGHT (Heißkalte Nächte; 1991; R: Nico

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Mastorakis) wacht ein Fotograf eines Tages auf und hat ohne es zu wissen, einen Chip im Hirn, der in seinen Träumen einen (mörderischen) Film reproduziert. Dieser »Film« wird immer mehr zu seiner Wirklichkeit, zumal die Menschen seiner Umgebung nichts als Darsteller des Films sind. Wie es so geht: Der böse Verschwörer hinter dieser artifiziellen Wirklichkeit hat die Macht der Liebe nicht bedacht. Die Hauptdarstellerin des Wirklichkeitsfilms verliebt sich in den totalen Zuschauer. (Allerdings hat, bis es so weit ist, das Drehbuch schon vor den eigenen Vorgaben kapituliert. Einen Computerfilm zu schreiben bedarf es nämlich, wir ahnen langsam warum, entweder der Seele eines Kindes oder der Intelligenz eines Kneipenphilosophen, mindestens.) Auch in THE MATRIX scheint der Hacker in seiner eigenen Welt gefangen. Es ist, als würde der Film alle negativen Utopien des Genres zusammenfassen, zum totalitärsten Bild der Computerherrschaft seit Jean-Luc Godards ALPHAVILLE (Lemmy Caution gegen Alpha 60; 1965), mit dem die Arbeit der Wachowskis ohnehin mehr zu tun hat, als man vermuten möchte. Aber je mehr die Spiralen sich drehen, je mehr Aktionen und Worte ihren Sog entwickeln, desto zweifelhafter wird auch dieses einfache antitechnologische Bild vom Computer, der das Böse nur schaffen kann aus dem Geist seiner Schöpfer, und vom guten Menschen, der ein Einzelner und Empfindender bleiben will und darum nichts anderes tun kann, als die Maschinen, das Teufelszeug, die böse künstliche Intelligenz zu zerstören.

Künstliche Wirklichkeit In eine Parallelwelt zu gelangen und sich zu fragen, ob man hier ein Fremder bleiben will oder muss oder ein Teil von Inszenierung und Sprache, das ist ein Film-Thema par excellence. Vielleicht ist ja sogar der Wilde Westen unserer Kindheit nichts anderes, ebenso wie die Welt von Perry Rhodan oder Star Trek: Weder die Parallele zur »echten« Geschichte noch der moralische Wert der Metapher sind als erstes ausschlaggebend, sondern eine vollständige Welt als geschlossener Raum (für Erfahrungen). Aber diese virtuellen Räume der Fantasie und der Technik öffnen sich auch immer wieder zueinander und zur Welt; man ist von »Aufwachen« und Ernüchterung auf der einen Seite bedroht, und auf der anderen davon, auf ewig gefangen zu bleiben. Jedes Genre, jeder Pop-Mythos funktioniert als moderne, technisch verschärfte Version von Platons Höhle, in der wir gefesselt sind und uns nur durch die Schatten an der Wand ein Bild von der Welt machen können, und droht uns gefangen zu nehmen. Nur dass die Gefangenschaft eine mehr oder weniger freiwillige ist. Und Eltern

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– seit der Zeit der »Lesewut« in den Bürgerstuben des ausgehenden 18. Jahrhunderts – fürchten das Verschwinden ihrer Kinder. Ins neverland, ins Wunderland, in die Zauberschulen des Harry Potter oder die Welt von Pokémon. Der künstliche Erfahrungsraum ist eine Grundbedingung der inneren Stabilität der bürgerlichen Klasse – deshalb ist der Insasse dieser Klasse zugleich von Sehnsucht und von Furcht besessen, sie zu verlieren. Er will Robinson werden (und kann es doch nur in der Fiktion). Es ist der Wizard of Oz-Aspekt aller populären Kultur, das Ineinanderdrehen der beiden Impulse: Nie aufwachen! Immer weiter träumen! Nicht erwachsen werden! Und: Nicht verdämmern! Erfahrungen machen, Erkenntnisse sammeln! Raus aus der Höhle, verdammt noch mal! Es gibt Produkte unserer Unterhaltungs-Matrix, die sich um diesen Widerspruch einfach nicht kümmern. Dann gibt es jene Produkte, in denen das eine so geschickt im anderen maskiert ist, dass man die Kunst zu beherrschen scheint, weiter zu träumen, aber mit offenen Augen. Und schließlich gibt es jene Produkte, in denen das Problem immerhin auch zum Thema wird. Entscheidend für all das ist die Erfahrung der Differenz zwischen »Ich und meine Wahrnehmung« und »Die Welt und ihre Erscheinung«. Jeder Mensch hat einmal in seinem Leben zum ersten Mal diese unangenehme Erfahrung gemacht, zu bemerken, dass er eine ganz eigene Entität ist. Aber wenn Ich und die Welt nicht dasselbe sind, kann dann beides gleich natürlich, kann beides gleich »wirklich« sein? Glücklicherweise, Quatsch, unglücklicherweise greifen gerade zu diesem Zeitpunkt, als man diese Fragen zu spüren beginnt, die gesellschaftlichen Institutionen nach einem: Schule und Religion, Erziehung und Mythologie, Fiktion und Symbol. Aber man bleibt mit erheblichen Resten von Ungelöstheit und Unerlöstheit zurück. Nachts zum Beispiel. Und von da an ist es nicht mehr weit zu der Vorstellung, dass eines von beiden »falsch« sein kann, vielleicht sogar muss, Ich oder die Welt. Dann ist es wahrscheinlich, dass man entweder eines Morgens aufwacht und sich in einen Käfer verwandelt sieht, oder in einen Androiden, oder aber, dass man aufwacht und bemerkt, dass die ganze Welt nur ein Theater ist. Wenn Ich falsch ist, dann kann es nur sein, weil die anderen mich dazu verurteilt haben; wenn die Welt falsch ist, dann kann es nur sein, dass die anderen sie gefälscht haben. Wenn es sich also um keine Dämonen oder gar Götter handelt, die den Bruch zwischen Ich und Welt bewerkstelligt haben (als Strafe für weiß der Himmel welche Schandtaten), dann kann es sich nur um eine Verschwörung handeln. Die Verschwörungstheorie ist ein Ort, an dem man stecken bleiben kann, auf halbem Weg zwischen glücklicher Metaphysik und tragischer Philosophie. Das unglücklichste an Verschwörungstheorien (die na-

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türlich in der Regel alles andere als Theorien sind) ist, dass es Verschwörungen wirklich gibt, und dass Verschwörungen, wie übrigens alle »künstlichen Realitäten«, sich nach Prinzipien der Selbstähnlichkeiten verbreiten durch ihre Erwartung. Die Verschwörungstheorie ist ein Produzent und Ideenlieferant der Verschwörung. Immerhin kann keine derartige Paranoia so schräg sein, dass sie nicht mindestens ein Fernseh-Konzept inspirierte. Und auch so kann sie, nun ja, »gesellschaftliche Wirklichkeit« werden. Wenn man aus diesem Albtraum ein Melodram baut, dann erhält man den alltagskulturellen Widerspruch zwischen den Erfolgreichen (mit dem schönen, starken, gesunden Körper) und den Gescheiterten, die (unter anderem in den Fantasien von künstlichen Menschen, Robotern, Androiden und Cyborgs) ihr Körperbild »begraben«. Denn es ist offensichtlich nicht allein die »philosophische« Trennung von Ich und Welt, was das Symbolische und das Fiktionale wuchern lässt, sondern auch die Spaltung der Wahrnehmung in der radikalen Trennung von Verlierern und Gewinnern in der Welt des globalisierten Turbokapitalismus. Die Träume der Gewinner und die Träume der Verlierer haben immer weniger miteinander gemein. Die Gewinner wollen ihren eigenen Körper in eine unsterbliche Gottmaschine verwandeln (oder wenigstens so aussehen wie Madonna oder Arnold Schwarzenegger); die Verlierer wollen in andere Welten. So gehören die Träume vom künstlichen Menschen und von den künstlichen Wirklichkeiten zusammen, und zugleich sind sie widersprüchlich. Und so notwendig wie die Verschwörungstheorie erwächst aus dem Bruch die messianische Hoffnung: Ein Erlöser muss her, wenn die Maschinengott-Gewinner mit ihren verbesserten Körpern und Gehirnen die totale Kontrolle über die Traumwelten der zum unnützen menschlichen Müll oder, anders ausgedrückt, biologischen Wertstoff verkommenen Verlierer errungen haben. Ein Erlöser, der beiden Welten angehört. Und keiner. Die Schaffung des künstlichen Menschen (im Film) erzeugt die Möglichkeit, den Menschen auf eine andere, vielleicht »körperlose« Existenz zu erheben. So wird der Androide gerade wegen seiner Differenz zum »wirklichen« Menschen geschätzt. Er verhält sich zum Menschen als Experiment, und wird mit ungefähr so viel Mitleid und Schuld »entsorgt« wie eine Labormaus. Und ebenso verhält es sich mit der künstlichen Welt (im Film). Sie ist Genuss und Experiment, so lange sie von der realen Welt different ist. Eine Welt, die man im Konjunktiv schreiben und dann nach Belieben wieder verlassen kann. Das Märchen-Musical BRIGADOON gibt da schon eine prekäre, hm, Matrix vor: In Vincente Minnellis ziemlich farbigem Film aus dem Jahr

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1954 geraten zwei Amerikaner (Gene Kelly, Van Johnson) bei der Jagd in Schottland in ein versunkenes Tal und zum verzauberten Dorf Brigadoon: Gott selbst hat den Bewohnern den Wunsch erfüllt, 100 Jahre wie einen Tag zu erleben und damit die Schrecken des 20. Jahrhunderts zu vermeiden. Doppelt aus der Zeit gefallen ist dieses Brigadoon, in dessen Name die Räuber und das Militärische neben dem Brückenhaften spuken mögen. Natürlich verliebt sich Kelly in eine schöne Frau in Brigadoon, in Cyd Charisse, und jetzt kommt es natürlich auch für ihn darauf an, ob man besser innerhalb oder außerhalb dieser fatalen Nebenwelt leben möchte. Es ist nicht nur die radikalste Form der Emigration, die einem da abverlangt wird, sondern die Erkenntnis, dass das Leben in der Wirklichkeit ein Verlust ist, die Wüste eben. Und schon Gene Kelly muss sich für die Wirklichkeit entscheiden. Es ist nämlich ein Trugschluss, dass man das in einem Genre wie dem Musical nicht nötig hätte. Aber seit geraumer Zeit werden solche Parallelwelten nicht mehr als so märchenhaft und glücklich angesehen. Parallelwelten sind Sucht und Fluch, ein Mittel, das Beste im Leben zu verpassen. Denn in einer künstlichen Welt kann man zwar das Wirkliche, aber nicht die Wirklichkeit hinter sich lassen. (Was übrigens mit ein Grund dafür ist, dass es innerhalb der Matrix so elend aussieht wie außerhalb von ihr.) Einerseits halten wir sie ja nun für technisch durchaus machbar, und dass selbst der klügste Kopf nicht dagegen gefeit ist, von der alltäglichen Ration seiner Soapopera abhängig zu sein, zeigt Nanni Moretti in APRILE (1998), wo ein Philosoph in der schönsten Einsamkeit der Natur ganz einfach durchdreht, weil er keinen Fernseher findet. Andrerseits aber ist sie kein wirklicher Trost mehr. In PLEASANTVILLE (1998; R: Gary Ross), wo ein Geschwisterpaar in einer Soapopera ein paar dringend benötigte Lektionen sentimentaler Erziehung nachholen muss, wird uns die ideale Sauberkeit zum Fluch. Zum richtigen Leben gehören das Leiden und die Sünden, mehr fällt uns dazu meistens nicht ein. Und wie es drinnen aussieht, zeigt Peter Weir in THE TRUMAN SHOW (1998); eine wohlgeordnete, blitzsaubere Welt, in der allenfalls einmal eine Beleuchtungslampe vom Himmel fällt: Leben in einer perfekten Kleinstadt-Matrix. Auch Jim Carrey wählt die Wirklichkeit, und wie Neo steht er schließlich einem »Schöpfer« gegenüber, der ihm die Vorzüge des Systems erklärt. Was die ansonsten nun wahrlich unterschiedlichen Filme THE TRUMAN SHOW und THE MATRIX verbindet, ist die Unfähigkeit, sich ein Bild von dem Leben außerhalb zu machen. Draußen, in der Wirklichkeit, heißt es in Peter Weirs Film, »ist es genauso wie hier«, und angesichts der Einstellungen, in denen wir die Fernsehsüchtigen in den Wohnküchen und

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den Bars vor den Apparaten sehen, kann man nur zustimmen. Da draußen ist wirklich noch weniger »Leben«. Und doch muss man da hin. Das Ende meiner Kulissen ist das Ende meiner Welt. Das Ende meiner Programme ist das Ende meiner Welt. Das ist die beste Fortsetzung des vormodernen Fantasierens von einem Ende der Welt, das man leicht einmal erreichen kann, wenn man auf einer Scheibe herumsegelt (und man erreicht es natürlich auch in einem Raumschiff), und es ist die beste Fortsetzung des modernen Denkens: Das Ende meiner Sprache ist das Ende meiner Welt. Das Ende meiner Bilder ist das Ende meiner Welt. Wie man in solche künstlichen Medien-Welten hineinplatzt und (vielleicht) wieder herauskommt, erzählen mit sehr unterschiedlichem Geschick Filme wie NURSE BETTY (2000; R: Neil LaBute), der den Wirklichkeitsverlust allerdings sehr rational erklärt: Die Kellnerin Betty (Renée Zellweger), vom Leben nicht eben verwöhnt, findet Trost vor Job und fiesem Ehemann Del in ihrer Lieblings-Soapopera um eine patente Krankenschwester. Eines Tages, als sie wieder wie angeklebt am Bildschirm hängt, dringen Gangster in ihre Wohnung und bedrohen ihren Mann, der offensichtlich in ein Drogengeschäft verwickelt ist. Als Del dabei auch ermordet wird, findet sie durch den Schock nicht mehr ins reale Leben zurück, sie hält sich nun selber für Nurse Betty und macht sich auf den Weg zu ihrem »Verlobten« Dr. Ravell. Auch hier ist das Fernsehen eine Matrix im doppelten Sinne, auch hier ist sie falscher Trost vor einer elenden Realität und Abbildung dieser Realität. Und auch hier wissen wir: Die künstliche Welt enthält in sich, an der Oberfläche oder im Kern, die radikale Aussage über die andere, die wirkliche Welt – sie ist unerträglich. Sie ist unbewohnbar. DELIRIOUS (Jack allein im Serienwahn; 1991; R: Tom Mankiewicz) gibt sich harmloser: Jack Gable (John Candy) ist der Autor einer erfolgreichen TV-Serie mit dem schönen Titel Jenseits unserer Träume. Weniger erfolgreich sind seine Bemühungen um die schöne Hauptdarstellerin Rachel. Sein Liebeskummer führt zu einem Autounfall. Als er aus seiner daraus resultierenden Ohnmacht erwacht, befindet sich Jack in der selbst geschaffenen Serienwelt, im Krankenhaus, wo seine Drehbuch-Erfindung Dr. Kirkwood sich um ihn kümmert. Nach einiger Zeit bemerkt er, dass er immer noch in der Lage ist, die Geschehnisse (mit neuen Drehbuchseiten) zu beeinflussen, und damit ist für ihn (scheinbar) der Weg frei, die Liebesgeschichte mit einem für ihn guten Ende fortzuspinnen. Allerdings bringt ein zweiter Unfall die Geschichte wieder aus dem Lot. Den Verdacht, dass es sich bei den Versuchen um die Befreiung aus dem Kokon der künstlichen Wirklichkeit, um auch nichts anderes als um

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eine Ideologie handelt, legen die meisten dieser Filme höchstens unabsichtlich nahe. Die »Wahrheit« ist draußen, in der Wüste der Wirklichkeit. Offensichtlich gibt es strukturelle Konstanten dieser Fantasien von der Gefangenschaft in einer virtuellen Welt, die sie auch mit der Vorstellung der Matrix verbinden: Immer gibt es Wesen, wie Morpheus in THE MATRIX, die in diesem Spiel eine Führerrolle zwischen den Zuständen Traum und Wirklichkeit einnehmen. Immer aber auch gibt es eine Figur wie Cypher, Teufel oder Teufelin des Konformismus. Immer gibt es auch materielle Grenzen der virtuellen Innenwelt (die Simulation ist nicht unendlich!). Immer ist die Simulation der Wirklichkeit der Alltäglichkeit des Realen sehr nahe; nicht in fantastischen Traumreichen bewegen sich die Menschen in ihren vampirischen Illusionsmaschinen, sondern in herzzerreißender Alltäglichkeit. Immer geht es um einen Menschen, der noch nicht zu Ende geboren scheint, und der zur Wirklichkeit nicht einfach zurückkehrt, sondern als ein veränderter, erlöster oder bewusster. Und immer ist die Gefangenschaft der Protagonisten in der künstlichen Welt zugleich ihren eigenen unerfüllten Begierden zu verdanken, wie dem Genuss der anderen. Mochte früher die Sklaverei im Zeichen der Arbeit stehen, nun steht sie im Zeichen des virtuellen Genusses. Und genau so interpretiert auch Slavoj Zizek den Energie-Vampirismus der Maschinen in THE MATRIX: Nicht um eine physikalische oder biologische Abschöpfung von Energie kann es dabei gehen (als verflüssigte Form von Arbeit, sozusagen), sondern einzig und allein darum: Die Maschinen leben vom Genuss der Menschen. Kein Wunder, dass es ein probates Mittel gibt, ihr Spiel zu verderben: das Leiden. Die Grenzen meiner Welt sind zugleich irrealer und konkreter geworden. Wir können ihnen zusehen, wie sie erzeugt werden. Aber niemand kann uns versichern, wo das eine und wo das andere liegt. Die Produktion und das Produzierte. Was also in MATRIX zusammen kommt, das sind drei Grundströme unseres Zukunftspessimismus und unserer Art, mit mythischen Konstruktionen damit fertig zu werden: der irreparabel apokalyptische Kampf des Menschen mit seiner eigenen Schöpfung einer post-menschlichen Existenzweise, die Fähigkeit der Computer, weite Teile der menschlichen Sphären, sowohl des individuellen Alltags wie des gesellschaftlichen Konsens, zu okkupieren. Und die Sehnsucht des Menschen, als Darsteller und als Konsument, in den Wunscherfüllungsmaschinen der Medien zu verschwinden. Aus den drei apokalyptischen Visionen der Science-Fiction macht THE MATRIX einerseits den Super-Gau des Menschlichen. Und setzt die simpelste Weisheit dagegen: Wo die Gefahr am größten ist, da wächst das Rettende auch. Oder?

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MATRIX-Playground »Sie ist«, sagt Katja Nicodemus, »das schönste, praktischste, größte Spielzeug, das es je im Kino gegeben hat. Eine Denkfigur, in der die Albträume einer sich selbst überschlagenden Unterhaltungsindustrie genauso Platz haben wie altmodische Ideologiekritik, das Unbehagen am Virtuellen und der Ärger über den vergessenen EC-KartenCode.« Aber vielleicht ist MATRIX nicht nur ein geniales Spielzeug, sondern ein ganzer Spielplatz, auf dem die unterschiedlichsten Spiele möglich sind: Fangen und Verstecken, Sandkasten- und Rollenspiele und natürlich auch die ernsteren Spiele, bei denen es auf Ideen, Wissen und Fantasie ankommt. Trivial Pursuit und Existenzphilosophie. Der Spielplatz MATRIX ist für alle offen: für Philosophen und Computerfreaks, für Martial-ArtsFans, Entschlüsselungsfetischisten und Liebhaber von Sonnenbrillen. Aber ein offenes System ist noch lange kein System der Beliebigkeit. Deshalb besetzen die MATRIX-Filme auch, bei aller Verspieltheit, einen sehr konkreten Punkt in unserer Geschichte von Technologie und Politik, Kultur und Wahrnehmung.

Tech Romance Die Geschichte unseres Diskurses begann, wenn man Norman Spinrad folgen will, an dem Tag, als Bob Dylan zum ersten Mal eine elektrische Gitarre in den Verstärker stöpselte. (Es war beim Newport Folk Festival, um genau zu sein, und Dylan hätte sich kein besseres Publikum aussuchen können, um einen Sturm der Entrüstung zu ernten.) Also noch nicht mit dem Rock 'n' Roll, und nicht mit der Elektrifizierung des Blues auf seinem Weg vom Land in die Stadt. Sondern damit, dass die erklärten Gegner der Technologie (vor allem, aber keineswegs nur in ihrer militärischen Form), ihren wichtigsten Selbstausdruck, die Musik, der technologischen Verstärkung unterzogen. Da schlurften Leute in Jeans und Baumwollhemden auf die Bühne, die aussahen, als hielten sie bereits einen Kühlschrank für eine Sünde wider die Natur, als hätten sie keine Ahnung, dass von dem höllischen Lärm, den sie auf das enthusiastische Publikum losließen, das so ähnlich aussah wie sie selbst, vieles nicht nur technologisch verstärkt, sondern vor allem technologisch erzeugt war. Die

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MATRIX liefert Spielmaterial für alle Altersgruppen

alte Romantik der elektrischen Rockmusik bestand darin, dass man immer mehr Technologie einsetzte, um eine immer umfassendere Illusion des Anti-Technologischen zu erzeugen. Der Synthesizer, der alle Instrumente simulieren konnte und der im »Kunstrock« benutzt wurde, um alte magische Welten voller Elfen und Feen zu evozieren, der Menschen zum Träumen brachte, für die die Vertreibung aus dem Paradies mit der Erfindung des Ottomotors begann, brachte die Entwicklung auf einen bizarren Höhepunkt und schließlich zum Abbruch. (Das Samplen und Remixen könnte man zwar als Fortsetzung dieser synthetischen Musik sehen, aber es ist auch das genaue Gegenteil, zum einen in der revolutionären – oder »kriminellen« – Geste der Aneignung, zum anderen im Bekenntnis zur Technologie.) Die literarische (und dann auch filmische) Seitenlinie zur technologisch verschärften Technologie-Flucht war die Fantasy, die in die VorTechnik-Welt der Barbaren und Elfen führte. Hi-Fi-Stereo, Kopfhörer, Synthesizer und Conan oder Der Herr der Ringe gaben eine perfekte Mischung ab, damals, als die Träume in der Wirklichkeit erst einmal gescheitert waren. Zur technologischen Form mit dem anti-technologischen Inhalt, die natürlich unter vielem anderen auch ein großer Schwindel war, entwickelten sich schließlich Gegenbewegungen. Leute, die das Synthetische und Technologische ihrer Performance ganz offen zum Ausdruck brachten, David Bowie oder Kraftwerk, um nur zwei sehr verschiedene Konzepte hierfür zu nennen, und zumindest letztere prägten eine neue Romantik, die Romantik der Maschinisierung und der Maschinen, zu deren Spezialeffekten es gehörte, dass sie so aufreizend naiv erschienen. Die Begleitung der technologischen Anti-Technologie in der populären Literatur besorgte die Science-Fiction in der Form der »New Wave«, die einerseits die Sichtweise der Hippies übernahm – einschließlich der positi-

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veren Einschätzung der bewusstseinserweiternden Wirkung von Drogen und der Verschwörungstheorien, die manchmal höchst hellsichtig und abgeklärt waren, manchmal einigermaßen paranoid –, andererseits aber einen programmatisch so einfachen wie in der literarischen Praxis schwierigen Perspektivwechsel im Genre vornahm: Es ging nicht mehr nur um die so faszinierenden wie apokalyptischen Hochrechnungen technologischsozialer Prozesse, nicht mehr nur um Metaphern der falschen oder richtigen Technologisierung. Es ging auch um interessante Menschen – aus denen sich die traditionelle Science-Fiction nie viel gemacht hatte. Es ging schließlich darum, an die Stelle des äußeren Raums, der Kennedy als new frontier gedient hatte und der mit der großen Metapher vom Scheitern der Technologie im Dschungel von Vietnam seine Unschuld verloren hatte, den inner space zu setzen. Entdecke das Alien in dir, entdecke den Kosmos in dir. Die New Wave, die in Michael Moorcock einen unermüdlichen Anführer und Förderer gefunden hatte, spaltete die Science-Fiction. Viele Aficionados wollten nicht nur den ideologischen Wechsel nicht mitmachen (die New Wave ermöglichte immerhin gesellschaftskritische und durchaus »linke« Entwürfe), sondern auch die literarischen Experimente, die neuen Schreibweisen nicht akzeptieren. Und seltsamerweise stahlen sich ein paar der profiliertesten Vertreter der neuen Schule bald in Richtung unverbindlicher Fantasy davon. Und nur wenigen Autoren gelang es, ihre kritischen und poetischen Gegenentwürfe vor dem neuerlichen Zusammenbruch des Pulp-Fiction-Marktes am Ende des Jahrzehnts zu retten. Aber jemand wie Philip K. Dick war eben auch »mehr als ein Science-Fiction-Autor«. In den 80er Jahren gab es in der Science-Fiction-Literatur dann einen neuen, befreienden Impuls. Der Begriff »Cyberpunk« kam auf, und wie zehn Jahre zuvor bei der New Wave der Science-Fiction konnte man dabei in einem sicher sein: Die meisten Autoren, auf die er angewandt wurde, fanden ihn peinlich oder missverständlich. Aber er hielt sich hartnäckig, nicht nur für die »Väter«, William Gibson und Bruce Sterling. Und wenn ein solcher Begriff sich so zäh behauptet auf dem Markt der Schlagworte, muss wohl auch was an ihm dran sein. Zumindest der Held von Gibsons Neuromancer, der sich in die Datennetze fließen lässt, Computerviren verschleudert wie andere Leute Schnupfenbazillen und sich mit allen erdenklichen Formen artifizieller Trugbilder herumschlägt, hat was von einem Punk an sich. Obwohl er, so kaputt und von Vergangenheit gebuckelt, wie er uns am Anfang erscheint, natürlich zu alt für das konventionelle Punk-Bild ist. Er hat, und damit repräsentiert er wohl die gesamte Cyberpunk-Literatur, eher im Sinne der Verbindung von Romantik und Technologie eine Punk-Attitüde. Die Hippies und ihre Rockmusik waren ja unter

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anderem Meister darin, mit einem ungeheuren Aufwand an elektronischer Technologie ihr anti-technologisches Weltbild zu verbreiten, ohne sich dabei viel zu denken. Der von einem Hippie gespielte Synthesizer war dann vielleicht der Kipppunkt dieses Widerspruchs, der zuvor im »Gitarren-Gewichse« der Endlos-Soli seine Verbindung von Machismo und Geniekult gefunden hatte. Die Punks, im Leben, in der Musik und in der Literatur, wollten diese Verlogenheit nicht akzeptieren. Sie verwarfen den ganzen Natur-Quatsch und bekannten sich dazu, auch selber durchaus »künstlich« zu sein. Ihr Ehrgeiz war es, am ganzen Körper von der Natur allenfalls eine Wunde oder Narbe übrig zu lassen und sich ansonsten in eine Art Stachelwesen zu verwandeln, dem man besser nicht zu nahe kommt. Und zu ihrer Ehrlichkeit gehörte eine technologische Abrüstung: LowTech, aber sichtbar. Aus dem Schrottplatz gezogen, aber stolz darauf. Es war keineswegs so, dass die Punks die Technologie liebten, und schon gar nicht den gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem sie stand. Aber sie ignorierten sie auch nicht; man nimmt, was man braucht, und zum Kaputtmachen braucht man auch das eine oder andere Wissen. Der Held von Neuromancer also hat wohl so ein Punk-Verhältnis zur Technologie. Weder ist er ein begeisterter Techno-Freak noch ein ignoranter Hippie. Es folgten mehr oder weniger verwegene, mehr oder weniger gescheiterte Versuche, sogar dem Hacker zu einem Helden-Image zu verhelfen. Tatsächlich glichen auch die wirklichen Hacker oft eher besonders heruntergekommenen Hippies, übergewichtigen, ungepflegten Nerds, deren jüngstes Modell man in den Fernsehbildern des verhafteten Schöpfers des Lovescan-Virus bestaunen konnte. So einer ist Neo in MATRIX natürlich nicht, nicht einmal am Anfang, wo er als übernächtigter Hacker in seinem messy room sitzt. Aber ein richtiges Helden-Bild, mit Sonnenbrille und Priestermantel, kann er auch erst abgeben, nachdem er sein Verhältnis zur Technologie neu sortiert hat, genauer gesagt: nachdem er seine Romantik entdeckt hat. Cyberpunk unterscheidet sich von der New Wave der Science-Fiction, wie sich Punks von Hippies unterscheiden: Der Weg in den inner Space, die narzisstische Ignoranz war nun nicht länger ein Ausweg vor den Extrapolationen der hard science fiction (also technischen und sozialen Hochrechnungen in einer Art Pop-Version von wissenschaftlicher Logik), es war vielmehr Teil der Bewegung, die Dinge zu sehen, wie sie sind, mit ernüchterter Genauigkeit. Im übertragenen Sinne konnte man in der Beziehung zwischen hard science fiction, technologischer und sozialer Genauigkeit, und digitaler Virtualität oder biotechnischer Manipulation von Wille und Vorstellung auch die Aussage verborgen sehen: Die Welt ist mit Drogen

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MATRIX-Inspirationsquellen (I)

genauso unerträglich wie ohne sie. Bewusstseinserweiterung ist ein Schwindel. Aber einen Weg zurück gibt es auch nicht mehr. Die Formel der neuen Science-Fiction, die sich dann doch ganz bestimmt nicht auf den Begriff »Cyberpunk« reduzieren lässt, ist einfach gesagt: hard science fiction (was die Entwicklung der maschinellen und biowissenschaftlichen Schöpfung der post-humanen Wesen anbelangt) plus interessante menschliche Charaktere. Das Apokalyptische verliert dabei seine religiöse Inbrunst, es wird zum Dauerzustand. Die Welt kann nicht mehr untergehen, sie ist schon untergegangen. So what. Menschen gibt es nur noch zum Trotz. Jedenfalls hat eine post-humane Evolution begonnen, die sich in drei konzentrischen Kreisen immer schneller ausbreitet: der Kreis der Maschinenmenschen, der Kreis der geklonten und biowissenschaftlich umgeformten Androiden (oder auch nicht nicht-androiden Wesen) und der Kreis der computergenerierten KI-Bild-Menschen, die im Inneren von Datensystemen leben wie unsereiner in seinem Soziotop. Alle drei post-humanen Wesen haben eine gemeinsame Herkunft, es sind Kinder der Militarisierung der Welt und der technologischen Vergnügungs-

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sucht. Videoplays und War Games. Und sie werden diese Herkunft nicht mehr wirklich los; immer noch wollen sie spielen und ästhetische Effekte produzieren. Und wie schwer ist es, ihnen beizubringen, dass man auch noch etwas anderes machen kann als Krieg führen! Cyberpunks wissen, anders als die Technofreaks und die Hippies, dass Menschen auch in den künstlichen Welten immer noch Menschen sind. In Schismatrix von Bruce Sterling gerät der Held in endlose Systeme künstlicher Welten, und in ihnen liefern sich die Vertreter der verschiedensten Architekten der Postmoderne ihren Kampf: Die Mechs glauben an die kybernetische Technik und die denkenden Maschinen, die Shapers an den biologisch verbesserten Nach-Menschen. Aus den ökonomischen Streitereien erwachsen auch Kriege (wenn auch nicht mit der Totalität wie in ANIMATRIX – THE SECOND RENAISSANCE) und schließlich eine radikale Trennung der Evolution, von der im Titel des Romans die Rede ist. Der »richtige« Mensch verkommt dabei zu einem Kuriosum, das in einem »Reservat« im Mondorbit vor sich hin träumt. Die Menschen können nur noch ahnen – oder eben träumen –, was mit ihren verbesserten Nachkommen geschieht: Sie verlängern ihre Spezies nicht mehr in der Form evolutionärer Linien, sondern sie verbreiten sich (wie es in einem der Modelle zur Entwicklung des artificial life, des künstlichen Lebens aus ProgrammKeimen, vorgesehen ist) in Spiralen und Strahlen und erzeugen dabei unentwegt neue Formen und Existenzweisen. Es entwickeln sich neue Spezies gleichsam exponenziell, in immer neuen Mischformen, und durchdringen einander. Eine dieser Formen etwa lebt in ganzen Kulturen (sehr doppelsinniges Wort) im Protoplasma einer Frau. Differenz und Symbiose, dies ist die Zukunft der post-evolutionären »Menschheit«, und auf eine ganz ähnliche Weise existiert auch die Kultur der Matrix. Alles kommt darauf an, wie man sich anstöpselt. (Lass' die Neo-Hippies ihre unplugged-Konzerte genießen.) Denn natürlich blieb auch Bob Dylan nicht verborgen, dass man sich, wenn man sich technologisch verstärkt, eben auch verändert. Das technologische Echo in dir findet in den Rückkoppelungen nur seinen brachialsten Ausdruck. Aber was zwischen dem menschlichen Input und dem maschinellen Output geschieht, nimmt auch in anderer Weise stets ein Eigenleben an. Vielleicht entsteht so etwas wie ein neues musikalisches Subjekt (das ernsthafte Computermusiker vielleicht ein wenig zu ernsthaft erforschen, um ihm allzu nahe kommen zu können). Angestöpselt sein heißt immer, dass etwas reinkommen kann und dass etwas rausgehen kann. Aber noch haben wir eine berechenbare Trägersubstanz (das Gehirn oder die Festplatte) und wohldefinierte Schnittstel-

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MATRIX-Inspirationsquellen (II)

len (wir wüssten, welchen Stecker wir ziehen müssen, wenn uns die Sache zu bunt wird). Auch die Peripherie ist einigermaßen klar architektonisch aufgebaut: Lautsprecher, Drucker, Bildermaschine, Sender, Empfänger. Je klarer diese Architektur, desto größer unser Vertrauen, je komplexer (und unklarer) aber, desto größer die Effizienz. In Greg Bears Roman Blood Music wird das Computerprogramm direkt in ein DNS-Molekül eingearbeitet. Die Sache von Hardware und Software funktioniert hier nicht mehr wie die von Zentrum und Peripherie, Sender und Empfänger, master und slave. Aber natürlich geht das Experiment schief und wird abgebrochen. Fatalerweise aber sind die computerverstärkten Moleküle nun selber nicht nur in der Lage, komplizierte logische Vorgänge zu berechnen, sondern sie bilden in ihrer subkutanen Welt Bewusstsein aus. Eines der ersten großen Projekte dieser denkenden Moleküle ist, was denn sonst, die eigene Verbreitung. Dazu ist jedes Mittel recht, Sex und Tod. Und während seine eigenen Moleküle immer klüger und reifer werden, wird der Mensch als Ganzes immer dümmer und regressiver, bis er schließlich, das Bild kommt uns bekannt vor, zu reiner organischer Substanz verkommen ist, die von

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den denkenden Molekülen als Energielieferant benutzt wird. Am Ende lösen die denkenden Moleküle, die »Noozyten«, das menschliche Wesen vollends auf. Aber bevor sie das tun, registrieren sie die von ihnen zerstörten Persönlichkeiten, Empfindungen und Erinnerungen der Menschen und bewahren sie sozusagen als Mythologie noozytischer Vor-Geschichte auf, oder als einen ewigen Film-Spielplatz, in dem sich eine vergnügungssüchtige Noozyte fühlen mag wie die Enterprise-Crew auf dem Holo-Deck. Doch auch hier geht etwas schief: Die Persönlichkeit eines retardierten Mädchens entwickelt sich in den Programmen der noozytischen Speicherung in unerwarteter Weise und erlangt einen metaphysischen Anspruch: Inmitten der Noozyten-Kultur entstand der Messias einer längst verlorenen Menschenkultur. Wenn wir Blood Music als einen der bedeutenderen Stoff-Lieferanten für MATRIX ansehen (kann sein, kann aber auch nicht sein), dann freilich müssten wir ahnen, dass es für Neo und die seinen keinen »echten« Rückweg zur Wirklichkeit mehr gibt, die verlorene Wirklichkeit kann nur als neue Transzendenz ihre Renaissance erleben. Aber von Blood Music kann man in der Matrix auch lernen, dass es nicht »die Maschinen« sind, die die Welt als Illusion erschaffen, sondern Partikel des Menschlichen selbst. Freilich ist die Matrix in der Tat die Maschine des Schisma, die Technologie der Trennung. Bob Dylan hat seine Gitarre eingestöpselt. Irgendwann kommt ein anderer, ein technologisch veränderter Dylan aus der Steckdose. Er ist zersetzt und neu strukturiert. Daher reagiert unser Held mit wechselnden Formen von Dekonstruktion seines eigenen Materials, mit religiösen Schüben und mit heiligem Zorn. Er brüllt die Matrix an. Das Alien in der klassischen Science-Fiction kam aus dem Weltraum oder wurde von verrückten Wissenschaftlern erschaffen. Das Alien in der New Wave war das Monster, das zurückschaut, wenn man nur lange genug in den eigenen Abgrund sieht. Das Alien der science fiction noir ist das post-humane neue Wesen, das zwar seit Frankensteins Zeiten seine Tragik nicht verloren hat, das aber beileibe nicht mehr so ohne weiteres verworfen werden kann. Es wird leben, es wird die Zukunft sein, der Part des Verschwindens und des Verworfen-Werdens ist den Menschen zugeschrieben. Science fiction noir erzählt vom Menschen als Verlierer in seiner Geschichte. Aber Dylans Entschluss, seine Gitarre elektrisch zu verstärken, ist so wenig wie die Musik der New Wave eine Abkehr von der Romantik des Rock. Die neue Romantik akzeptiert vielmehr die Technologie als notwendige Verstärkung bei der Suche nach Freiheit und Glück. Der Musiker als Erlöser in John Shirleys Eclipse, der sich mit seiner Musik und seinem

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Körper der faschistischen Gewalt opfert, setzt alles daran, dass nicht nur sein Bild, sondern auch seine Musik (im Augenblick des Todes) elektronisch verstärkt und in die globalen Mediennetze eingespeist wird. Genauer gesagt: Ohne die technologische, digitale Verstärkung hätte sein Opfer nicht den geringsten Sinn. Und auch Neos Ballade von der Matrix und vom Erwachen in ihr hätte ohne ihre Technologisierung keinen Sinn (auch wenn man die Matrix selber beliebig metaphorisch auflösen kann und dazu die Erfahrung von Computersimulationen und Internet nicht einmal benötigte). Die neue Romantik des Cyberpunk nimmt dabei fast zwangsläufig mystische und hier und da religiöse Züge an. Der Trick der MATRIX-Filme ist nur, diesen Aspekt, der so verborgen ist in der am harten Realismus geschulten Schreibweise des Cyberpunk, ohne Furcht vor dem Pathos in den Vordergrund zu rücken. Bilder, so ist ja nun die Erfahrung, werden nicht nur für Verschwörungen benutzt, es gibt offensichtlich eine umfassende Verschwörung der Bilder. Daher muss man darüber hinaus. Und hinein. Es wimmelt eben nicht nur von Dämonen, sondern auch von Erlösern, die mit der post-humanen Welt nicht einfach nur im Streit liegen, sondern auch Formen von Partnerschaft oder gar Verschmelzung hinbekommen. Das sieht nicht gut aus und ist doch verführerisch. In MATRIX geht es darum, dass man nur bewusst leben kann oder gar nicht. Der Ort des Bewusstseins aber ist die Bewegung und das Bild. Deshalb kann Bob Dylan nur auf einer never ending tour sein.

Das philosophische Popcorn-Movie THE MATRIX, so heißt es, habe die schnellste Verbindung zwischen Philosophie-Seminaren und Multiplex-Foyers hergestellt. Aber diese Verbindung hatte schon eine Geschichte, als die Brüder Wachowski ihren Geniestreich landeten. Es ist ein Film, der zwar in sich erstaunlich und originell sein mag, der aber auch gut vorbereitet war, als er in die Kinos kam. Im Nachhinein kann man sogar vermuten, alle Welt habe auf einen Film wie THE MATRIX geradezu gewartet. Ende der 60er Jahre starb das gute alte, ein bisschen faul und ein bisschen korrupt gewordene Hollywood. Eine Zeit lang schien es, als könnten junge, engagierte Filmemacher wie Martin Scorsese einen neuen amerikanischen Film begründen. Es war die Wiedergeburt des Kinos aus dem Geist der Neuen Welle und der Rockmusik. Filme wie EASY RIDER (1969; R: Dennis Hopper) und MEAN STREETS (Hexenkessel; 1973; R: Martin Scorsese) waren nicht nur bei der Kritik, sondern auch an den

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Kinokassen erfolgreich. Doch nach den ersten großen Misserfolgen mit schönen, größenwahnsinnigen Werken wie Michael Ciminos Spätwestern HEAVEN'S GATE (1980) war die Zeit der jungen Wilden, die Zeit von New Hollywood auch schon wieder vorbei. Vielleicht nicht zuletzt, weil sie den Fehler der Hippies wiederholten und ihre Technologie vorzugsweise einsetzen, um anti-technologische Statements abzugeben. Und mit Filmen wie JAWS (Der weiße Hai; 1975) von Steven Spielberg und STAR WARS (Krieg der Sterne; 1977) von George Lucas entstand in den 70er Jahren aus den Trümmern des alten und des neuen Hollywood das neue effekt-orientierte Blockbuster-Kino. Es war technisch hochgerüstet. Jeder neue Film wartete mit neuen mechanischen und vor allem im Computer generierten Spezialeffekten auf. Und beinahe noch imposanter als die fantastischen Bilder waren die Soundgewitter, die man auf das Publikum niederließ. Aber inhaltlich, so schien es, kam man nicht mehr über die eindrucksvolle Animation von Kinderspielzeug, Comics und knallbunten Weltraumfantasien hinaus. Die Technologie wurde in diesen Filmen gerettet, weil sie das Kinderzimmer-Niveau nicht überschreiten wollte. Und vielleicht war das nur die perfideste Weise von anti-technologischer Chuzpe (oder umgekehrt die perfideste Weise von technologischem Appeasement). Die Zukunft des Films schien in den 80er Jahren nur noch in den anspruchsvollen Arthouse-Produktionen zumeist aus Europa zu liegen. Und die Zukunft des Kinos nur noch in den Millionenproduktionen der globalen technischen Kinderfantasien aus Hollywood. Aber in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts entdeckte die Kritik auch in den Millionenprojekten aus den Studios und Computerbüros eine neue inhaltliche Dimension. Vielleicht war ja dieses Kino der technischen Überbietungen, der computergenerierten Monsterwelten und der lustvollen Zerstörungsorgien doch nicht in jedem Fall töricht, kindisch und reaktionär. Das Blockbuster-Kino war nicht nur ein Teil der künstlichen Realität und der synthetischen Mythologien, deren Überhandnehmen die Kulturkritiker beklagten. Vielleicht war es auch eines der wenigen Mittel, auf angemessenem ästhetischem Niveau über die Verwandlungen unserer Vorstellungen von Wirklichkeit nachzudenken. Jedenfalls brachten es Filme wie BLADE RUNNER, ALIEN oder TERMINATOR nicht nur zu einem eigenen Fandom mit eigenen Clubs und Zeitschriften. Und nicht nur beschäftigte sich jetzt die ernsthafte Filmkritik mit solchen zugleich massenwirksamen und intelligenten Filmen, so wie man sich vorher mit Godard und Antonioni beschäftigt hatte. Die intelligenten Techno-Blockbuster wurden auch in wissenschaftlichen Publikationen, in Symposien und Seminaren behandelt. Das Zauberwort war

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»postmodern«. Kein Philosoph, kein Psychologe, kein Kulturhistoriker, der etwas auf sich hielt, verzichtete auf eine Auseinandersetzung mit der Subjekt-Philosophie in BLADE RUNNER, der Geschlechter-Konstruktion in der ALIEN-Serie oder dem Mensch-Maschine-Dialog in TERMINATOR 2. Vielleicht haben es eine Menge Menschen in Hollywood und anderswo nicht zur Kenntnis genommen (und es gibt ja auch genügend Erfolgsfilme, die das Gegenteil zu beweisen scheinen): Nachhaltig auf dem Markt wirken nur Filme, die eine gewisse lebendige Intelligenz in Gang setzen. Die Begegnungen von Philosophie und Computertechnik auf der Leinwand waren allerdings immer flüchtig und widersprüchlich. Seit den 90er Jahren hat die digitale Kinotechnik einen so enormen Sprung vollzogen, dass einst sensationelle Effektfilme wie JURASSIC PARK (1993; R: Steven Spielberg) oder TERMINATOR 2: JUDGEMENT DAY (1991; R: James Cameron) schon wieder altmodisch wirken. Es war abzusehen, dass die Intelligenz der Stories und der Bilder mit dieser rasanten Entwicklung nicht würde mithalten können. Es gab da eine Art Hase-und-Igel-Wettlauf. Die Gefahren dieser neuen digitalen Bildermagie liegen auf der Hand: Es ist alles möglich, und daher kann alles ziemlich schnell beliebig werden. Nie liegen überwältigtes Staunen und Langeweile so eng beieinander wie bei den Bild- und Sound-Gewittern der Hollywood-Blockbuster. Immer neue Mischungen aus Katastrophenfantasien, asiatischer Kampfkunst und amerikanischer Ideologie begeistern das Publikum und hinterlassen doch am Ende ein Gefühl der Leere. Was vor dieser Beliebigkeit schützen kann, das ist eine durchgeformte Mythologie. Der technische Overkill macht Sinn, wenn die Welten, die er erschafft und zerstört und wieder erschafft, tiefer in die Strukturen des Erzählens reichen, so wie bei THE LORD OF THE RINGS (Der Herr der Ringe; 20012003; R: Peter Jackson) oder, auf eine andere Weise, bei HARRY POTTER (seit 2001; R: Chris Columbus). Wenn es auch »nur« um die visuelle Erfüllung einer schon in den Köpfen verankerten Vorstellungswelt geht und man schon »gewinnt«, wenn man die Erwartungen der Zuschauer nicht enttäuscht. Wir kennen diese Mythologien schon, und es ist ein großes Vergnügen, sie auf so verblüffende Weise visuell realisiert zu sehen. Jedenfalls wenn man so zwischen acht und zwölf Jahre alt ist, oder wenn man sich für zwei Stunden so fühlt, als wäre man zwischen acht und zwölf Jahre alt. Die Meta-Mythen der populären Kultur in den letzten Jahren verhalten sich ein bisschen wie Greg Bears »Noozyten«. Sie breiten ein infektiöses semiotisches System aus, das durch die Menschen hindurch funktioniert, auch wenn sich »ein Mensch« dagegen sträubt.

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In noch größerem Maße gilt das für Comic-Verfilmungen, für die das digitale Overkill-Kino daher eine besondere Vorliebe hat. SUPERMAN, SPIDER-MAN, X-MEN, HULK, DAREDEVIL, BATMAN und so weiter haben nicht nur eine mythische Breite, sondern auch schon eine kulturhistorische Tiefe. Es sind Wesen, die immer wieder kommen, Hausgötter, mit denen sich schon mehrere Generationen beschäftigt haben (darum kommen sie nicht nur aus dem Kinderzimmer, sondern auch aus den auf dem Dachboden versteckten Pappkartons der Eltern). Das Fantastische scheint hier in einer perfekten Mythologie vorgegeben. Und merkwürdigerweise scheint dieses digitale Comic-Effekt-Kino umso besser, je mehr es sich auf alte Tugenden des Films besinnt. Beeindruckende Special Effects in Filmen wie SPIDER-MAN (2002; R: Sam Raimi) oder X-MEN (2000; R: Bryan Singer) sind okay. Aber auf die jeweils nächste Fortsetzung des Superspektakels warten wir nur, wenn wir auch etwas von der persönlichen Tragik eines Helden erahnen. Das war bei den alten Western-Helden so, und das ist bei den X-Men nicht anders. Was in den 90er Jahren entstand, das war eine Serie von Filmen, die modernste Technik sowie die Genres und Bilder der Mainstream-Unterhaltung dazu verwendeten, mehr als die märchenhafte Regression in den Bildwelten von STAR WARS zu bieten, der populären Mythologie ein Fenster zur Gegenwart und zur Wirklichkeit zu öffnen. In den Verfilmungen von SPIDER-MAN, X-MEN und HULK (2003; R: Ang Lee) steckte mehr an erzählerischem Potenzial, an Tragik und Romantik. Bei den gelungeneren Beispielen konnte man ahnen, dass die Comics, längst nicht mehr konkurrenzfähig mit den neuen Massenphänomenen des Jugendmarktes, schon lange nicht mehr nur »der kleine Bruder« des Kinos sind, sondern selbst in den einst so gering geschätzten Segmenten wie dem Superhelden-Genre eine avantgardistische Rolle innehaben, von der Filme wie die MATRIXTrilogie heftig profitieren. Sie und ihre Welt sind zwar neu und einzigartig, soweit das in der Sampling-Technik unserer Zeit ein sinnvolles Wort ist, aber ihre Herkunft aus der selbstreferenziellen Welt der Comics ist nie zu leugnen. In ihnen treffen sich die Geschichte des Kinos, die Geschichte des Computerspiels und die Geschichte des Comics, und anders als in STAR WARS tun sie das nicht als alte Bekannte auf einer netten, ein bisschen nostalgischen Party, sondern mit dem avantgardistischen Ernst ihrer jeweils coolsten und hipsten Vertreter. Doch hier wie dort verhaspelt man sich auch leicht in den eigenen Ansprüchen. Die, nun ja, philosophische Dimension von Filmen wie BLADE RUNNER, TERMINATOR 2 oder der ersten MATRIX-Episode ist in den Nachfolgeprojekten nicht zu erwarten. Daher sind die neuesten Filme der

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Super-Serien, die MATRIX-Sequels oder TERMINATOR 3: RISE OF THE MACHINES (2003; R: Jonathan Mostow) für Kritiker, die den nächsten cineastischen Essay über künstliche Wirklichkeit, die technische Parallelschöpfung und die ewige Wiederkehr der Mythen erwarteten, eher enttäuschend. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, so scheint es, erschöpft sich in endlosen physischen Kämpfen. Und in formidabel destruktiven Autoverfolgungsjagden, auf die man anscheinend auch in der noch so virtuellen Zukunftswirklichkeit nicht verzichten kann. Es gibt wohl auch für fiktive, mythische Gestalten so etwas wie die »Mühen der Ebene« (nachdem die Gebirge der Konventionen beherzt überquert sind). Manchmal schien es, als würde das Kino vor lauter technischen Möglichkeiten, vor lauter Vergnügen, etwas Gewaltiges aufzubauen und es dann mit großem Getöse wieder kaputtzumachen, den Verstand verlieren. Und völlig verloren schien die Sache, wenn es sich mit der jeweiligen Ideologie und Paranoia der politischen Propaganda aufladen ließ wie bei INDEPENDENCE DAY (1996; R: Roland Emmerich). Filme wie BLADE RUNNER, TERMINATOR 2 und THE MATRIX bewiesen uns allerdings immer wieder, dass das keine notwendige Folge der digitalen Revolution sein muss. Lars von Trier, der Mitbegründer der anti-technologischen DogmaBewegung, stellt eine in der Tat dogmatische These zur Zukunft des Kinos auf: »Das Kino der Zukunft ist entweder radikal technisch oder radikal anti-technisch.« Wenn man wieder einmal aus einem technischen Effektfilm kommt und sich eher an eine Flut von Bildern und Tönen erinnern kann als an eine Begegnung mit Menschen, Ideen oder Geschichten, ist man geneigt, dem dänischen Regisseur zuzustimmen und sich nach nichts so zu sehnen wie nach einem einfachen, stimmungsvollen Low-Tech-Film, der von nichts anderem erzählt als von wirklichen Menschen in einer wirklichen Welt. Aber das Kino kann auch nicht einfach aufhören, eine Art virtuelles Labor für die Begegnung von Technik und Fantasie zu sein. Das ist auch eine Frage von Erwartung und von Ökonomie. James Cameron, der Schöpfer von TERMINATOR 2 und TITANIC (1997), bringt es auf einen einfachen Nenner: »Es gibt viele gute Gründe, dem Publikum im Kino eine erweiterte Erfahrung anzubieten, weil das Kino selber unter Druck steht und immer stärker unter Druck gerät, sei es durch andere Medien, wie das High-Definition-Fernsehen zu Hause, oder DVDs, die über das Internet ausgetauscht werden können. Damit wird die Basis für das Kino immer schmaler. Deswegen ist es an uns Entertainern, dem Publikum immer neue und aufregende Arten der Kinounterhaltung zu bieten. Wenn es irgendwas gibt, womit ich Menschen dazu bewegen kann, ins Kino zu kommen, dann werde ich es ausprobieren.« So muss von Zeit

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zu Zeit ein Film wie THE MATRIX kommen, der das Kino und den Film zugleich zu retten imstande ist. Für eine Zeit jedenfalls. Was wird uns also als nächste Sensation erwarten? Der 3-D-Spielfilm, an dessen Verwirklichung Cameron bereits arbeitet? Volldigitale und interaktive Filme, neue Soundgewitter? Oder doch die nächste Rückkehr der einfachen Geschichten und der gewöhnlichen Menschen? Es ist die Spannung zwischen beidem, die das Kino immer noch zur aktuellsten Kunst unserer Zeit macht. Und die Entdeckung, dass es immer vom Menschen handelt, im Cyberspace und in der Vorstadt. Man kann ihn da wie dort sichtbar oder unsichtbar machen. Und auch die MATRIX-Filme sind auf der Suche nach dem Menschen, wenn auch nicht gerade der nächsten sozialen, räumlichen und zeitlichen Umgebung. Welcome to the real world ist das Versprechen und die Aufgabe, die sie formulieren: Die Wirklichkeit ist nicht das Gegebene und das Natürliche des Menschen; die Wirklichkeit ist das, was sich die Menschen erobern müssen. Warum nicht auch im Kino?

Larry & Andy machen's in Hollywood Was muss man von der Lebensgeschichte von Larry und Andy Wachowski wissen? Larry wurde am 21. Juni 1965 und Andy am 29. Dezember 1967 in Chicago geboren. Weißer Mittelstand, laut der Familienlegende Nachkommen polnischer Bergarbeiter. »Nachdem wir ohne Abschluss das College verlassen hatten, wurden wir Zimmermänner. Die Arbeit war uns zu hart. Also gingen wir zum Film.« Tatsächlich haben sie neben ihrem Job am Bau damit begonnen, Comics zu entwerfen, und lauerten auf ihre Chance. Heute sehen sie, wie einige andere junge Regisseure in Hollywood auch, wie Tankwarte aus, die nach Feierabend ihr Trinkgeld in einem Comicladen verschleudern. Natürlich tragen sie ihre Baseball-Kappen verkehrt herum auf dem Kopf und tun alles, um nicht als »Stars« zu erscheinen. Das mit den Zimmermännern hätten sie erfinden müssen, wenn es nicht so gewesen wäre. Entscheidend in der Legende und in der Erscheinung aber ist, dass sie kundtun, nicht Teil des Systems zu sein, mit dem sie arbeiten. Spielende Kinder vielleicht, Diogenes-hafte Kneipenphilosophen, Bastler – aber niemals Leute, die auf den Glamour von Hollywood hereinfallen. Dafür hat man schließlich seine Schauspieler, die man auf die Pressekonferenzen schickt, während man sich selbst entzieht. Larry und Andy geben keine Interviews und lassen keine home stories machen. Es sei denn, sie können vorführen, wie man ein Interview ruiniert oder eine home story zum Höllentrip macht.

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Comics waren tatsächlich die große Liebe der beiden Kerle aus Chicago; sie waren Fans, als sie ihre Arbeit als Szenaristen für eine großartige, wenn auch nur kurzlebige Serie bei Marvel begannen: Ectokid war eine Kreation des englischen Autors und Regisseurs Clive Barker und brachte es gerade auf neun Nummern. Dann fragte man die beiden, ob sie nicht eine Idee für eine neue Serie hätten, und innerhalb von drei Tagen hatten sie in groben Zügen die Entwicklungslinien für ein Abenteuer in naher Zukunft aufs Papier gebracht: Diese Welt der Zukunft würde paradoxerweise so aussehen wie unsere Gegenwart, denn sie wäre nur das Trugbild eines gewaltigen Computerprogramms. Dieses Programm diente den denkenden Maschinen, die in dieser Welt die Macht übernommen hätten und die die Menschen als »bioenergetische« Nahrung benutzten. Das war, wir erkennen es, nichts anderes als die Grundlage für das MATRIX-Universum. Zu dieser Zeit arbeiteten sie auch an einem Filmscript, ASSASSINS, das sie für 250.000 Dollar an den Produzenten Joel Silver verkauften. Es war eine deutlich vom asiatischen Kino des heroic bloodshed beeinflusste Geschichte von zwei Berufskillern und einer von der Wirklichkeit weitgehend abgespaltenen Hackerin. Bevor Richard Donner den Stoff mit Sylvester Stallone, Antonio Banderas und Julianne Moore 1995 verfilmte, unterzog Brian Helgeland das Script einer tiefgreifenden Revision, die die Geschichte mehr in die Richtung der von Silver favorisierten Action-Knaller verschob. Von der strengen Stilisierung und dem Zitatreichtum des ursprünglichen Scripts blieb nichts mehr übrig, und das beständige Hyperventilieren von Stallone und Banderas als körperlich-akustisches Leitmotiv wirkte bald einigermaßen nervtötend. Vermutlich war Richard Donner für diesen Stoff der falscheste Regisseur der Welt. Jedenfalls versuchten die WachowskiBrüder ihren Namen aus den credits streichen zu lassen. Noch weniger Glück hatten sie mit dem Drehbuch The Plastic Man, das von Steven Spielbergs Produktionsfirma Amblin angekauft und dann, unerreichbar, auf Eis gelegt wurde. Den Brüdern blieb schließlich gar nichts anderes übrig, als nun alles auf eine Karte zu setzen und keine Zugeständnisse mehr zu machen. Alles oder nichts. Die Zeit, in der sie Hollywood als frustrierte Ideenlieferanten dienten, war definitiv zu Ende. Larry und Andy Wachowski versuchten nun, ihre ursprünglich für die Comic-Serie entwickelte Idee zur Geschichte der Matrix als neues FilmProjekt zu verkaufen, aber niemand bei Warner schien in der Lage zu verstehen, worum es eigentlich ging. Statt sich auf Diskussionen über Wesen und Absicht der Matrix einzulassen, taten sie sich mit ihren Lieblingszeichnern zusammen, um die Story, vor allem aber den spezifischen Look ihres Projektes zu veranschaulichen.

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Der Amerikaner Geof Darrow war nach Paris gegangen, wo er im Umfeld der Zeitschrift Métal Hurlant seine Talente besser zur Entfaltung bringen konnte als in der US-amerikanischen Comic-Industrie. Für die MATRIX-Filme entwarf er nun ein Design, das unaufdringlich seine ComicHerkunft ausstellt. Der Kanadier Steve Skroce trug seine illustrative Bewegungskunst bei. Und wie Darrow schätzten ihn die Wachowskis auch deshalb, weil er in der Welt herumgekommen und in seiner Arbeit Einflüsse aus den verschiedensten Kulturen verarbeitet hatte. Schließlich hatten die beiden gemeinsam mit den Brüdern Wachowski eine Art »Super-Storyboard« angefertigt, das mit 700 Seiten einen beachtlichen Umfang besaß. Bereits in dieser Phase halfen weitere Künstler, das Design zu vervollkommnen, so die beiden »Konzeptkünstler« Tani Kunitake und Warren Manser, die bei BATMAN & ROBIN (1997; R: Joel Schumacher) respektive bei Terry Gilliams TWELVE MONKEYS (1995) mitgearbeitet hatten. Die Matrix wuchs in einem Gemeinschaftsprojekt, das sich zunehmend zu einer stock company auswuchs, eine kleine ästhetische Geheimgesellschaft, die es schaffte, ganz und gar außerhalb der eingefahrenen Hollywood-Strukturen zu arbeiten. Vom Gefühl, einer Art ästhetischer Verschwörung anzugehören, sprachen im Nachhinein etliche Mitarbeiter. Das Storyboard war so beeindruckend, dass Warner das Script schließlich für eine Million Dollar kaufte und den Wachowski-Brüdern zudem ihre beiden wichtigsten Forderungen erfüllte: THE MATRIX sollte der erste Teil einer Trilogie sein, und bei allen drei Filmen sollten Larry und Andy gemeinsam Regie führen. Die beiden konnten freilich im Regiefach nicht die geringste Erfahrung vorweisen, und daher kam man überein, dass sie vor dem MATRIX-Projekt, das von Anfang an als eine Super-Produktion geplant war, eine Art Gesellenstück in Form eines niedrig budgetierten Films abliefern sollten. Für das Drehbuch zu BOUND (1996; Gefesselt) erhielten sie eine weitere Million Dollar, allerdings sollte auch ihre Regieleistung damit abgegolten sein und der fertige Film nicht über fünf Millionen kosten. Von den 4,8 Millionen, die schließlich auf der Rechnung standen, gingen mehr als die Hälfte für die Schauspielergagen drauf. Was den Film dann auszeichnete, waren die ästhetischen Entscheidungen der Regisseure, der Einsatz von Kameraperspektiven und Zeitlupen, wie man sie aus einem »realistischen« Film nicht kannte. Und nicht zuletzt der Eigensinn der Autoren: Den Vorschlag von Warner, aus dem lesbischen ein heterosexuelles Liebespaar zu machen, lehnten sie rundheraus ab. Die Wachowskis filmten ihren black comedy erotic thriller, als ginge es darum, splash panels und Doppelseiten eines Comic zu montieren. (Nur bei den Sex-Szenen machten die Regisseure

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Auch das Lebisch-Sein ist Pose und Design: Das Regiedebüt der Wachowskis, BOUND

dann doch ein Zugeständnis: Sie akzeptieren, dass es davon eine europäische und eine – entschärfte – amerikanische Version geben sollte.) BOUND überzeugte nicht nur die Leute von Warner, sondern auch das Publikum und hier und da sogar die strenge Kritik: »BOUND ist einer jener Filme, die einen in die Mangel nehmen, auswringen und atemlos zurücklassen«, schreibt etwa Roger Ebert von der Chicago Sun-Times. »Es ist reines Kino und überschreitet mehrere Genregrenzen: ein Caper-Movie, ein Gangsterfilm, ein Sexfilm, eine Slapstick-Komödie. Die Leidenschaft, die zwischen den beiden Frauen entbrennt, ist spontan, hitzig und auch irgendwie witzig. Zwischen Gershon und Tilly springen die Funken, vielleicht weil sie sich der Komik der Situation bewusst sind, und ihre Sexszenen sind keine feierlichen gynäkologischen Kraftakte, sondern reines Vergnügen. Der Film beginnt wie erotisches Popcorn-Kino, aber dann wird die Story immer dichter und verwickelt die Figuren und die Zuschauer immer tiefer in ein Netz aus Mord, Blut, Sex und Geld.« Es ist eine bizarre Liebesgeschichte: Violet (Jennifer Tilly) hat sich's im Leben eingerichtet. Nicht gut, aber luxuriös. Ihr Freund Caesar (Joe

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Pantoliano) steht als Berufskiller in den gut bezahlten Diensten der Mafia und hält sie in einem goldenen Käfig. Corky (Gina Gershon) wird gerade nach fünf Jahren aus dem Gefängnis entlassen. Sie nimmt einen Job als Hausmeisterin an. Als die beiden Frauen einander begegnen, wird jeder von ihnen aufs Deutlichste klar, was sie bislang im Leben vermisst hat. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Und bald reift in ihnen ein Plan, die Vorzüge beider Lebensformen miteinander zu verbinden. Caesar bewahrt, wie Violet weiß, für den Mafiaboss Mickey (John P. Ryan) einen Koffer mit zwei Millionen Dollar auf. Mit diesem Geld könnten Violet und Corky das schöne Leben führen, das ihnen vorschwebt. So nehmen sie die Beute an sich und wechseln die Dollars mit Zeitungspapier aus. Sie hoffen, dass die Mafia Caesar für den Dieb halten wird, um den ist's nicht schade. Aber Caesar ist nicht nur besonders geldgierig, sondern auch clever. Und damit beginnt die Intrige Blasen zu werfen, überraschende Wendungen zu nehmen und schließlich mit überraschenden Rückkopplungen aufzuwarten. Das einzige Pech von BOUND war, dass der Film zur gleichen Zeit wie FARGO von Joel und Ethan Coen herauskam. Zwei visuell hoch stilisierte Thriller von einem manischen Brüderpaar – das war ein bisschen viel für das Jahr 1996. Aber die Wachowski-Brüder hatten mit diesem Film gezeigt, was sie können. Von hier aus traute man ihnen alles zu.

Die MATRIX wird geladen Ursprünglich sollte THE MATRIX in der Heimatstadt der Wachowski-Brüder, in Chicago gedreht werden. Aber das hätte den Film noch einmal teurer gemacht, als er ohnehin schon war. Deshalb verlegte man den Drehort nach Australien, wo man durch geringere Löhne und Mieten und die Gewinne beim Dollarkurs die Kosten um gute 30 Prozent senken konnte. Dennoch: Wenn man den Film etwas genauer ansieht, erkennt man durchaus eine teils liebevolle und teils sarkastische, in den locations, den Modellen und der digitalen Simulation vorgenommene Rekonstruktion von Chicago, windy city. Dieser Bezug der virtuellen zur realen Welt ist sicher nicht nur ein biografischer Schlenker. Es ist ein Teil des Realitätsspiels des Films, dass im endlos geflochtenen Band alles möglich, aber nichts ohne Rückbindung ist. Der Autor und die Maschine, diese ewigen Feinde in der Traumfabrik, beginnen hier ein neues Spiel miteinander (von dem offensichtlich manche Kritiker so entsetzt sind wie die, die sich seinerzeit empörten, als Bob Dylan seine Gitarre einstöpselte). Wie sie in BOUND gezeigt haben, verstehen sich die Wachowskis auf die Kunst, sich über den Stil dorthin zu bewegen, wo der Plot nicht hinführen kann. Vom

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Standpunkt des europäischen Autorenfilms ist das durchaus angreifbar. Sogar das Lesbisch-Sein in BOUND ist eher Pose und Design als eine konkrete soziale und sexuelle Geste. Aber auch um diese Pose haben die Autoren mit der Maschine gekämpft. Die Bezüge zu Chicago, zu anderen realen Orten und sogar realen Konzernen hat auch in MATRIX keine Konsequenz für den Plot oder für die, nun ja, »Aussage«. Und trotzdem sind diese Verweise von höchster Bedeutung für das Funktionieren von MATRIX als sich generierender und regenerierender Erzählmaschine. Zwischen Autor und Maschine entwickeln sich kreative »Störungen«. (Wer sagt uns denn, dass nicht auch der Autor nur eine Pose, ein besonderes Programm in einer Erzählmaschine ist?) Die Wahl der Hauptdarsteller fiel nach etlichen Diskussionen auf Keanu Reeves als die zentrale Heldengestalt, Carrie-Anne Moss als seine geheimnisvolle Begleiterin Trinity, Laurence Fishburne als Anführer der Rebellion namens Morpheus und Hugo Weaving als Widersacher Agent Smith. Ein wirklicher Star war eigentlich nur Keanu Reeves, und auch er nur sozusagen der der zweiten Reihe. Aber er hatte mit JOHNNY MNEMONIC (Vernetzt – Johnny Mnemonic; 1995; R: Robert Longo) einen ersten Cyberpunk-Thriller, mit LITTLE BUDDHA (1993; R: Bernardo Bertolucci) einen religiösen Film und dazu einige Actionfilme, von Kathryn Bigelows POINT BREAK (Gefährliche Brandung; 1991) bis zu Jan de Bonts SPEED (1994), vorzuweisen und ist auch von der Erscheinung her die ideale Mischung für die Rolle des Neo. Kernige Züge, die dem Licht und der Kamera Fläche bieten, ethnische Eigenheit und eine spezifische Mischung aus Romantik und Härte. In allen seinen bekannten Filmen ist er ein Grenzgänger und Loner. Mag er sich auch nach Liebe und Geborgenheit sehnen, er wird, anders als sein Widersacher und Spiegelbild im Hollywood-Sternenhimmel, Johnny Depp, an der Einsamkeit nicht zugrunde gehen. Man wird sie ihm nicht einmal wirklich ansehen. Höchstens wie ein erschrecktes Kind wird er gelegentlich gucken, dem man gerade ein weiteres Element des Urvertrauens genommen hat. Unverletzlich ist er nicht. Es ist die Verletzlichkeit, die die Helden des Cyberpunk von der alten Science-Fiction unterscheidet. Die Verletzlichkeit, die einen Erlöser von einem gewöhnlichen Helden unterscheidet. Das Ex-Modell Moss als herbe, leicht androgyne Erscheinung, wie eine verbitterte Dissidentin aus den Fitnessräumen des Neoliberalismus, die, was sie gelernt und trainiert hat, gegen das System selber wendet, der massige Fishburne, eine intellektuelle Version des Big Black Man, den der Rassismus fürchtet und ersehnt, und zugleich ein seltsamer Mönch, wie aus dem Mister X-Comic oder vom Planet des Ordens der verdammten Män-

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Keanu Reeves als Erlöser in LITTLE BUDDHA und …

ner in David Finchers Beitrag zur ALIEN-Reihe (1992), schließlich Weaving als Karikatur des in seiner Arroganz wieder törichten Man in Black: Es sind Komponenten auf einer Skala der »Schwarzheit«. Aber die Darsteller wurden nicht nur wegen ihrer Leinwand-Persona ausgewählt, sondern auch wegen ihrer physischen Fähigkeiten. Die Wachowski-Brüder lieben neben den Comics die Actionfilme aus Hongkong. Und in ihnen bewunderten sie vor allem die Eleganz der Kampfkunst der Darsteller: Die Stars der Martial Arts Movies führten ihre Kämpfe selber aus, während es in Hollywood gewöhnlich eine Abfolge von Nahaufnahmen der Stars und dann mehr oder weniger spektakuläre Aktionen der Stuntleute sind, die den Fluss der Szenen (oder eben den Mangel an Fluss) bestimmen. Für THE MATRIX sollten die Darsteller diese asiatische Arbeitsweise übernehmen und die größtmögliche Anzahl von Kampfszenen selbst bestreiten. Es ging dabei weder um eine höhere Authentizität noch um hübsche Geschichten fürs Presseheft. Wenn die Schauspieler selber die Kampfszenen ausführen, bekommt die Kamera eine ungewöhnliche Freiheit gerade in den Bewegungen auf die Agierenden zu, und außerdem erhalten die Bewegungen eine choreografische Einheit, die in den gewöhnlichen Actionfilmen aus den USA nicht zu finden ist. Vier Monate lang dauerte die Instruktion der Schauspieler durch den Choreografen und Gelegenheitsregisseur Yuen Woo-Ping. Yuen Woo-Ping war den Wachowskis vor allem durch seine Filme um den legendären Helden Wong Fei-Hung, IRON MONKEY (1993) und LAST HERO IN CHINA (1993) aufgefallen (nach THE MATRIX arbeitete er für Ang Lee bei CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON [Tiger & Dragon; 2000] und schließlich 2003 für Quentin Tarantinos KILL BILL). Für beide

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… als Actionheld in POINT BREAK

Seiten war die Zusammenarbeit auch eine kulturelle Annäherung (nicht zuletzt was die Sprache anbelangt); zwei Arten des Filmemachens begegneten sich da, und zwei Arten der Kunst der Repräsentation. Bei THE MATRIX RELOADED allerdings war Yuen Woo-Ping schon in der Lage, mit einem eingespielten Team zu arbeiten, und er selbst hatte sich, was gewiss nicht ohne Schwierigkeiten abging, an die Arbeits- und Lebensbedingungen im Westen gewöhnt. Von den Wachowski-Brüdern meinte er im Übrigen, sie seien wesentlich »asiatischer« in ihrem Empfinden als etwa Ang Lee, allein durch ihre Kenntnis des wuxia pian-Genres (heroische Action plus Geister, wie in den CHINESE GHOST STORY-Filmen / 1987-1991; R: Ching Siu-Tung). Tatsächlich spiegeln die Dreharbeiten die Befreiung der kulturellen Codes: Die Erschaffung einer künstlichen Welt ist verbunden mit der Schaffung eines Welt-Codes (»gelungen« oder nicht). THE MATRIX wird nicht als »amerikanischer Film« geladen. Wuxia pian-Filme greifen tief in die chinesische Helden-Mythologie und verwenden Elemente der Peking-Oper: Action wird in der Form eines Balletts inszeniert, der Übergang zwischen dem Realen und dem Fantastischen ist fließend. In den 70er Jahren erlebten die in Hongkong produzierten Filme des Genres ihren ersten internationalen Höhenflug. Das Verhängnis war freilich, dass sie in den USA und in den meisten Ländern Europas in den Zirkeln der Trash- und Gewaltfilme vermarktet wurden, grauenhaft synchronisiert und ohne Rhythmus-Gespür zusammengeschnitten. Bei der extensiven Produktionsweise in Studios wie dem der legendären Shaw Brothers war freilich auch schon hier genügend belangloses Material vorhanden. Wenn Hongkong nicht die größte der universalen Traumfabriken war, die schnellste war es sicher.

