Die Kanzler und die Medien: Acht Portrats von Adenauer bis Merkel 3593382148, 9783593382142 [PDF]


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German Pages 325 [326] Year 2007

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Table of contents :
Die Kanzler und Die Medien (Campus Verlag, 2007)......Page 1
Inhalt......Page 6
Vorwort......Page 10
Danksagung......Page 13
Einleitung......Page 14
Die behauptete Amerikanisierung......Page 22
Die Mediendemokratie: Ein Modell für Deutschland?......Page 24
Die Modernisierung der Kanzlerdemokratie......Page 29
Politische Public Relations......Page 33
Alles Propaganda?......Page 36
Die Methoden der politischen PR und ihre Wirkung......Page 39
»Auf den Kanzler kommt es an«......Page 46
Konrad Adenauer (1949–1963)......Page 49
Große Gestaltungsspielräume und ein schwieriger Anfang......Page 50
Auf persönliche Weisung gegründet: das Bundespresseamt......Page 53
Das Netzwerk von Otto Lenz......Page 55
Die organisatorischen Defizite der CDU......Page 59
Homestories, »Teegespräche« und »Public Diplomacy«......Page 60
Der Mythos Adenauer und die Personalisierung des Politischen......Page 68
Außenpolitik als emotionales Medienereignis......Page 72
Süchtig nach Umfrageergebnissen......Page 75
»… weil man mit dem Fernsehen wirklich an die Menschen herankommt«......Page 76
Interview mit Klaus-Otto Skibowski......Page 80
Die Kanzler des Übergangs: Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger (1963–1969)......Page 95
Schon als Regierender Bürgermeister ein Medienstar......Page 101
Die SPD zwischen Weimar und der »Neuen Mitte«......Page 102
Cabrio Parade und Acceptance Speech......Page 105
Ein Kanzler ganz nach dem »Hollywood-Prinzip«?......Page 108
Die neue Fernsehwirklichkeit......Page 114
Kompetenz neben der Verwaltungshierarchie......Page 119
Die Genossen und die Berater......Page 121
Von der Berliner Mauer zum Nobelpreis......Page 123
Interview mit Klaus Harpprecht......Page 127
Helmut Schmidt (1974–1982)......Page 135
Schmidt und die Berater......Page 139
Anti-Image als Image......Page 141
Der erste »Telekanzler« Deutschlands......Page 144
Interview mit Klaus Bölling......Page 149
Helmut Kohl (1982–1998)......Page 158
Gravitationszentren der Kanzler-PR......Page 159
Der »Pate« und die Partei......Page 163
Kommerzialisierungstendenzen der Polit-PR......Page 164
Tollpatsch und »Talkmeister«: die zwei Mediengesichter Kohls......Page 168
Von Bitburg nach Berlin: Kohls außenpolitische Reputation......Page 174
Auf dem Boulevard des Privatfernsehens......Page 176
Freunde fürs Medium: Kohl und die Berater......Page 182
Interview mit Dr. Eduard Ackermann......Page 185
Interview mit Andreas Fritzenkötter......Page 204
Gerhard Schröder (1998–2005)......Page 222
»Schröder ist eigentlich sein eigener und bester Regierungssprecher« (Klaus Bölling)......Page 224
Der Medienkanzler »tickt« im Rhythmus der Medien......Page 228
Die SPD in den Neunzigern: Zwischen »Betriebsrat der Nation« und »Neuer Mitte«......Page 235
Schröders »Glotze«: Der Medienkanzler und das Fernsehen......Page 240
Gerhard Schröder: Ein politisches Chamäleon......Page 245
Außenpolitik als Ventil fürs Wählergemüt......Page 249
Schröders Metamorphose: Vom »Medienkanzler« zum vermeintlichen »Medienopfer«......Page 252
Interview mit Uwe-Karsten Heye......Page 256
Angela Merkel – Ein Ausblick......Page 263
Merkels Medienimage: Antiheldin oder kühle Strategin?......Page 264
»Angie, Angie, when will those clouds all disappear?« – Der Wahlkampf 2005 und Angela Merkels Inszenierung der Nicht-Inszenierung......Page 269
Merkels Girls and Boys: Die entscheidenden Berater hinter der neuen Kanzlerin......Page 273
Interview mit Ulrich Wilhelm......Page 278
Schluss......Page 285
Anmerkungen......Page 296
Literatur......Page 308
Personenregister......Page 322
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 3593382148, 9783593382142 [PDF]

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Zitiervorschau

Die Kanzler und die Medien

Lars A. Rosumek, studierte in Leipzig Geschichte, Journalistik und Theaterwissenschaft und arbeitet als freier Publizist und Medienberater.

Lars Rosumek

Die Kanzler und die Medien Acht Porträts von Adenauer bis Merkel

Mit einem Vorwort von Gerd Langguth und Interviews mit Eduard Ackermann, Klaus Bölling, Andreas Fritzenkötter, Klaus Harpprecht, Uwe Karsten Heye, Klaus-Otto Skibowski und Ulrich Wilhelm

Campus Verlag Frankfurt/New York

Zugunsten besserer Lesbarkeit wurde im Text auf einen Großteil der ursprünglich aufgebotenen Nachweise und Literaturhinweise verzichtet. Es werden in der Regel nur noch unmittelbare Textund Zitatbelege aufgeführt. Im Literaturverzeichnis findet sich dagegen alle für dieses Werk verwendete Literatur. In den in diesem Band versammelten Interviews stehen Auslassungspunkte für Sprechpausen, Gedankensprünge etc. und Auslassungspunkte in eckigen Klammern für Kürzungen von Anekdotischem und Nebensächlichkeiten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-593-38214-2 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Copyright © 2007 Campus Verlag GmbH, Frankfurt/Main Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Umschlagmotiv: © ullstein bild – Zapf Satz: Campus Verlag Druck und Bindung: PRISMA Verlagsdruckerei Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

Inhalt

Vorwort von Gerd Langguth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 Die behauptete Amerikanisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 Die Mediendemokratie: Ein Modell für Deutschland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 Die Modernisierung der Kanzlerdemokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

Politische Public Relations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Alles Propaganda? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Die Methoden der politischen PR und ihre Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 »Auf den Kanzler kommt es an« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Konrad Adenauer (1949–1963) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Große Gestaltungsspielräume und ein schwieriger Anfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Auf persönliche Weisung Adenauers gegründet: das Bundespresseamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Das Netzwerk von Otto Lenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Die organisatorischen Defizite der CDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Homestories, Teegespräche und »Public Diplomacy« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Der Mythos Adenauer und die Personalisierung des Politischen . . . . . . . . . . . 67 Außenpolitik als emotionales Medienereignis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Süchtig nach Umfrageergebnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 »…weil man mit dem Fernsehen wirklich an die Menschen herankommt« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Interview mit Klaus-Otto Skibowski . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

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D IE K ANZLER UND DIE M EDIEN

Die Kanzler des Übergangs: Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger (1963–1969) . . . . . . . . . . . . . . . . . 94

Willy Brandt (1969–1974) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Schon als Regierender Bürgermeister ein Medienstar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 Die SPD zwischen Weimar und der »Neuen Mitte« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Cabrio Parade und Acceptance Speech . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 Ein Kanzler ganz nach dem »Hollywood-Prinzip«? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Die neue Fernsehwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Kompetenz neben der Verwaltungshierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 Die Genossen und die Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Von der Berliner Mauer zum Nobelpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Interview mit Klaus Harpprecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

Helmut Schmidt (1974–1982) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Schmidt und die Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Anti-Image als Image . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Internationale Diplomatie ohne Glamour-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Der erste »Telekanzler« Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 Interview mit Klaus Bölling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

Helmut Kohl (1982–1998) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Gravitationszentren der Kanzler-PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 Der »Pate« und die Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Kommerzialisierungstendenzen der Polit-PR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Tollpatsch und »Talkmeister«: die zwei Mediengesichter Kohls . . . . . . . . . . . 167 Von Bitburg nach Berlin: Kohls außenpolitische Reputation . . . . . . . . . . . . . . 173 Auf dem Boulevard des Privatfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 Freunde fürs Medium: Kohl und die Berater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Interview mit Eduard Ackermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Interview mit Andreas Fritzenkötter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203

Gerhard Schröder (1998–2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 »Sein eigener und bester Regierungssprecher« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Der Medienkanzler »tickt« im Rhythmus der Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Die SPD zwischen »Betriebsrat der Nation« und »Neuer Mitte« . . . . . . . . . . 234 Schröders »Glotze« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 Ein politisches Chamäleon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

I NHALT

7

Außenpolitik als Ventil fürs Wählergemüt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 Vom »Medienkanzler« zum vermeintlichen »Medienopfer« . . . . . . . . . . . . . . . 251 Interview mit Uwe-Karsten Heye . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

Angela Merkel – ein Ausblick (ab 2005) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 Merkels Medienimage: Antiheldin oder kühle Strategin? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 »Angie, Angie, when will those clouds all disappear?« – Der Wahlkampf 2005 und Angela Merkels Inszenierung der Nicht-Inszenierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Merkels Girls and Boys: Die entscheidenden Berater hinter der neuen Kanzlerin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 Interview mit Ulrich Wilhelm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277

Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321

Vorwort

»Auf den Kanzler kommt es an!« Dieser Wahlkampfslogan für Kurt Georg Kiesinger im Jahre 1969 bringt das Verfassungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland in einem Satz auf den Punkt: Die deutschen Kanzler sind der jeweilige Kristallisationsfaktor der Macht, selbst in einer großen Koalition. Sie verkörpern durch ihr Amt, aber auch durch ihre Person, ihr Charisma und ihr persönliches Prestige die »Raison d’État«. Zwar gibt es nach Artikel 65 des Grundgesetzes nicht nur die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers; auch das Kollegialprinzip der Bundesregierung wie auch das Recht eines jeden Ministers, seinen Verantwortungsbereich selbstständig zu leiten, sind hier festgeschrieben. Die verfassungsrechtlich starke Stellung der deutschen Kanzler ist auch im internationalen Vergleich von nicht unerheblichem Gewicht. Der Politikwissenschaftler Karlheinz Niclauß hält weiterhin an dem Begriff der »Kanzlerdemokratie« fest, weil die Personalisierung, ohne die Politik nicht auskommt, nicht nur von den Politikern selbst und ihren Managern betrieben wird, sondern auch den Erwartungen und Bedürfnissen der Wähler entspricht. Seit den Gründerjahren der jungen Republik beruht diese »Kanzlerdemokratie« aber nicht nur auf der verfassungsrechtlichen Stellung des Regierungschefs und seiner Richtlinienkompetenz, sondern auch in starkem Maße auf der Medienpräsenz der Bundeskanzler. Viele Kommentatoren, auch aus der Politikwissenschaft, verbreiten, erst die Wahlkämpfe der Gegenwart seien in Deutschland »amerikanisiert«, worunter zumeist ein stark personenbezogener Wahlkampf verstanden wird. Der Autor dieses Buchs bietet mit Hilfe eines Streifzugs durch sechzig Jahre Geschichte der Bundesrepublik einen interessanten und zugleich anderen Zugang zu diesem erst in den letzten Jahren stark in den Blickpunkt geratenen Aspekt der »Mediatisierung« in einer

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KanzlerdemokratÍe. Lars Rosumek gelingt es nämlich, anhand unzähliger, überraschend modern anmutender Beispiele aufzuzeigen, dass alle Bundeskanzler – von Adenauer bis Merkel – »Medienkanzler« waren. Im übrigen lässt sich die Adaption amerikanischer Public-RelationsStrategien bis in die frühen fünfziger Jahre zurückverfolgen. Der durchaus mutig gewählte Wurf, den Begriff der »Medienkanzlerschaft« bereits in der Ära Adenauer zu verorten, stellt sich im Verlauf des Buches als stimmige These heraus, deren Berechtigung ein hohes Maß an Evidenz besitzt. Dieses Bild wird noch facettenreicher, wenn Rosumek auf den Fundus seiner Zeitzeugeninterviews zurückgreift und die Aussagen von Regierungssprechern und Kanzlerberatern in Beziehung zur Forschungsliteratur setzt. Es gelingt dem Autor, neben einer persönlichen Annäherung an die deutschen Kanzler auch eine Beziehung zwischen ihrer Öffentlichkeitsarbeit und dem Typus der Volkspartei herzustellen, der charakteristisch für moderne Demokratien westlicher Prägung ist. Das Werben um Vertrauen und Zustimmung bei den unterschiedlichen Schichten und Milieus, die immer schwerer zu kategorisieren sind und immer stärker verschwimmen, gehört seit Gründung der CDU als erster großer europäischer Volkspartei zum Handwerkszeug der deutschen Bundeskanzler. Lars Rosumek zeigt auf, wie sich in den sechziger Jahren schließlich auch die SPD zur Volkspartei wandelt und mit ihrem mediengewandten Kandidaten Willy Brandt immer stärker auf Methoden moderner politischer PR zurückgreifen muss, um neue Wählerschichten zu erreichen. Das eigentlich Neue der »Berliner Mediendemokratie« unter Schröder und seit neuestem auch Angela Merkel – dies kann die Arbeit eben erst durch ihre bewusst gewählte, historische Dimension aufdecken – ist die Inszenierung der Inszenierung. Die Aura des Professionellen, die sich vor allem Gerhard Schröder, aber auch Angela Merkel durch eine bewusste Offenlegung der Inszenierungsstrategien geben, markiert den eigentlichen Wandel politischer Kommunikation. Während noch bei Adenauer oder Brandt die Inszenierung möglichst »authentisch« wirken sollte, wird heute die Qualität politischer Kommunikation an der demonstrativen Präsentation ihres professionellen Managements gemessen. Lars Rosumek bringt durch seine stimulierende These einen neuen Impuls in die erst beginnende historische Erforschung der politischen

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V ORWORT

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Öffentlichkeitsarbeit der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Professor Dr. Gerd Langguth, Staatssekretär a. D. Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie, Universität Bonn Bonn, im August 2006

Danksagung

Ich möchte all jenen danken, die einen Beitrag dazu geleistet haben, dass dieses Buch erscheinen konnte. Danken möchte ich insbesondere meinen Interviewpartnern, die sich Zeit für ein Gespräch mit mir genommen haben. Ich bedanke mich hierfür herzlich bei Eduard Ackermann, Klaus Bölling, Andreas Fritzenkötter, Klaus Harpprecht, Uwe-Karsten Heye, Klaus-Otto Skibowski und Ulrich Wilhelm, sowie den Mitarbeitern des Bundespresseamtes. Danken möchte ich meinen akademischen Lehrern der Universität zu Leipzig. Ich danke den Betreuern der ursprünglich vorgelegten Arbeit Thomas Schaarschmidt, sowie Harald Rau, der über die gemeinsame Arbeit zu einem Freund wurde. Mein Dank gilt Manfred Piwinger, der bereits während meiner Studienzeit ein wertvoller Gesprächspartner wurde, und mir den Zugang zu vielen Themen erschlossen hat, die mich heute beschäftigen. Meinen Eltern und Pia sage ich danke, weil sie auch in schwierigen Phasen nie aufgehört haben, an mich zu glauben. Ehrlichen Dank sage ich zu guter Letzt meiner Lektorin Judith Wilke-Primavesi und dem Campus Verlag für die beharrliche Geduld mit einem Autor, der Abgabetermine umso mehr verabscheut, je näher sie ihm kommen.

Einleitung »Die Tatsache, dass die öffentliche Meinung eine Grundgewalt ist, durch die in den menschlichen Gesellschaften die Erscheinung des Herrschens entsteht, ist so alt und wird so lange dauern, wie der Mensch selbst. Das Gesetz der öffentlichen Meinung ist das allgemeinste Gravitationsgesetz der politischen Geschichte. Man kann nicht gegen die öffentliche Meinung herrschen.« José Ortega y Gasset, Der Aufstand der Massen, S. 134

»Man kann nicht gegen die öffentliche Meinung herrschen.« Der große spanische Kulturphilosoph José Ortega y Gasset hat dieses Grundprinzip politischer Herrschaft am Beginn der europäischen Krise des 20. Jahrhunderts – im Morgenrot der aufziehenden faschistischen Bewegung in Italien, Deutschland und schließlich auch Spanien – in seinem heute noch lesenswerten Werk Der Aufstand der Massen beschrieben. Aber selbst autoritäre Regime können sich über kurz oder lang nicht der öffentlichen Meinung verschließen. Weil es nicht auf ewig gelingt, die öffentliche Meinung zu kontrollieren, konstituiert sie sich schließlich mit ihrer aufgestauten Urwucht auf den Straßen und Plätzen. Besonders die politischen Führer moderner Demokratien, in denen es einen freien Wettbewerb der politischen Kräfte gibt, brauchen für ihr Überleben einen Grundkonsens der öffentlichen Meinung. Die Öffentlichkeit in derartigen Gesellschaften verfügt über ein starkes Druckmittel, um sich Gehör zu verschaffen: Wer gegen die öffentliche Meinung regiert, wird abgewählt und durch einen wartenden Konkurrenten ersetzt. In Demokratien lässt sich die wankelmütige öffentliche Meinung deshalb wesentlich schwieriger beeinflussen als in autoritären Regimen. Sie konstituiert sich durch das System der Massenmedien. Die veröffentlichte Meinung ist die täglich pulsierende Projektionsfläche der Stimmungen und Befindlichkeiten in diesen offenen Gesellschaften. Deshalb versuchen politische Akteure in modernen Demokratien vor allem durch eine geschickte Vermittlung ihrer Positionen und Argumente in den Medien, Einfluss auf das öffentliche Stimmungsbild zu

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nehmen. Unterstützt werden sie hierbei durch professionelle Manager der öffentlichen Meinung, die sie bei ihrer Präsentation beraten und die als Informationsmakler die tägliche Schnittstelle zwischen politischem und medialem System darstellen. Weil die politischen Akteure in Demokratien anders als in Diktaturen stark auf Stimmungen achten müssen, sind sie auf die Kompetenzen politischer Öffentlichkeitsarbeit angewiesen. Politische PR und Demokratie sind letztlich zwei Seiten einer Medaille: Nur in Demokratien, in denen es einen permanenten Wettstreit vieler Positionen, Meinungen und Argumente in einer freien, vielfältigen Medienlandschaft gibt, ist politische Öffentlichkeitsarbeit notwendig, um die Gunst der Wähler zu gewinnen. In Deutschland hat sich eine Tradition moderner politischer PR erst seit 1949 entwickeln können. In der Weimarer Republik artikulierten sich Meinungen noch in Straßen- und Saalschlachten. Ein Grundkonsens über die Verfassung des Staates existierte nicht, die Medienlandschaft bestand vor allem aus der klassischen »Gesinnungspresse«, die von einem politisch festgelegten Stammpublikum lebte, so dass eine nach ökonomischen Gesichtspunkten strukturierte Konkurrenzsituation, wie wir sie heute kennen, nur bedingt vorhanden war. Während des Dritten Reiches beschränkte sich politische Kommunikation ausschließlich auf Propaganda. Meinungsvielfalt gab es nicht. Erst nach Ende des Zweiten Weltkriegs etablierten sich mit Hilfe der Westalliierten in der Bundesrepublik eine stabile Grundordnung, eine freie, vielfältige und konkurrierende Medienlandschaft sowie das moderne, plurale Parteiensystem. Besonders die Kanzler haben seit den Gründerjahren der Bundesrepublik eine besondere Beziehung zu Medien. Als die politischen Führer der Nation, die die Richtlinien der Politik bestimmen, sind sie die ersten, die den Kurs ihrer Kabinette gegenüber der öffentlichen Meinung rechfertigen müssen. Sie sind die medialen Ikonen, die sich täglich in den Massenmedien inszenieren und von Millionen Menschen wahrgenommen werden. Sie stehen unter permanenter Dauerbeobachtung und müssen alle Stimmungen im Lande in ihr Kalkül aufnehmen und aus den verschiedenen Einflüssen und Eindrücken eine Gesamtstrategie der medialen Politikvermittlung entwickeln. Die deutschen Kanzler sind seit jeher die Kristallisationsfiguren der Politikdarstellung in den Medien.

E INLEITUNG

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Vor diesem historischen Hintergrund überrascht die aktuelle Diskussion um Politik, Medien und Öffentlichkeitsarbeit. Stellvertretend für viele steht der Berlin-Korrespondent der Frankfurter Rundschau Richard Meng: »Gerhard Schröder ist der erste Kanzler, der sein Amt den Medien verdankt.«1 Meng fällt mit diesem kühnen Diktum nicht nur ein Urteil über den siebten Bundeskanzler, sondern zieht damit auch Bilanz über sechzig Jahre politische Geschichte der Bundesrepublik. Glaubt man Meng, dann spielten vor »Medienkanzler« Schröder die Massenmedien für die Kanzler nur eine untergeordnete Rolle. Er stellt das professionelle und routinierte Zusammenspiel zwischen Politikern, Journalisten und PR-Leuten als etwas völlig Neuartiges dar, das sich erst in der »Berliner Republik« unserer Tage etabliert hat. Mengs Position hat in der journalistischen Berichterstattung und in weiten Teilen der wissenschaftlichen Publizistik den Charakter eines unumstößlichen Allgemeinguts gewonnen. Die Kanzlerschaft Schröders – und vor allem die konsequent auf Medien bezogene Strategie, mit der der Niedersachse das Kanzleramt erobert hatte, gilt im Hinblick auf politische Medien- und Öffentlichkeitsarbeit als der große Urknall. Selbst zurückhaltende Geister sprechen von einer »zentrale Zäsur« in der politischen Geschichte der Bundesrepublik. Die wagemutigeren Kommentatoren scheuen sich nicht, gar vom »Systemwechsel« sprechen. Mit immer neuen Schlagworten wird – meist aufgeregt und getragen von einem kulturpessimistischen Grundtenor – versucht, dem Spannungsfeld zwischen Politik und Medien, Anpassung und Instrumentalisierung, einen griffigen Namen zu geben: Entertainisierung, Boulevardisierung, Emotionalisierung, Personalisierung, Professionalisierung, Kommerzialisierung, Mediatisierung, Zentralisierung, Eventisierung, Talkshowisierung, Entpolitisierung. Viele dieser Schlagworte klingen nicht nur hölzern, sondern umschreiben den gemeinten Sachverhalt auch holzschnittartig. Letztlich unterstellen sie alle in der einen oder anderen Weise, dass die Medien als Bühne politischer Inszenierung nie eine größere Bedeutung gehabt haben als heute. Das Vorbild für dieses scheinbar aus dem Nichts aufgetauchte Phänomen sehen die meisten Autoren in den Vereinigten Staaten. Die Diskussion über den Wandel politischer Öffentlichkeitsarbeit ist deshalb immer auch eine Diskussion über eine »Amerikanisierung« der politischen Kultur in Deutschland.

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Prüft man demgegenüber, auf welche Erkenntnisse sich die Diskussion stützt, sollten sich die Gemüter schnell wieder abkühlen. Eine derartige Prüfung muss ernüchtern: In der bisherigen Auseinandersetzung geht es in den allermeisten Fällen um Detailfragen – etwa des Wahlkampfmanagements –, die schwer zu verallgemeinern sind. Allgemeine und einordnende Beiträge fehlen. Das größte Manko ist der Mangel an historischen Langzeituntersuchungen: »Trotz einer inzwischen vorhandenen Forschungstradition … gibt es hierzulande bisher kaum Untersuchungen, die längerfristig den Veränderungen … nachgehen.«2 Es ist zwar häufig vom Wandel politischer Öffentlichkeitsarbeit die Rede. Eine Antwort auf die Frage, wann dieser Wandel historisch seinen Ursprung nimmt, bleibt jedoch aus. Die meisten Autoren arbeiten sich lediglich an den letzten zehn bis fünfzehn Jahren ab. Natürlicherweise erscheint in diesem kurzen Rückblick professionelle politische PR als ein neuartiges und »modernes« Phänomen. Aufhorchen sollten wir jedoch, wenn wir über verdächtig vertraute Formulierungen aus der Vergangenheit stolpern: Bereits 1978, also vor dreißig Jahren, zeichnete der Politikwissenschaftler Rolf Kienzle folgendes Bild: Personalisierung, Symbole statt Argumente, Auswahl der politischen Akteure aufgrund ihrer Medienwirkung, Loslösung von der politisch-inhaltlichen Ebene, stattdessen eine Diskussion über Stil und Verpackung von Kampagnen und Personen.3 Noch früher, 1973, stellte Maurice Duverger bereits eine Regression zu irrationalen und charismatischen Formen der Machtausübung als ein typisches Charakteristikum moderner, medial geprägter und technologisch hoch abstrakter Demokratien fest.4 Aus der Sicht der handelnden Generation erscheint grundsätzlich alles neu, modern und einzigartig, was Bestandteil des eigenen Erlebens ist. Diese Form der Wahrnehmung aus der eigenen, zeitgenössischen Wachheit heraus ist völlig normal. Die Deutschen tendieren jedoch über diese selbstverständliche »Jetzt-Perspektive« der Zeitgenossenschaft dazu, ein geschichtsloses Volk zu werden. Der Trend zur Geschichtslosigkeit lässt sich auch in anderen Demokratien westlicher Prägung beobachten, hat in Deutschland bedingt durch die nationalsozialistische Vergangenheit jedoch eine besondere Schärfe. Die Halbwertzeit eines historischen Ereignisses wird immer kürzer, das Fassungsvermögen des kollektiven historischen Gedächtnisses immer geringer. Was gestern

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noch relevant war, ist heute schon vergessen und wird durch etwas noch neueres Neues abgelöst. Möglicherweise ist dieser Trend zur Geschichtsvergessenheit ein Mitgrund dafür, warum der Diskussion um »Medienkanzler«, amerikanische Wahlkämpfe und Polit-PR bislang eine historische Fundierung fehlt. Bedauerlicherweise gilt dieses Manko auch für die politischen Führer der Bundesrepublik: Es gibt bis heute keine historische Darstellung, die sich mit der Öffentlichkeitsarbeit und Selbstinszenierung der Bundeskanzler systematisch beschäftigt. Dies verwundert umso mehr, da seit längerem bekannt ist, dass gerade die Bundeskanzler über eine »mediale Hegemonie« bei der Darstellung ihrer Politik verfügen, die in anderen Ländern (auch in den USA) in dieser Form nicht bekannt ist. Lediglich über die Beziehung zweier Kanzler zu den Medien – Konrad Adenauer5 und neuerdings Helmut Schmidt6 – finden sich fundierte Einzelstudien. Die Medienarbeit der beiden »Übergangskanzler« Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger ist praktisch bis heute ein »weißer Fleck« in den Bücherregalen und Bibliotheken. Vereinzelt finden sich jedoch bereits erste kritische Stimmen, die die These der »schönen, neuen Welt« in Zweifel ziehen. Der Politologie Frank Bösch wirft ein: »Schon die Wahlkämpfe von Adenauer und Brandt waren in hohem Maße auf die Spitzenkandidaten zugeschnitten und setzten nicht auf lange Wahlprogramme, sondern auf medial vermittelbare Emotionen. Beide öffneten ihre Privatsphäre für die Medien, orientierten sich an Umfragen und machten ihre moderne Wahlkampfführung selbst zum Thema.«7 Auch sein Kollege Ludger Helms mahnt eine historische Einordnung der Kanzlerschaft Schröders an: Ihm zufolge kann eine historisch orientierte Bestandsaufnahme kaum zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich bei Schröders bevorzugter Strategie der medialen Selbstdarstellung um eine beispiellose Erneuerung des politischen Stils in Deutschland handelt.8 Die neue Kanzlerin, Angela Merkel, die Deutschland als erste Frau seit Oktober 2005 regiert, verdeutlicht durch ihre professionellen und innovativen Ansätze politischer PR, dass das Attribut des »Medienkanzlers« keinesfalls exklusiv für Schröder reserviert ist. Kritische Beiträge in diese Richtung sind bisher allerdings die große Ausnahme. Ein Hindernis, mit dem jede Darstellung, die sich mit politischer Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt, umgehen muss, ist der stark einge-

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schränkte Zugang zu internen Quellen, zum Beispiel Briefings von Kommunikationsberatern, Kosten- und Aktionspläne und so weiter. In fast allen Fällen ist ein derartiger Zugang nicht möglich, da solche Informationen als streng vertraulich gelten. Volker Hetterich weist in seiner für dieses Buch wichtigen, historischen Zusammenschau der Polit-PR in Deutschland darauf hin, dass die Mehrzahl vertraulicher Dokumente über PR-Aktivitäten vermutlich ohnehin für die Nachwelt verloren ist, weil sie bei Abwahl einer Regierung meist vernichtet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Aktenbestände der parteinahen Stiftungen, die für ihre Archivierung zuständig sind, lückenlos sind, ist gering.9 Umso wertvoller waren deshalb intensive Gespräche mit Beratern und Regierungssprechern der Mächtigen. Als Gesprächspartner konnten der Regierungssprecher von Bundeskanzler Helmut Schmidt, Klaus Bölling, der unter Helmut Kohl für Kommunikation und Medienpolitik im Bundeskanzleramt zuständige Andreas Fritzenkötter, sein Vorgänger und stellvertretender Chef des Bundeskanzleramtes, Eduard Ackermann, sowie der Konrad Adenauer in Medienfragen beratende KlausOtto Skibowski gewonnen werden. Außerdem standen der erste Regierungssprecher Gerhard Schröders, Uwe-Karsten Heye, und der amtierende Regierungssprecher Angela Merkels, Ulrich Wilhelm, Rede und Antwort. Der Redenschreiber und Berater von Willy Brandt, Klaus Harpprecht, war ebenfalls zu einem Interview bereit. In diesem Buch möchte ich die besondere Beziehung, die sich seit 1949 zwischen den Bundeskanzlern und den Medien etabliert hat, skizzenhaft umreißen, um einen klaren Kontrapunkt gegen die weitläufige Meinung zu setzen, modernes Kommunikationsmanagement in der Politikvermittlung sei völlig neu in Deutschland. Es dürfte Sie durchaus verblüffen, wie modern zum Teil die Kampagnen der ersten Kanzler waren, wie viele Parallelen und Dubletten sich zu heutigen Diskussionen und Ansätzen finden lassen. Letztlich stellt dieses Buch die – möglicherweise ketzerische – Frage nach Modernität oder Historizität der besonders seit Schröder diskutierten Veränderungen der Selbstdarstellung von Politik. Die Tatsache, dass sich politische Öffentlichkeitsarbeit, ebenso wie die Rahmenbedingungen, unter denen sie stattfindet, in den letzten fünfzig Jahren verändert hat, kann freilich von niemandem geleugnet werden. Es geht also nicht darum, Fortschritte prinzipiell in Abrede zu stellen. Auch dies wäre letztlich eine a-historische, verkür-

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zende Argumentation. Vielmehr soll eine bislang auf eine kurze Phase konzentrierte Diskussion mit Hilfe einer historischen Perspektive relativiert und durch spannende, zum Teil in Vergessenheit geratene Ansätze früherer Kanzler präzisiert werden. Ich präsentiere die Öffentlichkeitsarbeit von Adenauer bis Merkel anhand einiger spannender Kriterien, die ganz konkret die lange und professionelle Tradition der Bundeskanzler-PR verdeutlichen. Sie finden in diesem Buch keine vollständige Übersicht aller PR-Aktivitäten der Bundeskanzler, und auch keinen Vergleich nach dem Motto: »Welcher Kanzler war der beste Kommunikator?« Die PR-Arbeit der Bundeskanzler miteinander zu vergleichen ist ein ausgesprochen kühnes Unterfangen, denn ein Vergleich ist immer nur nach dem »ceteris-paribus-Prinzip« möglich: also unter sonst gleichen Bedingungen. Solche gleichen Bedingungen gibt es im Labor, aber nicht in der Realität. Zum Beispiel war das Fernsehen zu Beginn der Ära Adenauer noch Nischenmedium, heute ist es Leitmedium der politischen Kommunikation. Wer sechzig Jahre politische Geschichte der Bundesrepublik zwischen zwei Buchdeckeln bannen will, der kann sich nur an wenigen, konstanten Faktoren festhalten. Wandel bedeutet in unserem Kontext einen vielfachen Wandel: Technischer Fortschritt, soziokulturelle und demographische Entwicklung, Bildungsniveau und Komplexitätsgrad von gesellschaftlichen Verflechtungen sind heute auf einem grundlegend anderen Stand als zur Zeit Konrad Adenauers. Politikvermittlung und Meinungsbildung finden nicht unter wiederholbaren, laborartigen Bedingungen statt, sondern »als integrale Bestandteile der jeweiligen politischen Ordnung und ihrer gesellschaftlichen Umwelt in einer konkreten historischen Situation.«10 Die hier herausgegriffenen Aspekte sind gewissermaßen die Leitplanken auf der Fahrt durch die Geschichte der Bundesrepublik. Sie scheinen in den einzelnen Kapiteln immer wieder hervor. Die Kriterien sind nicht willkürlich – etwa nach meinem Interesse oder nach Sensationsgehalt – ausgewählt worden: Gewählt wurden nur solche Kriterien, die allesamt in der aktuellen Forschung als Kennzeichen moderner politischer Öffentlichkeitsarbeit gelten. Die von den einschlägigen Experten immer wieder genannten Merkmale lassen sich im Wesentlichen auf den Kriterienkatalog des Nürnberger Kommunikations- und Politikwissenschaftlers Winfried Schulz zurückführen. Er beschreibt fünf Kernmerk-

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male der Amerikanisierung politischer Kommunikation in Deutschland, die er als besonders modern wertet:11 1. eine Professionalisierung der politischen Kommunikation, das heißt den zunehmenden Einsatz von Meinungsforschern, Medienberatern, Werbe- und PR-Agenturen in der Politikvermittlung, 2. ein aktives, medienbezogenes Ereignis- und Themenmanagement durch politische Parteien und Akteure, 3. eine zunehmende Bedeutung von Personen anstelle von Sachinformationen, 4. eine Emotionalisierung der politischen Kommunikation, 5. eine Verschärfung des Stils der politischen Auseinandersetzung, da die Parteien immer öfter die Methode des so genannten »Negative Campaigning«, also des konfrontativen Schuldzuweisens und Schlechtredens des Gegners, betreiben. Diese von Schulz herausgestellten fünf Merkmale sind grundlegend für die Amerikanisierungsdiskussion im Bereich der Polit-PR und werden von den meisten anderen Autoren und Experten in ähnlicher Form übernommen. Nach Durchsicht zahlreicher Quellen der Fachliteratur scheinen mir vor allem vier Hauptmerkmale des vermeintlichen Wandels politischer Öffentlichkeitsarbeit entscheidend: 1. eine immer stärkere Medienfixierung des politischen Systems verbunden mit einer Boulevardisierung von Politik durch vermehrte Auftritte von Politikern in Unterhaltungsformaten, 2. die immer größere Rolle der Berater und Agenturen und die Verlagerung der PR-Aufgaben weg von Parteifunktionären hin zu professionellen Politikvermittlern, 3. die immer größere Bedeutung von Personen statt Inhalten, 4. die Dominanz des Fernsehens in der Politikvermittlung. Diese Kernaspekte werden uns bei der Beschreibung der Beziehung der Kanzler zu den Medien immer wieder begegnen und begleiten. Die teilweise in Vergessenheit geratenen Beispiele, die ich hier zusammengetragen habe, zeigen, dass die vier Aspekte keineswegs »modern« im Sinne von neu sind, sondern seit den Gründerjahren der Bundesrepublik für jeden Kanzler maßgebend waren.

Die behauptete Amerikanisierung

Eine erste Annäherung an unser Thema bietet ein kurzer Flug über den Atlantik, der uns zur Generalthese des Wandels politischer PR führt: Der Amerikanisierung. Auch hier gilt es, Mythen zu entzaubern. Vorweggeschickt: Ja, es gibt so etwas wie eine Amerikanisierung der politischen Kommunikation in der Bundesrepublik. Diese »Amerikanisierung«, die allerdings viel eher als ein Abschauen der modernsten Kniffe daherkommt, ist allerdings viel älter, als die meisten Autoren und Kommentatoren uns glauben machen wollen. Die Amerikanisierungsdebatte1 war in Deutschland zu keiner Zeit ideologiefrei und ist es bis heute nicht. Besonders die Achtundsechziger prägten sie leidenschaftlich und überfrachteten den Begriff der Amerikanisierung mit Schlagworten wie dem vermeintlichen »Kulturimperialismus« der USA. Wer redlich argumentieren will, kann seit 1968 praktisch nicht mehr von Amerikanisierung sprechen, ohne sich dem Verdacht politischer Einseitigkeit auszusetzen. Die hohen, emotionalen Wellen, die die ohne Zweifel umstrittene Politik George W. Bushs seit dem 11. September und das Nein Gerhard Schröders zum Irakkrieg auslösten, zeigen, wie tief verwurzelt anti-amerikanische Ressentiments in Teilen der bundesrepublikanischen Gesellschaft sind. Der »gütige Hegemon«2, der in unseren Tagen in Selbstzweifel über seine Rolle in der neuen monopolaren, aber nicht minder bedrohten Weltordnung verfällt, ist für die Deutschen ein in allen Facetten schimmerndes fascinosum et tremendum. Faszination und Furcht liegen beim Blick über den Atlantik stets dicht beieinander. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Politik. Allerdings hat hier ein historischer Bedeutungswandel stattgefunden: Während früher eher die Fremdbestimmung der Politik durch Werbeagenturen und Meinungsforschungsinstitute als typisch amerikanisch oder amerikanisiert kritisiert wurde, steht heute

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vor allem die Medienfixierung von Politik unter Amerikanisierungsverdacht. Dies hängt sicherlich damit zusammen, dass heute anders als in den fünfziger und sechziger Jahren die politische Meinungsbildung fast ausschließlich über Medienvermittlung bestimmt wird. Medienbezogene, politische Öffentlichkeitsarbeit hat die klassische, politische Werbung mittlerweile verdrängt und ist zum zentralen Feld der Politikvermittlung geworden. Vor allem die deutsche Kommunikationsforschung beschäftigt sich seit den neunziger Jahren intensiv mit der These der Amerikanisierung. Diese Beschäftigung unterliegt einer wellenartigen Konjunktur. In Wahljahren ist das Thema besonders schick, im Anschluss tritt es wieder deutlich in den Hintergrund. Die Wahlkampffixierung der meisten Autoren wird bereits anhand der Definitionsversuche sichtbar. Winfried Schulz beschreibt Amerikanisierung knapp als »einen Vorgang, dessen auffälligstes Merkmal die Übernahme von Wahlkampfmethoden aus den USA ist«.3 Barbara Pfetsch erklärt Amerikanisierung in ähnlicher, aber ausführlicherer Weise: »Die Personalisierung der Kampagne, die Hervorhebung des Kandidatenwettstreits, Elemente des Angriffswahlkampfes, Ereignis- und Themenmanagement, Professionalisierung und der Einsatz von Marketingmethoden – der Export von US-amerikanischen Wahlkampftechniken und die Globalisierung der US-Politikberatungsindustrie bewirken, dass die professionelle Wahlkampfkommunikation in den meisten westlichen Ländern ähnliche Charakteristika aufweist.«4 Das Kopieren von professionellem PR-Know-how aus den USA ist ein zentraler Aspekt der Amerikanisierungsdiskussion. Eine so verstandene »Amerikanisierung« hat in Deutschland ohne Zweifel stattgefunden und findet nach wie vor statt. Winfried Schulz meint hierzu: »Eine Orientierung an den Konzepten und Praktiken der Wahlkampfführung in den USA ist inzwischen selbstverständlich für europäische Kampagnenmanager.«5 Zumindest für die Bundesrepublik ist eine derartige Orientierung jedoch nicht erst inzwischen, sondern bereits seit sechzig Jahren selbstverständlich. Wir werden noch ausführlich davon hören, dass bereits die Berater des ersten Kanzlers, Konrad Adenauer, in die USA reisten, dort das Gespräch mit ihren amerikanischen Kollegen suchten und viele Herangehensweisen mit nach Deutschland brachten. Gleiches gilt auch und in noch stärkerem Maße für die PR-

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Berater Willy Brandts, die seit den sechziger Jahren eine enge Orientierung an US-amerikanischen Wahlkampfpraktiken erprobten.

Die Mediendemokratie: Ein Modell für Deutschland? Die Verfechter der Amerikanisierung ordnen ihrer These aber noch viel weiter reichende Bereiche unter, die über die eng gefasste Bedeutung des reinen Methoden- und Strategietransfers hinaus gehen: Im Kern geht es um die Angleichung des gesamten politischen Systems in Deutschland an das amerikanische Modell der »Mediendemokratie«. Sie argumentieren, in den Vereinigten Staaten habe das politische System sich weitestgehend den Gesetzmäßigkeiten der Medien unterworfen, weil es ohne sie nicht ausreichend Legitimität erhalte. Zeitverzögert geschehe dies nun auch in Europa. Eine solche Unterwerfung des politischen Systems unter das »Diktat« der Medien führe zwangsläufig auch zu einer sukzessiven Angleichung politischer Strukturen, Werte und Normen nach amerikanischem Muster. Die amerikanische Mediendemokratie und ihre spezifische politische Kultur erscheinen in dieser Argumentation als generalisierbare Blaupause des Wandels von Politiksystemen in westlichen Demokratien schlechthin. Die »Mediokraten« fürchten, durch die Unterwerfung des politischen Prozesses unter das »Joch« der universellen Funktionslogik der Medien verliere das politische System zunehmend seine Eigenlogik. So werde langfristig auch jede Form von strukturellem Unterschied zwischen den politischen Systemen westlicher Demokratien außer Kraft gesetzt. Diese sehr weitreichende Argumentation bedarf einer deutlichen Relativierung. Es ist zwar nicht zu leugnen, dass besonders das Fernsehen länderspezifische, kulturelle und institutionelle Besonderheiten, Werte und Traditionen universal überformt. Die kulturelle Wirkung optischer Medien vergleicht der bedeutende amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman mit dem Eindringen einer neuen Art in ein gewachsenes Ökosystem: Neue Techniken können ihm zufolge nicht ohne soziale Veränderungen in ein bestehendes System integriert werden. Sie wirken auf die Gesellschaft, die sie benutzt, weder additiv noch subtraktiv, sondern ökologisch. Das heißt: Kommt ein neues Medium

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hinzu, ist es nicht einfach eine Ergänzung des bestehenden Gefüges. Wie in der Natur bewirkt das Auftauchen einer neuen Art immer auch ein neues, völlig anders ausbalanciertes System.6 Das Urheberrecht auf diese ökologische Wirkung vor allem des Fernsehens liegt aber nicht bei einem bestimmten Land. Das Fernsehen ist kein amerikanisches, sondern ein universelles Medium. Die Vereinigten Staaten sind nicht Vorbild, sondern lediglich Vorreiter einer globalen Transformation politischer Handlungsmuster durch den Diskurs elektronischer Medien. Sie waren das erste Land, in dem die Voraussetzungen für eine Mediatisierung von Politik flächendeckend existierten: eine demokratische Gesellschaftsordnung mit einem freien Markt konkurrierender Meinungen und eine Öffentlichkeit, die sich durch ein kommerzialisiertes Massenmediensystem mit dem Leitmedium Fernsehen strukturiert. Die immer größere Ähnlichkeit der politischen Kommunikation in westlichen Demokratien ist also letztlich vor allem auf die diskursive Wirkung moderner Medien als dem Hauptkampfplatz des Politischen in solchen Gesellschaften zurückzuführen. Dass die USA hier eine Vorreiterrolle spielen, ist historischer Natur und kaum Ursprung eines wie auch immer gearteten »Kulturimperialismus«. Die Anfänge der modernen, fernsehorientierten Politkampagnen liegen in den USA bereits im Eisenhower-Nixon-Wahlkampf 1952 und damit zwanzig Jahre vor den ersten großen Fernsehwahlkämpfen in Deutschland. Grundlegende Meilensteine waren damals die Fernsehwerbekampagne »Eisenhower answers America«, für die eigens der große Werbepionier Rosser Reeves engagiert wurde und der perfekt kalkulierte Studioauftritt, mit dem sich der damalige Eisenhower-Vize und spätere Präsident Richard Nixon suggestiv gegen Korruptionsvorwürfe wehrte. Nixon trat gemeinsam mit seinem kleinen Hund Checker auf und erklärte, dies sei das einzige Geschenk, das er jemals angenommen habe. Wenn man ihm seinen Hund wegnehmen wolle, so werde er sich dem Willen des Wählers fügen. Dieser Auftritt verlagerte den Wahlkampf zunehmend in den redaktionellen Teil des Fernsehens. Die Generierung von kostenloser Medienaufmerksamkeit wurde in den USA bereits ab den sechziger Jahren als so zentral angesehen, dass reine Werbeagenturen, die ausschließlich Kompetenzen im Bereich der »Paid Media« besitzen, bei politischen Kampagnen in den Hintergrund traten. Aufgrund dieser historischen Vorreiterrolle ist es nur logisch, dass der

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Blick europäischer PR-Profis sich gerade nach Amerika wandte, um von diesen langjährigen Erfahrungen zu profitieren. Dies bedeutet aber nicht, dass sich durch die Übernahme von Methoden und Strategien der Politikvermittlung aus den USA auch das politische System als solches nach amerikanischem Muster verändert. Auch hier ist die Debatte noch immer von Vorurteilen und Missverständnissen beherrscht. Wer sich eingehender mit den Politiksystemen in Deutschland und den USA beschäftigt, muss zu dem Schluss kommen, dass das US-amerikanische Modell der Mediendemokratie wesentlich einzigartiger ist, als dies früher angenommen wurde. Dies ist für unsere weitere Diskussion nicht unerheblich. Denn entscheidend für Stil und Ausprägung politischer Öffentlichkeitsarbeit ist nämlich vor allem und in erster Linie die länderspezifische Bedeutung der Medien im Prozess der Politikvermittlung. Hier bestehen zwischen Deutschland und den USA gravierende Unterschiede: In den Vereinigten Staaten sind Medien die zentrale strategische Ressource zur Machtlegitimation und -sicherung und damit zur Herstellung jedweder politischer Handlungsfähigkeit. Dies war in der Vergangenheit und ist in Deutschland auch heute keineswegs der Fall. Während in den USA ein präsidiales Regierungssystem mit schwachen Parteien und einem stark fragmentierten, öffentlichen Willenbildungsprozess mit vielen Lobbygruppen besteht, verfügt die Bundesrepublik über ein repräsentatives Regierungssystem mit einer ausgesprochen dominanten Rolle der Parteien in allen Gesellschaftsbereichen und wenigen, aber starken Lobbygruppen. In den USA kann sich der Präsident nicht auf eine starke Partei berufen, sondern ist gezwungen, immer neue, an Einzelfragen orientierte nationale Koalitionen zu schmieden. Für diese überparteilichen Koalitionen wirbt er durch seine Medienperformance, in der Hauptsache durch seine Fernsehpräsenz, direkt bei den amerikanischen Wählern. Medienvermittelter Legitimität kommt in den USA zudem eine wesentlich größere Kontrollfunktion zu: Weder der Präsident noch die Secretaries of State können durch Misstrauensvoten abgelöst werden. Es besteht lediglich die mit hohen Hürden versehene Möglichkeit des Impeachment. Wie schwer es ist, einen einmal gewählten Präsidenten aus dem Sattel zu heben, zeigt der Umstand, dass es in der 230-jährigen Geschichte der USA erst einen Rücktritt eines Präsidenten, nämlich eben jenes Richard Nixon gab, der einer der Pioniere des modernen Fernsehwahlkampfs

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war. In der Bundesrepublik gab es dem gegenüber bereits drei Kanzlerrücktritte in nur sechzig Jahren. Medien fällt in den USA nicht nur die zentrale Rolle bei der Herstellung, sondern auch bei der Kontrolle von Politik zu. Deshalb trifft hier der Begriff der »Mediendemokratie« voll und ganz zu. Das politische System ist in seinen wesentlichen Mechanismen und Funktionen auf Medien zugeschnitten. In Deutschland sind demgegenüber die Parteien – wenngleich von vielen totgesagt – noch immer die zentralen strategischen Organisationseinheiten, aus denen sowohl inhaltliche Programmatik als auch politisches Personal und Unterstützung geschöpft werden. Deutsche Politiker werden deshalb, anders als ihre amerikanischen Kollegen, immer zuerst Rückhalt und Legitimität in der eigenen Partei und erst in zweiter Linie über Medien beim Wähler suchen. Dies entspricht dem repräsentativen Charakter unseres Systems. Die Bedeutung der Parteien in den USA ist demgegenüber stark auf technische Funktionen einer Wahlkampflokomotive reduziert. Weder werden die amerikanischen Präsidentschaftskandidaten in Form eines Durchlaufs durch die Parteihierarchien rekrutiert – in Deutschland ist diese »Ochsentour« bis heute üblich –, noch haben die Parteien in den USA größeren Einfluss auf die politische Programmatik. Während in Deutschland niemand Kanzler werden kann, der vorher nicht eine häufig jahrzehntelange Karriereleiter in seiner Partei erklommen hat, nimmt in den USA das Fernsehen den Parteien praktisch die Kandidatenrekrutierung ab. Nicht ein Gremium aus Spitzenfunktionären der Partei, sondern die unmittelbare Basis bestimmt in den Primaries, welcher Kandidat ins Rennen geschickt wird. Das Publikum wählt dort seine Helden selbst. Die Elitenrekrutierung hat in den USA deshalb einen stark plebiszitären Charakter. Jenseits des Atlantiks werden auf allen staatlichen Ebenen regelmäßig politische Outsider, die in erster Linie durch ihre Prominenz und Popularität bestechen, zu politischen Spitzenkandidaten. So konnte der austro-amerikanische Hollywood-Held Arnold Schwarzenegger Gouverneur des Bundesstaates Kalifornien werden, der Wrestling-Star Jesse Ventura wurde zum Gouverneur von Minnesota gewählt. Das Präsidentenamt konnten der populäre Weltkriegsgeneral Dwight D. Eisenhower und der Schauspieler Ronald Reagan – einer der Großmeister charismatischer Politkommunikation – erringen. NATO-General Wesley Clark konnte Präsidentschaftskandidat werden. Sogar Kandidaturen gegen den erklär-

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ten Willen des eigenen Parteiestablishments sind möglich, wie das Beispiel Jimmy Carters gezeigt hat. Eine Kanzlerkandidatur, die sich fast ausschließlich auf die Legitimität medienvermittelter Prominenz, nicht aber auf die Legitimität einer großen Massenpartei stützt, ist in Deutschland bislang unvorstellbar. Einen Kanzlerkandidaten à la Lothar Matthäus oder Dieter Bohlen wird es hierzulande auf absehbare Zeit nicht geben. Deshalb ist auch der Einfluss von Medienberatern auf den politischen Prozess in Deutschland umstritten. Peter Radunski meint beispielsweise, Spindoctors7 amerikanischer Prägung werde es in Deutschland erst geben, wenn sich ein Seiteneinsteiger ohne Volkspartei im Rücken anschicke, Kanzler zu werden.8 Neben der Medienlogik, die sich die politischen Parteien auch in Deutschland zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung zunutze machen, besteht anders als in den USA also nach wie vor eine dominante politische Eigenlogik der Legitimitätsbeschaffung, auf die Medien nur bedingt Einfluss haben. Die unterschiedlichen Rollen von Parteien spielen auch in die Wahlkampffinanzierung hinein und machen eine jeweils andere Gestaltung der Öffentlichkeitsarbeit nötig. Weil die Kandidaten den Wahlkampf weitgehend aus eigener Tasche finanzieren müssen, sind politische Berater primär ihrem unmittelbaren Geldgeber verpflichtet. Der bekannte Spindoctor Dick Morris war aus diesem Grund sowohl für die Republikaner als auch für die Demokarten tätig. Kommerzielle Politikberatung ist in den USA ein boomender Markt. Marco Althaus stellt in seiner Studie einen ganzen Dschungel von Spezialberufen dar.9 Die staatliche, parteiengebundene Wahlkampffinanzierung in Deutschland verhindert eine vergleichbar boomende Beraterkultur. Hier geht der Trend seit den fünfziger Jahren erkennbar in Richtung einer nichtgewerblichen Professionalisierung politischer PR innerhalb der Parteien und des Exekutivapparates. Gleiches gilt im Übrigen für Großbritannien: Der Spindoctor von Tony Blair, Peter Mandelson – einer der Hauptarchitekten von »New Labour« –, war Unterhausabgeordneter und zweimal Minister und ist mittlerweile EU-Handelskommissar. Ein für politische Öffentlichkeitsarbeit relevanter Unterschied, der nicht verschwiegen werden darf, ist das grundlegend anders strukturierte Mediensystem in den USA: Fast alle Medien stehen unter privatwirtschaftlicher Verfügung. Von einem öffentlich-rechtlichen System wie in

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Deutschland kann keine Rede sein. Während in der Bundesrepublik die Parteien insbesondere auf das öffentlich-rechtliche Fernsehen einen entscheidenden Einfluss ausüben, ist das US-Fernsehen strikt am Marktprinzip und dem Erlös von Werbeeinnahmen orientiert. Dies bedeutet einerseits größere Einflussmöglichkeiten für kostenlos angebotene, publikumsgerecht inszenierte politische Informationen. Andererseits sind die amerikanischen Fernsehstationen nicht verpflichtet, sich an den Parteienproporz zu halten. Die Sender können wesentlich offener eine politische Position unterstützen oder ablehnen. Diese evidenten Unterschiede widersprechen der Auffassung, in der Bundesrepublik finde schleichend – und seit Schröder offenkundig – ein Systemwechsel statt, der auf das Modell der amerikanischen Mediendemokratie hinausläuft. Pointiert vertritt diese Position Thomas Meyer: »In Deutschland werden wir seit kurzem Zeuge einer ›kopernikanischen Wende‹: Die Parteiendemokratie klassischen Zuschnitts wird zur Mediendemokratie. Die Regeln der medialen Politikdarstellung – unterhaltsam, dramatisierend, personalisiert und mit Drang zum Bild, allesamt der Darstellungskunst des Theaters entlehnt – greifen in zunehmendem Maße und mit beträchtlichen Folgen auf das politische Geschehen selbst über.«10

Die Modernisierung der Kanzlerdemokratie Die von Meyer skizzierten, vermeintlich neuen und bedenklichen Regeln medialer Politikdarstellung eröffnen uns den Zugang zu einem weiteren Kern, der in der Nussschale der Amerikanisierungsdebatte versteckt liegt. Es gibt nämlich nicht nur ganz grundlegende Unterschiede zwischen beiden Systemen, insbesondere was die Rolle der Medien und Parteien anbelangt. Es gibt auch ein paar handfeste Gemeinsamkeiten, die bestimmte Ähnlichkeiten im Stil der politischen Öffentlichkeitsarbeit plausibel machen. Das, was Meyer unter dem Bild der »kopernikanischen Wende« subsumiert, gehört nämlich in Wirklichkeit zur Bundesrepublik, seit sie besteht. Die in der Tat neben allen Unterschieden vorhandenen »amerikanischen« Züge im politischen System der Bundesrepublik beruhen nicht auf einer Veränderung der letzten Jahre, sondern sind vielmehr systemimmanent: Die zweipolige

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Parteienstruktur der BRD ähnelt dem Zwei-Parteien-System der USA. Seit ihrer Gründung standen sich immer zwei große Blöcke, angeführt von jeweils einer der großen Volksparteien CDU oder SPD, aus der Kanzler bzw. Herausforderer rekrutiert werden, gegenüber. An dieser Zwei-Parteien-Konkurrenz haben auch die Gründung der Grünen und das bundesweite Engagement der PDS nach 1990 im Wesentlichen nichts geändert. Die Bundesrepublik Deutschland weist trotz dieser Auflockerung des Parteienspektrums nach wie vor »eines der am höchsten konzentrierten Parteiensysteme der westlichen Industrieländer« auf.11 Es existiert für die Wähler – ähnlich wie in den USA – eine Duellsituation zwischen Amtsinhaber und Herausforderer, bei der im Vorfeld klar ist, welche Koalition gewählt werden muss, um den jeweiligen Kanzler zu installieren. Obwohl in der Bundesrepublik der Bundeskanzler nach Artikel 63 des Grundgesetzes vom Parlament und nicht direkt vom Volk gewählt wird, sind Wahlen in Deutschland seit jeher auch Personalplebiszite, bei denen Medien und Medienstrategien der Kandidaten eine entscheidende Rolle spielen. Unter die Schichten des repräsentativen Prinzips hat sich also aufgrund der Parteienkonstellation seit Adenauer eine Art »Kanzlerplebiszit« geschlichen. Vor allem die Säule der Richtlinienkompetenz und die auch in Deutschland hohe Hürde des konstruktiven Misstrauensvotums ermöglichen es charismatischen Führern, als Kanzler eine quasipräsidiale Rolle zu spielen – eine Rolle, die etwa von starken Kanzlern wie Willy Brandt und Helmut Kohl auch genutzt wurde, wie wir noch erfahren werden. Karl-Heinz Niclauß meint hierzu: »Die Bundesrepublik Deutschland gehört aber mit ihrer Kanzlerdemokratie zweifellos zum Kreis der Regierungssysteme, die präsidiale oder monarchische Züge aufweisen.«12 All das prädestiniert das politische System der Bundesrepublik traditionell für mediale Personalisierungs- und Polarisierungsstrategien. Dies hat also nur bedingt etwas mit einer Anpassung an amerikanische Vorbilder zu tun, sondern geschieht folgerichtig aufgrund des eigenen Politikgefüges. Dass die »Kanzlermacher« sich hierzu die passenden Kniffe bei ihren amerikanischen Kollegen abschauten, die etwa zwei Jahrzehnte mehr Erfahrung mit Medienkampagnen hatten, kann schwerlich als »Amerikanisierung« gebrandmarkt werden. Politische PR »à l’americaine« ist entgegen einer weit verbreiteten Auffassung in Deutschland also längst ein alter Hut, der aber aufgrund unseres monarchisch

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anmutenden Systems gut passt. Der These Thomas Meyers von der »kopernikanischen Wende« lässt sich am besten die Kritik des Politikwissenschaftlers Markus Linden gegenüberstellen: »Im politischen System der Bundesrepublik Deutschland mag man den Medien heute zu Recht eine bedeutende Rolle zusprechen. Zu einer zunehmenden Personalisierung und Entpolitisierung hat der moderne Medienpluralismus jedoch nicht geführt. Personalisierung der Politik ist keine Folge der stärkeren Bedeutung des Fernsehens, sondern immer ein Charakteristikum der Republik gewesen.«13 Der erste – nicht ganz uneigennützig argumentierende – Amerikanisierungskritiker war Konrad Adenauer, der Willy Brandt vorwarf, sein Wahlkampf sei »amerikanisiert«. Die diskursive Wirkung von Medien und die Anpassung der Stilistik der Politikvermittlung an die Logik von Medien bewirkt zwar durchaus eine universelle Überformung tradierter, länderspezifischer Eigenheiten. Diese universelle Überformung kann aber nicht als »amerikanisch« oder »amerikanisiert« bezeichnet werden, da sie mehr oder minder in allen Ländern westlicher Prägung, in einigen – wie den USA – früher als in anderen, zu beobachten ist. Diese universelle Anpassung der Methoden, Stilistik und Orientierung der Politikvermittlung ist zum einen keinesfalls neu, zum anderen führt sie nicht zu einer wie auch immer gearteten politischen Systemveränderung nach amerikanischem Muster. Die Kanzlerdemokratie der Bundesrepublik beinhaltet vielmehr traditionell Elemente, die gerne von kulturpessimistischen Kritikern wie geschichtsvergessenen Kommentatoren als »amerikanisch« bezeichnet werden. In Wirklichkeit stammen diese Elemente aber nicht genuin aus Amerika, sondern sind Teil der Politiktradition seit 1949. Hier werden allzu häufig die Methoden der Politikvermittlung – dass, was man mit dem Begriff Know-how beschreibt –, die durchaus seit den fünfziger Jahren aus den USA kopiert und adaptiert wurden, und Strukturen und Mechanismen des Politiksystems miteinander vermengt. Die These der »Amerikanisierung«, verstanden als Anpassung an das amerikanische Modell der Mediendemokratie, relativiert sich, je differenzierter man die Argumente ihrer Befürworter betrachtet. Barbara Pfetsch kommt in ihrer Analyse sogar zu dem Schluss, dass vor allem die augenscheinlichen Unterschiede zwischen dem politischen System in Deutschland und den USA es »auf den ersten Blick verbieten, in Deutschland von einer ›Amerikanisierung‹ zu sprechen«.14 Um auch

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begrifflich deutlich zu machen, dass eine Anpassung von Methoden und Strategien der Politikvermittlung an moderne Anforderungen permanent stattfindet, diese aber ein universales und kein von Amerika und seiner ganz spezifischen politischen Kultur der Mediendemokratie ausgehendes Phänomen ist, sollte der missverständliche und ideologisch belastete Begriff »Amerikanisierung« durch »Modernisierung« ersetzt werden. Genau hierum geht es nämlich, wenn deutsche und europäische Kommunikationsexperten in die USA pilgern, um dort von ihren Kollegen und deren Erfahrungen zu profitieren.

Politische Public Relations

Nach dieser ersten Annäherung an unser Thema durch einen »Kurztrip« über den Atlantik begeben wir uns nun auf eine zweite Reise, die uns zunächst nach Italien, zu den römischen Kaisern und den venezianischen Dogen führt, um schließlich auf direktem Kurs im Hier und Jetzt des politischen Tagesgeschäfts zu landen. Die allgemeinste Form, sich unserem Themen zu nähern, ist eine nähere Betrachtung politischer Kommunikation. Sie bewegt in ihrem Facettenreichtum das Gemüt der Menschen seit Jahrtausenden, hebt Regime auf den Thron und fegt sie hinweg. Politische Kommunikation ist jede Art von Kommunikation – sei es in Wort, Schrift, durch Bilder, Zeichen oder symbolhafte Handlungen –, die in irgendeiner Art zur Sphäre des Politischen zählt: »Politische Kommunikation wird als derjenige Teil menschlicher Kommunikation definiert, der sich entweder thematisch oder aufgrund der Beteiligung von Akteuren des politischen Systems der Politik zurechnen lässt.«1 Die Bandbreite reicht vom politischen Werbespot über die Rede eines Bundeskanzlers bis zu den Hoheitssymbolen eines Staates, von der politischen Berichterstattung in den Medien bis zur Propagandaflugschrift. Auch wir selbst betreiben selbstverständlich täglich politische Kommunikation im Gespräch mit Kollegen und Familienangehörigen. Ein jahrhundertealter Nukleus politischer Kommunikation ist das Stammtischgespräch. Auch Münzen, Statuen oder Darstellungen an Gebäuden können eine Form politischer Kommunikation sein. Der römische Kaiser Augustus war ein früher Großmeister politischer Kommunikation. Er ließ sein politisches Programm auf Münzen und Meilensteinen, in der Architektur und bildenden Kunst darstellen und ging als »Friedenskaiser« in die Geschichte ein, gleichwohl er nicht weniger kriegerisch war als seine Vorgänger oder Nachfolger. Auch die venezianischen Dogen schufen sich ein ganzes

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Arsenal an Instrumenten politischer Kommunikation, mit denen sie ihre Herrschaft sicherten und kommunikativ ausfächerten. Der Markuslöwe als Hoheits-, Güte- und Markenzeichen sowie identitätsstiftendes Symbol ist ein bis heute an der gesamten Adriaküste und der Levante sichtbares »Corporate Design« der Seerepublik Venedig. Während der Begriff »politische Kommunikation« ein zeitloses und »hyperkomplexes Beziehungskonglomerat« beschreibt, »das sachlich nur schwer stringent ab- und einzugrenzen«2 ist, so ist der Begriff »Public Relations« wesentlich jünger und ein Kind aus der zweiten Hälfte des 19. und dem frühen 20. Jahrhundert. Public Relations wird häufig in das Umfeld des Manipulativen, Theatralen, bisweilen sogar Halbseidenen gerückt. Besonders Medien – die immerhin täglich selbst das PR-System als Informationsquelle nutzen – schüren ein ebenso geheimnisvoll-faszinierendes wie fragwürdiges Image der Manager der öffentlichen Meinung. Gängige Vorurteile gegenüber PR hat Manfred Piwinger mit Hilfe einer Inhaltsanalyse von Tageszeitungen ermittelt.3 Besonders negativ fallen die Zuschreibungen aus, wenn sich PR, oder konkreter gesagt, die PR-Berater und -Manager in den Dienst der Politik stellen. Hier bestehen besonders starke Manipulationsängste, die sich mitunter in einer verschwörungstheoretischen Publizistik kanalisieren. So sprach Die Zeit von Medienberatern als »Prinzen der Dunkelheit«, in der wissenschaftlichen Literatur finden sich Zuschreibungen wie »Geheime Verführer«, »Einflüsterer«, »Hexenmeister«, »neue Sophisten« oder »Strippenzieher«.4 Die PR erscheint hier im Lichte einer Geheimwissenschaft. Solche Zuschreibungen werden meist mit dem Vorwurf einer Amerikanisierung verbunden. Diese kritische Melange ist keineswegs neu: Für die in den sechziger Jahren aufkommende wissenschaftliche Kritik steht an erster Stelle Jürgen Habermas, der in PR ein System der Manipulation sieht, das maßgeblich am Strukturwandel der Öffentlichkeit – von einer kritischen zu einer manipulativen Publizität – beteiligt ist.5 Gegen diese negative Konnotation von PR oder Öffentlichkeitsarbeit – beides wird im weiteren Verlauf synonym verwendet – sprechen viele Argumente, die im Verlauf unseres Rundgangs an konkreten Beispielen präsentiert werden. Öffentlichkeitsarbeit und die damit verbundenen Tätigkeiten sind vielmehr ein notwendiger Bestandteil der öffentlichen Kommunikation in modernen, demokratischen Massengesellschaften. Dies deckt sich sowohl mit der klassischen mikrosozialen,

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organisationsbezogenen PR-Definition von James E. Grunig und Todd Hunt aus dem Jahr 1984, die PR als »part of the management of communication between an organization and its publics«6 versteht, als auch mit einer makrosozialen, gesamtgesellschaftlichen Sichtweise, die PR zudem soziale und demokratietragende Funktionen innerhalb einer Gesellschaft zuweist.7 Dies gilt insbesondere für politische Öffentlichkeitsarbeit, die seit 1949 traditionell zur demokratischen Verfasstheit des deutschen Gesellschaftssystems gehört. Wie lässt sich nun politische Öffentlichkeitsarbeit in den bereits vorgestellten, größeren Kontext politischer Kommunikation einordnen? Politische PR ist ein ganz bestimmter Typ politischer Kommunikation. Sie dient vor allem als eine Technik des Machterhalts und Machterwerbs. Solche Kommunikationstypen – hierzu zählen auch politische Propaganda und politische Werbung – werden ausschließlich vom politischen System selbst betrieben oder initiiert. (Die immer stärker in Mode kommende Disziplin der Public Affairs, also das politische Networking und Lobbying von Unternehmen, und die damit verbundenen Methoden zählen nach diesem engen Verständnis nicht zur politischen PR.) Politische Öffentlichkeitsarbeit ist in modernen demokratischen Gesellschaften vor allem eine Strategie der konkurrierenden Parteien des politischen Systems zur öffentlichen Darstellung ihrer Funktionsträger, Themen und Programme gegenüber dem Rest der Gesellschaft. Politische PR verfolgt die Absicht, Einstellungen und Verhalten der Umwelt zum eigenen Nutzen und zur Maximierung politischer Unterstützung für die eigene Partei zu beeinflussen. Politische Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur eine Strategie von Parteien und Politikern. Sie stellt auch Techniken und Methoden bereit, die die Strategie taktisch umsetzen. Solche Techniken sind zum Beispiel bestimmte Kommunikationsinstrumente zur Vermittlung von Politik sowie Analyse- und Kontrollinstrumente, die Kommunikationsprozesse und ihren Erfolg messen. Prinzipiell kann sich politische Öffentlichkeitsarbeit an alle Teile der Gesellschaft richten. In modernen Gesellschaften sind Medien als zentrale Vermittler jedoch die Zielgruppe Nummer eins. Sie sind für das politische System das wichtigste Vehikel zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Volker Hetterich merkt hierzu an: »Angesichts seiner Bedeutung für die politische Realitätskonstruktion steht außer Zweifel,

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dass das System der Massenmedien für die Öffentlichkeitsarbeit Hauptansprechpartner ist.«8

Alles Propaganda? Wichtig für das Verständnis politischer PR ist es, ihr Verhältnis zu anderen Typen politischer Kommunikation zu erklären und voneinander zu trennen. In die Nähe politischer Öffentlichkeitsarbeit werden vor allem politische Werbung und politische Propaganda gerückt. Im allgemeinen Sprachgebrauch des Alltags wird sogar häufig überhaupt nicht zwischen diesen drei Typen unterschieden. Auch in der hitzigen Diskussion zwischen Politikern wird häufig jede Form von Politikvermittlung als reine Propaganda abgestempelt. Interessanterweise findet man solche »grobkörnigen« Positionen aber auch in der Kommunikationsforschung. Auch hier werden PR, Propaganda und Werbung mitunter dezidiert als ein und dasselbe dargestellt. Besonders evident ist diese Position bei Michael Kunczik: Für ihn sind alle Versuche, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit und Propaganda zu unterscheiden, lediglich »semantische Spielereien«.9 Diese in Deutschland durch alle Schichten der Bevölkerung durchaus verbreitete, überkritische Position steht einer anderen Auffassung diametral gegenüber, die PR und Propaganda als zwei sich völlig ausschließende Phänomene begreift. Beide Positionen lassen sich auf eine gemeinsame Wurzel zurückführen, nämlich auf eine regelrechte »Propaganda-Phobie«10 nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft. Während die PR-Branche selbst seitdem hochsensibel und dünnhäutig auf jeden Vergleich mit Formen von Propaganda und Werbung reagiert und sich selbst als »ethisch rein« definiert, wird sie von ihrer Umwelt oft überkritisch bewertet. Es ist in diesem Zusammenhang hoch aufschlussreich, dass die deutschen PRPioniere der fünfziger Jahre den Begriff der politischen Öffentlichkeitsarbeit zunächst strikt vermieden. Lediglich im Handbuch der Public Relations des »Altvaters« der deutschen PR, Albert Oeckl, aus dem Jahr 1964 wird er kurz angerissen.11 Ein verstärktes wissenschaftliches Interesse wird erst seit den achtziger Jahren erkennbar. Es verwundert kaum, dass die deutschen PR-Pioniere der jungen Bundesrepublik – allesamt selbst

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Zeitzeugen des Dritten Reiches – aufs Strengste bemüht waren, eine strikt normative Definition ihres Berufes zu entwickeln, die jede Nähe zur Propaganda früherer Tage prinzipiell ausschloss. In diesem Kontext muss auch die Auffassung der deutschen PR-Nestoren gesehen werden, die Geschichte ihrer Profession habe in Deutschland erst nach 1945 begonnen und sei im Wesentlichen aus den USA importiert worden. Richtig ist, dass es auch weit vor Gründung der Bundesrepublik Formen von PR gegeben hat, die sich klar von klassischer Propaganda unterschieden. Ein gutes Beispiel ist die so genannte »Flottenpropaganda« von Großadmiral Alfred Tirpitz. Bei den Bemühungen Tirpitz’, die deutsche Flottenrüstung zu popularisieren, überschneiden sich Propagandaelemente und Ansätze von Öffentlichkeitsarbeit nach unserem heutigen Verständnis, so zum Beispiel Besuchsmöglichkeiten von Schiffen, öffentlichkeitswirksame Rundfahrten und ähnliches. Beide Positionen, sowohl das überkritische »in einen Topf werfen« von PR, Propaganda und Werbung als auch eine strenge, normative Trennung, sind letztlich unhaltbar. Es liegt auf der Hand: PR als Bestandteil der Kommunikation von Organisationen und Personen, die jeweils eigennützige Interessen und Ziele verfolgen, kann nicht nur rein objektiv-informatorische Funktionen erfüllen. PR wird immer auch im Sinne des Eigennutzes persuasive und werbende Funktionen übernehmen. So hat die deutsche Regierung zwar eine verfassungsmäßig verankerte Pflicht, Medien und Bürger wahrheitsgemäß zu informieren, gleichzeitig wird aber kein Regierungssprecher die Politik seines Kanzlers in schlechtem Licht darstellen. In einem Urteil aus dem Jahr 1977 grenzte das Bundesverfassungsgericht die politische Öffentlichkeitsarbeit der Regierung ein. Hier heißt es, dass »Öffentlichkeitsarbeit der Regierung dort ihre Grenze findet, wo Wahlwerbung beginnt«.12 In der Praxis stellt sich die Umsetzung dieses Urteils bis heute als fast unmöglich dar, weil nun einmal PR ihrem Wesen nach immer janusköpfig ist. Sie dient sowohl der Informationsvermittlung wie auch der Meinungsbildung. Dadurch bestehen immer Überlappungen zu Propaganda und Werbung. Es liegt aber ebenso auf der Hand, dass zwischen den verschiedenen Typen auch reelle und klar erkennbare Unterschiede bestehen. Politische Werbung wird in den allermeisten Fällen nur zeitlich begrenzt, nämlich im Wahlkampf, eingesetzt. Öffentlichkeitsarbeit gehört

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jedoch zum Tagesgeschäft. Der augenscheinlichste Unterschied zwischen beiden Formen liegt darin, dass Werbebotschaften bezahlte Botschaften sind – und auch als solche klar kenntlich gemacht werden müssen. Im Bereich der Medienwerbung spricht man deswegen von »Paid Media«. Parteien kaufen Anzeigen, Fernseh- und Hörfunkspots und damit Medienzeit. Diese gekaufte Zeit können sie frei mit eigenen Inhalten besetzen, müssen diese Inhalte aber für jedermann als Werbung kennzeichnen. Politische Werbung wird ohnehin in der Regel und von den meisten Bürgern als solche erkannt, weshalb ihre Wirksamkeit umstritten ist. Öffentlichkeitsarbeit, soweit sie medienbezogen ist, führt demgegenüber zu kostenloser Berichterstattung, so genannter »Free Media«. Das Publikum kann meist nicht genau erkennen, ob Medienberichterstattung aufgrund von journalistischer Eigenrecherche oder von interessengestützten Informationsangeboten und Inszenierungen des PR-Systems, etwa in Form von Pressemitteilungen, Pressekonferenzen, inszenierten Ereignissen und Formen symbolischer Politik, entstanden ist. Journalisten sind auf Informationen von Politikern angewiesen. Mit diesen Informationen verdienen die Verlagshäuser und Medienunternehmen, für die sie arbeiten, ihr Geld. Dementsprechend häufig greifen Journalisten auf die von politischen Sprechern und Akteuren kostenlos bereitgestellten, bereits an journalistische Ansprüche und Bedürfnisse angepassten Informationen zurück. Während die Wirksamkeit von Werbung aufgrund der klar erkennbaren Parteilichkeit zumindest mit einem Fragezeichen versehen werden sollte, gilt die redaktionelle Berichterstattung von Medien meist als glaubwürdig und seriös. Hier liegt die große Chance politischer Öffentlichkeitsarbeit: Durch eine größtmögliche Anpassung an die Produktionsstandards von Medien können eigene Botschaften in die redaktionellen, scheinbar unabhängigen Kanäle der redaktionellen Berichterstattung einsickern. Zugespitzt formuliert: Bei Werbung wird nach dem Prinzip »Geld gegen Publizität«, bei medienbezogener Öffentlichkeitsarbeit nach dem Prinzip »Information gegen Publizität« getauscht: »Gibst du mir spannende, auflagenträchtige Informationen, gebe ich dir Raum in meinem Medium.« Durch diese unterschiedliche Art des Tausches wird deutlich, dass bei medienbezogener Öffentlichkeitsarbeit der Persuasion gewisse Grenzen gesetzt sind. Will eine Organisation erfolgreich Einfluss auf die

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Medienberichterstattung nehmen, ist sie gezwungen, Informationen anzubieten, die einem Mindestmaß journalistischer Standards standhalten können. Bei Werbung, deren Inhalte alleine der zahlende Kunde bestimmt, sind demgegenüber der subjektiven Verführungskunst der Designer, Werbepsychologen und Art Directors praktisch keine Grenzen gesetzt. Anders als Werbung und PR ist »Propaganda« in Deutschland seit 1945 als Begriff diskreditiert. Die Historiker Schieder und Dipper meinen zu Recht, er sei im postnationalsozialistischen Deutschland für politische Parteien praktisch nicht mehr verwendbar.13 Das wesentliche Merkmal von Propaganda besteht darin, dass eine Orientierung am Wahrheitsgehalt von Informationen nachrangig, meist sogar unerwünscht ist. Während Öffentlichkeitsarbeit und Werbung zumindest auf rational nachvollziehbaren Tauschgeschäften zwischen relativ gleichrangigen Systemen und Akteuren beruhen, greift Propaganda auf bewusstes und unbewusstes, legitimes und illegitimes Manipulieren der jeweiligen Umwelt zurück. Bei der Gestaltung politischer Propaganda ist praktisch jedes Mittel erlaubt. Lügen gehören hier ganz klar zum Geschäft. Die Kommunikationsinhalte staatlicher Propaganda werden meist mit Hilfe von Zwangsmaßnahmen durchgesetzt. Nach diesem engen Verständnis kann Propaganda sich nur in nichtdemokratischen Gesellschaften mit eingeschränkter Pressefreiheit voll entfalten. Das politische System in solchen Gesellschaften ist nicht darauf angewiesen, sich mit Hilfe von Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung auf aufwendige und teure Interaktionsbeziehungen mit Medien und Bevölkerung einzulassen.

Die Methoden der politischen PR und ihre Wirkung Ziel der Medienansprache durch politische Öffentlichkeitsarbeit ist eine ausführliche Berichterstattung und positive Kommentierung zugunsten der eigenen Position. Die Methoden, mit denen dieses Ziel erreicht wird, basieren alle auf der Grundannahme, dass Medien Informationen benötigen und diese in einer ihnen spezifischen Art und Weise auswählen, aufbereiten und präsentieren. Nur solche Informationen, die dieser spezifischen Funktionslogik von Medien entsprechen, werden von Re-

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dakteuren ausgewählt und veröffentlicht. Deshalb spricht man auch von der »Gatekeeper-Theorie«14. Die Gatekeeper sind in diesem Fall die Journalisten. Sie entscheiden, welche Information über ihr Medium weitervermittelt wird und welche im Papierkorb landet. Politische PR trägt dem Gatekeeper-Prinzip Rechnung und bezieht sie in ihr Kalkül ein: Durch eine weitestgehende Anpassung der bereitgestellten Personen, Themen und Botschaften an die Auswahlkriterien, nach denen Medien für ihr Publikum relevante Informationen filtern, kann Aufmerksamkeit und Berichterstattung erzeugt werden. Medienpräsenz entsteht auf zwei verschiedenen Bühnen. Zum einen ist sie Resultat der aktiven Medienarbeit von PR-Experten. Hierzu zählen formal-direkte Kontakte zu Medien wie das Versenden von Pressemitteilungen oder das Inszenieren von verschiedenen »Ereignis-Ontologien«.15 Ein Beispiel hiefür sind Pseudoereignisse, die einzig zur Generierung von Berichterstattung organisiert werden und ohne die Anwesenheit von Journalisten selbst keinen eigenen Ereigniswert hätten: Der Klassiker unter diesen Pseudoereignissen ist die Pressekonferenz, aber auch Interviews und bestimmte, auf Journalisten zugeschnittene politische Veranstaltungen gehören hierzu. Zur Medienarbeit zählen außerdem vor allem die informellen Kontakte, zum Beispiel Hintergrundgespräche zwischen Journalisten und Spitzenpolitikern, in denen strategische Informationen lanciert werden können. Ferner geht es hier um den Bereich der indirekten logistischen Unterstützung von Journalisten, etwa durch Mitflüge zu Staatsbesuchen, Reiseorganisation oder das Bereitstellen von technischem Equipment, das zur Berichterstattung notwendig ist. Zum anderen entsteht Medienpräsenz natürlich vor allem auch durch das tägliche materiell-politische Handeln der Akteure, das mediatisiert wird, zum Beispiel in Form von Staatsbesuchen oder Auslandsreisen, Klausurtagungen und Koalitionsgipfeln, bei denen eine Beobachtung durch Medien immer mit in das Kalkül einbezogen wird und eine entsprechende Verhaltensänderung bei den Akteuren bewirkt: Wer weiß, dass er beobachtet wird, verhält sich anders. Jede Form von öffentlichem Handeln erhält durch starke Medienbeobachtung den Gestus einer Präsentation und verliert zwangsläufig an Authentizität. Durch ihr tägliches politisches Handeln können Politiker ganz konkret die Medienagenda verändern, von kritischen Themen ablenken,

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falsche Fährten legen oder weniger bedeutsame, dafür aber positive Themen in den Mittelpunkt rücken. Ein Beispiel für solch ein geschicktes »Agenda-Setting« ist die von Gerhard Schröder aus dem Hut gezauberte Diskussion um Eliteuniversitäten in Deutschland, die 2004 mitten in einer schweren Krise seines Kabinetts für Wochen die Medienagenda dominierte. Andere Themen wie die immer weiter steigende Arbeitslosigkeit oder die schlechte internationale Wettbewerbsposition Deutschlands rückten in den Hintergrund. Schröders kunstvoll inszenierte »Innovationsoffensive« verblüffte selbst seine Bildungsministerin Edelgard Bulmahn. PR ist im Gegensatz zur Wahlwerbung vom Publikum meist nicht zu erkennen. Dies liegt vor allem an ihrem Doppelcharakter: Sie ist nicht nur Mittel von Politik, sondern selber Politik. Sie ist der zentrale Mechanismus im politischen System moderner Gesellschaften, durch den Politik hergestellt, durchgesetzt und begründet wird. Es ist daher kaum bis gar nicht unterscheidbar, ob der Bundeskanzler vor die Kameras tritt, weil er dorthin gebeten wurde oder weil er sich selbst in Szene setzen will. Ebenso nicht unterscheidbar sind PR- von politischen Entscheidungen: Ist dieses oder jenes Thema vom Kanzler in den Mittelpunkt gestellt worden, weil ihm politische Relevanz zukommt oder weil damit eine Strategie zur Beeinflussung der öffentlichen Themen-Agenda verfolgt werden soll? Die Grenzen sind fließend. Politische Akteure sind immer funktionale PR-Kommunikatoren in eigener Sache. Sie treten vor die Medien aufgrund ihrer politischen Funktion, betreiben aber – mehr oder minder gekonnt – gleichzeitig PR. Eine qualitative Vergleichbarkeit der Öffentlichkeitsarbeit der einzelnen Kanzler ist deshalb ausgesprochen schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Dies würde zuallererst voraussetzen, dass immer und eindeutig zwischen planmäßiger und absichtsvoller politischer PR und dem dahinterstehenden politischen Handeln unterschieden werden könnte. Solch eine trennscharfe Unterscheidung ist jedoch nicht möglich. Auf die Vertraulichkeit interner Kommunikationsstrategien wurde bereits hingewiesen. Außerdem wäre es naiv davon auszugehen, es gäbe eine lineare Kommunikation von den PR-Büros der Politik in die Köpfe der Menschen. Zwischen Botschaft und Empfänger stehen immer Redakteure, deren Beruf es ist, gesammelte Informationen kritisch zu prüfen und zu neuen Zusammenhängen zu verarbeiten. Diese neuen Zusammenhänge werden vom

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Publikum wiederum je nach individueller Vorerfahrung aufgenommen und interpretiert. Es gibt also vielfache Reibungsverluste in dieser mittelbaren Kommunikationskette. Es ist klar erkennbar, dass die zunehmende Kommerzialisierung des Medienbereichs politische Öffentlichkeitsarbeit begünstigt. Durch den steigenden ökonomischen Erfolgsdruck sind Journalisten gezwungen, den inhaltlichen Output bei gleichbleibendem, personellen Rahmen beständig zu erhöhen. Redakteure haben immer weniger Ressourcen zur Eigenrecherche zur Verfügung und greifen häufig dankbar vorproduzierte Informationen von PR-Stellen auf. Das Idealziel politischer Öffentlichkeitsarbeit ist es, redaktionelle Interventionen von Seiten der Journalisten weitestgehend zu minimieren. Solche Interventionen, zum Beispiel das Schneiden von O-Tönen, das Redigieren oder inhaltliche Umgestalten von Pressemitteilungen, aber auch kritisches Nachfragen und investigative Recherche, werden am effektivsten minimiert, wenn die zur Verfügung gestellten Inhalte und die Ansprüche von den Medien an diese Inhalte möglichst kongruent sind. Die PR-Kommunikatoren passen ihre Botschaften soweit wie möglich an die mediale Produktionsund Präsentationslogik an. Die gilt im Hinblick auf die Qualität, Validität, zeitliche Verfügbarkeit und formale Gestaltung der angebotenen Inhalte. Ein Problem, vor das sich PR-Kommunikation gestellt sieht, ist die sinkende Aufmerksamkeit auf der einen und die wachsende Informationsflut auf der anderen Seite. Politik konkurriert mit unzähligen anderen Themen und Angeboten um die Gunst der Journalisten und letztendlich damit auch des Publikums. Um bei einem Überangebot von Informationen die Aufmerksamkeitsschwelle der Medien überhaupt zu überschreiten, ist deshalb eine mediengerechte Inszenierung des eigenen Repertoires an Themen, Botschaften und Personen heute praktisch zwingend notwendig. Hierbei geht es natürlich nicht nur darum, schlicht in den Medien präsent zu sein, sondern auch um eine möglichst positive Medientendenz. Wie in jeder Beziehung drängt sich zwangsläufig auch die Frage nach den Dominanzverhältnissen auf: Wer instrumentalisiert in dieser machtvollen Liaison wen? Die Antworten fallen höchst unterschiedlich aus. Je nach Standpunkt instrumentalisiert entweder die Politik mit Hilfe politischer Öffentlichkeitsarbeit die schwachen Medien als Werkzeuge der

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Meinungsbildung oder die allmächtigen Medien zwingen das schwache politische System, sich ihren Präsentationsgesetzen anzupassen und verändern dadurch auch den politischen Prozess selbst, der immer medienfixierter gestaltet wird. Mein Verständnis geht davon aus, dass es letztlich keine devote oder dominante Rolle zu verteilen gibt. Medien und Politik brauchen einander, haben sich aber dennoch eigene Freiräume erhalten, die für den jeweils anderen Tabu sind. An den Systemrändern hat sich zwar – durch die von Politik betriebene Strategie der Anpassung mit Hilfe politischer Öffentlichkeitsarbeit – ein sich überschneidender politisch-medialer Komplex herausgebildet, der wie ein siamesischer Zwilling daherkommt: Politische Sprecher und Spindoktoren klüngeln in Hintergrundzirkeln und auf parlamentarischen Abenden mit Journalisten, stecken sich gegenseitig Informationen zu und brüten über brisanten Themen. Die einen können ohne die anderen nicht überleben. Es gibt allerdings nach wie vor einen Arkanbereich des politischen Systems mit einer eigenen, von den Medien unabhängigen Logik: Da, wo wirkliche Entscheidungspolitik betrieben wird, bleiben die Türen fast immer geschlossen und Journalisten außen vor. Umgekehrt ist auch eine vollständige Kontrolle der Medienberichterstattung selbst bei absoluter Kongruenz zwischen Politikvermittlung und medialen Anforderungen nicht möglich – und auch nicht erwünscht. Die von politischen PR-Stellen angebotenen Inhalte müssen nicht zwangsläufig deckungsgleich in Berichterstattung umgemünzt werden. In einem freien Mediensystem bestehen immer starke Reibungsverluste. Durch die Pressegesetzgebung verfügen auch die Medien über einen starken Garanten für »ihren« Arkanbereich, zu dem die Politik keinen Zugang hat: die Freiheit der Meinung und Berichterstattung. Ein glanzvolles Beispiel für das Funktionieren dieses Bereiches ist die Aufdeckung des CDU-Spendenskandals zum Jahrtausendwechsel durch investigative Recherche. Die Wirkung, die die Medien auf die politische Meinungsbildung der Rezipienten ausüben, ist hoch umstritten. Nachdem man in der frühen Wirkforschung von einem vergleichsweise großen Einfluss besonders des Fernsehens auf die konkrete Wahlentscheidung des Einzelnen ausging, wurde diese Annahme durch die Wahlforschungen von Paul F. Lazarsfeld modifiziert. Das Columbia-Modell16, das er und andere entwickelt haben, geht davon aus, dass Massenmedien nicht die Umkehr

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von politischen Einstellungen bewirken können, sondern lediglich bestehende Auffassungen verstärken bzw. modifizieren. Folgt man dem amerikanischen Pionier Lazarsfeld, haben Massenmedien vor allem einen Einfluss auf das Meinungsbild der Menschen, die bei einem bestimmten Thema noch unentschlossen sind. Das Columbia-Modell wird allerdings mittlerweile wiederum von anderen Konzepten in Zweifel gezogen.17 Es gibt heute eine ganze Fülle von Ansätzen und Theoriegebäuden, die sich mit der Frage beschäftigen, wie groß der Einfluss von Medien auf die Entscheidung der Wähler ist. Eine verbindliche Antwort steht noch aus. Uli Gleich meint hierzu: »Die Befunde zur Form und Qualität von politischer Berichterstattung im Zusammenhang mit Wahlkämpfen verdeutlichen die vielfältigen, unterschiedlichen Wirkungspotentiale. Es ist daher kaum möglich (und darüber hinaus wenig sinnvoll), nach pauschalen Aussagen zur Wirkung von politischer Kommunikation auf Wahlen Ausschau zu halten.«18 In den letzten Jahren hat die Zahl der Inhalts- und Wirkungsanalysen, die sich mit Medien unter politischen Gesichtspunkten auseinandersetzen, stetig zugenommen. Diese Arbeiten konzentrieren sich meist auf das Fernsehen,19 einzelne Studien beschäftigen sich mit Printmedien.20 Auch werden immer häufiger vergleichende Untersuchungen zwischen politischer Zeitungs- und Fernsehberichterstattung vorgelegt.21 Deutlich unterrepräsentiert ist die Erforschung des Radios als politisches Medium. Das Fernsehen wird mittlerweile als das Leitmedium politischer Öffentlichkeitsarbeit schlechthin betrachtet. Es erfordert von Seiten politischer Öffentlichkeitsarbeit ein Höchstmaß an Medienkongruenz, verspricht aber auf der anderen Seite auch ein Höchstmaß an Reichweite. Neunzig Prozent aller Haushalte verfügen in Deutschland über mindestens einen Fernseher und nutzen ihn täglich häufiger als jedes andere Medium. Im Schnitt schauen wir knapp ein Fünftel unserer wachen Zeit auf die Mattscheibe. Der Preis, den die politische Öffentlichkeitsarbeit für diese enormen Reichweiten bezahlt, ist ein weitgehendes Entgegenkommen an die telemedialen Darstellungsmuster, die, verglichen mit Hörfunk- und Printmedien, wesentlich komplizierteren Produktionsbedingungen unterliegen: Das Sendeschema des Fernsehens ist starr und wenig flexibel. Während eine Zeitungsredaktion in letzter Minute noch einen Artikel aus dem Blatt schmeißen und durch einen anderen ersetzen kann, benötigen die TV-Programmmacher hohe Planungssicherheit,

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um die Produktionskosten niedrig zu halten. Sendeausfälle sind undenkbar und wären ein ökonomisches Debakel. Deshalb ist ein passgenaues Timing politischer PR gefordert, will man in den relevanten Formaten präsent sein.22 Nur ein geringer Anteil des Programms besteht zudem aus Nachrichten. Deshalb ist der Zwang zur redaktionellen Auswahl besonders groß. Die Chance, gerade mit seinem Thema präsent zu sein, ist umgekehrt besonders gering. Aus diesem Grund versuchen Berater ihr Klientel nicht nur in Nachrichtenformaten zu platzieren, sondern bieten Politiker auch für alle denkbaren anderen Formate wie Talkshows, Quiz- oder Kochsendungen an. Außerdem liegt es in der Natur des Mediums Fernsehen, dass es stärker auf Visualisierung, Verkürzung und Aktionshaltigkeit angewiesen ist als Zeitungen oder Radio. Diese Fixierung auf Bild und Aktion muss die politische Öffentlichkeitsarbeit bei der Vorbereitung ihrer Botschaften antizipieren. Nach dem Gesetz des Zeigezwangs hat alles, was nicht visualisierbar ist, im Fernsehen keine Chance auf Aufmerksamkeit. Der streitbare amerikanische Medienwissenschaftler Neil Postman hat in diesem Zusammenhang einen sehr böswilligen Satz geprägt: »Fernsehen bedeutet Darstellen, und Denken ist keine darstellende Kunst.«23 Besonders in politischen Talkshows ist ein Innehalten der Akteure für eine längere Denkpause tödlich für die Dramaturgie. Das Primat des Visuellen führt zu einer starken Fixierung auf Personen, Rituale und Symbole im Fernsehen. Dadurch entsteht zwangsläufig ein verzerrtes Bild von Politik, das oft jenseits des tatsächlichen Handlungsspielraums der politischen Akteure liegt. Komplexe politische Sachverhalte und Herausforderungen müssen in knappe, prägnante Bilder und Worte übersetzt, Lösungen am Fließband inszeniert und verbalisiert werden, weil das rund um die Uhr nachrichtenhungrige Fernsehen keine Zeit hat und nicht Monate auf frische »Ware« zu einem Thema warten kann. Die politischen Akteure »verkörpern« im wahrsten Wortsinn die Botschaften ihrer jeweiligen Partei. Dies ist keine einfache Aufgabe: Mit der Visualisierung von Informationen durch die Person des Politikers gewinnen Faktoren, die eigentlich rein gar nichts mit dem politischen Inhalt gemein haben, entscheidend an Bedeutung: der Tonfall des Akteurs, die Kleidung, die Körpergestik und -mimik, Frisur und Haut, Physiognomie. Kurz: Alles, was eindrucksrelevant ist und unter dem Begriff »Telegenität« subsumiert werden kann, tritt ins Zentrum und entscheidet

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darüber, ob der Inhalt der Botschaft »sauber« transportiert wird. Insbesondere bei Medienauftritten von Politkern, die die meisten Menschen nie persönlich kennen gelernt haben, steht auf der Wertigkeitsskala der Eindruck, den die Person hinterlässt, vor dem Inhalt, den sie vertritt. Die aus den USA stammende Theorie des »Impression Managements« hat diesen Zusammengang zwischen Eindruck und Inhalt an unzähligen Beispielen immer wieder nachgewiesen.24 Diese Tendenzen sind durch die Dualisierung des Rundfunks in Deutschland seit 198425 verstärkt worden. Sie hat für eine vorher nicht gekannte Konkurrenzsituation innerhalb dieser Mediensparte gesorgt, bei der die kommerzielle Orientierung am Publikumsgeschmack zum zentralen Erfolgsfaktor geworden ist. Dieser Druck wird zum Teil an das politische System weitergegeben: Während elektronische Bildmedien – besonders evident wird dies bei reinen Nachrichtensendern wie n-tv oder N24 – heute in Echtzeit Nachrichten produzieren müssen und hierfür permanent möglichst neue Informationen benötigen, ist die »Produktion« politischer Entscheidungen ein ebenso langwieriges wie komplexes Geschäft: »Die politischen Milieus brauchen in der Regel Monate, um einen neuen inhaltlichen Impuls zu verarbeiten …, und weitere Monate bis Jahre, bis er sich in der Gesetzgebung niederschlägt – während die Medien im Stunden-, höchstens Tagesrhythmus arbeiten.«26

»Auf den Kanzler kommt es an« Bei der PR-Arbeit der Bundeskanzler verteilen sich die zu spielenden Rollen häufig auf unterschiedliche Akteure und Ebenen. Der Sache nach ist der Regierungssprecher primär Sprecher des Bundeskanzlers. Er ist aber durch Urteile des Bundesverfassungsgerichts27 zur Zurückhaltung bei Wahlkämpfen in Bund und Ländern verpflichtet, insbesondere was Anzeigenschaltung und andere, rein werbliche Maßnahmen betrifft. Die Kanzler können in ihrem Stab (meist direkt im Bundeskanzleramt oder anderweitig in ihrem direkten Umfeld) aber auch Berater installieren, die für sie kommunizieren, ohne dass sie im engeren Sinne durch offizielle Funktionen an die Kanzlerpartei gebunden sind.28

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Übernommen werden können PR-Arbeiten aber auch durch kommerzielle, externe Berater und Agenturen, die in keiner Form an die politischen Organisationsapparate gebunden sind. Selbstverständlich spielen immer auch die Partei des Kanzlers und die dortigen PR-Stäbe eine wichtige Rolle bei der Kanzler-PR. Dies gilt insbesondere für die Zeit der Wahlkämpfe, in denen der Parteiapparat die Kanzlerkommunikation wesentlich mitsteuert. Hieraus ergibt sich ein ganzes Netz im Namen des Kanzlers kommunizierender Organisationen und Personen. Im Zusammenhang mit der PR der Bundeskanzler kommt noch ein weiteres, bedenkenswertes Moment hinzu. In viel stärkerem Maße als etwa die Opposition haben der Kanzler und sein Kabinett die Möglichkeit, alleine durch ihr materielles, exekutives Handeln Berichterstattung zu erzeugen. Ein eindrucksvolles Beispiel hierfür, dem sogar wahlentscheidende Bedeutung zugesprochen wird, ist Gerhard Schröders medienwirksame Inszenierung von Führungsstärke während der Oderflut. Besonders exklusiv wirkt sich dieser Bonus der Exekutive jedoch in der Außenpolitik aus, weil hier die Regierung praktisch die alleinige Handlungshoheit innehat. In nachrichtenarmen Perioden wie dem berühmten Sommerloch können Kanzler und Außenminister durch geschickt terminierte Staatsbesuche und Konsultationen für glanzvolle Schlagzeilen sorgen, während die PR-Manager der Opposition mühsam Nachrichten »erfinden« müssen. Die Bundeskanzler haben aber nicht nur einen handfesten, praktischen Vorteil gegenüber den Oppositionsführern in ihrer Medienarbeit. Der Zuschnitt des politischen Systems der Bundesrepublik selbst verschafft den Kanzlern ebenfalls einen Vorsprung. Der Bonner Politikwissenschaftler Karl-Heinz Niclauß beschreibt fünf Merkmale, die einen starken Kanzler auszeichnen und ihm die entscheidenden Trümpfe für die mediale Selbstdarstellung verschaffen: 1. das Kanzlerprinzip, also die vollständige Ausnutzung der verfassungsrechtlichen Möglichkeiten, die das Amt des Kanzlers zur Durchsetzung politischer Entscheidungen bietet, 2. das persönliche Prestige des Bundeskanzlers, das in der politischen Auseinandersetzung durch eine starke Personalisierung und kontinuierliche Medienpräsenz zum Tragen gebracht wird, 3. eine weitere Profilierung des persönlichen Prestiges durch ein stetiges, außenpolitisches Engagement des Bundeskanzlers,

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4. eine führende Rolle in der eigenen Partei, am besten in Form des Parteivorsitzes, 5. eine scharfe Polarisierung zwischen Regierungs- und Oppositionslager.29 Insbesondere die Außenpolitik ist seit Konrad Adenauer eine wichtige Domäne der Selbstdarstellung und des persönlichen Prestiges der Bundeskanzler in den Medien geworden. Die deutschen Kanzler haben sich auf diesem Feld traditionell durch »jene großen, symbolhaften Ereignisse und Gesten, die ihren Platz im nationalen Geschichtshaushalt gewonnen haben«,30 profiliert. Anders als in vielen anderen Demokratien gibt es praktisch seit Konrad Adenauer außerdem im deutschen Journalismus einen Amtsbonus für die Bundeskanzler. Der Regierungschef wird in der Berichterstattung positiver erwähnt als seine Herausforderer. Ein derartiger Bonus ist in den angelsächsischen Ländern praktisch unbekannt. Gerade in den USA werden der Präsident und seine Regierung in der Berichterstattung traditionell kritischer angegangen als die Opposition.

