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German Pages 188 Year 1999
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Christmann Die Blüte des Yoga
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Volker Christmann
Die Blüte des
Yoga Wie man die Lebenskraft erweckt, entfaltet und erhält
Scanned by Yogi
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ATLANTIS wird herausgegeben von Hans Christian Meiser.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Christmann, Volker: Die Blüte des Yoga : wie man die Lebenskraft erweckt, entfaltet und erhält / Volker Christmann. - Kreuzungen ; München : Hugendubel, 1999 (Atlantis) ISBN 3-89631-330-4 © der Photos (Gerhard Tröster) und Zeichnungen (Yogi Vikashananda/ Deepak Joshi) Volker Christmann © Heinrich Hugendubel Verlag, Kreuzungen/München 1999 Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Zembsch’ Werkstatt, München Produktion: Tillmann Roeder, München Satz: Design-Typo-Print GmbH, Ismaning Druck und Bindung: Kösel, Kempten Printed in Germany ISBN 3-89631-330-4
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INHALT Irrungen, Wirrungen - Wie alles anfing
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Ein Wort zuvor
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Die achtblättrige Blüte des Yoga
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Die »Äußere Disziplin« des Yoga Die »Innere Disziplin« des Yoga Die Körperhaltungen Der Hauch Gottes Das Zurückziehen der Sinne Die Blüte des Yoga Das Fokussieren des Geistes
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Die Praxis beginnt
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Kurzer Abriss einer »Yoga-Anatomie« Zehn Tipps für die richtige Yoga-Praxis Reinigungsübungen Die vollständige Darmreinigung Die kurze Darmreinigung Die aufrechte Stellung Die Baum-im-Wind-Stellung Die Hüftdrehung 36 Die Sich-windende-Kobra Die Unterleibsmassage Reinigungsübungen für die tägliche Praxis Das Reinigen des Verdauungstraktes Die Mund- und Rachenreinigung Die Kontraktion des Bauches Die Feuerreinigung Das Reinigen der Nase Die Magen-Darm-Massage Die Kombination von >Feuerreinigung< und >Magen-Darm-Massage< Der scheinende Schädel
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Die Reinigung der Augen
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Die Enddarmreinigung. Aufwärmübungen Die Aufwärmübungen des nackten Heiligen Froschübung Holzhacken Rudern Wippen/Drehen
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Krähensitz. Die Aufwärmübungen der Bihar School of Yoga
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Beinkreisen Radfahren Der halbe Pflug Die gaslösende Stellung
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Der Gruß an die Sonne
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FÜR EINSTEIGER Körperhaltungen - Asanas
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Übungen im Liegen.. Übungen in der Rückenlage. Die Totenstellung Die umgekehrte Haltung. Das Boot. Die Kopf-Knie-Stellung Die schiefe Ebene Übungen in der Bauchlage Entspannung in der Bauchlage Die Kobra Die halbe Heuschrecke Übungen im Sitzen Der Diamantsitz Der Löwe Die Katze Die Verneigung Der Schmetterling. Das Lokalisieren des Wurzelzentrums Die leichte Stellung. Übungen im Stehen Die aufrechte Stellung
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Die Baum-im-Wind-Stellung. Die Hüfidrehung. Die Hand-Fuß-Stellung
Die Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft - Pranayama Die vollständige Yoga-Atmung Zehn Regeln zur Erweckung und Entfaltung der Lebenskraft. Der scheinende Schädel Die Wechselatmung.
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FÜR FORTGESCHRITTENE Körperhaltungen - Asanas
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Übungen im Liegen. Übungen in der Rückenlage Der Schulterstand. Der Pflug. Die Brücke Der Fisch Die gedrehte Kopf-Knie-Stellung.
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Die Kombination von >Heldenstellung< und >Stock
StuteDammverschluss< und >Donnerkeil< Der Verschluss der Zunge
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Das Siegel des Yoga Das Siegel der psychischen Quelle Schlusswort Anhang Übungsreihen Der Sinn einer Asanas-Reihe Die Asanas-Reihe von Rishikesh Die Asanas-Reihe nach Swami Satyananda Saraswatiji (Bihar School of Yoga) Die Asanas-Reihe nach lyengar Der Zyklus des >nackten Heiligen< Die Asanas-Reihe von Lal Bahadur Basnet aus Sikkim. Für besonders Eilige. Glossar Anmerkungen Bibliographie Register
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IN TIEFER DANKBARKEIT MEINEM VIEL ZU FRÜH VERSTORBENEN LEHRER UND FREUND, LAL BAHADUR BASNET AUS SIKKIM .