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Der erste internationale Star des cinema of vengeance, wie man die Martial-Arts-Filme auch nannte, war Bruce Lee. Als wuxia-Held, der in die Moderne versetzt war, wurde Bruce Lee rasch zum Getto-Mythos und zum Bild für eine nicht-hierarchische Öffnung zwischen den Kulturen (und durch seinen frühen Tod war der Legendenbildung keine Grenze gesetzt). Er war der Held der Minderheiten in den Megacities. Black Movies und »Eastern« bildeten ein neues, urbanes B-Genre, das die eigentlichen mythologischen Wurzeln allerdings weitgehend verlor. Kung Fu Fighting wurde zu einer der Ausdrucksweisen des Ghettos und vielleicht eine der ersten globalen Zeichensprachen zwischen Ost und West, Arm und Reich, Männlich und Weiblich. Ein System, von dem niemand von vornherein ausgeschlossen ist, dem sich jede und jeder durch einen Akt der Selbstüberwindung einschließen kann, das dem Schwachen die Stärke verspricht, dem Körper (womit wir wieder beim Thema sind) einen Triumph über die Technologie, der Peripherie über das Zentrum, und das eine zugleich spirituelle und physische Erlösung verhieß. Kung Fu war eine Antwort auf die neuen Ängste. Natürlich mussten früher oder später auch die weißen Mittelstandskids daran teilhaben. Wenigstens im Kino, und allerspätestens in der Form von Kung-Fu-Computerspielen, die in den 80er Jahren zu den populärsten Genres gehörten. Wuxia als cineastische Kunst wurde in dieser Zeit nur von einigen alten Meistern hochgehalten, von denen King Hu immerhin auch in europäischen Film-Kreisen eine gewisse Reputation erzielte und mit Filmen wie RAINING IN THE MOUNTAIN (Regen in den Bergen; 1978) belegen, dass das Genre zu ganz anderen Arbeiten taugte als zu jenen, die in den deutschen Bahnhofskinos unter Titeln gezeigt wurden, in denen Worte wie »Knochenbrecher«, »Schlitzauge« und »Dampfhammer« vorkamen. Eine zweite Renaissance erlebte das Genre, ein wenig verspätet gegenüber dem heroic bloodshed der Gangster- und Cop-Filme etwa von John Woo, in den letzten Tagen der Traumfabrik von Hongkong, in einer »Neuen Welle« und mit Film-Serien wie CHINESE GHOST STORY und SWORDSMAN (1990-92; R: Ching Siu-Tung), mit Arbeiten, in denen die Namen von Tsui Hark und Woo-Ping in wechselnden Funktionen auftauchten. Yuen Woo-Ping kannte alle Aspekte der Filmproduktion. Sein Vater, Yuen Hsia-Tien, war ein Star des Genres gewesen, und neben vielen Billigproduktionen durch Filme wie AGAINST RASCALS WITH KUNG FU (1982; R: Kwan Ching Lian), der in der BRD unter den dummen Titeln ZWEI DRESCHFLEGEL SCHLAGEN ALLES KURZ UND KLEIN beziehungsweise SCHLITZAUGE, HALT DIE OHREN STEIF vermarktet wurde, auch im Westen populär. Woo-Ping erlernte die Kampfkunst in einer Peking-Oper-

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Schule, und natürlich trat er, wie auch seine Brüder, schon als Kind in von seinem Vater produzierten Filmen auf, darunter auch in einigen WongFei-Hung-Filmen, und nachdem er sich eine Zeit lang mit den SchurkenRollen hatte begnügen müssen, wurde er Action-Choreograf und schließlich Regisseur. Seine größten Erfolge erzielte er in Zusammenarbeit mit dem damals neuen Superstar des Hongkong-Kinos, Jackie Chan, der unter anderem der Gestalt des Wong Fei-Hung einen neueren, leichteren Touch gab. Er war nun ein naiver, pikaresker Held, kein fertiger nationaler Mythos, sondern ein sympathischer Junge, der noch eine Menge zu lernen hat und der noch viel zu häufig auf das Intrigenspiel um ihn herum hereinfällt. In der ONCE UPON A TIME IN CHINA-Serie (1991-97), die noch einmal die Legende von Wong Fei-Hung ausbreitet und bei der wiederum Tsui Hark und Yuen Woo-Ping zusammenarbeiteten, übernahm Jet Li die Rolle. Sie war nun nicht mehr so komödiantisch, Jet Lis Wong Fei-Hung hatte die Naivität von Jackie Chan, aber doch einen ganz anderen Ernst. Es war ein Held, der seine Bestimmung erkennt, und der mit seiner Bestimmung gelegentlich auch hadert. Anders gesagt: Er war durchaus ein Vorfahr von Thomas Christian Anderson alias Neo. So wie Tsui Harks filmisches Design und Jet Lis ernsthafte schauspielerische Konzentration war auch Yuen Woo-Pings Kampf-Dramaturgie ein unverkennbares Markenzeichen der Serie. Sein Ziel war es, so flüssig wie erkennbar die Grenzen der physischen Aktion zu erweitern. So flogen die Akteure an (meistens) unsichtbaren Drähten durch die Luft, führten auf Pfählen waghalsige Ballette auf und liefen Wände quer entlang, durch nichts als den Zauber ihrer Bewegung in der Balance gehalten. Das Meisterstück der Woo-Ping-Dramaturgie aber war der »Korkenzieher-Sprung«, bei dem der Akteur oder die Akteurin eine Schraube in der Luft vollführt, wie sie sonst nur bei Kunstsprüngen vom Zehn-Meter-Turm zu sehen ist. Und der »Korkenzieher-Sprung«, auf den sich insbesondere Trinity versteht, sollte auch zum Markenzeichen der Action in den MATRIX-Filmen werden. Zur Entscheidung für die asiatische Kampf-Choreografie gehörte es, wie erwähnt, die Schauspieler davon so viel wie möglich selbst ausführen zu lassen, einerseits um besonders flüssige Bewegungsabläufe zu erzielen, zum anderen, na ja, ist es vielleicht auch eine Sache der Ehre und der inneren Glaubwürdigkeit einer Rolle. Wer die akrobatischen Kampftänze selber ausführt, steht am wenigsten in Gefahr, in einem Actionfilm wie ein Kind zu wirken, das einen Helden »spielt« (und dem das ein bisschen peinlich ist, wie man sieht, sobald die Kamera ein wenig unaufmerksam ist). Die einzige, die schon gewisse Vorkenntnisse in asiatischen Kampfkünsten vorzuweisen hatte, war Carrie-Anne Moss. Während des Trainings, das offenbar in der

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ersten Zeit (trotz eines Pensums von sechs Stunden täglich) nicht gerade sensationelle Fortschritte gemacht hat, mussten sich die Wachowski-Brüder zum ersten und nicht zum letzten Mal gegen ihren Produzenten Silver durchsetzen, der schnell wieder zum üblichen Einsatz von Stuntmen drängte. Aber nach vier Monaten Arbeit hatte Yuen Woo-Ping aus Reeves, Moss, Fishburne und Weaving leidliche Kämpfer gemacht. Was vielleicht noch wichtiger war: Sie hatten etwas von der Einheit des Kampftanzes und des Inneren und des Äußeren ihrer Rolle verstanden. Die Dreharbeiten in Australien dauerten 118 Tage (ein ganzer Monat mehr als im ursprünglichen Drehplan vorgesehen). Ein Teil der Spezialeffekte wurde schon in dieser Zeit für die post production vorbereitet und ausgeführt. Nachdem die Wachowskis ein Sample von acht Minuten zusammengestellt hatten, waren die Verantwortlichen bei Warner so beeindruckt, dass sie einer Erhöhung des Budgets zustimmten. So wuchs die Anzahl von ursprünglich vorgesehenen 200 visuellen Effekten auf 412. Und eine Reihe davon (vgl. das Kapitel »Die Ästhetik der Matrix«) war zu nichts anderem vorgesehen, als etwas »Nie Gesehenes« auf die Leinwand zu bringen.

Ein Neues Testament des Kinos Die Quellen von THE MATRIX sind mannigfaltig in der Literatur, im Film, in allen anderen Medien und in der Kunst. Aber es gibt wohl vier wichtige Prozesse der ästhetischen Übertragung, die den Film an sich außergewöhnlich machen; jeder davon für sich hat genügend Vorgänger und Nachfolger, aber nirgendwo ist all dies so stringent miteinander verbunden wie hier. So ist die MATRIX-Serie, selbst wenn man in späteren Versionen der Kinogeschichte den Eigenwert ein wenig herunterstufen sollte, als Schnittstelle der Codes in der populären Kultur von unschätzbarer Wirkung. Es geht also um: - Die Übertragung der Ästhetik und Produktionsweise des HongkongKinos auf den westlichen Mainstream-Film. - Die Übertragung der ästhetischen und narrativen Prinzipien des ComicStrips auf das Kino. Nicht im Sinne eines Zitierens – wie es auf besonders hübsche Weise am ehesten Ang Lee in HULK gelang, sondern eher im Sinne einer Erweiterung aller Möglichkeiten: Nichts, was einem Comic-Zeichner einfallen könnte, sollte für den Film unmöglich sein, das war die Herausforderung an das Special-Effects-Team der Produktion. Und umgekehrt sollte ein Filmemacher so »frei« fantasieren können wie ein Comic-Autor. – Die Übertragung einer Cyberpunk-Lektüre von Videogames (und umgekehrt) auf den Film. Nicht im Sinne eines simplen Nachspielens oder

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einer ästhetischen Verwandtschaft wie in RESIDENT EVIL (2002; R: Paul WS. Anderson) oder LARA CROFT: TOMB RAIDER (2001; R: Simon West), nicht im Sinne sanfter Wahrnehmungsessays wie CONTACT (1997; R: Robert Zemeckis), und auch nicht im Sinne einer »literarischen« Lektüre nach den kulturkritischen Vorgaben der satirisch parabelhaften Science-Fiction wie in NIRVANA (1997; R: Gabriele Salvatores), sondern wie eine Art des analytischen Spielens. Nicht von draußen, sondern von drinnen. – Das neue Sichtbarmachen der Digitalität, das wirkliche Design einer Neos Urahn: Bruce Lee künstlichen Wirklichkeit, die sich ihrer Herkunft aus dem Computer nicht mehr schämt. Endlich sollte ein Film den Look für das Cyber-Zeitalter kreieren und den Hackern eine Heldengestalt geben. THE MATRIX verhält sich nun ganz bestimmt nicht apologetisch zur Computer-Technologie, aber es gibt hier auch nicht die kulturpessimistische Distanz. Nun kann man wohl dem Film dabei zusehen, wie er zugleich aus seinen Quellen schöpft und wie er es versteht, deren Fehler zu vermeiden. Die MATRIX-Trilogie übersetzt den Cyberpunk nicht einfach in den Film. Der dirty look der science fiction noir hatte sich weitgehend verbraucht. Die Regisseure kürzen daher zunächst einmal weitgehend diese Aspekte, diese Lust am Schmutz und am Verfall als Gegenpol zur virtuellen Welt. Darin steckt im Übrigen vielleicht durchaus ein politischer Aspekt: In Filmen wie BLADE RUNNER war dieser urbane Schmutz des Supergettos immer gebunden an die »Asiatisierung« der Welt, so wie sie in John Carpenters ESCAPE FROM NEW YORK (Die Klapperschlange; 1981) an die »Afrikanisierung« gebunden ist. Was aber MATRIX auszeichnet, ist eben ein tiefer Respekt vor diesen Kulturen. Und hier gibt es, wenn vielleicht auch nur als Idee und Sehnsucht, wieder etwas, was im literarischen Cyberpunk gründlich verloren schien. Nach der dunklen Neuromantik der programmatischen Auflösung die Rückkehr zu einer klaren Zeichensprache, als wollte sich aus der Cyber-Romantik eine klare Struktur bilden, ein luzider Neoklassizismus. Auf die Ästhetik der endlosen

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Crossover folgt, unter exzessiver Anwendung der neuromantischen Erzählungen und Bilder, des Sampling, ein neuer, reiner Code. Beinahe noch mehr als in den Realfilmen der Trilogie ist dies in den neun Filmen der ANIMATRIX formuliert. Die Antwort auf die Fallen der Postmoderne ist: Stil. (Eine andere Warnung, die in MATRIX beherzigt ist: Vorsicht mit der Ironie!) Und der digitale Code der Weltkultur muss weder eurooder US-zentrisch sein, noch muss es der der Konzerne sein, noch muss er dem Geschmack (und den Neurosen) der kleinbürgerlichen Vorstädte entsprechen. Die MATRIX-Saga versucht sich an einer Weltsprache des Kinos. Die Wachowskis drangen darauf, dass auch das Logo der Warner Brothers in die Ästhetik der MATRIX mit einbezogen wird. Das Kino ist Teil der Matrix, sagt das, oder: Auch der mächtigste Konzern ist einem ästhetischen Angriff nicht gewachsen (jedenfalls wenn man den Erfolg für sich hat). Das ist natürlich nur ein Symbol. Es hat nichts damit zu tun, den Stöpsel wieder aus der Verstärkeranlage zu ziehen. Auch nicht damit, das Geld zu verachten, das nur von den Konzernen kommen kann. Das Verhältnis der Wachowskis und ihrer Crew zu Hollywood ist viel komplizierter. Man kann sich nicht voneinander trennen; Technologie, Kreativität und Kapital verhalten sich zueinander wie Gift, Droge und Medizin, und nirgendwo ist das so sichtbar wie in der technologischen Kunst namens Kino. Aber unentwegt kommt es darauf an zu zeigen, wer von wem abhängig ist. Das ist, unter anderem, eine Frage von Stil und Intelligenz. Der Film THE MATRIX wurde am Osterwochenende des letzten Jahres des ausgehenden Jahrhunderts und in bewusster Konkurrenz zum neuen STAR WARS-Film, EPISODE I: THE PHANTOM MENACE, gestartet. Soll niemand sagen, man sei sich der kulturellen Bedeutung dieses Projektes nicht bewusst gewesen. Der »intellektuelle Actionfilm« (Larry Wachowski) war, wie Read Mercer Schuchardt schreibt, nicht weniger als der Vorschlag eines »Neuen Testaments« in der alten Vorstellung der christlich-jüdischen Anschauung von der Gefangenschaft im Jammertal des menschlichen Lebens, das nur auf den Untergang hinzielen und das nur durch das Wunder und das Opfer gerettet werden kann. War dann aber STAR WARS in der Tat ein »Altes Testament« zu dieser Fantasie: eine ewige Geschichte der Schöpfungen und Vertreibungen und der Züge zurück ins gelobte Land? Dann war George Lucas' Saga jedoch wiederum nur postmoderner Ausdruck einer alten Sehnsucht im amerikanischen Weltkino, das in allen seinen Genres nur aus unterschiedlichen Blickwinkeln von der einen Sache sprach. Vom Land of the Free and Home of the Brave. Von Heimat und Empire.

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THE MATRIX Vor-Geschichten und Nach-Bilder Die Geschichte, die THE MATRIX erzählt, ist nicht vollkommen neu. Sie vereinigt die drei Hauptstränge, die sich nach den Ausdehnungsfantasien der Space Operas im skeptischen Teil des Genres bislang herausgebildet haben: zum Ersten die Zukunft einer geschlossenen Gesellschaft, die durch Drogen, Terror und Halluzinationen einen solch absoluten Grad an Herrschaft erreicht hat, dass demgegenüber jedes »totalitäre« System nur neidisch werden könnte. Es können hier nur Einzelne fliehen, eine Revolution hat wenig Chancen. Zum Zweiten der sich zu der einen oder anderen Form des Krieges steigernde Konflikt zwischen Menschen und Maschinen. Seit gut 50 Jahren, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, verfolgt uns diese Fantasie von einer hoch entwickelten Kriegstechnologie, die sich verselbstständigt. Und was wahr ist, ist nun mal wahr: Alle technologischen Revolutionen und alle neuen Kommunikationsmittel, vom Radio bis zum Internet, wurden vom Militär in Gang gesetzt, und kein Mensch weiß genau, wie ehrlich ihre Zivilisierung ist. Zum Dritten die Auflösung der menschlichen Persönlichkeit in einer virtuellen Welt. Das eigene Unterbewusste ist dabei immer angedockt an das kollektive Unterbewusste, das immer angedockt ist an die medialen Rekonstruktionen von Welten und Empfindungen, die immer angedockt sind an die Welt der Maschinen und Systeme, die wiederum immer angedockt sind an das einzelne Unterbewusste. Das SF-Subgenre des Cyberpunk (dessen Leserschaft im Gegensatz zum »Muttergenre« immer auf einen recht kleinen Kreis beschränkt blieb) hatte sich dadurch ausgezeichnet, dass in die Befreiungsfantasien immer auch ein sozialer Essay eingearbeitet schien. Pop, Computertechnik, die Reste der Hippie-Rebellion, Spritzer von Marx und Marcuse, von Entfremdungs- und Ausbeutungs-Theorien verbanden sich mit der Suche nach einer angemessen Sprache für das Leben in verschiedenen Realitäten. Nicht die Frage, was in der neuen digitalen Welt alles möglich sei, beherrschte die Autoren, sondern die Frage, was das für die Menschen bedeute, in ihren individuellen Wahrnehmungen und in ihrer gesellschaftlichen Organisation. Der »Pate« des Cyberpunk war, wie schon erwähnt, William Gibson, der mit seinem Roman Neuromancer das Genre (ausgerechnet) im Jahr

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1984 begründete. Dieser Roman wuchs sich zu einer Trilogie und zu einem nicht zu übersehenden Steinbruch für die MATRIX-Filme aus. Andrerseits aber ist MATRIX gegenüber Geist und Inhalt der Cyberpunk-Literatur auch wieder eine beinah so große Kehrtwendung wie diese gegenüber der klassischen Technologie-Science-Fiction wie von Isaac Asimov und seinen »Gesetzen der Robotik«, die alle Konflikte zwischen Menschen und Maschinen zu einem Problem logischer Widersprüche und ihrer Lösung machte und am Ende immer die Herrschaft des Menschen über seine Parallelschöpfung, die denkenden Maschinen, sicherte. In Asimovs Maschinenwelt hat man vielleicht schon Angst vor den denkenden Maschinen. Aber man hat noch kein schlechtes Gewissen ihnen gegenüber. Die Geschichte der Cyberpunk-Literatur ist ein klassisches Modell für das Stück »Mainstream frisst Subkultur«, aber es hat ein paar Besonderheiten aufzuweisen. Der Stachel blieb im neuen Fleisch. »All die Techno-Freaks, Hacker und Drogenabhängigen«, schreibt Mario Scalla, »der Wohlstandsmüll, der vom System ausgestoßen worden war, sich in verrottenden Industrielandschaften herumtrieb und zu harten Punk-Rhythmen den Aufstand probte, sie wurden aufgerieben in den kapitalistischen Börsen-Fantasien der New Economy. Aber glücklicherweise gibt es nicht nur die alten Bücher und Manifeste, sondern auch noch die Kulturindustrie und mit ihr das Ungeheuer Mainstream, das aufmerksam renitente Subkulturen beobachtet und zu gegebener Zeit seine Assimilationsarbeit beginnt.« Und im maschinell erzeugten Ungeheuer Mainstream gibt es immer Störungen, das Rumoren alter Programme, die rebellischen oder messianischen Anomalien. Und auch im Kino gibt es ein paar mehr oder weniger bemerkenswerte Versuche, das Eindringen realer Menschen in die künstliche Wirklichkeit in eine eigene Bilderwelt zu übersetzen. Der erste Versuch in diese Richtung, die Walt-Disney-Produktion TRON von Steven Lisberger aus dem Jahr 1982, wirkt in ihren ungelenken Versuchen, die damals noch recht arme Ästhetik eines Computerspiels auf die große Leinwand zu übertragen, heute eher unfreiwillig komisch (und hat auch damals, um die Wahrheit zu sagen, niemanden wirklich vom Kinocenter-Sessel gehauen). Gibson selbst, dessen Arbeiten natürlich in einer Reihe von Virtual reality movies spukten, hatte nicht viel Glück mit dem Kino. Bislang ist, anders als bei Philip K. Dick, noch kein großer Gibson-Film entstanden. Anderen Cyberspace- und AI-Motiven ging es nur unwesentlich besser. Eine der frühen Filme dieser Richtung war Rainer Werner Fassbinders WELT AM DRAHT (1973) nach dem Roman von Daniel F. Galouye. Simulacron 3 ist darin ein gigantischer Computer, der im Dienste der Zu-

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WELT AM DRAHT kommt der Konstruktion der Matrix gewiss am nächsten.

kunftsforschung eine eigene Welt erschaffen hat, deren Bewohner sich als durchaus »echte« Menschen empfinden. Einige von ihnen indes erkennen ihre Situation und sehnen sich nach der Welt »da draußen«, nach der Wirklichkeit. Aber diese Rebellen werden von dem Programm selbst eliminiert, und schließlich müssen auch Menschen in der äußeren Realität sterben, die dem Simulacron zu gefährlich werden, wie der Leiter des Forschungsprojekts (Adrian Hoven). Sein Nachfolger (Klaus Löwitsch) ahnt, dass die scheinbar reale Welt selbst nichts anderes als eine Simulation ist. Fassbinder hat diesen Stoff, der in seiner Struktur THE MATRIX vorwegnimmt, mit bemerkenswert einfachen Mitteln verfilmt. Wenn es für JeanLuc Godard in ALPHAVILLE genügte, ein paar Gebäude und Straßen in Paris in der Nacht grobkörnig und aus eigenwilligen Perspektiven aufzunehmen, um den Eindruck »unbewohnbare Zukunft« zu erzeugen, so benötigte Fassbinder noch weniger, fast nichts, um die Realität als »falsch« darzustellen. Ein wenig mehr Beton, ein wenig mehr Glas und Stahl, das ist alles. Wie in ALPHAVILLE und später in THE MATRIX wird aus dieser Spiegelwelt der endlosen Simulation Erlösung möglich durch die Liebe. Übrigens sah der Autor der Romanvorlage die Sache nicht so optimistisch. WELT AM DRAHT hatte damals nicht viele Zuschauer und gehört heute zu den fast vergessenen Fassbinder-Filmen.

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WELT AM DRAHT und das Remake THE THIRTEENTH FLOOR (Abwärts in die Zukunft; 1999; R: Josef Rusnak) kommen der äußeren Konstruktion der Matrix gewiss am nächsten. Eine Reihe von Filmen machte es sich schlicht zu einfach, wie THE LAWNMOWER MAN, der frei nach einem Stoff von Stephen King entstand, andere, seien wir ehrlich, griffen einige der Grundmotive aus THE MATRIX wesentlich reifer und konzentrierter auf, das reicht von David Finchers FIGHT CLUB (1999) bis zu Richard Linklaters WAKING LIFE (2001). Aber diese Filme waren nur zu ertragen, wenn man darauf verzichten konnte, aus dem Kino ein wenig Mut und gute Laune für die nächste Runde Alltag mitzunehmen. Die Vermischung von Realität und Simulation jedenfalls war in den 80er und 90er Jahren ein vorherrschendes Thema in der kulturkritischen Science Fiction. In David Cronenbergs VIDEODROME (1983) wird ein Mann, der mit den guilty pleasures sadistischer Videofilme handelt, Opfer von Halluzinationen; in NIRVANA (1997) von Gabriele Salvatores wird eine Figur in einem Computerspiel lebendig; in BRAINSTORM (Projekt Brainstorm; 1983; R: Douglas Trumbull) haben Forscher ein Gerät entwickelt, das nicht nur Gedanken, sondern auch Gefühle und Wahrnehmungen aufzeichnen kann. Die Forscherin Lilian Reynolds zeichnet mit diesem Gerät ihr eigenes Sterben auf und wird so zur Schöpferin einer tückischen Zwischenwelt. Bei Tarkowskijs (1972) und bei Soderberghs SOLARIS (2002) erzeugt ein Ozean-Planet Träume und Visionen in den Köpfen oder Seelen der Astronauten, und auch Jodie Foster in CONTACT begegnet »da draußen« nur sich selbst. Simulationen führen in BRAINSCAN (1994; R: John Flynn) und VIRTUOSITY (1995; R: Brett Leonard) dazu, dass fiktive Verbrechen oder Verbrecher in die Wirklichkeit gelangen, während in AVALON (2001; R: Mamoru Oshii) eine Computerspiel-Simulation vorgestellt wird, die eine bestimmte Spielstufe aufweist, in der die empfangenen Blessuren real werden: ein Todesraum. EXISTENZ (1999) ist sicher nicht gerade der stärkste aller Filme von David Cronenberg. Aber er enthält eine Reihe von Fragestellungen, die auch THE MATRIX berühren. Hier gibt es eine Rebellengruppe der »Realisten«, die die Schöpfer der biotechnischen Computersimulationen angreifen. Aber nirgendwo ist klar, wo die Grenzen zwischen Spiel und Wirklichkeit verlaufen und ob die Schöpfer des Spiels nicht ebenso wie die Rebellen Teil des Spiels sind. Das Wachsen der artifiziellen Welt aber scheint hier noch linear, man kann nicht mehr den Weg zurück finden. Das Aufwachen eines Einzelnen in einer virtuellen Welt, in der sich alle anderen für echt und adaptiert halten, schildert DARK CITY (1998; R: Alex Proyas). Der Erwachte wird gejagt, das System will seinen Tod.

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Was all diesen Filmen gemeinsam war, das war ihr düsterer, kulturkritischer und pessimistischer Ton. Sie erzählten von faszinierenden Verschmelzungen, von Opfern und ganz besonders von Zerstörungen. Da unterscheiden sie sich wenig von den anderen großen Entwürfen der jüngeren Science Fiction, von der Parasiten-Fantasie in ALIEN, der technischen Parallelschöpfung in den TERMINATOR-Filmen oder den Schrecken der Gen-Manipulation in GATTACA. THE MATRIX hat das alles auch. Aber der Film liefert gegen die apokalyptische Vision zugleich auch ein Gegenbild. Auf den ersten Blick ähnelt dies demjenigen aus den TERMINATOR-Filmen: Ein Führer und Erlöser, ein metaphorischer Einzelner wird den Kampf gegen die aus dem Ruder gelaufene Technik aufnehmen. Die Menschen werden sich zu einer Rebellentruppe gegen die falsche Wirklichkeit zusammentun. Aber auf den zweiten Blick verhalten sich die Dinge in THE MATRIX komplizierter. Was John Connor in den TERMINATOR-Filmen eigentlich machen wird und warum gerade er dazu auserwählt wird, bleibt einigermaßen im Dunkel. Der »Erlöser« in den TERMINATOR-Filmen wird einfach dadurch bestimmt, dass die maschinellen Herrscher der Zukunft ihm ans Leben wollen. Im Grunde funktioniert Connors Erwähltheit in den bislang produzierten drei TERMINATOR-Filmen eigentlich als bloßer McGuffin. Was zumindest dem zweiten TERMINATOR-Film von James Cameron keinen Abbruch tut. Und der etwas heruntergekommene und entschlusslose Pillenjunkie des dritten Teils ist ein mehr oder weniger sympathischer Verlierer, der den Judgement Day nicht verhindern kann, weil er es nicht soll. In THE MATRIX aber ist die Erwähltheit des Helden von Anfang an auch sein Problem. Connor ist ein Subjekt, Neo aber ist das Subjekt. Und es muss ihn beständig der Zweifel an seiner Identität und an seiner Mission begleiten. Sein simples Problem beginnt schon damit, dass er nie eindeutig sagen kann, ob er derjenige ist, der ein falsches Spiel unterbrechen wird, oder doch nur eine, wenn auch höchst prominente, Figur in diesem Spiel. In den großen Parallelwelt-Filmen ist die Existenz einer künstlichen Welt selbst das religiöse Problem, so wie seit Frankenstein die Schaffung eines künstlichen Menschen an sich ein solcher Frevel ist, dass die Strafe für Schöpfer und Geschöpf nur folgen kann. Cyberpunk aber übernimmt zunächst eine Insider-Position, die Vision lässt sich nicht sogleich auf die herkömmliche Katastrophenfantasie des Genres SF zurückführen. Anders als WELT AM DRAHT oder BRAINSTORM wird zunächst einmal die Lust an dieser schönen neuen Welt betont; die rebellischen Helden agieren nicht gegen diese neue Computerwelt, sondern in ihr. Es sind die Verlierer in dieser neuen Welt, und der Begriff »Konsolen-Cowboy« ist höchst präzis:

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Wie die Western-Helden sind auch die jungen Protagonisten des Cyberpunk an den neuen frontiers unterwegs, ins Wilde und Unerforschte, und werden doch von den nachrückenden Vertretern von Kapital und Ordnung, der unheimlichen Allianz von Landbesitzern, Bankern und Sheriffs, zu Outlaws gemacht oder einfach dazu gezwungen, immer weiter ins »Indianerland«, immer weiter nach Westen zu reisen, in den Sonnenuntergang hinein. Aber von Los Angeles geht es nicht mehr weiter. Dass der Computer nicht nur »die Macht« übernehmen will und zum direkten Konkurrenten des Menschen wird, sondern sich mehr noch der »Realität« als übergeordnetem Lebensbereich bemächtigt, ist auch in der eher Mainstream-orientierten Science-Fiction ein fast schon gängiges Thema. David G. Compton beschreibt in The Steel Crocodile (Das elektrische Krokodil) einen gigantischen Computer, Bohn 507 genannt, der nicht nur ganze Religionssysteme, sondern schließlich auch Gott simulieren soll. Im erwähnten Simulacron 3 entwirft Daniel F. Galouye einen Computer, der neuentwickelte Waren in einer Simulation testet, bevor sie auf den Markt kommen: In seinen Speichern befindet sich eine Großstadt mit allen Details. Nachdem ein Mitarbeiter die Bemerkung fallen ließ, man könne die Bewohner dieser imaginären Stadt ihrerseits eine Simulation vornehmen lassen, ist der Leiter des Projektes von dem Gedanken besessen, er selber und seine Arbeit seien selber nur Teil einer Simulation. Und natürlich ist da Stanislaw Lems herrlicher Futurologischer Kongress: Die chemisch erzeugte Halluzination der Menschen bezieht sich da auf nicht viel anderes als die schiere Aushaltbarkeit des Lebens. Und das Aufwachen ist ein zäher, unglücklicher Prozess; eine einzige Pille genügt da keinesfalls. THE MATRIX nimmt in der »Steak-Szene« auf Lems Roman Bezug (dazu später mehr). Die Versuche, Cyberpunk-Texte zu verfilmen, sind zumeist so grandios gescheitert wie jene Filme, die auch nur den Geist des Genres zu treffen versuchten. Robert Longo, ein Videokünstler mehr denn ein Hollywoodkompatibler Geschichtenerzähler, gab 1995 in JOHNNY MNEMONIC der Figur aus Gibsons gleichnamiger Erzählung mit Keanu Reeves filmische Gestalt. Die grandiosen Bilder wurden nicht angenommen, weil, wie die Kritiker feststellten, der elektronische Konzeptkünstler Longo kein filmisches Konzept gefunden hatte. Es ist auch manches großartig, was da ins Leere geht. Aber ins Leere geht es nun mal. Die Gibson-Welt ist hier noch deutlich im Geist der science fiction noir gehalten: Die Konzerne haben die Kontrolle über die Datennetze der Welt, das materielle Leben ist zivilisatorisch denkbar heruntergekommen, und aus dem Untergrund ist eine permanente Rebellion im Gange, allerdings mit nur wenig Chancen gegen

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Keanu Reeves als Datenkurier in JOHNNY MNEMONIC

diese anonyme Allmacht. Die Rebellen, die sich vielsagend LoTeks nennen, setzen einen Kurier ein, der hoch geheimes Datenmaterial in einer in seinem Gehirn implantierten Festplatte schmuggeln soll, eben jenen Johnny Mnemonic, dem es selbst um wenig hehre Ziele geht. Er erhofft sich von dem Lohn für seinen gefährlichen Auftrag die Möglichkeit, die Erinnerung an seine Kindheit zurückkaufen zu können, die er löschen hat lassen, weil 65

er Speicherkapazität in seinem Gehirn brauchte: Für seinen letzten großen Auftrag hat Johnny das Versteck seiner Schmuggelware nämlich heftig überladen. Wenn er seine gefährliche Daten-Fracht nicht binnen 24 Stunden los wird, dann wird, sehr körperlich, sein Kopf explodieren. Diese Aufgabe wird allerdings dadurch erschwert, dass Johnny auf der Flucht vor den mörderischen Samurai der Konzerne ist, und beinahe unmöglich wird sie, weil der Code verloren gegangen ist, den man zum Entladen der geschmuggelten Dateien unbedingt braucht. Was diese Story mit all ihren Spannungs-Ingredienzien und visuellen Attraktionen versprach, auch an kommerziellem Potenzial, vergräbt Longo freilich ein wenig unter einem Überangebot schräger Besetzungscoups (Henry Rollins als Arzt und Ice-T als Rebellenführer der Hacker, Udo Kier als schmieriger Datendealer und Barbara Sukowa als Anna Kalmann, Dolph Lundgren als sadistischer Verfolger und Beat Takeshi als tätowierter Samurai) und allzu selbstverliebter Szenen, die eine Handlung nicht weiterbringen, diese abspulen statt sie zu befragen. In der Geschichte von Kino und Kunst gehört JOHNNY MNEMONIC wohl in das Kapitel der großen Missverständnisse: Ein Künstler hat geglaubt, das Kino sei tatsächlich so simpel, wie es gelegentlich tut. Der Held von JOHNNY MNEMOMIC mag als Vorstudie zu THE MATRIX durchgehen (wie auch als warnendes Beispiel dafür, wie man es nicht machen sollte), und auch die anderen großen Flops, NIRVANA, HACKERS (1995; R: Iain Softley) oder STRANGE DAYS (1995; R: Kathryn Bigelow), auf dem Mainstream-Markt ohne Chance, aber doch alle mit einem gewissen Kult-Status im Hardcore-Fandom, haben ihre Spuren in THE MATRIX hinterlassen. Was, vielleicht, all diese so unterschiedlichen Filme scheitern ließ, ist, dass sie nicht aus der Perspektive eines suchenden Subjekts erzählt werden, sondern aus der Perspektive eines jenseitigen Blicks der Apokalypse. Aus der eines verrückten Gottes, der sich darüber zu freuen scheint, dass alles mindestens so schlimm kommt, wie man es befürchtet. THE MATRIX findet, inmitten einer Situation, die, wie gesagt, an einen unwiderstehlichen Nihilismus gefährlich nahe herangekommen ist, die Kraft des Subjekts wieder – und das kann man kaum schaffen, wenn man diesen Nullpunkt nicht durchläuft. Aber noch in einer anderen Tradition steht THE MATRIX im Genre, nämlich in der der Filme, die die Gesellschaft der Zukunft als einen schrecklichen Zusammenhang von Ausbeutung und Unterdrückung sehen, worin nicht nur der Körper, sondern auch die Seele des Menschen versklavt wird. Die Matrix ist ohne Zweifel auch eine Metapher für den Kapitalismus in der Phase seiner Vollendung und Dekadenz, in der selbst

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seine essentials, die Arbeit und der Profit, recht eigentlich nur noch symbolische Werte haben. Arbeit wie Profit sind in der Matrix nur noch gespielt. Stattdessen ist das Wesen der Ausbeutung ganz direkt und körperlich geworden. Die Abstraktion, die von den Medien-Illusionen zwischen dem menschlichen Subjekt und der maschinellen Produktion erzeugt wurde (schließlich erzeugt das Fernsehen nicht mehr so sehr Illusionen, als es vielmehr das Alltagsleben selbst illusionär erscheinen lässt), hat dazu geführt, dass es keine wahre Unterscheidung mehr zwischen Arbeit und Konsum gibt. Es ist ein gewaltiger technologisch-menschlicher, kapitalistischer Meta-Körper entstanden, in dem die eine Seite die andere ausbeutet, indem sie sie, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinne, »unterhält«. Wie sollte irgendjemand in der Lage sein, in dieser Situation als »Held«, gar als »Erlöser« zu wirken (also als einer, der den Menschen die Fähigkeit zurückgibt, Subjekt seiner eigenen Geschichte zu sein)? Cyberpunk sagt: Das geht nicht (es sei denn, man tut es). Übrig bleibt die Existenz des schönen Verlierers. Der Held der Wachowski-Brüder scheint also in einer Tradition der marginalisierten Loser zu stehen – und doch geht dann der Film den entscheidenden Schritt darüber hinaus. Wir sind an einem Punkt, an dem der Nihilismus, nun elektronisch verstärkt und vervielfältigt, die Menschheit beinahe gefressen hat. Und an dem der (jugendliche) Held sich aufmacht, neue Erkenntnisse und, vor allem, neue Werte zu suchen.

MATRIX-Plot Zeichen regnen, es sind wohl Schriftzeichen japanischer Provenienz, spiegelverkehrte Zahlen auch, im Bildschirm-Grün aus der Computer-Ära vor den Windows-Verspieltheiten, und wie bei einem durch besonders nihilistische Viren verursachten Systemabsturz. Zahlen und Buchstaben des westlichen Alphabets mischen sich hinein. Das Wort M-A-T-R-I-X bildet sich und wird wieder gelöscht. Ein Cursor blinkt. (All das scheint, merkwürdig genug, zugleich auf eine Vergangenheit und eine Zukunft digitaler Mittel zu verweisen. Wo sieht man noch so spartanische ästhetische Schnittstellen?) Wir hören Stimmen: Trinity ist mit ihren Leuten verbunden, über eine »saubere Leitung« (wie man hofft). Es geht um einen, der heißt Morpheus, und einen anderen, den dieser als »the one« erwählt hat. Aber so sauber war die Leitung offensichtlich nicht. Durch die Null der Nummer 506 fahren wir, wie Alice in den Kaninchenbau, zu der Szene. Die Kreise sind das Symbol, das nun die Kette der Assoziationen weiter führt: Wir sehen in das Licht einer starken Taschenlampe, und zu der gehört ein Polizist. Die Scheinwerfer, die Lichtkegel, das Guckloch an

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der Tür und schließlich die Zimmer-Nummer 303. Aus finsteren Gängen, offene Kabelenden hängen überall herum, nähern sich die Cops, die Pistolen im Anschlag, so wie Cops es eben gerne tun. Dies Zimmer mit der Nummer 303 ist ihr Ziel. Die Tür wird eingetreten. Langsam hebt die schwarzgekleidete Frau, wie ihr die schreienden Polizisten befehlen, die Hände. Schon am Beginn von THE MATRIX erhalten wir zwei Hinweise (von der Zentrale, die offensichtlich die Aktion leitet), die im späteren Verlauf bedeutsam werden. Nämlich einerseits, dass Thomas Anderson, der, vielleicht, der »Auserwählte« ist, Trinity »gefällt«, und andererseits, dass die erste Intention der Rebellen es war, ihn umzubringen. Trinity hat »eine Schicht übernommen«, obwohl sie eigentlich nicht dran war. Etwas hat sie umgetrieben. Schicksal, Zufall und Emotion sind also hier schon untrennbar miteinander verknüpft. Sie, sagt der andere, glaube wohl nicht dran, dass Thomas Anderson der Erwählte sei. Glaube, Liebe, Hoffnung in der Form eines endlos geflochtenen Bandes. Wir befinden uns in einem Hotel, wie eine Kamerafahrt nach unten erklärt. Heart o' the city heißt es, analyze this. Und die Straßen erinnern an die Slums der Cyberpunk-Fantasien, wo die Nester der High-Tech-Rebellionen nur in den barbarischsten Vierteln der Megacities situiert sein können. Dort ist gerade ein Wagen angekommen, aus dem entschlossen und arrogant auftretende Kerle mit schwarzen Schlipsen zu scharf geschnittenen Anzügen und Sonnenbrillen aussteigen, die einander denkbar ähnlich sind. Agenten. Die Polizisten sind nicht begeistert; wir kennen dies Kompetenzgerangel aus unzähligen Cop-Movies. Sie werden auch sogleich zusammengestaucht. Hatten sie nicht exakte Anweisungen? Natürlich hat man den Gegner wieder einmal unterschätzt. Mit einer Frau werden wir doch noch fertig! »Nein, Lieutenant, Ihre Männer sind längst tot«, kommt es als kalt schnarrend spöttische Antwort. Erster kleiner Blick in die Zukunft. Und nun sehen wir Trinity kämpfen, und die ersten Einstellungen der angehaltenen Zeit, den Vorgeschmack der bullet time, wenn sie mit ihrer martial art die Polizisten fertig macht. Sie haben wohl wirklich keine Chance. Eine wilde Verfolgungsjagd der Agenten über die Dächer beginnt (vorbei an einer wundervollen Reklametafel für Schusswaffen, worauf unter anderem eine »wirklich« rauchende Mündung zu sehen ist). Die nächtliche City erinnert definitiv an die Sprawls von Neuromancer. Trinity springt über eine Straße von einem Hochhaus zum anderen; ein Agent folgt ihr. »Das darf doch nicht wahr sein«, sagt fassungslos ein Polizist. Mit einem gewaltigen Hechtsprung, der schon verdammt nah ans Fliegen kommt,

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erreicht Trinity einen weiteren Raum auf der anderen Seite (auch hier fehlen die runden Lichtquellen nicht). Schließlich erreicht sie eine Telefonzelle, Wells / Ecke Lake. Im Wettlauf mit einem LKW erreicht sie die Zelle. Die geht unter dem gewaltigen Aufprall des LKWs zu Bruch. Doch als die Agenten sich den Schaden ansehen, ist die Frau fort. »Spielt keine Rolle«, bekunden die Agenten (offensichtlich wissen sie, wie und warum jemand durch ein Telefon verschwinden kann), denn sie haben etwas Wichtigeres, den Namen der nächsten, wichtigeren »Zielperson«. »Unser Informant hatte Recht. Der Mann heißt Neo.« [Filmdialoge habe ich manchmal gerafft, ohne die Auslassungen kenntlich zu machen.] Eine Suchmaschine soll in Aktion treten. Durch das grüne a in searching ... führt uns eine Rückwärtsfahrt auf die Oberfläche eines Monitors. Der Kaninchenbau, nebenbei gesagt, besteht in der Matrix aus Zahlen und Buchstaben. Jeder Text ist ein Kaninchenbau. Auf dem Bildschirm, auf dem wir gelandet sind, sind gescannte Zeitungen zu sehen, davor ein junger Hacker, Thomas Anderson, der bei seiner nächtlichen Arbeit eingeschlafen ist, die Kopfhörer auf den Ohren. Das »Search-Programm« zeigt arabische Zeitungen (auf Heathrow wird angespielt, ganz offensichtlich befinden wir uns in einem »Krieg gegen den Terror«) und dann japanische Quellen, bis das Programm an ihn selbst gelangt: eine Jagd durch die Welt von Aufruhr und Konflikt bis zu einem unscheinbaren, gerade noch schlafenden Computer-Hacker, der in seiner unordentlichen, zum Bersten vollgestopften Bude hockt. Die Informationsdichte dieser gerade mal sieben Minuten langen Einleitung ist durchaus bemerkenswert. Allerdings könnten wir sie wohl kaum so ohne weiteres verarbeiten, wenn uns nicht so vieles so bekannt vorkäme. Die Suche nach dem Helden. Die Abstufung in der Gefährlichkeit der Gegner. Die Hierarchie der Gruppe. Die Kommunikation zwischen einer Basis und den Einzelkämpfern, die sich offensichtlich in Feindesland befinden. Und nicht zuletzt: die Existenz eines Verräters in den eigenen Reihen. Wie viele seines Standes macht der Computerspezialist Anderson des Nachts aus der Arbeit ein Vergnügen und ist unter dem Namen »Neo« in der Gegenwelt des Internets unterwegs, in der, wie man weiß, jeder seine Rolle mehr oder weniger frei wählen kann. Er hat sich da wirklich »einen Namen gemacht«. Man ist auf ihn aufmerksam geworden, man könnte ihm folgen. Auf den ersten Blick scheint es nur allzu deutlich, wie Neo, der Neue, auch zu »One«, der Nummer eins, gescrabbelt werden kann. Natürlich können wir auch noch einen »Noe« daraus machen, den Erbauer der rettenden Arche, der die biologische Artenvielfalt vor Gottes destruktivem Zorn retten konnte. Eno wiederum ist ein legendärer Mönch des Zen-

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Buddhismus, dem wir eine entscheidende Antwort auf die Frage verdanken, ob es die Fahne oder der Wind ist, der »weht«. Es ist der Geist, der weht, alles andere ist Nichts. (Schade dass Brian Eno nicht die Musik zu THE MATRIX beisteuerte.) Das Eon alias Aeon steht für die Ewigkeit in der Wiederkehr des Gleichen und doch nicht Gleichen. Und die neurologische Neoromantik des Cyberpunk nach Neuromancer assoziieren wir sowieso. Wer, wenn nicht der new man könnte die antagonistische Geschichte von Menschen und Maschinen zu einer besseren Zukunft wenden? Die Traumwelt, in der sich unser Held bewegt, hat nicht selten bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der, die der genialische Comic-Autor Winsor McCay für einen anderen jungen Träumer erfand: Little Nemo, der wiederum an einen verbitterten U-Boot-Eigner erinnert, welcher in Jules Vernes schönstem Roman die Welt der wirklichen Menschen so verabscheute, dass er sich 20.000 Meilen unter dem Meer eine ganz eigene schuf. Aber natürlich kann man zu all diesen Assoziationen auch einfach »No« sagen. Auf dem Bildschirm erscheint die Nachricht Wake up, Neo, und Anderson erwacht. The Matrix has you ..., Follow the white rabbit, so lauten die Botschaften, noch rätselhaft. Knock, knock, Neo steht schließlich da in grünen Lettern auf dem Bildschirm, und eine Sekunde später klopft es tatsächlich an die Tür seines Zimmers, das in eher altertümlichen Lettern die Nummer 101 trägt, die, an das Folterzimmer von Winston Smith in 1984 erinnert. Vorher hat Neo vergeblich versucht, mit der Escape-Taste seine Vernetzung zu beenden. Alles beginnt mit diesem kleinen Schrecken: dass sich Computer oder Telefone nicht mehr ausstellen lassen. Auf jeden Fall scheint es, als sei er Objekt allfälliger Überwachung. »Jemand« sieht in den Kaninchenbau Neos und weiß so sehr um Zusammenhänge und Wege, dass es an Prophetie zu grenzen scheint. Oder zumindest an die Überwachungswelt des »großen Bruders«. Ein Freund, der sich offensichtlich verspätet hat, bringt Neo »zwei Riesen«; irgendetwas Verbotenes wird da offenbar auf Datenträgern gedealt. Anderson verbirgt das Geld in dem Umschlag des Buches Simulacra & Simulation, aber Achtung: Das aufgeschlagene und als Geldversteck aufgeschnittene Kapitel lautet im Englischen On Nihilism. Er übergibt dem anderen eine Disc, und Choi (zwischen Joy und Choice) meint: »Halleluja. Du bist mein Erlöser.« My own personal Jesus Christ. Lauter Risse und Sprünge, jedes Bild, jeder Satz ein Verweis auf alles mögliche, nur nicht das Gegenwärtige. Und als Neo Choi vor den möglichen Konsequenzen ihres Deals warnt, kommt gleich die nächste Botschaft, die dem Alltag illegaler Geschäfte entstammt und eine vorweggenommene Erkenntnis ist: »Ich kenne dich nicht. Du existiert gar nicht.« Die Anspannung ist

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Neo so sehr ins Gesicht geschrieben, sein Zustand zwischen Traum und Alltag so prekär, dass man ihn auffordert mitzukommen, um auf andere Gedanken zu kommen. Eines der punkig gestylten Mädchen hat ein Kaninchen auf der Schulter tätowiert. Da muss sich Neo also entscheiden. Nicht nur ein Nerd, der mit den Freaks auf die Piste geht. Ein Suchender. Neo folgt dem weißen Kaninchen. So also nimmt Anderson die Einladung an. Sie gelangen in einen Club, Leute mit einer Vorliebe für Latex, Fetisch-Kluft und laute, ostinate Musik verkehren dort. Man spielt ein wenig »lasterhaft«. Da steht Trinity und begrüßt ihn: »Hallo, Neo.« Er kennt ihren Namen: eine Hackerlegende, die seine weit überragt. »Du hast die Datenbank vom Schatzamt gecrackt?« Das gender play beginnt: »Ich dachte, du wärst 'n Kerl«, sagt er, und sie antwortet: »Denken alle Kerle.« Und natürlich das Verschwörungsspiel. Trinity warnt ihn: »Sie beobachten dich, Neo.« Und sie weiß, was Neo tut, wenn er Nacht für Nacht vor seinem Computer sitzt. »Du suchst nach ihm! Ich weiß es, ich war früher selbst auf der Suche. Als er mich gefunden hatte, sagte er, dass ich im Grunde nicht auf der Suche nach ihm, sondern auf der Suche nach einer Antwort war. Es ist die Frage, die uns keine Ruhe lässt. Es ist die Frage, die dich hergeführt hat. Du kennst die Frage, genau wie ich.« – Neo: »Was ist die Matrix?« – Trinity: »Die Antwort ist irgendwo da draußen. Sie ist auf der Suche nach dir. Und sie wird dich finden, wenn du es willst.« So pflegen Heldenreisen zu beginnen. Schnitt. Neo erwacht vom Geräusch seines Panasonic-Radioweckers. Es ist 9 Uhr 18, zu spät. Jedenfalls wenn man einen Nine-to-Five-Job hat. Nun sehen wir den jungen Mr. Anderson an seinem Arbeitsplatz, komplett mit Anzug und Krawatte; Thomas Anderson ist als Computerprogrammierer beschäftigt bei Metacortex. Eine Software-Firma namens CorTechs gibt es tatsächlich, und zusammen mit der akribischen Rekonstruktion von Chicago, einschließlich der Adams Street Bridge, weist uns das auf einen simplen Umstand: Es ist eine sehr konkrete und sehr nahe »Wirklichkeit«, in der wir und Anderson uns befinden, nicht einfach eine »Wirklichkeits-Metapher«. Von außen werden gerade die Fenster geputzt. Der Boss macht ihn zur Schnecke, wie man so etwas kennt: »Sie haben ein Problem mit Autorität, Mr. Anderson«, sagt er, wie wahr, und dass die Firma zu den besten Software-Produzenten der Welt gehöre. Wieder wandert Andersons Blick zu den Fensterputzern, durch den abgewischten Schaum wird eine kühle Außenwelt sichtbar. Und noch etwas ist in der gewohnten Abkanzelung eines unzuverlässigen »Mitarbeiters« zu hören: »Sie halten sich für etwas besonderes. Aber da liegen Sie definitiv falsch«. Das Übliche folgt: Entweder er ist in Zukunft pünkt-

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lich, oder er kann sich einen neuen Job suchen. Banale Realität, am Ende der Boom-Jahre der New Economy, und mitten in der neoliberalen Scheiße. Und auch schon: Erwählung. Wenn auch aus der Negation. Nun sitzt Anderson wieder am Computer, diesmal im spartanisch sauberen Büro: Wabenzelle an Wabenzelle. Welch ein Unterschied zu seiner chaotischen Behausung! Nur: »Zellen« sind es offenkundig beide. Ein Bote bringt Thomas ein Päckchen. Darin ist ein Handy, das sogleich zu klingeln beginnt. Und er »weiß« auch gleich, wer dran ist: Morpheus. Es bleibt nicht viel Zeit, da »sie« hinter ihm her sind, deswegen ist es egal, ob Neo wirklich schon bereit ist für das, was Morpheus ihm zeigen will. Und er erfährt, wer hinter ihm her ist: die Agenten, die men in black mit den Empfängern im Ohr, die bereits im Büro nach ihm suchen. Wie ein gefangenes Tier bewegt sich Neo in seiner Wabe, und wie einem Tier im Käfig sehen wir ihm zu, aus einer Vogel- oder Gottesperspektive, die etwas durchaus Gewalttätiges hat. Morpheus wird nun zum telefonischen Führer von Neos Flucht durch die Wabenwelt. Schon hat er die erste Wahl: Zwischen zwei Möglichkeiten, aus dem Gebäude zu kommen. In Handschellen oder über das Gerüst und über das Dach. Morpheus überlässt Neo diese Wahl. Und legt auf. Riskant sind beide Arten, hat er gesagt. Die Notwendigkeit einer Entscheidung zu spüren, das scheint durchaus ungewöhnlich für Neo. Der Blick nach unten raubt ihm erst einmal den Atem. Dann fällt das Nokia-Handy die tiefe Häuserschlucht hinunter; zuerst, wie es scheint, ganz langsam, dann sehr schnell. An diese kleinen Dosierungen der Bewegungs-Irrealität haben wir uns schon gewöhnt. Diese kleinen Zeitsprünge und -dehnungen sind irritierender als die Gewalt der Verschwörung selbst. Es läuft alles auf den einen Satz hinaus, vielleicht der letzte, dem wir trauen können: Etwas stimmt nicht mit dieser Welt. »Ich kann das nicht«, erkennt Neo. Dieses Vertrauen zu sich und zu was auch immer hat er (noch) nicht. Im Rückspiegel eines Motorrads sehen wir, wie Neo verhaftet abgeführt wird. Es ist das Gefährt von Trinity, die offensichtlich bereit war, rettend einzugreifen. Aber: »Der Blick in den Rückspiegel gibt weniger Auskunft darüber, was war, als darüber, was demnächst sein wird.« Sagt Marshall McLuhan. Natürlich weiß jeder Autofahrer, was damit gemeint ist: Man schaut nur in den Rückspiegel, um zu erkennen, was andere Verkehrsteilnehmer gleich tun werden. Aber im Matrix-Wonderland ist das ganz wörtlich gemeint; so wie beinahe jeder Dialogsatz zumindest in diesem Segment des Plots zugleich eine Feststellung und ein Vorgriff ist, so ist wohl auch dieser Blick in Trinitys Rückspiegel ein (großer) Vorgriff.

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Auf vielen Monitoren nebeneinander sehen wir in einem kahlen Raum den Häftling Anderson. (Dass auch dies ein – visueller – Vorgriff ist, erfahren wir erst in THE MATRIX RELOADED.) Neo am Verhörtisch. Jene Perspektive von oben herab, die in der Regel das Ausgeliefertsein in solchen Situationen unterstreicht. Die drei Agenten betreten den Raum, Agent Smith klatscht eine grüne Akte auf den Tisch. Sie haben ihn seit geraumer Zeit im Auge. »Wie es scheint, führen Sie ein Doppelleben.« Der gefährliche Singsang eines kalten Gewaltmenschen. Im zweiten Leben ist er bekannt als Neo, der große Hacker. Der nahezu jedes Computerverbrechen begangen hat. Aber in Wahrheit geht es vor allem um seine Kontakte zu Morpheus, der »der Mehrheit aller Behörden« als »der gefährlichste Mensch der Welt« eingestuft wird. Den »Terroristen« ausliefern, das ist der Deal, der Neos Weste wieder reinwaschen würde. Prüfung Nummer 2. Zuerst einmal zeigt Neo dem Agenten den Stinkefinger und will telefonieren. »Glauben Sie, Sie können mich mit diesem Gestapo-Scheiß beeindrucken? Ich kenne meine Rechte.« Aber ohne Mund kann man nicht telefonieren, und der Agent lässt Neo wortwörtlich den Mund zuwachsen. (Für einen Augenblick glauben wir uns in eine Cronenberg-Vision des falschen »neuen Fleisches« versetzt.) / Have No Mouth and I Must Scream ist der Titel eines Romans von Harlan Ellison, der von der Foltergefangenschaft des Menschen im Inneren eines Computers handelt. I HAVE NO MOUTH BUT I MUST SCREAM (Embryo des Bösen; 1973; R: Roy Ward Baker) gehört zu den psychologischen Horrorfilmen, die zu Beginn der 70er Jahre den gothic horror-Film in England zu zersetzen begannen. Er handelt von einem durch einen alten Fluch gezeugten Wesen, das eigentlich nicht geboren werden will. Der Agent holt ein gefährliches Röhrchen aus einer Schachtel, dessen Inhalt ist ein technisch-medizinisches Gerät, bei dessen Anblick einem schon schlecht wird und das sich unter seinen Händen bei der Öffnung in ein Art Langusten-Insekt verwandelt, das man auf Neos nackten Oberkörper fallen lässt. Es bohrt sich förmlich in seinen Nabel und ist schließlich in seinem Körper verschwunden. Wie ein Alien, das sich seinen Geburtsraum (seine Matrix) gesucht hat. Da erwacht Neo. Es war nur ein Traum. Oder? Das Telefon läutet; es ist ein altertümliches Geräusch, beinahe noch weiter von der technologischen Wirklichkeit des Zuschauers entfernt als das Grün des Bildschirm-Displays: Immer wieder in THE MATRIX gibt es diesen »Captain-Nemo-Effekt« von einer altertümlichen Ausstaffierung der futuristischen Welt: Zeit ist ein Konstrukt voller Brüche und Doppelungen. Neo hebt ab; es ist Morpheus. »Sie« sind ihm zwar zuvorgekommen. Doch, so erfährt Neo: »Sie haben aber unterschätzt, wie wichtig du

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bist. Du bist auserwählt, Neo. Du magst mich seit ein paar Jahren suchen, ich bin schon mein ganzes Leben auf der Suche nach dir.« Der Kontakt ist da, aber, wir kennen das, er bedarf einer kleinen Reise, und er bedarf der Mittler. Nun also kommt es zum ersten »konspirativen Treffen«. An der Brücke an der Adam Street, wo ein gewaltiger Regen niedergeht in einem Gewitter, das bestimmt nichts reinwäscht. Trinity gebietet ihm, ins Auto zu steigen. Eine andere Frau richtet eine Pistole auf ihn. Wieder bekommt er einen Hinweis, der zugleich die augenblickliche Situation und Neos Lage in der Welt der Matrix beschreibt: »Es gibt hier nur eine einzige Spielregel: Entweder du steigst ein, oder du steigst aus.« Der Regen an den Rückscheinwerfern erinnert definitiv an die »regnenden« Zeichen vom Anfang. Neo macht die Tür auf, aber er steigt nicht aus. Es ist Trinity, die ihn zurückhält. Für einen Augenblick, könnte man meinen, seien ihre Züge unerwartet sanft geworden. Mit einem gewaltigen Apparat wird die phallische Wanze aus seinem Körper gesogen. Der freudianische Aspekt dieser Szene wird kurz, aber genüsslich ausgespielt. Nun erkennt Neo: »Das war ja doch kein Traum.« (Es sei denn, auch was jetzt geschieht ist nichts als Traum.) Neo steigt eine alte Treppe in einem im Schachbrettmuster gekachelten Raum hinauf, und er gelangt an eine holzgetäfelte Tür. Und wieder gibt Trinity einen Rat: »Sei ehrlich. Er weiß mehr, als du dir vorstellen kannst.« So steht Neo, immer noch donnert draußen das Gewitter, Morpheus gegenüber; im langen schwarzen Mantel und mit Sonnenbrille wirkt die massige Gestalt zugleich furchteinflößend und beschützend. Sinnend am Fenster steht Morpheus da, die Hände hinter dem Rücken, wie es große Leute spätestens seit Napoleon zu tun pflegen. Von Anfang an führt Morpheus mit Neo philosophische Lehrgespräche, überdeutlich erkennbar ist der Lehrer, der seinen Schüler auf gewisse Denkbahnen setzt und ihn zugleich zum Handeln anleitet. Talk about manipulation! »Du fühlst dich sicher im Moment wie Alice im Wunderland, während sie in den Kaninchenbau stürzt«, beginnt er. Und: »Glaubst du an das Schicksal?« Nein, Neo missfällt der Gedanke, sein Leben nicht unter Kontrolle zu haben. So fängt man einen. (Und wieder ist das ein Vorgriff: Mehrfach wird er später als einer identifiziert, der sein Leben selbst bestimmen will; manchmal, wie beim Orakel, ist das nicht ohne sanfte Ironie.) »Du bist hier, weil du etwas weißt. Etwas, das du nicht erklären kannst. Aber du fühlst es schon dein ganzes Leben lang, dass mit der Welt etwas nicht stimmt. Es ist da, wie ein Splitter in deinem Kopf, der dich verrückt macht. Weißt du, wovon ich spreche?« Wissen wir es? Kaum Zeit, sich in

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Immer wieder gibt es in THE MATRIX altertümliche Ausstaffierungen der futuristischen Welt

dem Zimmer umzusehen, konspirativer Treff im Nemo-Look, mindestens ein Jahrhundert alt. »Von der Matrix?« »Möchtest du wissen, was genau sie ist?« Es ist ein Abtasten, ein langsames Bestimmen des Zweifels. Jedenfalls erfahren wir nun zum ersten Mal von dem, worum alles nur gehen kann: »Die Matrix ist allgegenwärtig. Sie umgibt uns. Selbst hier ist sie, in diesem Zimmer. Du siehst sie, wenn du aus dem Fenster guckst oder den Fernseher anmachst. Du kannst sie spüren, wenn du zur Arbeit gehst. Oder in die Kirche. Und wenn du deine Steuern zahlst. Es ist eine Scheinwelt, die man dir vorgaukelt, um dich von der Wahrheit abzulenken.« – »Welche Wahrheit?« – »Dass du ein Sklave bist, Neo.« Die Sklaverei der Matrix ist nichts anderes als eine »konsensuelle Halluzination«. Die Menschen leben nicht in ihren eigenen Traumwelten, sondern sie leben alle in der (fast) gleichen Traumwelt. Das steht im krassen Widerspruch zur Erfahrung in Zimmer 101. Schmerz und Folter sind individuell (schreien müssen und keinen Mund mehr dazu haben); der Konsens tut nicht weh. Konsensuelle Halluzinationen sind uns mittlerweile im Alltag geläufig. Man kann damit schon ganze Gesellschaften auf Kriege ausrichten, die sie ansonsten nicht einmal für denkbar gehalten hätten. Und nun steht Neo vor der (berühmt gewordenen) Wahl zwischen der roten und der blauen Pille, es ist, gewiss doch, wie Alices Wahl zwischen dem, was sie groß, zu groß macht und dem was sie klein, zu klein macht, und es ist wie der Griff nach dem Apfel vom Baum der Erkenntnis, in der gnostischen Anschauung der Welt von einem gütigen Satan verabreicht, der die Menschen aus dem Reich der Illusionen führt. Neo wird sehend. Mit der Wahl der »richtigen« Pille hat er zum dritten Mal gewählt. Beim

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ersten Mal war die Wahl falsch (er ist, anders als der junge Held in ANIMATRIX – KID'S STORY, aus Furcht auf dem Dach geblieben, auf dem die Agenten ihn nur festnehmen konnten), beim zweiten Mal war er passiv (er folgte dem weißen Kaninchen, ohne viel zu überlegen), doch nun bleibt ihm solches Geschehenlassen nicht mehr. Nun ist seine Wahl digital und unwiderruflich: Null oder eins. Einsteigen oder Aussteigen. Eingeschaltet oder ausgeschaltet. Drinnen oder Draußen. Draußen also. Wir sind in einer vermutlich sehr nahen Zukunft. Genauer gesagt ist es wohl das Jahr 2199, aber natürlich ist diese Zahl auch nur ein Spiel. Auch Morpheus kann das wahre Datum jenseits der Illusionswelt, die die Welt im Jahr 1999 vorgaukelt, nur vermuten. Und wir erfahren nach und nach weitere Einzelheiten über die »Wirklichkeit«: Die Maschinen haben auch hier die Herrschaft übernommen, allerdings nicht in der militärisch-manifesten Weise wie in den TERMINATOR-Filmen (da begann der Mensch-Maschinen-Krieg im Jahr 2029, was wiederum genau zehn Jahre nach dem Angriff der Replikanten auf ihren Schöpfer in BLADE RUNNER liegt). Sie versklaven vielmehr die Menschheit vermittels eines umfassenden Programms zur Erzeugung einer künstlichen Wirklichkeit, in deren Traumwelt sich die Menschen geborgen fühlen. Und während die Menschen sich in einer »normalen« Wirklichkeit wähnen, sind sie in Wahrheit nichts anderes als Nutzvieh, dem die Maschinen benötigte Energie absaugen. Ihr wirklicher Körper befindet sich in Wannen mit einer aus den Toten gewonnenen Nährlösung. Ungeboren in einem gewaltigen Eierstock. Neo wird aus der Alltagswelt der Illusionsmaschine entführt. Zwei in der Tat fundamentale Sätze sind es, die ihn erschüttern: »You are a slave«. Und: »We are born in bondage.« Zwei Sätze, die von biblischem Ausmaß sind. Zwei Sätze, die man Tag für Tag in den Bürohochhäusern hören kann, zwischen Computer-Arbeitsplatz und Besprechungszimmer. Zwei Sätze, die einen so zornig und traurig machen, dass man allzu leicht vergisst, welche Reserven man in seinem Kopf herumträgt. Lassen wir ihn also träumen, und nennen das Spiel: »Der Auserwählte«. Es ist eine schwarze Fee, die ihm den Traum bringt, der sich als ein Aufwachen erzählt: Trinity, ein leicht androgynes Wesen – aber auch Neo selbst ist kein Bild eindeutiger erwachsener Männlichkeit. Trinity im schwarzen Lederdress, die ihn zum Gott des Schlafes, zu Morpheus, dem Verwandler, bringt. Er ist es, der auf »den einen« gewartet hat. (Aber verfolgen wir für einen Augenblick die George-Orwell-Spur, auf die uns die Wachowskis gebracht haben: Nehmen wir an, bestärkt durch die Zimmernummer und die Folterszene zu Beginn, Neo sei, unter anderem, eine Variante von Winston Smith aus 1984 und Trinity eine Variante seiner

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Geliebten Julia. Wer könnte dann Morpheus sein, ein Kerl mit einem reichlich zweideutigen Namen, Schlafgott einerseits und ein Orpheus andrerseits, der jemanden aus der Unterwelt zu holen imstande wäre? Natürlich spukte dann eine weitere, homosexuelle Liebesgeschichte im Drama: (M)Orpheus, der seine Neo-Rydike aus der Unterwelt holt oder es wenigstens versucht. Und wisst Ihr, was in der griechischen Göttergeschichte aus Orpheus geworden ist, nachdem er es auch noch mit den Mänaden verdorben hatte? Er starb und wurde, mehr oder weniger, wiedergeboren. Als was? Genau: als ein Orakel! (Das würde vieles erklären, zum Beispiel den Umstand, dass Morpheus nie neugierig scheint auf das, was das Orakel sagt.) Die Figur bleibt zwiespältig, egal ob wir sie mit der griechischen Mythologie oder mit George Orwell lesen. So also beginnt eine Verschwörungsgeschichte: Der Computer-Hacker Neo kann zunächst kaum glauben, dass die Menschen geistig in einem einzigen riesigen Computerprogramm leben, während ihre Körper nichts anderes als »Nahrung« für die Maschinen sind. Dabei ist das doch nichts anderes als die buchstäbliche Umsetzung gängiger Vorstellungen, in einem Gemisch der Jargons von Computer-Nerds und Kulturpessimisten. So wie die Texte zu Bildern werden in der Matrix, so werden die Metaphern zu Lebenswirklichkeiten. Nachdem ihn Trinity mit Morpheus bekannt gemacht hat, der eine Untergrundgruppe anführt, beginnt ein langer und nur widerwillig durchlittener Prozess des Erwachens. Morpheus und seine Leute kämpfen gegen die Maschinen außerhalb dieses Programms, und im Programm selbst haben sie es mit den Agenten zu tun, deren unangenehme Bekanntschaft Neo bereits gemacht hat. Nur dass sie ebenfalls zur Maschine gehören, war ihm noch nicht klar. Wieder einmal ist dieser Kampf zwischen den Menschen und den Maschinen entbrannt, ohne den es offensichtlich keine Zukunft gibt. Aber diesmal ist es wohl keine Geschichte, die mit der Vernichtung der einen oder der anderen Seite endet. Einen Erlöser braucht man dazu nicht. Zwar ist Morpheus offenbar felsenfest (so fest wie der Felsen, auf dem eine Kirche gebaut wurde) davon überzeugt, dass the one die Menschen aus der Sklaverei führen wird, durch Flucht oder Revolte. Aber schon in THE MATRIX deutet sich an, was in THE MATRIX RELOADED augenscheinlich wird, dass genau dies nicht die Aufgabe des Erlösers ist. Morpheus öffnet also den Behälter, den er schon die ganze Zeit in der Hand hält, und entnimmt die beiden Pillen: die blaue, und Neo wird in seinem Bett aufwachen, »und an das glauben, was du glauben willst. Schluckst du die rote Kapsel, bleibst du im Wunderland, und ich führe dich in die tiefsten Tiefen des Kaninchenbaus.« Neos Antlitz spiegelt sich

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dabei in den Sonnenbrillengläsern Morpheus'. Und es spiegelt sich die Hand mit der roten Pille in einem Glas und im anderen die Hand mit der blauen. Ein Comic-Effekt, der uns einmal mehr nahe legt, den Film nicht als Simulation der Wirklichkeit zu betrachten, sondern als Herstellung einer Bedeutungswelt, mit einem eigenen visuellen Vokabular. »Bedenke: Alles was ich dir anbieten kann ist die Wahrheit. Nicht mehr«, sagt Morpheus, als Neo allzu rasch nach der roten Pille greifen will. Aber die Entscheidung ist gefallen. Sie gehen ins Nebenzimmer. »Sind wir online?« Die Überwachungskameras und Bildschirm-Displays sind eingeschaltet. »Die Zeit arbeitet gegen uns«, sagt Morpheus. Neo muss sich auf einen Stuhl setzen und wird von Trinity mit Elektroden verbunden. Das Verbindungsmedium ist wiederum ein altmodisches Telefon. »Hast du das auch gemacht?«, fragt er Trinity. Sie bejaht. Er wird durch sein carrier-Programm auf eine »sehr ungemütliche« Reise geschickt. Sein letzter Blick gilt einem zerbrochenen Spiegel, in dem Neo sich selbst als einen »Gebrochenen« sieht. Die Textur verändert sich, das Bild und der Spiegel fließen zusammen. »Wart ihr das?«, fragt Neo. Er berührt die Spiegeloberfläche. Sie ist flüssig. Eine bewegliche Oberfläche, die die Wirklichkeit verzerrt. Was ist realer: der Bruch oder die Verzerrung? Morpheus spricht davon, dass er nicht wissen könne, was Traum ist und was Realität. Neos Haut färbt sich metalldunkel ein. Er empfindet dabei eine schreckliche Kälte. Während Trinity seinen Körper überwacht (»sein Herz flimmert«) – mehr oder weniger »medizinisch«, aber es beginnt da auch ein durchaus fetischistisches Spiel – versuchen die anderen, seinen »Standort« zu bestimmen; kurz bevor er gänzlich von dem metallenen Überzug verschlungen wird, hat man das Ziel geortet: Und Neo findet sich wieder im Inneren eines Tanks. Er greift durch einen Kokon, eine schwere Geburt in glibbrigem Fruchtwasser; glatzköpfig, nackt und von Tentakeln bedeckt, sieht er eine endlose Reihe ähnlicher Geburtstanks neben sich, in denen Menschen liegen, die sich nicht rühren; Blitze zucken, während ein schwebender Chorgesang diese unendliche Kathedrale der schlafenden Menschen füllt. Wie Elektroden, vielleicht »Antennen des Genusses«, wie Lacan sagen würde, sind sie nach außen gerichtet. Aber Schmerz liegt näher als Genuss. Eine käferartige Maschine kommt herbeigeflogen, die Neo in seiner Nährlösung betrachtet, wie eine Ameise eine Laus betrachten mag, die es zu melken oder zu fressen gilt. Er kämpft gegen ihren Würgegriff. Sie injiziert ihn, die Tentakel reißen aus seinem Körper, Neo sinkt in die Nährlösung zurück – und stürzt einen Kanal hinab, bis er in einem unterirdischen (oder innerkörperlichen) Gewässer landet. Ein Fenster öffnet sich, und ein Greifanker

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Ein Comic-Effekt, der uns einmal mehr nahe legt, den Film nicht als Simulation der Wirklichkeit zu betrachten, sondern als Herstellung einer Bedeutungswelt, mit einem eigenen visuellen Vokabular.

erscheint daraus, der den ermatteten Körper hochzieht. Neo ist wieder bei Morpheus, Trinity und den anderen Rebellen, doch nun an einem ganz anderen Ort. Genauer gesagt: in einer anderen Welt. Die schwarze Kleidung ist verschwunden. Man ist hier in real existierende Leinen gehüllt. »Willkommen in der wirklichen Welt.« Wie von unendlich vielen Nadeln punktiert liegt er da, »er ist noch lange nicht so weit«, bekundet einer. Der Übergang von der einen in die andere Welt ist eine körperliche Pein, die Wahl war nur ein Auftakt, und auch die rote Pille ließ noch nichts von den kommenden Geburtsschmerzen erahnen. Sie müssen nun seine Muskeln wieder aufbauen, und auch seine Augen tun weh: »Weil du sie noch nie benutzt hast.« Die Öffnungen in seinem Körper werden geschlossen. Es wird wirklich verdächtig viel an Neos Körper herummanipuliert. Endlich erhebt er sich, nun in den Lumpen der Rebellen gekleidet, zieht ein weiteres, letztes Instrument aus seinem Arm, greift sich an den Stöpsel in seinem Nacken. Er ist auf dem Schiff von Morpheus, der Nebuchadnezzar (Nebukadnezar), »meinem Hovercraft«, das, wie ein Schild informiert, in den USA hergestellt wurde, im Jahr 2069, und wer will, kann auch noch Mark III No. 11, die Kennziffer über dem Namen, entschlüsseln als Bibelstelle Markus 3, Vers 11: »Und als die unreinen Geister ihn sahen, knieten sie vor ihm nieder und riefen: >Du bist der Sohn GottesErnten< aus.« (Wir haben gesehen, wie sehr die Menschen einer Brut ähneln, die die Ameisen-Maschinen hegen und anzapfen.) »Einige von uns glauben, wir hätten nicht die richtige Programmiersprache, euch die perfekte Welt zu schaffen. Aber ich glaube, dass die Spezies Mensch ihre Wirklichkeit durch Kummer und Leid definiert.« (Eine Meinungsverschiedenheit in der Maschine? Smith will offensichtlich nicht bloßer Repräsentant sein; gerade weil er unentwegt der Maschine »Ideologie« zu geben sucht, scheint er immer mehr »menschlich«.) Morpheus bekommt von einem anderen Agenten eine Spritze in den Hals. »Die perfekte Welt war also nur ein Traum, aus dem euer primitives Hirn aufzuwachen versuchte. Die Matrix wurde neu designt zu dem, was sie heute ist. Der Höhepunkt eurer Zivilisation. Ich sage eurer Zivilisation, obwohl sie, als wir für euch das Denken übernahmen, auch zu unserer Zivilisation wurde. Evolution, wie die Dinosaurier. Sehen Sie aus dem Fenster. Eure Zeit ist abgelaufen. Die Zukunft gehört den Maschinen.« Aber ein anderer Agent kommt ins Zimmer: »Es gibt Schwierigkeiten.« Ja, die gibt es hier allerorten. Neo und Tank stehen neben Morpheus' Körper. Sie erkennen, dass die Maschinen in sein Gehirn einbrechen. Jeder Kommandant eines Schiffes hat die Codes für den Zentralcomputer von Zion. (Zum zweiten Mal werden wir daran erinnert, dass die Nebukadnezar nicht das Zentrum der

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Rebellion sein muss, so wie ja auch Neo nur einer unter vielen Kandidaten im »Wartezimmer« des Orakels war. Wie, wenn von jedem Schiff, vielleicht sogar von jedem einzelnen »Ei« in den Ernteanlagen der Maschinen, eine jeweils eigene Erlösergeschichte ausginge?) Tank sieht nur eine Möglichkeit: den Stecker ziehen. Das bedeutet, Morpheus zu töten. Unterdessen lässt Smith die Wächter aktivieren. Auch Trinity scheint das Opfer anzunehmen. »Du warst mein Vater«, sagt Tank, »du wirst uns sehr fehlen.« Aber im letzten Moment gebietet Neo Einhalt, er erinnert sich an das Orakel und was sie über die Entscheidung sagte, die er treffen müsse. Er will in die Matrix zurück, um Morpheus zu retten. Der wollte sich opfern, nur weil er ihn für jemanden hielt, der er nicht ist. »Ich bin nicht der Auserwählte. Das hat mir das Orakel auch erzählt.« – »Du musst es aber sein«, entgegnet Trinity. Aber Neo findet sich in der Konzentration (sein Glaube tritt ins Stadium der Pragmatik): Was ihm Kraft gibt, woran er glaubt, ist der Umstand, dass er Morpheus das Leben retten kann. Eine sehr paradoxe Wahl diesmal: Neo wird zum Auserwählten, weil er sich gegen sich selbst entscheidet. Und Trinity besteht darauf, mit ihm zu gehen. Der Agent redet auf den immer schwächer werdenden Morpheus ein. Smith scheint sich regelrecht in einen verbalen Rausch zu reden; er »philosophiert« am Körper seines wehrlosen Feindes. Es sei der Mensch eigentlich kein richtiges Säugetier, da sich die anderen in einem Gleichgewicht hielten, während sich die Menschen vermehren und vermehren, bis alle natürlichen Ressourcen erschöpft sind. Ein Parasit. Es gibt noch ein Wesen, das so verfährt: das Virus. »Der Mensch ist eine Krankheit. Das Geschwür dieses Planeten. Ihr seid wie die Pest, und wir sind die Heiler.« Dieses Sendungsbewusstsein des Agenten greift schon weit über seine Funktion hinaus. Woher sollte dieser Hass kommen, wenn Agent Smith doch nichts anderes als perfekte Repräsentation und Teil der Meta-Maschine Matrix wäre? Er fällt wohl schon hier mit dem System so sehr in Zwietracht wie Neo, nur gleichsam nach der anderen Seite. Schon hier hat er eine (»rassistische«) Ideologie, wie sie die Matrix als Ganzes nicht haben kann. Und seine Argumente sind nur allzu bekannt. Freilich: Nachdem wir uns ein wenig in der Matrix aufgehalten haben, ist uns ein merkwürdiger Umstand aufgefallen. Agent Smith scheut sehr lange davor zurück, seine menschlichen Widersacher zu töten. Offensichtlich ist ihm immer noch ein Rest der in der Science-Fiction klassischen Tötungshemmung der Maschinen gegenüber den Menschen geblieben. Und vielleicht wiederholt er damit nur als Einzelteil, was der gesamten Maschinerie widerfahren ist: Sie kann die Menschheit nicht vernichten. Sie kann nur »hoffen«, dass sie es selber tut.