Konrad Adenauer (1949–1963)

Die Gründung der Bundesrepublik Deutschland steht fast in jeder Hinsicht für einen fragilen Neuanfang, der sich auf nichts berufen konnte als auf die Trümmer, auf denen er begonnen wurde. Die kollektive Schuld an millionenfachem Mord, der verlorene Krieg und der Untergang der deutschen Städte mit ihrem jahrhundertealten, kulturgeschichtlich bedeutsamen Gesicht, der Untergang des Alten Reiches und seiner gewachsenen Strukturen, kurz: die tiefe, nationalgeschichtliche Zäsur des totalen Zusammenbruchs 1945 ist ein weltgeschichtlich einzigartiges Ereignis ohne Vorbild, das bis heute historisch nicht vollständig aufgearbeitet und bewältigt ist. Der große, kürzlich verstorbene Publizist und Historiker Joachim C. Fest erinnert an den Untergang aus der Beobachterperspektive eines amerikanischen Zeitgenossen: »Mit Recht hat Harry L. Hopkins, Berater der beiden amerikanischen Kriegspräsidenten, beim Anblick der Ruinenfelder von Berlin ein Bild aus dem Halbdämmer der Geschichte herangezogen und an das zerstörte Karthago erinnert.«1 Derjenige, der die noch junge Republik lenken sollte, war bereits bei seinem Amtsantritt ein Greis. Konrad Adenauer hatte seine Sozialisation im wilhelminischen Kaiserreich erfahren, war vor den meisten Kanzlern der Weimarer Republik geboren, er war dreizehn Jahre älter als Hitler und wurde 1949 mit 73 Jahren im selben Alter Kanzler, in dem Otto von Bismarck seine Entlassung hatte hinnehmen müssen. Sein Arzt, Professor Martini, versicherte dem ehemaligen Kölner Oberbürgermeister, er könne die Aufgaben des hohen Amtes noch ein gutes bis zwei Jahre lang erfüllen. Aus dieser vagen Prognose wurde eine Ära von vierzehn Jahren, die Deutschland bis heute prägt. Damit regierte Adenauer länger als Hitler sein »tausendjähriges Reich«, länger als die sage und schreibe einundzwanzig Kabinette der Weimarer Republik

K ONRAD A DENAUER (1949–1963)

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zusammengenommen und länger als jeder andere deutsche Bundeskanzler, mit Ausnahme seines »Enkels« Helmut Kohl, der zwei Jahre länger im Amt blieb.

Große Gestaltungsspielräume und ein schwieriger Anfang Genauso wie in vielen anderen Bereichen galt auch und gerade für den Bereich der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und des Kanzlers ein völliger Neuanfang. Impulsgeber für den Aufbau einer funktionierenden staatlichen Öffentlichkeitsarbeit war Adenauer selbst. Er konnte als der erste Bundeskanzler beim Aufbau der Bundesrepublik Gestaltungsspielräume ausnutzen, wie sie keiner seiner Amtsnachfolger je wieder besessen hat. Das Modell der »Kanzlerdemokratie« – und damit verbunden auch die Rituale, Methoden und Institutionen der Selbstdarstellung der Kanzler – entwickelte sich in den Gründerjahren der Bundesrepublik zu einem nicht geringen Teil situationsbedingt aus der täglichen Erfahrung und Praxis heraus. Diese Gründerjahre müssen deshalb in jeder Hinsicht als Experimentier- und Lernphase für alle Amtsnachfolger betrachtet werden. Klaus Otto Skibowski, der letzte noch lebende Medienberater Konrad Adenauers, spitzt dies in unserem Interview auf den Satz zu: »Wir haben alles, was es an politischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland gab, bei Adenauer neu erfunden.« Dieser Satz ist in seiner Absolutheit sicherlich nicht haltbar. Er verdeutlicht aber die von allen Protagonisten empfundene Dimension des Neuanfangs auf diesem Feld nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Das Thema »Adenauer und die Medien« galt noch Anfang der neunziger Jahre als kaum erschlossen. Selbst Adenauers eigene, von außenpolitischen Themen geprägten Erinnerungen beinhalten nur wenige knappe Andeutungen zur politischen Öffentlichkeitsarbeit.2 Ausnahmen bildeten lediglich ein Aufsatz von Alfred Rapp, der selbst lange Jahre als Bonner Chefkorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung kritischer Kommentator der Politik Adenauers war3 sowie eine zeitgenössische Analyse von Robert Strobel in der Wochenzeitung Die Zeit.4 Außerdem

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finden sich vereinzelte Hinweise in Arnulf Barings Habilitationsschrift aus dem Jahr 1968.5 Die meisten dieser Analysen werten Adenauers Verhältnis zu Medien als hoch problematisch. Dieses Bild ist ein Versatzstück des Prismas, durch das die Ära Adenauer in den letzten Jahrzehnten meist betrachtet wurde: durch die Perspektive eines hochgradig restaurativen Staates. Dieses Globalurteil gehört fest zum Kanon eines alt-linken Geschichtsbildes, wie es zum Beispiel Fritz J. Raddatz vertritt, der vom »verschmockten Adenauer-Deutschland«6 spricht. Möglicherweise ist dieser einseitige Blick auf die Ära Adenauer, der durch die Achtundsechziger und ihre Apologeten bis heute in Feuilletons und wissenschaftliche Publizistik getragen wird, ein Grund dafür, dass die erstaunlich modern anmutende PR, die Adenauer und seine Berater in den fünfziger und sechziger Jahren betrieben, in Vergessenheit geraten ist. Das scheinbar zementierte Bild von Adenauer und seiner Beziehung zu Medien ist im letzten Jahrzehnt allerdings deutlich in Bewegung geraten. Angestoßen vor allem durch die Edition der Protokolle der »Teegespräche« Adenauers7, auf die wir später noch eingehen werden, liegen mittlerweile neben einem Tagungsband des Rhöndorfer Gesprächskreises zwei weitere Forschungsarbeiten vor, die ein neues, überraschendes Bild von Adenauers politischer Öffentlichkeitsarbeit zeichnen.8 »Einen neuen Goebbels brauchen wir nicht und wollen wir nicht, aber ein wirksamer Apparat mit einem presseerfahrenen Mann an der Spitze, das muss unbedingt sein!«9 Diese Forderung Adenauers verdeutlicht drei Problembereiche des Neuaufbaus politischer Öffentlichkeitsarbeit in Nachkriegsdeutschland: die belastende Hypothek des Dritten Reiches, die Frage nach der institutionellen Organisation von politischer PR und den Mangel an qualifiziertem Personal für die zu schaffenden Organisationsstrukturen. Die noch schattenhafte Gegenwärtigkeit des untergegangen Dritten Reiches erschwerte den Neuaufbau in jeder Hinsicht. Insbesondere im Bereich der Informationspolitik der Regierung und des Kanzlers selbst musste ein weitgehender Paradigmenwechsel vollzogen werden. Von 1933 bis 1945 hatte es keine politische Öffentlichkeitsarbeit im Sinne eines Angebotes politischer Informationen zur freien redaktionellen Aus- und Verwertung durch Medien gegeben. Meinungsbildung und

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Informationsverbreitung fanden in Form einer vertikalen Befehlskette statt, die durch Zwangsmaßnahmen sanktioniert und durchgesetzt wurde. Joseph Goebbels selbst hat wenige Wochen nach der Machtübernahme Hitlers deutlich gemacht, dass sein neu geschaffenes Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda (RMVP) kein Ministerium für Öffentlichkeitsarbeit, sondern – wie der Name bereits sagt – Propaganda war: »Wir wollen die Menschen so lange bearbeiten, bis sie uns verfallen sind.«10 Diesem Auftrag entsprach auch die Struktur des RMVP: Es war keine Informations-, sondern eine Befehlsstelle. Die Medien wurden als Instrumente staatlicher Propaganda monopolisiert, Informationen nicht angeboten, sondern verbindlich durchgesetzt. Die Reichspressekonferenz, die in der Weimarer Republik und später wieder als Bundespressekonferenz Instrument der Presseselbstverwaltung war, wurde staatliche Befehlsstelle, die dem RMVP unterstand. Hier wurden täglich Sprachregelungen, mitunter sogar detaillierte Anweisungen zur graphischen Gestaltung einzelner Presseartikel, ausgegeben. Die Propagandapraktiken des totalitären Staates konnten und durften kein Vorbild für die junge Demokratie sein. Auffallend ist aber, dass trotz der klaren – bisweilen überkorrekten – Distanzierung vom NSPropagandaapparat eine sprachsemantische Distanzierung in den fünfziger und zum Teil noch sechziger Jahren nicht stattfand. Politiker aller Couleur verwendeten den Begriff »Propaganda« – heute mit dem Stigma politischer Unkorrektheit belegt – weitestgehend vorbehaltlos für alle möglichen Formen von Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, PR und Propaganda gleichermaßen: Beispielsweise war Fritz Heine, in den Nachkriegsjahren mit Presseangelegenheiten der SPD betraut, offiziell für »Presse- und Propaganda-Arbeit« zuständig. Adenauer forderte, »daß das Fernsehen im Wahlkampf als ein Propagandamittel für uns bereitsteht«.11 Im Kanzlerwahlkampf 1953 schlug der damalige Chef des Bundeskanzleramtes, Otto Lenz, »wirklich moderne Propagandamethoden« vor.12

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Auf persönliche Weisung gegründet: das Bundespresseamt Der persönliche Gestaltungsspielraum Adenauers wird besonders beim Aufbau des Bundespresseamtes deutlich: Es gab keinen offiziellen Organisationserlass, sondern lediglich eine knappe Mitteilung des persönlichen Referenten des Kanzlers, Herbert Blankenhorn, an Finanzminister Fritz Schäffer. Hier heißt es lapidar, auf Weisung des Bundeskanzlers vom 12. Oktober 1949 sei ein eigenes Presse- und Informationsamt der Bundesregierung eingerichtet worden. Der Gründung des Presseamtes war der Aufbau des Bundeskanzleramtes vorausgegangen, der in ähnlicher Weise vollzogen wurde: Adenauer gründete es am 16. September 1949, bereits einen Tag nach seiner Wahl. 1950 wurde das Bundespresseamt die offizielle Abteilung II des Bundeskanzleramtes und damit dessen Chef Otto Lenz unterstellt. Die später erfolgte Ausgliederung des Bundespresseamtes aus dem Kanzleramt 1958 hatte organisatorische und persönliche Gründe. Durch die ständige Ausweitung des Amtes wurde ein Umzug aus der ehemaligen Ermekeil-Kaserne in die Nähe des Palais Schaumburg nötig. Felix von Eckhardt, der langjährige Regierungssprecher Adenauers, wurde zum Staatssekretär befördert und das Amt direkt dem Bundeskanzler unterstellt. Die Kurzbezeichnung »Bundespresseamt« und die teilweise heute noch gebräuchliche Bezeichnung »Bundespressechef« für den Regierungssprecher verleiten zu Missverständnissen. Das Amt und sein Amtschef sind der Presse gegenüber keinesfalls – wie der Name Glauben machen könnte – weisungsbefugt. Nach Artikel 5 des Grundgesetzes gilt die Freiheit von Presse und Berichterstattung. Eine Zensur findet nicht statt. Das Aufgabenspektrum des Bundespresseamtes umfasst bis heute die Information von Medien und Bevölkerung über alle Tätigkeiten der Bundesregierung, also auch aller Ministerien, sowie die Information des Bundeskanzlers über die Berichterstattung über seine Politik in in- und ausländischen Medien. Diese informatorische Aufgabe schließt auch persuasiv-werbende Aufgaben mit ein. Beides ist kaum voneinander zu trennen. Mit dem Bundespresseamt schuf sich Adenauer eine staatliche Dienstleistungsagentur für politische Öffentlichkeitsarbeit, die »one of the chancellor’s major instruments of power«13

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wurde. Diese Stellung hat das Amt bis heute. Den Bedeutungszuwachs, den die politische Öffentlichkeitsarbeit seit 1949 erfahren hat, dokumentiert der frappierende Personalzuwachs: Alleine von 1950 bis 1960 erhöhte sich die Mitarbeiterzahl des Bundespresseamtes von 176 auf 424 Bedienstete.14 Heute beschäftigt das Amt weit über 600 Mitarbeiter. Weitaus schwieriger als der organisatorische Aufbau gestaltete sich die Suche nach geeignetem Personal. Ein konsistenter Begriff und ein konsistentes Berufsbild politischer Öffentlichkeitsarbeit existierten noch nicht. Dies führte zunächst zu einer hohen Personalfluktuation: Bis zum 15. Februar 1952, also innerhalb von drei Jahren seit Gründung des Bundespresseamtes, wechselte Adenauer viermal seinen Regierungssprecher aus. Seine ersten Sprecher waren allesamt keine PR-Experten im eigentlichen Sinne, sondern entweder Beamte, die keinerlei Erfahrung im Umgang mit Medien hatten, oder Journalisten, die es schwer mit ihrem Rollenverständnis vereinbaren konnten, interessengeleitete Informationen an ihre Berufskollegen »zu verkaufen«. Sie hatten keinen direkten, vertrauensvollen Zugang zum Bundeskanzler. Der misslungene Start des Bundespresseamtes stellt einen Lernprozess dar, der erst mit der Berufung Felix von Eckhardts endete – einem Mann, der der Prototyp des Regierungssprechers in der Bundesrepublik Deutschland werden sollte. Von Eckhardt brachte Eigenschaften mit, die beispielsweise Andreas Fritzenkötter, der Medienberater von Helmut Kohl, in unserem Gespräch noch immer als wesentlich für eine erfolgreiche Arbeit als Kanzlersprecher herausstellt: journalistische Berufserfahrung, die dazu befähigt, sich in Arbeitsweisen und Denkmuster von Journalisten hineinzuversetzen, eine vertrauensvolle, auch persönlich enge Bindung und unmittelbaren Zugang zum Kanzler sowie schließlich ein politisches Rollenverständnis, verbunden mit der Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen. Von Eckhardt verfügte über reichhaltige journalistische Berufserfahrung. Seine Stationen vor dem Krieg waren das Hamburger Fremdenblatt, die Münchner Neuesten Nachrichten und das Stuttgarter Tageblatt. Nach dem Krieg wurde er Mitherausgeber und Verleger des Bremer Weserkuriers. Hinzu kamen dramaturgische und filmtechnische Kenntnisse, die er sich als Drehbuchautor im Austausch mit Regisseuren und Technikern erwarb. Anders als seine Vorgänger erlangte er zudem das Vertrauen, die Sympathie und unmittelbaren Zugang zu Adenauer. Mehr als bislang bekannt geworden ist, stieg

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Eckhardt außerdem nach 1955/56 neben dem damaligen Kanzleramtschef Hans Globke zur wichtigsten Beraterfigur hinter dem Kanzler auf und gehörte neben Heinrich Krone, Walter Hallstein, Herbert Blankenhorn und jenem Globke zum informellen »Küchenkabinett« Adenauers. Von Eckhardt war von Beginn an auch in die Wahlkampfplanungen Adenauers mit einbezogen. Er schaffte es mit einjähriger Unterbrechung von 1952 bis 1962, den Posten des Regierungssprechers fast ein Jahrzehnt lang zu halten, was ihm den Ehrennamen »der treue Eckhardt« einbrachte. Damit ist er der Regierungssprecher mit der längsten Amtsdauer. Seine Amtsnachfolger brachten es durchschnittlich nur auf etwa zwei Jahre.

Das Netzwerk von Otto Lenz Der Fehlstart des Bundespresseamtes veranlasste Adenauer immer wieder, für seine Außendarstellung auch nach personellen und organisatorischen Alternativen zu suchen. So entstanden neben dem Bundespresseamt weitere Zentren der gouvernementalen Öffentlichkeitsarbeit. Wesentliche Impulse für die PR-Arbeit der Bundesregierung in den fünfziger Jahren gingen vom Bundeskanzleramt und seinem ersten Amtschef Otto Lenz aus. Das Amt avancierte in dieser Phase zu einem »ThinkTank« politischer PR. Lenz wird gemeinhin als umtriebiger Manager der Öffentlichkeitsarbeit mit hohem Interesse an neuen, internationalen PRMethoden beschrieben. Genau aufgrund dieser Affinität hatte Adenauer ihn zum Amtschef berufen. An diesen Ambitionen sollte er später allerdings auch scheitern: Er brachte 1953 die Idee eines Informationsministeriums mit umfänglicher Zuständigkeit für PR und Informationspolitik unter Einbezug der Organisation Gehlen und anderer Geheimdienste ins Gespräch, worauf sich Adenauer von ihm distanzierte. Bereits leiseste Anzeichen eines Ausbaus des Bundespresseamtes zu einer Art staatlichem Informationsministerium weckten Erinnerungen an Goebbels’ RMVP und sorgten für einen öffentlichen Sturm der Entrüstung. Lenz wird häufig als der eigentliche »Bundespressechef« bezeichnet. Er baute ein ganzes Netzwerk an scheinbar unabhängigen PR-Organisationen auf, die für Adenauer Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Finan-

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ziert wurden sie meist im Verborgenen durch das Bundespresseamt. Diese Organisationen befassten sich mit der Informationsverbreitung und Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu den frühen Kernthemen: der neuen demokratischen Ordnung Deutschlands, der Westbindung, der europäischen Idee und der sozialen Marktwirtschaft, später dann vor allem mit dem schwierigen Thema der Wiederbewaffnung. Zu Lenz’ Gründungen gehörten das Europa-Bildungswerk e.V., die Gesellschaft Freies Europa, der Arbeitskreis europäische Politik, die Deutsche Atlantische Gesellschaft, die Gemeinschaft für christlich-soziale Schulung, der Bund aktiver Demokraten, das Institut zur Förderung der freien Wirtschaft, und die Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialpolitik – Haus Rissen. Außerdem gehörte die Bundeszentrale für Heimatdienst, die heutige Bundeszentrale für politische Bildung, zu diesen PR-Spinouts Adenauers.15 Lenz war außerdem der Kopf eines kleinen Zirkels von Kreativen, die sich jede Woche in Bonn trafen, um PR-Strategien für Adenauer zu entwickeln. Hier soll die Idee der »Teegespräche« Adenauers, auf die später noch Bezug genommen wird, entstanden sein. Klaus-Otto Skibowski meint hingegen, die »Teegespräche« mit Journalisten habe Adenauer schon in ähnlicher Form in seiner Zeit als Kölner Oberbürgermeister praktiziert. Außerdem wurde in diesem Zirkel, vor allem durch Erich Peter Neumann und seine Frau Elisabeth Noelle-Neumann, die Idee des Allensbacher Instituts für Demoskopie geboren. Ebenfalls eine Lenzsche Idee ist die so genannte Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise e.V. (ADK). Sie war die größte PR-Organisation Adenauers außerhalb des Bundespresseamtes. Im Jahr 1952/53 umfasste die ADK nach Angaben ihres ehemaligen Vorsitzenden Hans Edgar Jahn bundesweit bereits 17.000 Mitarbeiter, 5.000 Multiplikatoren sowie 500 Referenten.16 Der Stellenwert der ADK scheint umstritten. Jahn betont: »Nicht das Presseamt machte die PR für Adenauer, sondern die ADK.«17 Klaus-Otto Skibowski meint hingegen, die Rolle Jahns und der ADK würde heute häufig überbewertet. Die Organisation sei vor allem als ein neues, demokratisches Betätigungsfeld für ehemalige NSDAP-Angehörige geschaffen worden. Wenn auch die herausgehobene Rolle, die Jahn seiner Organisation für die PR Adenauers zuschreibt, nicht haltbar ist, so kann jedoch auch nicht bestritten werden, dass die ADK eine wichtige Säule im Strategie-Mix der Adenauer-PR

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darstellte. Sie wird oft als »gemeinnützige Public Relations Agentur« beschrieben18, die die Demokratie im Volksbewusstsein verankern und die Politik Adenauers vermitteln sollte. Ebenso wie die anderen, außerhalb des Bundespresseamtes operierenden PR-Organisationen Adenauers, trat die ADK offiziell als überparteilicher und unabhängiger Verein auf. Der Vorteil lag zum einen in der Finanzierung: Die ADK konnte Staatsmittel akquirieren, die aus dem geheimen Reptilienfonds Adenauers an verschiedene PR-Organisationen flossen. Der Begriff wurde für Adenauers geheimen Titel 300 »zur Förderung des Informationswesens« verwendet, stammt jedoch ursprünglich aus wilhelminischer Zeit: Aus dem Vermögen des entthronten Georg V. von Hannover hatte sich Bismarck 1869 einen Geheimfonds für Pressekampagnen angelegt, um »bösartige Reptilien zu verfolgen bis in ihre Höhlen hinein«.19 Zum anderen konnte die ADK als scheinbar überparteiliche Organisation Sympathisanten aus dem vorpolitischen Raum mobilisieren, die die CDU als Partei nicht erreichen konnte. Thematisch deckten sich die Schwerpunkte der ADK-Arbeit mit den Schwerpunkten der Regierungsarbeit Adenauers. Das gilt besonders im Zusammenhang mit der Wiederbewaffnung. Hier spielte die ADK sogar eine Schlüsselrolle. Besonders in der stark emotionalisierten Debatte um einen deutschen Wehrbeitrag wurden Instrumente moderner Öffentlichkeitsarbeit und klassische Propagandainstrumente gleichermaßen eingesetzt: In einem Brief einer »Margot aus Essen« an »Alle Frauen und Mütter«, der 1955 in einer Auflage von 300.000 Stück bundesweit versandt wurde, wird subtil mit Vergewaltigungsängsten gespielt, in dem auf die Massenvergewaltigungen beim Einmarsch der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg abgehoben wird. Der eigentliche Absender dieses Briefes, die ADK, wird nicht genannt.20 Zu den PR-Instrumenten der ADK gehörte die Kontaktpflege – modern gesprochen: das Networking – zum Aufbau eines Multiplikatorennetzwerks. Vortragstätigkeiten, das Verteilen von Schriften, Broschüren und Grafiken, das Vorführen von Bild- und Filmmaterial, die Organisation von Wanderausstellungen zu bestimmten Aspekten der Adenauer-Politik, aber auch die unmittelbare Generierung journalistischer Berichterstattung. Ab 1952 versorgte die ADK Journalisten mit einem dienstags und donnerstags erscheinenden Newsletter, den so genannten Politischen Informationen B. Inhalt war jeweils das bundespolitisch wich-

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tigste Thema der Woche. Zusätzlich erschienen monatlich die Politischen Informationen A, die zeitpolitische Zusammenhänge in einen größeren Rahmen einordneten. Die einzelnen ADK-Gliederungen fungierten zudem als bundesweite Stimmungsseismographen. Hans Edgar Jahn berichtete einmal monatlich an das Bundespresseamt. Interessant an der ADK ist auch die Person Hans Edgar Jahn selbst. Als einer der ersten in Deutschland hat er sich publizistisch mit Public Relations auseinandergesetzt.21 Deshalb gilt er heute in der deutschen Kommunikationswissenschaft als einer der Klassiker und wird oft in einem Atemzug mit den deutschen PR-Gründervätern Carl Hundhausen, Herbert Gross, Albert Oeckl und Friedrich H. Korte genannt. Neben dem in den Regierungsapparat eingebundenen Bundespresseamt und der formal unabhängigen, durch das breite Referenten- und Helfernetz zum Teil voluntaristisch organisierten ADK bestand ein drittes, scheinkommerzialisiertes Standbein der Adenauer-PR in verschiedenen, meist die Rechtsform der GmbH nutzenden Firmen. Diese Firmen führten alle die gleiche Adresse im Briefkopf und wurden auf Ebene der Geschäftsführung in Personalunion verwaltet. In der Geschäftskorrespondenz der Firmen Mobilwerbung GmbH Bonn, Deutsche Reportagefilm GmbH, Deutscher Filmdienst und Werbestudio 7 erscheinen immer die gleichen Personen, nämlich Peter Tinschmann und Ernst Thiel.22 Finanziell waren diese Firmen alle abhängig vom Bundespresseamt. Besonders erfolgreich operierte die Firma Mobilwerbung, die über mobile Filmwagen verfügte. Die Wagen waren jeweils auf der offenen Ladefläche mit einem Filmprojektor und einer Lautsprecheranlage, über die die Bevölkerung mobilisiert wurde, ausgerüstet. So konnten ohne Schwierigkeiten politische Informationsfilme auf eine beliebige Hauswand projiziert werden. Anhand der »Mobilwerbung« lässt sich die enge und subtile Verflechtung zwischen Bundespresseamt und den zahlreichen Ausgründungen und Tarnfirmen Adenauers anschaulich aufzeigen: Die Projektoren der Filmwagen waren ausnahmslos Bundeseigentum, das vom Presseamt kostenlos als »Dauerleihgabe« zur Verfügung gestellt wurde.

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Die organisatorischen Defizite der CDU Interessanterweise spielte die CDU für Adenauers politische Öffentlichkeitsarbeit besonders in der Frühphase lediglich eine marginale Rolle. Bis in die sechziger Jahre hinein war der Organisationsgrad der Partei im Vergleich zur SPD deutlich unterentwickelt. Schwarz spitzt dies so zu: »Von 1949 bis 1963 war das Bonner Bundeskanzleramt faktisch, wenngleich nicht dem Namen nach, die eigentliche Parteizentrale der CDU.«23 Die CDU entstand als Bundespartei erst 1950. Die grundlegenden Parteistrukturen, die heute den Kern der CDU-Organisation ausmachen, wurden erst nach Ludwig Erhards Rücktritt 1967 etabliert. Eine breit aufgestellte Mitgliederpartei mit Massenbasis wurde die CDU sogar praktisch erst durch die innerparteilichen Reformen der siebziger Jahre unter Generalsekretär Kurt Biedenkopf, an denen Helmut Kohl maßgeblichen Anteil hatte. Die schwache Organisation ist sicherlich ein Grund dafür, dass Adenauer auch für seine Wahlkampfkommunikation und persuasive Öffentlichkeitsarbeit in erster Linie auf das Kanzler- und das ihm zugeordnete Presseamt und seine ausgegründeten Hilfsorganisationen setzte. Hinzu kommt jedoch noch ein struktureller Aspekt, der für das Verständnis von politischer Öffentlichkeitsarbeit als demokratietragendem Element entscheidend ist: Die CDU war nach Gründung der Bundesrepublik wesentlich stärker auf Instrumente der Meinungsbildung und Anhängermobilisierung angewiesen als die SPD, die sich in den fünfziger und sechziger Jahren noch auf ihr traditionelles Wählermilieu und auf ihre Parteipresse stützen konnte. Die Union musste daher aus doppeltem Modernisierungsdruck – aufgrund ihrer organisatorischen Schwäche, aber vor allem wegen der Notwendigkeit, verschiedenste Milieus zu integrieren – der politischen Öffentlichkeitsarbeit einen wesentlich höheren Stellenwert beimessen. Das Prinzip einer modernen Integrationspartei, das die CDU verkörperte, war neu in Deutschland. Der amerikanische Parteienforscher Russel J. Dalton bezeichnet die CDU als »wahrscheinlich erste große Volkspartei in Zentraleuropa«24. Sie musste nach dem Krieg die Integration und Mobilisierung verschiedener Klassen, Konfessionen und Mentalitäten bewältigen. Dies konnte nur durch eine überzeugende Öffentlichkeitsarbeit gelingen, die sich ihrerseits geradezu als eine Erfolgsbedingung des Typs

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Volkspartei erwies. Zwar wird mit einigem Recht in der aktuellen Debatte immer wieder auf die Verwischung von gesellschaftlichen Milieugrenzen und dem daraus resultierenden Bedeutungsrückgang von Parteien hingewiesen, aber das Problem der Ansprache unterschiedlichster Milieus war bereits kurz nach dem Krieg evident und galt vor allem für die Volkspartei CDU. Die hier angerissenen organisatorischen Probleme zeigen, dass vor allem in den ersten Jahren kein eindeutig lokalisierbares Gravitationszentrum der politischen Öffentlichkeitsarbeit bestand, sondern viele Personen und Organisationen beteiligt waren, die ihrem eigenen Rollenverständnis nach jeweils die Hauptverantwortung zu tragen glaubten. Das Bundeskanzleramt, symbolisiert durch Otto Lenz, spielte in der frühen Adenauer-PR eine weitaus größere Rolle als bei den nachfolgenden Kanzlern. Dies sollte sich erst bei Helmut Kohl wieder ändern. Zuverlässig arbeitende, fest institutionalisierte Zellen der Öffentlichkeitsarbeit im Partei- und Regierungsapparat, wie wir sie heute kennen, fehlten der frühen Adenauer-PR. Deshalb verteilte Adenauer diese Aufgabe auf verschiedene Aushilfen. Es bestanden vielfache Überschneidungen, die mit dem heutigen Grad an Spezialisierung – am deutlichsten im Bereich kommerzieller Beratungsagenturen – nicht vergleichbar sind. Erst mit der Installierung von Felix von Eckhardt und dem Ausscheiden von Otto Lenz aus dem Kanzleramt fand die PR-Arbeit im Bundespresseamt zunehmend ein institutionalisiertes und personifiziertes Gravitationszentrum.

Homestories, »Teegespräche« und »Public Diplomacy« Der erste demokratische Wahlkampf 1949 war noch stark von Stilelementen der Weimarer Republik geprägt, und die Parteien waren organisatorisch und finanziell zu geschwächt, um aufwendige Kommunikationsarbeit zu leisten. Die Auseinandersetzung wurde hauptsächlich mit Hilfe von Plakaten, Broschüren und auf öffentlichen Versammlungen betrieben. Die Wählermobilisierung fand stark durch traditionelle

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Milieuorganisationen wie Kirchen, Vereinen, Verbänden und Gewerkschaften statt. Im Wahlkampf 1953 setzte die Union aber erstmals eine eigene Medienansprache ein. Neben der klassischen Mobilisierung über das Milieuvorfeld wurden Medien als unabhängige Größe konsequent einbezogen. Anders als die SPD konnte die CDU hierbei nicht auf eine starke Parteipresse zurückgreifen und war deshalb darauf angewiesen, sich frühzeitig auf die Bedürfnisse der Medien einzustellen. Adenauer, der von Klaus-Otto Skibowski als äußerst beratungsfähig dargestellt wird, ließ sich von Felix von Eckhardt und Werner Krüger, dem Chef vom Dienst im Bundespresseamt, dazu bewegen, sich unablässig den Medien zuzuwenden. Erstmals trat auch die CDU als Bundespartei vor den Wahlen 1953 verstärkt gegenüber der Presse in Erscheinung: 1952 wurde ein Einladungsverteiler mit CDU-nahen Journalisten für Pressekonferenzen mit Spitzenpolitikern erstellt. Außerdem wurden in allen Bundesländern, in denen keine CDU-freundliche Richtungspresse zur Verfügung stand, Pressebüros eingerichtet. Ein bundespolitischer Sonderdienst versorgte Redaktionen mit gut zitierbarem statistischen Material, das Erfolge der Bundesregierung dokumentieren sollte. Der Bonner Mittwochsdienst, ein Instrument der Imagepflege Adenauers, stellte den Journalisten einmal wöchentlich politische Informationen zur Verfügung, die in Form von Reportagen und Features mit Human Interest-Charakter in unterhaltender Weise aufbereitet waren. Damit wurde erstmals eine medienorientierte Informationspolitik betrieben. Diese Strategie erwies sich als derart erfolgreich, dass sie über den Wahlkampf hinaus als permanente Kampagne betrieben wurde. Günter Diehl, damals selbst im PR-Stab Adenauers und späterer Regierungssprecher Kiesingers, meint hierzu, mediengerechtes Verhalten sei bereits in den frühen Nachkriegsjahren Grundvoraussetzung für den Erfolg von Politikern gewesen.25 Auf Medien zugeschnittene Informationen wurden nicht nur in Schriftform angeboten. Es gab auch themenbezogene Wanderausstellungen der Organisation Tinschmann wie »Ein Leben lang lernen«, die bereits in erster Linie medienbezogene Kampagnen waren. Skibwoski betont ausdrücklich, dass die entscheidende Zielgruppe des damals populären Instruments »Wanderausstellung« nicht die Besucher, sondern die Journalisten waren.

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Anhand der damals üblichen Rhythmen lässt sich aber erkennen, dass der quantitative Informationsausstoß nicht mit heutigen Maßstäben vergleichbar ist: Otto Lenz erließ 1952 die Anweisung: »Wir müssen alle vierzehn Tage etwas Neues auf einer Pressekonferenz sagen können.«26 Zwei Wochen sind gemessen am heutigen Produktionszyklus elektronischer Medien eine halbe Ewigkeit. Ein besonderes Markenzeichen der Medienorientierung Adenauers ist die Instrumentalisierung der politischen Medienarbeit als Aushilfe für die mangelnde außenpolitische Handlungsfreiheit. Da die Bundesrepublik aufgrund der alliierten Bestimmungen noch keine souveräne Außenpolitik betreiben und dementsprechend auch noch nicht über ein Netz an ausländischen Vertretungen verfügen konnte, wurde Adenauers Interviewpolitik, die sich auf die in Deutschland damals sehr starke Gruppe der ausländischen Journalisten stützte, zur Ersatzaußenpolitik. Er versuchte in Hintergrundgesprächen mit internationalen Starjournalisten – zur Bonner Society gehörten damals herausragende Figuren wie Wellington Long von United Press, Harold King von Reuters Paris, Sidney Gruson und seine Frau Flora Lewis von der New York Times oder Henry Luce vom Time Life Magazin – zum einen herauszuhören, was die jeweiligen Regierungen planten, und zum anderen durch gezieltes Lancieren von Informationen auf die Politik des Auslands Einfluss zu nehmen: Die Korrespondenten meldeten die von Adenauer gestreuten Informationen an ihre Heimatredaktionen, und über die dortigen Medien gelangten sie in die offiziellen Kanäle der auswärtigen Ämter und Regierungsbehörden. Das immer wieder kolportierte Paradebeispiel für diese »Public Diplomacy«27, also die Beeinflussung des internationalen Stimmungsklimas über Medien, ist ein Exklusivinterview, das Adenauer einem Redakteur des Cleveland Plain Dealer gab. Diese nachrangige Provinzzeitung war nur deshalb für ihn von Wert, weil sie die Heimatzeitung des US-Präsidenten Harry Truman war. In dem Interview ließ der Kanzler durchblicken, dass er eine deutsche Wiederbewaffnung befürwortete. Mit dieser exklusiven Informationspolitik düpierte Adenauer zwar alle anderen in Bonn akkreditierten in- und ausländischen Journalisten, erreichte aber den einen Zeitungsleser, den er erreichen wollte: Harry Truman. Die persönliche Interviewdiplomatie Adenauers wurde allerdings auch häufig kritisiert; der SPD-Abgeordnete Gerhard Lütkens

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verglich sie zum Beispiel mit dem persönlichen Regiment Kaiser Wilhelms II. Ein weiteres herausragendes Beispiel für das Prinzip der Public Diplomacy ist die PR der Bundesregierung während des Berlin-Ultimatums Chruschtschows 1958: Um bei der internationalen Presse für den deutschen Standpunkt zu werben, wurde eine große, weltumspannende Kampagne initiiert. Vorbild waren diesmal nicht die USA, sondern Israel, das zehn Jahre zuvor im Zusammenhang mit seiner umstrittenen Staatsgründung versucht hatte, die Weltöffentlichkeit mit einer PRKampagne zu sensibilisieren. Internationale Chefredakteure wurden auf Kosten des Bundes nach Berlin eingeladen. Jeden Donnerstag gab es einen Pressetermin beim Regierenden Bürgermeister Willy Brandt. Zusätzlich erstellte Adenauers Stab einen Digest in vier Sprachen, der per Luftpost an einen weltweiten Presseverteiler, den eigens das Berliner Institut für Zeitungskunde von Emil Dovifat erstellte, verschickt wurde. Diese PR-Kampagne, die vor allem dem Ziel diente, auf die prekäre Situation in der »Frontstadt Berlin« aufmerksam zu machen, konnte immerhin ein Jahr lang durchgehalten werden. Wie sehr derartige historische PR-Leistungen mittlerweile in Vergessenheit geraten sind, zeigt die bereits zu Beginn erwähnte Darstellung von Richard Meng: Er wertet es als neuartiges Phänomen und Indiz für die zunehmende Professionalisierung des Zusammenspiels von PR, Politik und Medien, dass die Israelis heute mit Hilfe einer PR-Agentur um deutsches Verständnis für ihre Position im Nahostkonflikt werben.28 Das Beispiel der Adenauerschen PR-Kampagne beim Berlin-Ultimatum beweist aber vielmehr, dass die Strategie der »Public Diplomacy« ein alter Hut ist. Sogar die Tatsache, dass bei Richard Mengs Beispiel eine externe Agentur beauftragt wurde, entbehrt jedes Neuigkeitsgehalts. Selbst Entwicklungsländer haben solche Methoden bereits in den sechziger Jahren praktiziert. So wurde im Krieg zwischen Nigeria und der abtrünnigen Provinz Biafra eine Zeit lang vor allem die Position Nigerias in den Medien kolportiert. Biafra reagierte daraufhin mit der Beauftragung der Genfer Agentur H. Wm. Bernhardt. Diese PRAgentur versandte – ähnlich wie beim Berlin-Ultimatum – weltweit Informationsmaterial und flog Journalisten auf Kosten Biafras ins Kampfgebiet. Seitdem berichteten die Journalisten überwiegend aus der Sicht Biafras. Diese PR-Methodik stellte der Spiegel in einem großen

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Artikel 1968 dem deutschen Publikum vor29. Parallelen zur Methode des »Embedded Journalism«, die die USA im zweiten Irakkrieg einsetzten, drängen sich auf. All dies ist keineswegs neu. Aus den regelmäßigen Gesprächen mit ausländischen Journalisten entwickelte Adenauer eine frühe Affinität für das Wortlautinterview. Aus der Sicht des Interviewten bietet diese Darstellungsform einige Vorteile, weil es nur geringe redaktionelle Eingriffsmöglichkeiten gibt und der zum Abdruck vorgesehene Text zuvor nach journalistischer Gepflogenheit autorisiert werden muss. Solchen Gesprächen und ihrer Vorbereitung mit seinen Beratern räumte Adenauer ausgesprochen hohe Priorität ein. Demgegenüber mied Adenauer Pressekonferenzen. 450 Informations- und Interviewgesprächen stehen lediglich 93 Pressekonferenzen gegenüber, das sind nicht einmal sieben pro Amtsjahr.30 In späteren Jahren antwortete Adenauer auf Pressekonferenzen nur noch auf Fragen, die ihm vorab schriftlich vorgelegt wurden, und verkehrte den Zweck dieses PR-Instruments damit in sein Gegenteil. Einiges deutet darauf hin, dass es ihm in diesem Punkt an Routine und Gelassenheit im Umgang mit unabhängigen, kritischen Journalisten mangelte.31 Aus dieser Perspektive müssen auch die Versuche der Einflussnahme des Bundespresseamtes auf Redaktionen gewertet werden. Im Rahmen der Wiederbewaffnungskampagne wurden Wehrpublikationen verdeckt subventioniert und zum Teil redaktionell direkt aus dem Bundespresseamt gesteuert. Außerdem wurden mindestens fünfzehn, wahrscheinlich noch mehr Institutionen und Verlage, die Heimatvertriebenen-Zeitungen herausgaben, mit Beträgen zwischen 1.800 und 75.000 D-Mark bedacht. In der Studie von Ute Daniel zu Formen der Propaganda in Deutschland werden aber ausdrücklich auch der Rheinische Merkur sowie weitere, nicht näher bezeichnete »allgemeinpolitische Zeitungen«32 genannt, die durch »Patenschaftsabonnements« beträchtlicher Größe auf der Subventionsliste des Bundespresseamtes standen. Maßnahmen unmittelbarer Pressezensur waren in der Ära Adenauer offenbar in größerem Maße üblich als heute. Das bekannteste Beispiel hierfür ist die so genannte Spiegel-Affäre, die durch den am 10. Oktober 1962 erschienen Artikel »Bedingt Abwehrbereit« über das NATO-Manöver »FALLEX 62« ausgelöst wurde.

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Der wichtigste Bestandteil der Medienarbeit Adenauers sind die so genannten »Teegespräche«. Adenauer bezeichnete diesen informellen Hintergrundkreis, der ab April 1950 gewöhnlich im kleinen Kabinettssaal bei Tee und Gebäck stattfand, sogar »als wichtigstes Instrument modernen Regierens«33. An diesem exklusiven Kreis nahmen jeweils zehn bis fünfzehn vom Bundespresseamt ausgewählte Journalisten teil. Eine Einladung galt als Privileg. In diesen vertraulichen Gesprächen konnte Adenauer auf offene Weise die großen Linien seiner Politik darstellen und so um Verständnis bei den Journalisten werben. Schon 1951 gestand er in der Teerunde freimütig ein: »Natürlich erstreben wir die Mitgliedschaft bei [sic!] NATO.«34 So machte er seine Gesprächspartner zu Mitwissern und übte durch diese Nähe indirekt Einfluss auf sie aus. Die Teilnehmer dieser informellen Runden waren zwar alle handverlesen. Dennoch erhielten auch Journalisten, die eindeutig der Opposition verbunden waren, regelmäßig eine Einladung. Dieser Widerspruch zwischen Adenauers Furcht vor kritischen Journalisten auf der einen Seite und seiner aktiven, bisweilen modern anmutenden Pflege der Medien auf der anderen Seite bleibt unauflösbar. Die von Adenauer ins Leben gerufene Praxis der diskreten Gesprächskreise war grundlegend für die Praxis der kommenden Kanzler und das informelle Verhältnis von Politikern und Journalisten in Bonn. Anregungen für auf demokratische Medien zugeschnittene Inszenierungsstrategien holte sich Adenauers Stab aus den USA: »Mit Dr. Lenz stimmte ich überein, dass die moderne Öffentlichkeitsarbeit auf der Grundlage der in den USA und Großbritannien gewonnen Public-Relations-Erfahrungen betrieben werden sollte«.35 Hans Edgar Jahn gibt in seinen Erinnerungen an, er habe von Adenauer persönlich die Weisung erhalten, sich mit der PR-Arbeit der westlichen Demokratien zu befassen und ihm hierzu eine Überblicksstudie36 vorzulegen. Besonderes Interesse habe Adenauer an den USA und ihrem Auslandsinformationsprogramm sowie der Informations- und Kulturarbeit in Deutschland gehabt. Jahn selbst wurde 1954 Mitglied des Institute of Public Relations (IPR) in London, so dass nun auch über diesen Kanal Studien und Erfahrungsberichte anglo-amerikanischer PR-Praktiker in das Umfeld Adenauers gelangt sein dürften. Außerdem reisten immer wieder ADKFachleute in die USA, um vor Ort die PR-Arbeit in Wirtschaft und Politik zu studieren. Damit kann die These, eine Orientierung an ameri-

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kanischen Methoden politischer Öffentlichkeitsarbeit sei ein neues Phänomen, als widerlegt gelten. Ein Ergebnis dieser USA-Besuche ist die Idee des Wahlkampfsonderzuges von Adenauer. Jenseits des Atlantiks gehörten so genannte »Whistle-Stop-Campaigns« schon länger zum Wahlkampfritual. 1953 kam erstmals der ehemalige Zug von Hermann Göring zum Einsatz. Adenauer reiste mit dem Zug täglich zu mehreren Kurzkundgebungen und war dadurch in vielen Städten und Regionen präsent. Ein entscheidendes Merkmal der Mediatisierung war insbesondere die professionelle Medienbetreuung, die den Wahlkampfzug erst seine eigentliche Wirkung, nämlich die einer Schlagzeilenlokomotive, entfalten ließ. Journalisten durften mitreisen, genossen Sonderbehandlung in eigenen Speiseund Schlafwagen und wurden durch Referenten des Bundespresseamtes betreut. Adenauer selbst nutzte den Medienwagen seines Sonderzuges regelmäßig, um am Ende des Tages mit Journalisten Hintergrundgespräche zu führen. Die Lokaljournalisten der Zielorte, die der Zug ansteuerte, wurden im Vorfeld von Mitarbeitern des Bundespresseamtes mit Informations- und Bildmaterial versorgt. Diese Art der Kampagnenführung thematisierten die Medien als neuartig und modern: Adenauers Zug wurde zum »Kanzlerbüro auf Schienen« stilisiert und erhielt dadurch eine Aura des Professionellen. Bösch vergleicht dies explizit mit der Thematisierung der legendären »Schröder-Kampa« des Wahlkampfes 1998. Die »Thematisierung der Kampagnenstrategie als eigenes Medienthema«37, die in den Kanon der Merkmale eines modernen Zusammenspiels von PR und Medien gehört, war bei Adenauer durchaus vorhanden. Dies lässt sich zum Beispiel für den Wahlkampf 1957 auch empirisch stützen. Ein großer Schwerpunkt der Presseberichterstattung lag damals – bereits vierzig Jahre vor Schröder – auf der Kampagnenführung selbst: In den Zeitungen wurde kolportiert, die CDU habe einen Wahlkampfleiter aus den USA eingestellt und werbe amerikanisch. Die Berichterstattung konzentrierte sich also weniger auf die politischen Inhalte und viel mehr auf die Form der Kampagnen und die Personen, die an der Spitze standen. Eine political correctness, wie sie heute von den politischen Akteuren weitgehend akzeptiert wird, andererseits die politische Auseinandersetzung aber teilweise in ein rhetorisches Korsett weicher Allgemeinplätze zwingt, lässt sich für die Ära Adenauer nicht ausmachen. Der Ton, der –

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besonders im Wahlkampf – gepflegt wurde, war wesentlich aggressiver und deftiger. Drastische Polarisierungen, verbunden mit Negativzuweisungen an den politischen Gegner, gehörten zum Standardrepertoire. Umso verwunderlicher ist es, dass gerade die Strategie des »Negative Campaigning« als besonders neuartig deklariert wird. »Negative Campaigning« ist eine Methodik, die sich bis in die Anfänge des Politischen, bis in die antike Poliswelt Griechenlands zurückverfolgen lässt: Das radikal Parteiische der Politikvermittlung, das den Gegner mit rhetorischer Finesse ins Abseits stellt und ihn jedes Dialoges für unwürdig befindet, gehört seit jeher zur politischen Kommunikation und wird in medial strukturierten Gesellschaften lediglich verstärkt. Adenauer verstand es meisterhaft, einen möglichen Wahlsieg der SPD in düsteren Farben zu malen. Er sprach von »finis germaniae« und prophezeite, ganz Deutschland würde zu einem sowjetischen Satellitenstaat. Er scheute sogar nicht davor zurück, den ersten Nachkriegsvorsitzenden der SPD Kurt Schumacher wegen seiner körperlichen Versehrtheit herabzuwürdigen. Besonders aber Willy Brandt war Zielscheibe des Adenauerschen »Negative Campaigning«. Nach der Verabschiedung ihres Godesberger Programms im November 1959 für Marktwirtschaft und eine programmatische Öffnung der SPD bot sie als Partei ideologisch kaum noch eine Angriffsfläche. Deshalb griff Adenauer jetzt die Person Brandts direkt an. Berühmt geworden ist sein Seitenhieb auf die uneheliche Herkunft Brandts. Adenauer sprach von Brandt auf einer Rede in Regensburg im August 1961, unmittelbar zu Beginn des Berliner Mauerbaus, von »Brandt alias Frahm« (Willy Brandt ist das Pseudonym, unter dem der spätere Kanzler im norwegischen Exil lebte, Herbert Frahm sein Geburtsname). Diese persönliche und ehrabschneidende Attacke (mit einem Aliasnamen verbindet man gemeinhin Hochstapler, Betrüger und jede Art von Menschen, die etwas zu verbergen haben) auf den damaligen Regierenden Bürgermeister West-Berlins brachte Adenauer auch von CDU-nahen Medien jede Menge Kritik ein. Skibowski stellt die Situation als eine unbeabsichtigte Affekthandlung dar. Aus der schlüssigeren Darstellung von Schwarz geht aber hervor, dass Adenauer diese Aussage mehrfach an unterschiedlichen Orten wiederholte.38 Deshalb ist ein planmäßiger Angriff auf die Person Brandts wahrscheinlich. Derartige Angriffe zielten bereits auf politikferne Bereiche, nämlich die Privatsphäre Brandts, und können – in

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engem Zusammenhang mit der Öffnung der SPD zur gesellschaftlichen Mitte durch das Programm von Bad Godesberg – auch als Auftakt einer Entideologisierung der Politikvermittlung in Deutschland gedeutet werden.

Der Mythos Adenauer und die Personalisierung des Politischen Der Mythos Adenauer wirkt bis heute. Er wurde in der von Guido Knopp entworfenen ZDF-Sendung »Unsere Besten. Die 100 größten Deutschen« im Jahr 2003 mit Abstand Sieger. Interessanterweise wählten die Deutschen mit Willy Brandt, der Platz vier erreichte, einen weiteren Kanzler unter die ersten Zehn. Auf die Kanzlerschaft Adenauers trifft durchaus Max Webers Begriff der »charismatischen Herrschaft« zu, bei der die Personalisierung des Politischen eine entscheidende Rolle spielt. Adenauer verfügte ohne Zweifel über die »außeralltägliche Gnadengabe« des mythologischen Charismas.39 Die Wähler fügen sich bei dieser Form der Herrschaft dem Willen des charismatischen Führers, weil sie an den ethischen Charakter seiner Person und damit auch an den ethischen Gehalt seiner Politik glauben. Hans-Peter Schwarz spricht von einer »ganz ursprüngliche Freude an der Repräsentation« und nennt Adenauer einen »Helden der Medien« und »Meister der Regie«, der »mehr als zwei Jahrzehnte alle Künste des Medienzeitalters genutzt hat«.40 Kempski spricht von Adenauer gar als »kommunikativem Genie«.41 Aufschlussreich ist im Zusammenhang mit Adenauer auch ein Zitat von Herbert Blankenhorn: »Ich habe immer befürchtet, dass das Bürgertum, das politisch in den letzten sechzig bis siebzig Jahren so oft menschlich versagt hat, nicht in der Lage sein würde, eine Figur zu stellen, die etwas von dem Mythos einer Führerpersönlichkeit besitzt. Denn der Massenstaat […] lässt sich nicht allein von klugen Gesetzgebungsmaßnahmen und verstandesgemäß wohlüberlegten Reflexionen führen.«42 Blankenhorn sprach Adenauer eben jenes von Max Weber am Beispiel des britischen fin de siècle-Politikers William Gladstone beschriebene mythologische Charisma zu.

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Diese Gabe wird jedoch im Zeitalter der Postmoderne durch künstlich, vor allem massenmedial erzeugtes Charisma erweitert. Charismatisches Talent und professionelle Medieninszenierung verwischen. Postmodernes Charisma ist vor allem virtuell inszeniertes »Media-Manufactured-Charisma«43, das durch ein professionelles Imagemanagement hergestellt wird. Auch solche künstlich erzeugten Images orientieren sich an ethischen Zielvorgaben: Image ist »ein durch wohlkalkulierte Scheinhandlungen inszeniertes Kunstprodukt, durch das eine natürliche Person als Personifikation von Eigenschaften hingestellt wird, die in der Ethik ihres Gemeinwesens als besonders wertvoll angesehen werden«.44 Zu Adenauers charismatisch-dramaturgischem Talent kommt eine Personalisierungsstrategie in Form einer mediatisierten Inszenierung seines persönlichen Images. Klaus-Otto Skibowski legt dar, dass eine Personalisierungsstrategie ab 1952 – in dem Jahr, in dem sich die CDU in einem Stimmungstief befand – betrieben und Adenauer hierfür gecoacht wurde. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurde er als »Vater des Vaterlandes« inszeniert. Nach jedem seiner Auftritte wurde das Deutschlandlied gespielt, um mit Hilfe einer Okkupation nationaler Symbole das Bild der Kanzlerpartei und des Pater Patriae zu verstärken. Diese Rolle war dem Alter Adenauers durchaus angemessen und erfüllte zudem die Erwartungen des Publikums. Durch seine Erfahrung und sein Alter sprach Adenauer viele Menschen an, die sich nach den bitteren Erfahrungen des Dritten Reiches nach einer ethischen Vaterfigur sehnten. Adenauer wurde mehr als jeder andere Kanzler als Vaterfigur wahrgenommen. Kardinal Frings sagte in seiner Trauerpredigt im Kölner Dom: »Wir trauern um ihn wie um einen Vater.«45 Anders als Helmut Kohl war Adenauer aber kein volkstümlicher Konsenspolitiker, sondern galt als autoritativer Führer. Vor allem Rudolf Augstein hielt zeitlebens am Bild des Machiavellisten fest, das im Titel der amerikanischen Biographie Adenauer. Democratic Dictator46 zum Ausdruck kommt. Grundlegend für die personale Inszenierung Adenauers ist die so genannte »Outsider-Strategie«, die auch von späteren Kanzlern – vor allem aber von Gerhard Schröder – angewendet wurde. Adenauer gilt zwar ähnlich wie Helmut Kohl als ein starker Führer seiner Partei. In der öffentlichen Begründung seiner Macht distanzierte er sich jedoch von der CDU. Adenauer inszenierte sich als überparteiliche Führerfigur mit präsidialen Zügen. Die schwache Mitgliederbasis der CDU zwang

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dazu, breiteste Wählerschichten anzusprechen. Die Outsider-Strategie vermittelte ungebundenen Wählern das Gefühl, in erster Linie Adenauer, und nicht die CDU zu wählen. Die Union wurde damit zu einer personalisierten, staatstragenden »Kanzlerpartei«, deren Erfolg an die charismatische Person Adenauers gebunden war. Das Grundgesetz betont zwar eindeutig ein repräsentatives Modell. In der Ära Adenauer haben sich jedoch unter dieser Verfassungsoberfläche personal-plebiszitäre Elemente eingeschoben, die bis heute vorhanden sind. Dies zeigt sich insbesondere bei Bundestagswahlen, die seit Adenauer vor allem Kanzlerwahlen sind. »Deutschland wählt Adenauer« – so lautete 1957 ein Slogan, der dieses Prinzip verdeutlicht. Personalisierung von Politik wurde erstmals 1953 gezielt als strategisches Instrument eingesetzt. Sowohl Hetterich als auch Bösch betonen in ihren Ausführungen den innovativen Charakter dieses Wahlkampfes der CDU.47 Hetterich spricht von 1953 sogar als dem »Kristallisationspunkt der Personalisierung« und stellt sich damit gegen die landläufige Auffassung, erst das Duell zwischen Helmut Kohl und Rudolph Scharping im Jahr 1994 sei der Beginn einer Fokussierung der politischen Auseinandersetzung auf Personen. Diese Auffassung wird durch die fundierte Langzeitstudie von Jürgen Wilke und Carsten Reinemann gestützt. Sie kommt zu dem überraschenden Ergebnis, dass die Presseberichterstattung der vier größten Tageszeitungen 1953 über Auftreten, Äußeres oder Persönlichkeit der Kandidaten, vor allem über Adenauer, mit großem Abstand über dem Niveau der legendären Schröder-Wahl 1998 liegt.48 In den 1957er Wahlkampf ging die CDU sogar ohne klare Programmatik. Das Programm war Adenauer, der, wie bereits erwähnt, teilweise sogar ohne CDU-Signet auf den Plakaten erschien. Wesentliche Bereiche wie etwa ein mediengerechtes Ereignismanagement, die für die erfolgreiche Umsetzung einer Personalisierungsstrategie notwendig sind, wurden zu diesem Zeitpunkt von der CDU bereits abgedeckt. Vor allem die nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene Boulevardpresse und die Kinowochenschauen müssen als der Transmissionsriemen einer medienbezogenen Personalisierung bezeichnet werden. Im Bereich der Presse lassen sich bereits in den fünfziger Jahren Kommerzialisierungstendenzen erkennen. Es war also nicht das Fernsehen, das den ersten Beitrag zur Personalisierung leistete, sondern vielmehr die kommerzialisierte Presse, vor allem die Boulevardpresse. Der

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PR-Stab Adenauers passte sich den Bedürfnissen der neuen Boulevardmedien, die sich aus unterhaltenden Human Interest-Inhalten speisten, an, und bot ihnen genau das, was sie begehrten: biographische, anekdotische und private Informationen über den Kanzler. Adenauer kann in diesem Zusammenhang durchaus als der erste deutsche Politiker bezeichnet werden, der die Darstellungsform »Homestory« gezielt zur Wähleransprache einsetzte: Er lud Journalisten nach Rhöndorf ein und inszenierte sich vor den Pressefotografen als Rosenzüchter, Bocciaspieler und Familienvater. Gleiches gilt für die Pressebegleitung bei Adenauers Urlaubsreisen, vor allem nach Cadenabbia am Comer See. Bei all diesen – scheinbar privaten, aber gleichsam inszenierten – Ereignissen entstanden Bilder und Geschichten, die den Menschen Konrad Adenauer in die Wohnzimmer der Deutschen brachte. Diese Geschichten brachten, als unterhaltsame Illustrierteninhalte, den Verlagen Leser und damit Umsatz. Umgekehrt erhielt Adenauer breite Publizität. Bereits hier funktionierte also der Tauschmechanismus mediengerecht bereitgestellter, personalisierter Information gegen Publizität. Der beeindruckende Höhe- und zugleich Schlusspunkt der Personalisierungstrategie der Berater um Adenauer ist der Staatsakt für den toten Kanzler am 25. April 1967. Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass kein anderer verstorbener deutscher Nachkriegskanzler auch nur mit einer annähernd vergleichbar dramatisch inszenierten Totenfeier zu Grabe gebracht wurde. Adenauer-Biograph Hans Peter Schwarz greift auf der Suche nach Vergleichbarem weit in die Vergangenheit bis auf Friedrich den Großen zurück.49 Erstmals in der noch immer jungen Republik spielten nationale Symbole, der Bundesgrenzschutz und die Bundeswehr eine zentrale Rolle bei einem Staatsakt. Die Regie des Tages war stark inspiriert von der Bestattungsfeier Admiral Nelsons in London 1805. Der tote Adenauer wurde wie Nelson zu einem Heerführer und Kriegsheld des Vaterlands mythologisiert, indem sein Sarg – aufgebart auf einer Artillerielafette – mit dem Marineschnellboot Condor rheinaufwärts nach Rhöndorf überführt wurde. Der Rhein, Symbol sowohl für Adenauers Herkunft, Leben und Wirken als auch für Deutschlands Schicksal, wurde in dieser Inszenierung zum letzten Geleit des Toten. Seine Ufer säumten Tausende von Trauernden, Staatsmänner aus aller Welt erwiesen Adenauer die letzte Ehre. Auch Ben Gurion nahm an der Trauerfeier teil: Er erreichte die Zeremonie zu Fuß, weil sie

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am Sabbat stattfand und es Juden an diesem Tag untersagt ist, Auto zu fahren. Diese Geste ist vielleicht das bedeutsamste und zugleich anrührendste Zeichen für das persönliche Verdienst Adenauers um die Versöhnung der Welt mit Deutschland. Schwarz meint zur Totenfeier Adenauers: »Noch einmal zeigt sich bei Adenauers Tod, dass er ein Held der Medien und der einfachen Leute war. Journalisten säumten die Szenerie, doch wer mehr als zwei Jahrzehnte alle Künste des Medienzeitalters genutzt hat, darf sich beim Sterben nicht über Medienberichterstattung beklagen.«50

Außenpolitik als emotionales Medienereignis Die Profilierung des Kanzlers durch die Außenpolitik spielt bei Adenauer sicherlich eine größere Rolle als bei den späteren Kanzlern. Das Image Deutschlands im Ausland war nach dem Krieg und millionenfachem Mord völlig zerstört. Deshalb war die junge Bundesrepublik von Anfang an auf internationale PR-Aktivitäten angewiesen, um internationales Vertrauen zurückzugewinnen. Ziel der Bemühungen war es, Deutschland im Kreis der Völkerfamilie zu rehabilitieren. Dieses Ziel übersetzte Adenauer in symbolische Politik und die Inszenierung seiner Person. Viele seiner Inszenierungsbemühungen sollten die Gleichberechtigung zwischen ihm und den anderen Staatsmännern ausdrücken. Ein – eher profanes – Beispiel hierfür sind die Bilder von Churchill, de Gasperi, Eisenhower und Schuman, die jeweils signiert hinter Adenauers Schreibtisch hingen. Ein entscheidender Eckpfeiler der Profilierung seines Prestiges im In- und Ausland war der Dialog mit Israel. Schwarz meint, das Wiedergutmachungsabkommen vom März 1953 müsse als Teil der PR-Strategie Adenauers gesehen werden: »Das neue Deutschland lässt sich vor den amerikanischen Medien mit dem ratifizierten Wiedergutmachungsabkommen als Argument doch glaubhafter darstellen.«51 Das bereits im Inland spätestens seit dem Wahlkampf 1953 erprobte, medienorientierte Ereignismanagement wurde auch bei Auslandsreisen Adenauers intensiv betrieben. Auch auf diesem Feld hat der erste Bundeskanzler eine Tradition begründet, die sich für alle seine Nachfolger

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bis heute nachweisen lässt. Die Technik, Auslandsreisen mediengerecht zu inszenieren, um so Aufmerksamkeit und Medienpräsenz in positivem Umfeld zu generieren, gehörte bereits früh zum PR-Inventar Adenauers. Das wichtigste bei derartigen Auslandsreisen sind bis heute die mitreisenden Journalisten. Es gilt als common sense, dass die Staatsmänner sich bei solchen Spitzentreffen gegenseitig zu Publizität verhelfen. Die politischen Ergebnisse solcher Treffen auf höchster Ebene sind oft nachrangiger Natur. Einen ersten PR-Erfolg dieser Art konnte Adenauer durch seine USA-Reise 1953 feiern, die nicht nur bewusst in ein Wahljahr gelegt worden war, sondern in deren Anschluss Adenauer direkt zum Hamburger Bundesparteitag der CDU weiterreiste. Der Besuch war von Felix von Eckardt und dem Bundespresseamt mit Hilfe einer PRAgentur vorbereitet worden. Adenauer wurde von einem Tross deutscher Journalisten begleitet, die das Bundespresseamt in finanzieller und logistischer Hinsicht großzügig betreute: Ihnen wurden die Schiffsreise bezahlt, die Unterkünfte gestellt und 3.000 D-Mark Unkosten in Devisen erstattet. Eine derartige logistische Unterstützung von Journalisten bei Auslandsreisen gehört spätestens seit diesem Staatsbesuch zum Standardrepertoire der Kanzler-PR. Das Mitfliegen in der Kanzlermaschine ist heute nicht nur ein Privileg für ausgewählte Journalisten, sondern auch Teil einer Strategie der subtilen Einbindung der Medien durch das Zulassen von Nähe. Den inszenatorischen Höhepunkt der USA-Reise bildete die Kranzniederlegung auf dem Washingtoner Ehrenfriedhof Arlington. Eine amerikanische Militärkapelle spielte erstmals seit 1945 im Ausland wieder das Deutschlandlied. Die Botschaft, die von diesem Besuch ausgehen sollte, war die – durch Adenauers umsichtige Außenpolitik ermöglichte – Rückkehr Deutschlands in die Völkerfamilie. Die Szenen von Arlington waren derart emotionalisierend, dass daraus der Wahlkampffilm Ein Mann wirbt für sein Volk entstand, der in vielen Kinos als Vorfilm gezeigt wurde. Die »Mobilwerbung« brachte ihn auch in die kinolosen Dörfer. Auf dem Parteitag in Hamburg konnte Adenauer dann nahtlos an diese Emotionalisierung anknüpfen und sie auf den Wahlkampf übertragen. Ein weiterer, großer Erfolg gelang Adenauer 1955 im Rahmen seines Moskaubesuches. Eher nachrangig, im Schlepptau eines viel bedeu-

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tungsvolleren Ereignisses, nämlich der diplomatischen Anerkennung der Sowjetunion, erreichte er die Heimkehr der letzten 10.000 deutschen Kriegsgefangenen. Ihre Rückkehr wurde mit »psychologischer Raffinesse«52 in Szene gesetzt und damit in einen innenpolitischen Prestigegewinn ohnegleichen umgemünzt. Noch nach Adenauers Tod 1967 bezeichneten 75 Prozent der Deutschen die Rückführung der letzten Kriegsgefangenen als seine größte Leistung. 1957 galten Reisen dann bereits als wesentlicher, routinemäßiger Bestandteil der Kanzler-PR. Adenauers Besuch im Iran sorgte vor allem für Präsenz in der Regenbogenpresse, die sich für sein Zusammentreffen mit der schönen Kaiserin Soraya Esfandiari interessierte. Aufgrund ihrer deutschen Herkunft bildete sie in den fünfziger Jahren den Mittelpunkt der Berichterstattung der Illustriertenlandschaft und sorgte nun auch für bunte Sympathieberichte über den deutschen Bundeskanzler. Politik kam bereits in den fünfziger Jahren ein ums andere Mal – ganz unpolitisch – im Schlepptau der Unterhaltung und des Boulevards in die Wohnstuben der Deutschen. Der Besuch ausländischer Staatsgäste in Deutschland hatte die gleiche prestigesteigernde Wirkung. Herauszuheben ist der EisenhowerBesuch 1959, dessen Event-Management von Klaus-Otto Skibowski betreut wurde. Auch dieser Besuch wurde ein PR-Erfolg aufgrund der mediengerechten Planung: Die Ankunft Eisenhowers auf dem Regierungsflughafen Köln-Wahn wurde so terminiert, dass sie mit dem Büround Betriebsschluss zahlreicher Unternehmen an der Wegstrecke zusammenfiel. Die Straßen von Bonn nach Wahn wurden bereits eine halbe Stunde vor Eintreffen des Trosses gesperrt, so dass sich große Staus an der Route der Adenauer-Kolonne bildeten. Die Durchfahrt der Delegation wurde vorher mit Lautsprecherwagen durchgesagt. Die im Stau wartenden Menschen winkten Adenauer und Eisenhower selbstverständlich zu. So wurde ein positives Umfeld für die Pressefotografen geschaffen, die durch ihre Bilder die Botschaft kommunizierten: Deutschland jubelt Eisenhower zu.

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Süchtig nach Umfrageergebnissen Ebenfalls bereits in der Ära Adenauer lassen sich mit der Auslagerung von Kommunikationsaufgaben an externe PR-Dienstleister und Agenturen erste Professionalisierungstendenzen beobachten. Dazu gehört die bereits dargestellte PR-Arbeit der ADK, der »Mobilwerbung« und der anderen hauptsächlich von Otto Lenz ins Leben gerufenen PR- und Networking-Organisationen, die außerhalb der Regierungs- und Parteibürokratie agierten. Die Auslagerung von politischer PR wurde allerdings zunächst mit den einsetzenden sechziger Jahren wieder rückläufig. Beispielsweise schliefen die Aktivitäten der ADK bis zu ihrer völligen Auflösung 1969 mehr und mehr ein. Ein Grund hierfür ist sicherlich die nun beginnende Intensivierung und Institutionalisierung der politischen PR innerhalb des Parteiapparates und einer damit verbundenen, nichtgewerblichen Professionalisierung, wie sie für Deutschland bis heute üblich ist: Nach wie vor bündeln die Parteien ihre Politikvermittlungskompetenzen innerhalb ihrer Organisationen. Die Adenauer-CDU war vor allem die erste deutsche Partei, die ihre Kommunikation durch die Einbeziehung von Werbeagenturen und demoskopischen Instituten professionalisierte. Bereits für den Wahlkampf 1953 wurden die Werbeagentur Dr. Hegemann aus Düsseldorf engagiert sowie PR-Experten aus der Wirtschaft in die Planung mit einbezogen. Es ist bereits dargestellt worden, dass die Auslands-PR für die Rehabilitierung Deutschlands eine große Rolle spielte. Auch hier war man um eine Professionalisierung bemüht und übertrug diese Aufgabe frühzeitig an Agenturen vor Ort. Für die USA besorgte die deutsche Auslands-PR die Agentur Roy Bernard, für Großbritannien die noch heute aktive Agentur J. Walther Thompson. Bereits in der Ära Adenauer wurden also auch deutsche Kommunikationsziele im Ausland durch PR-Agenturen wahrgenommen. Adenauer galt außerdem als Kanzler der »Demoskopie«, der beinahe süchtig nach den neuesten Umfragergebnissen war. Schon seit 1950 beriet das neu gegründete Allensbacher Institut für Demoskopie die Bundesregierung. Die Ergebnisse der Meinungsforschung beeinflussten grundlegend die Inhalte und die Ausgestaltung des Wahlkampfs 1953. Elisabeth Noelle-Neumann und ihr erster Ehemann Erich Peter Neumann waren enge Berater Adenauers und seines Kabinetts nicht nur in

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Fragen der empirischen Sozialforschung, sondern auch auf dem Feld der Politikvermittlung. Im nächsten Wahlkampf 1957 wuchs die Bedeutung von externer Beratung weiter: Zusätzlich zur Agentur Hegemann wurden der Werbechef der Kölner Ford-Werke, der nach wie vor gute Kontakte zum ehemaligen Kölner Oberbürgermeister Adenauer hatte, in die Kampagnenplanung eingebunden und als PR-Berater Erich Peter Neumann engagiert. Ergänzend zum Allensbachinstitut seiner Frau Elisabeth, das vor allem Adenauers Kabinett beriet, wurde das EMNID-Institut durch die Partei beauftragt. Der Bedeutungszuwachs der Meinungsforschung im Laufe der fünfziger Jahre lässt sich auch quantitativ festmachen: 1960/61 entsprach die Anzahl der Studien bereits der Gesamtzahl der Jahre 1953 bis 1959.53 Nach dem Mauerbau 1961, der sich mitten im nächsten Wahlkampf ereignete, herrschte Ratlosigkeit, wie Adenauer und seine Mannschaft sich in den Slogans und Plakaten zu dieser dramatischen Zuspitzung des Kalten Krieges äußern sollten. Interessanterweise erwartete man hier zunächst den Rat von Werbeagenturen, die aber mit strategischer Kommunikationsberatung überfordert waren. Seitdem ging der Trend – ähnlich wie in den USA – immer stärker weg von einer Schwerpunktsetzung auf reine Werbeagenturen. Stattdessen wurde Politik- und Medienberatung immer stärker gefragt.

»… weil man mit dem Fernsehen wirklich an die Menschen herankommt« Am 1. November 1954 nahm die ARD offiziell den Sendebetrieb auf. Sie bestand damals aus fünf Sendeanstalten. Zirka 60.000 Teilnehmer konnten jeden Abend ein zweistündiges Programm verfolgen. Zur Bundestagswahl 1957 existierten dann immerhin schon 900.000 Fernsehanschlüsse. Die Sendezeit war aber noch immer auf wenige Stunden des Tages begrenzt. Politische Magazine tauchten erst 1960 mit »Anno«, das 1962 in »Report« umbenannt wurde, und mit dem 1961 erstmals gesendeten »Panorama« auf. 1965 kamen »Monitor« und »Report SWF«

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hinzu. Ein großer Erfolg wurde auch die von Hans Appel 1963 ins Leben gerufene ZDF-Sendung »Journalisten fragen – Politiker antworten«. Bis zu dieser Zeit zeichnete sich die journalistische Fernsehberichterstattung bei innenpolitischen Themen im Allgemeinen und bei Wahlkämpfen im Besonderen durch eine deutliche Zurückhaltung aus, die heute nicht mehr üblich ist. Dies deutet auf eine andere Kultur der politischen Berichterstattung des frühen Fernsehens hin. Umgekehrt war auch die Politik befangen gegenüber diesem neuen Medium: Anfang 1957 verweigerte beispielsweise der Bundestag mit Blick auf den Wahlkampf die sonst übliche Genehmigung, Fernsehbilder bei den Sitzungen aufzunehmen. Von einer »Telemediatisierung« der Politik Adenauers kann seriös kaum gesprochen werden. Dafür waren Reichweite und Sendeschema noch zu begrenzt, der Umgang mit dem Medium noch zu ungeübt. Ein Manko der vorliegenden Untersuchungen zur Adenauer-PR ist, dass sie nur den frühen Adenauer beleuchten. Hoffmann spannt seine Untersuchung bis 1955, Buchwald bis immerhin 1959. Deshalb ist wenig über Adenauer und das Fernsehen bekannt. Die Diffusionsphase des Mediums lag erst in den sechziger Jahren. Tendenzen zu einer verstärkten Bildhaftigkeit, verbunden mit einer Boulevardisierung, sind jedoch auch schon für die frühe Adenauer-PR in Konturen erkennbar: ADK-Chef Hans Edgar Jahn plädierte schon 1953 in seiner frühen PR-Publikation Vertrauen, Verantwortung, Mitarbeit für bildhaftes Politainment: »Der moderne Mensch bedarf nach der Hetze des Tages der geistigen Ausspannung. Er lehnt schwere Kost ab und greift nach der leichten und leichtesten, die ihm von zahlreichen illustrierten Zeitschriften und im Film zumeist in sehr banaler Zubereitung geboten wird … Vielleicht gelingt es, neue Methoden zu finden, auch politische Probleme in mehr bildhafter Form abzuwandeln und zu beantworten.«54 Ein Beispiel für die Umsetzung von Jahns Strategie sind Comicstrips, mit denen die Adenauer-Politik bildlich aufbereitet und so vereinfacht und boulevardisiert wurde. Die politischen Comic-Stripes der fünfziger Jahre lassen sich als frühe Form des Politainment bezeichnen: »Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt!«, ist der wohl bekannteste Slogan einer ComicKampagne zur Wiederbewaffnung.

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Außerdem ist ein Zusammenhang zwischen der steigenden Reichweite des Fernsehens und der schrumpfenden Bedeutung der »Mobilwerbung« zu erkennen: Letztere spielte in den Wahlkämpfen eine immer geringere Rolle, bis sie 1967 vollends eingestellt wurde. Hieraus lässt sich schließen, dass sie zunächst eine ähnliche Rolle wie später das Fernsehen in der politischen Öffentlichkeitsarbeit spielte, mit wachsender Reichweite des Fernsehens dann aber substituiert wurde. Adenauer selbst stand dem Fernsehen als neuem Unterhaltungsmedium vor allem mit Skepsis gegenüber. Moralische Bedenken gegen das »Unterhaltungs- und Schaumedium« spielten hierbei wohl eine entscheidende Rolle. Allerdings lässt sich klar nachweisen, dass der Kanzler und auch die ihn beratenden PR-Experten schnell die machtpolitischen Möglichkeiten des Mediums erkannten und für sich nutzbar machen wollten. Anfang 1960 zeigte er sich davon überzeugt, »dass die nächste Wahl entschieden wird durch die Fernsehsendungen und nicht durch Reden und auch nicht durch geleistete Arbeit, weil man mit dem Fernsehen wirklich an die Menschen herankommt«.55 Ein deutliches Indiz für das früh einsetzende Interesse Adenauers ist die sich wie ein roter Faden durch seine Kanzlerschaft ziehende, unablässige Kritik an der politischen Linkslastigkeit des Rundfunks. Von Anfang an war es sein Ziel, den staatlichen Einfluss auf die elektronischen Medien zu erhöhen. Ihm schwebte neben der durch die Länder kontrollierten ARD ein zweiter, vom Bund dominierter Fernsehsender vor, der zur Meinungsbeeinflussung im Sinne der CDU genutzt werden konnte. Am 25. Juli 1960 ließ Adenauer unter Umgehung der Länder einen Gesellschaftsvertrag und eine Satzung für die so genannte Deutschland Fernsehen GmbH notariell beurkunden. Der Bund fungierte als Alleingesellschafter. Dieses Husarenstück staatlicher Einflussnahme auf Medien zog unmittelbar Verfassungsklagen der Länder nach sich. Das erste Fernsehurteil des Bundesverfassungsgerichts erklärte Adenauers Pläne für verfassungswidrig. Stattdessen gründeten die Länder das ZDF. Die fernsehpolitischen Ambitionen Adenauers brachten jedoch aus seiner Sicht zumindest einen Teilerfolg: Das Monopol der ARD war gebrochen, ein gewisser Einfluss des Bundes auf das ZDF im Vertrag verankert, und mit Karl Holzamer wurde sein Wunschintendant der verbotenen Deutschland Fernsehen GmbH jetzt Gründungsintendant des ZDF.

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Es konnte zwar noch keine Fernsehfixierung der Politik in der Ära Adenauer stattfinden. Deutlich wird aber zum einen, dass bereits zu einem frühen Zeitpunkt nach Lösungen für eine Übersetzung von politischen Botschaften in unterhaltsame und einprägsame Bilder gesucht wurde. Zum anderen wird klar, dass das Fernsehen von Beginn an zum Spielball machtpolitischer Erwägungen wurde. Seit dieser Zeit betreiben besonders die Parteien nicht nur politische Medienarbeit, sondern auch Medienpolitik. Die Gestaltung des Rundfunksystems war durch die von Adenauer ausgelöste Gründung des ZDF für fast zwei Jahrzehnte abgeschlossen und sollte erst wieder in der Ära Kohl auf das politische Trapez geraten.

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Interview mit Klaus-Otto Skibowski Klaus Otto Skibowski (*1925) begann seine berufliche Karriere beim Nordwestdeutschen Rundfunk in Hamburg, wurde Chefreporter in Kassel, Chef vom Dienst bei der Katholischen Nachrichtenagentur in Bonn und Chefredakteur in Berlin. Als Mitarbeiter im PR-Stab von Konrad Adenauer begleitet er diesen auf zahlreichen Auslandsreisen. Können Sie zu Beginn des Gespräches kurz erläutern, wie Sie organisatorisch in die Pressearbeit Adenauers eingebunden waren? K LAUS -O TTO S KIBOWSKI : Ich bin der letzte noch lebende Mitarbeiter des Anfangsteams von Adenauer, bis auf seine zwei Sekretärinnen. Ich war kein Beamter, sondern hatte einen Vertrag mit Konrad Adenauer, der Fragen der Öffentlichkeitsarbeit umfasste. Er war von mir als Parteichef und als Bundeskanzler zu betreuen. […] [Hans] Globke hat mir einmal gesagt, das sei eigentlich meine Stärke gewesen. Keiner wusste eigentlich, wo ich herkomme und angesiedelt bin, ich habe einfach gesagt, das und das wird gemacht, und das wurde gemacht. Sind Sie von Ihrem Bildungshintergrund Journalist, oder … Ich bin seit 1946 Journalist. Zuerst in Hamburg, bin dann nach Hessen gegangen als Chefreporter der HNA, die hießen damals noch Hessische Nachrichten. Bin dann 1952 von der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) zum Aufbau weggeholt worden, weil ich fotografische Erfahrungen aus den USA hatte. Die haben wir in München und Bonn aufgebaut und bin da direkt – ich vermute von Werner Krüger oder von [Otto] Lenz – entdeckt worden und dann in Adenauers Stab gekommen. Am Anfang war der Schwerpunkt meiner Arbeit die Umwandlung von Politik in Bilder, weil ich der Überzeugung war, nur mit Texten kommen wir nicht mehr durch. PR habe ich mir dann mehr oder minder selber beigebracht. Gut, ich habe mich ein bisschen umgesehen, bei Oeckl und anderen. […] Ich möchte noch einmal auf Ihre Position zwischen Presseamt und Bundeskanzler zurückkommen. Wo genau würden Sie sich denn in diesem Gefüge verorten? Kann man Ihre Rolle mit der Eduard Ackermanns unter Helmut Kohl vergleichen?

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In den Glanzzeiten war ich natürlich ein Stück mehr als Edi. Edi hatte bei Kohl aber einen viel größeren Einfluss als ich bei Adenauer. Das lag aber an der Konstruktion Kohls. Kohl war eher der Kumpeltyp, Adenauer war ein »Herr«. Edi war für Kohl der Nachrichtenbeschaffer und derjenige, der wichtige Sachen über die Chefredaktionen gut vermitteln konnte. Und da er von Barzel sehr schlecht behandelt worden ist – bei mir war das genauso der Fall, obwohl er ein Vetter von mir ist –, würde ich sagen, kam das bei Kohl richtig raus. Bei uns war Felix von Eckhardt derjenige, der die Dinge nach außen verkaufte. Die wirkliche Arbeit hat Werner Krüger gemacht, und die PR-Strategie und -Ausführung bei Events und Veranstaltungen habe ich gemacht. Ich war ja dann zeitweise auch wieder ganz draußen, weil nichts zu tun war. Bei allen Wahlen, auch Landtagswahlen und so weiter, war ich aber voll dabei. Politisch bin ich 1957 im Auftrag Adenauers in Warschau gewesen. Ich stehe in polnischen Geschichtsbüchern als derjenige, der die deutschpolnischen Beziehungen nach dem Krieg wieder aufgenommen hat. Und zwar nicht mit der Regierung, nicht wie Willy Brandt mit den Kommunisten, sondern mit Kardinal Wyszynski und so weiter. Ich habe dann auch den ersten Bericht aus Polen an Adenauer gegeben. Wer gehörte genau zu Ihrem Team? Werner Krüger (später Kommunikationschef des Beamtenbundes) und dann wechselnde Leute je nach Schwerpunkt. Das Vorkommando bei Events waren meist ich und zwei Kriminalbeamte, der Chef war Werner Krüger und Lenz oben drüber als Chef des Kanzleramtes. Was mir heute immer wieder auffällt, ist, die PR-Leute machen PR für sich und nicht für ihre Auftraggeber. Bei uns wusste doch niemand, wer man war. In Bonn wusste natürlich jeder, wer was machte, das ist klar, aber nicht die breite Öffentlichkeit. Ich erinnere mich noch an eine Episode mit Pierre Salinger, der war bei mir am Tag des Bundespresseballes, und ich sagte ihm: »Komm doch mit!« Also rief ich beim Journalistenverband an und sagte, ich brauche noch eine Einladung für Pierre Salinger. Da hieß es dann: »Wer ist denn das?« Da musste ich denen erst mal klar machen, dass das der PR-Chef von Kennedy ist. Die Berater sind aber heute die eigentlichen Stars.

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Nach dem Krieg gab es in puncto politische Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland bestimmt viel nachzuholen? Wir haben alles, was es an politischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland gab, bei Adenauer neu erfunden. Und zwar nicht nur nach amerikanischem oder englischem Vorbild – die englischen und die amerikanischen Wahlkämpfe sind völlig anders als die deutschen –, aber wir haben uns überall auf der Welt, zum Beispiel von den Israelis, Dinge abgeschaut, die wir dann völlig neu für Deutschland erfunden haben. Es ist dann später immer geschrieben worden, Willy Brandt habe als erster Fahrten durchs Land gemacht. Die ersten Fahrten durchs Land hat Adenauer gemacht. Mit fünf Lautsprecherwagen vorweg. Das war alles sehr gezielt und planvoll organisiert, mit dem Ziel, das Kernimage von Adenauer zu stärken, denn … erst einmal muss man natürlich wissen, dass Adenauer eine völlig andere Politik machen musste als alle seine Nachfolger: Das Ziel Adenauers war, Deutschland wieder in den Kreis der anerkannten Völker zurückzuführen. Deutschland hatte ein Riesenglück mit Adenauer; denn er war genau der Typ, der aus der untersten Mittelschicht kam. Sein Vater war angeblich Leutnant gewesen. Das hat der »Alte« selbst in seine erste Biographie, die bei Kindler erschienen ist, rein redigiert. Diese Biographie hat Adenauer von vorne bis hinten im Grunde selbst geschrieben. Er hat sogar die Interviews, die mit anderen Leuten geführt worden sind, geändert. Da er mit Ellbogen zielgerichtet in die richtige Schicht aufgestiegen ist – er hat richtig geheiratet, er ist in den richtigen Tennisclub gegangen, er war auf dem richtigen Gymnasium, er hat sich so hochgearbeitet –, war er der richtige Mann, um Deutschland wieder genauso an die Völkergemeinschaft heranzuführen: Schritt für Schritt, ohne dass die anderen merkten, dass er schon zwei Schritte weiter war. Adenauer war 1945 ja überhaupt nicht bekannt. Als er ins Kanzleramt kam, gab es darum überhaupt keine Öffentlichkeitsarbeit. Adenauer hatte keine eigene Presse, keinen Rundfunksender, auch der Bayerische Rundfunk war nicht pro CDU, sondern gehörte mehr der Bayernpartei. Die Medienwelt wurde neu aufgebaut. Sie stammte aus den Besatzungszeiten. Man hat später kolportiert, Lenz hätte die entscheidenden PR-Ideen gehabt und Medienwirksamkeiten aufgebaut. Der Einfluss des Kanzlers blieb gering. Dabei hatten wir einen Rundfunkmann im Team. Ich war

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für alles andere zuständig, vor allem für Events und Wahlkämpfe, und wir hatten das Presseamt, das nicht funktionierte, bis Felix von Eckhardt kam. Vorher war der einzige, der immer da war, der Chef vom Dienst [?] Schulze. Er gab die täglichen Meldungen und Verlautbarungen der Bundesregierung heraus. Die PR-Arbeit musste sich im Wesentlichen neu entwickeln. Kern dieser Arbeit war der vorpolitische Raum. Die Partei CDU gab es ja mit dem heutigen Organisationsgrad noch nicht. Als [Josef Hermann] Dufhues Generalsekretär der Partei wurde, hat Adenauer ihm gesagt, er solle sich um Presse und Rundfunk kümmern, da sagte er: »Das ist nicht meine Aufgabe.« Also das heißt: PR lief nicht über die Partei. Es gab aber einen wichtigen Pressedienst der CDU unter Adenauer. Dieser Dienst sollte vor allem das Image Adenauers pflegen, auch mit Anekdoten. Drei »Anekdotendichter« wurden voll bezahlt. Der Dienst enthielt vor allem Reportagen und Features, die das Fleisch um die täglichen Meldungen legen sollten. Schwerpunkt war immer aufgrund der Aufgabenstellung, Deutschland wieder in den Kreis der Völkerfamilie zu führen, die Außenpolitik, nicht die Innenpolitik. Entwickelt wurde die PR für das Ausland im Wesentlichen von Günter Diehl, dem ersten Pressechef des Auswärtigen Amtes. Dabei hatten wir erstens kein Geld, zweitens hatten wir keine Leute und – das Image Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg war total kaputt. Also was tun? Diehl sagte sich, wenn wir im Ausland deutsche Interessen geltend machen wollen, müssen wir über die ausländischen Journalisten in Deutschland gehen. Die ausländische Presse war damals in Deutschland sehr stark vertreten, jeder amerikanische Rundfunksender hatte in Deutschland mindestens einen Korrespondenten. Gleiches gilt für den Zeitungsbereich. Diese Journalisten – Journalisten sind immer eitel – folgten Einladungen Adenauers, der in Personalunion auch Außenminister war, sie kamen zum Bundeskanzler. So entstanden die Teegespräche. Diese Teegespräche waren im Grund eine Fortführung der Tee gespräche, die Adenauer schon als Oberbürgermeister von Köln erfunden hatte. Die Korrespondenten berichteten die Inhalte an ihre Heimatredaktionen und über die dortigen Medien gelangten die Informationen in die offiziellen Kanäle der Auswärtigen Ämter, in England, Frankreich, Amerika und so weiter und hatten Wirkung. Und diese Wirkung war groß.