»Sät eva idam agre asit, ekam eva advitiyam. Tat twam Ast. Aham Brahmasmi. Ayam AtmanBahman ...« Mahavakyas der Upanishaden
»Wahrlich nur seiend war jenes am Anfang, Eines ohne Zweites. Das bist du. Ich bin Brahman. Dieses Selbst ist Brahman ...» OM
SHANTI,
SHANTI,
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SHANTI
...
Irrungen, Wirrungen - Wie alles anfing Wie alles anfing? - Nun, jedenfalls lange, lange vor unserer Zeit. Glaubt man indischer Weisheit, so ist unser gegenwärtiges Leben nur eines von vielen, ein unscheinbarer Ausschnitt aus einem beinahe unendlichen Kontinuum von Raum und Zeit, ein winziger Tropfen im Ozean des Seins. Mein erstes Erinnern in diesem Leben, das etwas - wenn auch dem ersten Anschein nach nur entfernt - mit Yoga zu tun hat, ist ein Bild, das mir stets gegenwärtig ist. Ich mag wohl an die zwei oder drei Jahre alt gewesen sein und lag in einem Gitterbettchen im Schlafzimmer meiner Großeltern. Es waren dies recht christliche Leute, und so hing in jedem Zimmer ein hölzernes Kruzifix mit dem Gekreuzigten. Blutüberströmt lag sein dornengekröntes Haupt auf der rechten Schulter; ausgezehrter Körper, Nägel durch Hände und Füße, eine klaffende Wunde, wo der Speer den Leib zerfraß; so hing es mir unauslöschlich vor Augen: das menschliche Sein. Ich streckte die Arme durch die Gitterstäbe des Bet- tes und ahmte diese seltsame Haltung nach, lag so Stunde um Stunde und ließ mich nicht dazu bewegen aufzustehen, bis die Schatten des Abends langsam das Zimmer füllten. Das weitere Erinnern an meine Jugend ist recht schemenhaft, traumverlo-ren. Hin und wieder taucht ein Bruchstück auf - mein Interesse für Reli-gion, die Faszination Asiens - doch bald wurde anderes wichtiger, schob sich in den Vordergrund: Freunde und Schule, Mädchen und Musik... Mit fünfzehn dann - die »wilden 68er« hingen schon als Ahnung großer Umwälzungen in der Luft - empfahl mir mein damaliger Spiritus rector in literarischen Dingen ein Buch: Jack Kerouac: Gammler, Zen und hohe Berge. Ich hatte das Komma übersehen - seit jenen Tagen weiß ich, wie wichtig manchmal ein einziges Zeichen sein kann -, und so hielt ich Zen für einen Namen und das Buch für irgendeine Geschichte a la Enid Blyton. Doch noch nie hatte mich der Rat des Freundes bisher getrogen - sein älterer Bruder studierte sogar in Berlin, war Mitglied der APO! -und so machte ich mich mit gemischten Gefühlen über den kleinen Band her. Von da ab sollte mich Asien und seine Philosophie nicht mehr loslassen. Jenseits aller unterschiedlichen philosophischen Syste-me, unterschiedlicher Schulen des Geistes und des Körpers, schien mehr Gemeinsames zu liegen als Trennendes, ein gemeinsamer
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Ursprung: das Wissen über die Kraft, die allem Leben zu Grunde liegt, alles Leben erhält. So bezeichnen die klassischen indischen Schriften jedes Lebewesen als Pranin, >eines, das Prana besitzt< -jene Lebensener-gie, die die Weisen unter so vielen Namen preisen. Sie ist im Atem, ohne doch Atem zu sein, in der Nahrung und ist doch nicht die Nah-rung selbst, sie ist in jedem Sonnenstrahl, ohne doch Licht zu sein... So berichtet die Chandogya-Upanishadeüber das Gespräch zwischen dem Weisen Uddalaka Aruni und seinem Sohn Shvetaketu: » Verlässt aber der Lebenssaft einen Ast, dann verdorrt er. Verlässt er einen zweiten und dritten Ast, so verdorren auch diese. Verlässt er aber den ganzen Baum, dann verdorrt der ganze Baum. Ganz so verhält es sich beim Menschen. Wenn ihn die Lebensenergie verlässt, dann stirbt er. Diese Lebensenergie aber stirbt nicht. Was dieses äußerst Subtile angeht, daraus besteht die ganze Welt, das ist das Selbst, das bist du, Shvetaketu...« »Jjring mir von da eine Frucht des Nyagrodhabaumes!« »Hier ist sie, Ehrwürdiger.« »Spalte sie!« »Ja, Ehrwürdiger. Jetzt ist sie gespalten.« »Was siehst du darin?« »Ganz feine Körner, Ehrwürdiger.« »Spalte eines von ihnen!« »Es ist gespalten.« »Was siehst du darin?« »Nichts, Ehrwürdiger.« L)a sprach Uddalaka Aruni: »Dieser feinste Stoff, den du nicht wahrnimmst, am dem besteht der große Nyagrodhabaum. Dieser feinste Stoff durchzieht das All, das ist das Wahre, das Selbst, das bist du (Tat Twam Asi), Shvetaketu.« Sinn all unserer Yoga-Übungen ist es, diese Lebensenergie zu erwecken, zu entfalten und zu erhalten, denn: »Gott schläft in den Steinen, atmet in den Pflanzen, träumt in den Tieren und erwacht im Menschen.«