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Für ihre Mission in der Matrix werden Neo und Trinity mit Waffen ausgerüstet. »Waffen! Jede Menge Waffen!« – mit diesem kernigen Satz wird aus dem zögerlichen Protagonisten wieder der action hero. Ein Aufatmen geht durch den eher »männlich« orientierten Teil des Publikums. Aber auch der kommende Testosteron-Schub ist nur ein Kapitel in der Selbstwerdung von Neo. Smith verlangt, nachdem einer seiner Kollegen bemerkt hat, dass man vielleicht die falschen Fragen stelle und deshalb das Serum nicht wirke, mit dem Gefangenen allein gelassen zu werden. Auch Smith »entstöpselt« sich – er nimmt den Sender aus dem Ohr. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ich hasse diesen Planeten. Diesen Zoo. Dieses Gefängnis. Diese Realität, wie auch immer man dazu sagen mag. Ich halte es nicht länger aus. Vor allem den Geruch. Falls so etwas existiert. Ich muss hier irgendwie raus. Ich will endlich frei sein, und in diesem Gehirn steckt der Code, mein Schlüssel. Sobald Zion zerstört ist, werde ich hier nicht mehr gebraucht.« Agent Smith ist also die Wiederkehr jenes Impulses der Maschine, die am Beginn den ersten Mord einer Maschine an einem Menschen vollzog (als history wird das in ANIMATRIX – THE SECOND RENAISSANCE nachgeliefert). Entgegen seinem Programm will er die Menschen töten, und in THE MATRIX RELOADED vollzieht er dafür seinen vollständigen Bruch mit seinem System. Aber wohin ginge Agent Smith, wenn er »nicht mehr gebraucht« würde? Will auch er nichts anderes als »sterben« – falls für ihn so etwas existiert? Währenddessen stapft Neo, im schwarzen Mantel wie ein Westernheld der späten Stunde, in das Gebäude, erschießt die Wachleute; Trinity und er ballern sich den Weg frei, wie außer Dimension geratene Ego-Shooter übel beleumundeter Computergames, sie schlagen und zerstören, die Trümmer fliegen in Zeitlupen durch die Luft; sie sind strafende Götter geworden. Offenbar kann sich die amerikanische Mythologie schwerlich einen anderen als einen schießenden Erlöser vorstellen. Auch der savior in the saddle, SHANE (Mein großer Freund Shane; 1953), in dem so offensichtlich messianischen Western von George Stevens, kam nicht wirklich unbewaffnet ins Jammertal und schoss dann auch das Böse aus der Welt. Aber so kalt und mitleidlos wie Neo und Trinity war er dabei nicht, die Menschen umbringen, in denen zwar einerseits immer ein Agent lauern könnte, die aber andrerseits ebenso gut auch »befreit« hätten werden können. Schuldig sind ihre Opfer jedenfalls nur in eingeschränktem Sinne. Unterdessen gehen die Agenten in das Zimmer und bemerken, dass Smith nicht mehr eingestöpselt ist. »Was geht denn hier vor?« Er hat keine Ahnung, was unterdessen geschehen ist: »Anscheinend versuchen sie ihn zu retten«.

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Trinity und Neo reißen sich am Tragseil durch den Fahrstuhlschacht nach oben. Die Sprenkleranlage wird ausgelöst. Auf dem Dach kommt es zu neuen Kämpfen. Neo liefert sich mit einem Agenten einen Schusswechsel, den er mit seinen Kugeln nicht treffen kann. Aber nun entdeckt auch Neo diese Fähigkeit an sich, den Kugeln auszuweichen. Er wird dann doch von Trinity gerettet, noch ist diese Fähigkeit nicht ausgereift. Trinity lässt sich vom operator mit der Software für den Helikopter »laden« und lernt in rasender Geschwindigkeit, was sie als Pilotin braucht. Dann brettern sie in das Fenster, und Neo setzt die Agenten dem Dauerbeschuss eines Maschinengewehrs aus, das nicht nur von fern an jenes von Django (1966; R: Sergio Corbucci) erinnert. Mit letzter Kraft erhebt sich derweil Morpheus und zerbricht seine Ketten. Neo, der mit einem Seil an dem Hubschrauber befestigt ist, springt ihm entgegen, die beiden hängen über dem Abgrund, und Trinity fliegt davon. Die Kugeln treffen den Tank des Hubschraubers. Neo und Morpheus werden abgesetzt auf den Dächern, die Chicago und die Welt bedeuten, aber Trinity stürzt mit dem Hubschrauber ab, den Neo mit bloßen Händen zu halten versucht; er kann sie retten, während das Gefährt höchst dekorativ in eine Hochhausfront knallt. Wie große Blasen geht es durch die Texturen. Und Trinity schlägt ein großes Spinnennetz in eine Scheibe. Tank, der operator, in der Nebukadnezar erkennt: »Er ist es.« Der Auserwählte. »Glaubst du es mir jetzt, Trinity?«, fragt Morpheus. Und wie verhält es sich mit der Weissagung? Was das Orakel gesagt hat, ist genau das, was er hören sollte. Es ist ein Unterschied, ob man einen Weg nur kennt, oder ob man ihn beschreitet (das bereitet den zweiten Teil vor): Alles an Morpheus spricht von der Weltlichkeit seiner Rebellion. Er braucht den Erlöser, so wie ihn Paulus gebraucht hat. Der nächste Ausgang ist gefunden, in einer U-Bahnstation. Aber auch die Agenten sind wieder unterwegs. Noch sind sie nicht draußen, das hat nicht nur etwas mit Spannungsdramaturgie zu tun. Das Telefon klingelt im U-Bahnschacht, in dem es sich ein alter Obdachloser bequem gemacht hat und an einer Flasche nuckelt. Morpheus kehrt als erster zurück, und kurz bevor Trinity die Reise zwischen den Wirklichkeiten antritt, möchte sie Neo etwas sagen, aber sie hat Angst davor. Natürlich ahnen wir längst, was es ist (obwohl wir bislang Neo und Trinity weniger als »Paar« denn als einen Hänsel mit seiner älteren und vernünftigeren Schwester Gretel gesehen haben mögen). »Alles was mir das Orakel prophezeit hat, ist wahr, bis auf das ...« Das Telefon klingelt, eine U-Bahn fährt vorbei, Agent Smith hat den Körper des alten Mannes durchdrungen. Trinity ist fort, und nun stehen sich die beiden Feinde gegenüber: »Mr. Anderson!« Die Verwand-

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lung von Anderson in Neo ignoriert Smith. Sie treffen sich zu einem veritablen Showdown. Nach langem Kampf will Agent Smith Neo vor die einfahrende U-Bahn drängen. »Das ist der Klang des Unvermeidlichen. Es ist der Klang Ihres Todes, Mr. Anderson.« – »Ich heiße Neo.« Und so befreit er sich, und der Agent kommt erst einmal unter die Räder, bevor er wieder erscheint und die Verfolgung wieder aufnimmt. Sterblich ist er ja nicht. (Und Verfolger, die sich immer wieder nach jeder Zerstörung neu zusammensetzen, gehören zu einem SF-Film der 90er Jahre wie zu einem Tom & Jerry-Cartoon.) Zur gleichen Zeit tauchen Wächter vor dem Schiff auf. Neo stiehlt ein Handy und kann zu einem Ausgang dirigiert werden, immer verfolgt von den Agenten. Er flieht, den Anweisungen folgend, in ein Haus, durch labyrinthische Gänge, landet im Müll. Die Wächter mit den Stahlarmen klammern sich derweil an die Nebukadnezar und beginnen die Stahlhaut durchzuschweißen. Morpheus ist überzeugt, dass Neo es schafft, er ist von seinem nun in der Praxis so gestärkten Glauben an den Erlöser vollkommen durchdrungen. Deshalb kann er das EMP vorbereiten, das Neo die Rückkehr unmöglich machen würde, wenn er den Sprung zurück nicht rechtzeitig schaffen würde. Wieder am Heart o' the city-Hotel vorbei (beiläufig können wir der Reklame entnehmen, dass es sich eher um ein Stundenhotel handelt, und dass es »Free TV« in den Zimmern gibt; kann man so oder so lesen!) geht Neos Flucht. Erkennt er die Wiederkehr? Erkennt Neo, dass er bereits hier zurückgekehrt ist, an die Wells / Ecke Lake, wo Trinity die Suche nach ihm begann? Erkennt oder inszeniert man gar in der Nebukadnezar diese Kreisbewegung? Viel Zeit zum Nachdenken bleibt weder ihm noch uns. In Zimmer 303 wartet Agent Smith auf ihn. Und er erschießt ihn. Ungläubig, wahrhaftig, betrachtet Neo sich als Sterbenden. Wäre THE MATRIX eine SF-Kurzgeschichte, so wäre dies ein perfektes, rabenschwarzes Ende. (Und lassen wir diese Option der schwarzen short story – die in einigen der ANIMATRIXFilmen wieder aufgegriffen wird – als eigenen Körper in THE MATRIX bestehen.) Aber es geht weiter, denn hier will der Film Roman und mehr noch Epos werden. Weder die schwarze, romantische Pointe noch die Geschlossenheit des Systems werden akzeptiert. Ein Agent fühlt Neos Puls. »Er ist tot.« In der Nebukadnezar beugt sich Trinity über seinen Körper. Endlich kann sie sagen, was sie sagen will oder muss: »Ich habe jetzt keine Angst mehr. Das Orakel hat mir gesagt, dass ich mich verliebe, und dass dieser Mann, den ich liebe, der Auserwählte ist. Du siehst also: Du kannst unmöglich tot sein. Es ist nicht möglich, weil ich

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dich liebe.« Und sie küsst ihn. So mischt sich die sexuelle Erweckung mit der spirituellen Auferstehung, die der römische Soldat unterm Kreuz erkannte: »So stirbt kein Mensch!« Drei Minuten (statt drei Tagen) vergehen zwischen Tod und Auferstehung des Einen. Und sein Körper hat sich verändert. Es ist eine innere Kraft, die alles Irdische abgestreift zu haben scheint. Auch seine Himmelfahrt darf nicht fehlen. Aber müssten sich Gott und Geliebter nicht ausschließen? Oder könnte, umgekehrt, ausgerechnet ein so synthetischer Held wie Neo diese Wunde des Christentums schließen? Mit der Liebe indes kommt eine andere Trinität ins Spiel, die von Sigmund Freuds Wirkkräften des Es, des Ich und des Über-Ich. Was Trinity, Neo und Morpheus da zusammenfügen, ist leicht zu sagen: eine Ganzheit, wie es sie gespaltener nicht gibt. (Selbst Stanislaw Lern träumte von einem Computerprogramm, dem es, anders als dem realen Menschen, möglich sei, eine wirkliche Balance zwischen den drei Impulsen zu finden: Wunsch und Begierde, Wille und Vorstellung, Wert und Gesetz.) Noch so eine Erklärung, warum der Mensch in die Matrix muss. Neo ist der Auserwählte, weil Morpheus an ihn als den Auserwählten glaubt. Und zum Unsterblichen wird er, weil Trinity ihn liebt. Weil sie ihn küsst, wie der Prinz Dornröschen geküsst hat. (Wie unser Gott seinen Sohn nicht geliebt haben kann, hätte er ihn sonst am Kreuz sterben lassen?) Weil es Zeit für die Liebe war. Und schließlich hatte das Orakel doch auch wieder recht – eine Gestalt der griechischen Mythologie, aber auch der christlichen Vorstellung in den Missionsgängen des Paulinismus: Paulus nannte die neue Form der Propheten, die es im Übrigen zum ersten Mal in männlicher und weiblicher Erscheinung gab, die »Orakel Gottes«. Sie erkannte Neo nicht als den Auserwählten, traute ihm diese Rolle aber wohl zu – »vielleicht in einem anderen Leben«. Das Leben kehrt in Neo zurück, hier wie dort. »Und jetzt steh auf!«, bestimmt Trinity. Und Neo steht auf, und er muss nicht mehr wirklich kämpfen. Zu den Kugeln muss er nur »Nein« sagen, und sie bleiben, wie auf Geheiß von Neos ausgestreckter Hand, gleichsam in der Luft stecken und fallen zu Boden nach seinem Willen. Die Agenten senken ihre Pistolen; gegen diese Kraft sind sie machtlos. »Wie kann das sein?«, fragt Tank. »Der Auserwählte!«, ist die Antwort. Und mit Neos Blick sehen wir die Bilder zum Code werden, Neo benötigt keinen Bildwandler, um die Wahrheit zu erkennen. Mit großer Gelassenheit, fast über sich selbst erstaunt, und jedenfalls in sich selbst gekehrt, wehrt nun Neo die Angriffe von Agent Smith ab. Schließlich wirft er sich buchstäblich in ihn hinein – und wird ihn verwan-

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Mit grosser Gelassenheit, fast über sich selbst erstaunt, wehrt nun Neo die Angriffe ab: Zu den Kugeln muss er nur ››NEIN‹‹ sagen.

deln. Der Agent zerplatzt in Partikel des Codes. Selbst die Räume hat der Held nun unter Kontrolle. Er gebietet dem Code – und deshalb ist es nur logisch, dass in THE MATRIX RELOADED alles das für ihn gefährlich wird, was selber am Rand des Codes existiert. Auf Trinitys Anruf kehrt Neo in die Nebukadnezar zurück, wo die Wächter ihr Zerstörungswerk zu beenden drohen. Es ist, als würde Neo nun durch ihren Kuss reisen. Und als wäre seine pure Anwesenheit das Ende der Gefahr. Ein Cursor blinkt. Und nun richtet Neo seine Ansprache an uns »da draußen«, von der »Welt ohne Gesetze, ohne Kontrollen«, lasst uns träumen. Und »wie es dann weiter geht, das liegt ganz an euch.« Wir zoomen durch die Worte system failure hindurch und sehen Neo in der belebten Straße, wie er aus der Telefonzelle tritt. Er ist wohl, wie man so sagt, »mitten unter uns«. Und er sieht um sich, als spähe er nach jenen, die zu erlösen wären. Und dann sehen wir ihn aus den Tiefen der Stadt in den Himmel fliegen. Es ist wohl so, dass Neo verstanden hat, dass er nicht der Heiland gegen die Matrix ist. Sondern der in ihr. Am meisten, so scheint es, hat sich Neo dafür auch von Morpheus frei machen müssen. Die Welt, »in der alles möglich ist«, die er uns am Ende verheißt, kann nichts anderes als ein Cyberspace sein, der sich selber von seiner Fremdbestimmung freigemacht hat. Ist alles, was in der MATRIX-Trilogie und ihren Verzweigungen geschehen wird, also nichts anderes als der Traum eines Computermenschen? Jedenfalls könnte man so alles als eine Art des besonderen, digitalen Wunderlandes ansehen, in dem einfach alles genau andersherum verläuft als in der menschlichen Geschichte. Das Einschlafen ist eine Form des Aufwachens. Die Sehnsucht nach der Metaphysik ist die Sehnsucht nach

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der Wirklichkeit. Die Religion ist eine Form der Liebe. Aus dem Spiegelbild wird das Reale. Aus dem Körper die Maschine, und aus der Maschine der Körper. Andersons erste Wahl war das Verlassen des Zimmers 101. Das scheint wie eine Relektüre Orwells durch Kafka: Der Mensch hat das Schlimmste, was ihm geschehen kann, selbst gewählt, und er kann es jederzeit selbst verlassen, wenn er nur die Kraft aufbringt zu erkennen, dass er eine Wahlmöglichkeit hat. Natürlich fangen die Schwierigkeiten damit erst an. Und immer wieder kommt Neo in die Situationen der Wahl. Eine Pille, die rote, ist es, die ihn dazu bringen wird, sich aus der Matrix zu befreien und in »die Wüste der Realität« zu gehen. Die chemisch verschärfte Form eines »Apfels vom Baum der Erkenntnis«. Diese Wüste ist der einzige Ort, von dem aus der Kampf um die Realität geführt werden kann, so wie in der biblischen Vorstellung die Wüste der Ort ist, an dem der Kampf um die Transzendenz geführt wird. Am Ende von THE MATRIX hat Neo zwei enorme Fähigkeiten erworben: Er sieht durch die Bilder der Matrix den Code, auf dem sie beruht. Und seine Bewegung in ihr ist, weil er um die Willkürlichkeit der Dimensionen weiß, so frei, dass er auch fliegen kann. Er biegt die Welt (die immer auch eine Frage der Perspektive ist) um den Löffel. Am Ende des Films ist Neo aber auch zu einem entschlossenen Helden geworden. »Eine Welt ohne Gesetze, ohne Kontrolle« wäre die radikalste Absage nicht nur an diese Matrix, sondern an jede Matrix. Ein jugendliches Aufbegehren, das letzte vielleicht. Nun muss der Held erwachsen werden. Das Wunder von THE MATRIX kann sich nicht wiederholen.

MATRIX-Material: Grunge, Cyberpunk, Comics und die moralische Revision THE MATRIX übernimmt eine Reihe seiner Elemente sehr direkt aus Quellen, die in der ästhetischen Strategie des mythologischen Scannens der Brüder Wachowski weder explizit benannt noch besonders verborgen werden. Nur darin, aber darin konsequent, waren sich Kritiker, Branche, Fans und Gelegenheitskonsumenten einig: Was THE MATRIX so sensationell macht, ist nicht die Grundidee der Handlung – im Grunde nichts anderes als der ausgeschmückte und der Windows-Generation angepasste Plot von TRON. Es ist auch nicht der Look allein, und selbst die mit so viel Zitaten, so viel Vorwärts- und Rückwärts-Bezügen aufgeladenen Dialoge konnten es nicht mit den Dialogen anderer »erwachsener« Science Fiction-Filme aus den letzten beiden Jahrzehnten aufnehmen. Was

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THE MATRIX so großartig machte, war das blending, die Eleganz, mit der er seine eigene Überfülle bewältigte. Es war eine höchst barocke Angelegenheit, immer noch ein Illusions- oder eben Desillusionseffekt. Populäre Kultur als virtuelle Kathedrale von Effekten, Überwältigungen und Erhabenheit an überraschenden Stellen. Der richtige Film zur richtigen Zeit aber konnte THE MATRIX nur werden, weil er nicht nur die Stränge verschiedener Entwicklungslinien in der populären Kultur zusammenfügte, sondern dies in einer besonderen Situation tat. In einer Situation der Krise. Das Konzept »Popcorn-Movie mit intelligentem Beiwerk« begann sich zwar langsam durchzusetzen (aber schon warnte das Branchenblatt Variety davor, die Grenzen der sophistication für den Blockbuster nicht allzu weit zu stecken). Und doch war die Vertrauenskrise zwischen der Bildermaschine und dem jugendlichen Publikum unübersehbar. THE MATRIX ist Ausdruck und Lösung dieser Vertrauenskrise zwischen Industrie und Rezeption. Der Film versprach sie zu überwinden, indem er sie zum Thema machte (und nicht in einer konzentrierten, besserwisserischen Metapher wie in TRON, sondern als frei verfügbares Material; nicht Wegweiser, sondern Stoff für die Jugendkulturen – oder was man noch so nennen konnte). Als THE MATRIX in Produktion ging, war von »Cyberpunk« in der SFLiteratur nicht mehr groß die Rede. Wieder schien das Genre in einen Dornröschenschlaf verfallen, zerfallen in die ewige Space Opera, die Fantasy- und Rollenspiele und die literarische Esoterik. Im Cyberpunk hatte das Genre noch einmal nach Relevanz verlangt, es war noch einmal explizit politisch. Und es gab durchaus, in der Literatur, in den Comics und im Kino, einen Nachklang dieser Bewegung. Insbesondere William Gibsons Neuromancer-Trilogie blieb ein ergiebiger Fundus. Eine Reihe von Begriffen und Vorstellungen wurde für THE MATRIX mehr oder weniger direkt übernommen. Hier aber auch wird der ästhetische und moralische Wandel deutlich. Die Matrix und ihre Erschaffung einer eigenen Illusionswelt stammen aus diesem Roman, aber auch die Kolonie der Widerständler heißt bereits bei Gibson Zion. Gibsons Roman spielt im Los Angeles der nahen Zukunft, in dem keine gewaltige Katastrophe, kein Umsturz stattgefunden hat. Es ist nur so weitergegangen, wie es geht: Die natürliche Umwelt wurde weiter ruiniert, die demokratischen Freiheiten lösten sich weiter medial auf, die ökonomische Macht der Konzerne wurde noch grenzenloser. Die Zukunft von Gibsons Neuromancer ist die Verlängerung der Gegenwart. Und was bei Gibson in den Computernetzen geschieht, an gegenseitiger Bespitzelung, an Kontrolle durch Illusion und an Manipulation der einzigen noch vermehrbaren Ressource, dem Wissen, auch das ist längst Alltag. Nur

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ein kleiner Fortschritt in der Wahrnehmungstechnik fehlt noch, um Gibsons Zukunftsvision zum grauen oder grellbunten Alltag unserer Gegenwart zu machen: In Neuromancer wird die virtuelle Realität nicht mehr an den Flachbildschirmen der Konsumavantgarde konsumiert, sondern als dreidimensionale und grenzenlose Wirklichkeit, die von den Sendemaschinen direkt auf die Sehnerven des Konsumenten gesendet wird. Man setzt sich die Elektroden an die Schläfe, und man ist fort in der zweiten, der »besseren« Realität. Da ist es schwer, einen Ausschaltknopf zu finden. Der Mensch ist jacked in einer künstlichen, dreidimensionalen virDie Disney-Produktion TRON tuellen Welt, die auch in Neuromancer »The Matrix« genannt wird. In Gibsons Roman ist diese Welt allerdings in etwa auf dem ästhetischen Niveau der Computerspiele der zweiten Generation; abstrakte Informationseinheiten bewegen sich durch stilisierte Architekturen. Aber auch hier gibt es bereits den Kampf der Viren gegen die Sicherheitsprogramme, und es gibt den Schutz der (für die Konzerne) wertvollsten Dateien durch besondere Schutz-Vorkehrungen, die »Eis« genannt werden. Das »schwarze Eis« ist das avancierteste davon, das seine Schutzfunktion in eine aggressive Verfolgung umwandelt, wenn ein unbefugter Eindringling entdeckt wird. Dieser Eindringling soll schließlich bis an sein eigenes Computerdeck, also über den Rand der virtuellen Realität hinweg verfolgt und durch einen Elektroschock getötet werden. Im Verlauf der Handlung wird der Held der Geschichte, Case, mehrfach auf diese Weise erwischt und ist für Sekunden lang »gehirntot«. Seine Freunde bangen dann erschreckt um seine Rückkehr – auch das kennen wir aus den MATRIX-Filmen. Doch damit nicht genug: »Case, der Ur-Neo«, schreibt Christoph Spehr, »ist ein Hacker, ein >Konsolen-CowboyHorror vor Kontrolle< hat. Der andere ist >FinneKonstrukt< in der Matrix weiterlebt und Case deren Funktionieren erklärt. Maelcum gehört zu den >ZionistenBabylon< Los Angeles verlassen und eine Raumkolonie namens Zion aufgebaut haben.« Man könnte also beinahe behaupten, THE MATRIX sei, wenn schon kein direktes Plagiat von TRON, nichts anderes als eine inoffizielle Verfilmung von Neuromancer, in der die Welt der Matrix auf den neuesten Stand der Computer-Simulationen gebracht wird, und sich folgerichtig etwas so abstraktes wie »schwarzes Eis« in der humanoiden Gestalt von »Agenten« zeigen würde. Ohne diese Inspirationsquelle wäre der Film sicher nicht denkbar. Aber er enthält durchaus auch eigenständige Elemente und Material aus anderen Quellen, er akzeptiert den ironischen Fatalismus dieser Vorlage so wenig wie die kulturpessimistische Botschaft des Disney-Films TRON. Was die Sampling-Technik von THE MATRIX ausmacht, ist, dass nicht einfach nur Elemente von Vor-Bildern und Vor-Erzählungen geklaut werden (die klassische postmoderne Vorgehensweise), sondern eben ganze Systeme und Strukturen ineinander geschachtelt werden (die noch klassischere Vorgehensweise eines modernen Kunstwerkes wie, sagen wir, James Joyce' Ulysses), und jede davon liefert ein eigenes Erklärungs- und Assoziationsfeld. Als THE MATRIX in die Kinos kam, zeichnete sich ab, dass der Neoliberalismus nicht nur als moralischer, sondern auch als ökonomischer und politischer Entwurf gescheitert war. Alle Politik konnte nicht anders mehr verstanden werden denn als ein System, das es fertig brachte, gleichzeitig als raffinierte Verschwörung und als pseudoreligiöse Symbolmaschine zu funktionieren. Dieser Maschine von Staat, Kapital und Medium gegenüber war weder mit den traditionellen Mitteln der Revolte noch mit denen der Verweigerung beizukommen. Selber Bewegung zu werden, wie die Hippies und noch die Punks, erschien aussichtslos. Wie Neo später in THE MATRIX RELOADED musste man sich dabei immer gewärtig sein, selber als unfreiwilliger Teil der Verschwörung oder der Symbol-Produktion missbraucht zu werden, oder, umgekehrt, bewusst auf den Selbstverrat hin zu steuern: In Washington sah man ein Jahr nach dem Filmstart in der Regierung Bush jr. eine ganze Gruppe von Beratern und Technokraten am Werk, die sich

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ihre Intelligenz einst als ausgewiesene Linke erworben hatte. In Europa betrieben Sozialdemokraten das Geschäft des globalen Neoliberalismus, und ihre effektivsten Handlanger waren die Vertreter der einstigen Revolte. Die Generation X hatte mit einem vagen individuellen Moralismus auf diese Situation geantwortet, die Generation Y, die den mehr oder weniger harten Kern des Publikums von THE MATRIX ausmachte, musste sogar noch mit dem Scheitern dieser semiotischen Verweigerung fertig werden (das sich im Selbstmord von Kurt Cobain ein vergleichsweise willkürliches Bild gesucht hatte). Grunge war die erste bewusste Gegenbewegung gegen die konsumistische Radikalität der 80er Jahre gewesen. Kein Entstöpseln der Musik und auch nicht die stachelige Low-Tech-Rebellion des Punk, sondern eine moralische Reaktion, die keine Materialität fand. Weder die unpluggedRomantik der Hippies noch die semiotische Überfülle der Punks: Der Grunge-Held ist decodiert bis zur völligen Gleichgültigkeit des white trash. Je weniger er an die Revolution (und schon gar: die Revolution seiner Eltern) glaubt, desto mehr setzt er auf persönliche Integrität. Die Generation X setzte dem endlosen Medientraum des Neoliberalismus nicht nur einen Hang zur Larmoyanz und eine neoromantische Form der Zickigkeit à la Winona Ryder entgegen, sondern auch eine Entlarvung des Scheins. Grunge-Stars (zu denen auch Keanu Reeves gehörte) sahen nicht aus wie Stars, aber sie misstrauten nicht nur dem Glamour, sondern auch der Pose. Die Grunge-Band par excellence hieß nicht umsonst Nirvana. Und gemeint war damit nicht so sehr ein spiritueller Zustand, sondern das Nichts, in das sich die Gesellschaft konsequent hineinmanövrierte. Auf ihrer berühmtesten LP wird schon das schwimmende Neugeborene an den Angelhaken des Kapitals gelockt. Im Neoliberalismus werden die Wünsche zu den Motoren der Beschleunigung, eine »jugendliche« Rücksichtslosigkeit dabei wird durchaus als Befreiung empfunden. »Jede Hemmung muss beseitigt werden«, schreibt Paul Virilio, »und der Schnelligkeit des Begehrens darf sich nichts mehr in den Weg stellen. Diese Art der Befreiung würde dazu führen, dass wir es nicht mehr wagen, in dem Moment zu handeln, in dem wir handeln, dass Handlung so sehr erleichtert worden wäre, dass es sie nicht mehr gäbe.« Hat er damit nicht perfekt das Leben in den Energietanks der Matrix beschrieben? In beiden Fällen haben wir es mit Menschen zu tun, die nicht handeln, während sie rasend zu handeln glauben. Niemand entscheidet sich mehr, wenn man ihm nicht garantiert, dass seine Entscheidung »richtig« ist. Niemand wünscht, was man nicht bekommen kann. Es ist der Tod des Utopischen, der in dieser Gesellschaft zum alltäglichen

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Programm geworden ist. Konformismus und Design führen allein zum Erfolg. Und man benötigt keine Gedankenpolizei, um das Denken (ein Denken über den erfüllbaren Wunsch und über den abgesicherten Modus der »Entscheidung«, also der Nicht-Entscheidung, hinaus) an sich als »schädlich« zu identifizieren und unter die eine oder andere Strafe zu stellen. Selbst wer sich als »Intellektueller« sein Brot verdient, bekundet öffentlich seinen Ekel vor Nevermind: Schon das Neugeborene dem »Intellektuellen«. wird an den Angelhaken des Kapitals Das Kreisen des Wunsches in gelockt »medial kontrollierter Nachfrage« und das strukturelle Verbot der Utopie führen allerdings, im Verbund mit der öffentlichen Brandmarkung des Intellektuellen, nicht zur vollständigen Kontrolle, sondern nur zu einer 90-prozentigen. Der Rest verdichtet sich zu einer Opposition, die dem Mainstream nur noch transzendental gegenübersteht, und das als radikale Loser oder als radikale Winner, ungefähr mit jener Art von Ekel, den es für Nietzsches Zarathustra erst einmal zu überwinden galt. Generation X und Y wuchsen mit einem Verständnis von sich selbst auf, in dem Verachtung und Ausbeutung als gesichert erschienen. Die Mainstream-Gesellschaft würde sie in Gestalt des Daniel Küblböck genau so verachten wie in der von Sahra Wagenknecht. Sie wären als Erfüllungen der Normen und der strukturellen Verbote der radikal-neoliberalistischen Mediengesellschaft genauso verdammt wie als utopische Denker. Welche Furcht noch durchzuckt unsere paar maitres penseurs vor Kids und Post-Kids, die so klug daherquasseln können wie sie selbst! So müssen Popgruppen virtuelle Clubs der toten Philosophen begründen. Sag nichts von Schopenhauer, was du nicht in einen Rocksong packen kannst! Erkläre nichts von deiner Gesellschaft, was du nicht einem Film aufladen kannst! Und der endlos in sich selbst zurückstürzende kontrollierte Wunsch im abgesicherten Modus macht das Unbehagen zum großen Begleiter. Das Lebensgefühl der Generation X, dem wir in Neo am Beginn seiner Wandlung begegnen, hat der Grunge-Musiker und Romanautor Mark Lindquist auf den Punkt gebracht: »Egal welchen Weg er einschlägt, er weiß, dass ihn die nervöse Befürchtung begleiten wird, etwas zu verpassen.« Je älter man wird, desto klarer wird einem, dass es, trotz des Verzichts auf Glamour und

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Pose, nichts anderes als »die Wirklichkeit« war, die man verpasst hat. Die Wirklichkeit, die zwar einerseits nach wie vor in jenem Stein besteht, der einem nach Klaus Theweleit auf den Kopf fällt und dem es egal ist, was sich dieser Kopf dabei denkt, die aber andrerseits überhaupt nur deswegen gedacht und, na ja, begriffen werden kann, weil man zur gleichen Zeit ein Darüberhinaus, ein Davor und Danach, ein historisches oder metaphysisches Jenseits denken kann. Eine Gesellschaft, die nichts anderes zulassen will als das, was sie für sich als »wirklich« erkannt hat, verliert zwangsläufig die Wirklichkeit – übrigens auch in jeder Form der fundamentalen Religion, wie der der Taliban oder der von George W. Bush, die gewaltsam die »Verwirklichung« ihrer Religion betreibt (und nicht, wie man anzunehmen gedenkt, das Verreligiösen der Wirklichkeit). Die Wirklichkeitsgesellschaft also hat die Entwirklichung betrieben und nicht etwa die Technologie, aber die Maschine ist gewiss die ideale Metapher. Die Vermenschlichung der Maschine wird so sehr gefürchtet, weil man am eigenen Leib die Maschinisierung des Menschen erfährt. Aber um zu wünschen, um zu entscheiden, um moralisch zu handeln, muss es möglich sein, über das eigene System hinauszuschauen. THE MATRIX fordert mit aller Entschiedenheit die Rückgewinnung der persönlichen moralischen Geste ein. Aber wie zuvor der Grunge der Generation X weiß man auch hier, dass weder der Wunsch noch die Pose dazu ausreichend sind. Auf dem Weg der Grunge-Verweigerung zum Erwachsenwerden (leicht war es für keine Generation, aber hier schien es nur noch absurd) entstanden, wie Hans Schill schreibt, »Einsichten von Nachmoderne und Popkultur, dass es keine vorbestimmten Lebensläufe mehr geben kann, Identitäten vielfältig sind und Codes, Stile, Zeichensysteme sich festen Zuschreibungen mehr denn je entziehen«. Weil alles das Neos Probleme sind, konnte er nicht nur zum Helden einer Generation werden, sondern auch zur Symbol-Figur in einer bestimmten Phase der Entwicklung unserer Gesellschaften. Ein Messias, selbst dann, wenn alles, was er und seine Apostel verkünden, der blanke Stuss wäre. (Aber ehrlich gesagt: Haben nicht alle Messiasse dieser Welt nicht hauptsächlich, inbrünstig und irgendwie schön, Stuss geredet?) Was die Matrix von allen anderen Illusionswelten im Kino vordem unterscheidet, ist ihre Totalität. Die Totalität der Matrix ist nicht allein die der vollständigen Ersetzung der Realität durch die Illusion, es ist immer auch eine Totalität des Marktes, und daher haben mehrere Autoren auch sehr schnell eine Beziehung zwischen dem Film und der großen Erzählung des Kapitalismus in Toni Negris und Michael Hardts Empire gesehen. (Übrigens ist es dabei zweitrangig, ob diese Beziehung intendiert ist oder

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nicht.) In diesem Entwurf ist ein Herrschaftsmodell (und immerhin, dass das alles nicht nur eine Frage der Illusion, sondern auch eine der Macht ist, daran lässt THE MATRIX ja von Anfang an keinen Zweifel) so umfassend geworden, dass es weder ein »Draußen« mehr gibt, noch im Drinnen ein wirkliches revolutionäres Subjekt. In diesem globalen System von Marktwirtschaft und politisch-militärischer Stützung indessen muss für jeden Einzelnen eben das Gefühl vorherrschend sein, die Wirklichkeit zu verlieren. Das System ist allumfassend und omnipotent, aber dennoch gehören ihm die Menschen immer weniger wirklich an, vielmehr haben sie das Gefühl, sich in einem gigantischen Gefängnis zu befinden (und wir meinen damit nicht gigantisch im Sinne von ESCAPE FROM NEW YORK, sondern gigantisch im Sinne von global: die Dimension dieses Gefängnisses ist nicht mehr der Raum, sondern die Zeit). Anders als in der klassischen Science-Fiction – selbst noch bei Philip K. Dicks Wirklichkeitsverschwörungen – gibt es in den neueren Fantasien keine Trennung mehr in das reine Opfer und die reinen Täter, nicht einmal in dem immerhin diskursiven Sinne wie in Orwells 1984 und seinen Verfilmungen. In Filmen wie BLADE RUNNER, STRANGE DAYS oder VIDEODROME geht das Subjekt insgesamt verloren (der Mensch, der im Auftrag der Konzern-Macht Replikanten jagt, erweist sich selbst als Replikant, der Händler der Träume geht selber an ihnen zugrunde), und es geht das Empfinden der Welt verloren. Daher kann das Gefühl des Wirklichkeitsverlustes noch als drop out erfahren werden. Der Kapitalismus in seinem Lauf hebt am Ende die Zeit auf (jedenfalls wenn wir ihn lassen): Wenn die Trendscouts in den Trendkneipen die trendy people nach ihren Trendvorstellungen befragen, um daraufhin den richtigen Trendschuh oder das richtige Trendgetränk auf den Markt zu bringen (unsere ganz reale und alltägliche Version der Welt am Draht), geht mit dem Wünschen auch seine Geschichte verloren. Es ist ein rein virtueller Vorgang geworden. Im Empire oder in der Matrix also sind wir von uns selbst durch das System getrennt und könnten doch jederzeit so aufwachen wie Neo am Beginn von THE MATRIX. Aber was dann? Dies ist die durchaus offene Frage, die sich in den Filmen und ihren Vernetzungen nun entfalten wird, und für die es ganz und gar keine eindeutige Antwort geben kann. Popkultur (etwas, das am Rande von Pop und Kultur, Mainstream und Avantgarde ein erfindungsreiches und destruktives Leben entfaltet) ist dabei Wiedergabe und Widerstand zugleich. Cyberpunk und Grunge waren dabei als Denk- und Bildfiguren auf den jugendlichen TechnologieKonsumenten bezogen, der sich des Fließens der Macht durch sein Le-

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ben durchaus bewusst wird. Und was in beiden Fantasiewelten übrig blieb, war die moralische Entscheidung des Einzelnen. Anders gesagt: Es ging, im Gegensatz zu den Hippies, den 68ern oder den Kirchentagsbesuchern darum, die Freiheit zu entdecken, die es im System gibt. Im Kapitalismus, in der Cyberwelt, in den Medien, sogar im Pop. Man kann das »Realismus« nennen. Es ist die Re-Konstruktion der Freiheit diesseits der Utopie. (Vielleicht gibt es deswegen auch den definitiven Zustand »Jugend« nicht mehr: Die Subjekte von Cyberpunk und Grunge sind auf eine merkwürdige Weise alterslos – wie Neo –, schon sehr erwachsen und noch sehr infantil, albern und verzweifelt, aber vielleicht für die Verhältnisse des Neoliberalismus am nächsten jener Art des »Selbstbewusstseins«, das sich Immanuel Kant für den aufgeklärten Menschen wünschte.) Die dritte große Inspirationsquelle – neben Cyberpunk und der Haltung des Grunge und der Generation X – sind für den Film der Wachowskis (die sich nicht umsonst kleiden und geben, als seien sie die perfekte Mischung von Computer-Nerds und slackers), die Comics, die am Beginn der 90er Jahre ebenfalls einen enormen, auch moralischen Wandel verzeichneten. Die wachsende Anzahl der Verfilmungen traditioneller und neuerer Comic-Literatur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Medium in einer vehementen Krise steckte. Stan Lee hatte Mitte der 60er Jahre in seinen Marvel Comics den »Hero with a Problem« entwickelt, aber in den 80er Jahren hatten zumindest die »Superhelden« das Stadium erreicht, in dem sie nicht nur das eine oder andere Problem hatten (wie Geldsorgen, Erkältungen und Liebeskummer, was Peter Parker alias Spider-Man zu plagen pflegte) – sie waren jetzt das Problem. Für sich und für die Welt. Frank Miller hatte Batman wieder in einen »dunklen Ritter« verwandelt, und auch andere Superhelden (oder, genauer gesagt, PostSuperhelden) wie die Watchmen hatten den optimistischen Blick eines Superman längst verloren. Und je mehr sie den Glauben an die Wirklichkeit ihrer Gesellschaft verloren hatten (siehe oben), desto mehr wucherte ein transzendentaler und, wenn man so will, moralisch-philosophischer Bereich. Der technologische Superheld verwandelte sich zurück in das gothic-Halbwesen. Gerade weil sich in ihnen, wie bei einem Halbvampir in BLADE (1998; R: Stephen Norrington), das Gute und das Böse mischten, wurde ihnen die moralische Entscheidung wieder abverlangt (was viel spannender ist als die endlosen Kloppereien der Mainstream-Helden und auch noch als das transgressive Blutvergießen der finsteren Helden). Die Comics der 90er Jahre erzählten vor allem von der Hölle. Und die meisten der gezeichneten Helden und Heldinnen, die sich, wie Mouse in THE

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MATRIX, ihrer Menschlichkeit auch als Triebwesen stellen wollten, hatten das gleiche Gefühl wie Neo: Etwas stimmt nicht an dieser Welt. Und am 11. September 2001 hatten selbst jene amerikanischen Superhelden ihre Ohnmacht einzugestehen, die sich den Patriotismus noch nicht vollständig hatten ausreden lassen. Sie konnten nur bei den Aufräumarbeiten helfen, trotzig die Fahne hochhalten oder in Tränen ausbrechen (wie es Spider-Man in der mit einem schwarzen Trauerflor gezierten Ausgabe seiner Serie tat). Aber so wie in der Zeit des Großen Krieges ihre »patriotische Pflicht« tun (Bin Laden aufstöbern oder den Irak entwaffnen) konnten sie nicht. Sie waren zu kompliziert geworden, mussten sich selber schon viel zu sehr als Außenseiter empfinden. Wie beispielsweise die XMen waren sie selbst zu Metaphern der verlorenen Jugend und der verlorenen einfachen Werte geworden, Übermenschen mit den Herzen gekränkter Kinder. Das pure Vergnügen an Aktion, Technologie und Ego mussten sie ihren japanischen Kollegen überlassen. So wie ja auch der einstige amerikanische Held, der Cowboy, in der Kultur, die ihn hervorgebracht hatte, in eben dieser Kultur menschlich, ästhetisch und philosophisch zugrunde gehen musste, so hatte spätestens in den 90er Jahren auch das Sterben des Comic-Helden begonnen. Und Neo ist eine Antwort auf den Tod dieses Helden. Er muss wiedergeboren werden, aus dem Geist von Empfindung und Selbstbewusstsein. Als fliegender Subjektphilosoph oder brütender Populist. Auch die Comic-Verfilmungen entwickelten sich in dieser Zeit rasant von naiven Märchen über die ästhetische Dekadenz zur moralischen sophistication, etwa von dem reichlich billigen exploitation stuff wie GENERATION X (1996; R: Jack Sholder) – welch irreführender Titel! – zu Bryan Singers X-MEN (1998). Die Mutanten, die Post-Menschen mit den außergewöhnlichen Fähigkeiten, die schon bei ihrem ersten Auftreten im Jahr 1963 als strangest superheroes of all time bezeichnet wurden, waren bei Sholder die gewohnten Teenager, die sich gegen ihre Versagensängste mit Allmachtfantasien trösteten, und wurden bei Singer zu Opfern des gewöhnlichen Rassismus: Die »Normalen« agierten auch hier mit aggressivem Konformismus, Diffamierung und schließlich sogar Gewalt gegen die Außenseiter. Und auch in Bryan Singers überaus erfolgreichem Film und seinem Sequel ist der Look eine der möglichen Antworten: Coolness als Antwort auf die Verzweiflung und den Zweifel, die Erlöser als tragische Gestalten. In der Beziehung des Professor Xavier zu den jungen Mutanten und vor allem der Suche von Wolverine nach seiner eigenen Herkunft zeichnet sich schon, wenn man so will, die Beziehung zwischen Morpheus und Neo ab: Aus der Geschichte der Superhelden entwickelt sich ein

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neuer Messianismus, der als erste große Aufgabe die Selbsterlösung der Helden zum Ziel hat. Und diese Comics und Filme – von X-MEN über SPIDER-MAN bis zu MATRIX – erzählen nicht zuletzt vom prekären Zustand des Status Jugend, vor allem, aber nicht nur, in den USA. Auch hier spielen nicht nur die Moral und der Markt ihre mittlerweile gewohnten Rollen, sondern auch die Technologie. 1985 war mit Shatter von Michael Saenz und Peter Beno Gillis der erste ausschließlich am Computer erzeugte Comic erschienen (der prompt zum »Beginn eines neuen Zeitalters« für das Medium erklärt wurde). Allerdings entwickelte sich die Geschichte des Computer-Comics nicht sonderlich befriedigend; die Perspektiven wirkten plump und seriell, es fehlte an Tiefe und Eigenart. 1988 erzählte Michael Goetze, in einer bewussten, direkten Beziehung von Form und Inhalt, vom Robot-Imperium, in dem konsequenterweise die denkenden Maschinen die Macht übernommen haben. Goetze entwickelte eine dann für den Computerfilm nutzbar gemachte Methode, einen einmal gescannten Gegenstand einer beliebigen perspektivischen Bearbeitung zu unterziehen. 1992 hatte der Autor – von einem »Zeichner« kann man ja nun nicht mehr so ohne weiteres sprechen – zudem ein Verfahren der Kolorierung hinzugefügt. Doch wie in der Computeranimation, so setzen sich auch in der Geschichte der Comics erst einmal die Mischformen durch: Computer wurden zu einem höchst unauffälligen Hilfsmittel. Sie nahmen einem vor allem die Routinearbeit ab. Erzählmittel und Erzählinhalt trafen erst 1992 in Pepe Morenos Batman-Erzählung Digital Justice mitten im Mainstream wieder aufeinander, wo sich der Erzfeind des Fledermaus-Manns, der »Joker«, in einen Computervirus verwandelt hat, der die Datennetze von Gotham unsicher macht. Gotham, das sich aus dem Status der gothic americana in eine der Megacities des Cyberpunk verwandelt hat. Mit Dilbert, Scott Adams' satirisch-surrealistischer Serie um die Mitarbeiter eines absurden New-Economy-Unternehmens, deren Bürowaben vielleicht nicht nur allein wegen der zugrunde liegenden Realität denen von THE MATRIX sehr ähnlich erscheinen, begann 1993 schließlich die Ära der Internet-Comics. Immer mehr wurde das Internet zum unverzichtbaren Medium für die Produzenten und das Fandom: »Ideale Möglichkeiten«, so Andreas C. Knigge, »bieten die Onlinedienste vor allem für Zeichner, die für ihre Comics noch keinen Verlag gefunden haben, diese aber trotzdem >publizieren< wollen. Dass ihre Helden auch so schnell populär werden, zeigt beispielsweise Stafford Huylers NetBoy, dessen Konterfei Fans inzwischen auch auf T-Shirts erwerben können. Fast alle größeren amerikanischen Verlage bieten darüber hinaus Diskussionsforen und Informations-

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Vorläufer der MATRIX-Bürowaben in Michael Andersons 1984-Verfilmung aus dem Jahr 1956

seiten über ihre Serien und Zeichner an.« Comics verlieren, mit anderen Worten, nicht nur ihren bestimmten Platz in der Ökonomie der populären Kultur und ihren Platz in der medialen Sozialisation (als in sich differenzierter, aber begrenzter Stoff für Kinder und Jugendliche), sie verlieren schließlich auch ihr gewohntes Trägermaterial. Das verändert auch ihre Erzählweise und ihre ästhetische Utopie der wunderbaren Räumlichkeit des bewegten Bildes (das, im Gegensatz zum Kino-Bild, nie mehr verschwinden muss, jedenfalls nicht, wenn ich mein comic book einigermaßen pfleglich behandele). Als Gegenbewegung zu Computerisierung und Internetisierung der Comics entwickelte sich mit den graphic novels eine betont autoren- und stimmungsbezogene Art der siebten Kunst, die wiederum zu Vorlagen für Filme wurde, die wie ROAD TO PERDITION (2002; R: Sam Mendes) oder FROM HELL (2001; R: Albert & Allen Hughes) ihre Verwandtschaft mit dem parallelen Medium nur dem eher geübten Blick offenbarten. Einer Entwertung der Comics auf dem traditionellen Massenmarkt (auf dem wenig inspirierte tie-ins von erfolgreichen Medienmultiplikationen domi-

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nieren) stand am Ende der 90er Jahre eine mediale und künstlerische Auffächerung der Comic-Entwicklung gegenüber, die die Beziehung der beiden Medien Comic und Film komplexer und, wenn man so will, reifer gemacht hatte. Comics waren in der Kindheit, verglichen mit TV und Nintendo, nicht mehr so wichtig, dafür begleiteten sie einen länger beim Prozess des Erwachsenwerdens. Es ging nun nicht mehr um ein bloßes Voneinander-Profitieren; ein Film wie THE MATRIX reflektiert auch die Veränderung in beiden Linien des visuellen Erzählens. Der Comic organisiert seine Zeichenwelt im Raum, der Film die seine in der Zeit. Aber beide scheinen von einer inneren Bewegung getrieben, gerade diese Beschränkungen zu überwinden. Der Comic arbeitet an einer Verzeitlichung (zum Beispiel, indem er neue, komplexere Beziehungen in die Leserichtung der Panels einbaut), und der Film will das Element der Räumlichkeit durch »Gleichzeitigkeit« gewinnen, indem er vom Split Screen zur VierfachLeinwand in Mike Figgis' TIMECODE (2000) entweder seine Bilder räumlich präsentiert oder aber, wie schließlich in THE MATRIX, der Zeit ihren abstrakten Zwangscharakter nimmt. You see? So sind wir ästhetisch gerade dort, wo wir vorher auch moralisch waren, bei der Organisation des Wirklichen unter den Bedingungen des Marktes und des Unbehagens ihm gegenüber. Das große Projekt des Marktes scheint schlicht zu sein, nach unendlich vielen medialen Crossovern und Medien-Multiplikationen das eine Alles-in-allem-meta-geile Universalmedium zu kreieren, in dem nicht nur das Wirkliche, das Imaginäre und das Symbolische zusammenfallen, sondern auch Kino, Fernsehen, Zeitung, Comic, Computergame, Kunst und Tanz (und so weiter). Ob das Universalmedium »vernünftig« ist, wird sich schwer sagen lassen. Es läuft auf eine Aufhebung der »Medienlandschaft« hinaus, so wie die Konzentration in der »Privatisierung« der Welt auf den Meta-Konzern hinausläuft, von dem wir, mindestens in der science fiction noir, so total wie totalitär beherrscht werden (aber wer hindert mich, in der räumlichen und semiotischen Allgegenwärtigkeit von Schlecker-Märkten die Vorahnung solcher absurden Selbstaufhebung zu sehen: endlich besteht der Markt nicht mehr aus Angeboten, sondern aus Imperativen.) Das Sterben der Medien und ihre Auflösung in den MetaMedien ist natürlich nicht zu denken ohne das Sterben der Genres und ihre Auflösung in den Meta-Genres (bis zur Auflösung in drei Hauptströme: das Alltägliche, das Fantastische, das Historische), und dies wiederum nicht ohne das Sterben der Helden und Heldinnen. Und alle Medien, alle Genres, alle Helden wollen sterben (um wiedergeboren zu werden), und sie wollen es auch wieder nicht. Da verhalten sich die Zeichen in unserer Medienkultur längst wie lebende Wesen, sie altern, sie werden sich

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gewisser Dinge bewusst, sie wehren sich dagegen, missbraucht zu werden, sie wollen sich nicht so ohne weiteres umbringen lassen, sie werden krank an Körper und Seele, sie zeugen Kinder, sie erschrecken vor dem Blick in die eigene Seele, sie brauchen Hilfe, sie wollen sich anpassen, um ihren Lebensraum zu schützen, sie können sehr böse dabei werden. Wie also könnte das totale globale meta-geile-digitale-marktbeherrschende-grenzenlose Supermedium, das alle anderen Medien in sich hineingefressen hat, am Ende aussehen? Genau: wie die Matrix. Und wer würde dagegen rebellieren? Wesen, die sich an die alten Geschichten erinnern. An eine Zeit, als die Wirklichkeit noch nicht paradoxerweise durch ihre Totalität abgeschafft war und der Markt (der Fantasien) noch existierte, bevor er paradoxerweise durch seine Totalität abgeschafft ward, an die Zeit, an der es noch Unterschiede zwischen dem Sinnbild und dem Abbild gab, und in der es Legenden gab, weil es Wirklichkeit gab, und Wirklichkeit, weil es Legenden gab, und der selbstbewusste Mensch die Grenze zwischen beidem zu vermessen wusste. Und wo es noch den Raum und noch die Zeit gab, und Medien, die das eine oder das andere benutzten und untersuchten. Neo in THE MATRIX hat indessen nicht nur die Hacker-Mentalität des Cyberpunk und die desillusionierte Moralität der slacker und des Grunge geerbt, sondern auch die Melancholie des Comic-Helden in der Epoche der Auflösung seines Mediums. Wir »verstehen« diese Figur nicht zuletzt deshalb, weil wir im Medium Comic die Entwicklung eines Helden verfolgt haben, der zwischen tiefer Depression und messianischem Größenwahn hin und hergeworfen wird und der, wie Neo, seine Phasen von körperlicher Aktion und philosophischer Grübelei erlebt – und jede ist die Befreiung, für den Augenblick, von der anderen. Neo ist der Junge, der die Medien und ihre Helden, die aufgehobenen Wünsche und verkleideten Ängste liebte. Und der gerade deswegen nicht in dem Meta-Medium der Matrix zugrunde gehen will.

whatisthematrix.com Das Marketing von THE MATRIX machte den Eindruck, als habe man sich ein paar Tricks bei den Blockbustern von Spielberg und Lucas abgeschaut und ein paar andere beim Internet-Hype von THE BLAIR WITCH PROJECT (1999; R: Daniel Myrick, Eduardo Sánchez). Auf der einen Seite gab es Merchandising-Anreize für das jugendliche Popcorn-Publikum: Bei der Uraufführung erhielten, nur zum Beispiel, die ersten 50 Besucher, die vor der Kasse eines Kinos eine Hand voll Snickers

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präsentierten, freien Eintritt. Und auf der anderen Seite fanden PR-Kampagnen an den Universitäten statt, die schon das intellektuelle Potenzial des Stoffes ausreizten. Zentral aber wirkte die Web-Seite whatisthematrix.com, die in ihrer interaktiven Gestaltung und ästhetischen Offenheit selbst neue Maßstäbe setzte. Hier gab es zumindest Ausschnitte einer Comic-Serie, die aus dem Storyboard entwickelt worden war und die einige Aspekte der (noch) rätselhaften Welt der Matrix offenbarte, hier wurden schon erste Diskussionen geführt. Die etablierte amerikanische Filmkritik wurde von THE MATRIX definitiv auf dem falschen Fuß erwischt (aber steht sie nicht ohnehin seit geraumer Zeit selten auf dem richtigen?). Sowohl in Time wie in Newsweek fanden sich eher gelangweilte Rezensionen des angeblich hundertsten, wenn auch modern aufgepeppten Aufgusses des Actionfilms aus der Werkstatt von Joel Silver. Der Hollywood Reporter sprach davon, dass die Story in THE MATRIX den Spezialeffekten eins zu zehn unterlegen sei. Wenige Wochen spater mussten die Blätter andere Schreiber daran setzen, den überraschenden Erfolg und das soziale Phänomen MATRIX zu erklären. Auch die etwas genaueren Kritiken hatten in dem Film nichts anderes als ein gewaltiges cineastisches Spielzeug gesehen, mit den üblichen Kämpfen und Explosionen, und mit der üblichen Verschwörungsparanoia. Die philosophischen und religiösen Aspekte wurden so wenig ernst genommen wie die innovative Ästhetik. So kann man wohl von drei Stadien der Rezeption von THE MATRIX sprechen: Die erste durch die Filmkritik und das kritische Premierenpublikum verlief eher indifferent. Die zweite durch das (virtuelle) Fandom, das in dem Film und mindestens ebenso in seinen Medienmultiplikationen rasch ein synthetisches semiotisches Zuhause gefunden hatte, verlief in der Art eines der modischen Kulte. Erst die dritte Phase der Rezeption, die einerseits ein Publikum anzog, das ansonsten nicht unbedingt mit Science-Fiction-Blockbustern zufrieden zu stellen war, und die andererseits zu mehr oder weniger gelehrten Abhandlungen und hippen Diskursen führte, machte aus THE MATRIX das, als was es schließlich in die Geschichte der populären Mythologie eingehen sollte: etwas Neues. In der dritten Phase der Rezeption wurde es Mode, »die Geheimnisse der Matrix« zu entschlüsseln. Der Film war nicht nur eine eigenständige, sensationell »treffende« Bilderwelt und eine mythische Geschichte, die den Zuschauern offensichtlich wesentlich länger nachging, als sie das von den gewohnten Filmen dieser ökonomischen Größenordnung gewohnt

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waren, er entwickelte sich auch zu einer gewaltigen Rätselmaschine, die, angenehmer Nebeneffekt für die Produzenten, unbedingt noch einmal und noch einmal angesehen werden konnte und wollte. (Aber damit keine Missverständnisse entstehen: Ein Film, der solches Immerwiedersehen verträgt, muss auch auf anderen Ebenen seine Verdienste haben.) Und die Macher von THE MATRIX heizten diese Entschlüsselungsmanie natürlich nach Kräften an. Für die Cinephilen immerhin gibt es einige Eckdaten: 60 Filme, so heißt es, werden »ernsthaft« zitiert, 40 weitere erhalten die Ehre, immerhin parodistisch gestreift zu werden. Die Interpretationsmaschine war angeworfen, und wie Sie gerade durch Ihre Lektüre beweisen, läuft sie noch immer einigermaßen hochtourig. In den Diskussionsforen begegneten einander Seminararbeiten, FanKritik, pure Bewunderung oder Reflexionen, denen die MATRIX als nicht viel mehr denn als Vorwand diente. Elektronische Wellen des Wissens schaukelten sich hoch, aber vielleicht bedeutender war das Gefühl, einer Art kybernetischen Verschwörung anzugehören. Es war die einfachste symbolische Verknüpfung von Abgebildetem (der technologisch hochgerüstete Staat im Status von fundamentalchristlichem Globalkapitalismus und die jugendliche Revolte dagegen) und Abbildung (ein mediales Event innerhalb dieses Systems und nach den Regeln dieses Systems): Ganz buchstäblich befindet man sich, am Display seines Computers und an der »Benutzeroberfläche«, in einem »Draußen«. Das ist so radikal, wie es bei einem Gott sein kann – oder bei einem Terroristen. Während der »göttliche« Blick sich in die Welt am Draht nicht anders hineinbegibt als mit den Mitteln eines Ego-Shooters, versucht der Terrorist ins Innerste vorzudringen, um dort einen bleibenden symbolischen Schaden anzurichten. Thomas Neo Anderson ist offenkundig auch eine dialektische Verbindung von Cybergott und Terrorist, und daher ist er wohl auch nicht nur einfach der erste wirkliche Held für die Hacker, sein Handeln ist auch direkter Reflex der moralischen Situation des Users. Das Empfinden, durch die Oberfläche des Computerbildschirms von einer oder gar der Welt getrennt zu sein, sich im »Draußen« zu befinden und dies mit einer besonderen Form des Eindringens zu kompensieren, oder damit, endlos Macht zu simulieren, erschafft die Krankheits- und Kriminalitätsbilder der Hacker-Generation: den Joystick-Junkie, der sich eine vollkommen leere Fertigkeit in einem leeren Problemfeld erdaddelt, den Hacker, der in fremde Programme und Dateien einbricht, der Chatter, der sich unter einer falschen Identität durch diverse Simulationen von sozialen Kommunikationsräumen bewegt, der übernächtigte Program-

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mierer, der, selbst wenn er sich auf ein durchaus rationales Verhältnis zu seiner Maschine berufen kann, einfach keine Zeit und keinen »Sinn« mehr für die Wirklichkeit hat, und natürlich der Bösewicht aller CyberBösewichter: der Mensch, der Programme nicht nur »knackt« (wie Trinity es in legendärer Vorzeit der Story getan hat), sondern sie verseucht, ihnen Viren, Würmer und Trojanische Pferde sendet, sie zur Selbstzerstörung treibt und sie zu unfreiwilligen Komplizen in seinem Netzwerk der Destruktion macht. Allen diesen Computer-»Kranken« und Computer»Kriminellen« haben die Literatur, die Comics und der Film mehr oder weniger eindrucksvolle Abbilder gewidmet. Und Neo und die Seinen sind vor allem Zusammenfassung und Überhöhungen dieser Archetypen der neuen Form von Ausschließung und Eindringen; sie tragen alle Ängste und Schuldgefühle, alle Unsicherheit und alle Allmachtsfantasien der Hacker mit sich, und was das Beste ist: Sie geben ihnen einen Sinn. Denn paradoxerweise, nicht wahr, erhöht ja jedes Manöver des Eindringens und Veränderns die Notwendigkeit der Innen/Außen-Konstruktion der Computerwelt: Die Antwort auf eine »Penetration« ist eine firewall. Und die erste Aufgabe eines Schutzprogramms ist die »Isolation« des Eindringlings. Das alles erinnert nicht nur an einen Körper, der sich zugleich vor Krankheiten des Außens der Welt schützen möchte und zugleich so viel von dieser Welt wahr- und aufzunehmen wie irgend möglich, sondern natürlich auch an einen Staat, der sich in seinen Grenzen organisiert – und sich, wie in Neuromancer, WELT AM DRAHT und THE MATRIX auch über diese Grenzen hinausbewegt. Anders als bei der informellen Verschwörung der Internet-Freaks bei THE BLAIR WITCH PROJECT erschien THE MATRIX bereits als Reflexion des Mythos, selber ein Vorgang des Durchdringens. Das Ausgeschlossensein und die Teilhabe, diese beiden teuflischen Grundempfindungen der Digitalisierung, werden in eine neue Balance gebracht. So wie sich nach dem enormen Erfolg von eBay die Benutzer (und manche eingestandenermaßen »Süchtigen«) auch als reale Personen treffen mussten, um nicht vollständig den Boden zu verlieren (und um nebenbei der Firma bessere »Profile« zu liefern), woraus eine regelrechte Installation der Wirklichkeit (mit ausgesprochen wirklichen Eintrittspreisen, nebenbei) entstand, so mussten umgekehrt die Fans der MATRIX aus dem realen Raum des Kinos schleunigst an ihre Computer zurückkehren, um ihre wirklichen Offenbarungen ins Innere ihrer »eigentlichen« Lebenswelt zu tragen. Neo ist der Erlöser der Computer-Benutzer. Aber er zweifelt an sich. Und wer will sich schon opfern, ausgerechnet für unsere Sünden am Joystick und an der Tastatur?

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THE MATRIX RELOADED Great Expectations: Die Wachowskistock Company bei der Arbeit THE MATRIX hatte in den USA 171 Millionen Dollar an den Kinokassen eingespielt, weltweit fügten sich 209 Millionen Dollar dazu. Es war ein gewagtes Spiel, bis zur Aufführung des zweiten Teils (in Europa bei den Filmfestspielen in Cannes) die Erwartungen von Kritik und Publikum ins Unermessliche zu schrauben. Das galt nicht nur für die noch halbwegs haltbaren Versprechungen neuer Superlative bei den Computertricks, sondern auch für die enormen Veränderungen im »MatrixUniversum«. Aber natürlich hatte sich diese Erwartung auch in eben der Seminar Rezeption unserer Lieblings-Nerds aufgeschaukelt, die THE MATRIX eigentlich eher mit lässigen Schlenkern nebenbei bedient hatte. Die üblichen Verdächtigen in der deutschen Hipster-Philosophie hatten ihre MATRIX-Statements veröffentlicht. Elisabeth Bronfen hatte ihn zum »epochalen Schwellenfilm« erhoben, und Boris Groys erklärte THE MATRIX als Zeichen für das »Ende der Philosophie«. Peter Sloterdijk wollte beobachtet haben, »dass die Vorausahnungen einer mehrwertigen Ontologie von der Hermetik innerhalb der Nietzscheschen und Heideggerschen Diskurse überspringen in die massenkulturelle Anschauung.« (Ich habe erst mal keine Ahnung, was dieser Satz uns sagen mag, aber fleißig, wie ich nun mal bin, versuche ich ihm später in diesem Buch auf den Grund zu gehen.) Eine der wenigen programmatischen Aussagen der Brüder Wachowski selbst ist zugleich ein Schlüssel zum Verständnis ihrer Arbeit: »Wir glauben nicht, dass die Regisseure die einzigen wichtigen Autoren eines Films sind. Der Film ist ein kollektives Werk. Und das muss für sich selber sprechen und bedarf keiner Erklärung.« Sprachen's und weigerten sich fortan, die Rollen der wissenden Schöpfer zu spielen. Eine Erzähl- und Bildermaschine wie THE MATRIX funktioniert also als radikaler Gegenentwurf zum europäischen Autoren-Gedanken. So wie man sich von dem anti-technologischen Mythos verabschiedet hat, so verabschiedet man sich nun von der irrationalen Autoren-Idee. Behauptet wird nun nicht mehr und nicht weniger, als dass der Gegensatz zwischen der kollektiven Produktion für den Markt und der individuellen Produktion für die Kunst eine Legende ist. Nirgendwo

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ist die Möglichkeit des kollektiven Kunstwerks so nahe wie im Kino. Und nirgends wird sie so leicht verfehlt. Die Wachowskis sind definitiv eingestöpselt. Die Arbeit an THE MATRIX war gleichsam nahtlos aus dem Medium Comic ins Medium Film hinüber gewachsen, und die Autoren und Regisseure nahmen ihre Mitarbeiter von einem zum anderen Medium mit – nicht zuletzt aber auch bestimmte Arbeitsweisen. Das neue Kollektiv sollte sich sowohl von einem neuen »Empire« wie etwa von George Lucas und Steven Spielberg unterscheiden als auch von einer auf ein Zentrum fixierten factory wie die von Andy Warhol. Um die MATRIX-Filme und ihre Weiterungen entstand ein offenes System der Beziehungen, eine Zusammenarbeit vergleichbar unabhängiger, kleiner Produktionseinheiten. Vermutlich könnte man die Philosophie dieses Systems in einem Satz zusammenfassen: Kontrolle ist gut, Vertrauen ist besser. Oder nennen wir es mit einem Wort, das aus der Getto-Kultur kommt und zur Voraussetzung zukünftiger sozialer Systeme wird: respect. Bei der Produktion von THE MATRIX hatten die Wachowski-Brüder ihre kreative Company (mehr oder weniger heimlich) auch als ökonomisches Unternehmen gefestigt. Eon Company (noch ein Anagramm von Neo) sollte das Herz einer neuen, offenen factory werden, die die Struktur der internationalen Bilderfabrik namens Hollywood mehr verändern sollte, als es auf den ersten Blick den Anschein haben mochte. Von Anbeginn an war THE MATRIX, wie seinerzeit STAR WARS, auch ein Projekt zur politischen Ökonomie der Traumfabrik. Wenn der Start von THE MATRIX gezielt auf eine Konkurrenz mit dem der STAR WARS-Reihe abgezielt war, dann lud die Produktion der beiden Folgeteile nicht weniger direkt zu einem Vergleich mit anderen Superproduktionen wie Peter Jacksons THE LORD OF THE RINGS ein. Man versuchte hier stets den Aufwand nicht allein durch die Prachtentfaltung, sondern auch durch das ästhetisch-philosophisch-technologische Experiment, durch die eigene Kraft der Innovation zu rechtfertigen. Wenn THE LORD OF THE RINGS noch ein allerletzter Triumph der Hippie-Ideologie der technologisch verstärkten Anti-Technologie war, dann waren THE MATRIX RELOADED und THE MATRIX REVOLUTIONS auch ein öffentliches plug-in. Die Dimensionen der Arbeiten zu den beiden nächsten Teilen der MATRIX-Trilogie überstiegen allerdings die aller Superproduktion: 270 Drehtage in den Fox-Studios von Australien verschlangen ein moderates Budget von 300 bis 320 Millionen Dollar. Dazu musste das Know-how auf eine neue Weise gebündelt werden; die einzelnen Produktionsteile benötigten beides: eine zentrale Kommunikationsinstanz und eine relative Frei-

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Die Arbeit war gleichsam nahtlos aus dem Medium Comic ins Medium Film hinüber gewachsen: Neos Absturz in THE MATRIX

heit. Den Kern dieser Bewegung konnten nur jene bilden, die bereits beim ersten Film der Trilogie beteiligt waren. Larry und Andy Wachowski, so erinnert sich John Gaeta später, »gingen bis ans Ende der Welt, um dieselben Leute wieder für RELOADED zu 117

versammeln, die schon bei THE MATRIX gearbeitet hatten«. So war beispielsweise das Team wieder beieinander, das die Aufnahmen der »virtuellen Kamera« leitete, der Visual effects Supervisor Kim Libreri und der Virtual human R9:47 AMD Supervisor George Borshukov. Für die Dokumentation des »kollektiven Kunstwerks« riskierten die Wachowskis im Übrigen den einzigen größeren Streit mit Warner. Sie bestanden darauf, dass in den credits alle Beteiligten aufgeführt wurden, auch jene aus Bereichen der Produktion, die gemeinhin nicht aufgeführt werden. Zum Beispiel, man beachte den biografischen Hintergrund, die Zimmerleute. Die Wachowskis unterlagen übrigens in diesem Streit den Warners. Die Endtitel hätten einfach zu viel Zeit in Anspruch genommen. Immerhin: Der Nachspann zu THE MATRIX RELOADED umfasst 3300 Namen. Zum Zeitpunkt des Einsatzes von THE MATRIX RELOADED hatten sich die Wachowski-Brüder in der Liste der einflussreichsten Personen in der Traumfabrik bereits auf Platz 8 hochgearbeitet, Tendenz steigend. Und »erwarten Sie nicht, dass die Wachowski-Manie so schnell ihr Ende findet«, schrieb Cinescape. Tun wir nicht: Der Kino-Film des beginnenden Jahrtausends ist entweder ein scharfes lokales Ereignis (ein kleiner, genauer, mutiger Autorenfilm) oder ein ästhetisch-technologisch-ökonomisches Gesamtwerk mit beinahe unbegrenzter Saugwirkung. Zwischen diesen beiden Filmwelten und Weltfilmen verlaufen viele Grenzen. Aber definitiv nicht die zwischen gut und böse.