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Zweiter Aspekt der Teegespräche war, dass Adenauer von den Journalisten Informationen erhielt. Adenauer nahm dabei Journalisten ernst. Das ist zum Beispielt etwas, was Gerhard Schröder nicht tut, was Helmut Schmidt am Anfang gar nicht konnte … und Kiesinger sowieso nicht. Kiesinger hatte noch die Goebbelssche Pressearbeit als BefehlsPR gekannt. Wichtig war auch, dass Adenauer sich nicht sträubte zu tun, was seine PR-Leute vorschlugen. In Planbesprechungen wurden die Linien festgelegt, dann konnten wir ausarbeiten, was geschehen musste, wenn er auftrat. Der erste Besuch der Queen in Deutschland war ein Beispiel dafür. [Sigismund von] Braun war eigentlich der Protokollchef, aber in Wirklichkeit sagte Braun meist: »Ski, nun mach mal.« So wurde der Ablauf von Veranstaltungen so geplant, dass Adenauer bei den entscheidenden Punkten auftrat und dass die Presse diese Auftritte richtig transportieren konnte. Adenauer führte seine Partei übrigens nach klassischem Muster, wie man eine Partei in einem demokratischen Land führen muss. Das bedeutet, der örtliche Parteivorstand braucht Geltung. Um diese Geltung zu erhalten, will er einen prominenten Spitzenpolitiker bei seinen Veranstaltungen als Gast haben. Das Wesentliche für Adenauer war nicht die Rede bei diesen Veranstaltungen. Nach der Rede saß er dann mit dem Vorstand zusammen und kaufte den für seine Politik ein. Das ist die klassische Führungsform in einer klassischen Demokratie. Die ist erst geändert worden, seitdem das Fernsehen mit zweiten und mehr Programmen sendet, und da geht es nicht darum, ob die privat oder öffentlichrechtlich sind, das ist völlig unwichtig. Sie haben jetzt einen weiten Bogen geschlagen, eigentlich wollten Sie etwas über den Queen-Besuch berichten. Ach ja, der Queen-Besuch … wie gesagt, da wurde … nehmen Sie … noch viel besser die Eisenhower-Visite. Also Eisenhower in Deutschland. Der Besuch wurde so terminiert, dass Eisenhower um 17 Uhr auf dem Flughafen ankam, weil die Betriebe an der Fahrtstrecke um 17.30 Uhr Schluss machten und die Leute auf der Straße standen. Es kommt keiner, wenn Sie morgens in der Zeitung schreiben, um 17.30 Uhr kommt Eisenhower, wenn Sie aber zehn Minuten vorher mit Lautsprecherwagen bekannt geben: »In zehn Minuten kommt Eisenhower!«, dann bleiben alle stehen. Die Fahrtstrecke haben wir ja durch Siegburg

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ins Siebengebirge gelegt. Die Stadt Siegburg wollte zuerst nicht, weil Siegburg im Krieg auf Befehl Eisenhowers bombardiert worden war. Aber das Politische war eigentlich gelaufen, als Deutschland Eisenhower auf der Fahrtstrecke zujubelte, und sei es nur, weil sie ohnehin warten mussten. Als Eisenhower im Bundeskanzleramt ankam – das Problem war ja noch, er hatte kurz vorher einen Herzinfarkt gehabt –, war er begeistert, wie später Kennedy. Adenauers großer Auftritt in Amerika war 1953 in Arlington. Den hatten wir auch von hier aus mitgeplant. Adenauer reiste mit dem Schiff in die USA, damit er das Problem mit der Zeitverschiebung nicht hatte, flog dann aber mit dem Flugzeug zurück. Ich war in Deutschland geblieben, weil ich den Parteitag in Hamburg vorzubereiten hatte. Er brauchte dort nichts weiter, als Arlington zu schildern und darzustellen, dass Deutschland jetzt gleichberechtigt sei. Es gab ja noch kein Fernsehen, die Leute hörten Rundfunk. Veröffentlichte Bilder mit der deutschen Flagge sagten mehr aus als tausend Worte. Ich habe gelesen, dort sei auch eine PR-Agentur an den Planungen beteiligt gewesen? Wir hatten in Amerika eine amerikanische PR-Agentur, die einiges zu tun hatte, zum Beispiel mussten in den USA die Telegraphie und Fernschreibmöglichkeiten sichergestellt werden. Amerikanische Journalisten sind ja – gerade wenn es White-House-Journalisten sind – verwöhnt. Das muss organisiert werden. Wir hatten diese PR-Agentur im Wesentlichen dafür und auch dafür, dass die Reden des deutschen Bundeskanzlers ins amerikanische Protokoll des US-Parlaments kamen. Dafür war die Agentur im Kern unter anderem da. Das Negative, das Adenauer mitbrachte – und das galt auch für Deutschland –, war: Er war unbekannt. Es gab ja immer noch kein Fernsehen. Wir haben also dann die erste Biographie von ihm produziert. Dann haben wir ständig Fotos und Interviews den Zeitungen zur Verfügung gestellt. Wir riefen die Journalisten an und teilten ihnen mit, der Kanzler kommt da und da hin. Es fand ja fast alles außerhalb Bonns statt. Ich habe in Wahlkämpfen 78 Kanzlerinterviews gegeben, die er nie gesehen hat, die Fragen waren nämlich immer dieselben, und was er sagte, wussten wir. Bestenfalls hat dann Felix von Eckhardt noch drüber geguckt. Jeder, der etwas wollte, bekam das, was er wollte. Dann hatten wir noch die Idee mit der Polaroidkamera, wenn Adenauer zum Beispiel

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einem Bürgermeister die Hand drückte: einfach draufgehalten mit der Polaroid. Das Foto kriegte dann der Bürgermeister, aber natürlich erschien das Bild in der örtlichen Presse. Wir hatten also langsam den Umgang mit der allgemeinen Presse gelernt, gingen auf Human Interest und machten Adenauer bekannt. Das Hauptproblem war sein Alter. Das Alter erforderte eine ständige Strategie, denn jeder hatte in seiner Familie einen Greis, der 70 und älter war. Das fing damit an, dass wir dem Kanzler bestimmte Dinge beibringen mussten. Das war dann richtiges Coaching … Er hatte zum Beispiel eine Scheu, einem normalen Arbeiter die Hand zu geben, was man in einem modernen demokratischen Land erwartet. Das funktionierte langsam, wir mussten ihn sozusagen vom Zylinder zum Bowler bringen. Mit dem Zylinder konnte er umgehen, er konnte mit den Funktionären des BDI und so weiter umgehen, aber mit dem einfachen Arbeiter, dem Schornsteinfeger, der auf ihn zukam, das war immer so eine Sache: Schafft der Alte hier die Überbrückung? Er schaffte es dann meistens. Vor dem Hintergrund des Alters Adenauers haben wir auch die Sache mit dem Porsche in der Wagenkolonne inszeniert. Vorweg den »jungen Porsche«, der Speed machte – das Auto war im Grunde völlig unpraktisch, denn es war völlig zugebaut mit Funkgeräten, das waren ja damals Riesenkästen. Adenauers Kolonne bestand aus dem Porsche vorne weg, dem Adenauer-Wagen und dem Wagen mit dem Arzt, der immer mitfuhr. Die Altersproblematik ging bis in die Plakate hinein, zum Beispiel das Adenauer-Plakat 1957. Das hatte eine bekannte Düsseldorfer Fotografin fotografiert, aber es war mehr eine Fotografik, die wurde so geschönt, dass man Adenauer das Greisenhafte nicht ansah. Denken Sie, dass der greise Adenauer bei heutiger Breitenwirkung des Fernsehens ebenso erfolgreich gewesen wäre? Sicher, denn er konnte gut gehen, wenn das nicht mehr funktioniert, merken viele, dass jemand 80 ist. Und dann kamen Aussetzer beim Reden, wie die berühmte Geschichte »Brandt alias Frahm« in Regensburg. Der Grund war ganz simpel. Die Berlin-Krise und den Mauerbau hatten wir schon abgehakt, und an dem Montag hatte Adenauer einen Termin bei [Richard] Stücklen in Regensburg: »Da halte ich eine große Rede, das machen wir ganz normal, da werde ich auch den Willy Brandt

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als Berliner Bürgermeister entsprechend würdigen, und so weiter. Bringt mir genügend Journalisten ran.« Wir haben zwei Flugzeuge mit Journalisten nach Regensburg geschickt. Und dann kam mitten in die Rede, die sehr staatsmännisch war, ein Regenguss mit Sturm, und Adenauers Zettel waren weg. Ergebnis war, er fiel plötzlich in seine Wahlkampfrhetorik mit der Passage »Brandt alias Frahm«. Kaum war das raus, rasten die Journalisten zum Telefon, die hatten wir extra für die Presse gebaut. Letztlich ist aber die 61er Wahl nicht an dem Mauerbau kaputt gegangen, sondern an der Überschrift in der Bild-Zeitung: »Der Westen tut nichts.« Dagegen sind wir dann angegangen mit einer massiven Veranstaltungsserie von Adenauer. Wir konnten nur erreichen, dass die Kurve für die CDU sofort wieder anstieg. Die CDU sackte ja unmittelbar nach dem Mauerbau ab. Das Coaching für Adenauer selbst war immer wieder nötig. Zum PR-Stab Adenauers gehörten natürlich Lenz und Werner Krüger – der der Wichtigste war, der im Presseamt alles koordinierte, wichtiger als Felix von Eckhardt, der war das Aushängeschild, der jonglierte mit allem rum, wusste oft nicht, was wirklich vorging, aber konnte sich immer gut ausdrücken. Zum Beispiel die »Ohne mich«-Kampagne.« Kern unserer Abwehr dieser Kampagne war, dass wir Adenauer wieder dazu brachten, an seine Politik zu glauben und nicht an den Erfolg der »Ohne mich«-Kampagne. Wir waren uns auch nicht ganz sicher. Lenz und ich waren der Meinung, wir müssten Adenauer dazu kriegen, dass er wieder bereit sei, an sich zu glauben. Das haben wir auf einer Veranstaltung geschafft, die im Bergischen Land stattfand. Da wollten wir die Leute auf die Straße bekommen, mit Lautsprechern, und daraus eine Riesenkundgebung machen, so dass der Alte merkte: »Ich komm wieder voll an, ich bin noch voll da.« Und das ist geglückt. Und ab da lief eigentlich alles andere selbständig. Da machte er wieder Pressegespräche, da agierte er wieder. Und dagegen kamen die anderen nicht an, da konnte die SPD noch so plakatieren, das half alles nichts. Das ist eigentlich der Kern der PR-Arbeit, dass Sie die Spitzenleute, die ja nicht deswegen Spitzenleute sind, weil sie Karriere gemacht haben, sondern aus ganz verschiedenen Gründen, aber die eben das Gefühl haben für die Bevölkerung, für Ansprachen, Charisma sagt man heute, dass Sie die wieder auf sich selbst zurückbringen. Dass sie sich nicht verfälschen lassen durch alle möglichen Ratschläge. Der alte Herr

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wollte ja gar nicht, dass man immer »ja« sagte. Ich konnte nur nicht sagen: »Die Politik, die Sie machen, ist falsch.« Das war nicht mein Brot. Aber wenn es darum ging, was plakatieren wir, welche Themen nehmen wir für die Presse nach vorne, was versuchen wir mit der Wochenschau zu exerzieren, da hat er voll drauf gehört. Er sagte ja auch mehrfach: »Ich lass mich einpacken, und dann könnt ihr mich verschieben, wie ihr wollt.« Würden Sie also sagen, Adenauer war beratungsoffen und medienkompetent? Er hatte ein Gefühl für Medien. Nicht immer sicher. Es gab damals die ersten großen Plakatwände, die sehr gut wirkten. Das Bild fing an, wichtig zu werden. Zwar noch nicht über das Fernsehen, aber insgesamt. […] An Kommunikationsmitteln haben wir Sachen eingesetzt, die heute kaum noch eingesetzt werden. Wir haben Schallplatten gemacht, auf denen Adenauer-Interviews waren. Auch für Heuss gab es so eine Schallplatte, die hieß Aus meinem Leben. Diese Interviews wurden von Journalisten geführt und auf Schallplatte aufgenommen, weiterverbreitet und abgedruckt. Wir haben Informations-Comicstrips gemacht, die ersten in Deutschland überhaupt. Dann gab es so etwas wie »UmwegPR«. Es gab eine Broschüre, da war Adenauer mit der britischen Königin drin. Dann habe ich die Times angerufen. »Das ist eine große Schweinerei! Guckt euch doch mal an, die CDU verwendet für ihren Wahlkampf die britische Königin.« Die Times ist auch prompt drauf eingestiegen und hat drüber berichtet. Deutsche Journalisten haben dann wiederum den Artikel der Times aufgegriffen, und jetzt wusste die Öffentlichkeit, dass Adenauer die britische Königin getroffen hatte. Diese Wege, Meinungen der ausländischen Presse nach Deutschland zu bringen, waren zur damaligen Zeit ganz wichtig, denn die Glaubwürdigkeit der deutschen Presse war ja so noch gar nicht gegeben. Das waren alles Mosaiksteine der Adenauer-PR. Dass wir die zusammenfassen konnten, war letztlich das Verdienst von Werner Krüger, glaube ich. Es wurde zum Beispiel ein Anti-Spiegel-Magazin versucht, es wurden Zeitschriften für die Aufrüstung entwickelt. […] Dann gab es noch die ADK, die die Bedeutung, die ihr heute oft zugesprochen wird, wirklich nicht hatte. Zum Beispiel die Organisation [Peter] Tinschmann, das war ein FDP-Mann aus Bremen, der für das Presseamt … mit Adenauer war das ja immer so eine Sache … Die Geschichte mit dem Tinschmann-

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Apparat war viel wichtiger als alles andere. Der baute die Lautsprecherwagen auf, sechzig Filmwagen … War das die Mobilwerbung? Ja, genau, die Mobilwerbung. Die informierte dann über die großen Themen. Das eine war der Aufstieg Deutschlands, da machte Tinschmann unter anderem eine große D-Zug-Ausstellung »Deutschlands Weg«. Diese D-Zug-Ausstellung fuhr durchs Land, anderthalb Jahre. Nicht nur im Wahlkampf. Die Konzeption kam von mir. Die nächste Kampagne hieß »Ein Leben lang lernen«. Der Slogan ist ja heute in aller Munde, der ist von mir damals in der Adenauer-Zeit erfunden worden. Dann die Ausstellung »Dynamisch im Beruf«. Bei solchen Ausstellungen geht es weniger um die Besucher selbst, sondern um die Journalisten, die Eröffnung, den Zwischenbericht und den Schluss. Damit kommen Sie breit durch. Durch alle Medien. Das hat alles Tinschmann organisiert. Welche Rolle spielte die ADK für Adenauers PR, war das ein externer Dienstleister moderner Prägung, oder? Jaja, die ADK ist gegründet worden mit dem so genannten »Nazi-Jahn« [Hans-Edgar Jahn] an der Spitze, um die alten Obristen und Majore zu beschäftigen. »Die müssen wir irgendwie einfangen für die Demokratie.« So entstand die Idee mit der Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise. Es war eine Organisation, die auch bei Werner Krüger angesiedelt war. Die machte aber auch mehr PR für sich selbst als für andere. Die bekamen dann auch Filme vom Filmdienst und wurden dann mit Filmwagen bestückt, die sie einsetzen konnten. Mitglieder wurden also beschäftigt, bekamen ihre Aufträge, mussten Themen der Politik von Wehrpflicht bis sonst was im Lande umsetzen. Die schrieben alle dicke Berichte, die zwar nicht unisono stimmten. Unter dem Strich hieß es: »Wir haben für Adenauer gekämpft.« Hans Edgar Jahn schreibt in seinen Memoiren, er habe die PR für Adenauer gemacht und sei aktiver als das Presseamt gewesen. Ach Gott, ja, sein Buch steht da mit Widmung von ihm im Schrank, aber leider … wirklich, ich will dem Jahn gar nichts, der lebt ja nun auch nicht mehr, aber wissen Sie, er ist ja dann Bundestagsabgeordneter ge-

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worden … und Gott sei Dank gescheitert. Das war so eine dieser Auslaufgeschichten, die wir brauchten zur Aufarbeitung der Nazizeit. Darunter lief auch die ADK. Obwohl sie da eigentlich nicht reinpasste, wurde sie vom Bundespresseamt mitfinanziert, und mit dem Titel 300 ging das einfach, da konnte man sie besser kontrollieren. Jahn hat es eigentlich auch nie verwunden, dass die ADK dann einschlief. Die hat sich ja nicht aufgelöst mit Pauken und Trompeten, sondern die ist wirklich beerdigt worden in der Großen Koalition, weil nicht mehr nötig, auch nicht für die CDU. Die Auflösung hat der Generalsekretär [Konrad] Kraske verlangt. Wo würden Sie wesentliche Unterschiede zwischen moderner PR-Arbeit heute und PR zu Ihrer Zeit sehen? Also, moderne PR-Arbeit sehe ich gar nicht als so furchtbar modern an. Es wird heute viel nur zu sehr punktuell gearbeitet. Punktuell auf den Tag. Sie finden auch bei Industrieunternehmen kaum noch Leute, die strategische PR über Jahre hinaus thematisch denken können. Und das Schlimmste ist, was die Parteien, was sie oft in der politischen PR machen. In Bonn war das nicht der Fall, weil die Politik in Bonn so eng verzahnt war mit Medien aller Art, ohne dass gegenseitig Einfluss genommen worden wäre. Die härtesten Angriffe gegen Adenauer kamen von Bonner Korrespondenten. Aber es blieb die Achtung, und man hat den Alltag ausgenommen und dabei immer den größeren Rahmen gesehen. In Berlin gab es kaum Journalisten, als die Stadt Bundeshauptstadt wurde. Die Berichterstatter, die da waren, waren meist auf den Tag hin orientiert, wollten aktuelle Meldungen haben. Wie macht man denn heute PR? Indem Sie morgens um sechs Uhr im Morgenmagazin das Thema des Tages besetzen. Die Denke ist heute sehr aktuell auf den Punkt abgestimmt. In Amerika geht der Trend schon wieder stärker zu langfristiger Planung. Das sieht man an der Bush-Kampagne, die das Thema Sicherheit beinhaltet. »Ich garantiere euch die Sicherheit.« Eine Wahl kann nur gewinnen, wer ein »großes« Thema besetzt. Europäisch bin ich übrigens ausgezeichnet worden für die größte PR-Aktion, die wir gemacht haben, bei der Chruschtschow-Erpressung 1958. Axel von dem Busche und ich haben diese Aktion geplant. Wir kamen zusammen bei Werner Krüger. Chruschtschow, dieser Erpresser, drohte Berlin zu nehmen. Wir stellten fest, dass weltweit keiner etwas

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über Berlin wusste. Wir mussten im Ausland dringend etwas tun. Wir mussten eine Kampagne lostreten. Wir haben uns das in diesem Falle ein bisschen abgeguckt bei den Israelis. Wir haben sofort ein Reiseprogramm entwickelt, mit der Einladung an Chefredakteure aus der ganzen Welt, die wir durch Deutschland gefahren und nach Berlin gebracht haben. Da gab es jeden Donnerstag einen Termin beim Regierenden Bürgermeister, dadurch habe ich Willy Brandt sehr gut kennen gelernt. Kern der Aktion war ein Digest der Berliner Presse in vier Sprachen. Der wurde immer mit Luftpost so weggeschickt, dass er Freitag bei den Redaktionen war. Das haben wir etwa ein Jahr lang durchgehalten. Die Redaktion bestand aus einem Iren für Amerika, einem Engländer, einem Franzosen; ein Spanier war auch dabei. Der Berliner Presse mussten wir erst beibringen, dass sie Leitartikel schrieb, die man im Ausland auch verstand. Also der Tagesspiegel war das Schlimmste, wie oft habe ich da einen Leitartikel erfunden und ihn dann übersetzen lassen. Das Erste war, wir mussten ein Adressbuch der Weltpresse haben. So etwas hatten wir nicht. Erstellen konnte das [Emil] Dovifat in seinem Institut. Da haben wir Geld gegeben und den Auftrag erteilt, uns sofort ein Adressbuch der wichtigsten Redaktionen zu erstellen. Dann kamen die eingeladenen Journalisten nach Berlin, denen haben wir dann – also Dolmetscher, Helfer und Willy Brandt – Berlin gezeigt, die Themen gezeigt. Für mich war das Spannendste, dass Carlo Schmidt mal von einer großen, internationalen Konferenz zurückkam und sagte: »Da habt ihr wirklich was geschafft, die haben jetzt alle gewusst, was in Berlin los ist.« Über Adenauer wird gesagt, er habe die Unabhängigkeit von Journalisten nie wirklich akzeptiert. Erstmal sind Journalisten natürlich nie unabhängig. Adenauer hatte eines begriffen: Ich weiß noch, ich war noch beim amerikanischen Wahlkampf 1960 als Beobachter und habe dann ja Kennedy beraten unter anderem, und dann gab ich nach Bonn durch, um Himmels willen, nicht auf den Nixon setzen. Der Alte hatte auf den Nixon gesetzt, weil er nach deutschem Muster glaubte, die Journalisten schreiben so, wie die Verleger es wollen. Die Verleger waren ja fast alle auf Nixons Seite. Aber die Reporter vor Ort waren Kennedy-Anhänger. Bis die Verleger das lasen, waren Kennedy-freundliche Berichte schon gedruckt. Sie sollten die Teegespräche einmal lesen, es wurde mit Journalisten ganz

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offen über die Kernprobleme in der Innen- und Außenpolitik gesprochen. Selbst als wir die ersten polnischen Journalisten hierher bekamen, die ja Kommunisten waren, änderte sich das nicht. Man wusste, die mussten für die Partei schreiben, aber was sie selbst dachten, dass hielt man schön im Hintergrund. Glauben Sie, dass Adenauer zwischen PR und Propaganda unterschied? Nein, gar nicht. Erstens gab es die Begriffe noch nicht. Da hat er gar nicht unterschieden. Er hat unterschieden in der Darstellung seiner Politik, dass er nicht nur seine Politik darstellte, sondern auch sich selbst darstellen musste. Rund 50 Prozent seiner Arbeitszeit gab er für diese Selbstdarstellung her. Also Personalisierung? Richtig, Personalisierung, die anfing so etwa 1952, da ging die CDU stark in den Keller und da wurde Adenauer stark gecoacht, um ihm die Grundlagen der PR beizubringen. Er lernte zum Beispiel das Auftreten vor dem Rundfunk. Und er sah ja dann auch, dass das Erfolg hatte. Wobei das Verhältnis von Adenauer zu seinen Beraterstäben immer das von Herr zu Herren war, während das heute oft eine Kumpelgeschichte ist. Wo würden Sie die Grenze ziehen zwischen Inszenierung und Information? Inszenierung ist das Bildliche und das, was Stimmungen ausmacht. Wir haben zum Beispiel erfunden, dass nach jeder Kanzlerkundgebung das Deutschlandlied gespielt wurde. Und das waren alles strategische Konzepte? Das war alles durchdacht. Kern war ja, dass der Jubel um Adenauer oft so groß war, dass die Veranstaltungen gar keinen Schluss fanden, durch diese Hymne konnten Sie natürlich einen eleganten Schlusspunkt setzen und Adenauer verschwinden lassen. Vieles in der Planung ändert natürlich der Aspekt, dass Sie heute Politiker vor Angriffen schützen müssen. Beim Eisenhower-Besuch hatten wir nie Sorge, dass ein Attentat stattfinden könnte. Das ist heute ganz anders. Bei Bush brauchten sie 10.000 Polizisten.

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Zum Mauerbau: Man liest, dass Willy Brandt derjenige war, der den Mauerbau aus PR-Sicht sehr klug eingesetzt hat … Also, ich bin heute überzeugt davon, dass Adenauer von der Wiener Verabredung mit Chruschtschow und Kennedy etwas wusste. Und dass er deswegen, weil er wusste, dass er es nicht zurückdrehen konnte, gar nicht handelte. Willy Brandt wird heute vieles zugeschoben, wo ich aus intimer Kenntnis sagen muss, dass war weder geplant noch sonst was. Bei Adenauer waren die Berliner selbst eben das Problem, ich habe damals unter anderem dem Kennedy versprochen, wir werden nichts zur Eskalation der Situation unternehmen. Ich war ja später auch mit Johnson in Berlin. Wir bekamen sogar hin, dass [Heinrich von] Brentano mit Johnson in Berlin auftreten konnte. Das wollten die Amerikaner eigentlich gar nicht. Welches Bild wollten Sie von Adenauer zeichnen? Den Vater des Vaterlandes. Am Anfang das Bild desjenigen, der Deutschland wieder in die Völkerfamilie zurückführt. Das wurde strategisch durchdacht, und es funktionierte ja auch. Es gab hierfür einen Riesenapparat, keine Agentur. Die einzige Agentur, die es gab, war Tinschmann. Den Einsatzplan bei Tinschmann machten im Wesentlichen zwei Leute, der eine war später Chefredakteur beim ZDF, der andere bei Twen. Es waren meistens eben auch begabte Journalisten. Man spricht darüber, dass das BPA eine ganze Reihe von Tarn- und Deckorganisationen für die politische PR aufgebaut hat … Das war gar nicht so großartig. Da gab es Tinschmann, die ADK, einen Verlag, den Deutschen Filmdienst, das war alles im Grunde Fernsehersatz. Oft auch in Personalunion? Ja, das waren keine großen Apparate, man konnte so auch schneller handeln und Gelder kreuz und quer schieben. Es gab den Titel 300 noch, den ja dann die CDU abschaffte. Kann man sagen, dass schon zu Adenauers Zeiten moderne PR-Techniken eingesetzt wurden?

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Ja. Es wurde Manches aber auch erst neu erfunden. Germany in a Nutshell zum Beispiel war ein kleines Büchlein, das Werner Krüger erfunden hat. Ein Minihandbuch über Deutschland, das in alle denkbaren Sprachen übersetzt wurde und auch die Grundlinien der Adenauerschen Politik widerspiegelte. Ich habe dann noch den Erhard zum Teil mit übernommen. Mit seinen Auftritten funktionierte das überhaupt nicht richtig, und da bat mich [Karl] Hohmann, meine PR-Erfahrung zur Verfügung zu stellen. Alle im Stab Erhards waren froh, dass jetzt jemand kam, der weiß, wie es geht. Der Erhard war zum Beispiel vor morgens elf Uhr nicht aus dem Bett zu kriegen. Vielleicht, wenn Sie jetzt schon einen anderen Kanzler ansprechen, können Sie aus Ihrer Erfahrung einmal einen Vergleich wagen zwischen Kanzlern und ihren Stärken und Schwächen im Umgang mit den Medien. Zunächst: Die Ausstrahlung, die ein einzelner hat, die können Sie nicht übersetzen und können sie auch nicht vergleichen. Mit Kiesinger habe ich weniger zu tun gehabt, weil ich da die Fraktion mit Barzel bei Veranstaltungen betreut habe. Erhard war absolut gesteuert von Hohmann. Erhard machte ständig den Unterschied zwischen Leuten, die ihm nützten, und anderen. Das hat Adenauer nie gemacht. Adenauer hat Pressearbeit viel, viel allgemeiner betrieben als Erhard. Bei Erhard gab es die »Brigade Erhard«, eine kleine Clique aus elf, zwölf Journalisten, die er pflegte, die selbst aber über ihn sagten: »Der hat ja keine Ahnung, nicht mal von der Wirtschaftspolitik.« Das hätte man von Adenauer nie gesagt. Bei Adenauer bestand der Kreis aus allen Bonner Journalisten. Adenauer hat immer wieder überzeugt durch einen gewissen Hang zur Ehrlichkeit. Und das spürten die Menschen, auch wenn sie ihn »den alten Fuchs« nannten. Herr Skibowski, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Bonn, am 6. August 2004

Die Kanzler des Übergangs: Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger (1963–1969)

Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger waren Kanzler des Übergangs. Beide waren vergleichsweise kurz im Amt, über eigene Akzente der beiden im Bereich der politischen Öffentlichkeitsarbeit ist bis heute praktisch nichts bekannt. Besonders die Medienarbeit dieser beiden Kanzler stellt ein Desiderat der Forschung dar. Frappierend zeigen sich die Wissenslücken und weißen Flecken auf der historischen Landkarte insbesondere bei Kurt Georg Kiesinger und der im öffentlichen Bewusstsein praktisch vergessenen ersten »Großen Koalition«. Erst 2006 erschien eine wissenschaftliche Gesamtbiographie des dritten deutschen Kanzlers, nachdem mehr als dreißig Jahre lang lediglich eine zeitgenössische Biographie aus dem Jahr 1969 existierte.1 Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass besonders bei Kiesinger die Suche nach Informationen über seine Pressearbeit vergeblich ausfallen muss. Selbst in den Memoiren seines Regierungssprechers Günther Diehl finden sich nur Randbemerkungen zu Person und Führung Kiesingers. Zu Ludwig Erhard existieren mehrere Biographien, außerdem eine populärwissenschaftliche Darstellung seines ehemaligen Büroleiters und persönlichen Referenten Karl Hohmann.2 Hohmann, der zu Erhards Öffentlichkeitsarbeit hätte fundiert Auskunft geben können, weil er die einflussreiche Figur hinter dem zweiten Kanzler war, ist leider bereits verstorben. Seine knappe Skizze gibt zum Thema PR praktisch keine Auskunft. Der Klassiker unter den Erhard-Biographien stammt von Michael K. Caro, die neueste Biographie hat kürzlich Alfred C. Mierzejewski vorgelegt.3 Astrid Zipfel, die sich als erste systematisch mit der Medienarbeit Helmut Schmidts auseinandergesetzt hat, meint in ihrer einleitenden, kurzen Zusammenschau der PR der Bundeskanzler: »Insgesamt gingen von Erhard kaum Initiativen und Innovationen auf dem Gebiet der

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Öffentlichkeitsarbeit aus.«4 Mit Karl-Günther von Hase übernahm Erhard den erst jüngst ins Amt berufenen, unauffälligen Nachfolger von Felix von Eckhardt als Regierungssprecher. Im Zusammenhang mit Ludwig Erhards Presseaktivitäten sind – soweit heute bekannt – im Wesentlichen zwei Dinge bemerkenswert: Zum einen die so genannte »Brigade Erhard«5 zum anderen die »Aktion soziale Marktwirtschaft – Die Waage e.V.«. Hinter der Waage stand eine Gruppe von Wirtschaftsunternehmen, die finanzielle Mittel bereitstellten, um die westdeutsche Wirtschaftsordnung und ihren Schöpfer, Ludwig Erhard, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit zu popularisieren. Im Laufe der Zeit wurde diese Lobbygruppe zu einem persönlichen Instrument Erhards. Diese Konstellation erinnert stark an den American Advertising Council. Wichtiger für die Medienarbeit des zweiten Kanzlers war die »Brigade Erhard«, eine Clique vor allem von Wirtschaftsjournalisten, die Erhards Karriere in Bonn wohlwollend begleiteten und ihn als Kanzler stützten. Diesen Kreis von Journalisten bevorzugte Erhard bei der Informationsweitergabe und Einbindung in seine Tagesgeschäfte. Die Exklusivbehandlung einer bestimmten Gruppe von Journalisten ist in einer Spitzenposition, wie sie das Amt des Bundeskanzlers darstellt, eine äußerst fragwürdige Strategie. Sie führt in den allermeisten Fällen dazu, dass die Ausgeschlossenen sich persönlich getroffen und vom Informationsfluss abgeschnitten fühlen. Sie werden versuchen, über andere Kanäle an die gewünschten Informationen zu gelangen. Durch eine derartige Strategie geht also fast zwangsläufig die Informationshoheit über den Rest des Pressekorps verloren. Adenauer hatte im Gegensatz zur Praxis Erhards auch ihm kritisch gesonnene Journalisten zu den Teegesprächen eingeladen und so eine partielle Kontrolle über sie ausgeübt. Hentschel schreibt in seiner kritischen Biographie über Erhard, er habe wesentlich weniger Besucher als Adenauer empfangen und für viele von ihnen kein aufrichtiges Interesse aufbringen können.6 Auch Skibowski drückt sich im Interviewgespräch – etwas verklausuliert – in ähnlicher Form aus: Er meint, Erhard habe sich nur mit Leuten umgeben, die ihm nutzten. Hieraus lässt sich schließen, dass Erhard an einer intensiven Beziehungspflege zum gesamten Spektrum der Medien und Meinungsführer, wie sie für einen machtpolitisch ambitionierten Regie-

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rungschef – insbesondere unter der familiären Käseglocke Bonns – unerlässlich ist, wenig interessiert war. Hierzu passt eine Charakterisierung des bekannten Bonner Korrespondenten und politischen Publizisten Johannes Gross. Der ehemalige Herausgeber der Zeitschrift Capital charakterisierte Erhard als »AntiMacchiavellist aus Überzeugung«,7 dem jedes Machtbewusstsein fremd war. In diesem Punkt unterschieden sich Erhard und Adenauer fundamental: Adenauer war Zeit seines langen Lebens ein Instinktpolitiker, der sich stets auf sein Gespür für die Macht verlassen konnte und menschliche Beziehungen stark in politischen Kategorien dachte. Erhard hingegen war von Hause aus Ökonom und Wissenschaftler, der erst nach dem Krieg in die Politik ging. Ein Machtbewusstsein, wie es Adenauer auszeichnete, konnte Erhard nie entwickeln. Hierzu passt der Umstand, dass Erhard extrem spät in die CDU eintrat. Obwohl als Wirtschaftsminister bereits für die CDU aktiv, trat er der Partei formell erst 1963 bei. Gerhard Schröders ehemaliger parteiloser Wirtschaftsminister, Werner Müller, nährte 2002 gar Spekulationen, nach denen Erhard als einziger Parteiloser zum deutschen Bundeskanzler gewählt wurde8. Bis heute ist das Eintrittsdatum Erhards in die CDU umstritten und nicht eindeutig geklärt. Der »gute Mensch vom Tegernsee« schaffte es nicht, sich eine Machtbasis in der CDU aufzubauen, weil ihm die Sensibilität für machtpolitische Notwendigkeiten fehlte. Eine Neuerung, die Erhard durchsetzte, war die Einrichtung eines zentralen Kanzlerbüros, ähnlich wie es später auch Helmut Kohl installierte. Der Büroleiter und persönliche Referent Erhards war Karl Hohmann. Klaus-Otto Skibowski, der teilweise auch noch in die PR Erhards involviert war, betonte in unserem Gespräch besonders die Abhängigkeit Erhards von Hohmann: Erhard sei von Hohmann »absolut gesteuert« gewesen. Dies wird gestützt durch das damals gängige Spottwort: »Ist es wichtig? Oder wollen Sie den Kanzler allein sprechen?«9 Dass Erhard vieles in die Hände Hohmanns legte, unterstreicht noch einmal sein fehlendes, für einen Kanzler aber gebotenes Verhältnis zur Macht. Dies korrespondierte auch mit Erhards Regierungsstil. Er war nie ein Aktenleser gewesen: »Auch im Kanzleramt wurde beschriebenes Papier von seinem Schreibtisch meist ferngehalten.«10 Lange Reisen an den Tegernsee standen in keinem Verhältnis zu dem Achtstundentag, den Erhard offenbar auch als Kanzler pflegte. Laut Hentschel kam Erhard

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gegen neun, ging um eins nach Hause, um zu essen, kam dann gegen drei zurück und ging selten nach sieben.11 Skibowski formuliert dies abschätziger: »Der Erhard war zum Beispiel vor elf nicht aus dem Bett zu kriegen.« Demgegenüber war Adenauer trotz seines hohen Alters ein ausgesprochener Frühaufsteher, der bereits um sieben Uhr morgens den ersten Nachrichtenspiegel des Bundespresseamtes studierte, der eigens via Kurier nach Rhöndorf transportiert wurde. Er setzte sich aktiv mit der Presse auseinander und las neben den Pressespiegeln täglich sechs bis acht Zeitungen selbst. Wenn die Behauptung stimmt, Erhard habe selten mehr als acht Stunden gearbeitet, stellt sich die Frage, wann noch Zeit für ein persönliches Engagement in der Presse- und Medienarbeit blieb. Aus derart versteckten Facetten lässt sich schließen, dass bei Erhard Pressearbeit anders als bei Adenauer keine Chefsache war, sondern dass er sie Dritten überließ. Dieser Stil hatte erkennbare Folgen für seine Reputation: Bei der politischen Community in Bonn war Erhards Ruf als Kanzler wesentlich schlechter als in der öffentlichen Meinung. Als Wirtschaftsminister war er zwar in den fünfziger und frühen sechziger Jahren der populärste Politiker Deutschlands, auch wurde seine Wahl zum Bundeskanzler zunächst in den Medien euphorisch begrüßt. Aber keiner der Eingeweihten in Bonn traute ihm mehr zu, als bloß Wahllokomotive zu sein und der »Nach-Adenauer-CDU« für eine Übergangszeit eine Mehrheit zu sichern. Niclauß unterscheidet für Erhard in »Public Prestige« und »Professional Reputation«.12 Sein öffentliches Prestige hatte Erhard durch »seine« soziale Marktwirtschaft und das mit seiner Person verknüpfte Wirtschaftswunder gewonnen. Deshalb galt Erhard als »Deutschlands Talisman«. Dieses monothematische Prestige verbrauchte sich jedoch während seiner kurzen Kanzlerschaft rasch. Seine professionelle Reputation, die vor allem vom politischen Bonn bemessen wurde, konnte seinem öffentlichen Prestige in keiner Weise gerecht werden. Erhard, der auch posthum in Verbindung mit der sozialen Marktwirtschaft noch hohes Prestige genießt und wirtschaftspolitisch einer der Hauptbezugspunkte der jetzigen Amtsinhaberin Angela Merkel ist, scheiterte als Kanzler vor allem aufgrund fehlender, politischer Reputation. Damit kann Erhard als ein Paradebeispiel für ein Auseinanderfallen von Image und tatsächlicher Reputation gelten. Auch sein glänzendes Image als Zigarre rauchender Vater des Wirtschaftswunders und

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der D-Mark konnte ihn nicht davor schützen, an seiner tatsächlichen, machtpolitischen Leistungsfähigkeit gemessen zu werden. Ludwig Erhard war in den Augen vieler Deutscher, ähnlich wie Adenauer, ein guter, mythologischer Held. Seine Mythologisierung, sein »Public Prestige«, war jedoch nicht durch seine Leistungen als Kanzler bestätigt, sondern speiste sich nahezu ausschließlich durch öffentliche Unkenntnis und Mystifizierung. Diese Diskrepanz zwischen Image und Ist-Zustand offenbarte sich, als Erhard nach langen Auseinandersetzungen mit seinem permanenten intimen Widersacher Adenauer, der alles dafür tat, seinen langjährigen Minister als Nachfolger zu verhindern, schließlich doch Kanzler wurde. Die Medien reagierten alsbald mit wachsender Skepsis und Verwunderung über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des neuen Kanzlers: »Es ließ sich beim besten Willen nicht übersehen, dass ihm im ersten Jahr seiner Kanzlerschaft nichts Bemerkenswertes gelungen, aber manches auffallend schiefgegangen war.«13 Er versuchte, mit Begriffen wie »formierte Gesellschaft« und »deutsches Gemeinschaftswerk« die Thematisierungshoheit über gesellschaftliche Fragen zu erlangen. Selbst Erhards engster Vertrauter Hohmann räumt nachträglich ein, dass diese Begriffe für die meisten Menschen unverständlich und nebulös blieben.14 Und in den Medien wurden Fragen über Fragen zu diesen wenig plastischen Vorstellungen aufgeworfen, die Erhard selbst nur unzureichend beantworten konnte. Hentschel geht auch mit Erhards Ausführungen im Kabinett hart ins Gericht. Ihm zufolge gab der Kanzler im Kabinett vor allem bare Selbstverständlichkeiten und Plattitüden von sich: »An schlechten Tagen – und Erhard hatte nur noch wenige gute – wirkten Teile seiner Reden wie veritable Kabarettnummern, und wie schlechte, weil grotesk überzeichnete noch dazu.«15 Ein Beispiel für Erhards teilweise frappierende Selbstüberschätzung und Versteifung auf »sein« Wirtschaftswunder bietet ein Auszug aus einer Tischrede auf dem Kulturkongress der CDU im November 1965: »Ich kann nur mit Grauen daran denken, dass der Mann, der unser Volk aus tiefster Nacht wieder ans Licht seines heutigen Wohlstandes geführt hat, eines Tages nicht mehr sein wird.« Nachdem zunächst Verwirrung unter den Gästen herrschte, machte Erhard schnell klar, dass er mit diesen Worten ohne Zweifel niemand anderen

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als sich selbst meinte: »Ich habe es nicht nötig, mich hier selbst zu rühmen.«16 Über die PR-Arbeit unter Kanzler Kiesinger ist bislang so gut wie gar nichts publiziert worden und ist noch weniger bekannt als über die Beziehung Erhards zu den Medien. Selbst in den Memoiren seines Regierungssprechers Günther Diehl finden sich nur Randbemerkungen zu Person und Führung Kiesingers. Verwundern muss dieser weiße Fleck auf der Forschungslandkarte, weil Kiesinger nicht nur als ausgesprochenes rhetorisches Talent und äußerst telegene Erscheinung galt, sondern offensichtlich auch im Bereich PR für kompetent gehalten wurde. Interessanterweise war er als Nachfolger von Fritz Twardowski, einem der schnell geschassten, ersten Sprecher Adenauers, gehandelt worden. Adenauer lehnte ihn mit der nachträglich pikanten Begründung ab, er sei durch seine Tätigkeit im Propagandaapparat Hitlers kompromittiert. Kiesinger war während des Krieges stellvertretender Leiter der Rundfunkabteilung im Auswärtigen Amt gewesen. Seit 1942 leitete er außerdem das Referat Allgemeine Propaganda. Die berühmt gewordene Ohrfeige von Beate Klarsfeld, die auf die NS-Vergangenheit des Kanzlers aufmerksam machen wollte, ist vielen Deutschen tiefer im Gedächtnis haften geblieben als der Geohrfeigte selbst. Die mangelnde Bekanntheit Kiesingers heute steht auch in einem deutlichen Widerspruch zu seinen Popularitätswerten als Kanzler Ende der sechziger Jahre. Die Bedingungen, unter denen Kiesingers Stab Öffentlichkeitsarbeit betreiben musste, waren aufgrund der bis 2005 in der Bundesrepublik einmaligen Konstellation einer Koalitionsregierung beider großer Volksparteien schwierig. Unter den Schwergewichten von SPD und CDU saßen mit Brandt, Schmidt und Strauß im Kabinett Kiesinger zwei kommende Kanzler und ein Kanzlerkandidat. Kiesinger konnte deshalb nur die Rolle des Moderators spielen und sich selbst politisch nur selten in Szene setzen.

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Die Beziehung zwischen Willy Brandt und den Medien ist die Geschichte eines rasanten Aufstiegs mit ihnen und eines tiefen Sturzes unter anderem durch sie. Auch Willy Brandt verdankt seine Kanzlerschaft zu einem Gutteil den Medien. Die gleichen, die ihn ins Kanzleramt schrieben, stürzten ihn auf dem Zenit seiner charismatischen Wirkung vom Sockel der Macht. Diese durchaus dramatische Beziehungsgeschichte ist bisher vor allem aus einer medieninternen Perspektive beschrieben worden. Diese Beschreibungen lassen zwar Rückschlüsse auf das Medienimage Brandts zu, sagen aber nur bedingt etwas über die Methoden und Strategien der Macher im Hintergrund aus. Beispielsweise ist über das Bundespresseamt als Instrument der Brandt-PR fast nichts bekannt. Auch die gängigsten Brandt-Biographien liefern wenig zum Thema PR und zur Strategie der medialen Inszenierung Brandts. Der Aufstieg Willy Brandts zum Kanzler und der SPD zur Kanzlerpartei ist eng verwoben mit der schrittweisen Modernisierung der PR der SPD. Beides verdeutlicht den bereits beschriebenen, engen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Parteien zu modernen Volksparteien und der daraus entstehenden Notwendigkeit, in allen Milieus mit Hilfe von PR um Vertrauen und Zustimmung zu werben.

Schon als Regierender Bürgermeister ein Medienstar Das Amt des Regierenden Bürgermeisters von West-Berlin verlieh Brandt bereits vor seiner Kanzlerschaft den Status eines internationalen Medienstars. Dieses Amt in der »Frontstadt des Kalten Krieges« bot enorme Publizität. Unfreiwillige Karriereförderer Brandts waren

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Chruschtschow und pikanterweise auch sein späterer Konkurrent um das Kanzleramt, Konrad Adenauer: Das Berlin-Ultimatum der Sowjets von 1958 bot ihm die einmalige Möglichkeit, sich als persönlicher Verteidiger des freien Berlin zu inszenieren. Die PR-Kampagne der Regierung Adenauer, die die Welt über die Lage West-Berlins informieren sollte und die wir bereits kennen gelernt haben, nutzte vor allem auch Willy Brandt. Bestandteil der Kampagne war eine aufwendig inszenierte Weltreise des Regierenden Bürgermeisters auf Kosten des Bundes. Unfreiwillig baute Adenauer Brandt auf diese Weise international auf und machte ihn auch in der Bundesrepublik einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Das »uneingeschränkt positive Bild des Auslands«1 von Brandt spiegelte auf die deutsche Öffentlichkeit zurück. Insbesondere die linksliberale Presse wie Die Zeit, die Frankfurter Rundschau, die Süddeutsche Zeitung und der Stern zeigte Sympathien für Brandt und brachte ausführliche Reportagen, Stimmungsberichte und Kommentare über die Auslandsreise. In diesem Punkt liegt ein historischer Unterschied zur PR Adenauers. Der erste Kanzler musste – unter dem Eindruck des international zerstörten Images Nachkriegsdeutschlands – mit Hilfe des Bundespresseamtes und seines PR-Apparates sein internationales Ansehen erst nach innen vermitteln. Brandt genoss bei seinem Amtsantritt bereits die Sympathie und Zustimmung weiter Teile der Medien. Vor allem die linksliberale Presse sollte ihn später als Kanzler auch maßgeblich stützen. Es lässt sich deshalb schon zu einem Zeitpunkt, als Brandt noch nicht über die für die persönliche Inszenierung wichtigen Instrumente der Exekutive verfügen konnte, von einer außenpolitischen Profilierung mit Hilfe der Medien sprechen.

Die SPD zwischen Weimar und der »Neuen Mitte« So modern und jugendlich Willy Brandt bereits als junger Berliner Bürgermeister wahrgenommen wurde, so rückständig war seine Partei in puncto Öffentlichkeitsarbeit. Anders als die CDU konnte die SPD nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fast nahtlos an die bestehenden Traditionen der Weimarer Zeit anknüpfen. Veränderungsbedarf wurde

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von den Verantwortlichen zunächst kaum gesehen. Der erste SPDNachkriegsparteitag von 1946 übernahm weitgehend das Organisationsstatut von 1929. Bereits 1948 war Westdeutschland wieder flächendeckend von einem SPD-Organisationsnetz aus Bezirken, Unterbezirken und Ortsvereinen überzogen, während die CDU als Bundespartei zunächst organisatorisch praktisch überhaupt nicht in Erscheinung trat. Dieses nahtlose Anknüpfen an die Vorkriegszeit wirkte sich jedoch insbesondere im PR-Bereich als große »Innovationsbremse« aus. Die personifizierte Kontinuität, an der sich all die vielen gewachsenen und traditionalistischen Strukturen festmachen lassen, war Fritz Heine. Er hatte bereits seit 1928 die Wahlkämpfe für die SPD geleitet und war auch nach dem Krieg wieder für die »Presse- und Propagandaarbeit« zuständig. Während die Union spätestens seit 1953 innovative, auch durch externe Beratung unterstützte Formen medienbezogener Öffentlichkeitsarbeit entwickelte, wählten Heine und seine Mitstreiter genau den umgekehrten Weg: Statt einer Anpassung der Parteikommunikation an die Bedürfnisse moderner Medien setzten sie – ganz in der Tradition von Weimar – auf eine Politisierung der Medien im Sinne der Partei. Heine nutzte für seine »Öffentlichkeitsarbeit«, die trefflicher mit dem Begriff Propaganda gekennzeichnet werden kann, vor allem die Parteipresse. Er forderte von SPD-Journalisten Kurstreue und Orientierung an der sozialdemokratischen Programmatik. Frank Bösch bringt diese Rückwärtsgewandtheit knapp auf den Punkt: »Während die SPD noch lange auf die erodierende Parteipresse vertraute, stellte sich die Union frühzeitig auf die Logik der aufblühenden Illustrierten- und Kinolandschaft ein.«2 Diese überkommene Strategie in den fünfziger Jahren lässt die Vermutung zu, dass die SPD-Protagonisten zunächst keinerlei Verständnis für die Techniken moderner PR in demokratischen Gesellschaften aufbrachten. Hetterich meint sogar, bis 1957 habe bei der SPD überhaupt keine Öffentlichkeitsarbeit im Sinne von Kommunikationsangeboten für Massenmedien stattgefunden.3 Erst nach der klar verlorenen Wahl 1957 zeichneten sich mit den beiden historischen Reformparteitagen 1958 in Stuttgart und 1959 in Bad Godesberg grundlegende Modernisierungsanstrengungen in der SPD-Führung ab. In Stuttgart wurde der geschäftsführende Vorstand durch ein Präsidium ersetzt, die Parteizentrale wandelte sich vom monolithischen Machtzentrum zum Dienst-

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leister in Sachen Kommunikation und Koordination. Dieser mutige Schritt kam einer praktischen Entmachtung der alten Funktionäre vom Schlage eines Erich Ollenhauers gleich. Ein Jahr später folgte dann in Bad Godesberg auch die programmatische Öffnung der Partei durch ihr erstmaliges Bekenntnis zum Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die SPD wurde von einer Klassen- zu einer Volkspartei, die sich für weite Teile der Gesellschaft öffnete. Mit den historischen Beschlüssen von Stuttgart und Bad Godesberg leitete die SPD eine Entideologisierung des politischen Prozesses ein. Seitdem besteht ein parteiübergreifender Grundkonsens über die gesellschaftliche Grundordnung der Bundesrepublik. Verstärkt wurde diese Entideologisierung durch den Umstand, dass bereits wesentliche Fragen der Kernorientierung Westdeutschlands, etwa die Frage der Wiederbewaffnung und der Westbindung durch die NATO und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), abgeschlossen waren. Ein Indiz für das Zurücktreten der alten Ideologien aus dem Wettstreit der Parteien ist die rein auf das Privatleben Brandts, also auf politikferne Bereiche, zielende Negative-Campaigning-Strategie Adenauers (»Brandt alias Frahm«). Die SPD als Partei war seit Stuttgart und Bad Godesberg ideologisch nur noch schwer zu attackieren. Die Modernisierung der SPD musste in einem nächsten Schritt aber auch der breiten Wähleröffentlichkeit kommuniziert werden. Der Strategiewechsel von der sozialistisch-proletarischen Klassenpartei zur modernen Volkspartei – und damit letztlich auch zur für viele wählbaren Kanzlerpartei – musste durch politische Öffentlichkeitsarbeit in Images und Botschaften übersetzt werden. Hier bestätigt sich wiederum die bereits für die organisatorisch noch schwache Adenauer-CDU konstatierte Schlüsselbedeutung politischer Öffentlichkeitsarbeit für den Typus der demokratischen Volkspartei: Die SPD musste, wenn sie Wahlen gewinnen wollte, zwangsläufig über ihr klassisches Wählermilieu hinaus zusätzliche Stimmen mobilisieren, sich also zur bürgerlichen Mitte öffnen. Der Mann, der durch seine Person diesen gewaltigen Transformationsprozess der SPD symbolisiert wie kein zweiter, ist Willy Brandt. Die PR-Aktivitäten rund um seine Kanzlerkandidaturen können als langfristige Image- und Medienkampagne während der gesamten sechziger Jahre gewertet werden, die die SPD sukzessive auch in der bürgerlichen Mitte salon- und damit kanzlerfähig machte. Der »lange Marsch«

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der SPD von der muffigen Arbeiterpartei zur »Neuen Mitte« begann mit Willy Brandt.

Cabrio Parade und Acceptance Speech Die Parteiführung erkannte, dass man die Wahl 1957 auch deshalb verloren hatte, weil man sich nicht adäquat um die Medien gekümmert hatte. Als erste Reaktion hierauf führte die SPD 1958 (!) die Funktion des Pressesprechers ein, die Karl Garbe übernahm. Die Entscheidung, Willy Brandt als Spitzenkandidat für den Wahlkampf 1961 zu nominieren, ist eine erste Hinwendung der SPD zu den modernen Massenmedien: Willy Brandt war zu diesem Zeitpunkt bereits ein populärer Medienheld. Er hatte eine jugendliche Ausstrahlung und galt als medienwirksam und »amerikanisch«. Dieser Medienbonus wurde jetzt zum entscheidenden Kriterium, um Brandt zum Spitzenkandidat zu nominieren. Die Ansprache bürgerlicher Wählerschichten der Mitte funktionierte nicht über die Parteipresse, sondern nur über populäre Publikumsmedien. Hierzu passte am besten der Kandidat Brandt. Die Anpassung der Kandidatenauswahl an Medienbedürfnisse gilt heute als ein entscheidendes Kernkriterium des Wandels politischer PR. Der erste Wahlkampf Brandts 1961 war vor allem durch die Strategie des Imagetransfers geprägt. Ein anderer, jugendlich-charismatischer Held faszinierte damals die Weltöffentlichkeit. Von diesem modernen Helden wollte die SPD profitieren: John F. Kennedy. Brandts engster Berater Klaus Schütz, der 1967 selbst Regierender Bürgermeister von Berlin wurde, versuchte, die Begeisterung auch hierzulande für den ein Jahr zuvor zum US-Präsidenten gewählten Kennedy zu nutzen und auf Brandt zu übertragen. Herzstück der Kampagne war, ähnlich wie seit 1953 bei Adenauer, eine große »Whistle-Stop-Campaign«. Das Team um Brandt kopierte wesentliche Botschaften und Eindrücke, die Kennedys Stab im Wahlkampf vermittelt hatte. Der Kanzlerkandidat fuhr wie das Vorbild Kennedy die letzten Kilometer bis zum Auftritt in einem Mercedes-Cabriolet, das in der Sympathiefarbe Cremegelb lackiert war. Ähnlich wie bei den Auftritten Adenauers fuhr auch bei denen Brandts ein Lautsprecherwagen voraus und kündigte den großen Augenblick an:

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»Achtung, Achtung, durch diese Straße fährt in wenigen Minuten der Regierende Bürgermeister von West-Berlin Willy Brandt.«4 Verbunden war die Deutschlandtour mit einem minutiösen Ereignismanagement. Die Streckenplanung erledigte ein Voraustrupp, der die Fahrtstrecke durch Stoppuhrmessung exakt ermittelte. Brandt vermied es, wahllos jede größere Stadt anzufahren. Ebenfalls vom Kennedy-Stab kopiert war die Konzentration der Reise auf lohnenswerte Schwerpunkte. Mit Hilfe von zuvor durchgeführten demoskopischen Erhebungen wurde ermittelt, in welchen Regionen die SPD einen klaren Aufwärtstrend verbuchen konnte. Diese wurden dann von Brandt zur weiteren Stabilisierung des Trends gezielt besucht. Diese Form der exakt gemanagten, auf seine Person zugeschnittenen »Whistle-Stop-Campaign« mit vielen für die Medien inszenierten Anleihen bei John F. Kennedy sorgte für ein großes Presseecho in den Lokal- und Kreisblättern, die jede Menge Bilder vom und Reportagen über den Kandidaten veröffentlichten. Auch überregional sorgte die Cabrio-Parade für positive Medienaufmerksamkeit. Der Spiegel brachte eine große Titelgeschichte unter der Überschrift »Held nach Maß«.5 Die Strategie des »Whistle-Stop-Campaignings« kam bei allen weiteren Brandt-Wahlkämpfen bis einschließlich 1972 immer wieder in ähnlicher Weise zum Einsatz und gehörte fest zum Standardrepertoire seiner PR-Berater. Der Schachzug des Imagetransfers war aufgegangen und erzeugte Aufmerksamkeit und Medienpräsenz für Partei und Kandidaten: Laut Klaus Schütz war die deutsche Presse damals voll von Vergleichen zwischen Brandt und Kennedy. Bemerkenswert ist, dass die Medien hier noch stärker als schon bei den Adenauer-Wahlkämpfen 1953 und 1957 über die Kampagnenstrategie selbst berichteten, also das betrieben, was heute von PR-Experten »Metakommunikation« genannt wird. Dies zeigt sich nicht nur an den vielfachen Vergleichen von Brandt und Kennedy, sondern reicht bis in die Detailebene der Kampagnenplanung. Selbst die Auswahl der Kampagnenfarbe war den Redaktionen ein Thema wert. Im Wahlkampf 1961 erschien die SPD nach ihrer programmatischen Modernisierung auch optisch in neuem Anstrich: Statt dem seit August Bebel bewährten Tiefrot präsentierte Willy Brandt sein Wahlprogramm in der Bonner Beethovenhalle in einer Kulisse aus dezentem Blaugelb, vor einem blauen Hintergrundvorhang. Das Zurückdrängen der Farbe Rot war bewusst

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kalkuliert, um zu symbolisieren, dass die Partei sich zur Mitte hin bewegt. Beispielsweise die Süddeutsche Zeitung machte aus der neuen Farbenlehre der SPD eine Nachricht.6 Dies erinnert frappierend an die Berichterstattung über die neue Farbgebung im Schröder-Wahlkampf 1998, dessen Berater ebenfalls aus ähnlichen Motiven auf Blau setzten. Die Tendenz, verstärkt über die Kampagnen der Kandidaten selbst zu berichten, lässt sich also auch bei Brandt nachweisen. Dass dieser Effekt ein Ziel der Medienstrategie war, lässt sich anhand der Aussagen von Klaus Schütz belegen: »Eine breite Berichterstattung über unseren Wahlkampf war uns sehr wichtig. Wir wollten den Leuten zeigen, dass hier etwas Neues entstand.«7 Obwohl die SPD die Wahl 1961 letzten Endes verlor, war das scheinbar nach gesellschaftlichen Milieus festgefahrene Wählerspektrum ins Rollen geraten. Willy Brandt erreichte 36,2 Prozent und gewann damit 4,4 Prozent hinzu, die Adenauer-CDU verlor knapp fünf Prozent. Damit war das Ziel, bürgerliche CDU-Wähler zum Wechsel zu bewegen, zumindest teilweise erreicht worden. 1969, in dem Jahr, in dem Brandt schließlich das Kanzleramt eroberte, verschwand die Farbe Rot sogar völlig aus der SPD-Kampagne. Stattdessen ersetze man sie durch ein leuchtendes Orange. In Millionenauflage wurde ein orangefarbener Stecknadelkopf verteilt: Jeder sollte sein Sympathiebekenntnis zu Brandt ans Revers heften können. Auch hier drängen sich erstaunliche Parallelen zu allerneuesten Kampagnen auf: Im komplett auf Ole von Beust zugeschnittenen Hamburger Bürgerschaftswahlkampf 2004 kam erstmals Orange als neue Kampagnenfarbe der Union zum Einsatz. In den Medien wurde hierüber breit berichtet: Die meisten Journalisten werteten dieses Orange als Ausdruck einer besonders neuartigen, modernen Kampagnenführung, die ein modernes Lebensgefühl anspricht.8 Derartige Anleihen der SPD an amerikanische Methoden der Kampagnenführung führten aber auch bereits 1961 zu ähnlich kulturpessimistischer Kritik wie heute. Der heutige Programmdirektor der ARD Günter Struve, damals selbst Mitglied des Brandt-Teams, verglich die Kampagnen mit der Einführung eines neuen Waschmittels. Die Diskrepanz zwischen Inhalt und Show wurde selbst von engsten Freunden Brandts hinter vorgehaltener Hand kritisch diskutiert. Egon Bahr und Heinrich Albertz zweifelten im internen Gespräch, ob Brandt überhaupt

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schon reif für das Kanzleramt sei. Rummel könne Inhalte nicht ersetzen.9 Im Wahlkampf 1965 kam erstmals ein in Deutschland neues Instrument hinzu, dass ebenfalls Medienaufmerksamkeit gewinnen sollte: die Integration von Prominenten in die Kampagne. Allerdings setzte man bei diesem ersten Anlauf gewissermaßen auf »E« statt auf »U«. Es wurden noch nicht die gänzlich unpolitischen Film- und Schlagerstars aufgefahren. Stattdessen sollten seriöse Künstler und Intellektuelle um Zustimmung werben: 65 renommierte Personen aus Literatur und Kunst wie Ernst Bloch, Wolfgang Koeppen, Fritz Kortner, Erwin Piscator, Marie Luise Kaschnitz oder die Schauspielerin Tilla Durieux setzten sich für Willy Brandt ein. 1969 wurde dann aber bereits die Unterhaltungsprominenz in den Ring geschickt: Hans-Joachim Kulenkampff, Peter Frankenfeld, Inge Meysel und Dieter Hildebrandt warben in den großen Zeitungen für ihren Kandidaten Brandt. Die Idee, sich Images und Prominenz von Stars für die eigene Kampagne zu leihen, war von der SPD-Werbeagentur ARE aus Schweden nach Deutschland importiert worden. Die Integration von Unterhaltungsgrößen in die politische Kampagne kann als erster Höhepunkt einer Boulevardisierung der politischen Kommunikation in Deutschland betrachtet werden. Die gleiche Strategie wurde dann noch einmal 1972 aufgelegt: Wieder kamen Referenzfiguren aus der Unterhaltungsbranche wie Hardy Krüger oder Inge Meysel zum Einsatz.

Ein Kanzler ganz nach dem »Hollywood-Prinzip«? Die Entscheidung, Willy Brandt gegen Adenauer aufzustellen, war vor allem aufgrund Brandts persönlichem Image getroffen worden, und ist deshalb bereits als Teil einer Mediatisierungsstrategie charakterisiert worden. Das Image Brandts bot die Chance, den Erfolg und die Strahlkraft von John F. Kennedy auf den SPD-Kandidaten zu übertragen. Die Strategie eines Imagetransfers von Kennedy auf Brandt bot sich auch deshalb an, weil die Konstellationen in den USA und Deutschland Anfang der sechziger Jahre ähnlich waren: Die amerikanische Nation war 1960 nach acht Jahren eher »großväterlichem Stil« Dwight D. Eisenho-

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wers reif für eine Veränderung. Eine ähnliche Konstellation bestand gleichermaßen in Deutschland: Brandt galt 1961 – nach zwölf Jahren einer patriarchalischen Kanzlerschaft durch einen mittlerweile 85-jähigen Amtsinhaber – als Inbegriff des jungen, dynamischen Politikers. Die Medien wiesen seiner Person viele klischeehafte Elemente zu, aber er bediente diese Klischees auch allzu gerne. Klaus Harpprecht, der enge Weggefährte und langjährige Redenschreiber Willy Brandts, formuliert es in unserem Gespräch so: »Moderne Medien brauchen Stars … Das ist eine Entwicklung, die in den fünfziger Jahren begann. Auch eine gewisse Amerikanisierung, von der zuerst natürlich auch die deutschen Politiker, von Adenauer angefangen, profitierten.« Harpprecht, der Brandts Charisma dadurch unterstützte, indem er ihm die richtigen Worte verlieh, nennt dieses Bedürfnis der Medien nach Helden schlicht das »Hollywood-System«. Zu diesem »Hollywood-System« passte Brandt allerdings alleine schon aufgrund seiner äußeren Erscheinung wesentlich besser als Adenauer. Seine Berater und er bedienten die Nachfrage der Medien nach Glanz und Glamour und bezogen sie in die Wahlkampfstrategie mit ein. Brandts Berater Klaus Schütz kreierte zwei Image-Ebenen: zum einen den »Smilling Willy«, den jugendlichen, attraktiven Helden im Cabrio für die Hausfrauen, zum anderen den »Fighthing Willy«, den entschiedenen Antikommunisten und Berliner Freiheitskämpfer, um in das bürgerliche Milieu einzusickern. Inspiration für wesentliche Elemente der Brandt-Wahlkämpfe in den Sechzigern hatte Schütz sich unmittelbar von John F. Kennedy und dessen Stab um Pierre Salinger geholt.10 Er war 1960 eigens hierfür zwei Wochen in die USA gereist, um den Kennedy-Wahlkampf zu beobachten. Außerdem reiste er im Frühsommer 1960 nach Großbritannien, um auch den dortigen Wahlkampf zu verfolgen. Die klar erkennbaren, internationalen Bezüge zeigen, dass auch durch das Beispiel Brandts die heute populäre These, PR-Experten orientierten sich erst seit kurzem an amerikanischen und internationalen Vorbildern, erschüttert wird. Am deutlichsten wird der Bezug auf Kennedy und die USA in der Rede Brandts auf dem Nominierungsparteitag 1960 in Hannover. Sie orientierte sich stilistisch eng an den amerikanischen Acceptance Speeches. Den Schluss der Rede hatte Klaus Schütz sogar wörtlich der Acceptance Speech Kennedys aus dem Jahr 1960 nachempfunden.11 Der

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Journalist Hans Ulrich Kempski kommentierte hierzu in der Süddeutschen Zeitung: »Es ist nur ein Satz, den er hinzufügt. Doch seine Worte sind dazu angetan, die Teilnehmer des Parteitags von den Plätzen hochzureißen. Sie wissen nicht, dass Willy Brandt in diesem Augenblick einen zuvor schon von John F. Kennedy in Amerika sorgsam erprobten Effekt ausspielt: Er spricht den Amtseid des Bundeskanzlers. Willy Brandt suggeriert dem Parteivolk ein Vorgefühl von Siegestaumel, wenn er mit den Worten schließt: ›… so wahr mir Gott helfe!‹.«12 Diese Strategie der subtilen Emotionalisierung des Publikums sollte zukünftig eines der Markenzeichen des Kanzlers Willy Brandt werden. Auch das Prozedere der Nominierung Brandts zum neuen SPDSpitzenkandidaten stellte eine entscheidende Wegmarke für eine umfassende Personalisierung von Wahlkämpfen und politischer Berichterstattung in der Bundesrepublik dar. Wie vieles ist auch die Herkunft des heute wie selbstverständlich verwendeten Begriffs »Kanzlerkandidat« in Vergessenheit geraten. Er ist eine Erfindung von Brandts PR-Berater Klaus Schütz, der ihn nach eigenen Angaben ebenfalls aus Amerika mit nach Deutschland brachte. Der Begriff »Kanzlerkandidat« ist ein klassischer PR-Begriff, der einem Habenichts durch einen kunstvollen Titel die Aura eines Gewinners verleihen soll. Weder ist dieser Begriff in unserer Verfassung vorgesehen – der Kanzler wird vom Parlament und nicht vom Volk gewählt –, noch wurde er vor der Einführung durch Schütz in der Bundesrepublik je von einem Herausforderer verwendet. Lediglich Adenauer hatte in seiner Rolle als bereits amtierender Kanzler jeweils vor der nächsten Wahl bekannt gegeben, dass er wieder antreten werde. Jetzt wurde Brandt sogar eigens in zwei voneinander getrennten Wahlgängen erst zum SPD-Vorsitzenden und dann separat zum Kanzlerkandidaten gewählt. Seit Brandt legt sich auch die Oppositionspartei vor den Wahlen auf einen Kandidaten fest. Die in den Medien viel und gerne diskutierte »K-Frage« geht also letztlich auf Klaus Schütz zurück und wurde von ihm genau aus dieser Motivation heraus entwickelt: Medienaufmerksamkeit auf die eigene Kampagne lenken, den Medien Diskussions- und Spekulationsstoff bieten und den Herausforderer frühzeitig ins Rampenlicht stellen. Dies funktioniert heute vor jeder Wahl glänzend: Die K-Frage und die sich um sie rankenden Machtkämpfe und Ränke sind heute in der Politikberichterstattung wichtiger als die P-Frage, die Frage nach dem Programm.

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Der Wahlkampf 1961, bei dem zum erstenmal neben dem Kanzler auch ein Kanzlerkandidat ins Rennen ging, war gemessen an der Zeitungsberichterstattung einer der am stärksten personalisierten Wahlen in der Geschichte der Bundesrepublik. In den letzten vier Wochen vor der Wahl nahmen fast vier Fünftel der politischen Beiträge persönlich Bezug auf Adenauer und Brandt. Seitdem sind Wahlen in Deutschland endgültig ein Duell zwischen Kanzler und Kanzlerkandidat, seitdem also lässt sich von einem Kanzlerplebiszit sprechen. Willy Brandt ist weit über die Grenzen seiner Partei zu einem politischen Mythos geworden. Seine Popularität und seine charismatische Wirkung hingen und hängen zu einem gewichtigen Teil mit seiner Lebensgeschichte als Emigrant zusammen. Er stand in der frühen Bundesrepublik von Anfang an für das »andere« Deutschland, das sich nicht mit dem Nationalsozialismus arrangiert hatte. Hoffnungsträger wurde Brandt durch seine Exilbiographie vor allem für diejenigen, die die Ära Adenauer als stickig und restaurativ empfanden, für diejenigen, die einen klaren, auch personellen Trennstrich zur NS-Zeit vermissten. Ihr Sprachrohr fanden diese Kreise in der linksliberalen Presse. In der Spiegelung dieser Eigenschaften auf ihre persönlichen Erwartungen und Hoffnungen erschien der kommende Kanzler gerade vielen linksliberalen Journalisten von Spiegel, Zeit, Stern, Süddeutscher Zeitung und Frankfurter Rundschau als die nie für möglich geglaubte Symbiose aus Macht und Geist, Politik und Moral. Brandt war selbst ausgebildeter Journalist, ihm wurden seit jeher intellektuelle Eigenschaften zugesprochen. Klaus Harpprecht bezeichnete Brandt in unserem Gespräch immer wieder als »Teilintellektuellen«. Die politischen Imagezuschreibungen an Brandt wurden verstärkt durch seine persönlichen Eigenschaften: Er galt als ausgesprochen charmant, eloquent und auch sensibel. Er scheute sich nicht, seine Emotionen in die Politik zu tragen, und verlieh ihr dadurch ein menschliches Antlitz. Über das auch bei Adenauer bereits geschilderte »Media-Manufactured-Charisma« hinaus verfügte Brandt genau wie Adenauer über die Gnadengabe eines außeralltäglichen Charismas, das jede Personalisierungsstrategie begünstigt. Anders als der ins Großbürgertum aufgestiegene Adenauer begann Brandts Biographie »von ganz unten kommend«.13 Während das Image des ersten Kanzlers vor allem durch einen patriarchalisch-autoritären Gestus geprägt war, konnte Brandt vor allem

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aufgrund seiner sozialen Herkunft die Rolle des »Volkstribuns« glaubwürdig verkörpern. Seine wachsende Anhängerschaft glaubte an die moralische Autorität seiner Person. Die Legitimität seines Amtes bezog Brandt aus einer außeralltäglichen und rein persönlichen, sozialen Beziehung zu den Menschen – ganz im Sinne Max Webers. Arnulf Baring vergleicht das Charisma Brandts mit dem von Staatsmännern wie de Gaulles und Kennedy und spricht gar von einem »religiösen Charakter«14 der Kanzlerschaft Brandts. Dass Brandt tatsächlich auch als metaphysische Führerfigur wahrgenommen wurde, zeigt ein Foto von ihm in einem Religionsbuch der pädagogischen Verlage Schroedel und Benziger 1972, das am Ende einer Serie mit Christus-Konfigurationen steht.15 Die charismatische Herrschaft Brandts findet ihren eindringlichsten Ausdruck in der SPD-Kampagne 1972, die nach den Adenauer-Wahlen 1953 und 1957 als Musterbeispiel einer perfekten Personalisierungsstrategie gilt und neben der Schröders 1998 zur erfolgreichsten überhaupt in der Geschichte der SPD zählt. Der zentrale Planer war der bereits mehrfach zitierte Albrecht Müller, damals Chef der Planungsabteilung im Kanzleramt. Brandt-Biograph Merseburger bezeichnet ihn als den »Spindoctor« der Kampagne. Es lassen sich 1972 ähnliche Stilelemente, wie sie bereits Adenauer einsetzte, entdecken: Die Person Brandts wurde präsidentiell überhöht und den Niederungen des täglichen Parteienzwists entrückt. Der Kanzler inszenierte sich als ein »von der Aura der Geschichtlichkeit umstrahltes Denkmal«,16 als Kanzler und moralischer Neuerer der Nation, als deutscher Staatsmann statt als Parteivorsitzender der SPD. Die Kampagne appellierte bewusst an das Nationalgefühl der Wähler und weniger an Parteisympathien. Dies drückte sich aus in dem Slogan: »Deutsche, wir können stolz sein auf unser Land. Wählt Willy Brandt.« Viele SPD-Plakate waren mit einem schwarz-rotgoldenen Schmuckrand versehen. Schon Adenauer ließ nach seinen Auftritten als Kanzler das Deutschlandlied spielen. Staatsmännischer Gestus und das Okkupieren nationaler Symbolik zur Erhöhung der eigenen Person sind bis heute ein immer wiederkehrendes Stilelement in der politischen PR. Der ganze Wahlkampf 1972 wurde mit einem einzigen, ikonenhaften Porträtfoto Brandts bestritten, das von der Werbeagentur ARE geschossen worden war. Der personal-plebiszitäre Charakter der Wahl wurde durch Slogans wie »Willy wählen!« zum Ausdruck gebracht.

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Merseburger schreibt die Personalisierungsstrategie interessanterweise unmittelbar Brandt selbst zu, der nach seiner Auffassung die Wahlen zu einem Plebiszit über seine eigene Person gestalten wollte.17 Vorschub für diese Personalisierung der sozial-liberalen Koalition leistete bereits seit Jahren das Bundespresseamt, das unzählige Bilderserien von Brandt in den unterschiedlichsten Alltags- und Lebenssituationen herausgab. Walker spricht gar davon, der Personenkult des Bundespresseamtes habe im Laufe der Zeit »neobyzantinische Züge«18 angenommen. Im Vorfeld der Wahlen setzten Brandts Berater um Albrecht Müller auf eine deutliche Bekenntnisstrategie der Wähler. Ähnlich wie bereits durch die orangefarbenen Stecknadelköpfe 1969, jetzt aber personalisiert, sollten die Menschen ihre Entscheidung schon vor der Wahl sichtbar machen: Millionenfach wurden Autoaufkleber mit dem Text »Ich bin für Willy Brandt« verteilt. Dieses so erzeugte »Bekenntnisfieber« – so titelte die Zeit 1972 über den Wahlkampf19 – war für den CDU-Wahlkampf verheerend. Elisabeth-Noelle Neumann entwickelte aus der nachträglichen Wahlanalyse ihre berühmte Theorie der Schweigespirale.20 Dieser Theorie zufolge findet das Lager, das öffentlich stärker Bekenntnisbereitschaft zeigt, auch erkennbar stärkeren Zulauf, weil Menschen grundsätzlich Isolationsängste haben. Sie beobachten ihr Umfeld und schweigen lieber, wenn sie merken, dass sie mit ihrer Meinung in der Minderheit sind. Medien spielen bei dieser Theorie, und letztlich auch im Kalkül von Brandts Berater Müller, eine entscheidende Rolle. Da Medien nur diejenigen abbilden können, die sich bekennen, und nicht die, die schweigen, entsteht ein immer verzerrteres Stimmungsbild. Im Rückschluss glauben auch die Schweigenden dieser Berichterstattung und nehmen das mediale Stimmungsbild als real wahr. Diejenigen, die sich bekannt hatten, fühlen sich erst recht bestärkt, diejenigen, die geschwiegen haben, werden weiter resignieren. Das Fundament für eine starke Personalisierung Brandts wurde aber bereits in seinen Berliner Tagen gelegt. Seit dieser Zeit setzte auch Brandt (wie vor ihm Adenauer) die bereits skizzierte Outsider-Strategie ein: Er profilierte sich als rechts von der Mehrheits-SPD stehende und somit auch für bürgerliche Kreise wählbare, überparteiliche Figur. Anders als bei Adenauer erinnert die Strategie Brandts sogar stark an die so genannte »Third Way Strategy« des britischen Spindoctors Peter Man-

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delson. In Nordamerika hat sich hierfür der Begriff der »Triangulation Strategy« von Clinton-Berater Dick Morris etabliert. Während sich Adenauers Outsider-Inszenierung noch ausschließlich auf die eigene Partei bezog, nahm Brandt eine Position zwischen beiden großen Parteilagern ein. Er verfolgte damit genau das von den aktuell wohl bekanntesten Spindoctors vorgeschlagene Erfolgsrezept des »Meta-Imaging«: Demnach soll sich der Kandidat mit einer dritten, ideologiefreien Position über die Konfliktlinien der beiden großen Mehrheitsparteien stellen und populäre Vorschläge aus beiden Lagern für sich reklamieren.21 Dies drückt sich beispielsweise in der häufigen Bezugnahme Brandts auf Adenauer aus. Klaus Harpprecht meint hierzu: »Ich habe damals immer salopp gesagt: Wir klauen der Union den Adenauer unter dem Hintern weg. Das war natürlich wichtig, um in die bürgerlichen Schichten einzudringen.« Eine vergleichbare Strategie übernahm Schröder 1998 auf anraten von Blairs Berater Peter Mandelson und brachte sie auf die Formel »Neue Mitte«. Frappierend ist hierbei die Tatsache, dass der Begriff »Neue Mitte«, mit dem Gerhard Schröder 1998 erfolgreich punktete, bereits im Brandt-Wahlkampf 1972 eine zentrale Rolle spielte und auf die Urheberschaft Klaus Harpprechts zurückgeht. Ebenfalls von Brandt adaptierte Schröder den Satz: »Wir wollen nichts anders machen, sondern besser«22 – in beiden Fällen ein deutlicher Ausdruck des Kalküls, Gemeinsamkeiten der beiden Lager für sich auszunutzen.

Die neue Fernsehwirklichkeit Der Imagewandel der SPD in den sechziger Jahren fiel mitten in den Diffusionsprozess des Fernsehens und wurde dadurch begünstigt, weil erst die ARD, dann auch das ZDF eine Gemeinde der Zuschauer konstituierten, in der sich die althergebrachten Milieugrenzen verwischten. Die Sozialdemokratie konnte mit diesem Medium nun auch Kreise erreichen, die in einer durch politische Präferenzen strukturierten Printmedienlandschaft für sie nicht erreichbar waren. Mit Brandt hatte man zudem einen attraktiven, schlagfertigen Kandidaten, der gerade auch im visuellen Medium Fernsehen seine charismatische Wirkung entfalten konnte. Das Fernsehen wurde zu einem wesentlichen Zusatz-

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faktor des Imagewandels der SPD in den sechziger Jahren. Besonders die politischen Magazine »Panorama«, »Report« und »Monitor« zeigten klare Sympathien für Brandt. Eine Ausnahme bildete lediglich das »ZDF-Magazin« von Gerhard Löwenthal, der sich scharf gegen dessen Ostpolitik stellte. Das erste politische Großereignis des neuen Fernsehzeitalters war der Mauerbau 1961. Das bundesdeutsche Fernsehpublikum nahm die historischen Bilder des 13. August als Kollektivrealität wahr. Medialer Nutznießer war Willy Brandt. Nach einer Berechnung von Peter Koch war Brandt im Zusammenhang mit dem Mauerbau mindestens zehn Stunden lang im Fernsehen zu sehen, Adenauer als deutscher Kanzler hingegen nur zwei.23 Ein Nebeneffekt der neuen Augenzeugenschaft des Fernsehpublikums war die leichtere Wahrnehmbarkeit von Vielstimmigkeiten. Besonders die CDU machte im Zusammenhang mit dem Mauerbau erstmals die Erfahrung, dass unabgestimmte, inhaltlich voneinander abweichende Stellungnahmen nun deutlich vom Publikum wahrgenommen wurden. Die entlarvende neue Fernsehrealität veränderte zwangsläufig auch die politische PR und machte zentrale Kommunikationsstrategien notwendig. Seit diesen Tagen sind alle politischen Parteien darum bemüht, ihre Kommunikation möglichst zentral zu steuern und grundlegende Leitlinien, Positionen und Wordings von der Parteispitze aus für die Basis verbindlich vorzugeben. Die Einheitlichkeit des Auftritts oder neudeutsch: die »One Voice Policy« ist seither eines der obersten Gebote politischer PR. Die gewachsene Bedeutung des Fernsehens lässt sich durch ein einfaches Rechenbeispiel verdeutlichen: Im Rahmen seiner »Whistle-StopCampaign« konnte Brandt mit dem Cabrio täglich fünf bis sechs Städte und bis zu 15 Landgemeinden bereisen. Er kam dabei etwa mit 40.000 bis 50.000 Menschen in Kontakt.24 Das macht bei 21 Reisetagen eine ungefähre Summe von einer Million Menschen, die Brandt durch die Tour erreichte. Überträgt man diese Summe auf das Fernsehen, hätte er bei einem Fernsehauftritt 1961 in etwa eine Quote von grob 30 Prozent Sehbeteiligung erreichen müssen,25 um eine vergleichbare Präsenz zu erzielen. Bei damals nur einem Programm (das ZDF nahm erst 1963 den Sendebetrieb auf) waren derartige Quoten durchaus zu erreichen. Die Aufwand-Nutzen-Relation zwischen groß angelegten, öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen und der vermittelten Ansprache durch Fern-

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sehauftritte begann sich seit dieser Zeit also immer mehr zugunsten des neuen Mediums zu verschieben. Ein Grund, warum es immer noch lohnenswerter war, auf andere Vermittlungskanäle für politische Öffentlichkeitsarbeit zu setzen, war die Neutralität der Fernsehjournalisten bei innenpolitischen Themen. Es gab zwar bereits politische Formate. Erst 1969, in dem Jahr, in dem Brandt Kanzler wurde, ging das Fernsehen aber auf die im Wahlkampf thematisierten innenpolitischen Probleme kontrovers ein. Die entscheidende Innovation für die kommenden Wahlkämpfe war die in diesem Jahr erstmals ausgestrahlte so genannte »Elefantenrunde«: Das Aufeinandertreffen der Spitzenkandidaten aller im Bundestag vertretenen Parteien. Das Forum hierfür bot das bereits seit längerem im ZDF-Programmschema bestehende Format »Journalisten fragen – Politiker antworten«. Brandt war zudem der erste, der im Vorfeld der Bundestagswahl von 1961 für ein Fernsehduell amerikanischer Prägung eintrat. Das legendäre Duell Kennedy-Nixon 1960 löste in den USA eine neue Ära politischer PR aus. »It was TV more than anything else that turned the tide«26, meinte John F. Kennedy nachträglich über seinen fulminanten Sieg. Unter dem Eindruck dieses live ausgestrahlten Schlagabtauschs, mit dem sich das Fernsehen als wahlentscheidendes Medium erwiesen hatte, forderte Brandt den Amtsinhaber auf, mit ihm gemeinsam vor die Kameras zu treten – wohlwissend, in diesem schnellen und optischen Medium dem greisen Adenauer klar überlegen zu sein. Und wahrscheinlich aus genau denselben Gründen lehnte dieser ab. 1965 war es dann Ludwig Erhard, den Brandt vehement zu einem Fernsehduell aufrief. Auch Erhard lehnte ab. 1969 fand man schließlich mit der »Elefantenrunde« eine für das repräsentative System der Bundesrepublik passende Lösung, die für alle kommenden Wahlkämpfe bis 1987 beibehalten wurde. Die Forderung nach Fernsehduellen blieb aber seit Brandt ritueller Bestandteil des Auftritts aller Herausforderer. Für 1972 kann erstmals von einem regelrechten Fernsehwahlkampf und einer politisierten Fernsehberichterstattung gesprochen werden. Zusätzlich zur mittlerweile etablierten »Elefantenrunde« strahlten ARD und ZDF insgesamt zehn Stunden Sendezeit mit wahlbezogenen Diskussionen aus. Wahlkampfsondersendungen großen Stils feierten in diesem Jahr ihren Durchbruch: Am 18. Oktober 1972 strahlte die ARD

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die erste, sechzigminütige Sendung im Rahmen der Serie »Deutschland vor der Wahl« aus. Am 2. November sendete das ZDF »Journalisten fragen – Politiker antworten«. Das Finale begingen ARD und ZDF erstmals gemeinsam: Am 15. November übertrugen beide Sender zeitgleich die Gemeinschaftssendung »Vier Tage vor der Wahl« mit einer Dauer von mehr als zwei Stunden. Das neue Medium wurde von der SPD sofort strategisch in die PR eingebunden und mit den bereits bestehen Instrumenten verknüpft. Die Vorbereitung Brandts stützte sich auf demoskopische Erhebungen von Infratest zu den Sehgewohnheiten der Zuschauer. Aufgrund der erhobenen Daten wurde ihm geraten, vor allem die ersten zwanzig Minuten zu nutzen, da hier Aufmerksamkeit und Einschaltquote am höchsten seien. Aus demselben Grund sollte Brandt relativ zu Beginn der jeweiligen Sendungen die Rentner mit für sie relevanten Themen ansprechen, da diese Zuschauergruppe meist als erste abschaltet und ins Bett geht. Außerdem lässt sich bereits in jenem Jahr, ähnlich wie bei den US-amerikanischen Fernsehduellen, der Versuch beobachten, unmittelbar nach den Diskussionsrunden die Interpretationshoheit über das Abschneiden der Kontrahenten zu gewinnen. Nach den wichtigsten Runden wurden in der Nacht per Fax Flugblattvorlagen an die Orts- und Kreisvereine geschickt, um sie dort vervielfältigen und am nächsten Morgen verteilen zu können. 1972 verteilte die SPD das Flugblatt »tv-intern« bundesweit an großen Plätzen am Morgen nach der »Elefantenrunde«. Diese Form der Neuinterpretation oder des »Reframings« eines Ereignisses ist eine typische Methode des Spindoctoring. Die Bezeichnung »Spindoctor« ist genau aufgrund der bei Brandt skizzierten Methode, Ereignisse oder Inhalte im Nachhinein in eine bestimmte Richtung zu drehen, ihnen also einen neuen »Spin« zu geben, entstanden: Erstmals schriftlich benutzte am 21. Oktober 1984 ein Politikjournalist der »New York Times« den Ausdruck in einem Artikel über eines der TV-Duelle zwischen den damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan und Walter Mondale in Kansas City. Als Spindoctors beschrieb er die hinter der Bühne wartenden PR-Berater beider Bewerber, die den Journalisten jeweils unterschiedliche Bewertungen desselben Ereignisses anboten, um so der Berichterstattung einen vorteilhaften Dreh zu verleihen: »Tonight at about 9:30, seconds after the Reagan-Mondale debate ends, a bazaar will suddenly materialize in the press room […].

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A dozen men in good suits and women in silk dresses will circulate smoothly among the reporters, spouting confident options. They won’t be just press agents trying to impart a favorable spin on to a routine release. They’ll be the Spin Doctors, senior advisers to the candidates.« Der Unterschied zwischen dem Spindoctoring bei Brandt und dem Spindoctoring, wie wir es spätestens seit Reagan kennen, besteht allerdings darin, dass 1972 die Wähler unmittelbare Zielgruppe des großangelegten Spindoctoring waren, während heute professionelle Politikvermittler ihre Spins vor allem gegenüber Journalisten durchsetzen wollen, weil unabhängige Medien als Meinungsmacher glaubwürdiger und verlässlicher wirken, als von Parteien verteilte Flugblätter. Ebenfalls bereits Anfang der siebziger Jahre, und nicht etwa erst seit Schröder, traten Politiker in Unterhaltungssendungen auf, etwa Walter Scheel in zahlreichen Musiksendungen mit »seinem« Lied »Hoch auf dem gelben Wagen«. Schon damals war erkannt worden, dass politikferne Wählergruppen auch bei ihren Fernsehgewohnheiten Politikformate mieden und nur durch Entertainment zu erreichen waren. Sicherlich ist die Menge der damals im Fernsehen angebotenen, wahlbegleitenden Politikformate mit dem heutigen »Overkill« an politischen Informationssendungen nicht vergleichbar. So wurden beispielsweise ab Mai 1998 insgesamt weit über 100 Stunden Politik im Fernsehen geboten.27 Allerdings war es in der Ära Brandt trotz der begrenzten Sendezeit wesentlich einfacher, große und größte Reichweiten zu erzielen: »Vier Tage vor der Wahl« erreichte 1972 traumhafte 58 Prozent Einschaltquote.28 Das entsprach umgerechnet auf die Haushalte einer Zuschauerzahl von etwa 30 Millionen Menschen. Von derartigen Quoten für ihre Schützlinge können heutige PR-Berater nur träumen. 1972 gab es noch keine Fragmentierung des Fernsehangebotes und eine damit verbundene Individualisierung des Publikums. Die Zuschauer hatten die Wahl zwischen drei Programmen. Deshalb war es für politische Akteure relativ unkompliziert, breiteste Schichten durch einen gut platzierten Fernsehauftritt zu erreichen. Daraus lässt sich schließen, dass das Fernsehen als Medium seine diskrete Macht am stärksten entfalten konnte, bevor die Privatsender auf den Plan traten. Ungleich intensiver als in der heutigen, zerklüfteten Medienlandschaft war das Fernsehen ein Filter, der politische Informationen zu einer konsonanten, für die große ungeteilte Gemeinde der Zuschauer verbindlichen Realität arran-

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gierte. Die bereits erwähnte Theorie der Schweigespirale, die ganz konkret aus den Erfahrungen des »Willy-Wahlkampfs« 1972 entwickelt wurde, basiert unter anderem auf dieser diskreten Macht des Fernsehens. Nicht zufällig vollzog in den Jahren nach der Wahl 1972 die Kommunikationswissenschaft einen Paradigmenwechsel und wendet sich immer stärker dem Konzept der »mächtigen Medien« zu. Die These, Medien verstärkten nur bereits bestehende politische Präferenzen, wurde jetzt zunehmend in Zweifel gezogen. Der Aufstieg des Fernsehens zum mächtigsten politischen Medium ist eng verbunden mit dem Namen Willy Brandt. Als Herausforderer agierte Willy Brandt in einer Phase, in der sich das Fernsehen als Massen- und Leitmedium etablierte. Seine Kanzlerschaft fällt zusammen mit dem Datum der Vollversorgung: 1974 verfügten 95 Prozent der westdeutschen Haushalte über einen Fernseher.29 Dennoch wurde sein PR-Personal noch immer von Experten dominiert, die ihre Expertise klar im Printmedienbereich besaßen oder dort erworben hatten – so etwa von Klaus Harpprecht, Egon Bahr oder Günter Gaus. Vor allem Brandts Regierungssprecher Conrad Ahlers als ehemaliger Spiegel-Redakteur steht für die Dominanz des Printjournalismus gegenüber dem neuen Fernsehjournalismus. Brandt stützte seinen Einfluss auf die öffentliche Meinung noch stark auf Printmedien, insbesondere auf die ihm wohl gesonnene linksliberale Presse wie den Stern und den Spiegel.

Kompetenz neben der Verwaltungshierarchie Nach der Bildung der sozial-liberalen Koalition 1969 berief Brandt mit Conrad Ahlers den bisherigen Stellvertreter von Kiesingers Regierungssprecher Günther Diehl an die Spitze des Bundespresseamtes. Die von Konrad Adenauer erfolgreich erprobte Praxis, einen erfahrenen Journalisten als Chef des Presse- und Informationsamtes einzusetzen, setzte Brandt damit fort. Durch diese Wahl sicherte sich Brandt die fortdauernde Sympathie der linksliberalen Presse, vor allem des Spiegel. Ahlers galt laut Klaus Bölling als »guter Kumpel« der Journalisten. Aber auch unter der ersten sozialdemokratischen Bundesregierung, die als Opposi-

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tionspartei noch gegen die Öffentlichkeitsarbeit des Bundespresseamtes gewettert hatte, änderte sich nichts daran, dass das Presseamt neben informativen auch persuasive Aufgaben wahrnahm. 1971 schrieb der Leiter der Zentralredaktion des Bundespresseamtes, Hanns Küffner: »Forderungen etwa, die Regierung dürfe informieren, aber nicht für ihre Sache werben […], haben keine praktische Bedeutung mehr […] Informationspolitik schließt Öffentlichkeitsarbeit mit ein. Wer Öffentlichkeitsarbeit treibt, treibt auch Werbung.«30 Ahlers trat erst 1968 der SPD bei und war nie überzeugter Sozialdemokrat. Er hatte keinen direkten Draht zu Brandt, wie ihn Felix von Eckhardt bei Adenauer oder später Klaus Bölling bei Helmut Schmidt besaßen. Ahlers, der selber im Zusammenhang mit der Spiegel-Affäre staatliche Repressionen erdulden musste, zögerte nicht, staatsanwaltschaftliche Untersuchungen gegen missliebige Redaktionen zu unterstützen. Zu einem solchen Vorgehen kam es zum Beispiel auf Anregung des Kanzleramtes, als das vertrauliche »Bahr-Papier« über die Gespräche mit dem sowjetischen Außenminister Andrei Andrejewitsch Gromyko in die Presse geriet. Außerdem durchsuchte die Steuerfahndung die Redaktionsräume des Magazins Quick, das mehrmals durch exklusive Veröffentlichungen vertraulicher Dokumente aufgefallen war. Ein Zusammenhang zwischen diesen Veröffentlichungen und der Durchsuchung ist zwar nicht konkret nachweisbar, aber naheliegend. Derartige Attitüden erinnern an Adenauers dünnhäutige Attacken gegen kritische Medien und sind kein auf seine Ära beschränktes Phänomen. Nach der Wahl 1972 zog Brandt mit dem ehemaligen Spiegel-Chefredakteur Günter Gaus und Klaus Harpprecht zusätzlich zwei journalistische Berater hinzu, die im Bundespresseamt angesiedelt wurden. Besonders bei der Einbindung Harpprechts ging Brandt neue Wege abseits der bestehenden Verwaltungshierarchie: Harpprecht wurde Chef der Redenschreiberei, aber nicht dem Chef des Bundeskanzleramtes unterstellt, sondern erhielt einen Honorarvertrag des Bundespresseamtes. In die Hierarchie des Kanzleramtes war er somit nicht eingebunden. Durch die Anhäufung journalistischer Berater in Brandts unmittelbaren Nähe kam es schnell zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen dem Bundespresse- und dem Bundeskanzleramt. Die entscheidende Veränderung nahm Brandt allerdings nach seiner Wiederwahl an den Spitzen von Bundespresseamt und Kanzleramt vor.

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Conrad Ahlers musste 1972 ebenso gehen wie Kanzleramtschef Horst Ehmke. Dessen Nachfolger wurde Horst Grabert, die ihm zugeordnete Leitung des Bundespresseamtes übernahm Rüdiger von Wechmar, der bisherige Stellvertreter von Conrad Ahlers. Von Wechmar war Mitglied der kleineren Koalitionspartei FDP. Die Preisgabe des Schlüsselamtes gouvernementaler Öffentlichkeitsarbeit an den kleineren Partner wurde von vielen Akteuren der SPD mit Unverständnis quittiert. Von Wechmar konnte während seiner kurzen Amtszeit im Bundespresseamt nie das Vertrauen von Willy Brandt gewinnen und wurde von Seiten der SPD nur unzureichend mit Informationen versorgt. Für Merseburger ist die Berufung von Wechmars für den späteren Rücktritt Brandts mitverantwortlich.31

Die Genossen und die Berater In den fünfziger Jahren hatten unter Professionalitätsgesichtspunkten noch gravierende Unterschiede zwischen der PR der SPD und Union bestanden. Kennzeichnend für diese Dekade war die Distanz der Sozialdemokraten zu kommerziellen Werbe- und Demoskopieagenturen sowie zu externen PR-Dienstleistern, wie Adenauer sie längst durch seine ADK und die »Mobilwerbung« geschaffen hatte. Die Wahlkämpfe wurden nach wie vor durch offizielle Gremien und den Parteiapparat gesteuert, ohne Unterstützung externer Agenturen und Berater. Laut Frank Bösch entwarf die SPD sogar bis 1957 ihre langen, textlastigen Wahlplakate noch selbst.32 Die Steuerung des Wahlkampfes wurde hier nicht durch externe Agenturen und Berater unterstützt, sondern lief ausschließlich über die offiziellen Gremien und den Parteiapparat. Dies änderte sich erst im Vorfeld der nächsten Bundestagswahl. 1959 erhielt Karl Anders, der frühere Mitherausgeber der Frankfurter Rundschau, einen Zweijahresvertrag als Wahlkampfdirektor. Mit Klaus Schütz löste Brandt eine weitere Schlüsselposition aus dem Parteiapparat, indem er ihn zum persönlichen Wahlkampfmanager machte. Damit schuf sich Brandt eine vor allem seiner Person verpflichtete Schnittstelle zwischen Partei- und Kandidatenwahlkampf. Schütz holte für seine Arbeit außerdem Rat von amerikanischen Wahlkampfexperten ein.

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Erst 1969, also zwei Bundestagswahlen später, betraute die Partei die Düsseldorfer Webeagentur ARE mit der Umsetzung der Wahlkampfkommunikation. Die ARE war allerdings anders als die CDU-Agenturen kein rein kommerzieller Dienstleister, der vornehmlich Markenwerbung für die Industrie betrieb, sondern eine Eigengründung der SPD. Dennoch stellt das Engagement dieser Agentur eine Professionalisierung der politischen Kommunikation der SPD dar. Vorher hatte die Partei Forschung und Werbung ausschließlich parteiintern betrieben. Nur vereinzelt war hier und da auf die demoskopischen Institute Divo und EMNID zurückgegriffen worden, bis 1959 das Infas-Institut Bad Godesberg entstand, das der SPD finanziell und personell nahe stand. Infas-Gründer Klaus Liepelt hatte in den USA studiert und auch entsprechendes Know-how für die SPD nach Deutschland gebracht. Ebenfalls 1969 stützte sich die Partei dann auch nahezu vollständig auf ein kommerzielles Demoskopie-Institut: Infratest erhielt diesen Auftrag, das Infas-Institut nahm nur noch überwachende Funktionen und Sonderaufträge wahr. Mit dieser Öffnung der Partei für externe, kommerzielle Wahlkampfdienstleister war der Prozess der Professionalisierung zunächst für nahezu zwanzig Jahre abgeschlossen. Eigens erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang auch die Beratertätigkeit Klaus Harpprechts, der 1971 als Redenschreiber von Willy Brandt engagiert wurde. Dies stellte ein völliges Novum dar, weil sich die drei Kanzler zuvor ihre Reden von Beamten des Kanzleramtes hatten schreiben lassen, die hierfür mehr oder weniger Talent besaßen. In den USA war es demgegenüber schon damals seit langem üblich, dass die Präsidenten persönliche Redenschreiber engagierten, die zur Ausübung dieser Tätigkeit ein entsprechendes, meist journalistisches Kompetenzprofil mitbrachten. Unter Harpprechts professioneller Regie wurde es auch Usus, zur Vorbereitung besonderer Reden externe Berater hinzuzuziehen. Bei Brandt war dies beispielsweise häufig Golo Mann. Harpprecht war zwar kein Öffentlichkeitsarbeiter im eigentlichen Sinne, er hatte aber maßgeblichen Anteil am öffentlichen Erscheinungsbild Willy Brandts in den siebziger Jahren. Er gestaltete nicht nur den rhetorischen Stil des Kanzlers entscheidend mit, sondern prägte auch zahlreiche, damals politisch maßgebliche Begriffe wie »Neue Mitte« oder das aus dem Amerikanischen kopierte »Compassion«, das eine neue

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Bürgergesellschaft des Mitgefühls und der Solidarität begründen sollte. Mit Harpprecht wurde eine weitere amerikanische Tradition in Deutschland übernommen und auch der Bereich der Redenschreiberei professionalisiert. Auch das in Berlin eingerichtete Wahlkontor deutscher Schriftsteller trug zur Professionalisierung der SPD-Kommunikation bei. Damals junge Schriftsteller wie Peter Härtling oder Friedrich Christian Delius ersannen dort Wahlslogans für Brandt. Die prominenten Intellektuellen stellten sich unter anderem deshalb hinter Brandt, weil Erhard gegen Rolf Hochhuth eines seiner schlimmsten rhetorischen Eigentore geschossen hatte. Im Wahlkampf 1965 polterte er über ein Theaterstück des Schriftstellers, in dem Deutschland als Klassengesellschaft dargestellt worden war: »Da hört der Dichter auf, da fängt der ganz kleine Pinscher an.« Allerdings leistete gerade die Garde junger Intellektueller in Brandts Team dem, was heute als inhaltslose »Parolenkommunikation« kritisiert wird, auf breiter Front Vorschub. Sie konzipierte einprägsame, knappe Slogans wie: »Wohin man fasst – Erhard passt. Wohin man greift – Erhard kneift.« Sicherlich war das Wahlkontor eine willkommene Ergänzung zur ARE-Werbeagentur. Intellektuelle und Schriftsteller passten als Plakattexter wesentlich besser zum Image der SPD als kommerzielle Agenturen. Das Wahlkontor wurde ebenso wie die vielen amerikanischen Elemente der Brandt-Wahlkämpfe auch zu einem Metathema in den Medien und generierte so Berichterstattung.