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Ein Wort zuvor Noch ein Yoga-Buch? Gibt es davon nicht wirklich schon genug? Immer wieder stellte man mir diese Frage, stellte ich sie mir selbst. Die Antwort lautet: Ja, es gibt wirklich schon viele, zu viele vielleicht. Doch trotz alle-dem reizte es mich, dieses Buch zu schreiben. Und natürlich glaube ich, dass sich dieses Buch von anderen unterscheidet, etwas Eigenes, Persön-liches hat. Bewusst habe ich in diesem Buch - soweit dies möglich war - auf die indische Terminologie verzichtet, obwohl diese meist exakter ist und auch kaum in eine Sprache des Westens übertragen werden kann. Stel- lenweise kommt man jedoch wirklich nicht ohne sie aus, wenn mir auch immer wieder versichert wurde, sie trage eher zu Verwirrung und Er-müdung bei, und Namen seien nichts anderes als Schall und Rauch... Die Illustrationen zu diesem Yoga-Buch stammen von einem buddhis-tisch-nepalesischen Yogin und Maler. Um eine gewisse Einheit und Ein-heitlichkeit zu erhalten, habe ich deshalb an mancher Stelle zur Erläute-rung auch auf Zitate BUDDHAS zurückgegriffen, empfinde ich ihn doch als das Urbild des Yogin schlechthin. Dies ist jedoch kein buddhistisches Yoga-Buch, Yoga ist unabhängig von Alter, Geschlecht oder Religion. Wie Lal Bahadur Basnet, den ich einmal nach seiner Religion gefragt hatte, antwortete: »Ich bin Yogin! Und Yoga beginnt, wo alle Religion endet.« Durch »Zwei Siebe« gingen die Übungen in diesem Buch: zum einen durch das >Sieb des Wissens< meiner indischen und nepalesischen Yoga-Freunde und -Lehrer, die die einzelnen Übungen auf ihre Übereinstim-mung mit der traditionellen Yoga-Lehre hin »durchleuchteten«; zum an-deren durch das >Sieb der Praxis< mit meinen meist westlichen Schülern. Selbstverständlich erhebt dieses Buch keinen Anspruch auf Vollständig-keit, gibt es doch der Überlieferung nach 8 400 000 Körperhaltungen (Asanas), werden in den klassischen YogaSchriften allein über 84 000 Körperhaltungen erwähnt! Doch: viele ähneln sich, manche tragen nur verschiedene Namen, einige dienen der Heilung bestimmter Krankhei-ten, andere wohl einzig und allein der wahrhaft kindlichen Freude,
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scheinbar Unmögliches zu erreichen. Doch, wie mir einer meiner indi-schen Lehrer einmal sagte: »Du kaufst auch nicht alle Medikamente, wenn du in die Apotheke gehst!« Doch was ist nun eigentlich das Ziel des Yoga? - Die Vorbereitung von Körper, Geist und Seele auf den bewussten Schritt in das reine, klare Licht der Freiheit, das bewusste Öffnen des Käfigs aus Raum und Zeit, der uns in scheinbar endlosem Kreislauf aus Geburt und Tod und neu-erlicher Geburt (Samsara) gefangen hält. Kein heimliches Davonstehlen, keine Flucht, wie ein Dieb in der Dunkelheit - vielmehr der bewusste Schritt zu wahrem Mensch-Sein, von dem alle Religionen künden. Selbst die Götter müssen nach indischem Glauben als Menschen wieder geboren werden, um diese Kausalkette zu sprengen. Nur der Mensch als »Krone der Schöpfung« ist mit seinem hoch entwickelten Nervensys-tem dazu in der Lage. Welche Verheißung! Welches kostbare Geschenk, als menschliches Wesen geboren zu sein! Und wie wenig nützen dies viele! »All I wanna do, is have some fun!« - Welch armseliges Credo weiter Teile einer Generation... Doch, wie Swami Shivananda einmal sagte: »Eine Unze Praxis ist mehr wert als eine Tonne Theorie!« Und so ist Yoga etwas, das getan werden muss, regelmäßig, um Nutzen daraus zu ziehen. Es geht nicht darum, eine bestimmte Übung zu »beherrschen«, um sie dann wieder aufzuge-ben. Akrobatisches, Außergewöhnliches, Spektakuläres - so schön es auch aussehen mag - ist keinesfalls notwendig, um die segensreichen Auswirkungen dieser uralten Tradition zu erfahren, nur Ausdauer und Regelmäßigkeit. Wie dies ein japanischer Meister, nachdem er einem Schüler eine Übung erklärt hatte, einmal formulierte: »Übe diese Positi-on nun dreißigtausend Mal, und - gib dir Mühe.« WAS ABER IST YOGA ?