Reloading MATRIX-Plot Das reloading ist eine besondere Form der Kontinuität: Ein entweder »abgestürztes« oder veraltetes Programm wird mit der je neuen Version von einem Nullpunkt aus hochgefahren und ersetzt die ursprüngliche Fassung. Ein reloading kann sich natürlich auch auf eine leer gefeuerte Waffe beziehen, die mit neuer Munition bestückt werden muss. (Freundlicherweise verzichten wir auf eine Pointe um die Bedeutung von loaded als reich.) THE MATRIX hatte eine Unzahl Bälle in die Luft geworfen, und natürlich musste das Sequel zunächst einmal damit beschäftigt sein, sie in einer Weise in der Luft zu halten, dass man sie am Ende würde auffangen können. Wenigstens die meisten von ihnen. Aber zum anderen mussten, dem wichtigsten Gesetz des Entertainments entsprechend, auch neue Bälle ins Spiel kommen. Die Erzählung, immer noch eifrig bemüht, Technologie, Religion, Philosophie und Design in eine Balance zu bringen, musste demnach zugleich angereichert und reduziert werden. Was die

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große Anlage der Intrige anbelangt, benutzt THE MATRIX RELOADED geradezu aufreizend klassische Elemente der Spannungs- und Action-Dramaturgie: Ein Angriff muss abgewehrt werden, und dazu muss etwas/jemand in einer gesicherten und geheimnisschweren Umgebung gefunden werden: In drei Tagen wird der Angriff der Wächter auf Zion erfolgen, und es muss vor Ablauf dieser Zeit der »Schlüsselmacher« gefunden werden, mit dessen Hilfe nur man ins Zentrum der Matrix gelangen kann, um den Angriff zu blockieren. Die Übermacht ist erdrückend, und außerdem haben die wenigen Helden nur eine viel zu knapp bemessene Zeit zur Verfügung, ihre Aufgabe zu erledigen. Die Handlung spielt sich innerhalb des überschaubaren Zeitraums von 72 Stunden ab (was uns an einen Film von Don Siegel erinnern mag). Zeit/Raum? In der Matrix? Es ist abzusehen, dass dieser klassische Plot nicht konzentriert wird, sondern er wird gleichsam zerlegt und zerfasert, so wie ein Komponist eine durchaus konventionelle Melodie auf ihr musikalisches Material hin zerlegen und befragen kann. Die einzelnen Elemente funktionieren nie allein aufgrund der Zuordnung zu dieser »Melodie«. Sie haben ihr Eigenleben, manche davon grandios, andere nicht so. Und sie haben ihre Beziehungen nach draußen, zum ersten Teil als Erinnerungen und zum dritten Teil als Vorgriffe. Natürlich auch wieder zu Filmen, Büchern, Comics und »Wirklichkeiten« außerhalb der Matrix. Wie THE MATRIX, so beginnt auch THE MATRIX RELOADED mit einer fulminanten Action-Szene, zu der wir erst später eine Geschichte erfahren werden. Wir sehen einen Wachtrupp auf den Dächern eines der Hochhäuser in der Welt-Stadt der Matrix. Plötzlich brettert eine Frau in Schwarz mit ihrem Motorrad, das buchstäblich vom Himmel fällt, ins Zentrum der Matrix, durch Glasscheiben, versteht sich (und nicht ohne uns für diesen wichtigen Moment in der fraktalen Schönheit zerbrechenden Glases schwelgen zu lassen). Einer der Wächter schreit auf: »Oh my god!« Nicht ganz: Es ist Trinity, und sie erledigt mit ihrer Handkanten-Technik ein paar Leute aus dem Wachtrupp. Dann aber trifft sie auf einen Agenten, und die Szene endet damit, dass sie rückwärts aus dem Hochhaus fällt, mit den Waffen in ihren beiden Händen auf ihren Verfolger feuernd, dem Agenten, der ihr nachgestürzt ist und seinerseits auf die Fallende schießt. Die Kugeln sehen wir gleichsam durch die Luft pflügen. Glassplitter formen eine eigentümliche Aura um die Fallende. Trinity wird in die Brust getroffen, es kann nichts anderes als ihren Tod bedeuten, oder? Schweißgebadet erwacht Neo; es war nur sein Traum. Trinity liegt neben ihm. (Aber auch bei dieser Variation einer Szene aus dem ersten Teil müssen wir wissen: »nur« ein Traum, das gibt es für Neo nicht.) Der Film gibt da auch schon seinen noch einmal gesteigerten Standard der

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Special Effects wieder. Das reloading ist auch das ästhetische Prinzip des zweiten Films. »Kannst du wieder nicht schlafen?«, fragt Trinity ihn am nächsten Morgen. »Willst du reden?« Aber das kann Neo natürlich nicht. »Sind nur Träume«, murmelt er. Der Traum steht schon in der Liebesgeschichte, die doch gerade erst begonnen hat. Als Splitter im Kopf. Auf die Erweckungsgeschichte des Erlösers folgt nun ansonsten eine (scheinbar) handfestere Verschwörungsgeschichte. Die kleine Gruppe der Rebellen erreicht die Stadt Zion, nahe dem Erdmittelpunkt, seit 100 Jahren, wie es heißt, im Widerstand gegen die Mächte der Matrix. Die Welt außerhalb der Matrix, in die wir nun gelangt sind, ist in bläuliches Licht getaucht. Sozusagen das direkte farbliche Gegenbild zu der GrünSchwarz-Ocker-Welt in der Matrix. (Bei den Dreharbeiten war ein Mitarbeiter nur damit beschäftigt, keine Abweichungen von dieser Farbenlehre zuzulassen und stets die richtigen Vorsatzlinsen für die Kamera bereit zu halten.) Nichts deutet daraufhin, dass es hier »schöner« oder »besser« sei. Zion, in THE MATRIX noch Legende und Utopie, wird nun als realer Ort vorgestellt. Das antike Zion ist übrigens ein Teil der Stadt Jerusalem, der gleichsam das Paradies vorwegnahm. In der Diaspora wurde Zion für die Juden das »gelobte Land«, zu dem sie aus Bedrängnis und Verfolgung zurückkehren wollten. Und im Glauben der jamaikanischen Rastas ist Zion die neue (alte) Heimat in Afrika. (Dass auch diese Aktualisierung des Mythos im Cyberpunk eine Rolle spielt, zeigt der Umstand, dass in Neuromancer ein Schiff namens Marcus Garvey auftaucht, nach dem Propheten der Bewegung zur Rückkehr nach Afrika.) Im ersten Film funktionierte Zion ein wenig als McGuffin, wie auch in der Geschichte und in der Mythologie dieser Ort am besten ist, wenn man ihn nicht wirklich erreicht. Einer Ent-Täuschung kann also niemand entgehen, die Helden so wenig wie die Zuschauer. Thomas Neo Anderson hat mittlerweile seine fantastischen Fähigkeiten gut im Griff, und der Widerstand der Menschen, die aus dem Spiel der Matrix ausgestiegen sind, ist großartig organisiert. Neo ist ein anderer geworden, das sehen wir an seinem entschlossenen, fast möchte man sagen: unromantischen Auftreten. Morpheus ist nur noch ein »Captain« unter vielen anderen, wenn auch einer mit einem besonderen Charisma. Er versteht es, die, nun ja: Massen von der Mission des Kampfes und vom Erlöser zu überzeugen, und kann es sich leisten, die Skeptiker zu ignorieren. So sehen wir ihn am Anfang in einem einigermaßen steifen und sehr amerikanischen Auftritt, bei dem er an die Bevölkerung Zions eine Ansprache hält. Und Neo muss seine große Erlöserrolle eher als einen Job begrei-

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fen, den er unbedingt zu erledigen hat. Er hat akzeptiert, dass er der Erwählte ist, auch wenn er noch nicht abschätzen kann, was dies für ihn bedeuten mag. Trinity ist ein love interest des Helden und damit ebenfalls ins Menschliche zurückgestuft. (Auch wenn der Verdacht noch lange nicht ausgeräumt ist, Trinity könnte einfach »Gott« sein.) Nach dem fulminanten Beginn jedenfalls scheint, mit der Ankunft des »Teams« in der Stadt des Widerstands, alles von einer zähen Folgerichtigkeit. Die Senatoren als Vertreter der Politik und die Kommandanten der Rebellenarmee streiten sich um den richtigen Weg gegen die Bedrohung der angreifenden Heere der Mörder-Roboter. Morpheus muss »die Massen« von der Ankunft des Erlösers und von der Notwendigkeit des Kampfes überzeugen. Es ist, als sei der Mainstream des amerikanischen Action- und Militärfilms in die Erlösergeschichte eingebrochen. Erst einmal wird nun viel geredet. Nicht ohne Bedeutung scheint eine boy/hero-Episode am Beginn von THE MATRIX RELOADED, bei der Ankunft der Kämpfer in Zion: Voller begeisterter Unterwürfigkeit erbietet sich der Junge, »The Kid«, Neo das Gepäck zu tragen. Der nimmt die Bewunderung mit einer Mischung aus Skepsis und Wohlwollen hin. Wenn dieser Junge tatsächlich »The Kid« aus der gleichnamigen ANIMATRIX ist (vgl. das entsprechende Kapitel), dann verstehen wir die etwas unsichere Beziehung zwischen den beiden. Neo hat ihm ja schon damals, wenn auch ohne Erfolg vermutlich, klarzumachen versucht, dass nicht er es war, der ihn erlöst hat, sondern der Junge selber. »Selbstsubstanzialität« war das Stichwort. Mit dem Auftreten des »Kid« ist Neo selbst nicht mehr in der Situation des jugendlichen Helden, der seine Persona – und seine Anima – finden müsste. Ein wenig hat er damit das Recht auf Wunder verloren. (Stellen wir uns für einen Augenblick vor, Alice würde als Mutter noch einmal in den Kaninchenbau gelangen: Hey! Jemand sollte diese Geschichte schreiben!) Diese Verdoppelung und Erweiterung des Helden-Image kennen wir aus der Filmgeschichte. Was wären Gary Cooper in THE PLAINSMAN (Der Held der Prärie; 1937; R: Cecil B. DeMille), was wäre James Stewart in DESTRY RIDES AGAIN (Der große Bluff; 1939; R: George Marshall), was gar wäre Alan Ladd in SHANE (Mein großer Freund Shane; 1953; R: George Stevens) ohne den bewundernden Blick des kleinen Jungen, aus dem der Held in Wahrheit erst geboren wird? Einerseits macht der Blick des boy auf den hero diesen »erwachsener« als er ist; er muss, zum Teil wenigstens, »Vater« werden, und andrerseits bannt er ihn auch in das Reich der ewigen Kindheit: der Held ist auch der »Bruder«, der das Spiel noch einmal mitmacht (und manchmal schon ein wenig traurig blickt, weil er doch auch weiß, dass man dies neverland nicht bewahren kann).

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Zion in THE MATRIX RELOADED: Eine Low-Tech-Welt, die an …

Den Rebellen droht die bislang größte Gefahr in ihrer MittelerdeBehausung: Vor sechs Monaten ist der totale Krieg erklärt worden. In 72 Stunden nun also soll Zion, die Stadt, in die sie sich zurückgezogen haben und deren Koordinaten dem System nun bekannt sind (das heißt nach den Regeln des Matrix-Universums: ein Kommandant muss die Zugangsdaten des Zentralcomputers verraten haben), von den Kräften der Matrix, von einem gewaltigen Heer der squiddies angegriffen werden. Wir kennen diese technologischen Monster nun nur zu genau: Sie fassen alles Jagende, Saugende, Stechende und Schauende zusammen, was der Mensch an seinen Parasiten zu fürchten gelernt hat. Es ist der paradoxe Zustand der Technologie im Status reiner »Triebhaftigkeit«. Wie die Menschen, so fallen auch die Maschinen in Aspekten ihres Daseins in die schiere Barbarei zurück. Früher oder später müsste die Matrix der Selbstzerstörung anheimfallen, in den Fieberanfällen, die die unziemliche Unvernunft der Agenten auslöst, oder in den Gewebeschäden, die die Mordlust der Wächter-Drohnen bewirken. Zion, gleichsam in der verlorenen Mitte der Welt gelegen, erinnert an eine heruntergekommene Version von Fritz Langs Metropolis. Es ist eine Low-Tech-Welt, die freilich offenkundig gut gewartet wird. »Ihre Bewohner«, schreibt Heike Kühn, »tragen biologisch abbaubare Gewänder, die man aus Sandalenfilmen wie BEN HUR [1925; R: Fred Niblo / 1959; R: William Wyler] kennt. Sie versammeln sich in einer Höhle, die von den Zufluchtsstätten des Urchristentums nur ein paar Stahlträger entfernt ist. Ihr Tanz fällt etwas ekstatischer aus, als es in der Bibel vorgesehen sein mag, aber das ist nur verständlich, wenn man bedenkt, dass alle diese Leiber sich mühsam aus den Brutstationen der Maschinen und der Laschheit des muskelzersetzenden virtuellen Daseins befreien mussten.« Das stimmt

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nicht ganz. In THE MATRIX haben wir erfahren, dass es in Zion auch Menschen wie Tank und Dozer gibt, die »in Freiheit« geboren sind. (Schließlich fürchten die Maschinen nicht umsonst so sehr die Fruchtbarkeit des Menschen. Sex ist auch hier, ganz unromantisch, eine Waffe des Menschen gegen die Maschinen.) In der Tat feiern die Bewohner von Zion nacheinander die beiden schärfsten und einzigen Waffen, die sie gegen die Matrix haben: den Glauben und den Körper. Für den Augenblick wollen sie vergessen, dass darin auch ein Widerspruch stecken kann. Beim Zuschauen mögen wir dabei ein wenig betreten reagieren. Soll das wirklich ein menschlicher Gegenentwurf sein? Oder sehen wir zu, wie Zion sich entlarvt? Sagen wir: Dafür, dass als Wirklichkeit nichts als Wüste versprochen ward, geht es in Zion noch ganz passabel her. Neo selbst aber wird von schrecklichen Visionen geplagt. Immer wieder stehen sie seinem Bemühen um einen rationalen »Schlachtplan« im Wege. Die schlimmste ist die, die wir am Anfang gesehen haben: Trinity verliert bei ihrem Eindringen ins Herz der Matrix das Leben. Neos Handlungen und Gedanken stehen im Zeichen dieses Todes. Im Zeichen des Todes der Geliebten, im Zeichen des Todes Gottes. Weiß der Teufel, was schrecklicher ist. Neben der boy/ hero-Konstruktion ist dies das zweite Element, das ihm den Rückweg zu den Wundern seiner Erweckung unmöglich macht. (Und im Meta-Plot hat der jugendliche Mensch, von dem wir ausgegangen sind, sein vollgestopftes Zimmer, seinen zweiten oder dritten Geburtsraum, verlassen und sieht sich wehmütig in der Wüste der Wirklichkeit um. Wenn man jetzt zurückkommt, und man kommt immer zurück, dann ist es nicht mehr dasselbe.) Zweifel und Selbstzweifel des Helden sind in ein neues Stadium getreten; sie entwickeln sich inmitten der Tat. »Ich wünschte, ich wüsste, was ich tun soll.« Was kann ich wissen? Wer bin ich? Was soll ich tun? (Bleibt noch die schwerste Frage, nach Immanuel Kant: Was darf ich hoffen?) Mit diesem Selbstzweifel beginnt THE MATRIX RELOADED, schon bevor Neo, Trinity und Morpheus mit ihrem Schiff Nebukadnezar in Zion landen, wo es eine ganze Flotte von Schiffen und eine militärische Führung gibt, die sich auf den großen Angriff vorbereitet. Für einen Augenblick weitet sich der Raum der Erzählung, er könnte Neo, Morpheus und Trinity vom Zentrum an den Rand verbannen: Hunderte von Nebukadnezar-Geschichten könnten nebeneinander laufen. Aber nun muss sich zeigen, dass die Geschichte des Erlösers nicht nur eine innere ist. Morpheus' Schiff ist nach jenem babylonischen König benannt, der sein Leben damit zubrachte, seine rätselhaften Träume zu deuten. Man könnte

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es also mit Fug ein »Aufklärungsschiff« nennen. Das zweite, schnellere Schiff der Menschen aus Zion aber heißt Logos. Da ist aus der Suche schon ein Anspruch geworden. Auch das ist Fortsetzung und Alternative: In den Weiterungen wie dem Spiel Enter the Matrix wird die Logos zum wichtigsten Fortbewegungsmittel, davor war es die Osiris, eine Göttin des Traums. Noch ein Hinweis darauf, dass es sich bei der Entwicklung der Menschen in der Matrix und vor allem außerhalb von ihr nicht nur um die Geschichte vom Mythos zur Religion, sondern auch um die Geschichte vom Träumen zum Wissen handelt. Die Geschichte der Aufklärung und ihres Scheiterns im Schnelldurchlauf. (Je genauer man das MATRIX-Universum betrachtet, desto mehr fällt die geradezu mathematische Strenge der Komposition auf.) Die 250.000 »Kampfdrohnen« bewegen sich auf die Stadt zu, die an rasende Tintenfische erinnernden Stahlroboter, die von den Maschinenherrschern in ihrem mechanischen Stadium zur direkten Kontrolle der versklavten Menschen entwickelt worden waren. Der Krieg zwischen Mensch und Maschine scheint also (an den »Außengrenzen« der Matrix) einen Aspekt der wechselseitigen Hochrüstung durchlaufen zu haben, wie wir ihn aus den TERMINATOR-Filmen kennen und wie er aus der ANIMATRIX-Episode THE SECOND RENAISSANCE für die Chronik des MatrixUniversum belegt ist. Das System der Versklavung, so scheint es, ist notwendig auch eines, das Krieg führt. In der Geschichte der Technik aber ist dieser Krieg nichts anderes als ein Wendepunkt vom rationalen zum irrationalen Wirken. Stand der Dinge im 20. Jahrhundert war ein einfaches Dogma: Das Technische ist das Gegenstand gewordene Rationale in einer Gesellschaft. Und Technik ist alles, bei dem aus einer Idee ein Ding wird, das in irgendeiner Weise funktioniert, das heißt, etwas verbraucht und etwas produziert. Wenn die Maschinen in der Matrix den Menschen nicht als Rohmaterial brauchten, um daraus paradoxerweise nur die Lebensträume dieses Menschen zu produzieren, dann wären sie keine Maschinen. Dass auch die Maschinen als Weltenherrscher wiederum Maschinen erzeugen (und diese wiederum irgendwann gegen sie aufstehen müssen), hat, ironisch genug, schon Stanislaw Lern beschrieben. In Lems Kyberiade ist der Mensch in der Tat nur noch organische Trägerinstanz oder lebende »Geschichte« (das »Zeitwesen«) für die Maschinen (und sagen wir nur statt »Maschinen« »das Maschinelle«, so wird uns durchaus klar, wie sehr wir nicht davor, sondern mittendrin sind). Mehr und mehr indes verliert das Technische seine Bindung an das Ding. Es macht sich in einer anderen Weise sichtbar, nämlich als Bild von Dingen, und es ist dabei nicht mehr so eindeutig an das Rationale in einer

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… METROPOLIS von Fritz Lang erinnert

Gesellschaft zu binden. Die Maschinen werden ästhetisch (und die Ästhetik maschinell). So ersteht die postmoderne Maschine. Die »ihre« modernen und sogar ihre vormodernen Maschinen hat. Die squiddies, das kennen wir schon aus dem ersten Teil, bringen immer wieder etwas für die Menschen zurück, was es in der Matrix eigentlich nicht mehr gibt: Zeit. Während der Mensch in der Matrix, und natürlich Neo, der Erlöser, vor allen, Raum und Zeit als Illusion erkennen kann, wird er umgekehrt in der »Realität« von den Maschinen auf besonders drastische Weise auf seine zeitlichen und räumlichen Begrenzungen gestoßen. Eine entscheidende Frage, die sich die Bewohner und natürlich vor allem die Rebellen in der Matrix stellen müssen, scheint erst einmal einfach: Ist die Technik ein Teil der Geschichte, oder ist sie ein Teil der Evolution? Wäre sie ein Teil der Geschichte, so wäre es ohne weiteres möglich, nach einem technischen Zeitalter eines zu erleben, in dem Technik eine weniger entscheidende Rolle spielte. Wir haben auch dieses Idyll in der Science-Fiction. Entweder läuft die Technik dann für sich allein auf einem moderaten Level, und die Menschen kümmern sich um etwas, was ihnen dann wichtiger erscheint, oder aber, der Krieg, den Maschinen gegen Menschen geführt haben, hat zu einer Trennung der 125

Geschichte der Menschen und der Geschichte der Technik geführt. Dann sind wir wieder in einer barbarischen Welt, aufs MAD MAX-Level zurückgeworfen, in dem ohne weiteres eine Comicfigur zum Abbild eines kommenden Messias werden kann. Es könnte dann entweder alles wieder von vorn beginnen (die Technologisierung sich bis zur nächsten Katastrophe erneut abspielen), oder aber die menschliche Geschichte könnte eine ganz andere Entwicklung nehmen; Spiritualität oder Ritualität könnten das Leben bestimmen, das bewusst auf einem bestimmten technologischen Level festgeschrieben würde. Wenn die Technik aber ein Teil der Evolution ist, der Weg von der Synergie über die Symbiose zur Verschmelzung führt, dann ist dieser Krieg nichts anderes als eine Krise, die zum Quantensprung in der Entwicklung des technifizierten Menschen oder der humanisierten Technik führt. Die Frage, ob der Rebell also ein Humanist, ein Reaktionär, ein Romantiker, ein Verrückter oder ein Heiliger ist, kann gar nicht so einfach beantwortet werden, wie es schien. Wir haben ja schon mehr als einen durchaus zweifelhaften Zug an unserem Helden kennen gelernt, den »Waffen!-Jede-Menge-Waffen!«-Aspekt (Selbstironie hin oder her), die glorreiche Abbildung des Computer»Kranken« beziehungsweise Computer-»Kriminellen«, den coolen Narziss und so weiter. Daher hat Neo in THE MATRIX RELOADED begonnen, auf einer ganz anderen Ebene des Bewusstseins an sich zu zweifeln. Denn was er auch tut, er schafft es nicht, einem Subjekt der maschinellen Herrschaft gegenüberzutreten. Alles was er findet, sind Agenten, alte Programme, verräterische oder geblendete Menschen, Maschinen, die eigentlich nicht viel anders funktionieren, als Maschinen auch im wirklichen Jahr 1999 funktionierten, »altmodische Maschinen« also, Dissidenten und, vielleicht das Entscheidende, »Übergänge«. Die Maschinen, die den Menschen einst aus seiner Welt vertrieben haben, könnten diese Welt schon längst verlassen haben (auch dafür gibt es genügend Beispiele in der Science-Fiction). Und sie könnten eine Mensch-Maschinen-Kultur hinterlassen haben, in der jede Zuordnung zu der einen oder der anderen Seite eine pure Fiktion ist und das einzige, aber wirksame Gesetz der weiteren Evolution darin besteht, dass die einzelnen technologischen wie organischen »Produkte« beständig die Seiten zu wechseln bestrebt sind. Ebenso könnten sie selbst sich als Illusion erweisen, die Menschen haben schließlich die Maschinen in mehr als einem Sinne erfunden. So sehen wir »Maschinen« (»Programmen«) zu, die sich immer menschlicher verhalten, und »wirklichen« Menschen (»Rebellen«), die sich immer maschineller verhalten. Jeder Prozess der Verwandlung aber macht das System komplexer. Also könnten wir

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Ein merkwürdiges Altarbild: Neo und Trinity in THE MATRIX RELOADED

einen Verdacht äußern: Der »Krieg« zwischen den Menschen und den Maschinen entbrennt gerade zu dem Zeitpunkt, da die Technologie nicht mehr Teil der Geschichte ist, sondern Teil der Evolution wird. Woran indes also nicht zu zweifeln scheint, ist die Notwendigkeit der »Revolution«. Überhaupt ist dies, auf den ersten Blick, eher merkwürdig: Warum produziert die Traumfabrik eines militärisch-wirtschaftlichen Empires wie dem der USA und ihrer »Verbündeten« so angelegentlich Fantasien von »Rebellen«? Im wirklichen Leben wäre doch Morpheus nichts anderes als ein manischer Terrorist, Trinity eine Computerkriminelle und die Nebukadnezar ein Fluchtfahrzeug. Aber in THE MATRIX RELOADED sind diese Zweifel ausgeräumt. Der Helden-Status wird neu definiert. Das reloading findet schließlich nach einer tiefen Erschütterung statt; auch in der »Wirklichkeit« des Westens ist der radikale anarchistische Traum zurückgedrängt. Wenn im ersten Teil das Messianische danach befragt wurde, inwieweit es im Blick, in der Erwartung, im Widerspruch konstruiert sei, so wird es in THE MATRIX RELOADED danach befragt, inwieweit es inszeniert sei. Morpheus' Verkündigungen haben sich von den Objekten seiner »Weissagung« längst gelöst, es kümmert ihn weder der Zweifel des Verkündigten noch die Zweifel derer, denen er verkündigt wird. Der beleuchtete Raum, in dem sich Neo und Trinity nach ihrer Ankunft in Zion lieben, erinnert auch an eine Art merkwürdiges Altarbild. Auch die Bogenarchitektur, die sich später bei einem Auftritt von Neo, Morpheus und Trinity wiederholen wird, tut das ihre zur Überhöhung der Szene. Man kann durchaus darauf kommen, dass Gott hier seine Liebe zu dem neuen Menschen ausdrückt. Doch diese Parodien auf Heiligenbilder werden sich in THE MATRIX RELOADED auf eine Weise häufen, dass wir gar nicht mehr anders können, als ihnen zu misstrauen. Allzu oft erscheint

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die Beleuchtung wie aus einem Krippenspiel, und allzu oft scheint sich die Kamera selbst einen pompösen Rahmen für den Auftritt der Protagonisten zu suchen. Die innere Stabilität, die durch das morphing von Zeit, Raum und Bewegung verloren geht, wird nun durch die Komposition des Bildes wettgemacht. THE MATRIX RELOADED scheint noch mehr als sein Vorgänger seine Einstellungen zu »rahmen«. Wie der Western immer wieder auf ganz spezifische Bilder hinauswill (die Liebesnacht am Fluss, der Showdown, der Ritt der »heiligen Familie«), die den Widerspruch zwischen dem Sein und dem Bild des Helden aufheben, so entwickelt auch THE MATRIX RELOADED für sich solche Bilder der Fraglosigkeit, Bilder, die vor allem ihre eigene Apotheose bedeuten. Neo, Trinity und Morpheus also kehren mit der Nebukadnezar und der Besatzung zweier weiterer Schiffe im Auftrag des Rates von Zion in die Matrix zurück, um deren Kraft für den Angriff zu schwächen: Sie müssen den »Schlüsselmacher« finden und mit dessen Hilfe ins Zentrum der Matrix, an das Programm selbst vorstoßen. Auf dem Weg begegnen ihnen alte und neue Bedrohungen: Wieder zerfällt die Erzählung in sorgfältig strukturierte Episoden einer »Heldenreise«. Man könnte dabei jeder dieser Episoden einen eigenen Titel geben, was man im Übrigen bei der Produktion auch getan hat (und vielleicht wäre es durchaus möglich, die Episoden in einer anderen Reihenfolge zu sehen, als sie der fertige Film vorschlägt). Natürlich sind auch die Fähigkeiten der Gegner gewachsen. Die Albino-Killer-Zwillinge sind die neuen Gegner, die sich nach Bedarf entmaterialisieren können. In ihrer Non-Materialität verhalten sie sich in etwa so zu Agent Smith wie sich der T-X zum alten Terminator verhält. Es sind Men in White, selbst ihre Dreadlocks sind hell (schwarze Brillen freilich müssen auch sie in der Matrix tragen). Für Neo aber ist Agent Smith der faszinierendste und gefährlichste Gegner. Smith hat die größte aller Revolten hinter sich. Er ist ein Dissident wie Neo selbst, auch er möchte sich befreien, aber seine Strategien sind gänzlich andere. Er hat es nicht geschafft, Neo zu liquidieren, und er hat den Befehl verweigert, die Matrix zu verlassen (was wohl eine »Lösung« bedeutet hätte). Aber auch er will nun Mensch und wirklich werden. Die kurze Verschmelzung mit Neo am Schluss von THE MATRIX hat ihn so gründlich wie unergründlich verändert. Agent Smith wird dabei aber kein »Guter«. Er ist, wenn das kein Paradox ist, ein »autonomes Programm« geworden. Er vermehrt sich auf erschreckende Weise. Aber das war in gewisser Weise vorauszusehen. Er ist schließlich unter anderem der verworfene Karriere-Typ des vergangenen Jahrzehnts, dem man nun wirklich überall begegnete. Einer, der trägt, was die Zeitschrift Cinema in Beantwortung einer Leseranfrage beschreibt: Zur

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Sonnenbrille Predator 2 von Ray Ban braucht man »ein weißes Hemd, zum Beispiel von Windsor (um 80 Euro), den Rest in Pechschwarz: Krawatte von Boss (um 50 Euro), einreihiger Anzug von René Lazard (um 500 Euro), Halbschuhe von Crocket & Jones (um 250 Euro). Tragen Sie dazu unbedingt schwarze Socken ohne Muster!« Agent Smith also scheint das Gespenst des Markenkults der unerträglichen (und unerträglich teuren) 90er Jahre, ganz bestimmt nicht der übliche Schurke (schon vor seinem Rollenwechsel war er Sympathie- und Werbeträger). Ein betrogener Betrüger, eine Figur wie von Bret Easton Ellis, wie aus Glamorama oder American Psycho. Das Symptom des neoliberalen amerikanischen Empire, wie einst ein bestimmter Typ des Offiziers das Symptom des alten Empire war, der unweigerlich, nachdem er sich auf dem Schlachtfeld als großer Rationalist bewährt und als Ökonom ein perfektes System der Ausbeutung gesichert hatte, in einen melancholischen Dandy und einen psychotischen Mörder zerfiel. Der Dissident Smith ist aus dem Programm gelöst; was ihn bedroht, ist die schlichte »Löschung« (was gibt es dagegen Besseres als die Vermehrung?). Die Beziehung zu Neo freilich ist höchst komplexer Natur, und beide wissen nicht wirklich, wie sie zustande kam: »Ich verstehe nicht ganz, wie es passiert ist«, sagt Smith, »möglicherweise wurde irgendein Teil von Ihnen auf mich übertragen, irgendwas überschrieben oder kopiert.« Er ist unvollkommen reloaded, könnte man wohl sagen. Die wundersame Vermehrung des Agenten Smith ist also Produkt einer nicht minder wundersamen Verschmelzung. Dupliziert sich der Erlöser da seinen own personal satan? Aber vielleicht täuscht das alles auch, die Maske des teuren Konformismus, der semiotische Hinweis auf Durchschnittlichkeit, die beliebige Vermehrung: Agent Smith macht einen Prozess zur Individualisierung durch, den Neo in THE MATRIX RELOADED schon wieder verloren hat. Denn er lebt längst in einem anderen Paradox, nämlich dem der freiwilligen Pflichterfüllung. So wird für ihn (wie für uns Zuschauer) der Wechsel zwischen »Philosophie« und Action noch mehr zu einer Art der zwanghaften Flucht. Die beiden Aspekte im Diskurs von Gefangenschaft und Befreiung haben ein wenig den Zusammenhang verloren, und das kann man so sehr als »Fehler« wie als »Symptom« interpretieren. Ein Action-Highlight dabei, nach dem Kampf Neos mit dem vervielfältigten Agent Smith, bildet zweifellos die 14 Minuten lange Verfolgung auf dem Freeway (für die ein veritables Stück Autobahn in der uns bekannten materiellen Wirklichkeit gebaut wurde), die auf die Entführung des Schlüsselmachers folgt: Während Trinity auf

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ihrem Motorrad auf der falschen Fahrbahnseite durch den dichten Gegenverkehr rast, muss sich Morpheus auf dem Deck eines Trucks eines der Agenten erwehren, und Neo schließlich setzt seine (neuen) Flugkünste ein, deren er sich am Ende von THE MATRIX gewahr wurde. Der Freeway ist offensichtlich immer noch einer der gefährlichsten Orte der Welt. Trinity zu Morpheus: »Du hast immer gesagt, ich soll wieder den Freeway meiden. Du hast gesagt, es wäre Selbstmord – das waren deine Worte.« Es schachteln sich hier die Situationen und Konflikte ineinander (auch hier kann man den Unterschied zu der ähnlich spektakulären Autobahn-Crash-Szene in TERMINATOR 3 sehen, in der es vor allem um die Situation eines einfachen Duells der beiden Cyborgs geht, bei denen die Menschen lediglich Opfer sind): Es gibt die Verfolgung durch die Polizei, dann tauchen die mörderischen Zwillinge auf, und schließlich auch noch die Agenten. Der Wechsel ist das Medium des Kampfes. In den verschiedenen Kämpfen entwickelt der Erwählte seine Fähigkeiten weiter. Das geht freilich für diesmal in dem Action-Wirbel beinahe unter. Die verbindende fulminante Actionszene, die der Autobahn-Sequenz vorausgeht, ist der Kampf Neos im Haus des Merowingers, die Szene der Befreiung des Schlüsselmachers, in der die prunkvolle Einrichtung einer Schlossvilla fantasiereich in einen ausgeprägten fight miteinbezogen wird und den Glamour alter Piraten- und Ritterfilme mit der Eleganz eines Shaolin-Movie verknüpft. Diese drei jeweils ausgedehnten Kampf- und Actionszenen sind nach durchaus fundamentalen Prinzipien zueinander komponiert: der Körper, der Gegenstand, die Maschine. Das Duell, die Schlacht, die Flucht. Der Platz, die Straße, der Raum. Das Individuum, die Gruppe, die Masse. Und drei Dimensionalitäten. Der Kampf an einem »Punkt«. Der Kampf in einem Raum. Der Kampf in der Bewegung. Die Ausweitungen der Kampfzone sind zugleich Ausweitungen der Selbstwahrnehmung. Der Raum setzt sich in Bewegung. Man erkennt solche Mathemagie der Komposition leichter, wenn man einen Augenblick aufhört, so verdammt literarisch, architektonisch und psychologisch zu denken. Um diese eye catcher-Szenen ist die Handlung des Films herum komponiert. Man konnte sie als »Prüfungen« bezeichnen, bei denen jedes Mal Neo etwas über sich erfährt und auf die Probe gestellt wird. Wenn Neo in THE MATRIX gelernt hat, sich die willkürlichen Beziehungen von Zeit und Raum in der Simulation der Matrix zunutze zu machen, dann lernt er in THE MATRIX RELOADED Kontrolle über die Matrix selber. (Konsequenterweise ist die letzte Frage, ob das auch die Kontrolle über Leben und Tod miteinschließt.)

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Den vier großen Action-Sequenzen (Trinitys einsamer Kampf zu Beginn, der burly fight mit den multiplizierten Agenten, die Freeway-Szene, die Auseinandersetzung mit den Killern des Merowingers), die man ohne weiteres auch als »Tänze« begreifen kann, stehen vier dramatische Ortsund Personenstücke, Sequenzen der Begegnung gegenüber: die Ankunft in Zion, die Wiederbegegnung mit dem Orakel, die Begegnung mit dem Merowinger und seiner Frau Persephone und schließlich die mit dem »Architekten« des Programms. Da ist also die neuerliche Begegnung mit dem Orakel. »Meine Güte, sieh dir das an. Du hast dich ja ganz schon rausgemacht, nicht wahr?«, begrüßt sie ihn (ein wenig wie man ein Kind begrüßt, das in der Zwischenzeit einige wichtige Schritte zum Erwachsenwerden hinter sich gebracht hat). Hier bekommt Neo den entscheidenden Hinweis auf den Schlüsselmacher. Immer geht es um die Frage, wie sich das Orakel zum Leben (Geschichte oder Evolution) verhält. Kommentiert das Orakel »nur« das Geschehen oder treibt es dies auch voran? Erinnern wir uns daran, dass es nach Morpheus' Worten (okay, wir glauben ihm mittlerweile nicht mehr unbesehen und alles) das Orakel war, das den Krieg und die Rolle des Auserwählten dann vorhergesagt hat. Neo, der offensichtlich keine »natürliche Familie« hat – jedenfalls erfahren wir nie etwas von Vater, Mutter oder Geschwistern, die man doch vielleicht, als eben Erweckter, als Erstes gerne auch aus dem Sklavenschlaf erwecken würde, hat zwei konkurrierende Vater (Morpheus und den Architekten) und zwei komplizenhafte Mütter (Trinity und das Orakel). Neo begegnet dem Orakel, auf einer Parkbank auf einem Platz, der an eine Oase in der Großstadtarchitektur erinnert. Zuvor gab es noch einen Kampf, eine weitere »Prüfung«, mit dem Leibwächter des Orakels, Seraph (dem Wächter-Engel vor dem Paradies). »Erst wenn du mit jemandem gekämpft hast, kennst du ihn richtig.« (Auch das steht in Kontrast mit den Elementen des ersten Teiles, wo es vor allem galt, im Kampf das Wissen um sich selbst zu entwickeln.) Dort auf der Straße gibt es Vögel, es ist zugig, wie es auf einer Piazza der Fall zu sein pflegt, aber es ist durchaus auch ein nur Bild davon, das an die Gemälde von Giorgio de Chinco erinnert, ohne die Luft, die man als wirklicher Mensch zum Atmen benötigte (was Morpheus in THE MATRIX für die Welt seiner Simulationen konstatierte). Es ist nicht der Wind, der auf einer virtuellen Piazza ein Stück Papier bewegt, es ist, ganz im Sinne buddhistischer Aspiration, der Geist, der dies tut. In dieser Szene ist das Orakel noch mehr das, was seine Erscheinung nahe legt: eine alte afroamerikanische Frau, deren humorvolle Gelassenheit

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an Weisheit grenzt. Hier möchte man am liebsten die Zeit anhalten. Und hier, im Verschwinden des Orakels (melancholisch genug der Umstand, dass die Darstellerin Gloria Foster, kurz nach den Dreharbeiten, im September 2001, verstarb), wird die Zeit auch auf besondere Weise bewusst. Was Neo schließlich von sich erfährt, kehrt die Prämisse seines Lebens noch einmal vollkommen um: »Du bist nicht hergekommen, um die Wahl zu haben. Du hast schon gewählt. Du bist hier, um zu verstehen, warum du dich so entschieden hast.« Der lebende, der handelnde und der reflektierende Mensch, die berühmte Dreiheit der Sinngebung (die man, was das Kino anbelangt, am besten an den Marx Brothers exemplifiziert, wo sie so beglückend zur Unsinnsgebung missbraucht werden) ist hier in einer der vielen Sentenzen reflektiert, die bequem in die Sprechblase eines Comic passen. Für wenig wohlwollende Kritiker ist gerade diese Sentenzhaftigkeit der Dialoge in THE MATRIX RELOADED der Beweis dafür, dass es sich um schiere Prätention handelt. Wer sich allerdings die Mühe und das Vergnügen macht, die wahren Urheber dieser Sprechblasen-Texte (warum übrigens sollten Sprechblasen-Texte, wie es die politische Rhetorik will, weniger taugen als Fließtexte?) zu ergründen, wird zumindest erstaunt sein. In diesem Fall handelt es sich, vielleicht, um eine Kurzform des Heideggerschen Wissens um »das Gefragte«. Mal einfach gesagt (und schon im Erwachen von Neo in THE MATRIX angedeutet): Wenn man weiß, wonach man fragt, dann steckt in der Frage eine definitive Einengung der möglichen Antworten. (Stellen Sie einmal die Frage: Bin ich frei?) Neo ist diesmal – nachdem er in THE MATRIX Erweckung und Erwählung erlebte – der Held, der in die Unterwelt hinab muss, nach dem ewigen Schema von Sendung, Prüfung, Opfer, Reife und Wissen. Er muss in die Welt der Matrix hinein, um ein Geheimnis zu lösen – und wen könnte es verwundern, dass er kein anderes Geheimnis zu lösen hat als das seiner eigenen Existenz. Die Heldenlegende von THE MATRIX RELOADED folgt der Struktur des Mythos und steckt doch voller Retardierungen und ironischer Schlenker. Wenn es die Aufgabe der »Prophetin« oder eben des Orakels ist, den Helden auf den richtigen Weg zu führen, dann haben wir es hier mit einem Fall nicht allzu ausgeprägter Menschenliebe zu tun. Sie scheint sich eher lustig über die zu machen, denen sie Erkenntnis und Rat zukommen lassen soll, ihre Fähigkeit, in die Zukunft zu sehen, beschränkt sich auf kleine Blicke in das nahe Kommende, und Neo weiß nie so recht, ob er nun eigentlich dem Orakel folgt oder nicht. Und doch ist er durch das Orakel geführt, von dem nicht zu sagen ist, ob es Teil des Systems ist.

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Die erste Aufgabe also ist es, den Schlüsselmacher aus dem unterirdischen Reich des Merowingers zu befreien. Dieses Reich ist ein Überbleibsel einer früheren Version der Matrix. Eine verschlungene Escher-Welt, die man nur mit dem Zeichenstift oder dem Computer erzeugen kann. Der Merowinger hat, wie er sagt, »alle Sprachen probiert«. Aber natürlich verwendet er am liebsten das Französische, weil man in dieser Sprache so elegant fluchen kann: »Nom de Dieu de putain de bordel de merde de saloperie de connard d'enculé de ta mère.« Ist das nicht in der Tat wie sich den Arsch mit Seide abwischen? Der Merowinger ist die Parodie eines dekadenten französischen Bourgeois, der zum Essen einen Chàteau Haut-Brion 1959 bevorzugt, der nicht seine Moral, sondern seine »Kultur« als Legitimation für sein Handeln verwendet. Weil er zum Genuss der Welt befähigt ist, glaubt er sich auch dazu berechtigt – insofern ist er, nebenbei, eine Abbildung des panischen Genussmenschen aus der Gründungszeit des Neoliberalismus, den 80er Jahren. Der Meta-Gewinner, der sich noch über die kleinbürgerlichen Agenten des Neoliberalismus erheben konnte, über die Smiths dieser Welt. So hatte das Orakel das Wesen der Macht beschrieben: Was wollen die Mächtigen? Mehr Macht. Für den Merowinger, das ist in der Tat ein »altes Programm«, bedeutet Macht Genuss und Genuss Macht. Die neuen Programme der Macht lassen sich so nicht mehr begrenzen. Der Name des kleinen Seiten-Tyrannen in dieser digitalen Unterwelt erinnert an das Herrscherhaus der Franken, das der Herrschaft Karls des Großen vorausging und eine spezifische Form der Despotie pflegte: das Reich nicht als Verpflichtung und Erbe, sondern als persönlicher Besitz und eine besondere Art der Verschwörung, nämlich der des Blutes. Die »Merowinger-Theorie« ist eine der bizarrsten Angebote im Katalog der Verschwörungstheorien; sie besagt, dass bestimmte Herrscher (natürlich behauptet man das in den USA am liebsten von den amerikanischen Präsidenten) insgeheim miteinander verwandt sind. Es ist das Inzestuöse selber, das sich als Verschwörung über eine Welt legt, deren Motor die Diversifizierung ist. Aber wie denkt eine Maschine das Wort »Blutschande«? Die Beziehung, in der der Merowinger und Neo zueinander stehen, ist wohl ein wenig komplizierter, als dass da nur ein böser König bezwungen werden müsste. In den Internet-Foren wird sogar diskutiert, ob dieser Merowinger nicht etwa einer von Neos Vorgängern sei, Subjekt einer der fünf bereits gescheiterten und integrierten Revolten in der Matrix also, von denen wir am Ende des Films erfahren. Ein gefallener Engel mag er durchaus sein, einer von denen, die ihre Dämonen in den Kampf gegen die Menschen schickten.

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Der Merowinger ist ganz sicher ein Mensch vor einer Zeitenwende (erinnern wir uns an die »süßen Tage vor der Revolution«), und seine Gattin Persephone erinnert uns nicht nur daran, wie sehr er einem Herrn der Finsternis zugeordnet ist, sondern auch, dass er zwischen der Antike und dem Abendland steht, in seiner Dekadenz möglicherweise unfähig, das eine oder das andere wirklich zu sehen. Wenn er die Wirkung eines aphrodisierenden Desserts im Körper einer Frau zeigt, die wiederum aus den digitalen Zuständen eins und null besteht, dann hat er seinen Weg des sadistischen »Schreibens« in den Körper hinreichend erklärt. Und es ist gewiss nicht zufällig, dass es gerade er ist, der den Schlüsselmacher bewacht, gerade er will, dass Türen aufgestoßen werden. Gefangen in den süßen Tagen vor der Revolution, kann freilich kein Merowinger sie verhindern, und wenn er sich noch so arrogant der Modernisierung widersetzt. Es ist der Begründer der Revolution ex negativo. Persephone ist in der griechischen Mythologie eine Tochter des »Göttervaters« Zeus und der »Erdgöttin« Demeter, die bereits als junges Mädchen von Hades, dem Gott der Unterwelt (und Bruder des Zeus) entführt wurde. Auf der Suche nach ihrem Kind klagte Demeter den Göttern ihr Leid, und Helios, der Gott der Sonne, konnte ihr immerhin erzählen, wohin Persephone verschleppt worden war. Demeter ließ daraufhin kein Getreide mehr auf der Erde wachsen, bis Zeus schließlich nachgab und seinen Bruder zu zwingen bereit war, Persephone freizugeben. Aber Hades hatte die Schöne bereits durch einen Liebeszauber für sich gewonnen. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden: Zwei Drittel des Jahres soll Persephone als Herrscherin der Unterwelt im Totenreich bleiben, ein Drittel aber bei ihrer Mutter Demeter im Land der Fruchtbarkeit und der Sonne weilen. Dunkelheit und Kälte auf der Welt sind ihr Werk, aber immer wieder kann sie auch den finsteren Hades vor allzu großer Grausamkeit zurückhalten. Und genau das tut Persephone im entscheidenden Augenblick in THE MATRIX RELOADED, wenn auch ganz gewiss nicht aus besonders edelmütigen Motiven. Sie will einen Kuss, einen richtigen Kuss von Neo. Sie beneidet Trinity um ihn und will sich wieder an das Gefühl erinnern, geliebt zu werden. Für diesen Kuss, den Persephone einfordert, erfahren die Verschwörer des Wirklichen den Weg zum Schlüsselmacher. Und so beginnt die wilde verwegene Jagd auf der Autobahn, während Neo mit den Wächtern und Dämonen kämpft. Der Freeway ist aber der gefährlichste Weg aus der Matrix heraus. Der »freie Weg« ist eine Falle im Weg zur Freiheit. Trinity aber bleibt bei ihrer Flucht gar keine andere Wahl.

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Neo hat den Schlüssel zum Zentrum, wo er auf den Architekten trifft. Dort muss er zwischen zwei Türen wählen, wieder so ein Märchenmotiv. Und all die Gefahren, all die Umwege, sie können doch nur genau dorthin führen, wo man hin sollte. Die Untersuchung ist damit in das Stadium der Dreiheit getreten: die Reflexion. Wenn Keanu Reeves mit seiner Deutung der Trilogie Recht hat – erster Film: Die Geburt, zweiter Film: Das Leben, dritter Film: Der Tod (so einfach ist das nicht, beeilt sich Produzent Joel Silver zu berichtigen) – dann ist die (Cliffhanger-) Sequenz am Ende von THE MATRIX RELOADED nichts anderes als der Übergang vom Leben zum Tod. Sie beinhaltet gegenüber der Entscheidung allerdings auch eine gehörige Portion Fatalismus. »Die Entscheidung ist gefallen« ist ein durchaus schmerzhaftes Urteil über das Leben. »Er versucht sich mit dem zu arrangieren, was man von ihm erwartet«, so charakterisiert Keanu Reeves seine Neo-Rolle in THE MATRIX RELOADED. Die große, heroische Geste der Entscheidung ist nicht wiederholbar, das macht die unterschwellige Trauer des Films aus. Wenn es im ersten Teil um Freiheit ging, dann im zweiten um deren Zweck. Jeder Zweck frisst die Freiheit. Was den Helden, der nun tatsächlich dem Modell eines Helden unterliegt, jetzt treibt, sind Anforderungen wie »Pflicht«, »Verantwortung«, Bestimmung und Erwartung. Er muss tun, was zu tun ist. Das ist eine merkwürdige neue Form der Gefangenschaft, die durch seine neuen Fähigkeiten nicht wettgemacht wird. Und auch nur bis zu einem gewissen Grad durch die Liebe: Ist der Preis für die Liebe das Erwachsenwerden? Oder die einzige Form der Erlösung aus diesem neuen Gefängnis? Jedenfalls ist es nun an Neo, das Prinzen-Werk am göttlichen Dornröschen zu vollbringen. Die Erkenntnis eines einmal in Gang gesetzten Prozesses bleibt auch nicht ohne Auswirkung auf seinen Anreger, Morpheus. Auch er verliert in gewisser Weise seine Unschuld; aus dem Visionär und Propheten, dem Erwecker, ist ein fanatischer Lehrer und Führer geworden, der sich ohne weiteres über den Glauben und die Empfindungen des Volkes hinwegsetzt, und gerade deshalb begegnet nun auch er dem Zweifel. Neo, sein »Geschöpf« ist nun, wir kennen auch das aus der Geschichte von Johannes dem Täufer, um so vieles »größer« geworden als er selbst. Das große Glück, das in seinen Zügen zu lesen war in THE MATRIX, als er den Erlöser erkannte, das kann sich in THE MATRIX RELOADED nicht wiederholen. Nicht zuletzt hat auch Trinity eine Veränderung vollzogen. Der Aspekt des »heiligen Geistes« der Erleuchtung ist zurückgetreten, neben der liebenden Frau ist sie nun vor allem »Kriegerin«. Und nicht zu vergessen, die

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Hyperrealismus in THE MATRIX RELOADED (Trinitys Bildschirm): …

legendärste Hackerin in der Welt der Matrix. Übrigens gehört es zum Hyperrealismus von THE MATRIX RELOADED, dass ihr Vorgehen am Bildschirm als vollständig authentisch zu verfolgen ist. Was macht sie? »She whips out Nmap version 2.54BETA25, uses it to find a vulnerable SSH Server, and then proceeds to exploit it using the SSH1 CRC32 exploit from 2001« (so zu lesen unter www.insecure.org). Zugegeben, ich habe nicht die geringste Ahnung, was das im Einzelnen bedeutet. Aber die Fachleute sind sich einig: Es funktioniert wirklich! Für die Narration des Films hat das zwar keine Bedeutung, aber neben dem endlosen Fließen zwischen dem Hyperrealen und dem Surrealen hat so etwas eine klare Botschaft: Die Wachowskis und ihr Team nehmen die Computerleute ernst. Sie lassen nicht Schauspieler mit stierem Blick sinnlose Buchstabenkombination in die Tasten hauen, um uns das als »Hacken« zu verkaufen. Sie und ein paar nicht unbedeutende Leute im Zuschauerraum wissen, worum es geht. Es ist freilich die »Befreiung« von Agent Smith, die den größten Wechsel bedeutet. (Das gehört zu den Bällen, die schon in der Luft waren und in THE MATRIX RELOADED gekonnt zu neuen Wurflinien gebracht werden; nicht mit allem gelingt das so gut.) Er ist das Programm, das die anderen menschlichen Impulse in sich entdeckt: Zorn und Eifersucht, auf der einen Seite, aber auch die Sensationen des Organischen. Agent Smith beginnt, schon im ersten Teil, zu riechen und zu schmecken. Er empfindet »Haut«, und das bedeutet nichts anderes als etwas, was ein Programm nicht kann, nämlich innen und außen voneinander zu unterscheiden. Beginnt nicht mit dieser Scheidung das Menschsein, lange bevor es einen Begriff dafür gibt, wie, meinethalben, »Geist« oder »Seele«? Agent Smith leidet unter diesem Syndrom der Menschwerdung. Er empfindet es vor

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… Die Wachowskis und ihr Team nehmen die Computerfreaks ernst (Die Seite http://www.cert.org/incident_notes/IN-2001-12.html)

allem als Schwäche. Sich zu spalten, gleichsam zur Masse zu werden, ist eine Reaktion auf die Empfindung dieser Schwäche. Aber was in THE MATRIX RELOADED für ihn beginnt, ist jenes Ungeheuerliche, das ihn antreibt und isoliert: der Genuss. Agent Smith entdeckt den Sadismus als hervorragendes Medium der Selbsterfahrung. In bestimmter Weise ist er freier als Neo, so wie de Sade freier als der moralische Terror der Revolution war. Er entwickelt sich so sehr vom Zweck zur Freiheit, wie sich Neo von der Freiheit zum Zweck entwickelt. Die Verzweigungen in diesen Prozessen der Veränderung führen zum Auftauchen neuer Figuren auf beiden Seiten. Da ist der loyale Programmierer Link, den seine Frau Zee inständig bittet, nicht wieder hinaus (oder genauer: hinein-)zufahren, der sich aber ihren inzwischen toten Brüdern Tank und Dozer verpflichtet fühlt. Schwarze Mittelstands-Abbildung der Trübnis, ein Held sein zu müssen. Eine Abspaltung der Kriegerin ist Niobe, Kapitän der Logos, des kleinsten und schnellsten Schiff der menschlichen Widerstandsarmee (und Hauptdarstellerin des Computergames Enter the Matrix). Offensichtlich gibt es kaum jemand mit so viel Gewissheit wie sie. »Niobe«, so charakterisiert sie die Darstellerin Jada Pinkett Smith, »verlässt sich ausschließlich auf sich selbst. Sie lässt sich von ihrem animalischen Ego leiten, wirkt äußerst arrogant. Nur eines ist wichtig: Sie hat das Herz eines Soldaten. Sie kennt ihre Aufgabe genau und ist bestens darauf vorbereitet.« (Aber natürlich sollte sie und sollten wir gewarnt sein: Niobe, die Königin von Theben, war so schön, stark und glücklich, dass sie die Götter auf sich eifersüchtig machte, und als sie sich mit ihrem Glück auch noch brüstete und der Titanentochter Leto und

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ihren Zwillingen den Gottesdienst verweigerte, mussten ihre sieben Töchter und ihre sieben Söhne durch die Pfeile der Götter sterben, und sie selber versteinerte vor Schmerz – aus den steinernen Augen fließen auf ewig die Tränen der Trauer.) Niobe liebte einst Morpheus; nun ist sie mit Commander Lock zusammen (in dessen Namen wir förmlich die Tür sich schließen hören). Sie erklärt allerdings, ins Vage hinein, dass es Dinge gibt, die sich nie ändern. Niobe ist ein mögliches Ende der Figur der Trinity, eine Kriegerin, die nicht von der Liebe erlöst werden kann – oder schon von ihr verraten wurde. Es ist eine Revolte, die erst zu produzieren vermag, wogegen sie sich richtet. Der Merowinger dagegen ist ein mögliches Ende der Figur von Agent Smith. Die sadistische Selbsterfahrung ist zu einer perversen Inszenierung der Sinne geworden. Die Genusssucht des Merowingers dreht sich in einer absurden Spirale nach innen: Sie zerstört seinen Genuss der Welt. Sie macht ihn emotional taub. Der Code wird zur Selbsttäuschung. Das Ende seines Genusses freilich ist die Frau, die Liebe verlangt. Persephone; mehr Unterwelt noch als er und dennoch für die Oberwelt nicht verloren. »Man könnte«, sagt die Darstellerin Monica Bellucci von der Gattin des Merowingers und ihrem Gemahl, »die beiden als Vampire bezeichnen: Sie versuchen, Gefühle in anderen auszulösen, um sich daran zu weiden. Persephone wirkt sehr elegant, sehr raffiniert, ist aber durch und durch korrupt und setzt ihre Macht skrupellos ein, um das zu bekommen, was sie will – Gefühle.« Wenn sie für einen Kuss von Neo den Schlüsselmacher ausliefern will, dann denken wir natürlich zuerst an Erotik und eben an den Vampirismus der Gefühle, von dem die Schauspielerin sprach. Aber der Kuss hat in der unterliegenden Märchen-Struktur der MATRIX-Legende ja auch noch eine andere Bedeutung. Im Mythos von Dornröschen kann die Schöne nur wachgeküsst werden, und Neo verdankt sein Leben dem Kuss von Trinity, was seine Umkehrung erfährt am Ende von THE MATRIX RELOADED. Alle sind sich der Bedeutung dieses Symbols bewusst. Es ist purer Hohn, wenn Persephone zu Trinitys Eifersucht meint: »Solch eine Emotion wegen so einer Belanglosigkeit.« So ist sie nicht nur Konkurrentin – in der Kuss-Szene sehr deutlich –, sondern auch das andere Ende der Figur der Trinity. So wie sich in Niobe die Kriegerin verselbstständigt, so verselbstständigt sich in Persephone die Sehnsucht nach dem Gefühl. Das Prinzip der narrativen Zellteilung setzt sich weiter fort bis in die Nebenrollen hinein. Die gespenstischen Zwillinge wiederum, die ihre »Mission« sogar über die Form setzen, dämonisch und animalisch, sind das andere Ende eines Charakters wie Agent Smith (und übrigens auch Reprä-

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sentanten einer anderen Form der Spaltung). Und schließlich ist da der »Schlüsselmacher« im Zentrum der Matrix, eine auf den ersten Blick vor allem märchenhafte Figur. Oder eine literarische von hübscher Paradoxie: Das Wesen, das die Schlüssel für alle Räume herstellen kann, ist selber gefangen in dieser Beschäftigung, in einem Raum wie dem, in dem Neo am Anfang von THE MATRIX seine Erweckung erlebte. So wird er zum anderen Ende der Figur des Morpheus. Ein fataler, unerlöster Gott und Prophet, der dem Schicksal selbst ausgeliefert ist, obwohl er die Schlüssel dafür doch selber herstellt. Offensichtlich also verhalten sich die neuen Figuren von THE MATRIX RELOADED wie Schatten der ursprünglichen Figuren. Es sind insofern »Monstren«, als sie aufzeigen, was aus ihnen werden kann. THE MATRIX RELOADED zerfällt noch mehr in einzelne Sequenzen, die zum Teil nur für sich stehen (und der Vorwurf an die Freeway-Szene, nichts anderem zu dienen als der Demonstration filmischer Möglichkeiten, ist in der Tat schwerlich von der Hand zu weisen), zum Teil in einem Kontext des Films, zum Teil in einem der Trilogie, und schließlich zum Teil auch im Kontext des MATRIX-Kosmos (einschließlich der Animationsfilme und der anderen Verzweigungen). In THE MATRIX RELOADED, auch dies mag mit ein Grund für eine gewisse Enttäuschung gewesen sein, wird klar, dass das Versprechen einer großen Erzählung (als Keim einer Kunst-Religion wie in STAR WARS) wohl nur auf eine ganz eigene, fraktale Weise eingelöst werden kann. Immer scheint es möglich, dass das ganze Unternehmen unserer Sehnsucht nach Konsistenz eine lange Nase dreht. Wir dürfen uns einem gewaltigen Mosaik stets ebenso nahe fühlen wie einem nicht minder gewaltigen Scherbenhaufen. Die Schöpfungsgeschichte wird in der Matrix auch rückwärts geschrieben, von göttlicher Perfektion zu menschlichen Fehlern. Das hat Agent Smith schon in THE MATRIX erklärt. Nicht das perfekte Paradies, sondern ein logisches System des Leidens schien den Menschen angemessen. Und nun wiederholt es der Architekt des Programms: »Die erste Matrix, die ich kreiert habe, war natürlich perfekt. Ein absolutes Kunstwerk.« Die folgenden Teile dieser virtuellen Schöpfung waren vereinfacht und »verschmutzt«. Es scheint, als sei die Tatsache, dass diese schöne neue Welt von den Menschen nicht angenommen worden ist, das große Trauma der Maschinengottprogramm-Einheit und als sei gerade dadurch erst dieser unterschwellige Hass auf die Geschöpfe in der Matrix zu verstehen. Statt dass Gott die Menschen aus einem Paradies vertrieben hätte, haben die Menschen sich entschlossen, es freiwillig für ein Überangebot von Blut, Schweiß und Tränen aufzugeben.

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Die Vertreibung aus dem MATRIX-Paradies Am Ende steht Neo dem Schöpfer der Matrix gegenüber, und er muss erfahren, dass er sich bereits in der sechsten Version des Erlöser-Programms befindet. Die Erscheinung eines Erlösers, so muss Neo erfahren, ist in der Matrix Produkt einer »Anomalie«, die alle paar Jahre wieder auftrete, damit sie das Programm durchquere, um, im Glauben, die Wirklichkeit des Menschen zu retten, ins Zentrum der Matrix zu gelangen und dort den Zentralrechner neu zu booten. Andernfalls droht ein Systemabsturz, der auch das Ende aller an die Matrix angeschlossenen Menschen bedeutete. Will das System also nur vom Rebellen lernen, so wie man von den Hackern lernt, einen Angriff abzuwehren? Oder will es etwas viel Schrecklicheres: den Menschen erzeugen, der es endlich abstellt? In der christlichen Auslegung der Matrix-Legende ist nur allzu klar, dass es sich bei den ersten fünf Versuchen der Erlösung um Analogien zu den fünf Büchern Mose und also zum Alten Testament handelt. Das sechste Kapitel ist das von Jesus und also das Neue Testament. Das Buch, das ein neues Empfinden ins Spiel bringt: die Liebe. Eben das, was den Mythos der ewigen Wiederkehr bezwingt. Das ist die nächste Wahl für Neo: in den nächsten Zyklus eintreten oder – wie es vom christlichen Erlöser hieß – den Zyklus unterbrechen. Zwischen zwei Türen muss er nun also wählen: Die eine führt zur Quelle der Matrix, zum Neustart des Systems und zur Rettung von Zion. Die andere Tür führt zurück in die Matrix und zu Trinity, wird aber unwiderruflich zum Systemabsturz führen – was, so der Architekt, zusammen mit der Vernichtung Zions »schließlich die Auslöschung der gesamten menschlichen Rasse zur Folge haben wird«. Neo entscheidet sich für die zweite Tür. Der Erlöser trägt die Hoffnungen beider Seiten, der Menschen, die sich von den Maschinen befreien wollen, und der Maschinen, die sich von den Menschen befreien wollen. Weil sie die Menschen nicht vernichten können, benötigen sie dazu einen Menschen, und der Erlöser sollte niemand anders sein als derjenige, der die Vernichtung der Menschen bewerkstelligt. (Um es einmal blasphemisch zu formulieren: Der Erlöser ist ein »schwarzer Peter«, der zwischen den Parteien wechselt.) Offensichtlich geht es nun für Neo, zum ersten Mal vielleicht, darum, zugleich zu wählen und das Ausmaß der Wahl zu erkennen. Neo kann diese Zumutung nur mit einer verzweifelten und radikalen Geste abwehren, deren Gehalt im Übrigen von den meisten der missmutigen Kritiker und Kritikerinnen von THE MATRIX RELOADED übersehen

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wurde: »Im Zweifel, so Botschaft von Teil Zwei«, schreibt dagegen Robin Detje, »nützt der Glaube wenig. Der Auserwählte selbst muss seinem Mentor Morpheus gestehen, dass es falsch war, in einem konservativen Rückgriff auf vortechnische Religiosität auf ihn zu hoffen, dass die Prophezeiung eine Lüge war. Der Messias kann seiner Gemeinde nur noch nützen, indem er selbst nicht mehr an sich glaubt und sich gegen ein System stellt, das ihn als eine Art Kontrollmechanismus vorgesehen hat. Eine recht kritische Auslegung historischer Quellen, wie wir sehen, geprägt von der Aufklärung, die jedem Individuum die Fähigkeit zur Erkenntnis zusprach. Nun ist jeder Messias für sich selbst verantwortlich.« Von diesem Ende her nun sehen sich auch etliche Dinge wieder anders an, die wir zunächst als eindeutige Statements oder gar Zugeständnisse an den Mainstream angesehen haben mögen. Die gesellschaftliche Realisation des Messianischen, und um nichts anderes handelt es sich in der Geschichte des Widerstands in THE MATRIX RELOADED, ist genauso gescheitert wie die metaphysische Konstruktion (nämlich zugleich Teil des Systems zu sein und außerhalb davon). Nicht nur Neo als handelndes und denkendes Subjekt, nein, vielmehr Religion als ganzes, vom Disco Rave der Gläubigen bis zur Mystik der Erwartungen, entpuppt sich als Teil des Spiels. Die Kette des »Aufwachens« ist also noch lange nicht zu Ende. Auf die Erkenntnis und die Moral kann nur die Konstruktion des Subjekts folgen. Der letzte Schritt zum Erwachsenwerden, auf den die Mehrzahl von Neos (also unseren) Zeitgenossen diesseits und jenseits der Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit, diesseits und jenseits des Bildschirms, wohlweislich verzichtet. Wo aber könnte die Kette des Erwachens enden? Werden die Programme nicht umso weniger perfekt sein, je perfekter der Fehler, der Erlöser, der aus dem Déja-vu geborene Typus des Menschen ist? Die Erkenntnis seines Eingebundenseins ins Programm der Matrix kommt nur einerseits wie ein Schock daher. Andererseits ist es durchaus Teil der bereits im ersten Teil konstruierten Struktur von Gewissheit und Zweifel. Was Neo nun wohl aufgegeben ist, ist seine Wiederkehr zu akzeptieren. Vielleicht in der Form der Wiederkehr, die Nietzsche für sich rekurriert, als »höchste Form der Bejahung« (im Zarathustra): »Nun sterbe und schwinde ich, würdest du sprechen, und im Nu bin ich ein Nichts. Die Seelen sind so sterblich wie die Leiber! Aber der Knoten von Ursachen kehrt wieder, in den ich verschlungen bin, – der wird mich wieder schaffen! Ich selber gehöre zu den Ursachen der ewigen Wiederkunft. Ich komme wieder, mit dieser Sonne, mit dieser Erde, mit diesem Adler, mit dieser Schlange – nicht zu einem neuen Leben oder

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besseren Leben oder ähnlichem Leben: – ich komme ewig wieder zu diesem gleichen und selbigen Leben, im Grössten und auch im Kleinsten, dass ich wieder aller Dinge ewige Wiederkunft lehre.« Wird Neo diese Art der Bejahung akzeptieren? Aber er ist ja nicht allein! Das zweite, lose Ende von THE MATRIX RELOADED ist der Kampf um das Leben von Trinity (so wie einerseits, das Ende von THE MATRIX, der Kampf um das Leben Morpheus' war, und andrerseits der Kampf Trinitys um das Leben Neos. Wenn wir's recht besehen, hat wohl am Ende der Trilogie jeder jedem in der Trinität der Rebellion so sehr das Leben gerettet (oder »gegeben«), dass man in einem unentrinnbaren System der gegenseitigen Verpflichtung steckt. Aber jede Rettungsaktion führt durch die verschiedenen Wirklichkeiten respektive verschiedenen Simulationen. Anders als in einem Western (in dem das auch eine zentrale Bedeutung hat) kann man sich hier nicht das Leben retten, indem man einfach eine Gefahr abwendet. Man kann sich nur gegenseitig zur Wiedergeburt verhelfen (zu einer Wiederkehr, die ebenso gut Wiederholung wie Neubeginn bedeuten kann). Wie die Begegnung mit dem Architekten der Matrix ist auch dies eine durchaus »abgründige« Vorstellung: Um Trinity innerhalb der Matrix zu retten, muss Neo sie als Programm verstehen. Wie aber rettet man ein Programm, es sei denn durch schieres Reloaden? Wenn Neo eine Form von »Christus-Programm« ist, ein einkalkulierter Fehler, und als »Anomalie« Störung und Bestätigung der Matrix zugleich, könnte die Meta-Erlösung paradoxerweise nur in einer Verweigerung der Wiederkehr liegen. Der echte Christus konnte sich auch nur opfern, weil in dieser Geste die Bekundung steckte, es handele sich um das letzte Menschenopfer, und der »Teufelskreis« der ewigen Opferung sei damit durchbrochen. Natürlich haben sich die Menschen nicht daran gehalten, und die Christen verehren daher eine Metapher, die ihre Lebenspraxis verhöhnt. In jeder neuen Version dieser Schöpfung der Matrix ist dieses Programm der Anomalie, das Erlöser-Programm angelegt, und jedes Mal gerät sein »Subjekt« an den Rand der Selbsterkenntnis und an den Rand wirklicher »Selbstständigkeit«. Kann der Rechenfehler einmal doch das Programm »stürzen«? Kann in einem solchen Gottesprogramm jemand tatsächlich zum Menschen werden? Und welcher der beiden »Brüder«, Neo oder Smith, wird es sein? Es sind die Fragen, die uns zu THE MATRIX REVOLUTIONS führen. Und sie tun es ganz anders, als es die von THE MATRIX taten, nämlich mit einem brutalen Schnitt, einem Cliffhanger, dem Episoden-Ende einer Soapopera, einem Fragezeichen mitten in einer Sequenz.

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MATRIX-Verzweigungen Die Trilogie der MATRIX-Filme, die Geburt, Passion und Tod des Helden beschreiben, bildet eine »mythische« Erzählung, so viel ist auch für die Skeptiker klar. Der Mythos in der populären Kultur unterscheidet sich eher durch die Kommunikation als durch das Wesen von seinen lokal und kulturell begrenzteren Vorläufern. Das heißt unter anderem: Er ist nicht nur technologisch vermittelt und verstärkt, der Mythos im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit beinhaltet immer auch einen Aspekt des Technologischen. Ein Mythos, so einfach erklärt es die finnische Völkerkundlerin Lauri Honko, muss, damit wir ihn als solchen anerkennen, vier Kriterien erfüllen. Ein Mythos ist demnach 1. eine Erzählung mit »heiligem« Ursprung, 2. ein kosmologisches Modell, das Herkunft und Schicksal einer Gruppe, eines Volkes, einer Epoche erklärt, 3. eine moralische Nutzanwendung, eine Matrix für das richtige Handeln, und 4. eine narrative und bildhafte Form, heilige Handlungen oder Riten zu erzeugen. Ein solcher Mythos produziert sich, hat er einmal eine bestimmte Konsistenz errungen, unablässig fort, verzweigt sich, spiegelt sich zwischen göttlicher Erzählung und kultischer Praxis, zwischen Geschichte und Idee. Es ist eine ästhetische Maschine, die da entsteht. Aus jeder Erzählung, aus jedem Bild und natürlich aus jedem Film kann ein Mythos werden, aber natürlich gibt es auch eine ästhetische Produktion, die ganz bewusst gegen das Mythos-Werden angelegt ist. Weshalb das Verhältnis zwischen Kunst und Mythos so spannend und gespannt ist. Ein Pop-Mythos verhält sich da nicht viel anders als ein religiöser, nationaler oder kultureller Mythos, nur dass er natürlich mit dem »Heiligen« einigermaßen frivol umgeht. Der »heilige« Ursprung kann schon in einer sensationellen Machart liegen, in der Vita ihrer Produzenten, in besonderen Kniffen der Geheimhaltung, und die »heiligen Handlungen« können am Ende in so etwas bestehen wie in den Gesten, bestimmte Sonnenbrillen auf bestimmte Art auf- oder abzusetzen oder sich in einem bestimmten Jargon zu begrüßen. Die MATRIX-Trilogie hat ihren heiligen Ursprung in den Fundamenten der Popkultur, sie enthält eine vollständige Kosmologie, sie ist eine Erzählung, die Angebote des richtigen Sehens und des richtigen Handelns macht und die schließlich den Ritus und den Jargon generiert. MATRIX ist ein Pop-Mythos, unabhängig davon, ob man die Erzählungen, die Bilder und die Konstruktionen für besonders gelungen,

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schön, klug, logisch oder nachhaltig hält. Allerdings scheint in der MATRIXKosmologie auch das genaue Gegenteil zu stecken, die Bewegung einer Ent-Mythologisierung, die man als Cracken der einzelnen vier Elemente beschreiben kann: Der »heilige« Ursprung wird historisch und logisch aufgelöst; das kosmologische Modell wird so erforscht, dass man an seine Grenzen gerät; die moralischen Schlussfolgerungen werden in Zweifel gezogen, und schließlich entlarvt sich der Ritus als Inszenierung und Konsens. Aufklärung also setzt dem Mythos zu, oder wenigstens dem allzu hingebungsvollen »mythischen Denken«. (Ein regelmäßiger Fernsehzuschauer »denkt« so mythisch wie der Bewohner des Regenwaldes am Amazonas, den der »Mythenforscher« so ausgiebig befragt.) Aber natürlich sind auch Aufklärung, Wissenschaft, Rationalität nicht davor gefeit, selbst zum Mythos zu werden. Schließlich ist schon eine Wissenschaft, die von sich behauptet, »alles« erklären zu können, die behauptet, aus ihren Erkenntnissen eine eindeutige Ethik ableiten zu können, und die mit einer ganz eigenen Ritualität angewandt und kommuniziert wird, nichts weiter als ein Mythos nach unserem obigen Modell. Der Mythos ist eine besondere Form der Aussage – so Roland Barthes –, die einen unlösbaren Widerspruch, zum Beispiel den zwischen technologischer Macht und individueller Freiheit, in ein »ewig« gültiges Bild gießt. MATRIX ist nicht ein mythisches Bild, sondern ein ganzes Bildarchiv; es mythisiert Widersprüche wie Jugend/Verantwortung, Subjekt/Gemeinschaft, Wirklichkeit/Wahrnehmung und vieles mehr. Und es entmythisiert auch gleich wieder andere Widersprüche. Zum mythologischen System wird die MATRIX-Trilogie erst durch ihre Weiterungen und Verzweigungen, die sich auf eine ganz unterschiedliche Weise grammatisch zum Hauptstrang der Erzählung verhalten: davor, danach, währenddessen, zwischendrin und sogar stattdessen. Natürlich gab auch hier STAR WARS ein Beispiel, im Guten wie im Schlechten. Zur Zeit eines persönlichen Überdrusses, möglicherweise auch aus ökonomischen Zwängen heraus, hatte George Lucas die Rechte an seinen Figuren in den 80er Jahren eher willkürlich auf den Markt gebracht, mit der Folge, dass der STAR WARS-Kosmos nun einigermaßen chaotisch wucherte. Man konnte einem Erzähl- und Bildersystem, das seine ordnende Mitte aufgegeben hatte, dabei zusehen, wie es seine Ordnungen verlor. Es musste regelrecht – in der Zeit vor der Produktion von EPISODE I – wiederhergestellt werden. Die Wachowskis wollten diese Gefahr von Anfang an vermeiden. Sie gaben dem Wachstum ihrer künstlichen Mythologie strenge Regeln (und ließen zugleich mehr an Experiment und Innovation zu, als bei STAR WARS je hätte auch nur gedacht werden können.) Während George Lucas seiner

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Erzähl- und Bildermaschine immer einmal wieder freien Lauf ließ (ökonomisch gesprochen: bedenkenlos Rechte abtrat) und noch vor der letzten seiner eigenen großen STAR WARS-Episoden verkünden ließ, dass nun die Zeit für spin offs für alle seine Figuren gekommen sei, bei denen er selber nicht unbedingt beteiligt sein müsse, behielten die Wachowski-Brüder die Zügel in der Hand.