Von der Berliner Mauer zum Nobelpreis Stärker als bei seinen Vorgängern und Nachfolgern ist bei Brandt eine außenpolitische Profilierung und Prestigebildung bereits vor seiner Kanzlerschaft auszumachen. Während seiner Amtszeit galt Brandt ähnlich wie Adenauer als ein Kanzler der Außenpolitik. Die Mechanismen des Prestigeerwerbs waren hier die gleichen, wie sie schon für die Auslandsbesuche Adenauers geschildert wurden: Fototermine und symbolische, emotionsgeladene Inszenierungen standen im Zentrum.

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Ein erster »unerhörter Publicity-Erfolg«33 Brandts auf internationalem Parkett fand bereits im Februar 1958 statt: sein Treffen mit Dwight D. Eisenhower, Vizepräsident Richard Nixon und Außenminister John Foster Dulles. Die Medienbezogenheit seiner USA-Reise wird durch die Zahl der Brandt-Interviews deutlich: In den ersten acht Tagen gab er sieben Rundfunk- und sieben Fernsehinterviews. Daraufhin sahen viele amerikanische Kommentatoren in dem charismatischen Deutschen bereits den kommenden Kanzler. Diese Wirkung strahlte wiederum zurück auf die deutschen Medien. Es folgte dann die von Adenauer gesponserte Weltreise Brandts, die zu einer reinen PR-Tour geriet. Im Frühjahr 1959 führte der Weg wiederum in die USA. Dem mittlerweile in Amerika bekannten Brandt wurde jetzt durch die US-Presse ein lupenreiner Triumphzug von Küste zu Küste attestiert. Die Wirkung, die Brandt bei den amerikanischen Journalisten erzielte, beruhte unter anderem auf seiner Stilsicherheit auf internationalem Parkett. Laut Klaus Harpprecht fühlte Brandt sich auf US-Pressekonferenzen sogar wesentlich sicherer als bei ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland. 1961 war dann das Jahr des Mauerbaus. Brandt konnte als Regierender Bürgermeister West-Berlins durch sein Verhalten während dieser Krise klare Prestigegewinne durch positive Medienpräsenz verbuchen. Hierbei profitierte er allerdings von gravierenden PR-Fehlern Adenauers. Anders als der Kanzler brach Brandt seine Wahlkampfaktivitäten nach dem 13. August sofort ab und profilierte sich damit als ein Politiker, der nationales Interesse über Partei und persönlichen Machterwerb stellt. Der zweite PR-Fehler Adenauers war sein undurchsichtiges Zögern, sofort nach Berlin zu reisen. Hans-Peter Schwarz spekuliert, dass ihn möglicherweise wahltaktische Erwägungen davon abgehalten hätten. Bei einem Berlinbesuch wäre eine Solidarisierung mit Brandt vor dem Schöneberger Rathaus unvermeidbar gewesen. Dies hätte allerdings die durch die Strategie des »Negative Campaigning« betriebene öffentliche Abwertung Brandts konterkariert. Klaus-Otto Skibowski mutmaßt, Adenauer habe von der Wiener Absprache zwischen Kennedy und Chruschtschow gewusst, nach der die USA den Mauerbau dulden würden. Dadurch sei ihm klar gewesen, dass jedes Handeln aussichtslos sei. Die Chance einer Inszenierung als in der Stunde der Gefahr zupackender Kanzler ließ Adenauer sich gleich zweimal entgehen: nicht nur un-

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mittelbar am 13. oder 14. August, sondern auch vom 19. bis 21. August 1961, als der amerikanische Vizepräsident Johnson in Berlin Flagge zeigte. Johnson machte vorher kurz Station in Bonn, wo er und seine Berater einen Mitflug Adenauers erwogen, aber nach kurzer Besprechung verwarfen. Schwarz meint, hätte Adenauer sich überwunden, Johnson direkt mit seinem Wunsch zu konfrontieren, hätte dieser kaum ablehnen können.34 So überließ der Kanzler nun aber die Inszenierungshoheit vor Ort Brandt alleine. Deshalb war es nicht Adenauer, sondern der Regierende Bürgermeister Brandt, der nun die einrückenden amerikanischen Soldaten vor der Kulisse jubelnder Berliner begrüßte. Brandt konnte sich insgesamt sechs Stunden lang an der Seite Johnsons und der US-GIs in den Medien präsentieren. Die Bedeutung des Mauerbaus als Thema der Wahlberichterstattung lässt sich wiederum aus einer Inhaltsanalyse ablesen: Nur bei einem weiteren Wahlkampf, nämlich 1990, im Jahr der Wiedervereinigung, standen außenpolitische Themen in vergleichbarer Weise überdurchschnittlich im Fokus der Wahlberichterstattung wie 1961.35 Besonders im Zusammenhang mit dem Kernthema der Brandtschen Außenpolitik, den Ostverträgen, lässt sich der Bonus der Exekutive in Fragen der Berichterstattung aufzeigen. Nach der Auflösung des Bundestages 1972 wurde der Union praktisch ihre einzige Bühne entzogen, um Themen, Botschaften und Personen mediengerecht zu präsentieren. Brandts Kabinett konnte sich demgegenüber als geschäftsführende Regierung weiterhin in den Medien präsentieren: Der Grundlagenvertrag wurde wohlterminiert zehn Tage vor der Neuwahl des Bundestages unter großer Anteilnahme der Medien paraphiert. Dies zeigt einmal mehr, dass die Regierung nicht auf das Parlament als Bühne medialer Inszenierungen angewiesen ist, sondern durch ihr tägliches Handeln, vor allem in der Außenpolitik, eigene Kulissen für die Berichterstattung aufbauen und Akzente setzen kann. Die Ostpolitik war das zentrale Motiv der Kanzlerschaft Brandts. Sie dominierte das gesamte politische Geschehen der Bundesrepublik von 1970 bis 1972. Hier sind es vor allem zwei Ereignisse, die die persönliche Reputation Brandts im In- und Ausland positiv geprägt haben. Das erste war das Treffen Brandts mit Willi Stoph in Erfurt am 19. März 1970, das einem ersten innerdeutschen Gipfel und der – zumindest

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symbolischen – Anerkennung der DDR gleichkam. Die Zeit titelte zur Erfurt-Reise: »Ein Tag, der in Deutschland unvergessen bleiben wird.«36 Das zweite, noch emotionalere Ereignis war der berühmte »Kniefall von Warschau« vom 6. Dezember 1970. Durch diese historische Geste steigerte Brandt sein Ansehen vor allem bei der Auslandspresse ins nahezu Unermessliche. Michael Ratcliffe von der Londoner Times vermerkte hierzu, Brandts Presse in England sei immer exzellent gewesen, jetzt, nach dem Kniefall, nähere sie sich der Vergötterung eines mythologischen Helden.37 Das Time Magazine kürte Brandt im Jahr des Kniefalls zum »Man of the Year«. Damit war Brandt nach Hitler (1938) und Adenauer (1953) erst der dritte Deutsche, der diesen Titel erhielt. Der Kniefall ist sicherlich ein Höhepunkt medienbezogener Symbolpolitik in Deutschland. Es wird weiter darüber gestritten werden, ob die große Geste eine kalkulierte oder spontane Handlung Brandts war. Klaus Harpprecht, der mit Brandt mehrfach über den »Kniefall« gesprochen hat, meinte in unserem Gespräch, eine symbolische Geste sei von Brandt geplant gewesen, ihm sei lediglich bis zum letzten Moment unklar gewesen, wie diese Geste aussehen könne. Der Kniefall sei dann eine spontane Eingebung gewesen. Das Mischungsverhältnis zwischen Gemachtem und Spontanem ist im Regelfall bei symbolischer Politik nicht eindeutig bestimmbar. »Dieser Kniefall gab schließlich den Anstoß für einen weiteren Superlativ internationaler Reputation: den Friedensnobelpreis. Bereits im Vorfeld der Verleihung hatte eine New Yorker PR-Agentur in den USA LobbyArbeit für Brandt betrieben. Der Agentur-Inhaber, Roy Blumenthal, war ein Freund Brandts. Seine Agentur hatte schon seit dem Berlin-Ultimatum 1958 im Auftrag West-Berlins in den USA Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Der »langjährige amerikanische Berater WBs« brachte ihn jetzt bei einflussreichen Amerikanern für den Nobelpreis ins Gespräch. Diese auch bei Brandt-Biograph Merseburger kolportierte Version wird von Klaus Harpprecht indirekt bestätigt.

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Interview mit Klaus Harpprecht Klaus Harpprecht (*1927) ist Journalist und Autor. Er arbeitete unter anderem für das ZDF in Washington und für den WDR. Von 1966 bis 1969 leitete er den S. Fischer Verlag in Frankfurt am Main. Von 1972 bis 1974 war er Redenschreiber für Willy Brandt. Können Sie kurz schildern, in welcher Form Sie für Willy Brandt tätig waren? K LAUS H ARPPRECHT : Ich war mit Willy Brandt befreundet seit 1952. […] Obwohl ich aus einer für ihn weit entfernten Welt stammte, aus einem schwäbischen Pastorenhaus, ich arbeitete für eine eher konservativ ausgerichtete, protestantische Wochenzeitung, Christ und Welt […], hat sich zwischen uns schnell Sympathie entwickelt. Einige Jahre nach Ernst Reuters Tod legten Brandt und unser gemeinsamer Freund Richard Löwenthal eine Biographie Reuters vor, die etwas zu lang geraten war, und baten mich, sie zu kürzen und stilistisch zu glätten. Das war der Beginn meiner Zusammenarbeit mit Willy Brandt, die sich nach und nach weiter verdichtete. […] Wir sind über die ganzen Jahre als Freunde immer im Gespräch geblieben, ich habe ihm ab und an Texte geschrieben. Die Zusammenarbeit intensivierte sich dann, als Willy Brandt Außenminister in der Großen Koalition wurde. […] Als Brandt dann Kanzler wurde, holte er mich nach Bonn. Ich war dann Leiter der »Schreibstube«, wie ich immer sagte, also der Redenschreiberei des Kanzlers. Gleichzeitig war ich Berater in internationalen Fragen für die Felder USA, Westeuropa und Israel. Das waren die Schwerpunkte. Innenpolitisch beriet ich den Kanzler in Kulturfragen. Wie waren Sie organisatorisch eingebunden? Ich war dem Kanzleramt zugeordnet, mein administrativer Vorgesetzter war der Leiter des Kanzleramtes. Ich hatte meinen Vertrag aber pro forma mit dem Bundespresseamt, das auch mein Honorar zahlte. Sie kamen also praktisch als Quereinsteiger und langjähriger Freund in den engsten politischen Kreis um Willy Brandt. Gab es da keine Konflikte mit den etablierten Akteuren? Ich galt wohl vielen eher als »Schöngeist«, aber war natürlich immer schon politischer Journalist. Ich war ein Quereinsteiger, der keine politi-

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schen Ambitionen hatte. Das entsprach der Verabredung zwischen Willy Brandt und mir. Ich habe ihm zugesagt, die Arbeit als Leiter der Redenschreiberei für ein paar Jahre zu übernehmen, aber wollte danach wieder in meinem Beruf zurückkehren. In dem Moment, in dem man eine eigene politische Karriere ins Auge fasst, kann man meiner Meinung nach nicht mehr unabhängig beratend tätig sein, denn es gibt ja dann immer auch persönliche Interessen, die dieser notwendigen Unabhängigkeit im Wege stehen. […] Damals war man es in Deutschland noch nicht unbedingt gewohnt, dass jemand von außen ohne den Stallgeruch der Partei eine politisch beratende Funktion übernimmt. Auch die Position des Redenschreibers kannte man damals in Deutschland offiziell nicht, sondern die Aufgabe, Reden für den Kanzler zu verfassen, hatten bislang Beamte erledigt, die dann je nach Talent mehr oder weniger erfolgreich arbeiteten. Dass hierfür jemand von außen engagiert wurde, war eine Neuerung, die Brandt eingeführt hat. […] Ich war das aus meiner Tätigkeit als USA-Korrespondent ja ganz anders gewohnt. In Amerika war dies seit langem eine Selbstverständlichkeit, die Redenschreiber des Weißen Hauses gab es dort schon seit Generationen. Also hat Brandt Sie ins Kanzleramt geholt, weil er die Redenschreiberei professionalisieren wollte? Es gibt zwar einige Beamte, die eine gute Schreibe besitzen, aber nicht so wahnsinnig viele. Journalisten wurden in Deutschland vor Brandt für solche Tätigkeiten kaum herangezogen, insofern ist dies schon eine Professionalisierung gewesen. […] Man sagt, Sie haben den Reden Brandts »amerikanischen Stil« gegeben. Ich weiß nicht, ob es ein amerikanischer Stil war. Vielleicht schon. Ich habe bestimmte Begriffe aus der amerikanischen Politik in die Reden Brandts eingebaut. »Compassion« etwa war ein Begriff, der damals eine sehr große Rolle spielte. Dieser Begriff appellierte an das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen, der Gesellschaft. Diese gesellschaftliche Verantwortung sahen viele Deutsche damals traditionell beim Staat. Das war in den USA natürlich ganz anders. Nachbarschaftshilfe, Engagement für Wohltätigkeitsorganisationen, all dies spielt in den USA ja noch immer eine andere Rolle als in

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Deutschland. Also es ging um mehr Mitverantwortung des Einzelnen für die Gesellschaft und den Staat. Adenauer und Brandt sind 2003 unter die ersten zehn größten Deutschen gewählt worden. Glauben Sie, diese nach wie vor ungebrochene Verwurzelung der beiden im kollektiven Gedächtnis liegt daran, dass sie die charismatischsten Kanzler waren? Das waren sie ohne Zweifel. Es waren die beiden Kanzler, die in der Phantasie der Menschen in den Bereich des Legendären, fast Mythischen gerückt wurden. […] Man muss dies relativ ernst nehmen, denn es hat etwas damit zu tun, wie die Demokratie im Bewusstsein der Bundesrepublik verankert ist. Nicht ein einziger Kanzler der Weimarer Republik ist derart im Bewusstsein der Menschen geblieben. Mit Ausnahme Hindenburgs, der allerdings nicht als Politiker, sondern als Feldherr in die Sphäre des Mythologischen gelangte, müssen Sie schon bis auf Bismarck zurückschauen, um etwas Vergleichbares wie bei Adenauer und Brandt zu finden. Bei Brandt ist es schon erstaunlich, weil er anders als Adenauer von Beginn an eine umstrittene Figur war. Brandt war beim deutschen Bürgertum, das etwas rechts von der Mitte angesiedelt war, geradezu verhasst. Dies ist mir deshalb wichtig zu erwähnen, weil es Brandts großes Ziel und Verdienst war, die bürgerlichen Kreise für die Sozialdemokratie zu gewinnen. Natürlich auch aus wahltaktischer Berechnung: Wahlen werden in der Mitte gewonnen und nirgendwo sonst. Der Begriff »Neue Mitte« stammt doch auch aus Ihrer Feder, oder? Ja, ich habe damals diesen Begriff eingeführt und in eine Rede Brandts geschrieben und abgewartet, ob Brandt es akzeptiert. Er hat den Begriff akzeptiert, denn er hat sofort verstanden, worauf ich damit hinauswollte. Brandts Ostpolitik war ja die logische Fortführung der Westpolitik Adenauers. Brandt hat sich in diesen Dingen sehr stark auf Adenauer berufen, und ich habe damals immer salopp gesagt: Wir klauen der Union den Adenauer unter dem Hintern weg. Das war natürlich wichtig, um in die bürgerlichen Schichten einzudringen. Das war allerdings nicht nur Taktik, sondern hatte eine wichtige, gesellschaftspolitische Dimension. Es war bis dato nicht wirklich gelungen, das Bürgertum in den Prozess der Demokratisierung mit einzubeziehen. Hierfür trägt zweifellos Bismarck die Urverantwortung, der das liberale Bürgertum ge-

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spalten und den Liberalismus als politische Bewegung zur Impotenz verurteilt hat […]. Eine Reform des Staates, an der sowohl Sozialdemokratie wie auch Liberalismus gemeinsam beteiligt sind, konnte seit Bismarck in Deutschland praktisch nicht mehr erreicht werden. […] Hierin liegt auch der tiefere Grund, warum die erste deutsche Republik gescheitert ist. Diese künstliche Trennung von Liberalismus und Sozialdemokratie sollte nun endlich überwunden werden. Hat Willy Brandt also letztlich diese Öffnung der Sozialdemokratie hin zum Bürgertum und zum Liberalismus durch seinen langen Anlauf zur Kanzlerschaft in den 1960er Jahren und den damit verbundenen schrittweisen Imagewandel seiner Partei erreicht? Ja, das hat er getan. Das war nicht bei allen Sozialdemokraten eine populäre Veränderung der politischen Ausrichtung. Einige empfanden dies als Verfremdung der Partei. Deshalb schlug einem auch immer ein gewisses Misstrauen entgegen. Da war ich nicht der Einzige, der in diese Richtung gewirkt hat. Hatte Brandt außer den nichtkommerziellen, institutionalisierten Dienstleistern wie dem Bundespresseamt oder der Redenschreiberei unter Ihrer Führung weitere kommerzielle, externe Zuarbeiter für seine Außendarstellung? Wir hatten lose Verbindungen und Verabredungen mit Experten, die zu bestimmten Anlässen um ihre Mitwirkung gebeten wurden. Zum Beispiel immer wieder Golo Mann, dessen Expertise bei Reden, die sich mit historischen Kontexten befassten, eingeholt wurde. Mann hat sich dann später, als ihm die Sozialreformen der SPD zu weit gingen, recht brüsk von der Partei abgewandt. Aber es gab keinen festen Kreis, den man für solche Dienstleistungen installiert hätte. Und gab es außerhalb der Redenschreiberei, konkret bezogen auf die Medienarbeit, externe PR-Journalisten, die für Brandt tätig geworden sind? Soweit mir dies bekannt ist: Nein. […] Was haben Sie gedacht, als Schröder Ihnen 1998 dann noch einmal die »Neue Mitte« abgekupfert hat? Ich habe mich darüber gefreut, dass dieser Begriff wieder aufgetaucht ist. Allerdings meinte Schröder ihn anders. Er meinte nun nicht mehr

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die liberal-soziale Koalition, sondern er verstand den Begriff eher soziologisch. Die »Neue Mitte« ist nach dem Verständnis Schröders ein neues gesellschaftliches Terrain, das aufgrund der modernen Industrieund Dienstleistungsgesellschaft entstanden war und in dem sich die Sozialdemokratie nun zu Hause fühlen sollte. Er verstand darunter also mehr ein gesellschaftlich-soziales Gebilde, aber er verstand es nicht historisch. Wenn Sie es sehr pathetisch formulieren wollen: »Neue Mitte« war für Brandt und auch für mich die Verwirklichung der, in unsere heutige Zeit übersetzten, Revolution von 1848. Die Wahlkämpfe, die Willy Brandt geführt hat, werden meist mit zwei Attributen belegt: Sie gelten als stark personalisiert und amerikanisch … Also wir haben zweifellos ein Mischsystem entwickelt. Jede Wahl ist auch immer eine Kanzlerwahl, Sie wählen die Partei und damit auch den Kanzler, der ja vorher bereits als Kandidat öffentlich präsentiert wird. Ob es eine Anpassung der Verfassung an diese tradierten Gegebenheiten geben müsste, ist die Frage. […] Was halten Sie von dem viel kolportierten Vergleich zwischen Brandt und Kennedy? War Brandt der »deutsche Kennedy«? Was Brandt 1961 im Wahlkampf eingeführt hat, ist sicherlich ein gewisser amerikanischer Stil: das cremefarbene Cabrio, das Bad in der Menge, der Sonderzug. Das war schon eine gewisse Amerikanisierung der Wahlkampfmethoden. Sie waren zwar ein wenig ungeschickt gemacht, eine etwas laienhafte Imitation … … den Begriff »Imitation« halten Sie aber für zutreffend …? … bezogen auf die Wahlkampfmethode, ja. Obwohl Brandt solchen Dingen eher uninteressiert gegenüber stand. Er hat dies den Leuten überlassen, die dafür verantwortlich waren. Die Methoden, über die wir jetzt sprechen, sind im Wesentlichen von Klaus Schütz eingeführt worden. Es gab aber über diese Imitation eine persönliche Nähe zu Kennedy aufgrund der gleichen Generation, der beide angehörten. Eine gewisse Offenheit, die mit der Internationalisierung der Erziehung zusammenhängt. Brandt hatte zwangsläufig durch die Emigration sehr viele Länder kennen gelernt und auf internationaler Bühne von Anfang an Flexibilität entwickelt. Auch Kennedy hatte als Sohn des Botschafters

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in London, aber auch sonst, weil er ein wohlhabender junger Mann war, sehr früh internationale Erfahrungen sammeln können. Deshalb hatte er auch keinen rein inneramerikanischen Blick auf die Dinge. Genauso, wie Brandt keinen rein innerdeutschen Blick besaß. Und beide waren, was bei Brandt oft vergessen wird, wenn auch mit unterschiedlichen Motiven, sehr entschlossene Antikommunisten. In der nachträglichen Verklärung Brandts durch die 68er wird das antikommunistische Element bei ihm gerne unterschlagen. So, als hätte er nur zwangsläufig auf bestimmte Dinge reagiert, auf die er nicht anders reagieren konnte. Ich wage daran zu erinnern, dass der Kalte Krieg nicht einseitig von den USA geführt wurde, sondern in Europa zum großen Teil dem Westen von der Sowjetunion aufgezwungen wurde. Hier in Berlin ging es um die Freiheit von zweieinhalb Millionen Menschen. […] Sie haben geschildert, dass Brandt Fragen der PR und des Campaignings denen überließ, die dafür zuständig waren. Von Adenauer weiß man, dass er sich für Instrumente der Machterhaltung persönlich interessiert hat. Würden Sie Brandt als einen Machtpolitiker bezeichnen? Adenauer war sicherlich wesentlich rücksichtsloser als Brandt. Er hatte einen viel ungebrocheneren Machtwillen, für ihn stellte sich nie die Frage, ob Macht gut oder böse ist. Aber ich halte es für äußerst blauäugig, demgegenüber Brandt für einen Politiker ohne Machtbewusstsein zu halten. Dieses Bild ist vor allem auch durch die Verfilmung von Brandts Kanzlerschaft entstanden, die ihn in den letzten Tagen seiner Amtszeit zeigt und ihn als Zweifler und Zögerer darstellt. Vorsitzender einer Volkspartei und Bundeskanzler wird man nicht ohne Willen zur Macht. Da sollte man sich nicht von einem idealistisch verklärten Brandt-Bild beirren lassen. […] Eine Frage, die mich ganz persönlich interessiert, dreht sich um den berühmten »Kniefall von Warschau«. Wie viel von dieser symbolhaften Handlung war spontan, wie viel inszeniert? Ich war nicht persönlich in Warschau, aber ich habe mit Brandt später mehrmals darüber gesprochen. Er sagte mir, dass er sich darüber im Klaren war, dass es eine besondere Geste brauche. Aber er habe bis Minuten vorher noch nicht gewusst, wie diese Geste aussehen könne, so dass dies eine spontane Eingebung war. Ich möchte ihm das glauben. Er

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war ein Mann, der solche Dinge aus der Eingebung eines sehr starken Instinktes heraus tun konnte. […] Brandt erhielt als erster Deutscher nach Stresemann wieder den Friedensnobelpreis. Merseburger schreibt in seiner Biographie, es werde bis heute gemunkelt, eine PRAgentur habe Brandt ins Gespräch gebracht und ein positives Meinungsklima hergestellt. Ich wüsste nicht, welche Agentur das sein könnte, es sei denn eine kleine US-amerikanische Agentur, mit der Brandt bereits als Regierender Bürgermeister von Berlin zusammengearbeitet hat: die Agentur Roy Blumenthal. Es kann sein, dass diese Agentur für Brandt geworben hat. Aber ich bin überzeugt, dass Brandt in Skandinaven durch seine Exilzeit bereits eine gewisse Lobby hatte. Es könnte sein, dass der Blumenthal mit seinen exzellenten persönlichen Beziehungen eine positive Stimmung für Brandt schaffen wollte. Das halte ich für möglich. Er machte das aber auf eigene Initiative. Glauben Sie, dass Brandt an seiner eigenen Mythologisierung gearbeitet hat? Ich glaube, dass weder Adenauer noch Brandt an ihrer eigenen Mythologisierung gearbeitet haben. Besonders Brandt wäre dieser Gedanke äußerst suspekt gewesen, da er ja viel geschichtsbewusster war als Adenauer. Adenauer hat sehr instinktiv agiert, weil er aus einer anderen Epoche stammte. Brandt war ein Teilintellektueller mit einem gewissen Skeptizismus. Brandt hat diesem Starsystem misstraut, ihm gleichzeitig aber auch unfreiwillig gedient. Natürlich musste er Werbung machen, natürlich musste er PR machen. Mit der Auslandspresse, vor allem mit der amerikanischen Presse, konnte er im amerikanischen Stil viel besser umgehen als mit der deutschen Presse, die diesen Stil noch nicht gewohnt war. Auf amerikanischen Pressekonferenzen hat Brandt mit einer Lockerheit überrascht, mit der sonst nur ein amerikanischer Politroutinier glänzen konnte. In Deutschland, wo diese Lockerheit nicht herrschte, tat er sich damit etwas schwerer. Wie würden Sie als Journalist die Zyklen der Brandtschen Popularität in der linksliberalen Presse bewerten? Letztlich haben diese Blätter doch das »Denkmal« Brandt erst aufgebaut, um es dann wieder einzureißen?

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Das gilt hauptsächlich für zwei Publikationen, den Spiegel und den Stern. Beim Spiegel gehörte das zur üblichen Taktik. In ihrer politischen Personalbewertung verfahren sie nach dem Hollywood-System: Stars werden aufgebaut. Moderne Medien brauchen Stars, deshalb sind Politiker heute viel mehr Stars, als sie es früher waren. Das ist eine Entwicklung, die in den fünfziger Jahren begann. Auch eine gewisse Amerikanisierung, von der zuerst natürlich auch die deutschen Politiker, von Adenauer angefangen, profitierten. Brandt eignete sich ein bisschen besser für dieses Hollywood-System als Adenauer. Ist also der Medienkanzler Schröder kein neues Phänomen in Deutschland? Dass dies nichts Neues ist, liegt in der Natur der Sache. Die Kommunikationswissenschaft, die derartige Dinge untersucht, bewegt sich meiner Meinung nach viel zu sehr in einem a-historischen Raum. Deshalb sind viele Ergebnisse, die so zutage gefördert werden, meiner Meinung nach irrelevant. Das tut mir leid, dies so sagen zu müssen. Politik kann man nicht a-historisch verstehen. Das – ebenfalls ältere – Paradebeispiel für das Hollywood-System ist Henry Kissinger: »Super Henry«. Er wurde zu einem absoluten Medienstar aufgebaut. Dies ging so weit, dass man dem Junggesellen Kissinger eine große Blonde an die Seite stellte, um seinen Nimbus zu verstärken. Aber ebenso zur Logik des Hollywood-Systems gehört es, dass solche Monumente wieder eingerissen werden. Beim Spiegel war dies besonders ausgeprägt, denn es gehörte zu Augsteins Persönlichkeit. Er neigte eher zur Destruktion als zur Konstruktion, was für einen Journalisten im Übrigen nicht schlecht ist. Natürlich haben sie Brandt demontiert. Herr Harpprecht, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Berlin, am 20. Januar 2004

Helmut Schmidt (1974–1982)

Helmut Schmidt ist neben Konrad Adenauer der einzige Kanzler, dessen politische Öffentlichkeitsarbeit systematisch untersucht worden ist.1 Der sehr gründlichen Zusammenschau von Astrid Zipfel, die erstmals auch umfangreiches Archivmaterial zum Thema auswertet, liegt allerdings eine wesentlich engere Fragestellung zugrunde als diesem Buch. Der Titel Helmut Schmidt und die Medien wird über weite Passagen wörtlich genommen. Astrid Zipfel geht stark auf Schmidts ganz persönliche Gedankenwelt ein und versucht, diese an bestehenden medienwissenschaftlichen Modellen zu spiegeln. Sie diskutiert Schmidts persönliches Verhältnis zu einzelnen Journalisten sowie seine kritische Haltung gegenüber dem Fernsehen. Außerdem analysiert sie ausführlich Schmidts Rhetorik, stellt seine Regierungssprecher, deren biographischen Hintergrund und ihre Beziehungen zum Kanzler vor. Auf allgemeinere Aspekte gibt Zipfel nur partiell Antworten. Betrachtungen strategischer, instrumenteller oder generalisierender, von der Person Schmidts gelöster Aspekte bleiben die Ausnahme. Insofern ist der Forschungsstand auch hier äußerst defizitär, zumal die Biographen Schmidts, etwa Jonathan Carr oder Michael Schwelien, ähnlich wie die anderen KanzlerBiographen den Bereich der Medienarbeit nur am Rande behandeln. Schmidt übernahm mitten in einer laufenden Legislaturperiode – nach dem Rücktritt Willy Brandts 1974 aufgrund der Guillaume-Affäre – das Amt des Bundeskanzlers. Erst 1976 wurde er durch Wahlen auch vom Souverän bestätigt. Sein Verhältnis zu den Medien muss als äußerst ambivalent und facettenreich, bisweilen widersprüchlich gelten. Er war der erste Kanzler, der sich zum Thema Politik und Medien immer wieder auch als Publizist zu Wort gemeldet und dabei die politischen Akteure selbstkritisch betrachtet hat. Insbesondere mit der Wirkung des Fernsehens auf Gesellschaft und Politik hat Schmidt sich in seinen

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Schriften auseinandergesetzt und hierbei eine deutliche medien-moralistische Position bezogen, die sich eng an der des bekannten Medienwissenschaftlers und Fernsehkritikers Neill Postman orientierte.2 Andererseits verstand es Schmidt virtuos, sich gerade das Fernsehen für seine Selbstdarstellung dienstbar zu machen. Er gilt zu Recht als der erste »Telekanzler«. Widersprüche lassen sich auch innerhalb seiner öffentlichen Aussagen zum Thema entdecken: Bei manchen Gelegenheiten räumte Schmidt die Notwendigkeit der medialen Inszenierung von Politik wie selbstverständlich ein, an anderer Stelle wiederum bestritt er sie vehement. Auch sein Verhältnis zu Journalisten war stets voller Widersprüche und Unergründbarkeiten. Einerseits schalt er sie ebenso häufig wie lustvoll als »Lederjackenjournalisten«, »Wegelagererjournalisten«, »Rudeljournalisten«, »Indiskretins«.3 Andererseits bescheinigen ihm ehemalige Journalisten, die mit ihm zusammengearbeitet haben, im Vergleich zu anderen Kanzlern eine hohe Toleranzschwelle und professionelle Großzügigkeit im gegenseitigen Umgang. Helmut Schmidt ist der einzige Kanzler, der während seiner gesamten Amtszeit nicht Vorsitzender der eigenen Partei war. Dass er nie den Parteivorsitz anstrebte, wird dem Hamburger trotz seiner allgemein als führungsstark eingeschätzten Kanzlerschaft häufig als strategischer Fehler angerechnet. Der pragmatische, rechts von der Mehrheitsmeinung seiner Partei stehende Schmidt war in der SPD nie unumstritten. Er konnte in der ersten Phase seiner Amtszeit davon profitieren, dass Willy Brandt als alles überstrahlende Identifikationsfigur der Sozialdemokratie besonders die Parteilinken integrierte. In der zweiten Regierungsphase fehlte ihm dann allerdings zunehmend der Rückhalt in seiner eigenen Partei. Schmidt wird aufgrund dieser klassischen OutsiderKonstellation oft mit Gerhard Schröder verglichen, der in seiner Partei ebenfalls häufig die Rolle des Außenseiters einnahm und sich ähnlich wie Schmidt bewusst auch als solcher inszenierte. Eine Sondersituation, die bei der Betrachtung der Öffentlichkeitsarbeit Helmut Schmidts immer mitbedacht werden muss, stellt der zu trauriger Berühmtheit gelangte »Deutsche Herbst« 1977 dar. In dieser Hochphase des RAF-Terrorismus haben sowohl die politischen Akteure aller Parteien als auch die journalistischen Akteure, für die faktisch eine Nachrichtensperre bestand, unter sonst nicht üblichen Ausnahmebedingungen agiert. Unter der ständigen terroristischen Bedrohung war ein

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routiniertes Zusammenspiel von Politik und Medien in dieser Phase schwer möglich. An die Spitze des Bundespresseamtes berief Helmut Schmidt 1974 mit Klaus Bölling einen erfahrenen und renommierten Journalisten, der auch in Situationen wie der Schleyer-Landshut-Entführung 1977 eine hochprofessionelle Krisenkommunikation betrieb. Bölling war neben Felix von Eckhardt sicherlich einer der erfolgreichsten Regierungssprecher der Bundesrepublik. Hierzu hat vor allem die enge, vertrauensvolle Beziehung zu Helmut Schmidt beigetragen. Nach von Hase, Diehl, Ahlers und von Wechmar hatte ein Regierungssprecher erstmals wieder einen »direkten Draht« zum Kanzler. Die Verbindung Schmidt-Bölling kann als ideale Konstellation zwischen Kanzler und Regierungssprecher gewertet werden. Beide galten als »siamese twins of politics«.4 Bölling erfüllte alle Kriterien, die bereits am Beispiel Felix von Eckhardts herausgearbeitet wurden. Er verfügte über eine reichhaltige Berufserfahrung im Print-, Hörfunk- und Fernsehjournalismus. Nach dem Krieg zunächst Redakteur des Berliner Tagesspiegel, wechselte er nach mehreren Zwischenstationen bei Hörfunk und Fernsehen 1966 zum NDR und wurde dort Chefredakteur. Fernsehpopularität erlangte Bölling als Moderator der Sendung Weltspiegel sowie 1969 bis 1973 als Leiter des ARD-Studios Washington und Chefkorrespondent des deutschen Fernsehens in den USA. Bölling genoss das unbedingte Vertrauen des Kanzlers und hatte unmittelbaren Zugang zu ihm. Was ihn zudem auszeichnete, war ein politisches Rollenverständnis. Er war der erste Regierungssprecher, der bei den Sitzungen des Kabinetts mit am Kabinettstisch und nicht an einem Katzentisch saß. Außerdem gehörte er zum innersten Führungszirkel des Bundeskanzlers, dem so genannten »Kleeblatt« – so benannt, weil vier Personen an dieser Runde teilnahmen: Helmut Schmidt und Klaus Bölling sowie Manfred Schüler, der Chef des Bundeskanzleramtes, und Hans-Jürgen Wischnewski, der Staatsminister im Kanzleramt. Hier wurde über alle relevanten politischen Themen diskutiert und vorentschieden. Der Entschluss Schmidts, Bölling von 1980 bis 1982 auf den hochsensiblen Posten des ständigen Vertreters der Bundesrepublik in Ost-Berlin zu berufen, unterstreicht die politisch enge Beziehung zwischen beiden. Wie groß Böllings politischer Einfluss auf Schmidt war, wird deutlich dadurch, dass die Idee, die

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FDP-Minister auf dem Höhepunkt der Krise der sozial-liberalen Koalition 1982 zu entlassen, im Kern auf Klaus Bölling zurückgeht. Das Vertrauen der Journalisten gewann Bölling vor allem durch seine professionelle Kollegialität. Bölling selbst meint in unserem Gespräch hierzu: »Wenn Anrufe kamen, vom Kemptener oder Allgäuer Boten, so spät es war, das war mir egal – ich kannte ja die Redaktionszeiten –, habe ich auch da angerufen und Informationen zur Verfügung gestellt, auch wenn ich die Redakteure persönlich nicht oder nur kaum kannte.« Ähnlich wie Adenauer trat Schmidt selten persönlich vor die Bundespressekonferenz, sondern überließ dies in den meisten Fällen Klaus Bölling. Verlautbarungen Schmidts in diesem Rahmen gab es in den meisten Fällen nur bei wichtigen Ereignissen oder aus wahltaktischem Kalkül. Diese Haltung wurde von Seiten der Journalisten kritisiert. Die Bonner Korrespondenten hätten den Kanzler lieber häufiger persönlich zu tagesaktuellen Ereignissen befragt. Außerhalb der Bundespressekonferenz gab Schmidt hingegen häufig Pressekonferenzen. Auch hier zeigt sich eine gewisse Dienstleistungsmentalität seines PR-Stabes: Es wurde überlegt, wie die Terminierung solcher Pressekonferenzen verbessert werden könnte, damit Journalisten mehr Zeit für Fragen erhielten. Dies drückt eine Souveränität im Umgang mit unabhängigen Medien aus, die etwa Adenauer hatte vermissen lassen, der es vorzog, auf Pressekonferenzen die Fragemöglichkeiten einzudämmen statt auszuweiten, und sich die Fragen vorab schriftlich vorlegen ließ. Auch in seiner unmittelbaren Reaktion auf kritische Berichterstattungen über seine Politik zeigte sich Schmidt moderat. Er beschränkte sich lediglich auf das Richtigstellen von Tatsachenbehauptungen. Hierdurch unterschied er sich grundsätzlich von Adenauer und vor allem auch von Kohl, die ihre Vorbehalte gegenüber einzelnen Medien an deren übergeordneter publizistischer Linie festmachten. Schmidt schätzte eine kleine, handverlesene Elite von Journalisten, die seinen fachlichen Ansprüchen genügte. Mit solchen Medienvertretern führte er Hintergrundinterviews. Vor allem Wirtschaftsjournalisten waren seine bevorzugten Gesprächspartner. Das Medium, zu dem Schmidt zeitlebens das engste Verhältnis unterhielt und bis heute unterhält, ist Die Zeit. Mit Böllings kurzzeitigem Nachfolger Kurt Becker und seinem Stellvertreter Lothar Rühl nahmen zwei ehemalige Zeit-Redak-

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teure die Spitzenpositionen des Bundespresseamtes ein. Schmidt selbst wurde unmittelbar nach seinem Ausscheiden aus dem Kanzleramt 1982 Mitherausgeber der Zeit und verfügt dort bis heute über ein Büro und eine Sekretärin. Bemerkenswert ist das Verhältnis Schmidts und seines Sprechers Bölling zu einem Medium, das publizistisch vollkommen anders ausgerichtet ist als die Zeit: der Bild-Zeitung. Beide kalkulierten strategisch mit den SPD-Wählern, die zu einem nicht unerheblichen Teil auch Leser des Springer-Blattes sind. Nach dem Zerwürfnis von Axel Springer mit Willy Brandt muss diese Haltung als eine Kurskorrektur gewertet werden. Es existierte eine schriftlich vorbereitete und immer wieder stringent vorgetragene Argumentation zum generellen Umgang mit Bild. Schmidt argumentierte auf öffentlichen Veranstaltungen gebetsmühlenartig gegen ihren politischen Teil, baute aber immer wieder argumentative Brücken zur eigenen Basis, die rechtfertigten, warum es keine Schande sei, Bild zu lesen, etwa durch Verweis auf den spannenden Sportteil. Bölling erklärt hierzu: »Ich habe aber damals, als das Fernsehen sich schon etabliert hatte, die Boulevardpresse, vor allem die BildZeitung unter Boenisch und dann Prinz, immer höhere Auflagen erzielte, auch mit solchen Medien gesprochen und den Dialog gesucht, schon weil Millionen von Bild-Lesern SPD-Wähler waren und heute noch sind.« Damit praktizierte Schmidts PR-Stab eine strategische Medienorientierung: die Auswahl der Dialogpartner nach Reichweitenstärke und Rezipientenschaft und nicht nach politischer oder inhaltlicher Ausrichtung. Die Strategie »Bild und Glotze«5 ist also keine Neuerfindung von Gerhard Schröder.

Schmidt und die Berater Über die Frage, ob für Schmidt neben Bölling weitere externe PR-Ratgeber tätig waren, lässt sich wenig sagen. Klaus Bölling verneinte im Interview mit der Wissenschaftlerin Astrid Zipfel vehement die Frage, ob Helmut Schmidt etwa für das Fernsehen von Medienberatern trainiert worden sei.6 Lediglich Argumentationshilfen und Informationen über den Ablauf der Sendung seien von ihm für Schmidt bereitgestellt

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worden. Zipfels Recherchen haben allerdings ergeben, dass Schmidt bereits seit 1953 immer wieder Rat bei einem seiner ältesten Freunde suchte: bei Gyula Trebtisch, dem bekannten, 2005 verstorbenen Hamburger Film- und Fernsehproduzenten. Trebtisch hatte im Wahlkampf 1976 laut einem Aktenvermerk des Schmidt-Stabes mit »Einfluss und Geld«7 geholfen. 1980 bot Trebtisch seine Hilfe sowohl bei der Erstellung von Werbespots als auch bei der Zusammenstellung eines fernseherfahrenen Teams an, das bei allen Veranstaltungen als Schnittstelle zwischen Schmidt und den Kameraleuten der Fernsehanstalten fungieren sollte. Ebenfalls vage bleiben Böllings Einlassungen zu demoskopischen Instituten. Er weist in unserem Gespräch lediglich darauf hin, dass er sich für das CDU-nahe Allensbach-Institut stark gemacht habe, um ein gewisses Gleichgewicht bei der Vergabe von Bundessubventionen an Meinungsforschungsinstitute walten zu lassen. Schmidt gab sich öffentlich gerne als Kanzler, der sich von Umfrageergebnissen nicht beirren ließ. Astrid Zipfel hat jedoch herausgearbeitet, dass er sich – ähnlich wie Adenauer – sehr detailliert mit den Erhebungen beschäftigte und zum Teil sogar ihre empirische Methodik kritisierte. Er gab auch selbst Erhebungen in Auftrag, so zum Beispiel zu den Differenzen zwischen seinen persönlichen Popularitätswerten und denen der Partei.8 Letztlich kann generell davon ausgegangen werden, dass seit der Ära Adenauer jeder Bundeskanzler auf die Dienste von externen, kommerzialisierten oder den Parteien nahe stehenden Demoskopie-Instituten mit Interesse zurückgegriffen hat. Kein Kanzler kann sich von Umfragewerten vollkommen freimachen. Nach allem, was bisher für die ersten Kanzler der Bundesrepublik vorgestellt wurde, ist es unverständlich, wieso einige Autoren gerade die starke Inanspruchnahme von Demoskopieagenturen als Teil eines Wandels politischer PR bewerten. Auch der Hinweis, dass Demoskopie heute nicht mehr der politischen PR nur zuarbeite, sondern selber eine Waffe in der politischen Auseinandersetzung geworden sei, stellt keine wirkliche Neuerung dar. Umfrageergebnisse wurden seit jeher von den politischen Akteuren auch als Argumentations- und Interpretationshilfe genutzt.

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Anti-Image als Image Nachdem mit Brandt ein Kanzler regiert hatte, dem ein intellektuellschöngeistiges Profil zugesprochen wurde, zog mit Schmidt nun anscheinend ein nüchterner, mehr an Sachfragen denn an großen Gesten orientierter Realpolitiker ins Kanzleramt ein: »Prosa trat an die Stelle von Lyrik.«9 Schmidt galt seit der Hamburger Sturmflut 1962 als zupackender und pragmatischer Krisenmanager und Macher. Die Hamburger Naturkatastrophe war ein ähnlich imagebildender Schlüsselfaktor für das Außenbild Schmidts wie das Wirtschaftswunder für Ludwig Erhard. Sein oft militärischer Ton, den er mitunter auch in Redaktionsräumen nicht ablegte, brachte ihm das Image des »Feldwebels« ein. Astrid Zipfel schildert eine von vielen Begebenheiten, bei denen sich Helmut Schmidt rauhbeinig zeigte: Bei einem Redaktionsbesuch beim Flensburger Tageblatt 1975 war der Kanzler über das Frageverhalten der Redakteure derart verärgert, dass er heftig auf den Redaktionstisch geschlagen haben soll. »Ein solches Maß an Borniertheit« sei ihm »in den letzten 20 Jahren nicht mehr untergekommen.«10 Nachdem andere Zeitungen von der Sache erfuhren, publizierte das Flensburger Tageblatt das Interview mit einem Leitartikel, der Schmidt einen autoritären, unhöflichen Umgang bescheinigte: Er habe erwartet, dass seine Antworten mit zusammengeschlagenen Hacken entgegengenommen werden. Wie viel Helmut Schmidt selber bewusst zu diesem »harten« Image beigetragen hat, bleibt umstritten. Einige Beobachter meinen, Schmidt habe sich insbesondere im Fernsehen von »A bis Z« inszeniert präsentiert. Andere sind hingegen der Ansicht, er habe als Kanzler jederzeit völlig unverstellt und authentisch agiert. Seine Fernsehauftritte belegen zumindest, dass er über exzellente schauspielerische Fähigkeiten und die Kunst der Selbstinszenierung verfügte. Das Interesse Schmidts an derartigen Techniken ist nachgewiesen. Bereits 1968 bat er seinen Freund, eben jenen Film- und Fernsehproduzenten Trebitsch, schriftlich um Ratschläge zum Stil seiner öffentlichen Auftritte: »Was hätte ich aus Ihrer Sicht zu beachten, besser zu machen, zu unterlassen, was finden Sie gut?«11 Sein Interesse galt insbesondere auch so genannten Lappalienauftritten, zum Beispiel Besuchen der Wagner-Festspiele oder des Bundespresseballs. Schmidt interessierte auch, wie Trebitsch seine Wirkung auf den Fernsehzuschauer ein-

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schätzte. Hierzu passt, dass der Psychologe Rudolf Warnke kurz vor Schmidts Amtsantritt als Bundeskanzler schrieb, störend an dessen Auftreten sei der Verdacht, dass diese Haltung oft geprobt worden sei. Andererseits gibt es eine ganze Fülle von Berichten, die ein ganz anderes Bild von Schmidt zeichnen: das einer Persönlichkeit, die jeder Form von überhöhter Symbolik und Theatralik skeptisch bis ablehnend gegenüberstand. Der Journalist Hans Ulrich Kempski berichtet beispielsweise, Schmidt habe sich geweigert, im Wahlkampf Staatsinsignien wie den Bundesstander am Fahrzeug zu zeigen. Auch habe er das Bad in der Menge und das Schütteln von Händen sowie Autogrammwünsche verweigert.12 In der Tat lässt sich während der Kanzlerschaft Schmidts, anders als bei Adenauer und Brandt, kein ausgefeiltes Personalisierungskonzept ausmachen. Auch gab es in seinen Wahlkämpfen, wiederum im Unterschied zu seinem Amtsvorgänger, keine großen Kanzlerkampagnen. Trotz einer fehlenden Personalisierungsstrategie war die Berichterstattung über den Wahlkampf 1980, in dem mit Franz Josef Strauß eine die deutsche Gesellschaft stark polarisierende Figur gegen Schmidt antrat, in der Geschichte der Bundesrepublik eine der am stärksten personalisierten. Dies zeigt bloß, dass Personalisierungstendenzen jeweils sowohl vom Mediensystem als auch vom politischen System induziert sein können. Moderne Massenmedien haben generell einen verstärkten Hang zur personalisierten Darstellung von politischen Themen. Diese Tendenz schlägt sich auch dann in der Berichterstattung nieder, wenn die politischen Akteure selbst keine derartigen Ambitionen durch ihre PR-Strategien verfolgen. Astrid Zipfel kommt in ihrer Darstellung zu dem interessanten Schluss, dass die bewusst zur Schau getragene Erhabenheit gegenüber Imageberatung, Demoskopie und Inszenierungsverdacht Teil des strategischen Imagekonzeptes von Helmut Schmidt war:13 Imageresistenz als Image. Schmidts Medienperformance stellt aus dieser Perspektive, anders als zum Beispiel die Gerhard Schröders, eine Melange aus inszenierter Natürlichkeit und zur zweiten Natur gewordener Inszenierung dar. Schmidt hatte während seiner Kanzlerschaft zahlreiche Gelegenheiten, seine innere Führungsstärke nach außen wirksam zu kommunizieren. Seine Kanzlerschaft fällt in eine Dekade der permanenten Krise: Weltweite wirtschaftliche Krisen verschmolzen mit steigender Arbeits-

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losigkeit im Inland, der Ölkrise und der Terrorgefahr zu einem übergeordneten Krisenszenario. In dieser Situation konzentrierte sich die mediale Wahrnehmung und Rezeption des Kanzlers Schmidt auf das Image des Krisenmanagers. Seit der Sturmflut 1962 zogen die Journalisten immer wieder Vergleiche, die sich rund um das Motiv des zupackenden, souverän handelnden Krisenmanagers drehten. Schmidt befand sich also in der ausgesprochen komfortablen Situation, eine bereits vorhandene, positiv besetzte Medienpräferenz für die weitere Ausgestaltung seines Kanzlerimages nutzen zu können. Insbesondere auf dem Feld der Terrorabwehr konnte Schmidt sein bestehendes Image des Krisenmanagers voll zur Geltung bringen. In der Phase der Hochkonjunktur des RAF-Terrorismus 1978 bis 1980 hatte er bei der Gesamtbevölkerung Zustimmungswerte zwischen 50 und 60 Prozent.14 Damit erreichte er ähnliche Popularitätswerte wie Adenauer in seinen ersten Regierungsjahren. Höheres Ansehen genoss in Europa nur Charles de Gaulle. Klaus Bölling berichtet allerdings auch von den Negativseiten des »Macherimages«, das mitunter eine offene Flanke für Angriffe des politischen Gegners bot. Schmidt war mehrfach dem Vorwurf geistiger Phantasielosigkeit und mangelnder konzeptioneller Fähigkeit ausgesetzt. Schmidt selbst empfahl in seiner trocken Art gar Menschen mit Visionen einen Arztbesuch. Deshalb versuchte Bölling während seiner Amtszeit als Regierungssprecher, neben den von den Medien bereits verinnerlichten harten Imagekomponenten auch weiche Akzente zur Geltung zu bringen, die Schmidt als Schöngeist darstellen sollten: »Macher hat so etwas von einem Handwerker, jemand, der nur Stellschrauben dreht. Mir ging es darum, den Leiter eines Ingenieurbüros darzustellen, der eine große Brücke konzipiert.« Bölling sorgte dafür, dass Schmidts bis heute viel gerühmter, musischer Kunstsinn öffentlich bekannt wurde. Helmut Schmidt hat beispielsweise im Laufe seines Lebens mehrere Schallplatten aufgenommen, in denen er als Interpret der Werke klassischer Komponisten zu hören ist. Bölling ermutigte ihn dazu, sein Können in der Öffentlichkeit, insbesondere auch unter journalistischer Beobachtung, zu präsentieren.

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Internationale Diplomatie ohne Glamour-Effekt Auffallend ist, dass bei Schmidt die symbolhaften, glamourösen außenpolitischen Inszenierungen à la Arlington oder Warschau fehlen. Er lehnte Symbolpolitik als Ersatz für politisches Handeln öffentlich ab. Hierin unterschied er sich ganz grundlegend von Brandt. »Als Hamburger bin ich so erzogen, dass ich nicht sehr viel von symbolischen Handlungen halte, von Händeschütteln und Umarmungen.«15 Nach dem Ende seiner Kanzlerschaft kritisierte Schmidt inszenierte, außenpolitische Ereignisse wie den Weltwirtschaftsgipfel als »Medienspektakel«, »Theatervorstellung« und »Fototermin«. Zweifelsohne hat er als Kanzler in den siebziger Jahren eine Führungsrolle in der internationalen Währungs- und Finanzpolitik gespielt. Nicht zufällig ist das einzig große, für die internationalen Medien inszenierte Ereignis der Außenpolitik der von Schmidt mit initiierte Weltwirtschaftsgipfel 1978 in Bonn gewesen. Der Kanzler konnte sich auf diesem Forum als Führungsfigur der wichtigsten Volkswirtschaften der Welt präsentieren und wurde entsprechend in den Medien wahrgenommen. Karl-Heinz Niclauß stellt die These auf, die internationale Wirtschaftspolitik und das damit verbundene Krisenmanagement sei für Schmidt eine ähnliche, prestigebringende Kraftquelle gewesen wie für Brandt die Ostpolitik.16 Auch in die außenpolitische Profilierung Schmidts spielt also sein Image als Krisenmanagers stark hinein.

Der erste »Telekanzler« Deutschlands Nachdem in der Ära Brandt das Fernsehen rasend schnell zum selbstverständlichen Teil der politischen Kultur in Deutschland geworden war, setzte während der Kanzlerschaft Schmidts eine erste kritische Auseinandersetzung mit dem Medium ein. Interessanterweise reihte sich ausgerechnet der »Fernsehkanzler« Helmut Schmidt in die Front der Fernsehkritiker ein. In der Manier eines Neil Postman sprach er von einem »neuen Analphabetismus«,17 der durch das Fernsehen drohe. Das Gedankengut Postmans scheint in der Umgebung Schmidts eine nicht unerhebliche Rolle gespielt zu haben: Sein wichtigster Kommunikator

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Klaus Bölling bezog sich in unserem Gespräch ebenfalls auf den amerikanischen Medienwissenschaftler. In Schmidts Amtszeit fällt das Neuaufflammen des seit der Adenauer-Ära erloschenen Themas »Zulassung privater Fernsehanbieter«. Schmidt wertete die neuen Möglichkeiten politischer Manipulation, die hierdurch entstünden, als Ende der Demokratie und neues Zeitalter der Cäsaren. Er hatte sich in seiner Jugend unter anderem intensiv mit den frühen Klassikern der Massenpsychologie, etwa José Ortega y Gasset, auseinandergesetzt und griff bei seiner Kritik des Fernsehens gerne auf das Vokabular dieser Denkschule zurück. Schmidt hat in seiner Fernsehkritik bereits viele Merkmale und Mechanismen prononciert, die auch heute im Zentrum der Debatte stehen: Fernsehauftritte von politischen Akteuren würden immer stärker durch Medienprofis wie Beleuchter, Maskenbildner, Regisseure etc. inszeniert, das Fernsehen schaffe einen neuen Typus des Politikers, dessen Qualität vor allem an der Medienkompetenz gemessen werde. Den Meister der Klaviatur des Fernsehens sah Schmidt im ehemaligen Schauspieler Ronald Reagan, der noch heute den Ruf des kommunikativen »Magiers« besitzt. Auch die immer größere Bedeutung von Personen kritisierte Schmidt. Indirekt stellte er im gleichem Zusammenhang auch eine Entideologisierung fest: »Im Fernsehzeitalter nimmt das Vertrauen des Publikums in Programme, Manifeste oder auch Ideologien ab. Das Vertrauen in Personen nimmt zu.«18 Durch diese Worte wird recht anschaulich, was Schmidt mit dem »Zeitalter der Cäsaren« meinte. Ferner kritisierte er die durch Medien ausgelösten, reziproken Wirkungen, die den Bundestag als Ort der Entscheidungsfindung entwerteten. Da alle Parlamentarier sich durch Kameras beobachtet wüssten, würde die Debatte nur noch auf Publikumseffekte ausgerichtet. Schmidt überraschte 1978 eine breite Öffentlichkeit sogar mit der drastischen Forderung nach einem fernsehfreien Tag pro Woche. Andererseits hat Schmidt die von ihm kritisierte diskrete Macht des Fernsehens jederzeit für seine Ziele eingesetzt. 1974 schaffte er es bei einer Allensbach-Umfrage zur Telegenität der Bonner Spitzenpolitiker nach Walter Scheel auf den zweiten Platz. Er selbst sagte in einem Interview der Stuttgarter Zeitung, ihm habe das Fernsehen in seiner Karriere nur gut getan. Schmidt wird von allen Beobachtern und Kommentatoren nahezu einhellig ein souveräner Umgang mit dem Fernsehen attes-

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tiert. Durch seine rasche Auffassungsgabe und sein rhetorisches Talent konnte er kritischen Fragen weitschweifig ausweichen und eigene Botschaften pointiert unterbringen, auch wenn er nicht danach gefragt wurde. Zipfel zitiert mehrere Fernsehjournalisten, die ihm genau jene Eigenschaften zuschreiben, die er am »Fernsehmagier« Reagan kritisierte: Der Kanzler betrat meist übellaunig und wortkarg das Studio, sobald die Scheinwerfer strahlten, war er jedoch bester Laune.19 Anders als der diesbezüglich bis in die Endphase seiner Amtszeit relativ glücklose Helmut Kohl war Schmidt eine ausgesprochene »Fernsehbegabung«, wie Klaus Bölling feststellt. Im Fernsehen zeigte sich Schmidt bewusst entspannt, souverän und ungezwungen: Immer in der bewusst in Kauf genommenen Gefahr, ins Arrogante abzugleiten, lehnte er sich im Stuhl zurück, rauchte oder schnupfte Tabak und blickte vielsagend ins Leere. Seine Virtuosität im Umgang mit dem Medium Fernsehen reichte soweit, dass er seine Stimmmelodik einsetzen konnte, um zu verhindern, dass seine Ausführungen geschnitten werden. Schmidt gab dies auch offen zu: »Na gut, dazu gebe ich Ihnen eine Antwort – aber die dauert drei Minuten. Ich senke dabei nicht einmal die Stimme, damit ihr nicht schneiden könnt.«20 Astrid Zipfel charakterisiert die Fernsehauftritte Schmidts mit dem Attribut des »arroganten Routiniers«.21 Diese treffende Beschreibung hebt besonders auf die inszeniert lässige, ungezwungene und dadurch authentisch wirkende Art Schmidts. Außerdem wertet sie das von Schmidt ritualisierte, noch heute in Fernsehinterviews beobachtbare bewusste Vorbeisehen an Kamera und Moderator – meist verbunden mit provozierend langen Pausen, tiefen Zigarettenzügen oder dem Suchen nach Zigaretten im Jacket – als arrogante Attitüde. Trotz seines souveränen Spiels mit der Kamera lehnte Schmidt jedoch sowohl 1976 ein von Kohl als auch 1980 ein von Strauß gefordertes Fernsehduell ab. Stattdessen fand jeweils wieder die mittlerweile ritualisierte »Elefantenrunde« statt. Aus heutiger Perspektive muss die Tonart, die insbesondere im Wahlkampf Strauß-Schmidt 1980 gepflegt wurde, überraschen. Wer heute über das zur reinen Medienmasche verkommene »Negative Campaigning« der Politiker wettert, wird sich nach der Betrachtung des damaligen Diskussionsstils die heutige Art des Umgangs rasch wieder zurückwünschen. In der »Elefantenrunde« 1980 ging es über weite Strecken um persönliche Aspekte der Debatte, es

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wurde miteinander darüber gerungen, wer etwas wie beleidigend gemeint hatte oder nicht. Sachfragen waren meist nur die Hintergrundkulisse für die persönlichen Grabenkämpfe der Kombattanten. Wie minutiös bereits 1976 das Fernsehen als wichtigstes Medium in den Wahlkampf einbezogen wurde, zeigt folgendes Beispiel. Am 26. September 1976 übertrug das ZDF die Wahlkampfveranstaltungen von Schmidt, Kohl, Genscher und Strauß parallel. In vier Blöcken wurden jeweils einige Minuten aus den Veranstaltungen live übertragen. An Schmidts Rednerpult war versteckt ein Signallämpchen installiert, dass ihm 30 bis 60 Sekunden vorher anzeigte, dass nun die Live-Übertragung unmittelbar bevorstand. Damit Schmidt auch kurzfristig auf Äußerungen der politischen Gegner eingehen konnte, war jeweils ein Verbindungsmann auf den Wahlkampfveranstaltungen der anderen Parteien und gab relevante Informationen telefonisch an Klaus Bölling weiter, der versteckt hinter der Bühne saß. Bei Bedarf wurden Schmidt Zettel mit kommentierungsbedürftigen Passagen der Reden von Kohl und Strauß zugeschoben. Argumentationshilfen zu standardmäßigen Angriffen des Gegners auf die Politik Schmidts waren bereits im Vorfeld vorbereitet worden. Dies zeigt eindrucksvoll, wie perfide bereits die ersten großen Fernsehwahlkämpfe geplant und umgesetzt wurden. Die Eingriffe des PR-Stabs von der Hinterbühne ins Geschehen blieben dem Publikum verborgen. Dadurch konnte eine mediale Realitätskonstruktion stattfinden, bei der Schmidt wie zufällig immer die passenden Antworten auf die parallel stattfindenden Angriffe seiner Kontrahenten parat hatte. Außerdem geht aus Anweisungen von Klaus Bölling hervor, dass die Wirkung der Saalatmosphäre auf den Zuschauer gesteuert wurde. Der Saal sollte laut Bölling ein Bild der Überfülle bieten, auch die Gänge sollten mit Menschen besetzt sein. Außerdem wurden 20 bis 30 Prominente aus Funk, Film und Fernsehen mit Hilfe eines detaillierten Sitzplanes im Saal so verteilt, dass bei jeder Kameraeinstellung immer mindestens ein prominentes Gesicht sichtbar war. Um die Einladung der Prominenten kümmerte sich der bereits vorgestellte Hamburger Film- und Fernsehproduzent Gyula Trebtisch.22 Anders als Gerhard Schröder zu Beginn seiner Amtszeit, und mit Abstrichen auch Helmut Kohl in seiner zweiten Amtshälfte, erkannte Schmidt allerdings, dass es für Amt und Person schädlich ist, um jeden Preis in jeder Sendung präsent zu sein. So trat er während seiner Amts-

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zeit grundsätzlich niemals in Unterhaltungsformaten auf. Er zählt noch heute zu den schärfsten Kritikern von Politiker-Auftritten in Unterhaltungssendungen. Nach seinem Verständnis ist dies sowohl dem Amt als auch der deutschen Demokratie und Staatsraison insgesamt nicht angemessen. 1978 beispielsweise sollte er zur damals populären Rate- und Spielshow »Am laufenden Band«, moderiert vom mittlerweile verstorbenen Rudi Carrell, eingeladen werden. Klaus Bölling riet dem Kanzler vehement hiervon ab.

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Interview mit Klaus Bölling Klaus Bölling (*1928) begann seine Laufbahn 1947 als Redakteur beim Berliner Tagesspiegel. Anschließend wurde er politischer Redakteur bei RIAS Berlin, danach Moderator des Weltspiegels. Zwischen 1969 und 1973 leitet er das ARD-Studio in Washington, 1973 bis 1974 war Bölling Intendant von Radio Bremen. 1974 berief ihn Helmut Schmidt zu seinem Regierungssprecher. In meiner Vorbereitung zu diesem Gespräch habe ich einen Aufsatz von Ihnen aus dem Jahr 1963 mit dem Titel »Politisches Fernsehen. Gefahr und Auftrag« gelesen. Was mich dabei überrascht hat: Sie kritisieren dort die gleichen Probleme, die heute im Zusammenhang mit Politik und Medien wieder auf der Agenda stehen. Vor allem sprechen Sie 1963 bereits von »Entertainisierung« und »Mediatisierung«. Was hat sich in den letzten vierzig Jahren seit Ihrem Aufsatz eigentlich geändert? K LAUS B ÖLLING : Das war ein Vortrag, den ich bei der FDP gehalten habe, glaube ich, und dann hat dies jemand veröffentlicht. Im Prinzip hat sich – bedauerlicherweise – nichts geändert. Die Gefahr, aus politischen Themen Unterhaltungswert zu ziehen, ist dreißig, vierzig Jahre später penetrant. Ich bin damals beeindruckt gewesen von einem Buch, das ein Bestseller geworden ist: Neil Postmans Buch Wir amüsieren uns zu Tode. Zu dieser Zeit – ich will mich hier nicht als Prophet darstellen – gab es ja noch nicht das private Fernsehen. Es war damals aber klar, dass das elektronische Medium die Printmedien in ihrer Wirkung weit übertreffen werde. Dazu brauchte es keine scharfe Intelligenz, um das zu prognostizieren. Aber es gab noch kein wirkliches Diktat der Einschaltquote. Heute orientieren sich leider auch die öffentlich-rechtlichen Medien, die ja in ihren Staatsverträgen angehalten werden, zu bilden und zu informieren, mehr und mehr an den Einschaltquoten. Insofern kann man schon von einem Diktat der elektronischen Medien sprechen. Verbunden ist dies mit einem dramatischen Sinken des Niveaus. Wenn Sie nur an die erste Staffel von »Big Brother« bei RTL denken, mit Guido Westerwelle als Gast, der dort hingegangen ist in der Hoffnung, die jungen Menschen in Deutschland anzusprechen. […] Das private Fernsehen hat das eindrucksvolle Niveau, das die öffentlich-rechtlichen Anstalten noch bis vor einigen Jahren gehalten hatten – unter anderem

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mit guten und sehr guten Dokumentationen –, in Mitleidenschaft gezogen. […] Trotz dieser doch sehr deutlichen Kritik am Medium Fernsehen, die Sie gerade geübt haben, mussten Sie im Rahmen Ihrer Arbeit für Bundeskanzler Helmut Schmidt mit diesem damals noch recht neuen Medium umgehen. Ja, selbstverständlich. Nicht nur ich, sondern viele andere Journalisten und natürlich vor allem die Politiker – es war ja damals schon einige Jahre nach der Adenauer-Ära – hatten erkannt, dass dies das Medium der Zukunft sei. […] Helmut Schmidt hat es mir als Regierungssprecher – man kann das Wort ja nicht mehr löschen: mir als »Verkäufer« seiner Politik – leicht gemacht. Erstens, weil er überhaupt einen Bonus hatte. Er hatte einen Bonus, weil man ihn als Mann des praktischen Handelns in Krisensituationen erlebt hatte, zum Beispiel bei der Hamburger Flutkatastrophe. Und zweitens: Auch wenn das Fernsehen damals noch nicht diese Wirkungsmacht besessen hätte, wäre er bei der Bevölkerung immer ein Stück beliebter gewesen als seine eigene Partei. Ähnlich übrigens wie Willy Brandt, der im Fernsehen auch sehr gut ankam. Durch seine bedächtige, norddeutsche Art hat Schmidt, den man ja scherzhaft und manchmal sehr unfreundlich »Schmidt-Schnauze« genannt hat, das Fernsehen selbstverständlich genutzt. […] Er war einfach eine Fernsehbegabung. Er hat ja noch in den letzten Jahren mit der sehr intelligenten und gut vorbereiteten, inzwischen etwas arrogant wirkenden Sandra Maischberger zwei längere Interviews geführt. […] Ihre Ausführungen scheinen zu unterstreichen, dass es letztlich doch auf die jeweilige Person und Persönlichkeit ankommt, dass Medien- und vor allem Fernseherfolg eine Begabung ist. Viele Politiker besuchen mittlerweile Fernsehtrainings, um das, was Sie als Begabung definieren, professionell zu erlernen. Das ist in der Tat in den letzten Jahren eine Mode geworden. Ich sage es jetzt einmal etwas unfreundlich: Abgehalfterte Fernsehstars finden sich für beträchtliche Summen bereit, Politikern beizubringen, wie man im Fernsehen wirkt. Das halte ich, was die Politiker angeht, in den meisten Fällen für vergeudetes Geld. Entweder kann jemand im Parlament gut reden, dann kann er auch im Fernsehen gut reden. Oder er langweilt im Bundestag, dann langweilt er auch das Fernsehpublikum. Man hat dies ja deutlich gesehen im Vergleich Schröder-Stoiber. Stoiber ist an Intelli-

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genz Schröder sicherlich gewachsen. Die beiden sind einander ebenbürtig. Das hat Stoiber früher nicht so gesehen, inzwischen sagt er ja, dass das Gespann Merkel-Westerwelle im Vergleich zu Schröder-Fischer Leichtmatrosen seien. Er sagt nie Unsinniges, sondern viel Gescheites. Aber dieses ständige »äh«, mit dem er von vielen – auch billigen – Kabarettisten verspottet wird, gefällt den Leuten nicht. […] Aber auch das Publikum, das ich gar nicht in gebildete und weniger gebildete Menschen unterteilen will, reagiert nach einer Weile auch sehr sensibel, wenn politische Akteure zu oft auf dem Bildschirm erscheinen. So verbraucht sich letztlich auch die Aura eines noch so fernsehbegabten Politikers. Schröder tritt mit einer großen Frequenz vor das Fernsehen. Er ist eigentlich sein eigener und bester Regierungssprecher. Immerhin gibt es im Bundespresseamt Bela Anda – der mich im Übrigen vor seiner Berufung an der Stelle, wo Sie jetzt sitzen, um meinen Rat gebeten hat – und seine zwei Stellvertreter, die hierfür zuständig wären. Ich höre allerdings aus Kollegenkreisen immer wieder, dass er dort den Spitznamen »Sagenichts« hat. Er gehört eben, anders als ich damals, oder auch Felix von Eckhardt bei Adenauer, nicht zum engsten Kreis des Bundeskanzlers. Wenn meine Kollegen in den parlamentarischen Redaktionen Berlins richtig beobachtet haben, nimmt Schröder jede Gelegenheit war, um seine Politik zu erklären. Im Fall der Hartz-Gesetze hat das, wie wir alle wissen, überhaupt nicht geklappt. Aber das kann man nicht alles auf den jungen Regierungssprecher abwälzen. Das war ein Versäumnis der regierenden Politiker. […] Sie wissen ja, wie stark man mit Begriffen, die man besetzt, auch Politik machen kann. Daran hat sich seit Urzeiten nichts geändert. […] An diesem Grundprinzip, Medien zur Politikvermittlung zu nutzen, hat sich im Grunde nie etwas geändert. Jeder Politiker weiß heute, wie Schröder es ja auch gesagt hat, dass das Fernsehen der wirkungsmächtige Multiplikator ist. Stärker als das Radio. Man sollte zwar das Radio nicht unterschätzen, es wird trotzdem noch viel Radio gehört. Aber auch hier gibt es die unheilvolle Tendenz, Politik zu Entertainment mutieren zu lassen. Nicht bei allen Sendern. Ein Sender, der wirklich vorbildlich ist, ist der Deutschlandfunk. […] Als ich Ende der sechziger Jahre Korrespondent in Washington war, konnte man in den deutschen Morgenmagazinen mit dem jeweiligen Redakteur in Köln oder Hamburg fünf, sechs, sieben Minuten reden. Heute werden Sie von dem Redakteur, der

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ja auch ein Geschöpf des Zeitgeistes ist, nach spätestens einer Minute unterbrochen mit der typischen Moderatorenfloskel: »Unsere Zeit geht zu Ende …«, oder auch einer dümmlichen Floskel wie: »Eine letzte Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort …« So verdirbt man natürlich das Politikniveau. Zu meiner Zeit konnte Helmut Schmidt, oder auch ich, noch versuchen – natürlich immer verbunden mit der Mühe um Kürze und Prägnanz –, in fünf oder sechs Minuten zu reden, ohne unterbrochen zu werden, weil bereits der nächste Interviewpartner auf Sendung geschaltet war. Es gab zu dieser Zeit ja noch kein Kommerzfernsehen, es gab lediglich ARD und ZDF. Die Qualität der Politikrezeption ist gesunken, und sie wird weiter sinken, da bin ich mir sicher. […] Sie werden immer wieder als ein sehr professioneller Regierungssprecher dargestellt, der, selbst gelernter Journalist, großes Verständnis für die Produktionsabläufe in Redaktionen besaß und Medien bei ihren Wünschen weitest möglich entgegenkam. Ich möchte keinem meiner Vorgänger unrecht tun. Adenauer hatte mit seinen Sprechern zunächst wenig Glück, bis dann Felix von Eckhardt das Bundespresseamt übernahm, obwohl es unter den ersten Pressechefs Adenauers auch einen Journalisten gab, Paul Bourdin. Ein sehr tüchtiger Chefredakteur einer Berliner Boulevardzeitung. Er hatte aber keinen Sensus dafür, wie man Regierungsarbeit plausibel macht, wie man Vertrauen aufbaut. Nicht als ständiger Apologet der Regierung, sondern als deren Interpret, und nicht als Schönredner. Obwohl der Regierungssprecher natürlich die guten Leistungen seiner Regierung betont, verschweigt er nicht, dass es auch einmal schwache Phasen in der Regierungsarbeit gibt. […] Man ist ganz klar Diener der Regierung. Das ist der Dienstherr, und man arbeitet primär als Vertreter der Regierung. […] Ich habe aber damals, als das Fernsehen sich schon etabliert hatte und die Boulevardpresse, vor allem die Bild-Zeitung unter Boenisch und dann Prinz, immer höhere Auflagen erzielte, auch mit solchen Medien gesprochen und den Dialog gesucht, schon weil Millionen von BildLesern SPD-Wähler waren und heute noch sind. […] Wenn Anrufe kamen, vom Kemptener oder Allgäuer Boten, so spät es war, das war mir egal – ich kannte ja die Redaktionszeiten –, habe ich auch da angerufen und Informationen zur Verfügung gestellt, auch wenn ich die Redakteure persönlich nicht oder nur kaum kannte.

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Einer ihrer Vorgänger, Conrad Ahlers, war ja auch ein renommierter Journalist, daran kann der Unterschied ja nicht gelegen haben. Was haben Sie anders gemacht? Conrad Ahlers war einer der Mitbegründer der Jungen Union in Hamburg. Er war zu keiner Zeit ein Sozialdemokrat, schon gar nicht ein inskribierter. Ahlers war im freundlichsten Sinn ein guter Kumpel der Journalisten. Ahlers war über die Brandtsche Politik gut informiert, aber da Brandt niemanden wirklich eng an sich heranließ, auch nicht seinen engsten und politisch erfolgreichsten Berater Egon Bahr, hat Ahlers weder in der Großen Koalition noch als Nachfolger von Günter Diehl engen Kontakt mit Willy Brandt gehabt. […] Ein Unterschied war die Nähe zum Kanzler, die war bei mir sicherlich enger. Dann gab es ein weiteres Manko bei Ahlers: Er interessierte sich überhaupt nicht für die Partei. Für ihn war Kanzler Kanzler, egal ob CDU oder SPD. Er war ein »political animal« und machte seinen Job. Das war die Schwäche Ahlers‘. […] Er war ein hochgradig politischer Sprecher. Der Bundeskanzler wird bei uns ja nicht direkt gewählt, sondern ist der Exponent seiner Partei, und der Regierungssprecher muss auch und gerade die Kommunikation mit der Partei des Kanzlers pflegen. Er ist nicht der Pressesprecher der SPD oder der CDU, aber er muss wissen, der Kanzler, dem er dient, ist der Mann dieser oder jener Partei. Conrad Ahlers verachtete Parteijournalisten. Aber ohne Ansehen der Person muss man mit allen Journalisten, die die öffentliche Meinung bestimmen, den Dialog suchen, besonders mit den kritisch oder negativ eingestellten. Inwieweit waren Sie bei Auslandsreisen des Kanzlers eingebunden? Haben Sie Journalisten Mitflüge gewährt, technische Hilfe angeboten oder Ähnliches? Eine wichtige Frage der Logistik, die mit Kommunikation und Informationspolitik zu tun hatte, ist die Frage: Wer darf in der Kanzlermaschine der Flugbereitschaft mitfliegen? Darauf hatte ich natürlich entscheidenden Einfluss. Kein Kanzler kümmert sich darum, er kennt von 25 mitfliegenden Journalisten vielleicht fünf, die ihm vertraut sind. Ich habe dafür gesorgt, dass auch solche Korrespondenten mitfliegen durften, von denen man wusste, dass sie unionsnah waren. Ich habe dann auch in den so genannten Briefings mich bis an die äußerste Grenze der Diskretion bewegt. […]

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Ist es nicht auffallend, dass solche Termine gerne in die Nähe von Wahlkämpfen gerückt werden? Ja, aber das wird von vielen weit überschätzt. Es gibt Kommunikationsdogmatiker, die meinen, wenn der damalige Oppositionsführer Rainer Barzel von Nixon empfangen wurde, würde dies die Wählermassen in Deutschland bewegen. Das ist absoluter Unfug. Dann werden die Minuten gezählt: Stoiber war 25 Minuten bei Bush, Koch redete 17 Minuten mit Bush. Das sind Albernheiten, das interessiert seriöse Journalisten nicht. Wenn ein Gespräch mit dem US-Präsidenten auf 30 Minuten terminiert ist, und er bleibt eine Stunde, dann ist das ein Politikum, aber auch keines, das einen großen PR-Effekt hätte. Entscheidend sind nicht die 25 Minuten, sondern wenn Schmidt, Brandt, Kiesinger oder Erhard im Vorgarten des Weißen Hauses verkünden können, die deutsch-amerikanischen Beziehungen seien so gut wie noch nie. […] Dass ein deutscher Kanzler dort im Weißen Haus ist, hat schon einen gewissen Werbeeffekt, aber wahlentscheidend ist so etwas sicherlich nicht. Welche außenpolitischen Ereignisse waren bei Schmidt in dieser Weise relevant? Sicherlich die Freundschaft zwischen Schmidt und Giscard D’Estaing. […] Bei beiden gab es die berühmte Chemie, die stimmte. Auch wenn es nicht zu solchen symbolischen Szenen wie Reims oder Verdun und Warschau bei Brandt gekommen ist, spielte diese Freundschaft eine große, auch symbolische Rolle. […] Besuche, bei denen es Glamour gab, da war im Grunde nur der G7-Gipfel in Bonn. […] Das Presseecho im Ausland war sehr positiv, ich weiß, die Financial Times hat so etwas geschrieben wie »The great Economist«, also Schmidt war international der Held. Ob das auch die Masse der Bild-Leser erreicht hat, weiß ich nicht. […] So etwas hält ohnehin nicht lange vor. […] Die Gipfelkonferenz war aber sicherlich ein großes Highlight. Würden Sie zustimmen, wenn ich behaupte, dass Journalisten bei solchen Reisen im Vordergrund stehen und inhaltliche Belange nachrangig sind? Das ist sicherlich nicht ganz falsch. In Problemländern kommt es darauf an, dass man die Ergebnisse solcher Begegnungen nicht verklärt. Es gibt zu viele Personen, die den Regierungssprecher dann korrigieren, indem

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sie ihnen vertrauten Journalisten sagen: »So wie der Bölling das darstellt, ist es nicht.« […] Haben Sie bei Ihrer Arbeit Unterstützung bekommen durch externe Dienstleister, Agenturen oder Ähnliches? Schon vor mir hat das Bundespresseamt verschiedene Meinungsforschungsinstitute beschäftigt. Dabei ging es meist darum, welches Institut die größere und welches die kleinere Subvention erhält. Das richtete sich immer auch an politischen Sympathien aus. […] Ich habe damals dafür gesorgt, und das hat mir einigen Ärger mit meiner eigenen Partei beschert, dass die Allensbacher nicht schlechter gestellt wurden. Ich hatte da einen Mitarbeiter, der später das Haus verlassen musste, der favorisierte als Leiter der Abteilung III, Innenpolitik, SPD-nahe Institute. Letztlich schaut sich jeder Politiker solche demoskopischen Erhebungen mit Interesse an. Haben Sie Ihre politische Öffentlichkeitsarbeit auch anhand solcher Erhebungen orientiert? Nein, das haben wir nicht. Ich habe sehr bald die Erfahrung gemacht, dass solche Stimmungen sich schnell wandeln. Eine Kommunikationsstrategie auf solchen Stimmungen aufzubauen, ist purer Dilettantismus. Auch Politiker, die ihr Handeln auf der Basis solcher Erhebungen ausrichten, fallen meist schrecklich rein. […] Mit solchen Zahlen ist kein ewiger Bund zu schließen. […] Schmidt hatte schnell das Image »Schmidt-Schnauze«. Fallen Ihnen Situationen ein, in denen er den politischen Gegner in besonders aggressiver, herabsetzender Art attackiert hat? Dieses Etikett erhielt Schmidt bereits früh, als er sich gegen eine Rede des Reichsfreiherrn von und zu Guttenberg wandte, der sich seinerseits in schärfster Form gegen die SPD äußerte. Guttenberg hatte so etwas gesagt wie: »Ihre Wege führen alle nach Moskau!« Das war ja dieser Adenauer-Stil, 1957 hatte die CDU ja plakatiert unter dem Motto »Die Russen kommen!«. In diese Richtung ging nun auch die Rede Guttenbergs. Schmidt erwiderte im Bundestag sinngemäß: »Herr Abgeordneter, wenn man Ihnen eben zugehört hat, dann bedauert man, dass es in Deutschland keine Revolution gegeben hat, die Ihresgleichen hat ver-

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schwinden lassen.« Da gab es natürlich einen riesigen Sturm der Entrüstung. Aber solche Dinge wie in den USA, dass aus dem Kriegshelden Kerry ein Feigling und aus dem Drückeberger Bush ein Patriot wird, das hat es in meiner Zeit nicht gegeben, es sein denn durch Herbert Wehner, der Leute verbal vernichtet hat. Der bekannte Dr. Todenhöfer wurde von Wehner beispielsweise als Dr. Hodentöter angesprochen. Sie trugen auch Verantwortung als Regierungssprecher im berühmten »Deutschen Herbst« 1977, der Hochphase des RAF-Terrorismus. War es damals überhaupt möglich, Journalisten adäquat mit Informationen zu versorgen? Nein, und trotzdem musste ich ja praktisch jeden Tag in dieser Phase vor die Kameras. Ich musste damals etwas sagen, ohne etwas zu sagen, um die Fahndungsaktivitäten nicht zu gefährden, das war natürlich unergiebig. Es haben schon nach einigen Tagen Journalisten von der Nachrichtensperre gesprochen. Es ist in einem demokratischen Staat von einem Regierungssprecher auch nicht zu erwarten. Ich habe damals an alle Chefredakteure in Deutschland einen Brief geschrieben, in dem ich um Verständnis für die äußerst prekäre Situation bat. In dieser Zeit fanden auch keine Hintergrundgespräche statt, dass ich etwa Journalisten, die ich besonders schätzte, doch mit Informationen versorgt hätte. Es war damals eine ausgesprochen schwierige Situation für alle Beteiligten. Es gab die exotischsten Vorschläge, wie mit den Terroristen umzugehen sei. Solche Vorschläge durfte ich damals natürlich nicht an die Öffentlichkeit geben, sonst wäre ich binnen weniger Stunden entlassen worden, sie sind von Schmidt natürlich auch nie ernsthaft erwogen worden. Ich habe dann die Formulierung entwickelt, die Schmidt auch im Bundestag benutzte: Der Staat gehe »bis zur äußersten Grenze, die uns das Grundgesetz vorschreibt«. In dieser Stunde kam es einzig und alleine auf ihn, auf den Kanzler, an. Schmidt profitierte auch in dieser Situation von seinem Image des Machers und Krisenmanagers. Haben Sie dieses Image für Ihre Pressearbeit nutzen können? In unserem Land der Dichter und Denker ist der Macher etwas Geringschätziges. Sehr deutsch. […] Ich habe einen großen Teil meiner Arbeit darauf verwendet, das Image des bloßen Machers von Schmidt wegzubekommen. Ich habe beispielsweise darauf hingewiesen, dass Schmidt bei einem Besuch in Dänemark Bach-Stücke auf einer Kirchenorgel

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gespielt hat und solche Dinge. Ich wollte verhindern, dass er auf das Etikett des reinen Machers, der kein intellektuelles Konzept habe, reduziert wird. Barzel hat einmal im Bundestag gesagt: »Herr Bundeskanzler, Sie erschöpfen sich in bloßem Pragmatismus. Wo ist Ihre geistige Konzeption?« Das gleiche hat von Weizsäcker dann noch einmal wiederholt, und dieses Bild blieb wohl ein bisschen hängen. Dann habe ich über sieben Jahre versucht, einen kritisch reflektierten Pragmatismus gegenüber diesem bloßen Machen bei Schmidt in den Vordergrund zu stellen. […] Macher hat so etwas von einem Handwerker, jemand der nur Stellschrauben dreht. Mir ging es darum, den Leiter des Ingenieurbüros darzustellen, der eine große Brücke konzipiert. Herr Bölling, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Berlin, am 9. November 2004

Helmut Kohl (1982–1998)

Anhand der Kanzlerschaft Helmut Kohls wird deutlich, wie stark die Gestaltung der PR auch von der Person des Kanzlers und seinen persönlichen Präferenzen abhängig ist. In seine sechzehnjährige Kanzlerschaft fällt mit der Dualisierung des Rundfunks ab 1984 die bislang folgenreichste Veränderung der deutschen Medienlandschaft. Obwohl Kohl als erstem Kanzler auch ein privat-kommerzieller Rundfunk als Bühne der Präsentation zur Verfügung stand, nutzte er die neuen Möglichkeiten moderner Fernsehkommunikation bis in die zweite Hälfte seiner Kanzlerschaft nicht. Kohl galt – und gilt noch immer – als kommunikativer Phlegmatiker mit einem ausgeprägten Misstrauen gegenüber Medien, insbesondere dem Fernsehen. Die Zeit urteilte über Kohls Verhältnis zum Journalismus: »An eine Kanzlerschaft, die derart hermetisch wirkt wie die Helmut Kohls, kann man sich jedoch nicht erinnern.«1 Gerd Langguth wirft Kohl sogar völlige Unkenntnis der Methoden moderner politischer Kommunikation2 vor. Auf der anderen Seite wird die Qualität der Arbeit von Kohls Medienberatern selbst vom politischen Gegner positiv bewertet.3 Kohls Kanzlerschaft lässt sich in zwei Phasen unterteilen: die erste Phase von 1982 bis zur Wiedervereinigung und die zweite Phase von der Wiedervereinigung bis zu seiner Abwahl 1998. Erst in der zweiten Phase schaffte es der sechste Kanzler der Bundesrepublik, eine positive Medientendenz zu erreichen und sein Medienimage zu verbessern. Das tiefe Misstrauen und Freund-Feind-Denken, das Kohl gegenüber Journalisten entwickelte, hat er sich aber trotz seiner erstaunlichen Wandlung »vom Medientollpatsch zum Medienliebling«4 erhalten: »Unter der Oberfläche lauert stets ein eigentümliches Misstrauen. Dieses Grundmuster ist über all die Jahre intakt geblieben.«5 Hierzu meinte der während Kohls Zeit in Mainz zuständige Sprecher der CDU-Landtagsfrak-

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tion, Hannes Schreiner: »Er konnte Journalisten eigentlich von Anfang an nicht leiden. Aber er denkt, dass sie, wenn sie gut mit ihm auskommen, auch Gutes über ihn schreiben müssen. Wenn sie das nicht tun, betrachtet er das als Verrat. […] Er hat kein Verständnis für ihre professionelle Unabhängigkeit – er versteht natürlich, dass die Presse unabhängig sein muss, kann das aber nicht auf individuelle Journalisten übertragen.«6 Dieses aufschlussreiche, kleine Medienpsychogramm Kohls lässt erkennen, dass der Pfälzer die Mechanismen des schon vielfach beschriebenen Tauschgeschäfts zwischen Medien und Politik nicht oder nur begrenzt durchdrang.

Gravitationszentren der Kanzler-PR Der informelle Regierungsstil, der sich unabhängig vom Dienstweg in der Mentalität des »mittelalterlichen Lehnsherrn«7 auf wechselseitige Treueverhältnisse und persönliche Gefolgschaften stützt, ist charakteristisch für Kohl und galt auch für die Organisation seiner Öffentlichkeitsarbeit. In Kohls Kalkül spielten und spielen bis heute die Personen, weniger ihre Funktionen, die entscheidende Rolle. Er war der erste Kanzler, der weite Teile der politischen Öffentlichkeitsarbeit aus dem Bundespresseamt herauslöste und unmittelbar ins Bundeskanzleramt und damit in seine persönliche Nähe verlagerte. Die Planungsabteilung des Kanzleramtes löste er auf und schuf stattdessen für seinen Weggefährten Eduard Ackermann, der Kohl bereits als Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in Medienfragen betreut hatte, eine Abteilung für gesellschaftliche und politische Analysen, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit. Seit Kohl Oppositionsführer in Bonn war, stellte Ackermann seine wichtigste Schnittstelle zu den Medien dar. Jetzt übernahm ihn Kohl ins Kanzleramt. Mit seinen vierzig Jahren Presseerfahrung und den hieraus erwachsenen, unzähligen Kontakten in alle Zirkel und Winkel des politischmedialen Komplexes im »Raumschiff Bonn« war Ackermann für Kohl ein wichtiger Frühwarner – nicht zuletzt deshalb, weil der sich stets vor möglichen Widersachern und Rebellen in den eigenen Reihen fürchtete. Beispielsweise warnte Ackermann den Kanzler 1989 vor der bevorste-

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henden innerparteilichen Revolte durch den Kreis um Heiner Geißler, Rita Süßmuth und Kurt Biedenkopf. Die Informationen hatte er von einem Journalisten erhalten. In unserem Gespräch sagte er: »Wenn ich denen mal ein Bonbon gab, konnte ich davon ausgehen, dass ich umgekehrt auch informiert wurde, wenn es mal ernst wurde.« Genau diese Form des zwanglosen und unvoreingenommenen Austauschs mit Journalisten blieb Kohl im Grunde bis heute fremd. Die Zeit lobte die tausend Ohren, die Kohls Mann für die Medien zu haben schien: »Ackermann ist ein vielgerühmter Kärrner, der die Luft singen hört, sobald sich draußen im Land etwas zusammenbraut.«8 1991 wechselte dann CDU-Parteisprecher Andreas Fritzenkötter, vor allem wegen seiner vorzüglichen Kontakte zum Privatfernsehen, als weiterer PR-Berater ins Kanzleramt. Bis 1995 ergab sich zwischen Ackermann und Fritzenkötter eine relativ klare Arbeitsteilung: Fritzenkötter kümmerte sich um die Fernsehauftritte Kohls, Ackermann fungierte weiter als Informationsmakler und pflegte das politisch-mediale Netzwerk. Nach der Pensionierung Ackermanns übernahm Fritzenkötter dessen Aufgaben vollständig und wurde damit zum engsten Medienberater Kohls. Vor allem Ackermann gehört bis heute zu dem, was immer wieder als die »politische Familie«9 Kohls bezeichnet wird. Dieser exklusive Kreis von langjährigen Kohl-Vertrauten genoss Sonderlegitimationen, die andere zwar qua Amt, aber faktisch nicht besaßen. Er bestand vor allem aus den Teilnehmern der Morgenlage in Kohls Büro. Die täglich stattfindende, persönliche Informationsrunde des Kanzlers setzte sich unabhängig von Hierarchieebenen vor allem aus persönlichen Vertrauten Kohls zusammen. Dies waren in den allermeisten Fällen der Chef des Bundeskanzleramtes, der Staatsminister im Bundeskanzleramt, der Leiter der Abteilung 2 Außenpolitik, Kohls persönliche Referentin und Büroleiterin Juliane Weber, Eduard Ackermann – später Andreas Fritzenkötter – sowie der jeweilige Chef des Bundespresseamtes und der Leiter der betreffenden Inlandsabteilung. Kohl wies dem Bundeskanzleramt bis zu seiner Abwahl 1998 eine herausgehobene Sonderrolle in Sachen Medienarbeit zu, die es in dieser Form vor und nach ihm nicht mehr gegeben hat. Ackermann hatte seine Büros auf dem Flur des Kanzlers und jederzeit Zugang zum Regierungschef. Der Regierungssprecher saß demgegenüber in der Welckerstraße und damit räumlich von Kohl getrennt. Die Sonderrolle des

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Bundeskanzleramtes wurde nach der Pensionierung Ackermanns 1995 beibehalten und sogar weiter ausgebaut. Ackermanns Nachfolger Andreas Fritzenkötter bekam den Teil der alten Abteilung 5, zu dessen Aufgabenbereich die PR gehörte, als neue Stabsabteilung für Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik zugewiesen. Diese maßgeschneiderte Abteilung war wie Kohls persönliches Büro nicht dem Chef des Kanzleramtes, sondern dem Bundeskanzler persönlich unterstellt. Durch diese unmittelbare Anbindung wurde Fritzenkötter auch formell mehr Macht und Gewicht innerhalb der Verwaltungshierarchie verliehen als dem Regierungssprecher. Fritzenkötter erfüllte nun faktisch die Funktion eines »persönlichen Sprechers«10 des Bundeskanzlers. Dieser Schritt wurde auch von den Medien als einschneidend wahrgenommen: »Kohl macht mobil fürs Informationszeitalter«, lautete zum Beispiel die Schlagzeile, die die Zeit der Aufwertung Fritzenkötters widmete: »Damit sein Wort die richtige Wucht bekommt, hat sich der Kanzler seine Herolde direkt unterstellt. Kein Abteilungsleiter, kein Staatssekretär soll dem Chef des neuen Stabes dreinreden dürfen.« Fritzenkötter war besonders in den letzten Jahren der Kohl-Regierung praktisch der einzig verbliebene konstante Faktor in der Medienbetreuung des Kanzlers. Während das Bundeskanzleramt von 1982 bis 1998 mit Ackermann und Fritzenkötter das Machtzentrum der Kanzler-PR darstellte, war das Bundespresseamt ein Personalkarussell ohnegleichen: In sechzehn Jahren verschliss Kohl sieben Regierungssprecher,11 die alle bis auf Peter Boenisch zu keiner Zeit über einen »direkten Draht« zum Kanzler verfügten. Dies war aufgrund der von Kohl geschaffenen exponierten Sonderstruktur im Kanzleramt auch kaum möglich: Überschneidungen und Kompetenzkonflikte waren unvermeidlich, da die beiden KohlVertrauten Aufgaben übernahmen, die vorher genuin im Zuständigkeitsbereich des Presseamtes gelegen hatten. In der gesamten Ära Kohl hielt erstmals nicht mehr der Regierungssprecher den allmorgendlichen Pressevortrag, sondern Ackermann und später Fritzenkötter. Andreas Fritzenkötter erklärte in unserem Gespräch, dass er »hinter den Kulissen der Hauptansprechpartner der Journalisten war«. Ackermann führt aus, seine Hauptaufgabe sei es gewesen, »im Laufe des Tages für die Presseleute zur Verfügung zu stehen, wenn sie eine Frage hatten oder meinten, auf den Regierungspressekonferenzen kam nicht genug rüber«.