Die Wurzeln des Yoga verlieren sich in der grauen Dämmerung vorge-schichtlicher Zeit. Schon Skulpturen in den uralten Ruinenfeldern Harappas und Mohenjo Daros (am Unterlauf des Indus im heute zu Pakis-tan gehörenden Teil des Punjab) zeigen Personen in Yoga-Positionen. Schriftlich niedergelegt und systematisiert wurde dieser Weg zum Selbst, zur letztendlichen Freiheit, zum ersten Mal vor etwa 2000 Jahren vor al-lem in den berühmten Lehrsätzen (Sutras) des Patanjali (ca. 2. Jhd. v. Chr. oder nach anderen Quellen viertes nachchristliches Jahrhundert). In der Hatha Yoga Pradipika des Svatmarama (16. Jhd.), der Shiva Samhita und der Gheranda Samhita wurden die Grundlagen des HathaYoga fixiert. All diesen Schriften ist eines gemeinsam: Sie stellen Yoga als eine kör-perlich-geistig-seelische Gesamtheit dar. Auch wenn wir hier scheinbar
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einen eher körperorientierten Ansatz pflegen: das Ziel des Yoga ist letzt-endlich ein spirituelles: die endgültige Befreiung aus dem Kreislauf von Geburt und Tod (Mofaha). Das Wort Yoga leitet sich von der Sanskrit-Wurzel >Yuj< ab, was so viel bedeutet wie >zusammenschirrenvereinenJoch< etymologisch nahe stehend. Yoga bedeutet also die Vereinigung des »kleinen, individuellen Selbst« mit dem »Höheren Selbst«, des Mi-krokosmos mit dem Makrokosmos. Doch beginnen leider schon mit der Verbform des Wortes >yuj< die Probleme, Missverständnisse und Verwir-rungen. Findet das Substantiv >Joch< noch allgemeine Verwendung, so wird das Verb >jochen< nur noch landschaftlich verwendet. Viel gebräuchlicher sind jedoch die davon abgeleiteten Formen >anjochenunterjochen< ... Verbindet sich also für die einen mit dem Begriff Yoga ein sanftes Vereinen in vollkommener Harmonie, bedeutet er für die anderen ein Unterjochen des Körpers durch den Geist. Seit Tausenden von Jahren wird der Weg des Yoga weitergegeben, vom Lehrer zum Schüler, der selbst nach Jahren der Praxis zum Lehrer wird. Seit Tausen-den von Jahren... Unzählbar wie die Sandkörner an den Ufern der Ganga (in Indien sind Flüsse weiblich, daher: die Ganga) sind deshalb all die unterschiedlichen Yoga-Schulen und -Wege, und doch gibt es vier Hauptwege, die all die unter-schiedlichen Schulen und Systeme anerkennen: # Bhakti-Yoga, # Jnana (Gyana)-Yoga, # Karma-Yoga, # Raja-Yoga. Man sollte sich allerdings darüber im Klaren sein, dass diese Hauptströ-me eine Vielzahl von Untergliederungen haben, die alle in den großen Strom des Yoga münden. So gibt es zum Beispiel (um nur einige zu nen-nen): # Kundalini-Yoga (Yoga der Erweckung der Lebensenergie und deren Führung zu ihrem höchsten Gipfel), # Swara-Yoga (Vereinigung mit dem Absoluten durch den eigenen Atem), # Laya-Yoga (Yoga der Vereinigung mit dem höchsten Bewusstsein), # Nada-Yoga (Yoga klanglicher Schwingungen).