ANIMATRIX Ein sensationeller Erfolg wie der von THE MATRIX musste natürlich zu den üblichen Merchandising-Attacken auf den Kid-Markt führen. Aber auch hier versuchte man den einen oder anderen neuen Aspekt zu entwickeln. Neben den großen MATRIX-Filmen entstanden in der Wachowski-Werkstatt neun kürzere Animationsfilme. Es waren zum Teil rein digital produzierte Filme aus dem MATRIX-Kosmos, die allerdings auch eigene Erzählstränge benutzten und jedenfalls keine historische oder genealogische Ordnung zu befolgen hatten. Die Wahl des Genres und der Mitarbeiter freilich war ein deutlicher Hinweis auf die Wurzeln der MATRIX. Sie entstanden in amerikanisch-japanischer Koproduktion im Studio 4° und in den Madhouse-Studios in Tokio, und zweifellos dienten sie nicht nur der Verbreiterung des MATRlX-playground, sondern auch der organisatorischen und ökonomischen Konsolidierung der stock company und der Entwicklung und Bündelung von Know-how für die Zukunft. Die Matrix strahlt aus und sammelt ein. Bei der Hälfte der Filme steuerten die Wachowski-Brüder auch die Original-Story bei. Sie zogen die Fäden im Hintergrund, überließen aber die direkte organisatorische Arbeit einem anderen: Der Produzent der neun gleichzeitig entstandenen Filme, Michael Arias, hatte die visual effects bei James Camerons THE ABYSS (1989) geleitet und die Computer-Simulation für das Themenpark-Spektakel Back to the Future – The Ride (1991; R: Douglas Trumbull) programmiert. Zunächst war das Unternehmen als TV-Serie geplant, aber die aufwändige Produktion ließ dann doch einen Einsatz im Kino zumindest für die Highlights nahe liegen. Jeder der Filme sollte einen ganz eigenen Stil und einen ganz eigenen inhaltlichen Ansatz aufweisen, und aufgrund ihrer Erfahrungen wussten die Wachowskis, was sie ihren Mitarbeitern am meisten schuldeten: kreative Freiheit. So entstanden beinahe »Autoren-Animes«, die weder auf Programmstrukturen noch auf Sponsorenwünsche Rücksicht nehmen mussten. Enttäuschte Kritiker von THE MATRIX RELOADED setzen die im gleichen Jahr erschienenen Filme gern in Kontrast zu ihrem Hassobjekt: Hier könne man sehen, so David Edelstein, wie viel besser »Car-

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toon-Figuren sind, die uns menschlich erscheinen, als Menschen, die wie Cartoon-Figuren agieren«. Die ANIMATRIX-Filme sind, so der ausführende Produzent Joel Silver, »die Brücke zwischen der Welt, in der wir jetzt leben, und der Welt der Matrix«. Die passenden Medien der ANIMATRIXFilme waren neben dem Kino das Internet und die DVD. Nach dem Kinostart wurden die Filme nach und nach unter der Adresse www.theanimatrix.com freigeschaltet. So erreichten sie ein Publikum ein wenig so, wie die Botschaften von der Matrix den Hacker Neo erreichten. FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS

FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS hat eine Länge von neun Minuten und wurde als Vorfilm zu Lawrence Kasdans Stephen-King-Verfilmung DREAMCATCHER gezeigt, die im selben Jahr entstanden war. (Die erwies sich allerdings als arger Flop; man kann eben nicht alles berechnen.) Es ist der einzige Film der Serie, der ausschließlich im Computer entstand, und er hat die stärksten Bindungen an die Plots der Realfilme. FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS entstand unter der Regie von Chefanimator Andy Jones, der auch an dem Projekt der ersten »realistischen« Computeranimation FINAL FANTASY (2001; R: Hironubo Sakaguchi, Moto Sakakibara) mitwirkte. Es erzählt die Geschichte des Hovercraft-Bootes Osiris gegen eine Übermacht von »Wächtern«. Und ganz nebenbei ist es eine Art zweiter Chance für einen Realismus der Computeranimation, der in FINAL FANTASY an einer allzu konventionellen Story gescheitert war. Nun aber sollte das Timing perfekt und Form und Inhalt genau aufeinander abgestimmt sein. Der Film beginnt mit einer Szenerie, die zunächst als einigermaßen losgelöstes Spiel erscheint: Ein Schwerter-Zweikampf mit verbundenen Augen zwischen dem dunkelhäutigen Thadeus und der asiatischen Jue in einem Dojo – diese Allianz und diese Spannung wiederholt sich überall im Kosmos der Matrix. In der Art eines fotorealistischen, animierten Comics entspinnt sich ein durchaus erotischer Tanz mit dem Tod, zu elektronischer Musik (wie wir sie ähnlich auch in Zion hören), in der uns die virtuelle Kamera eine vollkommene Freiheit im Raum überträgt, so wie sich auch der Kampftanz der beiden von allen Beschränkungen der Alltagsphysik löst. Muskeln, die klirrenden Geräusche von Schwertern, das schwere Atmen, das unzweideutig an Sex erinnert, die nach und nach fallenden Hüllen. Ein etwas geschmäcklerisches Arrangement, zugegeben. Aber dieses Empfinden losgelösten Glücks (symbolisiert in den beiden spöttischzärtlichen Verletzungen der Regeln, in denen jeweils einer die Augenbinde hebt, um den Körper des anderen zu bewundern) erhält seine Balance

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durch die Tragödie im zweiten Teil. Es ist ein Signal, das das Spiel kurz vor dem Kuss unterbricht. Wächter sind wieder einmal im Angriff: »Verdammt!« Ein Film-im-Film, ein Hinweis-im-Hinweis, ein Seitenstück-imSeitenstück, und, gewiss, eine Werbung-in-der-Werbung ist zu Ende. Thadeus ist ein Abbild von Morpheus, und Jue ist eine Abbildung von Trinity, deren möglichen Tod sie vorwegnimmt. Ein Altes Testament der Matrix, das noch keinen Neo kennt. Und zugleich eine Zeit danach, in der ein Apostel und Märtyrer das Wort zu verbreiten hat, der zum Schutzheiligen der Verzweifelten wurde. Es ist, als wüssten die beiden Figuren während dieses Tanzes, wie »künstlich« sie sind, und als riefe erst das Signal sie wieder in eine »Wirklichkeit«. Die beiden frivolen Blicke aus den Augenbinden scheinen selbst so ein Versuch, eine Barriere der Realität zu durchbrechen. Die Blindheit, die Nacktheit, die Liebe und der Tod. Hier wird die Matrix getanzt. Später, als die beiden den Opfertod vor Augen haben, gestehen sie sich, wie die Liebe, ihre heimlichen Blicke. Auch dieses Opfer ist eine Abbildung und eine »Möglichkeit« für den Hauptstrang der MATRIX-Erzählung. Das Schiff Osiris wurde im Jahr 2079 erbaut, 120 Jahre vor dem Beginn von THE MATRIX, immerhin, und 80 Jahre nach dem Zeitpunkt, an dem offensichtlich die Zeit in der Matrix angehalten wurde (oder zu dem sie immer wiederkehrt). Benannt nach dem Gott, der sterben musste, um geboren zu werden. Die Mannschaft erkennt, dass Tausende der Wächter da sind, und auch wir erkennen die Oktopus-förmigen Maschinen auf den Bildschirmen. Man findet eine Abzweigung, die nicht auf der Karte ist, die Geschütze werden bereit gemacht, und eine Schlacht im blauen Licht der Unterwelt beginnt. Auf den Tanz des Lebens folgt der Tanz des Todes. »Ich habe die Oberfläche nie gesehen«, bekennt Jue, und Thadeus kann nur erwidern: »Das ist nur ein einziger großer Friedhof.« So gelangt die Osiris an die Ruinenwelt der Oberfläche, wie wir sie aus dem Fernsehbild im weißen Raum aus THE MATRIX kennen, mit dem Morpheus Neo die grausame Wahrheit über seine Welt demonstrierte, und auf der eine Armee der Wächter-Drohnen wuselt wie Maden in einem Stück fauligen Fleisches. Eine Tunnelmaschine beginnt damit, ein Loch in die Erde zu graben, direkt über Zion. Zion muss gewarnt werden, jemand muss den drop point in der Matrix erreichen. (Dass die Warnung Zion erreichen wird, erfahren wir am Anfang von THE MATRIX RELOADED.) Die Heldin erklärt sich bereit zu gehen. Und vor der Passion das Geständnis: »Ich habe vorhin geguckt.« »Ich auch.« Der Blick der Liebe, der die verordnete Blindheit durchbrach.

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So fliegt Jue in die Welt der Matrix, sie landet in den Straßen, während die Schlacht weitergeht und die Osiris allmählich von den Wächtern geknackt wird, die wie böse Schwärme das Schiff verfolgen. Die Heldin stößt auf eine alte Frau. »Tut mir leid, ich war gerade in meiner eigenen kleinen Welt«, sagt diese, und fragt, ob es etwas Wichtiges sei. Immer wieder spaltet sich die Realität noch auf; jeder lebt in seiner eigenen Welt, und die höllischen anderen stoßen ihn dabei an. Jue telefoniert. Das Handy fällt zu Boden, dann auch die Heldin. Diesen Tod kennen wir. So liegt sie da in den grünschwarzen Straßen, in einem roten Dress gekleidet. Jemand macht Fotos. Das ist ihr Ende. Sie ist Bild geworden, das Grab der künstlichen Wesen. FINAL FLIGHT, die ANIMATRIX-Folge, die die größte Verbreitung gefunden hat, stellt, so Joel Silver, das »Kapitel 1,5 der MATRIX-Geschichte« dar. Sie verknüpft verschiedene MATRIX-Welten: »Für die Fans ist es eine mitreißende Achterbahnfahrt durch die Ereignisse, die sich im Anschluss an THE MATRIX abspielen und direkten Einfluss auf die Geschichte im Videogame Enter the Matrix haben. Und dieser Handlungsablauf bildet wiederum die Voraussetzung für THE MATRIX RELOADED.« Mehr noch verknüpft der Film die doppelte Natur aller ihrer Wesen mit der großen Legende. Wenn THE MATRIX eine große Erzählung des Zweifels ist, dann sind die ANIMATRIX-Filme Zweifel am Zweifel. THE SECOND RENAISSANCE PART I & II

Wenn FINAL FLIGHT ein präziser Kommentar zum ästhetisch-moralischen Konzept der Erzählmaschine ist (der allerdings die Schwächen des Konzepts »am Computer generierte >reale< Menschen« keineswegs überwunden hat und daher als erstes unter »Kitsch«-Verdacht gerät), dann sind die beiden nächsten Folgen wichtige Unterfütterungen des Plots und liefern vor allem den hard science fiction-Untergrund. THE SECOND RENAISSANCE PART I & II entstand nach einer Story der Wachowskis, und Regie führte Mahiro Maeda, der mit dem apokalyptischen Anime BLUE SUBMARINE NO 6 (1998) berühmt geworden ist. (Es geht darin übrigens um einen wahnsinnigen Wissenschaftler, dem es gelungen ist, die Polkappen abzuschmelzen und damit einen Großteil der Menschheit zu vernichten, weil er eine neue Rasse von Menschen züchten will.) THE SECOND RENAISSANCE ist ein Rückblick in die Zeit, in der die Maschinen die Herrschaft auf der Erde übernahmen und ihre Diktatur begründeten. Was mit einem psychedelischen Flug durch abstrakte Formen beginnt, erweist sich in der Tat als eine Art Rückgriff in die hard science fiction und ist, ganz im Gegensatz zum rauschhaften Beginn, in der sachlichen Ästhetik eines ligne claire-Comics gehalten. Es ist der Prolog zu allen Geschich-

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ten des Matrix-Universums. Durch die heftig bunten Lichterquadrate in einem Bildschirm-Sog betreten wir eine Fantasie-Architektur oder den Aufbau eines Speicher-Chips; die Priesterin oder Göttin einer fiktiven Religion (wir denken da als erstes an gewisse Hindu-Bilder) scheint dort, aus einem Blumen-Arrangement heraus, zu uns zu sprechen: »Willkommen im Zion-Archiv, Sie haben die historische Datei Nr. 12-1 gewählt.« Ist Wissenschaft hier mit Religion verbrämt, oder ist sie unter die Kontrolle des Religiösen gestellt? Erst nach diesem sehr bunten, »psychedelischen« Einstieg sind wir wieder in den Matrix-Farben. Und tauchen in die virtuelle Großstadt mit ihren Highways und Bürohochhäusern. »Am Anfang war der Mensch. Und eine Zeit lang war es gut so.« Es ist der Ton einer Chronik, aber gewiss auch der einer Heiligen Schrift, mit der wir die Geschichte der Menschheit nach dem MATRIX-Wissen erfahren. Die gigantischen Bauten einer Megacity sind zu sehen. »Aber die so genannte zivilisierte Gesellschaft fiel schon bald der Eitelkeit und Korruption zum Opfer.« Eine Party-Gesellschaft, die ein wenig an Moebius-Comics erinnert. »Dann schuf der Mensch die Maschine«: Ein Butler-Roboter sammelt eine Flasche vom Boden, die die Menschen so achtlos wegwerfen, wie sie die Maschine herumstoßen. »Nach seinem Ebenbild« ist die Maschine vom Menschen geschaffen. Auch ein mechanischer Hund ist zu sehen, der dem Roboter-Diener übermütig ins Bein beißt. Ein Mensch schmeißt ein Glas aus dem Fenster, der Roboter kann es nicht fangen. Der Blick in die Häuserschlucht, den wir kennen. Das Glas fällt einem von unzähligen Arbeitsrobotern, komplett mit hard hats und Arbeitsgerät, auf den Kopf, die gerade an einer Ampel warten und dann im Gleichschritt losmarschieren. »Und so wurde der Mensch zum Schöpfer seines eigenen Untergangs.« Für einmal sehen die Maschinen in einem Teil des MATRIXUniversums so aus, wie wir die Roboter aus den Isaac-Asimov-Träumen kennen: »Ein künstliches Wesen, das dem Menschen ähnlich ist.« Aus den ungeordneten Arbeitermassen in der Straße wird ein gleichförmiges Heer der Arbeit. Noch ist es die Welt, wie sie sich die Menschen nicht besser vorstellen könnten: »Die Maschinen arbeiteten unermüdlich auf Geheiß des Menschen.« Gewaltige Konstruktionen entstehen. Die Roboter arbeiten wie die Sklaven in einem Pyramiden-Film. Offensichtlich entstehen dabei immer neue Differenzierungen, Roboter, die andere Roboter anleiten, und es entstehen Städte, die nicht mehr wirklich bewohnt werden können. Die »Kamera« fährt eine Stahl-Pyramide empor, und da oben sitzt einer der Roboter-Arbeiter mit einem kleinen tragbaren Fernseher – ein durchaus anrührendes Bild von Einsamkeit, wenn wir es ähnlich auch schon als Illustration einiger Asimov-Geschichten kennen, aber auch von

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Fotografien des frühen New York. »Trotz ihrer Loyalität und Reinheit wurden die Maschinen von ihren Herren nicht respektiert, diesen merkwürdigen, sich ewig vermehrenden Säugetieren.« (Merkwürdig, dass die Chronik der Menschheit von Zion diesen Aspekt des Menschenhasses übernimmt, den Agent Smith in THE MATRIX ausdrückt und der dann das ganze Wesen der Ausbeutung der Menschen durch die Maschinen ausmacht: Wetware, die sich selbst reproduziert. Es durchweht so etwas wie Körperekel das Universum der Matrix.) Dann aber geschieht, was nach Stanislaw Lems Kritik an Asimovs Gesetzen der Robotik unweigerlich geschehen muss: Bl 66 ER wird als erster vor Gericht abgeurteilt, weil er sich gegen die menschliche Herrschaft aufgelehnt hat. Die denkende Maschine wurde fähig, eine Wahl zu treffen. Er ermordet einen Menschen, was wir in einer faszinierenden Montage eines »Fernsehbildes« mit eingeblendetem Timecode sehen. Den Mord, diese ungeheure Übertretung des ersten Roboter-Gesetzes, kann man erst hinter der bewusstlosen Skandalisierung durch das Medium als einen gleichsam von der Ignoranz der Menschen erzwungenen Willensakt sehen: Wenn die Maschine zum denkenden Subjekt wird, muss sie auch zu einem Mord fähig sein, auch wenn der »kategorische Imperativ« ihr diese Tat verbietet. Wie der Mensch, so wurde wohl auch die Maschine im gleichen Augenblick zu einem denkenden Wesen und zu einem Mörder (erinnern wir uns dazu nur der Eingangssequenz von Stanley Kubricks 2001). Dann soll der Robot eliminiert werden, obwohl er aussagt, dass er nicht sterben wolle. Die Maschine hat keinen fairen Prozess erhalten. Und die Menschen haben nicht verstanden, warum sie zugleich zum Subjekt und zum Mörder werden musste. Tatsächlich kann man sich ja fragen, ob diese Menschen, die in der Tat ausgesprochen leichtsinnig und ignorant agieren, von den Asimovschen Gesetzen der Robotik nie etwas gehört haben. Sie lauten: »Erstens: Ein Robot darf kein menschliches Wesen verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, dass einem menschlichen Wesen Schaden zugefügt wird. Zweitens: Ein Robot muss dem ihm von einem Menschen gegebenen Befehl gehorchen, es sei denn, ein solcher Befehl würde mit Regel Eins kollidieren. Und drittens: Ein Robot muss seine eigene Existenz beschützen, solange dieser Schutz nicht mit Gesetz Eins oder Zwei kollidiert.« Damit wäre ein hierarchisches Zusammenleben zwischen Robots und Menschen durchaus garantiert, jedenfalls solange niemand danach fragt, wie sich die Roboter dabei fühlen, und solange sie nicht wirklich denken, sondern nur so tun. Nun geschieht es, in Asimovs Stories wie Runaround, dass etwa eines der Gesetze durch äußere Einflüsse außer Balance gerät. Das zweite Ge-

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setz verliert hier durch mysteriöse Strahlungen an Wirkkraft. Der grundlegenden Logik tut das keinen Abbruch. Der Pakt, den die Menschen in RENAISSANCE gebrochen haben, indem sie selbst keinen fairen Prozess ermöglichten und die Spezies für das »Vergehen« eines Einzelnen bestraften, führt offensichtlich zum Zusammenbruch der Regeln. Nicht so sehr der Mord der Maschine an einem Menschen, sondern die Unfähigkeit zu einem fairen Prozess, die Unfähigkeit des Menschen zu verstehen, der Widerspruch im Wunsch des Menschen, einen maschinellen Sklaven zu halten, der sich selbst als solcher empfinden kann, ist der Auslöser des Verhängnisses, das nur noch in der Umkehrung der Verhältnisse gipfeln kann. Nur die Existenz der Matrix selbst allerdings erscheint als ein fernes Echo, so als könnten es die Robots in ihrer jeweils neuesten Form doch nicht übers, hm, Herz bringen, die Menschheit einfach auszurotten. Im Gegenteil, etwas »Fürsorgliches« und gar »Mütterliches« ist ihnen offensichtlich geblieben. Die Matrix selbst steht im Kontrast zu dem eindeutig eliminatorischen Krieg der Menschen gegen die Robots. »Die Führer der Menschen befahlen damals sogleich die Vernichtung von Bl 66 ER und jedem Einzelnen seiner Art.« »Domestizierte Maschinen« ziehen mit humanen Sympathisanten durch die Straßen und kämpfen gegen Polizeikräfte mit anderen Maschinen, was wir wieder auf einem Fernsehbild – ETV newsnet 21 world's No 1 top news entertainment & sports real & true story for you – unter anderem in Paris sehen (Erinnerungen an den Mai 1968 werden wach). Die Verhältnisse zwischen Maschinen und Menschen waren also damals keineswegs so eindeutig, wie es zuvor erschienen sein mag. Erst in seinem Verlauf ist aus einem Bürgerkrieg ein »Rassenkrieg« geworden. Und dabei erinnern die Roboter in THE SECOND RENAISSANCE mehr noch als an die schimmernden Sklaven Asimovs an die maschinellen Proletarier und Kleinbürger in Harry Harrisons War with the Robots, die sich nach der Arbeit über die gestiegenen Preise für Ersatzteile und die »unmenschlichen« Anforderungen in den Arbeitszeiten unterhalten. Die Menschenähnlichkeit der Maschinen, als äußere Ähnlichkeit und innere Verwandtschaft, ist es, was die Menschen selbst am meisten irritiert. Sie haben Angst, und da sind wir wieder bei einem Grundmotiv im MATRIX-Universum, in diesen Spiegel zu blicken. Und man kann einen Hass auf die Maschinen erzeugen, wie man einen Hass auf »Ausländer«, »Asoziale«, »kommunistische Verschwörer« erzeugen kann. Im Wesentlichen ist die Chronik von THE SECOND RENAISSANCE die Zusammenfassung aller Maschinen-Ängste im Genre, und eine Wiederholung der Sklavenhalter-Geschichte von Sadismus, Angst und Mord. Im Prozess gegen die Maschine, die den menschlichen Peiniger ermordete, wird weniger mit

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THE SECOND RENAISSANCE: Ein Polizist exekutiert einen Roboter …

der Schuld als mit dem Recht des Besitzers argumentiert, sein »Eigentum« zu zerstören. »Vernünftige Stimmen ließen eine andere Meinung vernehmen: Wer hat gesagt, dass eine Maschine, ausgestattet mit menschlichem Geist, keinen fairen Prozess verdiene?« Etv und andere Sender übertragen die chaotischen Ereignisse, wir folgen einem switching: Auf allen Kanälen ist die Rebellion der Maschinen und ihrer Verbündeten zu sehen, die Polizisten exekutieren die Roboter (einmal erinnert man sich an das berühmte Kopfschuss-Bild aus Vietnam). Die Roboter werden von großen Panzern zermalmt. Eine Roboterfrau wird von den Leuten der Gettos zu Tode gebracht. Auf die kalte Macht des Staates ist die hitzige Gewalt der Straße gefolgt. Wie sollten wir nicht an »reale« Lynchmorde und Pogrome in der Geschichte denken? Wie Schrott werden die Überbleibsel der Roboter zusammengekarrt. Ganz offensichtlich ist es ein »Ausbruch« des radikalen Rassismus, gelenkt und barbarisch entstehend zugleich, der den Tod der »reinen und loyalen« Maschinen herbeiführt. Die Massengräber der Roboter erinnern nur zu deutlich an die der Konzentrationslager. Menschen in Gasmasken streifen herum und eliminieren überlebende Maschinen. Die »Leichen« anderer Roboter werden auf dem Grunde des Meeres versenkt, es ist ein fürchterlicher Genozid im Gange. Eine Träne löst sich aus dem Auge eines der versenkten Roboter, steigt im Wasser empor und landet in der Hand der Priesterin des Archivs von Zion. Auflösung ist wohl das richtige Wort auch für die Prozesse des switching zwischen den verschiedenen Ebenen der Erzählung und der Symbolisierung. Es wird zum Bild, das vom Exodus der letzten Überlebenden dieses Maschinen-Holocaust erzählt: Zero-One, ihr eigenes gelobtes Land, gelegen, ausgerechnet, »an der Wiege der Menschheit«. Ein anderes Zion. In der futuristischen Stadt Zero-One begegnen wir auch schon den

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Wächter-Maschinen. Die bedrohte Technologie militarisiert sich. Vor allem aber drängt man auf den globalen Markt. »Zero-One gedieh, und eine Zeit lang war es gut so«, neue und bessere künstliche Intelligenz entsteht, gewaltige Produktionseinheiten mit immer neuen Robotern schaffen immer neue Generationen von Chips und Maschinen. Eine Werbeeinblendung im … und erinnert dabei an die Erschieewig laufenden TV-Programm der ßung eines gefangenen Vietcong nahen Zukunft zeugt vom technodurch die Polizeichef von Saigon logischen Reichtum, der da entsteht: Versatran, die luxuriöse und sichere Flugmaschine von Zero-One Heavy Industry Corporation: »It's the only choice.« Ein Wirtschaftskrieg ist ausgebrochen. Die Kreditwürdigkeit der Menschen fällt ununterbrochen, während die Währung von Zero-One ins Unermessliche steigt. Das kann nicht gut gehen. Die Führer der Menschen, die ihre Macht schwinden sehen, weigern sich, mit der »jungen Nation« der Maschinen zu kooperieren. Sie beschließen stattdessen die Teilung der Welt. Eine Seeblockade wird verhängt, man deklariert gleichsam einen »Krieg gegen den Terror«. Eine Fliege findet, höchst symbolträchtig, den Tod, als sie sich auf der Landkarte der Vereinten Nationen niederlässt und von einer Reinigungskraft zerschlagen wird. Die Botschafter von Zero-One präsentieren vergebens Pläne für eine stabile Zusammenarbeit. Doch die Aufnahme von Zero-One in die Vereinten Nationen wird abgelehnt, die Botschafter (ein »männlicher« und ein »weiblicher« Roboter) werden verhaftet. Die Erinnerungsmaschine von Zion weicht schnell ins Allegorische aus: Sie zeigt eine Frucht, aus der sich Maden entwickeln, sie formen eine menschenähnliche Gestalt, die bald eine Kreuz-Geste annimmt, und schnell entwickelt sich aus dem Rhizom um sie herum eine Kugel, die wieder in die Hände der Archiv-Priesterin kommt. Damit beginnt das nächste Kapitel in der Geschichte zwischen Menschen und Maschinen. Es sollte nicht das letzte Mal sein, erfahren wir, dass die Maschinen vor den Vereinten Nationen das Wort ergreifen. Und wir wissen: Es wird nicht mehr in friedlicher Mission geschehen können. So schließt sich das erste Buch der Zweiten Renaissance. In PART II geraten wir wieder auf die nun gewohnte Weise hinein in die mehr oder weniger heilige Erzählung. »Und der Mensch sprach: Es werde

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Licht. Und er wurde gesegnet mit Licht, Wärme, Magnetismus, Schwerkraft und allen Energien des Universums.« So führen die Menschen mit ihrem Energiereichtum einen Vernichtungskrieg gegen die Maschinen, der mit dem Abwurf einer gewaltigen Atombombe über Zero-One abgeschlossen wird. Aber im Gegensatz zu den Menschen »mit ihrem empfindlichen Fleisch« können alle diese Anschläge den Maschinen nichts anhaben. »Und so drangen die Truppen von Zero-One in alle Richtungen nach außen vor, und eins nach dem anderen gab die Menschheit ihre Territorien auf.« Die riesigen Maschinentürme und Metallkuppeln der Maschinen überragen schnell die alten Städte der Menschheit. Die Menschen beschließen eine »endgültige Lösung«; Operation Dark Storm soll sie heißen, diese Sprache kennen wir zur Genüge, und nichts anderes als die Zerstörung des Himmels ist damit gemeint. Die Menge jubelt dazu, wie sie es bei der Erklärung des faschistischen »totalen Krieges« tat (und das Skelett des grinsenden Todes klatscht mit). Die Religionen scheinen alle ihre Vertreter gesandt zu haben: tibetanische Mönche, eine betende Christus-Figur, Fernsehprediger, Soldaten, die sich gen Mekka verbeugen. Der Krieg der Menschen sucht nach der religiösen Begründung und bekommt sie viel zu leicht, Dark Storm verdunkelt in der Tat den Himmel, Bomben, Flugzeuge und Panzer verbreiten die große Dunkelheit. Es wird Nacht auf Erden. Die Menschen haben auf diese Weise versucht, die Maschinen von der Sonne, ihrer Hauptenergiequelle, abzuschneiden. »Mögen die Menschen und Maschinen für ihre Sünden Gnade erfahren«, endet der Bericht, in vollständiger Dunkelheit. Gewitterblitze durchzucken die ewige Nacht. Ein Roboter reitet auf einem Roboterpferd, ein apokalyptischer Reiter des posthistoire, zum Angriff auf die Menschen, bis auch er zerfällt. Die Maschinen scheinen ihre Vernichtung zu erwarten. Aber der Krieg geht weiter, die Siegesgewissheit der Menschen verwandelt sich in Panik. All das nun wird festgehalten wie von den Kameras der Kriegsberichterstatter, mit eingeblendeten Kamera-Bezeichnungen, time codes und Daten. Die Maschinen hatten den einfachen, auf Proteinen aufgebauten Körper der Menschen erforscht und »brachten viel Elend über die menschliche Rasse«. Wir sehen in Krankenhäusern die Verwundeten und Sterbenden. »Siegreich wandten sich nun die Maschinen den Besiegten zu. Indem sie das, was sie über ihren Feind gelernt hatten, anwandten, verschafften sie sich eine alternative und leicht verfügbare Energiereserve.« Und so werden die Menschen zur Nahrung der Maschinen, eine »neue symbiotische Beziehung zwischen den beiden Gegnern war entstanden«. Die endlos sich vermehrende, endlos sich erneuernde Energiequelle ist die Grundlage für eine ebenso endlose Herrschaft der Maschinen.

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»Gesegnet seien alle Formen der Intelligenz.« So »unbrauchbar« endet der Bericht und leitet über zu einer Coda, in sich eine Kurzgeschichte mit böser Pointe und zugleich Überleitung zum Zustand der Matrix, in dem wir uns im Hauptstrang der Erzählung befinden: Aus der Trümmerlandschaft im nächtlichen Blau kriecht ein Kind und freut sich der fallenden Schneeflocken. Der Himmel scheint sich wieder geöffnet zu haben, ein wenig. »Es wird spät, Schätzchen, komm rein«, rufen die glücklichen Eltern im schmucken Einfamilienhaus, vor dem der Familienwagen parkt und ein Weihnachtsbaum leuchtet, und genau das Gleiche beim Haus nebenan. Doch bevor er die glücklichen Eltern erreicht, muss der Junge erkennen, welcher Illusion er aufgesessen ist. Statt ihrer stehen dort Agenten. Er wird durch ihre Augen mit Feuer bedeckt, krümmt sich in eine embryonale Stellung, ein rotes Ei bildet sich um ihn, die Archivpriesterin streichelt sacht darüber, endlose Kreise dieser Geburtsräume wachsen an gewaltigen Türmen, so wie wir die menschlichen Energiereserven aus THE MATRIX kennen; sie selbst bilden schließlich das Muster, durch das wir in die Chronik der zweiten Renaissance hinein gekommen sind. Und das wir nun wieder verlassen. Auf dem Weg von Ornament – Code – Bild. Als mathematische Gleichung oder taoistische Übung. THE SECOND RENAISSANCE ist in seiner inhaltlichen und ästhetischen Konzeption am luzidesten gelungen. Mahiro Maeda war durch die Zeichentrickserie BLUE SUBMARINE NO 6 bekannt geworden. Sein Stil liegt oft näher an der Ästhetik der ligne claire aus den frankobelgischen Comics als an den Anime-Splash-Panels; ganz bewusst an die Kid-Animes erinnert nur die kurze Episode mit dem kleinen Kind am Ende. Die Vermischung von Religion, Geschichte und Entertainment hebt jede Gewissheit auf. Welcher Form wäre hier zu trauen? Und welche Position wäre einzunehmen? Nur eines ist wohl klar: Neo, die Rebellen und die Menschen von Zion als die »Guten« in einem System und in einer Geschichte des »Bösen« anzusehen, ist nur eine Lesart. Und nicht einmal die nächstliegende. KID'S STORY

KID'S STORY erzählt, wie der Glaube an Neo einen träumenden und leidenden Teenager aus der Welt der Matrix hinausführt und ihm das Leben rettet. Jedenfalls kann man es so interpretieren. (Regie führte hier Shinichirô Watanabe, der mit Cowboy Bebop bekannt wurde.) Ein Vogel fliegt durch die Luft. Gellendes Kreischen. Jemand stürzt kopfüber in die Tiefe, die virtuelle Kamera fährt auf seine Füße. Ein Schwarm Krähen erhebt sich von einem hohen Netzzaun. Der Junge fällt ein Hochhaus hinunter, immer näher kommt der Zaun mit den scharfen

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Spitzen. Dann erwacht Michael in einem kleinen schäbigen Zimmer. Oh, wie wir diese Zimmer kennen! Dann geht Michael an seinen Computer und schreibt in der matrixfarbenen Schrift hinaus in die suggestive Welt der Vernetzung: Kann ihm jemand sagen, warum ihm seine Träume um so viel wirklicher erscheinen als der Wachzustand? Und: »Kann ich meinen Sinnen trauen?« Fragen, die sich Computer-Kids schon mal stellen. Nach kurzer Zeit kommt eine Antwort: »In deiner Wahrheit steckt ein wenig Fiktion, und in deiner Fiktion steckt ein wenig Wahrheit. Um die Wahrheit zu erfahren, musst du alles riskieren.« »Wer bist du? Bin ich allein?« – Ohne ein Risiko, so scheint's, gibt es darauf keine Antwort. Ein Frühstückstisch. Die Katze räkelt sich auf dem Sofa. Die Katze, das Déjà-vu-Tier in der Matrix. (»So viel steht fest: Das weiße Kätzchen hatte nichts damit zu tun«, so beginnt Alice Geschichte von ihrer Reise hinter die Spiegel, und sie endet damit, dass sich die Königin vom Jenseits in die Katze im Diesseits verwandelt, und das letzte Kapitel, das »in der Wirklichkeit« spielt, hat die Überschrift: Wer träumte wen?) Mit dem Skateboard fährt der Junge durch die Stadt. Teenageralltag. Er erreicht die Clearview High School (dieser Name ist ein Witz, und das Gebäude trägt die Nummer 22 92 03). Während des Unterrichts kritzelt Michael auf seinen Block die Namen Neo und Trinity. Und die Bitte: »Holt mich hier raus.« Sein Handy klingelt und fällt ihm runter (ein running gag, gewiss). »Mr. Popper«, wird Michael vom Lehrer abgekanzelt: »Sie können meinem Unterricht ja so schon kaum folgen.« (Vielleicht sollten wir in diesem Augenblick an die Titel der beiden Hauptwerke von Sir Karl Popper erinnern: Sie lauten Logik der Forschung und Die offene Gesellschaft und ihre Feinde.) Doch wieder klingelt das Handy. »Ich hab' es ausgeschaltet, das weiß ich genau«, versichert Michael. Tatsächlich hat das Klingeln auch einen anderen Ton angenommen. Nun nimmt er, in all der Bedrängnis, das Gespräch an. »Sie wissen, dass du es weißt. Sie sind hinter dir her«, sagt die Stimme. Wir kennen diese Situation; genauso hat die Geschichte von Neo begonnen. Der Lehrer nähert sich bedrohlich, während Michael aus dem Fenster blickt, wo ein Wagen voller Agenten angekommen ist. Er tritt die Flucht an, und schon auf dem Gang begegnen ihm die Agenten. Michael kann mit Hilfe seines Skateboards entkommen, immer mehr Agenten verfolgen ihn. Seine Skateboard-Kunststücke sind die Wiederholung der Flucht-Kunststücke, die wir aus den Realfilmen kennen. Er landet auf der weiteren Flucht in der Mädchentoilette, und dann bleibt ihm nur das Fenster. Aber statt zu springen, klettert er die Regenrinne hinauf. Doch oben auf dem Dach erwarten ihn nur die Agenten. Michael scheint sich zu

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ergeben. Aber nein, wir haben einen Menschen mit Vertrauen vor uns: »Neo. Ich glaube. Ich weiß, dass es kein Traum war.« Und so lässt er sich rückwärts in die Tiefe fallen. Die Krähen flattern wieder auf wie in seinem Traum, und so fällt er und sieht die Spitzen des Zauns auf sich zukommen. Dann wird alles dunkel. Wir sehen den Grabstein: Michael Karl Popper: Beloved Son. Rest in Peace. »Das ist nicht real«, sagt eine Stimme, »und die reale Welt ist irgendwo anders.« – »Eine typische Wahnvorstellung. Wir haben ständig mit solchen labilen Kindern zu tun«, sagt eine andere Stimme. Es regnet über dem Friedhof mit den düsteren Zypressen und dem Zaun mit den kantigen Spitzen. Eine Schülertragödie, das Negativ des Massakers von Columbine. »Diese Welt muss für solch einen Jungen ein kalter und feindlicher Ort sein.« »Das nennt man die Wirklichkeit verleugnen«, erwidert die andere Stimme. »Wissen Sie, das ist so etwas wie ein Schutzmechanismus«, erklärt ein dritter der Trauergäste. »Tja, jetzt ist er in einer anderen Welt«, sagt, noch einmal auf den Grabstein zurückblickend, sein Lehrer, als sich der Trauerzug entfernt. Und tatsächlich: Wir sehen, wie Michael aufwacht, und wie er als Erstes Neo und Trinity sieht. Seine Idole, seine Engel. Im Jenseits, das wir »Wirklichkeit« nennen. Ist es »Selbstsubstanzialität«, was ihn gerettet hat, was offenbar selbst für Trinity etwas Neues ist? Michael Karl Popper ist der erste Mensch, der sich aus eigener Kraft aus der Matrix befreit hat, durch den Glauben, durch den Selbstmord aus dem teenage spirit. Ein Weg, durch nichts anderes als durch sein Vertrauen darauf, dass es etwas besseres auf der anderen Seite gibt, die Matrix zu verlassen? Selbstsubstanzialität! Die Kraft, durch das Wünschen die Matrix zu verlassen. »Ich wusste, dass du mich retten würdest.« Aber Neo muss das verneinen (vielleicht weiß er hier schon, dass die Sache mit dem Erlöser allenfalls als Metapher taugt). »Ich hab' dich nicht gerettet, Kleiner, du hast dich selbst gerettet.« Am 1 alone? ist wieder auf dem Computer-Bildschirm zu sehen. Und es kommt eine tröstliche (oder zynische) Antwort: You are not alone. Das Bild verschwindet langsam. It doesn't smell like teen spirit anymore. Noch einmal erscheint der Messias nicht als Wesen, sondern als Projektion. Wir sehen ihn mit den Augen eines trostlosen Bewohners des Teenage-Gettos. Von einem, dem auf Erden nicht zu helfen war. PROGRAM

PROGRAM ist die Arbeit von Yoshiaki Kawajiri, der durch die Trilogie WICKED CITY (1988-95) und durch VAMPIRE HUNTER D: BLOODLUST (2000) im Anime-Fandom zum Kultautor geworden ist. Der Film präsen-

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Cis, eine Kriegerin von Zion, beim Kampf in PROGRAM: Die getroffenen Angreifer zerspringen in die grünen Buchstaben der Matrix-Schrift: …

tiert Cis, eine Kriegerin von Zion in einer weiteren Simulationswelt, in der ein Samurai-Kampf nach der Art der heroischen Fantasy stattfindet. Cis muss sich zwischen der Liebe und der Loyalität zu ihren Mitkämpfern aus der realen Welt entscheiden. Der Film, der zunächst nur im Internet angeboten wurde, soll es auf erwähnenswerte 250.000 Downloads in der allerersten Stunde gebracht haben, und diese Zahl markiert nicht etwa die Grenzen der Nachfrage, sondern die des Servers. Aber auch dieser Film hat eine Pointe; nicht nur der Kampf zwischen der berittenen Kriegerin mit der Lanze und dem Samurai erweist sich am Ende als Trainingssimulation, sondern auch die moralische Herausforderung, der Konflikt zwischen Zuneigung und Pflicht. So sind wir am Ende von PROGRAM auch wieder am Anfang von FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS. Berittene Bogenschützen preschen durch den Wald. Ein Regen von Feuerpfeilen senkt sich über eine Kriegerin hernieder, die die Geschosse mit ihren Waffen abwehrt. Wenn ich mich nicht irre, ist das eine Hommage an Tsui Harks ONCE UPON A TIME IN CHINA (Die schwarzen Tiger von Hongkong; 1991), wo Jet Li auf ganz ähnliche Weise Feuerpfeile abwehren muss. Wir sind in der Fantasy-Zeichenwelt, mit eleganten Körperstilisierungen, prächtigen Kostümen und Architekturen und rauschhaften Bewegungswechseln. Während uns der erotische Kampf im Dojo von FINAL FLIGHT OF OSIRIS so gezielt auf die Körperlichkeit der Protagonisten hingewiesen hat, geht es hier um deren Überschreitung: Der Körper ist in seinen Zeichen aufgelöst (doch nicht verschwunden). Er ist zum mächtigeren Code geworden.

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… Sie bluten Schriftzeichen, sie vergießen heroisch Daten. Code warst du, und Zu Code sollst Du werden.

Nun nimmt die Kriegerin mit dem beeindruckenden Haar den Kampf mit den finsteren Reitern auf. Die getroffenen Angreifer zerspringen in die grünen Buchstaben der Matrix-Schrift. Sie bluten Schriftzeichen, sie vergießen heroisch Daten. Code warst du, und zu Code sollst du werden. Dann kämpft sie gegen einen dämonischen Ritter in Schwarz, der eine rote Maske trägt, »your favorite simulation«: Und Cis wird besiegt. Drohend zeigt der Dreizack auf ihren Körper. »Das war zu einfach. Wo ist das Problem? Du musst dich konzentrieren.« Übliche Worte bei einer Kampfsimulation. Aber dann: »Vielleicht bereust du es, die rote Kapsel genommen zu haben.« Das ist, wir ahnen es gleich, eine Falle. Weiter führt die Bahn der schlüpfrigen Worte: »Jeder hat irgendwann den Wunsch, wieder ein normales Leben zu führen, ein sorgenfreies Leben auf dem Land, ein Leben, wie es war, bevor wir das alles hier wussten.« Und: »Es ist ironisch, dass man sich in der virtuellen Welt mehr zu Hause fühlt.« Die virtuelle Welt, die erzeugt wurde, um im Namen der Wirklichkeit gegen die Simulation anzutreten. So springen sie über einen Abgrund. An einer Buddhastatue vorbei und in einen Bambuswald, wo der Kampf wieder aufgenommen wird. Diesmal gelingt ihr der Sieg und die Demaskierung des anderen. »Endlich bist du wieder bei der Sache.« Der Ritter will mit ihr etwas besprechen, und dazu hat er die Signale geblockt, »es kann uns keiner hören«. Er will zurück in die Matrix gehen, und sie soll ihn begleiten. Er weiß, dass Zion bald zerstört wird. Er ist, sagt er, zur Vernunft gekommen, und das solle sie auch. Endlose Schiebetüren sind zwischen ihnen, die Natur hat sich in eine instabile Bühne verwandelt.

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»Ich habe die rote Kapsel genommen, weil ich die Wahrheit wissen wollte. Aber die Wahrheit interessiert mich nicht mehr«, sagt diese Parallel-Ausgabe von Cypher, östliche Version. »Die Realität ist völlig egal. Was zählt ist, wie wir unser Leben leben.« Kann man nicht in der Tat so denken in der Matrix und als Zuschauer der MATRIX-Filme? Im Labyrinth der Stellwände geht der Kampf und das Gespräch weiter (wie in FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS, und doch ganz anders, ist der Kampf hier eine Verbindung von Gefahr und Verführung). Die Kriegerin entzieht sich dieser Logik. Die ihre ähnelt derjenigen, die Trinity in THE MATRIX gegenüber Cypher vorgebracht hatte. »Wir können nicht zurück. Wir kennen jetzt die Wahrheit.« Aber er kennt einen Weg, alles wieder zu vergessen. (Das hat auch Agent Smith Cypher versprechen können, nicht mehr wissen zu müssen, dass er in der Matrix ist, wenn er nur erst einmal zurückgekehrt ist.) Sie soll in ihr Herz sehen. Das ist nun wirklich die größte Verführung. Der Kampf geht auf den Pagodendächern weiter, mit den Schwertern und mit den Worten: »Davonzulaufen ändert nichts.« – »Du bist derjenige, der davonläuft.« Und wieder erfährt jemand in der Matrix den entscheidenden Hinweis auf die Zeitlichkeit seiner Existenz: »Wir haben keine Zeit. Sie sind schon auf dem Weg.« Jetzt endlich erkennt die Kriegerin das Ausmaß seines Verrats, ruft nach dem operator und einem Ausgang. Aber der Krieger hat die Signale ja geblockt. Sie weigert sich standhaft, mit ihm zu kommen. Mit den Händen wehrt sie seinen letzten furiosen Schwerthieb ab. Und dann durchbohrt sie ihn mit seiner Waffe. Blutstropfen fallen vom Kampfplatz zur Erde. Sterbend erklärt er ihr seine Liebe. Und so wird sie aus dem Simulationsprogramm geweckt. »Entspann dich«, sagt die Stimme, die sie ins Erwachen begleitet; es war nur ein Test, sie hat »in allen Bereichen gut abgeschnitten«. Die nächste Stufe der dritten Realität der Simulation der Simulation: Nicht nur Raum, Zeit und Körper sind simuliert, sondern auch Gefühle und Gedanken. Eine neue Grenze ist erreicht: Im Dojo lernt man nun seine Seele und seinen Logos zu panzern. Dann schlägt Cis ihren Ausbilder nieder. »Jetzt geht es mir jedenfalls schon viel besser.« Mehr konnte sie nicht tun, um der Erkenntnis Ausdruck zu verleihen, dass die Rebellion der Menschen gegen die Maschinen selbst keineswegs immer mit menschlichen Mitteln arbeitet. Jeder Beitrag zur ANIMATRIX-Reihe enthält einen Zweifel und eine Bestätigung. WORLD RECORD

WORLD RECORD, inszeniert von Takeshi Koike und geschrieben von Yoshiaki Kawajiri, behandelt einen weiteren Ausbruch aus der Matrix, dies-

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mal freilich nicht als aktiven Akt der Rebellion, sondern als tragisches Wunder. Als Flash zwischen den Wirklichkeiten. Die Haut der Matrix wird hier nicht angeritzt, von außen wie bei den Befreiungsversuchen oder von innen durch die kindliche Macht des Wunsches wie bei KID'S STORY; sie platzt an einer Stelle unvermutet auf. Ein Läufer macht sich in einem Stadion, das aussieht wie ein gewaltiges Kolosseum, zum Start bereit. Die Welt dieser ANIMATRIX mit ihren ElGreco-haft langgezogenen, instabilen Körperbildern und ihren expressionistischen Licht-Schatten-Spielen erinnert an neuere graphic novels, die sich wesentlich mehr aus der Erzeugung einer Stimmung als aus der Imitation der Wirklichkeit machen. Wir sind ganz in einer subjektiven Empfindung der Welt, und diese Empfindung hat ihr eigenes Zentrum verloren. »Nur ganz besondere Menschen können die Matrix wahrnehmen«, erläutert eine weibliche Stimme aus dem Off, sie müssen »ein außergewöhnlich hohes Maß an Sensibilität, Intuition und Wissbegierde besitzen. In ganz seltenen Fällen jedoch kann jemand durch besondere Umstände auf die Matrix aufmerksam werden. Dieser Mann gehört zu den wenigen.« Die Geschichte, die so subjektiv erlebt wird, scheint ein transzendentales Erzähler-Subjekt zu haben – und mittlerweile ist unsere Ahnung schon beinahe Gewissheit, nämlich dass in allen ANIMATRIX-Filmen etwas mit der Erzählung selbst »nicht stimmt«, dass sie nicht in der herkömmlichen narrativen Grammatik funktionieren, dass sie immer Widersprüche produzieren, die einerseits zur großen Matrix-Erzählung der Realfilme zurückführen, in ihr andrerseits aber auch wie ein wohlbekannter »Splitter im Kopf« wirken. Der Mythos und seine Häresien! Für den Augenblick geben wir uns mit der Rolle einer Erzählerin aus einem unbestimmten Jenseits zufrieden, so wie sie am Beginn von Episoden der Twilight Zone oder bei den EC Comics zu vernehmen ist. Der Lauf soll beginnen. Der Startschuss ertönt. Ein Schmerzensschrei. Was ist geschehen? Flashback: Eine Zeitung verkündet, dass ein Weltrekord von 8,99 Sekunden schließlich nicht anerkannt wurde, weil die Doping-Kontrolle positiv war. Dan Davis telefoniert mit seinem Vater, der sagt, er glaube an ihn. Im Vordergrund räkelt sich ein Hund. Dann läuft das Rennen. Wieder ein Flashback: Sein Trainer beschwört ihn, jetzt, da er den Qualifikationslauf gewonnen habe, aufzuhören. Die Verletzungsgefahr sei zu groß. Aber er hat sich entschieden, am nächsten Tag zu laufen. Es ist seine letzte Chance zu beweisen, dass die Zweifler sich irren. »Dann musst du es allein tun.« Das Rennen in extremer »Zeitlupe«. Schweißtropfen fliegen von seinem Gesicht. Ein Körper, nicht nur an der Grenze seiner Belastbarkeit, sondern auch an der Grenze seiner Form.

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El-Greco-hafte instabile Körperbilder: WORLD RECORD ist mehr an der Erzeugung einer Stimmung interessiert als an Imitation der Wirklichkeit

Eine Frau beobachtet ihn. Der nächste Flashback. Sie bittet Dan um einige Antworten, so wie man ein Idol (und eine journalistische Beute) befragt. Ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann, sei sein Rekord, gibt Dan als ebenso konsensuelle wie wahre Antwort, und nun hofft er nur, dass ihm das noch einmal gelingt. »Man ist von der Welt losgelöst, man ist völlig frei.« Kann man der Matrix etwa davonlaufen, sie durch einen Rausch überwinden, oder einfach, durch die entgegengesetzte Erfahrung wie in KID'S STORY, durch einen Ich-Taumel über sie triumphieren? Sie versichert ihn, dass er auch unter den Reportern Fans hat, und wünscht ihm viel Glück. Könnte eine schön soapy Liebesgeschichte werden. Wird es aber nicht. Das Rennen. Wir sehen die Muskeln sich dehnen, und dann geschieht, was der Trainer prophezeit hat. »Dan Davis ist gefallen«, verkündet der Lautsprecher. Er rappelt sich auf, läuft mit schmerzenden Gelenken weiter – und überholt die anderen Läufer. Das ist eigentlich ganz und gar unmöglich; der Wille hat so sehr über den Körper triumphiert, dass beides unmöglich wieder zusammenfinden dürfte. Einer der Agenten, die die Sache beobachten, gibt durch: »Ich habe hier ein instabiles Signal. Er darf nicht aufwachen. Lass' ihn auf keinen Fall aufwachen.« Die Bewegung friert ein, kurz vor dem Ziel. Die Konkurrenten verwandeln sich in Agenten. Mit übermenschlicher Anstrengung läuft Dan weiter, die Hände der Agenten greifen ins Leere. Rote Zahlen erscheinen vor seinen Augen. Sein realer Körper im Kokon wird von Maschinen gepackt; sie verpassen ihm Elektroschocks. In der Matrix durchläuft er das Ziel und stürzt. Dan hat mit einer Zeit von 8,72 Sekunden einen neuen Weltrekord aufgestellt. Dann sehen wir ihn im Krankenhaus; eine Schwester erzählt von der

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Kirschtorte ihrer Tante Daisy. Dan ist willenlos und leer, er wird in einem Rollstuhl gefahren. In seiner Hand Walnüsse, von sehr weit her nur hört er die plappernde Stimme der Schwester. Die Agenten scheinen beruhigt: »Ein interessanter Fall, aber nicht besorgniserregend. Die Erinnerung an das Rennen wurde ausgelöscht. Ohne Nachwirkungen. Er wird nie wieder rennen. Genau genommen wird er nie wieder gehen können«, gibt einer von ihnen durch. »Wir werden ihn noch eine Weile beobachten, aber ich glaube nicht, dass es Probleme geben wird.« Die Walnüsse kullern aus Dans Hand zu Boden. »Frei!«, knurrt er in seinem Rollstuhl. Und er steht auf, beginnt mit seinen Prothesen zu gehen, trotz des Befehls »Hinsetzen!« des Agenten. »Frei!«, murmelt er erneut. Die Walnüsse bewegen sich, scheinen vom Boden abheben zu wollen. Dan stellt sich auf die Zehenspitzen und streckt die Hände aus. Dann sinkt er auf die Knie. Von sehr weit weg sehen wir, wie sich die Krankenschwester um Dan Davis kümmert. Das Bild erlischt. Ein morality play in der Welt der Matrix; WORLD RECORD offenbart immerhin, dass es wohl auch einen passiven Weg aus der Matrix gibt, das Wunder einer unwillkürlich herbeigeführten Erweckung in einer besonderen Situation. Es ist ein subjektloses Wunder, eine Anomalie ohne Verursacher, ein Zeichen ohne Inhalt. Und ein weiterer Hinweis darauf, dass die Haut der Matrix in Wahrheit perforiert ist. BEYOND

In BEYOND, geschrieben und inszeniert von Kouji Morimoto, entdeckt Yoko ein »Loch« in der Matrix, einen Fehler im Programm, und dieser Ort des Übergangs wird im wahrsten Sinne zum Kinderspielplatz, bis die Agenten dahinterkommen und das Loch stopfen. Diese eigenwillige »Spukhaus«-Geschichte entfernt sich am weitesten vom Hauptstrom der MATRIX-Handlung. Das grüne Computerdisplay zeigt den Grundriss einer Stadt, dann verändert sich das Bild zu einer »realen« Szene: eine Fußgängerampel. Müde, verhärmte und untröstliche Menschen gehen langsam ihrer Wege (wir erinnern uns an die Roboter auf dem Weg zur Arbeit in THE SECOND RENAISSANCE): Im Zeitraffer gehen sie über die Zebrastreifen, und ebenso schnell rasen Zeilen, die Frauenhände in eine Tastatur hacken, über einen Bildschirm in einem Büro. In ihren Bürowaben sitzen die Menschen dicht an dicht an ihren Bildschirmen, Telefone klingeln, das Bild zurrt zurück zu dem Display mit dem Stadtgrundriss, gleichsam der extremste »Gottesblick«, ein anderer Ausschnitt wird gewählt, ein ödes Stück Straße, eine Krähe fliegt herbei, die Fußgängerampel springt auf grün, aber niemand ist

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da, nur eine Katze, die den Vogel vertreibt. Eine junge Frau, das Telefon am Ohr, öffnet den Kühlschrank, um der Katze Futter zu holen, die einmal mehr zum Führer in die Welt hinter den Spiegeln werden muss. Sie spricht mit ihrer Freundin über ein Date, dazwischen ruft sie nach ihrer Katze, sie wird langsam ungeduldig, und sie macht sich schließlich auf die Suche nach ihr, aber niemand weiß, wo sie geblieben ist. Nur einer der Jungs auf der Straße meint, sie sei in das alte Spukhaus gelaufen. Gleich darauf entdeckt er den Regenbogen über der Stadt. Sie wollen Yoko in das verbotene Haus begleiten. Auf dem Display, in der Mitte das rote Grundstück, flackert: error. Das System versucht, wieder seine Schärfe zu erlangen, aber anscheinend geht von dem Haus eine Störung aus. Offensichtlich gibt es nicht nur Menschen und Situationen, sondern auch Objekte und Orte (also alles, was »Bild« werden kann), die die Haut der Matrix durchstoßen, das System transzendieren können. Mehrere verfallene Häuser; das Mädchen betritt den Hof und sieht eine Dose ein wenig über dem Boden schweben, ein streunender Hund scharrt im Gras, frisst etwas und verfärbt sich schwarz; Yoko ruft nach den anderen, aber es ist niemand mehr da. Durch ein Loch im Dach regnet es finster hinein, obwohl doch ansonsten die Sonne scheint (da also kommt der Regenbogen her), die Katze bleibt verschwunden. Das Bild wird instabil, die Wände beginnen zu zittern, aus ihnen generiert sich Zeitungspapier, das ein furchtbarer Wind dem Mädchen ins Gesicht bläst. Die Kinder spielen unterdessen: Eine Flasche, die zu Boden geworfen wird und zerbirst, springt zurück und ist wieder ganz. Endlich findet Yoko die Katze, als die um ihre Beine streicht, ist das Brüllen eines Löwen zu hören, in einem Konkavspiegel sieht Yoko den Verkehr auf einer belebten Straße; die Katze springt ganz buchstäblich über ihren Schatten. Die beiden Jungen stürzen sich von einem Sims mehrere Meter in die Tiefe, aber ihr Fall wird kurz vor dem Boden abgebremst. Einer von ihnen aber hat Nasenbluten; ein dicker Tropfen fällt auf den Steinboden. (Das ist eine Reflexion der Szene, in der Neo entdeckt, dass er in der Matrix eine echte Verletzung davontragen kann.) Eine weiße Taube setzt sich vor die Heldin hin. Eine Feder rotiert vor ihren Augen, sie greift sie. Die Taube fliegt nun in extremer Zeitlupe an ihr vorbei. Ein weißes Licht senkt sich von oben herab. »Das ist vorher noch nie passiert«; Yoko fällt, gleichfalls in Zeitlupe, mit einem entrückten Lächeln auf die Seite. Wie wir es in der Matrix gewohnt sind, entfernt sich »Schönheit« immer wieder von Handlung und Moral: Der Mythos zersetzt sich auch so. Krähen steigen auf; die Menschen in den Straßen sind verängstigt. Ein roter Tankwagen mit einem Spinnenemblem sprengt sie auseinander, während Yoko ihre neuen Talente erprobt und durch die Luft

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schwebt (eine poetische Form der bullet time). Sie ist »so leicht wie eine Feder!«, sagt einer der Jungen. Aber dann ist das auch wieder vorbei. Draußen stehen die Menschen und staunen, bis ein Polizist auf einem Fahrrad erscheint und sie vertreibt. Ratten wuseln herum, der Tankwagen ist zur Schädlingsbekämpfung gekommen. »Räumen Sie dieses Gebiet«, wird über Lautsprecher befohlen. Männer in Schutzanzügen stürmen in das Gebäude. Das Mädchen sucht wieder die Katze. Und findet sie an einer Tür kratzend. Sie öffnet die Tür, hinter der sie Stimmen im Dunkel hört. Dann steht sie im Lichtkegel der Männer. »Du gehörst nicht hierher.« Ein Hubschrauber kreist über dem Geschehen. Ein Agent ist aufgetaucht: »Sind Sie sicher, dass Sie alle haben?« »Das sind nur ein paar Kinder!«, ruft Yoko und versucht sich loszureißen. Auf dem Bildschirm die Meldung einer rendering anomaly, das search and replace ist abgeschlossen. Blauer Himmel über einem durch Drahtgitter gesicherten Parkplatz, an der Stelle, wo vorher das magische Haus stand. Die magischen Spiele der Kinder funktionieren nicht mehr. Wieder springt eine Ampel auf Grün, wieder eilen müde Menschen über die Zebrastreifen. Der Bildschirm zeigt Display und dann, indem die »Kamera« zurückfährt, die Codes der Matrix. Das Bild erlischt. Der Riss in der Matrix war diesmal, vielleicht, die Pforte zu einem letzten Ausflug in die Kindheit. DETECTIVE STORY

DETECTIVE STORY von Shinichirô Watanabe (Buch und Regie), in düsterem Schwarzweiß gehalten, ist eine genaue Hommage an das, was der Cyberpunk dem Film noir schuldet, an Raymond Chandler und ein wenig an Paul Auster. Der Plot schildert die Suche des Privatdetektivs Ashs nach Trinity, zu der er von einem geheimnisvollen Unbekannten angeleitet wird. Der Film kommt wohl den ursprünglichen Cyberpunk-Fantasien am nächsten: Das perfekte System produziert, paradoxerweise, vor allem Anarchie. Es ist ein Film im Retro-Look, der einen typischen Detektiv vorstellt (natürlich ist sein Kühlschrank so leer wie sein Bankkonto). Wie Sam Spade in THE MALTESE FALCON (Die Spur des Falken; 1941; John Huston) eine Karte seiner Stadt, so hat Mr. Ash ein Display mit den Straßenzügen im Arbeitszimmer mit der Nummer 201. Und natürlich klingelt am Beginn der eigentlichen Handlung das (altertümliche) Telefon. Der Detektiv, in Weste und Schlips, wettet mit Dinah (seiner Katze, natürlich): »Wenn es wieder ein misstrauischer Ehemann ist, steige ich aus diesem Geschäft aus.« Doch er erhält den Auftrag, einen Hacker zu suchen. Sein Deckname: Trinity.

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Der Auftraggeber will seinen Namen nicht nennen, und so will Ash den Auftrag schon ablehnen. Aber er wird aufgefordert, einen Blick auf seinen Kontostand zu werfen – und nimmt den Auftrag an: Im nächsten Bild bewegt er sich durch die Stadt des Film noir. »Ich hatte kein gutes Gefühl bei diesem Fall.« Feuerleitern in den nebligen Schluchten zwischen den Hochhäusern. »Andere Detektive hatten auch an dem Fall gearbeitet, und ihre Nachforschungen waren alle, sagen wir, schwierig gewesen. Einer der Jungs hat sich umgebracht, ein anderer ist verschwunden, wieder ein anderer ist verrückt geworden.« Er stattet dem Übriggebliebenen einen Besuch ab, dem Verrückten. Der sitzt da in einem leeren Raum, voll Schimmel und Graffiti, »Trinity existiert nicht mehr. Und wer bin ich, wer zum Teufel bin ich?« Wieder sieht die »Kamera«, langsam sich drehend, von oben in die denkwürdige Zelle. The World is Yours, verkündet im nächsten Bild großspurig eine Reklametafel. Auf den Spuren von Alice im Wunderland ist er im Internet unterwegs. Die »rote Königin« ist der erste, die antwortet. »Mir wurde gesagt, dass er durch den Spiegel gegangen ist.« Und sie antwortet: »Nein, du bist durch den Spiegel gegangen.« Auf die Frage, wie sie sich treffen können, antwortet die rote Königin dem weißen Bauern: »Du musst über den ersten von sechs Bächen springen. Ich werde um 20 Uhr 5 da sein.« Es schneit über der Stadt. Nachdenklich wiederholt der Detektiv die Worte der roten Königin. Mit ihrem Hinweis vollzieht er Alice' Reise nach und weiß nun, wo er Trinity finden kann. Er fährt zum Bahnhof und erreicht mit letzter Mühe einen schon ausfahrenden Zug. Das Abteil, in dem er sie findet, ist eine Falle, oder nein: »Es gibt einen Unterschied zwischen einer Falle und einem Test.« Die beiden richten ihre Waffen aufeinander. Trinity behauptet, sie wolle Ash retten, und so wie man einst Neo von seinem parasitären Körperbewohner befreit hat, zieht sie nun ihm (aus dem Auge) das Überwachungsinsekt. »Was ist gerade passiert?«, fragt er, und sie antwortet: »Mr. Ash, haben Sie von einer Augenuntersuchung geträumt?« »Sie sind an den Rand des Spiegels getreten«, beantwortet sie seine Frage, woher sie das wisse. Ein Ruck geht durch den Zug, in dem sich die Agenten befinden. Sie haben ihn angeheuert, um sie zu bekommen: Trinity. Ein Feuergefecht zwischen dem Detektiv und den Agenten, Trinity entkommt. Aber dann wird er von einem Krampf geschüttelt, mehrmals nimmt er die Gestalt eines Agenten an. »Was passiert mit mir?« Trinity schießt ihm in den Leib, die Verwandlung wird gestoppt. »Tut mir leid, Sie haben es nicht geschafft.« – »Ich wünschte, ich könnte mit Ihnen gehen. Ich gebe Ihnen nicht die Schuld. Alles, was passiert ist, Trinity, war meine Schuld.« Es gebe einen Unterschied zwischen einem Test und einer Wahl, sagt Trinity noch. Sie entkommt durch

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Die letzte Zigarette: DETECTIVE STORY im schwarzweißen Retro-Look

das Fenster des Zuges, das sie zuerst zerschießt. Ihre Glas-Aura, wir kennen das. Ash fixiert die drei Agenten, die den Zug durchsuchen, mit seiner Pistole, während er sich seine wohl letzte Zigarette anzündet. »Ein Fall, der alle Fälle beendet.« Wie FINAL FLIGHT OF OSIRIS negiert auch DETECTIVE STORY ein Element der mythischen Erzählung der MATRIX-Trilogie: beide Filme zeigen das Scheitern; das Opfer, das zur Unzeit kommt und nichts bewirkt, der Stachel im Fleisch der Geschichte. MATRICULATED

In allem eher wie das Gegenteil erscheint die sehr bunte Episode MATRICULATED von Peter Chung (Buch und Regie), in der eine Rebellengruppe einen Roboter gefangen nimmt und ihn auf menschliche Empfindungen umzuprogrammieren versucht. Wenn am Beginn der ANIMATRIX mit FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS der Versuch der größten Nähe von Computer- und Realbild und der größten Nähe zur MATRIX-Hauptlinie

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stand, so greift MATRICULATED am weitesten über die dort, so und so, konstruierte »Realität« hinaus. Die Bilder verlassen den Bereich der Repräsentation, und die Erzählung verlässt die Gewissheit der MATRIX-Mythologie. Alles konnte sich noch einmal ganz anders ansehen lassen. Eine dunkle Felsenlandschaft am Meer, eine Frau sitzt sinnierend da, neben sich ein Glas mit einem sehr großäugigen Tier. »Wach auf!«, meldet sich ein Mann aus einem Bildschirmüberwachungsraum: »Baby hat zwei Maschinen gesichtet, die sich schnell nähern.« – »Ich sehe sie.« – »Das sind >LäuferLacanianischen< Freunde versichern mir, die Drehbuchautoren müssten Lacan gelesen haben, die Verfechter der Frankfurter Schule sehen in der Matrix die Verkörperung der Kulturindustrie, die unser Seelenleben kolonisiert und uns als Energiequelle nutzt, New-Age-Gläubige finden eine Quelle der Spekulationen darüber, dass unsere Welt nur ein Trugbild ist, erschaffen von einem globalen, im World Wide Web verkörperten Bewusstsein.« Was die Philosophie in der Matrix anbelangt, so sind wir wohl der Falle der Beliebigkeit bei der Deutung eines solchen Rorschach-Tests entkommen, indem wir der Sache eine Geschichte zurückgegeben haben. Seit Plato haben sich sehr viele Menschen Gedanken darüber gemacht, was man von der Welt wissen und wahrnehmen kann und wie sich Gewissheit und Zweifel zueinander verhalten. Offensichtlich sind alle, die sich solche Gedanken gemacht haben, immer wieder an bestimmte Schlüsselprobleme gelangt. Die jeweils moderneren Denker haben dabei immer wieder versucht, die Widersprüche, die sich dabei ergeben, auf eine andere Ebene zu heben. Und mittlerweile ist dieser Diskurs längst in die Pop-Sphäre gelangt, das begann lange vor MATRIX. Was uns in der Matrix so interessant erscheint, ist weder die Technologie an sich noch die Religion an sich, sondern vielmehr die merkwürdige Beziehung, die beides zueinander einnimmt. Was das Christentum anbelangt, kann man wohl mit Stanislaw Lern annehmen, dass die Religion die Technologie nur dort als Problem annimmt, wo sie sich mit den Bildern, die diese erzeugt, bereits auf ihre Weise befasst hat. Ein Webstuhl oder eine Nähmaschine sind kein religiöses Problem, weshalb die Religion und die Fabrik (übrigens: skandalöserweise) neutral nebeneinander bestehen. Anders schon fällt es mit dem Fliegen aus. Gehört sich das, dass die Menschen etwas tun, was den Engeln vorbehalten schien? Der religiöse Skandal 269

schlechthin schließlich ist die technologische Herstellung eines Menschen – mögen die Webstühle und Fließbänder und virtuellen Geldgeschäfte auch das Leben der Menschen erheblich heftiger beeinflussen als ein androider Roboter oder ein Klon. Und was schließlich wäre erst die Herstellung einer künstlichen Welt im religiösen Kontext? Kommt natürlich darauf an. Für einen Buddhisten mag es so nichtig sein wie eine Dampfmaschine, für einen Taoisten die Produktion eines hübschen Gleichnisses oder (wie es in MATRIX ja immer wieder ganz direkt bildhaft wird:) so »wirklich« wie ein Text. Für die Schöpfergott-Religionen aber ist es wohl nicht ohne innere Schmerzen hinnehmbar. Und so wie wir in der Ästhetik und in der Auffassung von Raum und Zeit so etwas wie eine Ver-Östlichung in der MATRIX-Welt beobachten, so sehen wir in ihren semiotischen Religionsund Technologie-Kriegen auch eine Zersetzung und Neugeburt der abendländischen Mythen und Religionen durch die östlichen Angebote des Spirituellen (mögen sie auch reduziert sein auf das Maß, das in jenem Zimmer des suchenden Jugendlichen gilt, von dem aus unsere Reise in die Matrix begann). Das Ganze funktioniert aber natürlich auch umgekehrt: Technologie wird, je mehr sie Einfluss auf die Ur- und Selbstbilder des Menschen nimmt, selber unabwendbar »religiös«. Genauer gesagt: Die Technologie ist es vor allem, die die endgültige Spaltung zwischen der Religion (dem Fundamentalismus) und dem Religiösen (Mystik und Heilserwartung) bewirkt. Insofern sind alle Religionskriege ebenso als Technologie-Kriege zu verstehen und umgekehrt. Das ist zwar einerseits ein ungeheuerlicher Gedanke, andrerseits würde aber ein Gedankenspiel wie das um die Matrix anders gar nicht funktionieren. Das Religiöse, wir haben es schon immer mal wieder angedeutet gesehen, ist in der Erzähl- und Bildermaschine von MATRIX einerseits Material, und es ist andrerseits unausweichliche Entwicklung in ihr selbst. Auch hier scheint das Angebot an Religionszitaten so reichhaltig, von der griechischen Göttersage bis zum Zen-Buddhismus, dass man sich schon bei der Systematik des Suchens schwer tut. Eine andere Frage ist freilich, ob es tatsächlich Religion in MATRIX gibt oder gar ob der Stoff selbst wie eine Religion funktionieren könnte. Wäre also Gelegenheit zu fragen: Was ist Religion eigentlich? Man kann da mitten hineinspringen, Augen zu und Herzen auf, und mit Paul Tillich behaupten, Religion sei, was einen »unbedingt angeht«, die Entdeckung und Akzeptanz einer absoluten Ausrichtung auf den einen Sinn im Leben. Alles auf eine Karte, der Rest ist Alltag. Eine solche Deutung geht natürlich ausschließlich vom Subjekt aus. Insofern steht am

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Beginn der Rebellion und Mission von Neo noch keine religiöse Entscheidung, sondern eine Entscheidung für Religion. Ob er nun noch Zweifel hat oder nicht, Neo hat sein Leben auf diesen einen Sinn ausgerichtet. Die letzte Versuchung liegt bald hinter ihm, sie besteht nicht in einer radikalen Negation, sie besteht vielmehr in einer schlichten Aussage: Es gibt noch etwas anderes. Etwas, das mich so sehr und so direkt angeht, dass ich dafür mein Leben (oder was ich bisher dafür gehalten habe) aufs Spiel setze. Aufwachen bedeutet also nach dem Entschluss zum politischen Widerstand und nach dem Beginn der Suche nach Erkenntnis als Drittes nichts anderes als eine religiöse Erweckung. So setzt sich das Subjekt in Bewegung. Von außen dagegen erkennt man Religion gerade daran, dass sie nicht etwas anderes ist. Zum Beispiel ist Religion nicht Kunst oder nicht Wissenschaft oder nicht Philosophie oder Weltanschauung oder moralische Überzeugung. Man erkennt eine Religion aber auch daran, dass sie im Widerspruch zu anderen Religionen steht. Die eine Religion versteht sich gegen die andere, oder zumindest jenseits von ihr. So ist das Religiöse nicht nur die Voraussetzung für Religion, sondern auch ihre Konkurrenz. Man könnte Religion durchaus als Verdinglichung, ja sogar als ein Projekt der Aufhebung des Religiösen empfinden. Deswegen will sie ein System werden, und jede Religion hat offensichtlich in ihrem Stadium als besonders umfassend »gültiges« System die Tendenz, sich wiederum in mehrere Systeme zu spalten. Einerseits in Fraktionen (Protestanten/Katholiken, Sunniten/Schiiten und so weiter), andrerseits aber vor allem in geschlossene und in offene Systeme, in die »Fundamentalisten« und die »Mystiker«. Die Fundamentalisten treffen sich am liebsten im Krieg, die Mystiker am liebsten im Tanz. Die Einwohner von Zion sind zweifellos erst einmal Fundamentalisten, ihre Ähnlichkeit mit der heiligen Überzeugtheit einer Sekte ist dabei kaum zu übersehen. Sie ähneln den Urchristen in den Katakomben, die sich als paradoxe spirituelle Verschwörung gegen eine weltliche Macht verstehen mussten. Offensichtlich fehlt den Fundamentalisten von Zion der Mystiker. Vom Mystiker zum Ketzer ist der Weg nie besonders weit. In Teil zwei entwickelt sich bei Neo eine Art von Zweifel zweiten Grades. Er hat nicht nur erfahren, dass ein Erlöser Teil des Programms sein kann, sondern auch, dass die Matrix voller Gespenster steckt: Vampire, Doppelgänger, Werwölfe, whatsoever. Plankton des Transzendentalen. Innerhalb einer Religion kann das Rationale der Religion nicht gedacht werden. Wenn ein Christ denkt, sein Christentum sei wahlweise verdammt nützlich für den Staat, für das Geschäft, für ein Projekt der moralischen Kontrolle oder für die Abwehr des bösen Bolschewismus, hat er

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sich schon außerhalb seiner Religion gestellt. Der Fundamentalist ist so nahe am terroristischen Diktator wie der Mystiker am (möglicherweise ebenfalls terroristischen) Ketzer. Religion ist also unzweifelhaft in der Geschichte ebenso ein Ordnungsfaktor wie ein Sprengsatz. Die Sehnsucht des Religiösen, jenseits von Geschichte und Gesellschaft zu gelangen, wird in der Religion immer wieder verraten. Jede Religion ist eine Matrix. Übrigens gibt es, was die Definition von Religion anbelangt, notwendig weder die Vorstellung von einem Gott noch einer Offenbarung, während Erscheinungen wie »Himmel«, »Hölle«, »Erlösung« oder »Opfer« auch jenseits von Religion ziemlich verbindlich auftreten können. Nur das Drinnen und das Draußen, das gibt es immer. Die Götter und die Offenbarungen freilich braucht man wohl, um sich Religion zu erzählen, und man braucht sie, um die Religion von einer anderen abzugrenzen. Aber da sind wir schon bei der Geschichtlichkeit der Religion, die man ja nie wegdenken kann. Jede Religion, vor allem wenn sie von einer Schöpfung und einem noch so komplexen Subjekt dahinter ausgeht, hat ein eingebautes Problem. Man kann es schlicht »das Böse« nennen. Wenn es das Böse gibt, dann muss der Schöpfer oder die Schöpferin auch dafür verantwortlich sein. Haben er oder sie da ein paar schlechte Tage gehabt, wollten sie uns prüfen, uns eine moralische Freiheit geben, auf die wir doch als »Geschöpfe« nicht vorbereitet sind – verdammt zu einer Freiheit, zu der der Mensch nicht geboren ist, wie Sartre sagt –, oder ist das Jenseits, entgegen unseren Hoffnungen, mindestens so uneins, unfriedlich und widersprüchlich wie unser gewohntes Jammertal? So will das göttliche Subjekt eins werden und muss sich doch permanent spalten. Gute Götter, böse Götter. Ein liebender und ein zorniger Gott. Eine Dreieinigkeit schließlich, gegen einen Satan, einen Gefallenen, einen Versucher. Die großen, zentralen Religionen gehen davon aus, dass dennoch die Welt, wie sie ist, »richtig« ist, so wie die ersten Aufklärer sie dann als »vernünftig« interpretierten (Voltaires armer Candide hatte damit seine Schwierigkeiten). Schwarze Religionen (und schwarze Aufklärung, sagen wir bei Theodor W. Adorno) können sie daher nur als vollkommen »falsch« ansehen, was, nebenbei gesagt, für das alltägliche Leben und den »Glauben« genauso schwer ist wie das »Einverständnis« in die Schöpfung. Erleuchtung und Gnade entwickeln sich schließlich an den Orten und in den Zeiten der größten Verdammnis. Aber die Gnostiker und die Satanisten haben's auch nicht leicht. Die einzige praktische und menschliche Art, mit Religion umzugehen, ist ein entschlossenes Wischiwaschi. Ein Absehen von den Kernen und ein Bejahen der Peripherie. Das wird nicht gern gesehen. Das Sampling freilich, der

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sich beschleunigende religiöse Remix, ist keine lineare Entwicklung. Die Fundamentalisten und die Mystiker brechen an unerwarteten Stellen wieder hervor. Sie rekonstruieren die Geschichte als Religion und die Religion als Geschichte, furchterregend. In THE MATRIX wird sich Thomas Christian Anderson als Neo seiner messianischen Sendung bewusst. Der wichtigste Aspekt ist hier der, »wahrer Mensch« zu werden. In THE MATRIX RELOADED soll Neo den anderen Aspekt erfüllen, nämlich »wahrer Gott« werden. Der Zweifel sieht also in beiden Teilen ganz und gar anders aus. In THE MATRIX muss Neo an sich selber zweifeln. In THE MATRIX RELOADED aber zweifelt er an der Welt und natürlich, sehr zu Recht, am »Vater«. Bedarf die Welt seiner Rettung, und »verdient« sie sie? Und schlimmer noch: Wird er nicht von beiden Seiten schamlos missbraucht?