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Der Bedeutungsverlust des Bundespresseamtes unter Kohl lässt sich auch an weiteren Aufgabenfeldern dokumentieren: Ackermann gibt an, er habe viele Informationsgespräche mit Kohl im Kanzleramt organisiert. Fritzenkötter erläutert, er sei für die Bearbeitung von Interviewanfragen an den Kanzler zuständig gewesen. Außerdem haben beide Kohl bei Fernsehauftritten begleitet und diese inhaltlich und konzeptionell mit dem Kanzler vorbereitet. Außerdem erklärt Fritzenkötter, dass die jeweiligen Regierungssprecher sich mit ihm bezüglich der Auftritte vor der Bundespressekonferenz stets abgestimmt hätten. Dies waren bei allen Kanzlern vor und nach Kohl klassische Domänen des Regierungssprechers. Aus diesen Aussagen lässt sich ableiten, dass seit 1982 der Informationsfluss, der bei allen anderen Kanzlern über den Regierungssprecher lief, nun über das Kanzleramt abgewickelt wurde. Dem Bundespresseamt entzog Kohl so das Pfund zum Wuchern gegenüber den Medien: relevante Informationen. Gerd Langguth beschreibt in seinem Buch, dass der Bedeutungsverlust der Regierungssprecher unter Kohl auch von den Medien wahrgenommen wurde: »Die Journalisten wussten, dass sie vom eigentlichen Regierungssprecher keine wirklichen Informationen erhielten.«12 Die Dominanz des Kanzleramts in Sachen politischer PR erreichte ihren Höhepunkt 1998, als Kohl den Regierungssprecher Peter Hausmann entließ und durch Otto Hauser ersetzte. Die Leitung des Presseamtes übernahm aber nicht Hauser, sondern Kanzleramtsminister Friedrich Bohl. Der in diesem Jahr anstehende Wahlkampf wurde – ähnlich wie in der jungen Bundesrepublik bei Adenauer – abgekoppelt von der Partei von Kohl und seinen engsten Getreuen aus dem Kanzleramt geführt. Dieses Amt bekam im immer aussichtsloseren Wahlkampf den Charakter einer Wagenburg des scheidenden Kanzlers. Andreas Fritzenkötter meint hierzu, das Kanzleramt habe dem damaligen CDU-Generalsekretär Hintze nicht zugetraut, den schwierigen Wahlkampf gegen den medienerprobten Gerd Schröder kompetent zu führen. Fritzenkötter spricht zwar allgemein vom Kanzleramt. Was und vor allem wen er damit meint, liegt jedoch auf der Hand: Kohl war es, der Hintze persönlich isolierte. Außerdem engagierte Kohl für viele äußerst überraschend den ehemaligen Bild-Chefredakteur Hans-Hermann Tietje als Sondermedienberater, der sogar an der exklusiven Morgenlage teilnehmen durfte. Fritzenkötter erklärt dies ebenfalls mit der Befürch-

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tung Kohls, Hintze sei mit dem 98er Wahlkampf überfordert. KarlHeinz Niclauß wertet diesen Schritt jedoch vor allem als »Panikentscheidung«13 Kohls. Dem »Dauerkanzler« wurde im Laufe des Jahres 1998 immer mehr bewusst, dass sein so lange leuchtender Stern nun endgültig im Sinken begriffen war. Er versuchte sich trotzig und mit aller Macht gegen den Verlust des Kanzleramtes an den jüngeren und dynamischeren Gerhard Schröder zu wehren. Die Berufung von Tietje ist nur ein Beispiel für das nervöse Aufbäumen Kohls gegen den drohenden Machtverlust.

Der »Pate« und die Partei Die Intensität der Beziehung Kohls zu seiner Partei ist im Vergleich zu den anderen Bundeskanzlern bislang unerreicht. Selbst Kohls großes Vorbild Konrad Adenauer hatte keine vergleichbar enge Bindung an die CDU. Er und die Partei gingen mit zunehmender Dauer eine symbiotische Verbindung ein. Die CDU war während der gesamten Kanzlerschaft Kohls die entscheidende Machtbasis, auf die er sich stützen konnte. Auch bei häufig äußerst schlechten Imagewerten konnte er auf dieses Machtreservoir jederzeit zurückgreifen. Kohl war trotz häufig sehr negativer Medienperformance ein erfolgreicher Kanzler, weil die stabile Machtbasis in seiner Partei mangelndes Mediengeschick ersetzte. Dies wäre in den USA mit ihren im Verhältnis zu Deutschland schwachen Parteistrukturen kaum vorstellbar. Damit ist Kohls Kanzlerschaft ein weiterer, wichtiger Beleg für die starken, von den Medien unabhängigen politischen Funktionsmechanismen in der Bundesrepublik. Die Politik in Deutschland kann nach wie vor unabhängig von Medien nach eigenen Mustern der Macht agieren, wenn bestimmte Konstellation wie zum Beispiel eine starke Machtbasis des Kanzlers in seiner eigenen Partei gegeben sind. Die meisten Reorganisationsmaßnahmen der CDU in den siebziger Jahren, an denen Kohl maßgeblich beteiligt war, dienten dazu, die Politikvermittlungskompetenz der Partei zu stärken und die nach der Abwahl Kurt Georg Kiesingers weggefallenen Möglichkeiten der Exekutive, wie etwa das Bundespresseamt, durch parteiinterne Dienstleister zu

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ersetzen. PR-Know-how brachte vor allem Peter Radunski ein. Seit 1973 war er Hauptabteilungsleiter für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, später langjähriger Bundesgeschäftsführer der CDU. Er definierte drei Kampagnenformen: die politische, die Werbe- und die Parteienkampagne, wobei er der politischen Kampagne, besonders im Fernsehen, die höchste Bedeutung zumaß.14 Außerdem wurde die wachsende Mediendichte und steigende Bedeutung medienbezogener Öffentlichkeitsarbeit seit Mitte der siebziger Jahre mit einer stärkeren Zentralisierung der Politikvermittlung beantwortet. Sie drückt sich in der von Radunski etablierten Strategie des »One Voice«-Prinzips aus: Dissens sollte, wenn, dann nicht öffentlich diskutiert werden. Die politischen Positionen sollten von der Bundesspitze bis auf die lokale Mitgliederebene inhaltlich und formal »mit einer Stimme«, also einheitlich kommuniziert werden. Dies galt auch für die visuelle Kommunikation. Unter Radunski entstand ein verbindliches, bundesweit einheitliches Corporate Design der CDU. Diese moderne Kommunikationsstrategie, die heute in jedem Unternehmen zum Standardrepertoire gehört, bedarf einer starken Zentralisierung der Kommunikationsstrukturen und wird vor allem von der Parteibasis als Verlust an Mitspracherechten kritisiert. Bis heute wird in allen großen Parteien der Bundesrepublik die Etablierung moderner, integrierter Kommunikationskonzepte kritisch beäugt. Die Angst ist groß, dass die Anhängerbasis ähnlich wie in den USA zu fähnchenschwenkendem Zierrat der Medieninszenierung marginalisiert wird.

Kommerzialisierungstendenzen der Polit-PR Bemerkenswert im Zusammenhang mit der politischen Medienarbeit der achtziger und neunziger Jahre ist vor allem die stetig gestiegene Frequenz des Informationsausstoßes. Die Bundes-CDU verbreitete zwischen 1970 und 1990 etwa 600 bis 800 Pressemitteilungen pro Jahr. Die Intensivierung der PR-Aktivitäten lässt sich auch für den Bereich der Pseudoereignisse zeigen. Zwischen 1974 und 1976 trat die Bundespressekonferenz 179-mal zusammen. Im Zeitraum 1984 bis 1987 fand sie bereits 290 Mal jährlich statt. Umgekehrt lässt sich die Intensivierung auf der Angebotsseite auch an der Berichterstattung ablesen. 1990 be-

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ruhte bereits die Hälfte der Berichterstattung in tagesaktuellen Nachrichtenmedien über die deutsche Innenpolitik auf von PR-Stellen induzierten Pseudoereignissen als Informationsanlass.15 Außerdem lässt sich eine Anpassung der politischen Öffentlichkeitsarbeit an die neuen, kommerzialisierten Strukturen des Rundfunks erkennen. Besonders kommerzielle Hörfunkstationen, die aus Kostengründen meist unterbesetzt sind und kaum über eigene Produktionskompetenzen im Politikbereich verfügen, wurden mit Informationsangeboten versorgt. Statements von Spitzenpolitikern zu tagespolitischen Themen konnten von einem Anrufbeantworter abgerufen werden. Derartige Angebote beschränkten sich allerdings nicht nur auf zitierfähige Aussagen von Spitzenpolitikern. Der so genannte »Kommentardienst« des Bundespresseamtes bot 1993 bereits komplett vorproduzierte, regierungsfreundliche Hörfunkkommentare an, die zwei PR-Agenturen im Auftrag des Bundespresseamtes herstellten. Auch dieses Angebot richtete sich vor allem an private Hörfunkstationen. Durch ihre professionelle, medienkongruente Produktion suggerierten die Kommentare beim Hörer, es handle sich um objektive Analysen der Redakteure des jeweiligen Senders. Selbst die öffentlich-rechtliche Anstalt MDR nutzte diese PR-Beiträge aus dem Presseamt für seine Hörfunksparte. 1994 griff der Spiegel das Bundespresseamt wegen dieser Vorgehensweise scharf an.16 Durch derartige Beispiele wird deutlich, dass die seit den neunziger Jahren spürbare Kommerzialisierung der Medien, ihre immer stärkere unternehmerische Orientierung an Kosten-und-Gewinn-Schemata und der daraus erwachsende ökonomische Erfolgsdruck eine große Chance für politische PR darstellen kann. Kostenlose, passgenau aufbereitete Informationsangebote werden von vielen Redaktionen aus Kosten- und Zeitgründen dankbar übernommen. Ähnliche Tendenzen wurden für den Bereich der Boulevard- und Illustriertenpresse bereits bei Adenauer und Brandt dargestellt. Ein weiterer Trend, der sich seit den achtziger Jahren beobachten lässt, ist die vollständige Medienfixierung von Parteitagen. Sie richten sich seither vor allem an die berichtenden Journalisten und sind immer weniger ein offenes, programmatisches Forum für die eigenen Anhänger. Dies lässt sich auch an Zahlen verdeutlichen: Waren 1961 zum CDU-Bundesparteitag noch 430 Journalisten akkreditiert – für damalige

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Verhältnisse eine außergewöhnlich hohe Zahl –, so nahmen an der entsprechenden Veranstaltung 1985 bereits weit über tausend Journalisten teil. Bei den Parteitagen kommt ebenso wie in allen anderen Feldern von Politikdarstellung das Beobachterprinzip zum Tragen: Derjenige, der weiß, dass er beobachtet wird, ändert sein Verhalten und passt es an die Erwartungen der Beobachtenden an. Die minutiöse Medienregie, die Parteitagen spätestens seit der Ära Kohl zugrunde liegt, wird anhand des CDU-Parteitags 1996 deutlich: Das Bild für die Kameras wurde Monate im Voraus ausgelotet, damit hinter den Rednern stets das CDU-Signet und der Slogan »Handeln für die Zukunft« im Bild sichtbar waren. Damit kein Hinterkopf eines Delegierten störte, wurde ein Podium für die Fernsehsender mit schwingungsfreien Aufbauten errichtet. Farbexperten hatten das Weiß der Stellwände hinter den Rednern auf Strahlkraft gemessen. Außerdem wurde vordefiniert, welche Parteipersönlichkeiten von der Kamera schräg hinter Kohl noch eingefangen werden und welche für den Zuschauer verborgen bleiben sollten. Auch das Timing wurde an Medienaspekte angepasst: Die Wahl des Vorsitzenden wurde auf 17 Uhr terminiert, so dass sie in allen Hauptnachrichtensendungen als Aufmacher erscheinen konnte. Für die Nachtjournale und Morgenmagazine wurde dann wieder neuer Informationsstoff angeboten. Der legendäre Leipziger Parteitag der SPD 1998, der immer wieder als die »Mutter aller Medienparteitage« hochgejubelt wird, war also weder eine Ausnahmeerscheinung noch ein besonderes Novum. Das Ritual der Veranstaltung, das perfekte Timing und die Dokumentation von innerer Geschlossenheit waren Versatzstücke aus dem Arsenal der CDU-Erfolge der achtziger und neunziger Jahre. In der Amtszeit Kohls entwickelte sich auch die Tendenz, dass der Regierungssprecher durch funktionale Sprecher, also Minister oder Abgeordnete, die aufgrund ihres Amtes, aber nicht aufgrund ihrer PRKompetenz oder PR-Zuständigkeit vor die Kamera treten, von der öffentlichen Bühne zurückgedrängt wurde. Die politischen Akteure erklärten ihre Politik immer öfter selbst in den Medien, anstatt dies ihren Sprechern zu überlassen. Während Regierungssprecher wie von Eckhardt und Bölling noch selbst Prominente waren, die viele Deutsche kannten und häufig in den Medien wahrnahmen, war dies jetzt in zunehmendem Maße nicht mehr der Fall. Eine Routineform, die sich in

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diesem Zusammenhang entwickelt hat, ist die Interviewbereitschaft von Spitzenpolitikern am späten Abend und am frühen Morgen. Diese Terminflexibilität von Ministern und Spitzenakteuren, die uns heute selbstverständlich erscheint, ist erst seit Mitte der achtziger Jahre üblich geworden. Der leise Rückzug der Sprecher verdeutlicht, dass mediale Politikvermittlung in der politischen Auseinandersetzung zunehmend zur »Chefsache« wurde. Mittlerweile haben die Spitzenpolitiker ihre Sprecher vollständig in die zweite Reihe gedrängt. Es gibt – besonders im Fernsehen – kaum mehr eine politikfreie Zone, wo kein Minister oder Parteigrande kocht, plaudert oder auf Torwände schießt. Dass in derartigen Formaten die jeweiligen Sprecher auftauchen, die ohnehin kaum jemand mehr kennt, wäre demgegenüber für Publikum wie Werbekunden kaum attraktiv. Auf der Ebene der Kanzler-PR etablierte sich das Verständnis der Beziehung von PR und Journalismus als eines, das auch dem gegenseitigen Nutzen dienen kann, weiter. Die bereits bei von Eckhardt und noch intensiver bei Klaus Bölling erkennbare professionelle Dienstleistungsmentalität wurde bei Kohls Stab fortgesetzt. Missliebige Medien wurden nicht von relevanten Informationen ausgeschlossen, sondern im Gegenteil professionell betreut, um die jeweiligen Redakteure gewogen zu halten. Sowohl Eduard Ackermann als auch Andreas Fritzenkötter pflegten auf Arbeitsebene durchaus intensiven Kontakt zu ausgesprochen Kohl-kritischen Medien. Zu diesen von Kohl mit einem faktischen Interviewboykott belegten Medien zählen im Printbereich vor allem das von ihm als »Hamburger Mafia« bezeichnete Konglomerat aus Zeit, Stern und Spiegel. Dem Spiegel hatte Kohl seit 1975 demonstrativ kein Interview mehr gegeben. Außerdem verbindet Kohl mit der Süddeutschen Zeitung und der Frankfurter Rundschau sowie mit den Fernsehmagazinen »Monitor« und »Panorama« bis heute eine »herzliche« Feindschaft. Hierbei handelt es sich genau um jene Medien, die bis 1982 die sozialliberale Koalition publizistisch gestützt hatten. Dennoch wurden sie mit Informationen beliefert, was für die Professionalität von Kohls Medienverantwortlichen spricht. Kohl war über diese Kontakte stets informiert und hat sie trotz seines offiziellen Boykotts ausdrücklich begrüßt. Selbst der größte persönliche Groll machte ihn nicht blind für das Gewicht dieser Medien bei der Bildung der öffentlichen Meinung in Deutsch-

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land. Dieser Punkt wird uns später, in der zweiten Hälfte der Kanzlerschaft Schröders, noch einmal begegnen. Trotz der besonnen Politik von Kohls Medienstab gegenüber kritischen Medien wird über ihn jedoch ähnliches wie bereits über Adenauer berichtet: Kohl soll seinem Ärger über vermeintlich falsche Darstellungen immer wieder persönlich Luft verschafft haben, indem er zum Hörer griff und sich bei Chefredakteuren beschwerte. Bei der Heimatzeitung seines Wahlkreises, der Rheinpfalz, soll Kohl sogar auf die Entlassung missliebiger Journalisten gedrängt haben.17 Ein derartig ungezügeltes Verhalten lässt jedem Medienberater die Haare zu Berge stehen und ist der größte anzunehmende Unfall, der im Umgang mit der Presse passieren kann. Angesprochen auf diesen Vorfall, bestätigte Andreas Fritzenkötter zwar, dass Kohl durchaus persönlich in Redaktionen anrief, wenn er sich falsch verstanden fühlte. Er wies jedoch den Vorwurf zurück, Kohl habe versucht, in Personalentscheidungen einzugreifen – im Allgemeinen und bei der Rheinpfalz im Speziellen.

Tollpatsch und »Talkmeister«: die zwei Mediengesichter Kohls Kohls Kanzlerschaft zerfällt in zwei deutlich voneinander unterscheidbare Phasen. Bis 1989 kann bei Kohl nicht von einer medienbezogenen Personalisierungsstrategie gesprochen werden. Dies hat einen einfachen Grund: Eine derartige Strategie wäre für die CDU fatal gewesen. Während Schmidt, Brandt und Adenauer während ihrer Regierungszeit meist beliebter waren als ihre Parteien, und deshalb von einem persönlichen »Kanzler-Bonus« gesprochen werden kann, galt dies für den frühen Kanzler Kohl praktisch nie. Von 1982 bis 1989 zeigte sich ein genau umgekehrtes Bild: Während bezogen auf die Person Kohls sogar das böse Wort vom »Kanzler-Malus« die Runde machte, war die CDU dennoch in der Lage, mit ihm Wahlen zu gewinnen. Die persönlichen Kompetenz- und Imagewerte Kohls blieben bis 1989 auf bescheidenem Niveau. Der Historiker und Zeit-Kolumnist Theo Sommer schrieb beispielsweise 1985: »Zum ersten Mal haben wir einen Kanzler, der weder

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von Wirtschaftspolitik noch von Außenpolitik etwas versteht.«18 Die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem begrenzten Prestige des Pfälzers und seinen Wahlerfolgen war vielen Beobachtern, besonders aber dem politischen Gegner, ein Rätsel. Erst mit dem Fall der Mauer und dem Prozess der Wiedervereinigung änderte sich das öffentliche Bild Kohls von Grund auf. Vieles von der aggressiven, bisweilen ins Boshafte abgleitenden Abwehrhaltung, die Kohl gegenüber Journalisten während der CDU-Spendenaffäre Anfang 2000 an den Tag legte, findet seinen Ursprung in den achtziger Jahren und dem öffentlichen Umgang mit ihm, der persönliche Verletzungen hervorgerufen hat, die bis heute nicht vernarbt sind. Die Medien machten Kohl in seinen ersten Kanzlerjahren zu ihrer beliebtesten Zielscheibe, die sie immer wieder lustvoll mit giftigen Pfeilen bewarfen. Sie prägten das Image des ungelenken, spießbürgerlichen Provinzlings aus der Pfalz. Kohl selbst bot durch sein offenkundiges Unvermögen, seine Politik und seine Person in den Medien überzeugend zu präsentieren, immer wieder breite Angriffsflächen für persönliche Herabsetzungen. Besonders seine Rhetorik war Anlass für Spott. Er neigte gegenüber Journalisten dazu, seine Politik in monotonen Monologen, in einer oft undeutlichen, vom pfälzischen Dialekt geprägten Sprache darzulegen. Auch unterliefen ihm immer wieder verunglückte Sprachbilder: »Was passiert, wenn die FDP auf Gedeih und Verderb mit der SPD ins Bett steigt, und zwar in einem so langen Prozess, dass es für uns anfängt, uninteressant zu werden, auf diesem Klavier überhaupt spielen zu wollen.« Oder »Der Wind des Zeitgeistes ist nicht der Wind der Bevölkerung.«19 Kohl leistete sich zudem gegenüber den Medien häufig unbedachte Äußerungen, die verdeutlichen, dass er – anders als Helmut Schmidt – die Technik des »Impression Managements«, der Selbstdarstellung und Steuerung des Eindrucks, den er auf andere machte, keinesfalls beherrschte. Vor allem durch einen Fauxpas des Kanzleramtes wurden Kohls Präsentationsstil desavouiert und sein Image schwer beschädigt. Silvester 1986/87 wurde versehentlich die Rede des Vorjahres noch einmal ausgestrahlt und die richtige Ansprache erst nachträglich gesendet. Der Text und die Mimik und Gestik des Kanzlers waren bei beiden Reden praktisch identisch. Dieser durch die Silvesterpanne offenkundig gewordene statische und monotone Stil war charakteristisch für Helmut Kohl. Bei öffentli-

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chen Auftritten hielt er immer wieder die gleichen, schablonenartigen Reden, mit denen er eher darauf bedacht war, die Emotionen seines Publikums zu bedienen als auf tagesaktuelle Informationen einzugehen. Seine körperlich voluminöse Erscheinung20 verstärkte den sprachlichen Eindruck des Ungelenken. Die einfache, volkstümliche Sprache wurde besonders in der ersten Phase seiner Kanzlerschaft belächelt. Ein wiederholter Ausspruch war beispielsweise: »Die Hand, die segnet, wird zuerst gebissen.« Die Meinungsführerschaft der teils spöttisch-persönlichen, teils politischen Angriffe gegen Kohl lag vor allem bei den Medien, die in der Vergangenheit die sozial-liberale Koalition gestützt hatten. Trotz dieses schlechten Images war Kohl offenbar lange Zeit resistent gegen jede Imageberatung. Für das negative, teilweise tragisch-komische Image Kohls waren jedoch nicht nur Äußerlichkeiten und persönliche Eigenheiten, sondern auch sein Regierungshandeln der ersten Jahre verantwortlich. Besonders die Jahre 1984 und 1985 entwickelten sich für den sechsten Kanzler der Bundesrepublik zu einer ausgesprochenen Malaise. Hierzu trugen sowohl innenpolitische Turbulenzen wie die Wörner-Kießling-Affäre um die angebliche Homosexualität des stellvertretenden NATO-Oberbefehlshabers und Viersternegenerals Günter Kießling oder der Vorschlag einer Amnestie für die Sünder der Parteispendenaffäre der achtziger Jahre – zu denen auch die CDU gehörte – als auch diverse Peinlichkeiten auf außenpolitischem Parkett bei. 1989 war seine Popularität auf einem Tiefpunkt angelangt. Niemand rechnete mehr ernsthaft mit einer erneuten Wiederwahl. Auch innerparteilich formierte sich eine Fronde, die bereits für eine Ära nach Kohl Planungen anstellte. Diese Situation änderte sich mit der deutschen Einheit schlagartig und verkehrte sich praktisch in ihr Gegenteil: Helmut Kohl entwickelte sich in den Tagen der friedlichen Revolution »vom Medientolpatsch zum Medienliebling«.21 Erst jetzt erschien eine auf die Person Kohls zugeschnittene, medienwirksame Personalisierungsstrategie sinnvoll und hilfreich und wurde in den kommenden Jahren stark forciert. Ein entscheidender Faktor dieses Imagewandels war die flächendeckende Etablierung des Privatfernsehens. Nicht zufällig fiel außerdem genau in die Phase des beginnenden Imagewandels Kohls der Beginn der Tätigkeit von Andreas Fritzenkötter, der vor allem für ein adäquates und durch das neue Medium begünstigtes Imagemanagement sorgte.

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Seit dem Wendejahr 1989/1990 galt Kohl nun als »Kanzler der Einheit«, der mit außenpolitischem Geschick die historische Chance zur Überwindung der nationalen Teilung nutzte. Nach der Wiedervereinigung kam dann als ein weiteres, imageprägendes Merkmal Kohls Vision der »zwei Vereinigungen« unter der Überschrift »Deutschland und Europa« hinzu. Kohl wurde in dieser letzten Phase seiner Kanzlerschaft vor allem auch als großer europäischer Staatsmann dargestellt, der bei den internationalen Staats- und Regierungschef hohe Reputation besaß. Durch seine ungewöhnlich lange Amtszeit als Kanzler kam außerdem – in Anlehnung an Bismarcks Prädikat des »eisernen Kanzlers« – mehr und mehr eine dritte Imagekomponente hinzu: der Nimbus des »ewigen Kanzlers«. Ausgerechnet der bei Kohl verhasste Spiegel, der den Kanzler bislang genussvoll zu demontieren suchte, titelte 1996 mit diesem Begriff.22 Es gab mittlerweile in Deutschland eine Generation von heranwachsenden Jugendlichen, die ihr ganzes Leben lang keinen anderen Kanzler als Helmut Kohl erlebt hatten. Nach 1990 ist außerdem ein Stilwechsel Kohls zu beobachten, der unmittelbar an sein positiveres persönliches Image gebunden ist: Kohl regierte und agierte nun in einem präsidialeren Stil, als er dies noch in den achtziger Jahren tat. Ähnlich wie vor ihm bereits Adenauer und Brandt avancierte Kohl zu einer politischen Institution mit überparteilicher Bindekraft, obwohl er sich nie einer Outsider-Strategie bediente, sich also nicht gegen die CDU profilierte, sondern sie gleichsam verkörperte. Diese überparteiliche Komponente wirkte sich auch dahingehend aus, dass Kohl noch stärker als ohnehin Politik mit Personen und weniger mit der Gesamtpartei und den offiziellen Entscheidungsinstanzen betrieb. Der Kanzler umgab sich besonders in den letzten Jahren seiner Amtszeit fast nur noch mit ihm gewogenen und vertrauten Menschen. Kohls scheinbar wundersame Verwandlung kam nicht von ungefähr. Dem Anstieg seiner persönlichen Image- und Umfragewerte ging ein klar erkennbarer Umschwung in der Berichterstattung über ihn voraus, der sich quer durch alle Formate und politischen Leitlinien der Redaktionen vollzog. Die Meinungsführerrolle lag – wie bereits beim Negativimage früherer Jahre – beim Spiegel. All das, was Journalisten an Kohl in der ersten Phase auszusetzen hatten, fand jetzt positiven Anklang. Es ist seinen Managern der öffentlichen Meinung seit Anfang der neunziger Jahren gelungen, Kohls Imageattribute mit einem positiven »Spin« zu

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versehen und Nachteile in Vorteile zu verkehren: Seine Volkstümlichkeit und bodenständige Art wurde nun als Charakteristikum eines »normal« gebliebenen, authentischen Menschen interpretiert, der besonders die »einfachen Leute« ansprach. Dieser »Spin« entsprach Fritzenkötters Rat und ist wohl auch mit auf seine Arbeit zurückzuführen: Kohl sollte sich bewusst zu Provinzialität und einfacher Sprache bekennen und als »Volkskanzler« agieren, der vor allem über das Fernsehen mit den Menschen kommunizierte. Der Wahlkampf 1994 lief exakt nach diesem von Fritzenkötter entwickelten Medienkonzept ab und war vollkommen auf die Person Kohls ausgerichtet. Insofern war das Wahljahr 1994 nach 1953, 1961 und 1972 ein weiteres, zentrales »Musterjahr« für die Personalisierung des Politischen in Deutschland. Anders als bei den vorherigen personenorientierten Kampagnen konzentrierten sich die Strategien der Kandidaten jetzt allerdings erstmals beinahe ausschließlich auf das Fernsehen. Sowohl Kohl als auch sein Herausforderer Rudolf Scharping führten im Fernsehen einen präsidialen Wahlkampf, bei der die politische Mannschaft eine untergeordnete Rolle spielte und alles auf den Zweikampf zwischen Amtsinhaber und Herausforderer fokussiert war. Kennzeichnendes Merkmal war die Präsentation beider Spitzenkandidaten in Unterhaltungsformaten des Privatfernsehens, wie es sie in der politischen Geschichte der Bundesrepublik bis dahin nicht gegeben hatte. Kohl schaffte es im Laufe des Jahres 1994, verlorenes Terrain Schritt für Schritt gut zu machen, und sicherte in einer fulminanten Aufholjagd am Ende mit knappem Vorsprung seine Kanzlerschaft. Die Arbeit am Kanzlerimage setzte Fritzenkötter über den letztlich erfolgreichen Wahlkampf hinaus fort. Ein weiteres, entscheidendes Jahr ist in diesem Kontext 1996, in dem Kohl den ersten Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, in der Länge der Amtszeit übertraf. Dieser historische Amtsrekord bot Fritzenkötter die Gelegenheit für eine großangelegte Imagekampagne, die das Ziel verfolgte, Kohl zu einem politischen Kultobjekt zu stilisieren: »Er versuchte die Idee in zahllose Journalistenköpfe zu pflanzen, inszenierte Feierlichkeiten und Publikationen, die Junge Union vertrieb kleine, quietschende Gummikanzler.«23 Auch diese Kampagne wurde auf die Bedürfnisse von Fernsehmedien zugeschnitten. Herzstück waren Auftritte Kohls in unpolitischen Unterhaltungs- und Talkformaten. Flankiert wurde die Fernsehin-

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szenierung durch verschiedene Pseudoereignisse und Formen von symbolischer Politik. So besuchte Kohl zum Beispiel das Volkswagenwerk im mexikanischen Puebla und bestieg dort einen »New Beetle«. Die Botschaft lag auf der Hand: Er läuft und läuft …, ist alt und trotzdem neu. Dieser Zusammenhang zwischen dem »unkaputtbaren« Käfer und dem Dauerkanzler Kohl wurde von zahlreichen Medien dankbar aufgegriffen und entsprechend vermittelt. Der Stern veranstaltete im Haus der Geschichte eine Vernissage mit Kanzlerfotos des Porträtfotografen Konrad R. Müller. Passend zum Amtsjubiläum reihte sich Kohl auch publizistisch in die Galerie der großen Kanzler der Außenpolitik, Adenauer und Brandt, ein. Er veröffentlichte im Propyläen-Verlag ein Buch unter dem Titel Ich wollte Deutschlands Einheit. Geschrieben wurde es von den beiden Bild-Redakteuren Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth auf der Grundlage von ausführlichen Interviewgesprächen mit dem Kanzler. Herausgekommen ist ein im Reportagestil verfasster, mit langen wörtlichen Interviewpassagen gesättigter Bericht. Die Idee hatten Diekmann und Fritzenkötter entwickelt, der gesamte Inhalt wurde durch das Kanzleramt autorisiert. Das Echo auf die von Fritzenkötter inszenierte »Personality Show« rund um Kanzler Kohl war beeindruckend. Besonders die Medien, die in der ersten Hälfte seiner Amtszeit besonders kritisch mit Kohl umgegangen waren, vollzogen jetzt einen Wechsel ihrer publizistischen Linie. Einzig Die Zeit blieb in diesen Monaten der Jubiläen, Amtsrekorde und Ehrungen als letzte Bastion ihrer Position treu. Sie fragte: »Wo bleibt die kritische Distanz zum Kanzler in den Medien?«24 Aber trotz des Personenkults, den Fritzenkötter um Kohl inszenierte, und des greifbaren Prestigegewinns, den dieser seit der Revolution von 1989 erzielen konnte, war er dennoch kein charismatischer Kanzler im klassischen Sinne – anders als Adenauer und Brandt. Eine vom tiefen Glauben an die persönliche Integrität und fast religiöser Faszination geprägte Verehrung des Kanzlers, wie wir sie bei Adenauer und vor allem bei Brandt kennen gelernt haben, bestand bei Kohl zu keiner Zeit.

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Von Bitburg nach Berlin: Kohls außenpolitische Reputation Auch auf dem Feld der außenpolitischen Profilierung konnte Kohl erst in der zweiten Amtshälfte eine positive Medientendenz erreichen, weil die ersten Jahre seiner Kanzlerschaft ebenfalls eher von Fehlgriffen und bisweilen unsicherem Agieren geprägt waren. Bemerkenswert bei außenpolitischen Medieninszenierungen Kohls war seine Affinität für historische Bezüge: »Kohl schätzt würdige und historisch überhöhte Inszenierungen, aber er besitzt kein Pathos.«25 Die förmliche Sucht des studierten Historikers nach »inszenierter Geschichte« brach sich vor allem in demonstrativen Versöhnungsgesten mit den ehemaligen Kriegsgegnern Deutschlands an symbolhaften Orten Bahn. Eine gelungene, in den Geschichtshaushalt der Deutschen eingeflossene Inszenierung dieser Art war die Versöhnungsgeste zwischen Kohl und François Mitterand auf dem Soldatenfriedhof von Douaumont bei Verdun am 22. September 1984. Auf dem Schlachtfeld von Verdun waren 1916 mehr als 600.000 deutsche und französische Soldaten gefallen. Das gemeinsame Innehalten, Hand in Hand über den Gräbern der blutigsten Schlacht des Ersten Weltkriegs, ist ein ähnlich stark emotionalisiertes Symbol für europäische Versöhnung geworden wie der »Kniefall von Warschau«. Den kurzzeitigen Prestigegewinn, den Kohl durch den »Handschlag von Verdun« verbuchen konnte, machte er aber bereits nach wenigen Monaten wieder zunichte, als er am 5. Mai 1985 mit Ronald Reagan einen Soldatenfriedhof in Bitburg besuchte. Am 24. Dezember 1944, gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, war Bitburg zu 85 Prozent zerstört und von den Amerikanern offiziell zur »toten Stadt« erklärt worden. Auf dem Ehrenfriedhof Kolmeshöhe liegen amerikanische und deutsche Soldaten, darunter allerdings auch Angehörige der Waffen-SS. Dieser Umstand sorgte vor allem im Ausland für heftige Reaktionen. Jüdische Organisationen, darunter auch der deutsche Zentralrat protestierten scharf. Im Oktober 1986 leistete sich Kohl erneut einen verbalen Fehlgriff, der die außenpolitischen Beziehungen der Bundesrepublik zur Sowjetunion schwer belastete. Auf einer Pressekonferenz bemerkte er als Replik zum neuen Reformkurs des Staats- und Parteichefs der UdSSR, Michail Gorbatschow: »Er ist ein moderner

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kommunistischer Führer, der sich auf Public Relations versteht. Goebbels … war auch ein Experte in Public Relations. Man muss doch die Dinge auf den Punkt bringen dürfen.«26 Aufgrund derart unglücklicher Auftritte auf außenpolitischem Parkett, das stark durch symbolhafte Handlungen und für Medien inszenierte Ereignisse bestimmt ist und entsprechendes Talent erfordert, schaffte Kohl es bis 1989 nicht, zum außenpolitischen Renommee von Adenauer, Brandt oder auch Helmut Schmidt aufzuschließen. Abgesehen von der Inszenierung von Verdun kann bei Kohl bis zur Wiedervereinigung von einer medienwirksamen, außenpolitischen Profilierung nicht die Rede sein. Dies änderte sich im Herbst 1989 grundlegend. Aus den Wendereignissen und der Wiedervereinigung konnte Kohl persönlich sein größtes, bis heute nachwirkendes Prestige ableiten. »Männerfreundschaften« und »Strickjackendiplomatie« prägten das neue außenpolitische Profil Kohls. Er wurde jetzt als ein international geachteter Staatsmann, »großer Europäer« und Kanzler der Einheit wahrgenommen, der bei seinen Amtskollegen großes Ansehen genoss. Ein einfaches Beispiel verdeutlicht diesen grundlegenden Imagewandel. 1984 reiste ein entnervter Kohl, von Medienvertretern wegen der Wörner-Kießling-Affäre bis ins Ausland verfolgt, nach Israel. Auf diesem sensiblen Terrain leistete er sich zwei grobe Ausrutscher, die in Deutschlands Medienlandschaft breit kolportiert wurden. Bei einer Führung durch die Gedenkstätte Yad Vashem wies der Kanzler den Fremdenführer zurecht, er kenne die deutsche Geschichte, man brauche ihn nicht zu belehren. Seine Rede vor dem israelischen Parlament stellt ein Beispiel für Kohls mitunter unbedachte, nicht ausgearbeitete Rhetorik dar. Hier prägte er die umstrittene Formel der »Gnade der späten Geburt«. Diese Wendung wurde in Deutschland vor allem von Kohl-kritischen Medien heftig kritisiert und als Versuch gewertet, die Nachkriegsgeneration von ihrer Verantwortung für Krieg und millionenfachen Mord freizusprechen. Auf dem Höhepunkt des persönlichen Prestigegewinns des Kanzler 1996 griff Die Zeit plötzlich das zwölf Jahre zurückliegende Thema wieder auf und relativierte die eigenen Angriffe: »Die erste Israelreise übrigens wäre ein gutes Beispiel dafür […], wie überallergisch wir Journalisten gelegentlich darauf blickten. Kohls Wort von der ›Gnade der späten Geburt‹, von

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einem Mitreisenden aufgeschnappt, für das er leidenschaftlich aufgespießt worden ist, war wohl wirklich nicht viel mehr als ungelenk.«27 Die beiden Zeitmarken 1984 und 1996 und die völlig unterschiedliche Tonlage der Berichterstattung über ein und dasselbe Ereignis – die retrospektive Entdramatisierung eines ehemals großen Skandals zur »Jugendsünde« die eben »nicht viel mehr als ungelenk« war – verdeutlichen, dass die Beurteilung der Kanzler in den Medien stark konzeptgesteuert, durch Vorurteile und subjektive Vorerfahrungen geprägt ist. Medienimages sind der Ausdruck dieser Konzeptsteuerung. Sie funktionieren selbstreferentiell: Aspekte, die mit dem vorhandenen Konzept übereinstimmen, werden öfter in die Berichterstattung aufgenommen, während Aspekte, die dem Konzept zuwiderlaufen, häufiger ignoriert werden. Politische Öffentlichkeitsarbeit versucht die Konzeptsteuerung und Selbstreferentialiät von Medienimages zu nutzen, indem immer wieder die gleichen, dem (positiven) Image zugehörigen Bilder und Assoziationsketten in den unterschiedlichsten Zusammenhängen hergestellt und angeboten werden.

Auf dem Boulevard des Privatfernsehens Die zwei Mediengesichter des Helmut Kohl lassen sich auch und vor allem anhand seiner Beziehung zum Medium Fernsehen nachzeichnen. In der ersten Hälfte seiner Amtszeit bis zur Wiedervereinigung blieb Kohl im Fernsehen weit hinter dem zurück, was sein Vorgänger Helmut Schmidt aus den Möglichkeiten der »Mattscheibe« entwickelte. Dies wiegt insofern doppelt schwer, als Kohl durch die Dualisierung des Rundfunks sogar wesentlich mehr Optionen zur telemedialen Selbstdarstellung besessen hätte als jeder andere Kanzler vor ihm. Kohl galt aber als ausgesprochen fernsehscheu. Medienpolitisch sorgte der Regierungswechsel 1982 für einen Urknall. Nach der Amtsübernahme trieb die neue Regierung Kohl die technische und politische Durchsetzung des privaten Rundfunks voran. Der erste private Fernsehsender Deutschlands, Sat.1, wurde unter maßgeblicher Beteiligung der Mainzer Staatskanzlei und dem damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel gegründet. Für den Spiegel wurde

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das Programm von Sat.1 sogar direkt in der Mainzer Staatskanzlei konzipiert.28 Die SPD versuchte zwar zunächst, derartige Versuche auszubremsen. Im Laufe der achtziger Jahre bildete sich aber eine erkennbare Verbindung zum Bertelsmann-Konzern heraus, mit dem man in Nordrhein-Westfalen mit RTL ein Gegenwicht zu Leo Kirchs Sat.1 schaffen wollte. Die parteipolitische Interessenlage lässt sich plastisch ablesen an der ursprünglichen Vergabe von terrestrischen Frequenzen: Unionsgeführte Länder bevorzugten Sat.1, SPD-geführte Länder RTL. Im selben Zeitraum kam es neben der Ausweitung des Angebotes an Sendern auch zu einer stetigen Ausweitung des Angebotes an Sendeformaten mit politischen Inhalten. Bis 1987 blieb die »Elefantenrunde« hierbei das entscheidende ritualisierte Vorwahlereignis des Fernsehwahlkampfs. Ab 1990 fand diese Runde dann erstmals aus Opportunitätsgründen nicht mehr statt. Aus der Sicht von Kohl und seinen Beratern wären durch den Einzug der Grünen und der PDS in den Bundestag nun zu viele Parteien in der Sendung vertreten gewesen. Das Risiko wurde für den ohnehin fernsehunsicheren Kanzler größer als die Chance zu positiver Selbstdarstellung. Eine wichtige Neuerung war der beginnende Siegeszug der Talkshow. Ein derartiges Format, in dem sich Politiker in lockerer Atmosphäre mit prominenten Sidekicks im Plauderton, angeleitet durch einen Moderator, unterhielten, hatte es vorher in Deutschland nicht gegeben. Vor allem die Talksendung »Live« im ZDF ebnete den Weg für die heute fast schon virulent grassierende »Talkeritis« auf allen Sendern und in allen erdenklichen Formen. Trotz einer erkennbaren Ausweitung des Angebotes an politischen Fernsehformaten veränderten die neuen Privatsender zunächst allerdings wenig an den seit Mitte der siebziger Jahre erprobten Interaktionen von Politik und Fernsehen. Dies liegt sicherlich auch daran, dass die Privaten anfangs kaum über Kompetenzen in der Politikberichterstattung verfügten. Nach 1990 kann dann allerdings von einer neuen Ära gesprochen werden. Die Privatsender entwickelten eine immer stärkere eigene politische Expertise. Dies führte zu einer sprunghaften Ausweitung der Präsenz von Politikern im Fernsehen, gerade auch in Unterhaltungsformaten mit politischem Anspruch. Auch die Hinwendung Kohls zum Medium Fernsehen fand vor allem über und mit starker Hilfe des Privatfernsehens statt. Seit Öffnung der Mauer war er prak-

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tisch permanent im Fernsehen präsent. Die Fernsehöffentlichkeitsarbeit Kohls wurde komplett aus dem Kanzleramt und nicht etwa aus dem Bundespresseamt oder dem Konrad-Adenauer-Haus gesteuert. Die zentrale Figur dabei war ab Mitte der neunziger Jahre Andreas Fritzenkötter, der über exzellente Kontakte zu diesen neuen Medien verfügte. Ein willkommener Anlass, den Kanzler einer breiten Fernsehöffentlichkeit zu präsentieren, bot das zehnte Amtsjubiläum Kohls 1992. Insbesondere bei den in diesem Zusammenhang von den privaten Anbietern Sat.1 und RTL ausgestrahlten Formaten war das Kanzleramt von Beginn an in die konzeptionelle Planung und Umsetzung involviert. Durch den engen Kontakt von Helmut Kohl zu FAZ-Mitherausgeber Hugo Müller-Vogg entstand die Idee einer Personalityshow über den Kanzler. Die Sendung »Helmut Kohl privat« wurde von Tele-FAZ und Stern-TV unter Regie des Kanzleramtes produziert und auf RTL ausgestrahlt. Als Moderator wählte Müller-Vogg mit Günther Jauch bewusst einen populären Journalisten, der nicht aus dem Politikressort stammte. Die Sendung wurde in Kohls Privathaus in Oggersheim abgedreht und befasste sich fast ausschließlich mit weichen Human-InterestAspekten. Im gleichen Zeitraum brachte das ZDF die »Zwischenbilanz einer Ära«, Sat.1 sendete ein äußerst Kohl-freundliches Porträt über den »Kanzler aller Deutschen«. Diese Sympathieberichterstattung der anderen Sender überbot nur noch die ARD. Sie präsentierte dem Publikum eine Kohl-Hommage unter dem Titel »Unser Kanzler Kohl«. Das Interview führte der aus der Schule des Bayerischen Rundfunks stammende MDR-Intendant Udo Reiter. Die bestimmende Rolle des Kanzleramtes bei der Vermarktung der Person des Kanzlers im Fernsehen zeigte sich insbesondere im Wahlkampf 1994. Er war fast ausschließlich auf das Fernsehen und die Generierung von Free Media in diesem Medium abgestellt. Verantwortlich für die konzeptionelle Planung und Umsetzung des Fernsehwahlkampfs war nicht die Partei, sondern waren Ackermann und Fritzenkötter. Die Kontakte zu den Entscheidungsträgern des Privatfernsehens besorgte Kohls ehemaliger Regierungssprecher Peter Boenisch, der als Schnittstelle zwischen Wahlkampfmanagement der Partei und dem federführenden Kanzleramt ein eigenes Büro im Adenauer-Haus bezog und gleichzeitig im Kanzleramt selbst eingebunden war. Boenisch hatte gute Kontakte zu Helmut Thoma und Mark Wössner von der Bertelsmann-

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Gruppe, zu den Springer-Erben und zu Leo Kirch. Vor allem der Medienmogul Kirch und der Springerkonzern unterstützten Kohls Fernseh-PR entscheidend. Der Sender, der zum dominierenden Förderer Kohls wurde, war Sat.1. Peter Boenisch hatte neben seinem Vertrag mit dem Kanzler auch einen Beratervertrag mit dem Kirch-Sender. Außerdem verband Boenisch eine enge Freundschaft mit Heinz Klaus Mertes, dem Programmdirektor Information von Sat.1. Das ebenso erfolgreichste wie umstrittenste Format, das aus dieser Kooperation von Sat.1 und dem Kanzleramt entstand, war die 1993 ausgestrahlte Reihe »Zur Sache Kanzler« mit Heinz Klaus Mertes als Stichwortgeber. Andreas Fritzenkötter und das Kanzleramt entwarfen das Konzept, der Sender stellte die Technik. Die sechsmal dreißig Minuten langen Interviewfolgen hatten trotz der ungünstigen Sendezeit um 22.10 Uhr jeweils eine Sehbeteiligung zwischen zwei und vier Millionen.29 Selbst Fritzenkötter räumte in unserem Gespräch ein, dass die Redakteure, die Kohl befragen sollten, »weniger kritische Journalisten« waren. Dieses Format kann als nur halbherzig versteckte Wahlkampfhilfe Kirchs für Kohl gedeutet werden. Im Februar 1994 fand die Sendung »Gefragt« auf RTL statt. Das Konzept hatte wiederum Andreas Fritzenkötter entwickelt. Auch hier war mit dem »Talkkönig« Hans Meiser ein Boulevardjournalist ohne politische Expertise als Moderator im Einsatz. Und auch in diesem Format standen persönliche Anekdoten von Helmut Kohl im Vordergrund. Neben Meiser durfte das Publikum im Studio Fragen stellen. Fritzenkötter legt in seinen Ausführungen dar, dass Kohl diesem Konzept zunächst äußerst ablehnend gegenüberstand, sich dann nach einem heftigen Streit aber schließlich doch überreden ließ. Es ist erstaunlich, dass sich ausgerechnet der ansonsten gegen Imageberatung resistente Kohl auf ein derartiges – auch für medienaffinere Politiker nicht unriskantes – Unterfangen einließ. Laut Fritzenkötter erreichte die Sendung ca. sechs Millionen Zuschauer. Derartige »Town Hall Meetings«, in denen das Zuschauerpublikum Fragen live an die Kandidaten stellen kann, sind in den USA und Großbritannien bereits seit längerer Zeit etabliert und ausgesprochen beliebt. Kohl war außerdem der erste Kanzler, der Fußballereignisse als Massenmagnete in seine Fernsehstrategie mit einbezog: »Fußball als Massenphänomen ist ein ideales Werkzeug für symbolische Politik.«30 Zur

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Eröffnung der Fußballweltmeisterschaft 1994 flog Kohl mit 80 persönlichen Gästen in die USA. Gesponsert wurde sein Auftritt beim Eröffnungsspiel des amtierenden Weltmeisters Deutschland von Sat.1. Anlässlich der Europameisterschaft 1996 war Kohl bei zwei Spielübertragungen Gast im ARD-Studio und analysierte das deutsche Spiel. Nach dem Endspiel erlebten ihn so über 28 Millionen Zuschauer. Die Strategie, den Kanzler in Unterhaltungsformaten zu platzieren und so ein Millionenpublikum zu erreichen, forcierten Kohls Berater nach 1994 stetig. Kohl selbst wurde im Umgang mit dem Medium immer mutiger. So kam es 1996 zu einer Weltpremiere: Kohl trat erstmals in einer völlig unpolitischen Talkshow des ORF als alleiniger Gast auf. Dass diese Premiere ausgerechnet in Österreich stattfand, ist vermutlich auf die engen Kontakte Kohls zu seinem ehemaligen Medienberater, dem früheren stellvertretenden ORF-Intendanten Gerd Bacher, zurückzuführen. Im September desselben Jahres kam es dann auch in Deutschland erstmals zu einem derartigen, »unpolitischen« Talkshowauftritt Kohls in der Sendung »Boulevard Bio«. Alfred Biolek gilt im deutschen Fernsehen bis heute als einer der konziliantesten und aus Sicht des Befragten bequemsten Fragensteller. Über die Themenpalette des Formats schrieb die Berliner Zeitung bissig: »Bisher plauderte man bei Alfred Biolek stets über Themen wie ›Alter Mann, junge Frau‹, ›Und die Moral von der Geschicht’‹ und ›Späte Väter‹. Dazu hat Helmut Kohl vermutlich nichts zu sagen. Für die Sendung mit ihm ist ausnahmsweise kein weiterer Gast eingeladen. So kann es nur ein Thema geben: ›Ich!‹.«31 Entsprechend fiel auch das Gespräch zwischen Kohl und Biolek aus: Es ging fast nie um Politik, stattdessen erzählte Kohl ausführlich über das Karamellpuddingrezept seiner Frau. Hinter diesem im leichten Plauderton daherkommenden Auftritt steckt eine klare Strategie. Die Fernsehvermarktung Kohls mit Hilfe von Unterhaltungsformaten muss als Boulevardisierung von Politik, gestützt vor allem auf das Privatfernsehen, gewertet werden. Nach Andreas Dörner hat sich in fast allen modernen Gesellschaften die Politikvermittlung entertainisiert.32 Er begründet dies mit dem Aufbrechen festgefügter Milieus, Lager und Parteibindungen und dem Wandel zu einem nach marktgesetzten organisierten Politiksystem: Politik auf der »Vorderbühne« wird zur buhlenden Dauerwerbesendung um die vermeintlichen Wähler von morgen. Formen von Boulevardisierung der Politik

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konnten bereits bei Adenauer, Brandt und Schmidt gezeigt werden. Schon 1963 hat Klaus Bölling scharf vor Entertainisierungsgefahren durch das Fernsehen gewarnt. Das kommerzielle Fernsehen, das nahezu ausschließlich am Publikumsgeschmack orientiert ist und deshalb in seiner Programmstruktur überwiegend Unterhaltungsangebote sendet, hat die bereits seit Gründung der Bundesrepublik zu verzeichnende Tendenz zum Boulevard allerdings noch einmal drastisch beschleunigt. Mitte der neunziger Jahre hatte beispielsweise RTL eine Programmstruktur von 34 Prozent fiktionaler und 16 Prozent nonfiktionaler Unterhaltung, gegenüber 17 Prozent Informations- und Bildungssendungen. Auch Informationsformate sind bei den Privaten auf HumanInterest ausgerichtet. Apolitische Aspekte wie Person und Image stehen in der Berichterstattung stärker im Mittelpunkt als bei den öffentlichrechtlichen Anbietern. Die Strategie Fritzenkötters, Kohl genau in solche unpolitische Unterhaltungsformate mit prominenten Moderatoren zu schicken, die entweder bereits bestanden oder extra kreiert wurden, stellt für beide Seiten, Fernsehsender und Politiker, in vielfacher Hinsicht einen Gewinn dar: Das Risiko, durch investigative Fragen desavouiert zu werden, ist durch vorab abgeschlossene Auftrittsverträge, konzeptionelle Kontrolle durch Medienberater und mangelnde, politikjournalistische Kompetenzen der jeweiligen Moderatoren praktisch ausgeschlossen. Talkshows und ähnliche Formate sind ein freundliches, weiches Umfeld für eine nahezu unredigierte und unkommentierte Selbstdarstellung der politischen Akteure vor einem Millionenpublikum. Durch den unterhaltsamen Charakter dieser Formate erreicht man zudem auch all jene Zuschauer, die bei politischen Fernsehsendungen gelangweilt wegschalten. Die Sender profitieren ebenfalls: Sie erhalten attraktive, quotenträchtige und zugleich kostengünstige Inhalte für ihre Sendungen. Nicht Schröder, der für seine Auftritte in reinen Unterhaltungsformaten immer wieder kritisiert wurde, hat diese Möglichkeit als erster erkannt und genutzt. Erstaunlicherweise ist es ausgerechnet Helmut Kohl, der als erster Kanzler in einer vollkommen unpolitischen, rein unterhaltenden Talkshow auftrat, obwohl er noch in den achtziger Jahren das Fernsehen mied und als unterlegen galt. Die Strategie hinter dem auf die Talente und Fähigkeiten Kohls zugeschnittenen, boulevardisierten Fernsehwahlkampf blieb den Medien selbst natürlich nicht verborgen. Wie bereits Willy Brandts Kampagnen

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in den sechziger Jahren wurde auch der »Kohl-pur-Wahlkampf«33 1994 als »amerikanisch« kritisiert. Dazwischen liegen allerdings mehr als dreißig Jahre – um so erstaunlicher, wie konstant sich der Vorwurf der Amerikanisierung hat behaupten können. Auch an dieser Stelle zeigt sich eine hohe Selbstreferentialität von Medien: Einerseits sind sie aus ökonomischen, politischen und vielerlei anderen Gründen an der vermeintlichen »Amerikanisierung« der Politikvermittlung in Deutschland auf das Engste beteiligt. Auf der anderen Seite kritisieren sie in einer »Berichterstattung über sich selbst« genau jene subtil werbenden Formen der Dauerpräsenz von Politik und Politikern.

Freunde fürs Medium: Kohl und die Berater In punkto Demoskopie vertraute Kohl weiterhin auf das seit der Adenauer-Ära für die CDU tätige Allensbach-Institut. Elisabeth NoelleNeumann gehörte zu seinem Beraterkreis, ihr Institut blieb das »Hausinstitut« der Union. Auffälliger als bei anderen Kanzlern treten bei Kohl allerdings bereits seit den siebziger Jahren immer wieder externe Medienberater auf den Plan, die weder zur Partei- und Regierungsbürokratie gehörten noch traditionell mit der CDU verbandelt waren. Bereits 1974 engagierte Kohl mit Gerd Bacher einen erfahrenen Fernsehjournalisten. Bacher zeichnete verantwortlich für die persönliche Imagepflege Kohls und bekam hierfür ein eigenes Büro im Konrad-AdenauerHaus. Er fungierte mit ähnlicher Aufgabenstellung dann noch einmal 1987 und 1994. Im gleichen Jahr bezog Kohl seinen vormaligen Regierungssprecher Peter Boenisch aufgrund von dessen engen, teils auch vertraglichen Kontakten zum Privatfernsehen als Medienberater in den Wahlkampf ein. Die Einrichtung einer eigenen Abteilung für Medienarbeit 1995 im Kanzleramt nach der Pensionierung Ackermanns kann als ein Indiz für die wachsende Institutionalisierung des Bereichs Medienberatung innerhalb der Exekutivbürokratie verstanden werden. Sie entspricht dem in Deutschland erkennbaren Trend zu einer nichtgewerblichen Professionalisierung dieses Sektors. Dies ist in den USA vollkommen anders.

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Hier ist politische Medien- und PR-Beratung von Beginn an ein stetig expandierendes und sich ausdifferenzierendes Gewerbe gewesen. Der Sonderapparat für PR, den Kohl sich im Kanzleramt über die Jahre aufbaute, muss ambivalent gewertet werden. Anhand der skizzierten Beispiele im Zusammenhang mit der Fernsehstrategie Kohls wird deutlich, dass Fritzenkötter, »getarnt«34 in einer direkt dem Kanzler unterstellten Abteilung, wesentlich flexibler planen und gestalten konnte als der Regierungssprecher. Dies gilt insbesondere für den Umgang mit privaten Fernsehsendern. Einem Regierungssprecher wären die praktisch im Kanzleramt entstandenen, Kohl-freundlichen Fernsehsendungen im Wahlkampf 1994 rechtlich als unzulässige Wahlwerbung ausgelegt worden. Deshalb erweist sich die Konstruktion im Nachhinein als ausgesprochen modern. Selbst Die Zeit erkannte an: »Wo immer mehr und immer hungrigere Medien von einer gleich bleibenden Zahl von Spitzenpolitikern gefüttert werden wollen, muss neu gedacht und koordiniert werden. Der Bundeskanzler [Helmut Kohl] war einer der ersten, die das in der Nase hatten.«35 Ackermann und Fritzenkötter können als Spindoctors klassischer Prägung bezeichnet werden. Sie traten nicht öffentlich als Sprecher des Kanzlers in Erscheinung, sondern agierten hinter den Kulissen als »Strippenzieher« und Manager der öffentlichen Meinung. Beide arbeiteten in der Hauptsache nicht mit den klassischen Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit wie Pressemitteilungen oder Pressekonferenzen, sondern taktierten gezielt im Hintergrund. Ihr Hauptinstrument war das Telefon. Ackermann meint, er habe am Tag über hundert Telefonate geführt, ähnliches gilt für Fritzenkötter. Sie fungierten als Informationsfilter, die die Kommentarlage und das Meinungsklima durch strategische Informationsweitergabe, das Auslegen falscher Fährten oder das bewusste Durchsickernlassen von vertraulichen Neuigkeiten an Journalisten lenken konnten. Ackerman und Fritzenkötter stehen zudem beide für eine Arbeitsweise, bei der die persönliche Vernetzung wesentlich wichtiger ist als ein bürokratischer Apparat – ein Faktor, der für das Spindoctoring von zentraler Bedeutung ist. Auf der anderen Seite haben aber Adenauer und vor allem Schmidt bewiesen, dass auch ein Regierungssprecher als zentraler Medienberater und enger Vertrauter des Kanzlers fungieren kann, wenn er bestimmte berufliche Kompetenzen mitbringt und vom Regierungschef mit entsprechenden politischen

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Kompetenzen ausgestattet wird. Die Kehrseite der Medaille des Modells des persönlichen »Kanzlersprechers« liegt in der faktischen Verurteilung des Bundespresseamtes zu informationspolitischer Impotenz und den infolgedessen geschürten Machtkämpfen zwischen Kanzler- und Presseamt. Für den Wahlkampf 1994 wurde erstmals die Wiesbadener Agentur Zoffel-Hoff-Partner engagiert. Hetterich wertet in seiner Studie dieses Engagement als Vergabe einer klassischen Aufgabe des politischen Systems, nämlich der Politikvermittlung, an eine externe Instanz. Ihm zufolge wurde die komplette Öffentlichkeitsarbeit von dieser Agentur übernommen.36 Dies wäre in der Tat ein dramatischer Einschnitt in der bisherigen Tradition politischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Im Gespräch mit Andreas Fritzenkötter sowie durch eigene Recherchen konnte allerdings ermittelt werden, dass die Zoffel-Hoff-Partner-Werbeagentur GmbH – wie der Name bereits zeigt – eine Werbeagentur ist, die lediglich als Ergänzung zur Agentur von Mannstein, der Solinger »Hausagentur« der CDU, hinzugezogen wurde.37 Fritzenkötter betont in unserem Gespräch richtigerweise, in Deutschland sei es praktisch undenkbar, dass eine PR-Agentur, die auch Industriekunden betreut, extern die Kanzler-PR übernimmt. »Milka und Merkel« wird es hierzulande auf absehbare Zeit deshalb kaum geben. Dies deckt sich mit den bislang vorgestellten Konstellationen: Erfolgreiche PR betrieben die Kanzlerberater immer dann, wenn sie dem Amtsinhaber in einem intensiven, auf Loyalität gestützten Vertrauensverhältnis verbunden waren und wenn ihre Einblicke in interne Vorgänge tief genug waren, um abschätzen zu können, welche kommunikativen Maßnahmen am sinnvollsten ergriffen werden sollten.

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Interview mit Dr. Eduard Ackermann Dr. Eduard Ackermann (* 1928) begann seine Karriere bei der PolitischSozialen Korrespondenz als Nachwuchsredakteur. Ab 1958 war er 24 Jahre Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. 1982 berief ihn Helmut Kohl ins Bundeskanzleramt, wo er eine eigene Abteilung mit Schwerpunkt Kommunikation leitete. Von 1991 bis 1994 war er stellvertretender Chef des Bundeskanzleramtes. Wie lautete Ihre genaue Tätigkeitsbezeichnung im Bundeskanzleramt? Ich war Leiter der Abteilung für Dokumentation, Kommunikation und politische Planung. Von 1991 bis 1994 war ich zugleich stellvertretender Leiter des Bundeskanzleramtes. Welche Aufgaben und Ziele waren mit dieser Position verbunden? Es gehörten mehrere Referate zu meiner Abteilung. Ein Referat befasste sich mit dem Schreiben von Reden für den Bundeskanzler und war mir direkt unterstellt. Das zweite Referat war mehr der Bereich Kultur und Wissenschaft. Dann gab es ein eigenes Referat für Dokumentation, für die Bearbeitung des gesamten Materials, das täglich anfiel, zum Beispiel Pressespiegel und solche Dinge. Das Bundespresseamt machte ja jeden Tag eine Kanzlermappe. Diese musste bei uns noch ergänzt werden. Die Auswertung des täglichen Agenturmaterials fiel ebenfalls in mein Ressort. Wir hatten ein großes Lagezentrum im Bundeskanzleramt. Dort liefen die Meldungen sämtlicher Nachrichtenagenturen ein: dpa, ddp, AP, Reuters und so weiter. Das Material wurde vom Lagezentrum in unser Büro gegeben. Dort wurde es von einem Mitarbeiter von mir gesiebt. Er legte es mir vor, und ich hatte zu entscheiden, was ich Bundeskanzler Helmut Kohl vorlegte. Die eigentliche Arbeit von mir bestand im Wesentlichen in der Kontaktpflege zu Medienvertretern. Ich habe nie öffentliche Auftritte gehabt, die habe ich immer dem jeweiligen Regierungssprecher überlassen. Ich habe nur im Background agiert. Das war von Helmut Kohl ausdrücklich so gewünscht. Ich habe viele Pressegespräche geführt, aber nur ganz wenige Interviews gegeben oder Stellungnahmen abgegeben. Wichtig war natürlich auch der gesamte Bereich der Vorbereitung für die Kanzlerreden. Ich selbst war allerdings kein Redenschreiber. Aber der Tenor der Rede wurde jeweils immer mit

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mir abgestimmt. Ich habe mich sehr stark auf die Hintergrundarbeit konzentriert. Wir haben viele Informationsgespräche und Einzelgespräche mit Journalisten im Kanzleramt mit Helmut Kohl gemacht. Hier war jedoch stets der jeweilige Regierungssprecher beteiligt. […] Für mich war es wichtig, mit den jeweiligen Regierungssprechern und den Stellvertretern einen guten Kontakt zu haben, damit die auch das Gefühl hatten, dass sie die gleiche Information hatten, wie ich sie hatte. Ich saß ja auch näher dran: Ich hatte auf dem Flur des Kanzlers meine Büros und konnte relativ häufig zu ihm hingehen. Das hätte leicht dazu führen können, dass sie meinten, sie wären dadurch benachteiligt. Das Gefühl habe ich aber nie aufkommen lassen. Wie muss ich mir Ihren Tagesablauf vorstellen? Das Ganze begann bei uns immer mit der Morgenlage. Da waren die jeweiligen Regierungssprecher auch immer mit dabei. Da war der Chef des Kanzleramtes dabei, ich war dabei und je nach Lage der ein oder andere Abteilungsleiter. Und Juliane Weber, die persönliche Referentin Kohls, war dabei. Ich hatte den Auftrag – das hatte ich aber bereits, als Kohl noch Fraktionsvorsitzender war, und auch für die anderen Fraktionsvorsitzenden gemacht –, morgens den Pressevortrag zu halten. Das war meine erste Aufgabe. Um sechs Uhr lag bereits vor meiner Wohnungstür ein großer Stapel Zeitungen. Um 7.45 Uhr holte mich der Fahrer des Bundeskanzleramtes jeden Tag ab. Im Kanzleramt hatte mein Mitarbeiter Dr. [?] Wolter mir schon das Material aus den Agenturen, das in der Nacht angefallen war, vorbereitet. Zu diesem Zeitpunkt waren auch schon die Nachrichtenspiegel des Presseamtes da. Das Presseamt machte jeweils einen Nachrichtenspiegel »Inland« und einen »Ausland«. Da hatten sie mir das Wesentliche schon angestrichen, so dass ich meinen Nachrichtenvortrag gut vorbereiten konnte. Je nach Terminlage des Kanzlers begann die Morgenlage entweder so um 8.30 Uhr oder 8.45 Uhr […]. Im Anschluss daran fand immer noch eine weitere Besprechung beim Chef des Bundeskanzleramtes statt. Da musste ich dann meist noch einmal den Pressevortrag halten. Meine Hauptaufgabe war, im Laufe des Tages für die Presseleute zur Verfügung zu stehen, wenn sie eine Frage hatten oder meinten, auf den Regierungspressekonferenzen kam nicht genug rüber. Dann riefen sie bei mir an und fragten: »Weißt du noch mehr?« Und dann haben wir natürlich viele

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Pressegespräche geführt. Mal waren das einige wenige Journalisten, die zu einem kleinen Gesprächskreis beim Kanzler zusammengeführt wurden, oder es waren mal die Chefredakteure aller wesentlichen deutschen Tageszeitungen zum Mittagessen im Kanzleramt eingeladen. Oder es war in dem Bungalow ein Kreis der wichtigen Bonn-Korrespondenten von Rundfunk, Zeitungen und Fernsehen. Oder es waren Einzelgespräche. Zum Beispiel lud der Kanzler gelegentlich einen der Herausgeber der FAZ oder anderer wichtiger Zeitungen ein. Dazu gehörte natürlich auch die Vorbereitung der Fernseh- und Rundfunkinterviews des Kanzlers. Ich war bei allen Fernseh- und Rundfunkauftritten Kohls mit dabei und habe sie teilweise mit vorbereitet, weil ich wusste, die stellen dann die und die Frage, und dann konnte man dem Kanzler schon sagen, auf das und das kommt es dann an. Manches war ja auch sehr spontan, wenn er aus einer Sitzung herauskam, zum Beispiel bei der Fraktion oder wenn Plenarsitzung war, dann haben die Journalisten ihn auf dem Flur abgefangen, dann konnte man nichts mehr beeinflussen, aber wenn man einigermaßen wusste, was in einer Pressekonferenz, in die er ging … ein sehr wichtiges Instrument war natürlich die Bundespressekonferenz. Da hatte man immer die breiteste Aufmerksamkeit, da konnte man am meisten erreichen, da waren Hunderte von Journalisten. Das hat Helmut Kohl regelmäßig mehrmals im Jahr gemacht. Das war ein wichtiges Instrument für die Öffentlichkeitsarbeit. Vierzig Jahre Pressearbeit in Bonn: Was hat sich Ihrer Meinung nach verändert? Nun muss man ja unterscheiden, in der Anfangszeit spielte das Fernsehen noch gar keine oder eine ganz geringe Rolle. Adenauer und Fernsehen, das passte auch gar nicht so richtig zusammen. Es gab schon viel Rundfunk, Rundfunkinterviews wurden von Politikern viele gemacht. Aber durch die zunehmende Entwicklung der Fernsehmedien verlagerte sich natürlich ein Großteil der Öffentlichkeitsarbeit auf diesen Bereich. Das war eigentlich der Kernbereich der Öffentlichkeitsarbeit, weil da das breiteste Publikum erreicht werden konnte. Da gab es eben verschiedene Möglichkeiten, in dieses Medium hereinzukommen. Nach irgendwelchen aktuellen Anlässen Kurzinterviews oder eben lange Ausführungen vor der Bundespressekonferenz. Das konnte man aber nur ein paarmal im Jahr machen. Der Kanzler hat zwar auch das Verlautbarungsrecht, aber da hat er nur ganz selten von Gebrauch gemacht.

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Normalerweise wurde das im Rahmen normaler Kontakte zu den Journalisten abgewickelt. Sie sagten, das Fernsehen habe die Öffentlichkeitsarbeit stark verändert. Denken Sie, dass jemand wie der achtzigjährige Adenauer heute noch ein attraktiver Kanzlerkandidat wäre? Adenauer war sicherlich kein Mann für das Fernsehen. Das hat er selbst auch immer wieder zugegeben. Ich glaube, ein Politiker vom Typ Adenauers – er war ja schon 73 Jahre, als er anfing –, das wäre heute sehr schwierig. Die Politiker mussten sich alle erst daran gewöhnen. Ich habe das besonders auch erlebt, als Kohl nach Bonn kam. Als rheinland-pfälzischer Ministerpräsident hatte er zwar Erfahrungen im Umgang mit dem Fernsehen und allgemein mit der Presse. Aber nicht in den Dimensionen, wie das hier in Bonn der Fall war. Und der musste sich erst mal daran gewöhnen, wie auch die anderen. Die mussten sich alle erst einmal daran gewöhnen, einen Sachverhalt in einer Minute und zehn Sekunden zu schildern. Das war für Kohl und viele andere sehr schwierig, eine wichtige politische Geschichte in dieser kurzen Zeit darzustellen. Es waren viele Situationen, gerade nach wichtigen Sitzungen, da standen die Journalisten auf dem Flur und sagten: »So: Eins zehn, und jetzt stellen Sie uns mal die Lage dar.« Das war sehr schwierig, aber zum Schluss hat Kohl das beherrscht. […] Das fiel Helmut Kohl anfangs allerdings schwer. Dann haben wir das öfters trainiert, und später ging es dann. Oder die Journalisten mussten das dann hinterher zusammen schneiden, aber da lag dann immer ein großes Risiko drin: Was bringen die jetzt noch von dem, was er gesagt hat? Das konnte man dann natürlich mit den Journalisten ein wenig besprechen, aber manche hatten gar keine Zeit, die haben gesagt: »Ich hab keine Zeit, ich mach das schon, du kannst dich drauf verlassen, wir machen da keinen Blödsinn.« Es ist auch meistens gut gegangen, aber oft haben sie dann natürlich nur brisante Sätze da rausgeholt. Das war eine ganz schwierige Geschichte. Sie haben gesagt, Sie hätten Helmut Kohl beigebracht, wie er mit dem neuen Medium Fernsehen umgehen muss. Würden Sie sich als PR-Coach Kohls bezeichnen? Das habe ich eine Zeit lang versucht, dann haben wir später einen zweiten Mann dazugekriegt, Andreas Fritzenkötter, der kam 1991. Fritzenkötter hat sich dann sehr darum gekümmert, den Kanzler für die

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großen Fernsehauftritte zu präparieren. Wenn zum Beispiel Wahlkampf war, dann bekamen die einzelnen Kandidaten viele Angebote von großen Fernsehsendungen, da hat sich ab 1991 Andreas Fritzenkötter drum gekümmert. Ich habe mehr den »Kleinkram« der täglichen Arbeit gemacht. Ich würde mich nicht als Medienberater oder PR-Coach bezeichnen wollen. Das wäre vielleicht schon zu viel. Ich habe versucht, Helmut Kohl durch die Fährnisse dieses Unternehmens durchzusteuern. Ich habe mich mehr auf die Sachen im Inneren konzentriert, Hintergrundgespräche, Informationen und so weiter. Fritzenkötter wurde meistens als Medienberater bezeichnet. Er hat diese Rolle sicherlich stärker wahrgenommen, als ich das getan habe. Das klingt, als ob Sie als Öffentlichkeitsarbeiter gar nicht in der Öffentlichkeit agiert hätten? Das war mit Helmut Kohl bewusst so verabredet. Die Regierungssprecher sind die Leute, die in der Öffentlichkeit auftreten. Die machen dreimal die Woche ihre Pressekonferenz. Und die konnten unabhängig davon auch in Rundfunk und Fernsehen ihre Interviews geben, während ich eher Öffentlichkeitsarbeit im Hintergrund betrieben habe, in Gesprächen, die ich selbst mit den Journalisten geführt habe, oder indem ich Einladungen zu Hintergrundgesprächen mit dem Kanzler organisiert habe. Natürlich auch bei der Vorbereitung Kohls für größere Auftritte. Zum Beispiel für die jeweilige Silvesteransprache. Die Aufnahmen fanden ja immer bei uns im Kanzleramt statt. Da habe ich Kohl beraten, vor welchem Hintergrund und so weiter. Aber diese ausgedehnten Fernsehauftritte kamen ja erst in den allerletzten Jahren auf. Und dafür hatten wir dann den Fritzenkötter. Die Gespräche, zum Beispiel mit Hans Meiser auf RTL, das hat Fritzenkötter alles gemanagt. Er hatte sehr gute Kontakte zu diesen Medien. Ich war häufig bei der Vorbereitung dabei, aber ich habe diesen Bereich im Wesentlichen Andreas Fritzenkötter überlassen. Das hatte sich aber auch in den allerletzten Jahren so entwickelt, dass im Wahlkampf die Spitzenkandidaten eine so große Rolle spielten. Es gab von Anfang an immer diese Runden mit den Spitzenkandidaten. Aber erst in den letzten Jahren gab es zusätzlich noch Einzelsendungen mit den Kandidaten. Und dann gab es auch jedes Jahr diese Sommerinterviews. Da war ich auch häufig am Wolfgangsee. Die Termine haben wir dann so zusammengelegt, dass ein Fernsehter-

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min mit einem Fototermin zusammenfiel. […] Da bin ich immer noch sehr stark eingeschaltet gewesen in diese Dinge. Ich war praktisch jedes Jahr am Wolfgangsee und habe mit ihm diese Sommerinterviews geplant. Diese Ferieninterviews werden inzwischen ja auch außerhalb der Wahlkämpfe gemacht. Das hat sich immer weiter verstärkt in den letzten Jahren, wo ich schon nicht mehr drin war und Fritzenkötter dann meine Aufgabe insgesamt übernahm – nicht die gesamte Abteilung, die hatte ja [Michael] Mertes –, aber den ganzen Öffentlichkeitsarbeitsbereich, den hat Fritzenkötter übernommen, weil sich das wirklich enorm verstärkt hatte. Wenn ich daran denke, wie wir angefangen haben, da habe ich zwar nicht für die Kanzler, sondern für die Fraktionsvorsitzenden gearbeitet … Aber die haben ja auch im politischen Feld eine große Rolle gespielt … Aber ich konnte das natürlich schon beobachten, was die damaligen Kanzler, Adenauer, Erhard, Kiesinger für eine Rolle gespielt haben in der Öffentlichkeitsarbeit. […] Sie haben gesagt, die Bedeutung des Fernsehens wäre derart gewachsen, dass Sie mit Fritzenkötter einen Spezialisten dazuholen mussten. Kann man sagen, dass sich das Tempo, das die Öffentlichkeitsarbeit vorlegen muss, insgesamt extrem erhöht hat? Wahlergebnisse sind in den letzten Jahren immer stärker auch durch die Fernsehauftritte der Kandidaten beeinflusst worden. Das war in den sechziger und siebziger Jahren noch nicht der Fall. Das Fernsehen verbreitete sich immer mehr und bekam immer mehr Millionen Zuschauer. Sie konnten keinen Wahlkampf mehr führen ohne das Fernsehen. Und Wahlkampf war ja in Deutschland eigentlich immer. Es war ja nicht nur die Bundestagswahl, sondern es gibt viele Landtagswahlen, da mussten die Spitzenleute natürlich auch immer auftreten. Ich bin ganz klar der Meinung, dass das Fernsehen in den letzten Jahren in zunehmendem Maße Einfluss auch auf den Ausgang von Wahlen nimmt. […] Gehen Sie so weit zu sagen: Das Fernsehen hat auch politische Werte und Inhalte verändert? Das weiß ich nicht. Das mussten die Politiker schon selber entscheiden, was sie dort inhaltlich vortrugen. In den ersten Jahren der neuen Demokratie in Deutschland hatten sie ja nicht diese Möglichkeiten. Da haben sie Öffentlichkeitsarbeit über die Tageszeitungen machen müssen, weil die Tageszeitung das wichtigere Informationsmittel für die

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Bevölkerung war, und auch der Rundfunk. Aber bei zunehmender Entwicklung hatte das Fernsehen immer … Deswegen war es nachher schwerer, Leute zu kriegen für Rundfunkinterviews in Magazinsendungen, die ja oft morgens um fünf, sechs Uhr schon anfingen, und da war es sehr schwer, sehr gute Leute zu finden. Ich habe das selber leidvoll erfahren …, die sich morgens um 6.15 Uhr vom Radiojournalisten anrufen ließen. Aber wenn das Fernsehen einen Wunsch hatte, da waren sie alle da. Die Politiker haben sehr schnell begriffen, welche Macht das Fernsehen darstellt. Mit der Vermittlung von Gesprächspartnern für das Fernsehen habe ich nie sonderliche Schwierigkeiten gehabt. Weil die Politiker erkannt haben, hier erreicht man breiteste Kreise. Früher dachte man ja, diese Wahlkampfveranstaltungen, das ist das große Mittel. Das ist aber völlig falsch. Das muss man machen, um die eigenen Leute zu mobilisieren, aber da kommen Sie doch nicht an eine Masse des Publikums heran. An das Publikum sind Sie in den letzten Jahren nur hauptsächlich über das Fernsehen herangekommen. Die Politik hat sich dann ja auch darauf eingestellt. Das war eigentlich das Hauptmittel in der Öffentlichkeitsarbeit, was die Kanzler Adenauer und Erhard so ja noch gar nicht zur Verfügung hatten. Lässt sich die steigende Bedeutung von politischer Öffentlichkeitsarbeit auch organisatorisch und personell belegen? Es gab ja zu den Zeiten aller Kanzler das Bundespresseamt, aber das war ja kein Instrument – um jetzt mal dieses Wort zu gebrauchen –, um Propaganda zu machen. Sondern früher war es ja so, dass das Presseamt ziemlich streng darauf achten musste, dass es Nachrichten, die die Regierung produzierte, an das Volk heranbrachte, auf ihren Pressekonferenzen oder durch Vermittlung von Interviews. Das ist allerdings dann auch im Laufe der Jahre ausgebaut worden, auch die Stellen im Bundespresseamt sind natürlich vermehrt worden, weil Öffentlichkeitsarbeit immer größer geschrieben wurde. Das bezog sich ja nicht nur darauf, dass man die Politiker nun in die elektronischen Medien hereinbrachte, es mussten ja auch Anzeigen geschaltet werden über die Arbeit der Regierung. Das gab es alles in den Anfangsjahren dieser Republik nicht. Wenn Sie jetzt mal so die letzten Jahre betrachten: Was die Regierungen da alles für ganzseitige Anzeigen …, wenn sie gerade irgendein großes Gesetz gemacht hatten … Das hat natürlich alles früher in dem Ausmaß

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nicht stattgefunden. Das hat natürlich auch viel mehr Geld gekostet. Infolgedessen musste auch mehr Personal angeschafft werden. Und jetzt muss man ja noch eines unterscheiden: Wir reden ja jetzt hier nur über die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung. Ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit für die einzelnen Politiker, und natürlich auch für die Kanzler, musste die Partei ja auch übernehmen. […] Auch die Öffentlichkeitsarbeit der Parteien für die Spitzenleute und die Kanzler ist ja enorm gewachsen. Gegenüber allen Medien. Wenn Sie Helmut Kohl und Gerhard Schröder vergleichen, wo würden Sie da Unterschiede in der Medienarbeit sehen? Als Kohl in Bonn anfing, musste er diesbezüglich noch lernen, weil er als Ministerpräsident nicht in diesem Ausmaß gefordert worden ist. Er hat allerdings relativ schnell begriffen, welche Chance darin liegt, dass ihm die Medien zur Darstellung seiner Politik zur Verfügung stehen. Vielleicht liegt der Unterschied zwischen Kohl und Schröder darin, dass Schröder noch intensiver die Medien nutzt für die Darstellung seiner Politik. Egal ob Schröder sich momentan im Tief befindet oder nicht: Im Umgang mit der Presse hat er hohe Qualitäten entwickelt, das kann ihm niemand bestreiten. Obwohl ich der Meinung bin, dass Kohl in den letzten Jahren seiner Amtszeit mit den Medien gut zurechtkam. Es gab Teile der Presse, mit denen er nicht zurechtkam, aber das wollte er auch nicht. Zum Beispiel mit dem Spiegel, dem Stern oder der Zeit. Aber das kristallisiert sich jetzt bei Schröder auch heraus, er verfährt jetzt so mit der Springer-Presse oder auch mit dem Stern, wenn er zum Beispiel Stern-Journalisten nicht in der Kanzlermaschine mitnimmt. Da war Kohl großzügiger. Er hat alle immer mitgenommen. Man musste eben wissen: Da sind Leute aller Couleur an Bord. Dann musst du dich eben entsprechend vorsichtig äußern bei den Informationsgesprächen. Aber ich glaube, Kohl hatte das am Ende gut in der Hand. Die meisten Journalisten haben am Ende gesagt, er ist am besten, wenn man ihn im Einzelgespräch hat oder im kleinen Kreis. Da stellt er sich viel besser dar als bei großen Fernsehauftritten oder großen Veranstaltungen. In der Machart des Umgangs mit der Presse ist Schröder sicherlich noch pfiffiger, als Kohl es in seiner zweiten Phase war.

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Sie haben gesagt, Sie waren mehr im Hintergrund mit den Journalisten tätig. Welche Rolle spielten die Journalisten hierbei in Ihrem Kalkül? Mein Prinzip war es, dass ich niemanden bevorzugt behandelt habe. Zum Beispiel, dass ich eine bestimmte Anzahl von Journalisten mit einer entsprechenden politischen Ausrichtung besser mit Information versorgt hätte. Ich habe alle, die zu mir kamen, egal, ob sie links oder rechts waren … gut … es gab natürlich Journalisten, da musste man vorsichtig sein … weil man nie so genau wusste, was die aus den Informationen machten. Ich habe zum Beispiel auch regelmäßig Kontaktgespräche mit dem Spiegel und dem Stern geführt. Das wusste Kanzler Kohl natürlich und hat dies auch gutgeheißen. Mir kam es darauf an, in den Gesprächen, die ich mit den Journalisten geführt habe, möglichst objektiv die politischen Absichten der Regierung darzulegen. Es gab ja hier in Bonn unzählig viele Journalistenkreise, wo man Hintergrundgespräche führen konnte. Da gab es den Ruderclubkreis, den Saarlandkreis, weil sie in der saarländischen Vertretung getagt haben, dann gab es noch den Adlerkreis von Klaus Dreher, bis zum Kreis Gelbe Karte das war der Kreis der Journalisten, die eingeschriebene SPDMitglieder waren … Die haben mich laufend eingeladen …, und ich habe das auch sehr genossen. Da ist nie eine Indiskretion passiert. Es hat andere gegeben, die sich indiskret verhalten haben, die wurden dann in solche Kreise nie mehr eingeladen. Die Kreise waren nur effektiv, wenn die Informationen absolut vertraulich behandelt wurden. Es verkehrten dort ja nicht nur Personen, die von Amts wegen mit Presseund Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt waren, sondern auch Politiker. Und die mussten sich ja darauf verlassen können, dass Informationen nicht am nächsten Tag in der Zeitung stehen. Diese Einrichtung der Journalistenclubs war in Bonn sehr ausgeprägt. Es gab ja auch noch den Deutschen Presseclub, da gingen die Politiker gerne hin, weil man da auch relativ offen diskutieren konnte. Helmut Kohl ist mehrmals im Jahr dort hingegangen, das haben die anderen Kanzler genauso gemacht. Auch Adenauer ist schon in den Presseclub gegangen. Ich habe ihn dort mehrfach persönlich erlebt … Er war sehr ausdauernd und konnte auch ein gutes Glas vertragen …, oft bis spät nach Mitternacht. Der Presseclub lud nicht die Öffentlichkeitsarbeiter ein, sondern nur die Spitzenpolitiker. Die haben hiervon auch kräftig Gebrauch gemacht.