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All diese Begriffe sind in der heutigen Yoga-Terminologie im Umlauf, so dass sich der Sucher - wenn es ihm an einem geeigneten Führer oder Guru mangelt • häufig hoffnungslos verirrt. Hier sollen deshalb zunächst einmal die vier Hauptzweige des Yoga kurz beschrieben werden: Bhakti-Yoga. Bhakti bedeutet >VerehrungHingabeKenntnisWissen< - Kenntnis der Schriften. Das Studium der heiligen Schriften und die Gestaltung des eigenen Lebens nach ihren Lehren mit unermüdlicher Hingabe führt zur Entwicklung der Intuition - und diese Tür führt zum inneren Heiligtum der Spiritualität. Die Veden1 und ihre Krone, die Upanishaden 2 bilden die Sammlung der heiligen Schriften, denen vielleicht noch die Bhagavad Gita3 hinzugefügt werden kann. Es gibt zehn Haupt-Upanishaden; diese werden zu Füßen (upa ni shad) eines kompetenten Guru erlernt und führen den Sucher auf den Weg der Vereinigung mit dem Göttlichen. Dieser Weg ist wohl am ehesten der westlichen Philosophie ähnlich. Karma-Yoga. Karma-Yoga ist der Yoga des Handelns, der >Weg der TatRittern der Barmherzigkeit vergleichbar. Wer diesem Yoga-Pfad folgt, führt Handlungen aus - ethisch richtige Handlungen -, ohne an den Früchten seines Handelns zu hängen. Die Bhagavad Gita gilt als die höchste Autorität des Karma-Yoga. Die Quintessenz des Karma-Yoga ist in zwei berühmten Strophen (Shlokas) der Gita enthalten, die man folgen-dermaßen übersetzen könnte: »Das Werk zu tun sei dein Beruf, Nicht kümmre dich’s, ob es gelang, Begehre nie der Taten Frucht, Doch fröne nicht dem Müßiggang. Ergebungsvoll tu jedes Werk Und frei von irdischer Begier, Ob gut, ob schlecht der Ausgang sei; Bewahre stets den Gleichmut dir.«4
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Raja-Yoga. Raja bedeutet >KönigGurus< weiterverbreitet wurde, eine im-mer größere Anzahl von Anhängern auf der ganzen Welt - in Ost und West - gewinnt, bedeutet Yoga für die überwiegende Mehrheit der Menschen meist nichts anderes als die Ausübung von Asanas (Körper-haltungen) und Pranayamas (Atemübungen). Damit beschränkt sich Yoga für viele auf zwei Zweige des Raja- oder Ashtanga-Yoga. Tatsächlich sollte das meiste, das unter dem allumfassenden Namen Yoga gehandelt und verbreitet wird, Hatha-Yoga genannt werden. Und da auch wir uns hier vor allem mit dem Hatha-Yoga befassen, sollten wir einen kurzen Blick darauf werfen, was Hatha-Yoga wirklich ist. Auf den ersten Blick erscheint es so, als umfasse Hatha-Yoga nur einen kleinen Ausschnitt des Raja-Yoga. In Wirklichkeit hat sich Hatha-Yoga -richtig praktiziert zu einem vollständigen und eigenständigen System entwickelt. Deshalb betrachten viele Menschen Raja-Yoga und Hatha-Yoga nicht nur als zwei völlig unterschiedliche Systeme, sondern gerade-zu als nicht zu vereinbarende Gegensätze. Für diese Menschen bedeutet Raja-Yoga >geistiger YogaVollkommene Stellung< (Siddhasa-na). Die Beherrschung dieser Stellungen (Asanas) erfordert ein hohes
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Maß an Geschmeidigkeit und Stärke des Körpers; und eine dieser Stel-lungen »ohne Anstrengung und bequem« über die gesamte Dauer der Meditation - also ein bis drei Stunden oder mehr - einzuhalten, war keine geringe Leistung und wohl auch kaum von einem schwächlichen, ungeübten Menschen zu vollbringen; hierzu benötigte man einen star-ken Körper. Deshalb mussten die Stellungen (Asanas) und Atemübungen (Pranayamas) des Raja-Yoga sehr ernst genommen werden, wenn das gewünschte Ziel erreicht werden sollte. Eine hohe Fertigkeit in der Aus-führung der Stellungen und Atemübungen war daher Grundvorausset-zung - und ein Yoga-Aspirant musste hart dafür arbeiten. Der Irrtum, Hatha-Yoga sei der >Yoga des Körpers< und nicht der des Gei-stes, hat seine Wurzeln in der Ignoranz der Betrachter. Das Wort Hatha wird eigentlich aus zwei Keimsilben (Bija Mantras) gebildet: >Ha< und >ThaYoga des GeistesYoga des KörpersAchtgliedrigen YogaAchtgliedrige Yoga