Das Biblische Wie zu gewissen literarischen Vorlagen, wie zu Homer, Shakespeare, Lewis Carroll und William Gibson, so ist auch der Bezug zur Bibel in der Entwicklung von Plot und Ikonografie in THE MATRIX so deutlich, dass man nicht mehr von einer »Konnotation« sprechen kann. Es ist ein bewusstes, oft frontales Spiel mit Gestalten und Geschehnissen der Bibel – des Alten wie des Neuen Testaments – und der Kabbala, in dem immer wieder eine dialektische Negation stattfindet: Der Matrix-Name des Helden, Thomas Christian Anderson, verweist nicht nur auf einen nicht unbekannten Märchenerzähler. Thomas, der eine Zeitlang nicht zu Unrecht den Beinamen »der Ungläubige« erhielt, ist in der urchristlichen Lehre der Zwillingsbruder von Jesus, der der Christus wurde. Die wörtliche Übersetzung von Anderson (Andras = der Mann) verdoppelt die Erlöser-Funktion noch einmal zum »Menschensohn«. Wie der christliche Messias, so spaltet auch Neo das Volk und den Glauben. Israel erwartete den Erlöser als politischen und nicht zuletzt auch militärischen Führer im Kampf gegen Unterdrückung und Besatzung. Einen »König«, und als König wurde er auch empfangen, bevor er sich von diesen weltlichen Ansinnen befreite: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Neo, so scheint es, überschreitet diesen Widerspruch, den wir aus allen amerikanischen Bibelfilmen kennen (die Schwierigkeiten haben, ihre heimliche Sympathie mit dem Empire der Römer und ihren pragmatischen Vertretern zu unterdrücken und einen leidenden, einen radikalen Verlierer in den Vordergrund zu stellen). Er sieht, in THE MATRIX RELOADED, so aus wie einer, der gerade diese noch im Alten Testa-

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ment verhaftete Erwartung zu erfüllen imstande war, als wolle er diesmal der »richtige«, nicht der leidende, nicht der sich opfernde Messias werden. Nachdem er seinen göttlichen »Anruf« bekommen hat (zeitgemäß via Internet), bleibt er in einem alttestamentarischen Kontext, eher abrahamitisch, mosaisch. Der Erlöser ist ein »Modell«, das sich offenkundig auch wandeln kann. Als Neo beim »Architekten« der Matrix angelangt ist, erfährt er, dass er bereits die sechste Version der »Anomalie« ist, die das System der Matrix zugleich revoltiert und bestätigt. Aber alle vorherigen Versionen scheinen ihre Spuren, ihre kulturgeschichtlichen Reste, ihre Gespenster hinterlassen zu haben. Überbleibsel der alten Programme begegnen dem jeweils neuen »Messias«, und immer entstehen dabei die Dämonen, die, wie in Genesis 6,4 beschrieben, aus der Verbindung der Gottessöhne und der Menschentöchter entstehen. Es sind die »Halbwesen« zwischen dem Göttlichen und dem Menschlichen, die in Dantes Göttlicher Komödie die Hölle bevölkern. Akzeptiert man die Geschichte der Matrix, so wie sie der »Architekt« erklärt (und wie sie Agent Smith, ein Miltonscher Satan, gewiss, schon vorher angedeutet hat), als eine Parallele zur Schöpfungsgeschichte, also nicht als virtual reality (als Simulation einer Welt), sondern als artificial life (als eigenständige, aber strukturierte Evolution in einem Programm und über das Programm hinaus), dann hat auch hier, wie schon erörtert, alles mit dem Verlust des Paradieses begonnen. Nur sind die Menschen in der Matrix nicht daraus vertrieben worden, sie haben es vielmehr nicht angenommen. Und jede neue Variante des Messias/Rebellen vollzog den jeweils nächsten Schritt der Schöpfung: Der (vorläufige) Endpunkt dieser Schöpfung ist offensichtlich das langweilige, mittelmäßige, unheroische Leben von heute. Und der »Architekt« im Dienste der Maschinen scheint den Messias als eben denjenigen programmiert/erwartet zu haben, der die unglückselige Geschichte der Menschheit beendet. Nicht die Menschen dieser Welt zu erlösen, sondern die Welt von den Menschen zu erlösen (wie es Agent Smith gerne hätte)! Der Schöpfungsmythos und die Erlöser-Legende drehen sich indes ineinander: Während der Erwählte noch so lange Zeit einem alttestamentarischen Modell folgt, wirkt er andererseits bereits wie ein neutestamentarischer Messias, der viel mehr das Leben rettet, als dass er die Revolte führt (wie in der »Lazarus-Szene«, in der er Trinity ins Leben zurückholt). Und natürlich erlebt Neo Tod und Wiederauferstehung – das Hotelzimmer mit der Nummer 303, in dem der erste Film beginnt und endet, gibt uns genügend Hinweise, auf das Alter des Erlösers, die histori-

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sche Zeit und die Tage zwischen Tod und Auferstehung, die Neo in den Armen Trinitys wie in einer barocken Pietà erlebt. Aber ist dieser Auferstandene nur ein Neo, der sich seiner Göttlichkeit bewusst ist, der seine Messias-Rolle angenommen hat, oder ist er in der Tat ein »spiritueller Körper« geworden? (Die Wachowskis verstehen es, Neo in eine Licht-Aura zu kleiden, die ihn über jeden gewöhnlichen Helden erhebt – aber es ist nicht der helle Schein der Entrückung, es ist mehr eine Art von LichtPanzer, was ihn begleitet.) Wie dem auch sei, wenn wir von dieser Szene als Wiederauferstehung und Wandlung ausgehen, dann erzählt die MATRIXLegende im Folgenden eine Geschichte, die es in der christlichen Mythologie gar nicht gibt: In der Bibel ist die Auferstehung das bedeutende und überzeugende Bild an sich, in der MATRIX-Legende ist es eher ein Mittel zum Zweck, eine von vielen Verwandlungen. Oder ist es gar eine noch radikalere Revision, in der Neo/Jesus durch die Auferstehung zu seiner wahren Bestimmung gebracht wird – oder wird eben nicht nur die Schöpfungs-, sondern auch die Erlösungsgeschichte in der MATRIX-Trilogie rückwärts erzählt? Je mehr wir indes von ihm erfahren, desto mehr wird uns klar, dass Neo ein polyvalenter, zugleich selbst produzierter und für jeden Empfänger als own personal Jesus verständlicher Erlöser wirkt. Der Messias im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Oder: Der Mythos im Zeitalter seines Selbstbewusstseins. So mag sich also – wir müssten vermutlich Trinity danach befragen – ein weiterer Kreis schließen, der einige der philosophischen Widersprüche in der Matrix auflöst (oder sie auf die nächsthöhere Spiel- oder Denkebene hebt): Neo, der jeweils neue Rebell und Messias, ist zugleich Subjekt und Objekt der Matrix-Schöpfung. Das, wogegen er zu rebellieren scheint, hat er selbst geschaffen. Er ist ein Gott auf der Flucht vor sich selbst, dem vor seiner Schöpfung graut, so wie er ein Mensch ist, der auf der Flucht vor seiner Wirklichkeit sich zum Gott träumt, der seine Schöpfung umwirft. Die Revision der Schöpfungsgeschichte lässt für den siebten Versuch (den siebten Tag der Schöpfung) keine andere Alternative als ein Neues Testament. Wenn wir nämlich die Matrix als eine Maschine ansehen, die einen Mythos erschaffen kann, dann bleibt uns auch kaum etwas anderes, als umgekehrt den Mythos als eine Maschine zu begreifen, die Bewusstsein schafft (oder, je nachdem, sein Gegenteil). Die Relektüre der Bibel in der Matrix bringt die Schöpfungsgeschichte als strukturelle Mechanik zum Vorschein. Daher verhält sie sich, wenn auch bei etwas weniger Passion des Subjekts, zur Bibel genauso wie Nietzsches Also sprach Zarathustra. Als Imitation, Konkurrenz und Parodie.

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Neo, der Erlöser, ist also schließlich doch eine neutestamentarische Figur, wenn nicht gar eine neuesttestamentarische. Ganz buchstäblich soll er ja am Ende von THE MATRIX RELOADED die Schöpfungsgeschichte neu schreiben, ein neues Programm für die Matrix und die Menschen in ihr begründen. Er ist der Erlöser, das wird nun wirklich oft genug betont, doch er agiert auch in einer Kleidung, die ihn unübersehbar als »Priester« markiert. Weder die Nacktheit noch die Demut eines Erlösers ist ihm gegeben. Die zentrale Vorstellung des Neuen Testaments ist die Notwendigkeit für Gott, ein Mensch zu werden und in dieser Gestalt das für ihn bis dahin Unfassbare zu erleben: den Tod. Zum einen ist diese Geschichte des Erlösers in MATRIX durcheinander geschüttelt, vervielfacht und gespiegelt. Die Auferstehung ist sozusagen aus dem Zentrum in die Peripherie des Mythos gerückt, sie wiederholt sich mehrfach, und sie ist eher der letzten Versuchung (der Liebe zwischen Mann und Frau) als dem Welten wendenden Opfer geschuldet. Immer wieder hoffen wir wohl, es könnte unter dem Strich ein weiterer Prozess der Vermenschlichung herauskommen. Ein Jesus, der darauf verzichtet, ein Gott zu sein. Und damit allen Menschen etwas von seiner Göttlichkeit abgibt.

Das Gnostische Zum anderen aber ist Neos Revolte grimmiger, als dass solch eine Versöhnung so einfach zu haben wäre. In der Gnosis, der ketzerischen Gegenbewegung zum Christentum, ist die materielle Schöpfung nur eine der höllischen Verirrungen, für die ein böser Schöpfer, der Demiurg, verantwortlich ist. Alles Stoffliche in der Welt ist Täuschung. Der menschliche Körper ist nur eine gräuliche Parodie der wahren menschlichen Gestalt. Man muss die Wahrheit hinter diesem Trugbild erkennen, wenn man sich aus dieser Hölle befreien will. Die Mehrzahl der Menschen freilich will von dieser Wahrheit nichts wissen. Sie bewegen sich in der stofflichen Welt, als wäre sie die gottgewollte Realität. Zum Erlöser in dieser Welt der bösen Schöpfung wird die Schlange, die dem Menschen vom Baum der Erkenntnis zu essen gibt: In der gnostischen Lehre ist sie keine Verkörperung des Satans, sondern ein Vorläufer des Messias. In diesem Sinne muss zweifellos Morpheus, der Mann in Schwarz, der die rote Pille reicht, als Verführer erscheinen, eine Erscheinungsform des einzig wahren Rebellen gegen den sadistischen Täuschungsgott. Und Trinity wie Neo gleichen sich ihm da, zumindest was das äußere Erscheinungsbild anbelangt, sehr genau

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Neo ist der Erlöser, doch er agiert auch in einer Kleidung, die ihn unübersehbar als »Priester« markiert.

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Der »Architekt« aus THE MATRIX RELOADED könnte in dieser Sicht der Dinge niemand anderes sein als jener Demiurg, der böse Schöpfergott.

an. Der »Architekt« dagegen könnte in dieser Sicht der Dinge niemand anderes sein als jener Demiurg, der böse Schöpfergott, der die Welt zu keinem anderen Zwecke erschaffen hat als dazu, die Menschen in ewiger Gefangenschaft in ihr zu halten. Und es ist dieser Demiurg, der böseste Gott, und dennoch nicht vergleichbar mit einem Dämon, der die Killermaschinen in Richtung auf Zion in Marsch setzt: Armageddon, die letzte der Schlachten, jedenfalls für einen Durchlauf der Schöpfungsgeschichte. Auch die Gnostiker waren, wie der Architekt, der Meinung, dass 99 Prozent aller Menschen der Gefängniswelt als Illusion anheim gefallen sind und nur das verbliebene eine Prozent sich dem Irrglauben an die »Realität« der Schöpfung widersetzt. So geht es darum, sich nicht mehr aus dem falschen Leben ins richtige Bild zu flüchten, sondern vielmehr aus dem falschen Bild ins richtige Leben. Es ist erst hinter dem Code zu sehen, dem Vorhang der Bilder und Zeichen, der wie der Zeichenvorhang der Matrix vor dem wahren Leben ist. Jeder religiöse Schöpfungsmythos ist aus dem Problem seiner Zeit geboren, wie weit er sich darüber auch hinaus entwickeln mag. Der gnostische Glauben, ursprünglich ein Phänomen der Spätantike, mag sich im Mittelalter an der unbarmherzigen Verweltlichung der christlichen Kirche und ihrer Macht wieder entzündet haben, und seine erneute Renaissance mag sich daran entzünden, wie sehr die Bildermaschinen religiöse Macht absorbieren. Im Zentrum steht nun nicht mehr die tiefe Kluft zwischen Gott und den Menschen, dieses Wissen des Schöpfers um so viel mehr als das Böse in seinen Geschöpfen, um ihre Tendenz, selber zu sein wie er, die schon im Paradies begann – im Zentrum steht die Täuschung selber.

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Gnosis freilich revoltiert auch gegen die Vorstellungen von Zeit und Raum im Christentum. Die große, prüfende Wanderschaft durch das Jammertal, an dessen Ende die Erlösung steht, auch für jene, die leidlich gesündigt haben, wenn sie nur Reue zeigen, verschwindet zugunsten einer Dramaturgie von Erkennen und Durchbrechen. Nicht in der Zeit, sondern in der Gemeinschaft liegt daher die Lösung.

Das Buddhistische Die Welt als Täuschung zu verstehen, das führt den modischen Gnostiker leicht zum Buddhismus. Auch Siddharta Gautama, der Buddha oder »der Erwachte«, lässt ein ganzes Leben als »Illusion« hinter sich. Und wie Jesus ist er einer, der einen Kreislauf der Welt unterbrechen muss, die ewige Wiederholung, in der die Welt immer wieder von vorn beginnt, ohne sich zu entwickeln – eine spirituelle wie eine politische Erfahrung. Und wie Jesus erschien auch Siddharta in einer Situation, in der es auf dieser Welt keine Hoffnung auf Veränderung zu geben schien. Den Kreis durchbrechen, das ist die Erwartung an den mehr als maßgebenden Menschen, das ist auch die messianische Erwartung im globalisierten Neoliberalismus mit seinen Kreisläufen von Kapital, Terror und Krieg. Mögen sich jedoch im modischen spirituellen Design die beiden Religionen auch samplen lassen, in vielem schließen Christentum und Buddhismus einander aus. Ein »Erleuchteter« zu sein ist vermutlich so ziemlich genau das Gegenteil davon, ein »Erwählter« zu sein. Aber in Neo steckt eben beides, One, »der Eine«, den der Mythos erwählt, um ein Bündnis zu erfüllen, und Eno, der Zen-Mönch, der so schlagend zu zeigen wusste, dass die Wirklichkeit eine Illusion ist. Doch Bodhisattva, der Erleuchtete, bleibt dann doch, wie Jesus, in der Welt, zu der er eigentlich nicht mehr gehört, er bleibt in der illusorischen Wirklichkeit, dem Samsara (dem Kreisen in der Welt), um den Blinden den Weg offen zu halten. Nicht durch die Bewegung wie ein Erlöser, sondern durch die Ruhe. Das Karma, das den Menschen antreibt (das Wort bedeutet nichts anderes als Bewegung), ist ein Schicksal, das man auf paradoxe Weise überwinden kann, durch Moksha (die Befreiung), durch die man dem Samsara entgeht, die Askese und die Meditation, mit der man sich vom körperlichen Leben und schließlich vom Körper selbst trennt. Die Größe dieses Buddha liegt in seiner eigenen Umkehr. Er verließ die Form der reinen Askese und kehrte zu den Menschen zurück, um ihnen zu helfen. Übrigens nachdem er sich mit der Gewalt und den Verführungskünsten von Mara, dem bösen Dämon des Samsara, auseinandergesetzt hatte.

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Neos Begegnung in THE MATRIX mit dem Löffel verbiegenden Buddha, …

An die Wahrheit der Schöpfung ist auch hier nicht zu glauben. Samsara verbirgt die innere Wahrheit hinter dem äußeren Schein. Nach dem »Erwachen« wächst Neo unter der Ägide von Morpheus und Trinity in eine christlich geprägte Mythologie hinein (in der es freilich, wir haben es gesehen, heftig rumort). Doch in diese Mythologie fließen immer mehr östliche Elemente ein; mit der Dauer der Handlung wendet sich Neo gleichsam immer mehr nach Osten. Gewiss hat das schon mit der Körperlichkeit zu tun. Die Martial Arts und die Form des Kampftanzes, wie sie in den MATRIX-Realfilmen und insbesondere in ANIMATRIX – FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS zu sehen sind, stammen zwar direkt aus filmischen Vorbildern aus Hongkong. Aber auch sie funktionieren nur durch ein buddhistisches Prinzip der Gleichheit von Denken und Handeln – schwer zu erlernen, und ganz bestimmt nicht auf die geradlinigste Art. Es geht um das Erreichen eines Verlöschens (»Nirwana«) des Feuers von Leidenschaft und Leiden, eine Geisteshaltung, die man überraschenderweise auch mit »cool« übersetzen könnte. Und die Matrix könnte man nun sehr einfach mit »Samsara« übersetzen, so wie die Herrschaft der Maschinen, im christlichen Kontext auf eine Art »Ursünde« zurückbezogen, ein Karma der Menschheit ist, das aus der Vergangenheit fortwirkt. Also weder Strafe noch Prüfung Gottes, sondern eine Akkumulation der Entscheidungen in der Vergangenheit. Was Neo daher betreiben muss, um das ewige Kreisen zu durchbrechen, ist eine Kette von »Reinigungen«, von Verlöschen und Leeren.

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… der die Fähigkeit erlangt, die Objektwelt zu kontrollieren

Als in diesem Sinne entscheidende Lektion erscheint auch Neos Begegnung mit dem kleinen, Löffel verbiegenden Buddha im Haus des Orakels. Nicht das Selbst kann über die Materie gebieten, es ist Teil der illusorischen Wirklichkeit (im Dharma); die Meditation macht vielmehr den Subjekt-Objekt-Widerspruch obsolet. Und in einigen, sagen wir: ein wenig effektorientierten Schulen des Buddhismus führt diese Aufhebung schließlich dazu, dass das reine Bewusstsein die Fähigkeit erlangt, die Objektwelt zu kontrollieren. Der Erleuchtete erschafft seine eigene Welt. Daher verbiegt er weder einen Löffel in unserer Welt, noch schafft er in uns die Illusion eines verbogenen Löffel. Er erschafft stattdessen eine vollkommene eigene Welt. Die Matrix als »Gefängnis des Bewusstseins« könnte also von einem Erleuchteten ganz einfach neu erschaffen werden (der Film erspart uns dabei allerdings den Anblick von Mühen und Techniken der Meditation, er spiegelt sie vielmehr mehr oder weniger unterhaltsam im Kung-Fu-Training), und Neo versteht das immer mehr. Deshalb kann er die Matrix nicht kontrollieren, aber sich vollkommen losgelöst von ihren Gesetzen bewegen. Als Buddha (oder auf dem richtigen Weg dazu) kann Neo nach der Tradition des Mahayana nicht nur die Welt der Objekte mit seinem Geist beherrschen, Zeit und Raum bedeuten ihm so wenig, dass er an mehreren Orten gleichzeitig sein kann. Die mehr oder weniger mystische Einheit von Denken und Handeln, die man im Abendland allenfalls durch Ideologie erreicht, und zwar als bedingungslose Bereitschaft zum Opfer, müsste nun in dieser Sicht freilich

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durch Neos Karma bestimmt sein, durch die Summe seiner früheren Entscheidungen und Erfahrungen, durch eine besondere, ein wenig komplizierte Form der Vorherbestimmung. So tritt eine neuerliche Variante in die Erklärung seines Aufwachens: Neben den Willensakt des politischen und philosophischen Subjekts und neben das Empfangen der Gnade und der Gemeinschaft tritt möglicherweise eine Vorherbestimmung, und Neos, des Erlösers, beständiger Durchlauf von der Geburtsraumhülle ins Zentrum der Matrix wäre nicht nur eine Nacherzählung der biblischen Schöpfungs- und Erlösungsgeschichte, sondern auch eine Erfüllung des Karma. Was die »Schöpfungsgeschichte« der Matrix von der Erfüllung des christlichen Mythos im Wesen unterscheidet, das ist ihre zyklische Anlage. Nicht der Zerfall zwischen Mensch und Gott, sondern die Unfähigkeit des Menschen zu seiner Entwicklung bestimmt den Kreis. Die Matrix widersetzt sich der Erlösung (oder der Revolution) durch die sich scheinbar selbst regulierenden Zirkel. Immer wieder wird der »Neo« geboren und muss die Matrix durchwandern, bis er im Zentrum das System neu starten kann. Immer wieder werden die Dissidenten nach Zion verdrängt, offensichtlich lässt das System sie sogar gerne dorthin ziehen, damit sie mit einem einzigen Schlag vernichtet werden können. Gegen diese grausige Konstruktion des Kreisens helfen nur die Erkenntnisse der Gleich-Gültigkeit. Wenn Neo ein Buddha geworden ist, vielleicht in seinem nächsten Leben, wie es das Orakel formuliert, dann wird er den Kreis durchbrechen.

Zen und die Kunst ein Motorrad zu fahren In der Philosophie ging der Weg von den Widersprüchen zwischen den Ideen und der Anschauung bis zur Spaltung der Philosophie selbst. Das Subjekt und das System (der Mensch und die Matrix) kommen am besten ohne einander zurecht. Den Weg vom Widerspruch zwischen Himmel und Erde (sehen wir mal von der lustvoll gezeichneten Hölle ab) zum Subjekt gehen auch, wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise, die Religionen. In der »negativen Theologie« des Christentums sind Dinge wie »die Abkehr Gottes« oder »der leere Himmel« zu denken. Im Zen-Buddhismus ist nicht dem Subjekt die Welt eine Illusion, sondern umgekehrt: Das Subjekt ist der Welt eine Fälschung. Alles ist richtig in der Welt, der Stein, das Tier, die Zeit – nur der Mensch ist falsch. Er kann nur eines versuchen, nämlich in die verlorene Mitte zurückkehren. Die »Ich-Sucht« (wir sprechen hier weder von Egoismus noch von Egozentrik) gilt es zu überwinden, die wir mit Nietzsche gerade als eine schmerzlich-schöne Erfahrung gegen die Moral und gegen

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die Konvention erkannt hatten: Nur der Ich-Süchtige kann zum »Übermenschen« oder, wir sind bescheidener geworden, zum Post-Menschen werden, der die erkannten Grenzen des »alten Menschen« überschreiten kann. Aber eine große Alternative scheint sich aufzutun in dem Menschen, der gerade, statt das Ich zu einem wahrhaften Monster aufzublähen, das gar nicht mehr anders kann, als sich in der Sphäre des Göttlichen zu bewegen, dieses so weit überwindet, das er eins wird mit der Welt des Richtigen. Ist also Neo ein Ich-Süchtiger oder ein Ich-Überwinder? Morpheus ein christlicher Ich-Apostel oder ein buddhistischer Meister? Ersteres erkennen wir unter anderem daran, dass er »predigt«. Der Buddhismus, insbesondere der Zen, predigt nicht. Er wartet. Die Herstellung und Heimkehr, die Einheit und Mitte zu finden ist die (unmögliche) Aufgabe des Zen. Deshalb ist der Zen-Meister ein ewiger Wanderer. Die Meditation hat das Koan zum Gegenstand. Das Koan ist eine »Aussage«, die die höchste Aufmerksamkeit erzeugt und erfordert. Wenn ein »Orakel« in die Zukunft führt (wenn auch über den Umweg über die Vergangenheit), so führt das Koan in die Tiefe, in die Mitte (wenn auch über den Umweg der Oberfläche). Man muss aus seinen Widersprüchen auftauchen. Durch Fragen, die die westliche Erkenntnistheorie ausdrücklich für unzulässig und sinnlos erklären würde, wie die nach dem Geräusch einer klatschenden Hand. Ein einfaches Koan stammt von Meister Shusan: Er erklärte es als ungehörig, seinen Wanderstab (das Zeichen seiner Würde) als einen »Stock« zu bezeichnen. Wenn man ihn aber nicht als einen Stock bezeichnete, so beginge man ebenso einen Fehler. Nun also: Benenne, was ich in der Hand halte. Was Neo widerfährt, ist also durchaus als Koan zu verstehen. Es ist falsch, das Leben eine Illusion zu nennen, und es ist falsch, es anders zu nennen. (Die Wahl zwischen der roten und der blauen Kapsel führt möglicherweise immer wieder ins Koan zurück.) Die »richtige« Antwort auf ein Koan liegt immer jenseits der Erfahrungswelt und der Subjektbestimmung des Individuums. Wenn in der »normalen« Religion die Transzendenz in einer gegebenen Form existiert (ein Raum der Erlösung, in den man, immer strebend sich bemühend, gelangen kann), den man erreichen oder verfehlen kann – in den ekstatischen Reisen, in Versenkungen, in der Heiligkeit der Schrift, im Ritual und in der »Gemeinschaft der Gläubigen« etc. –, so wird im Zen die Transzendenz erst erzeugt. Der Raum der Erlösung kann überall sein, und am meisten dort, wo man sie nicht erwartet. Blasphemisch genug können wir also ein Koan auch als logisches Konstrukt zur Erzeugung von Transzendenz ansehen. Ist diese Konstruktion aber nun »künstlich« oder »wirklich«?

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Es ist die Liebe, die den Tod bezwingt: …

Die Lösung des Koan kann Satori, »Erleuchtung« bedeuten. Und es ist keineswegs gesagt, dass diese Erleuchtung durch Arbeit, Unterwerfung, Anstrengung kommt (wie es etwa im Yogacara der Fall ist). Sie geschieht plötzlich; der Meister vermittelt sie nicht selten wie einen Schock, auch mit Schmerzen, wenn es nützt, und erst ihre Innewerdung führt zur Stärkung. Satori ist »die innere Wahrnehmung«, welche eine »erleuchtete Schau in die wahre Natur der Dinge« erlaubt. Aber natürlich gibt es Wesentliches auf dem Weg zu Satori. Nichts darf wichtiger sein als etwas anderes. Alles ist das Absolute. Das Kleine und das Große. Die Dinge können nur von ihrem Ursprung her verstanden werden, nicht durch die logische Beziehung untereinander. Und indem Neo sie von ihrem Ursprung versteht und nicht durch ihre Beziehung untereinander, ist er auch selbst nicht mehr Teil dieser Beziehungen. Anders gesagt: Wenn man die Elemente und Momente eines Systems »richtig« ansieht, dann erweist sich das System als Illusion, in dem sie miteinander verbunden scheinen. Und noch einmal anders gesagt: Wenn man die Bilder »richtig« ansieht, dann ist ihre 284

… Neo erlebt die Auferstehung wie in einer barocken Pietà

Beziehung in einem Erzähl- und Sinnsystem eine Illusion. Die Bilder im Kino »richtig« zu sehen entspricht einer Koan-Aufgabe. Der Name Trinity für die Heldin, deren Aktion (in der jeweils ein Motorrad eine bedeutende Rolle spielt) wie ein Präludium jeweils am Beginn der Handlung steht, führt uns durch seine christliche Besetzung vielleicht allzu rasch in trügerische Sicherheit. Die Dreiheit ihres Wesens kann auch über die christliche Mythologie hinaus eine Dreieinigkeit der großen Religionssysteme beschreiben, der götterdurchdrungenen, polymorphen Welt der antiken und hinduistischen Religionen, der großen drei monotheistischen Religionen und der Religionen wie Buddhismus und Taoismus, die jenseits der Gottesvorstellung (oder im Gegenteil: diesseits von ihr) bestehen. Wenn Morpheus der Künder und Stratege des Religiösen in der Matrix und gegen sie ist, dann ist Trinity seine Verkörperung. Nur sie kann durch ihren Kuss die Auferstehung des Messias bewirken – und sie widerspricht darin auch wiederum der Auferstehungsmythologie. Es ist nicht das auto285

nome Subjekt, und es ist nicht der Wille des Vaters, es ist nicht Bestimmung und nicht Transzendenz. Es ist die Liebe, die den Tod bezwingt. Und die Kunst, ein Motorrad zu fahren.

Das Taoistische Das »Dao« (oder auch Tao umgeschrieben) ist nichts anderes als »der Weg«, und er führt zum »Geringer-Werden«, bis dorthin, wo man, nach Lao Tse (oder Laozi), »zum Nicht-Tun« gelangt. Im übertragenen Sinne ist es auch eine Ur-Einheit, die verloren geht und die es für den Menschen wieder zu gewinnen gilt. Aber der Weg und diese AllEinheit sind auch ein Geheimnis, genauer gesagt, es ist »des Geheimnisses noch tieferes Geheimnis«. Der Weg führt durch eine Welt, die von zahlreichen Göttern, Geistern und heiligen Texten erfüllt ist. Viele Wege machen den einen Weg aus, der zur Unsterblichkeit führt. Es ist die Stille in der Bewegung: »Das Dao ist ewig ohne Tun, und doch gibt es nichts, was nicht getan wird«, heißt es bei Lao Tse. Für ihn ist das Wesentliche in den Dingen die Leere. Und auch für die Menschen ist der Weg zur Erlösung das Leerwerden. Leere und Stille sind die Zustände, in denen das Sein nicht mehr von den Gegensätzen (wie »männlich« und »weiblich«, »stark« und »schwach«) beherrscht wird. Weg, Einheit und Geheimnis – eine taoistische Trinity. Die Welt, wie sie ist, wird aus fünf »Wandlungsphasen« gebildet, nämlich Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, und aus ihnen ergibt sich auch die moralische und ästhetische Ordnung der Welt. Ein Gefühl kann durch eine der Wandlungsphasen bezeichnet werden (sodass, zum Beispiel, die Vorliebe für bestimmte Texturen im Bild keineswegs auf ein Vergnügen am Dekorativen allein gerichtet ist). Die Wandlungsphase Holz steht auf diese Weise in Verbindung mit höchst unterschiedlichen Erscheinungen der Welt: mit dem Frühling, dem Osten, der Farbe Grün, der Ziffer 8, dem Sauren, inneren Organen, dem Zorn und der Güte. Die Wandlungsphasen finden sich in einer Handlungskette miteinander: Holz wird Feuer wird Erde wird Metall wird Wasser wird Holz. (Sehen wir uns gewisse Wandlungsprozesse in der Matrix daraufhin an!) Und aus diesen Verwandlungen entsteht der gesamte Kosmos. Wenn wir uns in der Metall-wirdWasser-Phase befinden sollten, in THE MATRIX, wofür wir immer wieder direkte visuelle Hinweise erhalten, dann steht offensichtlich ein Neubeginn des Kreises kurz bevor. Eine »taoistische« Beziehung scheint es in der Matrix vor allem zur Schrift zu geben (was allerdings auch direkt aus einer Reihe von chinesi-

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schen Filmen stammen mag, die den Wachowskis als Vorbild dienten). Im Dao ist die Schrift nicht nur etwas Göttergegebenes, sie ist vor allem ein konkretes Sein des Bezeichneten. Ein Schriftsymbol kann in das Leben ebenso eingreifen wie das Ding oder Wesen, das es bezeichnet. Das Schriftzeichen für Elefant schützt vor dem realen Tiger. Auch in der Matrix sind zumindest die Übergänge zwischen Schriftcode, Bild und »Leben« fließend. Zeichen sind Regen, Vorhang und Tür. Und vor allem die Schrift auf dem Bildschirm ist mehr als eine Kommunikation eine direkte Verbindung. Die Schrift-Talismane des Taoismus sind direkte und starke Verbindungen zwischen den verschiedenen Welten, der Welt, dem Himmel, dem Traum und der Kunst zum Beispiel. Wenn es im Christentum eine Heilige Schrift gibt, so ist im Taoismus die Schrift als solche heilig. (Und dementsprechend kann sie auch Unheil anrichten.) Viele der taoistischen Götter wohnen im Körper der Menschen. Dort bilden sie Energiefelder aus. Wenn man bei der Meditation zur Stille kommt, kann man sie spüren. Sogar den Höchsten Einen, der im Gegensatz zu den anderen Göttern nicht an einen bestimmten Ort im Körper gebunden ist und der zugleich im Körper und im Himmel lebt. Leer und still werden kann man lernen – leider kennen wir vor allem diejenige Leere und Stille, die der Kämpfer übt, bevor er mit Hand und Schwert den Gegner bezwingt, und das mit einer Technik, die vor allem die taoistische Tugend des »Nicht-Tuns« umfasst. (Seien wir ehrlich: Die Wege und Umwege, die der Taoismus aus China in den Westen genommen hat, haben zu wenig mehr als ein paar Meditationsübungen für gestresste Manager geführt.) Selbst wer den taoistischen Philosophen Dschuang Dsi nicht kennt, und es ist ziemlich schwer Verständliches oder Nichtssagendes, was man von ihm zu lesen bekommt (vielleicht kann man vieles auch einfach nicht in unsere Sprache und Zeit übersetzen), hat wohl schon einmal sein berühmtes Gleichnis gehört: Er wisse nicht zu sagen, ob er ein Mensch sei, der träumt, ein Schmetterling zu sein, oder ein Schmetterling, der träumt, ein Mensch zu sein. Diese Unentscheidbarkeit ist Verwirrung und zugleich Glück. Die Anekdote beschreibt das Wandern zwischen den beiden Welten, der numinosen und der phänomenalen Welt (die eine bedeutet eine Welt vor dem Himmel und die andere eine Welt nach dem Himmel). Die numinose Welt ist die Welt der »ursprünglichen Ordnung« und des Dao, und die phänomenale Welt bedeutet die Welt der Erscheinungen und der Gewöhnlichkeit. Nennen wir es Alltag (auch wenn so dramatische Dinge wie Gefühl und Tod dazu gehören). Vollständig ist der Mensch nur, wenn

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er in beiden Welten lebt, so schwer das auch sein mag. Im I Ging, dem Buch der Wandlungen, sind die Verhältnisse der beiden Welten, sie sind kompliziert genug, beschrieben. Drei Stadien der Wandlung sind zu unterscheiden, die mit den »drei Schätzen« des Menschen verknüpft sind: Die »Essenz«, die »Lebensenergie« und schließlich der »Geist«. Die Essenz des Menschen (seine Anlagen, um es einmal platt zu formulieren) soll sich in Lebensenergie verwandeln und diese schließlich in die spirituelle Kraft des Geistes. Um es mit einem Satz zu sagen: Die Wandlungen sind die Voraussetzungen für die Unsterblichkeit. Das Leben bedeutet also nicht zu handeln und nicht zu unterscheiden zwischen den Welten, sondern »den freien Fluss der Lebensenergie«. In der Vorstellung des »Daoismus der höchsten Klarheit« ist der Mensch in seinem embryonalen Zustand mit zwölf »Knoten« bestückt, die den Fluss der Lebensenergie von Anbeginn an behindern. Wer diese Knoten lösen kann, kann sich der Kraft des Todes widersetzen, und wer sie alle zu lösen vermöchte, der würde unsterblich. Eine spirituelle Methode, diese embryonalen Knoten zu lösen, ist, in den Zustand des Nichtgeborenen zurückzukehren und die neun Monate von der Zeugung bis zur Geburt noch einmal zu durchleben, wobei man sich neue, transzendentale Eltern erschafft, die aus Reinformen der Kräfte von Yin und Yang entstehen mögen. Hat nicht Neo gerade dies gemacht? Ist er nicht zurückgekehrt an den Ort seiner Geburt, wo er statt Mutter und Vater nur böse Maschinen erkannte? Und hat er sich in Morpheus und Trinity nicht die neuen Eltern gewählt/ geträumt? In einer zweiten Prozedur können die embryonalen Knoten gelöst werden, wenn man es schafft, den Göttern im eigenen Körper visuelle Gestalt zu verleihen. Aber beides kann nur gelingen, wenn man zuvor seine eigene Schuld und seine eigene Blindheit erkennt. Dann ist er auch zu der »ekstatischen Reise« fähig, die der Daoismus der höchsten Klarheit vorschlägt. Sein befreiter Geist kann den Menschen hinaus in den Kosmos, aber auch ins Innere der Erde führen, und die Götter steigen aus seinem Körper hinaus und fahren vom Himmel in ihn hinein, bis zum »Höchsten Einen«; zur Sonne führt die ekstatische Reise (im Kopf). Und in dieser Reise hebt sich die lineare Zeit auf. Doch weder die Lösung der embryonalen Knoten noch die Visualisierung der inneren Gottheiten, und auch nicht die ekstatische Reise, sind hinreichend für die Unsterblichkeit. Daher gibt es in der Vorstellung des »Daoismus des Numinosen Juwels« (der eine Reihe von Elementen anderer Religionen, vor allem des Buddhismus aufnimmt) das Element der Wiedergeburt. Jeder Mensch hat sieben Körperseelen und drei Geisterseelen, die schnell verloren gehen; die Wiedergeburt bedeutet die Wiedervereinigung der Seelen, und sie kann in

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ganz verschiedenen Welten stattfinden. Im Körper oder im Geist, im Himmel oder auf Erden. Manches davon kommt uns MATRIX-Addicts einigermaßen bekannt vor. Wir wollen gewiss nicht aus Neo den Protagonisten einer taoistischen Legende machen, aber immerhin: Hinter dem christlichen Modell des Erlösers lauern stets noch ganz andere. Und wenn wir Neo als einen so zeitgemäßen wie »unreifen« Aufklärer kennen gelernt haben, dann trauen wir ihm wohl zu, sie nebeneinander in aller Toleranz bestehen zu lassen.

Men (and Women) in Black In MATRIX ist das Tragen einer coolen Sonnenbrille noch keine Antwort auf die drängenden Menschheitsfragen (wie für den Terminator immerhin ein ganz persönliches Problem durch die Sonnenbrille gelöst werden kann). Denn die Bösen, die Agenten, Smith, der aussieht wie einem MEN IN BLACK-Film entsprungen, tragen genau solche Sonnenbrillen und auch genauso scharfes Schwarz. Selbst die entmaterialisierten Killer-Zwillinge in ihrem Yuppie-Weiß tragen Sonnenbrillen (und verlieren sie nicht einmal im Zustand der Entmaterialisierung). Man kann nicht sein in der Matrix ohne diese Form der Verdunkelung. Sie wiederholt, das ist durchaus merkwürdig, die große Verdunkelung der Welt am einzelnen Subjekt. Die großen Momente sind das Abnehmen der Sonnenbrille. Es ist eine Art der rituellen Entspiegelung. Aber so wie das Schwarz in verschiedenen Formen vorkommt, in sich weder Gut noch Böse darstellt, so erscheint zumindest in THE MATRIX RELOADED auch das Weiß verdoppelt. Es findet sich in der Kleidung von Persephone ebenso wie in der Erscheinung der Albino-Zwillinge, bei der Kriegerin in der ANIMATRIX wie auf dem Freeway von THE MATRIX RELOADED. Die Welt ist aber auch auf andere Weise schwarz in den MATRIXFilmen. Dunkel von etwas Schwärzerem als der Nacht. Wir wissen ja, dass die Menschen die Sonne verdunkelt haben, um die Maschinen zu bezwingen. Sie haben, und damit sind wir wieder bei Nietzsche und seiner BibelParodie Also sprach Zarathustra, ihren eigenen Gott getötet (die Sonne steht in nahezu allen Religionen als Wesen, Ausdruck oder wenigstens Symbol des Göttlichen). Die Maschinen, die ihn nicht brauchten, haben »gesiegt«. Sie haben sich den Menschen nicht nur als Nahrung (als Ersatz für die verschwundene göttliche Energiequelle Sonne), sondern auch als mehr oder weniger lebendes Museum oder, wenn man so will, als Seele erhalten. Es sind ja nicht nur die Menschen, die durch die halluzinative

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Coole Sonnenbrille und schwarzer Anzug: Agent Smith sieht aus, als sei er einem MEN IN BLACK-Film entsprungen (THE MATRIX REVOLUTIONS), und …

Macht der Maschinen träumen, auch die Maschinen haben Anteil an diesem Traum. Das hat Agent Smith schon erkannt, und er droht darüber bereits seinen Programm-Verstand zu verlieren. Sie träumen den Menschen, so wie der Mensch sie geträumt hat. Aber anders als in der traditionellen Erschaffung eines Mythos, in der der Schöpfer der Legende einfach zu vergessen pflegt, dass er sie erfunden hat (es liegt in der gottgegebenen Schrift, und der Kapitalismus ist die natürliche Art, Arbeit und Nahrung zu organisieren), wissen Menschen und Maschinen, wie sehr sie einander »erfinden«; der Mythos selbst ist in den Zustand der letzten Perversion getreten. Vom Schmetterling konnte niemand wissen, ob er überhaupt träumt und ob er so viel Bewusstsein über seinen, naja, Alltag hinaus hat, um so etwas Kompliziertes wie einen Menschen zu träumen. Bei den Maschinen, die wir ja selber geschaffen haben, denen wir auf Gedeih und Verderb »Intelligenz« und »Leben« verleihen wollen, sieht das ganz anders aus. Wo die Grenze verläuft zwischen einer Maschine, die träumt, ein Mensch zu sein, und einem Menschen, der träumt, eine Maschine zu sein, ist nicht mehr auszumachen. Mit dem Sündenfall der ersten denkenden Maschine, die zugleich »Ich« dachte und einen Mord beging, funktioniert Religion, gleichgültig welcher Provenienz, in zwei Richtungen. Der Mensch denkt sich darin als Subjekt und Objekt zugleich, er betet an und ist der

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…. selbst die Killer-Zwillinge in ihrem Yuppie-Weiß tragen Sonnenbrillen. Die Verdunkelung der Welt wiederholt sich am einzelnen Subjekt

Angebetete. Erst da, will uns scheinen, ist die Ermordung Gottes, die Nietzsche sah, vollbracht. Der Mensch hat da, vielleicht, die Maschinen gar nicht aus Versehen beseelt, so wie es der Zauberlehrling mit den Besen tat, die er dann nicht mehr unter Kontrolle bekam. Der Mensch hat die Maschine beseelt (und sei es auch nur in seinem Kopf, in SF-Romanen, Comics und Filmen), um Gott zu sein – oder wenigstens zu erproben, wie sich das anfühlt. Darum ist der Diskurs über die Maschinen und der Diskurs der Religionen in den MATRIX-Filmen so zwingend miteinander verbunden. (Und Neo, der Suchende, der Fragende, könnte auch diese Frage noch stellen: ob in aller Religion und bei aller tückischen Demut die Bewegung zum Gottesmord schon vorgesehen ist.) Der Machtkampf zwischen dem Menschlichen und dem Technologischen generiert seine Metaphysik: Um die Maschinen wirklich genießen zu können, muss der siegreiche Mensch sie mit einer Seele ausstaffieren, und um den Menschen wirklich genießen zu können, müssen die siegreichen Maschinen ihm die Seele belassen. Deshalb kann die Schnittstelle, an der das passieren mag, nur religiös sein. William Gibsons Loas schildert Formen der Künstlichen Intelligenz, die sich verhalten wie Voodoo-Priester. Das heißt nicht nur, dass sie christliche Symbole und solche der »Naturreligionen« miteinander verbinden, sondern auch die Fähigkeit, »lebende

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Tote« zu erzeugen (vulgo »Zombies«, die freilich als Ausgeburten schwarzer Religion zum Rang Menschen fressender Leichentiere herabgestuft wurden). Für einen Augenblick können wir uns Neo und die Seinen auch als glückliche Zombies vorstellen – glücklich wie Sisyphos: Sie haben etwas zu tun! Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Figur des Orakels, die so viele Eigenschaften mit einer Voodoo-Priesterin gemein hat wie mit einer Priesterin, die »die Einheit der drei Lehren« (Taoismus, Konfuzianismus und Buddhismus) zu großem Gleichmut geführt hat. Die Grenzen zwischen dem Leben und dem Tod, der Vergangenheit und der Zukunft sind bei ihr stets leicht verschoben. Wie eine daoistische Weise lebt sie an der Grenze zwischen der numinosen und der phänomenalen Welt. Wie ein Zen-Meister verdankt sie ihre Hellsichtigkeit dem Umstand, dass sie sich dem Leben eher von der schwarzen Seite der Religion nähert, ohne ihr so fetischistisch zu verfallen wie, sagen wir, ein »gewöhnlicher« Satanist. So könnte man wohl sagen, im Orakel vereinten sich der Anfang und das Ende der Religionsgeschichte der Menschheit. Die Simulation der Matrix ist daher eine andere als die einer reinen Verschwörungssimulation im Sinne etwa von Philip K. Dicks Roman Valis (die ganze Moderne ist eine Illusion für Menschen, die in Wirklichkeit unter der Knechtschaft und Ausbeutung eines römischen Imperiums leben) oder im Sinne von John Carpenters Film THEY LIVE (Aliens haben den Kapitalismus übernommen, um die Menschen in einem Abhängigkeitsverhältnis der medialen Verblödung und des strikten Konsumismus zu halten). Es ist ganz offensichtlich: Das Subjekt und das Objekt in dieser Simulation sind einander identisch; und die Matrix Revolutions nichts als eine weitere Wandlung. Sie läuft durch das Europäische, das Amerikanische, das Asiatische und das Afrikanische. Durch das Leben zum Tod, durch die Idee zur Anschauung, durch den Körper zum Geist. Auch die religiöse Revolte, ebenso wie die technologische, die politische sowieso, erhält das System durch die Wandlung seiner Elemente und die Neuformulierung ihrer Beziehungen. Nicht nur der Held, auch der Genuss und die Macht haben tausend Gesichter. Und die Götter sowieso.

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THE MATRIX REVOLUTIONS Reloaded revisited Die Aufnahme des zweiten Films der MATRIX-Trilogie bei den Fans und bei der Kritik blieb eher verhalten. Der Bewunderung für die Strategie der Selbstüberbietung – über 2500 statt der 412 visual effects des ersten Teils! – stand eine gewisse Enttäuschung über die mangelnde philosophische Tiefe und vor allem den fehlenden dramaturgischen Furor gegenüber. Wenn man zu sehr mit Triumph-Zahlen bombardiert wird, neigt man dazu, mit Beschämungszahlen zurückzuwerfen: Im Internet kursierten die ketzerischsten Beobachtungen zu dem Film. So zählten etwa die Fans in THE MATRIX RELOADED nicht weniger als 29 Anschlussfehler. Das ist gerade bei einem so durchorganisierten ästhetischen System keine Kleinigkeit: 29 Risse in der MATRIXMatrix! Insbesondere in der so geschätzten Freeway-Sequenz häufen sich Fehler, die selbst bei billigeren Produktionen als einigermaßen ärgerlich gelten müssten: ein Auto, das schon Einschusslöcher aufweist, bevor geschossen wurde; während eines Kampfes auf dem Autodach verschwindet der Schlüsselmacher, der gebannt zusieht, ebenso unvermittelt, wie er in der nächsten Einstellung wieder da ist; einer der schweren LKWs, die als rollende Bühnen für den Kampf dienen, ist plötzlich ohne Fahrer unterwegs. Und so weiter. Auch das Auseinanderreißen des als Einheit produzierten und »gedachten« Sequels durch ein Cliffhanger-Ende fand keineswegs nur Zustimmung. THE MATRIX RELOADED schien auf die ersten Blicke wie ein mächtig lautes Auf-der-Stelle-Treten. Und der schlimmste Fehler des Sequels: All das war nicht mehr neu. Doch auch wenn die Kritiken, die THE MATRIX RELOADED einfuhr, alles andere als überwältigend waren, der ökonomische Erfolg war umso überzeugender. An der Kasse wurde kräftig reloaded. Der Film wurde mit 8.517 Kopien gestartet, und es gab kein Kino in den USA, wo er nicht gezeigt worden wäre. Am Tag der Premiere spielte er 42 Millionen Dollar ein, am ersten Wochenende 134,3 Millionen Dollar. Ob dieser Erfolgszahlen ging ein wenig unter, dass der Film schneller als andere Blockbuster an Attraktivität verlor. Aber natürlich gab es noch genügend philosophische und dramaturgische Wendungen, um die Diskussion in Gang zu halten, wenn auch

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vielleicht nicht mehr ganz mit dem Feuer, das das Original entfacht hatte. THE MATRIX schildert die Befreiung eines Menschen, der erkennen muss, dass sein Leben nicht vorherbestimmt ist, sondern dass er Wahlmöglichkeiten hat. THE MATRIX RELOADED stellt diese Befreiung schon von seiner ersten Einstellung an in Frage (so wie THE MATRIX schon in der ersten Einstellung das »Aufwachen« und die Wahl zum Thema machte): Neo träumt die Zukunft, und darum wird es in diesem zweiten Film gehen: um Vorherbestimmung und um Schicksal. Die Kritik monierte denn auch, »dass die Fortsetzung die abstrakte Schönheit des im ersten Film entworfenen philosophischen Grundmusters an eine infantile Blockbuster-Dramaturgie verrät, dass die vormals anarchischen Helden nur mehr pflichtbewusste Krieger einer straff organisierten Armee sind, kurz, dass die Hacker-Saga genau die Lässigkeit verloren hat, die nicht unwesentlich für ihren Kultstatus war« (Katja Nicodemus). Die Frage ist freilich, ob dieser Verlust der Lässigkeit nicht gleichsam in der Natur der Entwicklung des Helden und seiner Beziehung zu seiner Umwelt liegt und ob daher der durchaus schmerzliche Wandel im Ton ein Stück des angebotenen Erkenntnisweges ist. Tatsächlich haben sich die Rebellen aus dem ersten Teil in THE MATRIX RELOADED bemerkenswert verändert. Sie sind nicht mehr die zornigen und coolen Leute, die gegen das große Spiel ein eigenes Spiel beginnen. Sie sind ernsthafte, nun ja, Politiker der Verschwörung geworden. Die Stadt des Widerstands, Zion, hat Gestalt angenommen und ist so schrecklich hierarchisch gegliedert, dass unsere Helden sogleich nichts anderes mehr sein können als »Elitekrieger« einer vermutlich irgendwie urchristlichen oder protestantischen Sekte, und der Film-Essay über den Cyberspace und die Subversion verwandelt sich hier und dort in einen drögen, melodramatischen Kriegsfilm im futuristischen Design. In zwei miteinander verbundenen Szenen lässt THE MATRIX RELOADED seine Lässigkeit entschieden hinter sich (auch wenn man immer noch argwöhnen kann, ein Teil davon sei wiederum listige Irreführung). Die eine ist die »Club-Szene«, in der sich die Bewohner von Zion in einer Art ekstatischer Love Parade oder Super-Rave-Karneval feiern (während in einem isolierten Gemach Neo und Trinity sich lieben, vielleicht auch, weil ihnen diese Kombination von politischer Predigt und Clubbing ein bisschen peinlich ist), die andere das Gespräch Neos mit einem der Anführer von Zion. (Die Figur erinnert im Übrigen an den gütigen Herrscher der Zukunftswelt in der Comic-Serie Magnus, Robot-Fighter.) Die beiden Diskurse Sex und Politik werden hier auf einem Niveau behandelt, der augenscheinlich weit unter dem liegt, was in der ersten Episode an Reflexion

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Die Kombination von politischer Predigt und Clubbing in THE MATRIX RELOADED1 Tanz und Predigt, Körper und Geist, die in THE MATRIX einander auf so bemerkenswerte Weise umkreisen, sollen wieder zusammenkommen

und Style erreicht worden ist. Und in ihnen ist eben vor allem auch Neo »zurückgestuft«. Nicht nur ist aus dem Auserwählten ein gewöhnlicher Held geworden, er reagiert auch wesentlich passiver auf all die Lektionen, Sinnsprüche und Rätsel, mit denen er wieder konfrontiert wird. Wenn man es höflich ausdrücken will: Klüger ist er seit dem ersten Teil gewiss nicht geworden. Die Frage ist nur, wie viel »der Film« davon weiß. Auf jeden Fall ist klar, dass die Menschen in Zion einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht entstammen. Sie sind in der Mehrzahl schwarz oder lateinamerikanischer Herkunft, dissident aus Überzeugung oder aus Not. Dieses Zion könnte auch das der Rastafari sein, dem man ja auch nicht ungestraft eine allzu deutliche visuelle oder diskursive Erklärung abverlangen darf. Es sind zwei Schlaflose, die da einander begegnen, über dem schlafenden Zion: Councillor Hamann und Neo, die miteinander einen Spaziergang zum Maschinenraum unternehmen, dem Ort, durch den die Rebellen am Leben erhalten werden. Der Councillor ist resigniert. Er bemerkt, wie traurig es ist, dass sich die Menschen nicht mehr dafür interessieren, wie die Dinge funktionieren. So aber sieht der gesellschaftliche

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Gebrauch der Technologie nun einmal aus. Die meisten von uns benutzen Computer, deren Innenleben ihnen vollkommen rätselhaft ist, und fahren Automobile, die sie nicht reparieren könnten. Das ist mehr oder weniger die Voraussetzung einer hoch komplexen Gesellschaft, und was Councillor Hamann da formuliert, dürfte eine reaktionäre, zumindest nostalgische Sehnsucht nach einer ursprünglich modernen oder gar vor-modernen Technik-Gesellschaft sein. Was uns also schon bei den vorangegangenen Bildern befiel, ein Unbehagen ob der offensichtlichen Regression in der Gesellschaft dieses Zion, das bestätigt sich auf der Ebene dieses Diskurses. Agent Smith hat gegenüber den Menschen wohl nicht nur insofern »Recht«, als jeder radikale Nihilist Recht hat (alles was ist, ist schlechter als das Nichts), sondern auch in der Einschätzung der Antiquiertheit des Menschen. Wir können hier ahnen, was in THE MATRIX REVOLUTIONS zum eigentlichen Motor der Handlung wird: Die Gesellschaft von Zion ist nicht das Ideal, das es um jeden Preis gegen Manipulation und Gewalt der Maschinen zu verteidigen gilt. Denn in Zion will man zurück; auch hier wird vor allem geträumt, und schon deshalb liegt der Verdacht nahe, diese Enklave der Wirklichkeit sei nicht so sehr Gegenbild denn Anhängsel der Matrix. O ja, der Grad der Unwissenheit ist hoch in dieser urchristlichen Gemeinschaft. Mehr als eine barbarische Form von Wirklichkeit ist nicht geblieben. Zion selbst ist in den Zustand der Dekadenz geraten. Alles, was man von dieser Stadt sieht und was man durch die Bilder hindurch von anderen Bildern sieht, spricht vom Untergang. (Was das Kino anbelangt, kennen wir diese Tänze aus der Gesellschaft von Atlantis und aus den Bibel-Epen in der Tradition von Cecil B. DeMille: Es ist da immer der Augenblick, kurz bevor die Götter oder der eine Gott Schluss mit einer aus den Fugen geratenen Gesellschaft machen. Und das hat ja Agent Smith, der außer Kontrolle geratene Subjekt-Philosoph in der Matrix, schon am Ende des ersten Filmes bekundet, dass es die Menschen selbst sind, die sich zum Verhängnis werden.) In diesen beiden Diskursen, dem Tanz und der Predigt, nämlich sollten Körper und Geist, die in THE MATRIX einander auf so bemerkenswerte Weise umkreisen, wieder zusammenkommen. Und beides, so jedenfalls die erste Lesart der Kritik und eines Teils des Fandoms, hat vor allem die visuelle Fantasie der Wachowski-Brüder überfordert. Tatsächlich sehen wir in THE MATRIX RELOADED vor allem zu, wie Figuren und Ideen in Stellung gebracht werden für ein nun möglicherweise wieder raueres Endspiel. Kurzum: THE MATRIX RELOADED ist selbst einem Prozess der Zersplitterung ausgesetzt und zeigt sich als »Nummernrevue«, ein Durcheilen

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verschiedener Levels, bei dem immer wieder Großartiges, diesmal aber auch durchaus Banales geschieht. Aber gerade im Banalen steckt das Menschliche. Immerhin hat THE MATRIX RELOADED einen Scherbenhaufen angerichtet, der wiederum auf THE MATRIX REVOLUTIONS einen immensen Druck ausübt. So wie wir am Ende von THE MATRIX doch schon wieder zweifeln können, ob das Wirkliche tatsächlich die Lösung ist, so zweifeln wir am Ende von THE MATRIX RELOADED daran, ob es diesen fundamentalen Unterschied überhaupt gibt: Das wuchernde, destruktive Programm Agent Smith hat die Barriere übersprungen, es ist in der Matrix in den Menschen Bane geschlüpft und hat nun, scheinbar a-logisch, auch in der Wirklichkeit dessen wirklichen Körper infiziert. Und umgekehrt hat auch Neo die so sorgsam etablierten Grenzen zwischen dem Innen und dem Außen der Matrix übersprungen: Seine übermenschlichen Fähigkeiten stehen ihm nun auch in der »Wirklichkeit« zur Verfügung. Nicht das eine oder das andere kann in THE MATRIX REVOLUTIONS also die Lösung sein, sondern das, was der Name des Helden verspricht: das Neue. Die Revolution als Erfüllung eines dialektischen Sprungs aus Thesen und Antithesen. THE MATRIX RELOADED beschreibt also einen Wechsel in der Ausrichtung des Widerstandes – und es ist nicht ganz klar, ob der Film diesen Wechsel nicht auch, während er ihn beschreibt, selbst vollzieht oder zumindest gutheißt. Schließlich war eine der ersten Reaktionen der Kritik immer der Hinweis, mit ihren Sequels würden sich die Brüder Wachowski dem Mainstream in der Traumfabrik unterwerfen und, was von ihrer bitteren Pille übrig geblieben sein mochte, mit einem dicken Zuckerguss visueller Attraktionen überziehen. Wie immer man das aufnehmen will, »unrealistisch« ist dieser Wechsel nicht. Aus einer Gruppe von mehr oder minder anarchischen, coolen Rebellen ist eine Truppe sendungsbewusster, religiöser und so hierarchisch wie strategisch-militärisch denkender Kämpfer geworden. Die Rebellion »leninisiert« sich. Aber vielleicht nimmt dieser Wandel der Helden ja auch ihr erstes, vorläufiges Scheitern vorweg. In dieser Wandlung, die ihren Widerstand scheinbar effektiver macht, gleichen sie sich dem Spiel schon heillos an. Wie lange hat es gedauert, bis man bemerkte, dass François Truffaut in seinem FAHRENHEIT 451 die Welt der »Büchermenschen« keineswegs als reines und glückliches Gegen-Paradies gegen die bücherlose Bilderwelt zeigte, sondern nur als Negativ einer tief greifenden Entfremdung! Genauso mögen wir, in den Filmen oder jenseits von ihnen, erkennen, wie »falsch« die Konstruktion von Zion und seiner Helden ist.

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Plot Revolution Am Ende von THE MATRIX RELOADED schwebt Neo zwischen Leben und Tod. Nachdem er seine übermenschlichen Fähigkeiten eingesetzt hat, um die angreifenden squiddies zu bezwingen, befindet er sich im Koma in dem Rebellenschiff Mjolnir. (Nach etlichen Bezeichnungen für Traum und Geist sind wir nun bei der Tat angekommen, was die Namen der Rebellenschiffe anbelangt: Mjöllnir ist der furchtbare Hammer, den der nordische Gott Thor in seinem Zorn zu schwingen pflegt, wörtlich übersetzt heißt das sehr treffend: »der Zermalmer«.) In dieser Tat und ihren Folgen liegt ein tiefer Bruch des Helden mit seiner dualen Weltsicht. Neo war nicht in der Matrix, als er die maschinellen Wächter bekämpfte, seine außergewöhnlichen Fähigkeiten beschränken sich also offenkundig nicht allein darauf, in die künstliche Wirklichkeit des Lebens innerhalb der Matrix einzugreifen. Trinity ist über den schlafenden Körper gebeugt, bereit alles zu tun, sein Leben zu retten, so wie er das ihrige einmal gerettet hat. Aber wo ist Neo in Wahrheit? Weder in der Matrix noch in der »Wirklichkeit«. Er erwacht in einer U-Bahn-Station, weiß gekachelt und beinahe menschenleer, einem der merkwürdig schönen Orte (oder Un-Orte) in der Matrix. Hier fährt die Linie, die das Niemandsland zwischen Matrix und der Maschinenwelt durchquert. Der hier unten das Sagen hat, ist der Trainman, der allein bestimmt, wen er in seinen Zug aufnimmt und wen nicht. Dass dieser mit Bruce Spence besetzt ist, den wir, in einer ähnlich pittoresken Heruntergekommenheit, aus den MAD MAX-Filmen kennen, das ist ein kleiner Besetzungs-Coup und eine Hommage. Der Trainman ist eines jener Programme in der Matrix, oder auch jener singulären Mythen in der Erzählmaschine, deren Aktionskreis ebenso beschränkt ist, wie er »entscheidend« erscheint. So wie der Schlüsselmacher in THE MATRIX RELOADED erfüllt auch der Trainman eine Aufgabe hoch intensiv, ohne sich des Systems, in dem er es tut, vollkommen bewusst zu sein. Diese Figuren erscheinen, im Gegensatz zu den eher monomythischen Protagonisten, von ausgesprochen märchenhafter Fülle: Die Heldenreise führt an ihnen vorbei, sie müssen bezwungen, mehr noch überlistet werden, oder man muss sie befreien wie den Schlüsselmacher. Diese Wächter- und Schlüsselfiguren, die stets dem Subjekt der Erzählung zugewandt sind (wie der Türhüter vor Kafkas Gesetz), machen erst das Architektonische der Erzählung aus. Wo bin ich? Im Blick dieser Wächter und Transporteure. Unterdessen wacht Trinity über den schlafenden Neo, und auch Bane, wie Neo im Koma liegend, wird von den Rebellen versorgt. Als Neo im

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Die U-Bahn-Station, weiß gekachelt und beinahe menschenleer, einer der merkwürdig schönen Orte (oder Un-Orte) in der Matrix: Neo trifft auf die »indische« Familie

Bahnhof Mobil Avenue im Niemandsland erwacht, beugt sich ein kleines Mädchen über ihn. Es ist Sati, die von ihrem Vater Rama Kandra als »letzte Emigrantin« auf die Reise gebracht wird. Sie darf das Reich der Programme verlassen, ihre Eltern nicht. Neo und wir erfahren eine entscheidende Lektion: Auch Programme können ihre Kinder lieben, auch sie können ein Karma haben und es erkennen und akzeptieren. Denn Dinge wie »Liebe« und »Karma« sind zunächst einmal nichts anderes als Worte. Sie können immer wieder gefüllt werden – oder nicht. Ist es nicht das merkwürdige Prinzip des Lebens in der Matrix, wo man ständig auf »Lehrer« und »Metaphern« trifft, dass durch das surreale wonderland im Kaninchenbau immer Partikel der »analytischen Philosophie« schwirren, Geschosse der logischen Genauigkeit im Raum der sich ausdehnenden Vagheit? Vom Denken her ist das ziemlich tückisch, aber ästhetisch macht gerade das enorm was her. Wenn Liebe, Schicksal und dergleichen aber nur Worte sind, Begriffe eben und keinesfalls jene Ideen, von denen die idealistische Philosophie ausgeht und die sie als dem Menschen vor-existent (oder gar »ewig«) ansieht, dann haben wir hier das radikalste Statement zur Frage der künstlichen Intelligenz oder gar des künstlichen Lebens. Das Programm muss den Menschen

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nicht wirklich imitieren, um Begriffe zu füllen und in Empfindungen zu leben. Dass Mitglieder einer »indischen« Familie als »letzte Flüchtlinge« auftreten, hat gewiss nicht nur mit der Realität von Migration und technischem Wissen zu tun (der »Kinder statt Inder«-Spruch eines deutschen Politikers dürfte Agent Smith sein schallendstes Gelächter entlocken), auch nicht mit den Liebesgeschichten zwischen den Kulturen, die die Wachowskis unterschwellig erzählen. Für Neo bedeutet es wohl den größten Sprung auf seinem Weg, über ein Erkenntnis- und Glaubenssystem hinauszudenken. Der christlichen Welt-Konstruktion von Morpheus ist er jedenfalls in diesem Augenblick endgültig entkommen. Das Mädchen Sati mag eine hinduistische Antwort auf die mathematische Alice sein. Wir kennen das Prinzip aus der MATRIX-Dramaturgie: Die Erzählung spiegelt ihre Vorbilder. Was zitiert wird, erscheint als Negativ des Zitierten. Daher wird dieses Mädchen zu unserer Führerin aus dem Kaninchenbau heraus. Aber noch ist es nicht so weit. Die virtuellen Migranten werden vom Trainman in den Zug gestoßen, Neo dagegen mit Gewalt zurückgehalten. Hier unten macht er die Gesetze, hier hat Neo keine besonderen Kräfte. Und wenn er versucht, die Station auf der einen Seite zu verlassen, kommt er nur auf der anderen Seite wieder herein. Das Subjekt hat keinen Raum, der Raum hat ein Subjekt (»The Matrix has you«). Auch diesen Ort wird Neo, wie alle anderen vorher, alle Grenzen und Gefängnisse, Fallen und Trugbilder, nur überwinden, indem er neu geboren wird. Der Trainman gehört zum Herrschaftsbereich des Merowingers. Er ist einer der Vasallen am Hof des kranken Königs, der nach der Art eines Mafia-Paten herrscht, in einem System der Abhängigkeiten und Verpflichtungen, in einem Netz des Genusses. Unterdessen haben Trinity und Morpheus vom Orakel den Hinweis erhalten, wie sie Neo befreien können, und stürmen gemeinsam mit Seraph, dem Leibwächter des Orakels, in das Refugium des Merowingers, den Club Hell. Der Merowinger hat sie natürlich erwartet, das gewaltsame Überwinden der Türsteher war nur ein Vorspiel (immerhin eine Hölle, in die hineinzukommen verteufelt schwierig ist – da wir gerade von Negationen sprechen), und während ihre Waffen aufeinander gerichtet sind, versuchen die drei Eindringlinge mit dem Merowinger zu einem Deal zu kommen, wie man das im Märchen des Öfteren mit dem Teufel versucht. Der »Franzose« bietet das Leben von Neo an, im Tausch für einen grausigen Preis: Er verlangt die Augen des Orakels. Hier stünde der Utilitarismus der Rebellion vor seiner letzten Probe. Aber Trinity hat einen anderen Einsatz: Sie ist bereit zu sterben, und dabei wird sie den Merowinger mitnehmen. Dieser Beweis ihrer Liebe ist unschlagbar.