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Wenn Sie das vergleichen mit der Berliner Pressearbeit: Ist dies dort noch genauso? In Berlin ist es etwas anders als in Bonn. Zunächst ist dort eine viel größere Anzahl von Journalisten tätig. In Berlin war ja schon vor dem Umzug ein großes Pressecorps vorhanden. Die konnte man nicht einfach wegschicken, als die Bonner dann alle nach Berlin gingen. Wenn ich das richtig beobachtet habe, sind dort manche Stellen zweimal besetzt. In Bonn war das anders, hier hat man noch darauf geachtet, dies nicht zu sehr auszudehnen. In Berlin ist auch die Atmosphäre etwas anders geworden, weil … hier in Bonn gab es noch mehr Kooperation unter den Journalisten. Es wurden oft Informationen ausgetauscht. Wenn einer mal nicht konnte, hat ein anderer Kollege von einem anderen Medium ihn vertreten und mit den Informationen versorgt. Das wird es heute in Berlin nicht mehr geben. Heute gilt nur noch die Devise, möglichst viel Exklusivmaterial zu bekommen. Das hatte hier schon in der letzten Phase der Regierung Kohl angefangen. Man gilt heute nur noch als guter Journalist, wenn man möglichst viele Exklusivnachrichten publiziert. In Bonn lag der Fokus nicht so stark auf Schlagzeilenjagd und Exklusivität. Das Arbeitsklima in Bonn war insgesamt kollegialer. Das sagen aber auch die Kollegen in Berlin oft zu mir. Sie sagen mir immer wieder, das Leben ist schwerer in Berlin, weil der Konkurrenzgesichtspunkt stark in den Mittelpunkt gerückt ist. Würden Sie das eher als Chance oder als Nachteil für politische PR werten? Das weiß ich nicht, ob das eine Chance ist. Manchmal ist es auch lästig für die Politiker. Zum Beispiel die Konkurrenz zwischen den einzelnen Fernsehsendern: Jeder möchte möglichst in den Hauptnachrichten eine Exklusivmeldung drin haben. Gleiches gilt für die Zeitung. Das können Sie genau verfolgen, wenn an einem Tag die FAZ eine Exklusivgeschichte hat, bemüht sich die Welt oder die SZ, am Folgetag eine zu bringen. Die leben ja nur noch von solchen Schlagzeilen, weil sie behaupten, sie könnten so die Auflage steigern … Vielleicht ist das auch teilweise so … Die Boulevardisierung der Printmedien, aber auch der elektronischen Medien hat stark zugenommen. Hier wird mittlerweile sehr viel Politik mit Unterhaltungswert gemacht. Das hat es früher nicht gegeben, da stand die Information im Vordergrund. Aber heute hat Politik auch hohen Unterhaltungswert, Politiker gehen in Talkshows

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und so weiter. Das hat es zu meiner aktiven Zeit in dem Maße nicht gegeben. Ich weiß nicht ob es ein Vorteil ist … In Amerika ist die Situation ja ähnlich, und wir übernehmen ja gerade, was Öffentlichkeitsarbeit und Wahlkampfmanagement angeht, vieles aus den USA. […] Ja, man muss auch wissen, die Position, die ich hatte, war eine Sonderfunktion. Die hat es unter den anderen Kanzlern nicht gegeben. Da waren die Regierungssprecher und das Presseamt als mächtiges Amt, aber Helmut Kohl hatte schon ein paar Jahre mit mir gearbeitet und wollte die Erfahrungen und Möglichkeiten, die ich im Umgang mit der Presse hatte, für sich nutzen. Deshalb hat er die ganze Abteilung umstrukturiert, vorher war dies eine reine Planungsabteilung. Er wollte, dass ich meine Kontakte als enger Mitarbeiter von ihm nutze. Das war immer ein Drahtseilakt. Die agierenden Regierungssprecher dürften nicht das Gefühl kriegen, ich nehme ihnen was weg, deshalb habe ich nie öffentliche Interviews gegeben, sondern mich auf die Hintergrundarbeit konzentriert. Natürlich saßen manche Regierungssprecher bei mir oft im Büro, weil sie meinten, da ist vielleicht noch was zu holen … Peter Boenisch war zum Beispiel so einer …, der hatte so halb noch ein Nebenbüro bei mir aufgeschlagen … Er wusste ja, dass ich näher am Kanzler saß. Aber ich bin auch mit den anderen Sprechern gut ausgekommen … Dieter Vogel … Friedhelm Ost … wir sind heute noch alle miteinander befreundet. Sie sprechen immer nüchtern von Hintergrundgesprächen. Haben Sie aus dem Hintergrund auch an der Inszenierung des Amtes und der Person für die Öffentlichkeit mitgewirkt? Ich habe insofern daran mitgewirkt, als ich den Journalisten erklären konnte, was die Absichten Kohls sind. Er wurde ja nicht immer gleich beurteilt. Viele hielten ihn am Anfang für einen Provinzling, da musste man natürlich Vorurteile abbauen. In diesem Punkt habe ich am Image Helmut Kohls sicher mitgebaut. Wie sind Sie denn gegen den Vorwurf des »Provinzlings« vorgegangen? Da konnte man gar nichts dagegen unternehmen, man konnte Kohl nur mit einzelnen Gruppen und kleinen Kreisen von Journalisten zusammenbringen. Da wirkte er ja immer ganz anders. Man konnte am Imagebild Kohls nur über die Presse arbeiten. Das haben Journalisten auch nie bestritten, dass er, wenn sie im kleinen Kreis mit ihm zusammen

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waren, oder bei einem Fest … Das haben sie immer sehr genossen … Und so konnte ich im Laufe der Zeit das Negativimage, das er hatte, abbauen. Er hat natürlich auch viel gelernt. Inwieweit haben die Medien Einfluss auf Entscheidungen des Bundeskanzlers genommen? Von negativen Kommentaren ließ er sich fast nie beeinflussen. Wenn er merkte, es handelt sich um eine allgemeine Stimmung, hat er versucht, bei seinen Auftritten gegenzusteuern. Meinungsumfragen haben ihn interessiert, aber er hat seine Politik nicht davon abhängig gemacht. Ich kenne keinen führenden Politiker, der sich nicht für Meinungsumfragen interessiert. Auch Schröder achtet auf Meinungsumfragen, aber natürlich auch die Kanzler aus unserem Lager haben immer auf Meinungsumfragen geschaut. Die Frage ist, ob sie sich auch in ihrer Politik davon beeinflussen lassen. Adenauer hat sich bestimmt nicht davon beeinflussen lassen, denn sonst hätte er einige Dinge nicht gemacht, die äußerst unpopulär waren. Auch Kohl hat sich in wichtigen Entscheidungen nicht davon beeinflussen lassen. Aber er hat das Stimmungsbarometer ernst genommen und darauf reagiert, indem er mir sagte, ich sollte zu diesem und jenem Thema mehr tun und Aufklärungsarbeit leisten. Sie haben gesagt, Sie hätten die Politik des Kanzlers erläutert. Wie kann man sich das praktisch vorstellen? Oft sind die Journalisten auf mich zugekommen, das Hauptinstrument war mein Telefon. Ich habe an Spitzentagen über hundert Telefonate geführt. Zum Teil ging es um simple Fragen, häufig waren es sehr fachspezifische Fragen der Journalisten, die wissen wollten, warum der Kanzler eine Entscheidung so und nicht anders getroffen hatte. Wie würden Sie rückblickend den Umgang Kohls mit den Medien insgesamt beurteilen? In den langen Jahren, die ich mit Kohl zusammengearbeitet habe, habe ich festgestellt, dass er gar nicht so ein schlechtes Image in der Presse hatte, besonders in der Lokal- und Regionalpresse ist er meist relativ gut weggekommen. Bei der überregionalen Presse …, bei der Süddeutschen hat er natürlich auch viel Kritik gehabt, das muss man aber ertragen. Insgesamt hat Kohl kein schlechtes Verhältnis zu den Medien gehabt, es

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war nicht immer reibungslos … Manchmal fühlte er sich auch schlecht behandelt …, aber er hat nie etwas unternommen, um zum Beispiel bei einem der Chefredakteure anzurufen, um sich zu beschweren, das hat er meist seinen Mitarbeitern überlassen. Er ist meiner Meinung nach erst in das Licht geraten, nicht mit der Presse umgehen zu können, als die Details der Spendenaffäre bekannt wurden. Auf diesen Pressekonferenzen hat er die Journalisten etwas grob behandelt. Da haben ihm manche Freunde gesagt: »Das war wenig souverän von dir.« Sonst hat er eigentlich immer in den Pressekonferenzen, auch in der Bundespressekonferenz, so ein Scharmützel mit den Journalisten gemacht. Da wusste er, da kommt jetzt ein Journalist, der will dir mit seinen Fragen ein Bein stellen. Er kannte die ja alle … Das war der Herr Berger [ ?], jetzt bei der Zeit, der Herr [Dieter] Wonka von der Leipziger Volkszeitung und so weiter. Und er wusste genau, wann er aufpassen musste. Die Journalisten haben das auch akzeptiert, er hat sie ja nicht als Blödmänner bezeichnet, sondern sagte Sachen wie: »Jetzt stellt ihr wieder die Fragen, die ihr gestern in der Baracke abgestimmt habt.« Das machte er gerne, er schäkerte sehr gerne mit den Journalisten. Wenn Journalisten zu ihm kamen, fragte er: »Na, hast du heute schon dein Sektfrühstück mit dem Chefredakteur gehabt?« Das hörten die aber ganz gerne. Wenn er sie nicht so ein bisschen auf den Arm nahm, dann dachten die Journalisten, er hat was gegen uns. [Friedrich] Nowottny und andere Spitzenjournalisten, die ja selber große Medienstars waren, brauchten das, sie kamen dann schon selber und sagten: »Herr Bundeskanzler, wir haben heute noch gar nicht von Ihnen gehört, dass wir einen tollen Job haben: wenig Arbeit, hohes Gehalt!« Es war insgesamt eine Stimmung, in der man durchaus ein paar bissige Witze austauschen konnte …, glauben Sie mir das. Wenn Kohl es nicht tat, waren die Journalisten unzufrieden. Sie haben es nicht als Niedrigschätzung des Berufsstandes der Journalisten aufgefasst. Es gab natürlich Medien, zu denen er überhaupt keinen Bezug hatte. Seit 1975 hat er dem Spiegel kein Interview mehr gegeben. Das Interview war noch von Gerd Bacher, dem damaligen Berater des Kanzlers vorbereitet … Das war das Interview, in dem der Begriff des »Generalisten Kohl« geprägt worden ist. Kohl hat das so nie gesagt, sondern Bacher hat es in das Interview hineingeschrieben, Kohl hat es dann stehen lassen. Der Spiegel hat immer wieder versucht, ein Interview mit Kohl zu bekom-

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men, er hat es immer abgelehnt. Er hat wohl gelegentlich mit einem der Chefredakteure geredet, den er kannte, weil er aus seiner Heimat kam. Mit ihm hat er ein paar Gespräche geführt. Auch von der Zeit hat er immer mal wieder bestimmte Redakteure empfangen. Auch der Süddeutschen Zeitung hat er einige wenige Interviews gegeben. Die Fernsehinterviews konnte man ja nicht redigieren, die mussten so gesendet werden, aber die Interviews, die er auf Tonband sprach, mussten immer sehr sorgfältig redigiert werden. Ich habe es dann eingeführt, dass das die Redenschreiber besorgten, weil sie am besten den Sprachstil Kohls kannten. Aber manche Journalisten haben es sich angewöhnt, das Tonband abzuschreiben, so wie Kohl es gesprochen hat, und hatten sich keine stilistische Mühe gegeben. Da waren meine Mitarbeiter, die das dann freigeben mussten, natürlich ärgerlich und haben manchmal den Text zurückgegeben mit dem Satz: »Ihr könnt ja zuerst mal versuchen, das sprachlich-stilistisch zu glätten.« Der Unterschied zwischen Kohls Sprachstil im Journalistengespräch und dem schließlich gedruckten Text war schon beträchtlich. Aber das ist bei Politikern oft so. Sie haben gesagt, Ihre Aufgabe hätte sich auf den Bereich der Informationsvermittlung konzentriert. Viele sagen, Sie seien der bestinformierte Mann Bonns gewesen. Was halten Sie denen entgegen, die Ihnen vorwerfen, die öffentliche Meinung manipuliert zu haben? Das haben wir nie versucht. Das war für die Journalisten sehr angenehm, dass ich so gut informiert war. Umgekehrt wurde ich aber auch von den Journalisten informiert. Das waren Begegnungen auf Gegenseitigkeit. Das war für uns und die Abwicklung des Regierungsgeschäftes im Allgemeinen sehr wertvoll. Ich kann mich an einen Vorgang erinnern, als 1989 der Versuch gestartet wurde, Kohl zu stürzen, von [Heiner] Geißler und anderen. Es gab einen Journalisten, der über diese Ränke informiert war. Mit ihm war ich gut befreundet. Er hat mir das immer erzählt, und ich habe diese Informationen natürlich an Helmut Kohl weitergegeben. Er sagte dann: »Da brauchst du dich gar nicht darüber aufzuregen, die schaffen das nicht, ich kenne die Partei besser, aber es ist gut, dass ich diese Dinge kenne.« Das gab es natürlich auch. Wenn ich denen mal ein Bonbon gab, konnte ich davon ausgehen, dass ich umgekehrt auch informiert wurde, wenn es mal ernst wurde. Das war in meinem Geschäft auch wichtig. Wenn man Informationen gibt,

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bekommt man auch welche zurück. Journalisten sind da auch nicht ängstlich, einem Mann, der im Regierungsapparat tätig ist, eine gute Information zu geben, Würden Sie sich dann eher als Informationsmakler denn als Medienberater bezeichnen? Ja, das ist richtig. Ich habe Kohl immer gesagt, man muss die Presse als Partner betrachten und nicht als Gegner. Das berücksichtigt Gerhard Schröder im Moment auch nicht, sondern betrachtet bestimmte Teile der Presse als Gegner. Man muss sie anständig behandeln, sie regelmäßig informieren, sie schön mitnehmen auf Reisen und so weiter, wenn irgendetwas Interessantes stattfindet … Das ist besser, als wenn man pausenlos so tut, als wenn die Medien einem am Zeuge flicken wollen. Ich habe immer nach dem Prinzip gearbeitet, die Presse ist unser Partner nicht unser Gegner, auch wenn die uns kritisch angegangen sind … Das ist ganz egal …, die Presse ist der Vermittler von Politik, also muss man mit ihnen anständig umgehen. Man braucht dieses Instrument Presse. Manche Politiker haben dies bis zur Feintechnik ausgearbeitet. [Hans-Dietrich] Genscher war zum Beispiel so ein Typ, der dieses Prinzip mit unglaublichem Feingefühl bis zur Meisterschaft ausgereift hat. Kohl hat das auch gelernt. Das lernen Politiker alle irgendwann, das sehen Sie ja auch an Gerhard Schröder, der jetzt auch schon wieder in dem einen oder anderen Fall nachgegeben hat. Wenn Sie von Boulevardisierung sprechen, glauben Sie, das Privatleben der Kanzler spielt eine immer größere Rolle? Das hat es früher sicher in dem Ausmaß wie heute nicht gegeben. Es hat natürlich auch bei Adenauer Eheaffären gegeben. Adenauer hat das dann meist im Kabinett geregelt und den Betreffenden gemaßregelt. Das kann ein Kanzler natürlich heute nicht mehr. Wir haben natürlich auch vieles von Amerika übernommen. Besonders im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen werden die Kandidaten ja noch wesentlich mehr ausgezogen. Wenn das einigermaßen im Rahmen bleibt, kann man das ertragen. Es darf jedoch nicht unter die Gürtellinie gehen. Für Kohl war zum Beispiel das Thema »Kinder und Medien« völliges Tabu. Als seine Söhne bei der Bundeswehr waren, wollte die Presse unbedingt Fotos von ihnen in Uniform bekommen. Solchen Wünschen sind wie niemals

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nachgekommen. Die Kinder von Kohl haben wir nie in die Öffentlichkeitsarbeit einbezogen. […] Man darf einen Aspekt bei der ganzen Sache nicht vergessen: Wir lebten damals in einer Zeit, in der die Spitzenpolitiker ständig im Visier der RAF-Terroristen waren. Das hat die Medien in gewissem Maß zur Zurückhaltung veranlasst, weil sie die ständige Bedrohung der Politiker auch als schwere Bürde akzeptiert haben. Hätten Sie sich Helmut Kohl auch wie Gerhard Schröder bei »Wetten, dass …?« vorstellen können? Er hatte einmal mit Thomas Gottschalk und Günter Jauch am Tag der Saarlandwahlen eine Sendung in einer der großen Messehallen. An den Anlass erinnere ich mich nicht mehr genau. Aber sonst hat er so etwas nie gemacht. Er ist auch nicht in diese Spaßshows gegangen. Schröder ist in diesen Sachen wesentlich freier. Sie haben oft Amerika erwähnt. Stimmt die These der Amerikanisierung der politischen Öffentlichkeitsarbeit? Ja, in sehr starkem Maße sogar. Es sind ja auch in den letzten Jahren immer wieder Berater zu den amerikanischen Wahlkämpfen gefahren und haben sich dort etwas abgeguckt. Wir können das natürlich nicht so ausgeprägt machen wie in den USA, das würde dem deutschen Volkscharakter nicht entsprechen. Wir haben jedoch viele Instrumente und Methoden des amerikanischen Wahlkampfmanagements übernommen, vor allem die starke Hinwendung zum Fernsehen. Es gibt die Meinung, dass Wahlen letztlich vom Fernsehen entschieden werden. Besonders vor der letzten Wahl trat der Duellcharakter doch sehr deutlich zu Tage. Das hatte den Charakter eines Wett- oder Boxkampfes. Die Kondition der Kandidaten wurde oft mehr getestet als ihre politischen Aussagen. Darunter mussten wir aber schon unter Kohl leiden …, dass solche Rundengespräche … Kohl hatte ja nie mit dem Gegenkandidaten alleine … Wir hatten ja einen Koalitionspartner, und die FDP wollte das nie … Auch da wurde aber schon verstärkt auf die äußerliche Kondition des Kanzlers geschaut. Das hat sich sehr verstärkt. Kohl hatte die Angewohnheit, wenn ich vor solchen Sendungen mit ihm noch einmal die Fragen und Antworten trainierte, zu sagen: »Ich höre mir jetzt Ihre Vorschläge fünf Minuten an, und dann lege ich mich bis zur Sendung noch

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zwei Stunden schlafen, dann bin ich ausgeruht in der Sendung.« Das war seine Art, sich auf solche Sendungen vorzubereiten. Das war gut, ich habe schon andere gesehen, die kamen total abgehetzt in die Sendung, was die Zuschauer natürlich sofort gemerkt haben. Ruhig war Kohl in diesen Runden eigentlich immer. Klar, gelegentlich musst du auch mal zuschlagen. Sie haben am Anfang unseres Gesprächs betont, das Fernsehen hätte keinen Einfluss auf politische Werte. Ihre Ausführungen klingen jetzt aber doch so, als ob es immer stärker darauf ankommt, wie jemand aussieht und wirkt, ob er ausgeruht ist. Das hat ja im Kern nichts mit politischen Werten zu tun. Die breite Resonanz des Fernsehens mit Millionen Zuschauern verleitet natürlich Politiker dazu, sich in gewisser Hinsicht dem Publikumsgeschmack anzupassen, insofern ist es richtig, dass das Fernsehen auch Werte in der Politik bestimmt. Das ist richtig. Aber für viele Menschen ist das Fernsehen die einzige Informationsquelle und damit der komplette Wirklichkeitsausschnitt. Dadurch bekommen diese Menschen einen Eindruck von Politik vermittelt, bei dem das Inhaltliche im Verhältnis zur Inszenierung immer mehr in den Hintergrund tritt … Ja. Das ist absolut richtig. Ich würde vielleicht noch sagen … Eine Zeit lang hat man ja geglaubt, dass die politischen Magazine, [Gerhard] Löwenthal auf der einen, »Panorama« auf der anderen Seite zum Beispiel …, die hatten immer ihr bestimmtes Publikum. Die haben nie irgendwelche Wähler durch die aggressive Darstellung von Politik hinzugewonnen. Am meisten informiert sich der Bürger durch die politischen Hauptnachrichtensendungen. Das ist neben der Tageszeitung und insbesondere natürlich den Massenblättern, vor allem Bild, das größte Beeinflussungsinstrument, das wir haben. Die Bild-Zeitung ist genauso mächtig wie das Fernsehen. Die Bild-Zeitung und das Fernsehen können unglaubliche Stimmungen erzeugen. Aber nicht die politischen Magazine wie »Monitor« oder »Panorama«. Sie sagten, die Massenmedien können unglaubliche Stimmungen erzeugen. Wer hat dann wen getrieben? Sie die Medien oder die Medien Sie? Ich würde nicht behaupten, dass wir Kampagnen ausgelöst haben. Dafür waren und sind die Redakteure zu unabhängig. Man konnte da keine

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Kampagnen bestellen. Man konnte aber einen bestimmten Trend zum Beispiel durch Interviews verstärken. In Ihrem Buch schreiben Sie, Ihr Beruf sei es fünfzig Jahre lang gewesen, die Klaviatur der Medien zu spielen. Wie spielt man diese Klaviatur? Alle Möglichkeiten voll ausnutzen. Man kann Politik in der Tageszeitung, im Radio und im Fernsehen verkaufen, und alle diese Medien muss man heute als Politiker beherrschen. Ich habe mich immer gegen die verbreitete Auffassung von vielen Politikern gewandt, Wahlreden auf Veranstaltungen beeinflussten die Wahl. Das ist völliger Blödsinn. Das dient nur der Mobilisierung der eigenen Leute, entscheidende Potentiale von Wählern kriegen Sie so nicht überzeugt. Deshalb muss man die volle Bandbreite der Medien ausnutzen für die Darstellung von Politik, aber auch für die Selbstdarstellung der eigenen Person. […] Ich möchte noch einmal auf Ihre Einlassungen zur Amerikanisierung zurückkommen. Es gibt Autoren, die von Amerikanisierung der politischen Öffentlichkeitsarbeit schon bei Adenauer sprechen … Da ist das aber noch nicht so bewusst gemacht worden. Adenauer war die herausragende Figur der damaligen Zeit. Ihm konnte keiner das Wasser reichen. Schon deshalb war eine Personalisierung naheliegend. Im Laufe der Zeit hat sich dieser Trend immer mehr verstärkt. Das Credo war dann schließlich der Wahlslogan »Auf den Kanzler kommt es an!«. Das trifft den Kern am besten. Wenn ich heute den Beruf ergreifen wollte, den Sie vor fünfzig Jahren ergriffen haben, was müsste ich im Gegensatz zu damals heute für Qualifikationen mitbringen? Als ich anfing, waren die Dinge noch übersichtlicher und einfacher. Wenn man heute einen Politiker in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit beraten will, muss man natürlich viel breitere Kenntnisse haben von der Vielfalt der Medien, die da sind. Aber im Grunde sind die Prinzipien, die man braucht, um einen Politiker in der Öffentlichkeit zu präsentieren, immer die gleichen. Als das Fernsehen immer größere Bedeutung gewann, musste ich mich auch auf das neue Medium einstellen, denn ich war nicht mit ihm aufgewachsen. Heute kann niemand mehr diesen Job machen, der nicht sensibel ist für die große Bedeutung der Medien für die Politik. Die Medien sind ein ganz maßgeblicher Faktor bei der Über-

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zeugung der Bürger. Das muss man voll ausnutzen. Was in Amerika gut ist, soll man ruhig übernehmen, manches wird auch überzogen in den Kampagnen, die man jetzt macht. Aber: Da diese Medien ja nun mal da sind … Als ich anfing gab es nur einen Fernsehsender …, mittlerweile ist die Zahl der Sender kaum zu überschauen … Mittlerweile gibt es Nachrichtenkanäle wie n-tv, N24, Phoenix. Das muss man alles bedienen, die Leute schauen diese Sender. Herr Dr. Ackermann, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Bonn, den 6. August 2004

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Interview mit Andreas Fritzenkötter Andreas Fritzenkötter (* 1958) begann 1982 seine journalistische Laufbahn als Redakteur der Rheinischen Post in Düsseldorf. Von 1989 bis 1991 war er Parteisprecher der CDU. Bis 1995 war er Stellvertreter von Eduard Ackermann in der Abteilung Dokumentation und Kommunikation des Bundeskanzleramtes. Von 1995 bis 1998 war er Leiter der neu geschaffenen Abteilung Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik. Schildern Sie bitte kurz Ihren Werdegang. A NDREAS F RITZENKÖTTER : Ich habe während des Studiums bei der Rheinischen Post ein Praktikum gemacht. Und dadurch hatte ich dann den Kontakt, und den habe ich auch gepflegt und freie Mitarbeit für verschiedene Ressorts betrieben. Irgendwann rief der Chefredakteur dann an und fragte mich, ob ich nicht ein Volontariat annehmen wollte, weil jemand ausgefallen war und sie das besetzen mussten. Ich hatte mein Studium noch nicht abgeschlossen, aber ich hab natürlich keine Sekunde gezögert. Und so bin ich dann da rein gekommen. Und wann hat Helmut Kohl Sie dann nach Bonn geholt? In Bonn war ich ja als Journalist vorher. Ich bin im August 1989 Parteisprecher der CDU geworden und habe in dieser Position ja auch für Kohl gearbeitet, aber eben auf Parteibasis. Und das war ja dann diese spannende Zeit, also deutsche Einheit, damals noch DDR-Wahlkampf, die wir von Bonn aus organisiert haben. Und nach der Bundestagswahl 1990 bin ich dann ins Bundeskanzleramt gegangen. Das war dann im Frühjahr 1991. Sie haben dort ja Eduard Ackermann abgelöst und einen neuen Stil eingeführt. Die Zeit schreibt dazu, Sie hätten die ganze Abteilung professionalisiert. Das würde ja bedeuten, dass es vorher unprofessionell war, das würde ich jetzt so nicht sagen. Aber ich habe es sicherlich moderner gemacht. Weil ich erstens einen – und das hing in erster Linie mit dem Lebensalter zusammen – leichteren Zugang hatte zu den damals noch relativ neuen Medien, sprich Privatfernsehen, und auch zu jüngeren Journalisten. Und ich habe dann sicherlich einen eigenen Stil insofern rein gebracht – früher waren diese Hintergrundkreise, mit denen Kohl operiert

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hat, mehr oder weniger »closed shops«, die auch sehr stark von FreundFeind-Denken beherrscht waren. Da ist es mir, glaube ich, schon gelungen, das etwas zu lockern und vor allem auch jüngere Journalisten da ran zu holen. Würden Sie sagen, dass solche Hintergrundgespräche, wie sie Eduard Ackermann geführt hat, heute noch üblich bzw. modern sind? Ja, absolut. Erstens glaube ich …, ich weiß es nicht, aber ich bin sicher, dass sie noch üblich sind, ich weiß es teilweise ja auch. Die sind unabdingbar. Erstens bieten sie den Journalisten die Chance, mal mit dem Politiker, dem Kanzler oder Minister in einen relativ nahen Kontakt zu kommen, manchmal geht das ja auch sehr ungezwungen zu. Und zweitens hat es für die Politiker die Riesenchance, bestimmte Nachrichten und Botschaften zu platzieren. Das ist ja auch der Hauptsinn der Sache. Die Zeit hat die Spindoctors einmal als »Prinzen der Dunkelheit« beschrieben. Einerseits ist die Berichterstattung über diesen Beruf sehr kritisch, die Branche hat mitunter einen fast halbseidenen Ruf, andererseits schwingt eine gewisse Faszination mit. Was glauben Sie, was die Faszination dieses Berufs ausmacht? Generell – und das ist mit »Prinzen der Dunkelheit« wohl auch gemeint – sind diese Spindoctors gut beraten, wenn sie sich selber absolut im Hintergrund halten. Ich habe meine Rolle auch immer so definiert, dass ich gesagt habe, der Regierungssprecher, den es ja auch noch gab, der agiert sozusagen auf der Bühne, vor dem Publikum, und meine Aufgabe war eher die hinter den Kulissen. Damit bin ich, glaube ich, ganz gut gefahren. Heute hat sich das auch ein bisschen verändert. Viele dieser so genannten Berater gehen sehr stark in die Öffentlichkeit, [Michael] Spreng und [Klaus-Peter] Schmidt-Deguelle und wie sie alle heißen. Ich halte das für fatal. Das entsteht natürlich aus einer gewissen Eigenprofilierung heraus, aber es ist deswegen fatal, weil die Menschen ja nicht diesen Berater sehen wollen, sondern den Politiker, der beraten wird. Und ich halte auch nichts davon, den Leuten das Gefühl zu geben […], dass die Politiker irgendwelche Kunstprodukte sind, die durch andere geformt und geprägt sind, was ja so nicht stimmt. Das ist interessant. Das haben auch meine anderen Interviewpartner bestätigt. Die PR-Berater treten aus dem Hintergrund und werden immer mehr zu eigenen Stars.

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Das ist tatsächlich heute so. Das ist durch den besagten [Moritz] Hunzinger erst aufgekommen, das ging ja sogar so weit, dass er sich für andere Leute in Talkshows gesetzt hat. Und dann hat das so eine Welle geschlagen. Auch ich habe dafür gesorgt – oder eher zugelassen –, dass es in größeren Abständen eine Berichterstattung über meine Tätigkeit gab. Diese Eigen-PR braucht man einfach, um den Marktwert zu erhalten. Aber es darf nicht überhand nehmen, und ich glaube auch, ich bin sicher, dass Kohl das maßlos gestört hätte, wenn man als Mitarbeiter so sehr im Rampenlicht gestanden hätte. Sie waren beim Bundeskanzleramt als Ministerialdirigent angestellt. Was halten Sie davon, dass Politikvermittlung an externe Agenturen abgetreten wird? Gar nichts. Politikvermittlung hat ja verschiedene Zielgruppen: Zum einen Wähler, also Bürger, und zum anderen, das ist fast noch wichtiger, die Partei, die einen trägt. Das ist ein ganz sensibler Bereich, weil natürlich nicht nur die Informationsneugier eine Rolle spielt, sondern da gibt es auch Intrigen, da gibt es politische Gegner, da gibt es Ränkespiele. Man muss auch ein Gefühl entwickeln für dieses sehr sensible Wesen Partei und für die Parteimitglieder. Ich glaube nicht, dass externe Agenturen, die nebenbei für eine Waschmittelfirma arbeiten, dazu in der Lage wären. Zum Beispiel die Agentur Zoffel-Hoff-Partner, die teilweise für Helmut Kohl gearbeitet hat … Das ist aber eine Werbeagentur, keine PR-Agentur. In der Literatur wird das aber so dargestellt … Nein, das war eine reine Werbeagentur, die Plakate entworfen hat und solche Geschichten. Die hatte aber mit Vermittlung von politischen Inhalten gar nichts zu tun. Und Werbeagenturen nimmt jeder in Anspruch. Das war über lange Jahre von Mannstein. Dann kam ZoffelHoff-Partner dazu, weil wir auch was Jüngeres haben wollten. Und die kommen natürlich dann zum Zuge, wenn es um Wahlkampf geht, sonst aber nicht. Und Sie sehen in Deutschland da auch keinen Markt für so ein Geschäft?

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Doch, ich glaube schon, dass es dafür einen Markt gibt. Meine Tätigkeit hätte ich ja auch frei machen können. Also als Einzelberater, wie Schmidt-Deguelle etwa. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es größere, bestehende PR-Agenturen gibt, die dann für die Politikvermittlung tätig werden. Das halte ich für unmöglich, weil sie die Voraussetzung nicht erfüllen können. Das eine habe ich schon gesagt: Sie können sich nicht in das Seelenleben einer Partei einfühlen. Auch die Werbeagentur von Mannstein war letztendlich nur so erfolgreich, weil sie über zwanzig Jahre die CDU-Wahlkämpfe gemacht hat. Coordt von Mannstein wusste genau, was ankommt und was nicht. Das ist das eine. Und das zweite ist: Sie brauchen ja auch die Nähe zum Politiker. Um dieses Geschäft zufriedenstellend betreiben zu können, müssen Sie im Grunde ständig in der Nähe des Kanzlers sein. Sie müssen ja auch Denkprozesse nachvollziehen können, wissen, in welche Richtung tickt der jetzt. Es war halt in der Kohl-Zeit so, wir waren Tag und Nacht fast zusammen. Nacht heißt, auch wenn er keine Termine hatte, dann setzte man sich abends hin, und dann gab es ein relativ zwangloses Essen, wo dann auch nicht über das Tagesgeschäft gesprochen wurde, sondern über andere Dinge. Nur dadurch bekam man ja dieses Gefühl, und das kann eine Agentur gar nicht leisten, erst recht nicht, wenn die auf Stundenbasis abrechnen. Welches Verhältnis hatte Helmut Kohl zu Journalisten? Allgemein gilt sein Verhältnis zu Medien doch als problematisch, oder? Das stimmt so pauschal sicher nicht. Richtig ist aber, dass er ein sehr großes Misstrauen hatte. Es hat sehr lange gedauert, bis ein Journalist so weit kam, dass Kohl ihm vertraut hat. Da gab es natürlich schon etliche. Das Misstrauen dauerte lange, vor allem deshalb, weil er während seiner gesamten politischen Karriere, bis auf die letzten Jahre seiner Regierung, mit ungeheuer viel Häme und Ungerechtigkeit bedacht worden ist, und das halte ich für relativ normal, dass man dann auch misstrauisch reagiert. Besonders Die Zeit hat Helmut Kohl vorgeworfen, auch immer wieder unmittelbar in die redaktionelle Freiheit einzelner Medien eingegriffen zu haben, indem er persönlich bei Chefredakteuren angerufen haben soll, auf Rausschmiss von Journalisten gedrängt haben soll …

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Nein, das ist Quatsch. Richtig ist, er hat natürlich Chefredakteure gehabt, die er direkt angerufen hat, wenn ihm etwas nicht gefiel. Das halte ich auch für legitim, dass er Dinge, die falsch geschrieben wurden, richtigzustellen versucht. Dass er in Personalien eingegriffen haben soll, ist schlichter Unsinn. Es gab das Gerücht, Kohl habe einmal die Ablösung Sprengs bei der Bild am Sonntag gefordert. Im konkreten Fall ging es um eine Kollegin der Rheinpfalz … Ja, zur Rheinpfalz hat Kohl natürlich einen besonders engen Draht gehabt, weil es seine Heimatzeitung war, aber auch von dort ist mir ein derartiger Vorfall nicht bekannt. Was passiert ist, ist folgendes, wenn ihm jemand besonders negativ aufgefallen ist, hat er schlicht gesagt, mit diesem Journalisten rede ich nicht mehr und gebe keine Interviews mehr. Wie werten Sie dann ganz aktuell den Presseboykott Schröders gegen Springer und Stern? Das halte ich für einen Riesenfehler. Helmut Kohl hat ja auch ein sehr ambivalentes Verhältnis zum Spiegel gehabt. Es war so, dass er gesagt hat, ich gebe dem Spiegel kein Interview. Das ist das Recht eines jeden Politikers. Aber darüber hinaus, auf Arbeitsebene, haben wir mit dem Spiegel natürlich kooperiert wie mit jeder anderen Redaktion auch. Dass Schröder jetzt sagt, ich schließe Journalisten von Flugreisen aus oder ich gebe denen kein Interview mehr, weil er ohne Bild-Zeitung nicht auskommt, und weil er sich so absolut angreifbar macht … Es hat ja auch eine große Solidarisierungswelle mit Bild gegeben. Zu Recht, denn das ist ein echter Eingriff in die Pressefreiheit. Kommen wir einmal konkret zu Ihrer Arbeit. Wie muss ich mir einen Tag von Ihnen konkret vorstellen? Mühsam. Der begann um halb sechs zu Hause. Dort habe ich meist die ersten Zeitungen gelesen. Bild und die Überregionalen. Dann war ich meist so gegen sieben im Büro, bekam dann vom Bundespresseamt eine Auswertung auch der kleineren Zeitungen, Kommentarlage auch vom Vorabend des Fernsehprogramms. Dann haben wir so gegen acht die so genannte Morgenlage gemacht. Das hat Ackermann Ihnen wahrscheinlich auch erzählt. Die lief bei mir mit demselben Ritual ab, Pressevortrag

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usw. Auf der Basis dieses Vortrages wurde dann entschieden, wo man aktuell öffentlichkeitsmäßig eingreift oder wo ein Minister etwas machen muss. Der Tag verging meistens mit wahnsinnig viel telefonieren, weil ich hinter den Kulissen der Hauptansprechpartner der Journalisten war. Wenn ein Redakteur der Süddeutschen zum Thema XY einen Kommentar schreiben musste, dann rief er mich an und sagte: »Erklär mir das mal.« Wenn ich gut war, hat er meine Erklärung so übernommen. Das waren meistens so 60 bis 70 Anrufe pro Tag. Die Bearbeitung von Interviewanfragen gehörte auch dazu. Wenn Fernsehauftritte anstanden, wurden die auch inhaltlich vorbereitet. Und dann war man meistens auch mit Kohl bei solchen Auftritten vor Ort. Wie würden Sie diese von Ihnen beschriebene Struktur, auf der einen Seite der Regierungssprecher, auf der anderen Seite Sie als quasi informeller Kanzlersprecher, bewerten? Grundsätzlich halte ich es so, wie es ist, für eine Fehlkonstruktion. Gut wäre es, wenn man das BPA als Dienstleistungsbetrieb für die Öffentlichkeit weitestgehend erhalten würde, auch mit einem Amtschef. Aber der Regierungssprecher, der ja in Wahrheit der Sprecher des Kanzlers ist, sollte dann auch schon im Kanzleramt sitzen. Ich weiß nicht, warum das so ist. Das hat wahrscheinlich historische Gründe, dann natürlich politische Gründe. Wenn Sie eine Koalitionsregierung haben, müssen Sie den Partner in Sachen Öffentlichkeitsarbeit ja auch versorgen. Ich glaube, dass Kohl deshalb auf die Idee gekommen ist, diese Position, in der ich tätig war, zu schaffen, weil er genau das vermisst hat. Wir haben auch einmal darüber gesprochen, da sagte Kohl: »Jeder Minister hat seinen persönlichen Sprecher, nur der Kanzler muss auf einen Regierungssprecher zurückgreifen, der so nah nun doch nicht dran sitzt.« Es ist ja dann früher auch viel über Konflikte geschrieben worden, die es gegeben haben soll. Aber das war nicht so. Natürlich hat mal der eine Regierungssprecher mehr gelitten als der andere, weil er die Nähe zu Kohl nicht so hatte, aber generell haben wir gut kooperiert. Es gab ja die berühmten drei Tage – Montag, Mittwoch, Freitag – mit den Bundespressekonferenzen, da haben wir uns vorher immer inhaltlich abgestimmt, also das ging reibungslos.

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Eduard Ackermann hat mir erzählt, dass Peter Boenisch so eine Art Nebenbüro bei ihm aufgeschlagen hätte. Ja, das war bei mir auch so … Peter Hausmann. Die kamen ja auch zur Morgenlage, und nachher saß man dann noch immer lange bei uns rum. Wo würden Sie die wesentlichen Unterschiede zwischen Ackermann und Ihnen ziehen, was die Führung der Abteilung anbelangt? Meine Abteilung entsprach ja nicht genau seiner. Er hatte neben dem Bereich Pressearbeit ja noch die Redenschreiberei und die Dokumentation. Als Ackermann ging, sind Redenschreiberei und Dokumentation eine Abteilung geblieben. Das, was ich gemacht habe, nannte sich dann Öffentlichkeitsarbeit und Medienpolitik. Das war eine eigene Abteilung, eine Stabsstelle, die außerhalb der Hierarchie des Kanzleramtes stand. Ich unterstand formal nicht dem Chef des Bundeskanzleramtes, sondern war wie das persönliche Büro des Kanzlers direkt bei Kohl angesiedelt. Und das würden Sie dann auch als klaren Vorteil sehen, die Kanzler-PR ähnlich wie in Unternehmen als Stabsstelle direkt der Spitzenfunktion zuzuordnen? Ja, eindeutig ja. Aus vielerlei Gründen. Zum einen, weil die Kontakte leichter sind, weil sie natürlich einen viel leichteren Zugang haben. Zum zweiten sind Sie nicht irgendeiner Hierarchie unterworfen. Und schließlich verleiht eine solche Position natürlich auch eine gewisse Autorität. Die brauchen Sie ganz einfach, wenn Sie erfolgreich arbeiten wollen. Beispielsweise haben Sie eine Anfrage eines Journalisten zu einem bestimmten Thema und müssen nun intern recherchieren. Dann rufen Sie den Abteilungsleiter XY an. Gerade im Kanzleramt herrscht noch ein besonders ausgeprägtes Hierarchiedenken vor. Also der Herr Ministerialdirektor redet längst nicht mit jedem. Da stoßen Sie ganz schnell an Ihre Grenzen. Sie bekommen keinen Rückruf, oder erst Tage später. Aber wenn der weiß, der sitzt ganz nah beim Kanzler – das ist natürlich geliehene Autorität, aber trotzdem –, geht das Ganze viel schneller und reibungsloser. Zeigt das nicht, dass das politische System anderen Rhythmen der Entscheidung und Informationsvermittlung folgt als das Mediensystem, oder ist dies jetzt ein konstruierter Widerspruch von mir?

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Ja, das wollte ich gerade sagen, also ich sehe da keinen Widerspruch. Natürlich haben politische Apparate das Bestreben, nur die Informationen in die Öffentlichkeit zu geben, die sie wollen bzw. die positiv sind. Journalisten, die den Stein aufheben und mal schauen, ob dort nicht ein Wurm drunter ist, stören natürlich im Geschäft. Das ist erst mal der Grundtenor. Trotzdem muss man versuchen, diese Öffentlichkeit zu bedienen, denn sie hat ja einen Anspruch auf Informationen. Deshalb ist es gut, wenn diejenigen, die im Bereich politische Öffentlichkeitsarbeit arbeiten, vorher eine Zeit lang als Journalisten tätig waren. Wenn jemand am Telefon sagt, ich brauche binnen 30 Minuten einen Rückruf, dann weiß ein gelernter Journalist, dass das keine Schikane ist, sondern dass er das macht, weil ihm sein eigener Chefredakteur im Nacken sitzt. Ja, so meinte ich das vorhin auch. Also die Diskrepanz, dass Journalisten Informationen immer schneller, am besten direkt mit Hintergründen möchten, der politische Abstimmungsprozess demgegenüber aber viel langwieriger ist und alle Beteiligten mit einbeziehen muss. Ja, das ist in der Tat ein Problem. Nehmen wir mal das beliebte Beispiel Sparen. Jedes Jahr macht der Finanzminister eine Liste, in welchen Bereichen gespart werden muss. Das sind zunächst Referentenentwürfe, die in dieser Form nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken werden. Trotzdem kann es natürlich Journalisten geben, die da recherchieren. Da findet dann auch diese Verzahnung hinter den Kulissen statt: Der Journalist trifft auf dem Markt oder in der Stadt den Referenten XY, der jetzt schon zum dritten Mal frustriert ist, weil seine Vorlage nicht zum Zuge gekommen ist. Dann redet der natürlich mit dem Journalisten und sagt: »Du, ich hab hier einen Plan, der ist was ganz Tolles!« Das erscheint dann in den Medien, und die Öffentlichkeit wird zunächst desorientiert, denn sie weiß ja nicht, dass dies ein Plan ist, der die Abteilungsebene noch nicht einmal überschritten hat. Ja, das meinte ich damit. Und wie geht man in solchen Fällen damit um? Sie können nicht damit umgehen. Das ist dann einfach Schnelligkeit. Meist sind es ja Dinge, die für die Bürger unangenehm sind, dann müssen Sie ganz schnell dementieren. Aber verhindern können Sie so etwas nie. Das ist ein so riesiger Apparat, den kriegen Sie niemals wasserdicht.

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Aber Sie dürfen es eben auch nicht laufen lassen, sondern müssen es eben extrem schnell dementieren. Und wie sehen Sie das vor dem Hintergrund der Hartz IV-Debatte im Moment? Haben sich da auch Informationen verselbständigt? Ich glaube, dass das eine unsägliche Geschichte ist, weil es, unabhängig von den Inhalten, ja wirklich ein Informationsgau ist, denn die Menschen waren überhaupt nicht vorbereitet. Ich bin mir auch sicher, wenn Sie heute fragen: »Was ist Hartz IV?«, dann können Ihnen die wenigsten sagen, was dahinter steckt. Alle sagen: »Die wollen mir alles wegnehmen, wenn ich arbeitslos bin.« Das ist natürlich ganz schlimm. Auch, dass man zugelassen hat, dass sich dieser Begriff »Hartz IV« so verselbstständigt. Jetzt versuchen sie noch zurückzurudern, aber jetzt ist es natürlich zu spät. Der Name eines Regierungsberaters steht für etwas, was die Leute nicht genau benennen können. Das ist genauso absurd wie »Agenda 2010«. Da weiß auch kein Mensch, was sich dahinter verbirgt. Das sind alles Fehler – ausgenommen die Inhalte, da kann man drüber streiten –, aber das sind alles Fehler in der Politikvermittlung. Bei den Leuten kommt nur an: Mir wird was weggenommen. Aber wofür das Ganze ist und warum, das wird in keiner Weise dargestellt. Man hätte ja diese Zeit gehabt. Es ist lange genug an diesen Gesetzesvorlagen gearbeitet worden. Man hätte bei einem so großen Schritt, bei einem solchen Mammutprogramm, da hätte man parallel eine PR-Kampagne entwerfen können, oder sogar müssen. Wenn Sie solche PR-Kampagnen entworfen haben, wie kann ich mir das vorstellen, wie funktioniert das? Das ist unterschiedlich. Es kann so funktionieren: Man weiß ja die Tage der Verabschiedung des Gesetzgebungsverfahrens. Man terminiert dann einen Tag vorher oder zwei Tage vorher die entsprechenden Veröffentlichungen. Da sind wieder ganz besonders wichtig die Hintergrundgespräche. Da laden Sie dann wichtige Journalisten ein, vorab, auch relativ exklusiv, und informieren die und erklären. Und parallel kann man dann, wenn man will, eben noch eine entsprechende Anzeigenkampagne laufen lassen.

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Gehen wir noch einmal auf Helmut Kohl und seine Zeit ein. 1994 wird ja immer als das Jahr oder als der Wahlkampf beschrieben, der das erste Mal voll auf das mittlerweile dualisierte Fernsehen eingestiegen ist. Können Sie mir dazu etwas erzählen? Ja, das war so. Der Hintergedanke war: Wir haben 1994 eigentlich genau mit dem Wahlkampf gerechnet, der 1998 kam, nämlich wo die Leute gesagt haben: »Zwölf Jahre Kohl, das ist lang genug.« Es war auch spürbar, und das konnten Sie in den Meinungsumfragen sehen, dass da eine Sättigung war. Die Leute konnten Kohl nicht mehr sehen. Dann haben wir überlegt: Wie kann man die Menschen wieder neugierig machen? Dieses neue Medium Privatfernsehen bot die einmalige Gelegenheit, ihn außerhalb der sehr starren, ritualisierten Politiksendungen des Öffentlich-Rechtlichen zu bringen. So entstand die Idee zu sagen, wir nehmen einen Journalisten, der kein politischer Journalist ist, damals Hans Meiser – der war der Talkkönig –, und lassen ihn fragen, denn der fragt so, wie Lieschen Müller fragen würde. Und dann hatte RTL noch die Idee, Bürger ins Studio zu holen, und Kohl ist dann der einzige Gast, und die können ihn dann auch fragen. Ich habe ein Konzept hieraus gemacht und Kohl das hingelegt. Dann hat er gesagt: »Mach’ ich nicht!« Ihm war das mit den Bürgern zu riskant: »Da könnte ja wer-weiß-was kommen, das hat man überhaupt nicht im Griff. Hans Meiser kenn’ ich gar nicht.« Und so weiter. Dann habe ich das immer wieder versucht, immer wieder angefragt und irgendwann bei einem Abendessen sind wir richtig aneinander geraten. Dann bin ich aufgestanden und gegangen. Inhaltlich will ich jetzt nicht sagen, worum es ging, aber er hat mir etwas vorgeworfen, was nicht so nett war. Dann bin ich einfach gegangen. Und dann kam eben der typische Kohl am nächsten Morgen in die Morgenlage und fragte: »Sagen Sie mal, betreffend RTL, haben Sie da eigentlich was schriftlich?« »Ja, ein Konzept«, sagte ich. »Ja, dann zeigen Sie das mal her.« Dann habe ich ihm das gegeben, und dann hat er – ich habe das sogar noch zu Hause –, dann hat er drüber geschrieben: »DAS KLAPPT NIE!«, und hat aber oben geschrieben: »Juliane – Termin.« Das hieß, Juliane Weber sollte einen Termin mit dem Sender machen. Und dann haben wir die Sendung gemacht. Die hatte sechs Millionen Einschaltquote. Das war sensationell. Das hätten wir nie im Leben bei den üblichen Politikformaten gehabt. Das war richtig gut. Das war im

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Grunde der Durchbruch. Dann hat Sat.1 das aufgenommen mit den »Kanzlerrunden«. Und die Öffentlich-Rechtlichen sind im Grunde hinterher gelaufen. Die sind auch viel starrer. Das sehen Sie auch, wenn wir zum Beispiel ein Interview mit der ARD vereinbaren wollten: Dann brauchen Sie Tage Vorlauf, weil die müssen sich intern abstimmen, dann gibt es noch eine Senderschaltkonferenz und die Frage: Wer interviewt ihn? Die Privaten waren eben viel flexibler und schneller. Denken Sie, das ist so, weil die Privaten den größeren kommerziellen Druck haben? Nein, die Strukturen sind anders: Die sind viel jünger, viel schlanker, da entscheidet letztlich dann nur einer und kein Gremium. Die müssen natürlich auch politisch ausgewogen sein, aber die sind nicht so sensibel und sensibilisiert durch Parteieinflüsse wie die Öffentlich-Rechtlichen. Also dann ging damals die Strategie dahin, die Menschen, die nicht mehr die klassischen Politikformate sehen, über Unterhaltung … Ja, die Aufgabenstellung war: Wie mache ich die Leute wieder neugierig auf Helmut Kohl? Wie haben Sie es denn geschafft, diese Sendezeiten zu bekommen? Das war ja eine ganze Reihe von Interviews, die gelaufen ist, ich denke vor allem an die umstrittene Reihe auf Sat.1. Ja, das erste, das war bei RTL. Das war überhaupt gar kein Problem, weil der Sender selber davon überzeugt war, dass das Ding gut wird, dass sich Kohl zum ersten Mal einer nicht politischen Befragung stellt. Das wurde entsprechend propagiert. Dass es so gut wird, haben sie auch nicht gewusst. Aber sie haben damit gerechnet, auch weil Hans Meiser damals einer der Top-Leute des deutschen Fernsehens war. Der zog unheimlich gut. Und das andere Konzept mit den Kanzlersendungen, das haben wir auch entwickelt. Wir wollten das auch mit RTL machen, die haben gesagt: »Nein, also regelmäßig wollen wir das nicht.« Und dann sind wir zu Sat.1 gegangen. Die haben es gemacht. Wobei die Sendezeiten nicht richtig gut waren, so 23 Uhr, also das war nicht top. Aber – und die Idee kommt übrigens aus Frankreich, dort hat der französische Präsident einmal im Monat oder so, jedenfalls im festen Rhythmus, eine eigene Fernsehsendung, um Informationen rüber zu bringen und so … Das war konzeptionell dann natürlich schwierig, weil

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Sat.1 da weniger kritische Journalisten rein schickte – mit zwei Ausnahmen –, das ist klar. Aber letztlich gescheitert ist es dann daran, dass die SPD dann wohl auch zu Recht Druck gemacht hat und gesagt hat: »Ihr könnt dem CDU-Vorsitzenden, auch wenn er Kanzler ist, nicht eine solche Plattform liefern und uns leer ausgehen lassen.« Sat.1 hat das dann dadurch gerechtfertig, mit den SPD Ministerpräsidenten der einzelnen Länder regional ein Fenster zu bauen. Aber das war dann ein Krampf, und das haben sie nach einem Jahr gelassen. Na ja, Sie haben ja auch für diese Interviewreihe Schelte bekommen, aufgrund der Nähe zwischen Helmut Kohl und Kirch … Ja, das ist richtig. Aber noch mal: Auch der damalige Chefredakteur der Süddeutschen war drin … Nein, es war einfach ein Experiment, was auch mit Sicherheit seine Berechtigung hatte. Aber es ist mit Sicherheit in Deutschland so nicht durchsetzbar. Aber Sie würden sich das für Deutschland schon wünschen, damit solche Kommunikationsfehler wie »Hartz IV« nicht passieren? Ja. Sie haben gesagt, Helmut Kohl sträubte sich zunächst gegen diese Unterhaltungsformate. Gerhard Schröder ist in der 1500. Folge von »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« aufgetreten. Hätte man sich so etwas für Helmut Kohl vorstellen können? Nein, es hätte ihm auch kein Mensch dazu geraten. Bei Politikern – bei Spitzenleuten erst recht wie Kanzler, Präsident oder auch Minister – ist das eine ganz schwierige Gratwanderung zwischen Bürger- und Volksnähe und Autorität, die sie ausstrahlen. Und wenn Sie über einen Menschen alles wissen und Sie jeden Tag in der Zeitung sein Wohnzimmer zeigen und seine Küche und seine Frau beim Einkaufen, dann verliert so eine Figur auch ein Stück den Mythos, der sie umgeben sollte. Und ich glaube, auch die Leute wollen Respekt vor ihrer politischen Führung haben. Und Respekt gewinnt man natürlich auch durch Distanz. Es ist eine schwierige, sensible Gratwanderung. Es hat ja auch bei der CDU Negativbeispiele gegeben. Nehmen Sie [Norbert] Blüm, der sich bei Rudi Carrell – glaube ich – einen Eimer Wasser über den Kopf schütten lassen hat. Das geht nicht. Da verlieren die Leute im wahrsten Sinne des Wortes den Respekt. Und ähnlich ist es bei Schröder gewesen: Erst

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seine Brioni-Nummer, dann der Auftritt bei Gottschalk, wo er dann irgendeine Oma in seiner Staatskarosse zum Essen gefahren hat. Das war einfach »too much«. Er hat es ja dann auch ganz schnell gemerkt und die Reißleine gezogen. Und heute ist er das krasse Gegenteil eines Medienkanzlers. Sie haben gesagt »Mythos Kohl«. Sie haben natürlich auch am Image von Helmut Kohl gebaut. Welches Bild wollten Sie von Helmut Kohl zeichnen? Das eines sehr starken und verlässlichen Politikers. Das war das Hauptziel. Aber das würde sein Imagebild von anderen Kanzlern ja nicht so wahnsinnig unterscheiden, oder? Ja, posthum, das betrifft die Zeit, wenn er aus dem Amt draußen ist. Aber im Amt befindlich. Diese ganze Kohl-Zeit hat, jetzt mal abgesehen von der Wiedervereinigung, eines ausgezeichnet: Es gab keine großen Höhen und Tiefen. Jedem ging es einigermaßen gut. Und deswegen waren die Deutschen ja auch 1989 …, ich weiß nicht, ob Kohl ohne die Wiedervereinigung die Wahl noch einmal gewonnen hätte, weil so eine Sattheit, eine Zufriedenheit da war. Damals ist ja Oskar Lafontaine ausgezogen mit der neuen ökologischen Marktwirtschaft. Da war ganz klar eine Bereitschaft der Leute: »Dieses Experiment probieren wir jetzt mal.« Dieser alte Adenauer-Wahlkampfslogan: »Keine Experimente!«, den wollten wir eigentlich auch auf Kohl übertragen. Und Sie dürfen eines nicht vergessen: Kohl war auch aufgrund seiner körperlichen Erscheinung sehr präsent. Jeder konnte sich Kohl vorstellen. Auf irgendwelchen EU-Gipfeln standen alle auf dem Treppchen, und Sie brauchten drei Sekunden und haben ihn gesehen. Dadurch haben sich die Menschen auch sehr stark mit ihm identifiziert. Und das ist, finde ich, auch das Bezeichnende an der Ära Kohl. Es gibt, glaube ich, kaum jemanden, dem er egal war. Entweder waren die Leute sehr stark dafür oder sehr stark dagegen. Er hat also sehr stark polarisiert. Das ist bei Schröder anders. Also Schröder bekommt ja seinen Gegenwind vor allem aus den eigenen Reihen und gar nicht so sehr bei der Menge der Leute. Und ich glaube auch nicht, dass sich die Leute so stark mit ihm identifizieren. Weder positiv noch negativ.

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Würden Sie also sagen, dass auch besonders Kohls äußere Erscheinung aus PR-Sicht ein großer Vorteil ist? Eindeutig ja. Wenn Sie Unterschiede ausmachen müssten zwischen Kohl und Schröder, was die Medienbetreuung und -beratung angeht? Ich weiß es nicht, ob Schröder sich beraten lässt. Das kann ich nicht beurteilen. Also richtig ist, wir haben damals ja auch gesprochen, als die Übergabe stattfand. Er hat sich sehr intensiv erkundigt nach diesem System, wie das bei Kohl funktioniert hat. Er hat das dann aber am Ende nicht umgesetzt. Ich glaube, dass bei Schröder Folgendes eingetreten ist: Als er Wahlkampf machte, ist er zu jedem Journalisten Deutschlands hingegangen, und es gab, glaube ich, kaum einen Chefredakteur, der sich seinem Du-Angebot entziehen konnte. Er hat dadurch eine Nähe aufgebaut, von der auch völlig klar war: Wenn er Kanzler wird, kann er sie gar nicht halten. Umgekehrt hat er das aber sehr geschickt genutzt. Denn viele Journalisten, nicht alle, aber sehr viele waren geradezu ausgehungert, weil Kohl diese Nähe nie zugelassen hat. Wir haben zwar einmal im Jahr eine Sause in die Pfalz gemacht. Dann wurde viel getrunken, 200, 300 Journalisten waren dabei, aber das reichte denen natürlich nicht. Schröder war dann natürlich auch ein Stück weit eine andere, modernere Generation, und diese Streicheleinheiten, die er verteilt hat, die haben die Journalisten aufgesogen wie ein ausgetrockneter Schwamm. Das hat ihm natürlich einen Riesenvorteil gebracht – zunächst. Später ist das natürlich ins Gegenteil umgeschlagen. Weil sie ihm das doppelt übel genommen haben, dass er sie wieder auf Distanz geschoben hat. Abhängigkeiten vom Journalismus. Wie würden Sie da die Verzahnung sehen? Gleichen sich diese Systeme immer mehr an, das politische und das journalistische? Ich bin mir sicher, dass es da weder in die eine noch in die andere Richtung Abhängigkeiten gibt. Natürlich gibt es auf Seiten der Journalisten einen permanenten Wettlauf um den besseren Zugang. Da spielen viele Kriterien eine Rolle. Es mag sein, dass parteipolitische Nähe eine Rolle spielt. Da sind oft Fragen der normalen menschlichen Sympathien ausschlaggebend. Klar, diesen Wettbewerb gibt es, und der gute Journa-

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list zeichnet sich dadurch aus, dass er in vielen dieser Zirkel sitzt und dort seine Informationen bezieht. Meine Frage zielte darauf: Ob Politik immer stärker versucht, sich mediengerecht zu inszenieren? Ja, das ist so. … dass die logistische Unterstützung mittlerweile soweit geht, dass Kameratechnik bereit gestellt wird? Ja, das haben wir ja damals auch gemacht. Wir haben zum Beispiel darauf geachtet, dass Kamerastellplätze auf Parteitagen ausgewiesen wurden. Aber das ist klar. Das ist auch eine Entwicklung, die durch das Privatfernsehen zustande gekommen ist. Weil auf einmal das Fernsehen insgesamt eine viel, viel größere Bedeutung erhalten hat. Und speziell für Kohl war es gut. Die meisten Menschen kannten ihn immer nur durch einen Filter beschrieben, weil er auch jemand war, der nie gern ins Fernsehen ging. Wenn, dann kannten sie ihn nur aus der Sicht irgendwelcher Journalisten, die ihn porträtiert haben. Und das Fernsehen bot da die Möglichkeit, und da hat er Gott sei Dank auch mitgemacht, ihn so authentisch, wie es dem Fernsehen eben möglich ist, den Menschen nahe zu bringen. Deswegen haben wir da auch sehr stark drauf geachtet … Natürlich kann man da auch viel verzerren, wenn Sie von unten eine Kamera filmen lassen, dann sieht das auch sehr unvorteilhaft aus. Da haben wir schon drauf geachtet. Ja, das alles hing damit zusammen, dass das Fernsehen eine immense Bedeutung erhalten hat, die es ja in Amerika schon viel länger hatte. Ich weiß, dass man da nie so gerne drüber spricht: das Thema Medientraining? Das hat er nie gemacht. Hat er nie gemacht? Nein. Was wir gemacht haben bei Interviews – also man hat sich nicht vorher die Fragen geben lassen. Das hätten die meisten wohl auch gar nicht gemacht. Aber man hat vorher mit den Journalisten über die Themen gesprochen. Und dann haben wir uns mit ihm vorher hingesetzt und überlegt: Zu welchem Thema sagt man was? Aber nicht in der Form, das er da etwas geübt hätte.

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Erstaunlich. In den USA ist es ja üblich, dass die Leute vor solchen Sendungen sogar in Camps gehen … Ja, aber das hätte Kohl auch gar nicht mit sich machen lassen. Es gab einen Politiker, der das hier in Deutschland sehr stark gemacht hat, das war damals Björn Engholm. Dem hat man das aber auch angesehen. Der war derart einstudiert. Wir haben damals zunächst gedacht, dass er gegen Helmut Kohl antritt, und haben die ganzen Sendungen rauf und runter angesehen. Das haben Sie sehr gesehen. Sie haben genau gemerkt, dass bestimmte Posen einstudiert waren. Das wirkte auch sehr künstlich. Aber Kohl ist jemand, der hätte das gar nicht mit sich machen lassen. Bei Schröder ist so etwas auch nicht zu beobachten? Nein, das glaube ich nicht. Wir haben über den Wahlkampf 1994 gesprochen. 1998, was ist da schief gelaufen? Da ist nichts schief gelaufen. Das ist, wie wenn ein Yoghurt abläuft. Sie konnten das nicht mehr aufhalten. Auch wenn Lafontaine damals als SPD-Kandidat angetreten wäre, auch dann bin ich mir sicher, dass die SPD die Wahl gewonnen hätte, sicher nicht so hoch, das muss man sagen. Aber sie hätten die Wahl gewonnen. Schief gelaufen ist natürlich eine zunehmend auch an die Öffentlichkeit getretene Rivalität zwischen Kohl und [Wolfgang] Schäuble. Natürlich hätte man auch nicht zulassen dürfen, dass auch in der eigenen Partei die erneute Kandidatur Kohls in Frage gestellt wird. Also wenn man sich für ihn entscheidet …, und das war kein Putsch oder keine Machtergreifung, sondern Parteigremien haben sich ja noch einmal für ihn entschieden, dann muss man auch geschlossen dazu stehen. Das war eben nicht mehr der Fall. Das ganze war im Grunde ein Erosionsprozess ab Mitte, Ende ‘97, der sich fortsetzte und gar nicht aufzuhalten war. Und die Wahlkampftour 1998, die war besucht bis zum Geht-nicht-mehr, die hatte viel mehr Zulauf als normalerweise. Es gab viel mehr Fernsehberichterstattung. Aber das Ganze stand schon im Zeichen einer Abschiedstournee. Das konnte man auch nicht mehr steuern.

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Man wirft Kohl vor, 1998 den Wahlkampf organisatorisch komplett ins Kanzleramt gezogen zu haben, sich von der Partei abgeschottet zu haben. Können Sie das so bestätigen? Sagen wir mal so, es gab für jeden Wahlkampf eine Wahlkampfkommission, die sich zusammensetzte aus Kanzleramtsleuten, die da ja offiziell gar nicht tätig sein durften – das war dann Freizeit –, und aus externen Beratern und aus der Parteizentrale. Und richtig ist, dass beim Wahlkampf 1998 das Kanzleramt verstärkt Druck ausgeübt hat auf das Adenauer-Haus, was zum einen mit der besagten Diskussion zusammen hing, auch mit dem Misstrauen, zum anderen auch damit, dass man dem damaligen Generalsekretär [Peter] Hintze nicht unbedingt zugetraut hat, diesen sehr schwierigen Wahlkampf zu führen. Auch aus meiner Sicht sage ich, zu Recht nicht zugetraut hat. Deswegen auch solche Aktionen wie [Hans-Hermann] Tietje herbeizuholen und so weiter. In dieser Zeit ist ja auch [Otto] Hauser neuer Regierungssprecher geworden. Wie sind Sie mit diesem ständigen Personalwechsel klar gekommen? Den Wechsel habe ich für falsch gehalten. Peter Hausmann war nicht der glänzendste Regierungssprecher; aber er war sehr gut vernetzt in der Journalistenszene. Seine Performance war nicht gut, aber er hatte halt die Vernetzung. Das hat man unterschätzt auf Seiten derjenigen, die über sein Schicksal zu entscheiden hatten. Und den Hauser hat man dann aus politischen Gründen genommen. Das war letztendlich aber auch egal. Gut, das war sicher nicht fördernd, aber es war dann auch nicht mehr so negativ. Zu den Methoden. Sie haben gesagt: Netze und Kontakte sind sehr wichtig. Das lernt jeder Journalist schon im Volontariat. Da scheint sich in den letzten vierzig Jahren nichts geändert zu haben? Nein, da wird sich auch nie was ändern. Wenn Sie in der Medienbranche erfolgreich arbeiten wollen, dann sind Sie auf Netzwerke unabdingbar angewiesen. Als Einzelkämpfer können Sie nichts werden. Ich habe das auch damals so praktiziert, dass ich nicht unterschieden habe bei einem Journalisten: Ist das jetzt ein Linker oder Rechter, ein Schwarzer oder Roter? Sondern das entscheidende Kriterium war Verlässlichkeit. Also: Konnte ich dem vertrauen und mit dem vertrauensvoll zusammenar-

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beiten? Das war eine ganze Reihe: Da waren Spiegel-Redakteure dabei, Leute von der Frankfurter Rundschau. Das wurde zum Teil auch, das sage ich ganz klar, in den Reihen der Union mit Argwohn gesehen. Aber das muss das Kriterium sein. Und so entstehen auch Netzwerke. Mir wurde auch von vielen gesagt: »Pass mal auf, wenn du erst mal nicht mehr im Kanzleramt bist, dann wendet sich die Hälfte der Leute von dir ab oder noch mehr.« Aber das war überhaupt nicht der Fall. Und ich bin für meine Tätigkeit heute genauso darauf angewiesen. Ich glaube, das wird sich auch nie ändern. Herr Fritzenkötter, ich danke Ihnen für das Gespräch. Hamburg, den 24. August 2004

Gerhard Schröder (1998–2005)

Mit Gerhard Schröders Amtsantritt 1998 waren der Umzug der Bundesregierung vom beschaulichen Bonn in die neue alte Hauptstadt Berlin und ein Generationenwechsel sowohl des politischen als auch des journalistischen Personals verbunden. Die Kriegsgeneration räumte die Bänke in Parlament und Regierung für die Nachkriegsgeneration, die altgedienten Bonner Journalisten blieben am Rhein oder schieden aus dem Beruf aus. Eine neue, nicht durch den Krieg sozialisierte Generation junger Korrespondenten bestimmt seitdem die Berliner Szene. Viele Analysten werten deshalb die mit der Machtübernahme von Rot-Grün verbundenen historischen Veränderungen als »Systemwechsel«: von der Kanzlerdemokratie zur Mediendemokratie amerikanischer Prägung. Nach diesem Verständnis wird Politik in Berlin in erster Linie nicht mehr in diskreten Hinterzimmern, sondern auf der hell ausgeleuchteten Bühne der Öffentlichkeit gemacht. Das scheinbare Ende der seit 1949 bestehenden bundespolitischen Kontinuität am Rhein führte zu dem nicht unumstrittenen Begriff der »Berliner« oder »Dritten Republik«. Wer heute die Hauptstadt besucht und am Spreebogen entlang spaziert, wird kaum bestreiten können, dass Politik und Medien in Berlin im wahrsten Wortsinn enger zusammengerückt sind. Die ARD weihte 1999 direkt zwischen Reichstag und Bundeskanzleramt ihr neues, unübersehbares Hauptstadtstudio ein, das ZDF hat große Teile seiner Kapazitäten von Mainz in ein neues Berliner Sendezentrum verlagert Sat.1 hat ebenfalls wesentliche Produktionskapazitäten in ein neues Sendezentrum an die Spree verlegt. Der Nachrichtensender n-tv war der erste deutschlandweit ausgestrahlte Fernsehsender, der komplett aus Berlin sendete. In Berlin geht es ungleich hektischer zu als früher im gediegenen Bonn: Der neue Hauptbahnhof – der größte Kreuzungs-

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bahnhof Europas – speit täglich einen niemals versiegenden Strom aus Geschäftsleuten, Politikern und Berlin-Besuchern direkt vor den Toren des Reichstages und des Bundeskanzleramtes aus. Neben London ist Berlin mittlerweile die europäische Hauptstadt mit der höchsten Konzentration an Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen. Außerdem existieren rund um Berlin heute mehr als zwanzig lokale und regionale privatkommerzielle Hörfunkstationen, die immer wieder beweisen, dass sie aufgrund ihrer geographischen Nähe zur Macht die eine oder andere Insiderinformation schneller erhalten, und damit immer wieder auch die nationale Debatte mitgestalten. Die »Berliner Republik« hat jedoch nicht nur Befürworter, sondern auch Kritiker. Vor allem der bereits vielfach zitierte Bonner Politikwissenschaftler Karl-Heinz Niclauß hält die »Berliner Republik« für ein bisher nicht fundiertes Scheingebilde. Ihm zufolge bestehen immer noch die gleichen Strukturen und Mechanismen politischen Handelns wie vor der Wiedervereinigung. Die Wahrnehmung des Neuen spielt sich vor allem im virtuellen Raum ab.1 Dies wird auch durch den Beitritt der DDR nach Artikel 23 des Grundgesetzes deutlich: Die in der alten Bundesrepublik bestehenden, verfassungsrechtlichen und staatspolitischen Rahmenbedingungen stülpte man auf die DDR – praktisch »Eins zu Eins« – über. Die neue Atmosphäre, die die Menschen als modernen, medienbezogenen Stil des Regierens empfanden, wurde in erster Linie durch die Medien selbst erzeugt und vermittelt. Viele Journalisten unterlagen gerade in den ersten Jahren der Regierung Schröder einer fatalen Selbsttäuschung über ihre eigene Stellung im politischen Prozess. Das Bild der Mediendemokratie, in der es keinen geschlossenen Arkanbereich des Politischen mehr gibt, sondern der Kanzler an allen Gremien vorbei mit Hilfe der Journalisten direkt zu den Menschen spricht, war und ist noch immer allzu häufig ein Wunschbild vieler Redakteure. Genährt wurde dieses Wunschbild vor allem durch die Berichterstattung über den neuen Kanzler selbst. Die Zeitungen überschlugen sich nach den ersten ungezwungenen Auftritten des neugewählten Regierungschefs, die ihn schon in Hannover populär gemacht hatten, in lobpreisenden Kapriolen. Die Süddeutsche Zeitung etwa sprach von Schröder als dem »Messias fürs Medium«, der Tagesspiegel bewunderte das »Medienphänomen«.2 Im März 2001 erhielt der Kanzler den Deutschen Medienpreis, weil er eine neue Form im Umgang mit der Macht und den

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Medien gefunden habe. Diese »neue Form« der Beziehung zwischen Kanzler und Medien erwies sich aber im weiteren Verlauf seiner Kanzlerschaft als äußerst launenhaft und wenig konsistent. Am Ende seiner Amtszeit erlebte die Öffentlichkeit schließlich einen Regierungschef, der vom »Medienkanzler« zum aggressiven Kritiker der Medienmacht mutiert war. Vieles von dem, was sich mit dem vieldeutig schillernden Prädikat »neu« der Öffentlichkeit präsentierte, war seit Adenauer bereits fest im Fundus der Kanzler-PR verankert und erhielt nur einen moderneren Habitus der Selbstinszenierung, der von den Medien dankbar aufgegriffen wurde. Bei genauerer Betrachtung lassen sich auch bei Schröders politischer Öffentlichkeitsarbeit stark differierende Phasen der Selbstdarstellung herausarbeiten. Dass er sich an die oft unausgesprochenen, aber dennoch fürs politische Überleben notwendigen Regeln der Kanzlerdemokratie angepasst hat, ist unter dem Strich wohl wahrscheinlicher als ihr immer wieder heraufbeschworenes Ende. Bezeichnenderweise ist der »Medienkanzler« letztlich über das enge Geflecht der Kanzlerdemokratie, das durch die Machtkonstellationen in Bund und Ländern zusammengehalten wird, gestolpert und konnte seine Politik trotz seiner Medienbegabung dem Publikum am Ende nicht mehr adäquat vermitteln.

»Schröder ist eigentlich sein eigener und bester Regierungssprecher« (Klaus Bölling) Medienvermittler eines »Medienkanzlers« zu sein ist beileibe kein einfacher Job. Die zwei Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye und Béla Anda, die während Schröders siebenjähriger Amtszeit für ihn tätig waren, mussten sich daran gewöhnen, dass der neue Kanzler sich am liebsten selbst vor den Medien erklärte und die Nähe der Mikrofone offensiv suchte. Als erstes löste Gerhard Schröder 1998 die von Helmut Kohl geschaffenen Sonderstrukturen im Bundeskanzleramt auf und kehrte damit wieder zur vorherigen Aufgabenverteilung zurück. Seine Medienarbeit bündelte er wieder im Bundespresseamt beim Regierungssprecher.

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Den hausgemachten Konflikt um die Hoheit über die PR des Kanzlers konnte Schröder damit allerdings dennoch nicht entschärfen. Insbesondere sein zweiter Regierungssprecher Anda, der von ihm häufig nicht ausreichend informiert wurde, litt unter dem seit Adenauer bestehenden Gerangel zwischen Kanzleramt und Presseamt. Während Anda vor der Bundespressekonferenz allzu oft improvisieren musste, weil er von seinem Chef nicht in die Hintergründe eingeweiht wurde, führte der damalige Kanzleramtschef und heutige Außenminister Frank-Walter Steinmeier – wie Andas Vorgänger Heye ein Schröder-Vertrauter aus Hannoveraner Zeiten – im Hintergrund ohne Kenntnis des Regierungssprechers Gespräche mit Journalisten. Zwischen Anda und Steinmeier, der durch seine persönliche und räumliche Nähe zum Kanzler wesentlich besser informiert war, baute sich mit der Zeit ein neues Spannungsfeld nach altem Muster auf. Mit Uwe-Karsten Heye ernannte Schröder zunächst nach seinem Amtsantritt einen langjährigen Weggefährten und Berater zu seinem ersten Regierungssprecher. Heye war bereits Schröders Pressesprecher, als dieser noch niedersächsischer Ministerpräsident war. Er gehörte ähnlich wie Bölling bei Schmidt und von Eckhardt bei Adenauer zum engsten Kreis um den Kanzler. Die Öffentlichkeit nahm den kantigen Heye, der nach seinem Ausscheiden aus dem Presseamt zunächst mit dem Posten eines Generalkonsuls in New York abgefunden wurde und heute Chefredakteur des SPD-Traditionszeitung Vorwärts ist, als einen der wichtigsten Schröder-Vertrauten wahr. Er konzentrierte sich stark auf politisch-konzeptionelle Aufgaben und überließ die tägliche, operative Betreuung der Medien häufig seinen Mitarbeitern. Sein bis heute sichtbares Referenzprojekt ist das einheitliche Corporate Design der einzelnen Bundesministerien und angeschlossenen Behörden. Seit 2000 präsentieren sich alle Einzelressorts unter der Dachmarke »Bundesregierung«. Egal ob im Internet, auf Briefköpfen, in Broschüren oder Fernsehhintergünden: Seit Heye ist der Bundesadler mit schwarz-rot-goldenem Schmuckbalken obligatorisches Erkennungszeichen der Bundesregierung. Auch Heye war vor seiner Laufbahn als politischer Sprecher journalistisch tätig. Anders als von Eckhardt und Bölling gelang es ihm aber nur bedingt, das Vertrauen des Hauptstadtpressekorps zu gewinnen.

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Vor allem die neuen, jungen Berliner Kollegen hatten Schwierigkeiten mit dem wesentlich älteren Heye. Nach der Wiederwahl Schröders 2002 löste ihn Béla Anda, der bereits seit 1998 stellvertretender Regierungssprecher war, ab. Mit dem heute 43-Jährigen setzte Schröder bewusst auf einen jüngeren Regierungssprecher. Anda, der in seinen dunklen Anzügen und durch sein stets korrektes Äußeres mit dem Charme eines britischen Diplomaten auftrat, hatte zuvor als Chefreporter der Bild-Zeitung gearbeitet. Die enge Verbindung zum Springerblatt war ein gewichtiger Mitgrund, ihn ins Bundespresseamt zu berufen. Gute Beziehungen zu Deutschlands Meinungsmacher Nummer eins sind seit jeher für jeden Bundeskanzler die halbe Miete des Mediengeschäfts. Anda stellte bis ins Jahr 2000 Schröders »strategischen Brückenkopf« in die Redaktionen des Springer-Verlages dar. Durch seine Kontakte veröffentlichte Bild immer wieder exklusive Sympathieberichte über den Kanzler. Kanzler-Machtworte am Kabinettstisch wurden in Bild kolportiert und als heroische Taten gefeiert. Der »Basta-Kanzler« ist eine Stilblüte der Bild-Kontakte Schröders. Im Herbst 2000 ändert sich die Situation für den bis dahin von Bild goutierten Kanzler allerdings grundlegend: Die Chefredaktion wechselte, und mit ihr die publizistische Linie. Udo Röber, der Schröder publizistisch stützte, verließ den Konzern. Ihm folgte Kohl-Biograph Kai Diekmann. Neuer Vorstand des Springer-Konzerns wurde der konservative Mathias Döpfner. Seit diesem Wechsel änderte Bild auch die Schröder-Berichterstattung. Anda konnte seine Kontakte nicht mehr ausspielen. Vor allem im Wahljahr 2002 schlug sich der Springer-Konzern mit seinen auflagenstarken Titeln klar auf die Seite Edmund Stoibers und ging auf einen aggressiven Konfrontationskurs mit dem zu diesem Zeitpunkt angeschlagenen »Medienkanzler«. Wie bereits angedeutet, gehörte Béla Anda allerdings, anders als Uwe-Karsten Heye, nicht zum engsten Vertrauten- und Beraterkreis um Schröder. Er beklagte sich sogar öffentlich darüber, dass er oft erst einmal selbst recherchieren müsse, was die Linie des Kanzlers sei. Der junge Regierungssprecher erhielt aufgrund seiner oft mangelnden Informiertheit von den Berliner Kollegen den Spitznamen »Sagenichts«3 – für einen Chefkommunikator sicherlich kein schmeichelhaftes Urteil. Brandt-Berater Klaus Harpprecht sprach in der Süddeutschen Zeitung sogar vom »praktisch nicht existenten Pressechef«.4 Im Jahr 2004 kannten

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nach einer Forsa-Umfrage gerade einmal sechs Prozent der Deutschen Schröders Chefsprecher. Es wäre jedoch sicherlich unfair, Anda alleine die Schuld an seinem unzulänglichen Bekanntheitsgrad zuzuschreiben. Der schleichende Bedeutungsverlust der Regierungssprecher als mediales Sprachrohr der Bundeskanzler, der unter Kohl begonnen hatte, setzte sich bei Schröder weiter fort. Die Ursache liegt nicht nur in der mangelnden Einbeziehung Andas in die politischen Denkprozesse des Kanzlers. Der Hauptgrund hierfür ist die bereits seit den achtziger Jahren spürbare Tendenz, dass funktionale PR-Kommunikatoren, etwa die einzelnen Bundesminister – aber zunehmend auch der Kanzler selbst – den Regierungssprecher immer stärker in den Hintergrund drängen, indem sie sich selbst vor den Medien erklären. Die eigentlichen Stars vor den Mikrofonen waren schon bei Kohl die Minister. Schröder war der erste Bundeskanzler, auf den dieser Befund auch zutraf. Er nahm die öffentliche Vermittlung seines Sprechers nur noch selten in Anspruch, sondern trat mit hoher Frequenz selbst vor die Medien. Auch die traditionelle Bühne des Regierungssprechers, die Bundespressekonferenz, verlor und verliert weiterhin an Bedeutung. Relevante Informationen recherchieren die Berliner Journalisten vor allem direkt bei den politischen Akteuren, in Hintergrundzirkeln und mit Hilfe ihrer Kontaktnetzwerke. Die persönliche Handynummer eines Staatssekretärs oder eines Büroleiters wird zur zentralen Zugangsschleuse für eine kleine Informationselite der Berliner Polit-Society. Aber war das in Bonn wirklich anders? Wenn man den Einlassungen etwa eines Eduard Ackermann folgt, sicherlich kaum. Der Unterschied besteht wohl vor allem darin, dass heute moderne Kommunikationstechnologien und -dienste wie Handys, E-Mails oder Black Berrys eine wesentliche schnellere, unkompliziertere, unmittelbarerer und informellere Interaktion zwischen Politik und Medien möglich machen. Dass Politiker und Politikkorrespondenten miteinander hinter und neben den offiziellen Arenen vertraulich Informationen makeln, gehörte auch in Bonn zum Alltag.

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Der Medienkanzler »tickt« im Rhythmus der Medien Die Berliner Medienszene ist mittlerweile wesentlich markt- und wettbewerbsorientierter als noch in Bonner Tagen. Exklusivität ist das oberste Ziel journalistischer Recherche. Dies ist für politische Öffentlichkeit Chance und Risiko gleichermaßen. Einerseits sind Journalisten aus Kosten- und Zeitgründen stärker auf die Zuarbeit von professionellen Informationsmaklern angewiesen, andererseits ist der Berliner Journalismus durch den hohen Konkurrenzdruck aggressiver geworden. Nachrichten werden über die Maßen zugespitzt oder skandalisiert, um exklusivwürdig zu werden. Die politische Themensetzung in Berlin wird stark durch den Produktionsrhythmus der Medien bestimmt. Der Nachrichtenzyklus einer Woche durch zentrale Leitformate vorstrukturiert: Die Morgenmagazine in Fernsehen und Hörfunk setzen das jeweilige Thema des Tages. Wer hier als erster präsent ist, kann davon ausgehen, dass er – wenn er sein Geschäft versteht – den Tag über mit seinen Statements auch von anderen Medien zitiert wird. Was die Morgenmagazine für den Tag darstellen, sind »Sabine Christiansen« und die Montagsmagazine Spiegel und Focus für die ganze Woche. Hier wird die Themenagenda der kommenden sechs Tage gesetzt. Auch das Intervalltempo der Berichterstattung nimmt zu. Umgekehrt sinkt die Halbwertzeit einer Neuigkeit rapide und wird zunehmend durch eine »Refresh«-Mentalität von Nachrichtenmachern und Nachrichtenkonsumenten ersetzt: Die Andruckzeiten vieler Zeitungen wurden nach hinten verschoben, Nachtmagazine bringen heute noch nach 24 Uhr aktuelle Meldungen. Das neu hinzugekommene Medium Internet bietet rund um die Uhr und weltweit den letzten Informationsstand. Der Hunger nach Neuem meldet sich mittlerweile im Minutentakt. Das Dilemma der Nachrichtenmedien: Sie können nicht einfach einmal einen Tag lang nichts kommunizieren. Man stelle sich einen Montagmorgen vor, an dem keine Zeitung erscheint, die Mattscheibe schwarz und das Radio stumm bleibt, weil es schlicht und einfach nichts Neues gibt. Dies wäre für die Medienindustrie ein im wahrsten Sinne »schwarzer Montag«. Den ökonomischen Zwang, permanent mit irgendetwas Neuem auf Sendung sein zu müssen, geben die Medien an das politische System weiter, indem sie von Politikern erwarten, stünd-

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lich etwas Neues zu sagen zu haben – selbst dann, wenn es gar nichts zu sagen gäbe oder es besser wäre zu schweigen. Gerhard Schröder wurde auch deswegen als »Medienkanzler« wahrgenommen, weil er bereit war, sich vorbehaltlos diesen Mechanismen anzupassen und sich auf den Nachrichtenhunger der Journalisten einzustellen. »Vieles von der Sprunghaftigkeit und den raschen Themenwechseln, viele dieser Irritationen sind gar nicht mit der Politik, sondern mit den Gesetzlichkeiten der ›Telegesellschaft‹ zu erklären«, merkte ein selbstkritischer Journalist im Bezug auf Schröders Regierungsstil an5. Schröder ging auf diese Sprunghaftigkeit ein und reagierte auf die aktuelle Medienagenda mit einer an das Medienpublikum gerichteten Darstellungspolitik. Er agierte öffentlich oft wie ein »Tageskanzler«, der jedes medienrelevante Thema aufgreift, mit einem Statement versieht und es so zu seiner eigenen Angelegenheit macht. Dahinter steckt eine bereits in Großbritannien erprobte Strategie: Schröder ließ sich von Tony Blair und seinem Berater Peter Mandelson empfehlen, so zu regieren, als sei jeden Tag Wahlkampf. Die »permanente Kampagne« ist mittlerweile, in der Nach-SchröderÄra, das Standardszenario, an dem sich alle Protagonisten des politischen Berlin orientieren. Durch diese Strategie wird der politische Prozess stärker als früher auf zwei voneinander getrennte Arenen aufgeteilt: in eine Vorderarena medialer Darstellungs- und Symbolpolitik, in der Politik für die Zuschauer und Medien praktisch »am laufenden Band« inszeniert wird, und in eine der Öffentlichkeit unzugängliche Hinterarena, in der die sachorientierte Entscheidungspolitik mit Hilfe der wesentlich langsamer mahlenden Mühlen der Politbürokratie gemacht wird. Der Stil Schröders war also weniger der eines wirklichen »Medienkanzlers«, der – etwa wie der amerikanische Präsident – mit Hilfe der Medien tatsächlich regierte, als vielmehr der eines populistischen »Stimmungskanzlers«6, der auf Themenvorgaben von außen flexibel reagierte und sich so in Form der Medien eine weitere, ergänzende Machtbasis schuf. Wer sich auf die häufigen Wechsel der Stimmungen und Themen einlässt, um hiervon politisch zu profitieren, zahlt allerdings meist mit der Währung der Verkürzung und Beliebigkeit. Schröder war ein ums andere Mal bereit, diesen in seiner Höhe nicht unumstrittenen Preis zu bezahlen. Besonders deutlich wird dies, wenn wir im weite-

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ren Verlauf unserer Auseinandersetzung auf das sprunghafte öffentliche Image Schröders zu sprechen kommen. In seinem Nachrichtenhunger erinnerte Schröder vor allem an Konrad Adenauer, der sich ebenfalls intensiv mit der täglichen Berichterstattung auseinandergesetzt hatte. Als Kanzler nahm Schröder sich täglich viel Zeit, um selbst über ein halbes Dutzend Zeitungen zu studieren. Alle 60 Minuten lieferte das Bundespresseamt ihm aktuelle Agenturmeldungen und Zusammenfassungen der Auslandspresse. Am Wochenende bekam er wie seine Vorgänger vorab den Spiegel, außerdem die Welt, die FAZ und Bild am Sonntag geliefert. Bei Auslandsreisen wurde er mehrmals am Tag vom Bundespresseamt mit Sonderunterrichtungen versorgt: »Der Puls des Kanzlers schlägt im Takt der Tickermeldungen.«7 Auch setzte Schröder die gute Tradition der Hintergrundgespräche mit Journalisten fort, die für jeden Kanzler seit Adenauer obligatorisches Instrument der strategischen Öffentlichkeitsarbeit sind. Er lud regelmäßig Verleger, Herausgeber und Chefredakteure zu vertraulichen Gesprächen ins Kanzleramt ein. Und er zeigte, wie bereits die meisten seiner Amtsvorgänger, hohes Interesse an der personellen Situation in den Chefredaktionen und Vorstandsbüros der Medienkonzerne. Ein Beleg hierfür ist nicht zuletzt die Berufung des politischen Newcomers Anda aus der Bild-Redaktion ins Bundespresseamt. Ein Markenzeichen Gerhard Schröders war sein immer wieder sicherer Instinkt für die Übersetzung von Politik in mediengerechte Bilder und Symbole. Er war sich nicht zu fein, sich aktiv in die Inszenierungsstrategien seiner Berater einbeziehen zu lassen oder spontan vor den Kameras eine den Journalisten gefällige Pose einzunehmen. Die Endfassung des umstrittenen »Hartz«-Konzeptes überreichte der damalige, mittlerweile über eine Schmiergeldaffäre gestrauchelte VW-Personalvorstand Peter Hartz beispielsweise nicht einfach auf einer Pressekonferenz in einem sterilen Konferenzraum. Im August 2002, unmittelbar vor der Bundestagswahl, durfte der Manager im Französischen Dom zu Berlin vor allen Mikrophonen verkünden: »Heute ist ein schöner Tag für die Arbeitslosen«, und sodann dem Kanzler vor allen Kameras das hochgejubelte Reformprogramm auf einer CD-ROM aushändigen. Als Beleg für eine perfekte Medieninszenierung nach amerikanischem Muster wird vor allem auch der Leipziger SPD-Parteitag vom 17. April 1998 bemüht, der den Anfang vom Ende der Ära Kohl markierte.

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Das perfekt vorbereitete Arrangement erinnert an das mediengerechte Spektakel amerikanischer Conventions. Zu Beginn des Parteitages wurde der Raum komplett verdunkelt. Ein emotionaler Imagefilm über das zukünftige Deutschland sorgte für die nötige Gänsehautatmosphäre. Der auf diese dramatische Einstimmung folgende Einzug der »Matadore« Schröder und Lafontaine wurde mit hollywoodreifen Lichteffekten und pathetischer Kinomusik »made in USA« unterlegt. Helmut Schmidt als bis dahin letzter SPD-Bundeskanzler erteilte dem »kommenden Kanzler« symbolisch »den Segen« der Partei. Die Tagesregie appellierte durch diese Geste an das Traditionsbewusstsein der Genossen. Pikant: Der minutiöse Regieplan des Parteitages gelangte in die Pressemappen für die Journalisten und bestimmte am Folgetag die Berichterstattung in Deutschland. Ein schöner Nebeneffekt dieses Fauxpas war der beträchtliche Imagegewinn, den die SPD durch diese großflächige Kommentierung verbuchen konnte. Die »alte Tante« erschien plötzlich als Vorreiterin in Sachen modernes PR- und Kommunikationsmanagement. Seither sind die Spekulationen nie verstummt, der Plan sei möglicherweise sogar absichtlich in die Mappen gelegt worden, um genau diesen Effekt zu erreichen. Nachweisen lässt sich dies bis heute freilich nicht. Während Kohl besonders im ersten Jahrzehnt seiner Regierung ein partnerschaftliches Tauschgeschäft zwischen Politik und Medien selten zuließ – und vermutlich dessen Grundmechanismen auch nicht recht verstand –, hat Schröder von Beginn seiner politischen Kariere an durch eine offensive Umarmungsstrategie versucht, Medien als Verbündete zu gewinnen. Bereits als junger Bonner Abgeordneter traf er sich regelmäßig mit Journalisten in Kneipen und Restaurants, um in ungezwungener Atmosphäre beim Bier Informationen auszutauschen und am persönlichen Netzwerk zu spinnen. Und während Kohl alles dafür tat, ein starkes Netzwerk in seiner eigenen Partei aufzubauen, konnte sich Schröder mit Hilfe der Medien immer wieder gegen seine Partei als »Agent Provocateur« positionieren und ungefragt ins Gespräch bringen. Diesen Stil übernahm er auch ins Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten. Er gewährte Medien scheinbar intime Einblicke in seine Wahlkämpfe und machte sie so zu Verbündeten. Vielen Chefredakteuren bot er jovial das »Du« an. Er und seine damalige Ehefrau Hiltrud (»Hillu«) insze-

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nierten sich in Hannover als Teil der Medienprominenz und örtlichen High Society. Diese Art der Umarmung von Medien haben wir schon bei Konrad Adenauer kennen gelernt. Damals war zwar aus heutiger Sicht alles hausbackener – Bocciaspiel mit der Familie, Urlaub mit »Kanzlers« in Italien. Das Prinzip war aber dasselbe: »Biete Einblicke ins Private, suche öffentliche Aufmerksamkeit in positivem, sympathischem Umfeld.« Glanz und Glamour und Geschichten aus dem Nähkästchen – das ist der Speck, mit dem medienversierte Politiker Klatschredakteure, Bildreporter und auch Politjournalisten zu locken versuchen. Genau nach diesem Muster agierten die Schröders in Hannover. Hillu und Gerd boten den Medienvertretern publikumsträchtige Human-TouchInhalte, wie sie bei jedem guten Friseur in Hochglanz auf dem Tischchen liegen: etwa über ihren Auftritt beim Wiener Opernball 1996 in der Loge (und auf Kosten) von VW-Chef Ferdinand Piëch. Derartig extrovertierte Selbstinszenierungen brachten Schröder zwar Kritik aus den eigenen Reihen ein, weil sie nicht in das Selbstbild der »Arbeiterpartei« passen, dafür aber Sympathien bei den Medien und dem an Intimitäten und an Privatem interessierten Publikum. Bereits als niedersächsischer Ministerpräsident wurde Schröder von der Bild-Zeitung geschont und durch Wochenperiodika wie Spiegel, Stern oder Die Woche gefördert. Diesen Stil, die Nähe zu Journalisten zu suchen, sie als Verbündete zu sehen und auf ihr Bedürfnis nach Prominenz durch extrovertierte, nonchalante Selbstinszenierung einzugehen, übernahm Schröder dann zunächst auch als Bundeskanzler. Auf die Medienvertreter wirkte das nach der von Altkanzler Kohl gepflegten schroffen Distanz wie eine befreiende Revolution: »Viele Journalisten […] waren geradezu ausgehungert, weil Kohl diese Nähe nie zugelassen hat. […] Diese Streicheleinheiten, die er verteilt hat, die haben die Journalisten aufgesogen wie ein ausgetrockneter Schwamm«, meint Kohl-Berater Andreas Fritzenkötter in unserem Gespräch. Schröders Sonnenscheinstrategie brachte ihm zunächst einen dicken Medienbonus. Er musste jedoch im Verlauf der ersten vier Jahre feststellen, dass er die vielleicht als Ministerpräsident gerade noch adäquate Strategie der persönlichen Nähe als Kanzler der Bundesrepublik nicht aufrechterhalten konnte. Die Würde des neuen Staatsamtes hielt diese Art der offensiven Selbstvermarktung schwer aus. Nachdem er 1999 massiver öffentlicher Kritik wegen seiner

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allzu offensiven Selbstinszenierung als »Spaß- und Medienkanzler« ausgesetzt war, veränderte er seinen Umgang mit den Medien grundlegend und gab sich seitdem staatsmännisch. Schröders mediale Darstellungspolitik war vor allem auch ein Ventil, um öffentlichen Druck auszugleichen. Für Ulrich Sarcinelli ist deshalb auch der Wechsel vom »System Kohl« zum »System Schröder« im Kern eine »Plebiszitarisierung« der Kanzlerdemokratie.8 Ganz im Sinne der zur Zeit so populären Voting-Shows konnte das Publikum zumindest in der ersten Hälfte der Amtszeit Schröders täglich über seinen Kanzler abstimmen: »Deutschland sucht den Superkanzler«. Jeder, der sich im politischen Geschäft auskennt, wird allerdings – mitunter vielleicht nicht öffentlich – zugeben, dass in Wirklichkeit ein immenser Abstand zwischen der Realität in den politischen Gremien und Ausschüssen und der medialen Darstellung von Politik und politischen Prozessen besteht. Die wirkliche Entscheidungs- und Problemlösungskompetenz von Politik und das, was als solches in den Medien von Politikern vermittelt wird, liegt oft meilenweit auseinander. Dies beginnt bereits bei der ebenso beständig genährten wie fatalen und realitätsentrückten Illusion, Politiker könnten Arbeitsplätze schaffen. Politische Entscheidungen werden nicht durch einsame, tagesaktuelle Entschlüsse herbeigeführt. Nach wie vor entstehen sie durch ein diffiziles Spiel auf der Klaviatur der Macht, bei der die einzelnen Töne in einem mühevollen Kräftemessen miteinander in Harmonie gebracht werden müssen. Anders als in den USA existiert in Deutschland noch immer eine von Medien und öffentlichen Stimmungen unabhängige Funktionslogik des politischen Systems, die sich vor allem auf parteipolitische Kräfteverhältnisse in Bund und Ländern stützt. Trotz seines Medienpopulismus konnte auch Schröder auf diese seit fast sechzig Jahren in der Bundesrepublik ritualisierten Mechanismen nicht verzichten. Wäre Deutschland heute tatsächlich eine Mediendemokratie, dann hätte Schröder auch nach der verlorenen Landtagswahl in NordrheinWestfalen im Mai 2005 weiter regieren können. Denn ein Medienkanzler ist nicht auf regionale Machtreserven angewiesen, sondern kann mit Hilfe seiner Publikumspopularität unmittelbar und plebiszitär regieren, weil seine persönlichen Imagewerte zugleich die Zustimmung zum gesamten Regierungshandeln ausdrücken. Diese Position versuchte

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Schröder ein letztes Mal am 18. September 2005, dem Abend seiner Wahlniederlage, zur großen Verwunderung vieler seiner Vertrauten zur Geltung zu bringen. Sichtlich »berauscht« durch seine am Ende fulminante Aufholjagd argumentierte der Kanzler in der mittlerweile fast legendären Sendung »Berliner Runde« der ARD im Sinne einer Personenwahl: »Glauben Sie im Ernst, das meine Partei auf ein Gesprächsangebot von Frau Merkel bei dieser Sachlage einginge, indem sie sagt, sie will Bundeskanzlerin werden? Ich meine, wir müssen die Kirche doch auch mal im Dorf lassen. Die Deutschen haben doch in der Kandidatenfrage eindeutig votiert.« Moderator Hartmann von der Tann: »Sie glauben doch nicht ernsthaft an eine Große Koalition unter einem Kanzler Schröder?« Schröder: »Ja, aber was denn anders? Wenn es zu einer solchen Geschichte kommt, wie soll es denn sonst funktionieren? Schauen Sie sich doch mal an, was den Aufholprozess in der Gesellschaft verursacht hat. Das war doch neben dem inhaltlichen Vergleich auch ein Vergleich der handelnden Personen.«9 Schröder irrte, wie wir wissen. In dieser Republik sind nach wie vor die Parteien und Gremien, hinter denen eine Vielzahl von Personen, Kräften und Interessen stehen, die ausschlaggebenden Akteure. Am Ende und nach zähen Verhandlungen wurde schließlich Angela Merkel die erste deutsche Kanzlerin im Rahmen einer »Großen Koalition«. Der Auftritt Schröders in der »Berliner Runde« hat – ob bewusst kalkuliert oder verursacht durch den Überschwang der Aufholjagd und den Sekt danach, sei dahingestellt – den Verhandlungsdruck auf die Union spürbar erhöht. Niemand in der Union – die Überraschung war bei allen Akteuren erkennbar – hatte mit einem halsstarrigen Festhalten des Noch-Amtsinhabers am Machtanspruch gerechnet. Schröder hat bezeichnenderweise mit Hilfe eines Medienauftritts den politischen Preis für seinen eigenen Abgang in die Höhe getrieben und – so verstanden – ein letztes Mal in einer für seine Partei schicksalhaften Stunde wie ein »Medienkanzler« agiert.

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Die SPD in den Neunzigern: Zwischen »Betriebsrat der Nation« und »Neuer Mitte« Die deutsche Sozialdemokratie litt in dem Jahrzehnt nach dem Fall der Mauer vor allem unter einem massiven Imageproblem. Betrachtet man die SPD Scharpings, Engholms und Lafontaines in den neunziger Jahren, lassen sich interessanterweise einige bemerkenswerte Parallelen zur SPD Willy Brandts in den sechziger Jahren aufzeigen: Die Partei befand sich vor der Jahrtausendwende in einer ähnlichen Phase der grundlegenden strategischen und kommunikativen Neuausrichtung. Im Bewusstsein der Öffentlichkeit kam ihr das betuliche Image des »Betriebsrats der Nation« zu.10 In den aufgrund der steigenden Arbeitslosigkeit immer bedeutsameren Kompetenzfeldern Wirtschaft und Finanzen trauten die entscheidenden gesellschaftlichen Wählergruppen der SPD kaum noch etwas zu. Neben diesem Imageproblem machte der scheinbar in die Jahre gekommenen »alten Tante SPD« auch ein strukturelles Kommunikationsproblem zu schaffen. In einer Analyse der SPD-Landesvorsitzenden Schleswig-Holsteins und Baden-Württembergs zum Zustand der Parteiorganisation hieß es im Spätherbst 1990, die Fähigkeit zum Management bundesweiter Kampagnen sei weit hinter den Stand der siebziger Jahre zurückgefallen.11 Vor allem mangele es an einer koordinierten Medienpolitik, einem modernen Personalmanagement und am effektiven Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnik. Die Nutzung moderner Kommunikations- und Managementmethoden wurde bei der SPD bis weit in die neunziger Jahre noch immer durch ideologische Vorbehalte eingeschränkt und gewissermaßen »mit System« verschlafen. Ab 1995 begann die SPD mit der Vorbereitung des entscheidenden Wahlkampfs 1998 und vollzog hierbei eine Neujustierung ihres angestaubten Images, um neue Wählerpotentiale zu erschließen. Mit Gerhard Schröder entschied man sich nach langem Gerangel um die »K-Frage« letztlich für den medienversiertesten Kandidaten, der auch bei der deutschen Wirtschaft Sympathien genoss und damit ein für die SPD nach Helmut Schmidt neues Image verkörperte. Damit ergibt sich eine ähnliche Konstellation wie in den sechziger Jahren: Auch damals ging es für die SPD um das Ablegen ihres muffigen Images und um die Eroberung

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der bürgerlichen Mitte mit Hilfe eines populären Kandidaten, der als Medienliebling galt. Die Parallelen zur Situation in den Sechzigern waren offensichtlich auch den Parteistrategen bewusst. An der einen oder anderen Stelle kopierten die Macher der »Kampa 98« für versierte Beobachter relativ offenkundig vom historischen Vorbild. Schröder griff mit dem Slogan »Neue Mitte« sogar ein zentrales Schlagwort des Brandt-Wahlkampfes von 1972 auf. Die »Neue Mitte« in der Lesart der SPD-Wahlstrategen kann als Antwort der SPD auf eine nach dem Ende des Ost-West-Konflikts weiter zunehmende Entideologisierung gesehen werden. Die »Neue Mitte« ist – so verstanden – die soziopolitische Übersetzung von Francis Fukuyamas Buch Das Ende der Geschichte, das 1992 für Furore gesorgt hatte. Sie ist weder rechts noch links, weder kapitalistisch noch sozialistisch, sondern vor allem eines: ideologiefrei – und dadurch für jedermann wählbar. Dieses Politikangebot entsprach den Bedürfnissen einer individualisierten Massengesellschaft, die sich nicht mehr mit klassischen Lagerschemata oder über Milieuzuordnungen fassen lässt. Nach Schröders Wahlsieg schrieb man dann für die Regierungserklärung noch einmal bei Willy Brandt ab: »Wir wollen nicht alles anders machen, aber vieles besser.« Dieses programmatische Motto findet sich auch in leicht abgewandelter Form in einer Regierungserklärung des vierten Kanzlers. Man ist nach dem, was alles über den »Medienkanzler« und seine teilweise sagenumwobenen Berater- und Spindoctor-Zirkel zu lesen war, erstaunt, wie wenig neue Ansätze sich dahinter tatsächlich verbergen. Auf dem Feld der Professionalisierung, also der Einbeziehung externer Beratungskompetenz in die eigene politische Kommunikation, lässt sich im Vergleich zu früheren Kanzlerschaften erstaunlich wenig Innovatives entdecken. In Sachen Meinungsumfragen und Demoskopie vertraute Schröder dem Chef des Forsa-Instituts, Manfred Güllner. Damit besetzte Güllner eine ähnliche Position wie Elisabeth Noelle-Neumann jahrzehntelang bei den Kanzlern der Union. Neu ist allerdings, dass Güllner – in Berlin als der »Guru des Kanzlers«12 bezeichnet – mit dem Format »n-tv Forsa« seit 2005 eine eigene Fernsehsendung betreibt. Demoskopie wird so vom rein defensiven Instrument der Meinungsmessung zu einem offensiven Instrument der Meinungsbildung.

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In Fragen der politischen Werbung beriet den Kanzler und das Bundespresseamt vor allem Michael Kronacher, der Geschäftsführer der Werbeagentur Odeon Zwo aus Hannover. Die Agentur war bereits für Schröder zu dessen Zeiten als niedersächsischer Ministerpräsident tätig. Kronacher ist mit Schröder auch persönlich befreundet.13 Damit erfüllte sie eine ähnliche Rolle wie die Agentur von Mannstein, die langjährige Hausagentur der Union, die allerdings im Wahlkampf 2005 erstmals für die FDP tätig war, oder die ARE in den siebziger und achtziger Jahren für die SPD. Neben Odeon Zwo waren noch weitere Agenturen mit unterschiedlichen Aufgabenfeldern für das Bundespresseamt tätig, beispielsweise KNSK/BBDO oder Zum goldenen Hirschen, die Hausagentur der Bündnisgrünen. Damit vollzog Schröder zwar seit 1997/98 im Vergleich zu den Zeiten, in denen SPD-Kanzler in erster Linie mit der Eigengründung ARE operierten, eine großflächige Öffnung gegenüber der privaten Werbeindustrie, holte doch aber lediglich eine Entwicklung nach, die die Union bereits weit vorher antizipiert hatte. Ähnlich wie Klaus Harpprecht bei Willy Brandt erfüllte Schröders Redenschreiber Reinhard Hesse zugleich die Funktion eines wichtigen Kommunikationsberaters. Schröder verzichtete allerdings auf die Hilfe externer Kommunikationsberater für seine medienbezogene Politikvermittlung. Auch verfügte er im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger weder über einen Medienberater im Kanzleramt noch über einen Imageberater, so wie etwa Gerd Bacher Kohls Mann fürs Image gewesen war. Ein PR-Berater, der im Jahr 2000 kurzfristig als künftiger Image-Berater Schröders gehandelt wurde, ist Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Hans Eichels ehemaliger hessischer Regierungssprecher berät ihn heute auf Honorarbasis und gilt als Erfinder des »Spar-Kommissar«-Images. Das Bundespresseamt dementierte nach einer verdächtig langen Phase des Schweigens Gerüchte über ein Engagement Schmidt-Deguelles für den Kanzler. Als ein echter Meilenstein im Bereich der Professionalisierung politischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland wird immer wieder die Kampa 98 genannt.14 Sie wurde durch die Berichterstattung und wissenschaftliche Auseinandersetzung zu einem regelrechten deutschen Mythos der Amerikanisierung von Wahlkämpfen. Die SPD lagerte 1998 erstmals ihre Wahlkampfplanung räumlich und organisatorisch komplett aus der Parteizentrale aus und verlegte sie in einen eigens hierfür einge-

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richteten »War Room«. Leiter dieses ausgelagerten »Kriegskabinetts« wurde SPD-Bundesgeschäftsführer Matthias Machnig. Damit kopierte die SPD exakt die Strategie, mit der Tony Blair und New Labour 1997 die Wahlen in Großbritannien für sich entscheiden konnten. Die britischen Sozialdemokraten hatten 1997 ihre ausgelagerte Wahlkampfzentrale im Londoner Millbank-Tower eingerichtet. Die »Kampa« war vor allem für die Koordination der politischen Kommunikation der Partei und der engagierten Agenturen verantwortlich.15 Sie wird aber vor allem deshalb als echte Innovation charakterisiert, weil bereits ihre bloße Existenz ein deutsches Faszinosum darstellte, das beständig für Schlagzeilen sorgte. Diese Funktion der Kampa als Aufmerksamkeitslokomotive war von den SPD-Wahlkampfplanern bewusst einkalkuliert worden. Sie verfolgten hierbei die Strategie des so genannten »Meta-Imaging«, die in den USA bereits länger bekannt ist und von den beiden US-Kommunikationswissenschaftlern Shawn und Trevor Parry-Giles für die Regierungs-PR von Bill Clinton eingesetzt wurde. Dieser Strategie zufolge gewähren die PR-Experten Journalisten einen Einblick in die sonst geheimen Kulissen ihrer Kampagne. Wirklich relevante Informationen erhalten die Medienvertreter hinter der Bühne natürlich nicht. Hier und da werden ein paar Requisiten hin- und hergeschoben, bedeutungsschwangere Gesten mit vieldeutigen Begriffen der Marketingsprache garniert. Genau hierauf soll letztlich die Aufmerksamkeit der Journalisten gelenkt werden: auf die PR-Berater und ihre hoch professionellen und modernen Kunstgriffe, also auf die Metaebene der Kampagne. So erhalten die Partei und der sie vertretende Kandidat eine Aura des Professionellen und Innovativen. Es handelt sich also beim »Meta-Imaging« vor allem um eine Strategie zur Vereinnahmung der Journalisten und Steuerung ihrer Rechercheaktivitäten. Ähnlich verhielt es sich bei der Kampa 98, die im Bundestagswahlkampf 2002 als Kampa 02 noch einmal aufgelegt wurde. Während des ungewöhnlich kurzen und kaum vorbereiteten Wahlkampfs 2005 gab es hingegen keine ausgelagerte Kampa mehr. Auch wurde diesmal keine Leitagentur verpflichtet. Stattdessen bündelte die SPD-Führung einzelne Aufgabenpakete um Kajo Wasserhövel, den Machnig-Nachfolger und neuen Spindoctor. Den kreativen Hauptpart nahm die Düsseldorfer Agentur Butter wahr.