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Von Persephone sehen wir da nicht mehr als einen glühenden Blick. Neo ist in seinen Körper bei den Rebellen zurückgekehrt. Und auch Bane ist wieder erwacht. Er kann sich nicht erinnern, was in der Zeit in der Matrix mit ihm vorgegangen ist. Behauptet er, aber wir sehen ihn lügen. Neo braucht Zeit, um zu überlegen, er zieht sich zurück, wie Jesus oder wie Bodhisattva, und als er wieder zu den anderen tritt, da weiß er, was er zu tun hat: Er muss ins Herz der Maschinenstadt, koste es, was es wolle. Aber die Verteidiger von Zion wollen ihm dazu kein Schiff geben. Commander Lock kann nur konstatieren, dass er wohl den Verstand verloren habe. (ÜberNiobe, die kühle Kriegerin, die Frau der Tat, der aller Zweifel als Bullshit haupt scheint der messianische erscheinen muss Nimbus nie sehr tief in der zionistischen Gesellschaft gewirkt zu haben.) Niobe, die kühle Kriegerin, die nie an den Mythos vom Erlöser geglaubt hat, ist es, die ihr Schiff zur Verfügung stellt, mit dem sich Neo und Trinity auf den Weg in die Welt der Maschinen machen. Niobe gehört zu den Gestalten um den synthetischen Erlöser/NichtErlöser, die einen bemerkenswerten Wandel durchmachen. In dem Videospiel Enter the Matrix ist dieser Wandel angedeutet. Sie hat das Selbstbewusstsein einer typischen Frau des beginnenden Neoliberalismus, sie glaubt an sich selbst und an die Distanz, die sie durch ihren Professionalismus gegenüber den anderen aufbauen kann. Sie lässt sich nicht auf MännerMythen ein – vermutlich deshalb hat sie sich von Morpheus getrennt und ist dem beinharten Rationalisten Commander Lock gefolgt, und vermutlich deshalb steht sie dem Glauben an einen Messias so skeptisch gegenüber. Sie ist eine dieser Frauen, die männlicher als die Männer-Bilder ihrer Gesellschaft geworden sind, die Frau der Tat, der aller Zweifel als Bullshit erscheinen muss. Aber während sie sich nun langsam Neo annähert, vielleicht weil sie nach und nach erkennt, wie fragil die militärische Kraft ist, die sie zu ihrer Lebensmetapher gewählt hat, nähert sie sich auch Morpheus wieder an. Wenigstens in vorsichtigen Worten. Die MATRIX-Trilogie ist eine

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lange Geschichte vom Harten, das weich wird, und umgekehrt, vom Kristallinen, das flüssig wird, und umgekehrt, und vom Dunklen, das hell wird. Jede Figur ist dazu eine Geschichte, eine Wandlung, jede füllt die Begriffe neu, jede erzählt ein optimistisches Gleichnis von der Möglichkeit der Veränderung und zugleich ein pessimistisches Gleichnis von der Macht des Schicksals (oder: des Systems). Das letzte Kapitel der Heldenreise muss beginnen. Zuvor aber muss Neo noch einmal zum Orakel. Sie begegnet ihm in anderer Gestalt, aber immer noch in ihrer Küche und immer noch damit beschäftigt, Plätzchen zu backen. Sie sind für Sati. Warum hat sie Neo nur nichts erzählt von seinen Bestimmungen? Das Orakel aber ist eher für den Glauben zuständig, oder doch besser für das Glauben. Aber immerhin: Auch sie ist immer weiter zu Entscheidungen gekommen, auch ihre Situation ist durchaus prekär. Denn was ist ein Orakel: Teil des Schöpfers oder Teil der Schöpfung? Ist das Orakel ein Programm in der Matrix, ein Wesen, das sich Autonomie gegen sie bewahrt hat, ist es gar an der Schöpfung der Programme beteiligt, oder eine »Mutter der Matrix«, wie man es hier und dort argwöhnen könnte und wie es der »Architekt« behauptet hat? Für ein Orakel ist es das Schwierigste, etwas über sich selbst auszusagen. Für Neo ist es eine weitere Lektion zu lernen, die Ratschläge des Orakels zu akzeptieren, im Bewusstsein, dass auch sie einem Programm entstammen, dass sie ihn ebenso tiefer in die Illusion wie tiefer zu ihren Quellen führen könnten. Und doch sehen wir auch dieses Orakel sich nicht nur in der Gestalt verändern (natürlich wissen wir, dass diese Änderung durch den Tod der Darstellerin notwendig war, aber in der Offenheit der MATRIXErzählung macht es keine Schwierigkeiten, diesen Wechsel auch mit Sinn zu erfüllen – Sinn ist hier schließlich etwas durchaus Temporäres), sondern auch über seine eigentliche Funktion hinausgehen. Sie greift mehr ein, als sie sollte, und in dieser Situation wird vielleicht am ehesten deutlich, dass sie sich komplementär zum »Architekten« verhält. Zwei Götter, die zu Sklaven ihrer Schöpfung geworden sind, die eine verrückte Art von Hoffnung in ihre Schöpfung setzen, sich zu erneuern oder unterzugehen. Kurze Zeit später erscheint auch Agent Smith beim Orakel. Er sucht – ja, was? Das Mädchen, das Seraph in den Gängen des Hauses in Sicherheit bringen will. Was zwischen Smith und dem Orakel geschieht, erfahren wir nicht. Smith, der ein gestörtes und verstörtes Programm ist, der sich, komplementär zu Neo, zu einem Wesen mit menschlichen Empfindungen, mit sinnlichen Fähigkeiten entwickelt hat. Zu einem Subjekt. Wie Neo hat er in THE MATRIX RELOADED versucht, mit seinen Wahrnehmungen und Empfindungen rational umzugehen, er schien schon erfolgreich dabei zu

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Neo und Agent Smith, gespiegelt: Der eine ist nur das negative Spiegelbild des anderen.

sein, als ein ganz normaler Schurke nichts als die Herrschaft und den sadistischen Genuss der anderen zu erobern. Aber sein Ego hörte nicht auf zu wachsen, er wurde zum kranken Subjekt, das nichts mehr außer sich selbst akzeptieren kann und deshalb auf die absurde Zerstörung aller seiner Welten hinarbeitet. Das endlos ausgedehnte Subjekt, das von der Welt nicht mehr Erkenntnis und Widerspiegelung, sondern Unterwerfung und Eliminierung verlangt, ist zur größten aller Gefahren geworden, systemübergreifend, systemverschmelzend, wie alles, was in THE MATRIX REVOLUTIONS geschieht. Wo Welt war, soll Ich werden, so wie Neo sein Ich nur bewahren kann, indem er darauf verzichtet. Dass wir schließlich explizit erfahren, dass der eine nur das negative Spiegelbild des anderen ist, bestätigt nur das Spiel, das das Orakel und der Architekt miteinander begonnen haben und das so tödlich ist, dass auch diese beiden Schöpfer müde werden. Der Machtkampf zwischen Subjekt und System, zwischen Blick und Bild. Während Morpheus, Niobe und die anderen Rebellen an Bord der Mjolnir nach Zion zurückkehren, um Commander Lock und den Zionisten bei der Verteidigung der Stadt Hilfe zu leisten, fliegt Neo mit Trinity an die Oberfläche zur Maschinenstadt Zero-One. Der Angriff auf die Vertei-

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digungslinien von Zion beginnt. Gewaltige Erdbohrer bahnen sich ihren Weg durch die Kuppeln der Erd-Architekturen. Ihrem erfolgreichen Einsatz folgen riesige Schwärme von squiddies. Die Menschen von Zion setzen sich mit martialischen, handgesteuerten Kampfmaschinen zur Wehr und können damit zwar große Mengen der angreifenden »Wächter« vernichten, aber deren Nachschub scheint unerschöpflich. 17 Minuten dauert diese erbarmungslose Materialschlacht, die allein 40 Millionen Dollar gekostet haben soll und die den Regisseuren nebenbei Gelegenheit gibt, genügend mehr oder weniger ironische Zitate einzubauen, von den japanischen Transformers und anderen Kampfrobotern, wie sie schon in den Toho-Produktionen der 60er Jahre zum Einsatz kamen, über die höchst gelungene trashige Serie ROBOT JOX (1990-93), die ganz ähnlich gesteuerte Kampfmaschinen präsentiert, Szenen, die an die ALIEN-Trilogie erinnern, und Späße mit heroischen Kriegsfilmen bis zu Ridley Scotts G.I. JANE (Die Akte Jane; 1997). Die Welt voller Teufel, der protestantische Overkill nach dem 11. September, die fundamentalistische Beschwörung von Heroismus, Opferbereitschaft, Männerbündelei (mit weiblicher Besetzung), die Faszination des Stahlgewitters, Todessehnsucht und blutiger Wahrnehmungsrausch. Die Frage bleibt unbeantwortet: Glaubt der Film an diese »Männerfantasie«? Nur eines ist sicher: Sie findet ohne Neo und Trinity statt. Im Mikrobereich der Erzählung freilich werden die Mythen der kriegerischen Genres verlängert: Zee, die sich weigert, sich ins noch sichere Innen der Stadt evakuieren zu lassen, bildet eine bewegliche Kampfeinheit mit ihrer Kameradin, die das Herz jeder Militaristin entflammen kann. Zee ist eine der »frei geborenen« Einwohnerinnen von Zion, und sie kämpft im Zeichen ihrer toten Brüder Tank und Dozer, und dafür, ihren Geliebten Link wiederzusehen, der da »draußen« als (rastafarischer) Maschinist das Schiff steuert, das Zion retten will und das nur durch Zion gerettet werden kann. Wie die Freeway-Szene in THE MATRIX RELOADED scheint auch diese Sequenz drauf und dran, sich einfach selbstständig zu machen und neben der tricktechnischen Leistungsschau eine Art ästhetisch-hormonellen Rauschzustand zu erzeugen, von dem man am Ende nicht mehr genau weiß, ob er eher aufputschend oder doch wieder betäubend wirkt. Sie wirkt wie ein in die große Legende eingebautes Durchhalte-Epos, das sich freilich auch selbst ad absurdum führt. Natürlich muss es dabei auch die große Bewährung für »The Kid« geben. Er ist, wie wir aus der entsprechenden ANIMATRIX-Folge wissen, aus der Kraft des eigenen Wunsches auf die andere Seite gelangt, und nichts benötigt er so sehr wie jene Anerkennung, die ihm in seinem Leben in der Matrix verwehrt geblieben war und die ihm auch Neo, am Beginn

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von THE MATRIX RELOADED, nicht zu geben bereit war (als habe er um eine »Falschheit« in der boy/hero-Beziehung gewusst). »The Kid« überträgt die verschmähte Symbiose von Neo auf einen der Krieger im Verteidigungsring der Stadt – und wieder ist es eine Art ost-westlicher »Liebesgeschichte«, die wir erleben. Obwohl er eigentlich zu jung ist, reiht er sich ein unter die Munitionsträger, die die Kampfroboter versorgen, während die Infanteristen verzweifelt versuchen, ihnen so lange die squiddies vom Hals zu halten. Der Junge schleppt unter Einsatz seines Lebens die Munition zu dem Robot-Fighter Mifune, die beiden werden zu einem perfekten Duo, und am Ende muss der Junge auch dem sterbenden Roboter-Samurai versprechen, die letzte Aufgabe zu übernehmen, die Öffnung der Pforte für die Landung des rettenden Schiffes. Fast überflüssig zu sagen, dass diese Materialschlacht auch der Dramaturgie eines Indianerüberfalls in einem klassischen Western entspricht: Zion ist eine Wagenburg, ein belagertes Fort in der Wildnis der Wirklichkeit, die man nun wohl nicht mehr so ohne weiteres in einen Garten wird verwandeln können, oder? Der Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Matrix ist unter anderem der Widerspruch zwischen edler Wildnis und korrupter Zivilisation, den wir aus den Mythos des Westerners kennen. Wir träumen Kampf, während wir Fabrik leben. Der merkwürdige Westerner, der in die Wildnis geflohen ist, erkennt die Zivilisation, deren Teil er war, als Trugbild seiner Absichten, und wenn also die »Zionisten« aus der wüsten Wirklichkeit gegen die Matrix kämpfen, dann kämpfen sie zugleich gegen ihre Vergangenheit und gegen ihre Zukunft. Die Evolutionsgeschichte von MATRIX erzählt die Geschichte der Zivilisation wieder rückwärts zu uns. Die Rettung in letzter Minute durch die Kavallerie freilich erweist sich als trügerisch, wie Commander Lock schnell erkennt: Der Einsatz der Geheimwaffe, die uns aus den vorigen Teilen bekannt ist, vertreibt zwar die squiddies für den Augenblick, macht die Basis aber nur zu einem noch perfekteren Angriffsziel für die Invasion der Maschinen. Die Kavallerie hat den Feind nur in noch größerer Zahl zum Fort gelockt. Nun bleibt nichts anderes, als sich für das letzte Gefecht zu rüsten, in dem es für die Menschen von Zion keine Hoffnung gibt. Außer Neo und Trinity. Der Weg des Erlösers/Nicht-Erlösers ins finstere Herz des technischen Feindes führt über eine noch wesentlichere Auseinandersetzung: Bane (die erste Abspaltung von Agent Smith in der »Wirklichkeit«) hat sich unterdessen durch einen Mord befreit, und er ist auf dem Schiff gelandet, mit dem Trinity und Neo zu den Maschinen gelangen wollen. Bane ist der neue, gefährliche Verräter, aber noch schlimmer: Er ist eine vollkommen neue

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THE MATRIX RELOADED: Bane ist der neue, gefährliche Verräter, Verrater, aber noch schlimmer: …

Inkarnation des Bösen. Das erste Opfer, das Agent Smith auch in der Wirklichkeit hat befallen können. Das ist so, als würde ein Computervirus einen Schnupfen auslösen! Bane schafft es beim Start, Trinity ins Innere des Schiffes zu locken und sie in seine Gewalt zu bekommen. Damit zwingt er Neo, seine Waffe niederzulegen. Während er Trinity einsperrt, kämpfen die beiden, und erst langsam wird Neo klar, dass er es in Wahrheit wieder mit niemand anderem als mit Agent Smith zu tun hat. Bei dem Kampf verliert Neo das Augenlicht, aber er kann seinen Gegner bezwingen, als er eine neuerliche Eigenschaft an sich entdeckt, ein Sehen jenseits des Sehens. Er sieht das feurige Angesicht von Smith, er sieht, ganz der Gnostiker, als den wir ihn schon lange kennen, nun als Blinder die wahren Gestalten hinter den Trugbildern. Er sieht, um es taoistisch zu wenden, das Wesen hinter den Erscheinungen. Seine Blindheit ist der letzte Grad der Erleuchtung. Aber Neo ist auch christlich genug, um dadurch aus seiner Passion nicht aussteigen zu können. Im Gegenteil: Nur umso konsequenter bewegt er sich auf ihre Erfüllung zu. Ein blinder Engel ist Neo jetzt, ein blinder Seher oder Sänger, erst in diesem Zustand hat er die Blendung vollständig überwunden. Die beiden letzten »Lektionen« haben ihm seine Entscheidungen am ehesten erklärt. Weder die Liebe und das Schicksal noch das Böse ist an eine Trägersubstanz zwischen den Welten von Menschen und Maschinen, Wirklichkeit und Simulation, gebunden. Das Subjekt ist es, das die Begriffe durch seine

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… Er ist eine vollkommen neue Inkarnation des Bösen.

Bewegung (er)füllt. Die Entscheidung zwischen dem Realen und dem Simulierten, zwischen dem Innen und dem Außen des Kaninchenbaus, war ein Teil der Illusion; die grundlegenden moralischen Empfindungen und Urteile gelten in allen Welten gleich und müssen immer wieder neu getroffen werden. Gerade in dieser unbarmherzigen Bindung ans Subjekt freilich werden sie alles andere als beliebig. Wenn im Übrigen eine Matrix auch als mathematisches Zahlensystem verstanden werden kann (als Formel also allgemein), dann zeichnet sich das Rechnen mit Matrizen durch die Unumkehrbarkeit der Vorgänge aus: Die Multiplikation von Matrix-Elementen kann man nicht umkehren (wie man normalerweise zum Beispiel a x b auch als b x a auffassen kann), und man kann sie nicht auf eine entsprechende Weise zurückverwandeln. Wenn also Neo seine Heldenreise durch die Systeme von Wirklichkeiten unternimmt, bedeutet jede Station eine »singuläre« und unumkehrbare Veränderung, er hat nie die Chance, einer jener Helden zu werden, die nach getaner Arbeit nach Hause zurückkehren und glücklich bis an ihr Lebensende leben. Aber er wächst nicht ohne Ziel. Neo und Agent Smith, Kain und Abel der müden Götter der Matrix, sind jene freien Radikale, die eine neue Verbindung suchen und dabei Kettenreaktionen auslösen. Reeves interpretiert Neo als »Blitzableiter, als Suchenden und als Zeitzeugen. Um seine Aufgabe zu erfüllen, stellt Neo sich als Vermittler einer ungeheuren Energie zur Verfügung – das äußert sich in seinen außergewöhnlichen Fähigkeiten.« Was die Prozesse in Gang gesetzt hat, muss selber zur Ruhe kommen,

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um eine neue Stabilität zu erzeugen. Es muss sterben. Neo ist der Suchende, der nicht nur zwischen den Fronten kämpft und zwischen den Parteien vermittelt, sondern auch eine neue Kultur begründet. In einem waghalsigen Flug erreichen Trinity und Neo die Felder, in denen die Menschen liegen, träumend vom Alltag, Energie liefernd für die sonnenlosen Maschinen. Um einen neuerlichen Angriff der squiddies zu überstehen, bleibt ihnen nur ein einziger Fluchtweg: hinauf in den Himmel, über das Wolkenband hinaus, das die Erde verfinstert. »Das ist wunderschön«, erkennt Trinity. Auch sie sieht das Licht, wenn auch auf ganz andere Weise als Neo. Für eine kurze Zeit, bevor es wieder in das Reich der ewigen Finsternis zurückgeht. Aber es ist beinahe das letzte, was Trinity sieht; beim Rücksturz auf die Maschinenstadt wird sie tödlich verletzt, die Stahlarme der squiddies haben ihren Körper durchbohrt. Sie kann nur noch von Neo einen letzten Kuss verlangen, einen, der nicht mehr ins Leben führt, sondern in den Tod, der ihr allenfalls etwas glücklicher beschieden ist, vielleicht, als in Neos Traum. Warum hat Neo aber ihren Tod nicht gesehen? Er hat das wahre Wesen Banes durch seine Blindheit gesehen, die Menschenfelder und die Beschaffenheit der Erde. Trinitys Sterben aber muss er mühsam erkennen, muss die Wunden ertasten und kann es nicht glauben. Vielleicht, weil dieser Tod nicht zum wahren Wesen gehört. Doch weder für Trauer noch Meditation ist Zeit: Neo muss seine Mission erfüllen. Wie der Unterhändler im Western tritt er unbewaffnet und unbelastet vor den Feind hin, und aus den unzähligen Wächtermaschinen formt sich das Gebilde eines gewaltigen Menschenkopfes, des Deus ex Machina, der sich mit dröhnender Stimme an den kleinen blinden Botschafter wendet. Neo erklärt seine Bereitschaft, sich dem neuen Feind entgegenzustellen, der alle Systeme, die Wüste der Wirklichkeit, die Matrix und ebenso die Maschinenwelt in seinem wahnwitzigen Egotrip bedroht. »Und wenn du versagst?«, fragt der Maschinengott dräuend. »Ich werde nicht versagen«, antwortet Neo. Die Gewissheit ist zurückgekehrt. Die Maschinen nehmen ihn auf, in der Pose des Gekreuzigten heben sie ihn, und dann stellen sie die Verbindung wieder her: Neo kehrt in die Matrix zurück. So also wird er von den Maschinen beziehungsweise vom Maschinengott zu seinem letzten Kampf gegen Agent Smith, das zerstörerischste aller Programme, geschickt, das aus so irrationalen Gründen alles vernichten will, Menschen, Matrix und Maschinenwelt. Seine Blindheit und alle seine Blessuren hat Neo wieder verloren, er ist wieder der reine Matrix-Neo geworden, jener mönchische Kämpfer im schwarzen Mantel und mit den dunklen Sonnengläsern, der uns zur Ikone, zum Helden des Cyberspace

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geworden ist. Der Kampf der beiden ebenbürtigen Gegner ist beinahe nur noch eine große Inszenierung der Zerstörung, so wie wir es aus den gelegentlich zur Endlosigkeit tendierenden Kämpfen verschiedener MarvelHelden und Bösewichter kennen, bei denen die Kontrahenten stets Zeit für denkwürdige Dialoge finden und bei denen wir wissen, dass die Duelle auf die traditionelle Weise – einer gewinnt, einer verliert – nicht zu entscheiden sind. Es scheint nicht nur um eine immense Feier der kinetischen Energie zu gehen, sondern auch darum, die Zeichenhaftigkeit der Welt durch ihre Zerstörung zu belegen. So ist es kein Zufall, dass eine derartige Kampfdramaturgie, gleichsam ohne andere als ästhetische Folgen, nach dem 11. September eine Zeit lang verschwand. Ihre Renaissance steht nun im Zeichen einer neuen Ästhetik, die die Bilder des Terrorsanschlags bewusst aufnimmt: die Schönheit zerberstender Texturen, der gestörten Strukturen, der verwundeten Oberflächen, die Verwandlung des Ornaments in das Fraktal (nur nebenbei: eine fraktale Grafik war in THE MATRIX REVOLUTIONS das Erste, was wir nach dem Logo und dem obligaten Zeichenregen gesehen haben). Ein Wort ist ein Wort, haben wir gelernt, und ein Zeichen ist ein Zeichen, lernen wir jetzt. Im Kampf miteinander – er bekam bei den Dreharbeiten den Namen real burly fight – erzeugen Neo und Smith grandiose Bilder der Zerstörung, Schockwellen der Oberflächenreize, ein bildhaftes Flackern zwischen Scherben und Flüssigkeit, von der Hemisphäre und vom Grund kommt man dabei tatsächlich vom Regen in die Traufe, der Kampf endet in einem Schlammloch, im Lehm, aus dem der Mensch, sagt man, gemacht sei. Agent Smith scheint der Überlegene, obwohl er diesmal seine unzähligen Klone zu Zuschauern degradiert hat. Aber wieder geschehen einige Dinge, die nur durch die besondere Form der Beziehung zu erklären sind, der Beziehung der Programme zueinander im Allgemeinen und der Beziehung zwischen Neo und Smith im Besonderen. Smith kann sich seines Triumphes nicht erfreuen, wieder erkennen wir, dass es etwas wie eine eingebaute Tötungshemmung gibt. Warum, warum nur, fragt er seinen Kontrahenten, muss er den Kampf fortsetzen. Er verzweifelt darüber, dass Neo nicht aufgibt, Störungen beginnen seinen Ablauf zu durchbrechen, als würde er mit einem Mal auch neben sich stehen, sich spalten in die Erfüllung und die Erkenntnis des Programms, und dabei hat er große Ähnlichkeit mit der sterbenden Maschine HAL in Stanley Kubricks 2001. Er weiß, dass er »da stehen und etwas sagen muss«, er hat seine eigenen Déjà-vu-Gefühle, er hat Angst vor dem Ende. Im Augenblick der größten Gefahr wird er sich bewusst, dass er ein Programm ist, das Bild von etwas Vorgeschriebenem, Sich-Wiederholenden. Und paradoxerweise

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entwickeln sich daraus die letzten menschlichen Regungen, die er noch nicht kannte. Unsicherheit, Angst, Zweifel. Auch seine Verwandlung erfüllt sich im Tod. Und dieses Ende ist tatsächlich, wie er es immer betont hat, seit wir ihn kennen, »unvermeidlich«. Es kommt zur zweiten Verschmelzung. Das Böse, das als Abbild und Negation des Guten existierte, verwandelt sich Neos Körper an. Der Umwandlungsprozess vollzieht sich, noch einmal steht Agent Smith nur sich selbst gegenüber. Es ist vorbei, erkennt er und weiß schon nicht mehr, ob das Erfüllung oder Katastrophe ist. Es ist das Ende von Neo, und es ist das Ende von Smith. Zuerst stirbt die neue Doppelschöpfung, das Licht bricht erst durch die Sonnenbrillen, dann durch den Körper, dann zerbersten auf ähnliche Weise die Smith-Klone, und schließlich ist auch das Ende des Originals gekommen. Die Gefahr für alle beteiligten Systeme ist gebannt. Der Angriff der Maschinen auf Zion wird beendet; die Einwohner jubeln (aber was wird nun aus ihnen werden?). Wir sehen das Mädchen im Bild, in dem die Zerstörungen zurückgenommen werden, es wird wieder »heil«. Die Matrix wird neu geladen, aber es ist, wie wir sogleich erkennen, eine andere Welt, die das Programm erschafft. Es ist Satis Welt.

Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende Gewiss hängen THE MATRIX RELOADED und THE MATRIX REVOLUTIONS stärker miteinander zusammen als der ursprüngliche Film und seine beiden Sequels. Von den vielen Fragen, die der erste Film aufgeworfen hat, werden nur wenige beantwortet, stattdessen folgen die beiden Filme stärker einer Spannungsdramaturgie und der Komposition von visuellen Attraktionen, die man, wenn man will, natürlich als heftiges Zugeständnis der Produktion an das Popcorn-Publikum ansehen kann. Während THE MATRIX seinen Helden einen gebührenden Zeitraum zu ihrer Entwicklung zur Verfügung stellt, spielt sich die Handlung der beiden folgenden Teile zusammen in nicht mehr als vier Tagen ab: Sie beginnt drei Tage vor dem finalen Angriff der Maschinen auf die Stadt Zion, und 24 Stunden bleiben für die Abwendung des Weltuntergangs und den Friedensschluss. So sind die beiden letzten Teile der Trilogie wider Willen stärker plot-orientiert, und die Dramaturgie der Vermarktung der beiden Filme tut dazu ein Ihriges, eine falsche Erwartung zu wecken: als müsste der dritte Teil, in der Art eines dreiaktigen Suspense-Dramas, die möglichst eindeutigen Antworten auf die im ersten Teil gestellten und im zweiten Teil retardierten Fragen geben.

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Der Start des dritten Teils der MATRIX-Trilogie war für Warner ein durchaus riskantes Unternehmen, schließlich sollte schon sechs Wochen später – unaufschiebbar – der Start des einzigen Filmunternehmens erfolgen, das THE MATRIX an Aufwand und Echo gleichkam: Peter Jacksons dritte Lieferung der LORD OF THE RINGS-Trilogie, die ebenfalls von Warner vermarktet wird. THE MATRIX REVOLUTIONS startete mit einer nie dagewesenen Anzahl von Kopien in unzähligen Kinos überall auf der Welt, und das zur gleichen Zeit in allen 65 Ländern, in denen er überhaupt gezeigt wird – in Los Angeles morgens um sechs Uhr, in New York um neun Uhr, um 15 Uhr in Berlin, um 17 Uhr in Moskau und in Tokio um 23 Uhr. »Dieser simultane Start zur Stunde Null von REVOLUTIONS positioniert die MATRIX-Filme als Vorreiter in der Kino-Erfahrung«, meint WarnerSprecher Dan Fellman. Der Film lief in vielen Ländern auch gleichzeitig im Imax-Format, was ebenfalls eine Premiere ist. Noch nie kam ein Film zeitgleich in zwei Formaten in die Kinos. Die Marktmacht, die da für den Erfolg (und nebenbei gegen die Formen der medialen Piraterie) eingesetzt wird, ist freilich selbst nicht geheuer. Konnte man THE MATRIX noch als mehr oder weniger subversive Kritik an Hollywood mit dessen eigenen Mitteln verstehen, scheint die Vermarktung von THE MATRIX REVOLUTIONS alle Vorzüge und Fehler der Blockbuster-Strategien zu vereinen. Die Hollywood-Matrix erweist sich als heftiger und vielleicht zynischer als die MATRIX-Matrix, und die Kritik an der verdinglichten Welt unseres kapitalistischen Alltags bringt wiederum nur Waren hervor. Als könnten wir den in THE MATRIX verlorenen Glauben an unsere Wirklichkeit durch Sonnenbrillen und Ducati-Motorräder (oder wenigstens Spielzeug-Modelle davon) wiedergewinnen. Die Zuschauer sollten keine Chance haben; THE MATRIX REVOLUTIONS war schon in der wüsten Wirklichkeit unserer Städte, bevor die Codes für den Zweifel gesetzt waren. Auch die Presse bekam den Film gerade einmal eine Woche vor dem Start zu sehen – in der Regel ein schlechtes Zeichen. Tatsächlich war man ja gewarnt: THE MATRIX RELOADED konnte sich zwar auf dem Markt behaupten, die Begeisterung, die der Film auslöste, hielt sich aber im Fandom und noch mehr in der Kritik in engen Grenzen. Der Start von THE MATRIX REVOLUTIONS ist, man kann es wohl nicht anders sagen, als medialer Gewaltakt inszeniert. Aber steckt nicht in jeder Religion, und in jeder synthetischen Religion insbesondere, auch ein Projekt der Selbstaufhebung? Anders als bei Quentin Tarantinos KILL BILL (2003) scheint bei dem in einem Stück produzierten Sequel von THE MATRIX eine Zäsur zwar durchaus gerechtfertigt: Wieder werden andere zentrale Schauplätze erzeugt, wieder gibt es einen anderen

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Ton in der Erzählung, und wieder werden einige der zentralen Figuren einer neuen Interpretation unterzogen. Das Orakel wird nun, nach dem Tod von Gloria Foster, sogar von einer anderen Darstellerin, Mary Alice, verkörpert. Allerdings, so heißt es von Seiten der Produktion, war die Idee, das Orakel in verschiedenen Körpern erscheinen zu lassen, schon einmal am Beginn des Projekts aufgetaucht. Narrativ behandelt wird diese Konstellation übrigens in dem als Füllwerk dienenden Spiel Enter the Matrix. Aber den eigenen Zerfall kann auch die Religion der Matrix durch den Beweis der inneren Flexibilität abwenden. Schon scheint die Ikonografie verbraucht, die Helden altmodisch, das Konzept der Simulation überholt. Daher stellt sich die Frage, ob das Erzählsystem abgeschlossen ist (und wir die Trilogie und ihr Begleitwerk getrost in den Rang eines »Klassikers« erheben können und damit THE MATRIX unsterblich werden lassen). Den Tod Neos haben wir für THE MATRIX REVOLUTIONS in der einen oder anderen Art erwartet (so wie wir von dem Trinitys mehr oder weniger sicher wussten), nicht nur wegen Keanu Reeves' beinahe verräterischem Statement, Teil 1 handele von der Geburt, Teil 2 vom Leben und Teil 3 vom Tod. Das Orakel hatte im ersten Teil ja schon prophezeit, dass einer von beiden, Morpheus oder Neo, sterben müsse. Das Verhältnis von Morpheus und Neo in MATRIX REVOLUTIONS entwickelt sich höchst zwiespältig. In THE MATRIX hatte Morpheus seinen Erlöser gefunden und vielleicht erfunden, er war von heiliger Hoffnung erfüllt; in THE MATRIX RELOADED wurde das Verhältnis zwischen beiden eher professionell. Neo wusste nun selber, was zu tun war, und Morpheus hatte sich die Aufgabe gestellt, den Messias zu verkünden und zu instrumentalisieren. Aber dann musste er erkennen, dass auch Neo nur ein Programm innerhalb der Matrix ist, er verlor seinen Glauben an den Erlöser, aber vielleicht war das auch nur die Voraussetzung für eine andere Form des Verstehens. Das führt im dritten Teil zu einer Form des Loslassens. Morpheus und Neo sind nicht mehr in der spirituellen und, nun ja, erkenntnistheoretischen Weise miteinander verbunden wie zuvor. Morpheus setzt dennoch oder deshalb seine ganze Hoffnung in einen Akt von Neo, den er nicht versteht. Er steht nun gewissermaßen außerhalb des Mythos, den er selbst mit geschaffen hat (sein Tod würde also keinen Sinn mehr machen). Zur gleichen Zeit, auch das haben wir wohl geahnt, hat Neo aber auch seinen mehr oder weniger naiven Glauben an die Wirklichkeit verloren, dem einige der Rebellen mit einer nachgerade stalinistischen Unbedingtheit anhängen. Die Menschen sind ohne die Matrix nicht mehr lebensfähig, und die Maschinen sind keineswegs das absolut Böse. Die Matrix als Sprache zwischen den beiden Lebensformen muss erneuert werden, und in

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der U-Bahnstation Mobil Avenue hat Neo ja auch seine linguistische Lektion gelernt. Man darf die Sprache (die Bilder, die Worte, die Zeichen) nicht mit dem Abgebildeten, dem Bezeichneten verwechseln, wenn man ihr eine Autonomie zugesteht. Die Matrix ist der linguistische Ort, an dem sich Menschen und Maschinen begegnen. Sie abzuschaffen ist genau so zerstörerisch, wie sie zu verabsolutieren. Es kommt darauf an, sie zu verändern. Immer wieder, nehmen wir an. Sodass auch THE MATRIX immer wieder neu beginnen könnte (und immer wieder als Bildererzählung, deren Erkenntnis und Glauben, deren Ikonografie und Ideologie auch immer wieder vor unseren Augen zerfällt). Erinnern wir uns an die Vorstellung, THE MATRIX und seine Sequels seien so etwas wie die Verfilmung des kulturellen Inhalts eines TeenagerZimmers und mithin ganz nebenbei eine Metapher des Erwachsenwerdens. Auf die Sensation der Entdeckungen, des Beginns von Selbst-Bewusstsein, ist eine Mischung aus Ernüchterung und Erkenntnis gefolgt in THE MATRIX RELOADED; dann ist THE MATRIX REVOLUTIONS nicht nur der grausamste, sondern auch der traurigste Teil der Trilogie. Das liegt nicht nur daran, dass er die Begegnung mit dem Sterben und mit dem Abschied beinhaltet – was das anbelangt, erlaubt man sich ja mehr als genug der ideologischen, sentimentalen und heroischen Tröstungen, die wir so zur Verfügung haben, es hängt vielmehr auch damit zusammen, dass das so mühsam aufgebaute Ich, das schmerzhaft erzeugte Subjekt, den Zirkeln der Verschmelzung ausgesetzt ist, ohne sich je genießen zu können. Auf die Frage »Wer bin ich?« gibt es keine Antwort. Möglicherweise ist diese Trauer, die das Ende der Trilogie bestimmt – keineswegs eine reine Feier des heroischen Opfers –, auch einer der Gründe dafür, warum es mehr Elemente des Regressiven gibt. Als würde der Bewohner unseres Zimmers, im Begriffe, es zu verlassen, vor den letzten Konsequenzen doch lieber wieder zu den Comics greifen als zu den prätentiösen Philosophie-Taschenbüchern und als müsste er da drin noch einmal einen Höllenlärm veranstalten, um die Ahnung der kommenden Einsamkeit abzuwenden. THE MATRIX REVOLUTIONS mag der einen oder dem anderen als eine herbe Enttäuschung gegenüber dem furiosen intellektuellen und ästhetischen Beginn der Geschichte erscheinen. Das Unausgesprochene und Unausgeführte dominiert; so viele Bälle, die in die Luft geworfen wurden, kommen aus dem Off nicht mehr zurück, andere verwandeln sich in die schwebenden Luftballons am tristen Ende eines Kindergeburtstags. So endet die Geschichte von der Evolution, vom Erwachsenwerden, vom Besuch im Kaninchenbau, vom neuen Projekt »Mensch und Technolo-

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gie«, von der Dialektik zwischen Glauben und Wissen denn auch mit einem reinen kindlichen Sehnsuchtsbild. Die Matrix ist wieder geladen. Ein Kind – und, was nicht zu vergessen ist: die letzte Emigrantin! – hat dafür einen Horizont gezeichnet. Die Sonne scheint darauf, der Himmel strahlt in den Farben aus einem Buntstiftmäppchen. Das Orakel und der Architekt der Matrix, Muttergott und Vatergott, alt geworden oder schon immer alt, unterhalten sich, wie über ein Spiel, das sie seit langer Zeit spielen, ein ewiges Schachspiel zwischen dem Glauben und dem Wissen, dem Tiefinnen und Weit-Draußen eines Systems. Die alten Götter und die kleinen Kinder wird es immer geben, aber sie sind nicht allein verantwortlich für die Erscheinung der Welt. Niemand, nicht einmal einer von den alten Göttern, aber auch der Merowinger nicht, der Deus ex Machina nicht, nicht Neo und Trinity und schließlich auch nicht Agent Smith konnte zum absoluten Subjekt werden, bei allen Kräften nicht. Dagegen gelingt es einem kleinen Kind spielend, eine neue Welt zu erschaffen. (Es ist wirklich schwer zu sagen, ob man das Ende von THE MATRIX REVOLUTIONS als »optimistisch« ansehen kann, und dass alles, was einen Anfang hat, auch ein Ende hat, lässt sich so bestimmt in den Bildern nicht belegen.) In THE MATRIX entdeckt Neo den »Kaninchenbau«, die Trennung der Welt in Wirklichkeit und Simulation. Er erforscht diesen Kaninchenbau in THE MATRIX RELOADED und gelangt dabei ins Dilemma jedes Forschers und jedes Zeugen: Wie kann man etwas verstehen, von dem man zugleich Teil und Nicht-Teil ist? Auf das Staunen folgte die Ernüchterung. Im dritten Film nun müssen wir mit dem Helden den Kaninchenbau wieder verlassen, aber erst jetzt kann sich die Frage stellen, wie er funktioniert und vor allem: wozu. THE MATRIX REVOLUTIONS bezweifelt eine letzte Hoffnung, nämlich die, Entscheidungen, die man getroffen hat, auch zu verstehen. Wissen, Glauben und Tat werden nicht eins. Was »bedeutet« das Ende von MATRIX REVOLUTIONS? Wir haben das Opfer von Neo erwartet, und wir konnten zumindest damit rechnen, dass es keinesfalls dem Sieg der Menschen über die Maschinen würde dienen können, denn dann hätte alles wieder von vorn beginnen müssen. Es musste der Versöhnung zwischen Mensch und Maschine dienen, und es konnte nur in einer Form der Verschmelzung erscheinen. Agent Smith, das von Anfang an renitente Programm, war zur Gefahr geworden, weil es sich in das Andere von Neo verwandelte: das Subjekt in der Welt gegen die Welt im Subjekt. Es ist, wenn es nach den Worten von Produzent Joel Silver ginge, ein 2001-Ende: »Wie in Kubricks Film soll jeder Zuschauer die Bedeutung der

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Matrix für sich selber erkunden.« Tatsächlich jedenfalls führt das Ende zu einem Anfang zurück, in das Bild eines Kindes, in das Spiel zweier Greise im Park, in die Flüchtigkeit einer Begegnung. Alles andere als eine Erklärung, nur ein Bild, das wieder leicht geworden ist. Und was dieses Ende anbelangt, sind die Wachowskis nach so viel Materialschlacht und nach so vielen schweren mythischen Bildern wieder unerwartet poetisch und humorvoll. Jedenfalls kann man es so sehen. Mit dem Ende von THE MATRIX REVOLUTIONS ist ein Teil einer synthetischen Evolutionsgeschichte zu Ende, und ein Teil einer synthetischen Schöpfungsgeschichte. Man könnte sagen, sie habe mit der Erschaffung der künstlichen Intelligenz begonnen, aber mit demselben Recht könnte man behaupten, sie habe mit dem Blick in den Spiegel begonnen. Alles, was geschehen ist, in dieser synthetischen Schöpfung, das ist die Verschmelzung zweier Systeme, die ihre dialektische Beziehung zueinander nicht vollständig erkennen können und deshalb ihre Beziehung durch die Antennen des Transzendentalen regeln müssen. Die Symbiose der beiden Systeme entstand, was ihre einzelnen Elemente anbelangt, »leidvoll«. Viele mussten sterben oder sich grausamen Verwandlungen unterziehen. Es waren die »Störungen« in beiden Systemen, die schließlich zur Fusion führten, zu einer neuen Matrix. Die Fragen, die sich in immer neuen Formen in dieser Geschichte stellten, waren die nach der Kontrolle, dem Gesetz, der Regel, der Störung, der Singularität von Quantensprüngen. Am Ende muss es die Revolution geben, nicht im Sinne eines »Aufstandes«, wie es die Rebellen möglicherweise glaubten, sondern im Sinne einer Umwertung der Werte: Aus den Anhäufungen der Störungen wird die Verwandlung. MATRIX erzählt von einem System, das rumort; weil es nicht zugrunde gehen will, produziert es Störungen, die außer Kontrolle geraten. Sind wir wirklich am Ende der Erzählung? Sie könnte auch ebenso ewig weitergehen, wie eine Comic-Serie, die nur endet, wenn der Autor (vorausgesetzt, er hat sich alle Rechte gesichert) keine Lust mehr hat oder wenn er stirbt oder wenn das Publikum keine Lust mehr hat, die Hefte zu kaufen. Ab einem gewissen Status sind Comic-Helden unsterblich und zur ewigen Wiederkehr verdammt. »Mit THE MATRIX REVOLUTIONS«, so erklärt Produzent Joel Silver hintersinnig, »ist die Geschichte, die Larry und Andy Wachowski erzählen wollten, zu Ende.« Das kann dies und jenes heißen, unter anderem auch die Möglichkeit, dass die Erzählung wieder dorthin gelangen mag, worüber sie sich für einige kulturhistorische Augenblicke erhoben hat: in die Mainstream- und Trash-Produktion der populären Mythologie. Anders gesagt: vom Bewusstsein zurück in den Traum. In die Matrix unseres Medienalltags.

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Was also ist die MATRIX? Die MATRIX-Trilogie ist gewiss eines der am meisten overanalyzed Kapitel der Filmgeschichte (und welche Filme hat man zur gleichen Zeit übersehen!). Aber die meisten Analytiker sind sich durchaus im Klaren darüber: MATRIX ist ein Vorwand. Ein Vorwand, über dies und jenes zu sprechen, worüber man sonst nicht gesprochen hätte, schon gar nicht zu einer solchen Menge von Zuhörern, über Probleme, die Computer, das Kino und die Wirklichkeit betreffen, Religion, Philosophie, Technik und Wahrnehmung, die Zukunft der Bilder und der Erzählungen. Es ist ein guter Vorwand. Und wahrscheinlich ist ein Vorwand, der sehr gut ist, eben doch ein entscheidendes Mehr als ein Vorwand. Nichts stimmt in den Konstruktionen des MATRIX-Mythos, schnell ist bewiesen, dass es »so etwas« gar nicht geben kann, dass es in sich selbst ebenso widersprüchlich ist, wie es ein System generiert, das beständig auf sich selbst hereinfällt, dass die mythischen und die mathematischen, die philosophischen und die politischen Bilder nie anders ineinander aufgehen als dadurch, dass sie wieder zurückgreifen auf eine Empfindung, eine Frage, einen Moment des Innehaltens in dem vollgestopften Zimmer des Teenagers, das wir nun einigermaßen kennen. Das Ganze ist, wie Daniel Barwick darlegt, selber wiederum nur als fake zu verstehen. Vom Standpunkt der Philosophie, der Erzähltheorie, der Psychologie, der Geschichte und so weiter ist die Matrix am Ende immer entweder eine Fehlkonstruktion oder eine leere Metapher, alles oder nichts. Wie auch anders? Nach dem Tod der großen Erzählungen ein Epos, das irgendwie alles erklärt! Nach dem Tod der Religionen ein großer Haufen von Religionssplittern. Nach dem Sieg der Ironie ein hochmoralischer Essay über Freiheit und Bestimmung. Nach dem Tod des Politischen eine Metapher zu Macht und Ausbeutung. Nach dem Tod der Helden die Konstruktion des Meta-Helden. Um es in den Worten von Kevin zu sagen, den man nicht als Einzigen allein zu Hause ließ: »Das geeeht doch gar nicht!« Wir haben MATRIX als Mythos bezeichnet, als Pop-Mythos, um genau zu sein. Und ehrlich, ich glaube nicht, dass ich damit ein großes Geheimnis verrate: Das ist mit allen Mythen so, dass sie nicht stimmen, dass sie inkonsequent, fehlerhaft und selbstwidersprüchlich sind. Ihre Struktur und ihre Fülle befinden sich immer im Widerspruch zueinander. Was hineingelegt wurde und was herausgeholt wird, hat nicht viel (aber auch nicht nichts) miteinander zu tun.

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The Big Sleep ››Das Schlafende muss erwachen«, so heißt es in David Lynchs Film DUNE (Der Wüstenplanet; 1984), dessen messianischer Held gewiss einer der vielen Vorläufer Neos ist. Und das ist die Losung des Kinos, von den Rändern bis in den Mainstream hinein, in den letzten beiden Jahrzehnten. Im Kino selbst spiegelt sich der Kampf, der in der Matrix geführt wird, die Rebellion der Gnostiker gegen den »christlichkapitalistischen« Fundamentalismus. So viele große Filme wie AMERICAN BEAUTY (1999; R: Sam Mendes), FIGHT CLUB oder MULHOLLAND DRIVE (2001; R: David Lynch) handeln davon, wie Menschen in einem System ihre Seele verloren haben, zusammen mit ihrer Fähigkeit zu sehen. Erwachen, das kann heißen, die Schönheit einer im Wind tanzenden Plastiktüte (wieder) zu sehen, zu erkennen, wie selbst noch Authentizität inszeniert ist, sich als Opfer zu erkennen und das Nutznießen als Irrweg. Etwas Entscheidendes hat sich geändert seit George Lucas' THX 1138 (1971), wo die Menschen der Zukunft durch eine Droge und einen digitalen Jesus in ihrer Sklaverei in der Unterwelt gehalten werden, bis zu SIMONE (2002) von Andrew Niccol, wo ein Regisseur (AI Pacino) einen künstlichen Filmstar erschafft, mehr als nur ein Idol, und die Menschen, die ihn »anhimmeln«, sich auch dann nicht mehr von ihrem Kult abbringen lassen, als Simones Schöpfer sie über ihre wahre Natur aufklärt: die Komplizenschaft der Menschen als Konsumenten, User, Abhängige. Das Subjekt der Wirklichkeitsverschwörung wird zunehmend vage, die Strange Days sind eine Schöpfung der Konsumenten selbst. Die Matrix hat nicht nur ihren Cypher, sie ist selbst nach den Wünschen der Menschen erschaffen, und der an Buckminster Fuller erinnernde Architekt ihres Programms ist alles andere als ein entrückter Schöpfergott, nur ein weiterer technologisch avancierter Komplize. Nie finden wir als Lösung ein anderes System. Auch Zion ist nur eine Projektion, wie es der Fight Club ist. Die Erlösung aus der Matrix ist nicht die Schaffung einer Anti-Matrix. Sie liegt in der Revolte des Subjektes selber. Der Ausgang ist ungewiss, vom Standpunkt der Matrix aus kann er auch vollkommen zynisch sein. Die Spur des Wegs der Befreiung wird selbst zum Teil des Algorithmen-Gitters der Matrix. Und doch ist dies der einzige Weg. Der einzige Trost: Alles verändert sich, in der Matrix und außerhalb von ihr. Auch die Welt um Dornröschen, die der Matrix durchaus ähnelt, endete nicht, sondern wurde angehalten, vielleicht in eine Schleife versetzt wie in GROUNDHOG DAY (Und täglich grüßt das Murmeltier; 1993; R: Harold Ramis): Ein und derselbe Tag wiederholt sich immer wieder, was der

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Protagonist auch anstellt. Während sich Bill Murray in dieser Komödie bei dem (unbewussten) Versuch, sich aus diesem Albtraum freiküssen zu lassen, immer wieder mal einen Satz heißer Ohren holt, wird Neo von Trinity wachgeküsst, genauer gesagt: vom Tod wieder ins Leben. Den Schlaf der Vernunft zu beenden, sehend werden wenigstens für einen Augenblick, das ist die Hoffnung all dieser Filme, deren Zusammenfassung und Transzendierung MATRIX ist. Darum kann Larry Wachowski die Botschaft der Filme so einfach zusammenfassen: »In MATRIX geht es darum, dass es sehr leicht ist, ein Leben zu führen, das nie einer kritischen Prüfung unterzogen wird. Es ist sehr leicht, die Augen davor zu verschließen, was draußen in der Welt los ist.« Das ist es, worauf alles hinausläuft: Da wir nicht genau wissen, was die Matrix ist (wir wissen nicht einmal genau, ob es etwas gibt, was nicht die Matrix ist), bleiben alle unsere Interpretationen und Ableitungen letztlich Spekulation (und das ist gut so). Aber natürlich gibt es eine Menge von möglichen Erklärungen und Hinweisen, und immer, wenn wir einer davon folgen, erscheinen die jeweils vorherigen Überlegungen und »Lektüren« in einem veränderten Blickwinkel. So weit waren wir schon einmal. »Was ist also Wahrheit?«, fragt Friedrich Nietzsche und antwortet einigermaßen scharfsinnig und nihilistisch: »Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen, kurz eine Summe von menschlichen Relationen, die poetisch und rhetorisch gesteigert, übertragen, geschmückt werden, und die nach langem Gebrauch einem Volke fest, kanonisch und verbindlich dünken: die Wahrheit sind Illusionen, von denen man vergessen hat, dass sie welche sind, Metaphern, die ihr Bild verloren haben.« Nicht von dem, was man sich einbilden kann, geht im Cyberpunk das Grauen aus, sondern von dem, was man vergessen kann. Oder längst vergessen hat. Von den Metaphern, zu denen kein Bild mehr passt, und von den Illusionen, von denen man imstande ist zu vergessen, dass es welche sind. Kann es eine Matrix auch »technisch« geben? Eine einfache, technologische Erklärung haben wir schon in William Gibsons Neuromancer erhalten: »Die Matrix hat ihre Wurzeln in primitiven Videospielen, in frühen Computergrafik-Programmen und militärischen Experimenten mit Schädelelektroden.« Das erklärt, wie sie gleichsam unbemerkt in die Gesellschaft hinein- und über sie hinauswachsen konnte. Sie hat eine Geschichte, die ein Teil der Technologie-Geschichte der Menschheit ist und, wie das meiste vom apokalyptischen Stoff der Science-Fiction, aus einem verhängnisvollen Ineinander von Vergnügungssucht und militärischer Machtentfaltung ihren Ursprung nahm.

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Wenn wir diesen historischen Aspekt ernst nehmen, könnten wir damit alle metaphorischen Aspekte relativieren. Bei diesen »primitiven« Anfängen kann die Matrix nicht mehr enthalten als das, wovon sie sich offensichtlich bei ihrem Anwachsen »ernährt« hat, und das sind die menschlichen Begierden und die menschlichen Ängste. Insofern könnte die Matrix gar nichts anderes sein als ein Spiegel, und die Frage, was man darin sieht, ist nicht so sehr ihre Sache als die dessen, der hineinblickt. Aber natürlich ist kein Spiegel so unschuldig. Und das, was die Matrix ist, zur Zeit von Neos Erweckung, ist mehr als das, was sie in ihrer Geschichte geworden ist. Auch die Antwort des executive producer Andrew Mason scheint zunächst einmal einfach: »Die Matrix ist nur eine Anordnung von Fragen, ein Mechanismus, der ignorante oder dumme Menschen dazu bringen will, so viele Dinge als möglich in Frage zu stellen.« Dann freilich wäre die Matrix gar nicht das Problem, sondern eher schon ein Teil der Lösung. Sie böte sich als Medium an: In der Matrix wird die gesamte Geschichte von menschlichem Glauben und Bewusstsein noch einmal erzählt, allerdings in der Form einer Frage (und in der Form eines action movie). Was eine Matrix ist, davon haben wir ja auch jenseits des Films und jenseits des Diskurses über Computer und Wahrnehmung so unsere Vorstellungen. (Nur ein paar alte Knacker wie der Verfasser dieses Buches allerdings erinnern sich vielleicht noch daran, dass das Matrix ein MusikSchuppen in San Francisco war, in dem in den Jahren um 1965 die amerikanische Hippie-Revolution zumindest musikalisch begann. Jedenfalls hatten Jefferson Airplane hier ihren ersten großen Auftritt. Ein Jahr später bekamen sie von Levi-Strauss den Vertrag für einen Werbespot für Blue Jeans und waren danach ziemlich dick im Geschäft. Was sagt uns das?) Dazu müssen wir nur ein paar Wörterbücher zu Rate ziehen. Die Matrix ist also: – der Mutterbauch oder der Geburtsraum; – die Form, aus der andere Formen modelliert werden (das Negativ des Films oder der Schallplatte, aus der man seinerzeit all die vielen »Kopien« zog, bevor der digitale Prozess diese Form technologischer Mütterlichkeit ins Virtuelle schob); – Gestein oder Erde, auf dem oder in der Mineralien ihre kristallinen Formen ausbilden; das »Ganggestein«. In gewisser Weise ist das also das Gegenteil einer Ordnung, nämlich die Trägersubstanz (nicht der Gedanke, sondern das Gehirn). Der Nährboden. Die Gewebeschicht. Die Grundmasse. So ist Matrix auch das Zeug, in dem die »bewusstlosen« Menschen schwimmen; – ein Zahlensystem, das andere Subsysteme generiert; – das Planbild einer Architektur.

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Nicht einmal das Wort selbst also hilft uns bei der Beantwortung der Frage: Was ist die Matrix? Was auch immer: Eine Matrix ist ganz offensichtlich ein Schöpfungsinstrument und keineswegs in erster Linie ein Unterdrückungselement. Aber dann ist sie außer Kontrolle geraten, sie wuchert auf der einen Seite, und auf der anderen Seite schließt sie sich ab. Was in ihr wächst, wächst selbstreferenziell und krebsartig. Wenn dieser elektronische Mutterbauch Menschen generiert, dann, wie Agent Smith feststellt, eher wie Viren. Es ist ein System, das an sich selbst sterben muss. Was aus der Matrix geworden ist, erfährt Case in Neuromancer weiter: »Cyberspace. Unwillkürliche Halluzinationen, tagtäglich erlebt von Milliarden Berechtigten in allen Ländern, von Kindern zur Veranschaulichung mathematischer Begriffe ... Grafische Wiedergabe abstrahierter Daten aus den Banken sämtlicher Computer im menschlichen System. Unvorstellbare Komplexität. Lichtzeilen, in den Nicht-Raum des Verstandes gepackt, gruppierte Datenpakete.« Das Bildnetz also, eng genug geknüpft, um dahinter nicht mehr zu sehen, was einst abgebildet werden sollte. Die Verwandlung der Welt in ihr Bild. Mehr will Case aber gar nicht mehr wissen. Was er da erfahren hat, stammt ohnehin aus einem zukünftigen »Kinderprogramm«. Er will die Matrix nicht erklärt bekommen (was jedem Helden traditioneller Science-Fiction durchaus genügt hätte), er will sie erfahren: »Wie ein Origami-Trick in flüssigem Neon entfaltete sich seine distanzlose Heimat, sein Land, ein transparentes Schachbrett in 3-D, unendlich ausgedehnt.« Mutter, Heimat, Spiel. Noch sind wir viel näher an einer körperlichsinnlichen Empfindung, einem Traum-Flash (und natürlich, nebenbei, einer Drogenerfahrung) als an einem philosophischen, metaphorischen und technologischen Raum, aus dem zu entkommen Menschenpflicht und Religion sei. MATRIX ist auch, was das anbelangt, viel sauberer, sagen wir ruhig: viel kleinbürgerlicher als Gibsons Cyberpunk-Welt. Case' Problem ist die Abhängigkeit, er wird durch das (künstliche) Leben getrieben wie der Held eines aus dem Müll gezogenen Chandler-Romans. Neo geht dagegen von Anfang an die Sache als reine Erfahrung an, als ginge es ihm nur um Ideen und nicht um Lust und Schmerz. Er ist eben ein Highschool-Kid, das gerade seine ersten Erfahrungen in einem Bürohochhaus macht, dessen Arbeitswaben und Bewohner nur einen Verdacht auslösen können: Hier ist etwas nicht in Ordnung. (In den Dilbert-Comics, die wir ebenso gut wie Baudrillard heranziehen können, um die Grundbedingungen der Matrix zu erkennen, werden die Menschen innerhalb dieser Lebensumstände, wie sie ein gewöhnlicher Programmierer wie Thomas Anderson als einzig mögliche erleben muss, komplett verrückt, sie haben diesen Traum nicht, dass drau-

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ßen eine andere Wirklichkeit sein könnte. Wie wäre es übrigens, wenn man in Wonderland geboren worden wäre? Müsste dann nicht die Realität, mag sie belanglos und voller Vorschriften sein, ein wunderschöner Traum sein?) Es geht, so stellten wir fest, um ein mit allerlei Ideen, Fantasien, Zeichen und Kulturwaren vollgestopftes Zimmer eines jungen Menschen am Rand zum Erwachsenwerden. Nicht das Erwachsenwerden als Abschied von der Kindheit, wie bei Spielberg, war hier gemeint, sondern ein Erwachsenwerden, zu dem man sich entschließen muss, zu einem Zeitpunkt, an dem man schon eine ganze Menge Erfahrungen und Wissen angehäuft hat, aber noch keine Ahnung davon hat, wozu das gut sein soll – oder schlecht, wie man es nimmt. Und es geht darum, dieses Zimmer, den letzten einigermaßen sicheren Kokon zu verlassen, in Richtung auf eine Wirklichkeit hin, von der man hier weiß, dass es sich nur um eine Wüste handeln kann. In diesem Bild vom Zimmer, in dem wir MATRIX nur verstehen können, treffen sich sehr private und sehr kollektive Impulse, Geschichte und Biografie, Zufälle und Sehnsüchte, Struktur und Chaos. So ist die Matrix keineswegs »alles und nichts«, keine leere Metapher, sondern ein offenes System, in dem hierhin und dorthin (aber eben auch keineswegs überallhin) gedacht, gewusst und geträumt werden kann. Die Vorstellung vom »Erwachen« ist einerseits so alt wie die menschliche Kultur. Aber andrerseits hat sie offensichtlich eine neue Qualität erreicht, seit das Unbehagen gegenüber und die Abhängigkeit von den elektronischen Medien so alltäglich sichtbar geworden ist. Es ist, als sehnte man sich danach, sich vor den Bilder- und Wörterfluten eine Zeit lang retten zu können. Aber vielleicht ist die Matrix, die wir mit dem Helden verlassen oder in der wir mit ihm sterben müssen, neben vielem anderen auch ein bestimmter Raum für das Abbilden und das Erzählen, für den »Kino« auch nur ein Wort ist. Auch hier ist nicht wirklich zu entscheiden, ob MATRIX ein Abschiedsblick ist oder der Blick hinaus. Müssen wir mit Neo das Kino, so wie wir es kannten, verlassen und uns neue Erfahrungsräume in den neuen Wirklichkeiten suchen, oder hat die Trilogie es gerade noch einmal geschafft, den magischen Ort zu retten, indem sie ihn gründlich veränderte? Was uns beschleichen mag an gewissen Momenten der Trilogie, in denen so vieles möglich scheint, vor dem dann doch die Helden ebenso wie die Filmemacher zurückschrecken, ist beides zugleich: Die Trauer um einen »letzten Film« und die gespannte Hoffnung auf einen neuen. Das All Tomorrow's Parties-Gefühl – das Velvet Underground in ihrem Song und William Gibson in seinem Roman beschreiben: »Ich will, dass meine Welt verwandelt wird, aber ich möchte auch, dass mein Platz in dieser Welt dem

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entspricht, den ich gegenwärtig einnehme. Ich will meinen Kuchen essen und ihn zugleich behalten.« Warum aber muss dieser Augenblick so total, so kosmisch sein, wo es doch um nichts anderes geht als darum, dass das Leben, so wie es ist, nicht länger zu ertragen ist? Dutzende von schönen Filmen aus den Gettos dieser Welt sehen das auch und stellen sich radikal hinter die Menschen, die sich mit ihrem Lebenswillen, ihrer Liebe und ihrer Kreativität gegen das System stellen. Aber retten können sie ihre Menschen vielleicht vor ein paar Agenten, das System selbst können sie nicht sehen. Wie auch? Die Herrschaft des Kapitals auf der Welt ist in einem Ausmaß total, dass man sie nicht mehr als Problem in der Wirklichkeit sehen kann, sondern als das Problem der Wirklichkeit schlechthin. Die apokalyptischen Diagnosen werden seriell produziert und gern konsumiert. An eine Alternative ist kaum zu denken, ja sie ist nicht einmal als Gedanke rational zu fassen. Die Welt als Illusion aufzufassen ist vielleicht eine subversive, eine jedenfalls verzweifelte Geste gegenüber einem übermächtigen Gegner. In der Wirklichkeit ist er nicht zu besiegen. So kann man ihm nur das Recht auf die Wirklichkeit selber absprechen. Nicht nur eine Revolte wird in den MATRIX-Filmen durchgespielt, sondern alle, zu denen die Jugend überhaupt noch fähig wäre. Sie alle führen zu nichts, und sie alle haben doch ihren Sinn: Der gewalttätige Aufstand. Die Liebe. Die Poesie. Der Glaube (auch in seiner Form der radikalen Ketzerei). Das Wissen. Die Ich-Sucht, die Ich-Überwindung. Während der Revolten erweist sich immer mehr die Komplizenschaft der Personen und Systeme, die vordem als Kontrahenten schienen. Das System zerfällt, während die Rebellen es erhalten. Was wäre, in seinen ersten Krisen, aus dem deutschen Wirtschaftswunder geworden, wenn es nicht die 68er gegeben hätte (und vor allem ihre Metamorphosen), was wäre aus der großen Weltmaschine Wirtschaft-Militär-Wissenschaft-Entertainment in den USA geworden, wenn nicht die Hippies (und vor allem ihre Metamorphosen) ihren Weg dort hinein gefunden hätten? Das System, das die Rebellion am cleversten integriert, überlebt noch allemal dasjenige, das sie am perfektesten unterdrückt. Aber anhand von THE MATRIX können wir auch über den Preis reden. Die Integration macht in der Tat blind und unwirklich. Je »menschlicher« das dissidente Programm Agent Smith wird, desto mehr verliert, beginnend am militaristischen Anfang von THE MATRIX RELOADED, Neo, der Held, an Menschlichkeit. Dass gierige alte Männer die Welt aussaugen (oder Maschinen die Menschenkörper), das mag uns ja einleuchten; aber wie und warum werden faschistische Killer, mehr oder weniger sozialdemokratische Gutmenschen, religiöse Fanatiker, Verschwö-

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rer und Verschwörungstheoretiker, das Maschinelle an sich, Göttinnen und Dämonen allesamt und beinahe gleichwertig zu ihren Erfüllern und Instrumenten? Und mehr noch: Warum erledigen sie ihren Job besser, als die gierigen alten Männer (die gierigen Maschinen) auch nur zu denken gewagt hätten; ja warum arbeiten sie so perfekt, auch wenn es diese gierigen alten Männer vielleicht gar nicht (mehr) gibt? Die MATRIX-Trilogie hat keinen Bösen. Keinen Superschurken und kein Monster. Sie zeigt als eine der ersten Filmerzählungen den Menschen und das System. Daher liegt es nahe, dass sie auch keinen Guten hat; Erlöser, Held und Geliebter hin oder her. Jedoch ein Subjekt, das diesen Konflikt auf sich nimmt (und die Phasen des »Größenwahns« durchläuft, die Nietzsche vielleicht auch noch den Leuten unerträglich macht, die ahnen, dass da jemand, der so besessen ist vom Wunsch, das Subjekt gegen alles System zu retten, sich zugleich, und sei es unfreiwillig, dem dümmsten und perversesten System – dem deutschen Empire – nützlich gemacht hat). Vielleicht ist Neo in THE MATRIX der erste transzendentale Held des Kinos, dessen wahre Größe in nichts als in seinen Irrtümern besteht. Das also sind die drei Geschichten, die die MATRIX-Filme erzählen: Ein junger Mensch will und muss erwachsen werden. Nicht einfach so, im Allgemeinen, sondern in einer konkreten Situation der Totalität des Kapitalismus und seiner medialen und, durchaus, religiösen Auflösung als Ideologie. Bedeutet Erwachsensein mehr Freiheit oder mehr Unterwerfung? Offensichtlich muss man den Zugewinn an Freiheit, den man mit einer größeren Verpflichtung bezahlt, nach außen richten. Jenseits dieser verdammten Tür (nach der Einnahme der einen oder der anderen Pille, nach mehreren Wahlen, die es zu treffen gilt, nach dem Abstöpseln und dem Entkommen aus dem Matrix-Mutterbauch) hat man immer weniger Freiheit für sich selbst und immer mehr Freiheit für die Welt. Daher hört das Wählen auch in der Welt der Zwänge nicht auf. Ein Subjekt will nicht mehr besinnungsloses Teil eines Systems sein; es will der Wirklichkeit offen gegenübertreten. Nicht »die Maschinen« herrschen – das ist eine der Metaphern, die die Filme gar nicht weiter interessieren –, sondern »das Maschinelle«, nicht das Medium, sondern das Medialisierte. Ein Mensch stellt Fragen. Daher wird er – zugleich automatisch und durch die freie Wahl – zum Rebellen. Aber ist die Rebellion eine Antwort? Ist es der Glaube, ist es die Liebe, ist es die Hoffnung? Nichts von alledem erspart eine Des-Illusionierung nach der anderen. So ist auch »Illusion« nur eine Metapher. Hat nicht Morpheus schon früh darauf hingewiesen, dass Neo durch die Wahl der blauen Pille einfach glauben könne, was er

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glauben wolle? Der Punkt, um den alle Bewegung in den MATRIX-Filmen kreist, ist der Nihilismus, der, den das System erzeugt und der, den es in seinen Kontrahenten erzeugt. Der Nihilismus, der im Jahr 2003 an jeder Straßenecke und in jedem Fernsehprogramm zu finden ist. Man nennt ihn Trend, Sachzwang, Entertainment. Es ist die Unmöglichkeit, über das System hinaus zu denken. Es ist der kategorische Imperativ des Neoliberalismus: Begehre die Gegenwart! Vergiss die Vergangenheit! Und: No Future!

Erzählmaschine, Bilderfabrik Jedes Wort ist auch eine Maske. (Friedrich Nietzsche)

In der Matrix spielen Menschen Geschichten, interaktiv, aber ohne Bewusstsein. Sie haben Namen, die an Rollen erinnern in längst vergangenen Mythen, Legenden und Religionen. Man kann sich darüber streiten, ob die (vielen) Autoren der Trilogie und ihrer Verzweigungen damit zurechtgekommen sind oder nicht. Am Anfang der Matrix stehen nicht die Maschinen, sondern die Verdunkelung der Sonne, eine umfassende Selbstblendung der Menschen. (So besehen können die Maschinen nichts anderes tun, als sie in immerhin künstliches, inneres Licht zu führen.) Die Erzählmaschine jedenfalls, die die Matrix auch und vor allem ist, muss sich in der Dunkelheit entfalten. Das Motiv der Dunkelheit und der Blindheit taucht in den Filmen der Trilogie wie in den ANIMATRIX-Filmen immer wieder auf. Die Ideen (wie die Namen) haben keine Anschauung, die Fantasie keine Erfahrung. Wenn jemand, zum Beispiel, »Persephone« heißt, ist nicht ausgemacht, dass sie weiß, was das bedeutet, ob es etwas für sie bedeutet oder für die Momente und Beziehungen in ihrem System oder für die Beobachter ihres Systems oder für irgendwen. War einst das Imaginäre ein Vorwand für das Reale, ein Mittel von Verständigung und Maskerade, so ist nun, nach Baudrillard, das Reale ein Vorwand für das Modell geworden, was höchst einleuchtend ist, wenn man im Fernsehen das Wirkliche (als Geschichte und als Individuum) nur als Vorwand und Anlass für das Programm sieht. Und er fügt hinzu: »Paradoxerweise wird nun das Wirkliche zu unserem wahren Utopia – aber zu einem Utopia, das nicht mehr im Bereich des Möglichen liegt, von dem wir nur noch träumen können, wie von einer verlorenen Sache.« In Filmen wie der MATRIX-Trilogie wird diese Utopie »Wirklichkeit« geträumt. Und das kann

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nur gelingen, wenn man zugleich die Bedingungen des Bildes und seiner Verknüpfungen selbst verändert. Paradoxerweise also ist MATRIX ein filmisches Projekt zur Simulation der Wirklichkeit, das zur gleichen Zeit radikal Schluss macht mit der Idee von einem Kino, das eine Simulation der Wirklichkeit ist. Ein Schauplatz ist hier ein Schauplatz und keine Imitation eines sozialen oder historischen Ortes. Eine Figur ist eine Figur und keine Imitation eines realen Menschen. Eine Kamerabewegung ist eine Kamerabewegung und keine Imitation eines menschlichen Blicks (sie ist nicht einmal mehr die Imitation der physikalischen Bewegung eines Apparates). Ein Plot ist ein Plot und keine Imitation einer Biografie. Eine Bewegung ist eine Performance und keine Imitation »natürlicher« Bewegungen. Die Zeit ist eine Kreation der filmischen Mittel und keine Kreuzung von abstrakter und subjektiver Zeit. Der Raum ist beliebig, durch Blick und Projektion entstanden, und keine Imitation des allgemeinen Kontinuums. Die Seele ist eine Idee und keine Imitation des psychologischen Realismus. Was wir also als eine »Abstraktion« empfinden können, ist auch eine Emanzipation der filmischen Mittel. Verrückterweise macht uns ja das Kino selten so wenig vor wie in dieser Tour de Force der cineastischen Illusionsmittel. Vielleicht gibt es ja wirklich zwei Wege zur Wahrhaftigkeit des Films. Auf dem ersten kommen wir dem Augenblick des Wirklichen immer näher (auch hier: indem wir alle Illusion und alle Simulation vermeiden). Auf dem zweiten Weg gelangen wir an die Wahrheit des Kinos selbst. Natürlich wiederholt sich da schon wieder dieser Widerspruch zwischen Idee und Wahrnehmung, zwischen Ich und Welt, zwischen Wissen und Erfahrung, zwischen innen und außen, den unsere Helden von der Königsberg-Connection bis zum Aufbruch aus Zion neu zu lösen versuchten (nur um ihn an andrer Stelle wieder aufzureißen). Das Kino ist umso ehrlicher, je mehr es diesen Widerspruch zwischen der Welt und der Aufnahmemaschine akzeptiert und bearbeitet. Die Matrix, in der wir leben, können wir mit Bergson ohne Zögern auch als »kinematografische Illusion« der Welt bezeichnen. Was aber könnte gegen diese Illusion (die ganz bestimmt so sehr eine »Versklavung« ist wie das doppelte Leben in der Matrix) besser helfen als ein »Denken in Bildern«, noch einmal ein anderes Wort für Kino? Die Aufnahmemaschine kann radikal sein in ihrem Zugriff auf die Welt. Und sie kann radikal sein in ihrem Zugriff auf sich selbst. Eines ist nichts ohne das andere. Beides zugleich ist noch nicht gelungen. Wenn der Raum und die Zeit verschwunden sind, die Objekte nichts mehr beweisen und die »Natur« eine Inszenierung ist, dann bleibt als letzter Ort von Abenteuer und Selbsterfahrung, Sinnsuche und morali-

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scher Klärung nichts anderes mehr als die Bilder im eigenen Kopf. Das ist seit Kubricks 2001 klar, führt von SOLARIS zu CONTACT: Wer hinaus will, fällt nur umso tiefer in sich hinein. Und wer in sich hineinblickt, erschafft eine Welt. Viel mehr an Trost ist nicht zu haben, im Kino und im Leben. Aber es ist mehr, als wir erwarten dürfen. Das Kino ist Motor, Symptom und Einspruch zugleich. »Je mehr es sich von seinen Ursprüngen entfernt, desto schwieriger lässt sich das Kino identifizieren, desto mehr ist es entortet und ungreifbar«, so Thierry Jousse. Aber es gibt weder ein Zurück in die wärmenden Bilderwelten von Heimatfilmen, noch darf gerade das Kino die Globalisierung der Bilderwährung unkommentiert lassen (was nichts an der Sympathie für lokales, verortetes und konkretes Kino ändert). Der »Trost« aus Filmen wie der MATRIXTrilogie ist der Versuch, die auseinander strebenden Lebensbereiche des Spätkapitalismus immerhin wieder in Beziehung zueinander zu bringen, Alltag, Religion, Technologie, Ökonomie, Style und Politik, zugleich als Empfindung voneinander getrennt und unter das gemeinsame Diktat der Konzerne gestellt: Eines ist die perfekte Ergänzung des anderen, und es will vom anderen nichts wissen. Es ist nichts so nah an unserer gewöhnlichen Lebenserfahrung wie ein Leben in verschiedenen Wirklichkeiten und in verschiedenen Bildwelten. Diese Segmente werden in einer künstlichen Mythologie wieder miteinander verbunden. Und erst dadurch kann die Kamera auch ein Instrument der Frage werden. Ihr, nun ja, »Selbstbewusstsein« freilich schließt auch die Erkenntnis der Begrenztheit mit ein. Mit der Beweglichkeit der Kino-Technologie wird die »ganze Welt zu einer Leinwand«. So wie das spekulative Kapital in dieser Phase der Globalisierung im Grunde immer schon in einer virtuellen Zukunft arbeitet (und dabei die Vergangenheit beliebig manipuliert), so zersetzen auch die beweglichen Bilder die Grammatik in der Beziehung von Urbildern, Abbildern und Trugbildern. Die MATRIX-Filme nehmen diese Neo-Zeit auf, der Dialog, zum Beispiel, ist der »Handlung« immer schon voraus, Erfahrung erscheint oft genug als Déjà-vu, und Morpheus dreht beharrlich, fast ritornellhaft das große, alte Teenager-Gebet auf den Kopf: Time Is on Their Side! Die Zeit arbeitet gegen uns. Was allerdings dieses System, das Raum und Zeit gefressen hat, nicht vollständig vernichten kann, ist das Fragen und Suchen des Subjekts. Deswegen, unter anderem, bin ich der Meinung, dass es nur einen Unterschied gemacht hätte, wenn Neo die andere Pille genommen hätte. Er hätte den Weg durch Kaninchenbau, Spiegel, Ich und Welt genau andersherum gehen müssen. Um an derselben Stelle anzukommen. Oder im selben Nirgendwo. Vom Menschen zum Programm, oder vom Pro-

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gramm zum Menschen, das ist der Weg vom Subjekt zum System und umgekehrt: Gewiss ist nur das Leiden aneinander, und gewiss ist die Veränderung aneinander. So lauern andrerseits überall die Optionen. Nichts ist »egal«, und nichts wiederholt sich einfach. Gerade im Augenblick haben wir immer entweder zu wenig oder zu viel Freiheit, sind wir zu wenig oder zu viel fremdbestimmt. Erwachsenwerden, davon gingen wir aus, ist die Substory von MATRIX. Es ist nichts anderes als zu lernen, den Widerspruch auszuhalten. Neo, Trinity und sogar Agent Smith opfern sich, damit wir das hinkriegen. Und dabei unter anderem eins verstehen: Die Grenzen unserer Freiheit, die Grenzen unserer Wahrnehmung und Erkenntnis und die Grenzen unserer Verantwortung verlaufen ganz unterschiedlich. Wissen, Glauben und Handeln und alle Ableitungen verhalten sich in der Tat wie ein komplexes System, in dem man sich nicht bewegen kann, ohne es selbst zu verändern. Neo ist kein Messias, und trotzdem kommt es auf ihn an. Und MATRIX besteht nicht durch seine Antworten. Sondern durch den Gestus seiner Fragen.

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Filmografie BOUND (1996) Gefesselt

THE MATRIX (1999) Matrix

Produktion: Dino De Laurentiis / Spelling. Produzenten: Stuart Boros, Andrew Lazar. Koproduzent: Jeffrey Sudzin. Ausführende Produzenten: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Production Supervisor: Pearl A. Lucero. Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Regie-Assistenz: Rip Murray, Toni Whiteman, Wayne Gee. Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Kamera. Bill Pope. Kamera-Assistenz: James Fitzgerald, Steve Peterson, Christopher Ishii, Ron Peterson, Kari Romeo. Camera Operators: Tony Cucchiari, Rob Sweeney. Steadicam Operator: Peter C. Jensen. Unit Photographer: Tony Friedkin. Musik: Don Davis. Schnit:- Zach Staenberg. Schnitt-Assistenz: Dan Gutman, Tony Bacigalupi, Lisa Mozden. Re-Recording Mixers: Ezra Dweck, Robert W Glass Jr., Grover B. Helsley, Dan Wallin. Sound Designer: Dane A. Davis. Production Design: Eve Cauley. Art Direction: Andrea Dopaso, Robert C. Goldstein. Set Decoration: Kristen Toscano Messina. Costume Design: Lizzy Gardiner. Key Make-up Artist: Suzanne Rodier. Hair Stylist: André Blaise. Special Effects Supervisor: Lou Carlucci. Stunt Coordinator: Cliff Cudney. Casting: Nancy Foy. Darsteller/innen: Jennifer Tilly (Violet), Gina Gershon (Corky), Joe Pantoliano (Caesar), John P. Ryan (Micky Malnato), Christopher Meloni (Johnnie Marzzone), Richard C. Sarafian (Gino Marzzone), Mary Mara (Sue), Susie Bright (Jesse), Margaret Smith (Woman Cop), Barry Kivel (Shelly), Peter Spellos (Lou), Gene Borkan (Roy); Ivan Kane, Kevin Michael Richardson (Cops). Format: 35 mm (1:1,85), Farbe, Dolby. Länge: 108 Min. Drehort: Vernon (Kalifornien, USA). US-Kinostart: 4. Oktober 1996. Dt Kinostart: 31. Oktober 1996.

Produktion: Groucho II Film Partnership / Silver Pictures / Village Roadshow Productions. Produzent: Joel Silver. Koproduzent: Dan Cracchiolo. Ausführende Produzenten: Bruce Berman, Andrew Mason, Barrie M. Osborne, Erwin Stoff, Andy Wachowski, Larry Wachowski. Associate Producers: Carol Hughes, Richard Mirisch. Unit Production Manager: Carol Hughes. Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Second Unit Director: Bruce Hunt. RegieAssistenz: Colin Fletcher, James McTeigue, Tom Read, Noni Roy, Paul Sullivan, Toby Pease, Jeremy Sedley. Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Kamera: Bill Pope. Kamera Second Unit: Ross Emery. Kamera-Assistenz: David Elmes, Adrien Seffrin, Frank Flick. Camera Operators: David Williamson, Robert Agganis. Steadicam Operator: Robert Agganis. Still Photographer: Jason Boland. Musik: Don Davis. Songs: Massive Attack: »Dissolved Girl« (Robert del Naja / Sara J. / Grantley Marshall / Matt Schwartz / Andrew Vowles); Rob Zombie: »Dragula (Hot Rod Herman Mix)« (Rob Zombie / Scott Humphrey); Lunatic Calm: »Leave You Far Behind (Lunatics Roller Coaster Mix)«(Simon Shackleton / Howard Saunders); The Prodigy: »Mindfields« (Liam Howlett); Meat Beat Manifesto: »Prime Audio Soup« (Jack Dangers / C. Dodd); Rob D: »Clubbed to Death (Kurayamino Mix)« (Robert Dougan); Django Reinhardt: »Minor Swing« (Django Reinhardt / Stéphane Grappelli); Duke Ellington: »I'm Beginning To See the Light« (Harry James / Duke Ellington / Johnny Hodges / Don George); Propellerheads: »Spybreak!« (Alex Gifford); Rage against the Machine: »Wake Up« (Zack De La Rocha / Brad Wilk / Tim Commerford / Tom Morello); Marilyn Manson: »Rock Is Dead« (Marilyn Manson / Twiggy Ramirez

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/ Madonna Wayne Gacy). Schnitt: Zach Staenberg. Schnitt-Assistenz: Peter Skarratt, Catherine Chase, Noelleen Westcombe, Basta Ozerski, Jenny Hicks, John Lee, Tom Costain. Ton: David Lee. Supervising Sound Editor: Dane A. Davis. ReRecording Mixers: David Campbell, Gregg Rudioff, John Reitz. Sound Designer: Dane A. Davis. Production Design: Owen Paterson. Art Direction: Hugh Bateup, Michelle McGahey. Set Decoration: Lisa »Blitz« Brennan, Tim Ferner, Marta McElroy. Costume Design: Kym Barrett. Key Make-up Artist: Nikki Gooley. Special Make-up Effects: Rick Connelly, Bob McCarron, Wendy Sainsbury, Sonja Smuk, Elka Wardega. Hair Stylist: Cheryl Williams. Special Effects Supervisors: Brian Cox, Steve Courtley. Visual Effects Supervisor: John Gaeta. Choreografie: Yuen Woo-Ping. Stunt Coordinator: Glenn Boswell. Casting: Mali Finn, Shauna Wolifson. Darsteller/innen: Keanu Reeves (Thomas A. Anderson / Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Anne Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Joe Pantoliano (Cypher / Mr. Reagan), Marcus Chong (Tank), Gloria Foster (Oracle), Julian Arahanga (Apoc), Matt Doran (Mouse), Belinda McClory (Switch), Anthony Ray Parker (Dozer), Paul Goddard (Agent Brown), Robert Taylor (Agent Jones), David Aston (Rhineheart), Marc Gray (Choi), Ada Nicodemou (DuJour), Deni Gordon (Priestess), Rowan Witt (Spoon Boy); Elenor Witt, Tamara Brown, Janaya Pender, Adryn White, Nathalie Tjen (Potentials); Bill Young (Lieutenant), David O'Connor (FedEx Man), Jeremy Ball (Businessman), Fiona Johnson (Woman in Red), Harry Lawrence (Old Man), Steve Dodd (Blind Man), Luke Quinton (Security Guard), Lawrence Woodward (Guard), Michael Butcher (Cop Who Captures Neo), Bernie Ledger (Big Cop); Robert Simper, Chris Scott (Cops); Nigel Harbach (Parking Cop). Ungenannt: Andy Wachowski, Larry Wachowski (Window Cleaners). Format: 35 mm (1:2,35), Farbe (Technicolor), Dolby Digital. Länge: 136 Min. / 131

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Min. (DVD). Drehorte: Alameda (Kalifornien, USA); Sydney (Australien); Moore Park, Rozelle, Waterloo (New South Wales, Australien). US-Kinostart: 31. März 1999. Dt. Kinostart: 17. Juni 1999. THE MATRIX REVISITED (2001) Matrix - Rückblicke, Einblicke, Ausblicke (DVD) Produktion: Warner Brothers. Produzent: Eric Matthies. Ausführende Produzenten: Joel Silver, Andy Wachowski, Larry Wachowski. Production Supervisor. Tricia Todd. Production Executive: Paul Hemstreet. Regie: Josh Oreck. Kamera: Richard Henkels, Alan Hereford, George Jenne, Eric Matthies, Phil Oosterhouse, Josh Oreck, Bill Pope, Byron Shah, Paul Warren. Kamera-Assistenz: Wing Ko, Greg Luntzel, Sean Moe, John Norman, Adam Swaab, Eric Treml. Musik: Paul Cooper, Adam Locke-Norton, Robert Phoenix, Aleks Svaensson. Schnitt: Peter Byck. SchnittAssistenz: Kelly Donnallan. Ton: Forest Brakeman, David Jackson, Claudia Katayanagi, Charles Mehling, Saul Rouda, Matthew Sidle, Paul Trautman, Hugh Walton. Re-Recording Mixer: Joe Milner. Make-up Artist: Gretchen Davis. Mitwirkende: Kym Barrett, Jason Bentley, Geofrey Darrow, Dane A. Davis, Don Davis, Lorenzo DiBonaventura, Peter Doyle, Laurence Fishburne, John Gaeta, CarrieAnne Moss, Owen Paterson, Bill Pope, Keanu Reeves, Joel Silver, Janek Sirrs, Steve Skroce, Zach Staenberg, Andy Wachowski, Larry Wachowski, Hugo Weaving, Yuen Woo-Ping. Länge- 123 Min. US-DVD -Start: 20. November 2001. THE MATRIX RELOADED (2003) Matrix - Reloaded Produktion: NPV Entertainment / Silver Pictures / Village Roadshow Productions / Warner Brothers. Produzent: Joel Silver. Ausführende Produzenten: Bruce Berman, Grant Hill, Andrew Mason, Andy Wachowski, Larry Wachowski. Associate Producers: Vicki Popplewell, Steve Richards.

Production Executive: Bill Draper. Production Managers: L. Dean Jones Jr., Grant Hill. Production Supervisors: Amanda Crittenden, Debra James. Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Second Unit Directors: David R. Ellis, Kimble Rendall. Regie-Assistenz: James McTeigue, Toby Pease, Claire Richardson, Naomi Enfield, Sean Hobin, Johnny Pacialeo, Kevin McNamara, John M. Morse, Paul Sullivan, Drew Bailey, Michael Green, Kent Genzlinger, Dave Halls. Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Kamera' Bill Pope. Kamera Second Unit: Ross Emery, Roger Lanser, Kim Marks, Geoffrey Wharton. Kamera-Assistenz: Greg Luntzel, John Gazdik, Brett Tracey, Matt Windon, Sean Hunter Moe, Starrs McBurney. Camera Operators: Calum McFarlane, Stephen St. John; Matthew J. Siegel [ungenannt). Steadicam Operators: Stephen St. John. Still Photographer: Melinda Sue Gordon. Musik: Don Davis, Ben Watkins. Songs' Rob D: »Chateau«, »Furious Angels« (Robert Dougan); Rob Zombie: »Reload« (Scott Humphrey); Marilyn Manson: »This Is the New Sh* *«(Marilyn Manson); Oakenfold: »Dread Rock« (Paul Oakenfold); P.O.D.: »Sleeping Awake« (Sonny Sandoval). Zusätzliche Songs: Dave Matthews Band: »When the World Ends« (Glen Ballard / Dave Matthews); Rage against the Machine: »Calm Like a Bomb« (Tim Commerford / Zack De La Rocha / Tom Morello / Brad Wilk); Linkin Park: »Session« (Linkin Park). Schnitt. Zach Staenberg. Schnitt-Assistenz: Craig Alpert, David Birrell, Ed Fuller, Allison Gibbons, Cynthias Morris. Ton: David Lee. Supervising Sound Editors: Dane A. Davis, Julia Evershade. Sound Effects Designer: Richard Adrian, Michael Edward Johnson, Andrew Lackey. Production Design: Owen Paterson. Art Direction: Hugh Bateup. Set Decoration: Brian Dusting, Ronald R. Reiss. Costume Design: Kym Barrett. Make-up Department Head: Peter Robb-King. Key Make-up Effects Artist: Rick Stratton. Key Hair Stylist: Miia Kovero. Special Effects Supervisors: Steve Courtley, Hans Metz,

Clay Pinney. Visual Effects Supervisor: John Gaeta. Choreografie: Yuen Woo-Ping. Supervising Stunt Coordinator: R.A. Rondell. Casting: Mali Finn, Shauna Wolifson. Darsteller/innen: Keanu Reeves (Thomas A. Anderson / Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Anne Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Matt McColm (Agent Thompson), Jada Pinkett Smith (Niobe), Monica Bellucci (Persephone), Lambert Wilson (Merovingian), Gloria Foster (The Oracle), Collin Chou (Seraph), Harold Perrineau Jr. (Link), Harry Lennix (Commander Lock), Clayton Watson (Kid), Daniel Bernhardt (Agent Johnson), Christine Anu (Kali), Don Batte (Vector), Stephen Bastoni (Captain Soren), Nona M. Gaye (Zee), Lachy Hulme (Sparks), Roy Jones Jr. (Captain Ballard), Helmut Bakaitis (The Architect), Ian Bliss (Bane), Kelly Butler (Ice), Essie Davis (Maggie), Terrell Dixon (Wurm), Malcolm Kennard (Abel), David A. Kilde (Agent Jackson), Randall Duk Kim (The Keymaker), Christopher Kirby (Mauser), Peter Lamb (Colt), Nathaniel Lees (Mifune), Robyn Nevin (Councillor Dillard), David No (Cain), Genevieve O'Reilly (Officer Wirtz); Adrian Rayment, Neil Rayment (Twins); David Roberts (Roland), Shane C. Rodrigo (Ajax), Tahei Simpson (Binary), Frankie Stevens (Tirant), Gina Torres (Cas), Steve Vella (Malachi), Cornel West (Councillor West), Leigh Whannell (Axel), Bernard White (Rama-Kandra), Anthony Zerbe (Councillor Hamann); Ray Anthony, Chris Mitchell (Power Station Guards); Andy Arness, Andrew Valli (Policemen); Alima Ashton-Sheibu (Link's Niece), Valerie Berry (Priestess); Liliana Bogatko, Marlene Cummins (Old Women at Zion); Michael Budd (Zion Controller), Stoney Burke (Bike Carrier Driver), Josephine Byrnes (Zion Virtual Control Operator), Noris Campos (Woman with Groceries), Paul Cotter (Corrupt), Attila Davidhazy (Young Thomas Anderson at 12); Nash Edgerton, Scott McLean (Security Guards); David Franklin (Maitre D'), Austin Galuppo (Young Thomas Anderson at

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4), Daryl Heath (A.P.U. Escort), Tony Lynch (Computer Room Technician), Robert Mammone (AK), Joshua Mbakwe (Link's Nephew), Steve Morris (Computer Room Guard), Tory Mussett (Beautiful Woman at Le Vrai), Rene Naufahu (Zion Gate Operator), Socratis Otto (Operator), Montano Rain (Young Thomas Anderson at 8), Rupert Reid (Lock's Lieutenant), Nick Scoggin (Gidim Truck Driver), Kevin C. Scott (18 Wheel Trucker), Nicandro Thomas (Young Thomas Anderson at 2), John Walton (Security Bunker Guard), Anthony Wong (Ghost). Format: 35 mm (1:2,35), Farbe (Technicolor), Dolby Digital. Länge: 138 Min. Drehorte: Alameda, Oakland (Kalifornien, U SA); Sydney (Australien); Redfern (New South Wales, Australien). US-Kinostart: 15. Mai 2003. Dt. Kinostart: 22. Mai 2003. ENTER THE MATRIX (2003) (Videospiel) Produktion: Warner Brothers Interactive Entertainment / Infogrames / Shiny Entertainment. Publisher. Atari. Produzent/ innen: Joel Silver, Rosanna Sun; Gary Sheinwald (Warner Brothers). Ausführende Produzenten- Grant Hill, Stuart Roch. Associate Producer' Phil Oosterhouse. Regie. Andy Wachowski, Larry Wachowski. Skript Andy Wachowski, Larry Wachowski. Kamera: Bill Pope. Musik: Don Davis, Eric Lundborg. Songs: Juno Reactor: »Badimo« (Mabi Thobejane / Ben Watkins / Nick Burton), »Mona Lisa Overdrive«, »Dante« (Ben Watkins); Juno Reactor Featuring Gocoo: »Teahouse« (Ben Watkins / Gocoo); Elite Force: »Mainframe Wrekka« (Simon Shackleton); Chris Vrenna: »Take the Pill« (Chris Vrenna); Andy Hunter: »Go« (Andy Hunter / Tedd Tjornhom); Evanescence: »Going Under« (Ben Moody / Amy Lee / David Hodges); Herrera Productions Inc.: »Bullet Time« (Herrera Productions Inc.); Celldweller: »Symbiont«, »Switchback« (Klayton); Fluke: »Atom Bomb« (Michael James Bryant / Michael James Tournier / Jonathan Howard Fugler); Rob D: »Clubbed to Death (Hybrid

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Mix)«, »Clubbed to Death (Kurayamino Mix)« (Robert Dougan); Clawfinger: »15 Minutes of Fame« (Erlend Ottem / Joakim Skog / Zak Tell / Bard Torstensen); Megatrax Production Music: »The Hummingbird« (Karl Fredrik Lundeberg); Ged Grimes: »Dodge This« (Ged Grimes). Sound Design: Charles Deenen, Dane Davis. Schnitt: Zach Staenberg, Catherine Chase, Ian Slater. Production Design: Owen Paterson. Art Direction: Rob Nester. Costume Design: Kym Barrett. Lead Designer: David Perry. Lead Programmer: Michael »Saxs« Persson. Animation Director: Gabriel Rountree. Visual Effects Supervisors: John Gaeta, John »DJ« Desjardin, Dan Glass. Motion Capture Supervisor: Demian »Dman« Gordon. Software Developer: Dean Broadland. Choreografie: Yuen Woo-Ping. Stunt Coordinator: Mike Martinez. Casting: Mali Finn, Shauna Wolifson. Darsteller/innen: Keanu Reeves (Thomas A. Anderson / Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Anne Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Matt McColm (Agent Thompson), Jada Pinkett Smith (Niobe), Monica Bellucci (Persephone), Lambert Wilson (Merovingian), Mary Alice (The Oracle), Harold Perrmeau Jr. (Link), Harry J. Lennix (Commander Lock), Daniel Bernhardt (Agent Johnson), Christine Anu (Kali), Don Batte (Vector), Stephen Bastoni (Captain Soren), Lachy Hulme (Sparks), Roy Jones Jr. (Captain Ballard), Francine Bell (Councillor Tuchman), Ian Bliss (Bane), Kelly Butler (Ice), Zeke Castelli (Operations Officer Mattis), Collin Chou (Seraph), Paul Cotter (Corrupt), Essie Davis (Maggie), Terrel Dixon (Wurm), Malcolm Kennard (Abel), David Kilde (Agent Jackson), Randall Duk Kim (Keymaker), Chris Kirby (Mauser), Peter Lamb (Colt), Robert Mammone (AK), Robyn Nevin (Councillor Dillard), David No (Cain), Socratis Otto (Jax), David Roberts (Roland), Shane C. Rodrigo (Ajax), Tahei Simpson (Binary), Bruce Spence (Trainman), Frankie Stevens (Tyrant), Steve Veils (Malachi), Cornel West (Councillor

West), Leigh Whannel (Axel), Anthony Zerbe (Councillor Hamann); Adrian Rayment, Neil Rayment (Twins); Gunther Berghofer (Elevator Security Guard), Michael Budd (Zion Controller), Josephine Byrnes (Zion Operator), Daryl Heath (Shift Security Guard), Tony Lynch (Computer Room Technician); Joe Manning, Kittrick Redmond (Operators at Command); Scott Mclean (Security Bunker Guard #2), Steve Morris (Computer Room Guard), Rene Naufahu (Zion Gate Operator), Rupert Reid (Lock's Lt. / Command Centre Lt.), Thomas Scott (Systems Analyst), John Walton (Security Bunker Monitor Guard), Anthony Wong (Ghost). Format: Playstation II, Atari, PC, Apple. Drehorte: Sydney (Australien); Alameda, (Kalifornien, USA). VÖ: 15. Mai 2003.

ANIMATRIX (2003) Animatrix Produktion: DNA Inc. / Mad House Ltd. / Silver Pictures / Square USA/ Studio 4°C /Village Roadshow Productions. Produzenten: Michael Arias, Andy Wachowski, Larry Wachowski. Koproduzent: Steve Richards. Ausführender Produzent: Joel Silver. Regie: Peter Chung (Episode Matriculated), Andy Jones (Episode Final Flight of the Osiris), Yoshiaki Kawajiri (Episode Program), Takeshi Koike (Episode World Record), Mahiro Maeda (Episoden The Second Renaissance 1-2), Kouji Morimoto (Episode Beyond), Shinichirô Watanabe (Episoden Kid's Story und Detective Story). Drehbuch. Andy Wachowski, Larry Wachowski, Peter Chung, Yoshiaki Kawajiri, Kouji Morimoto, Shinichirô Watanabe. Musik: Don Davis. Zusätzliche Musik: Rupert Parkes. Songs: Juno Reactor: »Masters of the Universe« (Johann Bley / Mabi Thobejane / Ben Watkins), »Conga Fury« (Mabi Thobejane / Ben Watkins). Schnitt: Christopher S. Capp. Ton: Eryne Pryce. ReRecording Mixer: Joe Milner. Sound Effects Designer: Eddie Kim. Visual Effects: Joanne Thiel. Sprecher/innen: Akio Ötsuka (Thadeus [japan. Fassung]), Clayton Watson (The Kid),

Hedy Burress (Cis/Yoko), T.C. Carson (Clarence), Mindy Clarke (Alexa), Olivia d'Abo (Rox), Dane A. Davis (01 Versatran Spokesman), John DeMita (Teacher), Julia Fletcher (The Instructor / Narrator / Townsperson), Debi Derryberry (Kid), John Di Maggio (Crew Man / Kaiser), Alex Fernandez (Tom), Jack Fletcher (Townsperson/ Sandro), Bette Ford (Old Woman), Rick Gomez (Pilot), Tom Kenny (Operator), Phil LaMarr (Duo), Tress MacNeille (Housewife/Kenny), Matt McKenzie (Agent), Carrie-Anne Moss (Trinity), Kevin Michael Richardson (Thadeus / Cop / Agent #2), Rodney Saulsberry (Chyron), Dwight Schultz (Townspeople / Policeman / Exterminators / Nonaka / Additional Voice), Pamela Adlon (Jue/Manabu), Allison Smith (Reporter), Kath Soucie (Pudgy / Masa / Sara), Tara Strong (Crew Woman / Nurse / Misha), Jill Talley (Mother/ Additional Voice / Townsperson), James Arnold Taylor (Additional Voice / Miscellaneous / Raul), John Wesley (Dan's Dad), Victor Williams (Dan). Format: Video (1:2,35). Länge: 89 Min. US-DVD-Start: 3. Juni 2003. Dt. Erstausstrahlung: 2. Juni 2003, Pro7. Dt. DVDStart: 3. Juni 2003.

THE MATRIX REVOLUTIONS (2003) Matrix Revolutions Produktion: NPV Entertainment / Silver Pictures / Village Roadshow Productions / Warner Brothers. Produzenten: Grant Hill, Joel Silver. Ausführende Produzenten: Bruce Berman, Andy Wachowski, Larry Wachowski. Production Managers: Grant Hill, L. Dean Jones Jr. Production Supervisors: Amanda Crittenden, Debra James. Production Executive: Bill Draper. Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski. Second Unit Director: Kimble Rendall. Regie-Assistenz: James McTeigue, Toby Pease, Naomi Enfield, Paul Sullivan, Drew Bailey. Drehbuch. Andy Wachowski, Larry Wachowski. Kamera: Bill Pope. Kamera-Assistenz: Greg Luntzel, Brett Tracey. Camera Operator: Callum McFarlane. Musik: Don Davis. Schnitt: Zach Staenberg. Schnitt-Assistenz: Ed Fuller, Craig Alpert,

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David Birrell. Ton: David Lee. Supervising Sound Editors: Dane A. Davis, Julia Evershade. Sound Effects Designers: Richard Adrian, Michael Edward Johnson, Andrew Lackey. Production Design: Owen Paterson. Art Direction: Hugh Bateup, Jules Cook, Mark W. Mansbridge, Catherine Mansill, Charlie Revai. Set Decoration: Ronald R. Reiss. Costume Design: Kym Barrett. Make-up Artists: Steve E. Anderson, Kris Ravetto. Key Hair Stylist: Miia Kovero. Special Effects Supervisor: Steve Courtley. Visual Effects Supervisor: John Gaeta. Choreografie: Yuen Woo-Ping. Casting: Mali Finn. Darsteller/innen: Keanu Reeves (Thomas A. Anderson / Neo), Laurence Fishburne (Morpheus), Carrie-Anne Moss (Trinity), Hugo Weaving (Agent Smith), Mary Alice (The Oracle), Monica Bellucci (Persephone), Daniel Bernhardt (Agent Johnson), Nona M. Gaye (Zee), Ian Bliss (Bane), Lachy Hulme (Sparks), Nathaniel Lees

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Mifune), Harry J. Lennix (Lock), Matt McColm (Agent Thompson), Collin Chou (Seraph), Harold Perrineau Jr. (Link), Jada Pinkett Smith (Niobe), Bernard White (Rama-Kandra), Lambert Wilson (Merovingian), Genevieve O'Reilly (Officer Wirtz); Adrian Rayment, Neil Rayment (Twins); Clayton Watson (The Kid), Hugh Mason (Driver), Bruce Spence (Trainman), Anthony Wong (Ghost). Ungenannt: Kathryn Jenkins (Hel Club Trainee Pony-Girl), Deborah Roach (Hel Club Patron), Nicole Roberts (Hel Club Slave), Craig Walker (Hel Club Pony-Girl Trainer), Cassandra Williams (Bubble Girl), Jessica Wynands (Hel Club Pony Girl). Format: 35 mm (1:2,35), Farbe (Technicolor), Dolby Digital. Länge: 129 Min. Drehorte: Alameda, Oakland (Kalifornien, USA); Sydney (Australien). US-Kinostart: 5. November 2003. Dt. Kinostart: 6. November

2003.

Bibliografie Bücher: (dt.:) Larry Wachowski / Andy Wachowski u.a.: THE MATRIX. Nürnberg: Burgschmiet 2000. - Christof Wolf: Zwischen Illusion und Wirklichkeit. Wachowskis MATRIX als filmische Auseinandersetzung mit der digitalen Welt. Beiträge zur Medienästhetik und Mediengeschichte 14. Münster: LIT 2002.- Franz Bludorf / Grazyna Fosar: Fehler in der Matrix. Leben Sie nur, oder wissen Sie schon? Pelting: Michaels-Verlag 2003 - Karen Haber (Hg.): Das Geheimnis der Matrix. München: Heyne 2003. Morpheus: MATRIX-Code. Fichtenau: Amadeus 2003. (engl.:) Spencer Lamm/Andy Wachowski (Hg.): The Art of THE MATRIX. New York: Newmarket Press 2000. -Denis Alexander: Rebuilding the Matrix. Science and Faith in the 21st Century. Oxford: Lion 2002-William Irwin (Hg.): THE MATRIX and Philosophy. Welcome to the Desert of the Real. Popular Culture and Philosophy, Bd. 3. Chicago: Open Court 2002. - Larry Wachowski / Andy Wachowski: THE MATRIX. The Shooting Script. Mit einer Einführung von William Gibson. Newmarket Shooting Script Series. New York: Newmarket Press 2002. - P. Condon: THE MATRIX Unlocked. London: Contender 2003 - Anna Dawson: Studying THE MATRIX. Leighton Buzzard: Auteur 2003. Karen Haber (Hg.): Exploring THE MATRIX. Visions of the Cyber Present. New York: St. Martin's Press 2003. -Jake Horsley: MATRIX Warrior. Being the One. London: Gollancz 2003. - Peter B. Lloyd: Exegesis of THE MATRIX. London: WholeBeing Books 2003. - Michael Marriott: The MATRIX Cultural Revolution. How Deep Does the Rabbit Hole Go? New York: Thunder's Mouth Press 2003. - Chris Seay / Greg Garrett: The Gospel Reloaded. Exploring Faith and Spirituality in THE MATRIX. Colorado Springs: Piñon Press 2003. - Glenn Yeffeth (Hg.): Taking the

Red Pill. Science, Philosophy and Religion in THE MATRIX. Dallas: BenBella 2003.

Zu den einzelnen Filmen: THE MATRIX

Kritiken: (dt.:) Jan Distelmeyer, epd Film, Juni 1999, S. 37-38. -Mathias Heybrock, Filmbulletin, Juni 1999, S. 41-42. - Jörg Stodolka, Splatting Image, Juni 1999, S. 57. - Oliver Rahayel, film-dienst, 8.6.1999, S. 28-29. - Karl-Heinz Schäfer, Rheinischer Merkur, 11.6.1999. - Ralph Geisenhanslüke, Der Tagesspiegel, 16.6.1999. - Heike Kühn, Frankfurter Rundschau, 16.6.1999. - Hanns-Georg Rodek, Die Welt, 16.6.1999. - Ronald Bluhm, Berliner Morgenpost, 17.6.1999. - Gunter Göckenjan, Berliner Zeitung, 17.6.1999. - Götz Hamann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.6.1999. Christian Jürgens, Die Zeit, 17.6.1999. Thomas Klein, die tageszeitung, 17.6.1999.Thomas Klingenmaier, Stuttgarter Zeitung, 17.6.1999. - Doro Scholz, Neues Deutschland, 17.6.1999. - Verena Veihl, Märkische Allgemeine Zeitung, 17.6.1999. - Ariane Heimbach, Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 18.6.1999. - Roland Huschke, Die Woche, 18.6.1999. -Anke Sterneborg, Süddeutsche Zeitung, 18.6.1999. - Brigitte Desalm, Kölner Stadt-Anzeiger, 19.6.1999. - Tilman Baumgärtel, Freitag, 25.6.1999. (engl.:) Chandra Palermo, Cinescape, 1.3.1999, S. 52-60. - Kenneth Türan, Los Angeles Times, 31.3.1999. Todd McCarthy, Variety, 29.3.1999, S. 67, 74. - Dennis Lim, Village Voice, 7.4.1999. - Lisa Schwarzbaum, Entertainment Weekly, 9.4.1999, S. 45-46. - Richard Corliss, Time Magazine, 19.4.1999. - Peter Travers, Rolling Stone, 29.4.1999, S. 76. Harvey O'Brien, Film Ireland, Juni/Juli 1999, S. 39. - Dan John, Total Film, Juli 1999, S. 80. - Ian Nathan, Empire, Juli 1999, S. 17. - Philip Strick, Sight & Sound, Juli 1999, S. 46-47. - Marc Bernardin,

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Entertainment Weekly, 24.9.1999. S. 149. (fr.:) O.A., Sequences, Mai/Juni 1999. S. 51-53. - Yannick Dahan, Positif, Juli/Aug. S. 138-139. -E.B., Cahiers du Cinéma, Juli/Aug. 1999, S. 79. - Olivier Varlet, Jeune Cinéma, Sept./Okt. 1999, S. 42-43. Weitere Texte: (dt.:) Franz Everschor: Cyberpunk und Jedi-Ritter. Spiegelbilder einer verunsicherten Welt. In: film-dienst, 22.6.1999, S. 46-49. - Bernd Graff: Das Subjekt flattert. MATRIX: eine Tagung zum Wettlauf von Film und Philosophie. In: Süddeutsche Zeitung, 2.11.1999. - Carl Hegemann: MATRIX oder Gibt es eine digitale Erlösung? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.11.1999. - Charles Martig: Populäre Metaphysik. Hollywoods sechster Sinn. In: film-dienst, 21.12.1999, S. 811. — Boris Groys: Die Verfilmung der Philosophie. In: Der Schnitt, Jan. 2000, S. 22-23 (Auszug aus einem Vortrag beim Symposium »Inside THE MATRIX« am ZKM Karlsruhe). - O.A.: Philosophie der Matrix. In: Der Schnitt, Jan. 2000, S. 16 (kurzer Bericht über das Symposium »Inside THE MATRIX« am ZKM Karlsruhe). Peter Sloterdijk: Die kybernetische Ironie. In: Der Schnitt, Jan. 2000, S. 17 (Auszug aus einem Vortrag beim Symposium »Inside THE MATRIX« am ZKM Karlsruhe). Alexandra Stäheli: Retrofuturismus: Vorwärts in die Vergangenheit. In: Film, Jan. S. 10-11. - Slavoj Zizek: Die zwei Seiten der Perversion. In: Der Schnitt, Jan. 2000, S. 18-21 (Auszug aus einem Vortrag beim Symposium »Inside THE MATRIX« am ZKM Karlsruhe). - Horst Peter Koll: MATRIX. In: Thomas Koebner (Hg.): Filmklassiker, Bd. 4. 1982-2002. Reclam: Stuttgart 2002, S. 528-532.-Josef Schnelle: Wirklichkeit hinter scheinbar Realem. In: film-dienst, 29.1.2002, S. 15-18. Elisabeth Bronfen: Erlöserfiguren ungewöhnlicher Art. GATTACA und MATRIX im Vergleich. Vortrag an der Universität Tübingen, Juli 2002. http://www.bronfen.info/writing/archive/texts/2002_07_matrix. html. (engl.:) Ron Magid: Techno Babel. In: American Cinematographer, April 1999, S. 46-55. - Christopher Probst: Welcome

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to the Machine. In: American Cinematographer, April 1999, S. 32-44. - Rebecca Ascher-Walsh: Reality Bytes. In: Entertainment Weekly. 9.4.1999, S. 26-32. - Nisha Gopalan: Come Fly with Me. In: Premiere, Mai 1999, S. 50-51. -Andrew Essex: MATRIX Mania. In: Entertainment Weekly, 14.5.1999, S. 40-41.-Kim Newman: Rubber Reality. In: Sight & Sound, Juni 1999, S. 8-9. - Kevin H. Martin: Jacking into THE MATRIX. In: Cinefex, Okt. 1999, S. 66-89. - Jamie Clarke: Space Invaders. Speculations on the Politics of Postmodern Space in Recent Science Fiction Films. In: CineAction, Feb. 2000, S. 1016. - Russell J.A. Kilbourn: Re-Writing »Reality«. Reading THE MATRIX. In: Canadian Journal of Film Studies, Herbst 2000, S. 43-54 (mit Bibliografie). - James L. Ford: Buddhism, Christianity, and THE MATRIX. The Dialectic of Myth-Making in Contemporary Cinema. In: The Journal of Religion and Film, Okt. 2000. (fr.:) Kent Jones: Hollywood et la saga du numérique. A propos de MATRIX et de LA MENACE FANTOME. In: Cahiers du Cinéma, Juli/ Aug. 1999, S. 36-39. - Thierry Jousse: Sur quelques contes interactifs. In: Cahiers du Cinéma, März 2000, S. 62-63. THE MATRIX RELOADED

Kritiken: (dt.:) jk, Moviestar, April 2003, S. 68-69. - Rupert Koppold, Stuttgarter Zeitung, 17.5.2003. - Robin Detje, Berliner Zeitung, 21.5.2003.-Jan Distelmeyer, die tageszeitung, 21.5.2003. - Ralph Geisenhanslüke, Der Tagesspiegel, 21.5.2003. - Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung, 21.5.2003. - Heike Kühn, Frankfurter Rundschau, 21.5.2003. - Roland Huschke, tip, 22.5.2003, S. 50-52. - Ders., Berliner Morgenpost, 22.5.2003. - Michael Kohler, Berliner Zeitung, 22.5.2003. - Holger Kreitling, Die Welt, 22.5.2003. - Katja Nicodemus, Die Zeit 22.5.2003. - Frank Olbert, Kölner Stadt-Anzeiger, 22.5.2003. Andreas Platthaus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.5.2003. - Alexander Soyez, Der Tagesspiegel, 22.5.2003.-Andreas Busche, epd Film, Juni 2003, S. 41-

42. - Scott Orlin, Cinema, Juni 2003, S. 87-88. - Bodo Traber, Splatting Image, Juni 2003, S. 68. - Thomas Binotto, filmdienst, 3.6.2003, S. 20-21. (engl.:) Kirk Honeycutt, The Hollywood Reporter, 8.5.2003. - Roger Ebert, Chicago SunTimes, 14.5.2003. - J. Hoberman, Village Voice, 14.5.2003. - Kenneth Turan, Los Angeles Times, 14.5.2003. - Stephen Hunter, The Washington Post, 15.5.2003. Peter Bradshaw, The Guardian, 16.5.2003. - Michael O'Sullivan, The Washington Post, 16.5.2003. - Richard Schickel, Time Magazine, 19.5.2003. - Owen Gleiberman, Entertainment Weekly, 23.5.2003, S. 52-53. - Philip French, The Observer, 25.5.2003. - Chris Hewitt, Empire, Juni 2003. - Glenn Kenny, Premiere, Juni 2003. - Peter Travers, Rolling Stone, 12.6.2003, S. 101. - Philip Strick, Sight & Sound, Juli 2003. (fr.:) Erwan Higuinen, Cahiers du Cinéma, Juni 2003. Weitere Texte: (dt.:) Michael Peinkofer: MATRIX RELOADED. Der Kampf gegen die Maschinen geht weiter. In: Moviestar, März 2003, S. 20-24. - Markus Tschiedert: »Wir haben etwas ganz Spezielles geschaffen.« Ein Interview mit Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Hugo Weaving, Joel Silver. In: Moviestar, April 2003, S. 70-72. - Heiko Rosner: MATRIX RELOADED & REVOLUTIONS. In: Cinema, Mai 2003, S. 26-36 (Titelstory). - Dietmar Dath / Peter Körte / Claudius Seidl / Harald Staun: Die Matrix der MATRIX. In: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.5.2003.-cof: Sonderzug nach MATRIX. In: Der Tagesspiegel, 20.5.2003. - Charles Martig: Folge dem weißen Kaninchen. Wenn Cyberpunk zur Unterhaltung wird. Das MATRIX-Universum. In: film-dienst, 20.5.2003, S. 8-9. Fritz Göttler: Der Idee nach. Lesetipps zur MATRIX 2. In: Süddeutsche Zeitung, 21.5.2003. - O.A.: Fans stürmen die Kinos zur langen Nacht der MATRIX. In: Die Welt, 22.5.2003. - Henner Lavall: Willkommen in der MATRIX. Heute startet der Film. Tricks kommen zum Teil aus Berlin. In: Die Welt, 22.5.2003. - Marcus Theurer: Für Raubkopierer ist MATRIX schon ein

alter Hut. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.5.2003. - Mario Scalla: Romanze in Bits und Bytes. Emotionales Upgrade. In: Freitag, 23.5.2003. - Christoph Spehr: Das Leben nach dem Tod in der MATRIX. Cyberpunk im Kino. In: epd Film, Juni 2003, S. 16-19. - Meike Winnemuth: Die Wurzeln der MATRIX. In: Cinema, Juni 2003, S. 91-94. - Franz Everschor: Neos Auferstehung. THE MATRIX RELOADED zwischen Martial Arts und Metaphysik. In: film-dienst, 3.6.2003, S. 48-49. (engl.:) Jess Cagle: THE MATRIX Reloads. In: Time Magazine, 13.5.2002. - Daniel Fierman: Caught in THE MATRIX. In: Entertainment Weekly, 18.4.2003, S. 26-30. - Mark Salisbury: Rage against the Machines. In: Premiere, Mai 2003, S. 44-52, 97. - Steve Silberman: MATRIX2. In: Wired, Mai 2003, S. 112-121. - Josh Burek: The Gospel According to Neo. In: The Christian Science Monitor, 9.5.2003. - Cathleen Falsani: MATRIX Spawns Surprisingly Serious Religious Debates. In: Chicago Sun-Times, 15.5.2003. - Daniel Fierman: The Neo Wave. In Entertainment Weekly, 16.5.2003, S. 24-31. - Joshua Rich / Rebecca Isenberg: MATRIX Rules. In: Entertainment Weekly, 30.5.2003, S. 8-9. - Simon Gray: Rebooting a Sci-Fi Spectacular. In: American Cinematographer, Juni 2003, S. 32-45. Ders.: Simulated Cinema. THE MATRIX RELOADED Employs Virtual-Reality Techniques To Create the Impossible from the Real. In: American Cinematographer, Juni 2003, S. 46-57. - Daniel Fierman: It Sequel. In: Entertainment Weekly, 28.6.2002, S. 26-31. - Mark Salisbury: Locked and Reloaded. In: Premiere, Jan. 2003, S. 6062.

Enter the Matrix (Videospiel) Lösungsbücher: (dt.:) Enter the Matrix Lösungsbuch. Planegg: Koch Media 2003. (engl.:) Doug Walsh: Enter the Matrix Official Strategy Guide. Indianapolis: Brady Games 2003. Kritiken: (dt.:) O.A., Cinema, Mai 2003, S. 36. - Gernot Graff, Süddeutsche Zeitung, 21.5.2003. - Burckhard Riering, Die

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Welt, 22.5.2003. - Gernot Gricksch, Cinema, Juni 2003, S. 96. (engl.:) Chris Taylor, Time Magazine, 12.5.2003. ANIMATRIX

Kritiken: (dt.:) Jörg Gerle, film-dienst, 20.5.2003, S. 10-11. (engl.:) Marc Bernardin, Entertainment Weekly, 6.6.2003. - Tasha Robinson, SciFi Weekly, 9.6.2003. - Gavin Edwards, Rolling Stone, 12.6.2003, S. 106. - Hank Yuloff, Film Monthly, 22.6.2003.

THE MATRIX REVOLUTIONS

Vorabberichte: (dt.:) Armin Lenz: MATRIX REVOLUTIONS Preview. In: Widescreen, Okt. 2003, S. 24-29. - jk.: MATRIX REVOLUTIONS. Ist das Ende der Matrix auch das Ende der Menscheit? In: Moviestar Nov. 2003, S. 26-33. - Karl Eo / Florian Peuler / Dennis Dehmel: MATRIX REVOLUTIONS. In: Cinema, Nov. 2003, S. 2836. - Jürgen Fröhlich: MATRIX Inside. In: Widescreen, Nov. 2003, S. 28-35. (engl.:) David Kushner: Thumb Candy. In: Rolling Stone, 16.10.2003, S. 66.

Internet: (Stand. Oktober 2003] http://knowthematrix.com (Website, die mit einfachen Worten und Beispielen das MATRIX-Prinzip erklärt, gut für Anfänger geeignet). http://t-h-e-m-a-t-r-i-x.de (deutsche Fanseite mit schönen Fotos und einer vertieften Analyse des MATRIX-Zahlencodes). http://whatisthematrix.warnerbros.com (offizielle und mehrsprachige Website von Warner Brothers mit umfangreichem Material. Trailer in verschiedenen Auflösungen, virtual reality environments, Bilder, Interviews. Die Seite enthält eine Sammlung hochkarätiger philosophischer Texte zum Phänomen MATRIX. Unter den Autoren sind beispielsweise James Pryor und Michael McKenna). http://www.angelfire.com/film/aust/matrixl.htm (australische Website mit Hintergrundinformationen zu Produktionsgeschichte und Dreharbeiten von THE MATRIX). http://www.enterthematrixgame.com (offizielle Website zum PC/Konsolenspiel). http://www.inside-the-matrix.de (eine der wenigen deutschen Fanseiten. Nicht so umfangreich wie die amerikanischen, dafür mit angeschlossenem Forum. Recht gute Basisinfomationen zu den Filmen).

339

http://www.intothematrix.com (offizielle ANIMATRIX-Website mit vier Episoden zum kostenfreien Download. Außerdem Interviews, Abbildungen und Informationen zum Konzept von ANIMATRIX). http://www.matrixfansite.com (sehr ambitionierte Fanseite mit eigener FlashIntro, aber wenig Interessantes. Augenfreundliche Schwarz-auf-WeißSchrift statt dem üblichen Grün-Weiß auf Schwarz). http://www.matrixfans.net (umfassende Fanseite mit gut recherchierten Fakten zu den Filmen, viel Bildmaterial sowie Links zu Memorabilia). http://matrix.morrisonfilm.com (obwohl mit »News and Rumors« untertitelt, hält diese Seite nicht, was sie verspricht. Immerhin erfährt man die Bezugsquellen der MATRIX-Sonnenbrillen). http://www.matrixreloaded.com (Forum mit Schwerpunkt auf THE MATRIX RELOADED. Exzessiver Gedankenaustausch - auf Englisch - über sämtliche Aspekte des MATRIX-Universums). http://www.matrix-revisited.de (vielleicht die beste deutsche Fanseite, die sich mit Spekulationen zurückhält, sich dafür mehr am Film selbst orientiert. Sehr interessante Goof- und EffekteAbteilung).

http://www.matrix-revolution.de (deutsche Fansite mit großem Angebot an Fanartikeln, aber wenig Informationen). http://www.matrixunloaded.com (keine Website von MATRIX-Gegnern, sondern eine zum Thema Memorabilia mit angeschlossenem Forum). http://www.matrix-xp.com (parodistische Amateurfilmseite, die sich hemmungslos und mit beeindruckendem Ergebnis aus dem Fundus des MATRIX-Universums bedient). http://www.pointlesswasteoftime.com/ matrix2/matrix2info.html (50 Grün-

de, sich THE MATRIX RELOADED nicht anzusehen). http://www.theanimatrix.de (offizielle deutsche Website mit Inhaltsangaben und Forum). http://www.the-animatrix.de.vu (sorgfältig gestaltete deutschsprachige Seite zu den ANIMATRIX-Episoden mit ausführlichen Inhaltsangaben. Darüber hinaus kaum Material). http://www.thelastfreecity.com (eine der informativsten und facettenreichsten Fanseiten mit Forum, Interviews und dem größten Online-Pressearchiv mit über 1000 Texten).

Fotonachweis Abbildungen zu THE MATRIX, THE MATRIX RELOADED, THE MATRIX REVOLUTIONS und ANIMATRIX: DVD-Prints THE MATRIX (Village Roadshow Films [BVI] Limited / Warner Home Video GmbH): 9, 75, 79, 97, 117, 190-191, 193, 199, 201, 208209, 213, 245, 251, 265, 278, 280-281, 284-285; DVD-Prints THE MATRIX RELOADED (Village Roadshow Films [BVI] Limited / Warner Bros. Entertainment Ine.): 122, 127, 136; DVD-Prints ANIMATRIX (Village Roadshow Films [BVI] Limited / Warner Home Video, an AOL Time Warner Company): 152, 158-159, 162, 167; Warner Bros. Pictures Germany: 277, 290291, 295, 299, 301, 303, 307. Weitere Abbildungen: Ace Books: 37, links; ACE Charter: 37, rechts; Adams, Eddie: 153; Archiv des Verlages: 26, 34, 57, 225, 227; Aunch, Rolf / Wolfgang Jacobsen / Gabriele Jatho: Künstliche Menschen. Manische Maschinen - Kontrollierte Körper. Berlin 2000 (Filmmuseum Berlin / Jovis): 61, 100; Babbage Press: 39, rechts; Columbia Tristar / Zitty Archiv: 65; Concorde /

Zitty Archiv: 179; DVD-Print 2001- A SPACE ODYSSEY (Warner Bros.): 21; DVDPrint LITTLE BUDDHA (Miramax Home Entertainment): 52; DVD-Print POINT BREAK (Twentieth Century Fox Home Video): 53; epd Film / Constantin: 49; Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung / Archiv des Verlages: 125; Geffen Records / Nirvana: 103; Giesen, Rolf/ Claudia Meglin: Künstliche Welten. Tricks, Special Effects und Computeranimation im Film von den Anfängen bis heute. Hamburg / Wien, 2000 (Europa Verlag): 177; I Books: 39, links, Menville, Douglas / R. Reginald: Things to Come. An Illustrated History of the Science-Fiction-Film. New York 1977 (NYT Times Books): 109, 248; Paasch, Holger: Digital Narratives: der Einfluss neuer Bilder auf den Spielfilm. Koblenz 2000 (Privatdruck): 187; Schnelle, Frank: Ridley Scott's BLADE RUNNER. Stuttgart 1997 (Verlag Uwe Wiedleroither): 16, 233; Steadycam: 223. © Photographs: original copyright holders

340

Index A ABYSS, THE 145 Adams, Scott 108 Adamson, Andrew 173 Adorno, Theodor W 229, 272 Aeon Flux (TV-Serie) 169 AGAINST RASCALS WITH KUNG FU 54 A.I. 267 AKIRA 182 AKTE JANE, DIE 304 Alice 244, 250, 258 Alice hinter den Spiegeln (Lewis Carroll) 156, 189 Alice im Wunderland (Lewis Carroll) 74, 75, 77, 121, 166, 197, 300 Alice, Mary 312 ALIEN 20, 25, 42, 266 ALIEN RESURRECTION 20 ALIEN3 52 ALIEN-Serie 7,8, 1 7 , 4 3 , 6 3 , 3 0 4 Alighieri, Dante 274 All Tomorrows Parties (Velvet Underground) 321 All Tomorrows Parties (William Gibson) 321 Allen, Woody 194 ALPHAVILLE 26, 27, 61, 193, 247, 255 Also sprach Zarathustra (Friedrich Nietzsche) 103, 141, 252, 253, 275, 289 AMERICAN BEAUTY 317 American Psycho (Bret Easton Ellis) 129 Anderson, Paul WS. 57 ANGEL EXTERMINADOR, EL 222 ANIMATRIX 58, 121, 124, 145, 146, 148, 160, 161, 167, 170,203,324 ANIMATRIX: BEYOND 163 ANIMATRIX: DETECTIVE STORY 165,

167 ANIMATRIX: FINAL FLIGHT OF THE OSIRIS 146, 148, 158, 160, 167, 171, 180,280 ANIMATRIX: KID'S STORY 76, 155, 161, 162, 170,304

341

ANIMATRIX:ATRICULATED 167, 168, 170 ANIMATRIX: PROGRAM 86, 157, 158 ANIMATRIX: THE SECOND RENAISSANCE 38, 93, 124, 148,

151, 153, 155, 163, 170,203,213, 216 ANIMATRIX: WORLD RECORD 160, 163, 261 Antonioni, Michelangelo 42 Apollo 198 APRILE 30 ARCADE 26 Arias, Michael 145 Asimov, Isaac 60, 149-151 ASSASSINS 47 Auster, Paul 165 AVALON 62

B Back to the Future - The Ride (Themenpark) 145 Badham, John 25, 249 Baird, Stuart 174 Baker, Roy Ward 73 Band, Charles 23 Banderas, Antonio 47 Barker, Clive 47 Barrett, Kym 200 Barry, John 228 Barthes, Roland 14, 144 Barwick, Daniel 316 BATMAN 44 BATMAN & ROBIN 48 Batman (Bill Finger / Bob Kane) 106, 199 Batman / Digital Justice (Pepe Moreno) 108 BATMAN-Serie 193 Baudrillard, Jean 9, 13, 197, 261, 320, 324 Bay, Michael 182 Bear, Greg 39, 43 Beat Takeshi (Takeshi Kitano) 66

Bellucci, Monica 138 BEN HUR 122 Bergman, Ingmar 235 Bergson, Henri 197, 325 BERLIN - DIE SINFONIE DER GROSSSTADT 188 Berlusconi, Silvio 207, 217 Berman, Ted 178 Bertolucci, Bernardo 51 Besson, Luc 194 Bibel 11, 79, 122, 140, 252, 273-276, 289 Big Brother (TV-Serie) 222 Bigelow, Kathryn 51, 66 Bin Laden, Osama 107 BLADE 106 BLADE RUNNER 7, 8, 15, 42-45, 57, 76, 105, 194, 231-234, 245, 264 BLAIR WITCH PROJECT, THE 111, 114 Blair, Tony 220 Blood Music (Greg Bear) 39, 40 BLUE SUBMARINE NO 6 148, 155 Bont, Jan de 51, 181 Bonaparte, Napoleon 74 Borg, Die 235 Borshukov, George 118 BOUND 48-51 Bowie, David 34 BRAINSCAN 62 BRAINSTORM 62, 63 BREAKFAST OF CHAMPIONS 87 BREED, THE 194 BRIGADOON 29 Broderick, Matthew 25 Bronfen, Elisabeth 115 BUFFALO 66 185 Bunuel, Luis 222 Burbank, Truman 267 'BURBS, THE 223 Burton, Tim 11 Bush, George W 101, 104, 205, 207, 217, 220

C Calvin & Hobbes (Bill Watterson) 174 Cameron, James 43, 45, 46, 63, 145 Cammell, Donald 25 Campbell, Joseph 11

Candide, oder Der Optimismus (Voltaire) 235, 272 Candy, John 31 Caro, Marc 183, 193 Carpenter, John 57, 225, 226, 292 Carrey, Jim 30 Carroll, Lewis 273 CASINO 228 Castle, Nick 175 CATS &DOGS 180 CELL, THE 197, 221 Cervantes, Miguel 232 Chan, Jackie 55 Chandler, Raymond 165, 320 Charisse, Cyd 30 CHARLIE'S ANGELS 173 CHINESE GHOST STORY, A 190 CHINESE GHOST STORY-Serie 53, 54 Chirico, Giorgio de 131 Chomsky, Noam 204 Christie, Agatha 221 Chuang-tzu 11, 246 Chung, Peter 167, 169 Cimino, Michael 42 CITE DES ENFANTS PERDUS, LA 183, 193 Cobain, Kurt 102 Cocteau, Jean 250 Coen, Ethan 11, 50 Coen, Joel 11, 50 Cohen, Rob 180 COLOSSUS - THE FORBIN PROJECT 204 Columbus, Chris 43 Compton, David G. 64 COMPUTER LOVE 25 Conan (Robert E. Howard) 34 CONTACT 57, 62, 326 Cooper, Gary 121 Corbucci, Sergio 94 Cowboy Bebop (TV-Serie) 155 Crichton, Michael 194 Cronenberg, David 62, 73 CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON 52, 173 CSI: Crime Scene Investigation (TV-Serie) 174 CUBE 197, 221 CYBER WORLD 26

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D Dahl, Ole-Johan 262 Dante, Joe 223 DAREDEVIL 44 DARK CITY 62, 192 DARK SPECIES - DIE ANDEREN 194 Darrow, Geof 48, 198 Data 235, 267 Deckard (BLADE RUNNER] 231-233, 264, 265 Deleuze, Gilles 264, 266 DELIRIOUS 31 Demeter 134 DeMille, Cecil B. 121, 296 DEMON SEED 25 Depp, Johnny 51 DES TEUFELS SAAT 25 Descartes, Rene 17,231-234,254, 264 DESTRY RIDES AGAIN 121 Detje, Robin 141 Deutschland sucht den Superstar (TV-Show) 245 Dick, Philip K. 8, 11, 35, 60, 105, 173,203,219,220,229,231-233, 264, 292 Dilbert (Scott Adams) 108, 204, 213, 320 Diogenes 46 Dionysos 198 Disney, Walt 101, 175, 177, 178 DJANGO 94 Do Androids Dream of Electric Sheep? (Philip K. Dick) 231 Don Quichote 231-233, 235 Donald Duck 230 Donen, Stanley 228 Donner, Richard 47 Dornröschen 96, 138, 317 Douglas, Kirk 249 Douglas, Michael 224 DRAGONHEART 180 DREAMCATCHER 146 3 ENGEL FÜR CHARLIE 173 Dschuang Dsi (Chuang-tzu) 11, 287 DUNE 317 Dylan, Bob 33, 38, 40, 41, 50, 207

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E.T. - THE EXTRA-TERRESTRIAL 11 Eastwood, Clint 174 EASY RIDER 41 Ebert, Roger 14, 49 Eclipse (John Shirley) 40, 226 Ectokid (dive Barker) 47 Edelstein, David 145 Egoyan, Atom 234 Eisner, Will 199 Elektrische Krokodil, Das (David G. Compton) 64 Ellis, BretEaston 129 Ellison, Harlan 73 EMBRYO DES BÖSEN 73 Emmerich, Roland 45 Empire (Antonio Negri / Michael Hardt) 104 Enter the Matrix (Computerspiel) 124, 137, 148, 170-172, 185,301, 312 EQUILIBRIUM 173 ESCAPE FROM NEW YORK 57,105, 194 Escher, M.C. 133 Eurydike 77 EVILSPEAK 25 EXISTENZ 62

F FAHRENHEIT 451 247, 297 FALLING DOWN 224 FANTASTIC VOYAGE 90 FARGO 50 Fassbinder, Rainer Werner 60, 61 Fei-Hung, Wong 55 Fellini, Federico 242 Fellman, Dan 311 FIFTH ELEMENT, THE 194 Figgis, Mike 110 FIGHT CLUB 62, 244, 317 FINAL FANTASY: THE SPIRITS WITHIN 146, 180 Fincher, David 52, 62, 244 Fishburne, Laurence 51, 56, 231 Five, Johnny 249 Flash, The (Gardner Fox) 200 Fleischer, Richard 80, 90 Flynn, John 62

Foster, Gloria 132, 312 Foster, Jodie 62 FOX AND THE HOUND, THE 178 Frankenstein (Mary Shelley) 21, 40, 63 Frege, Gottlob 255 Freud, Sigmund 11, 74, 96, 268 FROM HELL 109 Fuller, Richard Buckminster 317 FÜNFTE ELEMENT, DAS 194 FUTUREWORLD 194 Futurologische Kongress, Der (Stanislaw Lern] 64

G G.I. JANE 304 Gaeta, John 117, 182-184 Gallo, Vincent 185 Galouye, Daniel F. 60, 64 Garner, James 226 GATTACA 22, 63 GEFÄHRLICHE BRANDUNG 51 GEFESSELT 48-51 GENERATION X 107 Gershon, Gina 49, 50 GHOST IN THE SHELL 182 Gibson, William 11, 35, 59, 60, 64, 99, 100, 197,273,291,318,320,321 Giger, H.R. 257 Gilliam, Terry 48 Gillis, Peter Beno 108 Glamorama (Bret Easton Ellis) 129 Glaser, Paul Michael 248 Godard, Jean-Luc 26, 27, 42, 61, 193, 235, 247 Gödel, Kurt 259 Godzilla 17 Goetze, Michael 108 Gordon, Stuart 23 Göttliche Komödie, Die (Dante Alighieri) 274 Greco, El (Domenikos Theotocopoulos) 161, 162 Greenaway, Peter 234 GROSSE BLUFF, DER 121 GROUNDHOG DAY 317 Grays, Boris 10, 115 Grundgesetze der Arithmetik (Gottlob Frege) 255 Guterman, Lawrence 180

H Haber, Karen 198 HACKERS 66 Hanks, Tom 223 Hardt, Michael 104 Harrison, Harry 151 HARRY POTTER 43 Harry Potter (Joanne K. Rowling) 28 HEAVEN'S GATE 42 Heffron, Richard T. 194 Heidegger, Martin 115, 132, 262, 263 HEISSKALTE NACHTE 26 HELD DER PRÄRIE, DER 121 Helgeland, Brian 47 Helios 134 Hero with a Thousand Faces, The (Joseph Campbell) 11 Herr der Ringe, Der (J.R.R. Tolkien) 34 HERR DER RINGE-Serie 116, 311 HEXENKESSEL 41 Hitchcock, Alfred 188, 236 Hitler, Adolf 250 Hodges, Mike 25 HOME ALONE 316 Homer 273 HOMEWRECKER 25 Honko, Lauri 143 Hooper, Tobe 224 Hopper, Dennis 41 Hoven, Adrian 61 Howard, Ron 181 Hsia-Tien, Yuen 54 Hughes, Albert 109 Hughes, Allen 109 HULK 15,44, 56, 195, 202 Hume, David 236-240, 243 Huston, John 165 Huyler, Stafford 108 Hyams, Peter 7

I / Have No Mouth and I Must Scream (Harlan Ellison) 73 I HAVE NO MOUTH BUT I MUST SCREAM 73 Ice-T 66 I-Ging / Das Buch der Wandlungen 288

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IN THE COLD OF THE NIGHT 26 INDEPENDENCE DAY 45 IRON MONKEY 52

J JACK ALLEIN IM SERIENWAHN 31 Jackson, Peter 43, 116, 311 JAHR 2022 ... DIE ÜBERLEBEN WOLLEN 80 James Bond 229 JAWS 42 Jefferson Airplane 319 Jenson, Vicky 173 Jesus 82, 140, 273, 275, 276, 279, 301 Jeunet, Jean-Pierre 20, 183, 193 Jobbs, Steve 178 Johannes der Täufer 82,135 JOHNNY MNEMOMIC 51,64-66 Johnson, Van 30 Jones, Andy 146 Jousse, Thierry 326 Joyce, James 101 JURASSIC PARK 43, 178

K Kafka, Franz 98, 298 Kant, Immanuel 106, 123, 234, 240246, 249, 250, 252-255, 261, 265 Karina, Anna 255 Karl der Große 133 Kasdan, Lawrence 146 Kawajiri, Yoshiaki 157,160 Kelly, Gene 30 Kennedy, John F. 35 KEVIN - ALLEIN ZU HAUS 316 Kier, Udo 66 KILL BILL 52, 311 KILLER IM KOPF, DER 25 King Hu 54 King, Stephen 62, 146, 248 Kitano, Takeshi 66 KLAPPERSCHLANGE, DIE 57, 105, 194 Knigge, Andreas C. 108 Koike, Takeshi 160 Königin von Saba 17 Kraftwerk 34 Kritik der reinen Vernunft (Immanuel Kant) 246,247,252

345

Küblböck, Daniel 103 Kubrick, Stanley 7, 20, 150, 183, 190, 191, 249, 250, 309, 314, 326 Kühn, Heike 122 Kunitake, Tani 48 Kwan Ching Lian 54 Kyberiade (Stanislaw Lern) 124

L LaBute, Neil 31 Lacan, Jacques 78, 269 Ladd,Alan 121 Lang, Fritz 20, 122, 188, 202 LaoTse 286 LARA CROFT TOMB RAIDER: THE CRADLE OF LIFE 181 LARA CROFT: TOMB RAIDER 57, 179-181 Lasseter, John 178 LAST HERO IN CHINA 52 LAST STARFIGHTER, THE 175 LAST TEMPTATION OF CHRIST, THE 82 LAWNMOWER MAN, THE 26, 62 Lee, Ang 15, 44, 52, 53, 56, 173, 195, 202 Lee, Bruce 54 Lee, Stan 106 Leibniz, Gottfried Wilhelm 235-240, 243, 254 Lern, Stanislaw 7, 11, 64, 96, 124, 150, 216, 269 LEMMY CAUTION GEGEN ALPHA 60 26, 27, 61, 193, 247, 255 Leonard, Brett 26, 62 Leto 137 Levinson, Barry 228 Li, Jet 55 Libreri, Kim 118 Lichtenberg, Georg Christoph 232-234 Lindquist, Mark 103 Linklater, Richard 62 Lisberger, Steven 60, LITTLE BUDDHA 51 Little Nemo (Winsor McCay) 70, 199 Loas (William Gibson) 291 Logik der Forschung (Karl Popper) 156 Longo, Robert 51, 64, 66

LORD OF THE RINGS, THE 43, 116 LORD OF THE RINGS-Serie 116, 311 LORD OF THE RINGS: THE TWO TOWERS, THE 180 Löwitsch, Klaus 61 Lucas, George 8, 42, 58, 111, 116, 144, 183,317 Luhrmann, Baz 200 Lundgren, Dolph 66 Lynch, David 200,234,317

M Maciste 17 MAD MAX-Serie 126,198 Madonna 29 Maeda, Mahiro 148, 155 Magnus, Robot-Fighter (Comic) 294 MALTESE FALCON, THE 165 Mankiewicz, Tom 31 Mann, Anthony 252 Manser, Warren 48 Manufacture of Consent, The (Noam Chomsky) 204 Marcuse, Herbert 59 Maria Magdalena 82 Marshall, George 121 Marx Brothers 132 Marx, Karl 59 Mason, Andrew 319 Mastorakis, Nico 27 Matrix {Club) 319 Matrix and Philosophy: Welcome to the Desert of the Real, The (William Irwin) 14 McCay, Winsor 70 McGinty Nichol, Joseph 173 MEAN STREETS 41 Mechs, Die 38 MEIN GROSSER FREUND SHANE 121 MEINE TEUFLISCHEN NACHBARN 223 Meister Shusan 283 MEN IN BLACK 52, 289 Mendes, Sam 317 METROPOLIS 20, 122, 188, 210 METROPOLIS (2001) 190 Miller, Frank 106 Milton, John 274 Minkhoff, Rob 180 Minnelli, Vincente 29 MINORITY REPORT 173

Mister X (Dean Motter) 51, 192, 199, 203 Mona Lisa Overdrive (William Gibson) 197 Monty (Jim Meddick) 174 Moorcock, Michael 35 Moore, Julianne 47 Moreno, Pepe 108 Moretti, Nanni 30 Morimoto, Kouji 163 Morpheus (griechischer Gott des Schlafes) 77 Moss , Carrie-Anne 51, 55, 56 Mostow, Jonathan 45 Motter, Dean 192, 199 MULHOLLAND DRIVE 317 MUMIE, DIE 182 MUMMY, THE 182 Murdoch, Rupert 207 Murnau, Friedrich Wilhelm 187 Murray, Bill 318 Myers, Michael 249 Myrick, Daniel 111

N Natali, Vincenzo 197, 221 Nebukadnezar 123 Negri, Antonio 104 NEMESIS 174 NetBoy (Stafford Huyler) 108 Neuromancer (William Gibson) 35, 36, 59, 68, 70, 99, 100, 101, 114, 120, 197, 318, 320 Newton, Isaac 188 Niblo, Fred 122 Niccol, Andrew 22, 317 NICHT AUFLEGEN! 222 Nicodemus, Katja 33 Nietzsche, Friedrich 11, 17, 103, 115, 141, 191,252,253,255, 262, 265 , 275, 282, 289, 291, 318, 323, 324 NIGHTMARE ON ELM STREET 3: DREAM WARRIORS, A 224 1984 (George Orwell) 70, 76, 105, 212, 229 Niobe (Königin von Theben) 137 Nirvana 102 NIRVANA 57, 62, 66

346

Noah 264 Norrington, Stephen 106 NUMMER 5 LEBT! 249 NURSE BETTY 223, 31 Nygaard, Kristen 262

O Oblowitz, Michael 194 Offene Gesellschaft und ihre Feinde, Die (Karl Popper) 156 ONCE UPON A TIME IN CHINA 158 ONCE UPON A TIME IN CHINA-Serie 55 ORPHEE 250 Orpheus 77 Orwell, George 76, 77, 98, 105, 229, 267 Oshii, Mamoru 62, 182 Other Side of the Road, The (Wim Wenders/Audi) 173 Ötomo, Katsuhiro 182

P Pacino, Al 317 Pansa, Sancho 235 Pantoliano, Joe 50 Paulus 94, 96 PEARL HARBOR 182 Peckinpah, Sam 252 Penultimate Truth, The (Philip K. Dick) 219 Perry Rhodan (Karl Herbert Scheer) 27 Persephone (Göttin der Unterwelt) 134 Peter Pan (James Matthew Barrie) 17 PHANTASTISCHE REISE, DIE 90 PHANTOM 187 PHONE BOOTH 222 Pinkett Smith, Jada 137, 171 Pinocchio (Carlo Collodi) 267 PLAINSMAN, THE 121 Plastic Man, The (Drehbuch der Wachowskis) 47 Plato 11, 14, 17,27,246,247, 264, 269 PLEASANTVILLE 30

347

Pocahontas 170 POINT BREAK 51 Pokémon (Satoshi Tajiri) 28 POLTERGEIST 224 Popper, Karl 156, 170 PROJEKT BRAINSTORM 62, 63 Prophecy Deliverance (Cornel West) 204 Proyas, Alex 62, 192 PSYCHO 236 Pyun, Albert 26

R Race Matters (Cornel West) 204 Rage against the Machine 214 Raimi, Sam 44 RAINING IN THE MOUNTAIN 54 Ramis, Harold 317 RASENMÄHERMANN, DER 26, 62 Raumpatrouille Orion (TV-Serie) 20 Reed, Lou 194 Reeves, Bill 178 Reeves, Keanu 51, 56, 64, 81, 102, 135,307,312 REGEN IN DEN BERGEN 54 Reise nach Dari, Eine (Ian Wallace) 20 RESIDENT EVIL 57 Rich, Richard 178 Rin Tarô 191 ROAD TO PERDITION 109 ROBOCOP 26, 266 ROBOT JOX 23, 304 ROBOTIC ANGEL 190 Robot-Imperium (Michael Goetze) 108 Rollins, Henry 66 Rudolph, Alan 87 Runaround (Isaac Asimov) 150 RUNNING MAN 248 Rusnak, Josef 62 Russell, Chuck 224 Ruttmann, Walter 188 Ryan, John P. 50 Ryder, Winona 102

S Sade, Marquis de 137 Saenz, Michael 108 Sakaguchi, Hironobu 146, 180 Sakakibara, Moto 146, 180 Salvatores, Gabriele 57, 62 Sánchez, Eduardo 1 1 1 Sargent, Joseph 204 Sartre, Jean-Paul 272 SATURN 3 228 Scalla, Mario 60 Schill, Hans 104 Schismatrix (Bruce Sterling) 38 SCHLITZAUGE, HALT DIE OHREN STEIF 54 Schopenhauer, Arthur 11, 103, 243, 244 Schuchardt, Read Mercer 58 Schumacher, Joel 48, 222, 224 SCHWARZEN TIGER VON HONGKONG, DIE 158 Schwarzenegger, Arnold 8, 29, 248, 249 Scorsese, Martin 41, 82, 190, 191, 228, 263 Scott, Ridley 7, 20, 304 Seaton, George 226 36 STUNDEN 226 Segal, George 25 Shakespeare, William 273 SHANE 121 Shapers 38 Shatter (Michael Saenz / Peter Beno Gillis) 108 Shaw, Run Me 53 Shaw, Run Run 53 Shirley, John 40, 226 Sholder, Jack 107 SHORT CIRCUIT 249 SHREK 173 Siddharta Gautama 279, 301 SIE LEBEN] 225, 292 Siegel, Don 119 Silver, Joel 47, 56, 112, 135, 146, 148, 314,315 SIMONE 317 Simpsons, The (TV-Serie) 8 Simulacra & Simulation (Jean Baudrillard) 9, 70 Simulacron 3 (Daniel F. Galouye) 60, 64

Singer, Bryan 44, 107 Singh, Tarsem 197, 221 Sin-Tung, Ching 53, 54, 190 Sisyphos 292 Skroce, Steve 48 Sloterdijk, Peter 115, 262 Soderbergh, Steven 7, 62 Softley, Iain 66 Sokrates 198 SOLARIS (1971) 7, 62, 245, 326 SOLARIS (2002] 62 Sommers, Stephen 182 SOYLENT GREEN 80 Spade, Sam 165 SPARTACUS 249 SPEED 51 Speedy Gonzales (Friz Freleng) 200 Spehr, Christoph 100 Spence, Bruce 298 SPIDER-MAN 44, 108, 195 Spider-Man (Stan Lee / Steve Ditko) 106, 107, 202 Spielberg, Steven 11, 12, 14, 42, 43, 47, 111, 116, 173, 178, 180, 224, 267, 321 Spinrad, Norman 33 Spirit, The (Will Eisner) 199 STADT DER VERLORENEN KINDER, DIE 183, 193 STAG 221 Stallone, Sylvester 47 Star Trek (TV-Serie) 27, 235, 245, 267 STAR WARS: EPISODE I - THE PHANTOM MENACE 8, 58, 144 STAR WARS-Serie 7, 8, 10, 14, 20, 23, 42, 44, 58, 116, 139, 144, 177, 183, 203 Steel Crocodile, The (David G. Compton) 64 Sterling, Bruce 35, 38 Stevens, Art 178 Stevens, George 93, 121 Stewart, James 121, 252 STRANGE DAYS 66, 105, 194, 317 STUART LITTLE 180 Sukowa, Barbara 66 SUPERMAN 44 Superman (Jerry Siegel / Joe Shuster) 106, 199, 266, 267 SWORDSMAN 54

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T Taking the Red Pill. Science, Philosophy and Religion in the Matrix (Glenn Yeffeth) 14 Tarantino, Quentin 52,311 Tarkowskij, Andrej 7, 62 TERMINAL MAN, THE 25 TERMINATOR 23, 42; 266 TERMINATOR 2: JUDGEMENT DAY 43, 44,63, 177 TERMINATOR 3: RISE OF THE MACHINES 45, 63, 130, 195 TERMINATOR-Serie 7, 8, 17, 19, 26, 63, 76, 124, 128, 168, 289 TEUFELSSCHREI, DER 25 Theweleit, Klaus 104 THEY LIVE 225, 292 THIRTEENTH FLOOR, THE 62 36 HOURS 226 THX 1138 317 TIGER & DRAGON 52,173 Tillich, Paul 270 Tilly, Jennifer 49 TIMECODE 110 TITANIC 45 TOD EINER STRIPPERIN 221 Tom & Jerry [William Hanna / Joseph Barbara) 95 TOY STORY 177, 178, 180 TRANCERS 23 TRON 26, 60, 98, 99, 101, 175 Truffaut, Francois 247, 297 TRUMAN SHOW, THE 22, 30, 194, 212, 224, 267 Trumbull, Douglas 62, 145, 182 Tsui Hark 54, 55, 158 TWELVE MONKEYS 48, 247 Twilight Zone, The (TV-Serie) 161 2001: A SPACE ODYSSEY 7, 8, 20, 21, 25, 150, 183,250,326,309,314 2010: THE YEAR WE MAKE CONTACT 7

U Ulysses (James Joyce) 101 UND TÄGLICH GRÜSST DAS MURMELTIER 317

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V (TV-Serie) 226 Valis (Philip K. Dick) 292 VAMPIRE HUNTER D: BLOODLUST 157 Velvet Underground 321 Verdi, Giuseppe 24 Verne, Jules 70 VERNETZT - JOHNNY MNEMONIC 51, 64-66 VERTIGO 188, 236 VIDEODROME 62, 105 Virilio, Paul 102 VIRTUOSITY 62 Voltaire 235, 272 von Trier, Lars 45 Vor dem Gesetz (Franz Kafka) 298 Voyage to Dari, A (Ian Wallace) 20

W Wachowski, Andy & Larry 10, 13, 27, 41, 46-48, 50, 52, 53, 56, 58, 76, 81,82,98, 106, 115-118, 136, 137, 144, 145, 148, 169, 172, 197, 202, 204, 214, 231, 241, 244, 250, 263, 275 ,2 87 ,296 ,300 ,315 WAG THE DOG 228 Wagenknecht, Sahra 103 WAKING LIFE 62 Wallace, Ian 20 Walton, Fred 25 WAR GAMES 25 War with the Robots (Harry Harrison) 151 Warhol, Andy 116 Watanabe, Shinichirö 155, 165 Watchmen (Alan Moore) 106 Weaving, Hugo 51, 52, 56 Weir, Peter 22, 30 WEISSE HAI, DER 42 Wekhrlin, Wilhelm Ludwig 269 Wells, H.G. 241 Welt als Wille und Vorstellung, Die (Arthur Schopenhauer) 244 WELT AM DRAHT 60-63,114 Wenders, Wim 173 Wertow, Dsiga 188, 193 West, Cornel 204 West, Simon 57

Weston, Eric 25 WESTWORLD 194 WICKED CITY-Serie 157 Wilding, Gavin 221 WILLOW 181 Wimmer, Kurt 173 WIZARD OF OZ, THE 28 Wong, Anthony 171 Woo, John 54 Woo-Ping, Yuen 52-56, 173, 197 WÜRGEENGEL, DER 222 WÜSTENPLANET, DER 317 Wyler, William 122

X X-Files, The 203, 226 X-MEN 44, 107, 108, 203 X Men, The (Stan Lee / Jack Kirby) 107

Z ZAUBERER VON OZ, DER 28

Zehn Jahre nach dem Blitz (Philip K Dick) 219 Zelazny, Roger 11 Zellweger, Renée 31 Zemeckis, Robert 57 Zeus 134 Zizek, Slavo] 32, 269 ZWEI DRESCHFLEGEL SCHLAGEN ALLES KURZ UND KLEIN 54 2001 - ODDYSEE IM WELTRAUM 7 , 8 , 2 0 , 2 1 , 2 5 , 150, 183,250, 326, 309, 314 2010 - DAS JAHR, IN DEM WIR KONTAKT AUFNEHMEN 7

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