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Bei der Berichterstattung über die Kampa – vor allem die erste 1998 – war die Botschaft im Grund immer dieselbe: Die SPD führt Wahlkampf mit modernen und neuartigen Managementinstrumenten, sie ist eine »frische« Partei der Mitte. Die Wahlkampfführung selbst wurde mithilfe der Medien als Ereignis demonstrativer Professionalität an die Rezipienten kommuniziert. Die Kampa war deshalb vor allem ein symbolisches Ereignis. Christian Mihr zitiert in einem Aufsatz einen nicht namentlich bezeichneten SPD-Verantwortlichen von 1998, der angibt: »Natürlich haben wir deshalb auch Geschichten erzählt. Deshalb war ja die ›Kampa 97/98‹ auch mehr ein symbolisches Ereignis als Realität, und alles, was in uns hineingemutmaßt wurde, war viel entscheidender als der reale Output.«16 Ihre instrumentelle Bedeutung für den Wahlkampf wird hingegen meist überschätzt. Sowohl 1998 als auch 2002 gab es sogar massive atmosphärische Störungen zwischen dem Stab um Matthias Machnig und Schröders persönlichem Kandidatenteam. Der SPD-Bundesgeschäftsführer stand bei keinem der beiden Wahlkämpfe in einem beratenden Verhältnis zu Schröder, sondern war für die Kampagne der Partei verantwortlich. Außerdem gilt es als offenes Geheimnis in der SPD, das Schröder und Machnig ein von Antipathien geprägtes »Nicht-Verhältnis« miteinander teilten.17 Der Spiegel berichtete, dass die Planer im Kanzleramt im Wahlkampf 2002 sogar mehrfach erwogen, Machnig persönlich für die anfänglich schlechten Umfragewerte Schröders verantwortlich zu machen, und ihn aus diesem Grund abzulösen. Vergleiche Machnigs mit Spindoctors wie dem Clinton-Berater Dick Morris täuschen über die tatsächliche Rolle des Kampa-Leiters hinweg. In beiden Wahlkämpfen begegnete er Schröder persönlich praktisch kaum. Für ein Spindoctoring, wie es in den USA oder Großbritannien betrieben wird, ist persönliche Nähe und vor allem Empathie zwischen Klient und Berater aber unerlässlich. Beides war zwischen Schröder und Machnig offensichtlich nicht gegeben. Als wesentliche Neuerung im Zusammenhang mit der »Kampa« muss also nicht ihre inhaltliche Kommunikationsarbeit, sondern vielmehr die Kommunikationsfreudigkeit der Kommunikationsexperten selbst gelten. Ein bis dato ungeschriebenes Grundgesetz im Zusammenhang mit Public Relations lautete, dass Strategien vertraulich sind: Eine ausgeplauderte Kommunikationsstrategie ist keine mehr. Heute hingegen gehört »Meta-Imaging« zum Geschäft. Während Berater wie

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Kohls Imagepfleger Gerd Bacher früher nur einem kleinen, internen Fachpublikum bekannt waren, werden politische Medienberater heute immer stärker selbst zu Medienstars.18 Demgegenüber verlieren die Regierungssprecher an Prominenz. Möglicherweise vollzieht sich bei der jüngeren Journalistengeneration ein kultureller Wandel. Die Berichterstattung über Schröders Medienarbeit, über die Kampa und Matthias Machnig waren getragen von dem Unterton der heimlichen Faszination am schönen Schein19. Diese Form der Metakommunikation über Wahlkampfkonzeptionen lässt eine hohe Rationalität der Rezipienten vermuten: Sie erkennen, dass es sich bei PR-Strategien immer auch um Strategien handelt, die auf Überredung und Verführung abzielen, honorieren aber herausragende Leistungen auf diesem Feld. Sie setzen professionelle PR in Bezug zur Professionalität des »Produktes«, das sich hinter ihr verbirgt: Je professioneller die Verpackung, desto professioneller auch ihr Inhalt – desto eher sind die Menschen auch bereit, sich »verführen« zu lassen. Für die Bundesrepublik ist das sicherlich neu; hier herrschte traditionellerweise Misstrauen vor. In den USA und Großbritannien jedoch ist eine derartige Haltung seit längerem Teil der politischen Kultur: Ronald Reagan, Bill Clinton und Tony Blair wurden gerade für ihr Mediencharisma gefeiert.

Schröders »Glotze«: Der Medienkanzler und das Fernsehen Ein Jahr vor der Bundestagswahl 1998 standen jedem deutschen Haushalt durchschnittlich 34 Fernsehprogramme zur Verfügung. Hierzu zählen auch reine Nachrichten- und Informationskanäle wie n-tv und Phoenix. Neben einer nochmaligen Ausweitung des Angebotes an Programmen durch die Digitalisierung des Fernsehens ist auch eine Zunahme an Politikformaten feststellbar. Im Wahlkampf 2002 wurden den Zuschauern von Mai bis September knapp siebzig Stunden außerreguläre Sonderberichterstattung zur Wahl bei den vier großen Sendern ARD, ZDF, RTL und Sat.1 angeboten.20 Zählt man diese zu den regulä-

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ren Politikformaten hinzu, so ergeben sich mehr als 200 Stunden, in denen ausschließlich Politik im Fernsehen thematisiert wurde. Das Format, das bei allen Anbietern gleichermaßen einen Siegeszug feierte und heute praktisch omnipräsent ist, ist die Talkshow. Fast jeder Anbieter ist mit mehreren eigenen Polit-Talks auf dem Markt vertreten. Politische Informationssendungen müssen in einem fragmentierten und kommerzialisierten Fernsehumfeld eben auch mit der Dramaturgie von Seifenopern und Fußballspielen konkurrieren können. Der politische Talk trägt dieser Anforderung Rechnung. In Formaten wie »Sabine Christiansen« wird Politik in Form von unterhaltendem, konfliktiv garnierten Politainment verabreicht. Deshalb ist Entertainment aber auch für die strategische Ausrichtung politischer Öffentlichkeitsarbeit mittlerweile von entscheidender Bedeutung. Politische Botschaften müssen in einer – besonders bei privaten Anbietern – hauptsächlich aus Unterhaltung geprägten Programmstruktur ebenfalls unterhaltend kommuniziert werden, um sich gegen die übermächtige Konkurrenz des kurzweiligen Amüsements behaupten zu können. Vor allem die privat-kommerziellen Anbieter haben durch ihre Orientierung am Massengeschmack den Prozess einer Boulevardisierung von Politik, der bereits seit den fünfziger Jahren beobachtbar ist, erkennbar verstärkt. Gerhard Schröder war der Kanzler, der die Grenze zwischen Politik und Boulevard bisher am weitesten verschoben hat – besonders in seinem ersten Amtsjahr. Anders als noch Helmut Kohl, der in Unterhaltungsformaten ausschließlich als Sologast auftrat, besuchte Schröder auch Formate, an denen Unterhaltungsstars und -sternchen teilnahmen. Er erklärte sich sogar bereit, in fiktionalen Unterhaltungsformaten als prominenter Gastdarsteller mitzuwirken. Solche spektakulären Grenzgänge garantieren Aufmerksamkeit und stellen Nähe zu sonst unerreichbaren Wählergruppen her. Ob eine solche Form der Aufmerksamkeit positiv zu werten und langfristig zielführend ist, steht freilich auf einem anderen Blatt. Schröder hatte bereits als niedersächsischer Ministerpräsident erfolgreiche Gehversuche auf dem Boulevard praktiziert. 1993 spielte er sich selbst in Der große Bellheim, 1995 trat er gemeinsam mit seiner damaligen Frau Hillu bei »Wetten, dass …?« auf, 1997 war er Gast bei dem reinen Amüsierformat »Gottschalks Hausparty«. In der heißen Wahlkampfphase im Sommer 1998 spielte Schröder gar in Jubiläumsfolge 1500 der

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Soap-Opera Gute Zeiten, schlechte Zeiten einen Politiker auf Wahlkampftour. Sein Job war es, zufällig auf einen Polterabend zu geraten. Selbstironisch und nicht ohne schauspielerisches Talent gratulierte er: »Herzlichen Glückwunsch zur Hochzeit, ich weiß, wie schwer das ist.« Mit dieser umstrittenen Darbietung erreichte er etwa sechs Millionen Zuschauer. Der letzte große Auftritt des »Spaßkanzlers« war der 20. Februar 1999. Wiederum in der Sendung »Wetten, dass …?« präsentierte Schröder sich neben Stars wie Veronica Ferres und Harald Schmidt und degradierte sich damit selbst zum austauschbaren Nonvaleur. Am Ende der Sendung holte er in der Manier eines Butlers eine ältere Dame aus dem Publikum, öffnete ihr die Tür eines bereitgestellten Audis und chauffierte sie von der Bühne. Anschließend lud er sie in ein luxuriöses Restaurant zum Essen ein, worüber die Bild-Zeitung am nächsten Tag auf Seite eins berichtete. Damit war die Grenze dessen, was das Amt des Bundeskanzlers an Entpolitisierung erträgt, erreicht. Die Diskussion über diesen Auftritt geriet zu einem PR-Desaster. Schröder rechtfertigte sich zwar damit, dass sein Auftritt eine Bringschuld für Gottschalk gewesen sei, der sich im Gegenzug zusammen mit Boris Becker und Marius Müller-Westernhagen für eine Plakataktion des Bundespresseamtes zur Verfügung gestellt hatte. Den Imageschaden, den das Amt des Kanzlers und letztlich auch Schröder als Person erlitten, konnte er durch diese Begründung allerdings nicht wegwischen. Schröder und sein Stab zogen ihre bitteren Lehren aus der gescheiterten Strategie des »Spaßkanzlers« und änderten seine Selbstpräsentation im Fernsehen grundlegend. Eine Zusage des Regierungschefs, eine Woche nach »Wetten dass …?« in der »Harald Schmidt-Show« aufzutreten, wurde sofort kassiert. Ebenfalls abgesagt wurde sein geplanter Einsatz als Co-Kommentator eines Fußballspiels bei Sat.1. Seit Februar 1999 galten neue, strenge Richtlinien für Kanzlerauftritte im Fernsehen: Schröder besuchte nur noch Shows mit seriösem Umfeld – und unter der Bedingung, als alleiniger Gast aufzutreten.21 Auch bei der für jeden Politiker reizvollen, weil chancenreichen Präsentation im Fernsehen zeigte sich also, dass das Amt die Person prägt. Schröder musste einfach eine Kurskorrektur seiner Selbstdarstellung vornehmen: vom »Spaßkanzler« zur ernsthaften politischen Führungsfigur. »Heute ist Schröder

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Staatsmann und Asket«, schrieb die Zeit über die neue Gesetztheit des Kanzlers.22 Ein tatsächliches Novum in der Geschichte der politischen Kommunikation in Deutschland waren die Fernsehduelle 2002 und 2005. Schröder war der erste amtierende Kanzler, der dem Wunsch nach einer solchen öffentlichkeitswirksamen Auseinandersetzung zustimmte. Das erste Duell fand am 25. August 2002 statt und wurde zeitgleich von Sat.1 und RTL, das zweite am 8. September von ARD und ZDF ausgestrahlt. Beide Duelle zwischen Schröder und Stoiber waren ein gigantischer Feldversuch für Politiker, Journalisten, Berater und Kommunikations- und Politikwissenschaftler.23 41 Jahre nachdem Willy Brandt Adenauer vergeblich herausgefordert hatte, war damit ein Element des Fernsehwahlkampfs in Deutschland angekommen, das bereits in vielen anderen Ländern – beispielsweise in Frankreich, Tschechien oder Österreich – zu einem festen Wahlkampfritual geworden war. In den USA hat das Fernsehduell sogar eine Tradition, die über den Beginn des Fernsehzeitalters hinaus bis tief ins 19. Jahrhundert reicht:24 Das erste Präsidentschaftsduell fand bereits am 21. August 1858 statt. Die Kontrahenten hießen damals Abraham Lincoln und Stephen A. Douglas. Schon der Begriff »Duell« verdeutlicht, worum es sich im Kern handelt: Es geht weniger um eine inhaltliche Auseinandersetzung, sondern vielmehr um eine Schau, einen klassischen Zweikampf: Vor dem Duell gab es eine Live-Vorberichterstattung wie sonst nur bei Boxkämpfen oder Fußballspielen. Das Reglement, dem sich die Kandidaten unterwarfen, ist ein eindrucksvoller Beleg für die Anpassung der Politikvermittlung an die Funktions- und Produktionslogik von Medien: Jeder Kandidat bekam pro Antwort 90 Sekunden Zeit, pro Themengebiet waren vier Nachfragen zulässig, Antworten auf Nachfragen durften maximal 60 Sekunden dauern. Die Zeit wurde durch eine Stoppuhr gemessen. Am Ende des Duells konnte verglichen werden, wer sein Zeitkonto überzogen hatte. Die Kompetenz der politischen Akteure wurde also vor allem an ihrer Fähigkeit gemessen, sich dem rationalen Zeitkonzept des Mediums unterzuordnen. Sofort nach dem Duell wurden demoskopische Messungen durchgeführt, um zu ermitteln, wen die Zuschauer als Sieger sahen. Die Bild am Sonntag bot ihren Lesern eine hochinteressante »Checkliste« an, mit der

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jeder seinen persönlichen Sieger ermitteln konnte – hochinteressant deshalb, weil für Erfolg oder Misserfolg vor allem politikferne und dem Medium geschuldete Kompetenzen relevant waren: Blickkontakt mit den Zuschauern, Körperhaltung, Schweißbildung, Lacherfolg (!), Redezeit, Ausweichen, Versprecher, Verständlichkeit und Ausstrahlung. Lediglich das Kriterium »Kompetenz« deutete – zunächst – auf einen echten Zusammenhang mit politischer Handlungsfähigkeit hin. Aber die Erklärung, die Bild seinen Lesern gab, zeigt, dass auch hier Fernsehkompetenz gemeint war: »Wer vermittelt stärker den Eindruck, dass er sehr genau weiß, worüber er redet und dabei auch alle Fakten kennt?«25 Es war also offensichtlich gar nicht entscheidend, ob der Kanzler oder sein Herausforderer wirklich wussten, worüber sie sprachen. Entscheidend war nur, den Eindruck zu vermitteln, kompetent zu sein. Eine wesentliche Aufgabe von politischer Kommunikation im Fernsehzeitalter ist es, Eindrücke zu erzeugen und zu managen. Diese mittlerweile in Deutschland auch unter dem Begriff »Impression Management« bekannte PR-Disziplin wird zu einem immer entscheidenderen Feld jeglicher öffentlicher Kommunikation. Durch die zugespitzte Konfrontation der beiden Protagonisten stellt so ein Duell in der 2002 erstmals praktizierten Form den repräsentativen Charakter der Bundesrepublik in Frage, da es die ebenfalls an der Regierungsbildung beteiligten kleinen Parteien ausschließt und suggeriert, die Bundestagswahl sei eine Kanzler- und keine Parteienwahl. Auf der anderen Seite korrespondiert das Duell zwischen Kanzler und Kandidat aber mit der Verfassungswirklichkeit, wie sie in Deutschland spätestens seit 1961 besteht: Wahlen sind seit Konrad Adenauer immer auch Plebiszite für einen Kanzler. Positiv zu werten ist, dass von den Duellen ein gewisser Mobilisierungseffekt ausging: Jeder fünfte Zuschauer gab an, durch das Duell sei seine Motivation, wählen zu gehen, gestiegen. Für das Format spricht auch die verhältnismäßig hohe Sehbeteiligung. Vergleicht man sie allein im Gebiet der alten Bundesrepublik mit der vormaligen »Elefantenrunde«, lag die Einschaltquote der TV-Duelle jeweils etwa um eine Million über der schlechtesten Quote des alten Formates.26 Hierbei muss aber die bereits beschriebene Fragmentierung des Fernsehangebotes mit berücksichtigt werden. Gemessen daran, dass die Duelle mit unzähligen anderen, wesentlich leichter zu konsumierenden Angeboten konkurrierten, ist die Publikumsresonanz als ausgesprochen hoch einzustufen.

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Aus der Perspektive politischer Öffentlichkeitsarbeit ist ein Fernsehduell immer eine Aufwertung des Herausforderers. Es nützt ihm mehr als dem amtierenden Kanzler. Dieser kann sich durch den in Deutschland seit Adenauer üblichen Kanzlerbonus und durch sein tagespolitisches Handeln ohnehin häufig in den Medien präsentieren. Schröder hatte 2002 dem Duell mit dem Unionskandidaten zugestimmt, weil er auf seine medialen Qualitäten vertraute und sich dem bisweilen fernsehunsicheren Edmund Stoiber hier hoch überlegen fühlte. Durch seinen personalen Zuschnitt bot das Duell zudem eine strategische Möglichkeit, den Vorsprung, den Schröder während der gesamten Vorwahlzeit in der persönlichen Popularität gegenüber Stoiber hatte, auch auf einen Vorsprung seiner Partei zu übertragen. Nur so lässt sich erklären, dass die SPD das Duell als »wichtigstes Werbemittel« im Wahlkampf 2002 bezeichnete.27

Gerhard Schröder: Ein politisches Chamäleon Während seiner gesamten siebenjährigen Amtszeit zeichnete sich Gerhard Schröder auch in Bezug auf seine Selbstinszenierung – anders als Helmut Kohl – durch ein hohes Maß an Flexibilität, Wandlungsfähigkeit und Spontaneität aus. Er wechselte seine Imagestrategien häufig und verkörperte in einigen Fällen sogar sich widersprechende Images. Der einzige konstante Faktor innerhalb eines ansonsten wechselnden Imagearrangements war die Inszenierung von Authentizität. Das betraf zum einen die Betonung seiner sozialen Herkunft – der Vater war Hilfsarbeiter, die Mutter Putzfrau –, mit der er dem Gros des Wahlvolkes signalisierte, »einer von uns« zu sein. Dergleichen wird in der USamerikanischen PR-Literatur als »Plain Folks«-Strategie bezeichnet.28 Hierzu zählen zum anderen auch Schröders typischer »Kumpelton«, sein joviales Auftreten und seine betont lockeren Umgangsformen. Die Süddeutsche Zeitung verlieh ihm deshalb den Titel »Kumpel Kanzler«.29 Vollkommen Konträr zur »Plain Folks«-Strategie stehen allerdings seine Inszenierungsversuche unmittelbar nach der Amtseinführung 1998. Über ein halbes Jahr lang präsentierte sich Schröder als Hedonist und »Spaßkanzler«, der die Früchte seines gesellschaftlichen Aufstiegs

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durch das demonstrative Präsentieren von Luxus- und Statussymbolen offen zur Schau trug. Der zigarrerauchende Brioni-Lebemann, der im Hochglanzmagazin Life & Style wie ein neureicher Dandy posierte30, biss sich mit dem Kumpel von nebenan, der durch harte und ehrliche Maloche nach oben gekommen war. Dieses demonstrativ inszenierte Selbstbewusstsein korrespondierte aber in keiner Weise mit seiner offenkundigen Führungsschwäche in den ersten Monaten seiner Amtszeit. Dies sorgte für öffentliche Empörung: »Die Menschen mochten die Cohiba, den Brioni-Anzug, die unentwegt vorgetragene gute Laune – all diese Symbole unerhört leichten Lebens – nicht mehr sehen. Nicht an einem Mann, der schwere Verantwortung trägt und dabei noch schlecht regiert.«31 Die ersten Versuche Schröders, sich als Bundeskanzler darzustellen, erwiesen sich daher als äußerst kontraproduktiv. Nach immer lauter werdender öffentlicher Kritik änderte er seinen Kurs. Seitdem präsentierte er sich öffentlich nicht mehr in Luxus- oder Amüsementzusammenhängen und rauchte nur noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Typisch war auch seine Selbstdarstellung als Außenseiter im Verhältnis zu seiner Partei. Bereits vor seiner Kanzlerschaft profilierte er sich immer wieder gegen die SPD. Die von ihm während seiner ganzen Karriere verfolgte Outsider-Strategie wirkte sich besonders ertragreich im Wahlkampf 1998 aus. 1997 fanden mehrere Treffen zwischen Schröders persönlichem Wahlkampfmanager Bodo Hombach, dem damaligen SPD-Bundesgeschäftsführer Franz Müntefering und Peter Mandelson, dem Spindoctor von Tony Blair, statt. Hier brachte Mandelson den SPD-Verantwortlichen die »Third Way Strategy« nahe, aus der dann die SPD das Konzept der »Neuen Mitte« entwickelte. Für diese Strategie war Gerhard Schröder einfach der passendste Kandidat, weil er als SPD-Außenseiter auch von eher rechts von der Partei stehenden Bevölkerungsgruppen wählbar war. Später gehörte zu dieser OutsiderStrategie das demonstrativ gepflegte Image der Wirtschaftsfreundlichkeit. Schröder galt zumindest phasenweise als »Genosse der Bosse«, Dieses Teilimage inszenierte er im Laufe seiner Kanzlerschaft mit unterschiedlichen Akzentuierungen: Durch seine Nähe zum VolkswagenKonzern galt er als »Autokanzler«, als Kanzler der Innovationen. Ende der neunziger Jahre fand er Gefallen an der aufkommenden, neuen Wirtschaft und sah hier eine große Chance. Er besuchte medienwirksam

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viele Unternehmen der damals boomenden »New Economy«. Wirtschaftsfreundlichkeit wurde in dieser Phase vor allem durch Innovationsfreundlichkeit kommuniziert. Der »Innovationskanzler« kam neben dem »Auto-Kanzler« als weitere Facette hinzu. Als die »New Economy« ab dem Jahr 2000 in eine tiefe Krise geriet, aus der sie sich erst heute langsam erholt, änderte Schröder seine Strategie. Jetzt wandte er sich verstärkt der »Old Economy« zu, eröffnete deutsche Edelstahlwerke und Chemiefabriken im Ausland. Außerdem gab sich Schröder – mit starker Unterstützung der BildZeitung – das Image des »Basta-Kanzlers«, der durch persönliche Machtworte öffentlich in den Politikprozess eingriff. Der Clou am Instrument medialer Machtworte ist, dass so auch konkretes politisches Entscheidungshandeln mediengerecht personalisiert wird: Der Kanzler sagt, wo’s langgeht. Konflikte innerhalb des Regierungsapparates wurden häufig nicht mehr in internen Gremien gelöst, sondern unmittelbar von Schröder persönlich durch Machtwortkommunikation über die Medien entschieden. Er nutzte Medien in dieser Form als persönliches Führungsinstrument, mit dem er seine Koalition disziplinierte, und verlieh sich so eine »Aura von modernem Heldentum«32 und die Anziehungskraft des Einzelkämpfers. Ein weiterer Imageaspekt der Personalisierungsstrategie ist der »Chefsachen-Mythos«, durch den sich der Kanzler als aktiver »Macher« darstellte. Immer wieder während seiner Amtszeit überraschte Schröder die Öffentlichkeit durch persönliche Einzelaktionen auf der operativen Detailebene des politischen Tagesgeschäfts: Er engagierte sich persönlich im Insolvenzverfahren der Philipp Holzmann AG und bei der geplanten Schließung des Werkes Ammendorf des Schienenfahrzeugherstellers Bombardier, entwickelte die Idee einer Greencard für ausländische Computerspezialisten, brachte den Begriff »Eliteuniversität« in der Diskussion um die Bildungsreform ins Gespräch. Besonders die vermeintliche Rettung des Holzmann-Konzerns am 24. November 1999 mit Schröders öffentlichem Auftritt in Frankfurt war ein Akt symbolischer Imagepolitik, der ihm kurzfristig beträchtliche Prestigegewinne einbrachte. Sein Medienpopulismus war aber im eigentlichen Sinn keine Strategie, weil er weder ein langfristiges Ziel verfolgte noch zu einem übergeordneten Konzept passte. Die Philipp Holzmann AG musste am 21. März 2002 endgültig Insolvenz anmelden. Die vermeintliche

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Rettungsaktion erwies sich im nachhinein als Bumerang: »Wieso hilft der Kanzler dort und bei uns nicht?« Mit dieser Frage sah sich Schröder nach seinem einmaligen Vorpreschen im Anschluss immer wieder konfrontiert. Zusammengehalten wurden die verschiedenen Imagekomponenten Schröders durch seine demonstrative Überparteilichkeit. Er war der erste Regierungschef seit Erhard, dem in der Qualitätspresse das Attribut »Volkskanzler« verliehen wurde33. Während Erhards »Volkskanzlerschaft« jedoch auf dessen parteipolitische Ferne und Intellektualität zurückgeführt wurde, handelte es sich bei Schröders Distanz zur Parteipolitik um eine machtpolitisch wohlkalkulierte Variante seines Regierungsstils. Einen derartigen, präsidentiellen Stil haben wir aber bereits bei mehreren anderen Kanzlern in unterschiedlicher Justierung kennen gelernt. Er ist kein neues Phänomen. Eine klar auf Gerhard Schröder zugeschnittene personalisierte Wahlkampfstrategie lässt sich erst für den Wahlkampf 2002 ausmachen. Schröders berühmte Formel »Ich oder er!« stellte die denkbar knappste Verkürzung von Politik auf das Duell zweier Personen dar. Vor allem das polarisierende Imageprofil des Herausforderers Edmund Stoiber, das stark an seinen Ziehvater Franz Josef Strauß erinnerte, der 1980 Deutschland ähnlich in Lager spaltete, und die im Vergleich zu ihm positiveren Sympathiewerte Schröders boten eine Personalisierung des Kanzlerwahlkampfs 2002 an. Der Wahlkampf 1998 war demgegenüber entgegen einer weit verbreiteten Meinung strategisch ausdrücklich nicht als »Schröder pur«Wahlkampf angelegt34 – allein schon deshalb nicht, da es sich damals um eine Doppelspitze, zusammen mit dem damaligen Parteivorsitzenden und heutigen Schröder-Intimfeind und Linkspartei-Frontmann Oskar Lafontaine handelte. Entsprechend war die strategische Wahlkampfplanung nicht allein auf die Person Schröders, sondern auf die Partei und die Mannschaft ausgerichtet. Aus diesem Grund gab es während des ganzen Wahlkampfes auch Differenzen zwischen dem Leiter der »Kampa«, Matthias Machnig, und Schröders Kandidatenteam in Hannover, das eine stärkere Kandidatenzentrierung forderte, weil Schröder in Niedersachsen mit dieser Strategie bereits Wahlen gewonnen hatte. Dies zeigt, dass neben Medienaspekten nach wie vor politi-

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sche Konstellationen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob ein Wahlkampf monopersonal geführt wird oder nicht. Dennoch wurde noch nie so vehement eine Amerikanisierung und Personalisierung diskutiert wie bei der Wahl 1998. Uli Gleich konnte in seiner Studie zum Thema Wahlkampfkommunikation aufzeigen, dass Fernsehzuschauer eine personalisierte gegenüber einer inhaltsbezogenen Darstellung von Politik bevorzugen, weil diese besser erinnert werden kann und ein höheres emotionales Involvement bietet.35 Aufgrund ihrer Orientierung am Publikumsgeschmack präferieren auch Fernsehjournalisten eine personenorientierte Berichterstattung. Dies deutet darauf hin, dass diese Wahrnehmung vor allem aufgrund der personalisierten Berichterstattung der Medien, nicht aber aufgrund der strategischen Wahlkampfkonzeption selbst geprägt wurde. Es wäre deshalb äußerst aufschlussreich, im Rahmen einer empirischen Untersuchung mittels einer Cluster-Analyse zu überprüfen, wie sich die Wahrnehmung von Wahlkämpfen zwischen bevorzugt zeitungslesenden und bevorzugt fernsehschauenden Rezipienten unterscheidet. Das prägende Meta-Image Schröders bleibt jedoch bis heute das des »Medienkanzlers«. Ähnlich einstimmig, wie die meinungsführenden Medien bei Helmut Schmidt immer wieder auf das Image des »Krisenmanagers« abheben, ist Schröder – obwohl er seinen Umgang mit Medien erkennbar veränderte – im Bewusstsein der veröffentlichten Meinung weiterhin der »Meister der Inszenierung«.36

Außenpolitik als Ventil fürs Wählergemüt In der öffentlichen Wahrnehmung spielte Gerhard Schröder als Außenpolitiker zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Obwohl Deutschland im ersten Halbjahr 1999 die EU-Ratspräsidentschaft innehatte, standen zunächst Außenminister Joschka Fischer und Verteidigungsminister Rudolf Scharping aufgrund des alles überlagernden Kosovokrieges im Mittelpunkt der medialen Aufmerksamkeit. Zwischen Schröder und seinem Vizekanzler bestand seit Beginn der rot-grünen Regierung eine konstante Rivalität um mediale Aufmerksamkeit. Schröder bemühte sich deshalb, außenpolitische Entscheidungskompetenzen an seine Person

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zu binden. So versuchte er etwa im Oktober 2000, durch eine NahostReise sein außenpolitisches Profil zu schärfen. Aber auch hier blieb Fischer bis in die letzen Tage der rot-grünen Koalition der etablierteste deutsche Akteur. Schröders Europa-Initiative im Mai 2001, mit der er Vorschläge zur institutionellen Weiterentwicklung der europäischen Union machte, wurde in der internationalen Presse vor allem als sein Versuch gewertet, aus dem Schatten seines Außenministers herauszutreten. Parallel hierzu muss Fischers viel beachtete Berliner »HumboldtRede«37 gesehen werden, mit der er seinerseits ein europapolitisches Konzept – die Fokussierung auf »Kerneuropa« – vorlegte. Eine außenpolitische Profilierung gelang Schröder erst im Spätsommer 2002. Der drohende Irakkrieg veranlasste ihn zu einer Neupositionierung der deutschen Außenpolitik, die im In- wie im Ausland auf großes öffentliches Echo stieß: Deutschland stellte sich im Bündnis mit anderen europäischen Nationen gegen die Pläne der Vereinigten Staaten. Diese Neupositionierung fand mitten im Bundestagswahlkampf statt, wurde aber nach der gewonnenen Wahl fortgesetzt und medial kommuniziert. Vor allem die von Schröder erstmals bei einer Wahlkampfkundgebung am 5. August 2002 in Hannover benutzte Formel des »deutschen Weges« sorgte für großen Widerhall. Ausgerechnet in der Bild-Zeitung erläuterte er am 8. August: »Das Deutschland, für das ich arbeite, ist ein stolzes, ein solidarisches Land. […] Ich nenne es ›unser Deutschland‹. […] Unser Deutschland vertraut auf seine eigene Kraft. […] Unser Deutschland genießt Respekt und Ansehen in der Welt. Weil wir Partner und Vorbild sind. […] Und weil wir deshalb unsere nationalen Interessen nicht verstecken müssen. Das ist unser deutscher Weg.«38 Damit verlieh Schröder der deutschen Außenpolitik eine vorher nicht gekannte, nationale Akzentuierung. Er wandte sich mit seinem »deutschen Weg« an eine breite Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt, als seine Wiederwahl ernsthaft gefährdet schien. Durch die von ihm über die Medien vorgetragene, dramatische Zuspitzung auf die beiden Pole USA und Deutschland – auch hier lässt sich wieder die typische, von den Medien geliebte »Duellsituation« erkennen – gelang es ihm, die bestehende Themenagenda zu verändern. Beherrschten bis zum August 2002 Fragen der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik die Berichterstattung, dominierte jetzt neben der Oderflut der drohende Irakkrieg. Schröder schaffte es, mit seiner proklamativen Ablehnung der

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amerikanischen Kriegsvorbereitungen die Themenführerschaft zu erlangen und die für ihn negativ belegten innenpolitischen Themen in die zweite Reihe der öffentlichen Wahrnehmung zu drängen. Zugleich verschaffte er sich aber auch auf internationaler Bühne Prestige bei denjenigen Nationen, die sich ebenfalls gegen den Kurs der USA wandten. Deutschland sah sich zeitweise sogar in einer Art unausgesprochener Allianz mit Russland und China gegen die USA. Am 5. September 2002 forderte Schröder in einem Interview der New York Times ultimativ: »Hands off«39 – Hände weg vom Irak. Deutschland nahm so kurzfristig die Führungsrolle als Gegenmacht zu den USA ein. Die mediale Profilierung des Kanzlers im Zusammenhang mit dem Irakkrieg muss als eine Hochphase von Public Diplomacy gedeutet werden, bei der in starkem Maße über die Medien anstatt über diplomatische Kanäle Einfluss auf das multilaterale Stimmungsklima genommen wurde. Sein »hands off« erinnert an die Dramaturgie eines amerikanischen Western: Schröder gegen Bush. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2005 griff der Kanzler das überaus erfolgreiche Irakmotiv in seiner Wahlkampfrhetorik erneut auf und benutzte die Außenpolitik wiederum als Ventil für das innenpolitisch arg strapazierte Gemüt der Wähler. Diesmal ging es um das Nachbarland des Irak, den Iran, und dessen im Aufbau befindliches Atomwaffenarsenal. Wiederum stellte sich Schröder gegen die USA und lehnte eine militärische Lösung des Atomstreits strikt ab. Er profilierte seine Partei so abermals als Garant für den Frieden und lenkte geschickt von der innenpolitischen Malaise ab. Nach seiner Wiederwahl im Jahr 2002 setzte Schröder den eingeschlagenen, amerikaskeptischen Kurs weiter fort. Vor allem die deutschfranzösische Freundschaft als entscheidende Gegenachse zur Weltpolitik der Regierung Bush war seitdem das Zentrum der außenpolitischen Profilierung Schröders. Immer wieder inszenierten er und Jacques Chirac demonstrativ ihre Verbundenheit in Akten symbolischer Politik – sei es beim 40. Jubiläum des Elysée-Vertrages am 22. Januar 2003 (zwei Tage nachdem die beiden Außenminister Joschka Fischer und Dominique de Villepin im UN-Sicherheitsrat gegen die USA Position bezogen hatten), sei es am 60. Jahrestag der alliierten Landung in der Normandie am 6. Juni 2004. Mit Gerhard Schröder nahm, auf ausdrücklichen Wunsch von Jacques Chirac, erstmals ein deutscher Kanzler an den DDay-Feiern teil.

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Schröders Metamorphose: Vom »Medienkanzler« zum vermeintlichen »Medienopfer« Die vielfach zitierte »Berliner Runde« vom 18. September 2005 ist nicht nur ein Beleg für Schröders Versuch, in der historischen Situation eines Patts der beiden großen Volksparteien an die Stelle der Parteiendemokratie tatsächlich das Prinzip einer plebiszitären, personengebundenen Mediendemokratie zu setzen. Sie ist auch das psychologische Abziehbild eines Politikers, der virtuos mit den Medien spielte und sie bisweilen instrumentalisierte, solange sie seinen Aufstieg erleichterten, der aber am Ende, als sich viele auch ihm wohlgesonnene Redaktionen von ihm abwandten, vom »Medienkanzler« zum vermeintlichen »Medienopfer« mutierte. Diese Metamorphose hat mit Sicherheit viele, die von der schönen, neuen Mediendemokratie und ihren modernen Wanderpredigern verzückt waren, auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet der »Medienkanzler« keine adäquaten Techniken und Mittel fand, die Stimmung in den Redaktionen wieder zu seinen Gunsten zu drehen und die Journalisten erneut von seiner Person zu überzeugen. Im Gegenteil: Schröder zeigte sich in dem Moment, als sich das Medienklima gegen ihn wendete, in offenkundiger Weise höchst dünnhäutig, sensibel und letztlich wenig geschickt. Er provozierte, düpierte, griff Journalisten an und brachte sie so noch mehr gegen sich auf. Ein Paradebeispiel dafür ist die »Berliner Runde«, in der Schröder von Beginn an nicht nur den Konflikt mit dem politischen Gegner, sondern auch mit den Studioredakteuren suchte. Ein vollkommen emotionalisierter Noch-Bundeskanzler ließ kaum eine Gelegenheit aus, seine Gegenüber an der Grenze des Aggressiven stetig grinsend zu provozieren. Wie er das Gespräch durch seine aggressive Kommunikation dominierte, zeigt bereits sein Auftaktgefecht mit ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender. Brender: »Herr Bundeskanzler …« Schröder (provozierend): »Schön, das Sie mich schon so ansprechen …« Brender: »Sind Sie schon zurückgetreten, oder …? Also ich sage noch einmal: Herr Bundeskanzler. Das sind Sie ja noch …« Schröder: »Und das bleibe ich auch, Herr Brender, auch wenn Sie dagegen arbeiten …« Brender (sichtlich irritiert): »Ob wir dagegen arbeiten? … Sie sprachen von

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Medienmacht und Medienkampagne …« Schröder: »Ja, zu Recht, wie ich finde …« Brender: »Ich weise darauf hin, dass der ARD und dem ZDF das nicht vorzuwerfen ist …« Schröder (grinsend): »Der eine sieht es so, der andere sieht es so, Herr Brender …«40 Es scheint ganz so, als wurde Schröder wie dereinst der Zauberlehrling die Geister, die er selbst gerufen hatte, nicht mehr los. Dass das kumpelhafte Miteinander von Politik und Medien letztlich nicht viel mehr war als eine naive Träumerei vom Paradiese auf beiden Seiten, zeigt sein Umgang mit kritischer Berichterstattung. Die Medienkonzerne Springer und Bauer ergriffen 2002 klar Partei für Schröders Herausforderer Edmund Stoiber. 2004 bedachten die Titel dieser Verlage den Kanzler und sein Kabinett wochenlang mit einer Kanonade von Angriffen und Enthüllungen, die auch Schröders Privatleben nicht ausklammerte. Daraufhin rief er in einer internen SPD-Fraktionssitzung zum Informationsboykott gegen den Springer-Verlag auf. Der Tagesspiegel, dem Details der Sitzung zugetragen worden waren, zitierte Schröder mit den Worten: »Ich erwarte von euch, dass ihr mit denen nicht mehr redet.«41 Drei Wochen später ließ Schröder über Regierungssprecher Anda mitteilen, er werde der Bild-Zeitung künftig keine Interviews mehr geben. Außerdem sei es fraglich, ob der Kanzler noch Redakteure von Bild, Stern und Welt auf seinen Auslandsreisen dulde. Anda stellte dann in einem Interview mit dem Magazin »Monitor« diese Maßnahmen schließlich in einen direkten Bezug zur kritischen Berichterstattung der betroffenen Medien über den Kanzler. Mit diesem wenig ausgegorenen Vorgehen löste Schröder einen nahezu einhelligen Sturm der Entrüstung aus. Selbst politisch links stehende Blätter, die sich wie etwa die taz bis dato nicht an der Schröder-kritischen Berichterstattung beteiligt hatten, solidarisierten sich jetzt mit den Springer-Titeln in einem offenen Brief an den Vorsitzenden der Bundespressekonferenz. Sie sahen durch den Boykottaufruf und die ihn tragenden Motive die Pressefreiheit in Deutschland bedroht. In der Vergangenheit hatte Schröder bereits dem Fernsehsender RTL wegen dessen Satire-Format »Wie war ich, Doris?« mit juristischen Schritten und Interviewboykott gedroht. Außerdem ließ sich der Kanzler in dieser für ihn ohnehin auch politisch krisenhaften Phase dazu herab, gegen Medien, die über seine angeblich gefärbten Haare berichtet hatten, auf Unterlassung zu klagen. Dies

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wurde so wiederum selbst zu einem großen und wochenlang anhaltenden Medienthema, das Schröder erheblichen Schaden zufügte. Der Tenor der Berichterstattung des Frühjahrs 2004 hob darauf ab, dass ausgerechnet dieser Kanzler, der die Presse meisterhaft für seinen politischen Aufstieg instrumentalisiert hatte, nun die Pressefreiheit in Frage stellte, sobald diese in seinem Beziehungsspiel nicht mehr die ihr zugewiesene Rolle spiele. Die taz sprach vom »Ende des Medienkanzlers«,42 die Süddeutsche Zeitung diagnostizierte: »Der Medienkanzler Gerhard Schröder entzaubert sich selbst – er bekämpft das System, das ihn groß gemacht hat.«43 Diese Konstellation weist starke Parallelen zu Willy Brandt auf, der ebenfalls zunächst – besonders von Springer – aufgebaut und dann auch von ihm bis dato wohlgesonnenen, linksliberalen Medien wie dem Spiegel genussvoll demontiert wurde. Auch das Beispiel Helmut Kohls lässt sich heranziehen, bloß in umgekehrter Entwicklungslinie. Während Kohl in der ersten Hälfte im Umgang mit Medien unsicher und ängstlich agierte, bevor er als unerschütterliches Denkmal seiner selbst alle kritischen Fragen an sich abprallen ließ, trat Schröder zunächst als Virtuose an, landete dann aber, zunehmend dünnhäutig geworden, im Lager der vermeintlich Verfolgten. Insgesamt zeigten sich Kanzler und Regierungssprecher in diesen turbulenten Februar- und Märzwochen 2004 wenig souverän und professionell, bisweilen sogar überfordert. Auch Schröder hat wohl in diesen Tagen erkannt, dass die Medien einer eigenständigen Funktionslogik folgen, die eine einseitige Instrumentalisierung ausschließen. Wieder einmal offenbarte sich, dass ein rein auf die Medien gestütztes Regieren in Deutschland nicht möglich, dass die These eines Systemwechsels von der Kanzler- zur Mediendemokratie zumindest hoch fragwürdig ist. Die Wandlung Schröders vom Medienkanzler zum Medienkritiker und zeitweise sogar -boykotteur zeigt, dass nicht nur die Person das Amt prägt, sondern auch das Amt die Person. Schröder konnte seinen nonchalanten Umgang mit den Medien nach dem Motto »Promote yourself!« als Kanzler nicht durchhalten. Umgekehrt fand er aber – besonders in der Endphase seiner Kanzlerschaft – kein professionelles Mittel, um das schlechte Meinungsklima positiv zu beeinflussen, sondern brachte durch seine zum Teil rabiate Rhetorik die Medien weiter gegen ihn auf. Die entscheidenden Systembestandteile im Bezie-

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hungsspiel von Politik und Medien sind konstant geblieben. Im entscheidenden Moment folgen beide ihrer eigenen Professionslogik.

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Interview mit Uwe-Karsten Heye Uwe-Karsten Heye (*1940) war von 1974 bis 1979 Pressereferent und Redenschreiber bei Willy Brandt. 1990 wurde er Staatssekretär und Regierungssprecher in Niedersachsen bei Ministerpräsident Gerhard Schröder, von 1998 bis 2002 arbeitete er als Staatssekretär und Regierungssprecher der Bundesregierung unter Kanzler Schröder. Von 2003 bis 2005 war Uwe-Karsten Heye Generalkonsul in New York. Brauchte Medienkanzler Gerhard Schröder eigentlich einen Sprecher? U WE -K ARSTEN H EYE : Jetzt müssen wir uns erst einmal darauf verständigen, was ein Medienkanzler ist. Das reduziert sich doch meist am Ende darauf, dass Schröder augenscheinlich keine Schwierigkeiten hatte, sich souverän in den Medien zu bewegen und sich an die Erfordernisse des jeweiligen Mediums anzupassen. Da er aber auch nicht überall und gleichzeitig zur Verfügung stehen konnte, brauchte er natürlich jemanden, der interpretatorisch oder durch eigene Wahrnehmung darüber informieren konnte, was der Kanzler denkt, welche Projekte und Programme er verfolgt. Und das aus nächster Nähe. Aus einem Kontext heraus, der deutlich macht, dass der Sprecher das Ohr des Kanzler hat. Das ist die Voraussetzung für denjenigen, der den Job des Regierungssprechers macht. Das Pressekorps muss wissen, dass da jemand sehr authentisch das Denken des Regierungschefs vermitteln kann. Sie sagen, Schröder war eloquent und souverän in den Medien. Vielfach hört und liest man jedoch auch den Vorwurf, Schröder habe als erster Kanzler die Grenze zwischen Politik und Boulevard verschoben und einer Boulevardisierung von Politik in den Medien, etwa durch seine Auftritte bei »Wetten, dass …?« oder »Gute Zeiten, schlechte Zeiten«, verschoben … Dass sich die mediale Präsenz von Helmut Schmidt und Gerhard Schröder unterscheidet, liegt schlicht daran, dass sich die Senderanzahl vervielfacht hat. Mein Vorgänger Klaus Bölling hatte es da insofern leichter, als es zu seiner Zeit zwei überregionale Fernsehprogramme gab und der Rundfunk nach wie vor eine tragende Bedeutung in der Informationshierarchie hatte. Das hat sich völlig verändert. Deswegen sind solche Vergleiche auch schwierig. Es ist nicht der Kanzler, der sich mediengerecht verhält, vielmehr hat die neue Vielfalt der Medien auch

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ganz neue Gesetzmäßigkeiten und Anforderungen geschaffen, denen die Politik in einer gewissen Weise folgen muss, wenn sie sich vermitteln will. Eine Politik, die sich nicht vermitteln will, findet nicht statt. Es ist sicherlich unstrittig, dass sich die Medienlandschaft in Deutschland gravierend verändert hat. Aber haben sich denn auch die Mechanismen politischer PR geändert? Der von Ihnen zitierte Klaus Bölling hatte bereits in den sechziger Jahren vor einer zunehmenden Boulevardisierung der politischen Kommunikation gewarnt … Politik als Unterhaltung ist ein Phänomen, das nicht von der Politik hergestellt worden ist, sondern das sich aus der Veränderung der Medienlandschaft ergeben hat – nämlich aus der wachsenden Konkurrenzsituation. Selbst die qualitativ immer noch hochstehenden Nachrichtenformate der öffentlich-rechtlichen Sender sind ja nicht völlig frei von solchen Tendenzen. Auch in ARD und ZDF ist das Element der Unterhaltung und damit letztlich der Boulevardisierung der Politikvermittlung gar nicht zu bestreiten. Das ist ein Teil der Situation. Es wäre fatal, wenn man diese Entwicklung der Politik anlasten würde. Politik muss sich aber zweifelsohne jeder Art von Veränderung des Informationsverhaltens stellen. Von daher war der einzige Besuch Schröders solch einer populären Sendung wie der von Thomas Gottschalk ein Zeichen dafür, dass man dies als Ausnahme einmal tun kann. Es ist ja auch die große Ausnahme geblieben. Ich glaube nicht, dass dies ein Beleg dafür ist, dass Schröder sich den Spielregeln des Unterhaltungsjournalismus unterworfen hätte. Haben Sie nach dem Auftritt Schröders bei »Wetten dass …?« die Richtlinien für die Fernsehauftritte des Kanzlers überdacht? Nein, habe ich nicht. Wurde mir das unterstellt? Ja, das wird aus verschiedenen Quellen so berichtet. Es geht hierbei vor allem um angefragte Auftritte des Kanzlers bei Harald Schmidt und als Co-Kommentator eines Fußball-Bundesligaspiels. Angefragt war der Kanzler natürlich tausendfach. Aber Gottschalk war sicherlich ein Einzelfall. Die beiden sind persönlich befreundet, und irgendwann hat Schröder seinem Freund Thomas Gottschalk nachgegeben und dem Auftritt zugestimmt. Es gibt eben auch in der Politik Elemente, die mit dem rein professionellen Abwägen zwischen richtig oder

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falsch nichts zu tun haben. Natürlich habe ich ihm zu jedem dieser Auftritte entweder zu- oder abgeraten. Ich brauchte ihn allerdings nicht davon zu überzeugen, dass es nicht sinnvoll sei, sich als Bundeskanzler auf die Ebene eines Sportreporters zu begeben. Der Sender hätte das natürlich gerne gehabt, das ist klar. Man darf den Wünschen der Medien immer nur insofern nachzukommen, wie es für das jeweilige Amt sinnvoll und angemessen ist. Die Politik ist natürlich darauf angewiesen, sich auf eine Weise zu vermitteln, die die komplizierten Sachverhalte des politischen Alltags zu den Menschen transportiert. Es gibt Politiker, die können das besser, und solche, die können das schlechter. Gerhard Schröder gehört sicherlich zu den Ersteren. Sie sagen, manche vermögen dies besser als andere. Was für einen Eindruck haben Sie denn von der Medienkompetenz der neuen Kanzlerin, auch und gerade im Vergleich zum »Medienkanzler« Schröder? Ein solcher Vergleich ist sicherlich schwierig und nur partiell möglich. Es ist insbesondere in der Politikvermittlung ein großer Unterschied, ob der Kanzler – oder die Kanzlerin – an der Spitze einer »Großen Koalition« oder einer Koalition aus einem großen und einem kleineren Partner steht. Beides erfordert einen jeweils anderen Führungsstil. Insofern musste und konnte Gerd Schröder öffentlich anders agieren als Angela Merkel heute. In einer Koalition mit großem und kleinerem Partner, bei der Ihnen im Parlament meist eine nahezu gleichstarke Opposition gegenüber sitzt, sind andere Methoden nötig, um die eigene Politik zu popularisieren. In der »Großen Koalition« kommt es hingegen vor allem auf eine nichtöffentliche, fein zisellierte Führungsarbeit an. Öffentlich auf den Tisch zu hauen, ist in einer solchen Konstellation praktisch nicht möglich. Denn Sie wissen nie genau, wo der Tisch steht. Vor diesem Hintergrund macht es meiner Meinung wenig Sinn, einen Vergleich zwischen Gerhard Schröder und Angela Merkel zu versuchen. Ich glaube, ein solcher Vergleich würde beiden nicht gerecht werden. Besonders der SPD-Wahlkampf 1998 gilt als amerikanischer Wahlkampf. Hier wird immer wieder die Kampa als »Mutter« der modernen Kampagnenführung genannt. Waren Sie auch in diese Aktivitäten involviert? In die Kampa war ich involviert, weil ich von Hannover aus Schröders Interessen innerhalb des Wahlkampfteams 1998 vertreten habe. Es ist

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meist in Unkenntnis der wirklichen Situation in Amerika behauptet worden, wir hätten die Kampa nach dem Vorbild amerikanischer Wahlkämpfe nachempfunden. Das stimmt höchstens teilweise – nämlich nur insoweit, wie wir die Kampa durch ihre Organisation und Struktur auf die Schnelligkeit moderner Medien und moderner Wahlkampfkommunikation ausgerichtet haben. Durch die Auslagerung der Wahlkampfplanung war es schneller möglich, auf den politischen Gegner einzugehen. Also: Wo wechselt der Gegner das Thema, wie können wir über ein Thema die Deutungshoheit gewinnen, wo drohen wir sie zu verlieren und müssen einen tagesaktuellen Akzent setzen? Die Kampa 98 stand vor allem für einen Stilwechsel: Die betulichen Wahlkämpfe der Vergangenheit, bei denen das Wahlkampfteam einmal in der Woche zusammenkommt und schaut, wie es so läuft, gehören in einer modernen, von schnellen und vielfältigen Massenmedien geprägten Gesellschaft der Vergangenheit an. Wo dreizehn oder vierzehn Fernsehsender täglich mit mehreren Kamerateams auf der Suche nach möglichst exklusiver Information sind, hat dies zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Wahlkampfkommunikation. Umgekehrt erkennen Sie die Veränderung natürlich auch bei den Redaktionen selbst. Ich möchte es einmal die »journalistische Tagesnervosität« nennen, die von einer Stunde zur anderen neue Sensationen sucht, die am Abend dann aber schon wieder veraltet und vergessen sind. Der Druck, möglichst exklusiv berichten zu müssen, schlägt sich auch in einer Tendenz zur Skandalisierung von Themen nieder. Jemand, der einen modernen Wahlkampf zu führen hat, muss die Arbeitsweise in den Redaktionen natürlich stets mitbedenken und in sein öffentliches Handeln mit einbeziehen. Die Kunst ist es, den sich verändernden Berichterstattungsstil der Medien so vorausschauend einzukalkulieren, dass die eigene ursprüngliche Botschaft am Ende an diesem Wiedergabestil nicht völlig zerschellt. Die »Tagesnervosität der Medien« gilt vielen aber doch gerade auch als Leitmotiv von Gerhard Schröder. Er ist häufig – mitunter als Vorwurf, mitunter getragen von Faszination – als »Tageskanzler« bezeichnet worden, der eine sensible Sensorik für die tagesaktuelle Medien- und Stimmungsagenda besaß und sich entsprechend am Pulsschlag dieser Agenda orientierte. Am prominentesten vielleicht ist diese These vertreten worden von Richard Meng, dem Berlin-Korrespondenten der Frankfurter

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Rundschau. Stichworte wären hier zum Beispiel die Holzmann-Krise, die Greencards für indische Informatikexperten, die Eliteuniversität usw. Das ist – speziell bei Meng – eine Fehleinschätzung, die er nie kritisch hinterfragt und überwunden hat. Ich sehe ihm zwar nach, dass er mittlerweile nicht mehr von dieser These abrücken kann. Das ist aber der Versuch, die Aufgabe und Wirkung von Medien in eine falsche Richtung umzuleiten. Konkret gesprochen: Schröder hat nie in das Bild gepasst, das Richard Meng von ihm hatte. Auch ich habe Gerhard Schröder so nie gesehen. Wenn dieses Bild richtig wäre, würde dies die Enteignung von Politik, den Verlust des politischen Handlungsspielraums bedeuten. Alle diese Bereiche, die Sie aufzählen, waren reale, gesellschaftliche Konfliktlagen, auf die die Politik eine Antwort geben musste. Das gilt für Holzmann, wo das Management eklatante Fehler begangen hatte, das gilt für die geradezu fahrlässige Weise, mit der die deutsche Wirtschaft den Wechsel zu einer elektronischen, weltumspannenden Vernetzung der Arbeitswelt verschlafen hat. Hier war die Politik gezwungen, eine Antwort zu geben. Im Fall Holzmann ist Schröder das Thema ja förmlich von den Mitarbeitern aufgedrängt worden. Nein, das hatte mit medialem Kalkül absolut gar nichts zu tun. Das hatte einzig und allein etwas mit realen, gesellschaftlichen Konfliktlagen zu tun. Solche realen Krisensituationen fordern die politische Aufmerksamkeit. Das hat ganz konkret etwas mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit durch die handelnden Akteure zu tun. Nun können Sie mir viel erzählen. Aber dass die Medien Institutionen wären, die Wirklichkeit wahrnehmen, das ist – mit Verlaub – das letzte, woran ich bei Medien denke. Von Ausnahmen abgesehen, reagieren Medien auf Entscheidungen der Politik. Und erst im Nachhinein wird darüber nachgedacht, ob die politischen Entscheidungen mit den dazugelieferten Begründungen im Einklang stehen oder nicht. An diesem Punkt ist mediale Kontrolle unendlich wichtig und notwendig. Aber Medien sind nicht diejenigen, die den Dschungel der Weltprobleme mit der Machete begehbar machen. Mit einer solchen Rolle wären Medien völlig überfordert. Wo sehen Sie dann Ansatzpunkte, wie Politik und Medien wieder in ein nüchterneres, weniger von Tagesaufgeregtheit geprägtes Verhältnis zueinander gelangen können?

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Die Politik muss sich gegenüber den Medien so etwas zurückerobern wie Entscheidungsgeschwindigkeit. Bei einer immer komplexer werdenden Welt werden die Antworten natürlich auch komplexer. Das bedeutet aber zugleich, dass politische Entscheidungen in einem immer kürzeren Rhythmus der Evaluation bedürfen: War die Entscheidung richtig, hat sie die Wirkung erzielt, die wir kalkuliert hatten, oder muss sie revidiert werden? Dieser Prozess, der meist unter dem abwertenden Stichwort »Nachbesserung« diskutiert wird, wird in der modernen Politik einen immer breiteren Raum einnehmen. Die spannende Frage ist, ob die Qualitätsmedien in Deutschland in der Lage sein werden, sich ihrerseits von der gefährlichen Selbstwahrnehmung zu lösen, dass sie diejenigen seien, die den Rhythmus und den Inhalt von Veränderungen in der Gesellschaft bestimmen. Wenn Kommentatoren aus Verbitterung darüber, dass ihre sicherlich redlichen und lange durchdachten Lösungsansätze nicht von der Politik aufgegriffen werden, behaupten, dies sei die größte Schwäche der Politik, dann ist das aus meiner Sicht eine Verkennung ihrer Aufgabe. Medien haben eine Kontrollfunktion, ja. Es ist aber nicht ihre Aufgabe zu glauben, sie hätten die jeweils wichtigsten politischen Themen und zugleich auch noch die zugehörenden Lösungen in petto. Ein Paradebeispiel hierfür ist doch die Berichterstattung über den letzten Bundestagswahlkampf. Dort haben bestimmte Kommentatoren und Medien geglaubt, sie wüssten bereits lange vorher sehr genau, wer am Ende der Gewinner ist. In diesem Moment haben sich die Medien doch von der Wirklichkeit völlig abgekoppelt. Die entscheidende Frage ist für mich: Wie können die Medien sich wieder auf ihre eigene Rolle zurückbesinnen und sich von solchen Selbstüberschätzungen lösen? Denn diese wachsende Selbstüberschätzung vieler Medien führt in der Tat zu einer verstärkten Boulevardisierung der Berichterstattung. An dieser Stelle muss die Politik aufpassen, dass sie nicht durch mediale Totschlagargumente bewegungsunfähig wird und jede Art von notwendiger Veränderung als Gemeinheit gegen das Publikum uminterpretiert wird. Das ist ein Teil des Problems, das wir in vielfältiger Weise auch intern immer wieder diskutiert haben. Vergleicht man Ihre Ausführungen bis hierher mit dem, was über Bundeskanzler Schröder öffentlich bekannt ist, erscheint es so, als ob auch Schröder diese Problematik erst erkennen musste und einen deutlichen Wandel durchlaufen hat. Wir alle

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erinnern uns noch an den gerade neu im Amt befindlichen Kanzler, der von »Bild, BamS und Glotze« als seinen zentralen Instrumenten der Öffentlichkeitsarbeit sprach. Ab 2004 war dann aus seinem Mund immer öfter von Medienmacht und Medienkampagne zu hören. Wie passt das zusammen? Na ja, dass man sich im Amt verändert oder auch noch mal verändern muss, das erscheint mir ziemlich klar. Die Situation hat sich für Schröder doch relativ schnell signifikant geändert: der Eintritt in den Kosovokrieg, dann der 11. September und der Eintritt in den Afghanistankrieg, schließlich der Irakkrieg. Wenn ich alleine nur die außenpolitischen Akzente dieser sieben Jahre anschaue, wird deutlich, was sich über diesen Zeitraum verändert hat und notwendigerweise auch zu einem Nachdenken über mögliche Fehleinschätzungen geführt hat. Nein, ich wäre eher enttäuscht gewesen, wenn der Gerhard Schröder von 1998 noch 2006 derselbe gewesen wäre. Eine letzte Frage an den erfahrenen Journalisten und politischen Beobachter Heye: Fünfzig Jahre politische PR in der Bundesrepublik. Was sind für Sie die essentiellen Veränderungen von Adenauer bis heute? Die Welt hat sich nicht nur zu ihrem Guten verändert, das kann man ja nicht gerade sagen. Aber sie hat sich verändert. Die essentiellste Veränderung ist meiner Ansicht nach politischer Natur: nämlich das Ende der bipolaren, in ein kapitalistisches und ein sozialistisches Lager gespaltenen Welt. Und mit diesem Wandel einher geht eine Digitalisierung der Medienlandschaft. Hierdurch wird die Möglichkeit des ganzheitlichen Denkens aufgelöst durch »Häppchenjournalismus«. Vom Theaterprogramm bis zum Kinderprogramm, vom Kinderprogramm bis zum Wirtschaftsprogramm: Jede Sparte ist heute medial vertreten. Nichts ist mehr in einen großen Zusammenhang eingebettet. Alles steht nebeneinander oder gegeneinander. Das ist, glaube ich, eine große Gefahr. Wir müssen aufpassen, dass ein ganzheitlicher Blick auf die Veränderungen trotz ihrer Schnelligkeit nicht verloren geht. Wir dürfen uns nicht in Segmenten verirren. Herr Heye, ich danke Ihnen für dieses Gespräch. Darmstadt/Berlin, am 21. September 2006, Telefoninterview

Angela Merkel – Ein Ausblick

Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel mit 397 der 611 gültigen Stimmen der Abgeordneten des 16. Deutschen Bundestages zur Bundeskanzlerin gewählt. Seither wird Deutschland zum ersten Mal in seiner Geschichte von einer Frau regiert. Angela Merkel ist die achte und jüngste Amtsinhaberin der Bundesrepublik. Die meisten Deutschen haben sich mittlerweile problemloser als zuvor erwartet daran gewöhnt, es mit einer Regierungschefin zu tun zu haben, aber im Ausland sorgt Angela Merkel nach wie vor für Aufsehen: Zahlreiche Porträts und Berichte, die einem männlichen Kanzler in dieser Form sicherlich nicht gewidmet worden wären, beschäftigen sich mit der »Frau aus dem Osten«. Das US-Magazin Forbes kürte Merkel im September 2006 gar zur »mächtigsten Frau der Welt«. Die Außenministerin der Vereinigten Staaten, Condoleezza Rice, musste sich mit Platz zwei begnügen, die chinesische Vizepräsidentin Wu Yi mit Rang drei. »In ihrer kurzen Amtszeit hat Merkel internationale Spitzenpolitiker wie Tony Blair und George W. Bush mit ihrem Charme beeindruckt«, begründete das Magazin seine Entscheidung, Merkel, die im letzten Jahr noch gar nicht in der Rangliste auftauchte, gleich auf Platz eins zu setzen.1 Heute ist es sicherlich noch verfrüht, Merkels Kommunikationsstil und Umgang mit den Medien aus historischer Perspektive vollständig und hinreichend würdigen zu wollen. Immerhin demonstriert sie im neuen Amt eine bemerkenswerte Lernfähigkeit. Zu diesem Schluss kommt auch Lothar Rolke, Professor für Unternehmenskommunikation an der Fachhochschule Mainz, in einer aktuellen Studie: Nach Einschätzung deutscher Bundestagsabgeordneter macht Merkel die beste Presseund Öffentlichkeitsarbeit aller deutschen Politiker. Bei einer Befragung von 119 Parlamentariern bescheinigten ihr das nicht nur die CDU/ CSU-Volksvertreter, die sie zu 80 Prozent vorne sahen; von den Abge-

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ordneten der anderen Parteien waren es immerhin noch 44 Prozent.2 Der vorläufige Befund: »Während Gerhard Schröder sich zum Medienkanzler ausrufen ließ, hat sich Angela Merkel diese Rolle angeeignet, ohne viel Aufsehen zu erregen.«3 Die Öffentlichkeitsarbeit Merkels ist von einer professionellen Nüchternheit geprägt. Die Kanzlerin umgibt sich mit einem Team, das ebenso schnörkellos, pragmatisch und unprätentiös agiert, wie die studierte Physikerin selbst.

Merkels Medienimage: Antiheldin oder kühle Strategin? Angela Merkels Gespür für Macht ist heute vielleicht der wichtigste Bestandteil ihres Medienimages. Die Medien fasziniert an dieser Frau vor allem ihr für die bundesrepublikanische Parteienlandschaft ungewöhnlicher und scheinbar kometenhafter Aufstieg innerhalb der politischen Klasse. Merkel hat es – aus der alten DDR stammend – in nur fünfzehn Jahren im vereinten Deutschland vom Niemand zum Jemand geschafft. Innerhalb der traditionsbewussten, tief im Westen verwurzelten CDU folgte sie Männern wie Konrad Adenauer, Ludwig Erhard, Kurt Georg Kiesinger, dem kürzlich verstorbenen Rainer Barzel und Helmut Kohl ins Amt des Parteivorsitzenden. Sie ist nach Kiesinger die erste Kanzlerin, die sich mit der undankbaren Aufgabe konfrontiert sieht, eine Elefantenkoalition beider großen Volksparteien zu führen. Schon im Vorfeld der Kabinettsbildung unkten die Wortführer des Koalitionspartners drohend, der Kanzler einer großen Koalition könne nicht auf der Richtlinienkompetenz beharren. Die Konstellation, die der Wähler der Politik vorgegeben hat, bietet also kaum Spielräume für knallige Machtworte. Prompt wurde Merkel – ähnlich wie Kiesinger – bereits nach wenigen Monaten eher als Moderatorin denn als starke Führerin wahrgenommen. Unter dem steten Zwang zum Kompromiss zwischen zwei annähernd gleich starken Parteien sind ihre Spielräume zur Entwicklung eines eigenen Profils viel kleiner als bei ihren vier Vorgängern, die es jeweils mit einem kleinen Koalitionspartner zu tun hatten. Zudem muss sie – entschieden mehr

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als Kiesinger – die Landesfürsten ihrer eigenen Partei einbinden und in Schach halten, da sich im Laufe der Jahrzehnte der Bundesrat immer mehr zu einer Arena bundespolitischer Interventionen entwickelt hat. Betrachtet man unabhängig von der parteipolitischen Konstellation Merkels bisherigen Weg, ist es erstaunlich, dass sie die Tore zur Macht scheinbar gegen alle Regeln der Mediendemokratie mit einer praktisch nicht vorhandenen Selbstinszenierung aufgestoßen hat. Selbst als sie 2005 endlich von CDU und CSU zur Kanzlerkandidatin nominiert wurde und sich in einem kurzen, aber harten Wahlkampf dem medienversierten Gerhard Schröder stellen musste, hielt sie an ihrer »Nichtinszenierung« fest. Spiegel-Redakteur Dirk Kurbjuweit beschreibt dies so: »Angela Merkel will einfach nicht aufhören, sperrig zu sein, nicht einmal im Wahlkampf. Sie macht weiter wie gewohnt, redet tranig, lächelt verrutscht und wirkt wie ein ewiger Widerspruch zur Mediendemokratie.«4 Merkel ist scheinbar eine »Antiheldin« der Mediendemokratie. Erst als Ministerin, dann auch als CDU-Generalsekretärin scherte sie sich selten um die zwar oberflächlichen, aber gleichsam als Erfolgsfaktoren allgemein bekannten und deshalb für erfolgsorientierte Menschen geltenden Spielregeln einer von flüchtigen Eindrücken und kurzfristigen Impulsen geprägten Gesellschaft. Es schien so, als ob es ihr vollkommen gleichgültig sei, welches Bild sie von sich abgibt und welche Eindrücke sie beim Publikum durch ihr Auftreten hinterlässt. Sie legte über weite Strecken ihrer Politkarriere kaum Wert auf Äußerlichkeiten. In diesem Punkt zeigte sie sich schon als junge Ministerin unter Altkanzler Kohl völlig beratungsresistent. Gerd Langguth beschreibt in seiner aufschlussreichen, weil von kritischer Distanz getragenen Merkel-Biographie, wie ihre Mitarbeiter sie immer wieder dezent darauf hinwiesen, dass Kleidung, Frisur und Styling doch auch und gerade für Politiker entscheidende Imagefaktoren seien. Der einzige Erfolg dieser Bemühungen lag in gelegentlichen Besuchen eines Frisörs in Troisdorf bei Bonn.5 Gerade dieses »Anti-Image« Merkels scheint den Menschen besonders im Gedächtnis zu haften. Untersuchungen zum Beispiel des Media Tenor bringen immer wieder zu Tage, dass sich der größte Teil der zu Merkel befragten Personen nicht spontan zu politischen Inhalten äußert, sondern zu äußeren Merkmalen wie ihrer eigenwilligen Frisur – die sogar von einer Autovermietung zu Werbezecken thematisiert wurde –

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und ihrer Kleidung. Lange Zeit waren weite Faltenröcke und wallende Oberteile das beschmunzelte Markenzeichen der politischen Newcomerin. Es ist deshalb kaum verwunderlich, dass die Medien ein Negativbild von Merkel zeichneten: graue Maus, uninteressant, kein eigenes Profil, geschmackloser Kleidungsstil, unvorteilhafte Frisur. Erhard Neubert, DDR-Bürgerrechtler und Mitbegründer des Demokratischen Aufbruchs, Merkels erster parteipolitischer Heimat, charakterisiert die heutige Kanzlerin so: »Sie kam als graue Maus, war unscheinbar bis zum Gehtnichtmehr, aber wo immer ein Vakuum entstand, füllte sie es mit ihrem Naturtalent für Politik.«6 Die Diskrepanz zwischen Merkels praktisch nicht vorhandener Selbstinszenierung und ihrem von allen Beobachtern gleichermaßen attestierten politischen Talent war offenbar stets ihr entscheidendes Ass im Ärmel. Über all die Jahre, in denen sich die unscheinbare Frau akribisch, zielgerichtet und Schritt für Schritt an die Macht gearbeitet hat, wurde sie von Freund wie Feind systematisch unterschätzt. Beschäftigt man sich ein wenig intensiver mit ihrem Weg an die Spitze, gilt dies mit Sicherheit auch für ihren Umgang mit den Medien. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich nämlich, dass Merkel in entscheidenden Momenten sehr wohl in der Lage war, die Medien für ihre Ziele einzusetzen und mit ihnen taktisch und strategisch klug zusammenzuarbeiten. Ihr Aufstieg war auch ein Aufstieg mit Hilfe einer cleveren Informationspolitik. Am 22. Dezember 1999 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ein Artikel mit der Überschrift »Die von Helmut Kohl eingeräumten Vorgänge haben der Partei Schaden zugefügt«. Autorin des Gastbeitrags zur CDU-Spendenaffäre war zur Überraschung vieler: Angela Merkel. Der Text verursachte in der Republik ein politisches Erdbeben. Ihr mittlerweile berühmter Artikel, in dem sie sich auch für den damaligen Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble überraschend, persönlich und im Namen der CDU von Partei-Übervater Kohl distanzierte, war nicht nur eine unüberhörbare Wortmeldung einer machtbewussten Politikerin, sondern – in der Rückschau – auch der Anfang vom Ende des damaligen Interimsvorsitzenden. Offenbar muss Merkel zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels bereits bekannt gewesen sein, dass Schäuble im Zusammenhang mit der CDU-Spendenaffäre ebenfalls verwundbar war. Mindestens eine Hunderttausend-Mark-Spende hatte Schäuble nämlich selbst vom Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber

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entgegengenommen, dies allerdings gegenüber der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt gegeben. Merkel hatte Schäuble nicht über ihren öffentlichen Vorstoß in der FAZ informiert. Helmut Kohl wiederum ging aber davon aus, dass eine für die CDU derart folgenreiche und prominent platzierte, öffentliche Äußerung nicht ohne Kenntnis und Autorisierung des Parteivorsitzenden möglich war. Der Altkanzler vermutete deshalb als eigentlichen Initiator des Artikels Schäuble selbst. Er begann nun seinerseits, öffentlich und hinter den Kulissen sein nach wie vor funktionierendes Netzwerk gegen seinen Nachfolger zu mobilisieren und ihn mit bislang verborgenen Details öffentlich zu kompromittieren, wo es nur ging. Der in der deutschen Nachkriegsgeschichte in Stil und Heftigkeit einmalige Machtkampf zweier ursprünglich befreundeter und mittlerweile auch persönlich unüberwindbar entzweiter Männer hatte am Ende eine Nutznießerin: Angela Merkel. Nachdem Schäubles Kontakt zu Schreiber bekannt wurde, trat der ehemalige Kronprinz Kohls am 16. Februar 2000 als Partei- und Fraktionsvorsitzender der CDU zurück. Höchst aufschlussreich ist das Zustandekommen des Artikels, der den Stein ins Rollen brachte: Merkel-Biograph Gerd Langguth zufolge entstand der Text, der soviel politischen Sprengstoff enthielt, auf persönliche Initiative Merkels und nicht etwa auf Anfrage der FAZ.7 Die damalige Generalsekretärin soll einen Tag vor Veröffentlichung den Berliner Parlamentskorrespondenten Karl Feldmeyer angerufen und ihm einen Gastbeitrag zum Spendenskandal angeboten haben. Fünf Minuten, nachdem Feldmeyer zugesagt hatte, glitt der fertige Artikel bereits aus dem Redaktionsfax. Merkel hatte diesen Beitrag also bereits fix und fertig in der Schublade. Die Veröffentlichung muss demnach bewusst kalkuliert gewesen sein. Sie verfehlte ihren Effekt nicht: Am 10. April 2000 wurde Angela Merkel als erste Frau Parteivorsitzende der CDU. Sie hat auf dem Weg dorthin sowohl ihren »Entdecker« und Förderer Helmut Kohl als auch den Mann, der sie zur Generalsekretärin der Union gemacht hatte, Wolfgang Schäuble, auf der Strecke gelassen. Seither macht in der Union das böse Wort vom »Vatermord« die Runde. Sein »Mädchen«, wie Kohl die junge Angela Merkel einst nannte, hatte gezeigt, dass sie nicht nur in der Lage, sondern auch bereit war, durch eine geschickte Kommunikationspolitik in einer krisenhaften Situation

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die Gunst der Stunde zu nutzen und ihren Ziehvater und dessen Kronprinzen zu opfern. Die Physikerin hatte sich offenbar nicht nur mit Marie Curie, sondern auch mit Niccolò Machiavelli beschäftigt. Nach dem von ihr ganz maßgeblich mitinitiierten Bruch der CDU mit Helmut Kohl war es Merkel in ihrer Rolle als neue Parteivorsitzende, die schnell erkannte, dass einem personellen auch ein kommunikativer Neuanfang folgen muss. Um die »neue CDU« auch kommunikativ zu vermitteln, wechselte sie die jahrzehntelang für die Union tätige Agentur von Mannstein gegen die international operierende Netzwerkagentur McCann Erickson aus, die auch die Kampagne 2005 für die CDU werblich gestaltete. Merkel galt schon als CDU-Chefin als besonders aufgeschlossen gegenüber neuen Medien. Ihre Vorliebe für schnelle Kommunikationsinstrumente wie den Short Message Service (SMS) ist mittlerweile bekannt und bietet immer wieder Anlässe der Berichterstattung. Wenn ihr ein Mitarbeiter eine SMS schickt, muss er selten länger als zwei Stunden auf eine persönliche Antwort warten. Auch die Art der Kommunikation ist bei Merkel eben sachorientiert. Schnelle, informelle Medien wie SMS verschaffen ihr einen Zeitvorsprung gegenüber formaler Kommunikation. Ihre Technikaffinität beweist sie auch mit der allerneuesten Errungenschaft ihres Sprechers Ulrich Wilhelm: Merkel ist von allen Regierungschefs weltweit die erste, die einen eigenen Video-Podcast anbietet. Podcasts sind kleine, mehr oder minder regelmäßig ins Internet gestellte Film- oder Tondokumente, die von dort heruntergeladen und auf dem heimischen Computer betrachtet bzw. angehört werden können. Merkel informiert einmal in der Woche die deutsche Internetöffentlichkeit mit einem kurzen Video über ein aktuelles Thema und die jeweilige Motivation der Bundesregierung. Das »Angela-TV« im Netz mutete anfangs noch wie eine wöchentliche Neujahrsansprache an. Von mal zu mal wirkt die Kanzlerin jedoch in diesen Kurzclips gelassener. Ideengeber und Produzent der ersten acht Videos war Wolfang Stock, geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsagentur RCC Public Affairs, der sich bereits im Jahr 2000 durch eine Merkel-Biographie im Umfeld der Kanzlerin bekannt gemacht hatte.8 Für Irritationen sorgte allerdings die kurzfristige Neuvergabe des Produktionsauftrags an die Agentur Evisco, in deren Vorstand auch der Schwiegersohn des bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber, Jürgen Hausmann, sitzt. Insbesondere die

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Tatsache, dass an der Spitze des auftraggebenden Bundespresseamtes mit Ulrich Wilhelm der ehemalige Sprecher von Stoiber steht, sorgte für einen faden Beigeschmack der ansonsten innovativen Idee. Die VideoPodcasts bieten der Kanzlerin eine Möglichkeit, ohne redaktionelle Interventionen von Journalisten direkt in die Wohnstuben der Deutschen zu kommunizieren. Richtig eingesetzt überbrückt das Medium die Distanz zwischen Kanzlerin und Wahlvolk. Gerade für die bei Fernsehauftritten mitunter kühl wirkende Merkel ist Podcasting eine zusätzliche Option, sich gut vorbereitet in Szene zu setzen, ohne mit unvorgesehenen Zwischenfällen umgehen zu müssen. Der erste Videoclip, den das Merkel-Team ins Netz stellte, wurde nach Angaben des Bundespresseamtes 230.000 mal heruntergeladen. Mittlerweile hat sich die durchschnittliche Nutzung auf einem Niveau zwischen 10.000 und 35.000 Zugriffen pro Woche eingependelt.

»Angie, Angie, when will those clouds all disappear?« – Der Wahlkampf 2005 und Angela Merkels Inszenierung der Nicht-Inszenierung Der Wahlkampf zur vorgezogenen Bundestagswahl im September 2005 war kurz und hart. Schröders Ankündigung im Mai, so bald wie möglich Neuwahlen anzustreben, hatte Freund und Feind überrascht. Es gab für alle Parteien wenig Vorbereitungszeit, so dass vielfach auf Altbewährtes anstatt auf Innovatives zurückgegriffen wurde. Trotz der teilweise eiligen Improvisation sprachen die Medien auch bei diesem Wahlkampf wiederum in Superlativen von dem Medienwahlkampf schlechthin. So wiederholte Helmut Herles im Bonner Generalanzeiger die Charakterisierung, die schon bei so vielen Wahlkämpfen in Deutschland benutzt wurde: »Noch niemals ist ein Wahlkampf derart über die Medien geführt worden.«9 Das Wahlergebnis für die CDU/CSU war – gemessen an dem immensen Vorsprung, den ihr noch wenige Tage vor der Wahl alle relevanten Medien und Meinungsforschungsinstitute attestiert hatten – enttäuschend. Unter der Führung von Merkel kamen die Unionsparteien

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lediglich auf magere 35,2 Prozent: vier Sitze mehr im Bundestag als die Sozialdemokraten. Schröder hatte es auf den letzten Metern vor dem Ziel geschafft, den seit Monaten anhaltenden Abwärtstrend in der Wählergunst zu stoppen und seiner Partei immerhin 34,2 Prozent der Wählerstimmen zu sichern. Möglicherweise ein Mitgrund für das unerwartet schlechte Abschneiden der CDU/CSU war die nach wie vor zu schwache persönliche Ausstrahlungskraft Merkels. Unbestritten veränderte die Kanzlerkandidatin im Wahlkampf ihr Auftreten. Merkel machte deutliche Zugeständnisse an die Mediengesellschaft und ihr Bedürfnis nach medientauglichen Identifikationsfiguren, konnte aber dennoch ihr Antiimage nicht vollständig ablegen. Eine neue Frisur, ein dezentes Make-up, Lidschatten, klassische Hosenanzüge, Lächeln vor den Kameras – all das war die Öffentlichkeit bislang nicht von ihr gewohnt. Trotz dieser äußerlichen Anpassung an die Wünsche und Bedürfnisse einer medialisierten Öffentlichkeit hatte und hat Angela Merkel erkennbare Schwierigkeiten bei der Entwicklung eines persönlichen, unverwechselbaren Profils. Erschwerend kommt die politische Gesamtsituation hinzu, die Merkel als Kanzlerin einer Großen Koalition kaum mehr Rollen bietet als die der besonnenen Moderatorin. Merkel orchestriert die Medien nicht in der Bandbreite, die wir von Gerhard Schröder gewohnt waren, sondern hält an ihrer zurückhaltenden, schörkellosen, pragmatischen und unprätentiösen, bisweilen aber eben auch unterkühlten Art fest. Sie trennt nach wie vor strikt Privates und Politisches und gibt wenig bis gar nichts Persönliches von sich preis. Dadurch wird sie häufig als distanziert wahrgenommen. Nicht zufällig ist »sachorientiert« das Attribut, das mittlerweile am häufigsten mit der Kanzlerin verbunden wird. Mit Problemlösungskompetenzen die Köpfe der Menschen anzusprechen, ist die eine Seite der Medaille. Wer Vertrauen und Akzeptanz erwerben und erhalten will, muss aber auch die Herzen der Menschen gewinnen. Das Image der »Physikerin der Macht«10 ist imposant, aber eben wenig attraktiv. Es taugt kaum, um sich mit der Person Merkel zu identifizieren. Professionelle Nüchternheit erzeugt keine Reibung. Dies ist vielleicht eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale zu Altkanzler Schröder: Für Schröder gab es – zumindest was seine Selbstdarstellung anbelangt – praktisch keine erkennbare Trennung zwischen Privat und Politik. In seinem bisweilen mit der Macht kokettierenden

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Auftreten war der Kanzler authentisch. Er bezog sein Privatleben ganz bewusst in seine Inszenierungen mit ein. Augenscheinlichster Ausdruck dieses fundamentalen Unterschiedes ist der vollkommen andere Umgang der beiden Kanzler mit ihren Ehepartnern. Während Angela Merkel und Joachim Sauer sich – ausgenommen von einigen wenigen, streng ausgewählten Terminen wie den Bayreuther Wagner-Festspielen – nie gemeinsam öffentlich präsentieren und der Öffentlichkeit auch praktisch nichts über Merkels zweiten Ehemann bekannt ist, war Doris Schröder-Köpf nicht von der Seite ihres Gatten wegzudenken. Sie positionierte sich sogar öffentlich zu politischen Themen wie der Kindererziehung und bezog im Bundeskanzleramt ein eigenes Büro. Im Fernsehduell gegen Angela Merkel gab Schröder ein öffentliches Liebesbekenntnis zu seiner Frau ab – wohl auch, um sich gezielt von der in derartigen Fragen verschlossen wirkenden Merkel klar abzuheben. Und wer erinnert sich nicht an die Geschichten um Schröders russisches Adoptivkind, die auf der ersten Seite der Bild-Zeitung als Aufmacher kolportiert wurden? Derartige Ausleuchtungen des Privaten wird man bei Merkel wohl nie erleben. Der Spiegel veröffentlichte im Oktober 2005 sein großes Merkel-Porträt unter der Überschrift »Die Fremde«11 und konstatierte: »Den Bürgern, die sie regieren soll, ist sie bisher ein wenig unheimlich geblieben.« Diese Zuschreibung ist für eine Kanzlerin eines von einer dispersen Massenöffentlichkeit geprägten Landes ein klares Manko. Seit der Ära Adenauer, seit sich in Deutschland Öffentlichkeit über freie, miteinander konkurrierende Medien herstellt und die Gesellschaft sich über eine immer komplexere Welt nur noch mittelbar, nämlich über Medien »ein Bild« machen kann, sind politische Führer auf medienvermitteltes Vertrauen und Sympathie angewiesen. Sympathie und Vertrauen erhalten sie durch persönliche Identifikationsangebote an ihr Publikum. In anonymen Gesellschaften, in denen politische Sachverhalte für den Einzelnen kaum mehr durchschau- und verstehbar sind, wollen die Menschen sich mit ihren politischen Führern identifizieren. Sie wollen wissen, wer sie regiert. Die Identifikation mit der Person, das vermeintliche Kennen und damit auch Vertrauen, lindert die Unsicherheit gegenüber den komplexen Inhalten – ein zentrales Prinzip der deutschen Kanzlerdemokratie.

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Bisher hat Angela Merkel nur wenige solcher Identifikationsangebote gemacht. Eines der raren Beispiele, bei denen sie Emotionen und persönliches Erleben gezielt eingesetzt hat und zuließ, ist eine Rede im November 2004 vor dem CSU-Parteitag in München. Dort berichtete Merkel sichtlich bewegt, dass ihre Familie ihre aus Hamburg stammende Großmutter am Bahnhof Friedrichstaße, dem »Tränenpalast«, verabschieden musste, ohne zu wissen, ob man einander im nächsten Jahr wiedersehen würde. In dieser Rede gab Merkel erstmals ein Stück von ihrer privaten Lebensgeschichte preis und zeigte auf einer für sie wichtigen öffentlichen Veranstaltung Gesicht. In scharfem Kontrast dazu steht jedoch Merkels Antwort auf die Frage einer britischen Journalistin, die nach ihren Gefühlen fragte, nachdem ihre Ernennung zu Deutschlands erster Kanzlerin unverrückbar feststand: »Frau Merkel, Sie werden jetzt Bundeskanzlerin: Wie fühlen Sie sich?« Merkel: »Erstens, es geht mir gut. Zweitens, ich glaube, dass sehr, sehr viel Arbeit vor uns liegt.« Eine dänische Kollegin insistierte: »Sind Sie glücklich? Come on!« Es wäre ja ganz schlimm, antwortete Merkel verlegen, wenn sie jetzt griesgrämig wäre.12. Die ganze Woche über war daraufhin zu lesen, Merkel zeige selbst in einer historischen Stunde keine Gefühle, sie sei kalt. Im Radio wurden immer wieder zum Ulk die Sätze der Kanzlerin in spe gesendet. Merkel spricht nicht gerne über sich selbst. Dabei könnte sie ihre Vita als Heldenepos erzählen: die Unbekannte aus dem Osten, deren steiler Weg bis in den deutschen Politolymp gegen jede Wahrscheinlichkeit verlief, stets unterschätzt, schließlich – nach hartem Ringen mit ihren Rivalen – die Krönung: die Kanzlerschaft. Daraus ließe sich etwas machen. Aber Merkel ist – anders als Schröder – keine Geschichtenerzählerin. Schröder schrieb selbst in seinen letzten Amtstagen, als er schon auf Abschiedstournee durch Deutschland reiste, noch an seinem Kanzlerepos. Als Abschiedsmelodie spielte das Stabsmusikkorps auf seinen Wunsch beim Großen Zapfenstreich I did it my way. Dem Kanzler flossen die Tränen der Rührung über das Gesicht. Bei seiner letzten Rede vor dem IGBCE-Gewerkschaftskongress in Hannover trieb er mit seinem Bekenntnis zu seiner Herkunft selbst hartgesottenen Gewerkschaftsfunktionären das Wasser in die Augen: »Ich weiß, wo ich herkomme, ich weiß, wo ich hingehöre. Ich möchte gerne in eurer Mitte, in

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unserer Gemeinschaft bleiben.« Und schließlich: »Ich setze jetzt mal die Brille auf. Das Fernsehen muß ja nicht alles sehen.«13 Obwohl die öffentliche Inszenierung von Emotionen nicht zu Merkels Repertoire gehört, wollte die CDU bei der Wahl 2005 ausgerechnet mit Hilfe einer auf ihre Person zugeschnittenen Personalsierungsstrategie Wähler mobilisieren. Die »Angie-Kampagne«, permanent unterlegt mit dem Ohrwurm Angie der Rolling Stones, passte, abgesehen von den depressiven Avancen des Songtextes, auch nicht recht zur Kandidatin. Ungezwungene Spontaneität gehört zumindest bei öffentlichen Auftritten von Angela Merkel eher selten zu ihren Stärken, und auf die »Angie, Angie«-Rufe der Parteibasis reagierte sie oft verlegen. Dies alles heißt jedoch nicht, dass Merkel sich nicht inszeniert, im Gegenteil. Ihr engstes Team und sie präsentieren die tägliche Arbeit vor allem durch eine demonstrative Nichtinszenierung, die Teil ihrer Politik geworden ist: sachorientiert, pragmatisch, geräuschlos. Merkel selbst spricht zum Beispiel gerne bei öffentlichen Terminen von der vielen Arbeit, die noch zu erledigen sei, um sich anschließend zu verabschieden. Sie wolle »Deutschland dienen«, hatte Merkel zu Beginn ihrer Amtszeit gesagt, als sei sie, wie es Helmut Schmidt einst formulierte, die erste Angestellte des Staates. Im Vergleich zum Vorgänger Schröder, der auch als Kanzler ein virtuoser Selbstdarsteller blieb, ist dies ein deutlicher Stilwechsel: nach der Lyrik nun die Prosa.

Merkels Girls and Boys: Die entscheidenden Berater hinter der neuen Kanzlerin »Angies Girls Camp« – dieser Ausdruck ist mittlerweile zum Allgemeingut der Medienberichterstattung geworden. Bereits seit Jahren versammelt Merkel in ihrer engsten Umgebung eine Reihe ambitionierter Frauen. Großen – wenn nicht den größten – Einfluss auf die Kanzlerin übt ihre langjährige Büroleiterin und Vertraute Beate Baumann aus. Das Politikmagazin Cicero veröffentlichte 2004 ein Porträt über die ansonsten eher öffentlichkeitsscheue Frau unter der unzweideutigen Überschrift »Merkels Baumann«.14 Das Porträt erschien unmittelbar neben einer

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Vorstellung von Merkel-Ehemann Joachim Sauer. Diese Platzierung drückt bereits den Stellenwert Baumanns für die Kanzlerin aus. Die beiden bilden seit 1993 ein fest eingespieltes Gespann, das ideal, nahezu symbiotisch aufeinander eingestimmt ist. In jenem Jahr holte die damalige Bundesministerin für Frauen und Jugend die 1963 in Osnabrück geborene Baumann als persönliche Referentin nach Bonn. Baumann ist der heutigen Kanzlerin auf allen Stationen auf dem Weg zur Macht gefolgt, war persönliche Referentin der Generalsekretärin, Leiterin des Büros der Parteivorsitzenden und schließlich Büroleiterin der Kanzlerin Merkel. Baumann ist auch in Fragen der Öffentlichkeitsarbeit und des Auftretens der Kanzlerin eine ihrer wichtigsten und engsten Ratgeberinnen. Bekannt sind ihre Versuche in »Gebärdendolmetschen«, wenn sie auf Pressekonferenzen mit zeichensprachlichen Hinweisen versuchte, Merkel bei dem gerade Gesagten zu bestärken oder sie von einem Thema abzubringen. Sie hat ihre Zuarbeit im Hintergrund auf das einzige Ziel ausgerichtet, ihre Chefin so zu präparieren, dass sie Erfolg hat, und sich selbst bedingungslos an die Kanzlerin gebunden. Dafür steht ihre Aussage, dass sie nur so lange Politik mache, wie Angela Merkel Politik mache. Wenn für ein Mitglied des unmittelbaren Stabes der Begriff der »grauen Eminenz« zutrifft, dann für Baumann. Wie groß ihr Einfluss ist, zeigt ihre Funktion im Wahlkampf 2002, als sie zusätzlich Leiterin der Stabstelle Wahlkampf, Politische Planung, Strategie wurde und damit als kommunikative Schnittstelle zwischen Merkel und Kanzlerkandidat Stoiber fungierte. Ein weiteres, zentrales Mitglied im Girls Camp ist Merkels langjährige Pressesprecherin Eva Christiansen. Die große blonde Frau, die bei jeder Pressekonferenz neben Merkel am Pult stand, war lange Zeit die zentrale Koordinatorin der politischen PR der heutigen Kanzlerin, hat sich allerdings zugunsten ihres neugeborenen Kindes aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen. Hinter den Kulissen agiert die Mitdreißigerin jedoch weiterhin als eine zentrale Medienberaterin von Merkel. Beispielsweise ist sie maßgeblich an der redaktionellen Ausgestaltung der neuen Video-Podcasts beteiligt. Ähnlich wie Beate Baumann ist auch die ehemalige Parteisprecherin Christiansen vor allem Merkel persönlich verpflichtet. Gerade in den Monaten der CDU-Spendenaffäre bewies sie ihr großes Geschick im Umgang mit den Medien und agierte auch unter

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größter Anspannung im Hintergrund präzise und zuverlässig. In Berlin wird mit einer gewissen Spannung erwartet, wann und in welcher Weise Christiansen wieder in Merkels Team eingebaut wird. Zu den engsten Beraterinnen der Kanzlerin gehören außerdem die ehemalige Vorsitzende der Jungen Union, Hildegard Müller, sowie die heutige Bildungsministerin Annette Schavan und die Vorsitzende der Frauen-Union, Maria Böhmer. Aber Merkels Mannschaft besteht keinesfalls nur aus Frauen. Die neue zentrale Figur in der Medienarbeit der Kanzlerin ist beispielsweise ein Mann: Ulrich Wilhelm. Mit der Berufung ihres Regierungssprechers landete Merkel einen echten Überraschungscoup. Nachdem im Vorfeld Namen wie »ZDF heute«-Moderator Peter Hahne gehandelt wurden, berief Merkel ausgerechnet den ehemaligen Chef-Kommunikator von Edmund Stoiber, ihrem unionsinternem Rivalen um die Kanzlerkandidatur 2002, in ihren engsten Zirkel. Von 1998 bis Dezember 2003 leitete Wilhelm die Abteilung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Bayerischen Staatskanzlei. Auch während des Wahlkampfes 2002 war er der Regierungssprecher des Unions-Kanzlerkandidaten. 2003 wechselte Wilhelm ins bayerische Wissenschaftsministerium. Dort hat er als jüngster Amtschef aller Zeiten die bayerische Hochschulreform entscheidend mitgestaltet. Wilhelms Biographie hält vieles bereit, was bereits bei anderen Kanzlersprechern als zentrale Erfolgsfaktoren skizziert wurde: Er erhielt seine Ausbildung an der renommierten Deutschen Journalistenschule in München und arbeitete als Journalist beim Bayerischen Rundfunk. Er kennt also das Geschäft der Medien sehr genau und weiß, wie Redakteure denken. Ob er das uneingeschränkte Vertrauen Merkels genießt – neben journalistischer Berufserfahrung ein weiteres zentrales Erfolgselement der besten deutschen Regierungssprecher –, wird sich erst noch zeigen müssen. Die Medien lobten die Berufung Wilhelms bereits als einen neuen, strategisch klugen Schachzug des »Machtmenschen« Angela Merkel. Einen engen Stoiber-Vertrauten zum obersten »Herold« der Politik der Großen Koalition zu bestellen, immunisiere Merkel praktisch gegen Kritik aus Bayern, kommentierte beispielsweise die Financial Times Deutschland die überraschende Entscheidung: »So wird sich der Beinahe-Bundeswirtschaftsminister [Stoiber] nach seinem Rückzug nach München schwerer tun, im Stil eines Franz Josef Strauß gegen die ›Nichtskönner‹ in Preußen zu sticheln.«15

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Ein wichtiger, eher hinter den Kulissen agierender Berater von Merkel in Medienfragen ist Willi Hausmann. Bereits 1991 berief sie ihn als Staatssekretär in ihr damaliges Ressort, das Ministerium für Frauen und Jugend. Bis 2003 war Hausmann Bundesgeschäftsführer der CDU. Eigentlich bereits im Ruhestand ließ er sich von Merkel jedoch noch einmal für den Wahlkampf 2005 einspannen, bei dem er die Kandidatin insbesondere auf das Fernsehduell mit Gerhard Schröder vorbereitete. Hausmann hatte sich schon in seiner Zeit als Bundesgeschäftsführer Autorität bei Merkel verschafft und galt neben Baumann und Christiansen als einer der einflussreichsten Einflüsterer der Parteichefin. Sein Können bewies Hausmann während der Wahlkämpfe in SchleswigHolstein (Februar 2005) und Nordrhein-Westfalen (Mai 2005). Er bereitete die Unions-Kandidaten Peter Harry Carstensen und Jürgen Rüttgers auf ihre Fernsehduelle vor und organisierte vor allem in SchleswigHolstein im Hintergrund das Wahlkampfteam. Einen weiteren Hinweis auf Merkels wichtigste Berater bietet ein Blick auf ihre Morgenrunde. Auch die erste Frau an der Spitze der Regierung setzt diese Tradition fort. Außer Kanzleramtschef Thomas de Maizière ist Merkels Büroleiterin Beate Baumann dabei, außerdem Planungsstabschef Matthias Graf von Kielmannsegg. Er ist Merkels erster Redenschreiber und ihr Mann für Grundsatzangelegenheiten. Ähnliche Aufgaben hat er für Merkel schon während der Oppositionsjahre in der Fraktion erfüllt. Nun leitet er im Kanzleramt den Stab Politische Planung, Grundsatzfragen; Sonderaufgaben. Ferner nehmen an der Morgenrunde Regierungssprecher Wilhelm oder sein noch aus SchröderZeiten stammender und aus Koalitionsraison übernommener Stellvertreter Thomas Steg und die Staatsministerin im Kanzleramt, Hildegard Müller, teil. Wenn es die politische Lage erfordert, stoßen Unions-Fraktionschef Volker Kauder und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla zur Morgenlage hinzu. Externe Medienberatung von Agenturen oder Spindoctors à la Klaus-Peter Schmidt-Deguelle oder Klaus Kocks nimmt Angela Merkel laut Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nicht in Anspruch. Sie hole – so formuliert Wilhelm in unserem Gespräch weich – regelmäßig die Meinung von Menschen ein, deren Rat ihr wichtig sei. Namen will er für die Öffentlichkeit nicht nennen. Zu diesen Ratgebern Merkels in Medienfragen gehört sicherlich Thomas Gauly, der generalbevollmächtigte

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Leiter der Konzernkommunikation des Pharmakonzerns Altana. In den Jahren 1991 bis 1994 war Gauly – vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl geholt – Geschäftsführer der Grundsatzprogramm-Kommission der CDU und Leiter der Stabsstelle Politische Beratung und Sonderaufgaben. Ein offenes Geheimnis ist auch Merkels Nähe zur Berliner PR- und Werbeagentur Scholz & Friends. Die Agentur zählt zu ihren Kunden auch die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, die mit klassischen Instrumenten des Lobbying und der Medien- und Öffentlichkeitsarbeit für liberale und marktradikale Reformen wirbt. In die Schlagzeilen kam Scholz & Friends im Zusammenhang mit der Vergabe des Werbeetats des Bundespresseamtes. Die Agentur konnte offiziell nicht an der Ausschreibung des Presseamtes teilnehmen, da ihr Vertrag mit der überparteilichen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ein Engagement für die Bundesregierung nicht zulässt. Den Zuschlag für eine Werbekampagne von zunächst zwei Millionen Euro erhielt stattdessen eine bislang völlig unbekannte Agentur namens Pergamon, die erst seit Ausschreibung des staatlichen Auftrags existiert. Hinter Pergamon allerdings steht Scholz & Friends. Einer der Geschäftsführer, Sebastian Turner, hat auch die Präsentation des Pergamon-Vorschlages im Presseamt übernommen. Turner werden gute Kontakte zu Angela Merkels unmittelbarem Umfeld nachgesagt. Und sein Mitgesellschafter Thomas Heilmann ist zugleich der Internetbeauftragte der CDU.

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Interview mit Ulrich Wilhelm Ulrich Wilhelm (*1961), Jurist und Journalist, war von 1992 bis 1998 Mitarbeiter des damaligen Innenministers und jetzigen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Für diesen hat er von 1998 bis Dezember 2003 die Abteilung »Presse- und Öffentlichkeitsarbeit« in der Bayerischen Staatskanzlei geführt. Seit 2005 ist Wilhelm Regierungssprecher der Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel und Chef des Bundespresseamtes. Meine erste Frage richtet sich an den medien- und politikerfahrenen Zeitgenossen Ulrich Wilhelm: Was hat sich aus Ihrer Sicht in fünfzig Jahren im Bereich der politischen Öffentlichkeitsarbeit geändert? U LRICH W ILHELM : Fünfzig Jahre sind mir ein zu langer Zeitraum. Gut überblicken kann ich die letzten dreißig Jahre. Damals konnte man noch nicht von einer Mediendemokratie oder gar Fernsehdemokratie sprechen. Die gesamte Mediengesellschaft hat sich in diesen Jahren revolutioniert: Insbesondere durch das Hinzutreten des Privatfernsehens und eine damit einhergehende Boulevardisierung der Berichterstattung. Aber auch durch die Diversifizierung der Printtitel. Damit meine ich, dass es innerhalb der jeweiligen Märkte, in denen es früher vielleicht ein prägendes Medium gab, mittlerweile Nachahmerprodukte gibt – und das bei sinkender Leserzahl. Das heißt, die Konkurrenz um die geringere Zahl der Leser bei gleichzeitig wachsender Zahl an PrintTiteln nimmt zu. Dies führt natürlich auch zu einer anderen Qualität der Berichterstattung. Ein wichtiger, weiterer Aspekt ist die immer stärkere Vernetzung der einzelnen Medien. Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel: Wenn man vor 15 Jahren in einem kleinen Lokalblättchen ein Interview gegeben hat, war die Wirkung auf diesen lokalen Leserkreis begrenzt. Heute werden alle Publikationen systematisch ausgewertet. Über die Agenturen, die wiederum die Transmissionsriemen der nationalen Öffentlichkeit sind, werden Informationen auch aus solchen Medien binnen Stunden zu einem nationalen Thema gemacht. Im Klartext: Wenn Sie einer kleinen Lokalzeitung ein Interview geben, kann das genauso zwei Stunden später die nationale Debatte prägen wie ein Interview mit den etablierten, überregionalen Medien.

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Stellt dieser gewachsene Konkurrenzdruck, der letztlich auch zu einer stärker an ökonomischen Gesichtspunkten orientierten Organisationen der einzelnen Redaktion führt, nicht eine Chance für politische Öffentlichkeitsarbeit dar? Indem nämlich Medien immer stärker gezwungen sind, aufbereitete Informationsangebote unredigiert aufzugreifen? Ich möchte das nicht werten. Es ist zunächst eine Gegebenheit. Dieser Entwicklung müssen sich letztlich alle westlichen Gesellschaften stellen. Dazu brauchen Sie nicht nach Amerika zu schauen. Auch in unmittelbarer Nachbarschaft, in England, Frankreich, Italien oder Spanien kennt man dieses Phänomen. Ich würde gern einhaken bei dem Begriff Mediendemokratie. Welchen Einfluss hat denn diese Mediendemokratie auf den politischen Prozess? Mediendemokratie wird ja als Begriff immer wieder auf die USA angewandt. Medien haben dort aber eine ganz andere Funktion im politischen Prozess als in der Bundesrepublik. Würden Sie sagen, die Verhältnisse haben sich angeglichen? Wir sprechen hier von zwei unterschiedlichen Wirk-Ketten. Zum einen leben wir in einer hochkomplexen Gesellschaft. Sie können keine Stellschraube mehr verändern, ohne dass Auswirkungen in ganz anderen Lebensbereichen eintreten. Fast nichts mehr ist einfach nur national zu entscheiden, sondern hat sofort Auswirkungen auf europäischer Ebene. Die Sachverhalte, die Politik regeln muss, erscheinen für den Laien immer undurchschaubarer. Auf der anderen Seite bieten Medien, bedingt durch den gewachsenen Konkurrenzdruck, gerade nicht mehr Gelegenheit für längere, erklärende Formate. Nehmen Sie den Hörfunk: Früher gab es acht- oder zehnminütige Kommentare. Alle öffentlichrechtlichen Sender haben diese Zeiten auf eineinhalb oder zwei Minuten verkürzt. Im Fernsehen gab es früher lange Themenabende. Solche Formate verschwinden allmählich. Mit einer neuen Bildsprache werden die Beiträge temporeicher, mitunter aggressiver und zugespitzter. Das ist für sich alles nicht zu kritisieren. Aber es führt dazu, dass die Politik in den Medien nicht mehr das Pendant findet, um komplexere Dinge auch mit ihren Differenzierungen so darstellen zu dürfen, wie sie sind. Politik ist gezwungen, auf diese Entwicklung zu reagieren. Sachverhalte müssen heute möglichst einfach präsentiert werden – Stichwort: Populismus und Personalisierung. Die Leute wollen am liebsten von der Komplexi-

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tät der Zusammenhänge entlastet werden und einer Führungsfigur vertrauen. Für unsere Arbeit übersetzt bedeutet das, dass man einerseits klug berät, damit die Führungsfigur das Vertrauen findet, erhält, und nährt. Aber auf der anderen Seite ist es auch Teil der Aufgabe, die Führungsfigur zu ermutigen, dem Populismushang zu widerstehen und die Komplexität von Sachverhalten nicht zu reduzieren. Denn irgendwann rächt es sich, wenn Sie vorgeben, Sie könnten mehr tun, als Sie es tatsächlich können. Ein einfaches Beispiel ist die Aussage: »Die Politik schafft Arbeitsplätze« – was sie natürlich nicht kann. Meine Frage zielte vor allem darauf, dass mit dem Begriff Mediendemokratie letztlich der Vorwurf verbunden ist, die Politik passe sich immer stärker den Darbietungsformen der Medien an – das hatten Sie ja auch beschrieben: Vereinfachung, Personalisierung, Boulevardisierung. Aber hat dies wirklich auch konkrete Auswirkungen auf den eigentlichen politischen Prozess? Oder gibt es nach wie vor den verborgenen Arkanbereich, vor dem die Türen für Journalisten zu bleiben, und wo dann tatsächlich die Entscheidungen getroffen werden? Also: Wird Politik heute tatsächlich bei Sabine Christiansen gemacht oder ist das alles nur Spektakel und die Entscheidungen fallen ganz woanders? Ich hatte ja gesagt, dass es eine Tendenz der Medien gibt, die darauf hinausläuft – die Stichworte haben Sie genannt. Aber ich hatte auch gesagt, dass man andererseits seitens der Politik oder auch des Sprechers dieser Versuchung zur Vereinfachung und Personalisierung widerstehen muss. Zusammenhänge dürfen nicht auf Einfachheiten zurückgeführt werden, die dann nicht eingelöst werden. Die konkrete Arbeit ist kompliziert, bisweilen umständlich und unattraktiv, mit sehr technischen Details. Andererseits aber weiß man: Wenn du raus gehst, stehen da die Kameras und Mikrofone. Und dann muss man die Dinge so erklären, dass die Leute sie auch verstehen. Man braucht immer griffige Botschaften, mit denen man alles auf die große Linie zurückführt, die man verfolgt. Gerhard Schröder wird ja immer mit dem Attribut »Medienkanzler« versehen. Sie kennen vielleicht die neueste Studie der Fachhochschule Mainz, die Angela Merkel bescheinigt, sie mache im Politikbereich die beste Öffentlichkeitsarbeit. Wo würden Sie im Vergleich zu Schröder Unterschiede sehen und was zeichnet die Medienarbeit von Angela Merkel aus?

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Das ist eine schwierige Frage. In eigener Angelegenheit ist man ja immer ein schlechter Schiedsrichter. Schröder hat, so weit ich das verfolgt habe, sich selbst konsequent inszeniert. Dieses Basta-Verhalten, dieses »Jetzt komme ich!«. Das war durchaus er selber. Angela Merkel hat einen vollkommen anderen Politikstil. Ihr kommt es nicht auf Selbstinszenierung an, sondern auf die sachgerechte Lösung der anstehenden Probleme. Hans-Olaf Henkel kommentierte die legendäre »Berliner Runde« vom September 2005 ja dahingehend, dass Schröder dort absolut er selbst gewesen sei, so habe Henkel ihn hinter den Kulissen oft erlebt … Auf jeden Fall ist ihm kein Konzept aufgesetzt worden, sondern er hat einfach Politik so betrieben und nach außen auch dargestellt, wie er sie eben auch verstand. Schröders Politik war das Ergebnis eines langen Weges zur Macht. Aufstiegswille spielte hier eine große Rolle: Sich Durchsetzen, sich Durchbeißen gegen Widerstände, seinem Instinkt folgen, aus dem Bauch heraus entscheiden. Aber auch mitunter getroffene Entscheidungen umwerfen, wenn man spürt: Das läuft so nicht. Angela Merkel ist vom Typ her sicherlich anders als Schröder. Aber sie ist, in der Art, wie sie an die Dinge herangeht, auch ganz stark bei sich: Sie ist abwägend, sie hört aufmerksam zu, sie beteiligt viel mehr Kreise und Persönlichkeiten, als Schröder es getan hat. Im Kabinett dauern die Diskussionen deutlich länger. Man hat das häufig verbunden mit ihrer Ausbildung. Naturwissenschaften sind ja keine Meinungswissenschaften, sondern beobachtende, feststellende Wissenschaften. Ich glaube, dass sich im Politikstil Merkels viele biographische Elemente wieder finden. Sie haben gerade gesagt, die Kanzlerin sei sehr authentisch. Das aber ist doch gerade ein Punkt, der Angela Merkel immer wieder als Malus vorgeworfen wird. Es wird gesagt, sie sei in ihren öffentlichen Auftritten zu kontrolliert, zu vorsichtig, zu abwägend – eben zu wenig authentisch. Mangelnde Emotionalität spielt zum Beispiel bei der Berichterstattung über die Kanzlerin häufig eine wichtige Rolle. Wo passt da der Begriff der Authentizität? Mit Authentizität bezogen auf die Kanzlerin meine ich, dass die Art und Weise, wie sie Politik macht, authentisch ist und zu ihr passt. Sie ver-

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biegt sich nicht. Sie geht sehr sorgfältig an die Dinge heran, sehr intellektuell, klug, sie hat eine schnelle Auffassungsgabe. Wir reden jetzt aber über Politik und nicht über Politikvermittlung. Ja, ich spreche jetzt hier über Politik – also darüber, wie sie Politik betreibt und begreift. In der Politikvermittlung erlebe ich sie als durchaus differenziert. Bei Formaten, die sich mit ihr als Person befassen, ist sie stark aus sich heraus gegangen: Bei der Fußballweltmeisterschaft beispielsweise hat sie auf der Tribüne mitgefiebert, mitgezittert, mitgejubelt. Wenn sie sich zu Sachthemen äußert, insbesondere zu Sachthemen, die noch im Fluss sind, hält sie sich in der Tat stark zurück. Das liegt aber dann nicht an der fehlenden Emotionalität, sondern an ihrem nüchternen Blick auf den Prozess. Erinnern Sie sich noch an die Pressekonferenz, die Angela Merkel gab, als klar war, dass sie Kanzlerin werden würde? Und an die Frage einer Kollegin der BBC ob sie sich freue? Finden Sie, sie hat sich da überzeugend »verkauft«? Also, ich glaube, Angela Merkel hat sich entwickelt. Das ist ja auch kein Wunder. Als Oppositionsführerin war sie Zielscheibe von Kritik und Häme. Das Amt des Bundeskanzlers verändert jeden, der es ausübt. Die Möglichkeit, im Inland und im Ausland Verantwortung auszuüben, Dinge in Bewegung zu setzen, folgenschwere Entscheidungen zu treffen – das verlangt jedem Souveränität ab. Angela Merkel hat diese Souveränität. Und ich stelle fest, andere können das wahrscheinlich noch neutraler beobachten und verfolgen, dass sie durchaus mehr aus sich heraus geht. Wer sind neben Ihnen die wichtigsten Berater von Angela Merkel in Fragen von Medien- und Öffentlichkeitsarbeit? Sie berät sich zu jeder Frage sehr eng mit ihrer Büroleiterin, Beate Baumann, die ja eine langjährige Weggefährtin und Begleiterin ist. Und mit Sicherheit im politischen Bereich auch mit einigen Menschen, die politisch mit ihr einen weiten Weg gegangen ist. Als jemand, der auch neugierig auf die Meinungen und Ansichten vieler anderer ist, fragt sie, prüft sie, hinterfragt sie natürlich vieles, was sie tut.

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Meine Frage zielte vor allem auch auf externe Berater. Zum Beispiel der Podcast auf ihrer Website … Wolfgang Stock von der Agentur RCC hat mir das vorgeschlagen, und es hat mich überzeugt. Ich kannte das so vorher nicht. Ich habe mich mit ihm getroffen und schließlich das Projekt der Kanzlerin vorgeschlagen. Es erschien mir spannend, wenn Angela Merkel die erste Regierungschefin der Welt wird, die so ein Format nutzt. Wobei Podcasting natürlich nicht dazu führt, dass man Medien umgehen könnte. Dafür ist die Reichweite viel zu gering. Es ist ein zusätzliches Element. Aber über die Produktion der Podcasts hinaus: Angela Merkel nutzt keine Form von externer Image- oder PR-Beratung? Nein. Ich kann allerdings nur für meine eigene Zeit sprechen also seit November 2005. Ab diesem Zeitpunkt kann ich Ihnen nichts davon bestätigen. Stichwort neue Medien: Man sagt der Kanzlerin ja nach, dass sie ein Faible für SMS-Botschaften hat. Ist das vielleicht auch ein Markenzeichen von Merkel: Dass sie besonders auf neue Medien wie Videopodcasts oder SMS als innovative Elemente setzt? Sind das neue Elemente, die auch in der politischen Kommunikation der Zukunft eine große Rolle spielen werden: Schnelligkeit, Multimedialität, Unmittelbarkeit …? Davon bin ich überzeugt. Das Nutzerverhalten, gerade in der jungen Generation, geht ja schon weg von vorsortierten Nachrichten. Die schauen nicht mehr nur fertige Fernsehprogramme, sondern sind ihre eigenen Programmdirektoren. Sie lesen nicht nur eine Zeitung, sondern sortieren sich die Dinge über das Internet selbst. Insofern bin ich überzeugt, dass jede Art von politischer Kommunikation ohne die neuen Medien nicht auskommen wird. Merkel selber hat, das sagt sie ja auch immer, auch als Physikerin mit Computern sehr viel gearbeitet. Sie hat da keinerlei Berührungsängste oder Scheu. In der Tat, SMS gehört für sie genauso wie ein Gespräch zum selbstverständlichen Kontakt. Welche Rolle spielt für Ihre Arbeit die Tatsache, dass Angela Merkel die erste Kanzlerin Deutschlands ist?

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Das ist sicherlich ganz wichtig für die Aufmerksamkeit, die sie weltweit genießt. Das ist für sich genommen bereits ein großes Thema gewesen: Erstmals in einem führenden Industrieland steht eine Frau an der Spitze. Natürlich bringt ihr das viele Porträts, viele Artikel weltweit, die so über einen männlichen Kanzler nicht erschienen wären. Aber ich denke, mittlerweile ist die Tatsache, dass Deutschland eine Kanzlerin hat, normal und kein Wert mehr an sich. Erlauben Sie mir eine letzte Frage: Angela Merkel ist niemand – Sie haben es selber gesagt –, die eine lange Parteikarriere in der CDU durchlaufen hat oder zum berühmten Andenpakt gehört. Sie ist nun dennoch Kanzlerin. Ist für sie öffentliche Zustimmung über Medienarbeit zu gewinnen ein wichtigeres Machtreservoir als für einen Kanzler, der zugleich auch langjähriger Parteipatriarch ist? Das ist eine gute Frage. Am Ende ist es, glaube ich, für jeden Kanzler, der in einer Zeit knapper Kassen und einer sich dramatisch wandelnden Gesellschaft im Amt ist, unverzichtbar, das Vertrauen der Wähler zu halten. Sie können der Gesellschaft, Sie können den Menschen nicht das zumuten, was wir ihnen zumuten müssen, wenn eine Regierung oder ein Regierungschef kein Ansehen hat. Und daran hat sich in fünfzig Jahren nicht viel geändert, oder? Ja, eben. Ich glaube, das einzige, was sich geändert hat, ist, dass wir früher in Schönwetterzeiten gelebt haben. Heute dagegen ist das Wort vom Sanierungsfall der öffentlichen Haushalte zutreffend. Es geht darum, wie man jetzt wieder neue Spielräume gewinnt: durch Einschränkungen in den Feldern, die wir nicht lebensnotwendig brauchen, um dafür in zentralen Bereichen wieder Luft zu schaffen. Das können Sie, glaube ich, wenn Sie sich nur auf die Partei stützen und die Bevölkerung vernachlässigen, vergessen. Herr Wilhelm, ich danke Ihnen für das Gespräch. Berlin, den 12. Juli 2006

Schluss

Die Kanzler und die Medien. Eine Beziehungsgeschichte im Wandel? Die atemraubende Entwicklung der Medienlandschaft und der Kommunikationstechnologie, für die viele der hier zu Wort gekommenen Gesprächspartner zu Recht den Begriff der »Revolution« verwenden, haben auch die politische Kommunikation in Deutschland verändert. Wer dies leugnet, erliegt der Versuchung, die »gute alte Zeit« der Bonner Republik in das digitale Zeitalter hinüber retten zu wollen. Besonders die faszinierenden Möglichkeiten des Internets sind bis heute nicht vollständig ausgeschöpft. Niemand weiß, wie es die Kommunikationsgewohnheiten unserer Gesellschaft – und mithin auch die Kommunikation zwischen Medien, Politik und Wählern – zukünftig verändern wird. Aber schon jetzt ist erkennbar: Das Internet stellt den Austausch von Journalismus und PR auf eine neue Basis. Gewandelt hat sich in erster Linie das Mediensystem. Neben einer ungeheueren Ausweitung des Medienangebots seit der Entwicklung des Fernsehens zum Massenmedium Ende der sechziger Jahre und der Ausweitung des Senderangebots durch die Dualisierung des Rundfunks in den achtziger Jahren gibt es seit den siebziger Jahren auch immer mehr politische Formate im Fernsehen. Die Zahl der Zeitungs- und Zeitschriftentiteln und Hörfunksendern hat sich in den letzten fünfzig Jahren ebenfalls inflationär vermehrt. Heute gibt es einen kaum mehr durchschaubaren Dschungel an Sendern, Titeln und Formaten. Alle richten ihre Sucher auf die Protagonisten der Republik. Politiker agieren unter Dauerbeobachtung. Für die Öffentlichkeitsarbeit der Bundeskanzler ist spätestens seit Helmut Schmidt das Fernsehen zum Non plus Ultra geworden. Besonders die Etablierung des privaten Fernsehens spaltet die Gesellschaft in viele einzelne, immer schwieriger zu erreichende Fernsehöffentlichkeiten. Die grundlegend andere Zeitratio-

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nalität von elektronischen Medien gegenüber den langwierigen Arbeitszyklen der Politik – besonders spürbar beim Medium Internet – erzeugt einen nie gekannten, kommunikativen Stress. Seit der Zulassung von privat-kommerziellen Rundfunkanbietern hat sich auch die Konkurrenz zwischen einzelnen Medien erhöht. Man geht erkennbar aggressiver miteinander um. Redakteure sind heute von einem grassierenden Jagdfieber ergriffen: Die tägliche Hetzjagd nach Exklusivität, aus ökonomischem Konkurrenzdruck geboren, führt zur Skandalisierung und Banalisierung von Nachrichten. Diese Veränderungen haben zwangsläufig auch zu einem Wandel politischer Öffentlichkeitsarbeit geführt. Heute müssen politische Sprecher und Kommunikationsreferenten eine viel größere Zahl an nachrichtenhungrigen Journalisten betreuen und mit Informationen versorgen. Die Reaktionszeit für Stellungnahmen und Korrekturen im Informationsfluss werden kürzer, Fehler lassen sich schwerer ausbügeln. Die Republik ist bis in die letzten Winkel medial ausgeleuchtet. Ein falsches Wort gegenüber einem Lokalblättchen kann eine Stunde später zur nationalen Negativschlagzeile werden. Es gibt dennoch Grundmechanismen zwischen Politik und Öffentlichkeit in demokratisch verfassten Industriegesellschaften, die bis heute unverändert ihre Gültigkeit haben und auch in Zukunft haben werden. Die politischen Führer der Bundesrepublik haben sie mehr oder weniger gekonnt genutzt und bisweilen mit Hilfe der Medien einen KanzlerMythos begründet. Die Fülle der historischen Beispiele lässt vermuten, dass die Merkmale, die sich hinter Schlagworten wie »Amerikanisierung« oder »Modernisierung« verbergen, zumindest in ihren Grundmustern keinesfalls neu sind. Bereits seit der Ära Adenauer – also spätestens seit den fünfziger Jahren – betrieben die Bundeskanzler eine strategische, auf die Bedürfnisse von Medien zugeschnittene politische Öffentlichkeitsarbeit, die sich an internationalen Vorbildern – vor allem an den USA – orientierte. Der vielfach beschworene Systemwechsel von der Kanzler- zur Mediendemokratie ist zumindest höchst fraglich. Heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, dass bereits Adenauer durchaus ein »Medien- und Stimmungskanzler« war, der sein natürliches Talent der Selbstinszenierung aus machtpolitischem Kalkül mit der Expertise von medienversierten Beratern paarte. Sie stellten sich auf die Bedürfnisse von Redaktionen ein, um sie ihren Anforderungen

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entsprechend mit Informationen versorgen zu können. Sie lieferten neben reinen politischen Informationen auch Human-Touch-Geschichten über Adenauer. Denn positive Berichterstattung erreichte man in der Bundesrepublik schon damals am besten mit dem »Speck« des Boulevards. Kanzler und Kandidaten konnten nur bei breitesten Schichten um Sympathie werben, wenn sie sich auch in publikumsorientierten Boulevardmedien als echte Sympathieträger zeigten. Hier ging es fast nie um Politik, sondern um Hobbies, Familie und SocietyKlatsch. Eine »Entpolitisierung« in diesem Sinne setzte in Deutschland schon nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Besonders die kommerzialisierten Regenbogenillustrierten waren bereits in den fünfziger Jahren Transmissionsriemen einer einsetzenden Boulevard-Berichterstattung über Politiker und Politik. Die aktuelle Diskussion um Boulevardisierungstendenzen in der Selbstdarstellung von Politikern muss wohl teilweise relativiert werden: Die honorigen Vorgänger waren auch nicht besser. Oder anders gesagt: Sie waren ebenso klug beraten, sich durch sympathischen Klatsch und Tratsch positive Schlagzeilen und hohe Reichweiten zu sichern. Diese Anpassung an die Funktionslogik von Medien war von Beginn an absichtsvoll. Hierdurch entstand die bis heute bestehende Untrennbarkeit von Information und Persuasion in der politischen Öffentlichkeitsarbeit. Überreden und Informieren sind seit der Gründung des Bundespresseamtes durch Konrad Adenauer kaum voneinander zu trennen. Mit den »Teegesprächen« schuf Adenauer sich ein Instrument, das in abgewandelter Form bis heute übliche Praxis politischer Öffentlichkeitsarbeit ist. Spätestens ab 1953 ist eine auch medienbezogene Strategie der Personalisierung erkennbar: Personen und Bilder statt politischer Inhalte. So lautete bereits vor fünfzig Jahren das Credo. Bereits in diesem frühen Stadium lassen sich Anzeichen dafür erkennen, dass Issues und Images wichtiger werden als traditionelle Millieu- und Parteibindungen. Auch tummelten sich bereits sehr früh, nämlich ab Mitte der fünfziger Jahre, Werbe- und Kommunikationsagenturen und Demoskopie-Institute an der Seite der deutschen Bundeskanzler. Diese neuen Formen der Selbstdarstellung von Politik ließen nicht lange auf Kritik warten: Eine Auseinandersetzung mit der »Mediendemokratie« – ohne dass sie explizit so genannt wurde – setzte bereits in

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den späten fünfziger Jahren ein. Bereits damals, verstärkt dann durch die Wahlkämpfe Willy Brandts, mischten sich in die Debatte auch Amerikanisierungsvorwürfe. Adenauer war der erste Kanzler, der seine Wahlkämpfe nach amerikanischem Muster organisierte. Nicht zu Unrecht hat Frank Bösch seinen Aufsatz über die Adenauer-Wahlkämpfe 1953 und 1957 mit »Vorreiter der modernen Kampagne« übertitelt. Auf der anderen Seite muss diese Frühphase aber auch als Experimentierphase gewertet werden, in der strukturelle und personelle Grundlagen für Adenauers Nachfolger erst geschaffen wurden und der adäquate Umgang mit einer demokratischen Presse erst gelernt wurde. »Trial und Error« war in dieser Phase ein häufig anzutreffendes Grundprinzip. Ein konsistentes Berufsverständnis der Public Relations und des demokratischen Journalismus musste sich erst entwickeln. Souveränität und nüchterne Rollenbilder mussten sich erst ausdifferenzieren. Dieser Lernprozess fand parallel zu einem nach wie vor bisweilen ungebrochenen Verhältnis zu politischer Propaganda statt, die sich immer wieder auch in Adenauers Rhetorik und seinem Umgang mit missliebigen Journalisten Bahn brach. Adenauer bleibt allerdings trotzdem der erste »Medienkanzler« der Bundesrepublik Deutschland. Er und seine Volkspartei CDU waren aufgrund der dünnen Mitgliederbasis und Organisation der Union als erste darauf angewiesen, um Zustimmung bei unterschiedlichen Milieus und Bevölkerungsgruppen durch professionelle, medienvermittelte Kommunikationskonzepte zu werben. So wurde politische Öffentlichkeitsarbeit in den Gründerjahren der Bundesrepublik auch ein wesentlicher Faktor bei der Etablierung des Typs der demokratischen Volkspartei. Politische PR – so seltsam diese Feststellung dem ein oder anderen kritischen Beobachter anmuten mag – übernahm für die junge Bundesrepublik demokratietragende Funktionen. Diese Bedeutung bestätigte sich in den sechziger Jahren. Willy Brandt verschob mit Hilfe einer großen, jahrelang vorangetriebenen PRKampagne das Image der SPD von einer proletarischen Klassen- zu einer demokratischen Volkspartei. Nur durch diesen Wandel erreichte die SPD neue Wählerschichten. Ähnlich wie Schröder 1998 zielte die Medienstrategie in den sechziger Jahren auf die Wähler der bürgerlichen Mitte. Nur so wurde die SPD »kanzlerfähig«. Der Imagewandel der SPD, der politisch durch die Parteitage von Stuttgart und Bad Godes-

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berg vollzogen wurde, konnte nur mit Hilfe der Medien und einer auf sie abgestimmten Vermittlung der neuen Politik einer breiten Wähleröffentlichkeit kommuniziert werden. Der Kandidat, der eine solche Vermittlungsstrategie am erfolgreichsten umsetzen konnte, war Willy Brandt. Die Kandidaturen Brandts in den sechziger Jahren sind also auch das erste Beispiel für eine medienorientierte Elitenrekrutierung einer politischen Partei. Brandt erhielt den Vorzug als Kanzlerkandidat, weil er die größte Medienkompetenz und ein bestechendes Charisma besaß. Seit den sechziger Jahren ist Medienkompetenz ein – wenn nicht das zentrale – Auswahlkriterium für politisches Spitzenpersonal. Die bereits an Adenauers Wahlkämpfen beobachtete Tendenz, dass Medien auch über die Strategie der Kampagne selbst berichten, intensivierte sich in den sechziger Jahre zusehends. Brandts Wahlschlachten zeigen einen evidenten USA-Bezug. Bereits die Kür Brandts zum Kanzlerkandidaten – ein »virtuelles Amt«, das Brandt-Berater Klaus Schütz aus den USA nach Deutschland importierte – setzte Maßstäbe im Bereich politischer Öffentlichkeitsarbeit und löste eine Kontroverse über eine Amerikanisierung aus. Eine Personalisierung des Oppositionswahlkampfes wurde überhaupt erst durch Willy Brandt in Deutschland üblich. Die heute selbstverständliche Duellsituation zwischen Kanzler und Kanzlerkandidat ist erst in diesem Kontext entstanden. Brandt war der erste – mit großem Aufwand für die Medien inszenierte – »Kanzlerkandidat«. Der lange Anlauf des gebürtigen Lübeckers zur Kanzlerschaft und seine fünfjährige Amtszeit fallen in die Diffusionsphase des Fernsehens. Es ist seit den sechziger Jahren nicht mehr aus der politischen Kommunikation in Deutschland wegzudenken. Heute dominiert es unangefochten jede Form von Politikvermittlung. Brandt war der erste Profiteur dieser Entwicklung. Aber er setzte seine Schwerpunkte nach wie vor in klassischen Printmedien. Dies wird alleine schon anhand der Berufsbiographien seiner Berater deutlich, die allesamt aus dem Zeitungs- beziehungsweise literarischen Milieu stammten. Der erste deutsche »Telekanzler«, Helmut Schmidt, verpflichtete hingegen mit Regierungssprecher Klaus Bölling einen deutschlandweit bekannten Fernsehprofi als Sprecher und ließ sich von Filmproduzenten für seine Auftritte vor der Kamera coachen. Unter Kanzler Schmidt traten die Deutschen in das Zeitalter der medialen Vollversorgung ein:

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Jeder Haushalt hatte jetzt mindestens ein Fernsehgerät. Schmidt setzte ganz auf das jetzt auch in der Breite angekommene, optische Medium. Das Fernsehen war seine wichtigste Bühne und neben der für ihn nicht immer leicht zu führenden Partei eine entscheidende, machtpolitische Reserve. Schmidt konnte trotz mitunter mangelndem Rückhalt in der eigenen Partei mit Hilfe seines Mediencharismas harte Entscheidungen durchsetzen. Die Endphase seiner Kanzlerschaft gibt jedoch einen Fingerzeig, dass Deutschland eben doch anders als die USA keine Mediendemokratie im reinen Wortsinne ist: Die begrenzte Wirkung von Medien-Charisma in einer Parteiendemokratie, die zum Überleben auf parlamentarische Koalitionen in Bund und Ländern angewiesen ist, musste der medienversierte Schmidt, ähnlich wie Gerhard Schröder, bitter erfahren. Helmut Schmidt bleibt bis heute der widersprüchlichste Kanzler der Bundesrepublik, was seine Beziehung zu den Medien angeht. Einerseits ist er der erste Kanzler der sich kritisch und auf hohem intellektuellem Niveau mit der Wirkung von Medien auf den politischen Prozess auseinandergesetzt hat. Auf der anderen Seite beherrschte gerade er das von ihm oftmals verteufelte Medium Fernsehen virtuos, und scheute sich nicht, es in den Dienst seiner politischen Sache zu stellen. Der Vergleich zwischen Helmut Schmidt und seinem Nachfolger macht deutlich: Amt und Person stehen in einer engen, schwer bestimmbaren Wechselbeziehung. Mediendemokratie und Medienkanzlerschaften sind eben keine historischen oder systemimmanenten Dogmen, sondern von der persönlichen Kompetenz und Präferenz der jeweiligen Kanzler abhängig. Helmut Kohl war der erste deutsche Regierungschef, der unter »Vielkanalbedingungen« agieren konnte: Er hatte die ganze Bandbreite an neuen, telemedialen Möglichkeiten als Projektionsfläche der Politikvermittlung zur Verfügung. Die Optionen, die die neuen privat-kommerziellen Fernsehsender zur Selbstdarstellung boten, ließ Kohl aber bis 1990 praktisch ungenutzt. Er blieb in seiner Fernsehperformance bis dahin sogar weit hinter dem zurück, was sein Vorgänger Helmut Schmidt noch unter den Bedingungen eines rein öffentlichrechtlichen Fernsehens zu Stande gebracht hatte. Der Politiker Kohl hatte trotz einer deutlichen Verbesserung seiner Imagewerte in den neunziger Jahren während seiner gesamten Karriere erkennbare Schwierigkeiten, sich adäquat gegenüber Medien darzustel-

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len. Er spielte besonders in den achtziger Jahren trotz professioneller Medienberatung, die er sich immer wieder von medienversierten Beratern einholte, die klassische Rolle des Antihelden. Dabei geht es nicht nur um die Frage nach der eigenen Selbstdarstellung oder dem persönlichen Stil. Es geht um das Verständnis, das Kohl von Journalisten und ihrer Arbeitsweise besaß und – so lässt es sein öffentliches Gebaren während der CDU-Spendeaffäre vermuten – bis heute besitzt: Kohl misstraut Journalisten. Umso bemerkenswerter ist es, dass er, der so gar nicht in die Schemata einer modernen Mediendemokratie zu passen schien, der Kanzler wurde, der das Amt am längsten ausübte. Das Kohlsche »Wahlwunder« gelang ihm trotz einer konsequenten Frontstellung von Teilen der deutschen Medienlandschaft. Kohl erkannte trotz seiner persönlichen Unzulänglichkeiten im Umgang mit den Medien, dass Medienarbeit Chefsache ist. So ist er der erste und bislang auch einzige Kanzler, der die Medienarbeit aus dem Bundespresseamt ins Bundeskanzleramt verlagerte und dort – ähnlich wie es im White House traditionell üblich ist – einen inoffiziellen Sprecher installierte. Kohl ist zudem der erste Kanzler, der immer wieder professionelle Einzelberater wie Gerd Bacher oder Peter Boenisch einbezog. Die Integration von Eduard Ackermann und Andreas Fritzenkötter als permanente Medienberater und Strippenzieher Kohls im Kanzleramt ist ein deutlicher Hinweis auf die nichtgewerbliche Professionalisierung in diesem Bereich – ein weiterer, grundlegender Unterschied zu den USA. Während in Deutschland PR-Berater in die Parteiorganisation oder den Regierungsapparat als Funktionsträger eingebunden werden, sind es in Amerika immer wieder freie Berater, die auf Honorarbasis tätig sind. Kohl baute im Bundeskanzleramt professionelle und effiziente Strukturen der Medienkommunikation auf. Das relativiert die klischeehafte Trennung zwischen dem »Parteikanzler« Kohl und dem Medienkanzler Schröder. Auch Kohl wusste um die große Bedeutung von PR, wenngleich ihm virtuoses Talent oder etwa die bisweilen larmoyante Lässigkeit und kaltschnäuzige Gelassenheit Schröders im Umgang mit Journalisten völlig fehlte. Gerade deshalb war er umso stärker auf Beratung angewiesen. Die Medienarbeit Kohls lässt sich in zwei deutlich unterschiedliche Phasen einteilen: Eine erste Phase, in der Kohl in der öffentlichen

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Wahrnehmung überwiegend negativ, und eine zweite Phase, in der er überwiegend positiv bewertet wurde. Besonders die strategische Hinwendung Kohls zum Fernsehen ab Mitte der neunziger Jahre hat seinen fulminanten Imagewandel stark begünstigt. Kohl-Biograph Dreher resümiert zu Recht: »Es gehört zu den Rätseln der Kanzlerdemokratie unter Kohl, dass derjenige, der erst als Fernsehdepp verschrien war, das Medium so sehr beherrschte, wie kein Regierungschef vor ihm.« Des Rätsels Lösung konnte zumindest in Ansätzen in diesem Buch aufgezeigt werden: Es liegt in der auf das Fernsehen fokussierten Öffentlichkeitsarbeit, die Andreas Fritzenkötter mit seinen exzellenten Kontakten zum Privatfernsehen ermöglichte. Er antizipierte die Schwächen Kohls im Umgang mit kritischen Politikjournalisten und schickte den Kanzler deshalb nicht mehr in die klassischen Formate – deren Quoten sowieso rückläufig waren. Kohl wurde dank Fritzenkötter der erste Talk-Kanzler auf der Couch von Biolek und Meiser. Gegen eine häufig vertretene Auffassung war nicht etwa Gerhard Schröder der erste Bundeskanzler, der Fernsehunterhaltung für seine politische Öffentlichkeitsarbeit nutzte. Helmut Kohl war der erste »Star des Boulevard«. Dennoch war es ohne Zweifel Schröder, der bis heute die Grenze zwischen Politik und Unterhaltung am weitesten verschoben hat, indem er neben Filmund Fernsehstars in reinen Unterhaltungsformaten auftrat und sogar als Gastdarsteller in Filmen und Serien fungierte. Für Kohl mussten die Berater erst Formate erfinden oder zurechtschneiden, während Schmidt und Schröder im Umgang mit Medien und dem Fernsehen im Besonderen so talentiert und flexibel sind, dass sie sich jedem Format geräuschlos anpassen. Der Erfolg der Fernsehstrategie Kohls wird daran erkennbar, dass die gegen ihn bestehende linksliberale Medienfront, die eben vor allem aus Printmedien bestand, mit Hilfe seiner Fernsehpräsenz gebrochen wurde. Das Beispiel Kohl zeigt noch etwas: Die öffentliche Meinung steht auf drei Säulen. Historische Entwicklung, persönliche Präferenz und Steuerung sowie vorgeprägte Images der Medien formen die öffentliche Wahrnehmung. Die Kontinuität der PR-Verantwortung im Bundeskanzleramt während der langen Kohl-Jahre und die Diskontinuität der Wahrnehmung des Kanzlers in Öffentlichkeit und Medien ist ein deutlicher Beleg dafür, dass politische Öffentlichkeitsarbeit in ihren Möglichkeiten nicht überschätzt werden darf. Die Kanzlerkommuni-

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kation verändert sich nicht zwingend linear zur historischen Weiterentwicklung des Mediensystems. Der Kanzlerwechsel 1982 brachte zunächst sogar einen Rückschritt in der Ausnutzung der Möglichkeiten moderner politischer PR – und dies trotz eines erheblichen Fortschritts in der Vielfalt und technischen Potenz des Mediensystems. Deshalb ist es auch nicht gerechtfertigt, Gerhard Schröder den wohlklingenden Titel des »Medienkanzlers« zu verleihen. Schröder griff im Wesentlichen nicht auf andere Instrumente zurück, als seine Vorgänger. Die beiden immer wieder gerühmten Innovationen – der Leipziger Parteitag 1998 und die beiden »Kampas« 1998 und 2002 sowie die durch sie erzeugte Metakommunikation – werden in ihrer Bedeutung maßlos überschätzt. Eine professionelle Parteitagsregie, deren Inszenierung sich vor allem an Medien richtet, ist uns bereits in der Ära Kohl, in den achtziger Jahren begegnet. Auch so genannte »Metakommunikation« über die Kampagnenstrategie selbst, ist ein altes Stilmittel der Medien. Vieles, für das der Niedersachse in den Medien gefeiert wurde, verblasst nach einer historischen Zusammenschau deutscher Kanzlerkommunikation. Was bleibt, ist Talmiglanz. Schröders noch neu im Amt befindliche Nachfolgerin Angela Merkel hat das Erbe der Medienkanzlerschaft, das sich bis auf Adenauer zurückführen lässt und ein gewachsenes Traditionsgut der Bundesrepublik darstellt, weitergeführt und sogar ausgebaut, indem sie sich an neue, technologische Herausforderungen einer immer schnelleren Kommunikation anpasst. Aber auch sie kann ihr persönliches Profil aus Stärken und Schwächen nicht kaschieren, agiert in den Medien wesentlich zurückhaltender und kühler als der Vorgänger. Zukunftsprognosen sind immer riskant, aber eine sei hier gewagt: Eine Personalisierungsstrategie à la »Angie« wird es für die Kanzlerin Merkel nie mehr geben: Sie passt nicht zum kühlen Profil der »Physikerin der Macht«. All dies zeigt, wie stark Personen das prägen, was wir »Mediendemokratie« nennen. Schröder war keinesfalls der Kulminationspunkt der »Berliner Medienrepublik«. Er war – neben den Journalisten – vermutlich der fürsorglichste Pfleger seines Images als »Medien-Machiavell«. Die mittlerweile legendäre »Berliner Runde« vom 18. September 2005 ist der schrille Schlussakkord der Ära Schröder. Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet der »Medienkanzler« keine adäquaten Techniken und Mittel fand, die Stimmung in den Redaktionen wieder zu seinen Gunsten zu

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verändern und die Journalisten erneut von seiner Person zu überzeugen. Im Gegenteil: Er provozierte, rempelte und rüpelte, düpierte, griff Journalisten an. In seinen letzten Monaten erinnerte Schröder in seinem einsamen Kampf gegen die »Macht der Medien« eher an den ewig mit Journalisten hadernden Helmut Kohl, denn an einen souveränen »Medienkanzler«. Ein rein auf Medien gestütztes Regieren ist in Deutschland auch in einer Nach-Schröder-Ära nicht möglich. Damit wird die These eines Systemwechsels von der Kanzler- zur Mediendemokratie hoch fragwürdig. Die Wandlung Schröders vom Medienkanzler zum Medienkritiker und zeitweiligen -boykotteur zeigt – wie schon bei Helmut Kohl –, dass nicht nur die Person das Amt prägt, sondern auch das Amt die Person. Schröder konnte seinen nonchalanten Umgang mit den Medien nach dem Motto »Jetzt rede ich!« als Kanzler nicht durchhalten. Trotz der rasanten Modernisierung der Medienlandschaft scheinen die Spielregeln gleich geblieben. Politik und Medien folgen noch immer ihrer eigenen, unabhängigen Professionslogik. Neu ist vielmehr die Tatsache, dass die Kommunikationsberater heute ihre Strategien in den Medien gezielt ausplaudern und die Rolle von professionellen Verführern spielen, um zu faszinieren und den kühlen Schein von Modernität zu vermitteln. Die Souffleure drehen ihren bis dato zur Bühne gewandten, verborgenen Verschlag zum Publikum. Der bis dahin eherne Grundsatz »Eine ausgeplauderte Strategie ist keine mehr« verliert mehr und mehr an Gültigkeit. Er wird ersetzt durch das Prinzip der »self fulfilling prophecy«: Wer viel in die Qualität der Verpackung investiert, der hat auch qualitativ hochwertige Inhalte zu bieten. Deshalb ist es heute unendlich wichtig, die Professionalität der Inszenierung selbst zu inszenieren. Die Zwänge der Kanzlerdemokratie lassen sich nur kurzfristig durch ein Regieren mit und über Medien kolonisieren. Auch die Medien verfügen über eine eigenständige, nicht-kolonisierbare Funktionslogik. Unabhängig von Sympathien oder Antipathien, persönlicher Nähe oder Distanz zum jeweiligen Kanzler, die es zeitweise immer geben kann und immer gab, folgen Medien in letzter Konsequenz ihrer eigenen Logik. Dies haben die wechselvollen Kanzlerschaften Brandts, Kohls und Schröders gezeigt. Über alle drei wurde in einzelnen Phasen äußerst unterschiedlich berichtet. Am Ende war aber kein Medium bereit, an

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einem Kanzler festzuhalten, wenn sein Agieren nicht mehr der eigenen Handlungslogik entsprach. Willy Brandt, der von Medien mit ins Kanzleramt getragen wurde, hat wohl am bittersten erfahren, was es bedeutet, wenn vermeintliche Freunde im Geiste sich abwenden. Es liegt in der Natur von Medien, dass alles, worüber sie berichten, Neuigkeitswert besitzen muss. Die zwanghafte Suche und Präsentation des täglich immer Neuen bestimmt heute unsere Weltwahrnehmung. Wir verstellen uns aber durch die immer kürzer werdende Halbwertzeit von Informationen, durch unser sanftes surfen durch die virtuelle Fast Food-Welt der Medien den Blick auf unsere Geschichte: Die Kehrseite der Medaille »Neugier« ist das Vergessen. Die Zeit hat diesen Umstand bezogen auf die »Medienkanzlerschaft« Gerhard Schröders unlängst eingeräumt: »Wahrscheinlich war er nur eine Projektion der Medien selbst, die sich der Illusion hingegeben hatten, in Schröder ein kongeniales Gegenüber der eigenen Oberfläche und scheinfixierten Wahrnehmungsmuster gefunden zu haben.«1 Solche Tendenzen des Selbstbetrugs zum Zweck der Selbstbefriedigung ziehen sich zum Teil auch durch die wissenschaftliche Auseinandersetzung über den Wandel politischer Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland. Dieses Buch sollte ein Plädoyer für das Bekenntnis zur Geschichte sein. Nichts scheint so »modern«, wie das, was durch einen schicksalhaften Zufall in die begrenzte Sphäre unseres eigenen Erlebens fällt. Diese Barriere in unserer Wahrnehmung wird durch moderne Massenmedien täglich konditioniert und ausgebaut. Sind wir heute wirklich noch in der Lage, die uns täglich erzählten, fraktalen Geschichten der Welt, die beständig neu zusammengefügt werden, aber kein Ganzes mehr ergeben, sondern am Ende des Tages wieder in tausend Splitter zerfallen, zu durchschauen? Sind wir heute wirklich noch in der Lage, die Geschichte hinter den Geschichten zu sehen?

Anmerkungen

Einleitung 1 Meng, Richard, Der Medienkanzler, S. 70. 2 Wilke, Jürgen/Reinemann, Carsten, Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung, S. 2. 3 Vgl. Kienzle, Rolf, Bestimmungsgründe der Wahlkampfgestaltung, S. 55 ff. 4 Vgl. Duverger, Maurice, Demokratie im technischen Zeitalter, S. 138 f. 5 Vgl. Buchwald, Frank Andreas, Adenauers Informationspolitik und das Bundespresseamt 1952–1959. Strategien amtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Kanzlerdemokratie, Mainz 1991; sowie Hoffman, Johannes J., Adenauer: »Vorsicht und keine Indiskretion!« Zur Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung 1949–1955, Aachen 1995. 6 Vgl. Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien. Eine Untersuchung zur politischen Öffentlichkeitsarbeit, Mainz 2004. 7 Bösch, Frank, Bereit für den Wechsel?, S. 12. 8 Vgl. Helms, Ludger, Gerhard Schröder und die Entwicklung der deutschen Kanzlerschaft, S. 1513. 9 Vgl. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 28. 10 Kienzle, Rolf, Bestimmungsgründe der Wahlkampfgestaltung, S. 51. 11 Schulz, Winfried, Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen, S. 378 ff.

Die behauptete Amerikanisierung 1 Vgl. zu dieser Diskussion grundlegend Pfetsch, Barbara, »›Amerikanisierung‹ der politischen Kommunikation? Politik und Medien in Deutschland und den USA«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 41–42 (2001), S. 27–36. 2 Vgl. Neuss, Beate, »Der ›gütige Hegemon‹ und Europa. Die Rolle der USA bei der europäischen Einigung«, in: Meier-Walser, Reinhard C./Rill, Bernd (Hg.): Der europäische Gedanke. Finalität und Hintergrund, München 2001. 3 Vgl. Schulz, Winfried, Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen, S. 378. 4 Vgl. Pfetsch, Barbara, »Amerikanisierung« der politischen Kommunikation?, S. 27. 5 Schulz, Winfried, Wahlkampf unter Vielkanalbedingungen, S. 378. 6 Vgl. Postman, Neil, Das Technopol, S. 26 ff.

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7 Erstmals schriftlich benutzte am 21. Oktober 1984 ein Politikjournalist der New York Times den Ausdruck in einem Artikel über eines der TV-Duelle zwischen den damaligen Präsidentschaftskandidaten Ronald Reagan und Walter Mondale in Kansas City. Als Spindoctors beschrieb er die hinter der Bühne wartenden PR-Berater beider Bewerber, die den Journalisten jeweils unterschiedliche Bewertungen desselben Ereignisses anboten, um so der Berichterstattung einen vorteilhaften Dreh oder auch Spin zu verleihen: »Tonight at about 9:30, seconds after the Reagan-Mondale debate ends, a bazaar will suddenly materialize in the press room … A dozen men in good suits and women in silk dresses will circulate smoothly among the reporters, spouting confident options. They won’t be just press agents trying to impart a favorable spin on to a routine release. They’ll be the Spin Doctors, senior advisers to the candidates.« Vgl. o. V., »The Debate and the Spin Doctors«, in: New York Times vom 21.10.1984, S. E22. 8 Peter Radunski zit.n. Rölle, Daniel/Müller, Petra/Steinbach, Ulrich W., Politik und Fernsehen, S. 123. 9 Vgl. Althaus, Marco, Wahlkampf als Beruf. Die Professionalisierung der Political Consultants in den USA, Frankfurt am Main 1998. 10 Meyer, Thomas, Mediokratie – Auf dem Weg in eine andere Demokratie?, S. 7. 11 Czada, Roland, Sozialstruktur und Stimmabgabe, S. 116. 12 Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 374. 13 Linden, Markus, Politik in der Medienfalle, S. 30. 14 Pfetsch, Barbara, »Amerikanisierung« der politischen Kommunikation?, S. 35.

Politische Public Relations 1 Bentele, Günter, Politische Öffentlichkeitsarbeit, S. 130. 2 Jarren, Ottfried/Sarcinelli, Ulrich/Saxer, Ulrich (Hg.), Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft, S. 21. 3 Vgl. Piwinger, Manfred, Public Relations. Wahrnehmung und Realität, S. 1–19. 4 Vgl. o. V., »Prinzen der Dunkelheit«, in: Die Zeit, 37/1998, sowie Teschner, Jens, Professionalisierung der Politikvermittlung, S. 19. 5 Vgl. Habermas, Jürgen, Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962. 6 Grunig, James E./Hunt, Todd, Managing Public Relations, S. 6. 7 Grundlegend für diese Position sind vor allem die Forschungen von Franz Ronneberger und Manfred Rühl. Vgl. Ronneberger, Franz/Rühl, Manfred, Theorie der Public Relations, S. 19. Aktuell vertreten durch Bentele, Günter, Politische Öffentlichkeitsarbeit, S. 129 und S. 143. 8 Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 52. 9 Kunczik, Michael, Public Relations. Konzepte und Theorien, S. 15. 10 Elisabeth Noelle-Neumann zit.n. Kunczik, Michael, Öffentlichkeitsarbeit, S. 546. 11 Albert Oeckl zit.n. Bentele, Günter, Politische Öffentlichkeitsarbeit, S. 124 f. 12 Zit.n. Schürmann, Frank, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung. Strukturen, Medien, Auftrag und Grenzen eines informalen Instruments der Staatsleitung, Berlin 1992, S. 37.

A NMERKUNGEN

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13 Vgl. Schieder, Wolfgang/Dipper, Christoph, Propaganda, S. 102. 14 Vgl. zur Gatekeeper-Theorie die klassische Darstellung von White, David Manning, »The Gatekeeper. A Case Study in the Selection of News«, in: Journalism Quarterly, Jg. 27 (1950), S. 383–390; sowie Kepplinger, Hans Mathias, »Theorien der Nachrichtenauswahl als Theorien der Realität«, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (B. 15/1989), S. 3– 16. Die Gatekeeper-Theorie ist als Theorie mittlerer und großer Reichweite mittlerweile vielfach in Zweifel gezogen worden, dient hier aber als anschauliches Erklärungsmuster für die Funktion von Medien. 15 Meyer, Thomas/Ontrup, Rüdiger, Das Theater des Politischen, S. 528f. 16 Vgl. hierzu Lazarsfeld, Paul F./Berelson, Bernard/Gaudet, Hazel, The People's Choice. How the Voter Makes Up His Mind in a Presidential Campaign, New York/London 1968. 17 Vgl. hierzu den Forschungsüberblick bei Pauli-Balleis, Gabriele, Polit-PR, S. 94 ff. 18 Gleich, Uli, Die Bedeutung medialer politischer Kommunikation für Wahlen, S. 414. 19 Etwa Rölle, Daniel/Müller, Petra/Steinbach, Ulrich W., Politik und Fernsehen. Inhaltsanalytische Untersuchungen, Wiesbaden 2001. 20 Etwa Wilke, Jürgen/Reinemann, Carsten, Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung. Eine vergleichende Studie zu den Bundestagswahlen 1949–1998, Köln/Weimar/ Wien 2000. 21 Vgl. Schönbach, Klaus, Das unterschätzte Medium. Politische Wirkungen von Presse und Fernsehen im Vergleich, München/New York 1983. 22 Dieser Effekt ist beispielsweise bei Parteitagen gut beobachtbar, die mittlerweile voll mediatisierte Ereignisse sind, bei denen die Hauptreden des Spitzenpersonals so terminiert sind, dass sie in allen Hauptnachrichten des Fernsehens zitiert werden. 23 Postman, Neil, Wir amüsieren uns zu Tode, S. 114. 24 Vgl. Bromley, D., Reputation, Image, and Impression Management, New York 1993. 25 1984 starteten in Deutschland Kabel-Pilotprojekte, die zu einem dualen Rundfunksystem führten, in dem neben den öffentlich-rechtlichen Anbietern auch rein kommerzielle Sender existieren. Vgl. Steinmetz, Rüdiger, Initiativen zur Durchsetzung privatkommerziellen Rundfunks, S. 179 ff. 26 Meng, Richard, Der Medienkanzler, S. 58. 27 Relevant für die Eingrenzung regierungsamtlicher Öffentlichkeitsarbeit ist vor allem das erste Urteil des BVerfG zur regierungsamtlichen Öffentlichkeitsarbeit im Wahlkampf vom 2. März 1977. In dem Urteil heißt es, dass »Öffentlichkeitsarbeit der Regierung dort ihre Grenze findet, wo Wahlwerbung beginnt«. Vgl. Schürmann, Frank, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 37. In der Praxis stellt sich die Umsetzung dieses Urteils bis heute als schwierig dar. 28 So hat es etwa Helmut Kohl mit Eduard Ackermann und Andreas Fritzenkötter versucht. 29 Vgl. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 68 f. 30 März, Peter, An der Spitze der Macht, S. 89.

Konrad Adenauer 1 Fest, Joachim, Der Untergang, S. 7.

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2 Vgl. z.B. Adenauer, Konrad, Erinnerungen I, S. 340 ff. und 582 ff.; sowie Adenauer, Konrad, Erinnerungen III, S. 320 ff. 3 Vgl. Rapp, Alfred, »Adenauer und die Journalisten«, in: Dieter Blumenwitz/Klaus Maier/Konrad Repgen/Hans-Peter Schwarz (Hg.), Konrad Adenauer und seine Zeit. Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers, Bd. 1: Beiträge von Weg- und Zeitgenossen, Stuttgart 1976, S. 283–290. 4 Vgl. Strobel, Robert, »Adenauer und die Presse«, in: Die Zeit, 42/1963, Sonderbeilage. 5 Vgl. Baring, Arnuf, Außenpolitik in Adenauers Kanzler-Demokratie, Bonns Beitrag zur europäischen Verteidigungsgemeinschaft, S. 31–47 und S. 293–328. 6 Fritz J. Raddatz, Unruhestifter. Erinnerungen, München 2003, S. 368. 7 Adenauer, Konrad, Teegespräche (3 Bde./1950–1961), Berlin 1984–1988; sowie Adenauer, Konrad, Teegespräche (1961–1963), Berlin 1992. 8 Dabei handelt es sich um Buchwald, Frank Andreas, Adenauers Informationspolitik und das Bundespresseamt 1952–1959. Strategien amtlicher Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Kanzlerdemokratie, Mainz 1991; sowie Hoffmann, Johannes J., Adenauer: »Vorsicht und keine Indiskretion!« Zur Informationspolitik und Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung 1949– 1955, Aachen 1995. 9 Konrad Adenauer zit.n. Hase, Karl-Günther von (Hg.), Adenauer und die Presse, S. 34. 10 Rede von Goebbels vor Pressevertretern in Berlin am 16.03.1933, zit.n. Reuth, Georg, Goebbels, S. 269. 11 Zit.n. Buchstab, Günter (Hg.), Die Protokolle des CDU-Bundesvorstands 1957–1961, S. 762. 12 Zit.n. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 28. 13 Padgett, Stephen (Hg.), Adenauer to Kohl, S. 114. 14 Vgl. Walker, Horst O., Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 96. 15 Belege bei Buchwald, Frank Andreas, Adenauers Informationspolitik, S. 58; Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 44; sowie Daniel, Ute, Die Politik der Propaganda, S. 79 ff. 16 Vgl. Jahn, Hans Edgar, An Adenauers Seite, S. 234. 17 Hans Edgar Jahn zit.n. Hase, Karl-Günther von (Hg.), Adenauer und die Presse, S. 54. 18 Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 88. 19 Nöll, Robert von der Nahmer, Bismarcks Reptilienfonds, Mainz 1968. 20 Vgl. Friedel, Matthias, Wiederbewaffnungspropaganda, S. 19. 21 Jahn, Hans Edgar, Vertrauen, Verantwortung, Mitarbeit, Oberlahnstein 1953. 22 Vgl. Buchwald, Frank Andreas, Adenauers Informationspolitik, S. 59. 23 Schwarz, Hans-Peter, Anmerkungen zu Adenauer, S. 57. 24 Russel J. Dalton zit.n. Langguth, Gerd, Das Innenleben der Macht, S. 31. 25 Vgl. Diehl, Günter, Zwischen Politik und Presse, S. 127. 26 Zit.n. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 243. 27 Vgl. zu diesem Begriff Bussemer, Thymian, Medien als Kriegswaffe, S. 20. 28 Vgl. Meng, Richard, Der Medienkanzler, S. 88. 29 Vgl. o. V., »Public Relations. Werbung in Watte«, in: Der Spiegel, 28/1968, S. 33. 30 Gezählt durch das BPA nach Ausscheiden Adenauers 1963, vgl. Hase, Karl-Günther von (Hg.), Adenauer und die Presse, S. 17.

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31 Beispiele hierfür sind der »Sängerkrieg« der fünfziger Jahre, benannt nach dem damaligen dpa-Chef Fritz Sänger, den Adenauer immer wieder seines Postens entheben lassen wollte. Vgl. Daniel, Ute, Die Politik der Propaganda, S. 77. Ebenso feindschaftlich verbunden war er mit Paul Sethe, der – ähnlich wie Rudolf Augstein – Adenauers Westbindung als Verkauf der deutschen Einheit ansah und sie in seinen Artikeln scharf attackierte. Adenauer forderte deshalb die Wirtschaft auf, keine Anzeigen mehr in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu schalten. Heute würde ein derartiger Boykottaufruf als fundamentaler Eingriff in die Pressefreiheit eingestuft. Vgl. Hase, Karl-Günther von (Hg.), Adenauer und die Presse, S. 20. 32 Vgl. Daniel, Ute, Die Politik der Propaganda, S. 79. 33 Buchstab, Günter (Hg.), Adenauer: »Es musste alles neu gemacht werden«, S. 120. 34 Zit.n. Buchwald, Frank Andreas, Adenauers Informationspolitik, S. 23. 35 Zit.n. Jahn, Hans Edgar, An Adenauers Seite, S. 93. 36 Die Studie wurde veröffentlicht: Vgl. Jahn, Hans Edgar, Kultur und Informationsarbeit der westlichen Demokratien, Darmstadt 1954. 37 Bösch, Frank, Vorreiter der modernen Kampagne, S. 441. 38 Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 662. 39 Vgl. Weber, Max, Politik als Beruf, S. 20 f. 40 Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 307, 835, 980. 41 Vgl. Kempski, Hans Ulrich, Um die Macht, S. 46. 42 Herbert Blankenhorn zit.n. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 97. 43 Vgl. Lenze, Malte, Postmodernes Charisma, S. 136. 44 Meyer, Thomas, Politik als Theater, S. 80. 45 Zit.n. Diehl, Günter, Zwischen Politik und Presse, S. 392. 46 Vgl. Whigton, Charles, Adenauer. Democratic Dictator. A critical reappraisal, New York 1963. 47 Vgl. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 301 und S. 373 f.; sowie Bösch, Frank, Vorreiter der modernen Kampagne, S. 440. 48 Inhaltsanalytisch untersucht wurden Die Welt, FAZ, Frankfurter Rundschau und Süddeutsche Zeitung von 1949 bis 1998. Vgl. Wilke, Jürgen/Reinemann Carsten, Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung, S. 94 f. 49 Vgl. Schwarz, Hans Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 980. 50 Ebd. 51 Adenauer zit.n. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 65. 52 März, Peter, An der Spitze der Macht, S. 89. 53 Vgl. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 145. 54 Jahn, Hans Edgar, Vertrauen, Verantwortung, Mitarbeit, S. 70. 55 Zit.n. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 622.

Die Kanzler des Übergangs: Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger 1 Gassert, Philipp, Kurt Georg Kiesinger 1904–1988. Kanzler zwischen den Zeiten, München 2006. Bereits 2005 im Nachgang zu Kiesingers 100. Geburtstag erschien ein Sammelband: Buchstab, Günter/Gassert, Philipp/Lang, Peter T. (Hg.), Kurt Georg Kiesin-

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ger 1904–1988. Von Ebingen ins Kanzleramt, Freiburg 2005. Als zeitgenössische Publikation: Hoff, Klaus, Kurt Georg Kiesinger. Die Geschichte seines Lebens, Frankfurt am Main 1969. 2 Hohmann, Karl, Ludwig Erhard. Eine Biographie, Bonn 1997. 3 Caro, Michael K., Der Volkskanzler Ludwig Erhard, Köln/Berlin 1965. Mierzejewski, Alfred C., Ludwig Erhard, Berlin 2005. 4 Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien, S. 128. 5 Diese Bezeichnung ist eine spöttische Anspielung auf die »Brigade Erhardt« des Freikorpsführers Hermann Erhardt in der Weimarer Republik, wobei natürlich beide politisch und personell nichts miteinander zu tun haben. 6 Vgl. Hentschel, Volker, Ludwig Erhard, S. 737. 7 Gross zit.n. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 113. 8 »Ludwig Erhard wurde offenbar als Parteiloser Bundeskanzler. Recherche von Wirtschaftsminister Müller«, in: Die Welt vom 4. Mai 2002. 9 Zit.n. Hentschel, Volker, Ludwig Erhard, S. 604. 10 Ebd., S. 737. 11 Ebd. 12 Vgl. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 109. 13 Vgl. Hentschel, Volker, Ludwig Erhard, S. 737. 14 Vgl. Hohmann, Karl, Ludwig Erhard, S. 25. 15 Vgl. Hentschel, Volker, Ludwig Erhard, S. 738. 16 Zit.n. ebd.

Willi Brandt 1 Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 145. 2 Bösch, Frank, Vorreiter der modernen Kampagne, S. 440. 3 Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 361. 4 Zit.n. Schütz, Klaus, Die Legende von einem deutschen Kennedy, S. 31. 5 Der Spiegel, 15. Jg., Nr. 37, 6.9.1961. 6 Süddeutsche Zeitung vom 29./30. April 1961, zit.n. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 391. 7 Interview mit Klaus Schütz, in: Gardill, Kerstin, Vom Regierenden Bürgermeister zum Kanzlerkandidaten, S. 125. 8 Vgl. Krupa, Matthias, »Alles so schön orange hier«, in: Die Zeit, Nr. 10, 26.2.2004, o.S; sowie Soldt, Rüdiger, »Frisch und modern, das ist für die CDU untypisch«, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 26.2.2004. 9 Vgl. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 392. 10 Vgl. Schütz, Klaus, Die Legende von einem deutschen Kennedy, S. 28. 11 Schütz riet Brandt dazu, die Eidesformel des Bundeskanzlers zu sprechen. Vgl. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 386. 12 Zit.n. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 386. 13 Brandt, Willy, Erinnerungen, S. 37. 14 Arnulf Baring zit.n. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 137.

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15 Vgl. Zons, Achim, Das Denkmal, S. 17. 16 Vgl. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 652 ff., 656. 17 Ebd., S. 655. 18 Walker, Horst O., Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 51. 19 Zit.n. Zons, Achim, Das Denkmal, S. 84. 20 Noelle-Neumann, Elisabeth/Schulz, Winfried, (Hg.), Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut, Frankfurt am Main/Wien/Berlin 1982. 21 Vgl. Parry-Giles, Shawn/Parry-Giles, Trevor, Constructing Clinton, S. 57 ff. Anders als die Strategie Adenauers erinnert die von Brandt sogar stark an die so genannte »Third Way Strategy« des britischen Spindoctors Peter Mandelson. In Nordamerika hat sich hierfür der Begriff der »Triangulation Strategy« von Clinton-Berater Dick Morris etabliert. Auf Anraten eben dieses Peter Mandelson übernahm Schröder 1998 eine vergleichbare Strategie und brachte sie auf die Formel »Neue Mitte«. 22 Willy Brandt in seiner Rede auf dem Dortmunder Nominierungsparteitag 1960, zit.n. Gardill, Kerstin, Vom Regierenden Bürgermeister zum Kanzlerkandidaten, S. 102. 23 Peter Koch zit.n. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 407. 24 Die Zahlen sind entnommen aus Schütz, Klaus, Die Lehren aus Kennedys Kampagne, S. 35. 25 Im Jahr 1960 hatte die Zuschauerzahl gerade die Grenze von drei Millionen überschritten. Vgl. Kiefer, Marie Luise, Hörfunk und Fernsehnutzung, S. 431. 26 John F. Kennedy zit.n. White, Theodore H., The Making of the President, S. 294. 27 Vgl. Müller, Albrecht, Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie, S. 31. 28 Das zweite, große Format »Deutschland vor der Wahl« vom 18. Oktober 1972 erreichte 40 Prozent Einschaltquote bei sieben Millionen eingeschalten Geräten. Das entsprach einer Zuschauerzahl von etwa 21 Millionen Menschen. Vgl. Müller, Albrecht, Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie, S. 31. 29 Vgl. Kiefer, Marie Luise, Hörfunk- und Fernsehnutzung, S. 435. 30 Zit.n. Walker, Horst O., Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, S. 50. 31 Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 663. 32 Bösch, Frank, Vorreiter der modernen Kampagne, S. 441. 33 Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 350. 34 Vgl. Schwarz, Hans-Peter, Adenauer. Der Staatsmann, S. 667 f. 35 Wilke, Jürgen/Reinemann Carsten, Kanzlerkandidaten in der Wahlkampfberichterstattung, S. 72. 36 Zit.n. ebd., S. 39. 37 Vgl. Merseburger, Peter, Willy Brandt, S. 615.

Helmut Schmidt 1 Vgl. Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien. Eine Untersuchung zur politischen Öffentlichkeitsarbeit, Mainz 2004. 2 Vgl. Postman, Neil, Wir amüsieren uns zu Tode. Urteilsbildung im Zeitalter der Unterhaltungsindustrie, Frankfurt am Main 1994. 3 Schwelien, Michael, Helmut Schmidt, S. 335.

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4 Fischer, Heinz-D./Wahl, Ulrike G., Public Relations, S. 105. 5 Meng, Richard, Der Medienkanzler, S. 21. 6 Vgl. Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien, S. 302 f. 7 Zit.n. ebd., S. 307. 8 Ebd., S. 361. 9 März, Peter, An der Spitze der Macht, S. 167. 10 Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien, S. 32. 11 Zit.n. ebd., S. 493. 12 Kempski zit.n. ebd., S. 495. 13 Vgl. ebd., S. 496. 14 Vgl. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 203. 15 Helmut Schmidt zit.n. Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien, S. 416. 16 Vgl. Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 189. 17 Zit.n. Zipfel, Astrid, Helmut Schmidt und die Medien, S. 218. 18 Helmut Schmidt zit.n. ebd., S. 223. 19 Vgl. ebd., S. 287. 20 Zit.n. ebd., S. 300. 21 Ebd., S. 291. 22 Ebd., S. 306.

Helmut Kohl 1 Vgl. Hofmann, Gunter, »Im Umgang mit den Medien kennt der Bundeskanzler nur Gut und Böse«, in: Die Zeit, 47/1996. 2 Vgl. Langguth, Gerd, Das Innenleben der Macht, S. 94. 3 Vgl. Müller, Albrecht, Von der Parteiendemokratie zur Mediendemokratie, S. 51. 4 Vgl. Reitz, Ulrich, »Wie Helmut Kohl sein Lebenswerk in Szene setzt«, in: Focus, 40/1996, S. 20. 5 Vgl. Hofmann, Gunter, »Im Umgang mit den Medien kennt der Bundeskanzler nur Gut und Böse«, in: Die Zeit, 47/1996. 6 Hannes Schreiner, zit.n. Clough, Patricia, Helmut Kohl, S. 79. 7 Vgl. März, Peter, An der Spitze der Macht, S. 185. 8 Zit.n. Spörl, Gerhard, Sprecher mit beschränkter Vollmacht, o.S. 9 Korte, Karl-Rudolf, Kommt es auf die Person des Kanzlers an?, S. 392. 10 Mertes, Michael, Führen, Koordinieren, Strippen ziehen, S. 70. 11 Dies waren in chronologischer Reihenfolge: Diether Stolze, Peter Boenisch, Friedhelm Ost, Hans Klein, Dieter Vogel, Peter Hausmann und Otto Hauser. 12 Langguth, Gerd, Das Innenleben der Macht, S. 82. 13 Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 294. 14 Vgl. Radunski, Peter, Wahlkämpfe, S. 44. 15 Vgl. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 251. 16 Vgl. o.Verf., »Aufpasser im Rücken«, in: Der Spiegel, 25/1994, S. 30 ff. 17 Vgl. Hofmann, Gunter, »Im Umgang mit den Medien kennt der Kanzler nur Gut und Böse«, in: Die Zeit, 47/1996

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18 Theo Sommer zit.n. Haungs, Peter, Kanzlerdemokratie in der Bundesrepublik Deutschland, S. 59. 19 Zit.n. Clough, Patricia, Helmut Kohl, S. 77. 20 Vgl. hierzu auch Macho, Thomas, »Von Kaisern, Königen und Kanzler Kohl«, in: Neue Zürcher Zeitung, 4/1997. Macho meint, Leibesfülle sei ein wichtiges Herrschaftssymbol und zeigt dies an Kohl, Bismarck und Mao. 21 Reitz, Ulrich, »Wie Helmut Kohl sein Lebenswerk in Szene setzt«, in: Focus, 40/1996, S. 20. 22 Augstein, Rudolf, »Der ewige Kanzler«, in: Der Spiegel, 40/96. 23 o. V., »Prinzen der Dunkelheit«, in: Die Zeit, 37/1998. 24 Hofmann, Gunter, »Wo bleibt die kritische Distanz zum Kanzler in den Medien?«, in: Die Zeit, 42/1996. 25 Dreher, Klaus, Helmut Kohl, S. 342. 26 Zit.n. Kunczik, Michael, Öffentlichkeitsarbeit, S. 567. o.V. 27 o. V., »Prinzen der Dunkelheit«, in: Die Zeit, 37/1998. 28 Vgl. o.V., »Das schwarze Imperium«, in: Der Spiegel 30/1984, S. 18–23. 29 Dreher, Klaus, Helmut Kohl, S. 610. 30 Mittag, Jürgen/Ismar, Georg, »Fußballisierung?«, S. 166. 31 Kotsch, Ralph, »Zur Sache Kanzler«, in: Berliner Zeitung vom 21.06.1996, S. 31. 32 Vgl. Dörner, Andreas, Demokratie, Macht, Ästhetik, S. 210. 33 Reitz, Ulrich, »Wie Helmut Kohl sein Lebenswerk in Szene setzt«, in: Focus, 40/1996, S. 26. 34 Fritzenkötter in einem Spiegel-Interview über seine neue Abteilung. Vgl. o. V., »Regierung am Kabel«, in: Der Spiegel, 52/94, S. 20. 35 o. V., »Prinzen der Dunkelheit«, in: Die Zeit, 37/1998. o.V. 36 Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 165. 37 Siehe die Internetpräsenz der Agentur, auf der ihr Leistungsprofil und ihr Beitrag zur CDU-Kampagne beschrieben wird: http://www.zhp.de.

Gerhard Schröder 1 Niclauß, Karl-Heinz, Kanzlerdemokratie, S. 12. 2 Zit.n. Rölle, Daniel/Müller, Petra/Steinbach, Ulrich W., Politik und Fernsehen, S. 101. 3 Vgl. Schütz, Hans Peter, »Der Sagenichts«, in: Stern, 09/2004, S. 58. 4 Harpprecht zit.n. ebd. 5 Gunther Hofmann, zit.n. Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 78. 6 Sarcinelli, Ulrich, Von der repräsentativen zur präsentativen Demokratie, S. 188. 7 Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 70. 8 Sarcinelli, Ulrich, Stilbildung und Machtsicherung, S. 100. 9 Wörtlich zitiert aus dem Mitschnitt der ARD-Sendung »Berliner Runde« vom 18.9.2005. 10 Machnig, Matthias, Von der Kampa zur Netzwerkpartei, S. 134. 11 Vgl. Hetterich, Volker, Von Adenauer zu Schröder, S. 131. 12 Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 82.

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13 Diese persönliche Verbindung von Kronacher und Schröder sorgte immer wieder für Kritik am Bundespresseamt, das die Agentur Odeon Zwo in der Legislaturperiode 1998–2002 als »Leitagentur« bezeichnete. Für die Bevorzugung als Leitagentur war das Amt vom Bundesrechnungshof gerügt worden. In einem Prüfbericht von Ende 2002 hieß es unter anderem: »Dies schränkt den Wettbewerb in großen Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit des BPA für mehr als drei Jahre erheblich ein.« Zit.n. Uhl, Gernot, »Presseamt schließt wieder Vertrag mit Werbeagentur«, in: Die Welt vom 17.10.2003. 14 Vgl. hierzu grundlegend: Noelle-Neumann, Elisabeth/Kepplinger, Hans Mathias/ Donsbach, Wolfang, Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998. 15 Zum exakten Aufgabenspektrum der »Kampa« vgl. Machnig, Matthias, Von der Kampa zur Netzwerkpartei, S. 130–142. 16 Zit.n. Mihr, Christian, In aller Medien Munde, S. 77. 17 Der Spiegel berichtete, dass die Planer im Kanzleramt im Wahlkampf 2002 mehrfach erwogen, Machnig persönlich für die anfänglich schlechten Umfragewerte für Schröder verantwortlich zu machen, und ihn aus diesem Grund abzulösen. Vgl. Geyer, Matthias (u.a.), »Ich oder der«, in: Der Spiegel, 38/2002, S. 48–71. 18 Vgl. z.B. Canibol, Hans-Peter/Tichy, Roland, »Die geheimen Verführer«, in: DMEuro 06/2003, S. 48–50. Hier werden die aktuell gefragtesten Spindoctors in einer Art »Who is Who« aufgeführt. 19 Vgl. z.B. die erkennbar faszinierte Berichterstattung von Gaschke, Susanne, »Die SPD will mit Performance, Polling und Briefing die Wähler erobern«, in: Die Zeit, 11/1998. 20 Zahlen errechnet anhand der Darstellung nach Einzelformaten der GfK-Fernsehforschung bei Zubayr, Camille/Gerhard, Heinz, Berichterstattung zur Bundestagswahl 2002 aus Sicht der Zuschauer, S. 588 ff. 21 Vgl. Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 76. 22 Schüle Christian/Schwelien, Michael, »Aus Spaß ist Ernst geworden«, in: Die Zeit, 39/2002. 23 Das Duell wurde von Marcus Maurer und Carsten Reinemann mit einem Real-TimeResponse Verfahren untersucht: Die Probanden hatten an ihren Plätzen siebenstufige Drehregler, mit denen sie das Duell-Geschehen unmittelbar während des Betrachtens bewerten konnten. Die unterschiedlichen Reglereinstellungen wurden jeweils an einen Computer gemeldet, der diese sekundengenau speicherte. Das Ergebnis dieser Untersuchung widerlegt das bereits erwähnte Columbia-Modell von Lazarsfeld: Laut Maurer und Reinemann haben die Duelle nicht nur bestehende Meinungen verstärkt, sondern auch verändert – und zwar zu Gunsten Schröders, der dieser Studie zufolge beide Duelle gewonnen hat. Vgl. Maurer, Marcus/Reinemann, Carsten, Schröder gegen Stoiber, S. 222. 24 Einen kurzen geschichtlichen Abriss bieten Maurer, Marcus/Reinemann, Carsten, Schröder gegen Stoiber, S. 10–16. 25 Bild am Sonntag vom 25.8.2002, S. 4 f.

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26 Die schlechteste Quote der »Elefantenrunde« im Jahr 1983 mit 11,80 Millionen Zuschauern konnten beide Duelle mit 12,45 bzw. 12,68 Millionen Zuschauern in Westdeutschland knapp überbieten. Zusammen mit den Zuschauern der neuen Bundesländer ergibt sich eine Sehbeteiligung von 15,06 bzw. 15,26 Millionen Zuschauern. Einschaltquoten zit.n. Zubayr, Camille/Gerhard, Heinz, Berichterstattung zur Bundestagswahl 2002 aus der Sicht der Zuschauer, S. 591. 27 Zit.n. Maurer, Marcus/Reinemann, Carsten, Schröder gegen Stoiber, S. 47. 28 Vgl. Bentele, Günter, Propaganda als Typ systematisch verzerrter öffentlicher Kommunikation, S. 102. 29 Zit.n. Rölle, Daniel/Müller, Petra/Steinbach, Ulrich W., Politik und Fernsehen, S. 101. 30 Laut Hofgrefe soll Regierungssprecher Heye Schröder ausdrücklich von der Fotoserie abgeraten haben. Doris Schröder-Köpf setzte den Termin aber gegen das BPA durch. Vgl. Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 37. 31 Hofgrefe, Jürgen, Gerhard Schröder, S. 62. 32 Meng, Richard, Der Medienkanzler, S. 33. 33 Vgl. Bannas, Günter, »Volkskanzler Schröder«, in: FAZ vom 28.3.2001, S. 1. 34 Aufgrund der Dauerkanzlerschaft Kohls wurde die Wahl allerdings zu einem Personenplebiszit gegen den amtierenden Kanzler. Vgl. hierzu Gabriel, Oscar W./Brettschneider, Frank, Die Bundestagswahl 1998. Ein Plebiszit gegen Kanzler Kohl?, S. 20 ff. 35 Vgl. Gleich, Uli, Die Bedeutung medialer politischer Kommunikation für Wahlen, S. 412. 36 Vgl. Fuhr Eckhard, »Meister der Inszenierung«, in: Die Welt vom 7.4.2004. 37 »Vom Staatenverbund zur Föderation – Gedanken über die Finalität der europäischen Integration«, Rede des Bundesaußenministers am 12.5.2000 in der HumboldtUniversität in Berlin. 38 Zit.n. Hellmann, Gunter, »Deutsche Wege« in der Außenpolitik, S. 32. 39 Erlanger, Steven, »German Leader’s Warning: War Plan Is a Huge Mistake«, in: New York Times vom 5.9.2002, S. A1. 40 Wörtlich zitiert aus dem Mitschnitt der ARD-Sendung »Berliner Runde« vom 18.9.2005. 41 Siebenmorgen, Peter/Simon, Ulrike, »Bild dir deinen Kanzler«, in: Der Tagesspiegel vom 12.2.2004, S. 3. 42 Grimberg, Steffen, »Das Ende des Medienkanzlers«, in: taz vom 4.3.2004, S. 14. 43 Jakobs, Hans-Jürgen, »Eine verlorene Liebe«, in: Süddeutsche Zeitung vom 6./7.3.2004, S. 20.

Angela Merkel – ein Ausblick 1 Vgl. Meldung bei Reuters Deutschland, 1.9.2006. 2 Vgl. »Kanzlerin Merkel macht die beste Öffentlichkeitsarbeit«, Pressemitteilung erschienen im Informationsdienst Wissenschaft (idw) am 27.6.2006. 3 Rolke zit.n. »Der spielerische Wandel zur Medienkanzlerin«, in: Hamburger Abendblatt vom 2.9.2006. 4 Zit.n. Priess, Frank, 2005 war vieles anders, S. 14.

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5 Vgl. Langguth, Gerd, Angela Merkel, S. 157. 6 Zit.n. Schley, Nicole, Angela Merkel, S. 49. 7 Vgl. Langguth, Gerd, Angela Merkel, S. 200 ff. 8 Vgl. Stock, Wolfgang, Angela Merkel. Eine politische Biographie. 9 Helmut Herles zit.n. Priess, Frank, 2005 war vieles anders, S. 13. 10 Vgl. »Die Physikerin der Macht«, in: Der Tagesspiegel vom 20.9.2005. 11 Vgl. »Die Fremde«, in: Spiegel Online, 11.10.2005 (URL:http://www.spiegel.de/ politik/deutschland/0,1518,379002,00.html). 12 Zit.n. »Angela Ohneland«, in: Welt am Sonntag vom 16.10.2005. 13 Zit.n. »Kampf, Wehmut, Selbstironie: Wie Gerhard Schröder seine letzten Wochen als Kanzler inszenierte«, in: Die Welt vom 21.11.2005. 14 Vgl. »Merkels Baumann«, in: Cicero, Dezember 2004, S. 76 f. 15 Vgl. »Ulrich Wilhelm: Blond, nicht blauäugig«, in : FTD vom 21.11.2005.

Schluss 1 Vgl. Schüle, Christian/Schwelien, Michael, »Aus Spaß ist Ernst geworden«, in: Die Zeit, 39/2002

Literatur

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Personenregister

Ackermann, Eduard 18, 79, 158ff., 166, 177, 181f., 184ff., 203f., 207, 209, 226, 290 Adenauer, Konrad, 10, 17f., 19, 22, 29f., 47ff., 95ff., 101, 103ff., 118ff., 122ff., 128, 131ff., 134, 137, 139, 141f., 144, 149ff., 154, 161f., 164, 167, 170ff., 174, 177, 180ff., 186f., 189f., 192, 195, 198, 201, 215, 219, 223f., 229, 231, 242ff., 261, 263, 270, 285ff., 292, Ahlers, Conrad 118ff., 136, 152 Anda, Béla 223ff., 229, 252 Anders, Karl 120 Appel, Hans 76 Augstein, Rudolf 68, 133 Bacher, Gerd 179, 181, 196, 236, 239, 290 Bahr, Egon 106, 118f., 152 Barzel, Rainer C. 80, 93, 153, 156, 263 Baumann, Beate 272f., 275, 281 Becker, Boris 241 Becker, Kurt 137 Bernard, Roy 74 Biedenkopf, Kurt 58, 159 Biolek, Alfred 179, 291 Bismarck, Otto von 48, 56, 128f., 170,

Blair, Tony 27, 113, 227, 237, 239, 245, 262 Blankenhorn, Herbert 52, 54, 67 Bloch, Ernst 107 Blüm, Norbert 214 Boenisch, Peter 138, 151, 160, 177f., 181, 194, 209, 290 Bohlen, Dieter 27 Böhmer, Maria 274 Bölling, Klaus 18, 118f., 136ff., 142, 144ff., 165f., 180, 223f., 255f., 288 Bourdin, Paul 151 Brandt, Willy 10, 17f., 23, 29f., 62, 66f., 80f., 85f., 90, 92, 99, 100ff., 134f., 138, 140f., 143, 149, 152f., 164, 167, 170, 172, 174, 180, 225, 234f., 236, 242, 253, 255, 287f., 293f. Braun, Sigismund von 83 Brender, Nikolaus 25f., Busche, Axel von dem 89 Bush, George W. 21, 89, 91, 153, 155, 250, 262 Carrell, Rudi 147, 214 Carstensen, Peter Harry 275 Carter, Jimmy 27 Chirac, Jacques 250 Christiansen, Eva 273ff. Christiansen, Sabine 227, 240, 275

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D IE K ANZLER UND DIE M EDIEN

Chruschtschow, Nikita Sergejewitsch 62, 89, 92, 101, 123 Churchill, Winston 71 Clark, Wesley 26 Clinton, Bill 113, 237f., 239, Curie, Marie 267 Dalton, Russel J. 58 Delius, Friedrich Christian 122 D’Estaing, Giscard 153 Diekmann, Kai 172, 225 Diehl, Günther 60, 82, 94, 99, 118, 136, 152 Douglas, Stephen A. 242 Dovifat, Emil 62, 90 Dreher, Klaus 192, 291 Dufhues, Josef Hermann 82 Dulles, John Foster 123 Durieux, Tilla 107 Eckhardt, Felix von 52ff., 59f., 80, 82, 84, 86, 95, 119, 136, 150f., 165f., 224 Ehmke, Horst 120 Eichel, Hans 236 Eisenhower, Dwight D. 24, 26, 71, 73, 83f., 91, 123 Erhard, Ludwig 17, 93ff., 115, 122, 140, 153, 189f., 247, 263 Esfandiari, Soraya 73 Feldmeyer, Karl 266 Fischer, Joschka 248ff. Frahm, Herbert 66, 85f., 103 Frankenfeld, Peter 107 Fritzenkötter, Andreas 18, 53, 159ff., 166f., 171f., 177f., 182f., 188f., 203ff., 231, 290f. Fukuyama, Francis 235

Garbe, Karl 104 Gasperi, Alcide de 71 Gauly, Thomas 275f. Gaus, Günter 118f. Geißler, Heiner 197 Genscher, Hans-Dietrich 146, 198 Gladstone, William 67 Globke, Hans 54, 79 Goebbels, Joseph 50f., 54, 83, 174, 298 Gorbatschow, Michail 173 Göring, Hermann 65 Gottschalk, Thomas 199, 215, 241, 256 Grabert, Horst 120 Gromyko, Andrei Andrejewitsch 119 Gross, Herbert 57 Gross, Johannes 96 Grunig, James E. 34 Gruson, Sidney 61 Güllner, Manfred 235 Guttenberg, Karl Theodor Freiherr von und zu 154 Habermas, Jürgen 33 Härtling, Peter 122 Hahne, Peter 274 Hallstein, Walter 54 Hannover, Georg V. von 56 Harpprecht, Klaus 18, 108, 110, 113, 118f., 121f., 123, 125ff., 225, 236 Hartz, Peter 229 Hauser, Otto 161, 219 Hausmann, Jürgen 267 Hausmann, Peter 161, 209 Hausmann, Willi 275 Heilmann, Thomas 276 Heine, Fritz 51, 102 Henkel, Hans-Olaf 280

P ERSONENREGISTER

Hesse, Reinhard 236 Heye, Uwe-Karsten 18, 223ff., 255ff. Hildebrandt, Dieter 107 Hintze, Peter 161f., 219 Hitler, Adolf 48, 51, 99, 125 Hochhuth, Rolf 122 Hohmann, Karl 93f., 96, 98 Holzamer, Karl 77 Hombach, Bodo 245 Hopkins, Harry L. 48 Hundhausen, Carl 57 Hunt, Todd 34 Hunzinger, Moritz 205 Jahn, Hans Edgar 55, 57, 64, 76, 88f. Jauch, Günther 177, 199 Johnson, Lyndon B. 92, 124 Kaschnitz, Marie Luise 107 Kauder, Volker 275 Kempski, Hans Ulrich 67, 109, 141 Kennedy, John F. 80, 84, 90, 92, 104f., 107ff., 111, 115, 123, 130 Kielmannsegg, Matthias Graf von 275 Kiesinger, Kurt Georg 9, 17, 60, 83, 93ff., 118, 153, 162, 189, 263f. Kießling, Günter 169, 174 King, Harold 61 Kirch, Leo 178, 214 Kissinger, Henry 133 Klarsfeld, Beate 99 Koch, Roland 153 Kocks, Klaus 275 Koeppen, Wolfgang 107 Kohl, Helmut 18, 29, 49, 53, 58f., 68f., 78ff., 96, 137, 145f., 157ff., 223, 225f., 229ff., 236, 239f., 244, 253, 263ff., 276, 289ff.

323

Korte, Friedrich H. 57 Kortner, Fritz 107 Kraske, Konrad 89 Kronacher, Michael 236 Krone, Heinrich 50 Krüger, Hardy 107 Krüger, Werner 60, 79f., 86f., 88f., 93, Küffner, Hanns 119 Kulenkampff, Hans-Joachim 107 Kurbjuweit, Dirk 264 Lafontaine, Oskar 215, 218, 230, 247 Lazarsfeld, Paul F. 42f. Lenz, Otto 51f., 54f., 59, 61, 64, 74, 79ff., 86 Lewis, Flora 61 Liepelt, Klaus 121 Lincoln, Abraham 242 Long, Wellington 61 Löwenthal, Gerhard 114, 200 Löwenthal, Richard 126 Luce, Henry 61 Lütkens, Gerhard 61 Machiavelli, Niccolò 267 Machnig, Matthias 237ff., 247 Maizière, Thomas de 275 Mandelson, Peter 27, 113, 227, 245, 301 Mann, Golo 121, 129 Mannstein, Coordt von 183, 205f., 236, 267 Martini, Paul 48 Matthäus, Lothar 27 Meiser, Hans 178, 188, 212f., 291 Meng, Richard 15, 258f. Merkel, Angela 10, 17ff., 97, 150, 183, 233, 257, 262ff. Mertes, Heinz Klaus 178

324

D IE K ANZLER UND DIE M EDIEN

Mertes, Michael 189 Meysel, Inge 107 Mitterand, François 173 Mondale, Walter 116 Morris, Dick 27, 113, 238, 301 Müller, Albrecht 111f. Müller, Hildegard 274 Müller, Konrad R. 172 Müller, Werner 96 Müller-Vogg, Hugo 177 Müller-Westernhagen, Marius 241 Müntefering, Franz 245 Neubert, Erhard 265 Neumann, Erich Peter 55, 74f. Nixon, Richard 24f., 92, 115, 123, 153 Noelle-Neumann, Elisabeth 55, 74, 112, 181, 235 Nowottny, Friedrich 196 Oeckl, Albert 35, 57, 79 Ollenhauer, Erich 103 Ost, Friedhelm 194 Piëch, Ferdinand 231 Piscator, Erwin 107 Pofalla, Ronald 275 Postman, Neil 23, 44, 135, 143, 148 Radunski, Peter 27, 163 Rapp, Alfred 49 Reagan, Ronald 26, 116f., 146f., 173, 239, 296 Reeves, Rosser 24 Reiter, Udo 177 Reuth, Ralf Georg 172 Rice, Condoleezza 262 Röber, Udo 225 Rühl, Lothar 137 Rüttgers, Jürgen 275

Salinger, Pierre 80, 108 Sauer, Joachim 270, 273 Schäffer, Fritz 52 Scharping, Rudolf 69, 171, 248 Schäuble, Wolfgang 218, 265f. Schavan, Annette 274 Scheel, Walter 117, 144 Schmidt, Carlo 90 Schmidt, Harald 241, 256 Schmidt, Helmut 18, 83, 119, 134ff., 168, 174f., 230, 234, 248, 255, 272, 284, 288f., 291 Schmidt-Deguelle, Klaus-Peter 204, 206, 236, 275 Schreiber, Karlheinz 265f. Schreiner, Hannes 158 Schröder, Gerhard 10, 15, 17f., 21, 28, 40, 46, 65, 68f., 83, 96, 106, 111, 113, 117, 129f., 133, 135, 138, 141, 146, 150, 161f., 167, 180, 191, 195, 198f., 207, 214ff., 218, 221ff., 263f., 268ff., 275, 279f., 287, 289ff. Schröder, Hiltrud 230 Schröder-Köpf, Doris 270 Schüler, Manfred 136 Schumacher, Kurt 66 Schuman, Robert 71 Schütz, Klaus 104ff., 108f., 120, 130, 288 Schwarzenegger, Arnold 26 Sommer, Theo 167 Spreng, Michael 204, 207 Springer, Axel 138 Steg, Thomas 275 Steinmeier, Frank-Walter 224 Stock, Wolfang 267, 282 Stoiber, Edmund 149f., 153, 225, 242, 244, 247, 252, 267f., 273f., 277 Stoph, Willi 124

P ERSONENREGISTER

Strauß, Franz Josef 99, 141, 145f., 247, 274 Strobel, Robert 49 Struve, Günter 106 Stücklen, Richard 85 Thiel, Ernst 57 Thoma, Helmut 177 Tietje, Hans-Hermann Tinschmann, Peter 57, 60, 87f., 92 Tirpitz, Alfred 36 Todenhöfer, Jürgen, 155 Trebtisch, Gyula 139, 146 Truman, Harry 61 Turner, Sebastian 276 Twardowski, Fritz 99 Ventura, Jesse 26 Villepin, Dominique de 250

325

Vogel, Bernhard 175 Vogel, Dieter 194 Warnke, Rudolf 141 Weber, Juliane 159, 185, 212 Weber, Max 67, 111 Wechmar, Rüdiger von 120, 136 Wehner, Herbert 155 Wilhelm, Ulrich 18, 267f., 274f., 277ff. Wischnewski, Hans-Jürgen 136 Wonka, Dieter 196 Wörner, Manfred 169, 174 Wössner, Mark 177 Wyszynski, Stefan 80 Yi, Wu 262